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German Pages 313 Year 2004
Schriften zum Internationalen Recht Band 143
Mass Toxic Torts: Zum Problem der kausalen Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden Eine rechtsvergleichende und interdisziplinäre Studie
Von
Christian Seyfert
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
CHRISTIAN SEYFERT
Mass Toxic Torts: Zum Problem der kausalen Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden
Schriften zum Internationalen Recht Band 143
Mass Toxic Torts: Zum Problem der kausalen Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden Eine rechtsvergleichende und interdisziplinäre Studie
Von
Christian Seyfert
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Juristische Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg hat diese Arbeit im Jahre 2002 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information Der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
D29 Alle Rechte vorbehalten # 2004 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fremddatenübernahme: L101 Mediengestaltung, Berlin Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten (Allgäu) Printed in Germany ISSN 0720-7646 ISBN 3-428-11460-4 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Gewidmet der deutsch-amerikanischen Freundschaft
„Wird’s besser? Wird’s schlimmer?“ fragt man alljährlich. Seien wir ehrlich: Leben ist immer lebensgefährlich. (Erich Kästner, Epigramm „Zum Neuen Jahr“ (1932))
Proof Some people gonna call you up Tell you something that you already know Proof Some people go crazy on you Say „No man that was not The deal we made I got to, I got to, I got to“ Faith Faith is an island in the setting sun But proof, yes Proof is the bottom line for every one (Paul Simon, aus dem Song „Proof“ seines Albums „The Rhythm Of The Saints“ (1990))
There is occasion and causes, why and wherefore in all things (William Shakespeare, aus „King Henry V“ (entstanden um 1599)).
Alles sollte so einfach wie möglich gemacht werden, aber nicht einfacher. (Albert Einstein)
Geleitwort Toxische Massenschäden zählen zu Zivilisationserscheinungen, die zwar nicht neuartig sind, die aber in ihrer Dimension eng mit den besonderen Lebensumständen der Gegenwart zusammenhängen. Sogenannter „Elektrosmog“ z. B. zählt jedenfalls in der Wahrnehmung zu den neuartigen Phänomenen. Globale Verbreitung von Produkten oder Umweltemissionen mit unbekannter Streu- bzw. Langzeitwirkung, Nutzung einer großen Produktvielfalt mit ungeklärten Wirkungsinterferenzen und vieles mehr können Schäden verursachen, deren personelle und finanzielle Dimension den Rahmen herkömmlicher Deliktshaftung sprengt. Die Grundnormen deliktischer Haftung leiten sich hingegen aus vergleichsweise überschaubaren Haftungsfällen – historisch oft auf der Grundlage vorsätzlich begangener Delikte – ab. Die vielbeklagte Überforderung der sozialen Sicherungssysteme in Deutschland legt es nahe, nach Haftungsregimes zu suchen, die eine möglichst effiziente Schadensabwicklung, eine möglichst präzise Belastung des potentiellen Schädigers mit Ersatzpflichten und damit möglicherweise auch optimale Präventionswirkung gewährleisten. Hierzu ist es erforderlich, zunächst die Besonderheiten der Fallagen toxischer Massenschäden herauszuarbeiten, welche mit dem vorhandenen gesetzlichen Instrumentarium (insbesondere § 830 BGB) nur unzulänglich zu bewältigen sind. Daß es sich hierbei um Fälle besonderer rechtspolitischer Brisanz handelt, zeigen die Diskussionen um Contergan-Geschädigte, die Opfer AIDS-verseuchter Blutkonserven oder aktuelle Rechtsstreitigkeiten um die Schadenswirkungen von in Wohnhäuser eingebrachten Lösungsmitteln. Die rechtliche Untersuchung muß sich fast zwingend von der schon weit entwickelten Diskussion insbesondere in den USA inspirieren lassen. Gerade dort ist die Frage zivilrechtlicher Haftung in solchen Fällen schon seit langem relevant, weil anders als in Deutschland ein erheblicher Teil der Bevölkerung keinen oder nur völlig unzureichenden Sozialversicherungsschutz genießt und deshalb im Schadensfall existentiell auf zivilrechtliche Ersatzansprüche angewiesen ist. Der rechtsvergleichende Ansatz, den der Verfasser gewählt hat, ist von ganz unmittelbarem praktischen Nutzen. Hierbei betritt er in wesentlichen Passagen Neuland, obgleich naturgemäß viele Einzelaspekte bereits in Einzelkapiteln von Monographien, Aufsätzen oder Kommentaren angesprochen wurden. Entscheidend ist schließlich die Verknüpfung mit Erkenntnissen aus anderen Disziplinen; der Verfasser weist zu
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Geleitwort
Recht darauf hin, daß „das Recht hier nur so gut sein kann wie die Mittel, die ihm bei seiner praktischen Umsetzung zur Verfügung stehen“. In den inhaltlichen Hauptteilen unterscheidet der Verfasser klug zwischen zwei unterschiedlichen Problemlagen. Zum einen wendet er sich den Rechtsproblemen zu, die sich aus der unaufklärbaren Wirkung eines von mehreren Risikofaktoren im konkreten Schadensfall einschließlich der Latenzproblematik („Medical Causation“) ergeben. Zum anderen behandelt er Probleme, die aus der unaufklärbaren Schadensverursachung bei mehreren in Betracht kommenden Schädigern („Legal Causation“) sowie aus einer Kombination beider Problemlagen resultieren. Die Arbeit besticht durch einen transparenten Aufbau und eine klare Gedankenführung in unprätentiöser Sprache. Lebenssachverhalte, rechtspolitische Erwägungen und Rechtsanwendung werden stets zueinander in Beziehung gesetzt. Damit gelingt dem Verfasser eine wirkliche Synthese statt einer nicht selten anzutreffenden bloßen Aneinanderreihung von Gedanken und Erkenntnissen. Der Verfasser hat sich nicht gescheut, Klärung mit Hilfe benachbarter Disziplinen zu suchen, sich aber auch nicht von einem gelegentlich zu beobachtenden Überschwang hinreißen lassen, Erkenntnisse kritiklos auf die zur Lösung anstehenden Rechtsfragen zu übertragen. Inhaltlich hervorstechend ist insbesondere die äußerst sorgfältige und luzide Aufarbeitung der „Medical Causation“, für die der Verfasser einen plausiblen Lösungsansatz entwickelt. Auch die Bearbeitung der Legal Causation ist gründlich und überzeugend ausgefallen. Die Qualität der vorliegenden Arbeit zeigt sich auch darin, daß der Verfasser sein Konzept auf Praxistauglichkeit überprüft. Hierin liegt nicht zuletzt die Überzeugungskraft des von ihm gewählten Ansatzes. Folgerichtig schöpft der Verfasser eine Fülle von Ansätzen aus unterschiedlichen Disziplinen aus, um die bislang vorherrschenden, eher grobschlächtigen beweisrechtlichen Maßstäbe einer differenzierteren Betrachtung zuzuführen. Nicht zuletzt leistet die Arbeit einen bedeutsamen Beitrag zur immer noch sehr umstrittenen Thematik der Prävention durch Zivilrecht, dazu auch zur Fortentwicklung des Schadensrechts insgesamt. An einer wichtigen Stelle hat der Verfasser aufgezeigt, daß das bipolare Denken, welches das Zivilrecht noch weithin beherrscht, dort versagen muß, wo nicht mehr Schädiger und Geschädigter Aug’ in Aug’ aufeinandertreffen, sondern eine Vielzahl möglicher Schädiger und Geschädigter in individuell unaufklärbarer Weise miteinander verbunden sind. Wissenszurechnung in Großeinheiten, komplexe Vertragsstrukturen und eben auch Massenschäden sind neuartige Herausforderungen, für deren Bewältigung das juristische Instrumentarium behutsam, aber auch konsequent neu sortiert werden muß. Die vorliegende Arbeit leistet hierzu einen bedeutsamen Beitrag. Erlangen, im Januar 2004
Mathias Rohe
Vorwort Die vorliegende Arbeit beruht auf meiner Dissertation, die im Wintersemester 2001/02 von der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der FriedrichAlexander-Universität Erlangen-Nürnberg angenommen wurde. Die erste Anregung für die grundlegende Bearbeitung des vorliegenden Themas erhielt ich von Herrn Prof. Dr. iur. Mathias Rohe, M.A., Richter am OLG, dem ich neben seiner Betreuung der Arbeit als Erstgutachter für die fachliche und persönliche Förderung von ganzem Herzen danken möchte. Er hat mir in großzügiger Weise Gelegenheit gegeben, in ein dem deutschen Rechtskreis noch weitgehend unergründetes Thema einzutauchen und den Wert rechtsvergleichender Tätigkeit gerade in Fragen aktuellster Rechtsproblematik zu erkennen. Seine stets offene, freundliche und auf mein persönliches Wohl bedachte Art sowie sein schier endloser – und keineswegs nur juristischer – Sachverstand machten mir die Arbeit zu einem unvergeßlichen Vergnügen. Danken möchte ich auch Herrn Prof. Dr. (Harald Herrmann), der die Arbeit als Zweitgutachter beurteilt hat. Besonders hervorheben möchte ich ferner die selbstlose Aufnahmebereitschaft sowohl des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht in Hamburg als auch des Max-Planck-Instituts für ausländisches öffentliches Recht und Völkerrecht in Heidelberg, die mir bei Bedarf stets offenen Einblick in ihren reichhaltigen Fundus an US-amerikanischer Judikatur und Rechtsliteratur gewährt und damit die Bearbeitung des vorliegenden Gegenstandes maßgeblich gefördert haben. Zu Dank verpflichtet bin ich nicht zuletzt auch dem Verlag Duncker & Humblot für die verlegerische Betreuung. San Francisco, im Januar 2004
Christian Seyfert
Inhaltsverzeichnis A. Einführung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . I. Kollektive Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Zu Notwendigkeit und Grenzen einer zivilrechtlichen Lösung . . . . . . . . . . III. Weitgehendes Schweigen deutscher Zivilrechtsdogmatik auf ein drängendes gesellschaftliches Problem. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Gang der Darstellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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B. Zum Problem der Medical Causation (Indeterminate Plaintiff). . . . . . . . . . . I. Rechtliche Ausgangslage bei Unaufklärbarkeit der medizinischen Schadensursache. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Vorgegebenheiten. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Rechtsethische Betrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Corrective Justice: Das Postulat ausgleichender Gerechtigkeit als Grundpfeiler des Deliktsrechts. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Rechtsethisches Versagen der rechtlichen Ausgangslage bei Unermittelbarkeit einer conditio sine qua non. . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Ökonomische Analyse der rechtlichen Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . a) Learned Hand als allgemeine Basis für ein Modell ökonomischer Effizienz . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Auswirkungen des ökonomischen Grundmodells auf die deliktsrechtliche Zweckanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Schadensprävention . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kosteninternalisierung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Kostenstreuung und Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Produktsicherheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ökonomische Ineffizienz der rechtlichen Ausgangslage bei Unermittelbarkeit einer conditio sine qua non. . . . . . . . . . . . . . . . . . . II. Beweiserleichterungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ursachenvermutung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) §§ 6, 7 UmweltHG . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Tatsächliche Vermutung nach Anscheinsbeweis . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Umkehr der Beweislast . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Beweisvereitelung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Umkehr der Beweislast bei besserem Zugang zu Informationen. . . c) Umkehr der Beweislast nach Überschreiten immissionsschutzrechtlicher Grenzwerte . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Sliding Scale Burden of Proof . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Grundsätzliche Kritik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis III. Most Likely Victim Approach . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . IV. Maximum Likelihood Rule . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . V. Proportionalhaftung entsprechend der Verursachungswahrscheinlichkeit . 1. Inhalt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Ökonomische Betrachtung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Gerechter Schadensausgleich und Gleichbehandlung (sog. WindfallProblem) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Verankerung der Proportionalhaftung im deutschen Recht . . . . . . . . . . VI. Zwischenergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten. . . . . . . . . 1. Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Beweisermittlung . . . . . . 2. Die statistische Assoziation epidemiologischer Studien als Ausgangspunkt . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Typen epidemiologischer Studien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Prospektive Kohortenstudien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Kohortenstudien mit zurückversetztem Anfangspunkt . . . . . . . cc) Fall-Kontroll-Studien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Querschnittsstudien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Biases und Konfounder. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Meta-Analyse verschiedener epidemiologischer Studien . . . . . . . . . 3. Ergänzende Funktion toxikologischer Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . a) Sog. toxikologische Beweismittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Studien über Tierversuche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) In-vitro Studien. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . cc) Structure Activity Tests. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Nur ergänzende Funktion . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Aussonderung von „junk science“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5. Interne Validität der vorhandenen Beweismittel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6. Methode zum Beweis kausaler Wahrscheinlichkeiten. . . . . . . . . . . . . . . a) Generelle kausale Eignung des jeweiligen Risikofaktors zur Verursachung der betreffenden Krankheit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Stärke der statistischen Assoziation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . bb) Konsistenz mehrerer epidemiologischer Studien . . . . . . . . . . . . cc) Biologische und medizinische Plausibilität epidemiologischer Studien (Kohärenz). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . dd) Dosis-Wirkung-Beziehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Bestimmung der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit des jeweiligen Risikofaktors im Einzelfall . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . aa) Externe Validität epidemiologischer Beweismittel . . . . . . . . . . bb) Anpassungen der beweislichen Risikoergebnisse gemäß den Risikobedingungen des individuellen Einzelfalles . . . . . . . . . . .
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Inhaltsverzeichnis
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(1) Expositionsbezogene Anpassungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 (2) Anpassungen auf Grund des vom Risikodurchschnitt abweichenden Hintergrundrisikos des Klägers . . . . . . . . . 161 VIII. Schließung verbliebener Wahrscheinlichkeitsmargen. . . . . . . . . . . . . . . . . . 164 IX. Vorschläge zur Überwindung der Latenzzeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 166 1. Risikohaftung ex ante . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 167 2. Kausalitätsverzicht bei Verschulden des Schädigers. . . . . . . . . . . . . . . . 171 3. Bewegliches System der Haftungsvoraussetzungen . . . . . . . . . . . . . . . . 172 4. Medical Monitoring . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 174 X. Rechtliche Handhabung synergistischer und progressiver Effekte . . . . . . 182 XI. Endergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 183 C. Zum Problem der Legal Causation (Indeterminate Defendant) . . . . . . . . . . . 184 I. Rechtszustand und Rechtsentwicklung in den USA . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 1. Herkömmliches Recht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 a) Ausgangslage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 184 b) Concert of Action . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 186 c) Alternative Liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 191 d) Industry-wide Liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 196 e) Lösungen im Arbeitsrecht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 aa) Last Injurious Exposure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201 bb) Duration and Intensity of Exposure . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 202 f) Zusammenfassung und Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 203 2. Neuere Rechtsentwicklungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 a) Market Share Liability . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 204 aa) Sindell v. Abbott Laboratories . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206 bb) Diskussion einzelner Merkmale in der Folgezeit . . . . . . . . . . . . 207 (1) Haftungsumfang . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208 (2) Substantial Share . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 210 (3) Definition des „Marktes“ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 212 (4) Ausschluß der Entlastungsmöglichkeit des Marktteilnehmers (Hymowitz) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 215 cc) Anwendungsbereich der Market Share Liability jenseits der DES-Fälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 218 dd) Kritische Würdigung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 223 b) Risk Contribution Liability (Collins) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 225 c) Market Share Alternate Liability (Martin) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 228 3. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 230 II. Verankerung der Marktanteilshaftung im deutschen Recht . . . . . . . . . . . . . . 231 1. Anwendbarkeit des § 830 I 2 BGB auf Gefährdungshaftungen?. . . . . . 232 2. Eingrenzungsversuche beim Begriff der „Beteiligten“. . . . . . . . . . . . . . . 233
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Inhaltsverzeichnis 3. Anwendbarkeit der §§ 830 I 2, 840 I BGB auf toxische Massenschäden im Falle des Indeterminate Defendant? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 236 4. Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 239 III. Schlußbetrachtung: Summers und Sindell revisited . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 240
D. Gleichzeitige Unaufklärbarkeit von Medical und Legal Causation . . . . . . . 243 Entscheidungsregister (Table of Cases) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 245 URLs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 I. Auswahl datenreicher Web-Sites zur Krebsforschung . . . . . . . . . . . . . . . . . . 254 II. Verzeichnis der zitierten URLs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 255 Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259 Stichwortverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 301
Abkürzungsverzeichnis A.2d aA aaO A.B.A.J. Abs. AcP a. E. aff’d aff’g A. F. L. Rev. AIDS Akron L. Rev. Ala. Alb. L. Rev. ALI allg. A.L.R. Am. B. Found. Res. J. Am. Econ. Rev. AMG Am. J. Epid. Am. U. L. Rev. Anf. Anm. App. App.Div. AR Ariz. Ariz. St. L. J. Ark. Ark. L. Rev. Art. ATDSR AtG bayLStVG BB B. C. Envtl. Aff. L. Rev.
Atlantic Reporter (Second Series) anderer Ansicht am angegebenen Orte American Bar Association Journal Absatz Archiv für civilistische Praxis am Ende affirmed affirming Air Force Law Review Aquired Immune Deficiency Syndrome Akron Law Review Alabama Albany Law Review American Law Institute allgemein American Law Reports American Bar Foundation Research Journal American Economic Review Arzneimittelgesetz American Journal of Epidemiology American University Law Review Anfang Anmerkung Court of Appeals Appelate Division Attributives Risiko Arizona Arizona State Law Journal Arkansas Arkansas Law Review Artikel Agency for Toxic Substances and Disease Registry Atomgesetz bayerisches Landesstraf- und Verordnungsgesetz Der Betriebsberater (Zeitschrift) Boston College Environmental Affairs Law Review
18 Bd. Bearb. BGB BGBl. BGH BGHZ BImSchG BNA Brigham Y. U. L. Rev. Brooklyn L. Rev. BSeuchenG Bsp. BT-Drucks. BtMG Buffalo L. Rev. B. U. L. Rev. bzw. ca. Cal. Cal. L. Rev. Cal. Rptr. Camb. L. J. Cardozo L. Rev. Case Western Res. L. Rev. CERCLA cert. denied Ch. Chem. Chi.-Kent L. Rev. Cir. Cleveland L. Rev. CNN Co. Colo. Colum. J. Envtl. L. Colum. L. Rev. Conn. Conn. L. Rev. Corn. L. Rev. Corp. Cumb. L. Rev. D.
Abkürzungsverzeichnis Band Bearbeiter(in) Bürgerliches Gesetzbuch Bundesgesetzblatt Bundesgerichtshof Entscheidungen des Bundesgerichtshofes in Zivilsachen Bundesimmissionsschutzgesetz Bureau of National Affairs Brigham Young University Law Review Brooklyn Law Review Bundes-Seuchengesetz Beispiel Bundestagsdrucksache Betäubungsmittelgesetz Buffalo Law Review Boston University Law Review beziehungsweise circa California California Law Review California Reporter Cambridge Law Journal Cardozo Law Review Case Western Reserve Law Review Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act certiorari denied Chapter Chemical Chicago-Kent Law Review Circuit Cleveland Law Review Cable Network News Company, Corporation Colorado Columbia Journal on Environmental Law Columbia Law Review Connecticut Connecticut Law Review Cornell Law Review Corporation Cumberland Law Review District Court
Abkürzungsverzeichnis DB Der Betrieb (Zeitschrift) D.C. Washington, D.C. DDT Dichloro-Diphenyl-Trichloroethan Del. Delaware dens. denselben DePaul L. Rev. DePaul Law Review ders. derselbe DES Diethylstilbestrol Detroit Coll. L. Rev. Detroit College Law Review Dez. Dezember d.h. das heißt Dick. L. Rev. Dickinson Law Review dies. dieselbe Diss. Dissertation DNA Desoxiribonucleinsäure DPT Diphteria-Pertussis-Tetanus Drake L. Rev. Drake Law Review dt. deutsch Duke L. J. Duke Law Journal E Entwurf E.D. Eastern District Einl. Einleitung Envt’l Environmental Envtl. H. Ps. Environmental Health Perspectives (Zeitschrift) Envtl. L. Environmental Law (Zeitschrift) EnWG Energiewirtschaftsgesetz EPA Environmental Protection Agency et al. et alia etc. et cetera f. und die (der) folgende (Seite, Paragraph etc.) F. Federal Reporter (First Series) F.2d Federal Reporter (Second Series) Fa. Firma FDA Food and Drug Administration ff. und die folgenden (Seiten, Paragraphen etc.) Fla. Florida FlhygG Fleischhygienegesetz FN Fußnote Food & Drug Cosm. L. J. Food and Drug Cosmetic Law Journal Fordham L. Rev. Fordham Law Review F.R.D. Federal Rules Decisions FS Festschrift F.Supp. Federal Supplement
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20 Ga. Ga. L. Rev. GenTG Georgetown L. J. GG Golden Gate U. L. Rev. Gonz. L. Rev. G. Wash. L. Rev. Harv. Envtl. L. Rev. Harv. J. Leg. Harv. L. Rev. Hastings L. J. Haw. HIV hM HOFSTRA L. Rev Hous. L. Rev. How. L. J. Hrsg. id. Idaho L. Rev. Ill. ILO Inc. Ind. Ind. L. J. Ind. L. Rev. Ins. insbes. Iowa L. Rev. IUD i. V. m. JA J.A.M.A. J. Law & Econ. J. Leg. Stud. J.P.M.D.L. J. Prod. Liab. Jura JuS JW JZ Kan.
Abkürzungsverzeichnis Georgia Georgia Law Review Gentechnikgesetz Georgetown Law Journal Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland Golden Gate University Law Review Gonzaga Law Review George Washington Law Review Harvard Environmental Law Review Harvard Journal on Legislation Harvard Law Review Hastings Law Journal Hawaii Human Immundeficiency Virus herrschende Meinung HOFSTRA Law Review Houston Law Review Howard Law Journal Herausgeber(in) idem Idaho Law Review Illinois International Labor Organization Incorporated Indiana Indiana Law Journal Indiana Law Review Insurance insbesondere Iowa Law Review Intrauterine device in Verbindung mit Juristische Arbeitsblätter Journal of the American Medical Association Journal of Law and Economics Journal of Legal Studies Judicial Panel on Multi-district Litigation Journal of Products Liability Juristische Ausbildung (Zeitschrift) Juristische Schulung Juristische Wochenschrift Juristenzeitung Kansas
Abkürzungsverzeichnis KrW-/AbfG Ky. La. Law & Contemp. Probs. Lit. LM LMBG m. Anm. Marq. L. Rev. Mass. McGill L. J. Md. MDR Me. Me. L. Rev. MER/29 Mich. Mich. L. Rev. Minn. Minn. L. Rev. Miss. Miss. L. J. mN Mo. Mo. L. Rev. Mont. Mot. II MüKo mwN mzN NATO N.C. n. Chr. N. C. L. Rev. N.D. N.E.2d Neb. Nev. N.H. N. Ill. U. L. Rev.
21
Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz Kentucky Louisiana Law and Contemporary Problems (Zeitschrift) Literatur Lindenmaier-Möhring (Nachschlagewerk zu Entscheidungen des Bundesgerichtshofes) Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz mit Anmerkung Marquette Law Review Massachusetts McGill Law Journal Maryland Monatsschrift für Deutsches Recht Maine Maine Law Review Produktname eines Arzneimittels zur Senkung des Cholesterinspiegels Michigan Michigan Law Review Minnesota Minnesota Law Review Mississippi Mississippi Law Journal mit Nachweisen Missouri Missouri Law Review Montana Motive zum Entwurfe eines Bürgerlichen Gesetzbuches für das Deutsche Reich (Band II) Münchener Kommentar mit weiteren Nachweisen mit zahlreichen Nachweisen North Atlantic Treaty Organization North Carolina nach Christus North Carolina Law Review North Dakota North Eastern Reporter (Second Series) Nebraska Nevada New Hampshire Northern Illinois University Law Review
22 N.J. NJW NJW-RR N.M. No. Nr. NuR N.W.2d Nw. U. L. Rev. N.Y. N. Y. L. Sch. J. Hum. Rts. N. Y. U. L. Rev. OECD Okla. OLG OR Or. Or. L. Rev. OSHA P.2d Pa. Pepperdine L. Rev. PflSchG PHI prAllgBergG ProdHG Prot. II PVC RabelsZ RCRA Rdnr. Red. Rep. resp. Rev. rev’d rev’g Rev. Lit. Rev. Stat. RG
Abkürzungsverzeichnis New Jersey Neue Juristische Wochenschrift Neue Juristische Wochenschrift-Rechtsprechungs-Report New Mexico Numero Nummer Natur und Recht (Zeitschrift) North Western Reporter (Second Series) Northwestern University Law Review New York New York Law School Journal of Human Rights New York University Law Review Organization for Economic Cooperation and Development Oklahoma Oberlandesgericht (Schweizer) Obligationenrecht Oregon Oregon Law Review Occupational Safety and Health Administration Pacific Reporter (Second Series) Pennsylvania Pepperdine Law Review Pflanzenschutzgesetz Produkthaftpflicht international (Zeitschrift) preußisches Allgemeines Berggesetz Produkthaftungsgesetz Protokolle der Kommission für die zweite Lesung des Entwurfs des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Band II) Polyvinylchlorid Zeitschrift für ausländisches und internationales Privatrecht (begründet von Ernst Rabel) Resource Conservation and Recovery Act Randnummer Redakteur(in) Reporter respektive Review reversed reversing Review of Litigation Revised Statutes Reichsgericht
Abkürzungsverzeichnis RGRK
RGZ R.I. RIW RR Rspr. Rutgers L. J. S. San Diego L. Rev. SARA S.C. Sci. scil. S. C. L. Rev. S.Ct. S.D. S.E.2d Sec. Seton Hall L. Rev. So.2d So. Cal. L. Rev. sog. So. Ill. U. L. J. Stan. L. Rev. Stat. Ann. Stetson L. Rev. S. Tex. L. J. St. Louis U. L. J. St. Mary’s L. J. StrahlenschutzVG stRspr. s. u. sub nom. Super. Super.Ct. S.W.2d Sw. L. J. TA Luft tel. red. Temple L. Q. Tenn.
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Das Bürgerliche Gesetzbuch mit besonderer Berücksichtigung der Rechtsprechung des Reichsgerichts und des Bundesgerichtshofes (Kommentar) Entscheidungen des Reichsgerichts in Zivilsachen Rhode Island Recht der Internationalen Wirtschaft Relatives Risiko Rechtsprechung Rutgers Law Journal Satz San Diego Law Review Superfund Amendment and Reauthorization Act South Carolina Science (Zeitschrift) scilicet South Carolina Law Review Supreme Court Decisions South Dakota South Eastern Reporter (Second Series) Section Seton Hall Law Review Southern Reporter (Second Series) Southern California Law Review sogenannt(e, -er, -es) Southern Illinois University Law Journal Stanford Law Review Statute(s) Annotated Stetson Law Review South Texas Law Journal Saint Louis University Law Journal St. Mary’s Law Journal Strahlenschutzvorsorgegesetz ständige Rechtsprechung siehe unter sub nomine Superior Court Superior Court South Western Reporter (Second Series) Southwestern Law Journal Technische Anleitung zur Reinhaltung der Luft teleologisch reduziert Temple Law Quarterly Tennessee
24 Tex. Tex. L. Rev. tit. Tort & Ins. L. J. TOSCA TSS u. u. a. U. Cal. Davis L. Rev. U. Chi. L. Rev. U. Cinn. L. Rev. UCLA L. Rev. U. Colo. L. Rev. U. Ill. L. Rev. U. Mich. J. L. Ref. UmwHG U. Pa. L. Rev. U. Pitt. L. Rev. UPR URL US U.S. U.S.C. U.S.C.A. usw. Utah L. Rev. v. Va. Va. L. Rev. Vand. L. Rev. v. Chr. VDI VersR vgl. Vill. L. Rev. VO Vt. Wake Forest L. Rev. Warn. Wash. Wash. L. J. Wash. L. Rev. WHG
Abkürzungsverzeichnis Texas Texas Law Review title Tort & Insurance Law Journal Toxic Substances Control Act Toxic Shock Syndrome und und andere University of California at Davis Law Review University of Chicago Law Review University of Cincinnati Law Review UCLA Law Review University of Colorado Law Review University of Illinois Law Review University of Michigan Journal on Law Reform Umwelthaftungsgesetz University of Pennsylvania Law Review University of Pittsburgh Law Review Umwelt- und Planungsrecht (Zeitschrift) Uniform Resource Locator United States United States (Supreme Court Decisions) United States Codes United States Codes Annotated und so weiter Utah Law Review versus Virginia Virginia Law Review Vanderbilt Law Review vor Christus Verein Deutscher Ingenieure Versicherungsrecht (Zeitschrift) vergleiche Villanova Law Review Verordnung Vermont Wake Forest Law Review Warneyer (Die Rechtsprechung des Reichsgerichts) Washington Washington Law Journal Washington Law Review Wasserhaushaltsgesetz
Abkürzungsverzeichnis WHO Will. & Mary L. Rev. Wis. Wis. L. Rev. WissR WiVerw wörtl. W.Va. W. Va. L. Rev. Wyo. Yale J. Reg. Yale L. J. z. B. zit. ZPO ZRP ZZP
25
World Health Organization William and Mary Law Review Wisconsin Wisconsin Law Review Wissenschaftsrecht, Wissenschaftsverwaltung, Wissenschaftsförderung (Zeitschrift) Wirtschaft und Verwaltung (Vierteljahresbeilage zum Gewerbearchiv) wörtlich West Virginia West Virginia Law Review Wyoming Yale Journal on Regulation Yale Law Journal zum Beispiel zitiert Zivilprozeßordnung Zeitschrift für Rechtspolitik Zeitschrift für Zivilprozeß
Siehe ergänzend zu gängigen Abkürzungen der deutschen Juristensprache auch die Erläuterungen von Kirchner, Hildebert, Abkürzungsverzeichnis der Rechtssprache4 (Berlin: Walter de Gruyter 1992) sowie zu solchen der amerikanischen Juristensprache diejenigen des von der Harvard Law Association herausgegebenen Verzeichnisses: The Bluebook: A Uniform System of Citation17 (Cambridge: Harvard Law Association 2000).
A. Einführung I. Kollektive Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden Den Begriff der (unerlaubten) toxischen Massenschäden (Mass Toxic Torts) klar zu definieren, fällt deshalb besonders schwer, weil sich dafür bislang in der deutschen Zivilrechtsdogmatik noch kein eigenständiger Rechtsbereich herausgebildet hat. Man kann versuchen, toxische Massenschäden als Schäden zu fassen, die durch toxische Substanzen oder Strahlung verursacht werden und von denen eine Vielzahl von Personen gleichzeitig betroffen sind.1 Doch würde man durch eine solche Definition die 1 In Anlehnung an den in der deutschsprachigen Rechtsliteratur bislang einzigen Definitionsversuch von Kästle, Toxische Massenschäden, 3 (1993). In der US-amerikanischen Dogmatik findet der Begriff der (mass) toxic torts schon seit fast zwei Jahrzehnten Verwendung und wird inzwischen von weiten Kreisen bereits als eigenständiger Rechtsbereich diskutiert. Zumeist begnügt man sich allerdings mit allgemeinen Umschreibungen. Vgl. aus der Literatur insbesondere Eggen, Toxic Torts (2000); Wagner, 96 Yale L. J. 428 (1986) („Toxic torts cases are (. . .) product liability suits which arise from exposure to substances that pose a substantial risk of death or impairment either immediately or over a period of time.“ (id. 428 FN 5)); dies., 82 Corn. L. Rev. 773 (1997); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (1992) („A toxic tort can be defined as a personal injury and related harm that is allegedly attributable to a plaintiff’s exposure to a toxic (in most instances, chemical) substance.“ (id. 605) (Klammereinfügung im Original)); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (1988) („The term ‚toxic tort‘ refers to litigation involving tort liability which arises from exposure to toxic substances.“ (2077 FN 11)); Hensler/Felstiner/Selvin/ Ebener, Asbestos in the Courts: The Challenge of Mass Toxic Torts (1985); Hensler, Resolving Mass Toxic Torts: Myths and Realities, 1989 U. Ill. L. Rev. 89 (89 ff.) (1989); Trangsrud, Mass Trials in Mass Tort Cases, 1989 University of Illinois Law Review 69 (1989); Schuck, Agent Orange on Trial: Mass Toxic Disasters in the Courts (1986); Gold, Causation in Toxic Torts, 96 Yale L. J. 376 (1986); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (1984); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (insbes. 947 FN 328) (1994); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (1989); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (1986); Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (1981); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (1984); Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (1997); Feinberg, 24 Hous. L. Rev. 155 (1987); Connolly, 24 Hous. L. Rev. 175 (1987); Rosenberg, 24 Hous. L. Rev. 183 (1987); McGovern, 19 FORUM 1 (1983); Elliott, 25 Hous. L. Rev. 781 (1988); Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (1983); Dore, 28 How. L. J. 677 (1985); Mulcahy, 11 HOFSTRA L. Rev. 1299 (1983); jeweils passim; zu Toxic Torts im Arbeitsrecht vgl. Viscusi, Workplace Toxic Torts, 126 (135) (1992); Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (1992). Aus der jüngeren US-amerikanischen Rechtsprechung vgl. insbesondere die Formulierungen in Oritz v. Fibreboard Corp.,
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A. Einführung
eigentliche Problematik nur verdecken. In den allermeisten Fällen läßt sich nämlich nicht genau sagen, welches Gift den Schaden im Einzelfall nun tatsächlich verursacht hat und wer als Schädiger dafür konkret in Betracht kommt. Vielfach ist auch schon fraglich, ob der entstandene Schaden überhaupt auf deliktsrechtlich relevante Ursachen zurückgeführt werden kann. So mag etwa der Brustkrebs einer klagenden Patientin durch den natürlichen Alterungsprozeß, die langjährige Einnahme bestimmter Empfängnisverhütungsmittel, gewisse Hormonbehandlungen nach Eintritt der Wechseljahre, zu fetthaltige Ernährung, physische Inaktivität, ererbte genetische Veranlagungen, die Anzahl erlebter Menstruationszyklen, übermäßigen Alkoholgenuß, ionisierende Strahlung und elektromagnetische Felder, möglicherweise auch durch bestimmte Deodorants oder gewisse Silikonimplantate ausgelöst oder begünstigt worden sein.2 Der gegenwärtige Fundus medizinischer Weisheit reicht in aller Regel nicht aus, um den Schadenshergang in einem solchen Fall ätiologisch im einzelnen nachzuvollziehen und die brustkrebsauslösende Ursache aus der Vielzahl möglicher Risikofaktoren herauszufiltern.3 Jede einzelne Ursache läßt sich hier als schadensauslösende denken. Die richtige zu finden, wird durch den Mangel medizinischer Aufklärbarkeit verhindert (Problem der Medical Causation;4 s. u. B.). Da sich die einzelne Ursache nur bei einem unbestimmbaren Teil der später 134 F.3d 668 (5th Cir. 1999); Amchem Products v. Windsor, 117 S.Ct. 2231 (3rd Cir. 1997); Metro North Commuter Railroad Co. v. Buckley, 521 U.S. 424 (2nd Cir. 1997); General Electric Co. v. Joiner, 522 U.S. 136 (11th Cir. 1997); Keene Corp. v. United States, 508 U.S. 200 (1993); ferner die Rechtsprechungsanalyse zu fast 200 Fällen von Blomquist, 18 So. Ill. U. L. J. 1 (1993). Die deutsche Judikatur hat den Begriff des (unerlaubten) toxischen Massenschadens – soweit ersichtlich – bislang nicht aufgegriffen. 2 Zu den möglichen Entstehungsursachen von Brustkrebs besuche insbesondere http://cis.nci.nih.gov/fact/3_21.htm; http://cancer.med.upenn.edu/cancer_news/reu ters/2000/aug/20000823epid003.html; http://cancer.med.upenn.edu/pdq_html/6/engl/ 600310.html; www.brustkrebs.de; http://cancer.med.upenn.edu/causeprevent/emf_1. html; www.wcn.org/news/98/Jun/ep06038a.asp; http://cancer.med.upenn.edu/disease/ breast/faq/faq_hrt.html; www.oncolink.upenn.edu/pdq_html/4/engl/400367.html; www. graylab.ac.uk/cancernet/400355.html; vgl. ferner Axelson, Cancer Risks, 146 (154, 170) (1990); Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (995 f.) (1993); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (18 ff.) (1995). 3 Siehe die Nachweise und URLs in FN 2. 4 So gekennzeichnet von Harris, 40 Sw. L. J. 909 (944 u. passim) (1986); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2076 u. passim) (1988); Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1617 ff.) (1986). Burns et al. (36 Vand. L. Rev. 573 (1983)) beziehen den Ausdruck der Medical Causation ohne nähere Begründung nur auf die Kausaleignung des jeweiligen Schadstoffs („capability of (. . .) causing a particular disease“ (id. (607 FN 179)). In der deutschen Rechtsliteratur wird für diesen Ursächlichkeitsaspekt wegen der Rückgriffsnotwendigkeit auf statistische Beweismittel (siehe unter B. VII. 2.) auch teilweise der Begriff der statistischen Kausalität verwendet; vgl. Kahl/Voßkuhle, Umweltrecht, 362 (1998).
I. Kollektive Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden
29
klagenden Opfer ausgewirkt hat, bezeichnet man diese Situation auch als Fall des sog. Indeterminate Plaintiff.5 Eine Reihe weiterer Fälle medizinischer Unaufklärbarkeit sind aus der wissenschaftlichen und teils auch aus der juristischen Praxis bekannt. Sie alle aufzulisten, würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit bei weitem sprengen. Hervorgehoben seien aber einige Fälle, die das Problem der Medical Causation besonders verdeutlichen: Während des Vietnam-Krieges (1964–1973) sprühten US-Kampfflugzeuge mehrere Tonnen des dioxinhaltigen6 Entlaubungsmittels Agent Orange7 auf den vietnamesischen Dschungel, um den feindlichen Stellungen des Vietcong die Dekkung zu nehmen. Gleichzeitig kamen mit diesem Gift kollateral auch eine Reihe von Soldaten der US-Infanterie in Berührung. Nach Kriegsende erkrankten einige der Vietnam-Veteranen an Lymphknoten-, Magen- oder Nackenkrebs, litten unter Hautreizungen und Gewebegeschwülsten, klagten über Zeugungsunfähigkeit oder entwickelten psychische Angstzustände oder schwerste Depressionen.8 Ein Zusammenhang mit der Dioxin-Exposition konnte später im Prozeß auch gerade wegen der Vielzahl anderer möglicher Entstehungsursachen für derartige Krankheiten nicht nachgewiesen werden.9 5
Der Begriff des Indeterminate Plaintiff wurde geprägt von Delgado, Beyond Sindell: Relaxation of Cause-In-Fact Rules for Indeterminate Plaintiffs, 70 Cal. L. Rev. 881 (1982); vgl. ferner insbesondere Sherman, 52 Brooklyn L. Rev. 369 (371 ff.) (1986); Novick, 22 Tort & Ins. L. J. 536 (540) (1987); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (616) (1992); irreführend Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2077, 2099 ff.) (1988). Unbestimmbar ist eigentlich nicht der Kläger, sondern der durch den fraglichen Schadstoff Verletzte; vgl. Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 1 (1993). Da sich der Begriff des Indeterminate Plaintiff in der US-amerikanischen Dogmatik aber durchgesetzt hat, soll er auch der vorliegenden Arbeit weiter zugrunde gelegt werden. 6 Zur genauen toxischen Zusammensetzung von Agent Orange vgl. Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (49 FN 203) (1989). 7 Der Name Agent Orange erklärt sich daraus, daß die US-Regierung das Gift in orangegestreiften Tonnen in das Kampfgebiet geschifft hat; vgl. Ohmann, Market Share Liability, 270 FN 29 (1986). 8 Vgl. Epstein, 13 J. Leg. Stud. 475 (483) (1984); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (50 f.) (1989); Huber, Legal Revolution, 62 (1988). 9 So konnten etwa viele der aufgetretenen Psychosen auch endogen auf Grund der Kriegserlebnisse entstanden sein. Viele Veteranen hatten schon Schwierigkeiten, überhaupt eine ausreichende Exposition nachzuweisen, da sich nachträglich die Daten über Einsatzort und Einsatzzeit des Gifts und der Truppen nur noch schwer ermitteln ließen; vgl. Sugarman, New Compensation Mechanisms, 41 (1989); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (51) (1989); Epstein, 13 J. Leg. Stud. 475 (484) (1984). Problematisch war auch, daß die Hersteller Agent Orange mit unterschiedlichem Dioxin-Gehalt geliefert hatten, so daß das Ausmaß der Exposition je nach eingesetzter Produkteinheit variabel ausfiel; vgl. Epstein, 13 J. Leg. Stud. 475 (484) (1984). Die Betroffenen, darunter auch die Ehefrauen sowie die geborenen und ungeborenen Kinder der ehemaligen Soldaten, machten ihre Ansprüche in einer Class Action geltend, die auf Klägerseite rund 2,4 Millionen Mitglieder hatte; vgl. Huber, Legal
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A. Einführung
Im Kosovo-Krieg (1999) setzte die NATO bei ihren Luftschlägen gegen serbische Stellungen unter anderem sog. Tomahawk Cruise Missiles (Marschflugkörper) ein.10 Geschosse dieses Waffentyps beinhalten hochgiftiges abgereichertes Uran (Uran 238), das bei einem Aufprall oder einer Explosion zu radioaktivem Feinstaub (Uranoxid) verbrennt.11 Das Einatmen dieses Gifts wirkt nachweislich krebserregend.12 Zudem bleibt die radioaktive Strahlung an der Einschlagstelle für unbestimmte Zeit zumindest geringfügig erhöht.13 Seit Ende des Krieges sind unter den eingesetzten NATO-Soldaten rund 50 Leukämie-Verdachtsfälle und mindestens 18 Leukämie-Todesfälle aufgetreten (sog. Balkan Syndrom).14 Da Leukämie durch verschiedene, auch natürliche Faktoren ausgelöst werden und sogar spontan auf Grund erbbiologischer Veranlagung entstehen kann,15 läßt sich der Nachweis Revolution, 62 (1988); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (49 FN 204) (1989). Bevor die Beweislage ausgereift war, wurde der Streitgegenstand in einem umfassenden Vergleich geregelt. Die Kausalitätsfrage wurde somit niemals abschließend geklärt; vgl. zu allem umfassend Schuck, Agent Orange on Trial: Mass Toxic Disasters in the Courts (1986); dens., 53 U. Chi. L. Rev. 337 (1986); ferner etwa Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (49 ff.) (1989); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 41 (1989). Kläger, die sich selbst aus der Class Action herausoptiert hatten und eigene Klagen anstrengten, wurden sämtlich bis zur letzten Instanz mangels Kausalitätsnachweises abgewiesen; vgl. dazu die umfassenden Nachweise zur Rspr. bei Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (49 FN 205 u. 206) (1989). Zur Agent Orange-Problematik insgesamt vgl. Schuck, Agent Orange on Trial: Mass Toxic Disasters in the Courts (1986); dens., The Agent Orange Example, 53 U. Chi. L. Rev. 337 (1986); Sherman, Agent Orange and the Problem of the Indeterminate Plaintiff, 52 Brooklyn L. Rev. 369 (371 ff.) (1986); Green, The Legacy of Agent Orange, 86 Nw. L. Rev. 643 (659 ff.) (1992); Nesson, Agent Orange Meets the Blue Bus, 66 B. U. L. Rev. 521 (1986); Makdisi, 67 N. C. L. Rev. 1063 (1089 f.) (1989); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (902) (1994); Evans, Causation and Disease, 197 (1993); Speiser/ Krause/Gans, Law of Torts, § 11:29 (90 im Supplement) (1986); Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 97 f. (1986). 10 Besuche www.akw-nee.de/Hintergrund/NATOKosovo.html. 11 Besuche www.fr-aktuell.de/fr/spezial/balkan/t2030070.htm; www.fr-aktuell.de/ fr/spezial/balkan/t2030046.htm. 12 Besuche insoweit die in FN 10 genannte URL. 13 Besuche www.swr.de/nachrichten/kommentare/2001/01/08/29/index.html. 14 Besuche www.fr-aktuell.de/fr/spezial/balkan/t2030055.htm. Auf Grund der aufgetretenen Schäden hat das Europäische Parlament inzwischen ein Moratorium für Uranmunition beschlossen; besuche www.elisabeth-schroedter.de/pm-01-01-17.html. 15 Weitere Ursachen und Einflußfaktoren einer Leukämieentstehung mögen neben den im Text genannten etwa sein: Röntgenstrahlung, Kontakt mit Pflanzenschutzmitteln, Einnahme von Medikamenten der Mutter während der Austragung, Häufigkeit vorheriger Fehlgeburten der Mutter, Alter der Mutter zum Zeitpunkt der Niederkunft, Kontakt des Vaters mit Plastik- und Harzdämpfen vor der Zeugung, Geburtsgewicht, fehlende frühkindliche Inanspruchnahme des Immunsystems (etwa wegen eines Mangels an Impfungen); zu den Entstehungsursachen von Leukämie besuche im einzelnen www.leukaemie.de; www.carreras-stiftung.de/nav/main. phtml?woher=d2; www.medicine-worldwide.de/krankheiten/krebs/leukaemie.html# ursachen.Leukämie; www.bmu.de/presse/pressearchiv/news354.htm; www.meb.unibonn.de/gmds/abstracts/0155e.html.
I. Kollektive Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden
31
eines direkten Zusammenhanges mit einer möglichen Uranexposition in solchen Fällen nicht führen.16 Uran-Munition wurde von den USA auch bereits im Golf-Krieg gegen den Irak (1991) eingesetzt.17 Neben dem Uran wurden die US-Streitkräfte dabei auch diversen biologischen und chemischen Kampfstoffen sowie verschiedenen Insektenvernichtungsmitteln ausgesetzt, ferner wurden die Soldaten mit bis zu 17 verschiedenen Substanzen zum Schutz vor möglichen Schäden etwa durch Nervengas oder die klimatisch bedingten Verhältnisse am Persischen Golf geimpft.18 Neben einigen Leukämievorfällen19 klagten viele Soldaten nach Ende des Krieges über Leber- und Nierenstörungen, Muskel- und Gliederschmerzen, eine Schwächung ihres Immunsystems, Müdigkeit, Kopfschmerzen, Gedächtnisverlust, Depressionen sowie vorgeburtliche Schäden ihrer Nachkommenschaft (sog. GolfKrieg Syndrom).20 Ein Zusammenhang der einzelnen Schäden mit einer bestimmten Substanz konnte auch hier wegen der zahlreichen anderen denkbaren Schadensentstehungsmöglichkeiten niemals hergestellt werden.21 Unaufklärbare Schadensfälle sind in der Vergangenheit auch innerhalb der deutschen Streitkräfte aufgetreten. So wurde vor kurzem bekannt, daß in den 1960er und 1970er Jahren Bundeswehr-Techniker der Radarabteilung während ihres Dienstes weitgehend unabgeschirmter Radarstrahlung ausgesetzt waren.22 Ein jüngst erstelltes Gutachten kam zu dem Schluß, daß das Krebsrisiko dieser Mitarbeiter gegenüber anderen Bundeswehrangehörigen signifikant um einen bestimmten Prozentsatz erhöht war.23 Weitergehende Aussagen zur Ursachenaufklärung waren bei den aufgetretenen Strahlenschäden wegen der uneigentümlichen Krankheitsfolgen nicht möglich.24 Auf Grund der verbliebenen Nachweisschwierigkei16
In NATO-Führungskreisen wird in den bekanntgewordenen Krankheitsfällen sogar schon die Nachweisbarkeit einer bloßen Risikoerhöhung bezweifelt; besuche wysiwyg://20/http://www.ticker.de/politik/2001/01/17/70002027.shtml; www.ippnw. de/presse/010621uran.html. 17 Vgl. Goldberg, Causation and Risk, 181 ff. (1999). 18 Vgl. Goldberg, Causation and Risk, 179, 181 ff., 184 (1999). 19 Besuche www.akw-nee.de/Hintergrund/NATOKosovo.html. In der Umgebung eines Testgeländes der Britischen Armee in Schottland zur Vorbereitung auf die Kampfeinsätze am Persischen Golf wurde nachgerade die höchste Leukämierate aller schottischen Kinder festgestellt; id. 20 Der Begriff wird gemeinhin als Sammelbezeichnung für alle mit dem GolfKrieg in Verbindung gebrachten Langzeitschäden verwendet; vgl. Brook, The Persian Gulf War Syndrome, 25 Stetson L. Rev. 137 (1995); ferner Goldberg, Causation and Risk, 179 f. (1999); besuche auch www.akw-nee.de/Hintergrund/NATOKosovo. html. 21 Teilweise wird auch hier schon der bloße Risikoanstieg verneint; vgl. Goldberg, Causation and Risk, 188 f. (1999). Zu den Ursachen und Einflußfaktoren einer Leukämieentstehung siehe die Ausführungen in FN 15. 22 Besuche www.spiegel.de/politik/deutschland/0.1518.140914.00.html; www. berliner-morgenpost.de/archiv2001/010622/politik/story433690.html. 23 So das Gutachten aus dem von Bundesverteidigungsminister Scharping im Januar 2001 eigens eingesetzten Arbeitsstab Dr. Sommer; besuche www.berlinermorgenpost.de/archiv2001/010622/politik/story433690.html.
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A. Einführung
ten wurden den schätzungsweise derzeit rund 400 Strahlenopfern von Bundesverteidigungsminister Rudolf Scharping „streitfreie und großherzige“25 Entschädigungsregelungen in Aussicht gestellt, die auf den Ursächlichkeitsbeweis weitgehend verzichten sollen.26 Das Verteidigungsministerium mußte sich ferner mit dem Vorwurf befassen, daß in der Bundeswehr noch bis in die 1990er Jahre Ausrüstungsgegenstände, wie etwa Schlafsäcke, Zelte, Planen, Rucksäcke oder Handschuhe, verwendet wurden, die den Krebs erregenden Konservierungsstoff Pentachlorphenol enthielten. Untersuchungen über mögliche Schäden sind derzeit noch im Gange.27 Seit mehreren Jahren werden von verschiedenen Instituten epidemiologische Studien über die Schädlichkeit der Benutzung sog. Handys (cellular phones) durchgeführt. Während manche Studienteilnehmer über Hautreizungen und zeitweiliges Brennen in den Augen klagten, bildeten sich in seltenen Fällen auch Gehirntumore aus. Ein signifikanter Risikoanstieg ließ sich aber bis heute bei keinem der Teilnehmer nachweisen.28 Zu weitgehend entsprechenden Ergebnissen gelangen Studien im allgemeinen auch bezüglich elektromagnetischer Strahlung (sog. Elektrosmog) sonstiger elektrischer Geräte, wie etwa Computerbildschirmen, Video-Terminals, Mikrowellenöfen, Heizdecken, beheizten Wasserbetten oder Kurzwellenradios, sowie des Strahlungsbereichs in der Nähe von Hochspannungsleitungen oder Mobilfunkmasten.29 24 Strahleneinwirkungen werden allgemein für Schäden am menschlichen Erbgut (DNA) sowie alle im Einzelfall möglicherweise daraus folgenden Krebsarten und sonstigen Krankheiten verantwortlich gemacht; besuche www.quarks.de/castor/ 04.htm; http://eldorado.uni-dortmund.de:8080/FB2/Is8/forschung/1998/hutter. DNAVeränderungen von Samen- bzw. Eizelle sind oft auch mit vorgeburtlichen Schäden für die nachfolgenden Generationen verbunden (sog. intergenerational torts; siehe dazu in FN 126). 25 So das Scharping-Zitat bei www.spiegel.de/politik/deutschland/0.1518. 140914.00.html. 26 Besuche www.berliner-morgenpost.de/archiv2001/010622/politik/story433690. html. Verlangt werden soll von den Opfern nur der Nachweis einer ausreichenden Strahlenexposition; besuche insoweit wysiwyg://8/http://195.170.124.152/archiv/ 2001/06/23/ak-po-in-5520822.html. Besonders kurios ist in diesem Zusammenhang auch ein Parallelfall aus den USA, in dem ein Streifenpolizist Strahlungsschäden infolge der Bedienung von Radarfallen behauptete; vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (1011) (1993) (ohne Nachweis eines Rechtsprechungsbelegs). 27 Besuche wysiwyg://8/http://195.170.124.152/archiv/2001/06/23/ak-po-in5520822.html. 28 Besuche www.mcw.edu/gcrc/cop/cell-phone-health-FAQ/toc.html; http://cancer. med.upenn.edu/causeprevent/environment/faq-cellphones.html; http://cancer.med. upenn.edu/cancer_news/reuters/2001/feb/20010206epid005.html; http://w3.zdf. msnbc.de/news/58594.asp (Fallbericht); vgl. ferner Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (1012 f.) (1993). Zu möglichen anderen Ursachen für die Ausbildung von Gehirntumoren siehe die Ausführungen in FN 96. 29 In den letzten beiden Fällen gehen die Studienmeinungen allerdings auseinander; besuche allgemein zur Frage der Schädlichkeit von Elektrosmog http://cancer.med.upenn.edu/pdq_html/6/engl/600346; www.lbl.gov/LBL-Science-Articles/
I. Kollektive Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden
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Neuere Untersuchungen konnten bisher lediglich eine statistisch signifikante Erhöhung des Leukämierisikos bei Elektrikern feststellen, ohne freilich im Einzelfall eine Verursachung durch andere Risiken ausschließen zu können.30 Paradigmatisch für das Schädigungspotential diverser wilder Giftmüllkippen wurde in den USA in den 1970er Jahren der Fall des sog. Love Canals: Seit Ende der 1920er Jahre diente der seit Bauabschluß brach liegende Love Canal31 in der Nähe der Niagara-Fälle (New York) diversen Chemieunternehmen als Auffüllbekken für ihren im Laufe der Zeit angefallenen Giftmüll.32 In den 1950er Jahren wurde die Deponie mit wenigen Zentimetern Erdreich zugedeckt und vom zuständigen Niagara County für die Ansiedlung einer Wohngegend mit eigener Grundschule freigegeben.33 Etwa 20 Jahre später bemerkten die ansässigen Gesundheitsbehörden in der Gegend einen deutlichen Anstieg von Fehlgeburten, vorgeburtlichen Schäden bei Neugeborenen, Beckenbeschwerden, Asthma- und Krebserkrankungen sowie einer Reihe psychosomatischer Krankheiten34 und riefen den Archive/electromagnetic-fields-and-cancer.html; http://cancer.med.upenn.edu/causeprevent/emf_1.html; http://cancer.med.upenn.edu/causeprevent/emf_1b.html; http:// cancer.med.upenn.edu/disease/leukemia/emflds.html; vgl. ferner Thériault, Cancer Risks, 166 (166 ff.) (1990) (umfassende Datenmitteilung zum Umfang der Strahlenemission der gebräuchlichsten elektrischen Geräte (id. 167 f.)); Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (1010 ff.) (1993); Henderson/Pearson, The Torts Process, 138 (1988). 30 Vgl. die dargestellten Studien bei Thériault, Cancer Risks, 166 (170 ff.) (1990); Vagerö, Cancer Epidemiology (1984); ferner Henderson/Pearson, The Torts Process, 138 (1988); ebenso schon die klare Analyse bei Estep, Radiation Injuries and Statistics: The Need for a New Approach to Injury Litigation, 59 Mich. L. Rev. 259 (1960); zu anderen möglichen Ursachen und Einflußfaktoren der Leukämieentstehung siehe die Ausführungen in FN 15; zu Strahlenschäden siehe allgemein auch in FN 24. 31 Der Love Canal verdankt seinen Namen dem Erbauer William T. Love. Der Kanal sollte gemäß dem Planungsstand Ende des 19. Jahrhunderts Teil einer neuen Industrieansiedlung in der Nähe der Niagara-Fälle werden. Die verschiedenen Teile des Niagara-Flusses sollten über den Kanal miteinander verbunden und die Fälle für ein Wasserkraftwerk genutzt werden. Kurz vor Fertigstellung des Kanals zerschlugen sich diese Pläne. Vgl. Fabic, 29 Buffalo L. Rev. 533 (535 (FN 7)) (1980); Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (868 f.) (1981). 32 Vgl. Fabic, 29 Buffalo L. Rev. 533 (535) (1980); Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (860, 868 f.) (1981). Zum Giftmüllbegriff (hazardous waste) allgemein vgl. etwa Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1462 FN 1) (1986); Pappel, Damage Caused by Waste, 13, 103 (1995) (auf id. 75 mit Verweis auf den Abfallbegriff einer geplanten EU-Richtlinie); zur Lagerungsnotwendigkeit von Giftmüll und den verschiedenen Lagerungsarten vgl. Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1462) (1986); Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (866 f.) (1981). 33 Vgl. Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (869 f.) (1981); Fabic, 29 Buffalo L. Rev. 533 (535) (1980). 34 Zu den entstandenen Krankheiten vgl. Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (579 FN 13) (1983); Lippes, Hazardous Substances, 55 (57) (1981); Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (862, 874) (1981); auch Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1462) (1986).
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A. Einführung
Notstand aus. Frauen und Kinder wurden evakuiert.35 Die Geschädigten konnten nachträglich lediglich eine Erhöhung ihres Erkrankungsrisikos nachweisen (die Krebsrate steigerte sich in diesem Bereich auf bis zu 10% aller Anwohner36), da die abgelagerten Chemikalien im Vergleich zu anderen möglichen Schadensursachen keine spezifischen Krankheitssymptome ausbildeten.37 Als schwierig erwies sich insbesondere auch, daß sich die Abfälle mehrerer Hersteller untrennbar miteinander vermischt hatten, über synergistische oder progressive Effekte38 ihre Charakteristik veränderten und somit mit dem konkreten Krankheitsfall nicht mehr unmittelbar verknüpft werden konnten.39 Zudem wurde die Datensammlung durch die jahrzehntelange Latenzzeit bis zum ersten Einsetzen allmählicher Schadensentstehung erschwert und verteuert.40 Auf Grund dieser Nachweisschwierigkeiten wurden die Betroffenen in einem Massenvergleich anstelle ihrer ursprünglich geforderten $ 16 Milliarden nur mit durchschnittlich $ 22.000 abgefunden.41, 42
35 Vgl. Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (860) (1981); Lippes, Hazardous Substances, 55 (57) (1981); Fabic, 29 Buffalo L. Rev. 533 (535 f.) (1980); Brown, Laying Waste, 27 (1979). 36 Vgl. Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (874) (1981). 37 Vgl. Duce, Pepperdine L. Rev. 609 (620) (1985); Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (575, 587 ff.) (1983); allgemein auch Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1462 f., 1618) (1986); Pappel, Damage Caused by Waste, 32 (1995). 38 Zur rechtlichen Handhabung solcher Effekte siehe unter B. X. 39 Vgl. Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (922) (1981); Lippes, Hazardous Substances, 55 (58) (1981); Fabic, 29 Buffalo L. Rev. 533 (541) (1980); allgemein auch Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1462 f.) (1986); Ohmann, Market Share Liability, 273 (1986). 40 Vgl. Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (865, 921) (1981); Duce, Pepperdine L. Rev. 609 (620) (1985); Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (575, 586) (1983); Fabic, 29 Buffalo L. Rev. 533 (541) (1980); allgemein auch Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1617, 1623) (1986). 41 Vgl. Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (860 f.) (1981); Duce, Pepperdine L. Rev. 609 (618) (1985); jeweils mit Nachweis der einschlägigen New Yorker Tagespresse. Mehr Erfolg hatte in den 1970er Jahren in einem ähnlichen Fall die Rechtsanwaltsgehilfin Erin Brockovich, die mit ihren hartnäckigen Recherchen die Pacific Gas & Electric Co. dazu zwang, in einen Massenvergleich mit einem Entschädigungsvolumen von $ 330 Millionen einzuwilligen; besuche www. erinbrockovich.com. 42 Der Fall Love Canal war der erste breit in der Öffentlichkeit diskutierte Giftmüllskandal der USA mit deutlichen Folgewirkungen für die weitere nationale Umweltpolitik; vgl. Ginsberg/Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (860) (1981); Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (578 f.) (1983); Lippes, Hazardous Substances, 55 (57) (1981); Fabic, 29 Buffalo L. Rev. 533 (533) (1980); auch Baurer, 11 Envtl. L. 131 (1980). Nach Schätzungen der Environmental Protection Agency (EPA) (siehe zu dieser Behörde in FN 143) gab es Anfang der 1980er Jahre in den USA etwa 30.000 bis 50.000 Mülldeponien, von denen bis zu diesem Zeitpunkt rund 2.000 unerkannte Gefahren für den Menschen bargen; vgl. Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (579) (1983); Lippes, Hazardous Substances, 55 (57) (1981).
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Auch Flußverschmutzungen führten in der Vergangenheit nicht selten zu toxischen Massenschäden:43 Im Jahre 1979 leitete die Olin Corporation, ein in Alabama ansässiges Chemieunternehmen, rund 400 Tonnen DDT (= Dichloro-Diphenyl-Trichloroethan) in den nahe gelegenen Tennessee River ein, das sich am Grund des Flusses absetzte und in die Nahrung der am Flußgrund lebenden Katzenfische gelangte. Katzenfische gelten in der Gegend rund um den Tennessee River als kulinarische Spezialität. In der Folgezeit erkrankten etwa 13.000 Flußanwohner an Leberkrebs. Welche Erkrankungen davon auf den Fischverzehr zurückgingen und welche auf anderen Ursachen beruhten, blieb unaufklärbar.44 Zu Verschlechterungen der Wasserqualität kommt es auch im Falle zu hoher Nitratablagerungen im Wasser, die etwa von einem zu exzessiven Einsatz von Düngemitteln stammen können. Nitrat im Trinkwasser wird unter anderem für Geschwülste der Lymphknoten und diverse andere Krankheiten verantwortlich gemacht.45 Positive Auswirkungen auf die Qualität des Trinkwassers werden hingegen einem hohen Fluoridgehalt beigemessen. In mehr als der Hälfte aller US-amerikanischen Gemeinden werden der Wasserversorgung deshalb schon seit längerem von den örtlichen Behörden Fluoride beigemischt, vor allem um gegen eine mögliche Kariesentstehung in der Bevölkerung vorzubeugen. Eine leicht krebserregende Wirkung künstlicher Fluoridierung wird zwar von manchen Forschungseinrichtungen behauptet, überwiegend jedoch abgelehnt.46 Als stark Krebs erregend wird hingegen entgegen früheren Annahmen47 das Mineralfaserprodukt Asbest48 eingestuft. Während sich die mit einer Asbestexposi43 Zur Sandoz-Katastrophe (1986) und der damit verbundenen Verseuchung des Rheins siehe unter B. II. 1. a). 44 Als andere denkbare Ursachen von Leberkrebs kommen etwa Alkoholgenuß, Eisenüberschuß im Körper, Eiweißmangel, künstliche Östrogen- oder Androgenzufuhr, eine eventuell vorhandene chronische Hepatitis B- oder Hepatitis C-Infektion oder auch schlicht altersbedingte Verschleißerscheinungen der Leber in Betracht; besuche www.netdoktor.de/krankheiten/Fakta/leberkrebs.htm; www.medicine-worldwide.de/krankheiten/krebs/leberkrebs.html. In einem Massenvergleich, der auf den Kausalbeweis völlig verzichtete, wurde den Anwohnern letztlich zumindest eine Teilentschädigung zugebilligt. Zum Fall insgesamt vgl. McGovern, The Alabama DDT Settlement Fund, 53 Law & Contemp. Probs. 61 (1990); Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (1006 f.) (1993). 45 Besuche http://cancer.med.upenn.edu//pdq_html/6/engl/600355.html; http:// cis.nci.nih.gov/fact/3_55.htm. 46 Besuche http://cis.nci.nih.gov/fact/3_15.htm; vgl. ferner Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (756) (1984). 47 Vgl. Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (578) (1983). 48 Der Begriff Asbest ist eine Sammelbezeichnung für verschiedene in der Natur vorkommende Mineralfasern, die sich als besonders hitze- und feuerbeständig erwiesen haben; vgl. Treiger, 20 Harv. J. Leg. 179 (180) (1983); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (578) (1983). Im Handel waren seinerzeit sechs verschiedene Asbestfasern im Umlauf (id. 578 FN 1). Asbest fand bei der Herstellung von mehr als 3.000 Produkten Verwendung, so etwa bei der Herstellung von Schutzkleidung für Feuerwehrleute, Kacheln, Körben, Segeltüchern, Papier, Zement, Automobilkarosserien,
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tion verbundene abstrakte Gefahr, an Lungen- oder Brustkrebs oder an Krebs der Magenwand oder des Darmtraktes, zu erkranken,49 im jeweiligen Einzelfall mit Hilfe epidemiologischer Studien noch problemlos ermitteln läßt, ist den Betroffenen ein darüber hinausgehender direkter Ursächlichkeitsbeweis mit Hilfe medizinischer oder sonstiger Beweismittel derzeit nicht möglich.50 In jüngerer Zeit häufen sich auch Berichte über mögliche schädliche Langzeitfolgen von Impfstoffen51 für den Menschen. Während sich ein ursächlicher ZusamSchiffsummantelungen, Rohren, Dachziegeln, Zahnbürsten, Teppichböden oder Bügelbrettern. Weit verbreitet war Asbest auch als Isoliermaterial in Gebäuden. Vgl. zu den verschiedenen Verwendungsmöglichkeiten id. 578 FN 4 u. 7; Hoechst, USamerikanische Produzentenhaftung, 91 (1986); Vagley/Blanton, 16 FORUM 636 (637) (1980); Miller, Asbestos, 13 (15, 18) (1981); Otte, Marktanteilshaftung, 66 (1990). Zur Krebs erregenden Wirkung vgl. etwa Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (578 f.) (1983); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 45 (1989). 49 Zu diesen und sonstigen Asbestkrankheiten vgl. Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 91 ff. (1986); Ohmann, Market Share Liability, 264 ff. (1986); Vagley/Blanton, 16 FORUM 636 (638) (1980); Treiger, 20 Harv. J. Leg. 179 (181 f.) (1983); Mulcahy, 11 HOFSTRA L. Rev. 1299 (1303 f.) (1983); Dewees, 15 J. Leg. Stud. 289 (301) (1986); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (579, 717 f.) (1983); Miller, Asbestos, 13 (15, 18) (1981); McDonald, Cancer Risks, 122 (122 f.) (1990) (aus epidemiologischer Sicht). Die Latenzzeit beträgt zwischen 15 und 45 Jahre; vgl. Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 92 (1986). Gleichzeitiger Zigarettenkonsum erhöht das Lungenkrebsrisiko um ein Vielfaches; siehe unter B. X. und in FN 539. Besuche im übrigen auch http://cis.nci.nih.gov/fact/3_21.htm. 50 Anders ist dies bei den Asbestkrankheiten Asbestosis und Mesothelioma (siehe dazu die Nachweise in FN 370), die sich als sog. signature diseases (siehe dazu unter B. VII. 2. a) aa) sowie in FN 370) direkt nachweisen lassen. Zum Nachweis einer Risikoerhöhung mit Hilfe epidemiologischer Studien siehe unter B. VII. 2. Bis heute sind etwa 21 Millionen Amerikaner mit Asbest in Berührung gekommen; vgl. Coffee, 95 Colum. L. Rev. 1343 (1387) (1995); ferner Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (580) (1983). Schätzungen zufolge dürften weltweit inzwischen etwa 2 Millionen Menschen an Asbestkrankheiten gestorben sein; vgl. Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (580 FN 16) (1983); ferner Coffee, 95 Colum. L. Rev. 1343 (1387) (1995); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 45 (1989); Gaskins, Environmental Accidents, 4, 169 (1989). Mehrere Hunderttausend Asbestklagen wurden inzwischen anhängig gemacht; vgl. Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (733) (1984); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (797 FN 84) (1997); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 45 (1989); Coffee, 95 Colum. L. Rev. 1343 (1385, 1387) (1995); Feinberg, 24 Hous. L. Rev. 155 (156) (1987); jeweils mN der USamerikanischen Asbestrechtsprechung. Die Gerichte stehen insoweit vor einer fast unlösbaren Aufgabe; vgl. etwa McGovern, 69 B. U. L. Rev. 659 (661) (1989) (etwa 30% aller anhängigen Klagen in Texas sind Asbestklagen). Als pragmatisch und Erfolg versprechend hat sich in der Vergangenheit oftmals die Errichtung sog. Settlement Trusts erwiesen; vgl. dazu etwa Smith, Resolving Asbestos Claims: The Manville Personal Injury Settlement Trust, 53 Law & Contemp. Probs. 27 (1990); ferner Locks, Asbestos-Related Disease Litigation: Can the Beast Be Tamed?, 28 Vill. L. Rev. 1184 (1983). 51 Zu den verschiedenen Arten von Impfstoffen vgl. ausführlich Goldberg, Causation and Risk, 132 ff. (1999). Speziell zum DPT (= Diphtheria-Pertussis-Tetanus)-
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menhang bei zeitnahen Impfschäden (wie z. B. lokale Rötungen der Haut, Ausbuchtungen an der Einstichstelle, Ausschlag, Fieber, Übelkeit, (Gelenk-)Entzündungen, Krämpfe, Epilepsie, Lähmungserscheinungen, Schläfrigkeit, Schwindelgefühl)52 regelmäßig noch problemlos nachweisen läßt, sind die Spätwirkungen verabreichter Impfstoffe (wie z. B. die Ausbildung von Allergien,53 Diabetes und Multiple Sklerose,54 Wachstumsstörungen bei Kindern,55 verschiedene Krebsarten,56 Genveränderungen57) bislang noch weitgehend unerforscht.58 Kaum abzuschätzen sind dabei nach derzeitigem Stand vor allem die neurologischen Auswirkungen auf das menschliche Gehirn.59 So werden von verschiedener Seite etwa Impfstoff, der insbesondere wegen seiner Keuchhustenkomponente stark umstritten ist, vgl. id. 159 ff.; Jacquot, 28 Wash. L. J. 274 (286) (1988); besuche ferner www.med.uni-muenchen.de/fachschaft/homeopathy/jourimp.html; www.pnc.com.au/ ~cafmr/coulter/vacc-deb.html; www.eurosolve.com/charity/bava/vaccination.html; www.unc.edu/~aphillip/www/vaccine/dvm1.htm. 52 Zu derartigen Impfschäden besuche insbesondere www.eurosolve.com/charity/ bava/vaccination.html; www.med.uni-muenchen.de/fachschaft/homeopathy/jourimp. html; www.cco.net/~trufax/vaccine/v3.html; www.cco.net/~trufax/vaccine/v4.html. Derartige und andere Impfschäden werden auch im Zusammenhang mit dem sog. Golf-Krieg-Syndrom (siehe bei FN 17 bis 21) diskutiert. 53 Viele Impfstoffe enthalten eine große Masse an Fremdeiweißen (Allergenen), die gerade bei der Frühimpfung im Kleinkindsalter die Allergieentstehung, etwa in Form von Neurodermitis, Heuschnupfen oder Asthma, stark begünstigen können; besuche insoweit www.med.uni-muenchen.de/fachschaft/homeopathy/jourimp.html; www.naturkost.de/aktuell/sk960707.htm („Invasion von Fremdeiweißen“); www. eurosolve.com/charity/bava/vaccination.html; www.groma.ch/news/Hepatitis_B.htm; www.unc.edu/~aphillip/www/vaccine/dvm2.htm. In gespritzter Form fehlt zudem die modifizierende Einwirkung des Stoffwechsels; besuche www.med.uni-muenchen.de/fachschaft/homeopathy/jourimp.html. 54 Zu derartigen Folgewirkungen besuche www.groma.ch/news/Hepatitis_B.htm; www.naturkost.de/aktuell/sk960707.htm; www.groma.ch/news/Hepatitis_B_Impfung. htm; www.med.uni-muenchen.de/fachschaft/homeopathy/jourimp.html; www.unc. edu/~aphillip/www/vaccine/dvm2.htm; www.eurosolve.com/charity/bava/vaccina tion.html. 55 Besuche www.naturkost.de/aktuell/sk960707.htm. 56 Besuche www.naturkost.de/aktuell/sk960707.htm; www.cco.net/~trufax/vaccine/ v3.html; www.eurosolve.com/charity/bava/vaccination.html; www.unc.edu/~aphillip/ www/vaccine/dvm2.htm. 57 Zu diesem noch weithin ungeklärten Bereich besuche etwa www.cco.net/ ~trufax/vaccine/v5.html. 58 Vergleichende Langzeitstudien über geimpfte und ungeimpfte Studienpopulationen wurden bislang insbesondere auf Grund der damit verbundenen hohen Kosten- und Arbeitsintensität nicht durchgeführt; besuche www.med.uni-muenchen.de/ fachschaft/homeopathy/jourimp.html. Zur Arbeitsweise epidemiologischer Forschung siehe unter B. VII. 2. 59 Mögliche neurotische Auswirkungen werden dabei insbesondere den in Impfstoffen häufig enthaltenen Konservierungsstoffen, wie etwa Formaldehyd oder Phenol, zugeschrieben; besuche www.naturkost.de/aktuell/sk960707.htm. Neurosen begünstigend mag dabei möglicherweise auch die Tatsache wirken, daß viele Impf-
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Krankheiten wie Schizophrenie, Parkinson, Autismus, Depression, spontane Weinkrämpfe, Magersucht, Schlafstörungen, Lern- und Sprechschwierigkeiten, Analphabetismus sowie krankhafte Persönlichkeitsveränderungen und sexuelle Störungen als mögliche Folge einer Impfung genannt.60 Die Anerkennung solcher Langzeitschäden wurde den Betroffenen in der Vergangenheit von den zuständigen Versorgungsämtern wegen des unermittelbaren Zusammenhanges fast ausnahmslos versagt.61 Von 1960 bis 1962 befand sich auf dem US-amerikanischen Markt das zur Senkung des Cholesterinspiegels eingesetzte Medikament MER/29.62 Schon nach kurzer Zeit stellten sich bei einer Reihe von Verbrauchern erste Nebenwirkungen wie stoffe aus Tierzellen gewonnen werden; besuche www.cco.net/~trufax/vaccine/ v3.html. 60 Besuche insbesondere www.cco.net/~trufax/vaccine/v4.html; www.cco.net/ ~trufax/vaccine/v5.html (A vaccine „is estimated to cause some degree of minimal brain damage in all children, some more than others, and is ultimately the most significant vaccinal cofactor in the significant upswing of abberant behavior in the population for the past several generations, (. . .).“); www.eurosolve.com/charity/ bava/vaccination.html („Known and suspected effects of vaccines include (. . .) violent behaviour, (. . .).“); www.unc.edu/~aphillip/www/vaccine/dvm2.htm (Possible side-effects of vaccination: „autism, learning disabilities, minimal and not-so-minimal brain damage, (. . .) sleeping and eating disorders, sexual disorders, (. . .), obesity, and impulsive violence“); www.naturkost.de/aktuell/sk960707.htm („Zusammenhang mit krankhaften Veränderungen des menschlichen Gehirns“; mögliche Spätfolgen: „Autismus, Depressionen, (. . .) Hirnschäden, (. . .), Schizophrenie“; „Großangriff auf Gehirn und Seele“); vgl. ferner Jacquot, 28 Wash. L. J. 274 (1988) („irritability, and persistent crying“ (id. 286)); Goldberg, Causation and Risk, 133, 160 f., 166 (1999) (blindness, deafness, (. . .) mental retardation“ (id. 161)). 61 Besuche insbesondere www.med.uni-muenchen.de/fachschaft/homeopathy/jour imp.html (in Deutschland wurden bislang nur knapp über 3.000 Impfschadensfälle anerkannt); www.naturkost.de/aktuell/sk960707.htm (60% der beim Versorgungsamt eingereichten Anträge werden durchschnittlich abgelehnt, davon nahezu alle in bezug auf Langzeitschäden). Zur Ersatzfähigkeit und Abwicklung von Impfschäden nach deutschem Recht vgl. die §§ 51 ff. BSeuchenG. In den USA existieren zu diversen Impfprogrammen oder Impfzulassungen jeweils eigenständige gesetzliche Entschädigungsregelungen; vgl. insbesondere (1) The US National Childhood Vaccine Injury Act (1986) (42 U.S.C. §§ 300aa-1 bis 33) (dazu Jacquot, 28 Wash. L. J. 274 (276 ff.) (1988); Smith, 42 Case Western Res. L. Rev. 207 (224 ff.) (1992); Goldberg, Causation and Risk, 163 ff. (1999)), (2) The National Swine Flu Immunization Program (1976) (42 U.S.C. §§ 247b (j) bis (l); bereits nach einem Jahr ausgelaufen) (dazu Smith, 42 Case Western Res. L. Rev. 207 (219 ff.) (1992); Evans, Causation and Disease, 198 (1993); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (902 f.) (1994); Henderson/Pearson, The Torts Process, 137 (1988); Goldberg, Causation and Risk, 152 ff. (1999); Epstein/Gregory/Kalven, Torts, 701 (1984); Speiser/Krause/Gans, Law of Torts, § 11:28 (476 ff.) (1986)) sowie (3) The California AIDS Vaccine Victims Compensation Fund (1986) (Cal. Health & Safety Code §§ 199.45 bis 51) (dazu Smith, 42 Case Western Res. L. Rev. 207 (229 f.) (1992); wurde mangels Impfstoffs gegen AIDS bisher noch nie praktisch, id.). Beweiserleichterungen (siehe unter B. II.) enthalten die US-amerikanischen Vorschriften nur für zeitnahe Schäden (vgl. etwa 42 U.S.C. 300aa-14(a)), im übrigen gelten die allgemeinen Regeln.
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etwa grauer Star, Haarausfall oder starke Dermatitis ein.63 Nach Schätzungen wurden letztlich bis zu 5.000 Personen der insgesamt rund 400.000 Konsumenten durch MER/29 geschädigt, mehr als 1500 Ansprüche wurden prozessual geltend gemacht.64 Mit statistischen Methoden konnte trotz der relativ kurzen Latenzzeit nur eine Risikoerhöhung ermittelt werden. Der Nachweis eines direkten Kausalzusammenhanges blieb unmöglich.65 Wesentlich länger auf dem Markt (1956–1983) war das während der Schwangerschaft zur Behandlung sog. morning sickness (Übelkeit und Erbrechen nach dem Aufstehen) eingesetzte Arzneimittel Bendectin.66 Es wurde während dieses Zeitraumes weltweit von rund 30 Millionen Frauen eingenommen, in den USA davon allein von 10% bis 25% aller werdenden Mütter.67 Seine teratogene Wirkung wird bis heute überwiegend bestritten. In keiner der 39 bislang durchgeführten epidemiologischen Studien konnte eine statistisch signifikante Risikoerhöhung, geschweige denn ein Ursachenzusammenhang klar belegt werden.68 Toxikologische Studien lieferten uneinheitliche Ergebnisse.69 Die Food & Drug Administra62 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (977 f.) (1993); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (315) (1992); zur Unternehmens- und Namensgeschichte des Herstellers (aktuell: Merrell Dow Chemical Corp.) vgl. id. 311 f. 63 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (977 f.) (1993); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (315) (1992). 64 Vgl. Rheingold, The MER/29 Story – An Instance of Successful Mass Disaster Litigation, 56 Cal. L. Rev. 116 (117 ff.) (1968); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (316) (1992). 65 Vgl. Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (315 f.) (1992). Als sonstige Ursachen für Dermatitis kommen etwa Parfüms, Puder oder sonstige Kosmetikartikel, synthetische Wolle, Chlor, Zigarettenrauch, diverse Reinigungsmittel, Sonnenbrände oder beim Betroffenen bereits vorhandene Allergien in Betracht; besuche www.nih.gov/ niams/healthinfo/dermatitis.htm; www.eczema-dermatitus.com/dermatitis.htm. Grauer Star kann etwa auch durch verlangsamten Stoffwechsel im Alter, Diabetes, eine starke Wärmebestrahlung der Augen, Augenverletzungen jeglicher Art oder eine Virusinfektion der Mutter während der ersten drei Schwangerschaftsmonate verursacht oder begünstigt worden sein; besuche www.meine-gesundheit.de/krank/texte/ grauerst.htm; www.netdoktor.de/krankheiten/Fakta/grauer_star.htm; www.med.unigiessen/augen/vorder04.htm. Und Haarausfall mag seinen Grund etwa auch in einer hormonellen Veranlagung, Störungen der Schilddrüsenfunktion, Eiweiß- und Eisenmangel, Infektionen und Fieber, Chemikalien in Shampoos oder in einer körperlichen, geistigen und seelischen Überbeanspruchung des Haarträgers finden; besuche www.allergie.de/pservice/haar_de.htm; www.orgovital.de/haarein.htm. 66 Zur inhaltlichen Zusammensetzung dieses Medikaments vgl. Goldberg, Causation and Risk, 103 (1999); Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (18) (1993). Bendectin wurde in anderen Ländern etwa unter der Bezeichnung Debendox, Lenotan oder Merbental vertrieben; zur Produktbezeichnung in den einzelnen Ländern vgl. insbesondere Goldberg, Causation and Risk, 102 ff. (1999); ferner Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (317 FN 76) (1992). 67 Vgl. Nosacka, Bendectin, Birth Defects, and Brock: A Study in Appellate Review, 13 J. Prod. Liab. 231 (1991); Goldberg, Causation and Risk, 103 (1999); Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (978) (1993); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 44 (1989); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (661) (1992).
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tion (FDA) hat deshalb die Vermarktung dieses Medikaments auch niemals verboten.70 Von den mehr als 2100 geltend gemachten Ansprüchen scheiterten später bis auf wenige Ausnahmen alle.71 Seit etwa drei Jahren ist auf dem deutschen Markt die Nichtraucherpille Zyban erhältlich und wird insoweit von derzeit rund 280.000 Entsagungswilligen eingenommen. Knapp 0,1% aller Benutzer litten nach kurzer Zeit unter epileptischen Krampfanfällen, Schwindel, Übelkeit, Angstzuständen, Schlaflosigkeit und Depressionen. In Großbritannien werden vom dort zuständigen medizinischen Aufsichtsamt zur Überwachung von Arzneimittelschäden (Medical Control Agency) inzwischen 57 Todesfälle im Zusammenhang mit Zyban genannt.72 Inwieweit all diese Vorfälle tatsächlich auf Zyban zurückzuführen sind, ließ sich bis heute mit medizinischen Mitteln nicht aufklären.73
68 Vgl. Green, Bendectin and Birth Defects: The Challenges of Mass Toxic Substances Litigation, passim (1996) (dazu McGovern, 95 Mich. L. Rev. 2077 (1997)); dens., 86 Nw. L. Rev. 643 (662) (1992); Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (978 ff.) (1993); Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (23 f.) (1993); dens., 43 Hastings L. J. 301 (346) (1992) (mit Grafik); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 44 (1989); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (4) (1995); Weinstein, 95 Mich. L. Rev. 2077 (2085) (1997). Die Studien bezogen sich auf eine Vielzahl vorgeburtlicher Schäden an äußeren und inneren Organen des Kindes; vgl. im einzelnen Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (319 FN 86) (1992). Im unbehandelten Normalfall kommen etwa 2% bis 5% aller Neugeborenen mit Mißbildungen zur Welt; vgl. Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (679) (1988). Die Mißbildungen hätten etwa auch von der behandelten Übelkeit als solcher stammen können; vgl. Goldberg, Causation and Risk, 104 (1999) sowie die Nachweise in den FN 404, 406. 69 Vgl. Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (322 ff., 333 ff., 346) (1992); dens., 46 Stan. L. Rev. 1 (19 ff.) (1993). Zu toxikologischen Beweismitteln siehe unter B. VII. 3. a). 70 Vgl. Sugarman, New Compensation Mechanisms, 45 (1989). Nähere Informationen zur FDA unter www.fda.gov sowie in FN 143. Auf Grund einer drohenden Prozeßwelle hat der Hersteller (unter der damaligen Firma: Richardson-Merrell (siehe zur Namensgeschichte dieses Herstellers den Nachweis in FN 62)) 1983 das Produkt aus Sicherheitsgründen freiwillig vom Markt genommen; vgl. id.; Hensler/ Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (978 f.) (1993). Zum Umfang der gerichtlichen Inanspruchnahme vgl. etwa die konsolidierten Verfahren In re Richardson-Merrell, „Bendectin“ Prods. Liab. Litig., 533 F.Supp. 489 (J.P.M.D.L. 1982); In re Richardson-Merrell, „Bendectin“ Prods. Liab. Litig., 624 F.Supp. 1212 (S.D. Ohio 1985), aff’d, 857 F.2d 290 (6th Cir. 1988), cert. denied, 488 U.S. 1006 (1989). 71 Zu den wenigen Ausnahmeentscheidungen gehören insbesondere Mekdeci v. Merrell National Laboratories, 711 F.2d 1510 (11th Cir. 1983); Oxendine v. Merrell Dow Pharm., Inc., 506 A.2d 1100 (D.C. 1986), cert. denied, 493 U.S. 1074 (1990). Zu Entscheidungen, die in einem summary judgement zugunsten des Beklagten endeten, vgl. etwa die Nachweise bei Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (4 FN 14) (1995). Zu einem neuen Standard hinsichtlich der Zulässigkeit von Beweismitteln führte die Entscheidung Daubert v. Merrell Dow Pharm., Inc., 711 F.Supp. 546 (S.D. Cal. 1989), aff’d, 951 F.2d 1128 (9th Cir. 1991), rev’d, 113 S.Ct. 2786 (1993). 72 Besuche http://gesundheit.t-online.de/Gesu/aktu/Arti/a_tol_raucherpille.
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Ebenso ungeklärt sind die schädlichen Auswirkungen gewisser Fruchtbarkeitspillen, die in den USA schon seit geraumer Zeit Konjunktur feiern. Ihre den weiblichen Eisprung deutlich erhöhende Wirkung steht nach einigen seither durchgeführten Untersuchungen im Verdacht, die Entstehung krebsartiger Geschwülste in den Eierstöcken begünstigen zu können.74 Umgekehrt können auch diverse intrauterine Empfängnisverhütungsmittel (IUDs) zu Schädigungen im Vaginalbereich führen. Ein besonders eindrucksvolles Beispiel hierfür liefert die Anfang der 1970er Jahre unter Frauen äußerst gern benutzte Spirale Dalkon Shield. Mehr als 4,6 Millionen Spiralen dieses Typs wurden Frauen in über 80 Ländern implantiert, davon allein 2,2 Millionen in den USA.75 Bereits nach wenigen Jahren wurde bekannt, daß sich im mehrfaserigen Strang am Ende der Spirale Bakterien festsetzen konnten, die unter Umständen gewisse Beckenbereichsentzündungen, septische Fehlgeburten nach gleichwohl erfolgter Schwangerschaft und sogar den Tod der Nutzerin auslösen konnten.76 Da neben bestimmten Lifestyle-Angewohnheiten auch diverse andere Faktoren Ursache derartiger Schäden gewesen sein konnten, scheiterte regelmäßig der Nachweis eines klaren Ursachenzusammenhanges.77 Im Konkursverfahren gegen den Hersteller A.H. Robins wurden insoweit rund 232.000 Ansprüche geltend gemacht, die vergleichsweise in geminderter Höhe abgefunden wurden.78 Auch ein anderes intrauterines Empfängnisverhütungsmittel mit dem Namen Copper 7, das geformt war wie eine 7 und mit einem hauchdünnen Kupferdraht um73 Besuche wysiwyg://text.haupt.11/http://t-online.netdoktor.de/feature/zyban. htm. Als andere Ursachen von Epilepsie sind etwa Hirnentzündungen, Hirnblutungen, Stoffwechselstörungen, Alkoholgenuß oder auch eine natürliche Fehlentwicklung des Gehirns denkbar; besuche www.iepilepsie.de; www.epilepsie-online.de. 74 Besuche www3.cancer.org/cancerinfo/load_cont.asp?st=pr&ct=33&language= english; http://cis.nci.nih.gov/fact/3_6.htm. 75 Vgl. Grant, The Selling of Contraception: The Dalkon Shield Case, Sexuality, and Women’s Autonomy (Women and Health) (1993) (mit zahlreichen Angaben zur Statistik); ferner Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (983) (1993); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 47 (1989). 76 Vgl. Mintz, At Any Cost: Corporate Greed, Women, and The Dalkon Shield, 4 (1985); Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (984) (1993). 77 Vgl. Bacigal, The Limits of Litigation: The Dalkon Shield, 10 ff. (1991); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 47 (1989). 78 Vgl. In re A.H. Robins Co., 88 Bankr. 742 (E.D. Va. 1988); dazu Feinberg, The Dalkon Shield Claimants Trust, 53 Law & Contemp. Probs. 79 (1990); Vairo, The Dalkon Shield Claimants Trust: Paradigm Lost (or Found)?, 61 Fordham L. Rev. 617 (1992); Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (983) (1993); McGovern, 69 B. U. L. Rev. 659 (675 f., 677, 687) (1989); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 47 f. (1989). Vor Eröffnung des Konkursverfahrens hatten Jurys manchen Klägerinnen noch spektakuläre Schadensersatzsummen zuerkannt, was den Konkursverfall A.H. Robins nachgerade noch deutlich beschleunigte, so etwa in Tetuan v. A.H. Robins Co., 738 P.2d 1210 (Kan. 1987) ($ 9,2 Millionen, davon $ 7,5 Millionen punitive damages); Palmer v. A.H. Robins Co., 684 P.2d 187 (Colo. 1984) ($ 6,2 Millionen punitive damages). Vgl. dazu allg. auch Hawkins, Unshielded: The Human Cost of the Dalkon Shield (1997).
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wunden war, wird für eine Reihe entsprechender Schäden verantwortlich gemacht.79 Dieses IUD wurde weltweit über 7 Millionen mal abgesetzt.80 Knapp über 500 Ansprüche wurden in der Folgezeit geltend gemacht und überwiegend vergleichsweise erledigt.81 In den streitigen Verfahren wurde ein ursächlicher Zusammenhang von der Mehrzahl der Gerichte abgelehnt.82 Zu Problemen in der Scheidengegend kann es auch durch die Benutzung ausflußhindernder Tampons kommen. Ein Zusammenhang wird insbesondere mit dem Auftreten des lebensgefährlichen toxischen Schocksyndroms (TSS) vermutet.83 Dieses wird durch das Staphylococcus aureus-Bakterium ausgelöst, das sich besonders zahlreich im luftdicht abgeschlossenen Milieu des Tamponinneren vermehren kann.84 TSS ist selten (3 Fälle auf 100.000 Frauenjahre) und kann auch ohne Tamponbenutzung selbst bei größter Scheidenreinheit entstehen.85 Ein eindeutiger Beweis, daß TSS auch ohne das Tampon entstanden wäre, läßt sich somit nicht führen. Möglich bleibt nur das Nachweis einer Risikoerhöhung. Toxische Massenschäden werden seit geraumer Zeit auch in bezug auf Vergrößerungen des weiblichen Busens durch diverse Silikonimplantate86 diskutiert. Während man Gewebe- und Hautverhärtungen (Sklerodermie) sowie Hauttuberkulose (Lupus) im Brustbereich dem Implantat regelmäßig noch klar zurechnen kann,87 läßt sich ein solcher Zusammenhang für die Entstehung von Brustkrebs mit derzeitigen Mitteln nicht führen.88 Epidemiologische Studien verneinen in solchen 79 Entsprechendes gilt für das nicht ganz so verbreitete IUD Tatum 7 desselben Herstellers (G.D. Searle & Co.); vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (987) (1993). 80 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (987) (1993). 81 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (987 f.) (1993). 82 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (987 f.) (1993). 83 Besuche www.dr-walser.ch/tss.htm. 84 Besuche www.dr-walser.ch/tss.htm; www.aok.de/magazine/ratgeber/infothek/ jungefamilie/m/682662984404041728.htm. 85 Besuche www.dr-walser.ch/tss.htm. 86 Die Hülle aller Implantate besteht aus Silikon, nur die Füllinhalte variieren je nach Hersteller. Silikonschäden ereignen sich somit unabhängig vom Implantattyp; besuche www.brustwiederherstellung.de/Kapitel_5_-_7/hauptteil_kapitel_5-_7.html. Weltwelt haben sich bislang rund 2 Millionen Frauen ihren Busen mit Silikonimplantaten vergrößern lassen; vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (992) (1993). 87 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (995 f.) (1993); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (18) (1995); auch Elwood, Causal Relationship, 5 (1992). In vielen Fällen bildet sich um das Implantat eine sog. Kapselfibrose, d.h. das Silikonkissen wird im Laufe der Zeit mit sich allmählich verhärtendem Bindegewebsmaterial umwuchert und zusammengedrückt; besuche www.brustwiederherstellung.de/Kapitel_5_-_7/hauptteil_kapitel_5-_7.html. 88 Vgl. Coffee, 95 Colum. L. Rev. 1343 (1407) (1995); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (18) (1995); besuche ferner www.oncolink.upenn.edu/pdq_html/4/engl/400367. html. Silikon gelangt meist über ein sog. Bleeding in den Blutkreislauf, d.h. mikroskopisch kleine Teile des Silikons lösen sich von der Implantathülle ab, wandern um das Implantat herum, fließen ineinander und sondern sich nach einer gewissen
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Fällen die ursächliche Verbindung fast ohne Ausnahme, lediglich aus manchen Tierstudien läßt sich ein leichter Risikoanstieg für silikonbehandelte Labortiere erkennen.89 Wie kürzlich nachgewiesen wurde, kann sich das Silikonrisiko auch über die Muttermilch auf die Kinder silikonbelasteter Mütter übertragen.90 Vorstellbar sind hier insbesondere Schädigungen an der Speiseröhre des gestillten Kindes, etwa wenn sich der Muttermilch Absonderungen ausgelaufenen Silikons, andere Substanzen des Implantats oder bestimmte Antikörper beigemischt haben, die sich im Brustbereich als Reaktion auf den eingepflanzten Fremdkörper gebildet haben.91 Mehr als statistische Risikoerwägungen lassen sich aber auch in diesem Bereich wegen der Fülle anderer denkbarer Schadensursachen nicht anstellen.92 Zuordnungsschwierigkeiten können sich auch nach einer Inhalierung verschiedenartiger Gase ergeben. So entwickelten etwa viele Arbeiter im Uranbergbau, die über Jahre hinweg dem radioaktiven Gas Radon ausgesetzt waren, diverse Lungenkrankheiten bis hin zum Lungenkrebs, ohne eine nähere Verknüpfung ihrer Leiden mit ihrer Tätigkeit herstellen zu können.93 Epidemiologische Studien konnten zwar nachweisen, daß sich das Lungenkrebsrisiko94 in diesen Fällen signifikant um einen bestimmten Prozentsatz gegenüber der sonstigen Bevölkerung Zeit tröpfchenförmig in den Organismus ab. Je älter das Implantat ist, um so eher neigt es zu Rissen und Durchlässigkeit, etwa auch auf Grund einer in der Zwischenzeit entstandenen Kapselfibrose (siehe in FN 87); besuche zur Problematik insgesamt www.brustwiederherstellung.de/Kapitel_5_-_7/hauptteil_kapitel_5-_7.html; vgl. ferner Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (993 FN 165) (1993). Zudem verhindert das Implantat jede sinnvolle mammographische Krebsfrüherkennung und begünstigt somit auch auf diese Art die Entstehung und Ausbildung von Brustkrebs; vgl. Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (19) (1995). Auch nach der Operation eventuell zurückgebliebenes Narbengewebe mag das Aufspüren kleinerer Tumoren erschweren; besuche www.brustwiederherstellung.de/Kapitel_5_-_7/hauptteil_ kapitel_5-_7.html. 89 Vgl. Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (23 f.) (1995); Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (993) (1993). Trotz der schwachen Beweislage haben sich Hersteller und Ärzte 1993 auf einen Massenvergleich mit rund 400.000 Implantatopfern eingelassen, um weitergehende Ansprüche für die Zukunft auszuschließen. Das Volumen des ausgehandelten Entschädigungsfonds erreichte die Rekordsumme von $ 4,75 Milliarden; vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (987) (1993); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (21) (1995). 90 Vgl. Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (25 ff.) (1995). 91 Vgl. Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (27) (1995). 92 Als sonstige Ursachen für Speiseröhrenkrebs kommen etwa in Frage: der Genuß hochprozentigen Alkohols oder heißer Getränke, der Verzehr scharf gewürzter Speisen, Nitrosamine, Aflatoxine oder Betelnüsse; besuche www.medicineworldwide.de/krankheiten/krebs/speiser-krebs.html; www.netdoktor.de/krankheiten/ Fakta/speiseroehrenkrebs.htm; vgl. ferner Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (27) (1995). 93 Besuche http://cis.nci.nih.gov/fact/3_52.htm. 94 Entsprechendes gilt für das Risiko der Entstehung von Bauchspeicheldrüsen-, Blasen- und Brustkrebs sowie die Möglichkeit einer Erkrankung an Leukämie (siehe in FN 15); vgl. Axelson, Cancer Risks, 146 (154) (1990).
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erhöht haben mußte, ließen aber weitergehende Rückschlüsse auf eine bestimmte schadensauslösende Ursache nicht zu.95 Vor entsprechenden Problemen standen zahlreiche Arbeiter aus der kunststofferzeugenden Industrie, die bei der Herstellung von Plastik den gasförmigen Stoff Vinylchlorid eingeatmet und nach einer gewissen Zeit Gehirntumore ausgebildet hatten.96 Eine große Gefahr, insbesondere für die kindliche Entwicklung, wird auch der stetigen Aufnahme von Blei in den menschlichen Organismus zugeschrieben. Bleivergiftungen können bei Kindern etwa zu einem verlangsamten Gehirnwachstum, Hyperaktivität, Sprechproblemen und einer Vielzahl neurotischer Schäden führen.97 Blei kann beispielsweise enthalten sein in Malfarben, Buntstiften, Spielsachen, Rohren, alten Möbeln, Eßgeschirr, Trink- und Grundwasser usw.98 Ort, Dauer und Häufigkeit der Bleiexposition lassen sich nachträglich meist nur noch ungenau rekonstruieren, zumal dem Krankheitsausbrauch regelmäßig eine mehrjährige Latenzzeit vorausgeht und die Schadensquellen differieren.99 So lassen sich als Ursache für die erwähnten Krankheiten etwa auch genetische Störungen, Alkohol, Zigarettenkonsum oder sonstige Drogeneinflüsse denken. Eine besonders breite Masse an Personen wird regelmäßig auch betroffen, wenn gewisse für den allgemeinen Verbrauch bestimmte Lebensmittel mit Krankheitserregern verseucht sind. So wurden etwa in einem Aufsehen erregenden Fall auf einer Molkerei in Illinois mehrere hunderttausend Liter Milch mit SalmonellenBakterien kontaminiert, die nachfolgend von etwa 180.000 Kunden konsumiert wurden. Bei einer Reihe von ihnen stellten sich nach einer gewissen Zeit Fieber, Krämpfe, Diarrhö, Übelkeit und Kopfschmerzen ein. Sechs Kunden starben an den Folgen dieser Krankheiten. Insgesamt gab es 19.000 Anspruchsteller. Ein Zusammenhang mit der kontaminierten Milch war wahrscheinlich, aber nicht sicher, da sich die Schäden auch aus anderen Quellen ergeben haben konnten.100 95 Besuche www3.cancer.org/cancerinfo/load_cont.asp?st=pr&ct=26&language= english; http://cancer.med.upenn.edu/cancer_news/1995/lung_radon.html; vgl. aus epidemiologischer Sicht ferner Axelson, Cancer Risks, 146 (154) (1990). Neben der Lungenexposition mit Radon kann Lungenkrebs etwa auch ausgelöst werden durch Aktiv- oder Passivrauchen, die Smogbelastung einer Großstadt, Asbestfasern (siehe bei FN 48 bis 50), verschiedene Arsenverbindungen, sonstige radioaktive Stoffe, eine Erkältung, schlechte Belüftung der Arbeitsräume, Nickel im getragenen Modeschmuck, ererbte Gendefekte usw.; allgemein zur Ätiologie des Lungenkrebses www.medicine-worldwide.de/krankheiten/krebs/lungenkrebs.html. 96 Besuche www3.cancer.org/cancerinfo/load_cont.asp?st=pr&ct=3&language= english. Als weitere Ursachen für die Ausbildung von Gehirntumoren kommen etwa das Einatmen diverser Lösungsmittel, das Arbeiten mit Holzschutzmitteln, Löten mit Lötzinn und Lötpaste, Gehirnerschütterungen sowie genetische Veranlagungen in Betracht; besuche www.krebs-kompass.de/hirntumoren.shtml; www.free.de/ WiLa/Berufskrankheit/fehldiag.htm. 97 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (1007) (1993); Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (181 FN 17) (1983); ferner auch Stelkens, Epidemiologische Untersuchung bei Erwachsenen in der Umgebung eines ehemaligen Blei- und Silberbergwerkes (1989). 98 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (1007) (1993). 99 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (1008) (1993).
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Häufig werden Lebensmittel im Laufe des Herstellungsprozesses auch mit verschiedenen Chemikalien behandelt. So wird etwa der Stoff Trichloroäthylen zum Entkoffeinieren von Kaffee, als Lösungsmittel für Fette und Öle und als Extraktionsmittel für gewisse pflanzliche Produkte verwendet. Eine deshalb möglicherweise krebserregende Wirkung des Endprodukts kann später im Körper des Opfers nicht mehr nachgewiesen werden.101 Entsprechendes gilt für den früher für solche Zwecke verwendeten Stoff Methylen Chlorid.102 Vielfach werden gewöhnliche Lebensmittelbestandteile auch durch chemische Substitute ersetzt, deren karzinogener Langzeiteffekt noch weitgehend unbekannt ist. So haben beispielsweise die Zuckerersatzstoffe Cyclamate und Saccharin bei manchen Labortieren Blasenkrebs hervorgerufen, ohne daß daraus bisher Rückschlüsse auf die Schädlichkeit für den Menschen gezogen werden konnten.103 Ferner wird von manchen Forschungsinstituten behauptet, daß der Zuckerersatzstoff Aspertame, besser bekannt unter dem Namen Nutrasweet, in gewissen Fällen die Ausbildung von Gehirntumoren begünstigt.104 Unter bestimmten schlecht sitzenden Gebissen können sich im Laufe der Zeit Bakterien ansammeln, die das Krebsrisiko im Mund- und Rachenraum signifikant erhöhen können.105 Gewisse leistungssteigernde Anabolika können bei Sportlern das Risiko für Leber- und Nierenkrebs deutlich anheben.106 Diverse Pflanzenschutzmittel sind imstande, Geschwülste des Lymphknotens und des Bindegewebes, Lungen-, Magen- und Prostatakrebs sowie verschiedene Krebsarten im Nasen- und Rachenraum auszulösen.107 100 Vgl. zu diesem Fall Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (998 f.) (1993). 101 Besuche http://cis.nci.nih.gov/fact/3_16.htm. 102 Besuche http://cis.nci.nih.gov/fact/3_16.htm. 103 Besuche http://cis.nci.nih.gov/fact/3_19.htm. Siehe zu den genannten Extrapolationsschwierigkeiten im einzelnen unter B. VII. 3. a) aa) u. b). Zudem kommen auch für die Entstehung von Blasenkrebs eine Reihe weiterer Ursachen in Betracht, so etwa ein Infekt mit Schistosomen, Nebenwirkungen diverser Arzneimittel, frühere Kontakte mit verschiedenen Chemikalien, wie insbesondere Farbstoffen, oder das Einatmen von Dämpfen verbrennenden Gummis; besuche dazu insbesondere www.medicine-worldwide.de/krankheiten/krebs/harnblasenkrebs.html; www.netdoktor.de/krankheiten/Fakta/blasenkrebs.htm. 104 Besuche http://cis.nci.nih.gov/fact/3_19.htm; www3.cancer.org/cancerinfo/ load_cont.asp?st=pr&ct=3&language=english. Zu sonstigen möglichen Entstehungsursachen von Gehirntumoren siehe in FN 96. 105 Besuche www3.cancer.org/cancerinfo/load_cont.asp?st=pr&ct=60&language= english. 106 Besuche www3.cancer.org/cancerinfo/load_cont.asp?st=pr&ct=25&language= english. Zu anderen möglichen Entstehungsursachen von Leberkrebs siehe in FN 44. 107 Vgl. Blair/Zahn, Herbicides and Cancer, 132 (133 ff.) (1990) (mit Darstellung und Analyse mehrerer insoweit bereits durchgeführter epidemiologischer Studien). Zu sonstigen möglichen Entstehungsursachen von Lungenkrebs siehe auch in FN 95.
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Gewisse talkhaltige kosmetische Puder werden als Erreger für entsprechende Krebsarten verantwortlich gemacht.108 Lauge in Reinigungsmitteln, die in die Speiseröhre gelangt, kann Speiseröhrenkrebs hervorrufen.109 Fasern bestimmter Zigarettenfilter können sich während des Rauchens absondern und inhaliert oder verschluckt werden und so ein besonderes Risiko für Lungenund Magenkrebs schaffen.110 Entsprechendes gilt für Schnupftabak und Kautabak.111 Die rauchlose Zigarette Eclipse ist nach neuesten Untersuchungen ebenso krebserregend wie gewöhnliche Zigaretten, wobei der erkrankte „Raucher“ auch hier nur einen Risikoanstieg durch seinen Zigarettenkonsum nachweisen kann.112
In all diesen Fällen kann dem hervorgehobenen Risikofaktor eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Schadensverursachung nicht abgesprochen werden. Im exponierten Kollektiv erhöhte er jeweils die Erkrankungsrate um einen bestimmten Prozentsatz. Seine Kausalwirkung für einen Teil der von ihm betroffenen Menschenmasse ist unbestreitbar. Mit statistischen Mitteln läßt sich regelmäßig sogar klar belegen, in wie vielen Fällen der Gesamtheit er sich in einem Schaden realisiert haben muß.113 Während die Statistik die gesellschaftliche Dimension des angerichteten Unheils verdeutlicht, versagt sie dem einzelnen Kläger gerade auf Grund ihres kollektiven Bezugspunktes die Aufklärung seines persönlichen Einzelschicksals. Der Blick auf die verantwortliche Ursache wird ihm gerade durch die Vielzahl möglicher Risikofaktoren verstellt.114 Die Verteilung seines Gesamtrisikos auf verschiedene Schadensquellen verwandelt ihm die gewöhnliche Haftungsgewißheit in einen breiten Fächer verschieden wahrscheinlicher Verantwortungsmöglichkeiten. Wo ihm die Medizin eine nähere Aufklärung nicht liefern kann, bleiben ihm mit Hilfe der Statistik letztlich nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit fremder Deliktsverantwortung. Zusätzliche Schwierigkeiten mag es bereiten, daß viele Giftstoffe ihre Charakteristik grundlegend verändern können, wenn sie in Verbindung mit 108
Besuche www3.cancer.org/cancerinfo/load_cont.asp?st=pr&ct=26&language= english; www3.cancer.org/cancerinfo/load_cont.asp?st=pr&ct=33&language=english. 109 Besuche www3.cancer.org/cancerinfo/load_cont.asp?st=pr&ct=12&language= english. Zu sonstigen möglichen Ursachen von Speiseröhrenkrebs siehe in FN 92. 110 Besuche http://cancer.med.upenn.edu/cancer_news/1995/cig.html. Zu sonstigen möglichen Entstehungsursachen von Lungenkrebs siehe auch in FN 95. 111 Besuche http://cis.nci.nih.gov/fact/3_63.htm. 112 Besuche www.cnn.com/HEALTH/9606/03/cigarette/index.html. 113 Siehe im einzelnen unter B. VII. 2. 114 Ohmann (Market Share Liability (1986)) spricht insoweit von einer „Anonymität“ (id. 202) der Verantwortlichkeit.
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anderen Substanzen treten. Vermischen sich etwa zwei Chemikalien, so mag hierdurch ein besonderes Risiko überhaupt erst synergistisch erzeugt oder ein bereits vorhandenes Risiko noch progressiv gesteigert werden können. Das Neu- oder Zusatzrisiko verdankt hier seine Existenz erst dem Vorhandensein des jeweils anderen Stoffes, läßt sich also einer der beiden Chemikalien nicht mehr eindeutig zuordnen.115 Besondere Probleme bei der Ursachenermittlung bereitet den Betroffenen in fast allen Fällen auch die oftmals jahrzehntelange Latenzzeit zwischen Exposition und Krankheitsausbruch. Statt die Schadensfolgen mit einer bestimmten Ursache verknüpfen zu können, sammeln sich im Laufe der Zeit eine Reihe weiterer verschieden wahrscheinlicher Ursachenmöglichkeiten an, für die je nach Zeitabstand und Wichtigkeit beweisrechtlich nur noch mehr oder weniger leidlich verwertbare Daten vorhanden sein werden. Erinnerungen mögen verblaßt, Krankenakten unauffindbar oder Aussagen über einstige Expositionen unüberprüfbar geworden sein. Die für den Kläger auf Grund der grundsätzlichen Unaufklärbarkeit toxischer Ursachenzusammenhänge ohnehin schon miserable Prozeßsituation wird hier durch diese rein tatsächlichen Gegebenheiten noch weiter verschlechtert.116 Hat die Medizin den schadensauslösenden Grund zwar erkannt, so kann die kausale Aufklärung aber trotzdem noch daran scheitern, daß eine Reihe gleichförmiger Risikofaktoren verschiedener Erzeuger auf den Betroffenen eingewirkt haben. Hier ist dann zwar klar, welches Risiko den Schaden letztlich verursacht hat, unklar ist aber noch die Person des konkret dafür verantwortlichen Risikosetzers. Paradigmatisch für diese Situation sind in den USA seit nunmehr über zwei Jahrzehnten die zahlreich abgeurteilten Fälle der Schädigungen durch das synthetische Östrogen Diethylstilbestrol (DES).117 Östrogen ist ein weibliches Geschlechtshormon, das auf natürliche Weise im Körper einer jeden Frau produziert wird und 115 Zur rechtlichen Handhabung solcher synergistischen und progressiven Effekte siehe unter B. X. 116 Vgl. Lyndon, 87 Mich. L. Rev. 1795 (1801 f.) (1989); Eggen, Toxic Torts, 250 ff. (2000); dens., 60 Fordham L. Rev. 843 (855) (1992); dens., 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (890) (1994); Schwartz, 14 J. Leg. Stud. 689 (690) (1985); Applegate, 91 Colum. L. Rev. 261 (272) (1991); Mulcahy, 11 HOFSTRA L. Rev. 1299 (1300) (1983); Fabic, 29 Buffalo L. Rev. 533 (540 f.) (1980); Newcomb, 76 Nw. U. L. Rev. 300 (300) (1981); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (777) (1991); Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (526) (1985); Göben, Arzneimittelhaftung, 154 (1995); Romerio, Toxische Kausalität, 3, 10 (1996); Chen, Ursachenvermutung, 9 (1994); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 3 (1993); Nagareda, 94 Mich. L. Rev. 899 (1996) (Wartezeit wirke für die Betroffenen wie eine „macabre lottery“ (id. 906) des Krankheitsausbruchs). Die Latenzzeit kann sogar mehrere Generationen überdauern; zu solchen sog. intergenerational torts siehe die Nachweise in FN 126. Zu Vorschlägen zur haftungsrechtlichen Überwindung der Latenzzeit siehe unter B. IX.
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dem gerade während der Schwangerschaft eine entscheidende Bedeutung für die Entwicklung des Fötus zukommt.118 In seiner synthetisierten Form wurde es in den USA fast ein Vierteljahrhundert lang (1947 bis 1971) eingesetzt, um bei absehbar komplizierten Schwangerschaften der Gefahr von Fehlgeburten vorzubeugen.119 Sein Entdecker, der britische Wissenschaftler Dr. E. C. Dodds, hatte sich die chemische Formel für die Herstellung von DES niemals patentieren lassen und stattdessen dem freien Markt die weitere Produktion von DES überlassen.120 In den USA nutzten letztlich rund 300 Pharmaunternehmen diese Chance patentfreier Vermarktung.121 Anfang der 1970er Jahre entdeckten Wissenschaftler der Harvard Medical School,122 daß viele Töchter DES-behandelter Mütter während ihrer Pubertät123 im Vaginalbereich ein bis dahin weitgehend unbekanntes Adeno117 Zu einzelnen Entscheidungen, die in ihren Sachverhaltsmitteilungen auch Teile der im Text genannten Daten enthalten, siehe die Nachweise in den FN 549 ff. Zur Beschaffenheit und Wirkungsweise von DES vgl. etwa Bodewig, AcP 185, 505 (509) (1985); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (774) (1991); besuche ferner http:// cis.nci.gov/fact/3_4.htm; http://cancer.med.upenn.edu/specialty/gyn_onc/cervical/ faq/faq_des.html. Eine Tablette DES enthielt etwa 2.000mal so viel Östrogen wie ein modernes orales Empfängnisverhütungsmittel; vgl. Myers, 62 U. Cinn. L. Rev. 283 (284 FN 6) (1993). 118 Vgl. nur Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (201) (1985/86). Die Herstellung von DES ist etwa 300mal billiger als die Gewinnung natürlichen Östrogens; statt injiziert kann es dem Körper auch oral zugeführt werden; vgl. Pfister, Haftung für Arzneimittel, 122 (1990); Ohmann, Market Share Liability, 5 (1986); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (963 FN 1) (1978); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (202) (1985/86); Myers, 62 U. Cinn. L. Rev. 283 (283 FN 2) (1993). 119 Vgl. Appel, 1980 Brigham Y. U. L. Rev. 69 (83 ff.) (1980); Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (610 f.) (1990); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (963) (1978); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (206) (1985/86); Vagley/Blanton, 16 FORUM 636 (639) (1980); Pfister, Haftung für Arzneimittel, 122 (1990); Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 93 (1986); Ohmann, Market Share Liability, 8 (1986); Lüderitz, RIW 1988, 782 (783); besuche ferner http://cis.nci.gov/fact/3_4.htm. Im genannten Zeitraum wurde DES letztlich von rund 3 Millionen schwangeren Frauen eingenommen; vgl. Miller/Hancock, 88 W. Va. L. Rev. 81 (83) (1985); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (963 f.) (1978); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (206) (1985/86); Ohmann, Market Share Liability, 8 f. (1986); Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 93 (1986). 120 Vgl. Bleakley, Drug Product Liability, 31 (35) (1981); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (202) (1985/86); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (774 FN 12) (1991); Pfister, Haftung für Arzneimittel, 122 (1990); Ohmann, Market Share Liability, 5 (1986); Bodewig, AcP 185, 505 (509) (1985). 121 Eine genaue Zahl der Hersteller ließ sich wegen des regelmäßig markenfrei erfolgten Vertriebs bis heute nicht ermitteln. Man geht inzwischen überwiegend von zwischen 200 und 300 Herstellern aus; vgl. Pfister, Haftung für Arzneimittel, 123 (1990); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (778) (1991); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (205, 211) (1985/86); Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (611) (1990); Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 93 (1986); Bodewig, AcP 185, 505 (509) (1985); Ohmann, Market Share Liability, 8 (1986). 122 Vgl. Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (206) (1985/86); Vagley/Blanton, 16 FORUM 636 (639) (1980); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (775) (1991).
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karzinom124 nebst mitunter starken Verformungen und Verwucherungen von Scheide und Gebärmutter (Adenose)125 ausbildeten. Letztere werden seit kurzem auch für eine Reihe von Frühgeburten sog. DES-Enkel und die üblicherweise für diese daraus folgenden Schäden (wie z. B. Gehirnlähmung oder Gliedmaßenunterentwicklung) verantwortlich gemacht.126 DES-Töchter und DES-Enkel hatten bei ihren Entschädigungsbemühungen zwar keine Schwierigkeiten, einen medizinischen Zusammenhang ihrer Schäden mit der einstigen DES-Behandlung ihrer Mütter bzw. Großmütter herzustellen,127 blieben aber wegen der Beschaffens123 Die Latenzzeit bis zum Krankheitsausbruch beträgt in DES-Fällen also inetwa zwischen 10 und 20 Jahre; vgl. Phillips/Pryor, Products Liability, 333 f. (1995); Goldberg, Causation and Risk, 56 f. (1999); Vagley/Blanton, 16 FORUM 636 (639) (1980); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (777) (1991); Myers, 62 U. Cinn. L. Rev. 283 (284 FN 7) (1993); Hager, NJW 1986, 1961 (1967); Bodewig, AcP 185, 505 (509) (1985); Lüderitz, RIW 1988, 782 (783). 124 Ein Adenokarzinom (clear cell adenocarcinoma) ist eine bösartige Geschwulst, die im gesamten Körper rasch Metastasen auswirft und bei nicht sofortiger chirurgischer Behandlung zum sicheren Tod führt; vgl. Pfister, Haftung für Arzneimittel, 123 (1990); Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (611) (1990); Myers, 62 U. Cinn. L. Rev. 283 (284 FN 7) (1993); vgl. auch die eindrucksvolle Schilderung eines DESVaters vom Krankenschicksal seiner an einem Adenokarzinom leidenden Tochter (Fenichell, Daughters at Risk: A Personal DES History (1981)); ferner die Darstellung bei Meyers, D.E.S., the Bitter Pill (1983). Ein Zusammenhang der Entstehung dieses Karzinoms mit der vormaligen DES-Behandlung der Mutter ist heute unstreitig; siehe die Nachweise in den FN 127, 370. Etwa jede tausendste DES-Tochter erkrankte später an diesem Krebs; vgl. Myers, 62 U. Cinn. L. Rev. 283 (284 FN 7) (1993); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (965 FN 8) (1978); Ohmann, Market Share Liability, 10 (1986); Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 93 (1986); besuche ferner http://cis.nci.gov/fact/3_4.htm. 125 Adenose wird als mögliche Vorstufe für die Ausbildung eines Adenokarzinoms angesehen; vgl. Ohmann, Market Share Liability, 10 (1986); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (206) (1985/86); Vagley/Blanton, 16 FORUM 636 (639) (1980). Gewisse Verformungen im Scheiden- und Gebärmutterbereich traten bei etwa 2/3 aller DES-Töchter auf; vgl. Myers, 62 U. Cinn. L. Rev. 283 (284 FN 7) (1993). 126 Zu solchen intergenerational torts vgl. Enright by Enright v. Eli Lilly & Co., 570 N.E.2d 198 (N.Y. 1991), cert. denied, 502 U.S. 868 (1991); Albala v. City of New York, 445 N.Y.S.2d 108 (N.Y. 1981); Catherwood v. American Sterilizer Co., 498 N.Y.S.2d 703 (N.Y. 1986); Grover v. Eli Lilly & Co., 591 N.E.2d 696 (Ohio 1992); Sorrells v. Eli Lilly & Co., 737 F.Supp. 678 (D.D.C. 1990); McMahon v. Eli Lilly & Co., 774 F.2d 830 (7th Cir. 1985); ferner Myers, 62 U. Cinn. L. Rev. 283 (285, 292 f., 296 ff.) (1993) (mit Besprechung der Rspr.); Goldberg, Causation and Risk, 57, 81 ff., 92 ff. (1999) (mit Schaubild auf id. 59); Johnson/Gunn, Tort Law, 362 (1994); Eggen, Toxic Torts, 88 (2000); dens., 60 Fordham L. Rev. 843 (845, 852, 884, 886) (1992); Loser, Kausalitätsprobleme, 13 (1994). DES-Enkel können auch dadurch entstehen, daß das Sperma eines DES-Sohnes auf Grund der DES-Behandlung der Mutter einen Chromosomschaden davongetragen hat, der sich erst später in diversen Mißbildungen eines DES-Enkels offenbart; vgl. Goldberg, Causation and Risk, 57, 92 ff. (1999) sowie entsprechend die Ausführungen in FN 24. 127 Vor der Vermarktung von DES war ein Adenokarzinom im Scheidenbereich lediglich in drei Fällen aufgetaucht; der Nachweis der Medical Causation gilt für
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gleichheit der verschriebenen DES-Präparate regelmäßig den Nachweis des konkret verantwortlichen Schädigers schuldig.128 Die Produkte wurden fast ausnahmslos unter der Gattungsbezeichnung DES vertrieben und von Ärzten auch als solches verschrieben.129 Apotheken deckten sich mit synthetischem Östrogen verschiedener Hersteller ein, ohne beim einzelnen Verkaufsfall, geschweige denn Jahrzehnte später im Prozeß, noch genaue Angaben über dessen Herkunft machen zu können.130
Die medizinisch nachweisbare Schadensursache läßt sich in solchen Fällen wegen der Unbestimmbarkeit des dafür verantwortlichen Schädigers rechtlich nicht klar zuordnen (Problem der Legal Causation;131 s. u. C.). Da den Geschädigten in diesen Fällen somit als weitgehend unproblematisch; vgl. Goldberg, Causation and Risk, 56 (1999); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (964 f., 965 FN 8) (1978); Myers, 62 U. Cinn. L. Rev. 283 (284 FN 7) (1993); Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (611) (1990); Lüderitz, RIW 1988, 782 (783). Auch ein Zusammenhang mit der Entstehung von Adenose scheint medizinisch gesichert; siehe die Nachweise in FN 125. 128 Vgl. Bleakley, Drug Product Liability, 31 (35) (1981); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (972) (1978); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (211) (1985/86); Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (611) (1990); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (778) (1991); Pfister, Haftung für Arzneimittel, 123 (1990); Lüderitz, RIW 1988, 782 (783). Die FDA (siehe in FN 143) hatte sogar auf die gleichförmige Herstellung aller DES-Präparate hingewirkt, um eine gleichmäßige Versorgung der Patienten unabhängig vom Hersteller sicherzustellen; vgl. 21 U.S.C. §§ 321(j), 351(b) sowie die Nachweise in FN 559; ferner Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (1311) (N.J.Super 1980); auch Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (206) (1985/86). 129 Vgl. Bleakley, Drug Product Liability, 31 (35) (1981); Ohmann, Market Share Liability, 10 f. (1986); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (211) (1985/86); Pfister, Haftung für Arzneimittel, 123 (1990); Bodewig, AcP 185, 505 (509) (1985); Hager, NJW 1986, 1961 (1967). 130 Vgl. Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (211) (1985/86); Bodewig, AcP 185, 505 (509) (1985). 131 Die Begriffswahl für das Problem der rechtlichen Zuordnung der schadensauslösenden Ursache ist noch weitgehend ungeklärt, zumal die Zweiteilung der Kausalitätsproblematik in medizinische und rechtliche Zuordnungsfragen von weiten Teilen der Literatur noch nicht klar erkannt worden ist; vgl. etwa die Darstellung bei Pierce, 33 Vand. L. Rev. 1281 (1980). Am treffendsten dürfte das Problem durch den Begriff der Legal Causation gekennzeichnet sein; soweit ersichtlich zum ersten Mal mit dieser Bedeutung verwendet von Harris, 40 Sw. L. J. 909 (944 u. passim) (1986); vgl. ferner Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2076) (1988); Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1617, 1624 ff.) (1986). Teilweise wird die Bezeichnung Legal Causation oder legal cause auch als Oberbegriff zu den Prüfungspunkten cause-in-fact und proximate cause verstanden oder synonym zum Begriff der proximate cause gebraucht; vgl. etwa Madden, Products Liability, 39 f. (1988); Johnson, Mastering Torts, 95 (1995); aus der Rechtsprechung etwa Moorehead v. Mitsubishi Aircraft, Inter. Inc., 639 F.Supp. 385 (E.D. Tex. 1986); McClure v. Allied Stores of Texas, Inc., 608 S.W.2d 901 (903) (Tex. 1980), on remand 622 S.W.2d 618 (1981). In der deutschen Dogmatik bezeichnet man diesen Ursächlichkeitsaspekt wegen der vorhandenen Schädigeralternativität zumeist als alternative
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für den Kläger hier nicht erkennbar ist, wer der richtige Beklagte für seinen Schadensersatzanspruch ist, spricht man in solchen Situationen auch von einem Fall des sog. Indeterminate Defendant.132 Eine Reihe weiterer derartiger Sachverhalte sind aus der Praxis hinlänglich bekannt: So wird von einer Begebenheit aus Spanien berichtet, in dem verschiedene Hersteller billiges Speiseöl mit demselben geschmacksverbessernden Giftstoff versetzt und so bei Hunderten von Verbrauchern langsames Siechtum und Tod verursacht hatten. Da die Öle von ihnen ohne Herkunftsbezeichnung auf den Markt gebracht wurden, ließ sich später nicht mehr ermitteln, welches Öl den Schaden welches Verbrauchers ausgelöst hatte.133 In einer ähnlichen Angelegenheit134 hatte ein Tourist an seinem Urlaubsort in Nevada in mehreren Restaurants mit Salmonellen verseuchtes Essen verspeist. Die Magen- und Darmvergiftung des Urlaubers konnte später zwar wegen der relativ kurzen Latenzzeit von nur 52 Stunden noch eindeutig auf den Salmonellenkonsum zurückgeführt werden. Unklar blieb jedoch auch hier bis zuletzt die Person des Schädigers.135 Vor einem entsprechenden Problem standen die Geschädigten eines Hallenbrands in Covington (Kentucky), bei dem PVC-Isolierungsmaterial verschiedener Hersteller verbrannt war und sich nachträglich nicht mehr klären ließ, wessen giftiger Dampf den Schaden welches Opfers verursacht hatte.136 UnaufKausalität; vgl. etwa Kahl/Voßkuhle, Umweltrecht, 361 (1998); Bydlinski, FS Beitzke, 3 (4 f.) (1979) sowie die Literatur zu § 830 I 2 BGB (siehe die Nachweise in den FN 324 bis 333). 132 Der Begriff wird etwa benutzt von Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (1992) („The problem of the Indeterminate Defendant arises when the plaintiff is unable to ascertain which one of the various companies that produced/manufactured/distributed/disposed of the material(s) containing the hazardous substance(s) to which the plaintiff attributes his injuries actually produced/manufactured/distributed/disposed of the specific material containing the substance(s) to which the plaintiff was actually exposed.“ (id. 612) (Klammereinfügungen im Original)); Novick, 22 Tort & Ins. L. J. 536 (1987) („The term is used when the plaintiff cannot prove which of a finite number of defendants actually caused his injury.“ (id. 538)); vgl. ferner Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1239) (1987); O’Reilly, Product Defects, 195 (1987). 133 Vgl. den Fallbericht von Bodewig, AcP 185, 505 (506) (1985). Eine entsprechende Problemlage ergab sich Anfang der 1980er Jahre auch für viele Liebhaber preisgünstigen österreichischen Importweins auf Grund der dort von einigen Winzern praktizierten Versetzung ihrer Weine mit geschmacksverbesserndem, aber hochgiftigem Diäthylenglykol; vgl. nur Ohmann, Market Share Liability, 282 (1986). 134 In Anlehnung an Wilson v. Circus Circus Hotels, Inc., 710 P.2d 77 (Nev. 1985). 135 Vgl. dazu auch Franklin/Rabin, Tort Law, 208 (1987). 136 In Anlehnung an In re Beverly Hills Fire Litigation (E.D. Ky at Covington, Case No. 77–79) (mitgeteilt von Bleakley, Drug Product Liability, 31 (36 f.)
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A. Einführung
klärbar blieb auch die Haftungszuordnung in einem Fall, in dem mehrere Obstbauern verbotenerweise das Insektenvertilgungsmittel E 605 gespritzt und damit die Bienen mehrerer Imker vergiftet hatten.137 In der (gerichtlichen) Praxis dürften (künftig) auch solche Sachverhalte häufig sein, in denen ein später an AIDS Erkrankter mit mehreren HIV-Infizierten geschlechtlich verkehrt138 oder mit mehreren Drogenabhängigen die Nadel für seinen Drogenkonsum geteilt hatte. Auch bei Fällen mit problematischer rechtlicher Haftungszuordnung läßt sich die Deliktsverantwortung nur im Umfang einer bestimmten Wahrscheinlichkeit erfassen. Es war gerade in dem Maß wahrscheinlich, daß ein bestimmter Risikosetzer den entstandenen Schaden verursacht hat, wie er zum Gesamtvorkommen des ursächlich gewordenen Risikofaktors beigetragen hat. Aus gesamtgesellschaftlicher Sicht entspricht das Maß seiner Verantwortung für die entstandenen Schadensfälle genau dem Prozentsatz seines Beitrages zum Gesamtrisiko. Die Frage seiner Haftung im Einzelfall verkompliziert sich nur deshalb, weil neben ihm auch noch andere Personen entsprechende Risikofaktoren gesetzt haben. Wo in sonstigen Fällen die Zunahme des Risikovolumens den Haftungsnachweis vereinfachen mag, gibt die Vielheit gleichförmiger Risikosetzung dem einzelnen hier eine Verweismöglichkeit auf die wahrscheinliche Verantwortlichkeit eines anderen. Die Existenz des jeweils anderen Risikos verschafft dem einzelnen hier ein Alibi für seine ansonsten sicher bestehende Haftung. (1981)). Wären die Betroffenen toxischen Dämpfen verschiedenartiger Giftstoffe ausgesetzt gewesen, ergäbe sich zudem das Problem der Medical Causation sowie der richtigen haftungsrechtlichen Verteilung dabei eventuell aufgetretener synergistischer und progressiver Effekte (siehe unter B. X.). Eine Vermischung identischer Giftstoffe bloß unterschiedlicher Herkunft hätte hingegen auf die Frage der richtigen Haftungszuordnung keinerlei Einfluß, da sich risikoschaffende bzw. -verändernde Effekte insoweit nicht einstellen können und eine entsprechende Unaufklärbarkeit auch ohne die Vermischung bestünde. 137 Vgl. OLG Neustadt, VersR 1958, 251 sowie die diesbezüglichen Kommentierungen von Bodewig, AcP 185, 505 (531 FN 106 u. 107, 535 FN 123, 536 FN 126) (1985). 138 Bereits das Reichsgericht hatte diverse Fälle mit Geschlechtskrankheiten unklarer Herkunft zu entscheiden. So hatten die Klägerinnen in RGZ 96, 224 und RG, Recht 1913 Nr. 2415 im fraglichen Ansteckungszeitraum mit mehreren Syphilitikern koitiert und sich dabei infiziert; auch in RG, JW 1909, 136 hatte die Klägerin in derselben Nacht nacheinander mit mehreren geschlechtskranken Männern verkehrt; vgl. zu derartigen Fällen auch Staudinger/Schäfer, BGB, § 830 Rdnr. 39 (1986); Gernhuber, JZ 1961, 148 (152); Bydlinski, FS Beitzke, 3 (13 f.) (1979); Buxbaum, Solidarische Schadenshaftung, 9 f. (1965); Otte, Marktanteilshaftung, 97 (1990). In den genannten Entscheidungen stand unter den Parteien zumeist die zeitliche Einheitlichkeit der fraglichen Beteiligtenhandlungen (siehe dazu in FN 735) in Streit.
I. Kollektive Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden
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Die beiden Problembereiche toxischer Massenschäden – Medical und Legal Causation – können im Einzelfall freilich auch kumulativ auftreten. Im praktischen Haftungsalltag dürfte dies auf Grund des normgetreuen Massenauswurfs industriell gefertigter Toxika und der jederzeit reproduzierbaren Gleichförmigkeit giftiger Substanzen sogar den Regelfall darstellen. Unklar ist in solchen Fällen nicht nur, was den Betroffenen geschädigt hat, sondern auch, wer für das unklare „Was“ im einzelnen verantwortlich ist. Diese doppelte Unklarheit führt entsprechend zu einer doppelten Haftungswahrscheinlichkeit: Ein Beklagter hätte hier einen Schaden nur insoweit zu verantworten, wie es wahrscheinlich ist, daß sich gerade der Risikofaktor im Schaden realisiert hat, den er wahrscheinlich auch gesetzt hat. Folgendes Schaubild mag die auf den einzelnen einwirkende Risikosituation veranschaulichen:
Krebs Haftungsursachen in %
Risiko 1
Risiko 2
Risiko 3
E1 E2 E3 (bis EX)
E1 E2 E3 (bis EX)
Emittent 1
Emittent 2 ´
Natürliche Ursachen in %
Risiko 4
Risiko 5
Risiko 6
(Soweit die natürlichen Ursachen auf haftungsirrelevantes Verhalten einer Person zurückzuführen sind, ist eine Aufspaltung in gleichförmige Risikoemissionen zwar auch denkbar, hinblicklich rechtlicher Zuordnungsfragen aber gleichgültig.)
Emittent 3 ` (bis Emittent X)
Schaubild 1
Problem der medical causation (indeterminate plaintiff)
Problem der legal causation (indeterminate defendant)
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A. Einführung
II. Zu Notwendigkeit und Grenzen einer zivilrechtlichen Lösung Es fragt sich in Anbetracht der vorhandenen medizinischen und rechtlichen Zuordnungsschwierigkeiten, inwieweit toxische Massenschadensfälle einer zivilrechtlichen Lösung überhaupt zugänglich sind oder ob man ihre Regelung wegen des unaufklärbaren Kausalitätsmerkmals nicht ausschließlich dem öffentlichen Recht überlassen sollte. Eine öffentlich-rechtliche Regelung braucht sich anders als das Zivilrecht um kausale Haftungsfragen nicht zu kümmern. Die Zweckbestimmungen öffentlichen Sicherheits- und Ordnungsrechts139 wollen den Einzelnen auch dann vor toxischen Gefahren schützen, wenn ihm der Nachweis eines direkten Ursachenzusammenhanges verschlossen bleibt. Die Verseuchung einer Wohngegend mit giftigen Chemikalien berechtigt die Ordnungsbehörden beispielsweise auch dann zum Eingreifen, wenn sich dem abgelagerten Giftmüll spätere Gesundheitsschäden der Anwohner nicht mehr eindeutig zurechnen lassen. Der kollektive Bezugspunkt statistischer Risikoermittlungen kommt den Ordnungsbehörden bei ihrer Aufgabenwahrnehmung sogar entgegen, da ihnen in aller Regel bereits die Risikoerhöhung als solche eine hinreichende Befugnis zur Gefahrabwehr verschafft.140 Wo die Statistik für den zivilrechtlichen Einzelfall nur Wahrscheinlichkeitsaussagen liefern kann, erfüllt sie für den hoheitlichen Eingriff die Rechtsgrundlage. Das Ordnungsrecht enthält darüber hinaus ein breit gefächertes Instrumentarium weiterer Möglichkeiten zum Schutz der Allgemeinheit und des Einzelnen vor toxischen Gefahren. So werden zahlreiche gefährliche Handlungen oder Vorhaben von Genehmigungs-, Zulassungs-, Erlaubnis- oder Anzeigepflichten abhängig gemacht,141 die Verantwortlichen zu Auskunft, Mitteilung, Meldung, Kennzeichnung, Warnung, Bekanntgabe oder Informationsbeschaffung verpflichtet,142 und die Behörden an verschiedener Stelle ermächtigt, Gefahrverhalten zu überwachen, Ermittlungen durchzuführen und über Auflagenvorbehalte oder inhaltliche Beschränkungen künftiges Verhalten zu steuern.143 Zudem werden viele dieser präventiven Schutzab-
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Vgl. etwa die in den §§ 1 AtG, 1 EnWG, 1 BImSchG, 1 GenTG, 1 StrahlenschutzVG, 1 KrW-/AbfG, 1 PflSchG enthaltenen Zweckbestimmungen. 140 Vgl. etwa Art. 7 II Nr. 3 bayLStVG. 141 Vgl. etwa §§ 3, 4, 6, 7, 9, 12 AtG, 3 EnWG, 3, 4 S. 2 Nr. 1a, 7 I, 9, 11 ff., 18 ff., 21 a PflSchG, 8 ff. GenTG, 3 ff., 11 BtMG, 4 ff. BImSchG, 9 I Nr. 4 b LMBG, 19 ff. BSeuchenG. 142 Vgl. etwa §§ 52a BImSchG, 7 I Nr. 6, 23, 53 KrW-/AbfG, 9 I Nr. 5, 16 LMBG, 4 S. 2 Nr. 2 c, d, f, 19, 20 f., 38 PflSchG, 14, 17, 18 BtMG, 3 ff. BSeuchenG, 26 ff. BImSchG, 22 FlhygG, 10 EnWG.
II. Notwendigkeit und Grenzen einer zivilrechtlichen Lösung
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sichten an entscheidender Stelle noch durch diverse Ordnungswidrigkeitsund Strafvorschriften verstärkt.144 143 Vgl. etwa §§ 5, 12, 13, 17, 19 AtG, 3 I Nr. 2, 7 I, II PflSchG, 18 EnWG, 40 ff., 46 ff. LMBG, 1 f., 22 a f. FlhygG, 9, 22 BtMG, 44, 52 BImSchG, 40 ff. KrW-/AbfG, 11, 31 ff. BSeuchenG. Der US-amerikanische Gesetzgeber hat in den vergangenen Jahrzehnten in ähnlicher Weise eine Reihe ordnungsrechtlicher Behörden und Gesetze zum Schutz der Bevölkerung vor toxischen Massenschäden geschaffen und zahlreiche neue Kompetenzen verteilt. Auch ihre schadensvermeidende Wirkung hat sich im Laufe der Jahre trotz einiger praktischer (Effizienz-)Mängel bei der Umsetzung (siehe die Ausführungen in FN 272) bewährt. Auf Bundesebene seien Zuständigkeit, Aufgabenbereich und Rechtsgrundlage folgender US-amerikanischer Ordnungsbehörden hervorgehoben: (1) The Environmental Protection Agency (EPA) (URL: www. epa.gov), deren Tätigkeitsbereich sich maßgeblich aus den Befugnissen folgender sechs Gesetze ergibt: (a) The Federal Environmental Pesticide Control Act of 1972 (7 U.S.C. §§ 136–136y) (regelt die Kontrolle pestizidhaltiger Stoffe in Mitteln zur Schädlingsbekämpfung); (b) The Toxic Substances Control Act (TOSCA) (15 U.S.C. §§ 2601–2629) (regelt die Vermarktung giftiger Stoffe); (c) The Federal Water Pollution Control Act (33 U.S.C. §§ 1251–1376) (limitiert und kontrolliert die Einleitung gefährlicher Stoffe in schiffbare Gewässer); (d) The Safe Drinking Water Act (42 U.S.C. §§ 300f–300j) (limitiert und kontrolliert die Einleitung gefährlicher Stoffe in Trinkwasserquellen); (e) The Resource Conservation and Recovery Act of 1976 (RCRA) (42 U.S.C. §§ 6901–6987) (regelt die Entsorgung von Gefahrgut); (f) The Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act of 1980 (CERCLA) (42 U.S.C. §§ 9601–9657) (stellt der EPA in einem Superfund Geld zur Verfügung, um Giftmüllablagerungen zu beseitigen, wobei die Verantwortlichen später in Regreß genommen werden können); (2) The Food and Drug Administration (FDA) (URL: www.fda.gov), ermächtigt durch den Food, Drug, and Cosmetic Act (21 U.S.C. §§ 301–392) (regelt maßgeblich die Verwendung gefährlicher Zusatzstoffe in Lebensmitteln und die Regulierung von Arzneimitteln); (3) The Occupational Safety and Health Administration (OSHA) (URL: www.osha.gov), ermächtigt durch den Occupational Safety and Health Act of 1970 (29 U.S.C. §§ 651–678) (regelt die Exposition gefährlicher Stoffe am Arbeitsplatz); (4) The Consumer Product Safety Commission (URL: www.cpsc.gov), ermächtigt durch den Consumer Product Safety Act (15 U.S.C. §§ 2051–2081) (betrifft gefährliche Substanzen in Gebrauchsgegenständen); (5) The Department of Agriculture (URL: www.usda.gov), besondere Ermächtigung durch 21 U.S.C. §§ 601–695 (regelt Maßnahmen zur Überwachung der Fleischhygiene); (6) The Department of Transportation (URL: www.dot.gov), besondere Ermächtigung durch die folgenden Vorschriften: 45 U.S.C. §§ 421–444, 46 U.S.C. §§ 170–170b, 46 U.S.C. § 391(a), 49 U.S.C. §§ 1801–1812 (regeln sämtlich den Transport von Gefahrgut). Zum Rechtszustand auf Staatenebene vgl. Harris, 40 Sw. L. J. 909 (922 ff.) (1986). Allgemein zur Wirkungsweise US-amerikanischen Ordnungsrechts vgl. insbesondere Eggen, Toxic Torts, 94 ff. (2000); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (915 ff.) (1986); Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1986). 144 Vgl. etwa §§ 46 ff. AtG, 19 EnWG, 39, 40 PflSchG, 51 f., 53 ff. LMBG, 28, 28 a, 29 FlhygG, 29 ff., 32 BtMG, 62 f. BImSchG, 61 ff. KrW-/AbfG, 13, 14 StrahlenschutzVG, 63 ff., 69 f. BSeuchenG, 38, 39 GenTG. Entsprechende Vorschriften finden sich auch im US-amerikanischen Ordnungsrecht (siehe in FN 143).
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A. Einführung
Dem einzelnen Betroffenen kommen all diese Vorschriften zwar auch mittelbar zugute, indem sie möglichen Schaden vorbeugend von ihm fernhalten sollen. Ein gerechter Ausgleich eines ihm gleichwohl entstandenen Schadens kann ihm damit aber nicht geleistet werden.145 Will man ihn im Falle seiner Bedürftigkeit nicht lediglich auf die Inanspruchnahme sozialstaatlicher Hilfe verweisen und ihn im übrigen leer ausgehen lassen, ist ein eigenständiger zivilrechtlicher Schutz für ihn nach wie vor unverzichtbar.146 Freilich ist nicht jeder Fall eines toxischen Massenschadens dem Zivilrecht ohne weiteres zugänglich. Wenn die Menschen etwa in verschiedenen Formen CO2 in die Atmosphäre pumpen, Autofahrer und Industrie die Smogbelastung einer Großstadt erhöhen oder Regierungen und Umweltschutzverbände die Abholzungen der Regenwälder in Südamerika nicht verhindern können, mag zwar auf Grund des wachsenden Ozonlochs die Hautkrebsrate in der Bevölkerung signifikant ansteigen, die zunehmende Luftverschmutzung in verstärktem Maße zu Lungenbeschwerden in der Gesellschaft führen und einsetzender saurer Regen die Wasserqualität der Weltbevölkerung insgesamt beeinträchtigen.147 Das Auffinden eines direkten Ursachenzusammenhanges (oder auch nur einer unmittelbaren kausalen Wahrscheinlichkeitsbeziehung) zwischen dem emittierten Toxikum eines bestimmten Schädigers und dem entstandenen Schaden eines bestimmten Opfers dürfte in solchen Fällen aber praktisch stets ausscheiden. Im Falle perfekter Transparenz ließen sich zwar auch hier synergistische, progressive, alternative, kumulative oder überholende Zusammenhänge vom Einzelemittenten zum Einzelbetroffenen konstruieren, doch wird ein theoretisch noch so flexibler Geist insoweit letztlich einsehen müssen, daß die Grenzen zivilrechtlicher Aufklärungsmöglichkeiten in derartigen Fällen bei weitem überschritten sind. Es ist auch schon fraglich, ob in solchen Bereichen eine zivilrechtliche Abwicklung überhaupt erstrebenswert wäre.148 Die besondere Situation bringt es in solchen Fällen mit sich, daß Emittent und Emissionsbetroffener, Täter und Opfer, auf beiden Seiten der Deliktstat auftauchen. Die Menschheit beklagt den Treibhauseffekt, den sie selbst verursacht hat, der Autofahrer die Smogbelastung in seiner eigenen Großstadt,149 und die (nun 145
Vgl. Harris, 40 Sw. L. J. 909 (915, 922) (1986). So etwa auch Loser, Kausalitätsprobleme, 1 (1994). 147 Ähnliche Beispiele bei Forsund, Commentary, 115 (117) (1996); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 6 (1997); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 85 II 1 c a. E. (1994). 148 Entsprechende Zweifel äußert – unter Verweis auf das unabsehbare Haftungsrisiko des Einzelnen – auch Ulmer/Mertens, MüKo, Vor §§ 823–853 Rdnr. 66 (1997). 146
II. Notwendigkeit und Grenzen einer zivilrechtlichen Lösung
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fast 200 Jahre alte) Industriegesellschaft sieht sich selbst als Opfer künftig zu erwartender Klimaveränderungen. Spätestens dort, wo nahezu jeder jeden verklagen müßte, um einen Ausgleich für das kollektiv übliche Verhalten des jeweils anderen zu erreichen, dreht sich das Zivilrecht im Kreis. Würde etwa in einer abgeschlossenen Population von (lediglich) 100 Mitgliedern jeder jeden auf Schadensersatz in Anspruch nehmen können, so entstünden schon allein bei dieser noch relativ überschaubaren Anzahl an Personen 99! = 9,332621544393944155 Ausgleichsverhältnisse mit jeweils individuellem Schadensschicksal. Jeder Beteiligte könnte 99 Schadensersatzansprüche geltend machen und sähe sich gleichzeitig 99 Ausgleichsverpflichtungen gegenüber seinen eigenen Anspruchsgegnern ausgesetzt.150 Das Zivilrecht wird bei kollektiver Identität von Recht und Unrecht zu einer im Endeffekt wirkungslosen Materie zirkulierenden Schadensausgleichs. Die Erreichung seiner Zwecke hebt sich nach Abwicklung aller Einzelfälle wieder in den vorabgewickelten Zustand auf. Sedes materiae bleibt in solchen Fällen ausschließlich öffentliches Recht und Völkerrecht.151 Bei Smogbelastungen mögen etwa Smogverordnungen, Autofahrverbote oder die Festsetzung von Emissionsobergrenzwerten (z. B. nach § 48 BImSchG) helfen, bei globalen Umweltbeeinträchtigungen etwa bindende Vereinbarungen in multilateralen Klimaschutzabkommen. Das Zivilrecht wird erst dort wieder sinnvoll einschlägig, wo sich ein ausgeworfener Giftstoff – auch über den Umweg synergistischer oder progressiver Effekte (s. u. B. X.) – einem konkreten Emittenten und einem exponierten Emissionsbetroffenen nachweisbar zuordnen läßt. Eine genaue Grenzelinie zivilrechtlicher Anwendbarkeit läßt sich mit dieser Maßgabe freilich nicht fixierbar bestimmen, da sich künftige Zuordnungsmöglichkeiten mit dem Fortschreiten wissenschaftlicher Erkenntnis stetig erweitern werden. Soweit eine Zuordnung aber möglich bleibt, ist die Anwendung bürgerlichen Rechts auch in Fällen toxischer Massenschäden um der Verwirklichung seiner eigenen Zwecke willen (s. u. B. I. 2. u. 3.) weiterhin dringend erforderlich.
149
Speziell zu diesem Beispiel vgl. Epstein/Gregory/Kalven, Torts, 635 (1984). Vor einer drohenden unabsehbaren Gerichtsbelastung warnen in diesem Zusammenhang auch Forsund, Commentary, 115 (117 f.) (1996); Epstein/Gregory/ Kalven, Torts, 635 (1984). 151 Entsprechend Epstein/Gregory/Kalven, Torts, 635 (1984). 150
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A. Einführung
III. Weitgehendes Schweigen deutscher Zivilrechtsdogmatik auf ein drängendes gesellschaftliches Problem Toxischen Schadensfällen wird in der Medienöffentlichkeit regelmäßig eine breite Aufmerksamkeit geschenkt.152 Der Medienberichterstattung kommt dabei das große Verdienst zu, viele der bislang versteckt liegenden Risikofaktoren aufgedeckt und in das gesellschaftliche Bewußtsein überführt zu haben.153 Wo etwa noch bis vor kurzem rauchende Schornsteine expandierender Industriebetriebe, die Erfindung besonders widerstandsfähiger Materialien, die Produktion nahezu endlos haltbarer Lebensmittel in allen erdenklichen Geschmacks-, Duft- und Farbrichtungen oder beliebige Eingriffe in die körperliche, geistige und seelische Verfaßtheit eines Menschen durch Pharmazie und Schönheitschirurgie als Zeichen dauernden Wohlstandes, sozialen Fortschritts oder besonderen Lifestylegewinns gegolten haben mögen, weicht die anfängliche Euphorie inzwischen immer mehr einer unbestimmten Angst des Einzelnen vor einer unkontrollierbaren Beeinträchtigung seiner Gesundheit durch ein diffuses Bombardement weitgehend unmerklicher Giftstoffe auf seinen Organismus.154 Gleichzeitig mit 152 Vgl. die umfassende Medienanalyse von Singer/Endreny, Reporting on Risk: How the Media Portray Accidents, Diseases, Disasters, and other Hazards (1993). 153 Bei einem Großteil der oben unter A. I. mitgeteilten toxischen Schadensfälle hatten Print- und Rundfunkmedien einen maßgeblichen Anteil an der Offenlegung möglicher Gesundheitsrisiken für die Gesellschaft; siehe die in den zugehörigen FN enthaltenen Nachweise einschließlich der dort zitierten Presseberichte. So hatte beispielsweise Marianne Hopkins, eine silikongeschädigte Klägerin aus San Francisco, der von der Jury später ein Ersatz in Höhe von insgesamt $ 7,3 Millionen zugesprochen wurde, von einer möglichen Schädlichkeit ihrer Silikonimplantate erst aus der Presse erfahren: „I thought I was the only person that had problems with my implants“ (zitiert nach Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (1022 FN 305) (1993) unter dortiger Bezugnahme auf einen Zeitungsartikel). Auch der Fall der Rechtsanwaltsgehilfin Erin Brockovich (siehe dazu in FN 41) sorgte in den 1970er Jahren für ein beachtliches Medieninteresse. 154 Viele der einstigen synthetischen Wunder gelten heute als gefährliche Krebserreger; vgl. Newcomb, 76 Nw. U. L. Rev. 300 (300) (1981). Bereits ein einziger Partikel eines Giftstoffes reicht nach überwiegender Ansicht aus, um Krebs oder sonstige schwere Erkrankungen auszulösen; vgl. Huber, Legal Revolution, 65 f. (1988); Elliott, 25 Hous. L. Rev. 781 (785) (1988). Die Angst des Einzelnen, selbst davon betroffen zu sein, mag sich mitunter sogar zu einer sog. Chemophobie steigern; vgl. dazu Elliott (25 Hous. L. Rev. 781 (1988)), der mit diesem Aufsatz den inzwischen weit verbreiteten Begriff der „chemophobia“ (id. 785) geprägt hat; aufgegriffen etwa in www.acsh.org/PRESS/editorials/chemo020999.html; www.thescientist.com/yr1993/july/let1_930726.html; www.uh.edu/~trdegreg/ROCKWELL. htm. Ein Gefühl allgemeiner toxischer Bedrohung in der Bevölkerung konstatiert auch Kästle, Toxische Massenschäden, 1, 290 f. (1993). Zu weit dürfte es allerdings gehen, das von der Industrie ausgehende Schädigungspotential mit dem Machtgefühl eines Täters bei der Vergewaltigung einer Frau gleichzustellen; so aus femini-
III. Schweigen deutscher Zivilrechtsdogmatik
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der Angst wächst notwendigerweise auch das Verlangen in der Gesellschaft nach einem Ausgleich für den entstandenen Schaden.155 Um so mehr mag es deshalb verwundern, daß sich die deutsche Rechtswissenschaft mit der aufgeworfenen Problematik bisher nur in geringer Zahl beschäftigt hat.156 Eine Erklärung für diesen Mangel mag man vielleicht darin finden, daß sich die medizinischen und rechtlichen Nachweisschwierigkeiten toxischer Kausalitäten nicht bloß auf einen einzelnen Bereich bürgerlichen Rechts beschränken, sondern sich gleichermaßen etwa im Arzneimittel-, Produkthaftungs-, Lebensmittel-, Seuchen-, Betäubungsmittel-, Umweltschutz-, Immissionsschutz- oder Strahlenschutzrecht stellen. Die Aufspaltung des Zivilrechts in verschiedene Einzeldisziplinen hat sicher dazu beigetragen, daß die übergeordneten Zusammenhänge zentraler Haftungsfragen im Laufe der Zeit durch das Dickicht angesammelten Spezialwissens eher verdeckt als erläutert worden sind. Im Falle toxischer Massenschäden kommt noch hinzu, daß sich das Recht hier nicht schlicht aus einer Metaanalyse seiner selbst verwirklichen kann, sondern bei seiner weiteren Ausgestaltung auch eine Reihe komplizierter Fragen medizinischen, biologischen und toxikologischen sowie stochastischen, statistischen und epidemiologischen Sachverstandes zu berücksichtigen sind. Das Recht kann hier nur so gut sein, wie die Mittel, die ihm bei seiner praktischen Umsetzung zur Verfügung stehen. Eine interdisziplinäre Verknüpfung der verschiedenen Wissenschaftszweige ist unausbleiblich,157 wenn das rechtliche stischer Sicht Leslie Bender, Feminist (Re)Torts: Thoughts on the Liability Crises, Mass Torts, Power, and Responsibilities, 1990 Duke L. J. 848 (857 u. passim) (1990). 155 Vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (1019) (1993). Ablehnend schon im Grundsatz Gray v. United States, 445 F.Supp. 337 (S.D. Tex. 1978), wonach die entstandenen Schäden als Preis moderner Technologie hinzunehmen seien (id. 340 f.). 156 Außer den Dissertationen von Kästle, Die Haftung für toxische Massenschäden im US-amerikanischen Produkt- und Umwelthaftungsrecht (1993) (umfassend); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle im US-amerikanischen Umwelthaftungsrecht: das anonyme Opfer: Aufgabe und Chance für ein neues Haftungsmodell (1993) (nur zum Fall des Indeterminate Plaintiff); Otte, Marktanteilshaftung (1990) (weitgehend nur zum Fall des Indeterminate Defendant) und Ohmann, Die „Market Share Liability“ als Lösung des Identifikationsproblems bei alternativ verursachten Massenschäden im US-Deliktsrecht (1986) (nur zum Fall des Indeterminate Defendant) sowie dem Aufsatz von Bodewig, Probleme alternativer Kausalität bei Massenschäden, AcP 185, 505 (1985) sind in der deutschen Rechtswissenschaft grundlegende Arbeiten zum Problem der kausalen Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden nicht vorhanden. Weiterführend für das deutsche Recht sind in Teilen auch die beiden schweizer Dissertationen von Romerio, Toxische Kausalität (1996) (umfassend und interdisziplinär) und Loser, Kausalitätsprobleme bei der Haftung für Umweltschäden (1994). Zu sonstiger deutschsprachiger Literatur siehe die Angaben im Literaturverzeichnis.
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A. Einführung
Anliegen einer Lösung des Problems kausaler Unaufklärbarkeit toxischer Massenschäden nicht an der Begrenztheit seiner eigenen faktischen Möglichkeiten scheitern will.
IV. Gang der Darstellung Der Gang der weiteren Darstellung folgt der Zweiteilung des Problems in Medical und Legal Causation. Soweit der medizinische Zusammenhang zwischen einem Risikofaktor und der entstandenen Krankheit in Zweifel steht, macht es die besondere Situation toxischer Massenschäden erforderlich, den herkömmlichen Rechtszustand (s. u. B. I.) sowie eine Reihe weiterer „Alles oder Nichts“-Haftungs- und Entschädigungsmodelle (s. u. B. II. bis IV.) anhand der Zwecke des Deliktsrechts neu zu durchdenken und eine Lösung entsprechend dieser Grundsätze zu finden. Rechtsethische Fragen (s. u. B. I. 2.) müssen dabei ebenso Berücksichtigung finden wie Fragen ökonomischer Zweckmäßigkeit (s. u. B. I. 3.). Die Theorie der Proportional Liability, die eine Teilhaftung im Umfang der kausalen Wahrscheinlichkeit des jeweiligen Risikofaktors befürwortet, versucht diese Grundsätze aufzunehmen und mit Blick auf die Gesamtheit aller entstandenen Schadensfälle zu verwirklichen (s. u. B. V.). Ihrem theoretischen Konzept stehen einige praktische Schwierigkeiten bei der beweisrechtlichen Umsetzung entgegen, die eine nähere Auseinandersetzung mit Formen und Möglichkeiten der im einzelnen zur Verfügung stehenden Beweismittel erforderlich machen (s. u. B. VII., VIII. u. X.). Zudem muß über Wege nachgedacht werden, wie die oftmals mehrjährige Latenzzeit zwischen Risikoaussetzung und Krankheitsausbruch haftungsrechtlich am zweckdienlichsten überbrückt werden kann (s. u. B. IX.). 157
So auch das grundlegende Anliegen der Arbeit von Romerio, Toxische Kausalität (1996). Allgemein zum Verhältnis von Recht und Medizin bei der Bewältigung toxischer Massenschäden vgl. neben Romerio, Toxische Kausalität, 37, 39 (1996) auch Large/Michie, 11 Envtl. L. 555 (625) (1981); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (4) (1989); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (645 f.) (1992); Goldberg, Causation and Risk, 105 (1999); Eggen, Toxic Torts, 260 f. (2000). Wo das Recht sich aus sich selbst heraus nicht fortpflanzen kann, ist es sozusagen erst auf die interdisziplinäre Befruchtung durch andere Wissenschaftszweige, wie insbesondere die medizinische Forschung, angewiesen; ähnlich Harris, 40 Sw. L. J. 909 (947 f.) (1986). Wie Large/Michie (11 Envtl. L. 555 (625) (1981)) scherzhaft anmerken, könnte die Medizin hingegen auch ganz gut auf das Recht verzichten. Die Medizin ist dabei keineswegs unfehlbar: So warnten Ärzte und Psychologen noch kurz vor Inbetriebnahme des ersten Personenzuges von Liverpool nach Manchester im Jahre 1830 vor der ernsthaften Gefahr, daß Zugfahren körper- und geisteskrank machen könne (überliefert von Nicklisch, Umweltprivatrecht, 9 (10) (1995)). Auch die Epidemiologie hat ihre Fehler; siehe zu zufälligen und systematischen Fehlern im Rahmen der epidemiologischen Beweisaufklärung unter B. VII. 2. a) aa) u. b).
IV. Gang der Darstellung
61
Zum Problem der Legal Causation sind sowohl in den USA als auch in Deutschland rechtliche Anknüpfungspunkte vorhanden, die gerade für die vorliegenden Fälle toxischer Massenschäden einer kritischen Überprüfung bedürfen (s. u. C. I. u. II.). Neuere Rechtsentwicklungen in den USA, insbesondere die seit dem Fall Sindell v. Abbott Laboratories158 heiß diskutierte Idee einer Market Share Liability [s. u. C. I. 2. a)], bieten denkbare Alternativen zum bisherigen Haftungskonzept (s. u. C. I. 1.). Treten die Probleme der Medical und Legal Causation in kumulierter Form auf, bedürfen die unter B. und C. gefundenen Ergebnisse einer kombinierten Lösung (s. u. D.).
158
607 P.2d 924 (Cal. 1980).
B. Zum Problem der Medical Causation (Indeterminate Plaintiff) Nehmen wir an, daß es nach Inbetriebnahme einer Chemiefabrik wiederholt zu kleineren Störfällen mit der Emission einer bestimmten karzinogenen Substanz gekommen und daraufhin die Leukämierate in der umliegenden Bevölkerung in den Folgejahren um einen bestimmten Faktor angestiegen ist. Statt der bisher üblicherweise 200 Leukämiefälle pro Jahr seien nun 300 Fälle zu verzeichnen. Nach den statistischen Vorgaben ist unbestreitbar, daß die Chemiefabrik von diesen 300 Leukämiefällen inetwa 100 (33%) zu verantworten hat, es bleibt aber wegen der Gleichartigkeit der Krankheitssymptome unaufklärbar, welche dieser Fälle auf den Störfällen in der Chemiefabrik und welche auf anderen Einflußfaktoren beruhen.159
I. Rechtliche Ausgangslage bei Unaufklärbarkeit der medizinischen Schadensursache 1. Vorgegebenheiten Die rechtliche Ausgangslage zur Lösung dieses Beispielsfalles ist sowohl in den USA als auch in Deutschland denkbar einfach: Nach dem Zivil159
In Anlehnung an die Störfälle in den Chemieanlagen der HOECHST AG im Raum Frankfurt a. M. im Frühjahr des Jahres 1993, wo es innerhalb von sechs Wochen zu vier kleineren Störfällen mit der Freisetzung insbesondere der toxischen Farbkomponente o-Nitroanisol gekommen war. Die möglichen Langzeitschäden beginnen sich heute erst allmählich abzuzeichnen. Besuche zu diesem Fall insbesondere www.g2k.de/calStoerfaelle.html; vgl. ferner Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 99 f. (1996); Friedl, Sicherheitsventil entließ Gift in die Umwelt. Hoechst und Behörden streiten über Krebsrisiko durch emittierte Substanzen, VDINachrichten Bd. 47 (9), 5 (1993); Anmerkung, Rationale Angst, irrationale Wissenschaft. Kritische Nachlese zum Störfall im Hoechst-Werk Grießheim, Arbeit und Ökologie-Briefe (19), 11 (1993); Heudorf/Peters, Umweltbelastung und Sanierungsverlauf nach dem Störfall in der Fa. Hoechst AG vom 22.2.1993, Forum StädteHygiene Bd. 44 (6), 338 (1993); Hien, Über Definitionsmacht und Rationalität. Kritische Nachlese zum Störfall im Hoechst-Werk Grießheim, Wechselwirkung Bd. 15 (63), 28 (1993); Vennen, Störfälle in Serie? Hoechst im Dialog. Die Ereignisse bei Hoechst zwischen dem 22. Februar und dem 2. April 1993 – Ursachen – Folgen – Konsequenzen, HOECHST-Firmenschrift (1993). Die Krankheitsdaten im Text sind die Fiktion des Autors und stimmen mit dem derzeitigen Krankenstand im Raum Frankfurt a. M. nicht überein.
I. Rechtliche Ausgangslage
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prozeßrecht aller US-amerikanischen Bundesstaaten hat der Kläger den haftungsbegründenden Ursachenzusammenhang entsprechend allen übrigen Voraussetzungen der jeweils einschlägigen Haftungsgrundlage mit dem Beweismaß des more likely than not (Wahrscheinlichkeit von > 50%) zu beweisen.160 Nach deutschem Zivilprozeßrecht wird dem Kläger insoweit sogar die Last eines (theoretisch) 100%igen Nachweises aufgebürdet: „Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei“ (§ 286 I 1 ZPO), wobei man sich dafür in der Praxis, da eine absolute Gewißheit nicht zu erlangen und jede Möglichkeit des Gegenteils nicht auszuschließen ist, mit einer solchen subjektiven Überzeugung begnügt, welche den vorhandenen Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen.161 In unserem Beispielsfall würden die Beweismaßgrundsätze beider Rechtsordnungen dazu führen, daß sämtliche der 300 Leukämieopfer deliktsrechtlich vollkommen unkompensiert blieben, da sie allesamt nur mit 33%iger und nicht mit > 50%iger bzw. (theoretisch) 100%iger Sicherheit nachweisen könnten, daß ihre Krebserkrankungen gerade von den Störfallemissio160 Zum Beweismaß des more likely than not im US-amerikanischen Zivilprozeß (> 50%) vgl. etwa Rewis v. United States, 503 F.2d 1202 (1204 f.) (5th Cir. 1974); Wisener v. State, 598 P.2d 511 (513) (Ariz. 1979); Kreisman v. Thomas, 469 P.2d 107 (110) (Ariz. 1970); ferner King, 90 Yale L. J. 1353 (1366 ff.) (1981); sowie das Restatement (Second) of Torts, Section 433 B comment b. Inhaltsgleich werden gemeinhin der Begriff der preponderance of the evidence rule (vgl. etwa Santosky v. Kramer, 455 U.S. 745 (755) (1982); ferner Prosser/Keeton, On Torts, § 38 (239) (1984); Rosenberg, 97 Harv. L. Rev. 849 (857 ff.) (1984); Makdisi, 67 N. C. L. Rev. 1063 (1075 ff.) (1989); King, 90 Yale L. J. 1353 (1367) (1981); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 75 ff. (1993); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (610 ff.) (1992); Gold, 96 Yale L. J. 376 (381 FN 25) (1986)) sowie die von USamerikanischen Gerichten in bezug auf Gesundheitsbeschädigungen häufig benutzte Wendung der reasonable medical certainty (vgl. etwa die Definitionen in Parker v. Employers Mutual Liability Insurance Company of Wisconsin, 440 S.W.2d 43 (47) (Tex. 1969); Wilson v. Johns-Manville Sales Corp., 684 F.2d 111 (119) (D.C.Cir. 1982); ferner Brachtenbach, Future Damages in Personal Injury Action – The Standard of Proof, 3 Gonz. L. Rev. 75 (77 ff.) (1968); King, 90 Yale L. J. 1353 (1370 ff.) (1981); Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (659 ff.) (1988); Carson, 60 Wash. L. Rev. 635 (637 f.) (1985); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (47) (1984–85); Loser, Kausalitätsprobleme, 221 (1994); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 27 f. (1993); Pfister, Haftung für Arzneimittel, 141 (1990)) verwendet. 161 Vgl. insbesondere BGHZ 53, 245 (255 f.) (Anastasia); BGHZ 61, 169; BGH, NJW 1993, 935 (937); BGH, NJW-RR 1994, 567; ferner Maassen, Beweismaßprobleme im Schadensersatzprozeß, 153 ff. (1975); Greger, Beweis und Wahrscheinlichkeit, 101 ff. (1978); Prütting, Gegenwartsprobleme der Beweislast, 73 ff. (1983); Leipold, Beweismaß und Beweislast im Zivilprozeß, 8 (1985).
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B. Zum Problem der Medical Causation
nen der Chemiefabrik verursacht worden sind. Wären hingegen nach Auftreten der Störfälle in der benachbarten Bevölkerung 410 statt der sonst üblichen 200 Leukämieerkrankungen festgestellt worden, stellte sich die Haftungslage nach beiden Rechtsordnungen unterschiedlich dar. Während bei Zugrundelegung des US-amerikanischen Beweismaßes alle 410 Leukämieopfer Anspruch auf vollumfängliche Entschädigung gegen das Chemieunternehmen hätten, bliebe die Erhöhung der Opferzahl nach deutschen Beweismaßanforderungen ohne jede Auswirkung auf die hiernach auch weiterhin bestehen bleibende gänzliche Ausgleichsverneinung sämtlicher Geschädigter in jedem Einzelfall. Das herkömmliche Recht beider Rechtsordnungen beruht folglich auf einem „Alles oder Nichts“-Prinzip: Entweder dem Kläger gelingt es, seinen Anspruch gemäß den jeweils geltenden Beweismaßgrundsätzen zu beweisen und insoweit dann auch voll durchzusetzen, oder er scheitert aus Mangel an Beweisen und erhält gar nichts. Bei Unermittelbarkeit der schadensauslösenden conditio sine qua non führt dabei insbesondere das deutsche Recht zu dem unbefriedigenden Ergebnis, daß sämtliche von einer medizinisch unaufklärbaren Schadensursache Betroffenen stets von jedweder deliktsrechtlichen Entschädigung ausgeschlossen blieben, obwohl ihre Schädigung durch deliktsrelevante Ursachen doch zumindest bis zu einem gewissen Grade wahrscheinlich war. Angesichts dieser augenscheinlichen „Ungerechtigkeiten“ scheint es nun an der Zeit, den Zwecken des Deliktsrechts etwas näher auf den Grund zu gehen, um klarere Aussagen zur Frage der Zweckmäßigkeit der rechtlichen Ausgangslage bei Unergründbarkeit medizinischer Verursachungszusammenhänge zu gewinnen. Rechtsethische Grundanforderungen des Rechts müssen dabei ebenso zur Sprache kommen wie das schadensersatzrechtliche Anliegen nach einem ökonomischen Effizienzeffekt seiner Haftungsfolgen. 2. Rechtsethische Betrachtung a) Corrective Justice: Das Postulat ausgleichender Gerechtigkeit als Grundpfeiler des Deliktsrechts Das rechtsethische Postulat nach ausgleichender Gerechtigkeit (corrective justice) im Recht kann sich auf eine lange Tradition berufen162 und ist un162 Hervorgehoben seien hier die grundlegenden Schriften zur ausgleichenden Gerechtigkeit von Aristoteles, Nikomachische Ethik, V. Buch, 1130 b bis 1133 a (ca. 320 v. Chr.) (dazu Salomon, Der Begriff der Gerechtigkeit bei Aristoteles (1937)); Thomas von Aquin, Summa theologica, II II qu. 58, 61 (entstanden 1266–1272);
I. Rechtliche Ausgangslage
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bestrittenermaßen seit jeher wesensbestimmender Bestandteil sowohl des US-amerikanischen163 als auch des deutschen164 Schadensersatzrechts. Aufgabe des Haftungsrechts ist es danach, die auf Grund der Schädigung beeinträchtigte Integrität und Autonomie des Individuums im Umgang mit seinen Rechtsgütern wiederherstellen oder doch zumindest durch einen gleichwertigen vermögenswerten Ausgleich abzugelten und zu kompensieren.165 Der Schädiger „hat den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre“ (§ 249 S. 1 BGB), oder bei diesbezüglicher Unmöglichkeit oder Unzumutbarkeit doch zumindest „den Gläubiger in Geld zu entschädigen“ (§ 251 I BGB) bzw. „(has) to adjust these losses, and to afford compensation for injuries sustained by one person as a result of. . . (his) conduct.“166 Im Verlangen nach einem „gerechten“ Ausgleich werden dem (idealen) Haftungsrecht aber zugleich auch seine unüberbrückbaren rechtsethischen Grenzen gezogen. Dem Schädiger dürfen zum Zwecke der Kompensation fairerweise nur gerade so viele Finanzmittel abgenommen werden, wie dies zur Ent-Schädigung des Geschädigten erforderlich ist. Der Geschädigte soll mit diesen Mitteln materiell allenfalls wieder so gestellt werden, wie er ohne die erlittene Schädigung an seinen Rechtsgütern stünde.167 Eine weitergehende Beeinträchtigung seiner Integrität hat der Schädiger nicht verurvgl. ferner auch Henkel, Einführung in die Rechtsphilosophie, 410 ff. (1977); A. Kaufmann, Rechtsphilosophie, 157 ff. (1997); Zippelius, Rechtsphilosophie, §§ 16 II, 29 II (1994). 163 Vgl. insbesondere Schroeder, Corrective Justice and Liability for Increasing Risks, 37 UCLA L. Rev. 439 (1990) u. 38 UCLA L. Rev. 143 (1990); Posner, The Concept of Corrective Justice in Recent Theories of Tort Law, 10 J. Leg. Stud. 187 (1981); Fried, Right and Wrong, 81 ff. (1978); Epstein, Torts, 86 ff. (1999); auch Weinstein, Individual Justice, 44 ff. (1995); Makdisi, 67 N. C. L. Rev. 1063 (1073 ff.) (1989); Rosenberg, 97 Harv. L. Rev. 849 (877 ff.) (1984); Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (789 f.) (1985). 164 Vgl. insbesondere Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 75 I 2 i (1994); Ulmer/ Mertens, MüKo, Vor §§ 823–853 Rdnr. 41 ff. (1997); Staudinger/Hager, BGB, Vorbem §§ 823 ff. Rdnr. 9 (1999). 165 Vgl. insbesondere Prosser/Keeton, On Torts, § 1 (1984); RGRK/Steffen, BGB, Vor § 823 Rdnr. 6 (1989); Staudinger/Hager, BGB, Vorbem §§ 823 ff. Rdnr. 9 (1999). Ob dem Geschädigten über die deliktische Kompensation auch ein Gefühl innerer Befriedigung und Genugtuung verschafft werden soll, ist umstritten, mag im vorliegenden Zusammenhang aber dahinstehen; bejahend etwa Staudinger/Hager, BGB, Vorbem §§ 823 ff. Rdnr. 9 (1999); Ulmer/Mertens, MüKo, Vor §§ 823–853 Rdnr. 43 (1997). 166 So etwa Wright, 8 Camb. L. J. 238 (238 f.) (1944) (Klammereinfügung nicht im Original). 167 Es bleibt einer Rechtsordnung freilich unbenommen, darüber hinaus auch sog. punitive damages (USA) oder Ansprüche auf Schmerzensgeld (§ 847 BGB) zuzulassen. Im letzten Fall wird die verletzte innere Integrität ausgeglichen, im ersten Fall
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sacht, damit nicht zu verantworten und daher auch billigerweise nicht zu ersetzen. Kausalität und Verantwortung bilden somit im Deliktsrecht die äußerste Grenze der Haftung, jenseits derer die deliktsrechtliche Ausgleichspflicht „ungerecht“ wird. Darauf wird im Laufe dieser Arbeit an verschiedener Stelle wieder zurückzukommen sein. b) Rechtsethisches Versagen der rechtlichen Ausgangslage bei Unermittelbarkeit einer conditio sine qua non Es soll an dieser Stelle freilich hervorgehoben werden, daß sich die rechtsethische Betrachtungsweise des Deliktsrechts in dieser Darstellung noch bei weitem nicht erschöpft.168 Die dargestellten Grundzüge reichen aber bereits aus, um den fundamentalen Gerechtigkeitsmangel der rechtlichen Ausgangslage bei Unauflöslichkeit der medizinischen Ursachenzusammenhänge aufzuzeigen. Die „Alles oder Nichts“-Rechtsfolgenanordnung des herkömmlichen Rechts führt hier dazu, daß entweder die tatsächlich Geschädigten unbilligerweise gar keinen Ausgleich erhalten („Nichts“) oder der Schädiger unfairerweise auch diejenigen Schadensfälle auszugleichen hat, die er gar nicht verursacht hat („Alles“). Die Rechtsfolgenanordnung, und damit die Entscheidung über das „Alles“ oder „Nichts“, bricht sich dabei genau in dem Punkte, in dem die jeweilige Zivilprozeßordnung ihre Beweismaßschwelle ansetzt. Spielte etwa unser obiges Störfall-Beispiel in den USA und läge dort die Schädigungswahrscheinlichkeit der Störfallemissionen bei 51%, so hätte jeder einzelne Leukämiekranke vollen Anspruch auf Ausgleich all seiner Schäden, obwohl die Krankheit doch gerade in 49% aller Fälle auf täterfremden (meist: natürlichen) Ursachen beruht haben mußte und damit der Ersatz für die Geschädigten in diesen Fällen nichts anderes bedeuten würde als ein unverdienter Glücksfall deliktsrechtlichen Ausgleichs (sog. Windfall;169 wörtl.: Fallobst). Diese Windfalls gingen dabei jeweils vollständig zu Lasten des Chemieunternehmens, das diesen Teil der Krankheitsfälle nicht verursacht hat und deshalb hier von Rechts wegen für etwas einstehen müßte, was es maßgeblich die fehlende Ersatzmöglichkeit des siegreichen Geschädigten für seine entstandenen Prozeßkosten. 168 Hervorgehoben seien deshalb an dieser Stelle erneut die Nachweise in FN 162. 169 Zum Begriff des Windfalls und dem damit angesprochenen Problem des – von Rechts wegen garantierten – unverdienten Rechtsvorteils vgl. insbesondere Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (858) (1992); Makdisi, 67 N. C. L. Rev. 1063 (1074 f.) (1989); Rosenberg, 97 Harv. L. Rev. 849 (883 ff.) (1984); dens., 24 Hous. L. Rev. 183 (1987) (191 ff.); Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1622) (1986); Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (786) (1985); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (245, 256 f.) (1984); Loser, Kausalitätsprobleme, 210 f. (1994); auch Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1245 f.) (1987).
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mit Sicherheit gar nicht zu verantworten hat. Um im Bild des englischen Ausdrucks zu bleiben: Der Wind (Ursachenzweifel i. V. m. günstigem Beweismaß) wehte hier sozusagen Fallobst (unverdiente deliktsrechtliche Ansprüche) aus den Obstplantagen des Risikoemittenten (dessen Vermögen) direkt in den Schoß aller schicksalsgeschlagenen Risikoempfänger (auf Grund natürlicher Ursachen Geschädigter). Freilich läßt sich dabei nicht sagen, gerade welchen der Opfer hier lediglich ein Windfall in den Schoß geweht worden ist. Es bliebe ja in jedem Einzelfall zumindest die 51%ige Chance, daß der gewährte Anspruch mit den tatsächlichen Schädigungsverhältnissen auch wirklich übereinstimmt. Da jedoch das Chemieunternehmen den Schaden mit Sicherheit nur in 51% aller Fälle verursacht haben kann, haftete es mit Blick auf die Gesamtsumme aller von ihm zu zahlenden Entschädigungsleistungen über das Maß seines Verantwortungs- und Verursachungsbeitrags hinaus und damit insgesamt „ungerecht“. Sänke hingegen in unserem Beispielsfall die Schädigungswahrscheinlichkeit auch nur minimal auf 50%, würden sämtliche Krankheitsopfer vollkommen leer ausgehen, obwohl doch tatsächlich 50% der Geschädigten einen Anspruch auf vollständige Entschädigung gegen das Chemieunternehmen hätten, den sie nur auf Grund der vorhandenen ätiologischen Ursächlichkeitszweifel nicht beweisen können. Noch dramatischer gestaltete sich die Lage der Geschädigten nach deutschem Zivilprozeßrecht. Hiernach blieben grundsätzlich alle Geschädigten in sämtlichen Wahrscheinlichkeitskonstellationen vollkommen unkompensiert, es sei denn, es gelänge ihnen ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachzuweisen, daß ihr Schaden nicht auch auf täterfremden Ursachen beruht haben konnte, was freilich gerade im Fallbereich des Indeterminate Plaintiff angesichts der dort anzutreffenden Vielgestaltigkeit ätiologischer Schadensentstehungsmöglichkeiten praktisch ausgeschlossen sein dürfte.170 Bei Nichtüberschreiten der jeweils gültigen Beweismaßschwelle bliese der Wind somit genau aus der entgegengesetzten Richtung und schüfe damit gleichsam die Situation eines „umgekehrten“ Windfalls: Ein Gegenwind (Ursachenzweifel i. V. m. ungünstigem Beweismaß) wehte hier sozusagen sogar Fallobst (unverdiente Haftungsfreiheit) aus den Gärten der tatsächlich vom Risikoemittenten geschädigten Risikoempfänger (tatsächlich bestehende Ansprüche) in die Obstplantagen des Risikoemittenten (dessen Vermögen, das auf Grund der faktischen Undurchsetzbarkeit der tatsächlich bestehenden Ansprüche weiter wächst). Zwar ist ungewiß, gerade welchen Geschädigten ihre tatsächlich bestehenden Ansprüche aus Mangel an Be170
Anders nur bei sog. signature diseases; siehe dazu unter B. VII. 2. a) aa).
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weisen genommen werden würden. Es bliebe ja in jedem Einzelfall zumindest die 50%ige (bzw. nach deutschem Beweisstandard auch geringere) Chance, daß die faktische Anspruchslosigkeit der Geschädigten mit der tatsächlichen Ätiologie der Schadensentstehung auch wirklich übereinstimmt. Doch steht hier mit Sicherheit fest, daß die Schäden der Leukämieopfer in 50% (oder mehr) aller Fälle auch tatsächlich vom Chemieunternehmen verursacht worden und damit von ihm auch zu verantworten sind. In der Situation des „umgekehrten“ Windfalls ist es also das tatsächliche Bestehen eines Deliktsanspruches, das die faktische Haftungslosigkeit des verantwortlichen Schadensverursachers „ungerecht“ macht. 3. Ökonomische Analyse der rechtlichen Ausgangslage Dem Deliktsrecht sind neben diesem rechtsethischen Verlangen nach ausgleichender Gerechtigkeit auch noch eine Reihe „ökonomischer“ Zwecke bekannt, von deren Standpunkt aus nun im folgenden die rechtliche Ausgangslage im Falle unklarer Medical Causation untersucht werden soll. Man war sich stets darüber im Klaren, daß mit Hilfe des Deliktsrechts Schäden nicht nur ausgeglichen, sondern auch insgesamt reduziert werden können. Es ist das große Verdienst der ökonomischen Analyse des Rechts, diese Zwecke in den letzten Jahrzehnten näher herausgearbeitet und theoretisch fundiert zu haben. Die Ursprünge dieses Rechtsdenkens liegen in den USA und beginnen mit dem ehrwürdigen Richter Learned Hand.171 a) Learned Hand als allgemeine Basis für ein Modell ökonomischer Effizienz In einem 1947 entschiedenen Fall172 definierte Judge Learned Hand das zur Vermeidung einer negligence-Haftung (Fahrlässigkeitshaftung) vom einzelnen Risikoakteur aufzubringende Maß an Sorgfalt nach seiner berühmten und noch bis heute von der US-amerikanischen Rechtspraxis beachteten Formel: B < PL. Eine negligence-Haftung wird danach dann bejaht, wenn die finanzielle Last der Sicherheitsbemühungen des Beklagten zur Verhütung des Schadens (Burden of adequate precautions ã B) geringer ausfällt, als das Produkt zwischen der Wahrscheinlichkeit der Rechtsgutsverletzung (Probability ã P) und dem Umfang des entstandenen Schadens (Gravity of 171
Zur Person des Richters Learned Hand vgl. die Biographie von Gunter, Learned Hand: The Man and the Judge (1995). Zu den entstehungsgeschichtlichen Ursprüngen von Law and Economics vgl. Lehmann, Ökonomische Analyse, 27 ff. (1983). 172 Vgl. United States v. Carroll Towing Co., 159 F.2d 169 (2nd Cir. 1947); zu diesem Fall Byrd, Anglo-Amerikanisches Vertrags- und Deliktsrecht, 151 ff. (1998).
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the resulting Loss ã L).173 Damit wird anerkannt, daß von niemandem übermäßig kostspielige Sorgfaltsanstrengungen erwartet werden können, wenn es darum geht, eine Rechtsgutsverletzung zu vermeiden, deren Eintreten entweder sehr unwahrscheinlich oder in ihren schadvollen Ausmaßen vergleichsweise eher gering ist. Zusätzliche Sorgfaltsvorkehrungen sollen dem Einzelnen nur insoweit abverlangt werden, als sie kostengünstiger und damit ökonomisch effizienter sind als etwaige Mittelaufwendungen für künftig anfallende Schadensersatzzahlungen (Kosten/Nutzen-Analyse).174 Die Aufwendung einer zusätzlichen Ressourceneinheit zur Schadensreduzierung ist ökonomisch solange sinnvoll, als der Wert dieser Ressource noch geringer ist als der Wert des verhinderten Schadens.175 Betriebswirtschaftlich gesprochen heißt das, daß ein potentieller Schädiger das effiziente Niveau der Schadensvorsorge genau an dem Punkt erreicht hat, an dem seine veranschlagten Grenzkosten dem eingesparten Grenzschaden entsprechen und ihm der letzte zur Vorsorge eingesetzte Euro/Dollar genau einen Euro/ Dollar an Schaden einspart.176 Für einen potentiellen Schädiger liegt der Nutzen einer Sorgfaltsvorkehrung somit darin, daß sie ihm losgelöst vom Einzelfall den Umfang künftig notwendiger Mittelaufwendungen für Schadensersatzzahlungen verringert. An der Formel von Learned Hand orientiert sich ein potentieller Schädiger aber nicht nur dann, wenn es darum geht, fahrlässiges Verhalten zur Vermeidung einer Verschuldenshaftung zu unterlassen. Sein allgemeines ökonomisches Effizienzstreben nach Kostenminimierung und Nutzenmaximierung wird unabhängig davon bestimmt, in welchen Haftungsbereichen er sich gerade bewegt.177 Der Unterschied zwischen einer Verschuldensund einer Gefährdungshaftung ist aus rein ökonomischer Sicht nur, daß bei effizientem Verhalten verschuldensabhängig niemals und verschuldensunabhängig nur im Umfang des betriebswirtschaftlichen Optimums gehaftet wird.178
173 Vgl. United States v. Carroll Towing Co., 159 F.2d 169 (173) (2nd Cir. 1947); ferner Posner, Economic Analysis of Law, 147 ff. (1986) (mit Diagramm auf id. 149); Epstein, Torts, 93 ff. (1999); Lehmann, Ökonomische Analyse, 87 f. (1983); AK/Kohl, BGB, vor §§ 823 ff. Rdnr. 30 (1979). 174 Vgl. Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 401 (1995). 175 Vgl. Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 118 (2000). 176 Entsprechend Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 13 (1996). 177 Vgl. Makdisi, 67 N. C. L. Rev. 1063 (1067 ff.) (1989); Posner, Economic Analysis of Law, 160 ff. (1986). 178 Zu den Auswirkungen dieses Unterschieds auf das Kostenkalkül des Schädigers vgl. im einzelnen Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 28 ff., 39 ff., 120 ff. (1996).
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b) Auswirkungen des ökonomischen Grundmodells auf die deliktsrechtliche Zweckanalyse Freilich liegen diesem ökonomischen Grundmodell eine Reihe von Annahmen zugrunde, deren Erfüllung in der Praxis als äußerst realitätsfern bezeichnet werden kann. So müssen danach etwa sämtliche potentiellen Schädiger als homines oeconomici179 fortwährend nach perfekter Gewinn- und Nutzenmaximierung streben, dabei exakte Kenntnis über den Inhalt der geltenden Rechtsnormen und über den Zusammenhang von Vorsorgeaufwendungen und haftungsrechtlichen Regelverstößen besitzen, sowie bei alledem den anvisierten wirtschaftlichen Vorteil bedenkenfrei stets über eine eventuell mögliche, über allgemeine Verschuldensstandards hinausgehende Beachtung des (Gefährdungs-)Haftungsrechts stellen.180 Doch führt die Aufhebung derartiger Annahmen nicht immer zu wesentlichen Änderungen der Ergebnisse dieses Grundmodells.181 Sie scheinen angesichts der komplexen Wirklichkeit vielmehr unvermeidlich, um allgemeingültige Aussagen über die Auswirkungen ökonomischer Notwendigkeiten und Gegebenheiten auf die deliktsrechtliche Zweckanalyse zu gewinnen. aa) Schadensprävention So macht die ökonomische Grundvorstellung der Learned Hand-Formel trotz ihres Modellcharakters jedenfalls eines mit Sicherheit klar: Gäbe es eine deliktsrechtliche Sanktion zur Schadensersatzzahlung nach Schädigung fremder Rechtsgüter nicht, bräuchte der Einzelne auch keine Kosten zur Schadensvermeidung aufzuwenden. Da L stets mit „Null“ anzusetzen wäre, führte jede Kalkulation von B > 0 zur betriebsökonomischen Verschwendung. Nur indem ein entstandener Schaden vom Deliktsrecht überhaupt ersatzfähig gestellt wird, wird für den Haftungsadressaten ein geldwerter Anreiz gesetzt, auch Kosten zu seiner Vermeidung aufzubringen und einzusetzen.182 In seinen ökonomischen Auswirkungen verfolgt das Deliktsrecht damit nicht nur den Sinn eines nachträglichen Schadensausgleichs, sondern 179
Zu diesem Begriff vgl. insbesondere Kirchgässner, Homo oeconomicus (1991); Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 28 ff. (1995). 180 Zu diesen und weiteren Grundannahmen des ökonomischen Verhaltensmodells vgl. insbesondere Eidenmüller, Effizienz als Rechtsprinzip, 28 ff. (1995); Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 14 ff. (1996); Gaskins, Environmental Accidents, 113 (1989); Loser, Kausalitätsprobleme, 71 (1994); Kästle, Toxische Massenschäden, 42 (1993). 181 Vgl. Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 17 (1996); auch Woll, Volkswirtschaftslehre, 15 ff. (1990). 182 Vgl. Shavell, Economic Analysis, 297 (1987); Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 13 f. (1996).
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bereits das Ziel einer wirtschaftlich motivierten Schadensprävention.183 Es zielt schon allein durch sein bewehrtes Bestehen direkt auf das Verhalten des Einzelnen und kann es gerade dadurch wirksam steuern,184 daß es ihm bei haftungsrechtlicher Unbotmäßigkeit die eigenen Finanzmittel in unnötigem Maße streitig macht. Dieser Steuerungseffekt wirkt sich gesamtgesellschaftlich gesehen dahingehend aus, daß Fremdschädigungen wirksam eingedämmt werden können, die andernfalls auf ein sozial unerträgliches Maß ansteigen und dem Ressourcenaufkommen der Volkswirtschaft damit insgesamt beträchtlichen Nachteil zufügen würden.185 Ohne die präventiven Wirkungen des Deliktsrechts wäre die Sanktionierung einer Pflicht zum Schadensersatz aus rein volkwirtschaftlicher Sicht auch kaum zu rechtfertigen. Ist ein Schaden erst einmal vorhanden, verschiebt die anschließende Schadensersatzzahlung grundsätzlich nur das Vermögen von der einen auf die andere Seite, ohne daß insgesamt irgendein makroökonomischer Nutzengewinn dabei herauskäme.186 Erst der Zwang 183 Vgl. Wagner, JZ 1991, 175 (176 f.); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 12 f. (1997); AK/Kohl, BGB, vor §§ 823 ff. Rdnr. 30 (1979); vgl. auch den Ausspruch von Harris, 40 Sw. L. J. 909 (1986): „An Ounce of Prevention May Be Worth More Than a Pound of Cure“ (id. 924). Im Umwelthaftungsrecht behandelt man den Gedanken der Schadensprävention gegenüber dem rechtsethischen Bedürfnis nach einem gerechten Schadensausgleich sogar überwiegend als vorrangig; vgl. etwa Köndgen, UPR 1983, 345: „Schadensverhütung geht vor Schadensvergütung“ (id. 347). 184 Zur Steuerungsfunktion des Deliktsrechts vgl. Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 2, 13 ff., 75 ff. (1997); Ulmer/Mertens, MüKo, Vor §§ 823–853 Rdnr. 46 (1997); Staudinger/Hager, BGB, Vorbem §§ 823 ff. Rdnr. 13 (1999). Wenn man sich die Schädiger als Nachfrager vorstellt, wie dies Schäfer/Ott in ihrem Lehrbuch zur ökonomischen Analyse des Rechts tun (Ökonomische Analyse, 75 ff. (2000)), kann man die vorgenommene Schadensbetrachtung sogar mit dem volkswirtschaftlichen Nachfragegesetz begründen. Mit steigendem Preis sinkt die Nachfrage, so daß mit zunehmender Höhe der insgesamt einkalkulierten Entschädigungsleistungen auch die Schädigungen abnehmen werden, da Sicherungsmaßnahmen im Vorfeld günstiger sind. 185 Vgl. Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 1 f., 11 (1997); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 114 (2000). 186 Nach der Terminologie Guido Calabresis (The Costs of Accidents, 24 ff. (1970)) entstünden dann lediglich „tertiäre“ Kosten, d.h. Kosten der Schadensabwicklung und -verteilung (sog. Transaktionskosten), wie etwa Anwalts- und Gerichtskosten, Gutachterkosten, Kosten der Zeit- und Mühewaltung sowie Kosten der Mittelauskehr zum Zwecke der Entschädigungsleistung, ohne daß damit gleichzeitig irgendein Kostenvorteil an anderer Stelle verbunden wäre; so schon ders., The Decision for Accidents: An Approach to Nonfault Allocation of Costs, 78 Harv. L. Rev. 713 (1965) (dt. 1978 bei Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, 259 ff.). Kritisch zum ökonomischen Kostenmodell Calabresis insbesondere Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 116 ff. (2000); Gaskins, Environmental Accidents, 106 ff. (1989); Kästle, Toxische Massenschäden, 39 f. (1993). Allgemein zu
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zur vorbeugenden Ressourcenschonung volkswirtschaftlicher Güter macht den Effizienzvorteil der Androhung und späteren Vollstreckung einer Entschädigungsleistung unter diesem Blickwinkel überhaupt verständlich. Eine effiziente Schadensvorsorge kann regelmäßig auch dann noch erreicht werden, wenn dem Deliktsschuldner die Pflicht zum Schadensersatz von einer Haftpflichtversicherung abgenommen wird.187 Die Versicherungsverträge188 sind regelmäßig so ausgestaltet, daß sich die Festsetzung der Höhe der Versicherungsgebühren am Umfang des Haftungsrisikos ausrichtet189 und der Versicherte damit bei einer Steigerung seines Risikoverhaltens anstelle einer zu erwartenden Zunahme seiner Entschädigungsleistungen eine Einstufung seines Versichertenstatus in eine höhere Gebührenklasse befürchten muß.190 Die auf den Versicherer übergewälzte Finanzbedrohung durch die deliktische Sanktion setzt sich auf diese Weise in den Vertragsverpflichtungen des Versicherten zu seinem Haftungsabnehmer fort. Zwar wird verschiedentlich auf das Bedenken hingewiesen, daß die deliktischen Präventionswirkungen nur dann vollständig auf das Innenverhältnis zum Versicherer umgeleitet werden können, wenn der Versicherte bei Abschluß des Versicherungsvertrages nicht der moralischen Schwäche erlegen ist, seine produzierten Risiken seinem Vertragspartner gegenüber zu verharmlosen, um sich so – zumindest bis zur unweigerlichen Risikooffenbarung nach Ablauf der Latenzzeit – eine vorläufige Einordnung seines Gefährdungsverhaltens in eine relativ zu niedrige Gebührenklasse zu erschleichen (sog. Moral Hazard-Problem).191 Doch haben die Versicherungsunterden Auswirkungen der Transaktionskosten auf die ökonomische Zweckbetrachtung vgl. insbesondere Coase, 3 J. Law & Econ. 1 (1960) (dt. 1978 bei Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, 146 ff.); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 5, 89 ff. (2000); Polinsky, Law and Economics, 11 ff. (1983); Bugge, Economics and Law, 53 (62 f.) (1996); Epstein/Gregory/Kalven, Torts, 114 (1984). 187 So besteht etwa nach deutschem Umwelthaftungsrecht hinblicklich bestimmter umweltgefährdender Anlagen (sogar) eine Pflicht zur Deckungsvorsorge (§ 19 I UmwHG), die von den Betreibern unter anderem auch durch eine Haftpflichtversicherung erbracht werden kann (§ 19 II Nr. 1 UmwHG). 188 Zu gängigen Vertragsgestaltungen US-amerikanischer Haftpflichtversicherungsunternehmen vgl. eingehend Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1576 ff.) (1986); Eggen, Toxic Torts, 182 ff. (2000). 189 Vgl. Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnrn. 55, 65 (1998); Staudinger/Hager, BGB, Vorbem §§ 823 ff. Rdnr. 7 (1999); Kehne, 96 Yale L. J. 403 (409) (1986). Anders bei sog. unvollkommenen Versicherungen, die gleich bleibende Versicherungsgebühren ohne Risikoorientierung vorsehen; vgl. dazu Schäfer/ Ott, Ökonomische Analyse, 202 ff. (2000). 190 Zu den Schwierigkeiten einer risikoadäquaten Gebührenbestimmung vgl. Rahdert, Covering Accident Costs, 44, 138 (1995); Pierce, 33 Vand. L. Rev. 1281 (1299) (1980). Die Versicherungsunternehmen sind insoweit grundsätzlich auf dieselben Möglichkeiten (und Begrenztheiten) beweismethodischer Risikoaufklärung (siehe unter B. VII.) angewiesen wie die (geschädigten) Risikobetroffenen selbst.
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nehmen unterdessen Wege gefunden, um diesen Gefahren wirksam zu begegnen. So behalten sich Haftpflichtversicherer in ihren Geschäftsbedingungen gewöhnlich das Recht vor, den Versicherten durch regelmäßige, oft unangekündigte Kontrollen und Sicherheitschecks zu überwachen und bei Verstößen vertragsinterne Strafen, etwa in Form von Bußgeldern oder Beitragserhöhungen, zu verhängen (sog. Insurant Monitoring).192 Zudem stellen eine Reihe von Versicherungsunternehmen Fachpersonal auf Abruf für eine umfassende begleitende individuelle Risikoberatung des Versicherungsnehmers zur Verfügung.193 Alles in allem bleibt somit festzuhalten, daß eine Haftpflichtversicherung die haftungsrechtliche Abschreckungswirkung gegenüber dem Deliktsschuldner nicht nur aufrechterhalten, sondern mit Hilfe eines umfassenden Risikomanagements auf verschiedene Weise dazu beitragen kann, unentdeckte Gefahren im Risikoverhalten des Versicherungsnehmers aufzuspüren, nachgerade einzudämmen sowie den aufrechterhaltenen Präventionsdruck mitunter sogar noch sanktionsbewehrt zu verstärken. bb) Kosteninternalisierung Neben einer Schadensprävention führt die deliktsrechtliche Sanktion ferner zu der wünschenswerten Konsequenz, daß die Schadenskosten vom Geschädigten auf den Verursacher umgelegt und damit – ökonomisch gesprochen – entstandene oder künftig drohende Externalitäten194 internalisiert werden können.195 Dem Risikoverantwortlichen werden über das Delikts191 Vgl. dazu insbesondere Pauly, The Economics of Moral Hazard, 58 Am. Econ. Rev. 531 (1968); Arrow, 53 Am. Econ. Rev. 941 (1963); auch Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 127 f., 302 (2000); Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (789) (1985). 192 Vgl. Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1575, 1581) (1986); Kehne, 96 Yale L. J. 403 (403, 408) (1986). In der Vergangenheit waren Haftpflichtversicherungen in den USA mitunter äußerst günstig, da die Versicherten von den Gerichten oftmals nicht verurteilt wurden und die Versicherer deshalb weitgehend auf Monitoring-Kosten verzichten konnten. In jüngeren Jahren ließen die US-amerikanischen Gerichte die Versicherten jedoch wieder häufiger haften. Darüber hinaus wurden die Versicherungsverträge zunehmend weit und damit zuungunsten der Versicherer ausgelegt. Vgl. zu allem insgesamt Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1575 f., 1578) (1986). 193 Vgl. Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnr. 65 (1998); Kehne, 96 Yale L. J. 403 (406 f., auch 412) (1986). 194 Zum Begriff der Externalität vgl. Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 12 (1996); Baßeler/Heinrich/Koch, Probleme der Volkswirtschaft, 67, 344 f. (1999); Woll, Volkswirtschaftslehre, 166 ff. (1990); Lehmann, Ökonomische Analyse, 41, 122 ff. (1983); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 11 ff. (1993); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 366, 524, 531 f. (2000); Pierce, 33 Vand. L. Rev. 1281 (1284 f.) (1980).
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recht damit gerade diejenigen Kosten angelastet, die er durch sein Eigennutzen förderndes Risikohandeln selbst verursacht hat.196 Vor- und Nachteil eines Risikohandelns bleiben auf diese Weise weiter in einer Hand. Eine Internalisierung im weiteren Sinne bedeutet es dabei auch, wenn der Verantwortliche bereits Finanzmittel zur präventiven Vermeidung einer Externalität einsetzt. Auch auf diesem Wege können dem Verursacher Kosten andernfalls entstandener Externalitäten haftungsrechtlich zugeordnet und hier gleichsam als Ausdruck ihres präventiven Zwecks bereits am Ort des Risikohandelns internalisiert zum Entstehen gebracht werden. cc) Kostenstreuung und Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Produktsicherheit Im Regelfall wird ein Unternehmer die angefallenen Internalisierungskosten entsprechend seinen sonstigen Produktionskosten (Verschleiß von Maschinen, Lohnzahlungen an seine Arbeiter usw.) einfach bei der Preisgestaltung seines Produktes berücksichtigen.197 Für die Volkswirtschaft wirkt sich dieser Internalisierungseffekt in zweifacher Hinsicht positiv aus: Zum einen können auf diese Art die vom Unternehmer aufgebrachten Schadensersatzund Schadensvermeidekosten über höhere Produktpreise auf die Schultern einer Vielzahl von Verbrauchern verteilt werden (sog. Loss Spreading).198 Der Verbraucher zahlt so selbst den Preis für die Verbesserung seiner eige195 Vgl. Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 12 (1997); AK/Kohl, BGB, vor §§ 823 ff. Rdnr. 16 ff. (1979); Pierce, 33 Vand. L. Rev. 1281 (1289 ff.) (1980); Latin, 73 Cal. L. Rev. 677 (698 ff.) (1985); Elliott, Multiple Causes, 9 (28) (1988); OECD Nuclear Energy Agency, Nuclear Damage, 20 (1994); Bugge, Economics and Law, 53 (58 ff.) (1996); Gaskins, Environmental Accidents, 142 (1989). Da dies der Markt nicht von alleine leistet, spricht man in einem solchen Fall auch von einem sog. Marktversagen; vgl. Baßeler/Heinrich/Koch, Probleme der Volkswirtschaft, 66, 609 (1999); Loser, Kausalitätsprobleme, 67 (1994). 196 Zur Kostenanlastungsfunktion des Deliktsrechts vgl. insbesondere Ulmer/Mertens, MüKo, Vor §§ 823–853 Rdnr. 19 u. 44 (1997); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 1, 8 (1997). 197 Vgl. Prosser/Keeton, On Torts, § 80 (573) (1984); Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (526 f.) (1985); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (802) (1997); Elliott, Multiple Causes, 9 (28) (1988). 198 Vgl. Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (785 f.) (1985); Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (526 f.) (1985); Novick, 22 Tort & Ins. L. J. 536 (543) (1987); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (802) (1997); Henderson, 69 Cal. L. Rev. 919 (933) (1981); Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (593) (1983); Gaskins, Environmental Accidents, 142 (1989); Nolan/Ursin, Enterprise Liability, 22 (1995); Elliott, Multiple Causes, 9 (28) (1988); Prosser/Keeton, On Torts, § 69 (500), § 80 (573), § 85 (612), § 98 (693) (1984); Epstein/Gregory/Kalven, Torts, 644 (1984); Vogler, Gefährdungshaftung, 113 (1965); AK/Kohl, BGB, vor §§ 823 ff. Rdnr. 18 (1979).
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nen Sicherheit, deren Garantie und Organisation jedoch von demjenigen besorgt wird, der dies am kosten- und funktionsgünstigsten zu bewerkstelligen versteht.199 Und zum anderen können sich am Markt gerade diejenigen Produkte besser behaupten, die im Vergleich zu anderen gefährdungsärmer und damit billiger hergestellt werden können.200 Je sicherer ein Produkt ist und je weniger Schaden es verursacht, um so preiswerter kann es vom Hersteller auch angeboten und vom Verbraucher erworben werden et vice versa. Die Nachfrage nach risikointensiveren Produkten wird so aller Voraussicht nach stetig sinken, da diese im Verhältnis zu ungefährlicheren Produkten relativ zu teuer sind und deshalb in der Gesellschaft nur noch eingeschränkt benötigt werden. Die Hinwendung der Verbraucher zu günstigeren und damit gefahrloseren Produkten führt daher neben ihrer persönlichen Sicherheit im Einzelfall auch zu einer begrüßenswerten Reduzierung des gesamtwirtschaftlichen Risikoaufkommens (Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Produktsicherheit).201 c) Ökonomische Ineffizienz der rechtlichen Ausgangslage bei Unermittelbarkeit einer conditio sine qua non Dieses ökonomische Modell, das uns der ehrwürdige Richter Learned Hand so klar vorgezeichnet hat, erleidet nun aber Schaden, wenn man auch bei Unaufklärbarkeit kausaler Zusammenhänge nach dem „Alles oder Nichts“-Prinzip der rechtlichen Ausgangslage verfährt. Der potentielle Schädiger haftet hiernach – wie wir unter B. I. 1. gesehen haben – nicht für das, was er an Schaden auch tatsächlich verursacht hat, sondern abhängig
199 Vgl. Lehmann, Ökonomische Analyse, 122 ff. (1983); Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (898) (1992); Epstein/Gregory/Kalven, Torts, 643 (1984). Der Hersteller ist, um erneut mit den Worten Calabresis (The Costs of Accidents, 136 ff. (1970)) zu sprechen, bezüglich der Gewährleistung der eigenen Produktsicherheit stets der Cheapest Cost Avoider im Hinblick auf den Schadensfall und sollte deshalb mit rechtlichen Mitteln auch selbst zur vorsorglichen Vermeidung eines möglichen Schadens veranlaßt werden; vgl. insoweit auch bereits die Überlegungen bei Coase, 3 J. Law & Econ. 1 (1960) (dt. 1978 bei Assmann/Kirchner/Schanze, Ökonomische Analyse des Rechts, 146 ff.); Demsetz, Toward a Theory of Property Rights, 31 ff. (1974); ferner Lehmann, Ökonomische Analyse, 123 ff. (1983); Schäfer/Ott, Ökonomische Analyse, 213 ff. (2000); Goldberg, Causation and Risk, 190 ff. (1999). 200 Vgl. Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (526 f.) (1985); Novick, 22 Tort & Ins. L. J. 536 (543) (1987); Henderson, 69 Cal. L. Rev. 919 (933) (1981); Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (593) (1983). 201 Siehe dazu die Nachweise in FN 200. Zur Erreichbarkeit der genannten Zwecke bei oligopoler Angebotssituation vgl. AK/Kohl, BGB, vor §§ 823 ff. Rdnr. 17 (1979); Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 15 (1996).
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B. Zum Problem der Medical Causation
von der Erfüllung des jeweiligen Beweismaßstabes entweder für „Alles“ oder „Nichts“. Gelingt es dem Kläger hier, den jeweils geltenden Beweismaßgrundsätzen zu entsprechen, was bei Unaufklärbarkeit der medizinischen Schadensursache praktisch nur bei Zugrundelegung des US-amerikanischen Beweisstandards des more likely than not (> 50%) denkbar ist, schießen die tatbestandlichen Folgewirkungen deutlich über das von ihnen anvisierte Präventions- und Internalisierungsziel hinaus. Gerade in dem Umfang, in dem der potentielle Schädiger haftungsrechtlich mit seinem Risikofaktor das gesamte vorhandene fremd- oder außerdeliktische Risikospektrum in jedem Schadensfall abdecken müßte, obwohl er aus statistischer Sicht eigentlich nur einen seinem Risikoausstoß entsprechenden Teil aller Schäden verursacht hat, wäre er genötigt, entweder eine völlig ineffiziente und preissteigernde202 Übervorsorge hinsichtlich der Sicherheit seines Produktes vorzunehmen203 oder sein – womöglich äußerst sozialnützliches – Produkt auf Grund des übermäßigen Haftungsdrucks ganz vom Markt zu nehmen.204 Er müßte damit rechnen, daß jeder zusätzliche Risikokontakt der Gesellschaft mit seinen Produkten zu einem weiteren Anstieg der Zahl seiner Vollhaftungen führt. Betroffen von diesem zusätzlichen Haftungsdruck wären Unternehmer aus allen denkbaren Branchen. Sozialpolitisch unerwünschte Risikobereiche (z. B. Zigarettenindustrie, sonstige Genußmittelindustrie) würden ebenso stark in Mitleidenschaft gezogen werden wie dringlichste Aufgabenkreise öffentlicher Daseins- und Gesundheitsvorsorge (z. B. Arzneimittelindustrie, Entwicklung neuer Impfstoffe,205 Weiterentwicklung der 202 Vgl. Weinstein, Individual Justice, 126, 159 (1995); McKenna, 55 U. Chi. L. Rev. 943 (944, 955 f.) (1988). 203 Vgl. Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (743 ff., 751, 763) (1982); Landes/Posner, 13 J. Leg. Stud. 417 (425) (1984); Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 193 (1996). 204 Vgl. Shavell, 28 J. Law & Econ. 587 (590 ff.) (1985); McKenna, 55 U. Chi. L. Rev. 943 (943 ff.) (1988); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (779) (1984); Weinstein, Individual Justice, 126, 159 (1995); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 39 (1997). Die zunehmende Bindung des Kapitals für Haftungszwecke würde merklich auch den Insolvenzdruck vornehmlich vieler kleiner und mittelständischer Unternehmen erhöhen. Eine ganze Reihe sinnvoller Unternehmen würde auf diese Weise vom Markt gedrängt werden; vgl. Schäfer/Ott, Environmental Liability, 91 (97) (1996); Viscusi, Toxic Torts, 126 (135) (1992); Barnes, Will an AIDS Vaccine Bankrupt the Company That Makes It?, 233 Sci. 1035 (1986); siehe auch zum Konkursverfahren des Pharmaunternehmens A.H. Robins unter A. I. (bei FN 78). Allgemein zu den Auswirkungen des Haftungsvolumens auf die gesamtwirtschaftliche Insolvenzentwicklung besuche die insoweit ständig aktualisierten URLs www.rws-verlag.de; www.forum-schuldnerberatung.de. 205 Bezüglich der Entwicklung eines Impfstoffes gegen AIDS vgl. McKenna, The Impact of Product Liability Law on the Development of a Vaccine Against the
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Bio- und Gentechnik). Im letzten Fall würde die Verfehlung der Deliktszwecke im unmittelbaren Betroffenenverhältnis sogar mittelbar auf das soziale Wohlbefinden einer ganzen Gesellschaft ausstrahlen.206 Auch eine – in den USA ohnehin nur in manchen Bundesstaaten zugelassene207 – haftungslindernde Binnenregreßmöglichkeit gegenüber anderen möglichen Schädigern bliebe einem Risikoerzeuger auf dieser Grundlage stets verwährt, da die Risikobeiträge der anderen neben seinem „more likely than not“-Risikobeitrag unmöglich noch gleichfalls die Marke von 50% überschritten haben können. Soweit die Schädigungswahrscheinlichkeit des betreffenden Risikofaktors hingegen die jeweils einschlägige Beweismaßschwelle nicht erreicht, verliert das Haftungsrecht jeden schädigungsverhütenden und internalisierungsgarantierenden Einfluß auf den dafür jeweils verantwortlichen Risikoträger.208 Während er nach US-amerikanischen Beweismaßgrundsätzen zumindest noch gezwungen wäre, die Toxizität seines Schadstoffauswurfs auf ein Schädigungsvolumen von 50% oder darunter zu drücken, freilich mit der Konsequenz einer gänzlich zweckwidrigen vollumfänglichen Haftungsverneinung,209 bliebe im deutschen Rechtsraum im Bereich unaufklärbarer Kausalitäten selbst eine Expansion seines schadvollen Handelns mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit sanktionslos210 und wäre damit in der ökonomischen Folgerichtigkeit seines Tuns im Falle einer dadurch eröffneten Möglichkeit zur weiteren Nutzenpotenzierung seines Mitteleinsatzes sogar dringend geboten.211 Abzusehende Konsequenz wäre neben einem gewinnerhöhenden Unterlassen altruistischer Sicherungsmaßnahmen AIDS Virus, 55 U. Chi. L. Rev. 943 (1988); Barnes, Will an AIDS Vaccine Bankrupt the Company That Makes It?, 233 Sci. 1035 (1986). 206 Vgl. McKenna, 55 U. Chi. L. Rev. 943 (953 ff.) (1988); Davies, 46 Law & Contemp. Probs. 59 (1983); auch Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (897) (1992). 207 Siehe insoweit die Nachweise in FN 575. 208 Vgl. Makdisi, 67 N. C. L. Rev. 1063 (1069 ff.) (1989); Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (784 f.) (1985); dens., 68 Va. L. Rev. 713 (743 f., 751) (1982); Delgado, 70 Cal. L. Rev. 881 (893, 895) (1982); Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 21 f., 26, 120, 193, 197 (1996); dens., Kausalitätsregeln bei Wahrscheinlichkeitsschäden, 7 f., 10 f. (1994); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 40 (1997); auch Brennan, 46 Vand. L. Rev. 1 (6 f.) (1993). 209 Wie Schwarze (Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 198 ff. (1996); Kausalitätsregeln bei Wahrscheinlichkeitsschäden, 1, 13 f. (1994)) zutreffend bemerkt, würde damit die Haftungsschwelle von 50% bei Kausalitätszweifeln de facto stets wie ein Verschuldensstandard wirken, nur – so ist zu ergänzen – daß ein derartiges „Verschulden“ hier nicht wie sonst zu einer verantwortungsadäquaten, sondern zu einer verantwortungsüberschießenden Übermaßhaftung des potentiellen Schädigers gegenüber dem Geschädigten führen würde. 210 Vgl. Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 38 f. (1997). 211 Vgl. entsprechend Landes/Posner, 13 J. Leg. Stud. 417 (424 f.) (1984).
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B. Zum Problem der Medical Causation
und einem möglicherweise gesteigert sorglosen Umgang mit Gefahrgütern insbesondere auch eine völlig hemmungs- und sinnlose Verschwendung und Verseuchung gemeinschaftswichtiger volkswirtschaftlicher Ressourcen.212
II. Beweiserleichterungen Die letztgenannte Haftungssituation, in der der einzelne Risikofaktor die Beweismaßschwelle nicht erreicht und sämtliche Schadensopfer vollkommen unkompensiert bleiben, bildet, nicht zuletzt in Deutschland, den Regelzustand haftungsrechtlicher Wirklichkeit. Angesichts der Vielzahl der im Laufe eines Lebens auf den Körper eines Menschen einwirkenden Risikofaktoren – das Leben ist ja nun wahrlich, wie Erich Kästner trefflich bemerkt hat, „lebensgefährlich“213 –, stellte es in der Tat für ein Schadensopfer einen kaum zu erwartenden Glücksfall dar, wenn es in dem Trommelfeuer der auf ihn einfliegenden Risikogeschosse ein „Kaliber“ ausfindig machen könnte, das den von der jeweiligen Rechtsordnung geforderten relativ hohen Standards gerichtlicher Beweisüberzeugung genügt. Je breit gefächerter sich die Risikoeinwirkung im Einzelfall zusammensetzt, desto unwahrscheinlicher wird es, daß selbst Magnifikanten innerhalb der aufgetretenen Risikopräsenz diesen hohen Standards entsprechen werden. Der einzelne Risikoakteur kann sich aus diesem Grunde gerade dann besonders glücklich schätzen, wenn er in seinem Wirkungsbereich bereits eine breite Masse anderweitigen (deliktischen oder außerdeliktischen) Risikos vorfindet, in der er sein schadvolles Verhalten haftungsrechtlich untergehen lassen kann. Die Beweismaßschwelle wirkt unter solchen Verhältnissen für die Leidtragenden nicht selten wie ein unüberwindlicher Schutzwall gegen jedweden deliktischen Ersatz. Es ist daher verständlich, wenn verschiedentlich versucht worden ist, den Opfern toxischer Substanzen auf diversem Gebiete Beweiserleichterungen an die Hand zu geben, um ihre Nachweisanforderungen in bestimmtem Umfange abzusenken. Eine Reihe davon sollen nachfolgend besprochen und betreffs ihrer konzeptionellen Stimmigkeit, ihres besonderen beweisrechtlichen Nutzens für den Kläger sowie ihrer allgemeinen deliktsrechtlichen Zweckmäßigkeit (s. u. 3.) kritisch hinterfragt werden. Gesetzlich bereits etablierte Beweiserleichterungen [s. u. 1. a)] sollen dabei ebenso untersucht werden, wie gewohnheits- oder richterrechtlich anerkannte [s. u. 1. b), 2. a) u. 2. c)] oder von der neueren – vornehmlich US-amerikanischen – Dogmatik vorgeschlagene [s. u. 2. b) u. 2. d)]. Den Anfang der Erörterung 212 Vgl. Makdisi, 67 N. C. L. Rev. 1063 (1071) (1989); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 40 (1997). 213 Vgl. sein Epigramm „Zum Neuen Jahr“ (1932).
II. Beweiserleichterungen
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macht dabei die in § 6 I enthaltene Ursachenvermutung des auf die Sandoz-Katastrophe zurückgehenden deutschen Umwelthaftungsgesetzes. 1. Ursachenvermutung a) §§ 6, 7 UmweltHG Als in der Nacht vom 31.10. auf den 01.11.1986 bei der Schweizer Firma Sandoz die Chemiehallen brannten und über das Löschwasser rund 30 Tonnen Chemikalien, davon etwa 10 Tonnen zum Teil hochgiftige Pestizide, in den Oberrhein bei Basel gelangten und dort auf einer Strecke von über 400 Kilometern ein Fischsterben bisher unbekannten Ausmaßes auslösten,214 wurde auch in Deutschland – über die insoweit einschlägigen Haftungsmöglichkeiten nach § 22 WHG hinaus – der Ruf nach einer umfassenderen zivilrechtlichen Haftungsmöglichkeit für umweltgefährdende Aktivitäten jeglicher Art immer lauter.215 Der bürgerliche Rechtszustand glich bis dahin eher einem löcherigen Flickenteppich216 mit dem Muster unzusammenhängender auf bestimmte Bereiche beschränkter Vorschriften: So erfaßten etwa die §§ 906 II 2 BGB, 14 S. 2 BImSchG nur Beeinträchtigungen von Grundstücken, die §§ 25 ff. AtG schützten nur vor bestimmten Auswirkungen radioaktiver Strahlung, und § 22 WHG bot nur einen Ausgleich für bestimmte Beeinträchtigungen der natürlichen Beschaffenheit von Gewässern. Körper und Eigentum an beweglichen Sachen blieben hingegen – ab-
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Zum Chemieunfall der Firma Sandoz und den damaligen Reaktionen in Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit der Anrainerstaaten vgl. Rest, Der SandozBrand und die Rheinverseuchung, UPR 1987, 363; dens., VersR 1987, 6; Taupitz, Umweltschutz, 21 (25, 21 FN 1) (1995); Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 92 f. (1996); Chen, Ursachenvermutung, 2 (1994); Balensiefen, Umwelthaftung, 219 (1994); Larsson, Environmental Damage, 349 (1997). URLs: www.bmu.de/presse/pressearchiv/news129.htm, www.uni-koeln.de/organe/presse/ pi/06_1996/72_96.htm. Allgemein zu den Schwierigkeiten der Risikobestimmung nach einer Pestizid-Verseuchung vgl. Carey, Pesticide Regulation: Risk Assessment and the Burden of Proof, 45 G. Wash. L. Rev. 1066 (1977). 215 Vgl. Taupitz, Umweltschutz, 21 (25) (1995); Balensiefen, Umwelthaftung, 219 (1994); Larsson, Environmental Damage, 349 (1997). In Deutschland entstehen jährlich Umweltschäden in Höhe von umgerechnet etwa e 50 Milliarden; vgl. Larsson, Environmental Damage, 344 (1997); Loser, Kausalitätsprobleme, 1 (1994). 216 Auch von ausländischer Seite wird der damalige Rechtszustand zivilrechtlicher Umwelthaftung in Deutschland nicht selten als „patchwork“ bezeichnet; so Larsson, Environmental Damage, 345 (1997); vgl. ferner Hoffman, Notes on the German Environmental Liability Regime, 879 (1994); dens., Germany’s New Liability Act: Strict Liability for Facilities Causing Pollution, 38 N. Ill. U. L. Rev. 27 (1991).
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B. Zum Problem der Medical Causation
gesehen von der Verschuldenshaftung nach § 823 I BGB – gänzlich ungeschützt.217 Das Umwelthaftungsgesetz vom 01. Januar 1991218 hat diesen Rechtszustand für den erkrankten Kläger insoweit verbessert, als er seine Ansprüche jetzt zusätzlich219 auf eine verschuldensunabhängige Anlagenhaftung stützen kann. Wird danach durch eine Umwelteinwirkung, die von einer bestimmten im Gesetzesanhang enumerativ aufgelisteten Anlage ausgeht, jemand getötet, sein Körper oder seine Gesundheit verletzt oder eine Sache beschädigt, so soll der Inhaber der Anlage den daraus entstandenen Schaden ersetzen (§ 1 UmwHG). Die in § 6 I UmwHG dazu eingeführte Ursachenvermutung220 ist bislang einzigartig in der deutschen Gesetzgebungsge217
Grundstücke wurden auf diese Weise zivilrechtlich etwa besser vor negativer Umwelteinwirkung geschützt als Körper und Gesundheit der darauf wohnenden Bevölkerung; vgl. zur Problematik insgesamt Taupitz, Umweltschutz, 21 (24 f.) (1995); Pappel, Damage Caused by Waste, 46 (1995); Hager, NJW 1991, 134 (135). 218 Verkündet als Art. 1 des Gesetzes über die Umwelthaftung vom 10. Dezember 1990 (BGBl. I S. 2634). In Kraft getreten am 01. Januar 1991 (Art. 5 des Gesetzes über die Umwelthaftung). Dem Inkrafttreten gingen eine Reihe zum Teil heftig geführter Debatten im Parlament und in den einzelnen Ausschüssen über verschiedene Entwürfe zum Umwelthaftungsgesetz voraus. Entwürfe eingebracht haben (1) Die Fraktion „Die Grünen“ (BT-Drucksache 11/4247); (2) Die SPD-Fraktion (BTDrucksache 11/2035); (3) Das Land Hessen (BR-Drucksache 100/87); (4) Das Land Nordrhein-Westfalen (BR-Drucksache 217/87); (5) Die Bundesregierung (BTDrucksache 11/7104); (6) Die Koalitionsfraktionen von CDU/CSU und FDP (BTDrucksache 11/6454). Nach Beratungen im Rechts- und im Vermittlungsausschuß bekam das Umwelthaftungsgesetz dann die in der Beschlußempfehlung des Vermittlungsausschusses (BT-Drucksache 11/8208) enthaltene Fassung. Vorhandene Kommentierungen zum Umwelthaftungsgesetz: Landmann/Rohmer/ Hansmann, Umweltrecht (Loseblatt-Kommentar); Landsberg/Lülling, Umwelthaftungsrecht (1991); Schmidt-Salzer, Umwelthaftungsrecht (1992); Paschke, Kommentar zum Umwelthaftungsgesetz (1993); Salje, Umwelthaftungsgesetz (1993); Kloepfer/Brandner, Umweltrecht (1998). Sonstige Literatur (Auswahl): Balensiefen, Umwelthaftung (1994); Chen, Ursachenvermutung (1994); Nicklisch (Hrsg.), Umweltprivatrecht (1995); ders., FS Serick, 297 (1992); Bälz, JZ 1992, 57; Deutsch, JZ 1991, 1097; Diederichsen, PHI 1992, 162; Diederichsen/Wagner, VersR 1993, 641; Hager, NJW 1991, 134; Feldhaus, UPR 1992, 161; Feldmann, UPR 1991, 45; Landsberg/Lülling, DB 1990, 2205; Kreuzer, JA 1991, 209; Mayer, MDR 1991, 813; Reuter, BB 1991, 145; Taupitz, Jura 1992, 113; Pappel, Damage Caused by Waste, insbes. 42 ff. (1995); Larsson, Environmental Damage, 344 ff. (1997). 219 Eine weitergehende Haftung nach den bisherigen Vorschriften bleibt unberührt (§ 18 UmwHG). 220 Die Vermutung bezieht sich trotz des abweichenden Wortlauts auch schon auf den haftungsbegründenden Tatbestand; vgl. Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnr. 91 (1998); Deutsch, JZ 1991, 1097 (1097, 1099, 1100). Auf eine weitergehende Adäquanzprüfung wird von der hM, ebenso wie bei einer Reihe an-
II. Beweiserleichterungen
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schichte geblieben.221 Ist die jeweilige Anlage nach den Gegebenheiten des Einzelfalles geeignet, den entstandenen Schaden zu verursachen, so wird vermutet, daß der Schaden gerade durch diese Anlage verursacht ist (§ 6 I 1 UmwHG). Die Eignung im Einzelfall beurteilt sich dabei „nach dem Betriebsablauf, den verwendeten Einrichtungen, der Art und Konzentration der eingesetzten und freigesetzten Stoffe, den meteorologischen Gegebenheiten, nach Zeit und Ort des Schadenseintritts und nach dem Schadensbild sowie allen sonstigen Gegebenheiten, die im Einzelfall für oder gegen die Schadensverursachung sprechen“222 (§ 6 I 2 UmwHG). Der besondere beweisrechtliche Gewinn dieser Regelung für den Kläger bleibt insofern allerdings unklar. Die gesetzliche Formulierung umschreibt an sich nichts anderes als das, was ein vernünftiger Richter im Rahmen einer üblichen Kausalitätsprüfung nach § 286 ZPO ohnehin zu berücksichtigen hätte.223 Er muß für seine freie Beweiswürdigung gemäß den vorgegederer Gefährdungshaftungen, verzichtet, da die Betroffenen in solchen Fällen gerade auch vor außergewöhnlichen Geschehensabläufen geschützt werden sollen; vgl. für das UmwHG nur Deutsch, JZ 1991, 1097 (1099); im übrigen etwa Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 1 g (1994). 221 Die Ursachenvermutung des § 34 I GenTG setzt die Verursachung des Schadens durch gentechnisch veränderte Organismen bereits voraus. Es wird lediglich vermutet, daß der Schaden gerade durch solche Eigenschaften dieser Organismen verursacht wurde, die auf gentechnischen Arbeiten beruhen. Die Vermutung ist dabei bereits dann entkräftet, wenn es wahrscheinlich (!) ist, daß der Schaden auch auf anderen Eigenschaften dieser Organismen beruhen kann (§ 34 II GenTG). Der Nachweis einer Kausalwahrscheinlichkeit erzeugt in diesem Zusammenhang somit keinen Haftungs-, sondern lediglich einen Vermutungsausschlußgrund. Zur Genese und Haftungsproblematik des GenTG vgl. nur Balensiefen, Umwelthaftung, 252 ff. (1994) mzN. Eine Europarats-Konvention aus dem Jahr 1993 über die zivilrechtliche Haftung von Schäden, die aus umweltgefährlichen Aktivitäten herrühren (abgedruckt in PHI 1993, 196–202, 211–217 (englischer Originaltext im Anhang am Ende des Bandes)), enthält zwar ebenfalls eine Ursachenvermutung, die aber über die §§ 6, 7 UmwHG nicht hinausreichen dürfte. Sie fordert den Richter in Art. 10 lediglich auf, im Rahmen seiner Beweiswürdigung auf das erhöhte Schädigungspotential zu achten, das jedenfalls dort zu vermuten sei, wo es zu einem umweltrelevanten Ereignis kam (Explosion, Feuer, Leckage, Emission). In den USA ist eine 1979 in den Kongreß eingebrachte Vorlage mit dem Vorschlag, eine Ursachenvermutung für die Schädigung durch toxische Abfälle zu etablieren, nach mehreren Anläufen gescheitert; vgl. insoweit die Nachweise bei Romerio, Toxische Kausalität, 186 FN 128 (1996). 222 Hervorhebung nicht im Original. 223 Die Literatur reagiert dementsprechend auch überwiegend kritisch; vgl. etwa Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnrn. 79 ff. (1998); Balensiefen, Umwelthaftung, 239 ff. (1994); Taupitz, Umweltschutz, 21 (26) (1995); Romerio, Toxische Kausalität, 187 (1996); Gottwald, FS Lange, 447 (1992); Diederichsen, PHI 1990, 78 (88); dens., PHI 1992, 162 (166 ff.); Salje, UPR 1990, 1. Nach Pap-
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benen Kriterien weder ein abweichendes Beweismaß zugrunde legen noch den Kausalitätsbegriff als solchen verändern.224 Will man dem Gesetzgeber nun zwar nicht unterstellen, daß er in diesem Falle versehentlich etwas als Vermutung ausgegeben hat, was er in Wahrheit nur als weitere Konkretisierung freier richterlicher Beweiswürdigung nach § 286 ZPO verstanden wissen wollte,225 so kann man entsprechend der bewußt einzelfallbezogenen Formulierung aber wohl trotzdem davon ausgehen, daß er den Vermutungstatbestand mit den in § 6 I UmwHG aufgestellten Kriterien dem Vollbeweis zumindest annähern wollte.226 Klärende Rechtsprechung in diesem Bereich ist bislang leider ausgeblieben.227 Der BGH appelliert lediglich allgemein an die Tatsacheninstanzen, in solchen Fällen keine unzumutbaren Anforderungen an das Klägervorbringen zu stellen.228 Im übrigen ist bisher – sopel (Damage Caused by Waste, 52 f. (1995)) soll zum Nachweis der Voraussetzungen des § 6 I UmwHG allein statistischer Beweis genügen können, wenn dieser vom Kläger durch Einzelfallumstände weiter konkretisiert werden kann. Aus dem Wortlaut des § 6 I UmwHG ergibt sich dies freilich nicht. Kritisch zum UmwHG vom Standpunkt des Umweltschutzes aus auch Taupitz, Umweltschutz, 21 (1995) („Mogelpackung“ (id. 27); politischer Verkaufswert größer als praktischer Nutzen für geschädigte Umwelt und für umweltgeschädigten Bürger (id. 45)). 224 Die noch in § 8 des Regierungsentwurfs (BT-Drucksache 11/7104) enthaltene pro-rata-Haftung wurde auf Empfehlung des Bundesrates vom Vermittlungsausschuß ersatzlos gestrichen (BT-Drucksache 11/8208); vgl. dazu auch Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnr. 124 (1998); Hager, NJW 1991, 134 (140); Pappel, Damage Caused by Waste, 61 (1995); Balensiefen, Umwelthaftung, 237 (1994) (Abdruck im Volltext). Eine Orientierung etwa an den beweismaßreduzierenden Regelungen zur Glaubhaftmachung (§ 294 ZPO) oder am im Sozialversicherungsrecht anerkannten Beweisstandard der überwiegenden Wahrscheinlichkeit ist nicht erfolgt; vgl. Balensiefen, Umwelthaftung, 239 ff. (1994); Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnrn. 90 f. (1998). 225 So Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG (1998) („Entgegen seinem mißverständlichen Wortlaut statuiert § 6 UmweltHG keine Vermutungsregel, sondern eine (gesetzliche) Beweisregel.“ (id. Rdnr. 79) (Klammereinfügung im Original)); ebenso auch Paschke, Kommentar zum Umwelthaftungsgesetz, § 6 Rdnr. 2 (1993). 226 Schon allein um dem Vorwurf zu entgehen, für Umwelthaftungsfälle eine Art Verdachtshaftung (siehe in FN 291) geschaffen zu haben. 227 Wie auch das Umwelthaftungsgesetz bisher insgesamt, abgesehen von den Vorschriften zur Deckungsvorsorge (§ 19 UmwHG), nicht auf nennenswerte praktische Resonanz gestoßen ist; vgl. Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnr. 55 (1998); Larsson, Environmental Damage, 352 (1997); Hager, NJW 1991, 134 (139); Balensiefen, Umwelthaftung, 220 (1994); Wagner, NuR 1992, 201 (206). 228 BGH, Urt. v. 17. 6. 1997 – VI ZR 372/95 (Oldenburg) (veröffentlicht unter www.raekoeve.de/akt_akt.htm). Der ehemalige Vorsitzende Richter dieses Senats Steffen stellte 1990 in einem Aufsatz Voraussetzungen für eine Ursachenvermutung auf, die nahe am Vollbeweis liegen; vgl. im einzelnen Steffen, NJW 1990, 1817 (1822); in diesem Sinne auch die tragenden Erwägungen der (§ 6 UmwHG ebenfalls abschlägig bescheidenden) Entscheidung OLG Köln, NJW-RR 1993, 598.
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weit ersichtlich – kein Fall bekannt geworden, in dem die Ursachenvermutung des § 6 I UmwHG dem Kläger jemals praktischen Gewinn verschafft hätte. Auch in Zukunft dürfte ein breiter klägerischer Nutzen wegen der weitreichenden Begrenzungs- und Ausschlußregelungen (§§ 6 II–IV, 7 UmwHG)229 kaum zu erwarten sein. In Kausalitätsfragen bleibt das Umwelthaftungsgesetz somit weitgehend ohne besonderen Wert.230 Soweit ihm diesbezüglich dennoch ein eigenständiger Anwendungsbereich verbleiben sollte, muß es die unten unter 3. geäußerte grundsätzliche Kritik gegen sich gelten lassen. b) Tatsächliche Vermutung nach Anscheinsbeweis Von der gesetzlichen Ursachenvermutung des Umwelthaftungsgesetzes unangetastet bleiben alle bereits nach bisherigem Recht anerkannten Beweiserleichterungen für den Kläger.231 Weiterhin Anwendung finden insbesondere auch die inzwischen schon gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätze zum Beweis des ersten Anscheins.232 Ihnen mag dabei neben den §§ 6, 7 UmwHG auch durchaus noch ein gewisser eigenständiger Anwendungsbereich zukommen.233 Nehmen wir an, Anlagenbetreiber X leitet erstmalig bestimmte Chemikalien in einen nahe gelegenen Fluß, woraufhin dort der gesamte Fischbestand verendet.234 Im anschließenden Gerichtsverfahren mißlingt den Geschädigten trotz der an sich eindeutigen Umstände sowohl der Nachweis der Schadensverursachung als auch der Nachweis der konkreten Eignung zur Schadensverursachung im Sinne des § 6 I UmwHG, weil die angewandten toxikologischen Beweismethoden (s. u. B. VII. 3.) in beiden Fällen – so will es die Fallkonstruktion – keine nennenswerten Ergebnisse zur Schädlichkeit der untersuchten Chemikalien liefern. Die ein229 Sie gehen deutlich über die Widerlegungsmöglichkeit nach § 292 ZPO hinaus, der den vollen Beweis des Gegenteils verlangt; vgl. insoweit auch Kloepfer/ Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnr. 92 (1998). Die Tatbestände zum Ausschluß der Ursachenvermutung wurden gerade von der Industrie im Gesetzgebungsverfahren vehement vorgetragen; vgl. Taupitz, Umweltschutz, 21 (40) (1995). 230 Entsprechend die einleitenden Bemerkungen von Schwarze, Präventionsdefizite der Umwelthaftung, 1 ff. (1996). 231 Vgl. Deutsch, JZ 1991, 1097 (1101); Pappel, Damage Caused by Waste, 53 (1995). 232 Zum Anscheinsbeweis (prima facie-Beweis) vgl. allgemein Schneider, Beweis und Beweiswürdigung, Rdnr. 322 ff. (1994); Musielak/Stadler, Grundfragen des Beweisrechts, Rdnr. 159 ff. (1984); Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, Rdnr. 351 ff. (1999); Stück, Der Anscheinsbeweis, JuS 1996, 153; Zöller/Greger, ZPO, Vor § 284 Rdnr. 29 f. (1997). 233 Deutlich erkannt bisher nur von Pappel, Damage Caused by Waste, 53 f. (1995). 234 Ähnliches Beispiel bei Pappel, Damage Caused by Waste, 53 f. (1995).
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deutigen äußeren Umstände wirken sich bei solchem Fehlen wissenschaftlicher Erkenntnis erst bei der Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises aus. Wegen der kurzen zeitlichen Abfolge zwischen Schadenshandlung und Schadensfolge kann man hiernach den ursächlichen Zusammenhang im Prozeß einfach rein tatsächlich vermuten, ohne auf die Mängel toxikologischer Aufklärbarkeit irgendwie Rücksicht nehmen zu müssen. Der prima facie-Eindruck besteht unabhängig vom Ausbleiben seiner späteren wissenschaftlichen Bestätigung und könnte erst wieder durch den Beklagtennachweis der ernsthaften Möglichkeit einer anderstypischen Schadensentstehung erschüttert werden.235 Da dies nach der gewählten Fallumständen ausscheidet, gelingt den Klägern der Ursächlichkeitsbeweis nur prima facie ohne Hilfe der §§ 6, 7 UmwHG. Doch dürften solche Gedankenspiele in der Praxis kaum jemals relevant werden. Hätten die Chemikalien im erwähnten Fall etwa zusätzlich einen Badestrand verseucht und damit das Hautkrebsrisiko der ahnungslosen Badegäste durchschnittlich um einen bestimmten Prozentsatz erhöht, ließe sich eine spätere Melanombildung bei manchen unter ihnen auch mit einer zur fraglichen Zeit am Strand vorherrschenden starken Sonneneinstrahlung, eventuell aufgetragenen Salben oder Sonnencremes, gegebenenfalls eingenommenen Medikamenten oder Verhütungsmitteln oder schlicht der ererbten gesteigerten Fähigkeit mancher Betroffener zu einer verstärkten Pigmentierung erklären.236 Darüber hinaus konkurrieren in diesen und in anderen Fällen neben den natürlichen Krankheitsrisiken nicht selten noch eine Vielzahl anderer Haftungsursachen mit dem Haftungsbeitrag des Beklagten.237 Was so bei einer Umwelthaftung nach § 1 UmwHG noch eine gesamtschuldnerische Haftung aller Beteiligten zur Folge hätte,238 erschüttert beim Anscheinsbeweis bereits als ernsthafte Möglichkeit eines abweichen235 Vgl. Göben, Arzneimittelhaftung, 76 (1995); Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, Rdnr. 358 (1999); Schellhammer, Die Arbeitsmethode des Zivilrichters, Rdnr. 386 (1997); Zöller/Greger, ZPO, Vor § 284 Rdnr. 29 (1997). 236 Weitere Begünstigungsfaktoren einer Hautkrebsentstehung mögen etwa sein: Eine überdurchschnittlich große Anzahl an Muttermalen und Leberflecken am ganzen Körper, ein heller Hauttyp, eine rötliche Haarfarbe, frühere Melanomerkrankungen in der Familie; besuche www.hautkrebs.de; vgl. auch Holly, Cutaneous Melanoma, 108 (1986). 237 Siehe auch die Ausführungen unter B. VII. 1. u. 6. b) bb) (2). 238 So zumindest die hM, die im Rahmen einer Umwelthaftung nach § 1 UmwHG eine pro rata-Verantwortung im Sinne einer Proportional Liability – gleichsam als Umkehrschluß aus der Streichung des § 8 des Regierungsentwurfes zum UmwHG (BT-Drucksache 11/7104) im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens (siehe dazu in FN 224) – ablehnt; zur hM etwa Hager, NJW 1991, 134 (139 f.); Balensiefen, Umwelthaftung, 237 (1994). Zur Kritik an einer solchen Gesamtschuldlösung siehe die Ausführungen unter B. II. 3.
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den Geschehensverlaufes die tatsächliche Basis für die Ursachenvermutung. Sobald mehrere Risikofaktoren beteiligt sind, ist es unmöglich, von einer bestimmten Ursache auf eine bestimmte Wirkung und von einer bestimmten Wirkung auf eine bestimmte Ursache zu schließen.239 Toxische Substanzen sind grundsätzlich in der Lage, verschiedene Krankheiten auszulösen, genauso wie umgekehrt eine ausgebrochene Krankheit auch von verschiedenen toxischen Substanzen und natürlichen Risikofaktoren ausgelöst werden kann. Die Sache spricht hier wegen der multifaktoriellen Schadensentstehungsmöglichkeiten sozusagen nicht für sich selbst (res ipsa non loquitur)240 und kann folglich auch keine hinreichende Grundlage für denkbare prima facie-Vermutungen liefern.241 Alles in allem bleibt somit festzuhalten, daß die Regeln des Anscheinsbeweises zwar auch in toxischen Schadensfällen nichts von ihrer Gültigkeit einzubüßen brauchen, trotzdem aber eine faktische Anwendungsgrenze in der Multivarianz ätiologischer Erklärungsmöglichkeiten finden. 2. Umkehr der Beweislast a) Beweisvereitelung Weiterhin anwendbar neben der Ursachenvermutung des Umwelthaftungsgesetzes bleiben ferner die in der Rechtspraxis allgemein anerkannten Grundsätze zur Beweisvereitelung.242 Eine Reihe von Unternehmen haben 239
Siehe auch die Ausführungen unter B. VII. 1. u. 6. b) bb) (2). Der Beweisgrundsatz der res ipsa loquitur ist das römischrechtliche Synonym zu den heutigen Regeln des Anscheinsbeweises. In der US-amerikanischen Dogmatik werden beide Begriffe (res ipsa loquitur und prima facie-case) im allgemeinen inhaltsgleich verwendet; vgl. etwa bei Zinns, 54 Temple L. Q. 822 (836 ff.) (1981); vgl. allgemein auch Kästle, Toxische Massenschäden, 61 ff. (1993); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 33 f. (1993). 241 Ein weiterer immanenter Nachteil der Grundsätze des Anscheinsbeweises für den vorliegenden Bereich ist ihre definitionsbedingte Bindung an die Typizität des zu vermutenden Geschehensablaufs; vgl. Deutsch, JZ 1991, 1097 (1101). Nach den §§ 6, 7 UmwHG könnte die Ursächlichkeit hingegen auch bei untypischem Ablauf vermutet werden, da in diesem Fall nach herrschender Praxis auf die Adäquanzprüfung verzichtet wird (siehe dazu in FN 220). 242 Vgl. allgemein etwa Zöller/Greger, ZPO, § 286 Rdnr. 14 (1997); Thomas/ Putzo, ZPO, § 286 Rdnr. 17 ff. (1997); Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, Rdnr. 379 (1999); Baumgärtel, FS Kralik, 63 (1986); Stürner, ZZP 98, 237 (1985). Auch in der US-amerikanischen Rechtspraxis ist eine sog. spoilation of evidence als Grundlage für eine Beweislastumkehr hinsichtlich des beweisvereitelten Umstandes (siehe in FN 255) anerkannt; siehe neben den Rechtsprechungsnachweisen der folgenden FN insbesondere auch die Nachweise bei Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (805 ff.) (1997). 240
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in der Vergangenheit mit bisweilen durchaus beachtlichem Erfolg versucht, imageschädigende Erkenntnisse über ihre Produkte zurückzuhalten, den Gang der Forschung in ihrem Sinne mit finanziellen Zuwendungen zu beeinflussen und den Gerichtsbetrieb mit gefälschten oder entschärften Beweismitteln zu versorgen. Dies ist etwa geschehen bei der Vermarktung von Asbestprodukten,243 Tabakerzeugnissen,244 Brustimplantaten,245 ultra-auf243 Vgl. die umfassende Analyse von Brodeur, Outrageous Misconduct: The Asbestos Industry on Trial (1985) (Brodeurs Buch wird kritisch besprochen von Rosenberg, The Dusting of America: A Story of Asbestos – Carnage, Cover-Up, and Litigation, 99 Harv. L. Rev. 1693 (1698 ff.) (1986)). In der Asbestindustrie entsprach es lange Zeit gemeiner Praxis, der Öffentlichkeit ungünstige Forschungsergebnisse bezüglich der Gefährlichkeit von Asbestprodukten vorzuenthalten und stattdessen deren unbestreitbare Leistungsfähigkeit (siehe in FN 48) zu betonen (id. 118 f.). Gleichzeitig hat man es nicht versäumt, die Herausgeber der führenden Handelszeitschriften mit Hilfe finanzieller Zuwendungen davon zu überzeugen, auch in Zukunft von der Publikation imageschädigender Forschung abzusehen (id. 116 f.). Unternehmensintern hat man sich aus Angst vor Haftungsansprüchen der eigenen Arbeitnehmerschaft teilweise sogar „a corporate policy of not informing sick employees of the precise nature of their health problems“ (id. 145) zurechtgelegt; so geschehen etwa bei der Johns-Manville Sales Corp. (id. 145). Gemäß der Sachverhaltdarstellung in Starling v. Seabard Coast Line R.R., 533 F.Supp. 183 (S.D. Ga. 1982) wurden die Beschäftigten von Seaboard durch falsche Angaben über die Gefährlichkeit der zu verarbeitenden Asbestfasern arglistig getäuscht. Entsprechend in Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076 (1086) (5th Cir. 1973). Weitere Fälle zu beweisvereitelndem Verhalten in der Asbestindustrie bei Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (823 FN 177) (1997); McGovern, 69 B. U. L. Rev. 659 (668 FN 51) (1989); Castleman, Asbestos: Medical and Legal Aspects, 481 ff. (1984); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 46 (1989); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (599) (1983); Kästle, Toxische Massenschäden, 13 (1993). 244 Vgl. die umfassende Darstellung bei Hilts, Smokescreen: How the Tobacco Industry Got Away with 40 Years of Deceit and Denial (1996). Auch in der Tabakindustrie scheute man sich nicht, jedes Jahr Unsummen an Geld an Wissenschaftler und Gesundheitsbehörden zu zahlen, „to prevent (. . .) (them) from warning people of a potential hazard. (. . .) There is no case like it in the annals of business or health“ (id. 6 f.). Studien aus der selbstfinanzierten Forschung über die Gesundheitsrisiken des Rauchens wurden regelmäßig unter Verschluß gehalten oder in entschärfter Form veröffentlicht (id. 10 f., 20 f., 23 ff., 129). Bisweilen hat man Zigaretten bei Erkältungen sogar eine heilsame Wirkung für den Hals- und Rachenraum zugesprochen (id. 27). Vgl. im übrigen auch Kluger, Ashes to Ashes: America’s Hundred-Year Cigarette War, the Public Health, and the Unabashed Triumph of Philip Morris (1997); Rabin, Institutional and Historical Perspectives on Tabacco Tort Liability, 110 (1993). 245 Vgl. Panarites, Breast Implants: Choices Women Thought They Made, 11 N. Y. L. Sch. J. Hum. Rts. 163 (1993); Weisman, Reforms in Medical Device Regulation: An Examination of the Silicone Gel Breast Implant Debacle, 23 Golden Gate U. L. Rev. 973 (1993); Angell, Science on Trial: The Clash of Medical Evidence and the Law in the Breast Implant Case (1996); Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (994 ff.) (1993). In Hopkins v. Dow Corning Corp., 33 F.3d 1116 (9th Cir. 1994) wurden der Klägerin punitive damages in Höhe von $ 6,5 Millionen mit der
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nahmefähigen Tampons,246 den Medikamenten Bendectin,247 MER/29248 und DES249, dem Schlafmittel Thalidomide/Contergan250 und der Spirale Begründung zugebilligt, das Unternehmen habe jahrelang brisantes Beweismaterial unterdrückt: „The results (of their research) demonstrated that after six month, the implants appear to be functioning properly, but that after two years, inflammation surrounding the implants demonstrated the existence of an immune reaction. Dow did not publicly release the results of this research for several years, and when it did ultimately release the results, Dow omitted the negative findings and implied that the implants were safe“ (id. 1127 f.) (Klammereinfügung nicht im Original). Die bei einer Krankenhausstudie schriftführenden Ärzte wurden von Dow Corning durch eine Spende an das Krankenhaus in Höhe von $ 7 Millionen günstig gestimmt; vgl. Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (23 FN 120) (1995). Die später mit den Geschädigten ausgehandelten settlements enthielten sämtlich Stillschweigeklauseln bezüglich ihres Inhalts, um zu verhindern, daß die aufgeführten Krankheitsdaten an die Öffentlichkeit gelangen konnten (id. 19). 246 Vgl. West v. Johnson & Johnson Prods., Inc., 220 Cal. Rptr. 437 (442 ff.) (Cal. Ct. App. 1985); O’Gilvie v. International Playtex, Inc., 821 F.2d 1438 (1446) (10th Cir. 1987). In beiden Fällen hatten die Hersteller trotz zahlreicher Beschwerden der Verbraucher und Hinweisen auf Sicherheitsrisiken durch die Behörden auf jedwede eigene Forschung verzichtet und sogar umgekehrt darauf verwiesen, daß bisher noch keine einzige Studie vorhanden sei, die den klaren Nachweis eines ursächlichen Zusammenhanges zwischen der Tamponbenutzung und dem Auftreten des sog. Toxic Shock Syndromes (siehe unter A. I. (bei FN 83)) erbracht hätte (id.). Entsprechend auch schon die Entscheidungen Ellis v. International Playtex, 745 F.2d 292 (4th Cir. 1984); Kehm v. Proctor & Gamble, 580 F.Supp. 890 (N.D. Iowa 1982). 247 Vgl. Sanders, The Bendectin Litigation: A Case Study in the Life of Mass Torts, 43 Hastings L. J. 301 (311 ff., 317 ff., 331 ff.) (1992). Die von der Herstellerfirma Merrell (siehe in FN 62) durchgeführten Sicherheitstests sprachen auf Grund vorgefertigter Studiendesigns tendenziell alle zu ihren Gunsten (id. 333 ff.). Es wurden Duplikate zu bereits vorhandenen günstigen Studien unter anderem Namen erstellt, um die Quantität vorteilhafter Ergebnisse zu steigern (id. 334 f.). Mehrere inhaltsgleiche Testreihen wurden von ein und demselben unternehmenseigenen Labor durchgeführt (id. 335). Unternehmensfremde Forschung wurde mit finanziellen Mitteln, meist in Form von Spenden, beeinflußt (id. 337 ff.). Vgl. ferner dens., From Science to Evidence: The Testimony on Causation in the Bendectin Cases, 46 Stan. L. Rev. 1 (3, 12, 27 ff.) (1993). Der von Merrell beauftragte Sachverständige Dr. Smithells etwa wurde für seine Forschung nach Ablieferung ursächlichkeitsverneinender Gutachten mit zusätzlich 15.000 Brit. Pfund belohnt (id. 35). Vgl. im übrigen Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2135) (1997); Goldberg, Causation and Risk, 112 (1999). 248 Der Hersteller Merrell (siehe in FN 62) hatte der FDA (siehe in FN 70, 143) jahrelang belastendes Datenmaterial vorenthalten; vgl. Rheingold, The MER/29 Story – An Instance of Successful Mass Disaster Litigation, 56 Cal. L. Rev. 116 (120 f.) (1968). So wurde etwa unterschlagen, daß sich nach Verabreichung von MER/29 an zwei Hunden grauer Star ausgebildet hatte (id. 119). Zudem wurden Ergebnisse von Tests an Affen gefälscht; vgl. John Braithwaite, Corporate Crime in the Pharmaceutical Industry, 60 ff. (1984); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (315) (1992). Auf Grund dieser Vorgehensweise wurde Merrell von weiten Teilen der Li-
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Dalkon Shield.251 In anderen Fällen unterließen es Hersteller, für die spätere Aufklärung dringend erforderliche Emissionsmessungen zur Zeit des Risikoauswurfs aufzuzeichnen,252 kamen ihrer Obliegenheit nach einer hinteratur scharf angegriffen; vgl. Fine, The Great Drug Deception: The Shocking Story of MER/29 and the Folks who gave you Thalidomide (1972); Fuller, 200.000.000 Guinea Pigs (1972); Silverman, The Drugging of the Americas (1976); jeweils auch mN abschlägiger Presseberichte. 249 Vgl. die Ausführungen in Bichler v. Eli Lilly & Co., 436 N.E.2d 182 (185) (N.Y. 1982). 250 Vgl. insbesondere die Darstellung bei Green, Bendectin and Birth Defects: The Challenges of Mass Toxic Substances Litigation, 63–83 (1996). Die Herstellerfirma (für den Vertrieb in den USA) Merrell (siehe in FN 62) hatte sich einen Ghostwriter engagiert, mit dessen Hilfe sie in verschiedenen medizinischen Fachzeitschriften Artikel über die Sicherheit von Thalidomide (= Contergan (Deutschland)) (siehe in FN 446) während der Schwangerschaft veröffentlichte (id. 78). Die Regulierungsbehörden in den USA (siehe in FN 143) hatten einem enormen Druck von Merrell standzuhalten; vgl. Bernstein, 97 Colum. L. Rev. 2153 (2163) (1997); äußerst kritisch deshalb auch Knightley, Suffer the Children: The Story of Thalidomide (1979). Zur Vorgehensweise der deutschen Herstellerfirma Chemie Grünenthal vgl. Gemballa, Der dreifache Skandal – 30 Jahre nach Contergan (1993). 251 Vgl. die umfassende Darstellung bei Mintz, At Any Cost: Corporate Greed, Women, and The Dalkon Shield (1985). Die Taktik der Herstellerfirma A.H. Robins (siehe in FN 78) bestand aus einer Mischung aus weitgehender Unterdrückung neuer Forschung, der Produktion herstellergünstiger Beweisstudien, der Zerstörung belastenden Materials und der gezielten Wissensabschottung des Führungspersonals vor anderweitig gesammelter Erkenntnis (id. 17 ff., 122 f., 132 ff., 203 ff.). Vgl. ferner die Fallstudienbücher von Hicks, Surviving the Dalkon Shield IUD (1994); Sobol, Bending the Law (1991); desweiteren Engelmayer/Wagman, Lord’s Justice: One Judge’s Battle to Expose the Deadly Dalkon Shield (1985); Bacigal, The Limits of Litigation: The Dalkon Shield Controversy (1990); Perry/Dawson, Nightmare: Women and the Dalkon Shield (1985); Fagin/Lavelle, Toxic Deception: How the Chemical Industry Manipulates Science, Bends the Law, and Endangers your Health (1999); Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2135) (1997); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 47 (1989). In Tetuan v. A.H. Robins Co., 738 P.2d 1210 (Kan. 1987) zeigte sich im Beweisverfahren, that A.H. Robins „commissioned studies on Dalkon Shield which it dropped or concealed when the results were unfavorable“ and „consigned hundreds of documents to the furnace“ (id. 1240). In einem anderen Fall wurden wichtige Unterlagen im firmeneigenen Keller versteckt; vgl. Mintz, aaO, 210 ff. (1985). Zudem unterließ A.H. Robins Sicherheitstests, obwohl deutliche Anzeichen dafür bestanden, daß der mehrfaserige Faden am Ende der Spirale Bakterien von der Vagina bis in die Gebärmutter befördern konnte (id. 36 ff.). Statt dessen startete A.H. Robins gegenüber Verbrauchern und Ärzten eine groß angelegte Werbekampagne bezüglich der „Sicherheit“ ihres Produktes; vgl. Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (984) (1993). Noch im späteren Konkursverfahren (siehe in FN 78) versuchten die Anwälte von A.H. Robins die geschädigten Frauen mit teils unlauteren Mitteln von der Geltendmachung ihrer Ansprüche abzuhalten; vgl. Mintz, aaO, 194 ff. (1985). Frauen wurden nicht selten genötigt, über ihre sexuellen Praktiken Auskunft zu geben, um eine alternative Verursachung ihres Gebärmutterkrebses durch Lifestyle-Angewohnheiten plausibel zu machen;
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reichenden Registrierung einer angefallenen Strahlenbelastung für die umliegende Bevölkerung nicht nach,253 oder erschwerten durch das Ausbleiben notwendiger Befundsicherung die Identifizierung ihrer Schädigereigenschaft für den späteren Prozeß.254 Beweisvereitelungen haben nach allgemeinen Grundsätzen zur Folge, daß die Klägerbehauptungen bezüglich des beweisvereitelten Umstandes vom Gericht bis auf weiteres als tatsächlich gegeben unterstellt werden dürfen.255 Geht man vom „Alles oder Nichts“-Prinzip des herkömmlichen Rechts aus, so kann man den Ursachenbeweis trotz der vorhandenen kausalen Unaufklärbarkeiten als vollständig geführt ansehen, sofern es dem Kläger ohne die Vereitelung gelungen wäre, die jeweils einschlägige Beweismaßschwelle zu überschreiten. Der Kläger hätte dann Anspruch auf Vollbefriedigung.256
vgl. insoweit Perry/Dawson, aaO, 194 (1985); Sugarman, New Compensation Mechanisms, 47 (1989). 252 Vgl. Elam v. Alcolac, 765 S.W.2d, 42 (175 ff.) (Mo. Ct.App. 1988), cert. denied, 110 S.Ct. 69 (1989). Derartige Entscheidungen sind bisher jedoch nur vereinzelt ergangen; vgl. Kästle, Toxische Massenschäden, 64 (1993). 253 Vgl. Allen v. United States, 588 F.Supp. 247 (411) (D.Utah 1984), rev’d on other grounds, 816 F.2d 1417 (10th Cir. 1987), cert. denied, 484 U.S. 1004 (1988). In diesem Fall hatte die US-Regierung in der Wüste von Nevada Atomwaffentests durchgeführt, ohne die Strahleneinwirkung auf die nächstgelegenen Anwohner zu messen. Auf Grund der deshalb später für die Betroffenen im Prozeß auftretenden Beweisschwierigkeiten kehrte das Gericht die Beweislast zu Lasten der beklagten US-Regierung um. Vgl. zu diesem Fall auch Kästle, Toxische Massenschäden, 64 (1993). 254 Vgl. In re „Agent Orange“ Prod. Liab. Litig., 597 F.Supp. 740 (828 ff.) (E.D. N.Y. 1984). Hier hatten es die Hersteller der einzelnen Bestandteile von Agent Orange (siehe dazu den Nachweis in FN 6) unterlassen, den Weg der Verwendung ihrer Produkte aufzuzeichnen, obwohl sie von der späteren Vermischung durch die US-Regierung wußten. 255 Die US-amerikanische Judikatur reagiert auf eine Beweisvereitelung überwiegend mit einer Beweislastumkehr bezüglich der auf Grund der Vereitelung streitig gebliebenen Tatsachenbehauptung; vgl. neben den in den FN 243 bis 254 genannten Entscheidungen vor allem die Ausführungen in Sweet v. Sisters of Providence, 895 P.2d 484 (491 f.) (Alaska 1995). Die deutsche Dogmatik berücksichtigt beweisvereitelndes Verhalten überwiegend erst im Rahmen richterlicher Beweiswürdigung nach § 286 ZPO, was aber im allgemeinen ebenfalls zur Folge hat, daß die streitige Behauptung des Klägers ähnlich einer Beweislastumkehr bis zum Beweis des Gegenteils als wahr unterstellt wird; vgl. Zöller/Greger, ZPO, § 286 Rdnr. 14 (1997); Thomas/Putzo, ZPO, § 286 Rdnr. 18 (1997); Matthies, JZ 1986, 959 (960); Stürner, ZZP 98, 237 (1985); Musielak/Stadler, Grundfragen des Beweisrechts, Rdnr. 183 ff. (1984); Anders/Gehle, Das Assessorexamen im Zivilrecht, Rdnr. 379 (1999) (unter Verweis auf die Rechtsfolgenoffenheit der §§ 427, 441 III 3, 444, 446, 453 II, 454 I ZPO); vgl. insoweit auch die Nachweise in BGH, NJW 1986, 59 (60 f.).
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b) Umkehr der Beweislast bei besserem Zugang zu Informationen257 Wie bereits die Tendenz vieler Beklagter zur toxischen Beweisvereitelung vermuten läßt, fällt das Engagement für eine umfassende Beweisaufklärung auf beiden Seiten höchst unterschiedlich aus. Während ein wachsendes Vertrauen in die Beweismittel die Erfolgsaussichten des Klägers erhöht, ist es für den Beklagten mit der Gefahr zunehmender haftungsrechtlicher Inanspruchnahme verbunden. Der Beklagte kann sich solange in der Einschätzungslosigkeit seines gefährlichen Tuns sonnen, wie der Schatten der Erfolglosigkeit auf die Aufklärungsbemühungen des davon Betroffenen fällt. Er wird entsprechend seinem Verlangen nach Haftungslosigkeit alle ihm zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, um den vorhandenen schlechten Beweisstand nach Kräften zu halten oder ihn bei Gelegenheit sogar weiter zu verschlechtern.258 Eine unklare Beweissituation erspart ihm 256 Legte man hingegen die Grundsätze der Proportional Liability zugrunde, die im Falle der Unaufklärbarkeit medizinischer Verursachungszusammenhänge eine Teilhaftung im Umfang der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit des jeweiligen Risikofaktors befürworten (siehe dazu im einzelnen unter B. V.), hätte eine Beweisvereitelung folgerichtig die Konsequenz, daß der vom Kläger behauptete, aber nun nicht mehr nachweisbare Wahrscheinlichkeitswert bezüglich seiner Schädigung als tatsächlich gegeben unterstellt und sein Teilhaftungsanspruch damit auf einen entsprechend höheren proportionalen Umfang angehoben wird. 257 Beweisinformationen sind wichtig für den Prozeß, auch für eventuelle Vergleichsverhandlungen (vgl. Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (190) (1983)), zumal wenn es wie im Falle unklarer Medical Causation um Bereiche geht, in denen die entscheidenden Beweismittel zur direkten Bestimmung eines Merkmals des gesetzlichen Tatbestandes schon von vornherein fehlen. Wie die Ausführungen zur statistischen Beweiserhebung unter B. VII. 2. noch zeigen werden, kann sich das in diesem Rahmen zu ermittelnde Konfidenzintervall möglicher Haftungswahrscheinlichkeiten [siehe unter B. VII. 2. a) aa)] in dem Maße verengen, wie die Forschung die beweisrechtlichen Erkenntnisse für die Parteien erweitert. Das Konfidenzintervall bezeichnet im Rahmen der statistischen Beweiserhebung den Bereich einer Wahrscheinlichkeitsfunktion, innerhalb dessen man mit bestimmter Wahrscheinlichkeit darauf vertrauen kann, daß der wahre Wert der Schädigungswahrscheinlichkeit einem der darin enthaltenen Risikowerte entspricht. Bei Verbreiterung des Forschungsgegenstandes und Erhöhung der Aussagekraft einer Studie verengt sich zugleich das Konfidenzintervall der errechneten Wahrscheinlichkeitswerte (id.). 258 Vgl. Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (774 ff.) (1997); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (41) (1995). Zu über 80% aller chemischen Substanzen existieren (gerade auch deshalb) bis heute keine ausreichenden wissenschaftlichen Studien (vgl. Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (774, 782) (1997); Lyndon, 87 Mich. L. Rev. 1795 (1803) (1989); Applegate, 91 Colum. L. Rev. 261 (289) (1991); auch Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (185 ff.) (1983); Jackson, 42 Am. U. L. Rev. 199 (229) (1992)), so daß die Kläger in weiten Bereichen der Beweisaufklärung gezwungen sind, mühe-, zeit- und kostenaufwendige epidemiologische und toxikologische Pionierarbeit zu leisten (sog. First Plaintiff-Problem); siehe dazu in FN 345.
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die negative Publicity möglicher Prozeßniederlagen und sichert ihm gleichzeitig den weiteren Absatz seiner toxischen Produkte.259 Es ist leicht einsichtig, daß sich diese Motivationslage auf beiden Seiten von Grund auf ändern würde, wenn man unter dem Aspekt eines besseren Beweiszugangs die Last möglicher Unaufklärbarkeit einfach vom Kläger auf den Beklagten verschieben könnte. Während der Beklagte nun gezwungen wäre, die Schaffung eigener Beweismittel voranzutreiben,260 um der nach herkömmlichem Recht drohenden Vollhaftung261 zu entgehen, könnte sich der Kläger schlicht mit der Beiziehung von Gegengutachten begnügen. Die prozessualen Konsequenzen informationeller Unaufklärbarkeit wären auf Grund der entgegengesetzten beweisrechtlichen Ausgangssituation einfach auf den Beklagten umgelegt worden. Beweiszweifel gingen unter solchen Vorzeichen stets zu seinen Lasten. Einen gemäß dem Grund für die Beweislastumkehr notwendigen besseren Zugang des Beklagten zu einzelnen Beweisdaten könnte man freilich nur insoweit annehmen, als der Kläger diese nicht auch in entsprechendem Umfang und mit entsprechender Wertigkeit selbst sammeln könnte. In Fällen toxischer Unaufklärbarkeit weist grundsätzlich keine der beiden Seiten eine größere Beweisnähe zu den beweisbedürftigen Umständen auf. Epidemiologische und toxikologische Studien sind so beschaffen, daß sie von den zugezogenen Spezialisten beider Seiten mit jeweils gleicher Qualität erstellt werden können.262 Die Epidemiologie befragt und beobachtet verschiedene Bevölkerungsgruppen.263 Die Toxikologie testet chemische Substanzen an Tieren oder in vitro.264 Die beteiligten Sachverständigen vollziehen ihre Tests sämtlich außerhalb des Beklagtenbereichs. Ein Großteil des benötigten Wissens ist zudem öffentlich leicht einsehbar, so daß sich insoweit sogar die Beauftragung zusätzlicher Sachverständiger erübrigt. Das Internet bietet einen reichhaltigen Fundus weltweit jederzeit abrufbarer und in der Regel kostenfreier Informationen. Neueste Forschungsergebnisse wer259
Vgl. Lyndon, 87 Mich. L. Rev. 1795 (1810 ff.) (1989); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (774 ff., 784 ff.) (1997). Siehe auch unter B. IX. Einl. 260 Vgl. etwa Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (45 ff.) (1995); Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1520 ff.) (1986); Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (630) (1990); Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (902) (1992). 261 Wohl nicht ernsthaft vertreten läßt sich der Vorschlag von Feldman (74 Tex. L. Rev. 1 (45) (1995)), daß bei verbleibender Unaufklärbarkeit Kläger und Beklagter jeweils die Hälfte des Schadens tragen sollten. Die Erreichung der Zwecke des Deliktsrechts (siehe unter B. I. 2. u. 3.) würde damit gerade insoweit verfehlt werden, als die hälftige Schadensteilung von der Schadensverantwortung des Beklagten abweicht. 262 Vgl. etwa Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (243 f.) (1984). 263 Siehe im einzelnen unter B. VII. 2. a). 264 Siehe im einzelnen unter B. VII. 3.
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B. Zum Problem der Medical Causation
den nicht selten schon aus Prestigegründen oder zur Rechtfertigung öffentlicher und privater Mittelzuwendungen umgehend ins Netz gestellt.265 Der Globus verkollektiviert auf diese Weise das Einzelwissen vieler zu einem Konglomerat wissenschaftlichen Reichtums (sog. Information Sharing).266 Die Möglichkeit einer Beweislastumkehr bei größerer Beweisnähe des Anspruchsgegners wurde bisher vornehmlich in Fragen des Verschuldens diskutiert. So trifft etwa in Deutschland den Hersteller im Rahmen deliktischer Produzentenhaftung267 die Last zur Exkulpation, wenn der Produktfehler aus seinem Gefahren- und Organisationsbereich stammt. Dem Kläger fehlt hier die zum Verschuldensnachweis erforderliche Einblicksmöglichkeit in die betrieblichen Abläufe des Herstellers. Der Hersteller ist insoweit – wie der BGH einmal zutreffend formuliert hat – „näher daran“,268 so daß er eventuell vorhandene Zweifel auch zu seinen Lasten aufklären soll. Hinsichtlich des Ursachenzusammenhanges läßt sich hingegen – wie wir gesehen haben – eine solche Nähebeziehung grundsätzlich nicht ausmachen, so daß es die Rechtsprechung insoweit auch bei den allgemeinen Regeln belassen hat.269 § 1 IV 1 ProdHG schreibt in diesem Fall, gleichsam als Bestätigung der Richtigkeit dieser allgemeinen Regel, die ausnahmslose Beweislast des Geschädigten sogar ausdrücklich fest.270 Um die eigene Forschung des Herstellers voranzutreiben, sollten anstelle der geforderten Beweislastumkehr vielmehr ausdrückliche gesetzliche Verpflichtungen normiert werden.271 So muß etwa in Deutschland ein pharmazeutischer Unternehmer seinem Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels eine Reihe von Angaben und Unterlagen beifügen, wie insbesondere verschiedenartige analytische, pharmakologisch-toxikologische und klinische Gutachten (§§ 22 II–IIIc, 24, 26 AMG), derentwegen er vorab eine ausführ265 Besonders augenfällig etwa die offizielle Web-Site des mit öffentlichen Geldern geförderten Human Genome Projects: www.science.doe.gov/ober/hug_top.html. 266 Zum sog. Information Sharing vgl. Note, 108 Harv. L. Rev. 1481 (1485) (1995). Im übrigen mag dem Kläger bei einem eventuell verbliebenen Informationsvorsprung des Beklagten gegebenenfalls mit einem Auskunftsanspruch geholfen werden; vgl. Romerio, Toxische Kausalität, 183 (1996); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (808) (1997); Loser, Kausalitätsprobleme, 232 f. (1994). 267 Vgl. dazu etwa Rolland, Produkthaftungsrecht, 3 ff. (1990) mzN. 268 So die berühmte Formulierung des BGH in der sog. Hühnerpest-Entscheidung BGHZ 51, 91 (105). 269 Vgl. nur die Rechtsprechungsnachweise bei Palandt/Thomas, BGB, § 823 Rdnr. 219 (2002). 270 Entsprechend etwa § 84 AMG, der für die Haftung des pharmazeutischen Unternehmers lediglich auf die Nachweisnotwendigkeit von dessen Verschulden verzichtet, im übrigen aber die Beweislastverteilung, auch etwa im Hinblick auf die Verursachungsfrage, vollständig unangetastet läßt. 271 So etwa auch Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (910 f.) (1992).
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liche Forschung betreiben muß. Bekannt gewordene Verdachtsfälle einer schwerwiegenden Nebenwirkung oder einer schwerwiegenden Wechselwirkung mit anderen Mitteln hat er aufzuzeichnen und der zuständigen Behörde unverzüglich anzuzeigen (§ 29 I AMG). Verstöße gegen diese Zulassungs- und Anzeigevorschriften sind straf- bzw. bußgeldbewehrt (§§ 96 Nr. 6, 97 Nr. 7 AMG).272 Auf diese Weise wird den zuständigen Behörden ein umfassender Katalog an Eingriffs- und Einwirkungsbefugnissen an die Hand gegeben, um im einzelnen auf das Forschungsverhalten eines Herstellers Einfluß nehmen und so insbesondere die toxikologische Beweisgewinnung schon vor Eintritt erster möglicher Schädigungen sicherstellen zu können.273 Eine Verschärfung der späteren Deliktshaftung infolge einer Beweislastumkehr hinsichtlich des Verursachungsmerkmals würde am so gewonnenen Beweisstand nachträglich nichts mehr ändern können und sollte deshalb aus diesem Grund auch unterbleiben. 272
Hingewiesen sei an dieser Stelle auch noch auf einige neuere dogmatische Bestrebungen in den USA, die eine Deliktshaftung an das Unterlassen anfänglicher toxikologischer (Minimal-)Tests knüpfen wollen; so insbesondere Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2117 ff.) (1997); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (805 ff.) (1997). Dieser bislang ausschließlich in den USA diskutierte deliktsrechtliche Reformansatz ersetzt das Kausalitätsmerkmal durch den moralischen Verstoß eines Herstellers in der Planungs- und Herstellungsphase seines Produkts; vgl. Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (1997) („moral responsibility“ (id. 2117)); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (1997) („Choosing Ignorance“ (aus dem gleichnamigen Titel) als moralischer Vorwurf unterlassener toxikologischer Forschung). Siehe zu den genannten Bestrebungen im einzelnen unter B. IX. 2. Grund für diese weitreichenden Reformüberlegungen dürfte vornehmlich die in den USA vielfach nur unzureichende ordnungsrechtliche Sanktionierung von Verstößen gegen gesetzlich oder behördlich angeordnete Testerfordernisse sein; vgl. Green, Statutory Compliance and Tort Liability: Examining the Strongest Case, 30 U. Mich. J. L. Ref., 461 (461 ff.) (1997); Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2119, 2136, 2138) (1997); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (786 ff.) (1997); Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (503 ff.) (1985). Eine durchschnittlich von der OSHA verhängte Geldbuße betrug im Jahre 1990 nur $ 890; besuche www.monitor.net/rachel/r408.html („Thus, at present, it appears to be cheaper to kill and injure people than to make chemical plants inherently safer“ (id. 11)). Zudem haben sich die zuständigen US-amerikanischen Ordnungsbehörden in der Vergangenheit bisweilen als ineffektiv und lobby-abhängig erwiesen; vgl. Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (203 ff.) (1983); Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (505) (1985); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (248 f.) (1984); Applegate, 91 Colum. L. Rev. 261 (265) (1991); Weinstein, Individual Justice, 169 (1995); Kästle, Toxische Massenschäden, 373 f. (1993). Zu einschlägigem US-amerikanischem Ordnungsrecht und den für seine Durchsetzung zuständigen Behörden siehe die Auflistung in FN 143. Das Verfahren der Zulassung neuer Arzneimittel durch die FDA regelt 21 U.S.C. § 360 (1994). 273 Zu den Möglichkeiten epidemiologischer Forschung schon vor Ausbruch der ersten Krankheitsfälle siehe unter B. VII. 2. a) aa) u. bb) i. V. m. B. IX. 4.
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c) Umkehr der Beweislast nach dem Überschreiten immissionsschutzrechtlicher Grenzwerte In Deutschland ist ausgehend von der bekannten Kupolofen-Entscheidung des BGH274 aus dem Jahr 1984 ferner eine breite Diskussion darüber in Gang gekommen, ob die Überschreitung immissionsschutzrechtlicher Grenzwerte Auswirkungen auch auf den privatrechtlichen Haftungsbereich und insbesondere auf die uns vorliegend interessierende Frage der Beweislastverteilung bei medizinischer Verursachungsunklarheit haben sollte. Im Urteil hatte der BGH in einem obiter dictum eine Beweislastumkehr bezüglich kausaler Fragen für diejenigen Fälle nicht mehr ausschließen wollen, in denen der beklagte Anlagenbetreiber die durch Verwaltungsvorschriften nach § 48 BImSchG festgelegten Emissions- oder Immissionsgrenzwerte der TA Luft nachweislich überschritten hatte.275 Die Literatur ist hinsichtlich der Beweislastumkehr der angedeuteten Richtung des BGH zum Teil276 – meist ohne nähere Begründung277 – gefolgt, zum Teil278 ist aber auch deutliche Kritik laut geworden. Es ist nun in der Tat unverständlich und darf denn auch das tiefere Geheimnis der beiläufigen Bemerkung des BGH bleiben, welche Relevanz ein öffentlich-rechtlicher Grenzwert für die Frage zivilrechtlicher Kausalität haben soll. Die Grenzwerte sind Teil eines generell-abstrakten Normenwerks, 274 BGHZ 92, 143; URL: http://rummelplatz.uni-mannheim.de/ucgi/jura/garcia/ urteile/kupol.html (zur Entscheidung Hager, Der Kupolofenfall – BGHZ 92, 143 ff., Jura 1991, 303). Im Urteil ging es um durch Eisenoxydstaub einer Heißwind-Kupolofen-Schmelzanlage verursachte Schäden an Lack, Glas und Chromteilen umstehend parkender Kfz. In der Literatur wird die Diskussion wegen der gleichen Problemstellung entsprechend auch auf Gesundheitsschäden ausgedehnt; vgl. neben der Anmerkung von Hager etwa auch Marburger/Herrmann, JuS 1986, 354 (359). 275 BGHZ 92, 143 (147), unter Verweis auf seine bereits in BGHZ 70, 102 (107 f.) und BGH, VersR 1983, 441 (442) dargelegten Grundsätze. 276 So Rest, Luftverschmutzung und Haftung, 76 ff. (1986); Marburger/Herrmann, JuS 1986, 354 (358); Baumgärtel, JZ 1984, 1109 (1110); Köndgen, UPR 1983, 345 (353); Diederichsen/Scholz, WiVerw 1984, 23 (36); Hager, NJW 1986, 1961 (1966); Mayer, MDR 1991, 813 (815); Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnr. 156 (1998); trotz seiner massiven Kritik auch Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 152, 155 (1993). Baur (JZ 1974, 657 (660)) hält in solchen Fällen zumindest die Annahme eines Anscheinsbeweises für gerechtfertigt. 277 Soweit eine Stellungnahme abgegeben wird, erschöpft sie sich zumeist in einer allgemeinen Billigkeitserwägung. Stellvertretend für viele Marburger/Herrmann, JuS 1986, 354 („ist es gerechtfertigt“ (id. 358)); Rest, Luftverschmutzung und Haftung (1986) („ein sachlich gerechtfertigter Grund“ (id. 97)). Der BGH stützt sich – freilich sachfremd [siehe unter B. II. 2. b)] – auf den „Gesichtspunkt der Schadensnähe“ (BGHZ 92, 143 (147)). 278 Vgl. Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 147 ff. (1993); Romerio, Toxische Kausalität, 184 ff. (1996).
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das sich losgelöst vom Einzelfall an einen vorab unbestimmten Adressatenkreis wendet.279 Der einzelne Leidtragende mag zwar als Zugehöriger dieses Adressatenkreises von der Schutzwirkung dieser Regelung280 profitiert haben, kann aber allein damit den ätiologischen Schadensgang einer auf ihn einwirkenden giftigen Substanz nicht erklären. Er ist ein im Verhältnis zu allen anderen unterscheidbares Unikum seines eigenen normativ nicht fixierbaren toxischen Betroffenseins. Seine besonders sicherheitsbedachte Lebensweise würde sich in einem Grenzwert ebenso wenig widerspiegeln können wie das besonders lebensmüde Verhalten einer anderen Person.281 Aber auch als bloß griffige Orientierungsmarken für eine zivilrechtlich leicht handhabbare kausale Beweislastregel eignen sich immissionsschutzrechtliche Grenzwerte nicht ohne Willkür. Ihrer Festsetzung geht regelmäßig ein langwieriger Abwägungsprozeß voraus, in den eine Vielzahl zumeist außerkausaler Interessen einströmen.282 So mag die normsetzende Stelle etwa eine Reihe sozial-, wirtschafts-, rechts- und beschäftigungspolitischer Bedürfnisse der beteiligten Kreise zu berücksichtigen haben.283 Ebenso können sich ihr im Laufe des Regelungsprozesses bislang unerkannte Grenzen technischer Machbarkeit und finanzieller Zumutbarkeit von Schutzvorkehrungen an den betriebenen Anlagen offenbaren.284 279 Vgl. Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 147 (1993). Zur Rechtsnatur von Verwaltungsvorschriften vgl. insbesondere Maurer, Allgemeines Verwaltungsrecht, § 24 (1997); Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht I, § 24 (1994). 280 Vgl. Marburger/Herrmann, JuS 1986, 354 (357); Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 150 (1993). 281 Umgekehrt kann freilich auf Grund der fehlenden Aussagekraft ein kausaler Zusammenhang trotz Einhaltung sämtlicher Grenzwerte auch zu bejahen sein; vgl. Marburger/Herrmann, JuS 1986, 354 (357); Hager, NJW 1986, 1961 (1966); Romerio, Toxische Kausalität, 185 FN 123 (1996). 282 Vgl. Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 147 ff. (1993); Romerio, Toxische Kausalität, 185 (1996). Die Behörden arbeiten als Ausgangspunkt für ihre Interessenanalyse häufig mit Immissionswerten, die in Tierversuchen [siehe unter B. VII. 3. a) aa)] kein einziges Labortier geschädigt haben; vgl. Romerio, Toxische Kausalität, 185 f. (1996). Um in ihrer sozialen Verantwortung auf der sicheren Seite zu stehen und auf lange Sicht negative soziale Auswirkungen ihrer Normgebung zu vermeiden, dividiert die Behörde diesen Anfangswert vorab regelmäßig noch durch einen hinreichend großen Sicherheitsfaktor; vgl. Romerio, Toxische Kausalität, 185 (1996); Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 148 FN 775, 150 (1993) („Toleranzpolster“ (id. 150)). 283 Vgl. Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 147 (1993). Der Schutzbereich des Grenzwertes mag sich zudem etwa auch auf Fauna und Flora und auf korrosionsgefährdete Baudenkmäler erstrecken und so weiter an Aussagekraft hinblicklich der richtigen (beweislastdemarkierenden) Grenzziehung zumutbarer Risikoeinwirkung für die menschliche Gesundheit einbüßen. Ähnliche Beispiele bei Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 149 f. (1993). 284 Ähnlich Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 147 (1993).
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B. Zum Problem der Medical Causation
Bei den letztlich gefundenen Emissions- und Immissionsgrenzwerten handelt es sich dem gesetzlichen Zwecke nach vor allem um Abwägungswerte für künftige behördliche Ermessensausübung (vgl. § 48 BImSchG), keinesfalls aber um echte Schädlichkeitsschwellen für die privatrechtliche Haftung. Wie Flavio Romerio285 treffend angemerkt hat, würde der Beklagte nach Grenzwertüberschreitung vermutlich nur deshalb privatrechtlichen Schadensersatz leisten müssen, weil er eine öffentlich-rechtliche Vorschrift mißachtet, und nicht, weil er einen Schaden verursacht hat.
d) Sliding Scale Burden of Proof Eine andere Ansicht286 will das Beweismaß des Klägers variabel gestalten. Die Anforderungen an den Kausalitätsbeweis sollen sich am Verhältnis von Risiko und sozialem Nutzen der schädigenden Handlung ausrichten. Löste etwa das Verhalten des Beklagten ein relativ hohes Risiko für den Kläger aus, dem vergleichsweise aber nur ein relativ geringer sozialer Nutzen gegenübersteht, so soll dieser Umstand dem Kläger bei seinen Beweisbemühungen zugute kommen et vice versa. Während die soziale Schädlichkeit des Beklagtentuns dem Kläger bei der beweisrechtlichen Durchsetzung seines Deliktsanspruches behilflich ist, verbessert ein entsprechender sozialer Wert die Prozeßsituation des Beklagten. Das Maß des Kausalitätsbeweises gleitet somit für den Kläger entlang an den Ergebnissen einer Risiko/ Nutzen-Analyse und führt in Beweisfragen folgerichtig zu einem sog. Sliding Scale Burden of Proof.287 Diese Ansicht ist jedoch einer Reihe von Bedenken ausgesetzt. Neben den zwangsläufigen Rechtsunsicherheiten im Rahmen der Risiko/NutzenAbwägung288 gibt insbesondere die Verquickung von Einzelfallrisiko und sozialer Nützlichkeit Anlaß zur Kritik.289 Die geforderte Verknüpfung der Kausalitätsproblematik mit den gesellschaftlichen Dimensionen des Beklagtenverhaltens geht für den vorliegenden Bereich vollkommen an der rechtspolitischen Fragestellung vorbei, warum ein Kläger entschädigt werden soll, 285
Toxische Kausalität, 186 (1996). So Note, Toxic Substances Contamination: The Risk-Benefit Approach to Causation Analysis, 14 U. Mich. J. L. Reform 53 (62–67) (1980). 287 Kritisch zu dieser Ansicht insbesondere Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (244 f., 249) (1984); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (940 f.) (1986); Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (225 f.) (1983). 288 Dies der geltend gemachte Hauptkritikpunkt; vgl. Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (249) (1984); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (940) (1986); Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (225) (1983). 289 Vgl. Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (226) (1983); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (244 FN 74) (1984); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (941 FN 237) (1986). 286
II. Beweiserleichterungen
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obwohl er den ursächlichen Zusammenhang nur in bestimmten Wahrscheinlichkeiten nachweisen kann. Die einzelne Deliktstat beurteilt sich hier wie sonst unabhängig von etwaigen sozialen Wohltätigkeiten des Beklagten. Nur weil dieser bezüglich seiner Aktivitäten eine positive soziale Bilanz vorweisen kann, macht dies den Kläger von Rechts wegen nicht weniger schutzwürdig. So würde etwa ein erkrankter Arzneimittelkonsument nahezu nie entschädigt werden, nur weil die Bevölkerung von Arzneimitteln grundsätzlich profitiert. Aus diesen und aus anderen Gründen290 hat diese Ansicht zu Recht bisher weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung eine Anhängerschaft gefunden. 3. Grundsätzliche Kritik Abgesehen von den konzeptionellen Bedenken gegen manche der dargestellten Beweiserleichterungen sowie ihrem ohnehin zum Teil nur sehr begrenzten beweisrechtlichen Nutzengewinn für den Kläger, erhebt sich unabhängig von der Einzelkonzeption auch im Grundsätzlichen Kritik gegen die Anwendung oder Etablierung von tatsächlichen oder gesetzlichen Vermutungen und Beweislastverschiebungen im Bereich unaufklärbarer Kausalitäten. Denn ebenso wie in der Haftungssituation der rechtlichen Ausgangslage führt auch in diesen beiden Fällen die Frage nach der Erfüllung ihrer Voraussetzungen stets zugleich zu einer Entscheidung über eine „Alles oder Nichts“-Haftung der einzelnen Beklagten. Hatte sich die rechtliche Ausgangslage für die Entscheidung über das „Alles“ oder „Nichts“ noch an der relativ starren Prozentgröße des Beweismaßes orientiert, so definieren die genannten Beweiserleichterungen ihre diesbezüglichen Voraussetzungen in aller Regel rein sachbereichsbezogen und unabhängig von einem bestimmten prozentualen Schwellenwert. Die „Nichts“-Haftung schlägt sozusagen nicht erst bei Überschreiten der zivilprozessualen Beweismaßschwelle in eine „Alles“-Haftung um, sondern bereits bei Erfüllung der jeweils aufgestellten Erleichterungsvoraussetzungen. Auswirkungen auf das „Alles oder Nichts“-Prinzip als solches sind damit allerdings nicht verbunden. Im einzelnen mag hier darum auf die unter B. I. 2. b) u. 3. c) vorgetragene Kritik zur ökonomischen und rechtsethischen Zweckwidrigkeit der Haftungsfolgen der rechtlichen Ausgangslage im Falle unaufklärbarer Kausalitäten Bezug genommen sein.291 290 Als weitere Problempunkte werden insbesondere genannt: Inkompetenz der Gerichte für den schwierigen Abwägungsprozeß (so Harris, 40 Sw. L. J. 909 (941) (1986)); Kläger übertreiben vor Gericht tendenziell die soziale Schadensgefahr (so Harris, 40 Sw. L. J. 909 (941) (1986); Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (225 f.) (1983)); mögliche Überbeanspruchung des Beklagten wegen Beweiserleichterung (so Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (244) (1984)).
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B. Zum Problem der Medical Causation
Eine Besonderheit zur dortigen Haftungslage292 ergibt sich hier freilich aus dem Umstand, daß die genannten Beweiserleichterungen regelmäßig293 auch eine gleichzeitige Haftung mehrerer potentieller Schädiger im Außenverhältnis zulassen. In einem solchen Fall steht für den einzelnen potentiellen Schädiger folglich – anders noch als nach der rechtlichen Ausgangslage – eine zumindest mittelbare Begrenzung des ökonomischen Fehlgangs seiner für die vollumfängliche Außenhaftung eingesetzten Mittel über die Ausgleichsmöglichkeit des gesamtschuldnerischen Binnenregresses in Aussicht.294 Ein darüber hinausgehender ganzumfänglicher interner Ausgleich scheitert freilich zumeist daran, daß im Risikobefall des Geschädigten regelmäßig noch eine Reihe außerdeliktischer („natürlicher“) Schadensgründe vorhanden sind, die auf Grund ihrer fehlenden Haftungstauglichkeit nicht in den gesamtschuldnerischen Binnenregreß mit eingebunden werden können. Die Gesamtschuldner können hier im Regelfall zwar noch ihre Überhaftung proportional im Umfang ihrer relativen Risikoanteile aufeinander verteilen, die diesbezüglichen Überentschädigungen der Geschädigten aber allein mit 291 Vgl. darüber hinaus auch etwa die Kritik bei Sherman, 52 Brooklyn L. Rev. 369 (379) (1986); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (244) (1984); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 58 f., 75, 76 f. (1997). Von deutlichen systematischen Fehlern in bezug auf gesetzliche Vermutungen spricht auch Schmalz, 14 J. Leg. Stud. 807 (1985) („To resort to presumptions whenever evidence is absent is to invite major systematic errors“ (id. 816)). Harris (40 Sw. L. J. 909 (1986)) geht hingegen sogar von einer verbesserten Verwirklichung der Zwecke des Deliktsrechts durch die Anwendung gesetzlicher Vermutungen aus: „The use of presumptions to assuage the causation problems of an exposure victim will foster the tort goals of compensation, deterrence, and corrective justice between the parties“ (id. 943). Entsprechend für den Präventionszweck auch Rest, Luftverschmutzung und Haftung, 97 (1986). Hinsichtlich des verantwortungsüberschießenden Haftungsteils kann man auch – wie dies weite Teile der kritischen deutschsprachigen Literatur in bezug auf Beweislastumkehr und Ursachenvermutung häufig tun – von einer bloßen Haftung auf Verdacht sprechen; vgl. etwa Romerio, Toxische Kausalität, 182 (1996); Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 144, 156 (1993). Der Begriff der Verdachtshaftung rechtfertigt sich vor allem aus dem Umstand, daß bezüglich beider Arten der Beweiserleichterung eine Möglichkeit zum Beweis des Gegenteils, der die „Alles“Haftung wieder in eine „Nichts“-Haftung wandeln könnte, für den Beklagten auf Grund der Unaufklärbarkeit der Ursachenzusammenhänge wertlos ist. Für die §§ 6, 7 UmwHG wird der Begriff der Verdachtshaftung wegen der darin enthaltenen konkretisierenden Voraussetzungen allerdings regelmäßig abgelehnt; vgl. Marburger, AcP 192 (1992), 1 (25); Diederichsen, PHI 1990, 78 (90); Kloepfer/Brandner, Umweltrecht, § 6 UmwHG Rdnr. 80 (1998). 292 Siehe unter B. I. 3. c) a. E. 293 Eine Ausnahme bildet etwa der Anscheinsbeweis, der eine gleichzeitige Erfüllung seiner Grundsätze durch mehrere unabhängig voneinander handelnde Risikoakteure schon voraussetzungsbedingt nicht zuläßt; siehe unter B. II. 1. b). 294 In den USA ist die Möglichkeit eines gesamtschuldnerischen Binnenregresses freilich nicht in allen Bundesstaaten zugelassen; siehe die Ausführungen in FN 575.
III. Most Likely Victim Approach
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Hilfe dieser internen Vorgänge nicht wieder beseitigen. Die Gesamtschuldner fungierten hier nach außen hin gleichsam als eine Art Haftungsverband voneinander unabhängiger Krankenkassen mit jeweils eigenständigem Haftungskapital, die, ohne jeweils Beiträge von ihren erkrankten „Versicherungsnehmern“ erhalten zu haben, das natürliche Krankheitsrisiko ihrer Patienten mit ihren jeweiligen Finanzmitteln – wieder anders als nach der rechtlichen Ausgangslage – sogar mehrfach absichern müssen. Daß sie hier nach innen hin gleichsam in Form eines Pools gegenseitig im proportionalen Umfang ihrer Risikoanteile zueinander rückversichert sind, senkt zwar mittelbar ihre übermäßige Außenhaftung um den Teil der Abdeckung des außerdeliktischen Risikos durch die jeweils anderen Regreßpflichtigen, ändert aber insgesamt nichts an der ökonomischen und rechtsethischen Fehlsteuerung ihrer Mittel. Sofern tatsächlich der im Fallbereich des Indeterminate Plaintiff schon fast utopische Ausnahmefall eintreten sollte, daß in einem Schadensfall ausschließlich deliktsrelevante Schadensursachen miteinander konkurrieren und ein Innenregreß folglich grundsätzlich einen vollständigen Ausgleich für die überbürdete Überhaftung im Außenverhältnis verspricht, bestehen diesbezüglich gleichwohl erhebliche Bedenken gegen eine gesamtschuldnerische Haftung der mehreren potentiellen Schädiger. Dieser Fall spiegelt das Hauptproblem des Fallbereichs des Indeterminate Defendant wider, in dem eine Konkurrenz der Indeterminate Defendants mit außerdeliktischen Schadensursachen bereits aus Gründen der inhaltlichen Definition dieses Fallbereichs ausscheidet. Zur Kritik sei deshalb hier auf die dortigen Ausführungen unter C. II. 3. entsprechend verwiesen. Nach alledem bleibt mithin abschließend festzuhalten, daß es sich bei einer Beweislastumkehr und einer tatsächlichen oder gesetzlichen Vermutung nicht um taugliche Mittel zur Bewältigung toxischer Massenschäden handelt. Sie sollten deshalb vom Gesetzgeber in diesem Bereich weder de lege lata noch de lege ferenda eingesetzt werden.
III. Most Likely Victim Approach Ein eigenartiges Modell zur Lösung unaufklärbarer toxischer Kausalitäten befürwortet Farber.295 Der Einsicht folgend, zweckwidrige „Alles oder Nichts“-Haftungen im Bereich toxischer Massenschäden zu vermeiden, schlägt er vor, die Ersatzverpflichtungen des einzelnen Beklagten gegenüber der Gesamtheit aller Geschädigten auf den Umfang des entsprechend 295 71 Minn. L. Rev. 1219 (1221, 1243 ff., 1260 f.) (1987) (dazu Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (669 f.) (1992); Brennan, 46 Vand. L. Rev. 1 (63 FN 235) (1993)).
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B. Zum Problem der Medical Causation
der Schädigungswahrscheinlichkeit seines Risikofaktors von ihm voraussichtlich verursachten Gesamtschadens festzulegen, um anschließend, da die auf diesen Umfang veranschlagte Gesamtersatzsumme für eine Vollentschädigung aller Geschädigten nicht mehr hinreicht, die Ersatzmittel vollentschädigend zumindest noch bis zu ihrer Erschöpfung nach der Priorität der wahrscheinlichsten Opfer zu verteilen. Die Verteilung soll im einzelnen so erfolgen, daß diejenigen Opfer, deren Schaden vom Beklagten mit den relativ höchsten Wahrscheinlichkeiten verursacht worden ist, der Reihe nach voll entschädigt werden, bis alle Ersatzmittel aufgebraucht sind. Der Rest der Kläger soll mangels weiterer Entschädigungsmasse komplett leer ausgehen (von Farber sog. Most Likely Victim Approach).296 Wurde beispielsweise im Falle von 100 Geschädigten die Erkrankung von Kläger X1 mit 71,0% Wahrscheinlichkeit vom Beklagten ausgelöst, die von X2 mit 70,5%, die von X3 mit 70,0% usw. bis zu der von X100 mit 21,5%, so wird vom insgesamt zu leistenden Ersatz zuerst X1 voll entschädigt, dann X2, X3, X4 usw., bis alle Geldmittel erschöpft sind. Für die nun noch übrig bleibenden Kläger wäre mangels Masse jeder weitere Ersatz ausgeschlossen. Für den Most Likely Victim Approach spricht vor allem, daß er die ökonomischen und rechtsethischen Interessen der einzelnen Beklagten optimal verwirklichen kann, da er diese insgesamt genau im Umfang dessen haften läßt, was sie mit ihrem Risikofaktor auch tatsächlich an Schaden verursacht haben. Präventive oder rechtsethische Über- oder Unteranforderungen an die potentiellen Schädiger sind mit dieser Haftungsweise somit nicht zu gewahren.297 Und auch in Kompensationsfragen kann dieser Ansatz zumindest dadurch überzeugen, daß der auf seiner Grundlage den wahrscheinlichsten Opfern gewährte Anspruch auf Vollentschädigung den tatsächlichen (unaufklärbaren) Haftungsverhältnissen noch am nähesten kommen, d.h. er mit seiner Verwirklichung gerade die Verwirklichung einer tatsächlich bestehenden, aber von den Beweisumständen verdeckten Anspruchsposition am wahrscheinlichsten machen298 und damit mit entsprechender Wahr296
Vgl. Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1221, 1247 ff.) (1987). Farber vergleicht den von ihm angeregten Most Likely Victim Approach mit dem Notfallplan in einem Krankenhaus, wonach diejenigen Patienten zuerst versorgt werden sollen, die die höchsten Überlebenschancen haben (id. 1250 FN 124). 297 Vgl. Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1987) („proper economic deterrent“ (id. 1245)). Für den Beklagten führt der Most Likely Victim Approach zu entsprechenden Konsequenzen wie die Haftungsgrundsätze der Proportional Liability (siehe im einzelnen unter B. V.), da das veranschlagte Haftungsvolumen gegenüber der Gesamtheit aller Geschädigten in beiden Fällen gleich groß ausfällt. Unterschiedlich gestaltet sich lediglich der Modus der Ersatzmittelverteilung unter den Geschädigten. Aus Beklagtensicht mag deshalb hier im einzelnen auf die Ausführungen unter B. V. 2. u. 3. Bezug genommen sein.
III. Most Likely Victim Approach
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scheinlichkeit sogar die absolute Zahl der Windfalls an die Opfer natürlicher Ursachen verringern kann.299 Indes gehen diese Vollentschädigungen komplett zu Lasten derjenigen, denen danach zu Unrecht ein Anspruch auf Ersatz vollständig versagt werden muß. Die ihnen vorenthaltenen Geldmittel fließen restlos in die noch verbleibenden Windfalls einer Reihe zu Unrecht Entschädigter ein.300 Während das Recht mancher vollkommen befriedigt wird, wird es anderen ebenso vollkommen vorenthalten. Wo manchen zu Recht jeglicher Ersatz verneint wird, bedeutet er für andere einen unverdienten Glücksfall umfassender Kompensation. Die bessere Rechtsverwirklichung mancher schöpft sich somit allein aus der Vertiefung des Unrechts für andere. Zugewonnene Vorteile an der einen werden durch überbürdete Nachteile an der anderen Stelle wieder ausgeglichen. Die Bedenken gegen das theoretische Konzept werden von einigen praktischen Umsetzungsschwierigkeiten301 noch verstärkt. Will der einzelne Geschädigte sein Recht durchsetzen, kann er dies hiernach nur im Verbund mit allen übrigen Opfern tun. Die Ersatzfähigkeit seines Schadens hängt maßgeblich von einem Vergleich zu den Wahrscheinlichkeitswerten der übrigen Anspruchsteller ab. Er muß beweisen, daß er in der Wahrscheinlichkeitsskala hinreichend weit oben rangiert, um bei den Auszahlungen auf noch vorhandene Ersatzmittel zu stoßen. Dabei werden Berechnungen erforderlich, die die prozessuale Bewältigung seiner Situation um ein Vielfaches verkomplizieren und in die Länge ziehen. Zu jedem einzelnen Opfer muß die Schädigungswahrscheinlichkeit durch den Beklagten aufwendig ermittelt werden.302 Die Gefahr beweismittelrechtlicher Manipulationen durch manche Opfer lassen sich dabei kaum von der Hand weisen, da schon die Aufbesserung einer einzigen Platzierung über die Frage des Alles oder Nichts deliktischen Ersatzes entscheiden kann. Zudem wäre ständig damit zu rechnen, daß nach und nach noch weitere Opfer auftauchen. Jedes zusätzlich 298 Zu einem statistischen Begründungsversuch im Wege der Wahrscheinlichkeitsrechnung vgl. Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1260 f.) (1987). 299 Vgl. Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1249) (1987). 300 Das gibt auch Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1250) (1987) zu. 301 So auch Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (1992) („nearly impossible to implement“ (id. 670)). 302 Das Beweisverfahren wäre dementsprechend auch sehr kostenintensiv; vgl. Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (670) (1992). Zur Methode siehe unter B. VII. Um den Aufklärungsaufwand zumindest etwas zu reduzieren, wird vorgeschlagen, die einzelnen Kläger in Gruppen einzuteilen, denen jeweils bestimmte Wahrscheinlichkeitswerte zugeordnet werden. Die Gruppen sollen dann der Reihe nach entsprechend dem Most Likely Victim Approach befriedigt werden. Vgl. dazu Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1248) (1987); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (670) (1992). Die im Text nachfolgende Kritik gilt für dieses Modell entsprechend.
102
B. Zum Problem der Medical Causation
ausfindig gemachte Opfer, das mit hoher Wahrscheinlichkeit vom Beklagten geschädigt worden ist, würde über Vollentschädigung oder Ersatzlosigkeit eines bereits eingruppierten Klägers bestimmen. Der Massenprozeß entartet für die Geschädigten zu einem unabsehbaren Vabanquespiel über ihr weiteres rechtliches Schicksal. Ihre Leidensgenossen im Prozeß werden zum Feind für die eigene Wiedergutmachung. Dem Beklagten kann der Kampf unter den Klägern um die eigene Vormachtstellung freilich nur Recht sein. Indem sie sich selbst durch gegenseitige Verharmlosung ihrer Risikosituation ihr prozessuales Leben erschweren, schwächen sie insgesamt ihre Erfolgsaussichten gegenüber dem Beklagten. Am Ende werden einige von ihnen auf Kosten der anderen gewonnen haben. Bei manchen wird auch das Gefühl mitschwingen, viel Glück oder viel Pech gehabt zu haben. Dem Rechtsfrieden insgesamt zuträglich war der Verteilungskampf damit freilich nicht. Wo die kollektive Geltendmachung gleichgerichteter Masseninteressen in sonstigen Fällen einen prozessualen Vorteil bedeuten mag, führt sie hier zu einem Durchsetzungshemmnis in den eigenen Reihen. In Form des Most Likely Victim Approach wirkt der Kollektvierungsgedanke damit sogar eher kontraproduktiv für die Interessen der Geschädigten.
IV. Maximum Likelihood Rule Die mit dem Most Likely Victim Approach verbundenen konzeptionellen Ungerechtigkeiten und die daraus hervorgehenden prozessualen Grabenkämpfe unter den Klägern finden ihren Grund allesamt in dem Dilemma, daß nicht allen, sondern nur den wahrscheinlichsten Risikoopfern voller Ersatz gewährt werden kann. Kaye303 dreht deshalb diesen Ansatz einfach um: Um allen Klägern einen Anspruch auf volle Entschädigung zukommen lassen zu können, soll für die Haftung nicht auf das wahrscheinlichste Opfer, sondern auf dessen wahrscheinlichsten Schädiger abgestellt werden (von Kaye sog. Maximum Likelihood Rule).304 Jedes Opfer soll von diesem vollen Ersatz aller ihm entstandenen Schäden verlangen können. Weitergehende Haftungsansprüche gegen sonstige Risikobeteiligte werden ausgeschlossen. Bilden natürliche und selbstverantwortlich gesetzte Risikofaktoren den wahrscheinlichsten Schädigungsgrund, so soll das Opfer gänzlich ohne Ersatz bleiben.305 Der einzelne Geschädigte soll damit so gestellt werden, wie er stünde, wenn sich die wahrscheinlichste Ursache als die alleinige Ursache für seinen Schaden hätte bewahrheiten lassen.
303 304 305
1982 Am. B. Found. Res. J. 487 (487 ff.) (1982). Vgl. Kaye, 1982 Am. B. Found. Res. J. 487 (500 ff.) (1982). Vgl. Kaye, 1982 Am. B. Found. Res. J. 487 (514) (1982).
IV. Maximum Likelihood Rule
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Der Vorteil dieser Regel ist ein zweifacher: Materiellrechtlich wird durch das Abstellen auf den wahrscheinlichsten Schädiger die Zahl der Übereinstimmungen mit den tatsächlichen Haftungsverhältnissen maximiert.306 Wer die wahrscheinlichste Ursache gesetzt hat, ist höchstwahrscheinlich auch mit dem tatsächlichen Schädiger identisch. Und prozessual kann auf viel mühsame Aufklärungsarbeit innerhalb zahlreicher Einzelhaftungsverhältnisse verzichtet werden. Sobald das Gericht aus dem Bündel möglicher Ursachen eine als die wahrscheinlichste erkannt hat, kann es die Haftungsfrage auch bereits umfassend entscheiden. Das Bemühen um materiellrechtliche Wirklichkeit und prozessuale Vereinfachung gibt aber allein noch keinen endgültigen Aufschluß über den rechtspolitischen Wert dieses Ansatzes. Schon ein unbefangener Blick in den Einzelfall eröffnet erhebliche Gerechtigkeitszweifel. Für den haftenden Beklagten erweist es sich als höchst ungerecht, daß er neben seinem eigenen Risiko auch noch das Gefahrenpotential aller übrigen Beteiligten verantworten soll. Seine eigene Haftung ist insoweit unwahrscheinlich, als das gefährliche Tun der anderen ohne rechtliche Folgen geblieben ist. Seine Überhaftung subventioniert sozusagen sogar ihren Haftungsausschluß. In schadenspräventiver Hinsicht verzichtet die Maximum Likelihood Rule damit für die breite Masse der potentiellen Schädiger auf jedwede deliktsrechtliche Einwirkung. Um der Haftung entgehen zu können, genügt es für einen Risikoakteur bereits, wenn er sich am größten Risikoproduzenten orientiert und sein eigenes Risikopotential knapp unterhalb des Höchstwerts ansetzt. Anstatt jede weitere Risikominderung haftungsrechtlich zu belohnen, provoziert der unterschiedlose Haftungsausschluß sogar eine gewinnmaximierende Risikosteigerung aller bis zum Spitzenwert der vorhandenen Höchstgefahr. Freilich braucht diese Ungerechtigkeit nicht stets denselben Risikoakteur zu treffen. So mag ein Beteiligter etwa beim einen Kläger zum wahrscheinlichen Mittelfeld gehören, während er für einen anderen die einzig signifikante Gefahrerhöhung darstellt. Inwieweit jedoch dieser mögliche Haftungswechsel nach Abwicklung aller Haftungsverhältnisse zu einer Nivellierung aller Einzelfallungerechtigkeiten und Präventionsdefizite führt,307 bleibt in dem Maße ungewiß, wie die Maximum Likelihood Rule die Wahrscheinlichkeitsverteilung unter den Beteiligten unaufgeklärt gelassen hat.
306
Vgl. Kaye, 1982 Am. B. Found. Res. J. 487 (502) (1982). So Kaye, 1982 Am. B. Found. Res. J. 487 (1982): „As long as the probabilities are distributed across cases and parties in a symmetric way, any discrepancies in the error rates tend to average out, and the enterprise as a whole is charged the appropriate gross amount for the injuries it causes.“ (id. 502). 307
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B. Zum Problem der Medical Causation
Die ökologische Signalwirkung ist verheerend. Umweltschädliches Verhalten bleibt zivilrechtlich solange sanktionslos, als der Beklagte noch wahrscheinlichere Schadensursachen neben seinen eigenen nachweisen kann. Das Urteil wirkt für ihn wie ein Freibrief für ökologisches Fehlverhalten. Verfassungsrechtliche Vorgaben zum Schutze der „natürlichen Lebensgrundlagen“ (Art. 20a GG) für künftige Generationen, die in Deutschland sowohl der Gesetzgeber als auch die Rechtsprechung im Rahmen richterlicher Rechtsfortbildung beachten müssen,308 werden damit deutlich verfehlt. Die Situation für den Kläger ist hingegen grundsätzlich ganz komfortabel. Er hat Anspruch auf vollen Ersatz aller ihm entstandenen Schäden. Die Entschädigung erstreckt sich dabei auch auf den Anteil seines natürlichen Hintergrundrisikos, den er als allgemeines Lebenspech an sich selbst zu tragen hätte. Der Mehrersatz seitens des Beklagten wirkt für ihn insoweit wie eine Leistung aus einer bedürftigkeits- und beitragsunabhängigen Sozialkasse.309 Er bekommt mehr an Ausgleich, als er nach seiner Risikosituation eigentlich erwarten durfte. Gleichzeitig werden den in Wahrheit anspruchslosen Opfern vollumfängliche Windfalls sogar unabhängig vom Erreichen einer bestimmten Beweismaßschwelle allein auf Grund der Tatsache der größten Wahrscheinlichkeit eines deliktsrelevanten Schadensfaktors garantiert.310 Dominiert umgekehrt beim Kläger das natürliche Hintergrundrisiko, so soll er nach dieser Theorie selbst dann völlig unentschädigt bleiben, wenn die Summe aller deliktsrelevanten Risikofaktoren die Schädigungswahrscheinlichkeit des natürlichen Hintergrundrisikos mitunter sogar bei weitem übersteigt. Zum Verhängnis dürfte ihm hier gerade seine besonders risikoscheue Lebensweise geworden sein, da nur auf diese Weise sein natürliches Hintergrundrisiko in der Gesamtheit seines Risikos die Oberhand behalten haben konnte. Nicht aus rechtlichen, wohl aber aus faktischen Gründen unterentschädigt bleibt der Kläger auch im Falle der Insolvenz seines einzigen Anspruchsgegners. Die Gefahr von dessen Zahlungsunfähigkeit ist hier besonders groß, da er wegen seiner offensichtlichen Eignung zum wahrscheinlichsten Schädiger auch in anderen Fällen einem enormen Haftungsdruck ausgesetzt sein dürfte.
308
Vgl. Seifert/Hömig, Art. 20a GG Rdnr. 6 (1995). Siehe insofern auch die Ausführungen unter B. II. 3. 310 Auch Kaye, 1982 Am. B. Found. Res. J. 487 (1982) selbst spricht von „a few expensive mistakes“ (id. 502), die seine Theorie produziert. 309
V. Proportionalhaftung
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V. Proportionalhaftung entsprechend der Verursachungswahrscheinlichkeit Sämtliche der unter B. I. bis IV. besprochenen „Alles oder Nichts“-Haftungs- und Entschädigungslösungen sind – wie wir gesehen haben – bei Unaufklärbarkeit der Kausalitätsfrage maßgeblich daran gescheitert, daß sie den Zweckvorgaben des Deliktsrechts nicht hinreichend gerecht werden konnten. Gewährte „Alles“-Entschädigungen korrespondierten regelmäßig mit einer ökonomiefeindlichen Überabschreckung möglicher Schädiger, während verbliebene verursachungs- und verantwortungsunterschreitende „Nicht“-Haftungen jedes Bedürfnis nach einer sinnvollen Schadensverhütung und einem gerechten Schadensausgleich unbefriedigt lassen mußten. Es ist deshalb nun an der Zeit, dieses Prinzip des „Alles oder Nichts“ endgültig zu verlassen und uns zur Lösung des Problems unklarer Medical Causation einer noch relativ jungen Haftungsvorstellung aus den USA,311 der sog. Proportional Liability, zuzuwenden. 1. Inhalt Die Proportional Liability312 befürwortet bei Unaufklärbarkeit der medizinischen Schadensursache anstelle einer „Alles oder Nichts“-Haftung eine 311 Der Gedanke der Proportional Liability kam in der US-amerikanischen Dogmatik (Nachweise in FN 312) erst nach dem Erscheinen der inzwischen legendären Sindell-Entscheidung des Supreme Court of California im Jahre 1980 [siehe unter C. I. 2. a) aa)] zur Lösung des Problems des Indeterminate Defendant auf. 312 Literatur zur Proportional Liability (Auswahl): USA: Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (749 ff.) (1982); Delgado, 70 Cal. L. Rev. 881 (899 ff.) (1982); Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (604 ff.) (1983); Landes/Posner, 12 J. Leg. Stud. 109 (124) (1983); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (245 ff., 249 ff.) (1984); Boden, 13 J. Leg. Stud. 507 (514 f.) (1984); Rosenberg, 97 Harv. L. Rev. 849 (1984); dens., 24 Hous. L. Rev. 183 (191 ff.) (1987); Gold, 96 Yale L. J. 376 (1986); Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1238 ff.) (1987); Twerski, 55 Brooklyn L. Rev. 869 (881) (1989); Makdisi, 67 N. C. L. Rev. 1063 (1989); Brennan, 46 Vand. L. Rev. 1 (61 ff.) (1993); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (40 f.) (1995); Goldberg, Causation and Risk, 27 ff. (1999). Deutschland u. Schweiz: Köndgen, UPR 1983, 345 (347); Kästle, Toxische Massenschäden, 145, 294 ff. (1993); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 89 ff. (1993); Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung, 206 ff. (1994); Taupitz, Umweltschutz, 21 (41 f.) (1995); Pappel, Damage Caused by Waste, 61 (1995) (zu § 8 einer Entwurfsfassung des UmwHG; siehe dazu auch in FN 224, 238); Romerio, Toxische Kausalität, 189 ff. (1996); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 41 ff., 103 ff., 112 ff. (1997). Gerichtsentscheidungen auf der Grundlage der Proportional Liability sind – soweit ersichtlich – bislang noch nicht ergangen; vgl. allenfalls die Erwägungen in Allen v. United States, 588 F.Supp. 247 (413) (D.Utah 1984); In re „Agent Orange“ Prod. Liab. Litig., 597 F.Supp. 740 (833 ff.) (E.D.N.Y. 1984).
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B. Zum Problem der Medical Causation
Teilhaftung des potentiellen Schädigers im Umfang der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit des von ihm zu verantwortenden und auf den Geschädigten einwirkenden Risikofaktors. Statt das Unmögliche zu versuchen und einen unaufklärbaren Kausalzusammenhang zu beweisen, läßt sie auf Tatbestandsseite neben den sonstigen Voraussetzungen des jeweils einschlägigen Haftungstatbestands den – möglichen (s. u. B. VII.) – Nachweis einer Kausalwahrscheinlichkeit genügen, reagiert dafür aber auf Rechtsfolgenseite mit einer entsprechenden Reduzierung der Haftung gerade auf den Umfang eben dieser Wahrscheinlichkeit.313 Die Kausalwahrscheinlichkeit wird hiernach also – anders als noch nach herkömmlichem Recht – nicht am jeweils geltenden Beweismaß überprüft, sondern selbst zum Gegenstand des Beweises erhoben. Der entscheidende Spruchkörper muß, wenn er der Klage auf der Grundlage einer Proportional Liability stattgeben will, vom Vorliegen der kausalen Wahrscheinlichkeit (Beweisgegenstand) mit überwiegender bzw. an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit (Beweismaß) überzeugt sein. Daß es sich hierbei in beiden Fällen jeweils um „Wahrscheinlichkeiten“ handelt, darf freilich trotz der irritierenden Sprachidentität314 und ihres gegenseitigen Aufeinanderbezogenseins nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich beide in ihrer inhaltlichen Beschaffenheit doch grundlegend voneinander unterscheiden, mag aber vielleicht eine Erklärung dafür abgeben, daß es angesichts des Aufkommens industrieller Massenrisiken zu Beginn des letzten Jahrhunderts doch relativ lange gedauert hat, bis der Gedanke der Wahrscheinlichkeitshaftung im US-amerikanischen Schrifttum erstmalig Fuß fassen konnte. 2. Ökonomische Betrachtung Es bedarf nun freilich keiner großartigen Rechenanstrengungen, um den Beweis dafür anzutreten, daß die Proportional Liability den ökonomischen Wertvorstellungen des Deliktsrechts in vollem Umfange gerecht werden kann. Denn anders als die Haftungssituation bei Aufklärbarkeit kausaler Zusammenhänge verkörpert sie in ihrer haftungsrechtlichen Konsequenz sogar schon unmittelbar die rechte Seite der Formel des ehrwürdigen Richters 313
Vgl. Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 41 ff., 111 (1997). Zur haftungsrechtlichen Handhabung synergistischer und progressiver Effekte siehe unter B. X. 314 Gold (96 Yale L. J. 376 (382 ff.) (1986)) macht gerade diese Sprachidentität für das Festhalten der US-amerikanischen Rechtsprechung am „Alles oder Nichts“Prinzip verantwortlich. Er hat zur Unterscheidung deshalb vorgeschlagen, die kausale Wahrscheinlichkeit als fact probability und das Beweismaß der überwiegenden Wahrscheinlichkeit als belief probability zu bezeichnen (id.).
V. Proportionalhaftung
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Learned Hand (Probability * Loss). Der Schädiger kann infolgedessen bei Unaufklärbarkeit der medizinischen Schadensursache nicht nur weiterrechnen wie bisher, sondern sich vom Haftungsrecht – in Gestalt des Rechtsfolgenausspruchs der Proportional Liability – den notwendigen Umfang seines Schadensvermeideaufwandes (Burden of adequate precautions) sogar unmittelbar „vorrechnen“ lassen. Sein auf Kostenminimierung bedachtes Exante-Risikokalkül findet somit selbst im späteren Schuldumfang einer jeden seiner Einzelfallhaftungen den haftungspräventiven Ausdruck für seine optimierteste Ausformung. Im übrigen äußert sich der Unterschied der Proportionalhaftung zur Haftungssituation bei Aufklärbarkeit kausaler Zusammenhänge allein im Haftungsumfang des Einzelfalles sowie der Anzahl später auftretender Haftungsverhältnisse. Ließen sich etwa in unserem obigen Störfall-Beispiel zu Beginn dieses Abschnitts die Leukämieerkrankungen in jedem Einzelfall den je vorhandenen Ursachengründen medizinisch exakt zuordnen, haftete das Chemieunternehmen in den 100 der insgesamt 300 Schadensfälle in vollem Umfang, während es bei gegebener Ursachenunklarheit und Anwendung der Grundsätze der Proportional Liability in allen 300 Schadensfällen zum Ersatz von jeweils 1/3 des entstandenen Schadens verpflichtet wäre.315 Aus ökonomischer Sicht wirkt sich dieser haftungstechnische Unterschied für das Chemieunternehmen bei Vernachlässigung eventueller Transaktionskosten316 damit nicht aus, da es gleichgültig bleibt, ob es die insgesamt zu veranschlagende Ersatzsumme nur an die von ihm tatsächlich geschädigten oder in Bruchteilen an alle Leukämieerkrankten ausbezahlen muß. Seine Haftungserwartung sowie die Erwartung, externe Effekte als Schuldposten in das eigene Vermögen zurückführen zu müssen, hält sich in beiden Fällen exakt im Rahmen des von ihm einkalkulierten Umfangs seines Schädigungspotentials. Das von kritischer Seite317 bisweilen benutze Argument, daß die mit der Proportionalhaftung verbundene Belastung der Produzenten nur zu einer Verteuerung der Angebotsseite (Produkte) führe und damit ein Griff in die eigene Tasche des Verbrauchers sei, trägt aus diesen Gründen nicht. Denn die fehlende Haftung ginge vollkommen zu Lasten der gesamtwirtschaftlichen Produktsicherheit. Zudem würden die wachsenden Produktgefahren schrittweise zu einem verstärkten Konsumverzicht und damit einer Dämp-
315 Vgl. etwa auch die Rechenexempel bei Makdisi, 67 N. C. L. Rev. 1063 (1069 ff., 1074) (1989). 316 Siehe dazu in FN 186. 317 Vgl. etwa Delgado, 70 Cal. L. Rev. 881 (902 ff.) (1982); auch Ulmer/Mertens, MüKo, Vor §§ 823–853 Rdnr. 66 (1997).
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B. Zum Problem der Medical Causation
fung des effektiven Wachstums- und Beschäftigungsfortkommens der gesamten Volkswirtschaft führen.318 Es bleibt somit festzuhalten, daß es dem Haftungskonzept der Proportional Liability vollends gelingt, die ökonomisch fundierten Zwecke des Deliktsrechts für den Bereich medizinischer Ursachenunklarheiten zu befriedigen. Es ist in der Lage, die kalkulatorische Sichtweise des Risikoakteurs nicht nur beizubehalten, sondern im Umfang seiner Haftungsanordnung sogar zu verdeutlichen. Konzeptionelle Zweckmängel sind an dieser Stelle mithin nicht zu gewahren. 3. Gerechter Schadensausgleich und Gleichbehandlung (sog. Windfall-Problem) Ein Zweckproblem könnte sich aber aus rechtsethischer Sicht ergeben. Denn die Tatsache, daß sich der Umfang der proportionalen Entschädigung gegenüber einem Vollhaftungsanspruch auf das Maß der vorhandenen Schädigungswahrscheinlichkeit reduziert, bewirkt letztlich, daß die deliktisch Geschädigten im Maße der Herauskürzung ihres (proportional)haftungsuntauglichen (meist: natürlichen) Hintergrundrisikos aus ihrem an sich bestehenden Anspruch auf vollumfängliche Entschädigung die – wenn auch insoweit proportional herabgesetzten – Windfalls derjenigen mitfinanzieren müssen, die lediglich ihrem allgemeinen Lebensrisiko zum Opfer gefallen sind. Anders als nach der rechtlichen Ausgangslage gingen diese Windfalls dann zwar insgesamt nicht mehr zu Lasten des jeweils für sie aufkommenden Nichtverursachers, da dessen Proportionalhaftung gegenüber der Gesamtheit aller Geschädigten stets im „gerechten“ Rahmen des von ihm insoweit zu verantwortenden Verursachungsbeitrages verbleibt, doch büßten für dessen Gerechtigkeit dann gerade diejenigen mit einer Anspruchskürzung, die von ihm auch tatsächlich deliktisch geschädigt worden sind. Es ist nun allerdings ein fundamentaler Irrtum zu glauben, daß dieses sog. Windfall-Problem gerade auf Grund der proportionalen Haftungsanordnung der Proportional Liability entstanden sein soll.319 Wie wir vorangehend bei der Erörterung der rechtlichen Ausgangslage unter B. I. 2. b) gesehen haben, sind es vielmehr bereits die aktuellen Begrenztheiten des menschlichen (genauer: medizinischen) Erkenntnishorizonts, die diese Un318
Vgl. Lehmann, Ökonomische Analyse, 123 ff. (1983); auch Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 41 (1997). 319 In diesem Sinne etwa Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (245, 256 f.) (1984); Delgado, 70 Cal. L. Rev. 881 (892 f.) (1982); Rosenberg, 24 Hous. L. Rev. 183 (191 f.) (1987); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (40) (1995); auch Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung, 209 (1994).
V. Proportionalhaftung
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möglichkeiten bei der Bestimmung des richtigen Haftungsempfängers bedingen und dem Recht eine für Haftungsfragen unüberwindliche sachbezogene320 Regelungsgrenze setzen. Daß die Proportionalhaftung gemessen an der Wirklichkeit damit notwendig fortwährend zu „Fehlurteilen“321 führen muß, wie ihr gelegentlich sogar vorgeworfen worden ist,322 kann deshalb keinesfalls der proportionalen Eigenart ihres Regelungsinhalts angelastet werden, sondern ist vielmehr bereits unmittelbare Folge der normativen Begrenztheit der von ihr vorgefundenen faktischen (Beweis-)Umstände. Das Windfall-Problem verdankt seine Existenz eigentlich nur einem schlichten Gedankenspiel mit dem kausal Unergründbaren, denn es zieht für seine Argumentation ausschließlich solche (Beweis-)Umstände heran, die die ermittelbare Wirklichkeit der Rechtsfindung als Beweisgegenstand gerade vorenthält. Zur Beantwortung der Frage nach der rechtsethischen Richtigkeit jedweder Haftungsregel, der Frage also, wie man konzeptionell die Haftung der Schadensverantwortlichen innerhalb der Masse der gleicherart risikobetroffenen Geschädigten im Fallbereich des Indeterminate Plaintiff am „gerechtesten“ verteilt, und konkret, ob gerade die Proportionalhaftung diesen Gerechtigkeitsanforderungen genügt, bleibt es somit notwendig ohne jeden eigenständigen Erkenntniswert. Starker Gerechtigkeitsgehalt im System einer jeden Rechtsordnung kommt insbesondere dem Grundsatz der Gleichbehandlung zu. Indem eine Rechtsordnung Gleiches unter gleichen Bedingungen immer wieder gleich behandelt, insbesondere gleiche Situationen zu immer wieder gleichen Rechtsfolgen führen, schafft sie Rechtszufriedenheit unter den gleicherart Betroffenen und gewährleistet so im Grundsatz einen dauerhaften sozialen Zustand der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens. Im Haftungsrecht drückt sich diese fundamentale Gerechtigkeitsidee, Gleiches für Gleiches zu gewähren und Gleiches mit Gleichem zu vergelten, in der einfachen Maxime aus, daß, wenn mehrere in der gleichen tatbestandlichen Weise geschädigt worden sind, ihnen auch jedes Mal Ersatz in der genau gleichen Weise zuerkannt werden muß. Der Most Likely Victim Approach war – wie wir unter B. III. gesehen haben – gerade daran gescheitert, daß er dieser „Gerechtigkeitsprobe“ nicht standhalten konnte. Indem er den Ersatz ausschließlich den relativ wahrscheinlichsten Deliktsopfern vorbehalten wollte, behandelte er diejenigen Geschädigten willkürlich ungleich, die diese Wahr320 Zur Sachbezogenheit des Rechts vgl. Zippelius, Rechtsphilosophie, § 7 (1994). 321 So Romerio, Toxische Kausalität, 201 (1996). 322 Vgl. Romerio, Toxische Kausalität, 200 f., 204 f. (1996); auch Delgado, 70 Cal. L. Rev. 881 (1982) („rough-hewn justice“ (id. 893), rechtfertigend aber auf (904)); Goldberg, Causation and Risk, 29 (1999); ferner Köndgen, UPR 1983, 345 (347); Loser, Kausalitätsprobleme, 211 (1994).
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B. Zum Problem der Medical Causation
scheinlichkeitsschwelle auch nur minimal unterschritten hatten. Die Proportional Liability vermeidet solche unnötigen Gerechtigkeitsbrüche hingegen auf einfache Weise dadurch, daß sie folgerichtig für eine entsprechend gleich wahrscheinliche deliktische Schädigung aller Opfer auch jeweils entsprechend gleichumfänglichen deliktischen Ersatz gewährt. Die Proportional Liability erfüllt damit beides, sowohl die Forderung nach ausgleichender Gerechtigkeit zwischen Schädiger(n) und Geschädigten als auch den Grundsatz der Gleichbehandlung unter den Geschädigten selbst. Sie ist damit aus rechtsethischer Sicht sogar in zweifacher Hinsicht „gerecht“: Indem sie den (die) Risikoemittenten insgesamt genau im Maße des von ihm (ihnen) zu verantwortenden Verursachungsbeitrages verpflichtet und den Geschädigten jeweils gleichmäßige Entschädigung entsprechend der Schädigungswahrscheinlichkeit der auf sie einwirkende(n) deliktische(n) Risikoimmission(en) zuspricht, sorgt sie zum einen für einen gerechten Schadensausgleich im Emittenten/Geschädigten-Verhältnis, zum anderen aber auch für eine notwendige haftungsrechtliche Gleichbehandlung aller Geschädigten untereinander. Entgegen aller Kritik hat sich somit gezeigt, daß die Proportional Liability sowohl den „ökonomischen“ als auch den „rechtsethischen“ Anforderungen des Deliktsrechts vollauf gerecht werden kann. Konzeptionell ist ihre Verankerung in den einzelnen Rechtsordnungen darum nachdrücklich zu fordern.
4. Verankerung der Proportionalhaftung im deutschen Recht Im deutschen Recht hat der Gedanke proportionaler Teilschuldhaftungen im Falle unaufklärbarer alternativer Schadensverursachung bislang noch keinen unmittelbaren gesetzlichen Ausdruck gefunden. § 287 I ZPO läßt nach herrschender Praxis eine (anteilige) Schadensschätzung nach freier richterlicher Überzeugung erst dann zu, wenn der Kläger den kompletten Haftungsgrund einschließlich der haftungsbegründenden Kausalität bereits vollständig bewiesen hat.323 Diese Regelung betrifft ihrem Inhalt nach so323 Vgl. RGZ 98, 58 (59); BGHZ 4, 192 (196 f.); BGHZ 29, 393 (398); BGH, NJW 1963, 1828 (1829); BGH, MDR 2000, 418 (418 f.); ferner Stein/Jonas, ZPO, § 287 Rdnr. 16 (1997); Lüke/Wax/Prütting, MüKo, § 287 Rdnr. 13 (2000); Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, § 287 Rdnr. 6, 13 (2001); Thomas/Putzo, ZPO, § 287 Rdnr. 4 (1997); Zöller/Greger, ZPO, § 287 Rdnr. 3 (1997); Otte, Marktanteilshaftung, 113 ff. (1990); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 30 f. (1997). Die überwiegende Ansicht wendet auf Fragen der haftungsbegründenden Kausalität lediglich § 286 ZPO an; vgl. neben den eben Genannten noch BGH, NJW 1986, 2945 (2946); zum Streitstand insgesamt Gottwald, Schadenszurechnung und Scha-
V. Proportionalhaftung
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mit einen Sachverhalt, der die Lösung des Problems der Medical Causation bereits vollständig voraussetzt und damit auch als möglicher Anknüpfungspunkt für eine außergesetzliche Weiterentwicklung des Rechts im Falle haftungsbegründender Ursächlichkeitszweifel ausscheidet. Anwendbar auf haftungsbegründende Ursächlichkeitszweifel sind hingegen zweifellos die §§ 830 I 2, 840 I BGB, doch führt auch diese Regelung nicht zu der gewünschten (proportionalen) Teilschuldhaftung der handelnden Täter, sondern zu dem bereits passim unter B. I. bis IV. abgelehnten „Alles oder Nichts“-Prinzip. Nach diesen Vorschriften wird einerseits eine gesamtschuldnerische Haftung für den Fall angeordnet, daß sich nicht ermitteln läßt, wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat, andererseits soll nach ihrem dogmatischen Konzept eine Haftung sogar gänzlich ausscheiden, wenn neben den Beteiligten noch ein parallel laufendes außerdeliktisches Zufallereignis, wie etwa diverse sozialadäquate Risiken, naturgegebene Umwelteinflüsse, der natürliche menschliche Alterungsprozeß oder auch ein Verhalten des Betroffenen selbst, den Schaden des Anspruchstellers hätte verursacht haben können.324 Entsprechendes soll bei Eingreifen eines Rechtfertigungsgrundes oder dem Fehlen eines nach dem jeweiligen Haftungstatbestand vorausgesetzten Verschuldens bei einem der Beteiligten gelten.325 Denn § 830 I 2 BGB wolle dem Geschädigten nur insoweit aus seiner Beweisnot heraushelfen, als ihm mit Sicherheit ein Ersatzanspruch gegen einen der Beteiligten zusteht und es sich nur nicht ermitteln läßt, gegen welchen. Ziel des § 830 I 2 BGB sei densschätzung, 78 ff. (1979); Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozeß, § 116 II 3 (1986). 324 Ganz hM; etwa BGH, LM Nr. 18 zu § 830 BGB (1973) m. Anm. Dunz (bzgl. möglicher Selbstschädigung); ferner Cypionka, Deliktsrechtliche Haftung trotz ungeklärter Schadensverursachung, 31 ff., 43 (1985); Bydlinski, FS Beitzke, 3 (10 f., 21 f.) (1979); RGRK/Steffen, BGB, § 830 Rdnr. 18 f. (1989); Soergel/Zeuner, BGB, § 830 Rdnr. 13 (1998); Staudinger/Schäfer, BGB, § 830 Rdnr. 35 (1986); M. Bauer, JZ 1971, 4 (7); aA Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 3 a u. § 85 II 1 c (1994) (Hinwegschätzung des betreffenden Verantwortungsbeitrages nach § 287 ZPO); für eine Anspruchskürzung analog § 254 BGB bei möglicher Selbstschädigung Heinze, VersR 1973, 1081 (1086). 325 Ganz hM; etwa BGH, JZ 1972, 127; BGH, LM Nr. 2 zu § 830 BGB (1952); auch die Vorinstanz zur Entscheidung BGH, LM Nr. 15 zu § 830 BGB (1971) (offen gelassen vom BGH, da dieser im Fall bereits § 830 I 1 BGB für anwendbar hielt); ferner Cypionka, Deliktsrechtliche Haftung trotz ungeklärter Schadensverursachung, 43 ff., 49 (1985); Kluge, Alternative Kausalität, 81 ff. (1972); Buxbaum, Solidarische Schadenshaftung, 29 (1965); Bydlinski, FS Beitzke, 3 (20 f.) (1979); RGRK/Steffen, BGB, § 830 Rdnr. 17 (1989); Soergel/Zeuner, BGB, § 830 Rdnr. 13 (1998); M. Bauer, JZ 1971, 4 (7); Deubner, JuS 1962, 383; vgl. auch Otte, Marktanteilshaftung, 109 f. (1990); Bodewig, AcP 185, 505 (527) (1985); aA Larenz/ Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 3 a u. § 85 II 1 c (1994) (Hinwegschätzung des betreffenden Verantwortungsbeitrages nach § 287 ZPO).
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es hingegen nicht, dem Geschädigten zu einer Ersatzmöglichkeit für einen Schaden zu verhelfen, der seinen Grund möglicherweise auch in anderen Ursachen gehabt haben kann (Gedanke der Vorteilsabwehr).326 Einzig die Frage nach dem gleichzeitigen Vorhandensein einer außerdeliktischen Schadensursache neben dem Risikoverhalten der Beteiligten entscheidet nach dem „Alles oder Nichts“-Konzept der §§ 830 I 2, 840 I BGB also letztlich darüber, ob dem Geschädigten „Alles“ in Form einer vollumfänglichen gesamtschuldnerischen Inanspruchnahme aller Beteiligten oder „Nichts“ in Form jedweder Verneinung deliktischen Rechtsschutzes zukommen soll. Mißlich ist dies insbesondere für den hier behandelten Fallbereich des Indeterminate Plaintiff, da sich auf Grund der vielgestaltigen Möglichkeit ätiologischer Krankheitsentstehung fast zwangsläufig eine Risikokonkurrenz des jeweiligen Beteiligtenverhaltens mit einem außerdeliktischen Zufallsereignis einstellen wird.327 Es fragt sich nun aber, ob der Gedanke der Vorteilsabwehr auch dann noch Geltung für sich in Anspruch nehmen kann, wenn statt bloß einem eine Vielzahl möglicher Geschädigter vom Risikoverhalten der Beteiligten betroffen worden ist. Denn zwischen beiden Risikobereichen besteht ein für die deliktische Haftungsbetrachtung des einzelnen Risikoverhaltens ganz entscheidender Unterschied: Während die Haftungslosigkeit der Beteiligten im Falle des Risikobetroffenseins bloß eines Geschädigten „lediglich“ insoweit einen unverdienten Glücksfall [sog. „umgekehrten“ Windfall, s. u. B. I. 2. b)] bedeuten würde, als die Ursächlichkeit eines außerdeliktischen Zufallsereignisses für die Schadensentstehung unwahrscheinlich war, greift bei (toxischen)328 Massenschäden die haftungsrechtliche Annahme einer vollkommenen Verantwortungslosigkeit aller Beteiligten sogar zur sicheren Unmöglichkeit. Es ist in diesem Fallbereich innerhalb der Grenzen statistischer Konfidenz329 mit Sicherheit ausgeschlossen, daß ausschließlich außer326
Vgl. dazu etwa Bydlinski, FS Beitzke, 3 (10 f.) (1979); Brehm, JZ 1980, 585
(589). 327 Siehe ausführlich unter A. I., ferner unter B. II. 3. sowie B. VII. 6. b) bb) (2) (Hintergrundrisiko). 328 Das Merkmal des „Toxischen“ kennzeichnet im Haftungsbereich der Mass Toxic Torts grundsätzlich nur die Ursache und Lösungsnotwendigkeit der kausalen Unaufklärbarkeit und der langen Latenzzeit zwischen Risikoexposition und Krankheitsausbruch, kann also im vorliegenden Begründungszusammenhang, wo ausschließlich dem Umstand der unterschiedlichen Geschädigtenzahl Bedeutung zukommt, auch vernachlässigt werden. 329 Siehe zum Konfidenzintervall im einzelnen nachfolgend unter B. VII. 2. a) aa). Das Konfidenzintervall bezeichnet im Rahmen einer statistischen Beweiserhebung den Bereich einer Wahrscheinlichkeitsfunktion, innerhalb dessen man mit bestimmter Wahrscheinlichkeit darauf vertrauen kann, daß der wahre Wert der Schädigungswahrscheinlichkeit einem der darin enthaltenen Risikowerte entspricht.
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deliktische Umstände den Schaden sämtlicher Opfer verursacht haben können. Die verschiedenen auf die Opfer einwirkenden Risikofaktoren, mögen sie nun deliktsrechtlich relevanten Handlungen entspringen oder nicht, haben sich hier entsprechend stochastischen Grundsätzen vielmehr gerade insoweit in der Gesamtheit aller Schäden niedergeschlagen, als dies dem wechselseitigen Gefährdungspotential der Beteiligten gegenüber den Opfern entspricht. Ein Verweis auf den Gedanken der Vorteilsabwehr verschaffte den sämtlichen Beteiligten somit bei Massenschäden nichts anderes als eine Art kollektiver Freizeichnung von ihrer diesbezüglich nicht nur wahrscheinlichen, sondern sogar sicheren Verantwortung für ihr deliktisches Handeln. Sie blieben von jeglicher Haftung verschont, obwohl sie für einen ihrer Risikosetzung entsprechenden Teil des gegenwärtigen und künftigen Schadens innerhalb der Grenzen statistischer Konfidenz mit Sicherheit die haftungsbegründende Ursache gesetzt haben. Den Gedanken der Vorteilsabwehr mag man nun zwar noch bei Risikobetroffenheit nur eines Geschädigten als von der gesetzgeberischen Intention umfaßt und damit, wenn auch von rechtspolitischen Zweifeln begleitet, als gesetzlich bindend ansehen. Zumindest für den Fallbereich (toxischer) Massenschäden kann man eine solche Bindung angesichts der veränderten Haftungssituation für die Beteiligten aber nicht mehr als gegeben annehmen. Dem historischen Gesetzgeber schwebten in den diversen Beratungen zur Begründung der E I § 714, E II § 753, E III § 814 (heute: § 830 I 2 BGB) ausschließlich Sachverhalte vor Augen, in denen sich ein einzelner Betroffener den Beeinträchtigungen durch mehrere Beteiligte ausgesetzt sieht.330 Den Fall, daß mehreren Beteiligten zugleich eine Mehrzahl von Geschädigten gegenüberstehen, hat der Gesetzgeber damals augenscheinlich nicht bedacht. Auch in der gerichtlichen Praxis hat sich seit Inkrafttreten der Vorschrift eine weitere Objektivierung des gesetzgeberischen Willens rein an Fällen mit lediglich einem Opferbeteiligten vollzogen.331
330 Vgl. Mot. II, 738, Prot. II, 606; zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift auch RGZ 58, 357 (360 f.); BGHZ 33, 286 (289 f.); ferner Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 1 a (1994). 331 Genannt seien etwa die Schlaglichter RGZ 58, 357 (Knallerbsen-Fall); RGZ 98, 58 (Schußverletzung eines Treibers auf Treibjagd); RGZ 148, 154 (Gallenanfall nach mehreren ehrverletzenden Telefonanrufen); BGH, LM Nr. 4 zu § 830 BGB (1957) (Einsturz eines Gebäudes); BGHZ 25, 271 (Sturz im Grenzbereich zweier benachbarter Grundstücke); BGHZ 55, 96 (scheuendes Pferdegespann); BGH, LM Nr. 8 zu § 830 BGB (1960) (Steinschlacht); BGH, LM Nr. 15 zu § 830 BGB (1971) (Steinschlacht); BGHZ 55, 86 (Unfall eines Krankenwagens); BGHZ 4, 192 (Plünderung); BGHZ 29, 393 (Überrollen eines Fußgängers durch mehrere Kfz); OLG Köln, MDR 1982, 408 (Silvesterfeuerwerk); OLG München, MDR 1967, 671 (Silvesterfeuerwerk).
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B. Zum Problem der Medical Causation
Das Gesetz enthält folglich für den Fall der unklaren Schadensverursachung von Massenschäden durch mehrere Beteiligte bei Vorhandensein eines parallel laufenden außerdeliktischen Zufallsereignisses eine offene Lücke. Es läßt hier eine an sich erwartete Regelung vermissen, die der Verantwortlichkeit jedes Beteiligten für sein schädigendes Deliktsverhalten eine entsprechende Schadensersatzhaftung beimißt. Als Analogiebasis zur Schließung dieser Lücke seien hier die §§ 830 I 2, 254 BGB i. V. m. der jeweils einschlägigen Haftungsgrundlage (etwa: § 84 AMG)332 vorgeschlagen. § 830 I 2 BGB gibt zu erkennen, daß deliktisches Verhalten trotz Unaufklärbarkeit der Schadensursache unter bestimmten Voraussetzungen gleichwohl schadensersatzpflichtig machen kann. Und § 254 BGB wird der allgemeine Rechtsgedanke zugeschrieben, daß es sich aus besonderen Gründen ergeben kann, daß zum einen der Ersatzpflichtige unter bestimmten Voraussetzungen nur einen Bruchteil des gesamten ersatzfähigen Schadens des Verletzten zu ersetzen braucht,333 und zum anderen eine Verteilung des entstandenen Schadens unter mehreren Akteuren erforderlich werden kann. In diesem Sinne wird § 254 BGB etwa auch entsprechend zur Bestimmung des anteiligen Innenregresses unter mehreren Gesamtschuldnern herangezogen.334 Es ist nun ein Leichtes, die dort gefundenen Grundsätze auch auf eine Teilhaftung im Außenverhältnis zu übertragen. Der Deliktsgläubiger ist danach analog §§ 830 I 2, 254 BGB i. V. m. der jeweils einschlägigen Haftungsgrundlage von jedem Beteiligten teilschuldnerisch insoweit zu entschädigen, wie dies dem Maß der von den Beteiligten jeweils zu verantwortenden und möglicherweise schadensbringenden Gefährdung seiner Rechtsgüter entspricht.335 De lege ferenda wäre freilich angesichts des doch beachtlichen Begründungsaufwandes für einen derartigen Analogieschluß eine ausdrückliche gesetzliche Regelung der Proportionalhaftung in Deutschland wünschenswert.336 332 Zur Anwendbarkeit dieser Vorschrift im Rahmen des § 830 I 2 BGB siehe die Ausführungen unter C. II. 3. 333 Vgl. Larenz, Schuldrecht I, § 31 vor I (1987). 334 Vgl. etwa Palandt/Heinrichs, BGB, § 254 Rdnr. 6 u. § 426 Rdnr. 10 (2002). 335 Dazu, daß die Höhe dieses Anspruches auch nach § 287 II ZPO geschätzt werden kann, siehe unter B. VIII. (bei FN 501) sowie in FN 661. 336 Zur Notwendigkeit einer teleologischen Reduktion der §§ 830 I 2, 840 I BGB im Fallbereich des Indeterminate Defendant siehe die Ausführungen unter C. II. 3. Die dort vollzogene Rechtsfortbildung setzt die gewisse Schadensverursachung durch eine haftungsverwirklichende Handlung voraus und ist deshalb im Fallbereich des Indeterminate Plaintiff regelmäßig nicht einschlägig. Sollte dies ausnahmsweise doch einmal der Fall sein, so gelten die dort getroffenen Ausführungen hier entsprechend. Der Analogieschluß entsprechend den §§ 830 I 2, 254 BGB (i. V. m. der jeweils einschlägigen Haftungsnorm) eröffnet dem Geschädigten, wie auch schon die Regelung des § 830 I 2 BGB (i. V. m. der jeweils einschlägigen Haftungsnorm) selbst,
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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VI. Zwischenergebnis Nachdem uns die Proportional Liability vorangehend bereits auf Grund der ökonomischen Effizienz ihrer Ergebnisse sowie der Erfüllung des rechtsethischen Wunsches nach ausgleichender Gerechtigkeit und Gleichbehandlung konzeptionell überzeugt hat und auch eine Verankerung ihrer Grundsätze ins deutsche Recht gelungen ist, fragt es sich nun, inwieweit sie auch den praktischen Schwierigkeiten und Unsicherheiten gewachsen ist, die mit der beweisrechtlichen Umsetzung ihrer tatbestandlichen Vorgaben zweifellos verbunden sind. Anders als sonst besteht der zu ermittelnde Beweisgegenstand hier nicht aus einer Tatsache, sondern aus einer bloßen (kausalen) Wahrscheinlichkeit, was zwangsläufig eine Veränderung bisher gewöhnlich praktizierter Beweismethoden zur Folge haben muß. Ein proportionaler Schadensersatzanspruch des Geschädigten in Höhe der Schädigungswahrscheinlichkeit eines bestimmten auf ihn eingewirkten Risikofaktors wäre wenig wert, wenn sich eine solche Schädigungswahrscheinlichkeit im Beweisverfahren methodisch nicht exakt aufklären und festlegen ließe. Es ist deshalb im folgenden Kapitel zu untersuchen, ob und inwieweit eine Beweismethode gefunden werden kann, die geeignet ist, das konzeptionelle Optimum, das mit der Proportional Liability erreicht werden kann, auszufüllen und praktisch zu vollenden.
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten 1. Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Beweisermittlung Lautet die Diagnose auf Krebs, so ist es vornehmliche Aufgabe des behandelnden Arztes, dem Patienten nach den besten Regeln ärztlicher Kunst bei der Heilung seiner Krankheit zu helfen. Ätiologische Fragen oder gar die Ermittlung kausaler Wahrscheinlichkeiten lassen die Heilungschancen unbeeinflußt und brauchen den Arzt deshalb nicht zu interessieren.337 Therapiert wird die Wirkung (Krankheit), und nicht die Ursache. Während die Medizin in der Krebsbekämpfung in den letzten Jahrzehnten enorme Fortschritte erzielt hat,338 steckt sie in der Ursachenforschung eine neue zusätzliche Anspruchsgrundlage, die ihm vorliegend zumindest Teilansprüche gegen alle potentiellen Schädiger gewährt. Der an sich bestehende, aber unbeweisbare Hauptanspruch erlischt dann jeweils in Höhe des erlangten Ersatzes. 337 Vgl. Speiser/Krause/Gans, Law of Torts, § 11:27 (464) (1986); Romerio, Toxische Kausalität, 48 (1996). 338 Besuche zu den jüngsten Erfolgen repressiver Krebsforschung insbesondere die folgenden, ständig aktualisierten Web-Sites: (1) http://cancer.med.upenn.edu/;
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des einzelnen Falles immer noch am Anfang.339 Kürzliche Erfolge bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms geben zwar Anlaß zur Hoffnung, eine nähere ätiologische Interpretation läßt aber voraussichtlich noch mehrere Jahrzehnte auf sich warten.340 Das Recht ist mithin gezwungen, in einem Bereich Normen zu setzen, wo es die Wissenschaft derzeit noch nicht kann. Insofern wirkt ausnahmsweise nicht das Faktische normativ, sondern die wissenschaftliche Normativlosigkeit als solche. Das Recht kann ab dem Zeitpunkt auf seine besondere Handhabe des Problems des Indeterminate Plaintiff verzichten, wo es von der Wissenschaft durch eine klare Ursachenzuordnung gelöst ist. Sofern dies nicht oder nicht vollständig gelingt, bleibt das Problem auch für die Zukunft weiter virulent und lösungsbedürftig.341 Das Problem des Indeterminate Plaintiff wird durch eine Reihe äußerer Umstände hervorgerufen, die die Spur des Schadensvorganges verwischen, den Blick zurück auf den Ursachenausgang benebeln und die Bestimmung (2) http://cancernet.nci.nih.gov/; (3) www.dkfz-heidelberg.de; (4) www.krebsinfor mation.de; (5) www.medport.de; (6) www.tumor-online.de; (7) www.getwellness.ch; (8) www.krebs-kompass.de; (9) www.krebshilfe.de; (10) www.hgp.de/general/hgp/ hgp3.html. 339 Vgl. insbesondere Hall/Silbergeld, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 441 (442) (1983); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (643 ff.) (1992); Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (846 ff.) (1992); Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 45 ff. (1992); Loser, Kausalitätsprobleme, 231, 257 (1994); Hager, NJW 1991, 134 (137 f.); ferner Environmental Defense Fund v. Environmental Protection Agency, 598 F.2d 62 (D.C. Cir. 1978): „What scientists know about the cause of cancer is how limited is their knowledge“ (id. 89). Zu – teilweise amüsanten – vorzeitlichen Mutmaßungen über mögliche Ursachen der Krebsentstehung vgl. McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (31 ff.) (1984–85). Man geht davon aus, daß 60%–90% aller Krebsarten auf schädlichen Umwelteinflüssen beruhen; vgl. Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (779) (1984); Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (501) (1985); auch Romerio, Toxische Kausalität, 1 (1996). In Europa erkrankt derzeit etwa jeder Vierte mindestens einmal in seinem Leben an Krebs; vgl. Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 370 (1994). Die kontinuierliche Aufnahme kleinerer Mengen von Umweltgiften mag ähnliche Effekte auslösen wie der natürliche Alterungsprozeß; vgl. Duce, Pepperdine L. Rev. 609 (620) (1985). Schon ein einziges giftiges Molekül ist in der Lage, eine gesunde Zelle in eine Krebszelle zu entarten; vgl. Applegate, 9 Yale J. Reg. 277 (282 f.) (1992); dens., 91 Colum. L. Rev. 261 (264 f.) (1991). 340 Eine umfassende Reportage zur Genomforschung bietet die mit zahlreichen Links zu den verschiedenen Forschungszentren versehene Web-Site des amerikanischen Nachrichtensenders CNN; URL: www.cnn.com/SPECIALS/2000/genome. Insoweit werden umfassend auch rechtliche, ökonomische und ethische Aspekte behandelt. Vgl. zudem Goldberg, Causation and Risk, 100 (1999). 341 Nicht durch verbesserte medizinische Erkenntnisse, sondern allein mit rechtlichen Mitteln zu lösen ist das Problem der Legal Causation im Falle des Indeterminate Defendant; siehe dazu unter C.
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des Ursachenziels unmöglich machen. Vergiftungen vollziehen sich oft schleichend und für den Betroffenen unmerklich. Toxische Substanzen sind nicht selten unsichtbar, geschmack- und geruchlos342 und schädigen ihre Opfer auch über größere Distanzen hinweg343 erst nach Ablauf einer oft mehrjährigen Latenzzeit.344 Die in der Zwischenzeit bei den Beteiligten entstandenen Erinnerungs- und Datenlücken sind häufig trotz großer zeitlicher und finanzieller Anstrengungen nur noch unvollständig oder unsicher schließbar.345 Gelegentlich werden Substanzen auch erst in ihrer Verbindung 342
Vgl. Mulcahy, 11 HOFSTRA L. Rev. 1299 (1300) (1983); Vogler, Gefährdungshaftung, 115 (1965); Note, 99 Harv. L. Rev. 1458 (1463) (1986); Ginsberg/ Weiss, 9 HOFSTRA L. Rev. 859 (921) (1981). Zu den Charakteristika toxischer Substanzen im übrigen vgl. etwa Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (844 ff.) (1992); Lyndon, 87 Mich. L. Rev. 1795 (1801 f.) (1989); Schwartz, 14 J. Leg. Stud. 689 (690) (1985); Applegate, 9 Yale J. Reg. 277 (282 f.) (1992); dens., 91 Colum. L. Rev. 261 (289) (1991); Göben, Arzneimittelhaftung, 154 (1995). Entsprechendes gilt für durch Strahleneinwirkung hervorgerufenen Schäden. So wurde etwa die schädliche Wirkung der 1895 entdeckten Röntgenstrahlen lange Zeit nicht bemerkt. Noch in Thomas Manns 1924 geschriebenem und unmittelbar vor Ausbruch des 1. Weltkrieges spielendem Roman „Der Zauberberg“ tummeln sich die Gäste des Sanatoriums Berghof in dem Kapitel „Mein Gott, ich sehe!“ bedenkenfrei vor den im Laboratorium aufgestellten Röntgenapparaten. Vgl. ferner zu nuklearen Schäden und den damit verbundenen multinationalen atompolitischen Fragen OECD Nuclear Energy Agency, Nuclear Damage (1994). 343 Vgl. Göben, Arzneimittelhaftung, 154 (1995); Nagareda, 94 Mich. L. Rev. 899 (906) (1996); Chen, Ursachenvermutung, 10 (1994). 344 Siehe die Nachweise in FN 116. 345 Vgl. Zinns, 54 Temple L. Q. 822 (848 f.) (1981); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (777) (1991); Newcomb, 76 Nw. U. L. Rev. 300 (300) (1981); Applegate, 9 Yale J. Reg. 277 (282 f.) (1992); Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (582) (1983); Chen, Ursachenvermutung, 5 (1994); Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (855) (1992); Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (734) (1982) (zu möglichen Aufbewahrungsfristen von Daten). Elliott (14 J. Leg. Stud. 799 (801) (1985)) sieht in der langen Latenzzeit wegen der Möglichkeit des wissenschaftlichen Fortschritts sogar einen Beweisvorteil; ähnlich auch Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (791, 793 f.) (1985). Falls über ein Assoziationsverhältnis zwischen einem Risikofaktor und einer damit in Verbindung gebrachten Erkrankung zum ersten Mal gerichtlich gestritten wird, was gerade auf Grund der bis heute in den meisten toxischen Risikobereichen vorhandenen Kärglichkeit toxikologischen und epidemiologischen Datenmaterials (siehe in FN 258) dem praktischen Regelfall entsprechen dürfte, kommt es insbesondere in den USA auf Grund der dort nach wie vor fehlenden Prozeßkostenentschädigung der siegreichen Prozeßpartei zu einem unvermeidlichen sog. First Plaintiff-Problem: Der erste Kläger trägt die gesamte finanzielle und organisatorische Last einer umfangreichen Beweisaufklärung, die auf Grund der langen Studiendauern eine schnelle Entschädigung nahezu völlig unmöglich macht. Spätere Kläger können sich ohne weitere Beweisaufwendungen einfach die frühere Aufklärungsarbeit zunutze machen. Zum Problem vgl. Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (350) (1992); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (947) (1994); Wagner, 96 Yale L. J. 428 (passim) (1986); Romerio, Toxische Kausalität, 40, 104 (1996). Zu den Chancen und Möglichkeiten
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mit anderen gefährlich oder potenzieren gemeinsam ihr Risiko.346 Umgekehrt kann auch bereits unklar sein, ob ein bestimmter Risikofaktor überhaupt zur Verursachung einer bestimmten Krankheit, also beispielsweise ob Tabakrauch zur Verursachung von Blasenkrebs, generell geeignet ist. Ein besonders aus US-amerikanischen Gerichtssälen bekanntes battle of experts347 mit dem ihm eigenen Szenario markiert bisweilen die gesammelte Hilflosigkeit. Ein Fachjargon jagt den nächsten.348 Mindermeinungen bekämpfen sich gegenseitig. Und die Jury sucht orientierungslos die Wahrheit irgendwo in der Mitte.349 Den ganzen Sachverständigenstreit könnte man sich natürlich auch sparen – wie insbesondere Gold angeregt hat –, indem man die Problematik von Anfang an einem freien Gefühl juristischer Schätzkunst anheimgibt, mit dem Ratschlag, trotzdem noch das Beste aus der Sache zu machen und das billig sein zu lassen, was als rechtens gerade empfunden wird.350 Das mit den Haftungsgrundsätzen der Proportional Liaeiner – abgesehen von dieser in den USA bestehenden klägerinternen ungerechten Lastenverteilung bei der Beweisfinanzierung – zumindest zeitlichen Einbettung der zeitaufwendigen epidemiologischen Forschung in die Latenzphase bereits unmittelbar nach Risikoeinwirkung und einer damit gewährleistbaren zeitnahen (proportionalen) Entschädigung nach Krankheitsausbruch siehe unter B. IX. 4. Dort auch zu der Frage, wie der Forschungsaufwand der ersten Kläger schon während der Latenzphase mit Ersatzmitteln des Beklagten finanziert und damit das First PlaintiffFinanzierungsproblem gleichsam heteronom über den Umweg des Haftungsrechts gelöst werden kann. 346 Zu derartigen synergistischen und progressiven Effekten beim Risikoaustausch sowie ihrer haftungsrechtlichen (Auf-)Lösbarkeit siehe die Ausführungen unter B. X. 347 Vgl. zu dieser „Schlacht der Sachverständigen“ insbesondere die Anmerkungen von Hensler, 1989 U. Ill. L. Rev. 89 (89 ff.) (1989); Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (671) (1988); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (4, 7, 44) (1989); Note, 108 Harv. L. Rev. 1481 (1509) (1995); Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (492) (1989); Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (855) (1992); Epstein, Torts, 257 f. (1999); Kästle, Toxische Massenschäden, 88, 100 (1993); auch von Dore, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 429 (1983) („judicial lotteries“ (id. 436)). Allgemein zur Wichtigkeit des Sachverständigenbeweises im Rahmen der Aufklärung von Toxic Torts vgl. Green, Causal Relationship, 249 (267) (1962); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (775) (1984); Strand, 33 Stan. L. Rev. 575 (582) (1983); Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (492, 497) (1989); Romerio, Toxische Kausalität, 46, 48, 51 (1996); Goldberg, Causation and Risk, 37 (1999). 348 Zur sog. Vocabulary Uncertainty vieler Juristen bei der hermeneutischen Deutung sachverständiger Wortwahl vgl. Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (23 ff.) (1989); Kästle, Toxische Massenschäden, 31 (1993). 349 Vgl. Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (1989): „As a result, lawyers are driven to select experts from the extremes on the assumption that the jury will guess that the truth lies somewhere between the two.“ (id. 492). 350 Nach der Ansicht von Gold sollte bei toxischer Ursachenunklarheit im Beweisverfahren auf komplizierte Wahrscheinlichkeitsrechnungen zugunsten eines
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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bility anvisierte Zweckoptimum ließe sich mit einer solchen Lösung freilich nicht erreichen. Weder der Rechtsethik noch der rechtlichen Forderung nach einer angemessenen Schadensprävention könnte mit Hilfe eines bloß intuitiv gesteuerten Wahrscheinlichkeitsschätzens hinreichend zielgenau entsprochen werden. Man sollte jedoch nicht resignieren: Die Grundsätze der Proportional Liability mit praktischem Beweis auszufüllen, mag zwar angesichts der angesprochenen Schwierigkeiten und Unsicherheiten bei der Beweisermittlung durchaus mit einiger Beschwer behaftet sein, scheint aber, wie die nun folgenden Ausführungen zeigen werden, doch nicht ganz unmöglich. 2. Die statistische Assoziation epidemiologischer Studien als Ausgangspunkt Notwendigen Ausgangspunkt bei der Ermittlung der (proportionalen) Schädigungswahrscheinlichkeit im Rahmen eines toxischen Massenschadens bildet die epidemiologische Forschung. Die Epidemiologie351 befaßt sich – wie man gemeinhin definiert352 – mit der Verbreitung von Krankheiten in der Bevölkerung sowie den Risikofaktoren, die mit der Verbreitung möglicherweise in Verbindung stehen, beschränkt sich dabei aber nicht nur auf die Auswertung epidemischer Krankheiten, sondern ermittelt und analysiert alle statistisch relevanten Einflußgrößen, die den Gesundheitszustand in der Bevölkerung betreffen. Ihr Ziel ist es, statistische Assoziationen zwischen einzelnen Krankheitsrisiken und der Krankheitsentwicklung in der „intuitive discounting without proof of specific percentages“ (Gold, 96 Yale L. J. 376 (400) (1986)) verzichtet werden. Die damit verbundenen Gefahren von „Jury bias and caprice“ (id. 401) und einer „vagueness of the jury findings“ (id. 401) erkennt Gold freilich selbst. Siehe zur Kritik weiter im Text. Auch ein sog. bewegliches System der Haftungsvoraussetzungen (siehe dazu unter B. IX. 3) käme ohne fundierte Basis einer gefühlsabhängigen Einzelfallentscheidung gleich. 351 Epi (= Über) demos (= Volk) logos (= Lehre) (gr.). 352 Vgl. zur Definition etwa Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 12 (1998); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, VII, 1 (1997); Romerio, Toxische Kausalität, 58 (1996); Goldberg, Causation and Risk, 43 (1999); WHO, Epidemiology of work-related diseases, 8 (1989); Dore, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 429 (431) (1983); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (38) (1984–85); Dore, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 429 (431) (1983). Eine knappe geschichtliche Einführung in die epidemiologische Forschung geben Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 13 ff. (1997). Zu Hilfsmitteln bei der Vorbereitung und Durchführung epidemiologischer Studien vgl. WHO, Epidemiology in Local Health Work, 24 ff., 39 ff. (1982); praktische Beispiele liefern insoweit Claude/Frentzel-Beyme/Eilber, Prospektive epidemiologische Studie bei Vegetariern (1986) und Vagerö, Cancer Epidemiology (1984) (zum Krebsrisiko von Arbeitern in der Elektro- und Telekommunikationsbranche).
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B. Zum Problem der Medical Causation
Bevölkerung ausfindig zu machen, indem sie die ermittelte Krankheitshäufigkeit in der Bevölkerung mit diversen dafür in Betracht kommenden Risikofaktoren in Verbindung setzt und statistisch auswertet. Mit ihren Mitteln, die sogleich zu besprechen sein werden, kann sie etwa allgemein Auskunft geben über einen zahlenmäßigen Zusammenhang zwischen starkem Rauchen oder regelmäßigem Alkoholkonsum und einer gewissen gesteigerten Krebshäufigkeit im Alter, über das relative Lungenkrebsrisiko von Asbestarbeitern oder über eine gegenüber der Allgemeinheit signifikant erhöhte Leukämierate in einer an ein Atomkraftwerk angrenzenden Bevölkerung.353 Unmittelbare kausale Aussagen lassen sich freilich allein mit Hilfe solcher statistischer Assoziationen nicht gewinnen, und zwar weder bezüglich der generell-kausalen Eignung eines bestimmten Risikofaktors für eine bestimmte Erkrankungsart noch geschweige denn bezüglich des individuellen Ursachenherganges des Krankenschicksals eines bestimmten Klägers.354 Die Epidemiologie bleibt im Grundsatz darauf beschränkt, eine Vielzahl gleichgelagerter Einzelfälle nebeneinander zu stellen, auf verbindende und trennende Elemente zu untersuchen und dann anschließend zahlenmäßig dergestalt miteinander zu verknüpfen, daß sich insbesondere Angaben über diverse statistische Risikoerhöhungen ermitteln lassen. Daß epidemiologische Studien im Grundsatz nur statistische Assoziationen und keine unmittelbaren kausalen Aussagen liefern können, sollte aber keinesfalls zu der irrigen Annahme verleiten, sie nun ganz aus dem gerichtlichen Beweisverfahren zu verbannen, wie dies in der Vergangenheit bisweilen in der US-amerikanischen Judikatur geschehen ist.355 Bei der be353
Allgemein zur Epidemiologie verschiedener Krebsarten vgl. Bourke, Epidemiology of Cancer (1983). 354 So der einhellige Tenor in der Wissenschaft; vgl. etwa Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2094) (1988); Feinberg, 24 Hous. L. Rev. 155 (160 f.) (1987); Dore, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 429 (passim) (1983); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (899) (1994); Brennan, 46 Vand. L. Rev. 1 (47) (1993); Hatch, Epidemiology, 15 (1998). 355 So geschehen etwa in In re High, 638 P.2d 818 (Colo. Ct. App. 1981); Garner v. Hecla Mining Co., 431 P.2d 794 (Utah 1967); Amorosco v. Tubular & Cast Products Mfg. Co., 194 N.E.2d 694 (N.Y. 1963); ablehnend nach vorheriger Zulassung (admissibility) etwa auch Heckmann v. The Federal Press Co., 587 F.2d 612 (3rd Cir. 1978); Lartigue v. R.J. Reynolds Tobacco Co., 317 F.2d 19 (5th Cir. 1963); Pritchard v. Ligett & Meyers Tobacco Co., 295 F.2d 292 (3rd Cir. 1961); Mahoney v. United States, 220 F.Supp. 823 (E.D. Tenn. 1963); zu Recht kritisch zu dieser Rechtsprechung Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (passim) (1984); Kästle, Toxische Massenschäden, 102 ff. (1993). Im außertoxischen Bereich, etwa in bezug auf Arbeitnehmerdiskriminierungen, wird ein Tatsachenbeweis mit Hilfe statistischer Beweismittel von den US-amerikanischen Gerichten hingegen unproblematisch schon seit längerem für möglich gehalten; vgl. etwa Large/Michie, 11 Envtl. L. 555 (602 f.) (1981); Cohen, 60 N. Y. U. L. Rev. 385 (387) (1985). Vgl. auch den spektakulären (Strafrechts-)Fall People v. Collins, 439 P.2d 33 (Cal. 1968), wo
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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weismethodischen Umsetzung der Grundsätze der Proportional Liability bilden sie vielmehr eine unverzichtbare statistische Basis, ohne die die weitere Beweisaufklärung zur Ermittlung individueller kausaler Schädigungswahrscheinlichkeiten nicht vollendet werden kann. a) Typen epidemiologischer Studien Die Epidemiologie hat dabei verschiedene Herangehensweisen. Die mit Sicherheit wirksamste und aussagekräftigste Art epidemiologischer Datensammlung bietet die sog. experimentelle Epidemiologie.356 Hiernach werden in einem Experiment gezielte Direktversuche am Menschen vorgenommen, etwa indem einer Gruppe von Teilnehmern eine bestimmte Substanz in den Körper injiziert wird, während einer anderen nur ein wirkungsloses Placebo verabreicht wird, um so in einem Vergleich der beiden Gruppen herauszufinden, ob die erstere Substanz statistisch meßbare Auswirkungen erwarteter oder unerwarteter Art auf den menschlichen Organismus zeitigt. Nach internationalen Standards357 sind solchen gezielten Menschenversuein Täterpaar allein auf Grund statistischer Beweismittel bezüglich ihres Aussehens überführt werden sollte; dazu mit Recht kritisch etwa Cohen, 60 N. Y. U. L. Rev. 385 (388 ff.) (1985); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (772) (1984); Henderson/Pearson, The Torts Process, 133 f. (1988); siehe diesbezüglich entsprechend auch die Kritik in FN 491. Zum Verfahren und den Voraussetzungen der Zulassung von Beweismitteln im US-amerikanischen Zivilprozeß vgl. allgemein etwa McCormick, 67 Iowa L. Rev. 879 (1982); Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1994); Note, 108 Harv. L. Rev. 1481 (1995); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (3 ff.) (1995); Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (1988); Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (494 ff.) (1989); Goldberg, Causation and Risk, 116 ff. (1999); Eggen, Toxic Torts, 270 ff. (2000). 356 Zur experimentellen Epidemiologie vgl. einführend etwa Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (282 f.) (1997). 357 Wegweisend ist hier vor allem die Erklärung von Helsinki aus dem Jahre 1964, die eine detaillierte Auflistung der ethischen Grundsätze experimenteller Epidemiologie enthält, vgl. dazu die Nachweise bei Weddell, Experimentelle Studien, 293 (294 ff.) (1984); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 82 f. (1997); auch im übrigen haben verschiedentlich Organisationen Richtlinien zu ethischen Grenzen experimenteller Forschung veröffentlicht, vgl. etwa die Angaben bei Weddell, Experimentelle Studien, 293 (294 ff.) (1984); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 82 f. (1997); allgemein zur Notwendigkeit ethischer Grenzen im Rahmen epidemiologischer Forschung Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2089) (1988); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (838) (1988); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (236 ff.) (1984); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (756) (1984); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (648) (1992); Eggen, 60 Fordham L. Rev. 843 (853) (1992); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 3, 57 (1997); Elwood, Causal Relationship, 8 (1992); Hatch, Epidemiology, 175 ff. (1998); Sackett/Haynes/ Guyatt/Tugwell, Clinical Epidemiology, 286 (1985); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 68 ff. (1997); Romerio, Toxische Kausalität, (62) (1996); Lungers-
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B. Zum Problem der Medical Causation
chen jedoch mit Recht strenge ethische Grenzen gezogen, hält man sich nur das unendliche Leid und die menschliche Tragik vor Augen, die die Schrekkensforschung des Dr. anthropol.(!) Dr. med. Josef Mengele im Vernichtungslager Auschwitz verursacht hat. Für ethisch vertretbar hält man direkte Tests am Menschen eigentlich nur im Rahmen der Erforschung risikomindernder Faktoren,358 nicht aber auch bei der Untersuchung toxischer Substanzen und möglicher sonstiger schädlicher Risikofaktoren. Zur Wahrscheinlichkeitsermittlung im Rahmen toxischer Massenschäden ist man somit auf einen Zweig der Epidemiologie angewiesen, der sich auf die bloße – ethisch neutrale – Beobachtung von diversen Krankheitsverläufen und damit eventuell in Verbindung stehenden Risikoeinwirkungen beschränkt (sog. beobachtende Epidemiologie).359 Die beobachtende Epidemiologie kennt dabei zu Forschungszwecken, je nach Beobachtungsrichtung, insbesondere folgende Studientypen: Prospektive Kohortenstudien [s. u. aa) u. bb)], die von einer Risikoeinwirkung ausgehend nach gewissen (künftigen) Krankheitsentwicklungen Ausschau halten, retrospektive FallKontroll-Studien [s. u. cc)], die von einem gegenwärtigen Krankenstand rückblickend nach damit möglicherweise assoziierten (vergangenen) Risikoeinwirkungen suchen, sowie sog. Querschnittsstudien [s. u. dd)], die, ohne prospektive oder retrospektive Elemente zu enthalten und eventuelle Latenzzeiten zwischen Risikoeinwirkung und Krankheitsausbildung berücksichtigen zu wollen, lediglich eine Art Momentaufnahme von der aktuellen Risiko- und Krankheitssituation in der Bevölkerung schnappschießen. In der folgenden Betrachtung werden zunächst diese Studientypen im einzelnen dargestellt und bewertet, anschließend wird auf mögliche Störgrößen bei der Studiendurchführung [sog. Biases und Konfounder; s. u. b)] sowie auf denkbare Wege zu ihrer Vermeidung oder nachträglichen Beseitigung hingewiesen, sowie abschließend kurz eine gängige statistische Methode zur aussage- und damit beweiskräftigenden Kombination mehrerer vorhandener epidemiologischer Studien vorgestellt [s. u. c)].
hausen, Unbekannte Klägerfälle, 5 (1993); zur geschichtlichen Entwicklung ethischer Grundsätze für die biomedizinische Forschung Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 24, 649 ff. (1994). 358 Beispiel: Testpersonen erproben nach zahlreichen Voruntersuchungen zum ersten Mal Medikamente am Menschen, vgl. hierzu Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (756) (1984); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 651 ff. (1994). Oder: In die Wasserversorgung der Bevölkerung werden Fluoride beigemischt, um Karies einzudämmen, vgl. zu diesem Experiment Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (756) (1984) sowie die Ausführungen unter A. I. (bei FN 46). Im übrigen vgl. etwa Lazar, Experimental Epidemiology, 283 (1986); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (282 f.) (1997). 359 Siehe insbesondere die Nachweise in FN 360.
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
123
aa) Prospektive Kohortenstudien360 Prospektive Kohortenstudien unterscheiden sich von der experimentellen Epidemiologie grundsätzlich nur dadurch, daß man zum Zwecke ihrer Durchführung auf jede gezielte Risikoeinwirkung ihrer Studienteilnehmer verzichtet und stattdessen auf bereits bestehende Risikostände in der Gesellschaft zurückgreift. Beispielsweise werden über Fragebögen, diverse Verkaufs- oder Verbraucherstatistiken361 oder Datensammlungen von Krankenkassen oder Krankenhäusern362 gewisse Risikogruppen (wie etwa Raucher, Alkoholkonsumenten, Asbestarbeiter, Handybenutzer etc.) ermittelt, deren Teilnehmer dann mit Blick auf ihre künftige gesundheitliche Entwicklung 360 Aus der reichhaltigen Literatur zur Epidemiologie vgl. zur Vorgehensweise insbesondere Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 47 (1998); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 62 (1994); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 54 (1985); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 63 ff. (1997); Elwood, Causal Relationship, 12 ff. (1992); Hatch, Epidemiology, 77 ff. (1998); WHO, Epidemiology of work-related diseases, 15 (1989); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (282 f.) (1997); Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 32 ff. (1992); auch Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (756 ff.) (1984); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2090 f.) (1988); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (623 f.) (1992); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (46) (1984–85). Synonym zum Begriff der prospektiven Kohortenstudie werden etwa auch die Begriffe Longitudinal- oder Follow-Up-Studie verwendet, vgl. etwa Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 63 ff. (1997). 361 Mit Hilfe von Verkaufs- oder Verbraucherstatistiken werden parallel zu prospektiven Kohortenstudien häufig auch sog. Secular Trend Studies (= Time Series Data; vgl. Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (24 FN 122) (1993)) erstellt; vgl. Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1408) (1994); dens., 46 Stan. L. Rev. 1 (24 f.) (1993); ferner Becker, Epidemiologische Auswertung, 16 f., 30 ff. (1983). Hier versucht man aus einer langjährigen Beobachtung der Verkaufs- oder Verschreibungsmenge eines Toxikums Rückschlüsse auf gewisse Häufigkeitsschwankungen bestimmter in der Bevölkerung auftretender Krankheiten zu ziehen. Der Begriff wurde erstmals in Bendectin-Verfahren verwendet; vgl. die Nachweise in FN 70 u. 71 sowie bei Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (28 ff.) (1993) (ausführliche beweismittelrechtliche Analyse von sechs Bendectin-Verfahren). Mit Hilfe solcher Trendstudien war es den Beklagten dort überwiegend gelungen, die gegenläufige ätiologische Wirkung der Bendectin-Exposition in Tier- und In-vitro Versuchen (dazu Romerio, Toxische Kausalität, 110 (1996)) wieder zu entkräften: Weder während der Verschreibungswelle in den 1970ern noch nach dem massiven Verkaufsrückgang Anfang der 1980er gab es signifikante Veränderungen bei der Zahl mißgebildeter Säuglinge; vgl. Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1408) (1994); dens., 46 Stan. L. Rev. 1 (24 f.) (1993). 362 Als weitere mögliche Datenquellen kommen etwa bereits vorhandene Mortalitäts- und Morbiditätsstatistiken, öffentliche Krebsregister oder Datensammlungen für meldepflichtige Krankheiten in Betracht, vgl. Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 21 ff. (1997); zum Krebsregister und zur amtlichen Mortalitätsstatistik in Deutschland vgl. Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (267 ff.) (1997). Mortalitätsdaten werden auch zentral bei der WHO in Genf gesammelt; vgl. Becker, Epidemiologische Auswertung, 4 (1983).
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B. Zum Problem der Medical Causation
mit solchen Personen verglichen werden, die die fraglichen Risikomerkmale nicht aufweisen. Wichtige Grundbedingung zu Studienbeginn ist, daß sämtliche Studienteilnehmer beider Gruppen (sog. Kohorten363) noch ohne Krankheit sind. Die weitere Aufgabe besteht nun darin, in der Folgezeit (prospektiv) zu beobachten, welche der Studienteilnehmer im Laufe der angesetzten Studiendauer, die regelmäßig der für den jeweiligen Risikofaktor veranschlagten Latenzzeit entspricht, auf die eine oder andere Art erkrankt sind, um dann abschließend feststellen zu können, in welchem Verhältnis sich das Erkrankungsrisiko364 (für die jeweilige Krankheit) in der risikoexponierten Kohorte gegenüber demjenigen in der nichtexponierten Kohorte erhöht hat. Den so ermittelten Risikowert bezeichnet man als relatives Risiko. Er zeigt an, wie stark die statistische Assoziation zwischen Risikofaktor und Krankheit ausfällt, um welchen Faktor also das Erkrankungsrisiko der exponierten Studienteilnehmer gegenüber dem Erkrankungsrisiko der nichtexponierten Studienteilnehmer wahrscheinlicher geworden ist. Das relative Risiko bestimmt sich arithmetisch mithin dadurch, daß man das Erkrankungsrisiko beider Kohorten ins Verhältnis setzt:365
363 Der Begriff der Kohorte entstammt dem römischen Militärwesen. Die Kohorten entsprachen dort den verschiedenen Geburtenjahrgängen, die gemeinsam durch die Zeit und über die Schlachtfelder zogen und damit den nämlichen Risiken bis zur Auflösung der Kohorte durch Dienstende oder Tod ausgesetzt waren; vgl. zur Erläuterung Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 52 (1985). 364 Entsprechendes gilt für das Mortalitätsrisiko. Im folgenden wird der Einfachheit halber nur das Erkrankungsrisiko besprochen. 365 Vgl. etwa Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 48 (1998); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 39 ff. (1985); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 47 f. (1997); Elwood, Causal Relationship, 27 f. (1992); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 147 (1999); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 31 f. (1994); auch Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (624) (1992); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (42 f.) (1984–85); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (840) (1988); Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (23) (1993); dens., 43 Hastings L. J. 301 (326 ff.) (1992); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (758) (1984); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (647) (1992); Romerio, Toxische Kausalität, 75 f. (1996).
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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Tabelle 1 Neuerkrankungen
Keine Erkrankung
Insgesamt
Erkrankungsrisiko
Exponiert
a
(b)
X1
a/X1366
Nicht exponiert
c
(d)
X2
c/X2366
(Y1)
(Y2)
(Z)
(P)367
Insgesamt
Relatives Risiko ÈRRê ã Èa=X1 ê=Èc=X2 ê ã Èa X2 ê=Èc X1 ê
Das relative Risiko bringt lediglich einen Wahrscheinlichkeitsfaktor zum Ausdruck. Um die statistische Schädigungswahrscheinlichkeit des jeweiligen Risikofaktors in prozentualem Umfang angeben zu können, um also sagen zu können, um wie viele Prozentpunkte die Erkrankung für den einzelnen Risikobetroffenen infolge der Risikoexposition aus statistischer Sicht wahrscheinlicher geworden ist, bedarf es der Berechnung des sog. attributiven Risikos.368 Das attributive Risiko errechnet sich dadurch, daß man das Erkrankungsrisiko der Nichtexponierten vom Erkrankungsrisiko der Exponierten subtrahiert und mit dem prozentualen Hundert multipliziert:369 366 a=X und c=X bezeichnen die Neuerkrankungs- oder Inzidenzrate innerhalb 1 2 der jeweiligen Kohorte, häufig ungenau auch nur Inzidenz genannt; vgl. allg., auch zur sog. kumulativen Inzidenzrate, etwa Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (264 ff.) (1997); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 33 ff. (1997); Selvin, Statistical Analysis, 7 ff. (1991); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 29 (1994); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 11 (1997); Menotti, Inzidenzstudien, 180 (1984); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 104 (1999). 367 P bezeichnet die sog. Prävalenzrate. Die Prävalenzrate verzichtet auf das Unterscheidungsmerkmal der Exposition und fragt schlicht nach dem relativen Anteil der Erkrankungen in der Gesamtbevölkerung. Für die Frage nach der Stärke der statistischen Assoziation ist dieser Wert, wie auch alle übrigen in Klammer gesetzten Werte, ohne Bedeutung. Vgl. dazu etwa Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (264 ff.) (1997); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 31 ff. (1997); Selvin, Statistical Analysis, 7 ff. (1991); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 21, 26 (1998); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 29 (1994); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 10 (1997); Thiele/Enderlein, Cross-sectional studies, 135 (1986); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 104 (1999). 368 In der US-amerikanischen Dogmatik auch teilweise als „excess risk“ bezeichnet; so etwa bei Rosenberg, 24 Hous. L. Rev. 183 (191) (1987); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (939) (1986). 369 Siehe die Nachweise in FN 365.
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B. Zum Problem der Medical Causation
Attributives Risiko ÈARê ã Èa=X1 c=X2 ê 100 ã ÈRR 1ê=RR 100 Èin %ê
Falls die Exposition keinerlei Einfluß hatte, ist RR ã 1 ÈAR ã 0 %ê. Die Exposition wirkt schädlich bei RR > 1 ÈAR > 0 %ê und schadenspräventiv, also gesundheitsfördernd bei RR < 1 ÈAR < 0 %, d.h. Risikoverminderungê. Bei sehr hohem relativem (attributivem) Risiko, etwa RR ã 250 (AR ã 99,6%), spricht man bezüglich der Krankheit auch von einer signature disease.370 In einem solchen Fall ist die statistische Assoziation zwischen dem Risikofaktor und der ausgebrochenen Krankheit so stark, daß der Risikofaktor hier gleichsam seine Unterschrift bzw. seinen Fingerabdruck auf den Krankheitssymptomen hinterlassen hat. Aus haftungsrechtlicher Sicht dürften in diesem Fall wohl keine ernsthaften Bedenken dagegen vorgebracht werden können, einem nachgerade Erkrankten, trotz des noch verbliebenen statistischen (Un-)Wahrscheinlichkeitsrestes, einen Vollhaftungsanspruch zukommen zu lassen. In allen übrigen Fällen bildet die Höhe des relativen (attributiven) Risikos zumindest ein verhältnismäßig aussagekräftiges Kriterium im Rahmen des weiteren Vorgehens bei der Bestimmung des Umfanges der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit des jeweiligen Risikofaktors.371 Das relative (attributive) Risiko bringt allerdings jeweils nur einen Punktwert zum Ausdruck, der sich lediglich auf die für die jeweilige Studie ausgewählten Studienpopulationen bezieht, der aber mit dem Wert in der zu erforschenden Gesamtbevölkerung oder -risikogruppe nicht übereinstimmen muß. Bei mehrmaliger Durchführung der Studie mit verschiedenen Teilnehmern werden die ausermittelten Werte des relativen (attributiven) Risikos vielmehr in gewissem Maße voneinander abweichen, insbesondere weil 370 Bekannte Beispiele für signature diseases sind etwa die Asbestkrankheiten Asbestosis und Mesothelioma (dazu etwa Selikoff/Lee, Asbestos and Disease (1978); Treiger, 20 Harv. J. Leg. 179 (181 f.) (1983) (auch krankengeschichtliche Aspekte); Miller, Asbestos, 13 (15, 18) (1981); Vagley/Blanton, 16 FORUM 636 (638) (1980); Mulcahy, 11 HOFSTRA L. Rev. 1299 (1303) (1983); Dewees, 15 J. Leg. Stud. 289 (301) (1986); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (579, 717 f.) (1983); Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 91 ff. (1986); Ohmann, Market Share Liability, 264 (1986); Kästle, Toxische Massenschäden, 12 ff. (1993) (insoweit auch Zahlen zur Statistik)), das durch DES ausgelöste clear cell adenocarcinoma (dazu in den FN 124, 125, 127, 389), das vom Essenszusatz L-Tryptophan herrührende Eosinophilia-Myalgia Syndrom (EMS) (dazu Hensler/Peterson, 59 Brooklyn L. Rev. 961 (999 ff.) (1993)) sowie die durch Contergan entstandenen Mißbildungen bei Neugeborenen (dazu ausführlich in FN 446, auch 250). Der Begriff der signature disease entstammt juristischer Feder und findet in der medizinischen Fachwelt bis heute kaum Verwendung; vgl. Brennan, 46 Vand. L. Rev. 1 (14) (1993). Weitere Beispiele für signature diseases bei Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (10 f.) (1989); Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1252) (1987); Epstein, Torts, 255 (1999); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 78 (1993). 371 Siehe dazu im einzelnen unter B. VII. 6.
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
127
nicht alle Risikoexponenten entsprechend auf den jeweiligen Risikofaktor anschlagen und sich manche etwa als körperlich widerstandsfähiger erweisen werden als andere. Derartige Risikoschwankungen bei mehrmaliger Studiendurchführung mit jeweils verschiedenen Teilnehmern bezeichnet man – in Abgrenzung zu den noch unter b) zu besprechenden systematischen Fehlern (Bias und Konfounder) – als zufällige Fehler (random sampling errors),372 die man nur dadurch ausschließen könnte, daß man sämtliche Mitglieder der jeweiligen Gesamtrisikogruppe (also etwa alle existierenden Raucher, Alkoholkonsumenten, Asbestarbeiter, Handybenutzer etc.) in die Studie einbezieht. Da dies aus finanziellen oder organisatorischen Gründen in aller Regel nicht möglich ist, muß man sich bei der Studiendurchführung notgedrungen mit einer bloßen Stichprobe begnügen. Mit Hilfe mathematischer Wahrscheinlichkeitsrechnung ist es jedoch möglich, aus dem relativen (attributiven) Risiko einer einzelnen Stichprobe die (bei gedachter Mehrfachdurchführung einer solchen (Stichproben-)Kohortenstudie mit jeweils verschiedenen Teilnehmern auftretenden) Risikoschwankungen zu errechnen, also zu bestimmen, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Wert des relativen (attributiven) Risikos einer einzelnen – gedachten oder tatsächlich durchgeführten – (Stichproben-)Kohortenstudie dem wahren Wert des relativen (attributiven) Risikos in der zugehörigen gesamten Risikogruppe entspricht. In der Epidemiologie nimmt man an, daß sich die Wahrscheinlichkeitswerte für eine solche Risikoentsprechung auf einer Wahrscheinlichkeitsfunktion näherungsweise373 im Sinne einer Gaußschen Normalverteilung (sog. Gaußsche Glockenkurve; siehe nachstehendes Diagramm)374 verteilen würden. In einem zugehörigen Koordinaten372 Vgl. etwa Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 15 ff. (1992); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 61 f., 142 (1997); Beaglehole/Bonita/ Kiellström, Epidemiologie, 73 f. (1997); auch Romerio, Toxische Kausalität, 70 ff. (1996); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (651) (1992). Eine (relativ) genaue Berechnung der Zufallsschwankungen ist freilich nur möglich, wenn die Studie (weitgehend) frei von den genannten systematischen Fehlern (Biases und Konfoundern) [siehe unter B. VII. 2. b)] ist, da andernfalls bereits die studieninternen Punktwerte (Berechnungsgrundlage) verzerrt wären. 373 Die Gaußsche Normalverteilung gilt an sich ausschließlich für den Fall einer rein mathematischen Zufallsschwankung (Münzwurf, Wurf eines idealen Würfels usw.) (vgl. dazu Bosch, Elementare Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung, 132 ff. (1986)), nicht auch bei empirischen Verteilungen von Krankheitsursachen. Hier beeinflussen insbesondere die biologischen Unterschiede der einzelnen Studienteilnehmer die ermittelten Risikowerte noch zusätzlich. Trotzdem kann die Normalverteilung dem Epidemiologen zumindest gute Näherungswerte liefern und wird deshalb auch in der epidemiologischen Forschung weitgehend zugrunde gelegt, vgl. Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 44 ff., 278 f. (1999). 374 Zur Gaußschen Normalverteilung, auch aus dem Blickwinkel der Epidemiologie, vgl. etwa Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 96 ff. (1997);
128
B. Zum Problem der Medical Causation
system brächte die x-Achse dabei den Umfang des relativen (attributiven) Risikos zum Ausdruck, die y-Achse die Wahrscheinlichkeit seiner Übereinstimmung mit dem wahren Risikowert für die gesamte Risikogruppe. Da bei Zugrundelegung einer solchen Funktion die einzelnen Risikowerte auf beiden Seiten der Kurve gegen y ã 0 gehen, muß sich die Statistik allerdings notgedrungen, um sich nicht selbst jeder vernünftigen Risikoaussage zu berauben, mit der Angabe von Werten begnügen, die nur einen bestimmten Abschnitt der Verteilungsfunktion abdecken. In der Epidemiologie beschränkt man sich bei der Risikomitteilung üblicherweise auf die Angabe eines (Vertrauens-)Abschnitts an Werten, der mit 95%iger Wahrscheinlichkeit375 den wahren Wert des relativen (attributiven) Risikos erfaßt, bei dem man also mit 95%iger Sicherheit darauf vertrauen kann, daß einer der darauf abgebildeten Risikowerte dem wahren Risikowert entspricht. Dieses sog. Konfidenzintervall376 zwischen dem höchsten und dem niedrigsten der erfaßten Risikowerte ist um so enger, je größer die Teilnehmerzahl an der Studie ausfällt und je spitzer dementsprechend auch die Kurve verläuft.377 Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 90 f. (1997); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 44 ff., 278 f. (1999); zu anderen möglichen Formen stochastischer Binominalverteilung vgl. Bosch, Elementare Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung, 129 ff. (1986). 375 Auf diesen Wahrscheinlichkeitswert hat sich die Statistik inzwischen aus Konventionsgründen geeinigt. Nur in 5% aller Fälle wird die statistische Signifikanz also fälschlicherweise bejaht (sog. Fehler 1. Art). Wird sie fälschlicherweise verneint, so spricht man von einem Fehler 2. Art; zur prozentualumfänglichen Berechnung dieses Fehlertyps vgl. etwa Cohen, 60 N. Y. U. L. Rev. 385 (410 ff.) (1985) mwN. Ein Fehler 2. Art (fälschliche Nichthaftung) wird von der Rechtsgemeinschaft in aller Regel leichter hingenommen als ein Fehler 1. Art (fälschliche Haftung); in diesem Sinne etwa Cohen, 60 N. Y. U. L. Rev. 385 (412, 413 ff.) (1985). Vgl. im übrigen auch Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1399 f.) (1994); Romerio, Toxische Kausalität, 70 ff. (1996); Hatch, Epidemiology, 44 (1998). 376 Zur Notwendigkeit und zur Berechnung eines Konfidenzintervalls vgl. etwa Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 106, 109 ff., 195 ff. (1997); Elwood, Causal Relationship, 137 ff., 143, 268 ff. (1992); Hatch, Epidemiology, 125 ff., 135 (1998); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 92 ff. (1997); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 36 (1998); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 62 (1994); Sackett/Haynes/Guyatt/Tugwell, Clinical Epidemiology, 218 (1985); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 76, 279 (1999); auch Cohen, 60 N. Y. U. L. Rev. 385 (398 ff.) (1985); Kaye, 73 Corn. L. Rev. 54 (58 ff.) (1987) (dazu Cohen, 73 Corn. L. Rev. 78 (1987)). Allgemein zum beweisrechtlichen Umgang mit doppelten (hintereinander geschalteten) Wahrscheinlichkeitsprognosen Page, 46 Law & Contemp. Probs. 267 (passim) (1983); vgl. im übrigen auch Birmingham/Dunham, 31 St. Louis U. L. J. 797 (812) (1987). 377 Daß man das Konfidenzintervall nicht enger als 95% wählen sollte, zeigen etwa die Meinungsumfragen unmittelbar vor der Wahl des 43. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahre 2000. Meinungsumfragen werden in den USA in der heißen Phase eines Wahlkampfes im allgemeinen täglich geführt und
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
129
Eine zunehmende Teilnehmerzahl ist mithin in der Lage, die Aussagekraft einer Studie zu erhöhen.378 Eng mit dem Konfidenzintervall verbunden ist die sog. statistische Signifikanz.379 In der Statistik gilt die Risikoaussage eines Stichprobentests dann als statistisch signifikant, wenn der niedrigste vom Konfidenzintervall erfaßte Wert des relativen (attributiven) Risikos > 1,0 (> 0%) ist, mithin der studierte Risikofaktor mit 95%iger Wahrscheinlichkeit, d.h. in für die Statistik hinreichend signifikanter Weise, zu einer Risikoerhöhung innerhalb der gesamten Risikogruppe geführt haben muß. Schlösse das ausermittelte Konfidenzintervall hingegen den Wert 1,0 (0%) mit ein, so fehlte es einer entsprechenden Risikoaussage an statistischer Signifikanz. Eine verläßliche Aussage über die Frage der Risikoerhöhung könnte dann allein mit Hilfe einer solchen Studie nicht getroffen werden. Für unsere weiteren beweismethodischen Bemühungen bei der Aufklärung (proportionaler) kausaler Wahrscheinlichkeiten bedeutet dies, daß man sich, trotz einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch der anderen Werte, grundsätzlich am niedrigsten Risikowert innerhalb des Konfidenzintervalls (im folgenden: Konfidenzwert) zu orientieren hat. Dies ist dabei allerdings kein Resultat sachgerechter Beweislastverteilung – wie Makdisi380 anmüssen sich demzufolge aus Zeitgründen in der Regel mit einer relativ geringen Befragtenzahl begnügen (etwa 600–1.000 pro Umfrage), was zur Folge hat, daß bei der Prognose ein relativ großer random sampling error von +/– 5% einkalkuliert werden muß. Im Wahlkampf führte der Präsidentschaftskandidat der Republikaner George W. Bush bis zum Wahltag die täglichen Umfragen der verschiedenen USamerikanischen Networks und Meinungsforschungsinstitute mit etwa 3%–5% Vorsprung vor seinem demokratischen Kontrahenten Al Gore an. Am Wahltag selbst konnte Al Gore jedoch knapp die Mehrheit der Stimmen auf sich vereinen, was viele verwunderte, nach der Gestaltung der Umfragen aber durchaus im Bereich des Normalen lag. 378 Vgl. etwa Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 60 (1998); Beaglehole/ Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 73 f. (1997); ein praktisches Anschauungsbeispiel mag die von Claude/Frentzel-Beyme/Eilber (Prospektive epidemiologische Studie bei Vegetariern (1986)) durchgeführte Studie zur Krebshäufigkeit bei Vegetariern liefern, bei der das errechnete Konfidenzintervall auf Grund der (aus finanziellen Gründen) relativ geringen Zahl beobachteter Teilnehmer verhältnismäßig breit ausfällt (id. 40). Bezeichnend in diesem Zusammenhang auch die Feststellung T. H. Huxleys aus dem Jahre 1869: „Mathematics may be compared to a mill of exquisite workmanship, which grinds you stuff of any degree of fineness; but, nevertheless, what you get out depends on what you put in; and as the grandest mill in the world will not extract wheat-flour from peascod, so pages of formulae will not get a definite result out of loose data“ (Geological Reform (1869) (zitiert bei Bourke, Epidemiology of Cancer, 58 (1983))). 379 Siehe dazu die Nachweise in FN 376. 380 67 N. C. L. Rev. 1063 (1096) (1989).
130
B. Zum Problem der Medical Causation
y
Diagramm: Gaußsche Glockenkurve
95%
2,5% 2,5%
2,5% 2,5%
xx Konfidenzintervall
Schaubild 2
nimmt –, sondern ergibt sich schlicht aus der Tatsache, daß der zu Rate gezogenen Statistik weitergehend nicht vertraut werden kann. Der große Vorteil prospektiver Kohortenstudien besteht darin, daß man damit – im Gegensatz zu den unter cc) zu besprechenden Fall-Kontroll-Studien – das relative (attributive) Risiko direkt berechnen kann.381 Das Studiendesign folgt der natürlichen Abfolge von Ursache und Wirkung und bietet damit sowohl für das betroffene Risikokollektiv als auch für den einzelnen Probanden ein hohes Maß an informationeller Nachvollziehbarkeit der gefundenen Ergebnisse.382 Im Unterschied zu Fall-Kontroll-Studien ist es insbesondere auch möglich, den einzelnen Risikofaktor mit der Entste381
Vgl. etwa Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 67 (1997); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (293) (1997); Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 32 ff. (1992); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 143 (1999); auch Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (756 ff.) (1984); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2090 f.) (1988); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (46) (1984–85). 382 Vgl. etwa Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 32 ff. (1992); FrentzelBeyme, Epidemiologie, 54 (1985); Elwood, Causal Relationship, 23 (1992); Hatch,
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
131
hung verschiedenster Krankheiten in Verbindung zu bringen und ihn so umfassend in seiner ganzen Schädigungsdifferenziertheit zu analysieren.383 Nachteilig wirkt sich vor allem aus, daß, um eine hinreichende Aussagekraft der Studie zu gewinnen, nicht zuletzt auch im Hinblick auf die Erforschung selten auftretender Krankheiten, die Beiziehung einer verhältnismäßig großen Zahl an Studienteilnehmern erforderlich ist.384 Abgesehen von den damit verbundenen organisatorischen Schwierigkeiten stellt dies die Beteiligten nicht selten vor die schwierige Aufgabe abzuwägen, wie viele Finanzmittel sie zur Durchführung der Studie und einer (dementsprechenden) Verengung des Konfidenzintervalls notwendiger- und vernünftigerweise einsetzen, welche Qualität des Beweismittels sie sich also letztlich mit ihrem Geld leisten sollten.385 Zudem liegt zwischen der Exposition und dem Ausbruch der jeweiligen Krankheit eine mitunter mehrjahrzehntelange Latenzzeit, die die Studiendauer auf bis zu 40 Jahre oder länger ausdehnen kann. Schnelle Ergebnisse für einen laufenden Prozeß sind somit kaum zu gewärtigen.386 bb) Kohortenstudien mit zurückversetztem Anfangspunkt387 Zumindest dem letzten Problem versucht man dadurch zu entgehen, daß man den Ausgangspunkt der Vergleichsprüfung in die Vergangenheit verlegt Epidemiology, 83 (1998); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (293) (1997); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 143 (1999). 383 Vgl. etwa Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 32 ff. (1992); FrentzelBeyme, Epidemiologie, 54 (1985); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 67 (1997); Elwood, Causal Relationship, 23 (1992); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (293) (1997); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 143 (1999); dort jeweils auch zu weiteren Vorteilen dieses Studientyps. 384 Vgl. etwa Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 32 ff. (1992); Elwood, Causal Relationship, 18, 23 (1992); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 67 f. (1997); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 54 (1985); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 22 f., 83 (1998); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 143 (1999); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (293) (1997); auch Black/ Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (756 ff.) (1984); Applegate, 91 Colum. L. Rev. 261 (285 f.) (1991); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (623 f.) (1992); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2090 f.) (1988); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (46) (1984–85); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (898) (1994); Romerio, Toxische Kausalität, 64 (1996). 385 Im Rahmen des Notwendigen und Vernünftigen trifft die Finanzierungslast dieser Kosten grundsätzlich den Risikoerzeuger; siehe unter B. IX. 4. 386 Zu diesen und weiteren Nachteilen siehe die Nachweise in FN 384. 387 Im Englischen in der Regel als nonconcurrent oder historical prospective study bezeichnet; vgl. zur Begriffswahl insbesondere McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (46) (1984–85); im übrigen vornehmlich Higginson/Muir/Munoz,
132
B. Zum Problem der Medical Causation
und von da ab prospektiv im Sinne einer Kohortenstudie forscht. Schwierig bleibt freilich, umfassende Datensammlungen zu finden, die die gesamte Krankenentwicklung in den Studienpopulationen für den vergangenen Zeitraum vollständig abdecken.388 Überdies besteht die Gefahr von Biases, wenn die gefundenen Daten unvollständig oder fehlerhaft sind. Sofern man Derartiges aber ausschließen kann, bleibt eine Zurückverlegung des Anfangspunktes der Kohortenuntersuchung sinnvoll. cc) Fall-Kontroll-Studien389 Fall-Kontroll-Studien gehen bei der Risikoprüfung den genau entgegengesetzten Weg. Es werden zwei Gruppen gebildet, von denen die Mitglieder der einen Gruppe, die sog. Fälle, die fragliche Krankheit aufweisen, die bei den Mitgliedern der anderen Gruppen, den sog. Kontrollen, nicht vorhanden ist. Alle Studienteilnehmer werden dann (retrospektiv) dahingehend befragt, ob und inwieweit sie in der Vergangenheit möglichen Risikofaktoren ausgesetzt waren. Ergibt sich dabei etwa, daß die Fälle vormals in verstärktem Maße einem bestimmten Risikofaktor exponiert waren als die Kontrollen, Human Cancer, 32 ff. (1992); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 52 f. (1985); Romerio, Toxische Kausalität, 64 (1996). 388 Vgl. insbesondere Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 32 ff. (1992). Zu möglichen Datenquellen siehe unter B. VII. 2. a) aa) sowie in FN 362. 389 Aus der reichhaltigen Literatur zur Epidemiologie vgl. insbesondere Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 68 ff. (1997); Elwood, Causal Relationship, 12 f. (1992); Hatch, Epidemiology, 83 ff. (1998); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 54 (1994); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 51 (1985); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (282 f.) (1997); auch Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (326 ff.) (1992); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (759 f.) (1984); Romerio, Toxische Kausalität, 62 f. (1996); Goldberg, Causation and Risk, 44 f. (1999); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (838 f.) (1988); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (622 f.) (1992); Dore, 28 How. L. J. 677 (680 f.) (1985). Synonym zum Begriff der Fall-Kontroll-Studie wird mit Blick auf die Beobachtungsrichtung häufig auch schlicht der Begriff der retrospektiven Studie verwendet; in diesem Sinne etwa Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (759 f.) (1984). Im Anschluß an eine Kohortenstudie wird regelmäßig zur Absicherung der erzielten Ergebnisse noch eine sog. eingebettete Fall-Kontroll-Studie (nested case-control study) durchgeführt. Die Ergebnisse der prospektiven Studie werden dann sozusagen noch einmal retrospektiv überprüft. Vgl. dazu etwa Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 68 (1994); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 62, 66 (1997). Eng verwandt mit Fall-Kontroll-Studien sind die sog. Cluster Analyses: Dort versucht man, aus einer Bündelung seltener Krankheitsfälle Rückschlüsse auf die Exposition mit einer bestimmten Substanz zu ziehen. Auf diese Weise war etwa ein Zusammenhang zwischen DES und dem clear cell adenocarcinoma (siehe dazu in den FN 124, 125, 127, 370) entdeckt worden; vgl. Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (21) (1989).
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
133
so läßt dies den Schluß zu, daß die aufgetretene Krankheit in gewissem Maße gerade mit diesem Risikofaktor statistisch assoziiert ist. Der entgegengesetzte Weg der Untersuchung hat allerdings den Nachteil, daß man auf diese Weise das relative Risiko nicht direkt bestimmen kann, da man die unmittelbaren Auswirkungen einer Exposition nicht kennt.390 Möglich bleibt aber die Bestimmung einer sog. Odds Ratio,391 mit deren Hilfe man das relative Risiko zumindest näherungsweise schätzen kann. Die Odds bezeichnen die relative Chance, daß ein bestimmtes Ereignis eintritt, in unserem Fall also, daß gerade ein Fall bzw. gerade eine Kontrolle dem fraglichen Risikofaktor ausgesetzt bzw. nicht ausgesetzt war. Arithmetisch bestimmt sich die Odds Ratio dadurch, daß man beide Odds ins Verhältnis setzt:392
390
Eine entsprechende Gesamtsumme an Exponierten bzw. Nichtexponierten (a þ b bzw. c þ d ) ergäbe bei (gedachter) prospektiver Studienanordnung nicht eine entsprechend große, sondern regelmäßig sehr viel geringere Zahl an Neuerkrankungen (Fällen), so daß sich die Formel zum relativen Risiko nicht eröffnet; vgl. etwa Elwood, Causal Relationship, 32 f. (1992); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2091 f.) (1988); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (759) (1984); Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 29 ff. (1992); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (294) (1997); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 87 (1998); jeweils mit Zahlenbeispielen zur Erläuterung. 391 Der Begriff der Odds Ratio (wörtlich übersetzt: Chancenverhältnis) wurde von der deutschsprachigen Literatur durchweg übernommen (etwa von Kreienbrock/ Schach, Epidemiologische Methoden, 49 ff., 72 (1997); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (278 ff.) (1997); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 89 f. (1998)) und wird deshalb auch im folgenden beibehalten. 392 Vgl. zur Berechnung insbesondere Elwood, Causal Relationship, 27 f., 33 ff. (1992); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (326 ff.) (1992); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (759) (1984) sowie die Nachweise in FN 391. Eine (bloße) Odds Ratio kann man freilich auch aus den Studienwerten einer Kohortenstudie errechnen, da die entsprechenden Rechengrößen (a, b, c und d ) auch insoweit vorhanden sind; siehe die Tabelle unter B. VII. 2. a) aa). Dies kann insbesondere deshalb sinnvoll und erforderlich sein, um zusammen mit den (ausschließlichen) Daten einer einzigen Fall-Kontroll-Studie eine sog. gemeinsames Odds Ratio [siehe unter B. VII. 2. c)] berechnen zu können; vgl. insbesondere Pigeot-Kübler, Gemeinsames Odds Ratio (1989).
134
B. Zum Problem der Medical Causation Tabelle 2 Fälle
Kontrollen
Odds
Exponiert
a
b
a/b
Nicht exponiert
c
d
c/d
Odds Ratio ÈORê ã Èa=bê=Èc=dê ã Èa dê=Èc bê
Die Odds Ratio nähert sich dem relativen Risiko um so mehr an, je seltener die betreffende Krankheit ist, da dann das Erkrankungsrisiko den Odds weitgehend entspricht.393 Die ins Verhältnis gesetzten Nichterkrankungen (Kontrollen) hätten dann bei (gedachter) prospektiver Studienanordnung fast denselben Umfang wie die Gesamtteilnehmer einer ganzen Kohorte. Im übrigen gelten für die Odds Ratio die unter aa) gemachten Ausführungen zum relativen (attributiven) Risiko, zur Gaußschen Normalverteilung, zum Konfidenzintervall und zur statistischen Signifikanz entsprechend. Fall-Kontroll-Studien stellen oftmals den Ausgangspunkt epidemiologischer Forschung in einem neuen Risikobereich dar, da sie relativ schnell und kostengünstig auch die Erforschung seltener Krankheiten, wie vor allem auch vieler der vorhandenen Krebsarten, ermöglichen.394 In der ätiologischen Krebsforschung bedeuten sie deshalb nicht selten die einzig sprudelnde Quelle möglichen Erkenntnisgewinns. Ihr retrospektiver Ansatz verhindert zwar eine direkte Risikoberechnung, weitet die Untersuchung aber auf ein ganzes Bündel potentieller Risikofaktoren für den bereits eingetretenen Schaden. Die gegenläufige Blickrichtung eröffnet dem Erkrankten auf diese Weise die Betrachtung eines Gesamtpanoramas des mit seinem Leiden assoziierten – und möglicherweise sogar verursachungswahrscheinlichen [s. u. 6. a) u. b)] – Risikos, in das sich jeder einzelne Faktor seiner Bedeutung gemäß einfügt. Die Studiendauer beträgt häufig nur wenige 393
Vgl. Elwood, Causal Relationship, 27 f. (1992); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 305 (1999); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (279) (1997); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 50 (1997); auch Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (648 f.) (1992); Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (16) (1993); jeweils mit Zahlenbeispielen zur Erläuterung. 394 Vgl. Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 29 ff. (1992); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 305 f. (1999); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 23 (1998); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 51 (1985); Kreienbrock/ Schach, Epidemiologische Methoden, 69, 73 (1997); Elwood, Causal Relationship, 23 (1992); Hatch, Epidemiology, 87 (1998); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (294) (1997); auch Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (622 f.) (1992); Romerio, Toxische Kausalität, 62 f. (1996).
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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Jahre, so daß sich den betroffenen Fällen zügig neue Beweismöglichkeiten eröffnen, die später eventuell noch durch Kohortenstudien ergänzt und erweitert werden können.395 Problematisch bleibt freilich, daß sich die Forscher hier auf Daten verlassen müssen, die vergangene Geschehnisse gegebenenfalls nur ungenau, verzerrt oder unvollständig wiedergeben können oder zu anderen Zwecken gesammelt wurden. Fall-Kontroll-Studien sind dementsprechend sehr anfällig für Biases,396 denen man nur mit Hilfe einer sorgfältigen Studienplanung begegnen kann.397 dd) Querschnittsstudien398 Noch anfälliger für Biases, was die Kausalitätsprüfung betrifft, sind die sehr schnell und einfach durchführbaren Querschnittsstudien. Sie verzichten vollständig auf prospektive oder retrospektive Elemente bei der Untersuchung und begnügen sich mit einer gleichzeitigen Feststellung von Exposi395
Vgl. Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 51 (1985). Siehe dazu unter B. VII. 2. b). Je kleiner die Zahl der beobachteten Studienteilnehmer ist, desto mehr machen sich mögliche Biases im Endergebnis einer Studie auch bemerkbar; vgl. Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (649) (1992). 397 Zu Fragen der Studienorganisation vgl. insbesondere Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 71 ff. (1997); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 50 f. (1985); Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 29 ff. (1992); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (294) (1997); Hatch, Epidemiology, 87 (1998); Elwood, Causal Relationship, 20, 23 (1992); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 56 (1994); auch Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (622 f.) (1992); Dore, 28 How. L. J. 677 (680 f.) (1985); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (38) (1984–85); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (838 f.) (1988); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (649) (1992). Eine tabellenmäßige Gegenüberstellung der Vor- und Nachteile von Kohortenstudien und Fall-Kontroll-Studien bzw. prospektiver und retrospektiver Studienanordnung versuchen Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 67, 117 (1997); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 345 (1999); Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 29, 32 f. (1992); Elwood, Causal Relationship, 23 (1992); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 64 (1994). Ein verläßliches Vertrauen zu ermitteln, ist bei sorgfältiger Planung und Durchführung grundsätzlich beiden Studientypen gleichermaßen möglich. Eine Hierarchie ihrer Beweiskraft aufzustellen, wie dies in der Dogmatik bisweilen versucht worden ist (etwa bei Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 345 (1999); Hatch, Epidemiology, 81 (1998); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 68 (1997)) ist deshalb müßig und wegen des ihnen jeweils eigenen Aussagewertes auch sinnlos. 398 Im Englischen Cross-Sectional Studies. Zur Vorgehensweise vgl. insbesondere Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 51 ff. (1994); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 74 (1997); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (282 f.) (1997); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 59 f. (1997); auch Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (760) (1984); Romerio, Toxische Kausalität, 65 f. (1996). 396
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B. Zum Problem der Medical Causation
tion und Krankheit ohne Rücksicht auf eventuelle Latenzzeiten. Eine Kausalitätsaussage ist damit also weder im positiven noch im negativen Sinne möglich, ebenso wenig die Ermittlung von Risikowerten oder Chancenverhältnissen.399 Meistens dienen Querschnittsstudien der Forschung nur als erste Orientierungshilfe. Mangels Beweiseignung für die Kausalitätsfrage sollten sie zur Bestimmung kausaler Verursachungswahrscheinlichkeiten nicht einmal ergänzend herangezogen werden.400 b) Biases und Konfounder401 Der Beweiswert einer Studie hängt ganz entscheidend von ihrer Planung, Gestaltung und Durchführung ab. Von der ersten Formulierung des Studienziels bis zur Fertigstellung kann eine epidemiologische Arbeit von zahlreichen Zerrwerten und Störgrößen beeinträchtigt sein. Solch negative Einflüsse kennt die Forschung als Biases und Konfounder.402 Biases beziehen sich direkt auf Studiendesign und Studiendurchführung, während es sich bei Konfoundern um störende Risikoeinwirkungen von außen handelt, die mit dem untersuchten Risikofaktor und der untersuchten Krankheit in gewisser Weise assoziiert sind. 399 Vgl. etwa Hatch, Epidemiology, 74 ff. (1998); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 74 (1997); WHO, Epidemiology of work-related diseases, 16 (1989); Ahlbom, Study Design, 43 (52) (1992); auch Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (760) (1984). 400 So – mit Einschränkungen – auch Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 51 ff. (1994); Romerio, Toxische Kausalität, 65 f. (1996). 401 Bias (dt. Verzerrung, Vermengung) und confounder bzw. confounding-factor (dt. Störgröße) sind Fachbegriffe der englischsprachigen Epidemiologie, die weitgehend von der deutschsprachigen Forschung übernommen worden sind und deshalb auch hier beibehalten werden sollen; zur – teilweise fehlerhaften (z. B. confounding bias) – Begriffswahl vgl. etwa die Formulierungen bei Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 10 ff., 171 ff. (1999); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 77 ff. (1997); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (283 ff.) (1997); Abel, Epidemiologie des Krebses, 14 f. (1986); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 62, 143 ff. (1997); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 115 ff., 160 (1994); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 69 (1998). 402 Im Gegensatz zu den bei jeder Studie auftretenden zufälligen Fehlern [siehe unter B. VII. 2. a) aa)] handelt es sich hier um systematische Fehler, die sich aus Mängeln bei Studienplanung und -durchführung ergeben und theoretisch vollständig ausgeschaltet werden können; zur Abgrenzung vgl. etwa Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 73 ff. (1997); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 10 ff. (1999); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (649 ff.) (1992); Romerio, Toxische Kausalität, 70 ff. (1996). Einer Studie mit (unentzerr- und unentstörbaren) systematischen Fehlern mangelt es mitunter an hinrechender interner Validität (siehe dazu unter B. VII. 5.).
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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Biases können sich an den verschiedensten Stellen bemerkbar machen, so bei der Auswahl der Studienteilnehmer (Selection Bias),403 der Informationsbeschaffung (Information Bias)404 und der Auswertung des gesammel403 Die zu vergleichenden Gruppen sollten in etwa demselben Gefüge entstammen. Betroffene Arbeitnehmer sollten beispielsweise mit Kontrollgruppen aus ihrem Betrieb und Krankenhauspatienten mit Krankenhauskontrollen desselben Krankenhauses verglichen werden. Insbesondere Krankenhaus-Fall-Kontroll-Studien werden in der Praxis relativ häufig durchgeführt, da sich Krankenhauspatienten in aller Regel gerne als Probanden zur Verfügung stellen und eine intensive Beobachtung sichergestellt ist; vgl. zu derartigen Studien und dem bei der dortigen Vergleichsbeobachtung möglichen sog. Berksonschen Trugschluß Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 118 (1994); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 116 (1985); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (759 f.) (1984). Zum Selektionsbias allgemein vgl. insbesondere Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 50 f. (1985); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 62, 143 ff. (1997); Fletcher/Fletcher/ Wagner, Klinische Epidemiologie, 11 ff., 171 ff. (1999); Hatch, Epidemiology, 23, 66 ff. (1998); Maaß, Blutbleispiegel in der BRD, 29 (1994); Saracci, Kontrollierte Studien, 274 (289) (1984); auch Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (649 ff.) (1992); Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1401) (1994); Romerio, Toxische Kausalität, 80 ff. (1996). 404 Verschiedene Formen des Informationsbias sind denkbar: Interview Bias (unterschiedliche Art der Befragung der Probanden; Teilnehmer möchte dem Prüfer gefallen und übertreibt sein Schicksal; Gefahr suggestiver Fragestellungen), Recall Bias (Erinnerungslücken oder Wunschvorstellungen der Befragten; die gegenwärtig schlechte Situation wird in die Vergangenheit hineinprojiziert; bessere Erinnerungseignung mancher Befragtengruppen, etwa: Kranke erinnern sich an frühere Expositionen oder an ähnliche Krankheitsfälle in der Verwandtschaft häufig besser als Gesunde (zur Vermeidung kann man Krankenhauskontrollen als Vergleichsgruppe einsetzen), Mütter kennen sich hinsichtlich des Gesundheitszustandes ihrer Kinder zumeist besser aus als Väter), Diagnostic Suspicion Bias (der Arzt untersucht exponierte Probanden sorgfältiger, weil er hier besonders mit einer Erkrankung rechnet), Publication Bias (tendenziell werden Studien mit positivem Ergebnis bevorzugt veröffentlicht, was zur Überbewertung der Gefährlichkeit eines Stoffes oder einer wissenschaftlichen Theorie führen kann). Zu Kodierungs- und Übertragungsfehlern bei der Datensammlung vgl. Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 119 (1994). Wenn etwa eine Gliedmaßenverformung im Mutterleib nur in einer bestimmten Zeitphase der Schwangerschaft entstehen kann, so darf die Mutter nicht nur allgemein danach befragt werden, ob sie die betreffende Arznei (etwa Bendectin, Contergan (= Thalidomide (USA))) irgendwann in der Schwangerschaft eingenommen hat; andernfalls besteht bei der Untersuchung die Gefahr einer sog. Bias in time; vgl. Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (26) (1993) (zu Bendectin) sowie die Nachweise in FN 446, auch 250 (zu Contergan). Zu den verschiedenen Formen des Informationsbias vgl. insbesondere Elwood, Causal Relationship, 63 f., 158 ff. (1992); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 62, 73 f., 150 ff. (1997); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 50 f. (1985); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 115 ff., 160 (1994); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 12, 313 (1999); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (289) (1997); Olson, Preparing for Statistical Analysis, 75 (81) (1992); Hernberg, Validity Aspects, 269 (272 f.) (1986); Hatch, Epidemiology, 25 f., 69, 179 f. (1998); auch
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B. Zum Problem der Medical Causation
ten Datenmaterials (Diagnostic Bias).405 Das Auftreten von Konfoundern ist vom jeweiligen Untersuchungsgegenstand abhängig. So ist etwa406 bekannt, daß Raucher regelmäßig auch gerne Alkohol konsumieren407 und Mitglieder der arbeitenden Bevölkerung eine robustere Gesundheit aufweisen als Arbeitslose, Arbeitsunfähige oder Rentner (sog. Healthy Worker Effect).408 Konfounder müssen in die Analyse eingestellt werden, um ihre Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (649 ff., 686, 694 f.) (1992); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2091 f.) (1988); Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2127) (1997); Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1402 f.) (1994); Romerio, Toxische Kausalität, 80 ff. (1996). 405 Zur Diagnostic Bias vgl. insbesondere Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 150 ff. (1997); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (649 ff.) (1992); Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (26) (1993). Zu einer falschen Gruppeneinteilung kann es kommen, wenn Kontrollen wegen der langen Latenzzeit in Wahrheit unerkannte Fälle sind und noch nicht als solche diagnostiziert werden konnten (sog. Neyman-Bias); vgl. Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 143 ff. (1997). 406 Als weitere Konfounder müssen ggf. Alter, Geschlecht, Ernährung, Fitness, Freizeit- und Sexualverhalten, soziale Schicht, Medikamentenkonsum, Blutdruck, Schlafgewohnheiten, Umwelteinflüsse, Grad der Reinheit konsumierter Umweltgüter (Luft, Trinkwasser etc.), genetische Faktoren, Allergien, sonstige besondere Schadensgeneigtheiten (siehe zu Letzteren unter B. VII. 6. b) bb) (2) a. E.) etc. der einzelnen Studienteilnehmer in der Analyse berücksichtigt werden. Wenn morning sickness einer Schwangeren schon allein zu Verunstaltungen des Kindes führen kann, so braucht das dagegen eingesetzte Medikament Bendectin (siehe dazu unter A. I. (bei FN 66 bis 71)) nicht notwendig die Ursache gewesen sein; vgl. Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (649 ff.) (1992). Zu diesen und anderen Konfoundern vgl. etwa Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 93, 458 f., 466 ff. (1994); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 4 f., 62, 143 ff. (1997); Axelson, Case-control Studies, 181 (192 ff.) (1986); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 118 (1998); Thiele/Enderlein, Cross-sectional studies, 135 (138 f.) (1986); Nurminen, Epidemiological Study, 341 (352) (1986) (Tabelle); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 167 (1997); auch Medicus, JZ 1986, 778 (781); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 60, 105, 164 (1993). Zu weiteren Informationen besuche auch die in FN 338 genannten URLs. Zu standardisierten Verfahrensweisen, die sich beim Erfragen und Erfassen der erforderlichen Daten empfehlen, vgl. insbesondere Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 466 ff. (1994). 407 Vgl. zu diesem Beispiel insbesondere Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 54 f. (1997); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 78 (1997); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (838, 842 f., 850) (1988); Romerio, Toxische Kausalität, 80 (1996). Auch Rauchen und Verhütungsmittel sowie Rauchen und Kaffeetrinken gehen häufig einher, vgl. Elwood, Causal Relationship, 86 (1992); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 72, 118 (1998); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 78 (1997); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (838, 842 f., 850) (1988). 408 Der regelmäßig gesündere Zustand der arbeitenden Bevölkerungsschicht beruht auf der natürlichen Auslese bei der Einstellung (1. Selektion), der längerfristigen Einordnung im Laufe des Arbeitslebens (2. Selektion) sowie allgemein den gesundheitsfördernden Auswirkungen körperlicher Aktivität; vgl. Halperin u. a., Cohort Study, 149 (174 f.); Hernberg, Validity Aspects, 269 (275 f.) (1986); Thiele/
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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Auswirkung auf das Studienergebnis berücksichtigen zu können. Durch Schichtung der Studienpopulationen in Untergruppen (Stratification),409 Paarbildung (Matching)410 und sonstige statistische Bereinigungsverfahren411 kann ihr Einfluß jedoch weitgehend neutralisiert werden. Enderlein, Cross-sectional studies, 135 (139) (1986). Die Art des Berufs und der Umfang geforderter körperlicher Inanspruchnahme entsprechen in aller Regel der Leistungsfähigkeit und der physischen Resistenz des einzelnen Arbeitnehmers. Ein Healthy Worker Effect kann nur dadurch vermeiden werden, daß ausschließlich Gruppen mit annähernd gleicher körperlicher Arbeitsbelastung verglichen werden, nicht also etwa Arbeiter der Schwermetallindustrie mit einer Verwaltungseinheit desselben Unternehmens. Zum Healthy Worker Effect im allgemeinen und den Möglichkeiten seiner Vermeidung vgl. insbesondere Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 143 ff. (1997); Halperin u. a., Cohort Study, 149 (174 f.) (1986); Hernberg, Validity Aspects, 269 (275 f.) (1986); Breslow, Statistical Issues, 78 (89 f.) (1990); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 180 f. (1997); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 118, 632 (1994); Olsen/Merletti/Snashall/Vuylsteek, Searching for Causes, 28 f. (1991); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 97 (1985); auch Romerio, Toxische Kausalität, 80 (1996); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (649 ff.) (1992). 409 Oft auch als Standardisierung bezeichnet; vgl. zur Vorgehensweise etwa Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 179 ff. (1997); Elwood, Causal Relationship, 96 ff. (1992); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 272 ff., 284 ff. (1997); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 182 ff. (1999); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 79 f. (1997); Abel, Epidemiologie des Krebses, 14 f. (1986); Rumeau-Rouquette, Fall-Kontroll-Studien, 96 (102) (1984); Meheus, Prävalenzstudien, 139 (149) (1984). Nach einer Stratifizierung müssen die einschlägigen Risikowerte für jede Schicht zunächst gesondert bestimmt werden, um (gemeinsame) Aussagen zu den Risikowerten der (Gesamt-)Studie errechnen zu können; siehe hierzu die Hinweise unter B. VII. 2. c) zum gemeinsamen relativen (attributiven) Risiko, zur gemeinsamen Odds Ratio und zum gemeinsamen Konfidenzintervall entsprechend. 410 Ein Matching erfolgt zwischen solchen Personen, die in für den Untersuchungsgegenstand wesentlichen Parametern (wie etwa Alter, Geschlecht) übereinstimmen. Dies ist auch innerhalb von Schichten nach getrennten Grundsätzen möglich. Zu den verschiedenen Arten des Matching vgl. etwa Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 182 ff. (1997); Elwood, Causal Relationship, 96 ff. (1992); Pigeot-Kübler, Gemeinsames Odds Ratio, 13 ff. (1989); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 55 (1994); Rumeau-Rouquette, Fall-Kontroll-Studien, 96 (101) (1984); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 79 f. (1997); Selvin, Statistical Analysis, 65 f. (1991); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 181 f. (1999). 411 So vor allem durch logistische Regression und die verschiedenen Formen der Kon- oder Multivarianzanalyse, durch die auch mehrere gleichzeitig vorliegende Störfaktoren ausgeschaltet werden können; vgl. dazu insbesondere Abel, Epidemiologie des Krebses, 14 ff. (1986); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 79 f. (1997) mwN; Selvin, Statistical Analysis, 66 f. (1991); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 184 f. (1999). Bei unbekannten Konfoundern kann eine Sensitivitätsanalyse ein Alternativmodell zu verschiedenen Szenarien ermöglichen; vgl. dazu Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 185 f. (1999).
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B. Zum Problem der Medical Causation
c) Meta-Analyse verschiedener epidemiologischer Studien412 Bei Vorhandensein mehrerer epidemiologischer Studien zum fraglichen Risikobereich ist es ferner möglich, die Aussagekraft der gefundenen (gegebenenfalls vorab intern entzerrten und entstörten) Einzelergebnisse noch dadurch zu erhöhen, daß diese einer studienübergreifenden Meta-Analyse ihrer selbst unterzogen werden und insbesondere versucht wird, die im einzelnen ausermittelten Datenwerte miteinander abzugleichen, Unstimmigkeiten zu bereinigen und verbliebene Abweichungen plausibel zu erklären. Durch ein solches Zusammenlegen der verschiedenen Einzelauswertungen in einer Meta-Studie vermag sich der vorhandene Stichprobenumfang zu neuen Größen zu summieren und die Wahrscheinlichkeitsfunktion des Stichprobenrisikos zu – mitunter erst hierdurch hinreichend statistisch signifikanter – konfidentieller Enge zu verspitzen. Sofern der Umfang der Risikoexposition im relativen Vergleich der einzelnen Studien unterschiedlich groß ausgefallen ist, ist es auf diese Weise zudem möglich, sog. Dosis-Wirkung-Beziehungen413 zwischen dem betreffenden Risikofaktor und der assoziierten Krankheit aufzuspüren und daraus nachgerade mögliche Rückschlüsse für die spätere Kausalitätsprüfung zu ziehen. Von einer Reihe von Statistikern sind inzwischen verschiedenartige Verfahren zur Durchführung derartiger Meta-Analysen entwickelt worden.414 Eine inhaltliche Zusammenschau prospektiver und retrospektiver Studien ist damit ebenso problemlos möglich wie die Berechnung eines gemeinsamen – und damit erheblich präzisierten – relativen (attributiven) Risikos, einer gemeinsamen Odds Ratio und eines gemeinsamen Konfidenzintervalls.415 412 Zu Meta-Analysen allgemein vgl. etwa Pocock/Thompson, Role of Meta-Analysis, 383 (383 ff.) (1992); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 157 ff. (1994); Hatch, Epidemiology, 98 ff. (1998); Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 41 ff. (1992); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 363 ff. (1999); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (290 ff.) (1997); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 114 (1997); auch Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (24) (1993). 413 Siehe hierzu unter B. VII. 6. a) dd). 414 Vgl. vor allem die übersichtliche Darstellung bei Pocock/Thompson, Role of Meta-Analysis, 383 (390 ff.) (1992) (erläutert werden insbesondere die Verfahren von Woolf, Mantel-Haenszel und Peto (id. 390)); zu Verfahren gepoolter Auswertung vgl. Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 365 ff. (1999). 415 Vgl. Pigeot-Kübler, Gemeinsames Odds Ratio (1989); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 157 ff. (1994); Hatch, Epidemiology, 98 ff. (1998); Breslow, Statistical Issues, 78 (80 ff.) (1990); Higginson/Muir/Munoz, Human Cancer, 41 ff. (1992); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 363 ff. (1999); Ulm, Grundbegriffe und Maßzahlen, 263 (290 ff.) (1997); Selvin, Statistical Analysis, passim (1991); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 114 (1997).
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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Hierauf soll im einzelnen verwiesen sein. In der Praxis können von dieser Möglichkeit vornehmlich solche Kläger profitieren, die sich vormals in Risikobereichen bewegt haben, die in der Vergangenheit bereits häufiger Gegenstand heftiger prozessualer Debatten waren. In den USA mag dies etwa auf die Expositionsbereiche Asbest, Tabakrauch, Blei, Silikonimplantate, MER/29, DES, Dalkon Shield und Bendectin zutreffen. Vormalige Verfahren dürften künftigen Klägern hier einen erklecklichen Fundus epidemiologischen Datenmaterials für eine (noch ausstehende) Meta-Auswertung bereithalten. 3. Ergänzende Funktion toxikologischer Beweismittel a) Sog. toxikologische Beweismittel416 aa) Studien über Tierversuche Während die Epidemiologie die Krankheitsentwicklung von Menschen im Auge hat, bei schädlichen Einwirkungen aber aus ethischen Gründen auf die Beobachterrolle beschränkt bleibt,417 sind bei Tierversuchen direkte experimentelle Labortests möglich.418 Die systematischen Fehler epidemiologischer Forschung können damit weitgehend vermieden werden,419 ebenso 416
Zur Begriffsbildung vgl. insbesondere Applegate, 9 Yale J. Reg. 277 (283) (1992); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (654) (1992); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (21) (1989). Im (deutschen) Arzneimittelrecht wird in analytische, pharmakologischtoxikologische und klinische Beweismittel unterteilt (§§ 22 II, 24 AMG), wobei die dabei angewandten Prüfungsmethoden den im folgenden dargestellten Beweismittelarten entsprechen. 417 Zu den ethischen Grenzen experimenteller Epidemiologie siehe unter B. VII. 2. a). 418 Man kann faktisch auch von experimenteller Epidemiologie mit Tieren sprechen, vgl. Romerio, Toxische Kausalität, 94 (1996). Zu den methodischen Vorgehensweisen bei der Durchführung von Tierversuchen vgl. Landau/O’Riordan, 25 Idaho L. Rev. 521 (1988–89). Tierschutzaspekte, die in Deutschland seit geraumer Zeit sogar verfassungspolitisch diskutiert werden, führen hierbei ebenfalls zu ethischen Bedenken, vgl. zur Gesamtdiskussion etwa Caspar, Tierschutz in die Verfassung? – Gründe, Gegengründe und Perspektiven für einen Art. 20b GG, ZRP 32, 441 (1999); Obergfell, Wissenschaftsfreiheit und Tierschutz im deutschen Verfassungsrechtssystem, ZRP 34, 193 (2001); Lübbe, Hat der Tierschutz Verfassungsrang?, NuR 1994, 469; Hobe, Tierversuche zwischen Tierschutz und Forschungsfreiheit: Verwaltungs- und verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen für Tierversuche, WissR 1998, 309; Mätrich, Forschungsfreiheit und Tierschutz im Spiegel des Verfassungsrechts (1988). Im Arzneimittelbereich sind Tierversuche durch andere Prüfverfahren zu ersetzen, wenn dies nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse im Hinblick auf den Prüfzweck vertretbar ist (§ 26 I 2 AMG).
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läßt sich durch die Möglichkeit einer gezielten Regulierung des Expositionsumfanges eine Dosis-Wirkung-Beziehung420 zwischen der untersuchten Substanz und damit möglicherweise in Verbindung stehenden Folgewirkungen leichter ausfindig machen. Im Vergleich zur Epidemiologie haben Tierversuche allerdings den grundlegenden Nachteil, daß ihre Untersuchungen nicht am Menschen ansetzen und damit stets die wissenschaftlich unauflösliche421 Frage der Übertragbarkeit ihrer Ergebnisse auf den Menschen bleibt.422 Viele Substanzen, die erwiesenermaßen harmlos für den menschlichen Organismus sind, zeitigen bisweilen karzinogene Auswirkungen bei einem Teil der Versuchstiere.423 Auch Labortiere untereinander reagieren nicht selten uneinheitlich. So stimmen Testergebnisse von Ratten mit denen von Mäusen nur in etwa 58% bzw. 76% aller Fälle überein.424 Ähnliches gilt für Ratten und Meerschweinchen.425 Eine Extrapolation auf den Menschen kann ferner deshalb 419 Vgl. Romerio, Toxische Kausalität, 94 (1996). Zu Biases und Konfoundern siehe unter B. VII. 2. b). 420 Siehe dazu unter B. VII. 6. a) dd). 421 Zur vor allem in der US-amerikanischen Wissenschaft vieldiskutierten Transscience-Problematik vgl. insbesondere Weinberg, Science and Trans-Science, 10 Minerva 209 (1972); Wagner, Trans-Science in Torts, 96 Yale L. J. 428 (1986); dies., 82 Corn. L. Rev. 773 (777 ff.) (1997); Firak, Trans-Scientific Issues, 63 Temple L. Q. 311 (321 ff.) (1990); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (23 ff.) (1989); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (621) (1992); Goldberg, Causation and Risk, 128 (1999); Gold, 96 Yale L. J. 376 (379 FN 12) (1986); Romerio, Toxische Kausalität, 177 (1996); Kästle, Toxische Massenschäden, 31 (1993). 422 Zu den Schwierigkeiten einer Extrapolation von Tierversuchsergebnissen auf den Menschen vgl. insbesondere Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2082 ff.) (1988); Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2123 ff.) (1997); Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (20 ff.) (1993); dens., 78 Minn. L. Rev. 1387 (1406) (1994); dens., 43 Hastings L. J. 301 (324) (1992); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (620 f.) (1992); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (837) (1988); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (899) (1994); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (24) (1995); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (655) (1992); Italiano, Liability for Underground Storage Tanks, 124, 126 (1987); siehe auch unter B. VII. 6. b) aa) (zu Fragen der externen Validität eines Beweismittels). Die Extrapolation kann auch unter der abweichenden Art menschlicher Schadstoffresorption (etwa Schadstoffaufnahme durch die Haut und nicht gespritzt) leiden; vgl. Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 57 (1993). In der Praxis wird die Extrapolationskraft von Tierversuchsergebnissen häufig noch durch ein In-vitroScreening menschlicher und tierischer Zellen im Anschluß an einen Tierversuch, in der Regel unter Zuhilfenahme von Kadavergewebspartikeln des verbrauchten Versuchstiers (vgl. Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (322) (1992)), gesteigert; vgl. Romerio, Toxische Kausalität, 95 (1996). 423 Vgl. Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1411) (1994); dens., 43 Hastings L. J. 301 (325) (1992); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (655) (1992). 424 Vgl. Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (678 f.) (1988) (58%); Romerio, Toxische Kausalität, 99 f. (1996) (76%).
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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problematisch sein, weil die Versuchstiere häufig unnatürlich hohen Dosen ausgesetzt werden, damit toxische Gefahren von Substanzen schneller erkannt werden können.426 Vielfach werden die Versuchstiere auch besonders reizempfindlich gezüchtet, um positive Reaktionen zu beschleunigen.427 Unterschiedlich zum Menschen ist zudem die sonstige Risikosituation der Versuchstiere: Mäuse rauchen nicht, trinken keinen Alkohol, essen nicht zu viel fettes Fleisch, geräucherten Lachs oder am Morgen zwei Eier zum Frühstück, nehmen bei Kopfschmerzen keine Medikamente und „leiden“ nicht unter derselben Bewegungsarmut wie ein Großteil der Menschen.428 Studien über Tierversuche können über kausale Folgen eines Risikofaktors für den Menschen mithin nur spekulieren. Ihr eigentlicher Zweck bleibt auf die Erkennung eventuell schädlicher Nebenwirkungen von Medikamenten beschränkt.429 Ein darüber hinausgehender eigenständiger kausaler Aussagewert kommt ihnen nicht zu.430
425 Vgl. Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (778) (1984). Auf die dem Menschen vergleichbarsten Versuchstiere, die Affen, muß die Forschung zumeist aus finanziellen Gründen verzichten; vgl. Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (655) (1992). 426 Vgl. insbesondere Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2082 ff.) (1988); Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2123 ff.) (1997); Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (20 ff.) (1993); dens., 78 Minn. L. Rev. 1387 (1403 f., 1406) (1994); Applegate, 91 Colum. L. Rev. 261 (285 f.) (1991); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (41) (1984– 85); Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (530) (1985); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (899) (1994); Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1228) (1987); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (24) (1995); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (655) (1992); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 95 (1997); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 57 (1993); auch Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (778 FN 20) (1997). Bei Überdosierung können mitunter sogar an sich harmlose Substanzen schädlich wirken; vgl. Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (326) (1992). 427 Vgl. Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (678 f.) (1988). 428 Ähnliche Beispiele bei Rall, 22 Envtl. H. Ps. 159 (164 f.) (1978); vgl. zudem Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (517) (1985); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 57 f. (1993). 429 Vgl. insbesondere Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1411) (1994); Epstein, Torts, 256 (1999); Romerio, Toxische Kausalität, 99 f. (1996); ferner Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2082 ff.) (1988). 430 So auch Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1411) (1994); ders., 43 Hastings L. J. 301 (325) (1992); Epstein, Torts, 256 (1999); Romerio, Toxische Kausalität, 99 ff. (1996) mzN der US-amerikanischen Rspr. Nicht ganz so kritisch Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 59, 80 (1993); Applegate, 91 Colum. L. Rev. 261 (285 f.) (1991); Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (199) (1983).
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B. Zum Problem der Medical Causation
bb) In-vitro Studien431 Im Gegensatz zu den eben besprochenen In-vivo Studien (epidemiologische Studien und Studien über Tierversuche)432 untersuchen In-vitro Studien nicht die schädlichen Auswirkungen einer Substanz auf den menschlichen oder tierischen Gesamtorganismus, sondern erforschen die biochemischen Veränderungen von lebenden Zellen und Bakterien nach toxischer Behandlung im Reagenzglas.433 Die bekannteste In-vitro Studie zur Früherkennung toxischer Gefahren ist der sog. Ames Test:434 Hiermit sollen mutagene Effekte von Giftstoffen an Bakterien nachgewiesen werden, um von der Mutagenität des Stoffes auf seine Karzinogenität zu schließen. In 90% aller Fälle führt dieser Schluß zu richtigen Ergebnissen.435 Abgesehen von der verbleibenden Fehlerquote bedeutet aber auch diese Testmethode für die Ätiologie keine besondere Hilfe. Die mutagene Eigenschaft einer Substanz begründet allein weder ihre Ursächlichkeit für eine bestimmte Krankheit noch gibt sie sichere Auskunft über ihre Gefährlichkeit. Was dem Ames Test wie auch allen übrigen In-vitro Verfahren zu einer umfassenderen kausalen Bewertung fehlt, ist die regulierende Einwirkung des menschlichen (oder tierischen) Gesamtorganismus auf den jeweils untersuchten Stoff.436 Der Effekt im Reagenzglas mag sich im menschlichen Körper 431 Im Englischen auch als Short-term Tests, Cell Assay Analyses oder Screening Tests bezeichnet; vgl. etwa Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (19 f.) (1993) (19 f.); dens., 43 Hastings L. J. 301 (322) (1992); dens., 78 Minn. L. Rev. 1387 (1406) (1994); Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2123 f.) (1997); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (657) (1992); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (22) (1989). 432 Zur Begriffswahl vgl. insbesondere Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (322) (1992). 433 Vgl. Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (19 f.) (1993) (19 f.); dens., 43 Hastings L. J. 301 (322) (1992); dens., 78 Minn. L. Rev. 1387 (1406) (1994); Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2123 f.) (1997); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (657) (1992); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (22) (1989); Romerio, Toxische Kausalität, 95 (1996). 434 Grundlegend Ames, Identifying Environmental Chemicals Causing Mutation and Cancer, 204 Sci. 587 (1979); weiterführend Victorin, Use of the Ames Test for Investigating the Mutagenicity of Air Pollutants (1988); Huber, Legal Revolution, 65 (1988); Eggen, Toxic Torts, 270 (2000); dens., 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (899 f.) (1994); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2080) (1988). 435 Vgl. insbesondere Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2080) (1988); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 56 (1993). Allgemein zur Extrapolationstauglichkeit von In-vitro Studien vgl. Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (657 f.) (1992); Eggen, Toxic Torts, 270 (2000); Romerio, Toxische Kausalität, 97 ff. (1996) mzN der USamerikanischen Rspr.; Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (19 f.) (1993) (mit ausführlicher Diskussion widersprüchlicher In-vitro Testergebnisse zu Bendectin (siehe dazu unter A. I. (bei FN 66 bis 71))). 436 Vgl. Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2123 ff.) (1997); Romerio, Toxische Kausalität, 97 (1996); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (1992) („yet another layer of
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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nicht auswirken, weil die einzelne im Versuchslabor exponierte Zelle nicht vom Schutz des menschlichen Immunsystems profitieren kann. Transscience437 verhindert so jede unmittelbare Aussage über den kausalen Hergang einer Krankheit und nimmt In-vitro Studien somit jeden eigenständigen ätiologischen Beweiswert.438 cc) Structure Activity Tests439 In Structure Activity Analyses vergleicht man strukturverwandte Substanzen und versucht, aus ihrer ähnlichen chemischen Struktur auf eine ähnliche biologische Aktivität zu schließen.440 So hat man etwa das Medikament Bendectin, das das Antihistaminikum Doxylamin Sukzinat enthält, mit anderen Antihistaminika verglichen, die erwiesenermaßen teratogene Wirkung haben, und so einen Zusammenhang mit Mißbildungen bei Neugeborenen herstellen wollen.441 Ein derartiges Vorgehen stieß aber nicht zuletzt in der US-amerikanischen Rechtsprechung auf Bedenken:442 Selbst kleinste Unterschiede in der molekularen Zusammensetzung einer Substanz können schon allein auf Grund des anschließenden Stoffwechselprozesses im menschlichen Organismus ihre Effekte grundlegend verändern.443 Auch ein bloß ergänzender Beweiswert solcher Vergleichstests scheint also bereits mehr als fraglich. uncertainty“ (id. 657)). Problematisch ist ferner, daß mit solchen Tests psychische und neurotische Veränderungen des Menschen nicht festgestellt werden können; vgl. Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (657) (1992). Auch eine Dosis-Wirkung-Beziehung [siehe dazu unter B. VII. 6. a) dd)] kann damit nicht bestimmt werden; vgl. Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2081) (1988). 437 Siehe dazu in FN 421. 438 Ebenso kritisch auch Applegate, 91 Colum. L. Rev. 261 (285 f.) (1991); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2081) (1988); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (322) (1992); dens., 46 Stan. L. Rev. 1 (19 f.) (1993); Eggen, Toxic Torts, 270 (2000). 439 Synonym auch Pharmacological Studies genannt; vgl. Eggen, Toxic Torts, 275 (2000). 440 Vgl. insbesondere Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2123) (1997); Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1406) (1994); dens., 46 Stan. L. Rev. 1 (19) (1993). 441 So die Vorgehensweise der (von der Klägerseite aufgebotenen) Sachverständigen in DeLuca v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 911 F.2d 941 (946 FN 8) (3rd Cir. 1990); vgl. dazu auch Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1406) (1994); dens., 46 Stan. L. Rev. 1 (19) (1993). 442 So insbesondere in der Entscheidung DeLuca v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 911 F.2d 941 (946 FN 8) (3rd Cir. 1990). Bedenken äußern auch Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (2123) (1997); Sanders, 78 Minn. L. Rev. 1387 (1406, 1409) (1994); dens., 46 Stan. L. Rev. 1 (19) (1993). 443 Da dies jenseits der wissenschaftlichen Feststellbarkeit liegt, ergibt sich somit auch in diesem Fall ein Trans-science-Problem (siehe dazu in FN 421).
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B. Zum Problem der Medical Causation
b) Nur ergänzende Funktion444 Die toxikologischen Beweismittel bleiben in ihrem beweisrechtlichen Wert für die Ermittlung bestimmter Assoziationen zwischen einem Risikofaktor und einer Krankheit vornehmlich deshalb bescheiden, weil sie mit ihren Untersuchungen nicht am Menschen, sondern an Tieren, Zellen, Bakterien oder chemischen Substanzen ansetzen. Extrapolationsschwierigkeiten verhindern zuverlässige Aussagen zu einem komplexen naturwissenschaftlichen Phänomen. Schädigungen bei manchen Laborratten vermögen die epidemiologische Harmlosigkeit eines Stoffes ebenso wenig zu widerlegen, wie negative Ergebnisse bei manchen Versuchstieren eine starke statistische Assoziation wieder entkräften könnten.445 Sinnvoll wird die Toxikologie für den Kläger erst dann, wenn er sich nur auf dürftige epidemiologische Erkenntnisse stützen kann, die weiter Zweifel an der Begründetheit seines Klagebegehrens bestehen lassen. Existiert etwa für eine seltene Krankheit nur eine einzige Fall-Kontroll-Studie mit weitem Konfidenzintervall und stark gepaarten und geschichteten Studienpopulationen, so vermögen beispielsweise positive übereinstimmende Resultate breit angelegter Versuchsstudien mit verschiedenen Tierarten die verbliebenen Unsicherheiten des epidemiologischen Beweises durchaus noch toxikologisch zu beseitigen. Die mit Zweifeln behaftete epidemiologische Assoziationsaussage wird hier sozusagen – beweisverfahrensrechtlich gesprochen – erst auf Grund des unzweideutigen Charakters des toxikologischen Beweises hinreichend glaubhaft. Umgekehrt indiziert die Harmlosigkeit einer Substanz bei sämtlichen Versuchstieren und In-vitro Tests auch ihre Ungefährlichkeit für den Menschen, so daß in solchen Fällen allein ein bloß statistischer Bezug den 444 An dieser Stelle sei auch auf die ergänzende Funktion sog. Human Case Studies (= Case Reports) für die weitere Beweisaufklärung hingewiesen; vgl. dazu etwa Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (658) (1992); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (310 f.) (1992); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (25) (1995); Romerio, Toxische Kausalität, 66 f. (1996). Hierbei handelt es sich um medizinische Krankenberichte, meist des persönlichen Hausarztes oder zugezogener Spezialisten, die das individuelle Schicksal eines einzelnen Patienten, häufig auch betreffs seiner krankenvorgeschichtlichen ätiologischen Expositionsalternativen, chronologisch dokumentieren. Im Rahmen des weiteren beweismethodischen Vorgehens dienen sie insbesondere dazu, die epidemiologischen und toxikologischen (Kollektiv-)Daten auf den individuellen Einzelfall zu überführen und dabei etwa die Kohärenz einer statistischen (Stichproben-)Assoziation mit vorliegendem anderweitigem Beweismaterial herzustellen oder zu steigern [siehe dazu unter B. VII. 6. a) cc)]. 445 Judge Jack B. Weinstein hat sich aus diesem Grund in den opt out-Verfahren zum Fall Agent Orange (siehe unter A. I. (bei FN 7 bis 9)) auf die Beiziehung epidemiologischer Studien beschränken wollen; vgl. In re „Agent Orange“ Prod. Liab. Litig., 597 F.Supp. 740 (835) (E.D.N.Y. 1984). Vgl. allg. auch Romerio, Toxische Kausalität, 108 ff. (1996).
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Schluß auf eine kausale Schädigungswahrscheinlichkeit nicht zulassen würde.446 Nicht gefolgt werden kann nach alledem der Ansicht von Green, der bei Beweisknappheit, insbesondere im Falle des Fehlens epidemiologischer Studien, nach der preponderance of the available(!) evidence entscheiden will.447 Die Fehlbarkeiten toxikologischer Studien setzen epidemiologische Beweismittel als Fundament kausaler Prüfung zwingend voraus.448 Alles andere bedeutete eine zufällige Feststellung eines weiterhin unaufgeklärten Sachverhalts.
446 Eine Aufsehen erregende Ausnahme stellt insoweit das Schlafmittel Contergan (= Thalidomide (USA)) dar, dessen Wirkstoff in üblichen Tierversuchen weder Mäuse noch Ratten noch Hamster geschädigt hatte (vgl. Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (313) (1992); Romerio, Toxische Kausalität, 109 (1996)) und deshalb in Deutschland 1957 ungehindert auf den Markt kommen konnte; vgl. Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (313) (1992); Göben, Arzneimittelhaftung, 58 (1995). Thalidomide war in den USA nie offiziell zugelassen worden, wurde aber in begrenztem Umfang inoffiziell vertrieben; vgl. Bernstein, 97 Colum. L. Rev. 2153 (2158 FN 26) (1997) (insoweit 17 dokumentierte Mißbildungen an Neugeborenen); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (313 ff.) (1992). In Deutschland zeigten sich teratogene Auswirkungen bei mehr als der Hälfte aller Neugeborenen, deren Mütter Contergan in der relevanten Schwangerschaftsperiode eingenommen hatten. Zudem kamen entsprechende Mißbildungen in der sonstigen Bevölkerung nur etwa 1/1.000-mal so oft vor wie in Contergan-Fällen (signature disease); vgl. Bernstein, 97 Colum. L. Rev. 2153 (2165 f.) (1997). Zu den soziopsychologischen Folgewirkungen der Contergan/ Thalidomide-Katastrophe für die Arzneimittel konsumierende Gesellschaft in den verschiedenen Vertriebsländern vgl. Bernstein, 97 Colum. L. Rev. 2153 (2158 f.) (1997) (insoweit auch zu Maßnahmen des jeweiligen Gesetzgebers). In Deutschland wurde durch Gesetz vom 17. Dezember 1971 (BGBl. I 2018) eine rechtsfähige Stiftung des öffentlichen Rechts zur Entschädigung sämtlicher Contergan-Opfer ins Leben gerufen; der Kausalitätsbeweis wurde den Opfern danach wegen der eindeutigen Krankheitssymptome erlassen, die Haftung der Höhe nach begrenzt; gleichzeitig wurden zivilrechtliche Ansprüche aus Gründen der Rechtssicherheit für die Herstellerfirma (Chemie Grünenthal) ausgeschlossen; vgl. ausführlich Hohloch, Entschädigungsfonds, 67 ff. (1994) mwN. Zur etwa gleichen Zeit wurde das Strafverfahren gegen führende Mitarbeiter der Chemie Grünenthal nach fast 10jähriger Ermittlungsdauer mangels öffentlichen Interesses (!) eingestellt (der Einstellungsbeschluß ist teilweise abgedruckt in JZ 1971, 507); vgl. dazu ausführlich Beyer, Grenzen der Arzneimittelhaftung: dargestellt am Beispiel des Contergan-Falles, 158 ff. (1989); ferner Göben, Arzneimittelhaftung, 58 f. (1995); Goldberg, Causation and Risk, 17 f. (1999); weitere Nachweise in FN 250. 447 Vgl. Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (680 ff.) (1992). Seine Ansicht hat – soweit ersichtlich – bisher weder in der Judikatur noch in der Rechtswissenschaft eine Anhängerschaft gefunden. 448 Siehe schon unter B. VII. 2. am Anf. sowie im folgenden unter B. VII. 6.
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B. Zum Problem der Medical Causation
4. Aussonderung von „junk science“449 Not macht bekanntlich erfinderisch. Und so behalfen sich US-amerikanische Klägeranwälte in der Vergangenheit des Öfteren mit Sachverständigen, die – legal und gegen Geld450 – bereitwillig neue Pseudowissenschaften aufgriffen, um die Beweisnot ihrer Auftraggeber zu lindern.451 Da vor allem die Schwierigkeit überbrückt werden mußte, die verschiedenartigsten aufgetretenen Krankheiten einem bestimmten Risikofaktor zuordnen zu müssen, waren somit all die Theorien willkommen, die auf den Nachweis eines direkten Ursachenzusammenhanges verzichten konnten. Am schillerndsten und gleichzeitig am weitesten verbreitet ist diesbezüglich die sog. Immunosuppressionstheorie der Clinical Ecologists.452 Gemeinhin formuliert man dort wie folgt: Jede Exposition mit einer chemischen Substanz beeinträchtigt und unterdrückt das menschliche Immunsystem, das deshalb fortan nicht mehr vollends in der Lage ist, den Körper umfassend vor Krankheiten zu schützen.453 Wird der Kläger – aus welchen Gründen auch immer – krank, so beruhte dies folglich auf der expositionsbedingten Schwächung seiner Abwehrkräfte. Jede Exposition wirkt mithin kausal für jede Krankheit.454 449 Zum Begriff der „junk science“ vgl. umfassend Huber, Galileo’s Revenge: Junk Science in the Courtroom (1993); Milloy, Junk Science Judo: Self-Defense Against Health Scares & Scams (2001); Epstein/Klein, The Use and Abuse of Expert Testimony, 17 Seton Hall L. Rev. 656 (656 ff.) (1987); ferner Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (893, 946) (1994); Huber, 69 B. U. L. Rev. 513 (515) (1989); Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (491) (1989). 450 Der bekannteste dieser Sachverständigen, Bertram Carnow, verlangte für seine berüchtigten Gutachten Ende der 1980er $ 20.000 pro Kläger; vgl. Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (490 FN 14) (1989). 451 Abwertend auch als „experts-for-hire“ (Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (492) (1989); Note, 108 Harv. L. Rev. 1481 (1509) (1995)), „willing testifiers“ (Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (674) (1988)) oder „‚hired gun‘ witnesses“ (Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (4) (1989); ferner Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (37) (1993)) bezeichnet; vgl. aus der Rspr. etwa Ferebee v. Chevron Chem. Co., 736 F.2d 1529 (D.C. Cir. 1984) („if experts are willing to testify“ (id. 1534)), cert. denied, 469 U.S. 1062 (1984). Siehe zur vorzugsweise in US-amerikanischen Verfahren geführten „Schlacht der Sachverständigen“ schon die Ausführungen in FN 347. 452 Vgl. dazu etwa Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (666 ff.) (1992); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (57 ff.) (1989); Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (689 ff.) (1988); Romerio, Toxische Kausalität, 52 f. (1996). Nicht ganz so bekannt, aber entsprechend als „junk science“ zu qualifizieren, sind die weiteren, bei Kästle, Toxische Massenschäden, 177 ff. (1993) aufgelisteten Theorien. 453 Teilweise zieht man daher dort auch den Vergleich zur AIDS-Erkrankung; vgl. Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (1992) („chemically-induced AIDS“ (id. 666)); Elliott, Multiple Causes, 9 (1988) („Chemical AIDS“ (id. 12)); dens., 69 B. U. L. Rev. 487 (1989) („chemical AIDS“ (id. 492)).
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So verführerisch einleuchtend diese Begründung scheint, so abwegig ist ihr Gedankengang. Denn unaufgeklärt bliebe damit weiterhin, was die jeweilige Krankheit ausgelöst hat. Ist das Immunsystem imstande, den Krankheitsausbruch zu verhindern, so hat es sich insoweit gerade als stark genug erwiesen. Eine weitere Exposition müßte erfolgen, solange das Immunsystem noch geschwächt ist, wobei aber auch hier erst nachgewiesen werden müßte, auf welchen Risikofaktor die Schwächung konkret zurückzuführen ist, da zahlreiche Ursachen denkbar sind und die Dauer der Schwächung unbekannt ist. Die Nachweisschwierigkeiten werden also sogar eher verstärkt, wenn man das Immunsystem nicht lediglich als Ausrede für die Unaufklärbarkeit toxischer Kausalitäten vorschieben will. Diese Theorie wird deshalb von den etablierten Wissenschaften455 und mit einer Ausnahme456 auch von der Judikatur457 zu recht durchweg verworfen.458 454 Vgl. Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (490 ff.) (1989); dens., 25 Hous. L. Rev. 781 (786 f.) (1988); dens., Multiple Causes, 9 (12) (1988); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (666 ff.) (1992); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (57 ff.) (1989); Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (689 ff.) (1988); Romerio, Toxische Kausalität, 52 f. (1996). Eine direkte wissenschaftliche Abhandlung zu dieser Theorie scheint nicht zu existieren, da lediglich über ihr Erscheinen in Gerichtssälen und Anwaltskanzleien berichtet wird. Eine wissenschaftliche Fundierung scheint auch nur schwer vorstellbar; vgl. zur Kritik nachfolgend im Text. 455 Vgl. – mit teilweise abweichender Begründung – Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (490 ff.) (1989); dens., 25 Hous. L. Rev. 781 (786 f.) (1988); dens., Multiple Causes, 9 (12) (1988); Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (689 ff.) (1988); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (666 ff.) (1992); Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (57 ff.) (1989); Huber, 69 B. U. L. Rev. 513 (515) (1989); Romerio, Toxische Kausalität, 52 f. (1996). 456 Sterling v. Velsicol Chemical Corp., 647 F. Supp. 303 (W.D. Tenn. 1986), aff’d in part, rev’d in part 855 F.2d 1188 (6th Cir. 1988). Der 6th Circuit hat die Entscheidung zurückgewiesen, soweit sie auf der Dogmatik der Clinical Ecology beruhte. 457 Vgl. die Nachweise bei Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (490 ff.) (1989); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (666 f.) (1992); Black, 56 Fordham L. Rev. 595 (690 f.) (1988). 458 Als viel versprechender Weg, um „junk science“ zu verhindern, wird in der US-amerikanischen Dogmatik bisweilen die Einrichtung sog. science panels angeregt. Sie können die gerichtliche Arbeit in vielfacher Weise erleichtern, etwa vorhandene Gutachten sammeln und katalogisieren, eine Liste mit bewährten Sachverständigen erstellen, dem Gericht bei der Interpretation wissenschaftlichen Beweises behilflich sein, Vergleiche aushandeln oder selbst Gutachten erstellen; vgl. etwa Goldberg, Causation and Risk, 129, 221 f. (1999); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (949) (1986); ferner Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 142, 150 (1993); Kästle, Toxische Massenschäden, 323 (1993). Es wird auch vorgeschlagen, die Empfehlungen dieses Gremiums im Prozeß als widerlegbare Vermutung wirken zu lassen; vgl. Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (10 ff., 62 ff., 69 f.) (1989); Goldberg, Causation and Risk, 129, 221 f. (1999); siehe zu gesetzlichen Vermutungen auch unter B. II. 1. Insgesamt kritisch Elliott, 69 B. U. L. Rev. 487 (504 ff.) (1989); Sanders, 46
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B. Zum Problem der Medical Causation
5. Interne Validität der vorhandenen Beweismittel Auszusondern sind neben dergestaltigem konzeptionellem Plunder auch solche der vorangehend besprochenen epidemiologischen und toxikologischen Beweismittel, denen es infolge unseriöser oder unwissenschaftlicher Durchführung ihrer – konzeptionell an sich unverdächtigen – Vorgaben an interner Validität ihrer Aussagen mangelt und denen infolgedessen jeder Beweiswert für die weitere kausale Aufklärung abgesprochen werden muß.459 Bei einer epidemiologischen Studie ist dies vor allem dann der Fall, wenn sie so stark an Biases und Konfoundern460 leidet, daß eine fehlerfreie Berücksichtigung im Rahmen beweisrechtlicher Auswertung nicht mehr möglich erscheint. Der betreffenden Studie fehlt es dann – wie man sich in der epidemiologischen Literatur ausdrückt – an hinreichender Sensitivität bzw. Spezifizität.461 Soweit allerdings systematische Fehler mit Hilfe Stan. L. Rev. 1 (80 ff.) (1993); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (696) (1992). Man sollte auch darauf achten, daß solche Gremien nicht in den Schutzbereich richterlicher Unabhängigkeit fallen, um Lobbyismus und politischen Einfluß zu vermeiden; vgl. zu diesen Gefahren, denen mitunter US-amerikanische Verwaltungsbehörden in besonderem Maße ausgesetzt sind, etwa Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (203 ff.) (1983); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (248) (1984); Buckley, 26 Will. & Mary L. Rev. 497 (505) (1985). 459 Der Begriff der internen Validität wird vorliegend eng verstanden und nur auf die Qualität der Beweismittel bezogen. Teilweise wird der Begriff in der Literatur auch von der Bejahung der Frage nach der generell-kausalen Eignung des jeweiligen Risikofaktors zur Verursachung der betreffenden Krankheit [siehe unter B. VII. 6. a)] abhängig gemacht. Ein Beweismittel gilt danach nur dann als intern hinreichend valide, wenn es die generell-kausale Eignung des jeweiligen Risikofaktors dokumentiert. Zu den unterschiedlichen definitorischen Weiten dieses Begriffs vgl. die – bisweilen allerdings unklaren – Ausführungen bei Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 34, 38 ff., 115, 426, 631 (1994); Elwood, Causal Relationship, 41 ff. (1992); Gérin, Retrospective Exposure Assessment, 39 (41 ff.) (1990); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 80 ff. (1997); Breslow, Statistical Issues, 78 (78, 90) (1990); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 141 (1997); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 127, 140 (1985); Hatch, Epidemiology, 64 (1998); Siemiatycki, Occupational Carcinogens, 25 (32) (1990); McDonald, Cancer Risks, 122 (124) (1990); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 17 (1999). 460 Siehe unter B. VII. 2. b). 461 Die Sensitivität (sensitivity) ist die Fähigkeit einer epidemiologischen Studie, die Anzahl der Echt-Positiven, d.h. die von einem Risikofaktor tatsächlich erfaßten Erkrankten, korrekt zu bestimmen. Die Spezifizität (specificity) bringt umgekehrt die Fähigkeit zum Ausdruck, die in diesem Sinne Echt-Negativen korrekt zu identifizieren; zur Definition vgl. Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 337 ff. (1999); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 57 f., 151 (1997); Hernberg, Validity Aspects, 269 (280 f.) (1986); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 39, 40, 554 (1994); Abel, Epidemiologie des Krebses, 20 f. (1986); Maaß, Blutbleispiegel in der BRD, 30 f. (1994).
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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statistischer Verfahren bereinigt werden können462 oder nur untergeordnete Bedeutung haben, sollte das Beweismittel nicht ausgesondert, sondern „nach freier Überzeugung“ (§ 286 I ZPO) des Gerichts gewürdigt werden. Entsprechende Handhabe empfiehlt sich in bezug auf toxikologische Beweismittel. 6. Methode zum Beweis kausaler Wahrscheinlichkeiten Wir haben gesagt, daß die vorhandenen epidemiologischen (s. u. B. VII. 2. am Anf.), ebenso wie die toxikologischen Beweismöglichkeiten [s. u. B. VII. 3. b)] grundsätzlich463 keine unmittelbaren kausalen Aussagen zur Ausfüllung des Proportionalhaftungsanspruches zulassen. Sie treffen entweder eine allgemeine Gesamtaussage über den Umfang einer statistischen Assoziation zwischen einem Risikofaktor und einer Krankheit oder geben erste Warnhinweise für die mögliche Gefährlichkeit einer Substanz. Wir haben dabei auch gesagt, daß epidemiologische Beweismittel bei der Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten gleichwohl eine unverzichtbare statistische Basis bilden, ohne die die weitere Beweisaufklärung zur Ermittlung individueller kausaler Schädigungswahrscheinlichkeiten nicht vollendet werden kann, und daß diese Beweismittel dann im Weiteren gegebenenfalls noch einer plausibilitätssteigernden bzw. -senkenden Ergänzung durch toxikologische Beweiserkenntnisse zugänglich sind. Die nun folgende Methode zum Beweis kausaler Wahrscheinlichkeiten baut auf diesen Einsichten auf. Sie teilt sich in zwei Prüfungsabschnitte: In einem ersten Prüfungsschritt muß zunächst geklärt werden, ob die betreffende toxische Substanz im allgemeinen überhaupt zur Verursachung der statistisch assoziierten Krankheit des Klägers geeignet ist oder ob die Statistik insoweit nur den trügerischer Anschein einer eigentlichen Harmlosigkeit als kausalriskante Gefährlichkeit ausgibt (sog. Scheinassoziation).464 Bekannte Kathederbeispiele für (außertoxische) statistische Scheinassoziationen verweisen etwa auf das Kuriosum, daß bis heute, seit die Störche in Mitteleuropa immer mehr vom Aussterben bedroht sind, in derselben Gegend auch ein deutlicher Rückgang der Geburtenrate zu verzeichnen ist.465 Ebenso könnte man mit Mitteln der Statistik nachweisen, daß die Strickneigung älterer Frauen die Lebenserwartung gegenüber dem Manne verlän462
Siehe unter B. VII. 2. b) sowie die Nachweise in den FN 409 bis 411. Mit Ausnahme von signature diseases (siehe dazu unter B. VII. 2. a) aa) sowie in FN 370). 464 Zu Scheinassoziationen allgemein vgl. insbesondere Elwood, Causal Relationship, 177 (1992); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 57 (1985); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 55 (1997). 465 Vgl. Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 57 (1985). 463
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B. Zum Problem der Medical Causation
gert466 und daß der Eisverkauf am Adriastrand möglichen Badeunfällen Vorschub leistet.467 Scheinassoziationen verstecken sich im übrigen aber zumeist, nicht zuletzt auch im Bereich toxischer Unaufklärbarkeiten, im Verborgenen, so daß erst eine nähere Prüfung Aufhellung verspricht [s. u. a)]. In einem zweiten Prüfungsschritt ist dann im einzelnen zu klären, ob und mit welcher Wahrscheinlichkeit sich der zur Verursachung der Krankheit des Klägers geeignete Risikofaktor auch tatsächlich gerade in der Krankheit des Klägers niedergeschlagen hat [s. u. b)]. a) Generelle kausale Eignung des jeweiligen Risikofaktors zur Verursachung der betreffenden Krankheit Im Jahre 1937 ist es erstmalig Sir Austin Bradford Hill468 gelungen, Indizien für ein Prüfschema zusammenzustellen, mit deren Hilfe es der Medizin erleichtert werden sollte, tatsächlich bestehende Ursache-Wirkung-Abhängigkeiten von bloß statistischen Scheinassoziationen zu trennen.469 Sie wur466
Vgl. Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 55 (1997). Ähnlich Elwood, Causal Relationship, 177 (1992). Auch George Bernard Shaw hat bereits 1906 in seinem Vorwort zu „The Doctor’s Dilemma“ darauf hingewiesen, daß man mit Hilfe von Statistiken leicht nachweisen könnte, daß das Benutzen von Regenschirmen oder das Tragen großer Hüte gesundheitsfördernd und lebensverlängernd wirkt: „Thus it is easy to prove that the wearing of tall hats and the carrying of umbrellas enlarges the chest, prolongs life, and confers comperative immunity from disease; for the statistics shew that the classes which use these articles are bigger, healthier, and live longer than the class which never dreams of possessing such things.“ 468 Vgl. seine grundlegende Abhandlung: Principles of Medical Statistics12 (1991) (Erstauflage 1937); ferner dens., A short textbook of medical statistics10 (1977). 469 Lange Zeit als führend galten bis zu diesem Zeitpunkt die Henle/Koch-Postulates, die später von Evans zu den Henle/Koch/Evans-Postulates ausgebaut, aber inzwischen von klareren wissenschaftlichen Vorgaben abgelöst worden sind. Sie wurden ursprünglich anhand bakterieller und virologischer Forschung entwickelt und kontinuierlich erweitert. Ergänzend können sie aber auch heute noch als weitere Indizien bei der kausalen Eignungsprüfung einer toxischen Substanz zur Verursachung einer bestimmten Krankheit herangezogen werden. In der Endfassung lauten sie wie folgt: 1. The prevalence of the disease should be significantly higher in those exposed to the hypothesized cause than in controls not so exposed. 2. Exposure to the hypothesized cause should be more frequent among those with the disease than in controls without the disease when all other risk factors are held constant. 3. Incidence of the disease should be signficantly higher in those exposed to the cause than in those not so exposed, as shown by prospective studies. 4. Temporally, the disease should follow exposure to the hypothesized causative agent with the distribution of incubation periods as a log-normal-shaped curve. 467
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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den in der Folgezeit von zahlreichen Autoren, insbesondere auch der juristischen Wissenschaft470 aufgegriffen und weiterentwickelt und auf diese Weise auch der Rechtsanwendung zugänglich gemacht. Gelegentlich wurde dabei allerdings der Fehler begangen, mit diesen Kriterien den Vollbeweis der Kausalität zu versuchen,471 was die epidemiologische Grundlage als Aussage über eine bloß studienpopulationsbezogene Risikoerhöhung nicht zuläßt. Möglich ist damit allenfalls der Schluß, daß der untersuchte Risikofaktor generell zur Verursachung der fraglichen Krankheit des Klägers geeignet ist. Die im folgenden aufgeführten Indizien bilden entsprechend der Absicht ihres Begründers keine „hard and fast rules“472, die man pedantisch zu be5. A spectrum of host responses should follow exposure to the hypothesized agent along a logical biological gradient from mild to severe. 6. A measurable host response following exposure to the hypothesized cause should have a high probability of appearing in those lacking this response before exposure or should increase in magnitude if present before exposure; this response pattern should occur infrequently in persons not so exposed. 7. Experimental reproduction of the disease should occur more frequently in animals or man appropriately exposed to the hypothesized cause than in those not so exposed; this exposure may be deliberate in volunteers, experimentally induced in the laboratory, or demonstrated in a controlled regulation of natural exposure. 8. Elimination or modification of the hypothesized cause or of the vector carrying it should decrease the incidence of the disease. 9. Prevention or modification of the host’s response on exposure to the hypothesized cause should decrease or eliminate the disease. 10. All of the relationships and findings should make biological and epidemiological sense. Zitiert nach Evans, Causation and Disease, 192 (1993) (ohne die dortigen Klammereinfügungen). 470 Siehe die diesbezüglichen Nachweise in den FN 471 bis 480. 471 So offenbar Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 57 f. (1997). Sofern die epidemiologische Literatur im übrigen auf einen kausalen Zusammenhang zwischen einem Risikofaktor und einer bestimmten Krankheit abhebt, meint sie damit in aller Regel lediglich die generell-kausale Eignung eines Risikofaktors zur Verursachung einer bestimmten Krankheit; in diesem Sinne etwa die Formulierungen bei Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 70 (1994); Hatch, Epidemiology, 15 ff., 28 f. (1998); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 110 ff. (1997); Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 337 ff. (1999); Sackett/Haynes/Guyatt/Tugwell, Clinical Epidemiology, 294 ff. (1985); Evans, Causation and Disease, 172, 174, 186 ff., 192 f. (1993); Elwood, Causal Relationship, 163 ff. (1992); Hernberg, Validity Aspects, 269 (280 f.) (1986); Maaß, Blutbleispiegel in der BRD, 30 f. (1994). Auch in der juristischen Literatur wird nur selten zwischen einem generellem und einem individuellem Ursachenzusammenhang unterschieden; vgl. allenfalls die Ausführungen bei Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2097 ff.) (1988); Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (14 ff.) (1993); Eggen, Toxic Torts, 252 ff. (2000); Romerio, Toxische Kausalität, insbes. 87 ff. (1996).
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B. Zum Problem der Medical Causation
achten hätte, sondern regen vielmehr zu einer zielgeleiteten und verständigen Nutzung, Bewertung und wechselseitiger Vervollkommnung der vorhandenen Beweismöglichkeiten an: aa) Stärke der statistischen Assoziation Je höher das relative (attributive) Risiko einer epidemiologischen Studie ausfällt, je stärker also der Risikofaktor mit der jeweiligen Krankheit statistisch assoziiert ist, um so wahrscheinlicher wird auch die Annahme, daß der statistische Zusammenhang nicht nur auf Zufall beruht.473 Deutliche signifikante Risikosteigerungen lassen mitunter sogar den Schluß auf das Vorliegen einer signature disease zu.474 bb) Konsistenz mehrerer epidemiologischer Studien Bei Vorhandensein mehrerer epidemiologischer Studien lassen sich die gefundenen Ergebnisse zudem in einer Meta-Analyse auf ihre Konsistenz hin überprüfen. Sofern die Studien dabei jedes Mal zu reproduzierbaren Ergebnissen gekommen sind und hinsichtlich ihrer Aussagen im jeweiligen Risikobereich inzwischen sogar ein Zustand wissenschaftlicher Akzeptanz erreicht worden ist, kann man auf diese Weise studienübergreifend neben ihrer assoziativen Kraft auch das Maß ihrer inhaltlichen Richtigkeit feststellen.475 Aussagekräftigend wirkt es dabei vor allem, wenn die Studien von 472 Dore, 28 How. L. J. 677 (697) (1985). Zum flexiblen Umgang mit diesen Kriterien vgl. ferner Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 118 f. (1997). 473 Bei Vorliegen auch der übrigen Kriterien macht gerade ein ausgeprägtes relatives Risiko die Abhängigkeit besonders augenfällig; vgl. Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 337 ff. (1999); Hernberg, Validity Aspects, 269 (280 f.) (1986); Hatch, Epidemiology, 15 ff., 28 f. (1998); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 57 f. (1997); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 70 (1994); Maaß, Blutbleispiegel in der BRD, 30 f. (1994); auch Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (625) (1992); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (44 f.) (1984–85); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (841 f., 851) (1988); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (239, 252) (1984); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (900) (1994); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (652 f.) (1992). 474 Siehe dazu unter B. VII. 2. a) aa) sowie in FN 370. 475 Die Begriffe Konsistenz und Reproduzierbarkeit werden weithin synonym verwendet; vgl. etwa Maaß, Blutbleispiegel in der BRD, 30 f. (1994); Abel, Epidemiologie des Krebses, 20 f. (1986); Hernberg, Validity Aspects, 269 (280 f.) (1986); Sackett/Haynes/Guyatt/Tugwell, Clinical Epidemiology, 294 ff. (1985); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 57 f. (1997); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 59 f. (1985); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 36, 70 (1994); auch McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (44 f.) (1984–85); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (625) (1992).
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unterschiedlichen Forschergruppen, mit jeweils anderen Teilnehmern, an verschiedenen Orten durchgeführt worden sind. Entsprechendes gilt auch bei positiver Bewertung themen- und ergebnisgleicher Studien in früheren Gerichtsverfahren.476 Daß dabei manche Studien zum Teil statistisch nicht signifikant sind oder sich in dem einen oder anderen Punkte widersprechen, dürfte als solches die Annahme eines Kausalzusammenhanges regelmäßig noch nicht ausschließen, sondern zumeist eher umgekehrt ein beredtes Zeugnis dafür abgeben, daß sich zufällige und systematische Fehler bei der Durchführung epidemiologischer Studien niemals ganz vermeiden lassen.477 cc) Biologische und medizinische Plausibilität epidemiologischer Studien (Kohärenz) Allein mit Hilfe der beiden letztgenannten Kriterien lassen sich allerdings, wie schon die oben genannten Beispiele zum Storchenrückgang in Mitteleuropa, zur Strickneigung älterer Damen und zum Eisverkauf am Adriastrand nahe legen, Scheinassoziationen nicht ausschließen. Auch das Vorliegen noch so starker und inhaltskonsistenter statistischer Aussagen vermag letztlich nichts daran zu ändern, daß Statistiken lediglich zahlenmäßige Zusammenhänge der Außenwelt nachzeichnen können, die als solche noch keinen unmittelbaren Schluß auf eine tatsächlich bestehende Ursache-Wirkung-Beziehung zulassen. Ein entscheidendes Indiz für das Vorhandensein einer solchen Ursache-Wirkung-Beziehung bedeutet es erst, wenn es gelingt, eine im weiteren Sinne verstandene Konsistenz der statistischen Aussagen auch mit andersartigen – außerstatistischen – Beweismitteln herzustellen (sog. Kohärenz).478 So dürfte etwa die auserforschte toxikologische 476
Vgl. Dore, 28 How. L. J. 677 (697) (1985). Teilweise haben US-amerikanische Gerichte epidemiologische Studien schon als unzulässig verworfen, weil die darin enthaltene Risikoerhöhung statistisch nicht signifikant war; vgl. Brock v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 874 F.2d 307 (311 f.) (5th Cir. 1989), modified, 884 F.2d 166 (5th Cir. 1989) (dazu krit. Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (15) (1993)); Koller v. Richardson-Merrell, Inc. (zitiert bei Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (736 FN 8) (1984)). Für eine umfassende Berücksichtigung hingegen zu Recht Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (685 ff.) (1992); Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (218 ff.) (1983); Romerio, Toxische Kausalität, 71, 73 (1996). 478 Allgemein zu diesem Kriterium vgl. Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 110 ff. (1997); Hatch, Epidemiology, 15 ff., 28 f. (1998); Fletcher/Fletcher/ Wagner, Klinische Epidemiologie, 337 ff. (1999); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 70 (1994); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 59 f. (1985); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 57 f. (1997); Hernberg, Validity Aspects, 269 (280 f.) (1986); Abel, Epidemiologie des Krebses, 20 f. (1986); Maaß, Blutbleispiegel in der BRD, 30 f. (1994); auch Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (625) (1992); Dore, 28 How. L. J. 677 (697) (1985); McElveen/Eddy, 33 Cleveland 477
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Harmlosigkeit einer Substanz bei (nahezu) sämtlichen toxikologischen Tests einen deutlichen Hinweis darauf geben können, daß ein gefundener statistischer Bezug in der Schadenswirklichkeit womöglich gar keine ätiologische Entsprechung findet. Das (direkte) toxikologische Experiment an Tieren oder in vitro zeitigt in einem solchen Fall Resultate, die die ätiologische Suggestion der (indirekten) epidemiologischen Beobachtung wieder deutlich in Frage stellen. Umgekehrt würden beispielsweise positive übereinstimmende Ergebnisse breit angelegter Versuchsstudien mit verschiedenen Tierarten oder in verschiedenen In-vitro Testreihen auch eventuelle Schwächen oder Unsicherheiten des vorliegenden epidemiologischen Beweises durchaus wieder in gewissem Maße toxikologisch wettmachen können. Darüber hinaus mögen auch aktuelle fachärztliche Einzelfallberichte und Morbiditätsreportagen medizinischer Fachzeitschriften, die in der vorliegenden epidemiologischen Auswertung noch nicht berücksichtigt werden konnten, das gesammelte Datenmaterial noch weiter ergänzen und absichern können.479 Erst ein auf diese Weise gegenseitiges Ineinandergreifen der verschiedenen Beweismittelarten macht die Statistik biologisch und medizinisch plausibel und in ihrem Aussagegehalt auch für die Ursachenforschung hinreichend glaubhaft, ihre Inkohärenz führt zu ernsthaften Zweifeln. dd) Dosis-Wirkung-Beziehung Ein deutliches Anzeichen für eine kausale Abhängigkeit bedeutet es auch, wenn es gelingt, eine sog. Dosis-Wirkung-Beziehung480 zwischen Risikofaktor und Krankheit ausfindig zu machen, wenn also eine verstärkte Exposition das Ausmaß der Krankheit in der betroffenen Bevölkerungsgruppe vergrößern und umgekehrt eine Reduzierung oder Beseitigung des jeweiligen Risikofaktors das dortige Krankheitsvorkommen senken würde (auch sog. reversible statistische Assoziation).481 Abhängigkeitskurven derL. Rev. 29 (44 f.) (1984–85); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (841 f., 851) (1988); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (239, 252) (1984); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (329 f.) (1992); Romerio, Toxische Kausalität, 87 f. (1996). 479 Siehe dazu auch die Ausführungen und Nachweise in FN 444. 480 Im Englischen dose-response relationship oder dose-response gradient. Zu diesem Kriterium vgl. insbesondere Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 337 ff. (1999); Hatch, Epidemiology, 15 ff., 28 f. (1998); Sackett/Haynes/ Guyatt/Tugwell, Clinical Epidemiology, 294 ff. (1985); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 57 f., 220 f. (1997); auch Dore, 28 How. L. J. 677 (697) (1985); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (44 f.) (1984–85); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (841 f., 851) (1988); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (329 f.) (1992); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (652 f.) (1992); Romerio, Toxische Kausalität, 87 f. (1996). 481 Vgl. Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 337 ff. (1999).
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artiger Dosis-Wirkung-Beziehungen verlaufen regelmäßig nicht linear. Der menschliche Organismus ist in gesundem Zustand in der Lage, eine bestimmte Menge eines Giftstoffes schadfrei zu absorbieren und wieder auszustoßen. Erst wenn ein gewisser Schwellenwert überschritten ist, steigen die Krankheitsfälle bis zu einer Obergrenze deutlich an, um sich dann anschließend wieder nahezu zu verstetigen.482 Entsprechendes gilt für im Tierversuch ermittelte Dosis-Wirkung-Abhängigkeiten. Eine Dosis-Wirkung-Beziehung dürfte den wohl deutlichsten Ausdruck einer generellen Eignung eines Risikofaktors als conditio sine qua non für eine bestimmte Krankheit abgeben. b) Bestimmung der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit des jeweiligen Risikofaktors im Einzelfall Hat man mit Hilfe der Kriterien unter a) geklärt, daß die statistische Assoziation nicht nur auf falschem Schein beruht, sondern eine tatsächliche Ursache-Wirkung-Abhängigkeit zwischen Risikofaktor und Krankheit dokumentiert, kann und muß nun in einem zweiten Prüfungsschritt ermittelt werden, ob das einstmals auf den Kläger eingedrungene Risiko auch tatsächlich in Anbetracht aller Einzelumstände zur Verursachung gerade seiner Krankheit geeignet war [s. u. aa)], und wenn ja, mit welcher Wahrscheinlichkeit es sich gerade darin niedergeschlagen hat [s. u. bb)]. aa) Externe Validität epidemiologischer Beweismittel Da der Kläger regelmäßig nicht Teilnehmer an den vorhandenen epidemiologischen Studien gewesen sein dürfte, stellt sich vorderhand zumeist die Frage, ob sich die darin enthaltenen Ergebnisse schon im Grundsätzlichen auf seinen konkreten Krankenhergang übertragen lassen, ob also insbesondere die studieninternen Expositions- und Krankenentstehungsvoraussetzungen mit den seinigen übereinstimmen und die unter solchen Bedingungen ermittelten statistischen Risiko- und Konfidenzaussagen für seinen ätiologischen Einzelfall als zutreffende Grundlage zur (für die Festlegung des Umfanges des Proportionalhaftungsanspruches konstitutiven) Bestimmung der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit des jeweiligen Risikofaktors hinreichende externe Gültigkeit besitzen (sog. externe Validität).483 482
Vgl. die graphischen Darstellungen bei Hatch, Epidemiology, 27 ff. (1998). Zum Begriff der externen Validität vgl. insbesondere Romerio, Toxische Kausalität, 88 ff. (1996); Elwood, Causal Relationship, 172 (1992); Hatch, Epidemiology, 64 (1998); Kreienbrock/Schach, Epidemiologische Methoden, 141 f. (1997); Hernberg, Validity Aspects, 269 (273) (1986). Für die mit der Übertragung der Daten auf den Einzelfall verbundene Unsicherheit hat sich in der US-amerikanischen 483
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Aufschluß über die externe Geltungskraft verschafft insoweit ein Vergleich der klägerischen Kranken- und Expositionsdaten mit denjenigen der untersuchten Studienpopulationen. Verglichen werden muß dabei insbesondere, ob der Kläger einer studienentsprechenden toxischen Substanz in einem nach den Studienergebnissen zur Krankheitsverursachung ausreichenden Maße etwa hinblicklich Menge, Dauer und Häufigkeit ausgesetzt war,484 ob er sie auf studienentsprechende Weise resorbiert hat,485 ob zwischen Exposition und Krankheitsausbruch die bisher beobachtete Latenzzeit verstrichen ist486 und ob der klägerische Krankheitsverlauf die studienüblichen Symptome geäußert hat.487 Fraglich kann aber auch bereits die Vergleichsfähigkeit einer Studie als solche sein. So mag etwa die externe Validitierungseignung einer Studie mitunter darunter erheblich leiden, daß die TeilnehLiteratur der Begriff der individual attribution uncertainty etabliert; vgl. Brennan, 51 U. Pitt. L. Rev. 1 (23 ff.) (1989); Goldberg, Causation and Risk, 128 (1999); Kästle, Toxische Massenschäden, 31, 169 f., 173 (1993). 484 Vgl. insbesondere Sackett/Haynes/Guyatt/Tugwell, Clinical Epidemiology, 299 (1985); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2100 ff.) (1988); Black/Lilienfeld, 52 Fordham L. Rev. 732 (737 f.) (1984) (737 f.); Lyndon, 87 Mich. L. Rev. 1795 (1801) (1989); Goldberg, Causation and Risk, 37 ff. (1999); Italiano, Liability for Underground Storage Tanks, 113 (1987); Speiser/Krause/Gans, Law of Torts, § 11:27 (465) (1986); Romerio, Toxische Kausalität, 88 ff., 115 f., 118, 121 (1996). Eggen (Toxic Torts (2000)) bezeichnet diesen Vergleichsvorgang als „frequency, regularity, and proximity test“ (id. 256). 485 Der Aufnahmeweg einer toxischen Substanz (Luft, Nahrung, Haut etc.) hat entscheidenden Einfluß auf ihre spätere Wirkungsweise; vgl. insbesondere Romerio, Toxische Kausalität, 88 ff. (1996); Dore, 28 How. L. J. 677 (697) (1985). 486 Vgl. insbesondere Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 337 ff. (1999); Hatch, Epidemiology, 15 ff., 28 f. (1998); Hernberg, Validity Aspects, 269 (280 f.) (1986); Abel, Epidemiologie des Krebses, 20 f. (1986); Sackett/Haynes/Guyatt/Tugwell, Clinical Epidemiology, 299 (1985); Kreienbrock/ Schach, Epidemiologische Methoden, 57 f. (1997); Frentzel-Beyme, Epidemiologie, 59, 60 (1985); Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 70 (1994); Green, 86 Nw. L. Rev. 643 (652 f.) (1992); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (625) (1992); Dore, 28 How. L. J. 677 (697) (1985); McElveen/Eddy, 33 Cleveland L. Rev. 29 (44 f.) (1984–85); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (841 f., 851) (1988); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (239, 252) (1984); Sanders, 43 Hastings L. J. 301 (329 f.) (1992); Italiano, Liability for Underground Storage Tanks, 113 (1987); Goldberg, Causation and Risk, 37 ff. (1999); Romerio, Toxische Kausalität, 130 ff. (1996); siehe auch die Nachweise in FN 116. Der US National Childhood Vaccine Injury Act von 1986 enthält ein gleichnamiges Programm, das eine gesetzliche Vermutung für den Fall eingreifen läßt, daß sich die schädliche Nebenwirkung des Impfstoffes innerhalb einer bestimmten Latenzzeit einstellt; vgl. dazu Smith, 42 Case Western Res. L. Rev. 207 (224 ff.) (1992); Henderson/Pearson, The Torts Process, 794 (1988); Goldberg, Causation and Risk, 163 ff. (1999). 487 Vgl. insbesondere Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2100 ff.) (1988); Dore, 28 How. L. J. 677 (697) (1985); Romerio, Toxische Kausalität, 88 ff. (1996); Speiser/Krause/Gans, Law of Torts, § 11:27 (465) (1986).
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
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mergruppen studienintern zu stark gepaart und geschichtet488 worden sind und sich infolgedessen einzelne Studienergebnisse extern kaum noch verwerten und mit Fremddaten vergleichen lassen.489 Hilfreich ist es insoweit, wenn die beigezogenen Studien bereits selbst Aussagen zur externen Validitierungsfähigkeit ihrer Ergebnisse enthalten. Andernfalls müssen insoweit zusätzliche Gutachten eingeholt werden. bb) Anpassungen der beweislichen Risikoergebnisse gemäß den Risikobedingungen des individuellen Einzelfalles Sind die einzelnen Studienergebnisse in diesem Sinne extern hinreichend vergleichsfähig und lassen sie sich auch grundsätzlich auf den Einzelfall des Klägers validieren, läßt dies zumindest schon die sichere Aussage zu, daß es tatsächlich in bestimmtem (und im folgenden noch näher zu bestimmendem) Umfange wahrscheinlich ist, daß der betreffende Risikofaktor des Beklagten die ausgebrochene Krankheit des Klägers verursacht hat. Eine genauumfängliche Übertragung der studieninternen Risikoergebnisse auf den Kläger, im vorliegenden Zusammengang also insbesondere der ermittelten attributiven Risikoerhöhung für die exponierten Studienteilnehmer bzw. des entsprechenden Konfidenzwertes für die korrespondierende risikobetroffene Gesamtbevölkerung, scheitert freilich zumeist daran, daß der Kläger der durchschnittlichen Risikosituation der Studienteilnehmer bzw. der risikobetroffenen Allgemeinheit nicht in jeder Hinsicht punktgenau entsprechen wird. Zur umfänglichen Bestimmung der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit des einstmals auf ihn einwirkenden Risikofaktors (und damit auch des ersatzlichen Umfanges des Proportionalhaftungsanspruches) ist es deshalb im weiteren noch erforderlich, die studienintern ausermittelten Risikoergebnisse seiner individuellen Risikosituation insoweit anzupassen, als diese vom erfaßten und errechneten allgemeinen Risikodurchschnitt in risikorelevanter Weise abweicht.490, 491 488
Siehe dazu unter B. VII. 2. b). So im Ansatz auch Fletcher/Fletcher/Wagner, Klinische Epidemiologie, 19 ff., 181 f. (1999). 490 Die Anpassungsnotwendigkeit wird etwa entsprechend auch im sog. Wellington-Abkommen zur Bestimmung des Entschädigungsumfanges der damit erfaßten lungenkrebsgeschädigten Asbestopfer berücksichtigt; vgl. zum dortigen Berechnungs- und Anpassungsmodus im einzelnen Otte, Marktanteilshaftung, 69 ff. (1990). 491 Als Dokument partikularistischer Anpassungsnotwendigkeit kollektiv gefaßter Risikourteile mag auch das in der US-amerikanischen Literatur inzwischen schon berüchtigt gewordene blue bus-Kathederbeispiel (dazu etwa Nesson, Agent Orange Meets the Blue Bus: Factfinding at the Frontier of Knowledge, 66 B. U. L. Rev. 521 (1986)) dienen: In einer US-amerikanischen Kleinstadt verkehren zwei private 489
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B. Zum Problem der Medical Causation
(1) Expositionsbezogene Anpassungen Abweichungen und damit verbundene Anpassungsnotwendigkeiten können sich zum einen auf Grund der besonderen – durchschnittsuntypischen – Art und Weise der klägerischen Risikoexposition ergeben. So mag der Kläger etwa besonders starker Raucher (gewesen) sein, während der Arbeit überdurchschnittlich häufig mit bestimmten giftigen Dämpfen in Kontakt gekommen sein, besonders nahe an einer Giftmülldeponie gewohnt haben, während des Vietnam-Krieges besonders häufig mit Agent Orange besprüht worden sein, als Bundeswehr-Techniker der Radarabteilung in den 1960er und 1970er Jahren besonders hohen Dosen unabgeschirmter Radarstrahlung ausgesetzt gewesen sein, aus dem Tennessee River in den 1980er Jahren besonders viele Katzenfische geangelt und verspeist oder von der genannten berüchtigten Molkerei in Illinois Milch in ungewöhnlich großen MenBuslinien (X und Y), wobei X nur mit blauen und Y nur mit roten Bussen fährt. X betreibt 60% aller Busse, Y die restlichen 40%. Einer der Busse verursacht (unerkannt) einen Unfall, wobei sich nachträglich auch nicht mehr feststellen läßt, welche Farbe derjenige Bus hatte, der den Unfall verursacht hat. – Die US-amerikanische Dogmatik hat sich dieses (außertoxische) Beispiel zwar ursprünglich nur als Nachweisbeleg für die ökonomische und rechtsethische Zweckwidrigkeit der Anwendung der preponderance of the evidence-Beweismaßregel im Falle (toxisch-) kausaler Unaufklärbarkeiten konstruiert; in diesem Sinne etwa Nesson, 98 Harv. L. Rev. 1357 (1378 ff.) (1985); Thomson, 49 Law & Contemp. Probs. 199 (199 ff.) (1986); Elliott, Multiple Causes, 9 (23 f.) (1988); Kaye, 47 U. Chi. L. Rev. 34 (40) (1979); Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (59 f.) (1993); Henderson/Pearson, The Torts Process, 131 (1988); Johnson/Gunn, Tort Law, 363 f. (1994); Kästle, Toxische Massenschäden, 102 (1993). Aber selbst wenn man dieser Kritik gemäß die Haftung in diesem Falle proportional entsprechend der prozentualen Farbaufteilung des Busse verteilte und X proportional nur i. H. v. 60% und Y proportional i. H. v. 40% des entstandenen Schadens haften ließe, verbliebe bei einer solchen rein kollektivdatenbestimmten Proportionalhaftungslösung doch zumindest noch das weitere (anpassungsbezogene) Unbehagen, daß man es auf diese Weise völlig verabsäumt hätte, die kollektiven Daten auf die Besonderheiten des einzelnen Schadensfalles anzupassen. Man müßte etwa zwingend noch weiter klären, zu welchen Zeiten und an welchen Orten die Busunternehmen ihre Busse regelmäßig haben fahren lassen, wie zuverlässig die Busfahrer sind, ob man eventuell vorhandene Bremsspuren zuordnen kann, welche Busse welchen Unternehmens Kratzer aufweisen usw., was die Wahrscheinlichkeitswerte im einzelnen Haftungsfall mitunter nicht unerheblich beeinflussen dürfte. Die Einbeziehung partikularistischer Beweisumstände fordern im entsprechend konstruierten red cab-Bsp. auch Schmalbeck, 49 Law & Contemp. Probs. 221 (223 ff.) (1986); Cohen, 60 N. Y. U. L. Rev. 385 (395, 407 f.) (1985). Entsprechendes würde für das Beispiel gelten, daß nach dem Verkauf von 499 Tickets für eine bestimmte Veranstaltung 501 der 1.000 gezählten Zuschauer gatecrasher gewesen sein müssen; vgl. zum Fall Cohen, 60 N. Y. U. L. Rev. 385 (passim) (1985); Wright, 73 Iowa L. Rev. 1001 (1054) (1988); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (234) (1984). Weitere Lehrbuchbeispiele bei Nesson, 98 Harv. L. Rev. 1357 (1361) (1985); Wright, 73 Iowa L. Rev. 1001 (1057 f.) (1988).
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
161
gen bezogen und konsumiert haben et vice versa.492 Expositionsbezogene Anpassungen lassen sich relativ problemlos vornehmen, wenn sich aus den vorhandenen epidemiologischen Studien eine Dosis-Wirkung-Beziehung zwischen Risikofaktor und Krankheit erstellen läßt. Die Wahrscheinlichkeitsfunktion der auf der Gaußschen Normalverteilung abgebildeten (relativen oder attributiven) Risikowerte nebst dem herausgeschnittenen Konfidenzintervall läßt sich dann einfach entsprechend der Wertentwicklung der zugehörigen Dosis-Wirkung-Abhängigkeitskurve [s. u. a) dd)] entlang der x-Achse verschieben. Aber auch, wenn die Studiendaten unmittelbare Aussagen zur Dosis-Wirkung-Abhängigkeit entsprechend der klägerischen Expositionscharakteristika nicht zulassen, etwa weil keiner der vorhandenen Studienteilnehmer Expositionsbedingungen vergleichbar denen des Klägers aufweist und der Abhängigkeitsermittlung deshalb die klägerentsprechende studieninterne Vergleichsbasis fehlt, spricht nichts dagegen, diese zumindest näherungsweise im Maße des beobachteten Abweichungsumfanges „zu Ende“ zu schätzen. Um möglichen Konfidenzbedenken zu genügen, sollte sich die Risikoanpassung dabei nicht am klägeroptimalen Maximum, sondern am vertrauensberuhigten Mindestwert denkbarer Wirkungsentwicklung orientieren. (2) Anpassungen auf Grund des vom Risikodurchschnitt abweichenden Hintergrundrisikos des Klägers Zusätzlich zu derartigen expositionsbezogenen Anpassungen kann sich eine weitere Anpassungsnotwendigkeit auch daraus ergeben, daß die neben der fraglichen Risikoexposition bestehende sonstumfängliche Risikobetroffenheit des Klägers, sein sog. Hintergrundrisiko, vom durchschnittlichen Hintergrundrisiko der risikobetroffenen Allgemeinheit abweicht. Das Hintergrundrisiko (background risk) umfaßt das gesamte sonstumfängliche Risiko, das zusätzlich zur fraglichen Risikoeinwirkung besteht und in der Lage ist, die betreffende Krankheit auszulösen, gleichgültig, ob ihm nun ebenfalls haftungsrechtliche Bedeutung zukommt, ob es natürlichen oder menschlichen Ursprungs ist, oder ob es von einem Dritten oder vom Kläger selbst stammt.493 Eine Abweichung hat in diesem Fall notwendig zur 492
Siehe auch die weiteren Fallnennungen unter A. I. Die Literatur hat bisher auf eine klare Definition verzichtet und beläßt es weitgehend bei allgemeinen Umschreibungen, vgl. etwa Heinemann/Sinnecker, Epidemiologische Arbeitsmethoden, 93, 458 f., 466 ff. (1994); Böhning, Allgemeine Epidemiologie, 17 f. (1998); Beaglehole/Bonita/Kiellström, Epidemiologie, 167 (1997); Goldberg, Causation and Risk, 36 f. (1999); Gordis, 25 Hous. L. Rev. 837 (840 f.) (1988); Rosenberg, 24 Hous. L. Rev. 183 (191) (1987); Loser, Kausalitätsprobleme, 12 f. (1994). Soweit Konfounder [siehe unter B. VII. 2. b)] nicht bloßer 493
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B. Zum Problem der Medical Causation
Folge, daß sich der in Frage stehende Risikofaktor – trotz größenmäßig identischer Expositionsintensität – in der Betrachtung seiner umfänglichen Schädigungswahrscheinlichkeit in dem Maße verändert, wie ihm im gesamten schädigungswahrscheinlichen Risikospektrum des Klägers Platz zur eigenen Risikoentfaltung gegenüber dessen persönlichem Hintergrundrisiko gelassen wird. Ein aus der Stochastik bekanntes Urnenbeispiel mag die genannte Abhängigkeit des Umfangs der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit vom Maße des vorhandenen Hintergrundrisikos veranschaulichen:494 In einer Urne mag sich eine bestimmte Anzahl roter und grüner Bälle befinden. Die grünen Bälle mögen den Umfang des jeweiligen Hintergrundrisikos symbolisieren, die roten Bälle den Umfang des (vertraubaren und eventuell vorab expositionsbezogen angepaßten495) attributiven Risikos der in Frage stehenden Risikoexposition für den Kläger. In dieser Anordnung markiert die Wahrscheinlichkeit, daß bei Ziehung eines Balles aus der Urne der gezogene Ball rot ist, den Wert der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit der in Frage stehenden Risikoexposition. Da die Expositionsintensität größenmäßig stets identisch bleibt (z. B. 15 rote Bälle), also insbesondere Wertveränderungen des Hintergrundrisikos hinsichtlich der Schädigungswahrscheinlichkeit nicht auszugleichen vermag, zieht eine Abweichung des persönlichen (z. B. 10 bzw. 40 grüne Bälle) vom durchschnittlichen Hintergrundrisiko (z. B. 25 grüne Bälle) notwendig auch eine Veränderung des Umfanges der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit der jeweiligen Risikoexposition ((15/40) · 100% gegenüber (15/25) · 100% bzw. (15/55) · 100%) nach sich. Daraus wird zugleich deutlich: Je weniger grüne Bälle ursprünglich in die Urne eingelegt werden müssen, d.h. je risikovorsichtiger und risikoärmer der Kläger seine Lebensführung vormals gestaltete, desto positivere Auswirkungen zeitigen sich später auch hinblicklich seiner künftigen proportionalen Ersatzsituation, während hingegen umgekehrt ein besonders risikozugewandter Lebensstil vom Konzept der Proportionalhaftung nachgerade mit entsprechenden Ersatzeinbußen quittiert wird. Eine weitere Veränderung des Umfanges der kausalen Schädigungswahrscheinlichkeit vermag sich ferner daraus ergeben, daß es dem Kläger im Laufe der Beweisermittlungen gelingt, einen Teil des sonstumfänglichen RiAusdruck einer besonderen Schadensgeneigtheit (dazu sogleich im Text) des einzelnen Risikobetroffenen sind, sind auch sie Teil seines Hintergrundrisikos. 494 Zum stochastischen Urnenmodell und seinen einzelnen Abwandlungen vgl. allg. etwa Bosch, Elementare Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung, 22, 24 (1986). 495 Expositionsbezogene Anpassungen [siehe unter B. VII. 6. b) bb) (1) führten im Urnenbeispiel zu einer entsprechenden Vermehrung bzw. Verminderung der Menge der eingelegten roten Bälle.
VII. Beweismethode zur Aufklärung kausaler Wahrscheinlichkeiten
163
sikos aus seinem Hintergrundrisiko auszuschließen, und zwar indem er nachweist, daß einzelne darin enthaltene Risikofaktoren nicht ursächlich für seine Krankheit geworden sein können.496 In einem solchen Fall gehörten diese zwar ursprünglich zu seinem Hintergrundrisiko, haben sich aber in der späteren Krankheitsentstehung nachweislich nicht ausgewirkt. In unserem Urnenmodell wäre hier der Urne vor der Ziehung eine dem gelungenen Risikoausschluß entsprechende Anzahl bereits eingelegter grüner Bälle zu entnehmen und die Berechnung der Wahrscheinlichkeit des Zuges eines roten Balles unter diesen veränderten Voraussetzungen neu vorzunehmen. Auch hier gilt also entsprechend: Je mehr grüne Bälle vor der Ziehung aus der Urne entnommen werden können, je mehr Alternativursachen der Kläger also bei seinen Beweisermittlungen aus seinem Hintergrundrisiko auszuschließen vermag, desto höher fällt auch die Schädigungswahrscheinlichkeit seiner einstigen, dem Beklagten zuzurechnenden Risikoexposition und demgemäß auch sein proportionaler Ersatzanspruch diesem gegenüber aus. Vom Hintergrundrisiko des Klägers für die Krankheit zu unterscheiden ist allerdings eine eventuell bei ihm anzutreffende Schadensgeneigtheit, insbesondere erbbiologische Mängel, aber auch etwa Allergien oder Asthma. Nach allgemeinen Grundsätzen497 kann sich hier der Beklagte nicht damit entlasten, daß der Schaden unter gewöhnlichen Umständen nicht oder nicht in diesem Umfang eingetreten wäre. Daß das vom Beklagten gesetzte Risiko für den Kläger dadurch riskanter wurde, ebenso wie im übrigen auch das gesamte ihn umgebende Hintergrundrisiko, geht zu Lasten des Beklagten.498 Etwas anderes sollte hier nur dann gelten, wenn die schadensgeneigte Konstitution vom Geschädigten selbst zurechenbar verschuldet worden ist, etwa durch ungesunde Lebensführung oder wenn durch eine selbst ver496 Zu diesem Ausschluß von Alternativursachen vgl. Goldberg, Causation and Risk, 37 ff. (1999); Harvey, 89 Dick. L. Rev. 233 (239, 252) (1984); Andrues, 61 So. Cal. L. Rev. 2075 (2100 ff.) (1988); Italiano, Liability for Underground Storage Tanks, 113 (1987); Speiser/Krause/Gans, Law of Torts, § 11:27 (465) (1986); Romerio, Toxische Kausalität, 132 ff. (1996); auch Olson, Preparing for Statistical Analysis, 75 (81 f.) (1992); Abel, Epidemiologie des Krebses, 20 f. (1986); Sackett/ Haynes/Guyatt/Tugwell, Clinical Epidemiology, 299 (1985). In Umwelthaftungsfragen hat der mißlungene Ausschluß von Alternativursachen nach deutschen Recht de lege lata die Konsequenz eines Vermutungsausschlusses (§ 7 UmwHG). 497 Vgl. etwa Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem § 249 Rdnr. 67 (2002); Medicus, Schuldrecht I, Rdnr. 601 (1995), jeweils mN auf die stRspr. In den Bundesstaaten der USA gilt grundsätzlich Entsprechendes; vgl. nur Prosser/Keeton, On Torts, § 43 (280 ff.) (1984). 498 Eine sozioökonomische Nebenerwägung mag insoweit auch der Hinweis von Robinson (14 J. Leg. Stud. 779 (795) (1985)) bilden, daß die besondere Schadensanfälligkeit des Opfers (z. B. vermehrtes Auftreten von Allergien) als das Nebenprodukt gesteigerter industrieller toxischer Produktion auch zu Lasten der Industrie gehen sollte.
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B. Zum Problem der Medical Causation
schuldete Medikamentenabhängigkeit genetische Veränderungen im Körper des Klägers ausgelöst worden sind.499 Der Beklagte hat in einem solchen Falle dem Kläger gegenüber nur eine solche Risikoerhöhung zu verantworten, die eingetreten wäre, wenn sein Risikofaktor den Kläger ohne dessen selbstverschuldete Schadensgeneigtheit betroffen hätte.
VIII. Schließung verbliebener Wahrscheinlichkeitsmargen Im Einzelfall wird es freilich häufig so sein, daß das beigezogene wissenschaftliche Datenmaterial die Bestimmung eines exakten (vertraubaren) Wahrscheinlichkeitswertes entsprechend der eben dargestellten Methode zum Beweis kausaler Wahrscheinlichkeiten nicht zuläßt, sei es etwa, weil von verschiedenen Instituten durchgeführte epidemiologische Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen über die Höhe des relativen (attributiven) Risikos bzw. der zugehörigen Konfidenzwerte gekommen sind,500 weil sich die klägerischen Expositionscharakteristika diesseits oder jenseits aufspürbarer Dosis-Wirkung-Abhängigkeiten bewegen (s. u. B. VII. 6. b) bb) (1) a. E.), weil Sachverständige Schwierigkeiten bei der Kalkulation etwa aufgetretener progressiver Effekte (s. u. B. X.) haben, weil durchgeführte (unterschiedliche) Methoden meta-analytischer Datenbereinigung [(s. u. B. VII. 2. c)] abweichende Aussagen zum Maß möglicher Konfidenzkräftigung treffen, oder weil sich die klägerindividuellen Anpassungsdaten wegen des latenzlangen Zeitabstandes zur damaligen (Hintergrund-)Risikoexposition nachgerade nur noch ungenau ermitteln lassen, etwa weil der Kläger Maß, Dauer und Häufigkeit seiner damaligen Risikoexposition sowie eventuell damit konkurrierender Expositionsalternativen nur noch bruchstückhaft oder unter Aufführung allenfalls möglicher (eventuell auch nur noch erinnerungsgetragener) Ungefähr-Bezeugungen seiner- oder dritterseits dokumentieren kann oder die von ihm beigebrachten Meßdaten auf veralteten – inzwischen ungenau gewordenen – Meßmethoden vormaliger Expositionszeit beruhen. Statt aus den gesammelten Beweisdaten einen exakten Wahrscheinlichkeitswert bestimmen zu können, gelingt in derartigen Fällen lediglich der Nachweis einer mehr oder minder ausgeprägten kausalen Wahrscheinlichkeitsmarge. Es läßt sich nur sagen, daß die vormalige Risikoexposition die ausgebrochene Krankheit des Klägers mit einer Wahrscheinlichkeit von zwischen X% und Y% (Bsp.: 27% und 41%) verursacht hat und der Kläger vom beklagten Risikoerzeuger deshalb – entsprechend 499
Vgl. zu diesem letzten Beispiel allg. auch Goldberg, Causation and Risk, 36 f. (1999). 500 Auch Meta-Analysen [siehe unter B. VII. 2. c)] vermögen die vorhandenen Abweichungen mitunter nicht stets restlos zu beseitigen.
VIII. Schließung verbliebener Wahrscheinlichkeitsmargen
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der Grundsätze der Proportional Liability – (proportionalen) Ersatz in Höhe von zwischen 27% und 41% seines entstandenen Schadens beanspruchen kann. Da es sich bei dieser kausalen Wahrscheinlichkeitsmarge nicht um ein neuerliches Konfidenzintervall (gedacht insbesondere auch zur Gewinnung eines akzeptierbaren Konfidenzwertes hinreichender Vertraubarkeit; s. u. B. VII. 2. a) aa)), sondern schlicht um einen auf Grund diverser tatsächlicher Beweisbegrenztheiten auf eine diese umfangmäßig widerspiegelnde Wertspanne auseinander gedrückten bereits ausschließlich mit Hilfe von Konfidenzwerten errechneten Punktwert bestimmtwahrscheinlicher Schadensverursachung handelt, kann man sich für die endgültige Festsetzung des prozentualen Umfanges des Ersatzanspruches (in Deutschland: gemäß § 287 II ZPO501) freilich nicht einfach entsprechend den unter B. VII. 2. a) aa) angestellten Konfidenzerwägungen am niedrigsten Wert innerhalb dieser Marge orientieren, ohne gleichzeitig die mit der Proportionalhaftung angestrebten rechtsethischen und ökonomischen Ziele einseitig zum Nachteil der Geschädigten zu verfehlen. Soweit die wertmäßige Auseinanderdrückung nicht einer der beiden Seiten zuzurechnen ist, etwa weil der Risikoerzeuger den Befund erwartbar expositionsrelevanter Daten nicht in ihm möglicher und zumutbarer Weise gesichert hat oder umgekehrt der Risikobetroffene nach einer Exposition eine vernünftigerweise angezeigte (fremdfinanzierbare502) vorsorgende medizinische Begleitung nur sporadisch in Anspruch genommen und damit nachgerade eine umfassende – genauigkeitserhöhende – Anpassung der aus Fremddaten gewonnenen (kollektiv)beweislichen Risikoergebnisse an die eigenen Risikowerte seines persönlichen Krankenhergangs [s. u. B. VII. 6. b) bb)] unmöglich gemacht hat, erscheint es vielmehr zweckmäßig, die verbliebenen Restunklarheiten gleichmäßig auf Kläger und Beklagten zu verteilen und die Margengrenzen dementsprechend auf den Wahrscheinlichkeitswert (X% + Y%)/2 (im Bsp.: 34%) zusammenzuführen. Die damit erreichte – rechtsethisch begrüßenswerte – Gleichbehandlung in der Unklarheitsanlastung für beide Seiten dürfte entsprechend dem Bernoullischen Gesetz der großen Zahlen503 dazu führen, daß sich die erwartbaren (unbestimmbaren) Abweichungen vom tatsächlichen Wahrscheinlichkeitswert des Einzelfalles nach Abwicklung aller Haftungsfälle im prozentualen Mittelwert des vom einzelnen Haftungsgegner tatsächlich zu ver501 Siehe entsprechend die Ausführungen und Nachweise in FN 661. Die sonstigen haftungsbegründenden Merkmale dieses Ersatzanspruchs (§§ 830 I 2, 254 BGB analog i. V. m. der jeweils einschlägigen Haftungsgrundlage) sind freilich weiter nach den Voraussetzungen des § 286 ZPO zu beweisen, haftungsausfüllende Elemente zu Schadensentstehung und Schadensumfang können wie sonst nach den Bedingungen des § 287 I ZPO geschätzt werden. 502 Siehe unter B. IX. 4. 503 Vgl. Bosch, Elementare Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung, 45 ff., auch 150 f. (1986).
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B. Zum Problem der Medical Causation
antwortenden Gesamtschadens innerhalb des Geschädigtenkollektivs ausgleichen. Die Vielzahl möglicher Einzelfallabweichungen, die bei Vorliegen eines toxischen Massenschadens naturgemäß sichergestellt ist, vermag es damit bereits als solche, die verbliebenen Restunklarheiten in das richtige Maß der Gesamtverantwortung des jeweiligen Haftungsgegners aufzulösen. Verbliebene kausale Wahrscheinlichkeitsmargen lassen sich somit in der vorgezeichneten Weise, ohne Zweckeinbußen bei der beweismethodischen Umsetzung des Proportionalhaftungskonzepts befürchten zu müssen, problemlos schließen. Der Umfang des Proportionalanspruches kann dementsprechend klar bestimmt werden.
IX. Vorschläge zur Überwindung der Latenzzeit Bislang ungeklärt geblieben ist noch die Frage, wie rechtlich mit der nach einer toxischen Risikoeinwirkung regelmäßig noch zu gewärtigen Latenzzeit bis zum möglichen Umschlag der Risikoeinwirkung in einen Krankheitsausbruch umgegangen werden soll. In dieser Zeitphase scheitert die Anwendung des – wie wir eben gesehen haben: beweismethodisch umsetzbaren – Haftungskonzepts der Proportional Liability (einschließlich aller sonstigen bisher besprochenen Lösungsversuche) zwingend am noch fehlenden Eintritt eines (verursachungswahrscheinlichen) Deliktserfolges. Auswirkungen hat dies insbesondere auf die ökonomische Zweckbewertung der Proportionalhaftung. Eine gegenwärtige präventive Einwirkung auf den Risikoakteur bleibt ohne eine der Risikoimmission zügig nachfolgende Ersatzhaftung Illusion.504 Eine Orientierung seiner Sorgfalt an der Formel von Learned Hand505 ist für ihn solange ausgeschlossen, wie die Latenz der Proportionalhaftung den Ersatzgrund noch vorenthält. Der (deliktsuntypische) Aufschub des von ihm zu verantwortenden Risikoumschlags in eine Krankheit verschafft ihm hier eine Art Kredit zeitlicher Haftungsfreiheit ohne eigene zinsliche Drangabe für den in der Zwischenzeit genossenen finanziellen Eigenmittelbelaß. Im Bewußtsein dieses Zeitkredits könnte ein 504
Vgl. Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (1985) („Long-lagged effects (. . .) escape deterrence“ (id. 784)), Delgado, 70 Cal. L. Rev. 881 (1982) („delayed penalty“ (id. 894 FN 73)); Feldman, 74 Tex. L. Rev. 1 (1995) („pernicious effect on deterrence“ (id. 41)); Brennan, 46 Vand. L. Rev. 1 (1993) („weak deterrent signal“ (id. 6)); Farber, 71 Minn. L. Rev. 1219 (1242 f.) (1987); Coffee, 95 Colum. L. Rev. 1343 (1355 f.) (1995); Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (187) (1983); Viscusi, Toxic Torts, 126 (132) (1992); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 102 f. (1993); Göben, Arzneimittelhaftung, 144 (1995). Staudinger/Hager (BGB, Vorbem §§ 823 ff. Rdnr. 10 (1999)) weisen in diesem Zusammenhang auf das gleichursächliche Problem beim gewerblichen Rechtsschutz hin. 505 Siehe unter B. I. 3. a). Vgl. auch Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (802 f.) (1997); Lyndon, 12 Yale J. Reg. 137 (141) (1995).
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Unternehmer im Grunde genommen sogar jeder gegenwärtigen Einflüsterung eigennutzenmaximierender Rücksichtslosigkeit ungehemmt nachgeben und auf eine aufwendige und teure Sicherheitsprüfung zugunsten des schnellen Profits vollends verzichten.506 Die Unsicherheit seines Produkts mutierte hier – anders als noch im Normalfall latenzzeitloser Schädigung, wo auf Grund der zeitnahen Kosteninternalisierung regelmäßig sogar eine Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Produktsicherheit erreicht werden kann [s. u. B. I. 3. b) cc)] – sogar zum Kennzeichen seiner Marktfähigkeit et vice versa. Während die Latenz das ungewisse Schicksal der Exponierten markiert, bedeutet sie für den Unternehmer insoweit einen deliktsrechtlichen Freibrief für gewinnbringende Produktion. Wer unter solchen Bedingungen schnell reich werden will, produziert mithin sozialriskant. Das letzte Wort über die (ökonomische) Zweckmäßigkeit der Proportional Liability im Falle medizinischer Verursachungsunklarheit ist somit auf Grund der angesprochenen Latenzzeitproblematik noch nicht gesprochen. Es fragt sich sonach, ob ein Weg gefunden werden kann, diese von der Latenzzeit geschlagene präventive Einwirkungslücke auf den Deliktsadressaten nebst der damit verbundenen Verzögerung im Hinblick auf die Verwirklichung auch der übrigen ökonomischen Deliktszwecke bis zum Ausbruch der Krankheit haftungsrechtlich zu beheben oder zu überbrücken. 1. Risikohaftung ex ante Da das ökonomische Zweckoptimum der Proportional Liability demnach eigentlich nur noch durch die zeitferne Anwendung ihrer Grundsätze gestört wird, schlägt ein Teil der Autorenschaft vor,507 das Konzept der Proportional Liability gleichsam dadurch latenzzeitlos auszugestalten, daß nicht erst die spätere und in gewissem Umfange wahrscheinliche Risikover506 Vgl. Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (1983) („Thus, some businesses may simply pursue immediate profits without regard for the long term.“ (id. 212)); Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (1985) („managerial incentives skew decision making toward short-term gains“ (id. 784 f.)); Berger, 97 Colum. L. Rev. 2117 (1997) (Beweisunsicherheit und time-lag „tip the balance in favor of resolutions that maximize short-term objectives“ (id. 2140)); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (774 ff.) (1997) („short-term profit motivations of corporate officials“ (id. 785)). Der Unternehmer unterliegt einem ständigen Moral Hazard, Risiken seines Produkts zu verschleiern, auch um die Beitragshöhe einer Versicherung niedrig zu halten (siehe dazu unter B. I. 3. b) aa) (bei FN 191)). 507 Etwa Carson, 60 Wash. L. Rev. 635 (645 ff.) (1985); Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (788) (1985); Landes/Posner, 13 J. Leg. Stud. 417 (418, 429) (1984); Schroeder, 37 UCLA L. Rev. 439 (440 u. passim) (1990); Rose-Ackerman, 19 J. Leg. Stud. 739 (739 FN 2) (1990); Kästle, Toxische Massenschäden, 312 f. (1993); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 111, 118 (1993).
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wirklichung im Schaden den Grund für die Haftung bilden solle, sondern vielmehr bereits die Tatsache der Risikoexposition als solche.508 Gerade dadurch, daß der Zeitpunkt der Proportionalhaftung auf den Zeitpunkt des Risikokontakts nach vorne verlegt wird, solle erreicht werden, daß der sich anschließende zeitintensive ätiologische Prozeß einer eventuellen Schadensentstehung sowie die Schadensentstehung als solche für die weitere deliktsrechtliche Betrachtung bedeutungslos werden.509 Hinsichtlich der Rechtsfolgen einer solchen Risikohaftung ist man sich innerhalb dieser Autorenschaft allerdings uneins: Während ein Teil510 dem Kläger unmittelbar eine proportionale Ausgleichssumme im Umfang der betreffenden Risikoexposition zusprechen will, richtet sich der Anspruch nach einer anderen Meinung511 nur auf die regelmäßige Zahlung von Gebühren für den Abschluß einer das Risiko künftiger Schadensentstehung abdeckenden Versicherung. Was auf den ersten Blick als die erhoffte präventions- und internalisierungsschaffende Überwindung der Latenzzeitproblematik erscheinen mag, erweist sich jedoch bei näherem Hinsehen als in der beweisverfahrensrechtlichen Praxis regelmäßig undurchführbar und aus prozeßökonomischer Sicht sogar kontraproduktiv. Wie wir bereits im Kapitel zur Beweismethodik gesehen haben,512 setzt die Bestimmung eines genauen Risikoumfanges 508 Neben dem Risiko der künftigen Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung wird der Haftungsgrund teilweise auch in der Verletzung der Menschenwürde und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gesehen; vgl. Elliott, 25 Hous. L. Rev. 781 (788 f.) (1988); Köndgen, UPR 1983, 345 (348 f.). Die von Rest (Luftverschmutzung und Haftung, 76 ff. (1986)) gezogene Parallele zum Nachbarrecht (§ 906 II 2 BGB) trägt hingegen nicht, da dort nicht das Risiko einer Gesundheitsverletzung entschädigt wird, sondern die Beeinträchtigung der unbeschränkten Nutzung des Eigentums. 509 Vgl. Lyle, 61 Tex. L. Rev. 1297 (1335) (1983); Goldberg, Causation and Risk, 31 (1999). Die Schadensentstehung behält für die deliktsrechtliche Betrachtung allenfalls noch insoweit Relevanz, als ein Teil der Autoren dem Betroffenen ein Wahlrecht zwischen der Risikohaftung und einer später möglichen Schadenshaftung, etwa in Form der Proportional Liability, zusprechen will; so Carson, 60 Wash. L. Rev. 635 (648) (1985); ähnlich auch Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (788) (1985); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 125 (1993). 510 So Landes/Posner, 13 J. Leg. Stud. 417 (418, 429) (1984); allg. kritisch zur Auffassung von Landes/Posner Wright, 14. J. Leg. Stud. 435 (1985); ders., 63 Chi.Kent L. Rev. 553 (passim) (1987); Schwarze, Kausalitätsregeln bei Wahrscheinlichkeitsschäden, 18 FN 32 (1996). 511 So Carson, 60 Wash. L. Rev. 635 (648 ff.) (1985); Kästle, Toxische Massenschäden, 307, 313 f., 316 (1993); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 108 ff. (1993); Rose-Ackerman, 19 J. Leg. Stud. 739 (739 FN 2) (1990); Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung (1994) (bezeichnet diese Lösung als „interessant“ (id. 210)); Schroeder, 37 UCLA L. Rev. 439 (440 u. passim) (1990) (mit der Modifikation, daß die Zahlung der Gebühren nicht direkt, sondern über des Umweg eines gerichtlich gebildeten Haftungsfonds erfolgen sollte).
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die epidemiologische Erforschung des zugehörigen Krankenstandes in der Bevölkerung zwingend voraus. Sofern epidemiologische Daten zu den beteiligten Risikofaktoren, etwa mangels Erforschungsmöglichkeit auf Grund eines in der Vergangenheit bislang noch ausgebliebenen toxischen Massenschadens im jeweiligen Risikobereich, noch nicht vorliegen, ist es unmöglich, genauumfängliche Risikoangaben zur aktuell vorhandenen Risikosituation abzugeben. Die vor Auftreten der ersten Krankheitsfälle ausschließlich möglichen toxikologischen Tests an Tieren oder in vitro taugen nur zum Aufspüren möglicher toxischer Gefahren ungewissen Ausmaßes, ohne daß die externe Validität ihrer Ergebnisse für den Menschen wissenschaftlich irgendwie geklärt werden könnte. Es macht insoweit keinen Sinn, einen Haftungstatbestand zu etablieren, dessen wesensbestimmendstes Element man nach derzeitiger Beweismethodik in aller Regel ohnehin noch gar nicht beweisen kann. Abgesehen von dieser regelmäßigen Nachweisunmöglichkeit des haftungsbestimmenden Risikoumfanges ließe sich zudem ohne Vorliegen eines Schadens in den allermeisten Fällen auch der individuelle Umfang des zu leistenden Ersatzes nicht genau beziffern.513 Während sich im Normalfalle des Schadensersatzes die einzelnen Komponenten des zu ersetzenden Schadens, wie etwa die Kosten für eine Heilbehandlung, für eine Pflegeperson, Verdienstausfall etc., im allgemeinen noch relativ exakt ermitteln lassen, könnte sich eine „Risikoentschädigung“ allenfalls an Ausmaß und Beschaffenheit eines künftig (möglicherweise niemals) entstehenden Schadens orientieren. Da es aus medizinisch-prognostischer Sicht jedoch häufig unklar bleiben dürfte, in welchem Maß die Krankheit im Falle ihres Ausbruches beim einzelnen Risikogeschädigten künftig anschlagen wird, könnte eine Risikoentschädigung für den jeweilig Betroffenen gegenwärtig allenfalls geraten oder anhaltslos geschätzt werden, böte also insoweit noch keinesfalls eine ausreichende Grundlage für eine gemeinhin zulässige richterliche Schadensschätzung. Selbst wenn man nun diese proportionalen und komponentiellen Schwierigkeiten bei der Bestimmung des Entschädigungsumfanges einmal beiseite läßt, wäre die Einführung einer Risikohaftung aber auch aus rein prozeßökonomischer Sicht nicht sonderlich wünschenswert. Denn wenn schon allein das Risiko, unabhängig vom Eintreten oder Ausbleiben eines Schadens, das haftungsauslösende Moment bilden soll, würde dies die Zahl der An512
Siehe unter B. VII. 2. u. 3.; ferner Brennan, 46 Vand. L. Rev. 1 (66) (1993); Lyle, 61 Tex. L. Rev. 1297 (1335) (1983); Kästle, Toxische Massenschäden, 317 (1993); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 123 ff. (1993); Schwarze, Kausalitätsregeln bei Wahrscheinlichkeitsschäden, 18 FN 32 (1996). 513 Vgl. Lyle, 61 Tex. L. Rev. 1297 (1335) (1983); Schroeder, 37 UCLA L. Rev. 439 (477 ff.) (1990); Romerio, Toxische Kausalität, 195 f. (1996).
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sprüche und der eventuell zu erwartenden Prozesse um den Betrag erhöhen, um den die Schädigung im jeweiligen Einzelfall ausbleibt.514 Bei geringprozentigen Risiken mag sich so mitunter eine mehrhundertgroße Verzigfachung proportionaler Prozeßrechtsverhältnisse bei gleichzeitiger Verflüchtigung des jeweiligen Anspruchsumfanges im Einzelverhältnis ergeben. Der deliktsrechtlich zu verantwortende Risikoausstoß pulverisiert sich auf diese Weise, d.h. ohne eine vorherige Aussonderung der Fälle, in denen niemals ein Schaden entstehen wird, gleichsam in einer unsortierten Betroffenheitsmasse des breiten Risikokontaktes. Dies führt zugleich zu der seltsamen, bisher nicht gekannten Erscheinung eines zweiten Windfalls: Nicht nur derjenige Teil des Risikokollektivs erhält einen Ausgleich, der bloß einem natürlichen Risiko zum Opfer gefallen ist (1. Windfall), sondern auch derjenige Teil, der niemals einen Schaden entwickeln wird (2. Windfall). Eine Versicherungslösung könnte insoweit nur den 2. Windfall überwinden helfen, den eine Soforthaftungslösung erst manchen Klägern unnötigerweise – wenn auch mitunter in ziemlich pulverisierter Form – bereiten würde.515 Am Rande sei hier noch angemerkt, daß eine Risikohaftung bisweilen sogar Schwierigkeiten hätte, den Gleichbehandlungsgrundsatz unter den mehreren Risikogeschädigten in jedem vorhandenen Einzelfall zu wahren, da ein Risikoersatz aus faktischen Gründen etwa für solche Risikobereiche ausscheiden müßte, in denen die Exposition für die Betroffenen unmerklich verläuft und das einstige Risiko sich erst in einer späteren (überraschenden) Krankheitsentstehung offenbart. Diesen Risikobetroffenen bliebe dann im Gegensatz zu anderen für die Latenzdauer eine Risikoentschädigung aus Unkenntnis über ihren eigenen Risikoanspruch verwährt. Eine Haftungsvorverlagerung in Form einer Risikohaftung ist nach alledem mithin weder praktisch realisierbar noch prozeßökonomisch erstrebenswert noch rechtsethisch vollkommen bedenkenfrei und kann deshalb einem Rechtssetzungsorgan als geeignetes Mittel zur Überwindung der Latenzzeit nicht angeraten werden.
514 Zur insoweit befürchteten Prozeßflut vgl. Boden, 13 J. Leg. Stud. 507 (515) (1984); Robinson, 14 J. Leg. Stud. 779 (796) (1985); Eggen, 55 U. Pitt. L. Rev. 889 (906 f.) (1994); Nagareda, 94 Mich. L. Rev. 899 (915) (1996); Romerio, Toxische Kausalität, 196 (1996). 515 Anderer Auffassung offenbar Carson, 60 Wash. L. Rev. 635 (649 f.) (1985), der sogar eine vollständige Überwindbarkeit des Windfall-Problems mit Hilfe einer Risikohaftung annimmt.
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2. Kausalitätsverzicht bei Verschulden des Schädigers Vereinzelt hat man auch versucht, die Latenzzeitprobleme dadurch zu lösen, daß man schlichtweg den Kausalitätsbegriff mit Hilfe außerkausaler (latenzzeitunabhängiger) Merkmale neu definiert. Wendy E. Wagner516 hat vorgeschlagen, statt auf die momentan noch nicht nachweisbare individuelle Kausalität allein auf das Verschulden517 des Beklagten abzustellen und Erstere durch Letzteres zu ersetzen. Der Kläger solle neben einer ausreichenden Exposition und einer sonst üblicherweise daraus folgenden Krankheit prima facie nur noch nachweisen müssen, daß der Beklagte die schädigende Wirkung seines Produktes bei Inverkehrgabe vernünftigerweise hätte voraussehen können.518 Ob dies der Fall sei, solle im Rahmen einer gewöhnlichen Verschuldensprüfung geklärt werden.519 Bedenken gegen eine solche Verschuldenslösung des Kausalproblems sind freilich schnell zur Hand, erwägt man nur die dafür erforderlichen massiven Eingriffe in das deliktische Haftungssystem. Durch die Neuausrichtung des Kausalitätsmerkmals am Verschuldensbegriff hätte man mit einem Schlag alle Gefährdungs- in Verschuldenshaftungen umfunktioniert, Gefährdungshaftungen als Haftungsform mithin zumindest für die Phase der Latenzzeit de facto abgeschafft. Der gesetzgeberische Wille zu einer verschuldensunabhängigen Haftung wäre ex cathedra außer Kraft gesetzt worden. Der jeweils verfolgte Zweck bliebe unerfüllt. So wollen Gefährdungshaftungen bisweilen einen im Schadensfalle notwendigen besonderen Ausgleich für ein im übrigen sozial erwünschtes gefährliches Tun schaffen (s. 516 96 Yale L. J. 428 (428 ff.) (1986); dies., 82 Corn. L. Rev. 773 (773 ff.) (1997); dies., 95 Colum. L. Rev. 1613 (1685 ff.) (1995). 517 So insbesondere Wagner, 96 Yale L. J. 428 (430, 446, 448) (1986). 518 Vgl. Wagner, 96 Yale L. J. 428 (430 f., 445 ff.) (1986); dies., 82 Corn. L. Rev. 773 (834 f.) (1997). 519 Vgl. Wagner, 96 Yale L. J. 428 (430 f., 445 ff.) (1986). Das gesamte Konzept von Wagner (96 Yale L. J. 428 (430 f., 442 ff.) (1986); 82 Corn. L. Rev. 773 (780 ff.) (1997)) beruht auf dem grundlegenden (zweifachen) Denkfehler, daß man toxische Kausalitäten ohne statistische Beweismittel nachweisen kann, wenn der Beklagte vorab nur gewisse toxikologische Minimaltests durchgeführt hat (1. Denkfehler), zu denen dem Kläger selbst die eigenen Mittel fehlen (2. Denkfehler). Zur Notwendigkeit epidemiologischer Studien siehe unter B. VII. 2. u. 6. und zur allseitig gleichmäßigen Zugangsmöglichkeit zu toxikologischen und epidemiologischen Beweismitteln unter B. II. 2. b). Vgl. auch die Kritik bei Romerio (Toxische Kausalität, 180 FN 93 (1996)), der Wagner einen Zirkelschluß vorhält; ferner Sanders, 46 Stan. L. Rev. 1 (17 FN 69) (1993). Eine nähere Darstellung ihrer Ansicht ist widerspruchsfrei nicht denkbar und soll deshalb nachfolgend auch unterbleiben. Die weiteren Ausführungen beschränken sich auf die Fragestellung, ob es allgemein sinnvoll ist, den Kausalitätsbegriff mit Verschuldenserwägungen aufzufüllen.
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etwa § 84 AMG),520 den man allein mit Verschuldenserwägungen niemals erreichen könnte. Weitere Bedenken bestehen freilich wegen der drohenden Vollhaftung der Beklagten im Außenverhältnis. Insoweit führt diese Ansicht zu entsprechenden Konsequenzen wie eine Umkehr der Beweislast oder eine Ursachenvermutung, so daß auf die dortige Kritik verwiesen sein soll.521 Noch spitzer formuliert als dort könnte man hier sogar von einer schadensunabhängigen Verdachtshaftung in Form einer verursachungsunabhängigen Gesinnungshaftung sprechen. 3. Bewegliches System der Haftungsvoraussetzungen Statt allein auf das Verschulden abzustellen, könnte man für die Zeitdauer der Latenz freilich auch sämtliche Haftungsvoraussetzungen des jeweils einschlägigen Deliktstatbestands dergestalt miteinander kombinieren, daß der Wegfall oder die Reduktion einer einzelnen Voraussetzung durch die besondere Stärke der übrigen wieder aufgewogen und allenfalls anspruchsmindernd bei der Bemessung des klägerischen Schadensersatzes berücksichtigt wird (sog. bewegliches System der Haftungsvoraussetzungen).522 Steht nach einer Risikoexposition beispielsweise ein besonders weitreichender Schaden in Aussicht, handelte der Beklagte bei der Risiko520
Zu diesem und weiteren möglichen Zwecken einer Gefährdungshaftung (Strict Liability) vgl. nur Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 84 I 2 (1994); Prosser/Keeton, On Torts, § 75 (1984). 521 Siehe unter B. II. 3. 522 Die Lehre vom beweglichen System der Haftungsvoraussetzungen wurde in den 1940er Jahren von Walter Wilburg begründet; vgl. vor allem Wilburg, Elemente des Schadensrechts, 28 ff. (1941); dens., Die Entwicklung eines beweglichen Systems im bürgerlichen Recht (1950). Sie wurde von der Wissenschaft inzwischen vielfach aufgegriffen und für einzelne Rechtsbereiche weiter konkretisiert; vgl. etwa Bydlinski, Methodenlehre, 529 ff. (1991); dens., Bewegliches System, 21 (27 f.) (1986); Schilcher, Theorie der sozialen Schadensverteilung, 184 ff. (1977); Westerhoff, Bewegliches System (1991); Steininger, Bewegliches System, 1 (3 ff.) (1986); Mayer-Maly, Rechtswissenschaft, 72 (1991); Koziol, Bewegliches System, 51 (1986) (Gefährdungshaftung); Loser, Kausalitätsprobleme, 231 ff. (1994) (Umwelthaftung); von Bar, Bewegliches System, 63 (1986) (Verkehrssicherungspflichten); Deutsch, Bewegliches System, 43 (1986) (Schuldunfähigkeit und Selbstverschulden); Baumann, AcP 187, 511 (543) (1987) (Sachmängelhaftung). Ihren Ursprung hat diese Lehre im Schweizer Obligationenrecht, das dem Richter bei der Bestimmung des Schadensersatzes grundsätzlich einen weiten Ermessensspielraum einräumt; vgl. Art. 43 S. 1 OR: „Art und Grösse des Ersatzes für den eingetretenen Schaden bestimmt der Richter, der hierbei sowohl die Umstände als die Grösse des Verschuldens zu würdigen hat.“ (Hervorhebung nicht im Original). Als Umstände sind dabei neben einer Reihe außergesetzlicher Begebenheiten, wie z. B. den wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Beteiligten, insbesondere auch Art und
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setzung besonders grob schuldhaft, indem er etwa auf jegliche Sicherheitsvorkehrungen beim Risikoauswurf verzichtete, hätte eine Risikoverwirklichung eine dauerhafte Beeinträchtigung des Klägers zur Folge und trifft den Kläger selbst keinerlei oder allenfalls geringfügige Mitverantwortung für die eigene Risikosituation, könnte man nach den Vorgaben dieses Haftungssystems erwägen, den Haftungstatbestand der Proportional Liability für diesen Fall etwa auf die Art umzugestalten, daß der während der Latenzphase regelmäßig nur „schwach“ mit Hilfe toxikologischer Studien „an“-beweisbare Umfang der Schädigungswahrscheinlichkeit bis zu einem gewissen Grade mittels der außerordentlich deutlichen Erfüllung der genannten außerkausalen Merkmale „zu Ende“ bewiesen und die daraus folgende proportionale Klägerentschädigung stellvertretend anhand der aufaddierten Nachweisstärke der einzelnen Haftungsvoraussetzungen bestimmt werden darf. Auf diese Weise könnte der Kläger bereits gegenwärtig entschädigt werden, obwohl ein Schaden bei ihm noch gar nicht entstanden ist und auch die Schädigungswahrscheinlichkeit mit Hilfe derzeit möglicher Beweismethoden noch gar nicht ermittelt werden kann. Der besondere Charme eines solchen beweglichen Systems besteht zweifelsohne in seiner flexiblen Handhabbarkeit bei der Lösung an sich unlösbarer Einzelfallprobleme. Der Kläger braucht bei seinen Beweisbemühungen nicht schon deshalb zu resignieren, nur weil ihm der Nachweis einer einzelnen Tatbestandsvoraussetzung nicht gelingen mag. Seine diesbezüglich vorhandenen Beweisschwierigkeiten könnte er jederzeit durch besondere Beweisfähigkeiten an anderer Stelle des Deliktstatbestands wieder gutmachen. Auch dem Richter dürfte seine Aufgabe durch die hinzugewonnene Flexibilität etwas erleichtert werden können, da er nun im Einzelfall die Erfüllung eines heiklen Merkmals einfach dahingestellt sein lassen kann, wenn aus seiner Sicht bereits das breite Spektrum sonstiger Umstände für die Ersatzfähigkeit des entstandenen Schadens spricht. Die Nachteile einer solchen Lösung sind jedoch unübersehbar. Denn wenn man einen Haftungstatbestand beweglich ausgestaltet, führt dies unvermeidlich zu einer gewissen Unbestimmtheit und Beliebigkeit seiner Grundsätze. Sein einstmals rechtspolitisch klar gefaßter Regelungssinn, der gewöhnlich dem Haftungsbegünstigten das tragende materiell-rechtliche Argument für die Legitimität seiner Kompensationsbestrebung und dem Haftungsbetroffenen den notwendigen Einsichtsgrund für die gegen ihn getroffene Entscheidung verschafft, verformt sich auf diese Weise zu einer frei dehn- und knetbaren Modelliermasse richterlichen Billigkeitsdenkens. Die Haftungstatbestände werden gleichsam einer Metamorphose ihrer selbst in Schwere der Erfüllung sonstiger Haftungsvoraussetzungen zu berücksichtigen; vgl. etwa Oftinger, Haftpflicht I, 275 ff. (1975).
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eine zu Beginn ihrer inneren Normbewegung noch unbekannte Sollensform unterzogen. Sie von vornherein noch rechtssicher bestimmen zu können, schwindet im Maße der von rechtsanwendender Hand in Gang gesetzten Zirkulation ihrer einzelnen Voraussetzungen. Dehnt und bewegt man speziell die Haftungsgrundsätze der Proportional Liability, um ihr zentrales tatbestands- und rechtsfolgenbestimmendes Element der kausalen Wahrscheinlichkeit schon vor Ablauf der Latenzzeit „beweisen“ zu können, würde der Beklagte aller Voraussicht nach letztlich wohl nur deshalb in bestimmten Proportionen haften müssen, weil der Klägerschaden der ersten Prognose nach groß und sein Verschulden grob ausgefallen sind, und nicht, weil die Schadensverursachung durch ihn auch tatsächlich im haftungsverhängten Umfange wahrscheinlich gewesen ist. Auch im übrigen ist an dieser Lehre zahlreich Kritik geübt worden. Darauf soll hier im einzelnen verwiesen sein.523 4. Medical Monitoring Es ist nach alledem somit zu akzeptieren, daß die Grundsätze der Proportional Liability erst nach Ausbruch der Krankheit, also frühestens ab Vorliegen einer (unaufklärbaren) Kausalität, zur Anwendung kommen können. Es ist nicht möglich oder zweckdienlich, ihre Grundsätze im Wege einer Risikohaftung zeitlich nach vorne zu ziehen oder einzelfallabhängig mit Hilfe außerkausaler Kriterien zu bestimmen. Zur Behebung der während der Latenzzeitphase bestehenden Präventionsdefizite scheint es vielmehr notwendig zu sein, eine – das herkömmliche Deliktsrecht einschließlich der Grundsätze der Proportional Liability ergänzende – Haftungslösung zu etablieren, die zum einen die künftige Beweislage des Risikobetroffenen hinsichtlich der Verursachungsverhältnisse nach Ausbruch der Krankheit vorbereiten, zum anderen aber auch schon gegenwärtig seinen medizinischen und „emotionalen“524 Bedürfnissen nach vorausschauender Gesund523 Die üblicherweise in der Literatur geäußerte Kritik bezieht sich meist auf Bedenken wegen einer möglichen Auflösung der Haftungstatbestände sowie auf eventuell damit verbundene Gefahren bezüglich der Sicherheit und Einheit des Rechts; vgl. Larenz, Methodenlehre, 469 f., 478 f. (1991); Lange, Schadensersatz I, 19 f. (1990); Deutsch, Haftungsrecht I, 334 f. (1976); Weckerle, Verantwortlichkeit mehrerer, 31 (1974). Ferner wird auf die Möglichkeit hingewiesen, daß die Unklarheit in der Anwendung der Voraussetzungen dieser Lehre zu einer Abnahme der Vergleichsbereitschaft und einer entsprechenden Zunahme der Gerichtsprozesse unter den Beteiligten führen könnte; vgl. Deutsch, Haftungsrecht I, 334 f. (1976). 524 Die „emotionalen“ Bedürfnisse der einzelnen Risikobetroffenen im Verlaufe eines Monitoring-Verfahrens sind vielgestaltig und sollten nicht unterschätzt werden. Ihre Situation ist während der Latenzzeit regelmäßig gekennzeichnet von einer lähmenden, bereits gegenwärtig auf die eigene Befindlichkeit abschattende Ungewiß-
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heit über ihre Zukunft, ihre weitere Lebens- und Karriereplanung, ihre für später erhoffte, aber eventuell von kräfteaufzehrendem Leid und ermattendem Darniederliegen enttäuschte unbehinderte geistige und seelische Lebensvervollkommnung bis ins Alter sowie die Aussicht auf einen würdevollen und schmerzfreien Tod. Häufig besteht bei Einzelnen auch die unbestimmte Angst vor möglicherweise mit einer Erkrankung verbundenen unerträglichen Schmerzen, den Strapazen eventuell erforderlicher schwerer Operationen, der Abgesondertheit und dem Alleinsein im Krankenbett sowie dem schrittweisen Zerfall und der Auflösung der eigenen körperlichen und seelischen Persönlichkeit. Vgl. dazu insgesamt auch die bewegende Schilderung von Hjelmstad, Fine Black Lines: Reflections on Facing Cancer, Fear and Loneliness (1993). Die US-amerikanische Rechtsprechung hat diese Ängste und Ungewißheiten der Klägers während der Latenzdauer gelegentlich aufgegriffen und dafür gesondert Ersatz auf der Grundlage eines Anspruches wegen Emotional Distress gewährt; vgl. insbesondere Payton v. Abbott Laboratories, 437 N.E.2d 171 (177) (Mass. 1982) sowie die Nachweise im folgenden; ablehnend etwa Ayers v. Township of Jackson, 525 A.2d 287 (294 ff.) (N.J. S.Ct. 1987). Um eine ausufernde Haftung sowie die betrügerische Erschleichung eines „emotionalen“ Ersatzes zu vermeiden, fordern die Gerichte dafür jedoch zumeist, daß dem emotionalen Elend entweder eine physische Einwirkung vorausgegangen oder eine körperliche Beeinträchtigung, etwa in Form von Schlafstörungen, regelmäßigen Angstzuständen, Persönlichkeitsstörungen oder Depression, nachgefolgt ist; vgl. zuvörderst das Restatement (Second) of Torts, Section 436 A: „If the actor’s conduct is negligent as creating an unreasonable risk of causing either bodily harm or emotional disturbance to another, and it results in such emotional disturbance alone, without bodily harm or other compensable damage, the actor is not liable for such emotional disturbance“; weiterführend Payton v. Abbott Laboratories, 437 N.E.2d 171 (177) (Mass. 1982); ferner Falzone v. Busch, 214 A.2d 12 (N.J. 1965); Portee v. Jaffee, 417 A.2d 521 (N.J. 1980); Eyrich for Eyrich v. Dam, 473 A.2d 539 (N.J.Super. 1984); Devlin v. Johns-Manville Corp., 495 A.2d 495 (N.J.Super. 1985); Plummer v. Abbott Laboratories, 568 F.Supp. 920 (R.I. 1981); Morrissy v. Eli Lilly Co., 394 N.E.2d 1369 (Ill.Ct.App. 1979); Mink v. University of Chicago, 460 F.Supp. 713 (N.D.Ill. 1978); Mergenthaler v. Asbestos Corp. of. Am., 480 A.2d 647 (651) (Del.Super. 1984); DeStories v. City of Phoenix, 744 P.2d 705 (Ariz.Ct.App. 1987); Cathcart v. Keene, 471 A.2d 493 (Pa.Super. 1984); Deleski v. Raymark Industries, Inc., 819 F.2d 377 (3rd Cir. 1987); In re Hawaii Fed. Asbestos Cases, 734 F.Supp. 1563 (1569) (D.Haw. 1990); Wisniewski v. Johns-Manville Corp., 759 F.2d 271 (3rd Cir. 1985); Anderson v. W.R. Grace & Co., 628 F.Supp. 1219 (D.Mass. 1986); Laswell v. Brown, 683 F.2d 261 (8th Cir. 1982); Woyke v. Tonka Corp., 420 N.W.2d 624 (Minn.Ct.App. 1988); Eagle-Picher Industries, Inc. v. Cox, 481 So.2d 517 (Fla.Ct.App. 1985); Simmons v. Pacor, Inc., 674 A.2d 232 (Pa. 1996); Temple-Inland Forest Products Corp. v. Carter, 993 S.W.2d 88 (Tex. 1999); Metro-Commuter R. Co. v. Buckley, 521 U.S. 424 (1997). Zudem müsse die Angst vor der Krankheit nach den Umständen des Einzelfalles „reasonable“ gewesen sein; so etwa In re Moorenovich, 634 F.Supp. 634 (637) (D.Me. 1986). Auf den Nachweis physischer Ein- oder Auswirkungen verzichten die Gerichte nur bei besonders rücksichtslosem oder vorsätzlichem Verhalten des Beklagten; vgl. etwa Capital Holding Corp. v. Bailey, 873 S.W.2d 187 (Ky. 1994); Moore v. Allied Chemical Corp., 480 F.Supp. 364 (E.D.Va. 1984); Linker v. Custom-Bilt Machinery, Inc., 594 F.Supp. 894 (E.D.Pa. 1984); Simon v. Solomon, 431 N.E.2d 556 (Mass. 1982); Sypert v. United States, 559 F.Supp. 546 (D.C. 1983); ohne diese Einschränkung allerdings Potter v. Firestone Tire & Rubber Co.,
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heitsvorsorge und ärztlichem Beistand (sog. Medical Monitoring)525 genügen kann. Eine solche Lösung hätte insbesondere den Vorteil, daß sie die 863 P.2d 795 (Cal. 1993); Weiner v. Ash, 782 P.2d 332 (Ariz.Ct.App. 1989); Lavelle v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 507 N.E.2d 476 (480) (Ohio 1987); In re Moorenovich, 634 F.Supp. 634 (637) (D.Me. 1986); Bennet v. Mallinckrodt, Inc., 698 S.W.2d 854 (866 f.) (Mo.Ct.App. 1985). Vgl. aus der Literatur etwa Klein, Fear of Cancer – A Legitimate Claim in Toxic Torts, 33 A. F. L. Rev. 193 (1990); Kidwell, „Cancerphobia“ and Increased Risk of Developing Cancer Due to Toxic Exposure: Will it Spread to Missouri?, 53 Mo. L. Rev. 325 (1988); Bohrer, Fear and Trembling in the Twentieth Century: Technological Risk, Uncertainty and Emotional Distress, 1984 Wis. L. Rev. 83 (1984); Prosser/Keeton, On Torts, § 54 (1984); Eggen, Toxic Torts, 294 ff. (2000); Kästle, Toxische Massenschäden, 196 ff. (1993); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 46 ff. (1993); Weinstein, Individual Justice, 153 (1995); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (661 ff.) (1992); Ohmann, Market Share Liability, 200 (1986); Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung, 210 (1994); Epstein, Torts, 274 (1999); Rosenberg, 71 N. Y. U. L. Rev. 210 (228) (1996). Sofern die emotionale Beeinträchtigung mit einer Einbuße an Lebensqualität verbunden ist, ist zusätzlich ein Anspruch wegen einer Diminution in the Quality of Life denkbar; vgl. dazu insbesondere Note, Diminished Quality of Life as a Basis for Damages in Environmental Contamination Cases, 10 Rev. of Lit. 161 (1990). Die US-amerikanische Rechtsprechung stützt sich für einen solchen Anspruch – trotz mancher gegenläufiger Äußerungen; vgl. etwa Sterling v. Velsicol Chemical Corp., 855 F.2d 1188 (1210 ff.) (6th Cir. 1988) – nach wie vor auf den Haftungsgrund der private nuisance, gewährt eine Entschädigung auf dieser Grundlage mithin nur dann, wenn die Immission den Kläger gerade als Grundstücksinhaber in seiner Lebensqualität beeinträchtigt hat (entspricht inetwa § 906 II 2 BGB); vgl. etwa Dixon v. New York Trap Rock Corp., 58 N.E.2d 517 (518) (N.Y. 1944); Ayers v. Township of Jackson, 525 A.2d 287 (293 f.) (N.J. S.Ct. 1987); Potter v. Firestone Tire & Rubber Co., 863 P.2d 795 (821 ff.) (Cal. 1993); ferner das Restatement (Second) of Torts, Section 929. 525 Literatur zu Medical Monitoring (Auswahl): Slagel, Medical Surveillance Damages: A Solution to the Inadequate Compensation of Toxic Tort Victims, 63 Ind. L. J. 849 (869 ff.) (1988); Gara, Medical Surveillance Damages: Using Common Sense and the Common Law to Mitigate the Dangers Posed by Environmental Hazards, 12 Harv. Envtl. L. Rev. 265 (1988); Eggen, Toxic Torts, 313 ff. (2000); dens., 60 Fordham L. Rev. 843 (907 ff.) (1992); Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (659 ff.) (1992); Coffee, 95 Colum. L. Rev. 1343 (1425 ff.) (1995); Brennan, 46 Vand. L. Rev. 1 (67 ff.) (1993); Carson, 60 Wash. L. Rev. 635 (652) (1985); Nagareda, 94 Mich. L. Rev. 899 (915 f.) (1996); Bell/O’Connell, Accidental Justice, 39 (1997); Weinstein, Individual Justice, 152 ff. (1995); Kästle, Toxische Massenschäden, 201 ff. (1993); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 49 ff. (1993); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 149 f. (1997); Wagner, 82 Corn. L. Rev. 773 (835 FN 231) (1997). Rechtsprechung (Auswahl): Siehe die Nachweise in FN 527. Speziell zu Vorsorgeuntersuchungen zum Zwecke der Krebsfrüherkennung besuche www.tk-online.de (Link: Vorsorge-Untersuchungen für Erwachsene); www.barmer. de (Link: Vorsorgeuntersuchungen); www.gek.de (Link: Vorsorge und Früherkennung); www.dak.de (Link: Gesundheitsuntersuchungen zur Früherkennung von Krankheiten).
IX. Vorschläge zur Überwindung der Latenzzeit
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präventive Zeitlücke bis zum Krankheitsausbruch auch in denjenigen Bereichen überbrücken könnte, in denen ein Schadstoff (voraussehbar) auf den später von ihm ausgelösten Krankheitssymptomen seinen unverkennbaren medizinischen Fingerabdruck hinterlassen wird (signature disease), eine besondere Notwendigkeit nach proportionaler Haftungsaufteilung also gar nicht besteht. In den meisten Bundesstaaten der USA entspricht ein solcher Anspruch auf Ersatz der entstandenen Auslagen für regelmäßige Check-ups im Rahmen eines Medical Monitoring-Verfahrens – im Gegensatz zu deutschen Haftungsgrundsätzen, wonach eine deliktische Haftung vor Eintritt einer Gesundheitsbeschädigung, d.h. vor dem Zeitpunkt des Pathologischwerdens der Risikoeinwirkung, stets ausscheiden muß526 – schon seit längerem gängiger Gerichtspraxis.527, 528 Im allgemeinen hält man es in der US-amerika526 Bis zum Zeitpunkt der Gesundheitsbeschädigung fehlt es an der Verletzung eines deliktsrechtlich geschützten Rechtsgutes. Für den Zeitraum nach Eintritt der Gesundheitsbeschädigung ist fraglich, ob die Kosten des Medical Monitoring als sog. Vorsorgekosten in den späteren (proportionalen) deliktischen Ersatz normativ integriert werden können. Der BGH hat dies bislang lediglich bezüglich der Kosten der Reservehaltung (sog. Vorhaltekosten) öffentlicher Verkehrsunternehmen (vgl. etwa BGHZ 32, 280; BGHZ 70, 199; BGH, NJW 1966, 589; BGH, NJW 1976, 286; BGH, NJW 1986, 1249) sowie der Kosten von Überwachungsmaßnahmen der GEMA zum Schutze der von ihr wahrgenommenen Urheberrechte (vgl. etwa BGHZ 17, 376; BGHZ 59, 286; BGHZ 97, 37) gebilligt. Die Literatur lehnt die Ersatzfähigkeit derartiger Vorsorgekosten vornehmlich mit Blick auf den fehlenden Kausalzusammenhang mit dem später verletzungsauslösenden Umstand überwiegend ab; vgl. etwa Larenz, Schuldrecht I, § 29 II f (1987); Medicus, Schuldrecht I, Rdnr. 637 (1995); dens., Bürgerliches Recht, Rdnr. 864 (1996); Lange, Schadensersatz, § 6 VIII 4 (1990); Rother, Haftungsbeschränkung im Schadensrecht, 157 ff. (1965); Niederländer, JZ 1960, 617; 1961, 422 u. 602; ablehnend auch BGH, NJW 1992, 1043 (hinsichtlich der Kosten des vorsorglichen Einbaus einer gasdichten Haustür aus Anlaß eines Störfalles in einem nahen Chemiewerk); zustimmend aber etwa Palandt/Heinrichs, BGB, Vorbem § 249 Rdnr. 43 f. (2002); Herrmann, VersR 1964, 991; Beuthien, NJW 1966, 1996; Marschall von Bieberstein, FS Rheinstein, 625 (1969); zur Diskussion vgl. Falkenhausen, Vorhalte- und Vorsorgekosten: Schadensvorsorgeaufwendungen im Spannungsfeld zwischen dem Kausalitätsprinzip und präventiv-pönalen Intentionen des Deliktsrechts (1979); Klimke, VersR 1985, 720; Danner/Echtler, VersR 1988, 335. Das kausale Integrationsbedenken der Literatur wiegt im Falle von Monitoring-Kosten indes deshalb leichter, weil ihr Entstehen durch das Risikoverhalten des Beklagten vor Eintritt der Rechtsgutsverletzung ja bereits konkret und zurechenbar veranlaßt worden ist; in diesem Sinne deshalb auch Barnes v. Lopez, 544 P.2d 694 (698) (Ariz. Ct.App. 1976). 527 Vgl. etwa Ayers v. Township of Jackson, 525 A.2d 287 (297 ff.) (N.J. S.Ct. 1987) (zu dieser Entscheidung Pegno, 33 Vill. L. Rev. 437 (1988)); In re Paoli RR Yard PCB Litigation, 916 F.2d 829 (849 ff.) (3rd Cir. 1990) („Paoli I“); In re Paoli RR Yard PCB Litigation, 35 F.3d 717 (3rd Cir. 1994) („Paoli II“); DeStories v. City of Phoenix, 744 P.2d 705 (711) (Ariz.Ct.App. 1987); Askey v. Occidental Chemical Corp., 477 N.Y.S.2d 242 (1984) (Love Canal; siehe dazu unter A. I. (bei FN 31 bis
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B. Zum Problem der Medical Causation
nischen Judikatur für genügend, daß der einzelne risikobetroffene Kläger zur Begründung eines Monitoring-Ersatzanspruches nachweist, daß er in si42)); Burns v. Jaquays Mining Corp., 752 P.2d 28 (32 f.) (Ariz. Ct.App. 1987); Merry v. Westinghouse Electric Corp., 684 F.Supp. 847 (851 f.) (M.D. Pa. 1988); Potter v. Firestone Tire & Rubber Co., 863 P.2d 795 (821 ff.) (Cal. 1993); Villari v. Terminix International, Inc., 663 F.Supp. 727 (E.D. Pa 1987); Theer v. Philip Carey Co., 628 A.2d 724 (N.J. 1993); Friends For All Children v. Lockheed Aircraft Corp., 746 F.2d 816 (D.C. Cir. 1984); Hagerty v. L & L Marine Services, Inc., 788 F.2d 315, modified on other grounds, 797 F.2d 256 (5th Cir. 1986) (ein Arbeiter in einer chemischen Fabrik wurde bei einem Unfall mit einer giftigen Substanz übergossen); kritisch etwa Jackson v. Johns-Manville Sales Corp., 727 F.2d 506 (5th Cir. 1984); Schweitzer v. Consolidated Rail Corp., 758 F.2d 936 (942) (3rd Cir. 1985); Herber v. Johns-Manville Corp., 785 F.2d 79 (3rd Cir. 1986); Ball v. Joy Technologies, Inc., 958 F.2d 36 (4th Cir. 1991); Metro-Commuter R. Co. v. Buckley, 521 U.S. 424 (1997). Sehr umstritten ist in den USA der Modus des Monitoring-Ersatzes: In der Entscheidung Ayers v. Township of Jackson, 525 A.2d 287 (313 ff.) (N.J. S.Ct. 1987) regten die Beklagten die Etablierung eines Fonds an, aus dem die Kläger bei Bedarf die tatsächlich angefallenen Überwachungskosten erstattet verlangen sollten. Parallele Bezugsquellen, wie etwa Zuzahlungen seitens einer Krankenkasse, sollten angerechnet werden können (id. 313 f.). Der Supreme Court of New Jersey gewährte den Klägern hingegen wunschgemäß eine einmalige vollumfängliche Sofortentschädigung (sog. lump sum-Entschädigung) ohne Zweckbindung der Mittel, da er sich bei seinem Urteil an den Entscheidungsausspruch der 1. Instanz gebunden sah, gab zugleich aber deutlich seine Sympathie für das Fonds-Modell der Beklagtenseite zu erkennen (id. 314 f.); dem Fonds-Modell zustimmend etwa auch Potter v. Firestone Tire & Rubber Co., 863 P.2d 795 (821 ff.) (Cal. 1993); ferner Weinstein, Individual Justice, 154 (1995); vgl. im einzelnen Blumenberg, Medical Monitoring Funds: The Periodic Payment of the Future Medical Surveillance Expenses in Toxic Exposure Litigation, 43 Hastings L. J. 661 (1992) (gibt zugleich eine Übersicht über die neuere Rechtsprechung). Im deutschen Recht sind die §§ 843, 760 BGB analog einschlägig. 528 Während die überwiegende Akzeptanz dieses Anspruches in den USA wohl noch maßgeblich mit dem dort nur unzureichend ausgebildeten sozialen Versicherungsnetz erklärt werden kann (vgl. Kästle, Toxische Massenschäden, 206 (1993)), scheidet ein solcher sozialpolitischer Begründungsversuch zur Etablierung eines deliktischen Monitoring-Ersatzes in Deutschland aus. Die Krankenkassen decken hierzulande Maßnahmen der Krankenvorsorge schon vor Ausbildung der ersten Krankheitssymptome durchweg in genügender Weise ab, berücksichtigen umgekehrt etwa die regelmäßige Teilnahme an Krebsvorsorgeuntersuchungen sogar leistungsbegünstigend bei der späteren versicherungsrechtlichen Versorgungsabdeckung nach Krankheitsausbruch; besuche etwa die in FN 525 genannten URLs; vgl. auch die vom Bundesgesundheitsministerium herausgegebene Broschüre: „Krebs in Deutschland“ (Stand: Dez. 1999). Gänzlich abwegig wäre es etwa auch, den deliktischen Zweck des Monitoring darin finden zu wollen, daß den Krankenkassen mit Hilfe eines derartigen Anspruches doch zumindest eine sinnvolle mittelbare (legalzedierte) Regreßmöglichkeit zur Aufbesserung ihrer eigenen Finanzsituation und zur Ermöglichung eventueller sozialfreundlicher Beitragssenkungen eröffnet werden kann, da dann allein die sozialpolitisch motivierte Suche nach neuen Finanzierungs-
IX. Vorschläge zur Überwindung der Latenzzeit
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gnifikanter Weise einer dem Beklagten zurechenbaren toxischen Substanz ausgesetzt war, dies bei ihm eine unmittelbare Risikoerhöhung hinsichtlich der latenten Ausformung einer ernsthaften Krankheit hervorgerufen hat und aus diesem Grunde notwendiger- und vernünftigerweise periodische medizinische Vorsorgeuntersuchungen erforderlich geworden sind, um diese Krankheitsausformung schon frühzeitig erkennen und vorsorgend behandeln zu können.529 Der präventive Nutzen einer solchen, eine mögliche spätere (proportionale) Deliktshaftung auf Grund einer eingetretenen Gesundheitsbeschädigung ergänzenden Haftungslösung ist erheblich: Zum einen beeinflußt diese Haftung bereits gegenwärtig das Kostenkalkül des potentiellen Schädigers, indem sie ihn zur Erstattung der regelmäßig anfallenden Auslagen etwa für die Krebsvorsorgeuntersuchungen der von seinem Risiko Betroffenen verpflichtet, zum anderen aber – und das ist noch viel wichtiger – gibt sie ihm quellen zur Sanierung einer eventuell angespannten Finanzlage mancher Krankenkassen das hinreichende Argument zur Begründung einer deliktischen Haftung bilden müßte. Maßgebend für die Etablierung dieses Anspruches ist vielmehr sein besonderer präventiver Nutzen zur Überbrückung des Latenzzeitproblems; siehe dazu weiter im Text. 529 Zu den Anspruchsvoraussetzungen im einzelnen vgl. insbesondere In re Paoli RR Yard PCB Litigation, 916 F.2d 829 (3rd Cir. 1990) („Paoli I“) („1. Plaintiff was significantly exposed to a proven hazardous substance through the negligent actions of the defendant. 2. As a proximate result of exposure, plaintiff suffers a significantly increased risk of contracting a serious latent disease. 3. That increased risk makes periodic medical examinations reasonably necessary. 4. Monitoring and testing procedures exist which make the early detection and treatment of the disease possible and beneficial.“ (id. 852)); In re Paoli RR Yard PCB Litigation, 35 F.3d 717 (3rd Cir. 1994) („Paoli II“); Ayers v. Township of Jackson, 525 A.2d 287 (N.J. S.Ct. 1987) (entscheidend für die Frage der Anspruchsgewährung sei „the significance and extent of exposure to chemicals, the toxicity of the chemicals, the seriousness of the diseases for which individuals are at risk, the relative increase in the chance of onset of disease in those exposed, and the value of early diagnosis, that such surveillance to monitor the effect of exposure to toxic chemicals is reasonable and necessary.“ (id. 312)); Burns v. Jaquays Mining Corp., 752 P.2d 28 (Ariz. Ct.App. 1987) (medical monitoring costs are recoverable when there is „reliable expert testimony predicated upon the significance and extent of exposure, the toxicity of the contaminant, the seriousness of the disease(s) for which the plaintiff is at risk, the relevant increase in the chance of onset of the disease (. . .) and the value of early diagnosis“ (id. 33)); Hagerty v. L & L Marine Services, Inc., 788 F.2d 315, modified on other grounds, 797 F.2d 256 (5th Cir. 1986) (costs of periodic medical checkups are recoverable „to the extent that, in the past, they were medically advisable and, in the future will probably remain to do so“ (id. 788 F.2d 315 (319)). Das Ende der prognostizierten maximalen Latenzzeit bildet die äußerste Grenze des Monitoring-Ersatzes, da spätestens mit diesem Zeitpunkt die Notwendigkeit für ein Medical Monitoring entfällt; vgl. Bourgeois v. A.P. Green Industries, Inc., 716 So.2d 355 (La. 1998).
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B. Zum Problem der Medical Causation
zugleich auch ein unübersehbares Signal für die künftige Entwicklung der voraussichtlich auf ihn zukommenden (regelmäßig noch weit umfänglicheren530) Schadensersatzverbindlichkeiten nach Ausbruch der auf seinen Risikofaktor zurückgehenden Krankheitsfälle.531 Und mehr noch: Dadurch, daß die Risikobetroffenen die Ergebnisse ihrer Monitoring-Untersuchungen in ihrer gesamten lückenlos dokumentierbaren ätiologischen Breite von Beginn an in begleitenden Kohortenstudien oder auch erst später, nach Ausbruch der ersten Krankheitsfälle, in Kohortenstudien mit zurückversetztem Ausgangspunkt zum Nachweis ihres (proportionalen) Deliktsanspruches zu ihren Gunsten epidemiologisch532 auswerten lassen können, verpflichten sie den potentiellen Schädiger über seine Monitoring-Haftung gleichsam dazu, ihnen die Beweisbarkeit seiner künftigen (proportionalen) Deliktshaftung nach Krankheitsausbruch mit seinen eigenen Finanzmitteln vorsorglich sogar noch selbst sicherzustellen. Er ist auf diese Weise gezwungen, bereits gegenwärtig für etwas zu bezahlen, was künftig vor Gericht jederzeit gegen ihn verwendet werden kann. Ein Kostenkalkül in Richtung eingeschränkter Schadensverhütung vergewisserte ihm also neben der Bilanzierungsnotwendigkeit bereits gegenwärtiger Kostennachteile zugleich auch das Rechnen mit der gesteigerten Durchsetzungsfähigkeit künftig auf ihn zukommender Kostennachteile. Doch bedeutet die Monitoring-Ersatzverpflichtung für den potentiellen Schädiger regelmäßig zugleich auch einen „Zwang zum Guten“: Denn seine insgesamt zu veranschlagende Kostenbelastung nach der Durchführung eines Monitoring-Verfahrens dürfte seine Kostenbelastung für eine Krankenbehandlung ohne vorherige Monitoring-Vorsorge in aller Regel noch bei weitem unterschreiten.533 Umso früher eine Krankheit, wie insbesondere Krebs erkannt werden kann, um so leichter und kostengünstiger kann sie anschließend regelmäßig auch behandelt und geheilt werden.534 Unter Umständen ist es der vorsorgenden Medizin im Einzelfall sogar mög530
Vgl. Kästle, Toxische Massenschäden, 208 (1993). Vgl. Brennan, 46 Vand. L. Rev. 1 (69 f.) (1993). 532 Zu den Möglichkeiten einer rechtlichen Sicherstellung frühzeitiger toxikologischer Forschung beim Beklagten siehe unter B. II. 2. b) a. E. 533 Vgl. Eggen, Toxic Torts, 316 (2000); dens., 60 Fordham L. Rev. 843 (907) (1992); Kämpny, Umwelthaftpflichtrecht, 206 (1994); Lungershausen, Unbekannte Klägerfälle, 49 (1993); auch Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (661) (1992). 534 In der Entscheidung Ayers v. Township of Jackson, 525 A.2d 287 (N.J. S.Ct. 1987) führt die Sachverständige Dr. Susan Daum aus, daß es der Zweck des medizinischen Überwachungsprogrammes sei, eine frühestmögliche Diagnose der Erkrankung zu gewährleisten, was zu verbesserten Heilungsaussichten, einer Verlängerung des Lebens, einer Linderung des Schmerzes und einer Minimierung körperlichen Unvermögens führen könne (id. 304); ebenso auch Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (661) (1992); vgl. ferner Kästle, Toxische Massenschäden, 206 (1993); Lungershau531
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lich, den Ausbruch einer Krankheit nach einer Risikoeinwirkung mit gezielten Gegenmaßnahmen gänzlich zu hindern.535 Von dieser Warte aus liegt es nun in der Tat auch im wohlverstandenen Haftungsinteresse des potentiellen Schädigers, wenn er über seine Monitoring-Ersatzverpflichtung zugleich in die Lage versetzt wird, sich die Niedrigkeit seiner künftigen Haftungsverbindlichkeit nach Ausbruch oder sogar deren vorsorglichen Ausschluß bei Ausbleiben der Krankheit mit eigenen Mitteln selbst finanzieren zu können. Die Verpflichtung weist ihm sozusagen einen (verbindlichen) Weg, wie er seinen Mitteleinsatz für Haftungsangelegenheiten insgesamt effizienter gestalten kann. Letztlich können von der Monitoring-Haftung eine ganze Reihe von Personen und Institutionen profitieren: Die Betroffenen, da ihr persönlicher Schaden vermindert und ihr medizinisches wie „emotionales“ Bedürfnis nach Schutz und Fürsorge während der Latenzzeit befriedigt werden kann, die Beklagten, da sie über ihre Ersatzleistung zu einer Verminderung des Umfangs ihrer eigenen Schadensersatzverpflichtungen beitragen können, die Krankenkassen, da sich auf Grund des insgesamt nachlassenden Behandlungsbedarfs das Ausmaß ihrer Kranken- und Pflegeleistungen reduzieren kann, ihre Beitragszahler, da sie aus diesem Anlaß gegebenenfalls mit einer Senkung ihrer Beiträge rechnen können, und nicht zuletzt auch – gleichsam im aufaddierten Positivum aller Einzelbegünstigungen – das Nutzenaufkomsen, Unbekannte Klägerfälle, 49 (1993); zu Einzelfragen der vorbeugenden Medizin sowie zu Kostenfragen besuche insbesondere die in FN 525 genannten URLs. 535 Besuche insbesondere www.tk-online.de (Link: Vorsorge-Untersuchungen für Erwachsene). Angesichts der verbesserten Heilungschancen bei der Behandlung früherkannter Krankheiten sowie der eröffneten Möglichkeit, dem Krankheitsausbruch unter Umständen bereits im Risikoausgang erfolgreich entgegensteuern zu können, ist es auch kaum verwunderlich, daß das Recht bezüglich der späteren Gesundheitsbeschädigung gegebenenfalls sogar mit einer Anspruchskürzung reagiert, wenn der Erkrankte nach der Risikoeinwirkung vorderhand auf begleitende vorsorgliche Maßnahmen zur Schadensverminderung verzichtet hat (in Deutschland würde etwa § 254 II 1 BGB eingreifen; in den USA fänden die Grundsätze der Comparative Negligence Anwendung; dazu etwa Prosser/Keeton, On Torts, § 67 (1984); vgl. auch Restatement (Second) of Torts, Section 918(1) comment d: An individual „injured by the tort of another is not entitled to recover damages for any harm that he could have avoided by the use of reasonable effort or expenditure after the commission of a tort.“ (sog. Avoidable Consequences Rule)). Wie die Entscheidungen Hagerty v. L & L Marine Services, Inc., 788 F.2d 315 (319), modified on other grounds, 797 F.2d 256 (5th Cir. 1986) und Gideon v. Johns-Manville Sales Corp., 761 F.2d 1129 (1139) (5th Cir. 1985) zu Recht bemerken, wirkte es für einen Risikobetroffenen nun in der Tat reichlich widersprüchlich, wenn er die finanzielle Last der medizinischen Vorsorge mangels Vorliegens einer deliktischen Gesundheitsbeschädigung selbst tragen müßte, obwohl ihre Nichtvornahme später sogar anspruchsmindernd beim Ersatz seiner künftigen Krankenbehandlungskosten berücksichtigt werden könnte; vgl. insoweit auch Callahan, 23 Ariz. St. L. J. 605 (660) (1992).
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B. Zum Problem der Medical Causation
men einer ganzen Volkswirtschaft, da der Ressourcenverbrauch für Krankheitsaufwendungen insgesamt ab- und der Ressourcengewinn durch ein erhöhtes Gesundheits- und Leistungspotential ihrer einzelnen Wirtschaftssubjekte insgesamt zunehmen wird.536 Haftungsentscheidender Grund für die Etablierung der Monitoring-Haftung bleibt jedoch – und das soll hier noch einmal ausdrücklich hervorgehoben sein – einzig ihr haftungsergänzender Nutzen bei der Verwirklichung der ökonomischen Zwecke des Deliktsrechts bei Auftreten latenzzeitverzögerter Gesundheitsbeschädigungen.
X. Rechtliche Handhabung synergistischer und progressiver Effekte Es ist denkbar und in der Realität sogar häufig, daß erst das Zusammenspiel verschiedener Faktoren ein Risiko begründet (synergistischer Effekt) oder das Risiko durch das Zusammentreffen zweier Faktoren progressiv erhöht wird (progressiver Effekt).537 In beiden Fällen sollten die Beteiligten nach unserem Dafürhalten – abweichend von den Regeln der Proportional Liability – im Umfange des neu entstandenen Risikos als Gesamtschuldner haften, da sie für dessen Entstehen gleichermaßen verantwortlich sind. Eine objektive Zurechnung derartiger Effekte an die einzelnen Beteiligten kann im Einzelfall aber gegebenenfalls dann abzulehnen sein, wenn die jeweils einschlägige Haftungsvorschrift ausnahmsweise Adäquanzerwägungen im Rahmen der Kausalitätsprüfung zuläßt538 und der aufgetretene Effekt nicht mehr als adäquate Folge der ursprünglichen Risikosetzung erscheint. Soweit freilich einer der Faktoren vom Geschädigten zurechenbar selbst verschuldet worden ist, hat er den so ausgelösten Effekt selbst zu tragen, da er ohne sein Zutun gar nicht entstanden wäre. So ist etwa bekannt, daß regelmäßiger Zigarettenkonsum das Lungenkrebsrisiko eines Asbestarbeiters um das bis zu 10fache steigern kann.539 Diese Progression hätte sich der Kläger selbst zuzuschreiben, so daß der Beklagte hier nur für dasjenige Risiko haften würde, das er ohne den Zigarettenkonsum zu verantworten hätte.
536 Vgl. hinsichtlich des letzten Aspekts auch Friends For All Children v. Lockheed Aircraft Corp., 746 F.2d 816 (825) (D.C. Cir. 1984). 537 Zu beiden Effekten vgl. nur Loser, Kausalitätsprobleme, 28 (1994); Zhu, Zivilrechtlicher Umweltschutz, 156 (1996); Mulcahy, 11 HOFSTRA L. Rev. 1299 (1300) (1983); Fabic, 29 Buffalo L. Rev. 533 (540 f.) (1980); Huber, Legal Revolution, 67 (1988); Phelan, Proof of Cancer, 133 (138) (1981). 538 Siehe die Ausführungen und Nachweise in den FN 220, 241. 539 Vgl. aus der zahlreichen Literatur zu Asbest (siehe die Nachweise in den FN 48 bis 50) nur Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 92 (1986); Ohmann, Market Share Liability, 269 (1986).
XI. Endergebnis
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XI. Endergebnis Zur Lösung des Problems der Medical Causation bei Unaufklärbarkeit medizinischer Ursachenzusammenhänge ist die Einführung einer Proportionalhaftung des jeweiligen Risikoerzeugers entsprechend der Schädigungswahrscheinlichkeit des von ihm zu verantwortenden Risikofaktors zu empfehlen. Während des Laufs der Latenzzeit ist ihr Haftungskonzept um einen Anspruch des Risikobetroffenen auf Ersatz notwendiger Auslagen für medizinisch vernünftigerweise indizierte regelmäßige Check-ups im Rahmen eines Medical Monitoring-Programms zu ergänzen. In das deutsche Recht ist die Proportionalhaftung über einen Analogieschluß zu den §§ 830 I 2, 254 BGB i. V. m. der jeweils einschlägigen Haftungsgrundlage zu verankern. Soweit bei der Bestimmung der Schädigungswahrscheinlichkeit nach Ausschöpfung aller Beweismöglichkeiten noch prozentuale Wahrscheinlichkeitsmargen verbleiben, ist im Rahmen einer (richterlichen) Schätzung des proportionalen Anspruchsumfanges (in Deutschland: gemäß § 287 II ZPO) eine Orientierung am Mittelwert der verbliebenen Marge zweckmäßig. Für synergistische und progressive Effekte haften die beteiligten Risikoakteure unter Beachtung eventuell anzustellender Adäquanzerwägungen als Gesamtschuldner. Das Problem der Medical Causation (Indeterminate Plaintiff) ist gelöst. Nun soll von den kausalen Unaufklärbarkeiten beim Nachweisproblem der Legal Causation (Indeterminate Defendant) zu sprechen sein.
C. Zum Problem der Legal Causation (Indeterminate Defendant) Das Problem der Legal Causation stellt sich in Fällen, in denen ein Risikofaktor von mehreren Erzeugern gleichförmig gesetzt worden ist und es sich nachträglich nicht mehr aufklären läßt, wessen Risikofaktor sich letztendlich im Schaden des Opfers realisiert hat.540 Paradigma sind die von der US-amerikanischen Judikatur seit Mitte der 1970er Jahre vieltausendfach abgeurteilten Fälle der Schädigung durch das synthetische Östrogen DES.541 Schädigungen durch DES lassen sich im allgemeinen medizinisch problemlos nachweisen.542 Ätiologische Schwierigkeiten ergeben sich in der Regel erst im Rahmen der rechtlichen Zuordnung des schädigenden DES-Präparats an einen bestimmten Hersteller. Der markenlose Vertrieb des Produkts durch Hunderte von Erzeugern macht es gemeinhin unmöglich, den für den Schaden verantwortlichen Hersteller aus der Fülle denkbarer Schadensverursacher herauszufiltern. Jedes Pharmaunternehmen, das synthetisches Östrogen zur fraglichen Zeit und am fraglichen Ort an Apotheken und Ärzte abgesetzt hatte, kommt als möglicher Auslöser für den entstandenen Schaden in Betracht. Während sich das Problem der Medical Causation durch ein Voranschreiten medizinischer Entwicklung bis zum Punkt ätiologischer Allwissenheit beheben ließe,543 handelt es sich bei der Frage nach der Legal Causation um ein rein faktisches Problem ohne medizinische Lösungsmöglichkeit. Grund für das multiple Vorkommen deckungsgleichen Risikos dürften in erster Linie die in vielen Bereichen von Behörden oder Handelsvereinigungen ausgegebenen standardisierten Vorgaben zur Schaffung gleichförmiger Produktsicherheit sein, die neben einer Vereinheitlichung des Konsumentenrisikos zwangsläufig auch zu einer Anonymisierung späterer Schädigerverantwortlichkeiten führen.544 Der Risikoempfänger kann auf Grund der unimorphen Gestalt polykausaler Schadenszuordnungsmöglichkeiten im einzelnen nicht mehr unterscheiden, von welchem Marktteilnehmer der schadensbringende Risikoauswurf stammt. 540
Siehe schon vorher unter A. I. (bei FN 117 bis 138). Siehe die Fallnachweise in den folgenden FN; zur Produktgeschichte von DES siehe unter A. I. (bei FN 117 bis 130). 542 Siehe die Ausführungen in den FN 124, 127, 370. 543 Siehe unter B. VII. 1. 544 Siehe näher unter C. I. 1. d). 541
I. Rechtszustand und Rechtsentwicklung in den USA
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Die Schadensverursacher produzieren sich auf diese Art – wenn auch unabsichtlich – einheitlich in eine glückliche Situation: Ihr emittiertes Risikofabrikat schafft ihnen gerade durch sein mehrheitliches und damit insgesamt risikosteigerndes Vorhandensein ein gegenseitiges Alibi wahrscheinlicher Verantwortlichkeit eines anderen.545 Die Verweismöglichkeit auf die gleichförmig fremde Risikoexistenz wirkt entlastend für alle, obwohl der Schaden aller Opfer mit Sicherheit von der identischen Emission aller Erzeuger verursacht worden ist.
I. Rechtszustand und Rechtsentwicklung in den USA 1. Herkömmliches Recht a) Ausgangslage Die Ausgangslage ist für den Kläger nach dem Prozeßrecht aller USamerikanischen Bundesstaaten klar: Er hat nachzuweisen, daß sein Schaden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit (more likely than not) gerade von einem bestimmten Schädiger verursacht worden ist.546 Seine Situation ist absurd: Je mehr Erzeuger für einen gleichförmigen Schadensfaktor vorhanden sind, um so unwahrscheinlicher wird es für ihn, hinsichtlich eines bestimmten Erzeugers die Wahrscheinlichkeitsschwelle von 50% zu überschreiten. Die Zunahme vorgefundener Haftungsmöglichkeiten vermindert ihm also in diesen Fällen sogar die Chancen auf einen Haftungserfolg. Umgekehrt beschert die Vielheit gleichen Risikoauswurfs den Beklagten ein Geschenk unverdienter Haftungsfreiheit. Solange der einzelne Beklagte am Gesamtvolumen des jeweiligen Risikofaktors faktisch nur zu einem Anteil von maximal 50% beteiligt ist, braucht er für die durch seine Risikoemission in der Bevölkerung verursachten Schäden insgesamt nicht einzustehen.547 Sein nach Risikokriterien zu verantwortender Anteil am Gesamtschaden bleibt wegen der rechtlichen Zuordnungsschwierigkeiten in jedem Einzelfall unkompensiert. Die ansonsten üblicherweise zu erwartende Erreichung deliktsrechtlicher Zwecke548 bleibt in diesem Fall vollständig unerfüllt. 545 Zum Phänomen der Alibiwirkung fremder Risikoexistenz siehe auch schon unter A. I. (unmittelbar nach FN 138). 546 Zum Beweisstandard im US-amerikanischen Zivilrecht siehe schon vorher unter B. I. 1. 547 Angesichts des strengen US-Kartellrechts (Antitrust Law) dürften Marktanteile von mehr als 50% im jeweils einschlägigen Risikobereich ohnehin die Ausnahme bilden; vgl. insbesondere 15 U.S.C. Chapter 1 (Sherman Act) sowie das Antitrust Law der einzelnen Bundesstaaten.
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C. Zum Problem der Legal Causation
Das herkömmliche Recht der USA kennt bereits an einigen Stellen Haftungsinstitute, die im Falle toxischer Massenschäden zu einer Überwindung des Identifizierungsproblems auf Schädigerseite beitragen könnten. Ihre Tragfähigkeit gilt es zunächst zu prüfen, bevor auf einige neuere Rechtsentwicklungen in den USA eingegangen werden kann. b) Concert of Action In allen Bundesstaaten anerkannt und auch vom American Law Institute in das Restatement (Second) of Torts aufgenommen ist das der strafrechtlichen Beihilfedogmatik549 entstammende Haftungskonzept der Concert of Action.550 Danach haftet ein Beteiligter dann auf Schadensersatz, wenn er 548
Siehe unter B. I. 2. u. 3. Der Haftungsaufbau der Concert of Action entspricht weitgehend dem strafrechtlichen Konzept des aiding and abetting; vgl. Prosser/Keeton, On Torts, § 46 (1984); Ohmann, Market Share Liability, 20 (1986); ferner State v. Newberg, 278 P. 568 (Or. 1929); Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (515) (N.J. 1989); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1015) (S.C. 1981); besuche auch www.lectlaw.com/def/a033.htm. 550 Vgl. allgemein etwa Prosser/Keeton, On Torts, § 46 (1984); Eggen, Toxic Torts, 196 f. (2000), sowie im besonderen die in den folgenden FN enthaltenen Nachweise. Einen Sonderfall der Concert of Action stellt nach überwiegender Ansicht der Haftungsgrund der sog. Civil Conspiracy dar; vgl. Prosser/Keeton, On Torts, § 46 (1984); Burdick, Conspiracy as a Crime and as a Tort, 7 Colum. L. Rev. 229 (1907); dens., The Tort of Conspiracy, 8 Colum. L. Rev. 117 (1908). Hiernach tritt die Haftung dann ein, „when there is an agreement between two or more individuals to do an unlawful act or to do a lawful act in an unlawful way, resulting in injury inflicted by one or more of the conspirators pursuant to a common scheme.“ (Shope v. Boyer, 150 S.E.2d 771 (774) (N.C. 1966); entsprechend auch Hospital Care Co. v. Comercial Casualty Ins. Co., 9 S.E.2d 796 (802 f.) (S.C. 1940); Slaybaugh v. Newman, 479 A.2d 517 (519) (Pa.Super. 1984); Thompson Coal Co. v. Pike Coal Co., 441 A.2d 466 (472) (Pa. 1979); Radue v. Dill, 246 N.W.2d 507 (510 f.) (Wis. 1976)). Konkretisiert auf Produkthaftungsfälle nimmt man ein solches gemeinschaftliches Vorhaben dann an, when „the collective efforts of all defendants resulted in a conspiracy to defraud and deceive by virtue of their active agreement to fraudulently and deceptively misrepresent the alleged benefits (of their promised product) (. . .) or aquiescence to such misrepresentations“ (Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1008) (S.C. 1981) (Klammereinfügungen nicht im Original)). Viele Kläger sahen diese Voraussetzungen in DES-Fällen als erfüllt an; so etwa in Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1008) (S.C. 1981); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (980 ff.) (Pa. Super. 1985); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (47 f.) (Wis. 1984); Skipworth v. Lead Industries Association, Inc., 690 A.2d 169 (174) (Pa. 1997). Die Gerichte sind dem ausnahmslos nicht gefolgt; vgl. id. Die Annahme einer Haftung nach den Grundsätzen einer Civil Conspiracy ist derselben Kritik ausgesetzt wie eine solche nach den Voraussetzungen einer Concert of Action; die weiteren Ausführungen im Text gelten deshalb auch insoweit entsprechend. Zur Kritik im übrigen vgl. Ryan v. Eli Lilly Co., 514 549
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eine deliktische Handlung in Gemeinschaft mit anderen oder entsprechend einem gemeinsamen Plan begeht, wenn er einem anderen in Kenntnis von dessen pflichtwidriger Verhaltensweise nicht nur unwesentlich Hilfe leistet oder ihn zu einer solchen Verhaltensweise ermutigt, oder wenn seine Beihilfehandlung eine eigenständige Pflichtverletzung gegenüber dem Geschädigten darstellt.551 Eine ausdrückliche Übereinkunft unter den Beteiligten ist nicht erforderlich. Es genügt ihr stillschweigendes Einvernehmen („tacit understanding“552) im Hinblick auf die gemeinschaftliche unerlaubte Tatbegehung.553 DES-geschädigte Kläger stützen ihre Annahme einer konzertierten Aktion der Beklagten regelmäßig auf die Zusammenarbeit vieler Hersteller in Fragen der Sicherheit, Herstellung, Vermarktung und Verbreitung von DES554 und messen dabei insbesondere dem gemeinschaftlichen Bemühen der führenden Pharmaunternehmen im Rahmen des behördlichen ZulasF.Supp. 1004 (1012 ff.) (S.C. 1981); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (981 f.) (Pa. Super. 1985); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (47 f.) (Wis. 1984); Skipworth v. Lead Industries Association, Inc., 690 A.2d 169 (174) (Pa. 1997); ferner Eggen, Toxic Torts, 197 (2000). 551 Vgl. Restatement (Second) of Torts, Section 876: „For harm resulting to a third person from the tortious conduct of another, one is subject to liability if he (a) does a tortious act in concert with the other or pursuant to a common design with him, or (b) knows that the other’s conduct constitutes a breach of duty and gives substantial assistance or encouragement to the other so to conduct himself, or (c) gives substantial assistance to the other in accomplishing a tortious result and his own conduct, separately considered, constitutes a breach of duty to the third person.“ 552 So die vielfach von der US-amerikanischen Judikatur benutzte Wendung; vgl. aus dem Arzneimittelbereich etwa Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (932) (Cal. 1980); Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (515) (N.J. 1989); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (46) (Wis. 1984); aus dem außertoxischen Haftungsbereich etwa die grundlegenden Entscheidungen Patnode v. Westenhaver, 90 N.W. 467 (Wis. 1902); Daggy v. Miller, 162 N.W. 854 (Iowa 1917); Larimer & Weld Irrigation Co. v. Walker, 176 P. 282 (Colo. 1918); Troop v. Dew, 234 S.W. 992 (Ark. 1921); Stapler v. Parler, 103 So. 573 (Ala. 1925). 553 Vgl. aus der Literatur vor allem Prosser/Keeton, On Torts, § 46 (323) (1984); Eggen, Toxic Torts, 197 (2000); LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (66) (1981–82); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (983) (1978); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (614 FN 225) (1983); Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:6 (14) (1987). 554 So etwa in Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (372, 378) (Wash. 1984); Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (932) (Cal. 1980); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (596) (M.D. Fla. 1982); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (984) (Pa. Super. 1985); Bichler v. Eli Lilly Co., 436 N.E.2d 182 (186 f.) (N.Y. Ct. App. 1982); Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (168, 176) (Mich. 1984).
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sungsverfahrens eine entscheidende Bedeutung bei.555 Die US-amerikanischen Gerichte sind diesen Klageerwägungen bei der Beurteilung der Haftungsvoraussetzungen der Concert of Action jedoch überwiegend nicht gefolgt. Die veröffentlichten Entscheidungen der Bundes- und Staatengerichte lehnen in solchen Fällen bis auf zwei Ausnahmen (New York und Michigan)556 das Vorliegen einer gemeinschaftlichen unerlaubten Tatbegehung durchweg ab.557 Das kooperative Verhalten der DES-Produzenten entspreche als bloßes Parallelverhalten gängiger Vermarktungspraxis in der Industrie558 und sei zudem im Rahmen des DES-Zulassungsverfahrens von be555 So etwa in Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (932) (Cal. 1980); Bichler v. Eli Lilly Co., 436 N.E.2d 182 (186 f.) (N.Y. Ct. App. 1982); vgl. ferner Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (722) (1982); LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (65 f.) (1981–82); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (983) (1978). 556 Im Fall Bichler v. Eli Lilly Co., 436 N.E.2d 182 (N.Y. Ct. App. 1982) hatte das oberste New Yorker Gericht nur deshalb zugunsten des Klägers entschieden, weil es das beklagte Pharmaunternehmen Eli Lilly in den beiden unteren Instanzen versäumt hatte, rechtzeitig Einwendungen gegen die Klägerbehauptungen und die dementsprechenden Juryanweisungen durch das Gericht zu erheben (id. 187 ff); später overruled durch Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (N.Y. Ct. App. 1989), in der der New Yorker Court of Appeals seine eigene in Bichler geäußerte Ansicht unter Verweis auf das damalige prozessuale Fehlverhalten Eli Lillys ausdrücklich wieder aufgibt (id. 1076). In Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (Mich. 1984) folgte der Supreme Court von Michigan ohne nähere Angabe von Gründen den Behauptungen der Kläger und bejahte ihre Entschädigung nach den Grundsätzen der Concert of Action, obwohl Eli Lilly hinsichtlich mancher Kläger erwiesenermaßen nicht die Ursache des Schadens gewesen sein konnte. Kritisch zur Entscheidung Bichler v. Eli Lilly Co. insbesondere Burch, 17 FORUM 784 (787 f.) (1982); Mulcahy, 11 HOFSTRA L. Rev. 1299 (1321 f.) (1983); LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (65 f.) (1981–82). 557 So etwa Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (Cal. 1980); Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (Wash. 1984); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (Wis. 1984); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (S.C. 1981); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (M.D. Fla. 1982); Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (N.Y. Ct. App. 1989); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (Pa. Super. 1985); Payton v. Abbott Laboratories, 512 F.Supp. 1031 (D.Mass. 1981); Conley v. Boyle Drug Co., 477 So.2d 600 (Fla. Dist.Ct.App. 1985); Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (N.J.Super 1980). 558 Vgl. Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (Wash. 1984) (The „parallel or imitative conduct in reliance on each other’s testing and promotional methods was a common practice in the industry, and insufficient to support the (plaintiff’s) allegations.“ (id. 379)); Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (933) (Cal. 1980); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (46) (Wis. 1984); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1016) (S.C. 1981); Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1074 f., 1076) (N.Y. Ct. App. 1989); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (984) (Pa. Super. 1985). Ebenso die Literatur; vgl. etwa LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (1981–82) („(. . .) concert of action may require more assistance and agreement than merely the common, everyday practice of the industry.“ (id. 66)); Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (1982) („Parallel responses to mar-
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hördlicher Seite sogar ausdrücklich gefordert worden, um eine gleichwertige Versorgung der Bevölkerung mit DES unabhängig vom Hersteller sicherzustellen.559 Die Dogmatik folgt der Einschätzung der Rechtsprechung uneingeschränkt.560 Auch in sonstigen Fällen toxischer Massenschäden kommt man durchgängig zu entsprechenden Ergebnissen.561 ket signals hardly seem a sufficient basis for finding concerted action.“ (id. 722)); Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:6 (14 f.) (1987); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (615) (1983); Eggen, Toxic Torts, 197 (2000). Die Entscheidung Bichler v. Eli Lilly Co., 436 N.E.2d 182 (N.Y. Ct. App. 1982) hatte noch ein „consciously parallel conduct of the companies“ (id. 187) genügen lassen, um daraus auf ein für die Haftung nach Concert of Action erforderliches „tacit agreement or understanding“ (id. 187) zu schließen; siehe zu dieser Entscheidung die Ausführungen in FN 556. 559 Siehe insoweit die Nachweise in FN 128. Im Rahmen des behördlichen Zulassungsverfahrens hatte die FDA (siehe in FN 70, 143) selbst die Stellung eines gemeinschaftlichen Antrags (master file) angeregt, um allen Beteiligten Kosten und Mühen zu ersparen; vgl. Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (597) (M.D. Fla. 1982); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1009) (S.C. 1981); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (43) (Wis. 1984); Lyons v. Premo Pharmaceutical Labs, Inc., 406 A.2d 185 (189) (N.J.App.Div. 1979); Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (1311) (N.J.Super 1980); Bichler v. Eli Lilly Co., 436 N.E.2d 182 (184) (N.Y. Ct. App. 1982); Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (327) (Ill. 1990); Tidler v. Eli Lilly Co., 851 F.2d 418 (420) (D.C.Cir. 1988); Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (374) (Wash. 1984); Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (245) (Mo.banc 1984). Die Gerichte haben in dieser Hinsicht zudem mit Recht darauf hingewiesen, daß sich das gesamte master file-Verfahren ausschließlich auf die Zulassung von DES für schwangerschaftsunabhängige Zwecke bezog, das gemeinschaftliche Handeln der Hersteller diesbezüglich also ohne deliktsrechtliche Folgen bleiben müsse; vgl. Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1009 f.) (S.C. 1981); Lyons v. Premo Pharmaceutical Labs, Inc., 406 A.2d 185 (191) (N.J.App.Div. 1979); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (597) (M.D. Fla. 1982); Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (327) (Ill. 1990). In späteren Jahren gestellte Zulassungsanträge zur Anwendung von DES auch während der Schwangerschaft erfolgten sämtlich gesondert und mit jeweils eigenen Test- und Sicherheitsergebnissen der einzelnen Antragsteller; vgl. Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1010 f.) (S.C. 1981); Payton v. Abbott Laboratories, 512 F.Supp. 1031 (1038) (D.Mass. 1981); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (597) (M.D. Fla. 1982); Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (1311) (N.J.Super 1980); In re DES Cases, 789 F.Supp. 552 (558) (E.D.N.Y. 1992); Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (327) (Ill. 1990); Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (374) (Wash. 1984). Ab dem Jahre 1952 stufte die FDA DES nicht mehr als sog. new drug ein, was zur Folge hatte, daß Vertrieb und Vermarktung von synthetischem Östrogen von nun an sogar ohne vorherige Antragstellung zulässig wurden; vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (932) (Cal. 1980); Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (1312) (N.J.Super 1980); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1011) (S.C. 1981); In re DES Cases, 789 F.Supp. 552 (558) (E.D.N.Y. 1992); Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (327) (Ill. 1990); Tidler v. Eli Lilly Co., 851 F.2d 418 (420) (D.C.Cir. 1988); Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (374) (Wash. 1984).
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Es ist bei genauerer Betrachtung auch nur schwer einzusehen, warum ein Beteiligter haften soll, obwohl er den Schaden im Einzelfall nachweislich gar nicht verursacht haben kann.562 Dem Haftungskonzept der Concert of Action ging es ursprünglich nicht um die Lösung eines Identifizierungsproblems, sondern um die Abschreckung aller Beteiligten vor der Teilnahme an einem besonders gefährlichen gemeinschaftlichen Tun.563 Haften sollten wegen der besonderen Gefährlichkeit auch diejenigen Beteiligten, die den letzten kausalen Akt der Schädigung nicht unmittelbar zu verantworten hatten.564 Bestehen wie im Falle von Schädigungen durch DES hingegen nur allgemeine rechtliche Zuordnungsschwierigkeiten bezüglich des medizini560 Vgl. etwa Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (614 ff.) (1983); LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (65 ff.) (1981–82); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (932 f.) (1986); Kircher, 28 Vill. L. Rev. 1116 (1124) (1983); Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (722) (1982); Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:6 (14 f.) (1987); Eggen, Toxic Torts, 197 (2000); ferner auch Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (978 ff.) (1978). Nicht eintreffen dürfte wohl die Prognose von Appleson (Concert of Action Theory: Polluters Beware, 68 A. B. A. J. 1209 (1982)), daß eine breite Anwendung des Concert of Action-Haftungskonzepts in Umwelthaftungsfällen bevorstehe. 561 Zu (1) Asbestfällen vgl. etwa Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (617 f.) (1983); Kästle, Toxische Massenschäden, 77 (1993); aus der Rechtsprechung etwa In re Related Asbestos Cases, 543 F.Supp. 1152 (1155 ff.) (N.D.Cal. 1982). Zu Schadensfällen durch (2) DPT-Impfstoffe vgl. etwa Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (515 f.) (N.J. 1989); jeder bei der zuständigen Patentstelle eingereichte Impfstoff muß insoweit in einem besonderen Zulassungsverfahren separat getestet und lizenziert werden (vgl. 21 C.F.R. §§ 620.1 bis 620.6), so daß gemeinsames Vorgehen der Hersteller in diesen Fällen schon aus diesem Grund ausscheidet; vgl. Jones by Jones v. Lederle Laboratories, 695 F.Supp. 700 (703 f.) (E.D.N.Y. 1988). Zu (3) Bleivergiftungen vgl. etwa Skipworth v. Lead Industries Association, Inc., 690 A.2d 169 (174 f.) (Pa. 1997). 562 So auch Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (Cal. 1980) („Application of the concept of concert of action (. . .) would render virtually any manufacturer liable for the defective products of an entire industry, even if it could be demonstrated that the product which caused the injury was not made by the defendant.“ (id. 933)); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (Pa. Super. 1985) (The concept of concert of action „would produce the inequitable result of exposing to liability those manufacturers who have already demonstrated that their products were not the cause of the plaintiffs’ injuries.“ (id. 984)); ferner Burch, 17 FORUM 784 (788) (1982); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (615) (1983); Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (722) (1982); Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:6 (15) (1987). 563 Zum Haftungsgrund der Concert of Action vgl. Prosser/Keeton, On Torts, § 46 (1984); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (614) (1983); Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (608) (1990); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (979) (1978); Ohmann, Market Share Liability, 20 (1986); ferner Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1015) (S.C. 1981). 564 Siehe die Nachweise in FN 563.
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schen Schadensauslösers, fehlt der besondere deliktsrechtliche Grund für eine solche vollumfängliche Haftung aller Beteiligten. Außer in – soweit ersichtlich – bislang noch nicht praktisch gewordenen Fällen vorsätzlichen gemeinschaftlichen Vorgehens mehrerer Produzenten zur später zumindest billigend in Kauf genommenen Schädigung der Verbraucher dürfte das Konzept der Concert of Action zur Lösung des Problems des Indeterminate Defendant in toxischen Schadensfällen somit weitgehend ohne eigenständige Bedeutung bleiben. c) Alternative Liability Anders als das Konzept der Concert of Action setzt die Theorie der Alternative Liability unmittelbar am Identifizierungsproblem auf Schädigerseite an. Nach den Vorschlägen des Restatements (Second) of Torts soll bei alternativer Täterschaft die Beweislast in der Identifizierungsfrage dann auf die mehreren alternativ handelnden Deliktstäter umschlagen, wenn der Schaden erwiesenermaßen von einem von ihnen verursacht worden ist, es aber ungewiß bleibt, wer von ihnen die schadensbringende Ursache gesetzt hat.565 Mißlingt den Beklagten der Entlastungsbeweis, so soll jeder von 565 Vgl. Restatement (Second) of Torts, Section 433 B(3): „Where the conduct of two or more actors is tortious, and it is proved that harm has been caused to the plaintiff by only one of them, but there is uncertainty as to which one has caused it, the burden is upon each such actor to prove that he has not caused the harm.“ Anders als nach dem Haftungskonzept der Concert of Action ist hier der Entlastungsbeweis bei nachweisbar fehlender Kausalität also möglich, da es den Grundsätzen der Alternative Liability nicht um Abschreckung, sondern um die Überwindung unmöglicher Identifizierung des wahren Schädigers geht; vgl. Ohmann, Market Share Liability, 29 (1986). Auch im übrigen haben die Grundsätze der Alternative Liability breite Anerkennung gefunden; vgl. etwa Minnich v. Ashland Oil Co., 473 N.E.2d 1199 (Ohio 1984) sowie die Nachweise in den folgenden FN. Schon im Grundsatz ablehnend hingegen die Bundesstaaten Arkansas, Minnesota und Oregon; vgl. etwa Jackson v. Anchor Packing Co., 994 F.2d 1295 (8th Cir. 1993) (wendet das Recht von Arkansas an); Leuer v. Johnson, 450 N.W.2d 363 (Minn.Ct.App. 1990); Senn v. MerrellDow Pharmaceuticals, Inc., 751 P.2d 215 (223) (Or. 1988); Norwest v. Prebyterian Intercommunity Hospital, 652 P.2d 318 (Or. 1982); Anderson v. Maloney, 225 P. 318 (Or. 1924). Ihrer großen Popularität steht allerdings nur eine sehr geringe praktische Anwendung gegenüber; so auch Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (723) (1982); vgl. allenfalls die Entscheidungen Summers v. Tice et al., 199 P.2d 1 (Cal. 1948); Murphy v. Taxicabs of Louisville, Inc., 330 S.W.2d 395 (Ky. 1959); Eramdjian v. Interstate Bakery Co., 315 P.2d 19 (Cal.App. 1957); Copley v. Putter, 207 P.2d 876 (Cal.App. 1949); Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (Mich. 1984); Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (N.J.Super 1980). Vor der Entscheidung Summers v. Tice et al., 199 P.2d 1 (Cal. 1948) begründeten die Gerichte die Haftung in solchen Fällen regelmäßig noch mit der Annahme einer extensiv verstandenen
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ihnen dem Kläger gegenüber gesamtschuldnerisch in Höhe des gesamten Schadens haften.566 Ersten deutlichen Ausdruck hat diese Theorie im Fall Summers v. Tice et al.567 gefunden. Darin hatten die Beklagten Tice und Simonson auf einem Jagdausflug ihren Jagdgenossen Summers versehentlich mit einer Wachtel verwechselt und gleichzeitig und unabhängig voneinander auf Summers geschossen. Eine der beiden Kugeln traf Summers am Auge, wobei sich nachträglich nicht mehr klären ließ, welchem Gewehr das Geschoß entstammte. Der Supreme Court of California ließ in diesem Fall die beiden Schützen gesamtschuldnerisch haften.568 Im Verhältnis zwischen schuldhaft handelnden Deliktstätern und einem schuldlosen Deliktsopfer, das zudem noch unverschuldet gerade durch das unerlaubte Verhalten der Beklagten in Beweisnot geraten ist, sei es nicht unbillig, wenn die Beklagten die Frage der Schadenstragung allein unter sich auszumachen hätten.569 Zudem befänden sich die Beklagten gewöhnlicherweise in einer weit besseren Position als der Kläger, Informationen zur Aufklärung des Schadensherganges zu liefern.570 Insoweit verweist das Gericht auf eine Concert of Action; vgl. etwa State v. Newberg, 278 P. 568 (Or. 1929); Oliver v. Miles, 110 So. 666 (Miss. 1927); Benson v. Ross, 106 N.W. 1120 (Mich. 1906). 566 Vgl. etwa Sanderson v. IFF, 950 F.Supp. 981 (989) (C.D.Cal. 1996); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (45 f.) (Wis. 1984); City of Philadelphia v. Lead Industries Association, Inc., 994 F.2d 112 (127) (3rd Cir. 1993); Snoparsky v. Baer, 266 A.2d 707 (709) (Pa. 1970); Skipworth v. Lead Industries Association, Inc., 690 A.2d 169 (174) (Pa. 1997); Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (170) (Mich. 1984). 567 199 P.2d 1 (Cal. 1948). 568 Vgl. Summers v. Tice et al., 199 P.2d 1 (5) (Cal. 1948). 569 Vgl. Summers v. Tice et al., 199 P.2d 1 (4 f.) (Cal. 1948). Das Argument, daß die schuldhaft handelnden Täter durch ihr deliktisches Verhalten das schuldlose Opfer nicht einfach seiner Rechte berauben dürften, fand in der Rechtsprechung breite Zustimmung; vgl. aus der reichhaltigen Judikatur etwa Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (375) (Wash. 1984); Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (170 f., 172, 175) (Mich. 1984); zustimmend auch Prosser/Keeton, On Torts, § 41 (271) (1984); Johnson/Gunn, Tort Law, 349 (1994); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (612) (1983); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (932) (1986); Ohmann, Market Share Liability, 28 (1986). 570 Vgl. Summers v. Tice et al., 199 P.2d 1 (4) (Cal. 1948). Es ist in der Praxis umstritten, ob ein Informationsvorsprung der potentiellen Schädiger in der Identifizierungsfrage eine notwendige Voraussetzung für die Anwendung der Alternative Liability darstellt. In Summers hat der Supreme Court von Kalifornien die konstitutive Wirkung dieses Merkmals noch offen gelassen, 32 Jahre später in Sindell (unter DES-Bedingungen) aber ausdrücklich verneint; vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (930) (Cal. 1980) (das Gericht weist insoweit treffend darauf hin, daß sich die Beklagten in Summers ohnehin nicht in einer besseren Beweisposition befunden hätten als der Kläger (id. 929)). Ebenfalls verneinend: Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (174) (Mich. 1984); ferner Larsson, Environmental Damage, 391 (1997); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (611 FN 201) (1983). Die konstitu-
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gewisse Parallelität der alternativen Täterschaft zur Vermutungsregel der res ipsa loquitur.571 Eine einheitlich durchdachte Linie ist diesen Erwägungen des obersten kalifornischen Gerichtshofs freilich nicht anzumerken. Es werden Überlegungen zu Verschuldensfragen mit solchen zur Informationsermittlung und Beweislastverteilung vermischt, ohne daß man daraus einen eigenständigen kausalen Erklärungsgehalt gewinnen könnte. Die Frage, warum die Beklagten die Identifizierungslast tragen sollen, bleibt damit weiter unbeantwortet. Die Anwendung der Grundsätze der Alternative Liability kann man wohl letztlich nur unter Fairnessaspekten sinnvoll rechtfertigen, insoweit wohl aber auch nur dann, wenn die Zahl der möglichen Schädiger gering ausfällt. Wenn wie in Summers die Verursachungswahrscheinlichkeit für zwei alternative Deliktstäter bei exakt 50% liegt, ist der Weg zur Annahme eines „more likely than not“ für beide potentiell Verantwortlichen nicht mehr weit.572 Je mehr denkbare Schadensverursacher allerdings in Betracht komtive Wirkung wird hingegen bejaht von Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1074) (N.Y. Ct. App. 1989) (Shifting „the burden of proof (. . .) requires that the defendants have better access to information than does the plaintiff, (. . .).“ (id. 1074)); Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (244 f.) (Mo.banc 1984) (ohne Angabe von Gründen); wohl auch von Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (46) (Wis. 1984); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1016 f.) (S.C. 1981); Namm v. Charles E. Frosst & Co., 427 A.2d 1121 (1126 f.) (N.J.Super 1981); Eggen, Toxic Torts, 195 (2000). 571 Vgl. schon den Fall Ybarra v. Spangard, 154 P.2d 687 (Cal. 1944), auf den sich auch Summers v. Tice et al., 199 P.2d 1 (4) (Cal. 1948) bezieht; später erweitert durch Anderson v. Somberg, 338 A.2d 1 (N.J. 1975), cert. denied 423 U.S. 929, appeal after remand 386 A.2d 413 (N.J.Super. 1978); Holliday v. Peden, 359 So.2d 640 (La.App. 1978). In den drei Entscheidungen wurde der Kläger jeweils während einer Operation von einem der operationsbeteiligten Ärzte oder Hilfskräfte des anwesenden Krankenhauspersonals geschädigt, wobei er nachträglich wegen seiner Bewußtlosigkeit zur Zeit der schädigenden Handlung die konkrete Person des Schädigers nicht mehr bestimmen konnte. Unter Hinweis auf res ipsa loquitur ließ das Gericht die in Betracht kommenden Schädiger jeweils gesamtschuldnerisch haften (id.). Zu res ipsa loquitur allgemein vgl. etwa Prosser/Keeton, On Torts, § 39 (242 ff.) (1984). In DES-Fällen werden die Grundsätze der res ipsa loquitur meist in Zusammenhang mit der Frage nach der Erforderlichkeit eines Informationsvorsprungs für die Beklagten (siehe in FN 570) diskutiert; vgl. etwa Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (929) (Cal. 1980); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1016) (S.C. 1981); Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (174) (Mich. 1984); auf Anderson v. Somberg, 338 A.2d 1 (N.J. 1975) stützte sich später maßgeblich die Entscheidung Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (N.J.Super 1980). Schon im Grundsatz kritisch zur Rechtsfigur der res ipsa loquitur King v. J.C. Penney Co., 120 S.E.2d 229 (S.C. 1961); Crider v. Infinger Transportation Co., 148 S.E.2d 732 (S.C. 1966). 572 Vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (931) (Cal. 1980); Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1074) (N.Y. Ct. App. 1989). Das Beharren
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men, um so mehr schwindet auch die rechtfertigende Kraft dieses Fairnessarguments.573 In DES-Fällen vertrieben seinerzeit bis zu 300 verschiedene Hersteller synthetisches Östrogen.574 Die Schädigungswahrscheinlichkeit vieler kleiner und mittlerer Produzenten lag hier bei deutlich unter 1%. Reine Fairnessgründe reichen hier nach gerichtlicher Vorstellung keinesfalls mehr aus, um eine vollumfängliche Haftung aller Hersteller im Außenverhältnis zu begründen.575 Aber auch im übrigen halten die Gerichte überwiegend die Anwendung der Alternative Liability in solchen Fällen für nicht gerechtfertigt. So erscheint es etwa problematisch, daß die alternativen Schadenshandlungen hier nicht nahezu zeitgleich erfolgten wie im Fall Summers v. Tice et al., sondern sich über einen bestimmten längeren Zeitraum während der Schwangerschaft erstreckten.576 Auch der von mancher Seite für erforderauf der starren „more likely than not“-Regel, wie etwa in Senn v. Merrell-Dow Pharmaceuticals, Inc., 751 P.2d 215 (222 f.) (Or. 1988) (Schadensverursachung durch einen von zwei möglichen Impfstoffherstellern), hält man gerade bei einer solch geringen Anzahl möglicher Schadensverursacher für ungerecht; vgl. etwa Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (724 f.) (1982). 573 So auch das Restatement (Second) of Torts, Section 433 B(3) comment h; vgl. ferner Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (Cal. 1980) (The „possibility that any of the five defendants supplied the DES to plaintiff’s mother is so remote that it would be unfair to require each defendant to exonerate itself.“ (id. 931)); Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1074) (N.Y. Ct. App. 1989); ferner Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (724 f.) (1982). 574 Siehe oben unter A. I. (bei FN 121). 575 Vgl. insbesondere Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (931) (Cal. 1980); Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1074) (N.Y. Ct. App. 1989); ferner Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (724 f.) (1982); Ohmann, Market Share Liability, 30 (1986). Die gesamtschuldnerische Einstandspflicht im Außenverhältnis für das Risikoverhalten auch der anderen Hersteller wird gerade in denjenigen Bundesstaaten der USA unerträglich, in denen sich Gesetzgebung und Rechtsprechung bislang noch geweigert haben, einen Binnenregreß (contribution bzw. indemnity) unter den Beteiligten zuzulassen; vgl. zu Fragen der contribution (bei anteiliger Schadenstragung) sowie der indemnity (bei Vollhaftung eines der Beteiligten im Innenverhältnis) insbesondere Prosser/Keeton, On Torts, §§ 50 f. (1984); Eggen, Toxic Torts, 112 f., 379 ff. (2000). 576 Vgl. insbesondere die Fallnachweise bei Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:2 (9) (1987). Am Erfordernis zeitgleicher Schadenshandlungen scheiterten auch zwei Klagen, in denen sich die Bleivergiftungen der Kläger aus verschiedenen im Laufe der Jahre aufgetragenen bleihaltigen Anstrichfarben ergeben haben konnten; vgl. City of Philadelphia v. Lead Industries Association, Inc., 994 F.2d 112 (128) (3rd Cir. 1993); Skipworth v. Lead Industries Association, Inc., 690 A.2d 169 (174) (Pa. 1997). Im deutschen Recht vollzieht die gerichtliche Praxis eine entsprechende dogmatische Einschränkung der Gesamtschuldhaftung mehrerer Alternativtäter beim Merkmal der „Beteiligten“ in § 830 I 2 BGB; zu der dort geforderten zeitlichen und räumlichen Einheitlichkeit des Tatvorgangs siehe die Ausführungen in FN 735.
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lich gehaltene Informationsvorsprung der Beklagten wird im Falle von DES ausnahmslos verneint.577 Überdies knüpft ein Großteil der US-amerikanischen Rechtsprechung die Anwendung der Alternative Liability an gewisse prozessuale Mindestvoraussetzungen, die der Kläger erfüllen muß, wenn er mit seiner Klage nicht schon a limine abgewiesen werden will. So soll es insbesondere erforderlich sein, daß der Kläger mit seiner Klage alle denkbaren Alternativtäter vor Gericht bringt, damit sich das Gericht sicher sein kann, daß sich der wahre Schädiger unter den Beklagten befindet.578 In DES-Fällen läßt sich diese Voraussetzung wegen der großen Anzahl denkbarer Schadensverursacher meist nur schwer erfüllen.579 Wie die Entschei577 Vgl. Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (46) (Wis. 1984); Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1074) (N.Y. Ct. App. 1989); Namm v. Charles E. Frosst & Co., 427 A.2d 1121 (1126 f.) (N.J.Super 1981); Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (174) (Mich. 1984); ferner Eggen, Toxic Torts, 195 f. (2000). Die Kläger dürften sich hier wegen möglicher Erinnerungsvorteile der Mutter bzw. Großmutter bezüglich des damaligen Kaufsituation des konkret schädigenden DESPräparates eventuell noch in einer leicht besserer Beweisposition befinden als die an der unmittelbaren Letztveräußerung nicht beteiligten Beklagten; vgl. Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (244 f.) (Mo.banc 1984); Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (930 FN 13) (Cal. 1980). Kästle (Toxische Massenschäden, 82 (1993)) kann umgekehrt einen geringen Informationsvorsprung der Beklagten nur deshalb feststellen, weil er dafür nicht auf den positiven Nachweis der Kausalität, sondern auf die Entlastungsmöglichkeit für die Beklagten abstellt. Allein damit könnte man in DES-Fällen freilich keine Beweislastumkehr begründen, da sich aus dem Scheitern des Entlastungsbeweises noch keine hinreichend große Wahrscheinlichkeit für das positive Vorliegen eines ursächlichen Zusammenhanges ergibt. Auch in Fragen der Medical Causation weisen die Beklagten in aller Regel keinen Informationsvorsprung gegenüber den Klägern auf; siehe unter B. II. 2. b). 578 Dieses Merkmal stammt nicht aus Summers, wurde aber in der Folgezeit von zahlreichen Gerichten als prozessuale Notwendigkeit für eine materiellrechtliche Haftung nach den Grundsätzen der Alternative Liability angesehen. So etwa in Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (377) (Wash. 1984); Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (244) (Mo.banc 1984); Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (931) (Cal. 1980); Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (516) (N.J. 1989); Sanderson v. IFF, 950 F.Supp. 981 (989, 991) (C.D.Cal. 1996); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (46) (Wis. 1984); City of Philadelphia v. Lead Industries Association, Inc., 994 F.2d 112 (128) (3rd Cir. 1993); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1016) (S.C. 1981); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (598 f.) (M.D. Fla. 1982); Skipworth v. Lead Industries Association, Inc., 690 A.2d 169 (174) (Pa. 1997); Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1074) (N.Y. Ct. App. 1989); Namm v. Charles E. Frosst & Co., 427 A.2d 1121 (1126) (N.J.Super 1981); Goldman v. Johns-Manville Sales Corp., 514 N.E.2d 691 (696 f.) (Ohio 1987). 579 Siehe die Rechtsprechungsnachweise in FN 578. Bisher war es nur den Klägern in Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (174) (Mich. 1984) gelungen, alle möglichen Hersteller zu verklagen, die im fraglichen Zeitraum DES hergestellt hatten. Das complete joinder-Erfordernis findet im deutschen Prozeßrecht keine Entsprechung, ist aber auch in der US-amerikanischen Judikatur auf Bedenken gesto-
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dungen Namm v. Charles E. Frosst & Co.580 und Senn v. Merrell-Dow Pharmaceuticals, Inc.581 hervorheben, bedürfte die Anwendung einer so grundlegend haftungsverändernden Theorie wohl, zumindest für den Bereich toxischer Massenschäden, nicht zuletzt auch im Hinblick auf mögliche Eigentumsbeeinträchtigungen für die Beklagten,582 einer ausdrücklichen Zulassung durch den Gesetzgeber. Vor allem aus diesen Gründen hat die Rechtsprechung seither die Anwendung der Alternative Liability im Bereich toxischer Massenschäden bis auf zwei Ausnahmefälle583 durchweg abgelehnt.584 d) Industry-wide Liability Da Alternative Liability und Concert of Action als solche – wie gesehen – in der Regel wenig geeignet sind, das Problem des Indeterminate Defendant zu lösen, hat Anfang der 1970er Jahre eine erstinstanzliche Entscheidung eines New Yorker Bundesgerichts585 versucht, beide Ansätze eklektisch zu einem neuen Haftungstatbestand, der sog. Industry-wide Liability oder Enterprise Liability,586 zu verbinden.587 13 Kinder waren in gesonderßen; vgl. etwa Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (1313) (N.J.Super 1980); McElhaney v. Eli Lilly Co., 564 F.Supp. 265 (S.D. 1983); kritisch auch das Restatement (Second) of Torts, Section 433 B(3) comment h. Es ist nur schwer einzusehen, warum gerade dann alle möglichen Schädiger gemeinsam verklagt werden müssen, wenn sie definitionsgemäß nicht in concert gehandelt haben; vgl. zur Kritik insgesamt auch Kästle, Toxische Massenschäden, 82 ff. (1993); Davis/Foster/Smith/ Ytreberg, Products Liability, § 9:3 (11) (1987). 580 427 A.2d 1121 (1128) (N.J.Super 1981). 581 751 P.2d 215 (223) (Or. 1988). 582 Vgl. etwa Namm v. Charles E. Frosst & Co., 427 A.2d 1121 (N.J.Super 1981) („It would result in the taking of the property of all the named defendants in order to pay for harm which may have been caused by only one of the defendants, (. . .).“ (id. 1128)). 583 Vgl. Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (N.J.Super 1980) (overruled durch Namm v. Charles E. Frosst & Co., 427 A.2d 1121 (N.J.Super 1981)) und Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (Mich. 1984). 584 Siehe sämtliche der in FN 578 genannten Rechtsprechungsnachweise; ferner Horton v. Harwick Chemical Co., 653 N.E.2d 1196 (Ohio 1995); Senn v. MerrellDow Pharmaceuticals, Inc., 751 P.2d 215 (223) (Or. 1988). 585 Vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (E.D.N.Y. 1972). 586 Der Begriff der Industry-wide Liability wird gegenüber dem der Enterprise Liability regelmäßig bevorzugt verwendet, da dieser früher teilweise schon mit anderem Inhalt Benutzung fand; vgl. etwa das Begriffsverständnis bei Nolan/Ursin, Understanding Enterprise Liability (1995); zur Begriffswahl ferner Coggins, Industry-wide Liability, 13 Suffolk U. L. Rev. 980 (1979); LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (69) (1981–82); auch Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (933) (Cal.
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ten Unfällen durch explodierende Zündhütchen verletzt worden.588 Die Identifizierung der jeweiligen Hersteller scheiterte jedes Mal daran, daß die auf den Sprengkapseln aufgedruckte Herstellerbezeichnung durch die Explosion bis zur Unkenntlichkeit verbrannt worden war.589 Die Kinder verklagten in ihrer Beweisnot die sechs größten Zündhütchenhersteller des US-amerikanischen Marktes und damit praktisch die gesamte Zündhütchenindustrie der Vereinigten Staaten.590 Der für die Entscheidung zuständige Richter Weinstein formulierte seine Lösung einer Enterprise Liability als Mittelweg zwischen einer Concert of Action und einer Alternative Liability.591 Anstatt ein tacit understanding im Sinne einer Concert of Action unter den Herstellern nachweisen zu müssen, genüge es, wenn die Kläger künftig allein deren gemeinsame Risikokontrolle in Sicherheitsfragen ihrer Produkte darlegten.592 Eine solche gemein1980). Zum hybriden Charakter dieser Theorie vgl. etwa Hardy v. Johns-Manville Sales Corp., 509 F.Supp.1353 (1357) (E.D.Tex. 1981); aus der Literatur etwa Harris, 40 Sw. L. J. 909 (937) (1986); LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (69) (1981–82); Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:7 (18) (1987); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (974) (1978); abwertend Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (1982) („rather murky mixture“ (id. 723), „concept has no visible factual content“ (id. 724 FN 45)). 587 Maßgeblich weiterentwickelt wurde dieser Ansatz industrieweiter Haftung vor allem von Sheiner, DES and a Proposed Theory of Enterprise Liability, 46 Fordham L. Rev. 963 (1978); grundlegend vorher schon Klemme, The Enterprise Liability Theorie of Torts, 47 U. Colo. L. Rev. 153 (1976); weiterführend Coggins, Industrywide Liability, 13 Suffolk U. L. Rev. 980 (1979). 588 Vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (359) (E.D.N.Y. 1972). 589 Vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (378) (E.D.N.Y. 1972). 590 Vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (358, 386) (E.D.N.Y. 1972). Nach Auffassung des Gerichtes hätten sogar nur mehr als die Hälfte aller möglichen Schädiger verklagt zu werden brauchen („It must be more probable than not that an injury was caused by a cap made by some one of the named defendant manufacturers, though which one is unknown.“ (id. 379)). Das Gericht folgte damit weder dem complete joinder-Erfordernis der Alternative Liability [siehe unter C. I. 1. c)] noch der willkürlichen Beklagtenauswahlmöglichkeit bei Anwendung der Concert of Action [siehe unter C. I. 1. b)]. Nach Sheiner (46 Fordham L. Rev. 963 (992, 995 f.) (1978)) sollten für eine erfolgreiche Anwendung der Enterprise Liability mindestens 75% bis 80% aller möglichen Schädiger vor Gericht stehen (Beweisstandard des clear and convincing evidence); dem folgen LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (70) (1981–82); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (620) (1983). 591 Vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (358, 374, 376 ff.) (E.D.N.Y. 1972). 592 Vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (371 ff.) (E.D.N.Y. 1972). Zum Erfordernis des joint control of risk aller Marktteilnehmer
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same Risikokontrolle liege hier zum einen bereits darin begründet, daß die Hersteller im Laufe der Jahre zusammen einheitliche Sicherheitsstandards – teilweise ausdrücklich, teilweise konkludent – entwickelt hatten, an denen sich die gesamte Industrie orientierte.593 Zum anderen hätten die Hersteller ihre Risikobedürfnisse auch dadurch verkollektiviert, daß sie zur Vereinheitlichung ihrer Sicherheitsanliegen und zur Erfüllung ihrer Verbraucherschutzobliegenheiten diverse Kontroll- und Etikettierungsaufgaben an ihre gemeinsame Handelsvereinigung abgetreten hatten.594 Die Grundsätze der Alternative Liability wurden bei der Lösung der Enterprise Liability zumindest noch insoweit berücksichtigt, als anders als im Falle einer Concert of Action der Entlastungsbeweis für die einzelnen Hersteller durchaus noch zulässig sein sollte.595 Ein Hersteller sollte nicht deshalb haften, weil er an einer zentralisierten Industrie mit gemeinsamen Sicherheitsstandards teilnahm, sondern weil er den Schaden des Klägers verursacht hatte und sich deshalb auch jederzeit entlasten können mußte.596 des betreffenden Industriezweiges vgl. ferner Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (245) (Mo.banc 1984); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (47) (Wis. 1984); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (984) (Pa. Super. 1985); zudem Larsson, Environmental Damage, 391 (1997); Freedman, Allocation of Risk, 30 (1987); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (619) (1983). 593 Vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (374 ff.) (E.D.N.Y. 1972). Zum Erfordernis einheitlicher, industrieweiter Sicherheitsstandards vgl. ferner Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (379) (Wash. 1984); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (984 f.) (Pa. Super. 1985); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (47) (Wis. 1984); Hardy v. Johns-Manville Sales Corp., 509 F.Supp.1353 (1357) (E.D.Tex. 1981); zudem Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:7 (16) (1987); Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (974) (1978); Larsson, Environmental Damage, 392 (1997); Freedman, Allocation of Risk, 29 (1987); Eggen, Toxic Torts, 198 (2000). 594 Vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (374) (E.D.N.Y. 1972). Die Abtretung produktbezogener Sicherungsfunktionen an die gemeinsame Handelsvereinigung wird gemeinhin als deutliches Indiz für das Vorliegen gemeinsamer Risikokontrolle unter den Beteiligten gewertet; vgl. Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (380) (Wash. 1984); Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (245) (Mo.banc 1984); Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (935) (Cal. 1980); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1017 f.) (S.C. 1981); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (984) (Pa. Super. 1985). Zu Handelsvereinigungen, die zusammen mit ihren Mitgliedern industrieweite Sicherheitsstandards aufgestellt haben, vgl. die Nennungen bei LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (63) (1981–82). 595 Vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (378 ff.) (E.D.N.Y. 1972). 596 Ein Teil der Autoren will bei Anwendung der Industry-wide Liability die Entlastungsmöglichkeit der Beklagten ausschließen; in diesem Sinne etwa LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (72) (1981–82). Dieser Auffassung liegt die Vorstellung zugrunde, daß der Schaden in solchen Fällen direkt vom fehlerhaften industrieweiten Sicher-
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In der Praxis sind die Vorstellungen Richter Weinsteins von einer industrieweiten Haftung sämtlicher Marktteilnehmer bislang ausnahmslos auf Ablehnung gestoßen.597 In DES-Fällen scheiterte die Annahme einer gemeinsamen Risikokontrolle bereits daran, daß es sich beim DES-Markt um eine dezentralisierte Branche mit einer Fülle unabhängiger Hersteller handelte, in der sich einheitlich formulierte Sicherheitsstandards nicht entwikkeln konnten.598 Zudem waren Abtretungen verschiedener Sicherheitsaufgaben an gemeinsame Handelsvereinigungen in diesem Bereich nicht üblich gewesen.599 Vielmehr waren die Sicherheitsstandards den Herstellern sogar heitsstandard verursacht wird, so daß bereits die Teilnahme an der Ausarbeitung als hinreichender Haftungsgrund fungieren kann (id. 71 f.); vgl. auch Harris (40 Sw. L. J. 909 (937) (1986)), Davis/Foster/Smith/Ytreberg (Products Liability, § 9:7 (16) (1987)), Eggen (Toxic Torts, 198 (2000)) und Larsson (Environmental Damage, 392 (1997)), die zur Frage der Entlastungsmöglichkeit allerdings nicht ausdrücklich Stellung beziehen. Gegen eine solche Auseinanderdehnung des Haftungstatbestandes und für eine Entlastungsmöglichkeit hingegen ausdrücklich Sheiner, 46 Fordham L. Rev. 963 (995 f.) (1978); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (618 f.) (1983). 597 Vgl. Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (380) (Wash. 1984); Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (245) (Mo.banc 1984); Mulcahy v. Eli Lilly Co., 386 N.W.2d 67 (71 f.) (Iowa 1986); Namm v. Charles E. Frosst & Co., 427 A.2d 1121 (1128 f.) (N.J.Super 1981); Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (935) (Cal. 1980); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1017 f.) (S.C. 1981); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (598) (M.D. Fla. 1982); Conley v. Boyle Drug Co., 477 So.2d 600 (603 f.) (Fla. Dist.Ct.App. 1985); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (984 f.) (Pa.Super. 1985). Diejenigen Entscheidungen, die Concert of Action oder Alternative Liability auf DES-Fälle für anwendbar halten, lassen diesbezüglich die Frage nach der Anwendbarkeit der Industry-wide Liability ausdrücklich offen; vgl. Bichler v. Eli Lilly Co., 436 N.E.2d 182 (186) (N.Y. Ct. App. 1982); Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (1315) (N.J.Super 1980); Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (176) (Mich. 1984). 598 Hall selbst hat den Anwendungsbereich der Enterprise Liability auf zentral gesteuerte Industrien mit wenigen Marktteilnehmern begrenzt; vgl. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (E.D.N.Y. 1972) („What would be fair and feasible with regard to an industry of five or ten producers might be manifestly unreasonable if applied to a decentralized industry composed of thousands of small producers.“ (id. 378)). Die Gerichte sind dem in DES-Fällen bislang uneingeschränkt gefolgt; vgl. Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (Wis. 1984) (The „assumption that the defendants jointly controlled the risk of injury is necessarily weak given the fact that so many drug companies entered and left the DES marketplace from 1947 to 1971.“ (id. 47)); Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (Wash. 1984) (Enterprise Liability „is predicated upon industrywide cooperation of a much greater degree than occured among DES manufacturers.“ (id. 379)); ferner Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (245) (Mo.banc 1984); Mulcahy v. Eli Lilly Co., 386 N.W.2d 67 (71) (Iowa 1986); Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (935) (Cal. 1980); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (598) (M.D. Fla. 1982). 599 Vgl. Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (245) (Mo.banc 1984); Mulcahy v. Eli Lilly Co., 386 N.W.2d 67 (71) (Iowa 1986); Sindell v. Abbott Laboratories, 607
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von behördlicher Seite aus vorgegeben worden,600 so daß allein deren Befolgung ohne inneren Widerspruch nicht die Begründung für eine zivilrechtliche Haftung abgeben konnte. Auch in anderen Fällen wurde der Ansatz der Industry-wide Liability von den Gerichten durchweg verworfen.601 Wie von verschiedener Seite angemerkt worden ist, würde die Anwendung der Industry-wide Liability letztlich wohl zu einer industrieweiten Gefährdungshaftung für defekte Produkte führen.602 Jeder Hersteller wäre nicht nur Versicherer seiner eigenen Produkte, sondern aller gleichförmigen Produkte einer gesamten Industrie.603 Die Industry-wide Liability dürfte deshalb für toxische Massenschäden wohl kaum einen gangbaren Weg eröffnen, um das damit verbundene Identifizierungsproblem auf Schädigerseite angemessen lösen zu können.
P.2d 924 (935) (Cal. 1980); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (598) (M.D. Fla. 1982); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (985) (Pa. Super. 1985). 600 Vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (935) (Cal. 1980); Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (245) (Mo.banc 1984); Mulcahy v. Eli Lilly Co., 386 N.W.2d 67 (72) (Iowa 1986); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (47) (Wis. 1984); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (598) (M.D. Fla. 1982); Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (985) (Pa. Super. 1985) sowie die Ausführungen und Nachweise in den FN 128, 559. LaMarca (31 Drake L. Rev. 61 (71) (1981–82)) macht eine Ausnahme vom Erfordernis industrieautonom gesetzter Sicherheitsstandards für solche Fälle, in denen Verwaltung oder Gesetzgeber nur einen von der Industrie selbst ausgearbeiteten Standard ungeprüft – und damit möglicherweise fehlerhaft – übernommen haben (mit konkretem Beispiel id. 71 FN 66). 601 (1) Asbest: Gaulding v. Celotex Co., 772 S.W.2d 66 (70) (Tex. 1989); Hardy v. Johns-Manville Sales Corp., 509 F.Supp.1353 (1357) (E.D.Tex. 1981); Thompson v. Johns-Manville Sales Corp., 714 F.2d 581 (5th Cir. 1983); ferner Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (620) (1983). (2) Bleivergiftungen durch bleihaltige Farbe: Hurt v. Philadelphia Housing Auth., 806 F.Supp. 515 (E.D.Pa. 1992). (3) DPT-Impfstoff: Sheffield v. Eli Lilly Co., 192 Cal.Rptr. 870 (Ct.App. Cal. 1983). (4) Luft- und Wasserverschmutzungen: Harris (40 Sw. L. J. 909 (937 f.) (1986)) befürwortet eine Ausdehnung der Industry-wide Liability auch auf diese Bereiche, sofern die verursachende Industrie aus wenigen Marktteilnehmern besteht. 602 Vgl. Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (380) (Wash. 1984). 603 Vgl. Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1017) (S.C. 1981); siehe insoweit auch die entsprechenden Erwägungen unter B. II. 3. Namm v. Charles E. Frosst & Co., 427 A.2d 1121 (1128) (N.J.Super 1981) hält angesichts der deutlichen Haftungsverschärfung auch im Falle der Industry-wide Liability eine gesetzliche Grundlage für erforderlich.
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e) Lösungen im Arbeitsrecht aa) Last Injurious Exposure Schon seit längerem haben sich in der arbeitsgerichtlichen Praxis zwei Zuordnungsregeln etabliert, deren Übertragbarkeit auf andere Bereiche toxischer Massenschäden noch weitgehend ungeprüft geblieben ist. Nach der bekannteren Last Injurious Exposure-Regel haftet ein Arbeitgeber für Arbeitserkrankungen seiner Arbeitnehmer dann voll und (im Verhältnis zu früheren Arbeitgebern) ausschließlich auf Schadensersatz, wenn die Bedingungen des Arbeitsverhältnisses so beschaffen waren, daß die fragliche Krankheit nach Art und Dauer der Exposition im Laufe dieses letzten Arbeitsverhältnisses verursacht worden sein kann.604 Ein direkter Ursachenbeweis ist für den Kläger dann entbehrlich. Es genügt der Nachweis, daß die jeweilige toxische Substanz generell geeignet war, die fragliche Erkrankung nach den konkreten Umständen des beruflichen Risikokontakts auszulösen.605 Die Gerichte haben den Anwendungsbereich dieser Regel bisher ausdrücklich auf Entschädigungen für Asbesterkrankungen im Rahmen der Workers’ Compensation606 begrenzt.607 Die besonderen Bedingungen dieser Entschädigungsregel machen es auch äußerst schwierig, an eine Übertragung ihrer Voraussetzungen auf andere Bereiche toxischer Massenschäden, wie etwa Produkt-, Arzneimittel- oder Umwelthaftungen, zu denken.608 604 So die ständige Rechtsprechung der arbeitsrechtlichen Praxis; vgl. etwa Ringeisen v. Insulation Servs., Inc., 539 S.W.2d 621 (Mo.Ct.App. 1976); Mathis v. State Accident Ins. Fund, 499 P.2d 1331 (Or.App. 1972); Aetna Casualty & Sur. Co. v. Luker, 511 S.W.2d 587 (Tex.Civ.App. 1974). In vielen Bundesstaaten ist die Last Injurious Exposure-Regel zudem bereits gesetzlich anerkannt; vgl. etwa Ark. Stat. Ann. § 81-1314(6) (1976); Del. Code Ann., tit. 19, § 2329 (1979); N.Y. Work. Comp. Law § 44 (McKinney 1965); Or. Rev. Stat. § 656.807 (1981); Mo. Rev. Stat. § 287.063(1) (Supp. 1982). 605 Vgl. Mathis v. State Accident Ins. Fund, 499 P.2d 1331 (1336) (Or.App. 1972); Ringeisen v. Insulation Servs., Inc., 539 S.W.2d 621 (624) (Mo.Ct.App. 1976); ferner Mulcahy, 11 HOFSTRA L. Rev. 1299 (1309 f.) (1983); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (935 f.) (1986). 606 Zu Geschichte, Entwicklung und Ausgestaltung des Unfallversicherungsschutzes US-amerikanischer Arbeitnehmer speziell in bezug auf toxisch induzierte occupational diseases vgl. Eggen, Toxic Torts, 120 ff. (2000); dens., 60 Fordham L. Rev. 843 (859 ff.) (1992); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (731 ff.) (1983); Henderson/Pearson, The Torts Process, 844 ff. (1988). 607 Vgl. etwa Ringeisen v. Insulation Servs., Inc., 539 S.W.2d 621 (624) (Mo.Ct.App. 1976); Mathis v. State Accident Ins. Fund, 499 P.2d 1331 (1334 ff.) (Or.App. 1972); Aetna Casualty & Sur. Co. v. Luker, 511 S.W.2d 587 (588 f.) (Tex.Civ.App. 1974).
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Schon aus rein faktischen Gründen dürfte es in diesen Bereichen regelmäßig unaufklärbar bleiben, von welchem Beklagten die fragliche Substanz der letzten Risikoexposition stammt. Der unbestimmbare wahre Schädiger würde einfach durch den unbestimmbaren letzten Risikoemittenten ersetzt und damit sogar das Zielsubjekt des (unbestimmbaren) Haftungstäters verfehlt werden. Ausschlaggebend für die Ablehnung dieser Theorie sind letztlich aber die mit ihrer Anwendung verbundenen ökonomischen und rechtsethischen Bedenken. Es macht weder unter Abschreckungs- noch unter Kompensationsgesichtspunkten Sinn, alle Risikoteilnehmer auf Kosten des jeweils zeitlich letzten Risikoverursachers zu entlasten. Dieser müßte mit seiner Haftung für Risiken einstehen, die er in seiner Kollektivität weder mittelbar noch unmittelbar zu verantworten hat. Die Entlastung aller übrigen Risikoteilnehmer resultierte nur daraus, daß sie zeitlich sogar noch früher riskant gehandelt haben als der Emittent des Letztrisikos. Die Bedenken der Rechtsprechung gegen eine Ausdehnung des Anwendungsbereiches der Last Injurious Exposure-Regel sind also in der Tat berechtigt. Die im verbleibenden Anwendungsbereich mit der exklusiven Haftung für den letzten Arbeitgeber verbundenen Ungerechtigkeiten werden von der Rechtsprechung bisher nur mit dem Bequemlichkeitsargument in Kauf genommen, damit für die geschädigten Asbestarbeitnehmer ein möglichst reibungslos funktionierendes Entschädigungsinstitut mit einem klar definierten Entschädigungsgegner bereitstellen zu können.609 Eine Ausweitung dieser Ungerechtigkeiten auf andere Bereiche scheint aber unerträglich und wird auch – soweit ersichtlich – zu Recht nirgendwo vertreten. bb) Duration and Intensity of Exposure Entsprechend auf Asbesterkrankungen im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ist die zweite arbeitsgerichtliche Regel, die sog. Duration and Intensity of Exposure Rule, begrenzt worden. Nach einer Entscheidung aus Virginia aus dem Jahre 1979610 braucht ein geschädigter Asbestarbeitnehmer dem jeweils verklagten – und nicht notwendig letzten – Arbeitgeber nur noch nachzuweisen, daß die Asbestexposition nach Dauer und Intensität generell geeignet war, den entstandenen Schaden zu verursachen.611 608
Vgl. Harris, 40 Sw. L. J. 909 (936) (1986). Die Entscheidung Ringeisen v. Insulation Servs., Inc., 539 S.W.2d 621 (Mo.Ct.App. 1976) bezeichnet die Last Injurious Exposure-Regel deshalb auch bewußt als „rule of convenience (. . .) (finding that) any search for positive proof of causation among several employers in cases of occupational diseases was a futile search“ (id. 624) (Klammereinfügung nicht im Original); so auch Mulcahy, 11 HOFSTRA L. Rev. 1299 (1309 f.) (1983); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (935) (1986). 610 Vgl. Caudle-Hyatt, Inc. v. Mixon, 260 S.E.2d 193 (Va. 1979). 609
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Der Nachweis eines direkten Kausalzusammenhanges ist auch hiernach überflüssig. Dieser Regel kann man neben ihrer Klarheit und Einfachheit insbesondere zugute halten, daß sie, indem sie ausschließlich auf die dauerhaften und intensiven und damit wahrscheinlicheren Schadensursachen abstellt, die Zahl der Haftungsübereinstimmung mit den tatsächlichen Verhältnissen bis zu einem gewissem Maße steigern kann. Wer ein Risiko von einiger Dauer und Intensität gesetzt hat, ist unter dieser Voraussetzung auch mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit mit dem tatsächlichen Schädiger identisch.612 Zudem vermag diese Regelung auch das Kompensationsinteresse des geschädigten Arbeitnehmers durch die volle Außenhaftung des verklagten Arbeitgebers restlos zu befriedigen. Der Arbeitnehmer darf sich hiernach sogar aussuchen, welchen seiner vergangenen Arbeitgeber er verklagen und von wem er seinen entstandenen Schaden ersetzt verlangen möchte. Die Nachteile dieses Ansatzes sind jedoch – neben der Notwendigkeit einer weiteren Konkretisierung ihrer Voraussetzungen – offenbar: Risikoverhalten bliebe danach bis zu einem gewissen Grade nur deshalb haftungsfrei, weil schon das Verhalten eines Dritten ausreichend dauerhaft und intensiv auf den Kläger eingewirkt hat. Fremdrisiko wäre auf diese Weise in der Lage, von dritter Seite gesetztes Risiko vollständig zu legitimieren, obwohl dieses im Falle seines alleinigen Vorhandenseins Auslöser für eine vollumfängliche Ersatzpflicht geworden wäre. Die Entscheidung aus Virginia ist deshalb zu Recht selbst für den arbeitsrechtlichen Bereich ohne Fortsetzung geblieben. Ihre Übertragung ins allgemeine Deliktsrecht wäre einer entsprechenden Kritik ausgesetzt wie all jene Lösungen, die zu einer vollumfänglichen Haftung eines unbestimmbaren Schadensverursachers im Außenverhältnis führen.613 f) Zusammenfassung und Ergebnis Das herkömmliche Deliktsrecht der USA hat sich als denkbar ungeeignet erwiesen, die rechtlichen Zuordnungsschwierigkeiten der medizinisch ver611 Vgl. Caudle-Hyatt, Inc. v. Mixon, 260 S.E.2d 193 (Va. 1979) („the exposure was of such duration and intensitiy that it generally causes the disease in question, even though actual causation or aggravation cannot be established“ (id. 196)); vgl. auch schon die Entscheidung Yocom v. Gentry, 535 S.W.2d 850 (Ky. 1976), die für eine Haftung auf die „only significant exposure (. . .) to the hazard of the disease“ (id. 852) abstellt. 612 Vgl. die argumentative Parallele zur Maximum Likelihood Rule (B IV) als möglichen Ansatz zur Lösung des Problems des Indeterminate Plaintiff. 613 Siehe zur Kritik im einzelnen unter C. II. 3. sowie oben unter B. II. 3.
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antwortlichen Schadensursache befriedigend zu lösen. Das Haftungskonzept der Concert of Action konnte den Ersatz des Ursachenzusammenhanges durch die Erfüllung seiner Voraussetzungen sowie die gesamtschuldnerische Inanspruchnahme der Beteiligten zwar noch mit dem Argument notwendiger Abschreckung aller Beteiligten vor der Teilnahme an einem besonders gefährlichen gemeinsamen Tun rechtfertigen, war darüber hinaus aber nicht in der Lage, einen weiterführenden dogmatischen Beitrag für eine allgemein tragfähige Lösung des Identifizierungsproblems auf Schädigerseite zu liefern. Entsprechende Kritik mußte der von Richter Weinstein ins Leben gerufene Ansatz einer Industry-wide Liability gegen sich gelten lassen. Seine eng auf zentralisierte Industrien mit wenigen Marktteilnehmern begrenzten Voraussetzungen konnten weder die selbstauferlegte Beschränkung der von ihm propagierten Gesamtschuldhaftung gerade auf diesen eng gezogenen Bereich begründen noch ließen sie verallgemeinerungsfähige Aussagen für eine notwendige Fortentwicklung des Deliktsrechts bei einer Mehrzahl möglicher Verursacher erkennen. Gemäßes galt für die Grundsätze der Alternative Liability, die mit den zu ihrer Rechtfertigung angestellten weitgehend zusammenhanglosen Überlegungen zu Fragen des Verschuldens, der Beweislastverteilung und Informationsbeschaffung der entscheidenden dogmatischen Anknüpfungsmöglichkeit für eine Weiterbildung des Rechts bei der notwendigen Klärung des verantwortungsadäquaten Haftungsumfangs der mehreren potentiellen Schadensverursacher bei gleichzeitigem Vorhandensein einer Mehrzahl von ihnen betroffener Personen auf Geschädigtenseite entbehrt hatten. Eine solche Anknüpfungsmöglichkeit ließen auch die besonderen Voraussetzungen zweier von der US-amerikanischen Praxis im Rahmen der Workers’ Compensation angewendeter Lösungen vermissen. Die besonderen arbeitsrechtlichen Bedingungen machten es zudem regelmäßig schon aus faktischen Gründen unmöglich, diese besonderen Entschädigungsregeln auf andere Bereiche toxischer Massenschäden zu übertragen. Es scheint deshalb nun an der Zeit, den Blick auf einige neuere Rechtsentwicklungen zu richten, die seit Beginn der 1980er Jahre in den USA für nicht unerhebliche Furore gesorgt haben. 2. Neuere Rechtsentwicklungen a) Market Share Liability Ausgangspunkt war im Jahre 1980 die sog. Market Share Liability.614 Gemäß ihrer Bezeichnung haften alle Hersteller eines fungiblen Produkts 614 Der Begriff sowie das theoretische Fundament dieses Konzepts entstammt der Entscheidung Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (936 ff.) (Cal. 1980)
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mit identischen Risikoeigenschaften (Bsp.: DES) bei Unermittelbarkeit des tatsächlichen Schädigers dem geschädigten Verbraucher gegenüber nicht mehr gesamtschuldnerisch, wie noch nach den Theorien des herkömmlichen Rechts, sondern teilschuldnerisch in Höhe ihres jeweiligen Marktanteils. Die Theorie der Marktanteilshaftung geht damit, ohne sich ausdrücklich darauf zu beziehen, vom selben Denkansatz aus wie das Konzept der Proportional Liability: Das im Einzelfall bestehende Zuordnungsproblem wird durch eine Anpassung der Rechtsfolge auf eine anteilige Haftung entsprechend der Wahrscheinlichkeit der Schadensverursachung gelöst, um so nach Abwicklung aller Schadensfälle einen Gleichlauf zwischen dem zu verantwortenden Risiko und dem insgesamt zu ersetzenden Schaden zu erreichen.615 Verfügt beispielsweise ein Hersteller über einen Marktanteil von 10%, so kann man gemäß dem Gedanken der Market Share Liability auch davon ausgehen, daß sein Erzeugnis in 10% aller Fälle Ursache des entstandenen Schadens geworden ist.616 Läßt man ihn folglich in jedem Einzelfall exakt in Höhe seines Marktanteils haften, hat er den entstandenen Gesamtschaden auch genau im Umfang des von ihm zu verantwortenden Risikobeitrages zu ersetzen. Wo die Proportionalhaftung in Fragen der Medical Causation noch eine bestehende medizinische Aufklärungsunmöglichkeit überwinden half, kann die Marktanteilshaftung somit in Fragen der Legal Causation eine eventuell vorhandene Unmöglichkeit der rechtlichen Haftungszuordnung an einen bestimmten Schädiger beseitigen. Die Market Share Liability kann es sich im Gegensatz zur Proportional Liability bei der praktischen Bestimmung des Umfanges der anteiligen Haftung sogar zunutze machen, daß die kausalen Schädigungswahrscheinlichkeiten der einzelnen Verursachungsbeiträge bei Austauschbarkeit der beteiligten Risiken nicht erst mühsam und kostenaufwendig durch langwierige epidemiologische Forschung berechnet werden müssen. Die Kongruenz im (DES); siehe dazu unter C. I. 2. a) aa). Zur Theorie als solcher vgl. die Ausführungen nachfolgend im Text. 615 Zu den Grundgedanken dieser Theorie vgl. insbesondere Eggen, Toxic Torts, 199, 259 (2000); Prosser/Keeton, On Torts, §§ 41 (271 f.) (1984); Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (627 f., 631) (1990); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (787) (1991); Epstein, Torts, 228 (1999); Diamond/Levine/Madden, Understanding Torts, 198 (1996); LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (74) (1981–82); Kors, 33 Stan. L. Rev. 937 (945) (1981); Ohmann, Market Share Liability, 62 f., 250 (1986); Gimpel-Hinteregger, Grundfragen der Umwelthaftung, 206 (1994); Bodewig, AcP 185, 505 (510) (1985); ferner Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (936) (Cal. 1980); Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (599) (M.D. Fla. 1982); McCormack v. Abbott Laboratories, 617 F.Supp. 1521 (1525 ff.) (D.C.Mass. 1985); Hardy v. JohnsManville Sales Corp., 509 F.Supp.1353 (1358 f.) (E.D.Tex. 1981). 616 Ein ausführliches Zahlenbeispiel zum Rechenkonzept dieser Theorie enthält etwa auch der Dissent von Justice Clark in Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (348) (Ill. 1990).
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Schädigungspotential erlaubt hier vielmehr bereits eine Schadenszuordnung unmittelbar anhand der bloßen Menge des – in Marktanteilen ausdrückbaren – Risikoausstoßes. Ein Rückgriff auf Krankheitsdaten aus der Bevölkerung ist dazu weder nötig noch – wegen der bereits erfolgten Ermittlung des schadensauslösenden Risikofaktors – überhaupt möglich. aa) Sindell v. Abbott Laboratories Etabliert wurde der Gedanke der Marktanteilshaftung erstmals vom Supreme Court of California.617 Später folgten diesem Ansatz noch eine Handvoll weiterer Bundesstaaten in teils weiterentwickelter, teils modifizierter Form.618 In der grundlegenden Entscheidung Sindell v. Abbott Laboratories619 hatte die Klägerin Judith Sindell die sechs größten der insgesamt rund 200 DES-Produzenten Kaliforniens verklagt, um Ersatz für Schäden infolge chirurgischer Eingriffe zur Behandlung ihres durch DES verursachten Adenokarzinoms sowie der damit zusammenhängenden Verwucherungen und Verformungen in ihrem Scheiden- und Gebärmutterbereich zu erlangen.620 Die vorgehende Instanz hatte die Klage noch unter Ablehnung der Anwendung der bereits oben besprochenen traditionellen Haftungstheorien mangels Nachweises eines für den Schaden konkret verantwortlichen Beklagten abgewiesen.621 Der Supreme Court of California 617 Siehe zu Entscheidungen des Supreme Court of California die Nachweise in FN 618. 618 Dem Konzept der Market Share Liability folgen bislang im Grundsatz die Bundesstaaten Hawaii: Smith v. Cutter Biological, Inc., 823 P.2d 717 (Haw. 1991) (Blutprodukt); – Kalifornien: Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (Cal. 1980) (DES); Murphy v. E.R. Squibb & Sons, Inc., 710 P.2d 247 (Cal. 1985) (DES); Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (Cal. 1988) (DES); – New Jersey: Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (N.J.Super 1980) (allerdings overruled durch Namm v. Charles E. Frosst & Co., 427 A.2d 1121 (N.J.Super 1981)) (DES); – New York: Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (N.Y. Ct. App. 1989) (DES); In re DES Cases, 789 F.Supp. 552 (E.D.N.Y. 1992) (DES); – South Dakota: McElhaney v. Eli Lilly Co., 564 F.Supp. 265 (S.D. 1983) (DES); – Texas: Hardy v. Johns-Manville Sales Corp., 509 F.Supp.1353 (E.D.Tex. 1981) (Asbest). Modifikationen der Marktanteilshaftung werden vertreten in Washington, Florida und Massachusetts [sog. Market Share Alternate Liability; siehe dazu die Ausführungen und Nachweise unter C. I. 2. c)], sowie in Wisconsin [sog. Risk Contribution Liability; siehe dazu im einzelnen unter C. I. 2. b)]. 619 607 P.2d 924 (Cal. 1980) (auszugsweise mitgeteilt in deutscher Übersetzung von Deutsch, VersR 1982, 712). Der Fall Sindell v. Abbott Laboratories gehört inzwischen wohl zu den am häufigsten kommentierten Entscheidungen der US-amerikanischen Rechtsprechungsgeschichte; vgl. Bodewig, AcP 185, 505 (508 FN 11) (1985). Insoweit mag hier insbesondere auf die in FN 615 zitierte Literatur verwiesen sein. 620 Vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (925, 937) (Cal. 1980).
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hob dieses Urteil in einer knappen 4:3-Entscheidung wieder auf und gab der Klägerin überraschend Recht: Wenn Hersteller ein Arzneimittel (DES) nach einer identischen Formel produziert haben und der konkrete Hersteller des schadensauslösenden Arzneimittels nicht identifiziert werden kann, dann sollen alle verklagten Hersteller im Verhältnis ihrer Marktanteile zueinander für die daraus entstandenen Schäden haften, wenn der Kläger einen wesentlichen Teil (substantial share) der am Markt vorhandenen Produzenten verklagt hat, sofern dem einzelnen Beklagten nicht der Entlastungsbeweis gelingt, daß er das den Kläger schädigende Produkt nicht hergestellt hat.622 bb) Diskussion einzelner Merkmale in der Folgezeit Das Sindell-Gericht hat die Marktanteilshaftung noch ausdrücklich als Modifikation des in Summers zur Alternative Liability enthaltenen Entscheidungssatzes deklariert623 und seine Voraussetzungen demzufolge auch in abgewandelter Form entsprechend diesen Vorgaben gestaltet.624 In anderen Bundesstaaten sowie von breiten Teilen der Kommentarliteratur, die der Einführung einer Market Share Liability positiv gegenüberstehen, wird eine solche Parallele zu Summers nicht gezogen.625 Es ist deshalb auch kaum verwunderlich, daß in der Folgezeit von verschiedener Seite kritische Fragen über Sinn und Notwendigkeit einzelner Merkmale der Marktanteilshaftung aufgeworfen worden sind. Darüber hinaus hat Sindell die nähere inhaltliche Ausgestaltung sowie manche bei der praktischen Handhabung und Umsetzung seiner Anwendungsvoraussetzungen auftretenden Probleme offen gelassen, die weiterer Klärung bedürfen. Auch Vorstellungen von zum Teil deutlichen Abweichungen zum ursprünglichen Sindell-Konzept der Marktanteilshaftung, wie sie etwa in New York,626 Wisconsin627 und Wa621
Vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (926 f.) (Cal. 1980). Vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (924, 936 f.) (Cal. 1980). Zur Diskussion einzelner Merkmale dieser Entscheidung siehe nachfolgend unter C. I. 2. a) bb), zum Erfordernis der Gleichförmigkeit bzw. Austauschbarkeit (Fungibilität) der ausgeworfenen Risiken unter C. I. 2. a) cc). 623 Vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (936) (Cal. 1980). 624 Die Sindell-Entscheidung stützt sich in ihrer Begründung der Marktanteilshaftung maßgeblich auf die in Summers zur Rechtfertigung der Alternative Liability angestellten Billigkeitserwägungen; vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (936) (Cal. 1980) einerseits und Summers v. Tice et al., 199 P.2d 1 (4 f.) (Cal. 1948) andererseits. Als einzige zusätzliche Begründungsstütze erwähnt das SindellGericht einen mit der (Marktanteils-)Haftung verbundenen möglichen Anreiz der Unternehmen zu mehr Produktsicherheit (id. 936). 625 Siehe die Nachweise in FN 618 (Judikatur) sowie in FN 615 (kommentierende Wissenschaft). 622
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shington628 entwickelt worden sind, sollen dabei im folgenden zur Sprache kommen. (1) Haftungsumfang Von Sindell nicht ausdrücklich entschieden wurde insbesondere die Frage nach dem genauen Umfang der Marktanteilshaftung für die einzelnen Hersteller.629 Es ist fraglich, ob die Hersteller jeweils nur in Höhe ihres Marktanteils für die Schäden des Klägers haften sollen630 und damit im Prozeß möglicherweise ein gewisser Restschaden unkompensiert bleibt, etwa weil ein Teil der damaligen DES-Produzenten inzwischen insolvent geworden oder auf dem Markt nicht mehr vertreten ist, oder ob die Beklagten den Schaden des Klägers vollumfänglich, verteilt nach dem Verhältnis ihrer Marktanteile, zu ersetzen haben.631 Nehmen wir an, die Geschädigte A mit 626 Vgl. Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (N.Y. Ct. App. 1989) sowie die Ausführungen unter C. I. 2. bb) (3) u. (4). 627 Vgl. Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (Wis. 1984) sowie die Ausführungen unter C. I. 2. b). 628 Vgl. Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (Wash. 1984); George v. Parke-Davis, 733 P.2d 507 (Wash. 1987); sowie die Ausführungen unter C. I. 2. c). 629 Im Fall Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (485) (Cal. 1988) hebt der Vorsitzende Richter Mosk, der schon den Vorsitz im Sindell-Verfahren inne hatte, noch einmal ausdrücklich hervor, daß mit Sindell die Frage des Haftungsumfanges noch nicht entschieden worden ist. Vgl. auch die diesbezüglichen Interpretationsversuche der Sindell-Entscheidung von Albulescu, 11 Seton Hall L. Rev. 610 (623 f.) (1981); Ohmann, Market Share Liability, 71 ff., 76 ff. (1986); Fischer, 34 Vand. L. Rev. 1623 (1645 f.) (1981); Kors, 33 Stan. L. Rev. 937 (941 f.) (1981); Kästle, Toxische Massenschäden, 131 ff. (1993). 630 So etwa Albulescu, 11 Seton Hall L. Rev. 610 (624) (1981); Fischer, 34 Vand. L. Rev. 1623 (1646) (1981); Chase, 1982 U. Ill. L. Rev. 1003 (1010 f.) (1982); ferner Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1078) (N.Y. Ct. App. 1989); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (48 FN 9) (Wis. 1984); besonders eindrucksvoll auch die Dissente von Chief Justice Bird in Murphy v. E.R. Squibb & Sons, Inc., 710 P.2d 247 (258) (Cal. 1985) und Justice Gunn in Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (248) (Mo.banc 1984). Zur Entscheidung Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (Cal. 1988) siehe nachfolgend im Text. 631 In diesem Sinne wird Sindell insbesondere interpretiert von Otte, Marktanteilshaftung, 32 ff., 44 f. (1990); Kästle, Toxische Massenschäden, 131 f. (1993); Quendoz, Haftung bei alternativer Kausalität, 35 (1991); Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (726) (1982); ferner von Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (380 f.) (Wash. 1984); Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (246) (Mo.banc 1984); Payton v. Abbott Laboratories, 437 N.E.2d 171 (189) (Mass. 1982) sowie dem zur Mehrheitsmeinung in Sindell geäußerten Dissent von Justice Richardson (id. 940); vgl. auch Pelloni (Haftung für Umweltschäden, 172 (1993)), der in Sindell sogar eine solidarische Gesamthaftung des jeweils in Anspruch genommenen Herstellers vermutet.
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einem Gesamtschaden von e 100.000,– verklagt die drei führenden Hersteller X, Y und Z mit Marktanteilen von respektive 20% (X), 30% (Y) und 40% (Z). Legte man hier eine reine pro rata-Haftung zugrunde, so müßten X e 20.000,–, Y e 30.000,– und Z e 40.000,–, des Schadens ersetzen. Die restlichen e 10.000,– des Schadens müßten von A selbst getragen werden. Interpretiert man Sindell hingegen im Sinne einer Vollentschädigung, müßte dieser Restschaden auf die Beklagten im Verhältnis ihrer Marktanteile (2:3:4) verteilt werden, so daß X insgesamt e 22.222,22, Y e 33.333,33 und Z e 44.444,44 Schadensersatz an A zu leisten hätten.632 Einige Passagen in Sindell scheinen auf eine reine pro rata-Haftung hinzudeuten,633 an anderer Stelle scheint eine anteilsmäßige Vollentschädigung des Klägers durch alle Beklagten gewollt zu sein.634 Die Annahme einer Vollentschädigung wäre mit Recht erheblicher Kritik ausgesetzt.635 So wäre genau wie bei den bereits oben besprochenen Gesamtschuldlösungen des 632 Ähnliche Rechenbeispiele etwa bei Ohmann, Market Share Liability, 77 (1986); Fischer, 34 Vand. L. Rev. 1623 (1646) (1981); Chase, 1982 U. Ill. L. Rev. 1003 (1011) (1982); Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (381) (Wash. 1984). 633 Etwa: „Each defendant will be held liable for the proportion of the judgement represented by its share of that market“ (Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (937) (Cal. 1980)), oder: „(. . .) with each manufacturer being held liable for the proportion of the judgement represented by its share of the drug market“ (id. 924). 634 Weder die Notwendigkeit für den Kläger, einen wesentlichen Teil (substantial share) der potentiellen Schädiger verklagen zu müssen, noch die vom Gericht eingeräumte Möglichkeit eines cross complaint für die Beklagten ergäben einen rechten Sinn, wenn die Beklagten ohnehin nur in Höhe ihres Marktanteils haften müßten. Die große Zahl ihrer prozessualen Beteiligung wäre aus Gerechtigkeitsgründen an sich nur dann geboten, wenn es darum ginge, die Differenz zwischen eigentlich zu verantwortendem Marktanteil und deliktisch zu ersetzendem Anteil einer angestrebten Vollentschädigung so gering wie möglich ausfallen zu lassen. In diesem Sinne könnten eine Reihe von Passagen in Sindell ausgelegt werden, die von einer bloßen Annäherung der Haftung an die Verantwortung sprechen, etwa: „Under this approach, each manufacturer’s liability would approximate its responsibility for the injuries caused by its own products. Some minor discrepancy in the correlation between market share and liability is inevitable; therefore, a defendant may be held liable for a somewhat different percentage of the damage than its share of the appropriate market would justify“ (Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (937) (Cal. 1980)), oder: „(. . .) under the rule we adopt, each manufacturer’s liability would be approximately equivalent to the damages caused by the DES it manufactured“ (id. 938). Zu dieser Sichtweise siehe auch die Nachweise in den FN 631, 645. 635 Vgl. insbesondere die grundlegende Kritik bei Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (381) (Wash. 1984); Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1078) (N.Y. Ct. App. 1989); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (48 FN 9) (Wis. 1984); zudem bei Albulescu, 11 Seton Hall L. Rev. 610 (624) (1981); Fischer, 34 Vand. L. Rev. 1623 (1646) (1981); Chase, 1982 U. Ill. L. Rev. 1003 (1010 f.) (1982).
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traditionellen Rechts636 nicht recht einzusehen, warum die Beklagten für Risiken einstehen sollten, die sie zumindest teilweise gemäß den einschlägigen Marktanteilsstatistiken nachweislich gar nicht zu verantworten haben.637 Präventions- und Kompensationszwecke würden in diesem Falle einseitig zum Nachteil sämtlicher Beklagter durch deliktsrechtliche Überhaftung verfehlt werden. In der Entscheidung Brown v. Superior Court638 hat sich der Supreme Court of California dieser Kritik angeschlossen und sich darin ausdrücklich auf eine reine pro rata-Haftung festgelegt.639 Bei angenommener Vollentschädigung würde die Haftung nicht nach der Wahrscheinlichkeit der Verantwortung für die Schäden der Klägerin, sondern nach der Finanzkraft der einzelnen Beklagten bemessen werden.640 Zudem dürfe das mit jedem Schuldner verbundene Insolvenz- und Unauffindbarkeitsrisiko nicht einfach auf die übrigen Beklagten verschoben werden.641 Insgesamt würde auf diese Weise neben den Zielen aus Sindell auch die damit bezweckte Herstellung einer Interessenbalance zwischen Klägerin und Beklagten verfehlt werden.642 Im übrigen sei hier noch darauf hingewiesen, daß die Annahme einer anteiligen Vollentschädigung im gewöhnlichen Zweiparteienprozeß, etwa durch sukzessive Inanspruchnahme der Hersteller, nicht funktionieren würde, da die Gesamtschadensverteilung die Kenntnis über die Zahl der letztendlich Beklagten und damit notwendigerweise auch die Gleichzeitigkeit ihrer Verklagung voraussetzt. (2) Substantial Share Das Substantial Share-Erfordernis verkörpert die augenfälligste Anlehnung der Marktanteilshaftung an das Haftungskonzept der Alternative Liability. Während die meisten Gerichte im Falle der Alternative Liability ein 636
Siehe unter C. I. 1. Siehe die Nachweise in FN 635. 638 751 P.2d 470 (Cal. 1988). 639 Vgl. Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (486 f.) (Cal. 1988). 640 Vgl. Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (486 f.) (Cal. 1988). Eine sichere Vollentschädigung des Klägers bei einer Verklagung eines wesentlichen Teils aller potentiellen Schädiger bevorteilt tendenziell kleinere Unternehmen, da sie zu einem Überschreiten des Substantial Share auf Grund ihres geringen Marktanteils nur selten benötigt und daher auch nur bisweilen verklagt werden dürften; vgl. Miller/Hancock, 88 W. Va. L. Rev. 81 (105) (1985). Eine tendenzielle Mehrhaftung von sog. deep pockets (siehe dazu in FN 746) ist die notwendige Folge. 641 Vgl. Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (485) (Cal. 1988); darauf verweisen insbesondere auch Kors, 33 Stan. L. Rev. 937 (941 f.) (1981); Ohmann, Market Share Liability, 78 (1986). 642 Vgl. Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (487) (Cal. 1988). 637
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complete joinder aller potentiellen Schädiger fordern, um den wahren Schädiger mit Sicherheit vor Gericht zu haben,643 hält der Supreme Court of California dieses Merkmal für eine Haftung nach den Grundsätzen der Market Share Liability zumindest noch in Form einer gemeinsamen Verklagung eines wesentlichen Teils aller möglichen Schadensverursacher aufrecht. Nach Begründung des Gerichts soll damit vor allem die Ungerechtigkeit der Beweislastumkehr für die Beklagten verkleinert werden.644 Bei Annahme einer anteiligen Vollhaftung aller Beklagten kann dieses Merkmal in der Tat dazu dienen, die gröbsten Ungerechtigkeiten einer in Kauf genommenen Überhaftung der Beklagten zu vermindern, indem der an sich unkompensierte Restschaden des Klägers auf eine größere Anzahl an Beklagten verteilt werden kann. Seit der Entscheidung Brown v. Superior Court für eine reine pro rata-Haftung fehlt diesem Argument jedoch jedes haftungsbegrenzende Bedürfnis.645 Die allein verbliebene „Ungerechtigkeit“ einer Beweislastumkehr würde auch nicht dadurch wieder beseitigt werden 643
Siehe unter C. I. 1. c) sowie zur Kritik in FN 579. So Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (937) (Cal. 1980); Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (485) (Cal. 1988). Auf eine genaue prozentuale Größe des Substantial Share wollte sich der Supreme Court von Kalifornien dabei allerdings bislang nicht festlegen; vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (937) (Cal. 1980); Murphy v. E.R. Squibb & Sons, Inc., 710 P.2d 247 (255) (Cal. 1985); ebenso die Entscheidung eines kalifornischen Bundesgerichts: Sanderson v. IFF, 950 F.Supp. 981 (992) (C.D. Cal. 1996). In Sindell hatte das Gericht das Substantial Share-Erfordernis auf der Grundlage einer Verklagung von 90% des gesamten DES-Herstellermarktes Kaliforniens etabliert. Der Gericht ließ dabei ausdrücklich offen, ob künftig bereits die bei Sheiner (46 Fordham L. Rev. 963 (996) (1978)) genannten 75% bis 80% die Annahme eines „wesentlichen“ Teils rechtfertigen könnten (id. 937). In Murphy ließ das Gericht 10% ausdrücklich nicht genügen (id. 255) (aA der Dissent von Justice Kaus, der auf das Substantial Share-Erfordernis insgesamt verzichten möchte (id. 267)). Prosser/Keeton (On Torts, § 104 (714) (1984)) sehen das Substantial Share-Erfordernis in Anlehnung an den Beweisstandard im US-amerikanischen Zivilprozeß schon dann als erfüllt an, wenn es „more likely than not“ (> 50%) ist, daß der wahre Schädiger vor Gericht steht, und erheben damit faktisch den Beweisstandard zum unmittelbaren Inhalt eines Zulässigkeitsmerkmals, das nach allgemeinen Grundsätzen beweisrechtlich erst noch bewiesen werden müßte. 645 So auch Diamond/Levine/Madden, Understanding Torts (1996) („questionable“ (id. 197 FN 30); Robinson, 68 Va. L. Rev. 713 (1982) („pointless“ (id. 725)); Kaye, 1982 Am. B. Found. Res. J. 487 (1982) („no meaningful function“ (id. 509 FN 60)); Harris, 40 Sw. L. J. 909 (1986) („remains unclear“ (id. 934 FN 183)). Für überflüssig halten das Substantial Share-Erfordernis ferner etwa Trauberman, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 177 (233) (1983); Lüderitz, RIW 1988, 782 (788). Auch die Klägerin in Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (Cal. 1988) begründete ihren Anspruch auf Vollentschädigung damit, daß das Substantial Share-Erfordernis ohne die gleichzeitige Annahme einer anteiligen Vollhaftung der Beklagten seinen haftungsrechtlichen Sinn verlieren würde (id. 485). Siehe insoweit auch die Erwägungen in FN 634. 644
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können, indem man sie mehrere Beklagte gleichzeitig spüren läßt. Zumeist werden die Geschädigten schon von sich aus eine hinreichend große Zahl möglicher Schädiger in den Prozeß mit einbeziehen wollen, etwa um gegenüber jedem potentiellen Schuldner noch rechtzeitig die Verjährung zu unterbrechen, einer drohenden Insolvenz einzelner Unternehmen zuvorzukommen,646 das Beweisbild hinsichtlich der Marktsituation zu vervollständigen647 oder Kosten und Mühen einer Fülle von Einzelverfahren zu vermeiden.648 In anderen Bundesstaaten, die Market Share Liability anwenden, konnte sich die Aufnahme des Substantial Share-Erfordernisses in das Konzept der Marktanteilshaftung deshalb bislang nicht durchsetzen.649 Eine Übernahme dieses Merkmals in das deutsche Recht, etwa in Form einer zusätzlichen zivilprozessualen Zulässigkeitsvoraussetzung, erscheint deshalb weder notwendig noch ratsam. (3) Definition des „Marktes“ Einer besonderen Bedeutung im Rahmen des Konzepts der Marktanteilshaftung kommt der Bestimmung des relevanten „Marktes“ und des daraus zu ermittelnden Marktanteils des einzelnen Herstellers zu. Das Sindell-Gericht hat die damit verbundenen Definitionsfragen noch als praktische Schwierigkeiten offen gelassen, die erst im Rahmen des Beweisverfahrens von seiten der Jury zu klären seien.650 Klare Grundsätze scheinen aber 646
Auf diese beiden Punkte verweist insbesondere Kästle, Toxische Massenschäden, 134 (1993). 647 Murray (69 Cal. L. Rev. 1179 (1197 f.) (1981)) und Spitz (65 Ind. L. J. 591 (618 f.) (1990)) leiten aus der verbesserten Beweisaufklärungschance umgekehrt sogar ein Argument für die Notwendigkeit des Substantial Share-Erfordernisses ab. Der Vorsitzende Richter Mosk in Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (Cal. 1988) sieht darin hingegen allenfalls – und insofern sicherlich zutreffend – ein (mögliches) Begründungsargument für die Eröffnung einer cross complaint-Möglichkeit (siehe dazu in FN 634) für die Beklagten (id. 486). 648 Spitz (65 Ind. L. J. 591 (618 f.) (1990)) hält es auch insoweit für notwendig, die Kläger über das Substantial Share-Erfordernis zu einer ökonomischeren Prozeßführung und damit einer schonenderen Inanspruchnahme gerichtlicher Ressourcen anhalten. 649 Ein Großteil der Entscheidungen wendet insoweit Market Share Liability schlicht an, ohne das Substantial Share-Erfordernis zu prüfen. Stellvertretend für viele vgl. etwa Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1078) (N.Y. Ct. App. 1989); Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (N.J.Super 1980). Ausdrücklich abgelehnt wird das Substantial Share-Erfordernis etwa von Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (50) (Wis. 1984); Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (382) (Wash. 1984). Collins lehnt dieses Merkmal auch aus dem Grunde ab, weil es bereits in dieser frühen Phase des Verfahrens eine relativ aufwendige Bestimmung der Marktanteile implizieren würde (id. 50). 650 Vgl. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (937 f.) (Cal. 1980).
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schon aus Gründen der Rechtssicherheit dringend geboten, wenn man aus den Marktanteilsdaten verläßliche Rückschlüsse auf die Risiko- und Haftungssituation unter den Beteiligten gewinnen will. Jeder Markt setzt sich aus einer zeitlichen, sachlichen und räumlichen Dimension zusammen: In zeitlicher Hinsicht ist grundsätzlich auf den Markt abzustellen, der zur Zeit der Risikoexposition bestand,651 sachlich sind zusätzlich eventuell vorhandene äußere Produktmerkmale652 sowie bestimmte Verwendungszwecke653 zu berücksichtigen und gegebenenfalls auszusondern. In räumlicher Hinsicht steht man vor der allgemeinen Grundsatzfrage, wie weit man die geographischen Grenzlinien des Marktes ziehen und ob man zur Bestimmung des Marktanteils etwa auf nationale,654 einzel651
In Arzneimittel- und sonstigen Produkthaftungsfällen ist notwendigerweise schon auf den Zeitpunkt des Kaufs abzustellen, da der spätere Verbrauch die Risikoverhältnisse zur Zeit des Produkterwerbs unbeeinflußt läßt; so im Ergebnis auch Ohmann, Market Share Liability, 86 ff. (1986); Chase, 1982 U. Ill. L. Rev. 1003 (1008 f.) (1982). 652 So wurden DES-Präparate teilweise in verschiedenen Farben, Formen und Dosierungsmengen vertrieben; vgl. Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (620) (1990); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (775) (1991); Ohmann, Market Share Liability, 94 f. (1986); Murray, 69 Cal. L. Rev. 1179 (1192) (1981). Auch eine Eingrenzung des Marktes auf verschiedene produktimmanente (risikoneutrale) Geschmacks- oder Duftzusatzstoffe ist vorstellbar. 653 So wurde DES seinerzeit etwa nicht nur zur Verhinderung von Fehlgeburten, sondern auch zur Behebung diverser vaginaler oder menstrualer Schwierigkeiten eingesetzt; vgl. etwa Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (1311) (N.J.Super 1980); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1009 f.) (S.C. 1981) sowie die Nachweise in FN 117. Es dürfte aber wohl eher selten vorkommen, daß ein Hersteller sein mehrzwecktaugliches Produkt nur für bestimmte Zwecke vertreibt (vgl. auch Ohmann, Market Share Liability, 93 f. (1986)), so daß eine Marktabgrenzung unter diesem Gesichtspunkt in der Regel scheitern dürfte. 654 Einen nationalen Markt befürworten insbesondere Milano, 13 St. Mary’s L. J. 957 (976) (1982); Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (425, 431) (1991); Fischer, 34 Vand. L. Rev. 1623 (1644) (1981); Kors, 33 Stan. L. Rev. 937 (944) (1981). In der Rechtsprechung wurde das Konzept der nationalen Marktabrenzung erstmals etabliert von Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1077 f.) (N.Y. Ct. App. 1989) (Schultz (40 DePaul L. Rev. 771 (787 FN 87) (1991)) weist darauf hin, daß Hymowitz wohl nur deshalb das Konzept eines nationalen Marktes gewählt hat, weil insoweit bereits Daten (scil. der San Francisco Matrix (siehe dazu in FN 656)) vorhanden waren und auch die beteiligten Anwälte diesen Weg der Marktanteilsbestimmung favorisierten; kritisch zu Hymowitz ferner Wilner/Bayer, Hymowitz v. Eli Lilly: New York Adopts a „National Risk“ Doctrine for DES, 25 Tort & Ins. L. J. 150 (1989); McGuire, Market Share Liability After Hymowitz and Conley: Exploring the Limits of Judicial Power, 24 U. Mich. J. L. Ref. 759 (1991) sowie der Dissent von Justice O’Hern in Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (532) (N.J. 1989)); der Hymowitz-Entscheidung folgen insbesondere In re DES Cases, 789 F.Supp. 552 (E.D.N.Y. 1992) sowie ein bei Twerski, 55 Brooklyn L. Rev. 869 (870 FN 5) (1989) zitierter Fall aus Kalifornien; gegen die Verwendung spezieller Sub-
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staatliche, regionale oder lokale Marktanteilsstatistiken655 zurückgreifen656 oder sogar die jeweilige Letztvertriebsstelle, also etwa die einzelne Verkaufsapotheke im Falle von Arzneimittelschäden, als den zur Anteilsbestimmung relevanten Markt ansehen sollte.657 Rein gebietsumfängliche Abgrenzungen haben freilich den Nachteil, daß sie entweder viele Marktteilnehmer enthalten, die den Kläger gar nicht geschädigt haben können, oder umgekehrt Hersteller ausschließen, die den Schaden im Einzelfall durchaus verursacht haben können. So enthalten etwa nationale Marktanteilsdaten eine Unmenge an Herstellern, die das fragliche Produkt in der Region des Klägers gar nicht vertrieben und dessen Schaden somit auch gar nicht verursacht haben können. Eine starre Anwendung nationaler Marktanteilsstatistiken würde in einem solchen Fall zu mitunter deutlichen Haftungsverschiebungen führen. Es würden solche Hersteller stark begünstigt werden, die ihr Produkt nur auf räumlich eng begrenzter Fläche vermarktet haben, da sie sich in sämtlichen Fällen außerhalb ihres Vertriebsgebiets entlasten könnten und in den übrigen Fällen trotz der dort vorhandenen hohen Schädigungswahrscheinlichkeit lediglich im Umfange ihres relativ geringen nationalen Marktanteils haften müßten. Umgekehrt ermangelten etwa gemeindliche Unternehmensstatistiken solcher Produzenten, die ihr Erzeugnis in die betreffende Gemeinde exportiert oder sogar national vertrieben haben. märkte auch Murray, 69 Cal. L. Rev. 1179 (1192) (1981); Twerski, 55 Brooklyn L. Rev. 869 (871) (1989); unentschlossen Goldberg, Causation and Risk, 64 (1999). 655 Eine lokale oder regionale Marktabgrenzung als Idealform der Marktanteilsbestimmung wird insbesondere vertreten von Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (786, 805) (1991); Ohmann, Market Share Liability, 89, 205 FN 35 (1986); Albulescu, 11 Seton Hall L. Rev. 610 (622) (1981); Otte, Marktanteilshaftung, 42 (1990). Die Rechtsprechung hat von dieser Art der Marktabgrenzung bislang nur spärlich Gebrauch gemacht; vgl. in diesem Sinne allenfalls George v. Parke-Davis, 733 P.2d 507 (512 f.) (Wash. 1987), unter der Vorbedingung, daß Marktdaten zur einzelnen Vertriebsstelle des schädigenden Produkts nicht vorhanden sind, und die lokalen oder regionalen Daten ausreichen, diese zumindest näherungsweise widerzuspiegeln. 656 Vgl. allgemein insbesondere Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (620 f.) (1990); Goldberg, Causation and Risk, 64 f. (1999). Marktanteilsstatistiken verschiedenen geographischen Umfangs werden in Deutschland etwa beim Bundeskartellamt (URL: www.bundeskartellamt.de) sowie den einzelnen Landeskartellämtern (URL für Bayern: www.bayerische-landeskartellbehoerde.de) geführt. Regelmäßig dürften auch unternehmensinterne Statistiken bestehen. Für DES-Fälle hat ein in San Francisco ansässiges Berufungsgericht in einem Sindell-Folgeverfahren (vgl. den Nachweis bei Rheingold, 55 Brooklyn L. Rev. 883 (894 FN 41) (1989)) eine Matrix erstellt, die den einzelnen Herstellern nach Jahren geordnet fest bestimmte Marktanteile zuordnet; zur sog. San Francisco Matrix vgl. Goldberg, Causation and Risk, 64 f. (1999); Rheingold, 55 Brooklyn L. Rev. 883 (894) (1989). 657 So etwa George v. Parke-Davis, 733 P.2d 507 (512 f.) (Wash. 1987); Conley v. Boyle Drug Co., 570 So.2d 275 (284) (Fla. 1990) sowie der Dissent von Judge Gunn in Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (248) (Mo.banc 1984).
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Risikoadäquate Ergebnisse erzielt man letztlich nur dann, wenn man im Einzelfall auf die kleinstmögliche Einheit und somit den Ort des Risikoempfanges als solchen abstellt.658 Im Falle von DES-Schädigungen mag dies – wie oben genannt – die einzelne Verkaufsapotheke, bei Impfschäden die Praxis des verabreichenden Arztes sein. An diesem Ort manifestiert sich das Risiko, dem das Opfer tatsächlich ausgesetzt war. Der Marktanteil fokussiert sich an diesem Punkt zum gewollten Indikator für die Risikoverantwortung des jeweiligen Herstellers, die in der aufaddierten Summe aller Einzelfälle die Gesamtheit seines in die Öffentlichkeit entäußerten Schädigungspotentials widerspiegelt. Befürchtete Haftungsverschiebungen sind nach dieser Vorgehensweise ausgeschlossen. Freilich werden nicht immer ausreichend Daten vorhanden sein, um die Anteile in einem solch eng abgesteckten Markt den einzelnen Produzenten exakt zuordnen zu können.659 So mögen etwa Erinnerungen verblaßt, Verschreibungszettel verloren gegangen oder entsorgt sowie ärztliche oder pharmazeutische Datenbestände nach Ablauf einer gewissen Zeit vernichtet oder gelöscht worden sein. In einem solchen Fall empfiehlt es sich, den Markt räumlich so eng zu definieren, wie es der ermittelbare Datensatz im Einzelfall gerade noch zuläßt, da man auf diese Weise die wahren Risikoverhältnisse zumindest noch näherungsweise bestimmen kann.660 Schätzungen und Ermessensausübungen sind dabei möglich, soweit dies von den Grundsätzen der jeweiligen Rechtsordnung (in Deutschland: gemäß § 287 II ZPO661) zugelassen wird. (4) Ausschluß der Entlastungsmöglichkeit des Marktteilnehmers (Hymowitz) Mit einer Verwendung nationaler Marktanteilsdaten könnte man inkonsistente Ergebnisse nur dann vermeiden, wenn man die Hersteller selbst dann 658
Siehe die Nachweise in FN 657. Vgl. etwa Eggen, Toxic Torts, 199 (2000); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (801 ff.) (1991); Albulescu, 11 Seton Hall L. Rev. 610 (622 f.) (1981); Fischer, 34 Vand. L. Rev. 1623 (1643) (1981); zudem George v. Parke-Davis, 733 P.2d 507 (512 f.) (Wash. 1987). 660 In diesem Sinne auch George v. Parke-Davis, 733 P.2d 507 (512 f.) (Wash. 1987); Conley v. Boyle Drug Co., 570 So.2d 275 (284) (Fla. 1990); ebenso Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (786, 805) (1991). 661 Ohmann (Market Share Liability (1986)) hält für den deutschen Rechtsraum eine Schätzung der Marktanteile nach § 287 II ZPO zumindest für „bedenkenswert“ (id. 312) (dort allerdings bezogen auf die Schätzung der Haftungsquoten im Rahmen eines Innenregresses analog §§ 426 I, 254 BGB). Auch Bodewig (AcP 185, 505 (556) (1985)) verweist hinsichtlich der Bestimmung unklarer Verursachungswahrscheinlichkeiten allgemein auf die Schätzungsmöglichkeit nach § 287 ZPO. 659
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nach Marktanteilsgrundsätzen haften ließe, wenn der eine oder andere von ihnen den Schaden auf Grund seines eingeschränkten räumlichen Vertriebs im einen oder anderen Fall gar nicht verursacht haben kann. Eine derart radikale Lösung, die den Beklagten die Möglichkeit des Gegenbeweises nimmt und sich damit vollständig von den Risikoverhältnissen des Einzelfalls löst, wurde erstmals im Bundesstaate New York in der Entscheidung Hymowitz v. Eli Lilly Co.662 vertreten und ist seitdem in New York ständige Praxis.663 Es bedeute bloß einen Windfall, wenn sich ein DES-Hersteller entlasten könne, nur weil er sein Produkt nicht an einen bestimmten Drugstore geliefert oder auf Grund äußerer Beschaffenheitsmerkmale leichter identifizierbar gestaltet habe.664 Ein nicht unbeachtlicher Teil in der Literatur ist dieser Auffassung gefolgt.665 Um nach Abwicklung aller Schadensfälle eine adäquate Haftung entsprechend dem Marktanteil zu erreichen, dürfe sich ein Hersteller nicht einfach auf Kosten aller übrigen seiner Verantwortung entziehen und seinen Haftungsanteil gegenüber der Gesamtheit aller Opfer unbillig verkürzen.666 Ein Teil dieser Autoren geht sogar noch einen Schritt weiter und will die Market Share Liability auch dann anwenden, wenn der tatsächliche Schädiger identifiziert werden kann und damit an sich alleine und vollständig haften müßte.667 662 539 N.E.2d 1069 (N.Y. Ct. App. 1989); vgl. zu dieser Entscheidung auch Cherry/Gier-Wulf, Eine New Yorker Entscheidung zur Produkthaftungsklage gegen einen Nichthersteller, VersR 1991, 748. 663 Vgl. insbesondere In re DES Cases, 789 F.Supp. 552 (E.D.N.Y. 1992) sowie die dort enthaltenen Verweisungen. Sindell hatte den Entlastungsbeweis noch ausdrücklich zugelassen: „Each defendant will be held liable (. . .) unless it demonstrates that it could not have made the product which caused plaintiff’s injuries“ (Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (937) (Cal. 1980)); ebenso etwa auch Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (986) (Pa. Super. 1985); Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (382) (Wash. 1984); Conley v. Boyle Drug Co., 570 So.2d 275 (286) (Fla. 1990); McCormack v. Abbott Laboratories, 617 F.Supp. 1521 (1526) (D.C.Mass. 1985); Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (52) (Wis. 1984). 664 Vgl. Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1078) (N.Y. Ct. App. 1989). 665 Vgl. insbesondere Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (427 ff.) (1991); Fischer, 34 Vand. L. Rev. 1623 (1644 f.) (1981); Kors, 33 Stan. L. Rev. 937 (942 f.) (1981); Rheingold, 55 Brooklyn L. Rev. 883 (889) (1989). Twerski (55 Brooklyn L. Rev. 869 (1989)) bezeichnet eine Entlastungsmöglichkeit unter diesen Voraussetzungen sogar als „arrant nonsense“ (id. 872). 666 Vgl. Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (427 ff.) (1991); Kors, 33 Stan. L. Rev. 937 (942 f.) (1981); Twerski, 55 Brooklyn L. Rev. 869 (872) (1989). 667 Vgl. Kors, 33 Stan. L. Rev. 937 (942) (1981); auch Murphy (55 Mo. L. Rev. 1047 (1073) (1990)) sieht dies als logische Konsequenz dieser Ansicht; ausdrücklich dagegen etwa Milano, 13 St. Mary’s L. J. 957 (976 f.) (1982); Murray, 69 Cal. L. Rev. 1179 (1193) (1981).
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Im Ergebnis wird auf diese Art bei fungiblen Produkten das allgemeine Deliktsrecht vollständig durch eine an Marktanteilen orientierte Wahrscheinlichkeitshaftung verdrängt. Die Folgen eines solchen Haftungskonzepts sind weitreichend: Jeder Hersteller könnte in sämtliche Verfahren eines jeden Gerichtsstandes innerhalb der gesamten Nation hineingezogen werden, auch wenn er sein fungibles Erzeugnis nachweislich nur in sehr begrenztem Gebiet vertrieben hat. Bei Kleinunternehmen würden so im Laufe der Zeit die Prozeßkosten bzw. deren Versicherung die reinen Haftungskosten deutlich übersteigen.668 Daneben litte auf Grund der Fülle an Beteiligten die Transparenz der einzelnen Verfahren. Jeder Prozeß bestünde aus einer Massenanhäufung an Risikoerzeugern, deren jeweilige Wahrscheinlichkeitsverantwortung auf der Grundlage nationaler Datenbasis darin gleichsam gegen Null verliefe. Eine Haftung trotz nachweislich fehlender Verursachung dürfte wohl nicht nur bei vielen Juristen, sondern auch bei einer Reihe von Herstellern so tiefe Verwunderung hervorrufen, daß eine an sich selbstverständliche freiwillige Schadensersatzleistung, selbst nach anwaltlicher Beratung, kaum zu erwarten scheint. Welcher Hersteller wird schon freiwillig einen Schaden ersetzen wollen, den er nachweislich gar nicht verursacht haben kann? Damit einhergehend dürfte in solchen Fällen auch die außergerichtliche Vergleichsbereitschaft stark nachlassen. Der problemlose Weg einer schnellen Entschädigung an Stelle eines unter Umständen etliche Jahre andauernden Massenverfahrens bliebe vielen Opfern auf diese Weise vorenthalten. Die mit dieser Theorie verbundenen Nachteile könnte man unter Umständen dann bedenkenfreier hinnehmen, wenn ihnen gleichzeitig ein besonderer haftungsrechtlicher Vorteil gegenüberstünde. Doch ergeben sich bei Zugrundelegung dieser Auffassung nach Abwicklung aller Einzelfälle keinerlei Unterschiede. Soweit sich ein Hersteller auf Grund der leichteren Identifizierbarkeit seines Produkts in einzelnen Verfahren entlasten kann, wird er aus gleichem Grund in anderen Verfahren als der wahre Schädiger ermittelt werden können. An seinem Haftungsvolumen hat sich dann insgesamt im Vergleich zu einer ausschließlichen Marktanteilshaftung mit nationalen Marktdaten nichts geändert.669 Die von mancher Seite befürchtete Gefahr einer double liability bei paralleler Anwendung von allgemeinem 668
Vgl. Chase, 1982 U. Ill. L. Rev. 1003 (1007) (1982); Newcomb, 76 Nw. U. L. Rev. 300 (324 ff.) (1981); Otte, Marktanteilshaftung, 48 (1990); auch Goldberg, Causation and Risk, 71 f. (1999). 669 Eine Herausrechnung von Identifizierungshaftungen aus künftigen Marktanteilshaftungen, wie dies Epstein (Torts, 229 (1999)) und LaMarca (31 Drake L. Rev. 61 (78) (1981–82)) vorschlagen, würde deshalb insgesamt sogar zu deutlichen Haftungsverzerrungen führen. Entsprechendes würde eintreten, wenn man gemäß dem Dissent von Justice Clark in Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (349) (Ill.
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C. Zum Problem der Legal Causation
Deliktsrecht und Market Share Liability670 besteht folglich nur dann, wenn man trotz weiter zugelassener Identifizierungshaftungen die Entlastungsmöglichkeit für die beteiligten Hersteller ausschließt. Die bessere Erkennbarkeit eines Produktes mag wegen der häufigen Entlastungsmöglichkeit eines Herstellers sogar umgekehrt dazu führen, daß die prozessuale Inanspruchnahme nebst Anwalts- und Gerichtskosten bzw. diesbezüglichen Versicherungsbeiträgen spürbar abnimmt. Eine weitestmögliche Verwirklichung der wahren Haftungsverhältnisse führt demzufolge nicht nur nicht zur Inkonsistenz, sondern zu einer zügigeren, transparenteren und am Einzelfall orientierten Lösung. Es ist unnötig, ein Haftungsmodell zur Lösung ausnahmsweiser Unbestimmbarkeit des wahren Schädigers als ausnahmslose Regel zu praktizieren und dabei gleichzeitig die tatsächlich ermittelbaren Verhältnisse vollends zu ignorieren, wenn insoweit bereits die Anwendung der allgemeinen Grundsätze zu befriedigenden Ergebnissen führt. Die in Hymowitz vertretene Lösung konnte sich deshalb mit Recht außerhalb New Yorks nicht durchsetzen und dürfte in den USA auf Grund der ausgebliebenen Übernahme durch die Gerichtspraxis in den anderen Bundesstaaten gerade auch an ihren eigenen, nationalweite Anwendung gebietenden Vorgaben scheitern.671 cc) Anwendungsbereich der Market Share Liability jenseits der DES-Fälle Das wesensbestimmende Merkmal der Market Share Liability ist die Gleichförmigkeit des emittierten Risikos bzw. die Fungibilität oder Austauschbarkeit des schädigenden Produkts der einzelnen Hersteller.672 Der Marktanteil eines Herstellers bringt den Anteil seines Erzeugnisses am auf dem Markt vorhandenen Gesamtrisiko nur dann hinreichend exakt zum 1990) nach erfolgter Identifizierung eines Herstellers den Innenregreß zu den übrigen Produzenten zuließe. 670 In diesem Sinne äußern sich etwa Albulescu, 11 Seton Hall L. Rev. 610 (621 f.) (1981); Kors, 33 Stan. L. Rev. 937 (942) (1981); Murray, 69 Cal. L. Rev. 1179 (1193) (1981); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (238) (1985/86); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (791 FN 122) (1991); Ohmann, Market Share Liability, 103 ff. (1986); Bodewig, AcP 185, 505 (553) (1985). 671 So auch die Einschätzung in Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (334) (Ill. 1990). Vgl. im übrigen die Kritik bei Epstein, Torts, 229 (1999); Goldberg, Causation and Risk, 67, 71 f. (1999); sowie den Dissent von Judge Mollen in Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1083) (N.Y. Ct. App. 1989). 672 Vgl. grundlegend Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (936) (Cal. 1980) sowie die einleitenden Ausführungen unter C.
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Ausdruck, wenn sich die einzelnen Produkte nach Inhalt, Risikobeschaffenheit und Wirkungsweise decken und damit die Menge des vertriebenen Produkts die Menge des geschaffenen Risikos vollkommen widerspiegelt. Neben synthetischem Östrogen sind derartige generic risks in einer Fülle weiterer Risikobereiche vorstellbar. So mag etwa im Auftrag einer Gesundheitsbehörde ein neuer Impfstoff entwickelt und später von verschiedenen Herstellern nach einheitlicher biologischer Formel produziert und markenlos geliefert worden sein;673 ein an AIDS Erkrankter vorab Geschlechtverkehr mit verschiedenen HIV-Virenträgern gehabt haben;674 billiges Speiseöl von mehreren Herstellern mit gesundheitsgefährdenden Stoffen auf die gleiche Weise verpantscht; oder Essen mehrerer Restaurants mit entsprechendem Salmonellenbefall kontaminiert worden sein; Ärzte oder Apotheker mögen gleichermaßen eine bestimmte chemische Substanz zur Herstellung eines neuen Medikaments verwendet; oder mehrere Obstbauern ihr Obst mit identischem Insektenvertilgungsmittel bespritzt haben.675 Die Mehrheit der auf dem Markt anzutreffenden Produkte unterscheidet sich in ihrer Risikozusammensetzung jedoch deutlich voneinander. Die einzelnen Unternehmen legen in aller Regel gerade besonderen Wert darauf, sich von den Marken anderer Hersteller abzusetzen und die Exklusivität ihrer eigenen Produkte hervorzuheben und weiter auszubauen. Auch in ihrem Risikogebaren scheinbar austauschbare Produkte erweisen sich bei näherem Hinsehen als vollkommen inkompatibel und in ihrer Risikostruktur nicht vergleichbar. So firmiert etwa der Begriff Asbest lediglich als Sammelbezeichnung für verschiedene in der Natur vorkommende Mineralfasern,676 die im einzelnen ein stark voneinander abweichendes Toxizitätsgefüge aufweisen.677 Im Handel waren seinerzeit bis zu sechs verschiedene Asbestfasern im Umlauf, die einzeln oder in Kombination miteinander in mehr als 3.000 verschiedenen Produkten in jeweils unterschiedlichen Mengen verarbeitet wurden.678 Der Risikoumfang wird für den einzelnen 673 In Anlehnung an den Fall Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (N.J. 1989), wo allerdings die Anwendung der Market Share Liability aus sozialpolitischen Gesichtspunkten verneint wurde (id. 512, 522 f., 528). 674 In diesem Fall bestünde der „Markt“ aus der Gesamtheit aller HIV-positiven Geschlechtspartner des Geschädigten. 675 Weitere Beispiele unter A. I. (bei FN 133 bis 138). 676 Vgl. Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (578) (1983); Treiger, 20 Harv. J. Leg. 179 (180) (1983) sowie die Ausführungen und Nachweise in FN 48. 677 Vgl. Celotex Corp. v. Copeland, 471 So.2d 533 (538) (Fla. 1985); ferner Epstein, 13 J. Leg. Stud. 475 (482) (1984). 678 Vgl. umfassend Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (415) (1991); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (578 FN 1) (1983) sowie die Ausführungen und Nachweise in FN 48.
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C. Zum Problem der Legal Causation
Betroffenen zudem stark von Art, Maß und Dauer der Asbestexposition bzw. der Beschaffenheit der einzelnen Asbestprodukte beeinflußt.679 Bei Asbestarbeitern müßten etwa die Lüftungsverhältnisse und Sicherheitsmaßnahmen am Arbeitsplatz berücksichtigt werden,680 bei Produktkonsumenten die konkrete Art und Dauer der Verwendung des Produkts, der Asbestgehalt im Produkt sowie die Löslichkeit einzelner Asbestfasern von der Produktoberfläche.681 Es ist unmöglich, aus dem Marktanteil an einem einzelnen asbesthaltigen Erzeugnis auf dessen Risikoverhalten zu schließen.682 Auch im Verhältnis mehrerer Asbestprodukte zueinander handelt es sich wegen der Vorliegens verschiedener Risikofaktoren nicht mehr lediglich um ein Problem der richtigen rechtlichen Zuordnung einer klar bestimmbaren Schadensursache, sondern bereits um das vorgelagerte Problem einer zutreffenden (medizinischen) Bestimmung des schadensauslösenden Risikofaktors oder zumindest dessen (proportionaler) Schädigungswahrscheinlichkeit im jeweiligen Einzelfall.683 679 Vgl. allgemein etwa Henderson/Pearson, The Torts Process, 623 ff. (1988); Epstein, 13 J. Leg. Stud. 475 (482) (1984). 680 Vgl. Ohmann, Market Share Liability, 266 (1986); Epstein, 13 J. Leg. Stud. 475 (482) (1984). 681 Vgl. insbesondere Hannon v. Waterman Steamship Co., 567 F.Supp 90 (92) (E.D. La. 1983); Celotex Corp. v. Copeland, 471 So.2d 533 (538) (Fla. 1985); Goldman v. Johns-Manville Sales Corp., 514 N.E.2d 691 (700 f.) (Ohio 1987); Horton v. Harwick Chemical Co., 653 N.E.2d 1196 (1199, 1203) (Ohio 1995); ferner Henderson/Pearson, The Torts Process, 623 ff. (1988); Eggen, Toxic Torts, 203 (2000); Prosser/Keeton, On Torts, § 104 (714) (1984); Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:8 (20) (1987); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (795) (1991); Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (415) (1991). 682 So ausdrücklich auch Goldman v. Johns-Manville Sales Corp., 514 N.E.2d 691 (701) (Ohio 1987); Celotex Corp. v. Copeland, 471 So.2d 533 (538) (Fla. 1985); ferner Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (795) (1991); Ohmann, Market Share Liability, 266 (1986); Henderson/Pearson, The Torts Process, 623, 625 f. (1988). 683 Zu dem damit angesprochenen Problem der Medical Causation und ihrer Lösung siehe unter A. I. u. B.; speziell zu Asbest siehe unter A. I. (bei FN 48 bis 50), B. II. 2. a) (bei FN 243), B. VII. 2. (bei FN 353), B. X. (bei FN 539), C. I. 1. e). Aus entsprechenden Gründen wurde die Anwendung der Market Share Liability etwa auch in folgenden Bereichen verneint: (1) Agent Orange: In re „Agent Orange“ Prod. Liab. Litig., 597 F.Supp. 740 (827) (E.D.N.Y. 1984); In re „Agent Orange“ Prod. Liab. Litig., 611 F.Supp. 1223 (E.D.N.Y. 1985); ferner Epstein, 13 J. Leg. Stud. 475 (483 ff.) (1984); Sherman, 52 Brooklyn L. Rev. 369 (395) (1986); aA (ohne Begründung) Otte, Marktanteilshaftung, 38 (1990). (2) Aldehyde in Duftprodukten: Sanderson v. IFF, 950 F.Supp. 981 (C.D.Cal. 1996). (3) Autobatterien: York v. Lunkes, 545 N.E.2d 478 (Ct.App. Ill. 1989). (4) Benzolhaltige Produkte: Bly v. Tri-Continental Industries, Inc., 663 A.2d 1232 (1244) (D.C.App. 1995); Griffin v. Tenneco Resins, Inc., 648 F.Supp. 964 (967) (D.N.C. 1986). (5) Bleifarbe: City of Philadelphia v. Lead Industries Association, Inc., 994 F.2d 112 (126) (3rd Cir. 1993); Skipworth v. Lead Industries Association, Inc., 690 A.2d 169 (173) (Pa. 1997); ferner Eggen, Toxic Torts, 206 ff. (2000). (6) Blutprodukte: Siehe in FN 690.
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Durchweg entsprechend verhält es sich in den Bereichen, in denen der Mensch erst mittelbar über Umweltverschmutzungen oder Giftmüllablagerungen mehrerer Produzenten geschädigt wird. Es ist hier schon vom Ansatz her undenkbar, etwa eine einzelne Müllkippe, einen verseuchten Flußabschnitt oder gar sauren Regen als solchen als gemeinsamen „Markt“ zu begreifen, an dessen Anteil sich die Gefährlichkeit eines einzelnen Risikobeitrags ablesen ließe.684 Die von den jeweils Beteiligten in die Umwelt entäußerten Giftstoffe sind grundsätzlich weder fungibel noch deckt sich die Menge ihrer Schadstoffemission mit dem Umfang eines dabei möglicherweise für die Bevölkerung erzeugten Risikos.685 Die bisherigen Versuche, derartige Fälle mit Hilfe einer Pollution/Risk/Waste Share Liability zu erfassen, sind über diesen ersten begrifflichen Anfang nicht hinausgekommen.686 Zu lösen sind auch diese Fälle vielmehr bereits – im Rahmen des zivilrechtlich Möglichen (s. u. A. II.) – nach den unter B. V. bis XI. dargelegten Grundsätzen. Weder mit dem Ansatz einer Proportional Liability noch mit den Mitteln einer Market Share Liability zu erfassen sind allerdings Fälle, in denen nicht ein einheitlicher Mangel jedem der fungiblen Produkte anhaftet (sog. Designfehler), sondern ein einzelnes fungibles Produkt als Ausreißer einem sog. Herstellungsmangel unterliegt.687 In diesem Fall haben nicht sämtliche Hersteller den vollständigen Deliktstatbestand nur mit Ausnahme des Teilmerkmals der Legal Causation erfüllt, vielmehr hat sich die breite Masse (7) Impfstoffe: Senn v. Merrell-Dow Pharmaceuticals, Inc., 751 P.2d 215 (220 f., 223) (Or. 1988) (zudem lag in diesem Fall ein sog. Herstellungsmangel vor (siehe bei FN 687 bis 690)); anders bei Gleichartigkeit der als Schadensursache in Betracht kommenden Impfstoffe, so im Fall Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (N.J. 1989) (siehe zu diesem Fall in FN 673). (8) Silikonbusen/Brustprothesen: In Matter of New York State Silicone Breast Implant Litigation, 631 N.Y.S.2d 491 (N.Y.Super. 1995); Lee v. Baxter Healthcare Co., 721 F.Supp. 89 (94) (D.Md. 1989). 684 Vgl. Larsson, Environmental Damage, 392 (1997); neben der fehlenden Austauschbarkeit der beteiligten Risiken wäre auch bereits die Bestimmung des „Marktes“ in zeitlicher Hinsicht auf Grund der regelmäßig mit Umwelteinwirkungen einhergehenden langen Expositionsdauern mit einigen Schwierigkeiten verbunden; vgl. Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 174 (1993). 685 Vgl. Pelloni, Haftung für Umweltschäden, 174 f. (1993). 686 Vgl. etwa Posch (Multikausale Schäden, 153 (185) (1988)), der eine Pollution Share Liability als rechtspolitisch interessanten Ansatz für die haftungsrechtliche Bewältigung der durch sauren Regen verursachten Schadensfälle ansieht; ebenso Spraul, 49 U. Cin. L. Rev. 926 (934) (1980); entsprechend unverbindlich für Giftmüllschäden auch Scully, 36 Me. L. Rev. 117 (117 ff.) (1984); Fulton, 33 S. C. L. Rev. 543 (572 ff.) (1982); Vohl, 19 San Diego L. Rev. 891 (891 ff.) (1982); Duce, Pepperdine L. Rev. 609 (629) (1985); für Schäden infolge Luftverschmutzung Friedland, Pollution Share Liability: A New Remedy for Plaintiffs Injured by Air Pollutants, 9 Colum. J. Envtl. L. 297 (313 ff.) (1984).
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C. Zum Problem der Legal Causation
der Hersteller hier rechtmäßig und fehlerfrei verhalten und braucht sich deshalb auch den Ausreißer eines Mitkonkurrenten berechtigterweise nicht zurechnen zu lassen.688 Impfschadensfälle fallen dann in diesen Bereich, wenn einzelne Seren im Herstellungsverfahren verunreinigt oder Viren nicht restlos immunisiert worden sind.689 Entsprechendes gilt im Falle HIVverseuchter Blutplasmaprodukte, vor allem für die in der Praxis häufigen sog. Faktor VIII-Blutgerinnungsmittel verschiedener Hersteller.690 Will man die Geschädigten in derartigen Fällen nicht unentschädigt lassen, empfiehlt sich zur Abdeckung solcher Schäden die Schaffung gesetzlicher Entschädigungsfonds, die aus Beiträgen der einzelnen Hersteller finanziert werden könnten.691
687
Zu den verschiedenen Fehlertypen im Produkthaftungsrecht vgl. resp. der jeweiligen Rechtsordnung Palandt/Thomas, BGB, § 3 ProdHaftG Rdnr. 2 ff. (2002) und Prosser/Keeton, On Torts, Ch. 17 (677 ff.) (1984). 688 So auch Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (628) (1990); Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:8 (20) (1987); LaMarca, 31 Drake L. Rev. 61 (77) (1981– 82); Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (416) (1991); Otte, Marktanteilshaftung, 38, 62 ff. (1990); Ohmann, Market Share Liability, 223 f. (1986). 689 Vgl. etwa die Fälle Senn v. Merrell-Dow Pharmaceuticals, Inc., 751 P.2d 215 (Or. 1988); Sheffield v. Eli Lilly Co., 192 Cal.Rptr. 870 (Ct.App. Cal. 1983); Morris v. Parke, Davis & Co., 667 F.Supp. 1332 (C.D. Cal. 1987) (wo hervorgehoben wird, daß ein Designdefekt auch auf allgemein fehlerhaft gehandhabter Herstellung, Lagerung, Verschickung oder Vermarktung des Produkts beruhen kann (id. 1342)). 690 Vgl. Smith v. Cutter Biological, Inc., 823 P.2d 717 (Haw. 1991), wo allerdings unproblematisch die Anwendbarkeit der Market Share Liability auf Blutprodukte bejaht wird; aA zu Recht Ray v. Cutter Laboratories, Div. of Miles, Inc., 754 F.Supp. 193 (M.D. Fla. 1991); Doe v. Cutter Biological, Div. of Miles, Inc., 852 F.Supp. 909 (D. Idaho 1994); allgemein zu Blutprodukten auch Eggen, Toxic Torts, 205 f. (2000); Goldberg, Causation and Risk, 72 ff. (1999); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (795 f.) (1991). 691 Allgemein zu Form, Inhalt, Reichweite und Finanzierung (auch für derartige Fälle) denkbarer Kompensationsfondsmodelle vgl. insbesondere Hohloch, Rechtsvergleichende Untersuchung zur Frage der Einsatzfähigkeit einer „Fondslösung“ (1994) (Diskussion und Vergleich diverser im In- und Ausland bereits etablierter Entschädigungsfonds (insbes. id. 22 ff.)); ferner Leonhard, Der ökologische Schaden (1996) (Nennung und Bewertung zahlreicher Fondssysteme des In- und Auslands (id. 374 ff.)); Rest, Luftverschmutzung und Haftung in Europa (1986) (ausführliche Analyse verschiedener Fondssysteme (id. 99 ff.); Favorisierung spezieller Sonderfonds (id. 107 ff.)); Bell/O’Connell, Accidental Justice: The Dilemma of Tort Law (1997) (Diskussion diverser Fondsmodelle (id. 201 ff.)); Ohmann, Market Share Liability (1986) (Diskussion ausgewählter kollektiver Entschädigungssysteme (id. 218 ff., 232 ff.)).
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dd) Kritische Würdigung Die Market Share Liability ist bisher nur von einer Minderheit der USamerikanischen Gerichte übernommen worden.692 Die Mehrzahl der Bundesstaaten lehnt ihre Anwendung nach wie vor ausdrücklich ab.693 Ebenso kritisch äußern sich vereinzelt auch Teile der Literatur.694 Man wirft der Market Share Liability insbesondere vor, sie sei „unfair, unworkable, (. . .) as well as unsound policy“,695 verletze die traditionellen Prinzipien des Deliktsrechts,696 entferne sich zu weit vom Kausalitätsmerkmal,697 leide an praktischen Anwendungsschwierigkeiten,698 wirke innovationshemmend bei 692
Siehe die Nachweise in FN 618. Das Konzept der Market Share Liability wurde bislang ausdrücklich abgelehnt von den Bundesstaaten Delaware: Nutt v. A.C. & S. Co., 517 A.2d 690 (694) (Del. Super.Ct. 1986) (Asbest); – Georgia: Starling v. Seabard Coast Line R.R., 533 F.Supp. 183 (190 f.) (S.D. Ga. 1982) (Asbest); – Illinois: Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (337 ff.) (Ill. 1990) (DES); Poole v. Alpha Therapeutic Co., 696 F.Supp. 351 (354) (N.D. Ill. 1988) (Blutprodukte); – Iowa: Mulcahy v. Eli Lilly Co., 386 N.W.2d 67 (Iowa 1986) (DES); – Louisiana: Thompson v. Johns-Manville Sales Corp., 714 F.2d 581 (583) (5th Cir. 1983) (wendet das Recht von La. an) (Asbest); – Massachusetts: Payton v. Abbott Laboratories, 512 F.Supp. 1031 (D.Mass. 1981) (DES) (siehe aber unter C. II. 3.); – Michigan: Marshall v. Celotex Co., 651 F.Supp. 389 (393) (Asbest); – Missouri: Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (246) (Mo.banc 1984) (DES); – New Jersey: Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (512, 522 f., 528) (N.J. 1989) (DPT-Impfstoff); – North Carolina: Griffin v. Tenneco Resins, Inc., 648 F.Supp. 964 (967) (D.N.D. 1986) (benzinhaltige Färbemittel); – Ohio: Sutowski v. Eli Lilly Co., 696 N.E.2d 187 (190) (Ohio 1998) (DES); Tirey v. Firestone Tire & Rubber Co., 513 N.E.2d 825 (827) (Autoreifen); – Oklahoma: Case v. Fibreboard Corp., 743 P.2d 1062 (1067) (Asbest); – Oregon: Senn v. Merrell-Dow Pharmaceuticals, Inc., 751 P.2d 215 (220 f., 223) (Or. 1988) (DPT-Impfstoff); – Pennsylvania: City of Philadelphia v. Lead Industries Association, Inc., 994 F.2d 112 (126) (3rd Cir. 1993) (wendet das Recht von Pa. an) (Bleifarbe); – South Carolina: Mizell v. Eli Lilly Co., 526 F.Supp. 589 (596 f.) (S.C. 1981) (DES); Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (1018) (S.C. 1981) (DES); – Washington, D.C.: Bly v. Tri-Continental Industries, Inc., 663 A.2d 1232 (1241) (D.C.App. 1995) (Benzin). 694 Vgl. insbesondere Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (809 f., 813, 817) (1991); Fischer, 34 Vand. L. Rev. 1623 (1626, 1654) (1981); Murray, 69 Cal. L. Rev. 1179 (1189, 1203) (1981); Murphy, 55 Mo. L. Rev. 1047 (1072 f.) (1990); Newcomb, 76 Nw. U. L. Rev. 300 (303 ff., 323 f., 329) (1981) sowie die Literaturnachweise in den folgenden FN zu diesem Unterpunkt. 695 So Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (246) (Mo.banc 1984). 696 So Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (337) (Ill. 1990); Thompson v. Johns-Manville Sales Corp., 714 F.2d 581 (583) (5th Cir. 1983); Senn v. MerrellDow Pharmaceuticals, Inc., 751 P.2d 215 (223) (Or. 1988); Bly v. Tri-Continental Industries, Inc., 663 A.2d 1232 (1241) (D.C.App. 1995); ferner Newcomb, 76 Nw. U. L. Rev. 300 (304 ff.) (1981). 697 So Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (817) (1991). 693
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der Forschung und Entwicklung neuer Produkte,699 schaffe eine Art industrieweiter Versicherung700 oder bedeute einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung.701 Insgesamt ist die Kritik jedoch auffällig allgemein geblieben. So ist vor allem unklar, inwiefern die Market Share Liability mit den Prinzipien des Deliktsrechts in Widerspruch stehen soll. Es ist – wie wir gesehen haben702 – fair und unter Präventionsgesichtspunkten sinnvoll, daß ein Hersteller insgesamt genau in dem Umfang haftet, in dem er mit dem von ihm zu verantwortenden Risiko in der Bevölkerung Schaden verursacht hat. Seine bloße Teilhaftung im Einzelfall verhindert, daß ihm im Regreßwege ein eventuell mit anderen Herstellern verbundenes Insolvenz- und Unauffindbarkeitsrisiko des Gläubigers überbürdet wird.703 Eine Haftung jenseits seiner Verantwortung und eine von der Kritik befürchtete industrieweite Versicherung fremdverantwortlichen Schadens sind auf diese Weise im Verlaufe praktischer Rechtsdurchsetzung sicher ausgeschlossen. Die Marktanteilshaftung ist auch für den Kläger gerecht, weil sie ihm Haftungsansprüche gegen sämtliche Risikoakteure in insgesamt voller Entschädigungshöhe verschafft, die ihm sonst bei Anwendung überkommener Rechtsregeln vollkommen versagt blieben. Eine Inkaufnahme der Aufteilung der Entschädigungssumme auf teils berechtigte, teils unberechtigte Opfer wie im Falle des Indeterminate Plaintiff704 entfällt, da sich ein Windfall-Problem bei bloß rechtlichen Zuordnungsschwierigkeiten einer bereits aufgeklärten (gleichförmigen) medizinischen Schadensursache nicht stellt. 698 So Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (48) (Wis. 1984); ferner Albulescu, 11 Seton Hall L. Rev. 610 (627 f.) (1981); Murray, 69 Cal. L. Rev. 1179 (1203) (1981). 699 So Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (337) (Ill. 1990); Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (512, 522 f., 528) (N.J. 1989); City of Philadelphia v. Lead Industries Association, Inc., 994 F.2d 112 (126) (3rd Cir. 1993); sowie der Dissent von Justice Richardson in Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (941 f.) (Cal. 1980); vgl. zur Diskussion dieses Kritikpunktes insbesondere McCormack v. Abbott Laboratories, 617 F.Supp. 1521 (1528) (D.C.Mass. 1985); ferner Eggen, Toxic Torts, 200, 202 f. (2000); Kästle, Toxische Massenschäden, 159 ff. (1993); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (809 f.) (1991); Miller/Hancock, 88 W. Va. L. Rev. 81 (102 f.) (1985); Murphy, 55 Mo. L. Rev. 1047 (1072 f.) (1990); Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (435) (1991); Fischer, 34 Vand. L. Rev. 1623 (1654) (1981). 700 So Sutowski v. Eli Lilly Co., 696 N.E.2d 187 (190) (Ohio 1998); Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (344) (Ill. 1990); Bly v. Tri-Continental Industries, Inc., 663 A.2d 1232 (1241) (D.C.App. 1995); ferner Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (813) (1991); Newcomb, 76 Nw. U. L. Rev. 300 (329) (1981). 701 So Mizell v. Eli Lilly Co., 526 F.Supp. 589 (596 f.) (S.C. 1981). 702 Siehe im einzelnen die Ausführungen unter B. V. 2. u. 3. entsprechend. 703 Siehe im einzelnen unter C. II. 3. 704 Siehe unter B. V. 3.
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Bedenklich, aber letztlich nicht zu vermeiden, ist die Mißbrauchsmöglichkeit, die man einem böswilligen Kläger mit Hilfe der Market Share Liability bereitet. Ist etwa ein von einem Kläger an sich identifizierbarer Schädiger bis zum Ausbruch der Schädigung insolvent geworden, so könnte der Kläger seine eingetrübte Ersatzlage sehr leicht dadurch wieder aufhellen, daß er vor Prozeßbeginn seine Beweissituation absichtlich so verschlechtert, daß er vor Gericht die Unaufklärbarkeit der Legal Causation und damit die Anwendbarkeit der Market Share Liability geltend machen kann. Statt mit dem Vollhaftungsanspruch gegenüber dem wahren Schädiger vollends durchzufallen, könnte er sich auf diese Weise Teilhaftungsansprüche gegen die auf dem Markt sonst noch vorhandenen solventen Produzenten des gleichen Risikos erschleichen und so seinen Schaden doch noch zu einem Großteil ersetzt erlangen.705 Ob man einem solchen Mißbrauch wirksam dadurch begegnen könnte, daß man dem Kläger einen Nachweis hinreichender Sorgfalt (due diligence) bei der Suche nach dem wahren Schädiger abverlangt,706 erscheint eher fraglich, da man sich für den Nachweis weitgehend auf die nur schwer überprüfbaren Aussagen des – möglicherweise mißbrauchswilligen – Klägers verlassen müßte.707 Rechtsfolge des Mißbrauchs ist nach den allgemeinen Regeln der jeweiligen Rechtsordnung die Versagung jeglichen Rechtsschutzes bezüglich des geltend gemachten Begehrens. b) Risk Contribution Liability (Collins) Anstatt lediglich auf den Marktanteil als haftungsbestimmenden Faktor abzustellen, ist vorgeschlagen worden, die Haftungsgrundlage noch um weitere Kriterien zu verbreitern und zur Bewertung der einzelnen Risikobeiträge auch andere (äußere und innere) bei der Schadensentstehung mitwirkende Umstände zu berücksichtigen (sog. Risk Contribution Liability). Ei705 Vgl. insbesondere Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (339) (Ill. 1990) sowie den Dissent von Justice Richardson in Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (941) (Cal. 1980); ferner Spitz, 65 Ind. L. J. 591 (622) (1990); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (791) (1991); Rheingold, 55 Brooklyn L. Rev. 883 (891 f.) (1989); Chase, 1982 U. Ill. L. Rev. 1003 (1007) (1982); Miller/Hancock, 88 W. Va. L. Rev. 81 (90) (1985); Newcomb, 76 Nw. U. L. Rev. 300 (328 f.) (1981); Goldberg, Causation and Risk, 71 (1999); Ohmann, Market Share Liability, 95 ff. (1986); Hoechst, US-amerikanische Produzentenhaftung, 96 (1986); Otte, Marktanteilshaftung, 47 (1990). 706 Vgl. zur Diskussion insbesondere Conley v. Boyle Drug Co., 570 So.2d 275 (285 f.) (Fla. 1990); Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (339) (Ill. 1990); ferner Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (791 FN 122) (1991). 707 Ebenso kritisch McCormack v. Abbott Laboratories, 617 F.Supp. 1521 (1528 f.) (D.C.Mass. 1985).
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nen solchen Weg hin zu einer normativen Gesamtschau des Gesamtverhaltens der einzelnen Risikoverantwortlichen hat im Jahre 1984 die Entscheidung Collins v. Eli Lilly Co.708 aus dem Bundesstaate Wisconsin eingeschlagen. Das Gericht nennt in den Entscheidungsgründen eine Reihe von nicht abschließend gemeinten Indizien, die im Einzelfall wertend analog den Grundsätzen des mitwirkenden Verschuldens709 bei der Verteilung der Risikobeiträge auf die einzelnen Hersteller mitberücksichtigt werden sollen. So soll etwa danach gefragt werden, welches beklagte Unternehmen Sicherheits- bzw. Wirksamkeitstests bezüglich des schädigenden Produkts durchgeführt hat, welche Rolle das einzelne Unternehmen im Rahmen eines eventuell erforderlichen Zulassungsverfahrens gespielt hat, wie sich die Marktanteile in der jeweiligen Gegend verteilt oder welche Unternehmen bei Herstellung und Vertrieb des Produkts eine Führungsrolle am Markt eingenommen haben, ob Warnhinweise bezüglich möglicher Produktrisiken ausgegeben oder die Produkte mancher Hersteller weitervermarktet worden sind, nachdem bereits Wissen über mögliche Gefahren hätte erlangt werden können, und welche Unternehmen Maßnahmen zur Risikoverminderung für die Allgemeinheit nach Bekanntwerden der Schädigungswirkung ihrer Produkte ergriffen haben.710 Das Gericht erhofft sich durch die Abwägung der verschiedenen Kriterien insbesondere auch eine Vereinfachung der Verfahren und eine schonendere Verwendung knapper gerichtlicher Ressourcen, die im Rahmen der Market Share Liability gerade durch eine aufwendige Ermittlung schwierig zu bestimmender Marktanteile stark verschwendet werden würden.711 Was auf den ersten Blick als öffnende und flexible712 Bestimmung der Risikobeiträge der einzelnen Beteiligten erscheint, entpuppt sich jedoch bei näherem Hinsehen recht schnell als Irrweg in eine falsche Richtung. Die neben der Größe des Marktanteils und der möglichen Führungsrolle am Markt genannten Kriterien beziehen sich sämtlich auf das Maß der aufgewendeten Sorgfalt der einzelnen Hersteller und bestimmen sich somit unabhängig von der Menge des vom einzelnen Hersteller zu verantwortenden 708 342 N.W.2d 37 (Wis. 1984); dazu kritisch etwa Celli, 65 N. Y. U. L. Rev. 635 (652 ff.) (1990); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (789) (1991); Schwartz/ Mahshigian, 73 Colum. L. Rev. 941 (963 f.) (1985); Eggen, Toxic Torts, 200 f. (2000); Davis/Foster/Smith/Ytreberg, Products Liability, § 9:10 (22 f.) (1987); Pfister, Haftung für Arzneimittel, 133 (1990). 709 Das Gericht stützt sich in seiner Entscheidung ausdrücklich auf eine entsprechende Anwendung der Wisconsin Comparative Negligence Statute, sec. 895.045, Stats.; vgl. Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (52 f.) (Wis. 1984) (dort zitiert in FN 13). 710 Vgl. Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (53) (Wis. 1984). 711 Vgl. Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (49) (Wis. 1984). 712 So Kästle, Toxische Massenschäden, 162 (1993).
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Risikos. Es ist widersinnig zu glauben, daß ein Hersteller nur deshalb besonders viel an Schaden verursacht haben soll, nur weil er besonders verschuldensintensiv gehandelt hat. Ursächlichkeitsfragen beantworten sich wie auch sonst unabhängig von Verschuldenskriterien und der vom einzelnen Hersteller im Risikoumfeld seiner Produktion aufgebrachten Sorgfalt.713 Es ist auch nicht recht einsichtig, wie die große Menge zusätzlicher Kriterien die Abwicklung der einzelnen Fälle prozessual vereinfachen soll. Es ist leicht vorstellbar, daß von den verschiedenen Herstellern bei Gericht eine Flut zusätzlicher und oftmals vager Beweismittel zu diversen Verhaltensweisen im Rahmen der Unternehmensproduktion eingebracht werden, soweit sich der eine oder andere Unternehmer daraus Vorteile bei der späteren Verantwortungszuordnung verspricht.714 So werden kleinere Unternehmen maßgeblich auf den Marktanteil abstellen wollen, während Großproduzenten in der Regel ein besonders sorgfältiges Verhalten für sich in Anspruch nehmen werden.715 Verlängerte Gerichtsverfahren und erhöhte Prozeßkosten sind dabei zwangsläufig, die Transparenz der ohnehin schon komplizierten Verfahren leidet noch zusätzlich.716 Es ist kaum verwunderlich, daß der bestechende Charme, den diese Abwägungslösung mit ihrer Vielzahl wohlklingender Kriterien vordergründig versprüht, in Wissenschaft und Praxis bislang nur auf wenig Gegenliebe gestoßen ist.717 Es bleibt abzuwarten, inwieweit die Rechtsanwendung künftig dem Drang, eine exakte, aber unter Umständen schwierige Risikobestimmung durch eine reine Abwägungs- oder Billigkeitsentscheidung zu ersetzen, widerstehen kann. 713 Siehe analog auch die unter B. IX. 2. geäußerte Kritik am Lösungsvorschlag von Wendy E. Wagner zum Problem der Medical Causation. 714 Vgl. Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (333 f.) (Ill. 1990); ferner Miller/ Hancock, 88 W. Va. L. Rev. 81 (100 f.) (1985). 715 Vgl. Miller/Hancock, 88 W. Va. L. Rev. 81 (100) (1985). 716 Vgl. Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1078) (N.Y. Ct. App. 1989); Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (333 f.) (Ill. 1990); ferner Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (430) (1991); Miller/Hancock, 88 W. Va. L. Rev. 81 (99 ff.) (1985). 717 Die Praxis hat dem Sonderweg Wisconsins bislang nur wenig Beachtung geschenkt; vgl. allenfalls Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (1078) (N.Y. Ct. App. 1989) und Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (333 f.) (Ill. 1990), die das Modell einer Risk Contribution Liability als „inconsistent“ (Hymowitz; id. 1078) bzw. haftungsverzerrend (Smith; id. 334) verwerfen. Auch die US-amerikanische Dogmatik steht diesem Haftungskonzept durchweg ablehnend gegenüber; vgl. Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (800 f.) (1991); Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (430) (1991); Miller/ Hancock, 88 W. Va. L. Rev. 81 (99 ff.) (1985). Einzig die Münchener Dissertation von Kästle, Toxische Massenschäden, 137 ff., 152, 159, 162 (1993) sowie die Hamburger Dissertation von Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 126 ff., 132 f. (1997) haben sich bislang wohlwollend zu der Collins-Lösung geäußert.
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c) Market Share Alternate Liability (Martin) Einen weiteren Versuch, die Sindell-Entscheidung fortzuentwickeln, hat der Supreme Court of Washington im Fall Martin v. Abbott Laboratories718 unternommen. Das Gericht strebt zum einen parallel zu den Grundsätzen der Alternative Liability in Summers eine vollumfängliche Entschädigung des Klägers an, läßt zum anderen aber gleichzeitig auch die Möglichkeit eines Entlastungsnachweises eines geringeren Market Share für die einzelnen Hersteller zu (sog. Market Share Alternate Liability).719 Es wird anfänglich vermutet, daß alle Beklagten gleich große Marktanteile haben und sich dementsprechend der Gesamtschaden des Klägers auch zu gleichen Anteilen auf die Beklagten verteilt. Jeder Beklagte erhält Gelegenheit, sich zu entlasten und einen geringeren als seinen vermuteten Marktanteil nachweisen, woraufhin sich der vermutete Marktanteil der übrigen verklagten Hersteller entsprechend bis zur 100%-Entschädigungsgrenze erhöht. Nur wenn es allen Beklagten gelungen ist, ihren Marktanteil auf sein wahres Niveau zu reduzieren, soll der Kläger einen eventuell verbliebenen Restschaden selbst tragen.720 Die mit dieser Lösung verbundenen Vorzüge einer von Anfang an klaren, wenn auch stets veränderlichen Zuordnung der Marktanteile und Haftungsquoten sowie einer regelmäßigen Vollentschädigung des Klägers werden indes von einer Reihe von Unzulänglichkeiten begleitet, die die Anwendung dieser Theorie teils aus prozessualen, teils aus allgemeinen Billigkeitserwägungen als nicht besonders sinnvoll erscheinen lassen. So funktioniert diese Ansicht aus Rechtskraftgründen eigentlich nur dann, wenn sämtliche Entschädigungsfragen in einem einzigen Verfahren beurteilt werden, da jede Entlastung eines Herstellers gleichzeitig auch den Entschädigungsumfang in allen übrigen Haftungsverhältnissen beeinflussen würde. Folge wäre eine Notwendigkeit zur ständigen Wiederaufnahme bereits rechtskräftig entschiedener Sachverhalte, nur weil belastende Drittwirkungen aus fremden Rechtsverhältnissen zur permanenten Neuverhandlung über das Maß der eigenen Deliktsverantwortung zwingen.721 Die Vermutungswirkungen haben 718 689 P.2d 368 (Wash. 1984); dazu ausführlich Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (207 ff.) (1985/86). 719 Vgl. Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (381 ff.) (Wash. 1984). 720 Vgl. Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (372, 378) (Wash. 1984); zum Haftungskonzept der Market Share Alternate Liability im einzelnen auch Nace, 44 Vand. L. Rev. 395 (407 ff.) (1991); Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (228 f.) (1985/86); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (788 f.) (1991); Davis/Foster/Smith/ Ytreberg, Products Liability, § 9:9 (21 f.) (1987); Goldberg, Causation and Risk, 69 (1999); Pfister, Haftung für Arzneimittel, 134 f. (1990). 721 Ebenso kritisch auch Goldberg, Causation and Risk, 70 (1999).
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zudem die eigenartige Konsequenz, daß die Marktanteile von Großerzeugern zunächst einmal klein vermutet werden und erst nach Entlastung aller übrigen Beklagten auf ihre wahre Größe aufgebläht werden könnten. Die Vermutung hilft also gerade denjenigen, die verhältnismäßig viel an Risiko für den Kläger produziert haben und belastet jene, die insoweit nur einen kleinen Risikoanteil zu verantworten haben. Den Großproduzenten bringt dies in eine äußerst komfortable Position: Er braucht letztlich nichts weiter zu tun, als abzuwarten und dabei zuzusehen, wie sich die anderen dabei abmühen, ihren zu groß vermuteten Marktanteil „klein“ zu beweisen. Er haftet hingegen trotz Nichtvorlage jeglichen Entlastungsbeweises – abhängig von der Erfolghaftigkeit der Beweisbemühungen der anderen Marktteilnehmer – maximal in Höhe seiner tatsächlichen Verantwortung, obwohl ihm regelmäßig sogar die besseren logistischen und finanziellen Mittel zur beweisrechtlichen Befundsicherung zur Verfügung stehen dürften. Neben den prozessualen Durchführungsschwierigkeiten enthält diese Lösung somit auch einen deutlichen materiellen Gerechtigkeitsmangel,722 der sich erst nach völliger Ausschaltung aller Vermutungswirkungen wieder außer Kraft setzen ließe. Bislang sind lediglich der United States District Court in Massachusetts723 sowie der Supreme Court of Florida724 dem Verdikt aus Washington gefolgt,725 maßgeblich aus Praktikabilitätserwägungen.726 Wählte man diese Alternative, so wäre es – anders als bei Anwendung der Risk Contri722
So auch Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (332 f.) (Ill. 1990) („substantially unfair“ (id. 333); theory „has the realistic potential of creating liability well in disproportion to a manufacturer’s market share“ (id. 332)); ferner Novak, 21 Gonz. L. Rev. 199 (1985/86) („extremely inequitable results“ (id. 237)); Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (799) (1991); aA allerdings Otte (Marktanteilshaftung, (1990)), der die Entscheidung Martin sogar für eine „in der Rechtsfolge ungleich gerechtere Variation von Sindell“ (id. 59) hält. 723 Vgl. McCormack v. Abbott Laboratories, 617 F.Supp. 1521 (D.C.Mass. 1985). 724 Vgl. Conley v. Boyle Drug Co., 570 So.2d 275 (Fla. 1990). Ein unterinstanzliches Gericht folgte wenige Jahre zuvor in einem Asbestfall noch der reinen Form der Market Share Liability; vgl. Copeland v. Celotex Co., 447 So.2d 908 (Fla.App. 1984). 725 Auch die in Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (Ill. 1990) vom Supreme Court of Illinois zitierte Vorinstanz befürwortete noch die Übernahme des MartinKonzepts für den Bundesstaat Illinois (id. 325, 327); ablehnend der Supreme Court (id. 332 f.) (siehe in FN 722). Ausdrücklich offen gelassen wurde die Anwendung der Market Share Alternate Liability vom Supreme Court of Pennsylvania; vgl. Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (986) (Pa. Super. 1985) (im Fall war allen Beklagten der Entlastungsbeweis vollständig gelungen, daß sie das den Kläger schädigende DES nicht hergestellt haben konnten (id. 986)). 726 Vgl. Conley v. Boyle Drug Co., 570 So.2d 275 (Fla. 1990) (It is necessary „to ensure that the law remains (. . .) realistic as society and technology change“ (id. 284) (dort zitiert aus Insurance Co. of North America v. Pasakarnis, 451 So.2d
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bution Theorie – freilich sogar möglich, die Haftung anstelle einer aufwendigen Verschuldensabwägung durch ein einfaches Vermutungskonzept zu begründen. Man wird deshalb auch hier erst abwarten müssen, inwieweit sich Gerichte aus anderen Bundesstaaten durch die leichte Handhabbarkeit dieses Modells dazu verführen lassen, die tatsächlichen Haftungsverhältnisse durch unausgeräumte Vermutungen zu ersetzen, um so sehenden Auges ein Auseinanderfallen von Haftung und Verantwortung entlang der Entlastungsfähigkeit der einzelnen Beklagten in Kauf zu nehmen. 3. Ergebnis Bei der Lösung des Problems des Indeterminate Defendant führt die Market Share Liability zu zweckgerechten Ergebnissen. Sie überzeugt, weil sie mit einfachen Mitteln das von einem Marktteilnehmer zu verantwortende Risiko zum Ausdruck bringen und haftungsrechtlich zuordnen kann. Sie schafft den nach deliktischen Zwecken notwendigen Gleichlauf zwischen Haftung und Verantwortung, indem sie für den einzelnen Beklagten die Haftung auf die gegenüber einer Vielzahl von Klägern zu verantwortenden Risiken verteilt, und für den einzelnen Kläger die Verantwortlichkeiten der Vielzahl möglicher Schädiger in Form von Teilhaftungen bezüglich der auf ihn einprasselnden Einzelrisiken bündelt. Sie setzt auf diese Weise nahtlos die Proportional Liability für den Bereich der gleichförmigen Risiken fort und kann so die Kluft überwinden helfen, die das mit dem Aufkommen toxischer Massenschäden entstandene Problem der Unermittelbarkeit des tatsächlichen Schädigers bei Gleichartigkeit der beteiligten Risiken geschlagen hat. Identifizierungshaftungen sowie die oben unter C. I. 1. diskutierten identifizierungsunabhängigen Ausnahmehaftungen werden von der Market Share Liability nicht verdrängt. Soweit dabei die Anwendung des herkömmlichen Rechts zu einer gesamtschuldnerischen Haftung mehrerer Beklagter führt, können die Grundsätze der Marktanteilshaftung gegebenenfalls noch Verwendung bei Ermittlung der Haftungsquoten im Innenverhältnis der Beteiligten finden. Die Zukunft wird zeigen, ob die US-amerikanischen Gerichte auch weiterhin bereit sein werden, die Türen ihrer Gerichtssäle, und vielleicht sogar noch ein Stückchen weiter als bisher, für die mit der Marktanteilshaftung neu geschaffenen Teilschuldansprüche zu öffnen und damit Erwägungen hinsichtlich der mit der Einführung jeder neuen Rechtsgrundlage notwendigerweise aufkommenden zusätzlichen praktischen Kosten- und Mühewal447 (451) (Fla. 1984)); McCormack v. Abbott Laboratories, 617 F.Supp. 1521 (D.C.Mass. 1985) („most useful framework“ (id. 1526)).
II. Verankerung der Marktanteilshaftung im deutschen Recht
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tung zugunsten der Interessen vieler nach herkömmlichem Recht rechtloser, aber eigentlich berechtigter Betroffener zurückzustellen.
II. Verankerung der Marktanteilshaftung im deutschen Recht Unter B. V. 4. war es uns gelungen, die zum Problem des Indeterminate Plaintiff entwickelte Proportional Liability durch eine analoge Anwendung der §§ 830 I 2, 254 BGB in das deutsche Recht zu überführen. Der Analogieschluß war notwendig geworden, da eine unmittelbare Anwendung der §§ 830 I 2, 840 I BGB bei Vorhandensein eines parallel laufenden deliktsunabhängigen Zufallsereignisses, wie dies angesichts der vielgestaltigen Möglichkeiten menschlicher Schadensentstehung im dortigen Bereich häufig vorkommt, wegen Widerspruchs zu dem diesen Vorschriften zugrunde liegenden Gedanken der Vorteilsabwehr ausscheidet. Im Fallbereich des Indeterminate Defendant kommt eine solche analoge Anwendung der §§ 830 I 2, 254 BGB als Grundlage zur Verankerung der Market Share Liability im deutschen Recht hingegen nicht in Betracht. Denn hier steht der vollumfängliche Ersatzanspruch des Geschädigten wegen des bereits eindeutig geführten Nachweises der medizinisch verantwortlichen Schadensursache ja schon sicher fest. Unklar ist hier lediglich noch die Person des konkret dafür verantwortlichen Anspruchsgegners geblieben. Es läßt sich hier gemäß den Worten des § 830 I 2 BGB nur „nicht ermitteln (. . .), wer von mehreren Beteiligten den Schaden durch seine Handlung verursacht hat.“ Wendet man § 830 I 2 BGB i. V. m. § 840 I BGB in diesem Bereich sonach wörtlich an, steht man vor der eigentümlichen Konsequenz, daß man die Einführung der Market Share Liability ins deutsche Recht zwar nicht aus etwaigen Gründen der Vorteilsabwehr, aber möglicherweise wegen eines offenbaren Widerspruchs zum Wortlaut der §§ 830 I 2, 840 I BGB und der darin vorgesehenen Gesamtschuldanordnung ablehnen müßte. Die lakonische Einfachheit dieser Regelung täuscht jedoch darüber hinweg, daß diese Vorschriften in der Vergangenheit zu einer Reihe nicht unerheblicher Anwendungsschwierigkeiten geführt haben, die im Zusammenhang mit der Problemlage bei toxischen Massenschäden bislang noch nicht hinreichend untersucht worden sind. Es ist deshalb vorderhand zu prüfen, ob § 830 I 2 BGB auf Fälle bloß unklarer Legal Causation überhaupt unmittelbar angewendet werden kann (s. u. 1. u. 2.), bevor über eine Begrenzung seiner Rechtsfolgen auf den Umfang einer Marktanteilshaftung nachgedacht werden kann (s. u. 3.).
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C. Zum Problem der Legal Causation
1. Anwendbarkeit des § 830 I 2 BGB auf Gefährdungshaftungen? Die systematische Stellung des § 830 I 2 BGB unter dem Titel der unerlaubten Handlungen nach der allgemeinen Verschuldenshaftung des § 823 I BGB und noch vor der Gefährdungshaftung des § 833 BGB läßt zunächst vermuten, daß § 830 I 2 BGB nach der ursprünglichen gesetzgeberischen Vorstellung ausschließlich auf Verschuldenshaftungen Anwendung finden und eine Ersatzmöglichkeit des Geschädigten gemäß den gerade im Bereich toxischer Massenschäden häufig einschlägigen Gefährdungshaftungstatbeständen ausscheiden sollte. In diesem Sinne hatte auch das Reichsgericht eine Anwendbarkeit des § 830 I 2 BGB „über den Kreis der unerlaubten Handlungen hinaus“727 abgelehnt, da sich die „strenge Haftung“728 nach dieser Vorschrift nur durch den deliktischen Charakter der Handlung rechtfertigen lasse, der ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten des Täters voraussetze.729 Der BGH730 sowie weite Teile der Literatur731 sind dieser Auffassung jedoch nicht gefolgt. Die Absicht des Gesetzgebers, die Beweisnot des Geschädigten zu lindern, müsse grundsätzlich unabhängig davon zum Tragen kommen, ob die Beteiligten nun einen Gefährdungs- oder Verschuldenshaftungstatbestand erfüllt haben.732 In beiden Fällen haben die Beteiligten für die Rechtsgüter des Geschädigten eine sozial inadäquate identische Gefah727
RGZ 102, 316 (319). RGZ 102, 316 (320). 729 Vgl. RGZ 67, 260 (261); RGZ 102, 316 (320). Im letzten Fall hatte das Reichsgericht die Anwendung des § 830 I 2 BGB für die Haftung mehrerer Bergwerksbesitzer, deren Bergbau für den einem Grundbesitzer entstandenen Schaden in Betracht kommen konnte (§ 149 prAllgBergG), verneint. Auch die Motive (II, 738) und Protokolle (II, 606) scheinen allgemein in diese Richtung weisen zu wollen. 730 Vgl. BGH, NJW 1969, 2136 (2137 f.) = LM Nr. 12 zu § 830 BGB (1969) (zu § 7 StVG); BGHZ 55, 96 (98) = NJW 1971 509 (510) (zu § 833 BGB); BGH, VersR 1956, 627 (629) (zu §§ 836, 838 BGB). 731 Vgl. insbesondere Soergel/Zeuner, BGB, § 830 Rdnr. 16 (1998); Staudinger/ Schäfer, BGB, § 830 Rdnr. 44 (1986); Palandt/Thomas, BGB, § 830 Rdnr. 14 (2002); Otte, Marktanteilshaftung, 93 ff. (1990); Cypionka, Deliktsrechtliche Haftung trotz ungeklärter Schadensverursachung, 67 ff. (1985); Weckerle, Verantwortlichkeit mehrerer, 151 f. (1974); Brambring, Mittäter, Nebentäter, Beteiligte, 107 (1972); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 2 a (1994); Bydlinski, FS Beitzke, 3 (23 ff.) (1979); Bodewig, AcP 185, 505 (516 ff.) (1985); M. Bauer, JZ 1971, 4 (9 f.); Weimar, MDR 1960, 463 (464); Medicus, JZ 1986, 778 (781); Weimar, MDR 1960, 463 (464); Lauenstein, NJW 1961, 1661 (1662); Köndgen, NJW 1970, 2281. 732 Vgl. BGHZ 55, 96 (98); BGH, NJW 1969, 2136 (2137 f.); ferner Staudinger/ Schäfer, BGB, § 830 Rdnr. 44 (1986); M. Bauer, JZ 1971, 4 (9 f.); Schantl, VersR 1981, 105 (106); Köndgen, NJW 1970, 2281; Bydlinski, FS Beitzke, 3 (24) (1979); Otte, Marktanteilshaftung, 94 (1990). 728
II. Verankerung der Marktanteilshaftung im deutschen Recht
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renlage geschaffen, die die spätere Identifizierung des Schädigers gerade aus diesem Grunde unmöglich gemacht hat.733 Dementsprechend hielt man etwa auch bei den Gesetzesberatungen im Rechtsausschuß zu § 84 AMG einen ausdrücklichen gesetzlichen Verweis auf die entsprechende Anwendbarkeit des § 830 I 2 BGB mehrheitlich für entbehrlich.734 Es kann nicht zweifelhaft sein, daß § 830 I 2 BGB einen allgemeinen Rechtsgedanken zum Ausdruck bringt, der seine haftungsrechtliche Anwendung grundsätzlich unabhängig vom Verschulden der jeweils Beteiligten gebietet. Das von dieser Vorschrift behandelte Identifizierungsproblem auf Schädigerseite wird von einem möglichen Sorgfaltsverstoß der Beteiligten weder bedingt noch verstärkt. Lösungsnotwendige Voraussetzung für die Anwendung seines Rechtsgedankens ist schon seinem Wortlaut nach lediglich die Unermittelbarkeit des Verursachers unter mehreren Beteiligten. Das mit der Weite der gesamtschuldnerischen Haftung in manchen Fällen einhergehende Unbehagen sollte nicht mit dem Fingerzeig auf das vorwerfbare Verhalten des Inanspruchgenommenen beruhigt werden. Einschränkungen sind an anderer Stelle vorzunehmen. 2. Eingrenzungsversuche beim Begriff der „Beteiligten“ Eine unmittelbare Anwendung der §§ 830 I 2, 840 I BGB auf Fälle mit bloß unklarer Legal Causation könnte ferner auch aus dem Grunde scheitern, daß man die mehreren potentiellen Schadensverursacher womöglich dann nicht als „Beteiligte“ i. S. d. § 830 I 2 BGB ansehen kann, wenn sich auf der Opferseite nicht nur ein einzelner, sondern eine Mehr- oder sogar Vielzahl betroffener Geschädigter befindet. Die unter dem Beteiligtenbe733 So insbesondere M. Bauer, JZ 1971, 4 (6 f., 10). Ein Teil der Literatur will § 830 I 2 BGB allerdings nicht pauschal, sondern nur insoweit auf Gefährdungshaftungen entsprechend anwenden, als sich die nach dem jeweiligen Gefährdungshaftungstatbestand vorausgesetzte Risikoeinwirkung auf den Betroffenen in ausreichender Weise konkretisiert hat und so mit denen unerlaubter Verschuldenshandlungen nach § 823 I BGB vergleichbar ist; vgl. RGRK/Steffen, BGB, Vor § 823 Rdnr. 15 (1989); Weckerle, Verantwortlichkeit mehrerer, 153 (1974); Otte, Marktanteilshaftung, 94 (1990). In Produkt- und Arzneimittelhaftungsfällen hält man diese Voraussetzungen allerdings für erfüllt; vgl. Otte, Marktanteilshaftung, 94 f. (1990). Ein Teil der Autoren diskutiert ein entsprechendes Eingrenzungskriterium erst beim Merkmal der „Beteiligten“ in § 830 I 2 BGB (siehe in FN 735), versucht also insoweit erst tatbestandsimmanent einzugrenzen. 734 Vgl. BT-Drucksache 7/5091, 4, 10 (1976); vgl. dazu auch Etmer/Lundt/ Schiwy, AMG, § 84 Anm. 7 b, § 93 Anm. 3 b (Stand: 1. April 2001); Sander/ Scholl/Köbner, AMG, § 84 Rdnr. 12 (Stand: 1. Oktober 2001)); Bodewig, AcP 185, 505 (516 ff.) (1985); Deutsch, VersR 1979, 685 (689); Göben, Arzneimittelhaftung, 76, 103 (1995); Otte, Marktanteilshaftung, 93 (1990).
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C. Zum Problem der Legal Causation
griff geführten Eingrenzungsversuche wurden in der Vergangenheit gänzlich frei von der besonderen Problemlage bei (toxischen) Massenschäden vorgenommen und sollen deshalb nachfolgend nicht im einzelnen dargestellt werden.735 Interessanter als deren konkrete inhaltliche Ausgestaltung 735 Das Reichsgericht hatte in einigen frühen Entscheidungen in Anlehnung an den von § 830 I 1 BGB erfaßten Sachverhaltsbereich noch eine gewisse innere Zweckverbindung oder gegenseitige Kenntnis unter den mehreren „Beteiligten“ gefordert und daneben zugleich die dabei regelmäßig anzutreffende zeitliche und räumliche Einheitlichkeit des Tatvorganges betont; vgl. RGZ 98, 58 (60 f.); RGZ 96, 224 (226); RG, Warn. 1912, Nr. 387; RG, JW 1909, 136; siehe auch die Nachweise in FN 138; auf ein gemeinsames bewußtes Vorgehen der Handelnden verzichten hingegen RGZ 58, 357 (359 ff.) (unter Verweis auf die Entstehungsgeschichte des § 830 I 2 BGB (id. 360 f.)); RGZ 89, 65; RGZ 121, 400 (404); RGZ 148, 154 (166). Der BGH hat hingegen von Anfang an auf jedes subjektives Verbindungselement unter den Handelnden verzichtet und urteilt inzwischen – in Anknüpfung an die Letzterwägung des Reichsgerichts – seit mehreren Dekaden mit ständiger Formel, daß eine „Beteiligung“ einen tatsächlich einheitlichen, örtlich und zeitlich zusammenhängenden Vorgang voraussetze, der sich aus mehreren selbständigen Handlungen zusammensetzt und in dessen Bereich der rechtswidrige Erfolg fällt; vgl. BGH, LM Nr. 4 zu § 830 BGB (1957); BGH, LM Nr. 8 zu § 830 BGB (1960); BGH, LM Nr. 10 zu § 830 BGB (1965); BGHZ 25, 271 (271 f.) m. Anm. von Hauß in LM Nr. 5 zu § 830 BGB; BGHZ 55, 86 (93 ff.); BGHZ 33, 286 (288 ff.) m. Anm. von Haager in LM Nr. 9 zu § 830 BGB und von Deubner in JuS 1962, 383. Wann dies der Fall sei, bestimme sich nach der praktischen Anschauung des täglichen Lebens, für die die Gleichartigkeit der Gefährdung (!) von besonderer Bedeutung sei, und könne stets nur auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles beurteilt werden; vgl. BGHZ 55, 86 (93 ff.); BGHZ 33, 286 (291). Zur Kritik an dieser Eingrenzungsformel vgl. etwa Cypionka, Deliktsrechtliche Haftung trotz ungeklärter Schadensverursachung, 63 f. (1985); RGRK/Steffen, BGB, § 830 Rdnr. 25 (1989); Soergel/Zeuner, BGB, § 830 Rdnr. 18 (1998); Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 2 b (1994); Bydlinski, FS Beitzke, 3 (11 ff.) (1979); M. Bauer, JZ 1971, 4 (4 ff., 7); Bodewig, AcP 185, 505 (514 f.) (1985); Heinze, VersR 1973, 1081 (1086); Buxbaum, Solidarische Schadenshaftung, 16, 125 (1965); Posch, Multikausale Schäden, 153 (167) (1988). Von der Wissenschaft wird mancherseits in Anknüpfung an das Reichsgericht ein gewisses gegenseitiges Voneinanderwissen der Handelnden oder zumindest ein Erkennenkönnen des alternativen Tuns des jeweils anderen für notwendig gehalten (so Lauenstein, NJW 1961, 1661 (1661 f.); Deutsch, Haftungsrecht I, 352 (1976); weitere Nachweise zur älteren Lit. bei M. Bauer, JZ 1971, 4 (5)), andere fragen danach, ob die Handelnden gemeinsam eine Gefahrenlage geschaffen oder Sorgfaltspflichten verletzt haben und gerade dies für die Beweisnot des Geschädigten ursächlich war (so Esser/Weyers, Schuldrecht BT II/2, § 60 I 1 (1991); vgl. auch Buxbaum, Solidarische Schadenshaftung, 20 f. (1965)), während wieder andere eine „Beteiligung“ erst nach Schaffung einer konkreten Gefährdung für das Opfers annehmen, so daß weitere Zwischenschritte seitens der möglichen Verursacher nicht mehr erforderlich sind (so Weckerle, Verantwortlichkeit mehrerer, 153 (1974); Kluge, Alternative Kausalität, 85 ff. (1972); Bodewig, AcP 185, 505 (520 ff.) (1985)); dazu insgesamt kritisch Otte, Marktanteilshaftung, 104 ff. (1990). In DES-Fällen könnte man die DES-Produzenten wohl nur dann nicht als „Beteiligte“ ansehen, wenn man einen subjektiven Kon-
II. Verankerung der Marktanteilshaftung im deutschen Recht
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erscheint für uns im vorliegenden Zusammenhang vielmehr die Frage, ob sich bei Vorhandensein einer Mehrzahl an Geschädigten aus einem relativ einschränkungslos gewählten Beteiligungsbegriff eine mögliche Rechtfertigung oder sogar Notwendigkeit für eine teleologische Einschränkung der aus den §§ 830 I 2, 840 I BGB folgenden gesamtschuldnerischen Haftung ergeben kann. Soweit ersichtlich haben bislang lediglich Otte736 und Wiese,737 wenn auch jeweils nur beiläufig, zu dieser Frage Stellung genommen. Otte unterteilt in Anlehnung an eine Unterscheidung von Buxbaum738 die von der Rechtsprechung bislang zu § 830 I 2 BGB abgeurteilten klagestattgebenden Fälle in solche der Unternehmensbeteiligung und solche der Zufallsbeteiligung. Bei Unternehmensbeteiligungen (insbesondere Fällen mit einer gewissen subjektiven Verbindung unter den Handelnden, wie etwa dem Raufhandel oder einer Steinschlacht)739 sei die Legitimation von Gesamtschuld leicht erkennbar, die bei Zufallsbeteiligungen (etwa bloß vorliegender Gleichartigkeit der mehreren Gefährdungsbeiträge, wie etwa in DES-Fällen)740 nicht ebenso evident wäre.741 Grundvorstellung des Gesetzgebers sei im Falle des § 830 I 2 BGB nun einmal nur ein enger Beteiligungszusammenhang gewesen.742 Je großzügiger der Beteiligungszusammenhang beurteilt werde, d.h. je offenkundiger aus der Gesamtschuldhaftung eine Haftung für wahrscheinliche (Teil-)Verursachung werde, desto unbefriedigender nex von ihnen fordern würde, der ihr bloß kooperatives Zusammenwirken während des Herstellungsphase [siehe dazu unter C. I. 1. b)] übersteigt. Folgt man hingegen der herrschenden Praxis, die im Zweifel bereits die bloße Gleichartigkeit der Gefährdung genügen läßt (vgl. BGH, LM Nr. 23 zu § 830 BGB (1982); BGHZ 33, 286 (288, 291); BGHZ 55, 86 (93 ff.); BGHZ 89, 383 (399); OLG Köln, MDR 1982, 408 (408 f.); OLG München, MDR 1967, 671), oder legt diejenigen Ansichten zugrunde, die auf die bloße Schaffung einer konkreten Gefährdung abstellen, bestünden hinsichtlich ihrer Beteiligtenstellung keinerlei Bedenken. Die Hersteller hatten mit ihrer DES-Produktion sämtlich austauschbare Risiken geschaffen, die später gleichartig und konkret gefährdend auf die Leibesfrucht der DES-Mutter einwirkten. Fraglich ist nun, ob etwa diese von der Praxis zugrunde gelegte relative Weite des Beteiligungsbegriffes bei Vorhandensein einer Mehrzahl an Geschädigten eine Einengung der Rechtsfolgenanordnung in §§ 830 I 2, 840 I BGB erforderlich macht. Siehe dazu weiter im Text. 736 Vgl. Otte, Marktanteilshaftung, 95 ff. (1990). 737 Vgl. Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 60, auch 61 f. (1997). 738 Vgl. Buxbaum, Solidarische Schadenshaftung, 7 ff., 16 f. (1965). 739 Vgl. Otte, Marktanteilshaftung, 96 ff. (1990); auch Buxbaum, Solidarische Schadenshaftung, 7 ff. (1965). 740 Vgl. Otte, Marktanteilshaftung, 98 ff. (1990); auch Buxbaum, Solidarische Schadenshaftung, 16 f. (1965). 741 Vgl. Otte, Marktanteilshaftung, 99 (1990). 742 Vgl. Otte, Marktanteilshaftung, 111 (1990).
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C. Zum Problem der Legal Causation
sei die für die nach § 830 I 2 BGB Verantwortlichen getroffene Gesamtschuldanordnung.743 Wiese begründet die von ihm geforderte Einschränkung des Beteiligtenbegriffes indessen mit der praktischen Notwendigkeit nach dem Erhalt der Durchsetzungsfähigkeit der Binnenregreßforderungen unter den alternativen Schadensverursachern. Bei Spätschäden mit langen Latenzzeiten lasse sich die Alternativität der Tatbeiträge kaum feststellen; und die Haftungsfolge Gesamtschuldnerschaft, die den in Anspruch genommenen Teilverursacher auf den Innenregreß verweist, sei so weitreichend, daß sie nach einer tatsächlichen Nähe der Alternativursachen und damit der Alternativtäter verlange, damit zwischen diesen ein etwaiger Regreß gelingen kann.744 Die von beiden Autoren angenommene innere Abhängigkeit zwischen der inhaltlichen Weite des Beteiligungsmerkmals und dem Haftungsumfang der einzelnen möglichen Verursacher im Verhältnis zu den einzelnen Geschädigten beruht jedoch auf einem echten Trugschluß. Bei Massenschäden befriedigt eine anteilige Haftung im Außenverhältnis nicht deshalb leichter, weil das Band um die Beteiligten objektiv oder subjektiv nicht straff genug gezogen wurde. Grund dafür ist vielmehr die Mehrheit der auf Grund gleichförmigen Risikos Geschädigten als solche. Dies soll unter dem nächsten Punkt erklärt werden. 3. Anwendbarkeit der §§ 830 I 2, 840 I BGB auf toxische Massenschäden im Falle des Indeterminate Defendant? Es entspricht im Rahmen des § 830 I 2 BGB einhelliger Dogmatik, daß ein möglicher Schädiger nur dann vollumfänglich für einen Schaden haften soll, wenn sein Tatbeitrag auch tatsächlich dazu geeignet war, den gesamten Schaden zu verursachen.745 Denn nur dann, wenn die volle Verantwor743
Vgl. Otte, Marktanteilshaftung, 109 (1990). Vgl. Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 60 (1997). 745 Vgl. RGZ 58, 357 (358, 361); BGHZ 55, 86 (93); BGHZ 55, 96 (100); BGHZ 89, 383 (399); OLG Bamberg, NJW 1949, 225 (226); OLG Braunschweig, JR 1951, 658 (659); OLG Neustadt, VersR 1958, 251 (252); ferner Larenz/Canaris, Schuldrecht II/2, § 82 II 2 c (1994); Otte, Marktanteilshaftung, 92 (1990); Cypionka, Deliktsrechtliche Haftung trotz ungeklärter Schadensverursachung, 12 (1985); Buxbaum, Solidarische Schadenshaftung, 18 (1965); Rest, Luftverschmutzung und Haftung, 81 (1986); Balensiefen, Umwelthaftung, 190 (1994); Kahl/Voßkuhle, Umweltrecht, 361 f. (1998); Ohmann, Market Share Liability, 288 f. (1986); Assmann, Multikausale Schäden, 99 (122, 128) (1988); Posch, Multikausale Schäden, 153 (168) (1988); RGRK/Steffen, BGB, § 830 Rdnr. 16 (1989); Medicus, JZ 1986, 778 (781 f.); Hager, NJW 1991, 134 (139 f.); dens., NJW 1986, 1961 (1968); Bodewig, AcP 185, 505 (527, 531) (1985). § 830 I 2 BGB ist aus diesem Grund regelmäßig 744
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tung jedes Beteiligten für einen entstandenen Schaden auch möglich ist, läßt sich seine volle Haftung im Außenverhältnis auch rechtfertigen. Niemand haftet dann vorläufig für etwas, was er nicht auch alleine hätte verursacht haben können. Unter solchen Bedingungen darf und soll sich deshalb das Interesse des Ersatzberechtigten an einer gesamtschuldnerischen Haftung durchsetzen. Eventuell vorhandene Aufklärungszweifel und Regreßschwierigkeiten sollen die Beteiligten dann im Innenverhältnis unter sich ausmachen. Der Geschädigte soll sich nicht deshalb mit der Eintreibung einer Vielzahl von Teilansprüchen herumschlagen müssen, nur weil für seinen Schaden ausnahmsweise statt bloß einem einzigen eine Mehrzahl möglicher Verursacher in Betracht kommt. Das Postulat von der Kausaleignung des vom einzelnen Beteiligten zu verantwortenden Tatbeitrages für den Gesamtschaden erfüllt sich unproblematisch immer dann, wenn man bei der Eignungsprüfung lediglich einen einzelnen Schadensfall im Auge hat. Erstreckt man hingegen bei einer Mehrzahl gleichartig betroffener Geschädigter den Blick auf die Gesamtheit aller (gegenwärtigen und künftig noch zu erwartenden) Schadensfälle, so ist die volle Verantwortung jedes Beteiligen für den gesamten Schaden aller Opfer nicht nur (im Verhältnis zum Umfange des Risikos der jeweils anderen Beteiligten) unwahrscheinlich, wie noch bei der Betrachtung des einzelnen Schadensfalles, sondern sogar mit Sicherheit ausgeschlossen. Denn es ist hier undenkbar, daß jeder Beteiligte den gesamten Schaden sämtlicher Opfer verursacht haben kann. Die verschiedenen auf die Opfer einwirkenden Tatbeiträge der Beteiligten haben sich hier vielmehr gerade insoweit in der Gesamtheit aller Schäden niedergeschlagen, als dies dem wechselseitigen Gefährdungspotential der Beteiligten gegenüber den Opfern entspricht. Wie wir in anderem Zusammenhang bereits unter B. V. 4. erörtert haben, würde in einem solchen Fall die gesamtschuldnerische Haftung im Einzelfall gerade in dem Umfange zu einer Einstandspflicht für fremdes Risiko werden, in dem die vollumfängliche und allseitige Außenhaftung das Maß wahrscheinlicher Eigenverantwortung übersteigt resp. wahrscheinlicher Fremdverantwortung erfaßt.746 Das Interesse des einzelnen Geschädigten an unanwendbar auf sog. summierte Immissionen; vgl. Rest, Luftverschmutzung und Haftung, 81 (1986); Köndgen, UPR 1983, 345 (353); Medicus, JZ 1986, 778 (782); siehe insoweit zudem unter A. II. 746 Besonders betroffen davon wären insbesondere sog. deep pockets, Großunternehmen mit besonders gut ausgestatteter Finanzstruktur, die als reicher Geldquell besonders anziehungskräftige Haftungsmagneten für die (all)klägerische Auswahlentscheidung zwischen der gesamten in Betracht kommenden gesamtschuldnerischen Haftungszugriffsmöglichkeit darstellen würden; vgl. allg. zu diesem sog. deep pocket-Problem gesamtschuldnerischer Haftungen Schultz, 40 DePaul L. Rev. 771 (798) (1991); Hall/Silbergeld, 7 Harv. Envtl. L. Rev. 441 (445) (1983); Nagareda, 94 Mich. L. Rev. 899 (912) (1996); Burns et al., 36 Vand. L. Rev. 573 (617)
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C. Zum Problem der Legal Causation
einer relativ bequemen und insolvenzsicheren gesamtschuldnerischen Rechtsdurchsetzung muß hier deshalb hinter das strenge deliktsrechtliche Verantwortungs- und Verursachungsprinzip, daß niemals jemand, und zwar auch nicht vorläufig, für Schäden einstehen darf, die er mit Sicherheit nicht verursacht hat und für die er deshalb auch mit Sicherheit nicht verantwortlich ist, zurücktreten. Für den anzustrebenden Haftungsumfang im einzelnen Ersatzverhältnis bedeutet dies, daß sich die begrenzte Gesamtverantwortung aller Tatbeteiligten in der Gesamtheit aller gegenwärtigen und künftig noch zu erwartenden Schadensfälle in einer bloß anteiligen Haftung gegenüber dem einzelnen Geschädigten fortsetzen muß. Der Gesetzgeber hatte damals diesen an sich regelungsbedürftigen Sachverhalt verantwortungsübersteigender Gesamtschuldhaftung bei der Regelung des Problems des unermittelbaren Schadensverursachers nicht berücksichtigt, da ihm augenscheinlich nur das Anspruchsproblem eines einzelnen, von einer Mehrzahl von Beteiligten betroffenen Geschädigten, nicht aber das gleichzeitig vorliegende Haftungsproblem gerade dieser Beteiligten bei einer Mehrzahl gleichartig von ihnen betroffener Geschädigter als regelungsbedürftig vor Augen stand. Für diesen Fall enthält das Gesetz somit eine verdeckte Lücke. Dem § 830 I BGB fehlt zur zweckgerechten Regelung solcher Sachverhalte ein an sich zu erwartender Satz 3, der die Haftung jedes Beteiligten auch im Individualverhältnis zu den einzelnen Geschädigten auf das Maß des von ihm zu verantwortenden Risikos begrenzt. Entsprechend der vom Verantwortungs- und Verursachungsprinzip an sich geforderten Haftungsreduzierung auf den Umfang des Verantwortungsbeitrages jedes Beteiligten ist die Rechtsfolge der §§ 830 I 2, 840 I BGB für den Fallbereich des Indeterminate Defendant bei einer Mehrzahl vorhandener Deliktsgläubiger somit de lege lata rechtsfortbildend im Wege teleologischer Reduktion auf eine anteilige Haftung jedes Beteiligten im Umfang seiner dem einzelnen Anspruchsteller gegenüber zu verantwortenden und möglicherweise schadensbringenden Gefährdung zurückzuführen. Soweit möglich, können bei der inhaltlichen Ausgestaltung und praktischen Umsetzung dieses Anspruches die Grundsätze und Vorstellungen der Market Share Liability entsprechend herangezogen werden. Nach den §§ 830 I 2, 840 I BGB tel. red. ist die Marktanteilshaftung somit bereits de lege lata (1983); Newcomb, 76 Nw. U. L. Rev. 300 (329) (1981); Chase, 1982 U. Ill. L. Rev. 1003 (1012) (1982); Diamond/Levine/Madden, Understanding Torts, 228 f. (1996); Freedman, Allocation of Risk, 163 (1987); Vogler, Gefährdungshaftung, 109 ff. (1965); Otte, Marktanteilshaftung, 47 (1990); Bodewig, AcP 185, 505 (526 f.) (1985). Umgekehrt würden regelmäßig schon wenige gesamtschuldnerische Inanspruchnahmen genügen, um die flüssigen Eigenmittel vieler kleinerer und mittlerer Unternehmen vollkommen aufzuzehren; vgl. Hardy v. Johns-Manville Sales Corp., 509 F.Supp.1353 (1358 f.) (E.D.Tex. 1981).
II. Verankerung der Marktanteilshaftung im deutschen Recht
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auch in Deutschland anwendbar. Gegenteilige Auffassungen in der Literatur747 sind irrig. Eine klare gesetzliche Regelung ist allerdings de lege ferenda – ebenso wie auch schon im Bereich des Indeterminate Plaintiff (s. u. B. V. 4.) – aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit nachdrücklich zu empfehlen. 4. Ergebnis Die ratio des § 830 I 2 BGB enthält den allgemeinen Rechtsgedanken, daß ein Alternativtäter nur dann vollumfänglich für den entstandenen Schaden haften soll, wenn sein Tatbeitrag auch tatsächlich dazu geeignet war, den gesamten Schaden zu verursachen. Bei einer Mehrzahl gleichartig betroffener Deliktsgläubiger bedeutet dies, daß die Rechtsfolge der §§ 830 I 2, 840 I BGB rechtsfortbildend im Wege teleologischer Reduktion auf eine anteilige Haftung jedes Beteiligten im Umfang seiner dem einzelnen Geschädigten gegenüber zu verantwortenden und möglicherweise schadensbringenden Gefährdung zurückgeführt werden muß. Soweit der Anwendungsbereich der Marktanteilshaftung eröffnet ist, also insbesondere in Fällen der Produkt- und Arzneimittelhaftung, kann diesbezüglich auf deren Grundsätze zurückgegriffen werden. Zieht man einen Vergleich der eben dargelegten zu der bereits oben unter B. V. 4 in bezug auf den Fallbereich des Indeterminate Plaintiff vorgeschlagenen Rechtsfortbildung, ergibt sich ein verblüffendes Ergebnis: Während im Fall des Indeterminate Plaintiff eine wegen des zu eng geratenen gesetzlichen Anwendungsbereichs des § 830 I 2 BGB vorhandene offene Gesetzeslücke durch einen Analogieschluß zu den §§ 830 I 2, 254 BGB geschlossen werden mußte, war im eben erörterten Fall des Indeterminate Defendant die Schließung einer wegen des diesmal zu weit gefaßten gesetzlichen Anwendungsbereichs des § 830 I 2 BGB verdeckten Gesetzeslücke im Wege einer teleologischen Reduktion nötig geworden. In beiden Konstellationen zielten diese höchst gegensätzlichen Formen der Lückenausfüllung, Schluß einer Analogie auf der einen und teleologische Reduktion auf der anderen Seite, jedoch auf das exakt gleiche Ergebnis, nämlich eine Teilhaftung eines jeden Beteiligten im Umfang seiner dem einzelnen Geschädigten gegenüber zu verantwortenden Risikoaussetzung. Beim einen 747 So Otte, Marktanteilshaftung, 89, 110, 112, 115, 121 (1990); Wiese, Umweltwahrscheinlichkeitshaftung, 78 f. (1997); Hager, NJW 1986, 1961 (1967); Posch, Multikausale Schäden, 153 (180, 181) (1988); vgl. auch Ohmann (Market Share Liability, 285 ff., 295 ff., 313, 316 ff., 335 ff. (1986)), die im deutschen Recht unproblematisch die §§ 830 I 2, 840 I BGB (unmittelbar) anwendet und die Grundsätze der Marktanteilshaftung erst im Rahmen des Binnenregresses nach §§ 426, 254 BGB analog berücksichtigt.
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C. Zum Problem der Legal Causation
Mal konnte die wegen der offenen Lücke vorhandene drohende Anspruchslosigkeit des jeweiligen Geschädigten mit Hilfe der Grundsätze der Proportional Liability überwunden werden, während es beim anderen Mal die Regeln der Marktanteilshaftung ermöglichten, eine wegen der verdeckten Lücke entstandene, über das verantwortungsadäquate Maß hinausschießende vollumfängliche Außenhaftung aller Beteiligten auf das rechte Maß zurückzuführen. Ursächlich für die Etablierung der anteiligen Haftung war dabei jedes Mal der Umstand, daß sich auf der Geschädigtenseite nicht nur eine Einzel-, sondern eine Mehrzahl an Personen dem erzeugten (Massen-)Risiko jedes Beteiligten ausgesetzt sah. Der Gedanke anteiliger Schadenstragung wußte sich gerade dort zu behaupten, wo das wegen der bloß wahrscheinlichen Verwirklichung jedes Tatbeitrages in einem Einzelschaden vorhandene Unauflöslichkeitsdilemma bei der Ursachenzuordnung durch die sichere Annahme der tatsächlichen Schädigung eines Teils aus einer Mehrheit an betroffenen Rechtsgutsträgern entworren und – zumindest imaginär – auf die einzelnen in Betracht kommenden Schädiger verteilt werden kann. Proportional- und Marktanteilshaftung sind auf diese Weise in der Lage, die in § 830 I 2 BGB angeordnete starre Gegensatzlösung des „Alles oder Nichts“ genau an der Stelle zu einer Rechtsfolge vereinen, an der sich Haftung und Verantwortung eines jeden Beteiligten für den angerichteten Schaden eines jeden Opfers treffen.
III. Schlußbetrachtung: Summers und Sindell revisited Kehrt man nun an dieser Stelle zu zwei im dritten Teil dieser Arbeit schon des Öfteren zitierten Schlaglichtern der US-amerikanischen Rechtsprechung, den Entscheidungen Summers v. Tice et al.748 und Sindell v. Abbott Laboratories,749 zurück und wendet auf ihren Sachverhalt den für das eben unter C. II. 3. u. 4. erzielte Ergebnis tragenden Gedanken an, daß ein möglicher Schädiger nur dann vollumfänglich für einen deliktisch verursachten Schaden haften darf, wenn sein Tatbeitrag auch tatsächlich dazu geeignet war, den gesamten Schaden zu verursachen, so muß man doch etwas überrascht feststellen, daß der hierfür jeweils zuständige Supreme Court of California in beiden Fällen im Ergebnis jeweils genau richtig entschieden hat, wenn auch beide Mal auf dogmatisch falscher und daher oben unter C. I. 1. c) bzw. C. I. 2. a) bb) zu Recht kritisierter Grundlage. Im Fall Summers hatten sowohl Tice als auch Simonson mit ihren Schrotgewehrschüssen hinreichende Tatbeiträge gesetzt, um jeder für sich Verursacher 748 749
199 P.2d 1 (Cal. 1948). 607 P.2d 924 (Cal. 1980).
III. Schlußbetrachtung: Summers und Sindell revisited
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der Augenverletzung von Summers sein zu können. Das Gericht hat deshalb gut daran getan, die Alternativtäter Tice und Simonson voll für den von ihnen möglicherweise verursachten Schaden einstehen zu lassen, als umgekehrt dem von einer ihrer Kugeln getroffenen Summers irgendwelche Nachteile bei der Durchsetzung seines in jedem Falle bestehenden Ersatzanspruches zuzumuten. Im Fall Sindell traf die für eine Gesamtschuldhaftung notwendige Grundbedingung von der Alleinverursachungseignung jedes Tatbeitrages bei kollektiver Betrachtung aller Schadensfälle hingegen nicht mehr zu. Neben Sindell waren Tausende weiterer vaginalgeschädigter DES-Töchter vorhanden. Es war hier mit Sicherheit auszuschließen, daß jeder einzelne der verklagten DES-Hersteller den Schaden aller DES-Töchter verursacht haben konnte. Jeder Hersteller hätte bei Annahme einer Gesamtschuld im Außenverhältnis für ein Risiko einstehen müssen, das er mit Sicherheit gar nicht erzeugt und damit auch nicht zu verantworten hatte. Umgekehrt stand es aber ebenso sicher fest, daß jeder Schadensfall durch das DES eines der beteiligten Hersteller verursacht worden war. Mit der Vorstellung, die Hersteller im Umfang ihres Marktanteils gegenüber dem einzelnen Geschädigten haften zu lassen, hat das Gericht somit in der Tat, wenn auch in fälschlicher Anlehnung an insoweit nicht einschlägige Grundsätze in Summers, genau die „gerechte Mitte“ zwischen der Anspruchslosigkeit der an sich berechtigten Geschädigten und der Gesamtschuldhaftung in diesem Maße bestimmt nicht verantwortlicher möglicher Schadensverursacher gewählt. Summers und Sindell sind damit im Bereich gleichförmiger Risikosetzung durch mehrere Beteiligte gleichsam Platzhalter für das den Zwecken des Deliktsrechts und den Interessen aller beteiligten Seiten am besten gerecht werdende Ergebnis. Beide Entscheidungen verbindet die Überlegung, daß einerseits alle in Betracht kommenden Deliktstäter trotz Unaufklärbarkeit des wahren Schädigers für das von ihnen zu verantwortende Unrecht haften sollen, und andererseits dem einzelnen Geschädigten insgesamt der deliktische Ersatz zukommen soll, der ihm nach der Schadensordnung auch sicher gebührt. Beide trennt die Art des von Täterseite geschaffenen Risikos bzw. die Zahl der auf Opferseite davon möglicherweise betroffenen Geschädigten. Der aus dieser Trennung resultierende unterschiedliche Haftungsumfang im Außenverhältnis begründet sich dabei nicht – wie Bodewig750 irrig annimmt – aus einer ohnehin nur fiktiv vorstellbaren „Solidargemeinschaft“751 zwischen den mehreren in gleicher Weise betroffenen Geschädigten, sondern allein damit, daß dem Verantwortungs- und Verursachungsprinzip Vorrang vor dem Interesse des einzelnen Geschädig750 751
AcP 185, 505 (543 ff.) (1985). Vgl. Bodewig, AcP 185, 505 (543 u. passim) (1985).
242
C. Zum Problem der Legal Causation
ten an einer bequemeren und sichereren Rechtsdurchsetzung eingeräumt werden muß. Die Sachverhalte beider Entscheidungen lösen sich nach deutschem Recht zu einem entsprechenden Ergebnis wie nach US-amerikanischem Recht: Summers nach den §§ 830 I 2, 840 I BGB (unmittelbar) und Sindell nach den in ihrer Rechtsfolge auf eine marktanteilige Haftung zurückgeführten §§ 830 I 2, 840 I BGB tel. red. Es sei aus Gründen der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit an dieser Stelle erneut empfohlen, den Unterschied beider Falltypen de lege ferenda in einem neu zu schaffenden § 830 I 3 BGB im Sinne der eben genannten teleologischen Reduktion festzulegen.
D. Gleichzeitige Unaufklärbarkeit von Medical und Legal Causation Nicht mehr schwierig zu lösen sind nun noch diejenigen Fälle, in denen hinblicklich einer Risikoexposition sowohl die Frage der Medical Causation als auch die Frage der Legal Causation unaufklärbar geblieben ist. Unklar geblieben ist in derartigen Fällen nicht nur, ob sich die betreffende Risikoexposition überhaupt im Schaden eines bestimmten Klägers realisiert hat, sondern bereits, auf wessen gleichförmig ausgeworfenes Risiko diese Risikoexposition letztlich zurückgeht. Entsprechend dem stochastischen Multiplikationssatz vom sämtlichen Eintritt zweier (oder mehrerer) bestimmt wahrscheinlicher Ereignisse PÈabê ã PÈaê PÈbê752 Å errechnet sich die Schädigungswahrscheinlichkeit des einzelnen (gleichförmigen) Risikoauswurfs ÈPÈabêê hier schlicht dadurch, daß man die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Auswurf sich in der Risikoexposition des Klägers niedergeschlagen hat ÈPÈaê, z. B. 0;4 Èã 40 %êê, mit der Wahrscheinlichkeit, daß diese Exposition dann anschließend auch noch den Schaden des Klägers verursacht hat ÈPÈbê, z. B. 0;25 Èã 25 %êê, malnimmt (im Bsp.: 0;4 0;25 ã 0;1 Èã 10 %ê). Die Rechengrößen PÈaê und PÈbê vorbestimmen sich dabei entsprechend den unter C. I. 2. a) bzw. B. VII. u. VIII. dargestellten Grundsätzen. Während sich auf diese Weise der Umfang der Wahrscheinlichkeitshaftung des einzelnen (gleichförmigen) Risikoerzeugers in derartigen Fällen noch relativ einfach bestimmen läßt, bedarf die Etablierung einer diesbezüglichen Anspruchsgrundlage des Geschädigten im deutschen Recht – wie auch schon in den Fällen der unter B. V. 4. bzw. C. II. 3. vorgenommenen Verankerungen – eines gewissen Begründungsaufwandes: Das Gesetz selbst enthält zu dieser Frage keine unmittelbare Regelung. Dem Geschädigten stünde jedoch auf der Grundlage der §§ 830 I 2, 254 BGB analog i. V. m. der jeweils einschlägigen Anspruchsgrundlage ein Proportionalhaftungsanspruch zu, wenn für die betreffende Risikoexposition statt der Mehrzahl gleichförmiger Risikoerzeuger nur eine einzige Person als möglicher Verantwortlicher in Betracht käme. Eine unmittelbare Anwendung des § 830 I 2 BGB zur Behebung der diesbezüglichen rechtlichen Zuordnungsschwierigkeiten scheitert vorliegend freilich daran, daß sich die strittige Zuord752 Vgl. Bosch, Elementare Einführung in die Wahrscheinlichkeitsrechnung, 30 f. (1986).
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D. Gleichzeitige Unaufklärbarkeit von Medical und Legal Causation
nungsfrage nicht auf eine (vom Wortlaut des § 830 I 2 BGB vorausgesetzte) zumindest einem der Beteiligten sicher zurechenbare Schadensverursachung, sondern lediglich auf eine in bestimmtem Maße schädigungswahrscheinliche Risikoexposition bezieht, doch spricht nichts dagegen, den in dieser Vorschrift enthaltenen Rechtsgedanken, daß einem deliktisch Geschädigten ein deliktischer Ersatzanspruch nicht allein auf Grund des Vorhandenseins einer Mehrzahl dafür in Betracht kommender Haftungsadressaten versagt werden darf, auch auf diesen Fall zumindest analog anzuwenden. Um jedoch zu vermeiden, daß der einzelne für die Risikoexposition des Klägers in Betracht kommende Risikoerzeuger angesichts der bei einem (toxischen) Massenschaden anzunehmenden Vielzahl entsprechend gelagerter Schadensfälle im Außenverhältnis zu den einzelnen Geschädigten insgesamt für Risiko einstehen muß, das er mit Sicherheit gar nicht erzeugt und damit auch nicht zu verantworten hat,753 ist die mit dem Analogieschluß an sich verbundene Gesamtschuldhaftung aller (gleichförmigen) Risikoerzeuger hinsichtlich der Schädigungswahrscheinlichkeit der (unermittelbar) von einem von ihnen zu verantwortenden Risikoexposition teleologisch auf eine Teilschuldhaftung im Umfange der jeweils von ihnen zu verantwortenden Risikoauswürfe ÈPÈabêê zu reduzieren. Auf diese Weise verteilt sich die ohne die aufgetretenen rechtlichen Zuordnungsschwierigkeiten an sich einschlägige Proportionalhaftung nach Marktanteilsgrundsätzen auf die einzelnen dafür in Betracht kommenden Haftungsadressaten. Die Ansprüche der Geschädigten gegen die einzelnen Risikoerzeuger lassen sich somit in diesen Fällen nach derzeitigem deutschem Recht jeweils auf die §§ 830 I 2, 840 I BGB analog tel. red. i. V. m. §§ 830 I 2, 254 BGB analog i. V. m. der jeweils einschlägigen Anspruchsgrundlage stützen. De lege ferenda mag freilich auch hier eine klare gesetzliche Bestimmung – etwa ein neu zu schaffender § 830 I 5 BGB, der die Regelung des § 830 I 3 BGB (s. u. C. III. a. E.) auf die Grundsätze der Proportionalhaftung (zu regeln etwa in einem neu zu schaffenden § 830 I 4 BGB) für entsprechend anwendbar erklärt – dem Rechtsanwender die mühevolle Arbeit der Rechtsfindung erleichtern. Finis Operis
753
Siehe die Ausführungen unter C. II. 3. entsprechend.
Entscheidungsregister (Table of Cases) (Kursiv gedruckte Zahlen verweisen auf die Fundstelle in den Fußnoten) RGZ 58, 357, 330, 331, 735, 745. RGZ 67, 260, 729. RGZ 89, 65, 735. RGZ 96, 224, 138, 735. RGZ 98, 58, 323, 331, 735. RGZ 102, 316, 727--29. RGZ 121, 400, 735. RGZ 148, 154, 331, 735. RG, JW 1909, 136, 138, 735. RG, Warn. 1912, Nr. 387, 735. RG, Recht 1913 Nr. 2415, 138. BGHZ 4, 192, 323, 331. BGHZ 17, 376, 526. BGHZ 25, 271, 331, 735. BGHZ 29, 393, 323, 331. BGHZ 32, 280, 526. BGHZ 33, 286, 330, 735. BGHZ 53, 245, 161. BGHZ 55, 86, 331, 735, 745. BGHZ 55, 96, 331, 730, 732, 745. BGHZ 59, 286, 526. BGHZ 61, 169, 161. BGHZ 70, 102, 275. BGHZ 70, 199, 526. BGHZ 89, 383, 735, 745. BGHZ 92, 143, 274, 275, 277. BGHZ 97, 37, 526. BGH, LM Nr. 2 zu § 830 BGB (1952), 325. BGH, VersR 1956, 627, 730. BGH, LM Nr. 4 zu § 830 BGB (1957), 331, 735. BGH, LM Nr. 8 zu § 830 BGB (1960), 331, 735. BGH, NJW 1963, 1828, 323. BGH, LM Nr. 10 zu § 830 BGB (1965), 735.
246 BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, BGH, OLG OLG OLG OLG OLG OLG
Entscheidungsregister NJW 1966, 589, 526. NJW 1969, 2136 = LM Nr. 12 zu § 830 BGB (1969), 730, 732. LM Nr. 15 zu § 830 BGB (1971), 325, 331. JZ 1972, 127, 325. LM Nr. 18 zu § 830 BGB (1973), 324. NJW 1976, 286, 526. LM Nr. 23 zu § 830 BGB (1982), 735. VersR 1983, 441, 275. NJW 1986, 59, 255. NJW 1986, 1249, 526. NJW 1986, 2945, 323. NJW 1992, 1043, 526. NJW 1993, 935, 161. NJW-RR 1994, 567, 161. Urt. v. 17. 6. 1997 – VI ZR 372/95 (Oldenburg), 228. MDR 2000, 418, 323. Bamberg, NJW 1949, 225, 745. Braunschweig, JR 1951, 658, 745. Neustadt, VersR 1958, 251, 137, 745. München, MDR 1967, 671, 331, 735. Köln, MDR 1982, 408, 331, 735. Köln, NJW-RR 1993, 598, 228.
Abel et al. v. Eli Lilly Co., 343 N.W.2d 164 (Mich. 1984), 554, 556, 565, 566, 569– 71, 577, 579, 583, 597. Aetna Casualty & Sur. Co. v. Luker, 511 S.W.2d 587 (Tex.Civ.App. 1974), 604, 607. In re „Agent Orange“ Prod. Liab. Litig., 597 F.Supp. 740 (E.D.N.Y. 1984), 254, 312, 445, 683. In re A.H. Robins Co., 88 Bankr. 742 (E.D. Va. 1988), 78. Albala v. City of New York, 445 N.Y.S.2d 108 (N.Y. 1981), 126. Allen v. United States, 588 F.Supp. 247 (D.Utah 1984), rev’d on other grounds, 816 F.2d 1417 (10th Cir. 1987), cert. denied, 484 U.S. 1004 (1988), 253, 312. Amchem Products v. Windsor, 117 S.Ct. 2231 (3rd Cir. 1997), 1. Amorosco v. Tubular & Cast Products Mfg. Co., 194 N.E.2d 694 (N.Y. 1963), 355. Anderson v. Maloney, 225 P. 318 (Or. 1924), 565. Anderson v. Somberg, 338 A.2d 1 (N.J. 1975), cert. denied 423 U.S. 929, appeal after remand 386 A.2d 413 (N.J.Super. 1978), 571.
Entscheidungsregister
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Anderson v. W.R. Grace & Co., 628 F.Supp. 1219 (D.Mass. 1986), 524. Askey v. Occidental Chemical Corp., 477 N.Y.S.2d 242 (1984), 527. Ayers v. Township of Jackson, 525 A.2d 287 (N.J. S.Ct. 1987), 524, 527, 529, 534. Ball v. Joy Technologies, Inc., 958 F.2d 36 (4th Cir. 1991), 527. Barnes v. Lopez, 544 P.2d 694 (Ariz. Ct.App. 1976), 526. Bennet v. Mallinckrodt, Inc., 698 S.W.2d 854 (Mo.Ct.App. 1985), 524. Benson v. Ross, 106 N.W. 1120 (Mich. 1906), 565. In re Beverly Hills Fire Litigation (E.D. Ky at Covington, Case No. 77–79), 136. Bichler v. Eli Lilly & Co., 436 N.E.2d 182 (N.Y. 1982), 249, 554–56, 558, 559, 597. Bly v. Tri-Continental Industries, Inc., 663 A.2d 1232 (D.C.App. 1995), 683, 693, 696, 700. Borel v. Fibreboard Paper Products Corp., 493 F.2d 1076 (5th Cir. 1973), 243. Bourgeois v. A.P. Green Industries, Inc., 716 So.2d 355 (La. 1998), 529. Brock v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 874 F.2d 307 (5th Cir. 1989), modified, 884 F.2d 166 (5th Cir. 1989), 477. Brown v. Superior Court, 751 P.2d 470 (Cal. 1988), 618, 629, 630, 638, 640–42, 644, 645, 647. Burns v. Jaquays Mining Corp., 752 P.2d 28 (Ariz. Ct.App. 1987), 527, 529. Burnside v. Abbott Laboratories, 505 A.2d 973 (Pa. Super. 1985), 554, 557, 558, 562, 592—94, 597, 599, 600, 663, 725. Capital Holding Corp. v. Bailey, 873 S.W.2d 187 (Ky. 1994), 524. Case v. Fibreboard Corp., 743 P.2d 1062 (1067), 694. Cathcart v. Keene, 471 A.2d 493 (Pa.Super. 1984), 524. Catherwood v. American Sterilizer Co., 498 N.Y.S.2d 703 (N.Y. 1986), 126. Caudle-Hyatt, Inc. v. Mixon, 260 S.E.2d 193 (Va. 1979), 610, 611. Celotex Corp. v. Copeland, 471 So.2d 533 (Fla. 1985), 677, 681, 682. City of Philadelphia v. Lead Industries Association, Inc., 994 F.2d 112 (3rd Cir. 1993), 566, 576, 578, 683, 693, 699. Collins v. Eli Lilly Co., 342 N.W.2d 37 (Wis. 1984), 550, 552, 557–59, 566, 570, 577, 578, 592, 593, 598, 600, 627, 630, 635, 649, 663, 698, 708–11. Conley v. Boyle Drug Co., 477 So.2d 600 (Fla. Dist.Ct.App. 1985), 557, 597. Conley v. Boyle Drug Co., 570 So.2d 275 (Fla. 1990), 657, 660, 663, 706, 724, 726. Copeland v. Celotex Co., 447 So.2d 908 (Fla.App. 1984), 724. Copley v. Putter, 207 P.2d 876 (Cal.App. 1949), 565.
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Entscheidungsregister
Crider v. Infinger Transportation Co., 148 S.E.2d 732 (S.C. 1966), 571. Daggy v. Miller, 162 N.W. 854 (Iowa 1917), 552. Daubert v. Merrell Dow Pharm., Inc., 711 F.Supp. 546 (S.D. Cal. 1989), aff’d, 951 F.2d 1128 (9th Cir. 1991), rev’d, 113 S.Ct. 2786 (1993), 71. Deleski v. Raymark Industries, Inc., 819 F.2d 377 (3rd Cir. 1987), 524. DeLuca v. Merrell Dow Pharmaceuticals, Inc., 911 F.2d 941 (3rd Cir. 1990), 441, 442. In re DES Cases, 789 F.Supp. 552 (E.D.N.Y. 1992), 559, 618, 654, 663. DeStories v. City of Phoenix, 744 P.2d 705 (Ariz.Ct.App. 1987), 524, 527. Devlin v. Johns-Manville Corp., 495 A.2d 495 (N.J.Super. 1985), 524. Dixon v. New York Trap Rock Corp., 58 N.E.2d 517 (N.Y. 1944), 524. Doe v. Cutter Biological, Div. of Miles, Inc., 852 F.Supp. 909 (D. Idaho 1994), 690. Eagle-Picher Industries, Inc. v. Cox, 481 So.2d 517 (Fla.Ct.App. 1985), 524. Elam v. Alcolac, 765 S.W.2d, 42 (Mo. Ct.App. 1988), cert. denied, 110 S.Ct. 69 (1989), 252. Ellis v. International Playtex, 745 F.2d 292 (4th Cir. 1984), 246. Enright by Enright v. Eli Lilly & Co., 570 N.E.2d 198 (N.Y. 1991), cert. denied, 502 U.S. 868 (1991), 126. Environmental Defense Fund v. Environmental Protection Agency, 598 F.2d 62 (D.C. Cir. 1978), 339. Eramdjian v. Interstate Bakery Co., 315 P.2d 19 (Cal.App. 1957), 565. Eyrich for Eyrich v. Dam, 473 A.2d 539 (N.J.Super. 1984), 524. Falzone v. Busch, 214 A.2d 12 (N.J. 1965); Portee v. Jaffee, 417 A.2d 521 (N.J. 1980), 524. Ferebee v. Chevron Chem. Co., 736 F.2d 1529 (D.C. Cir. 1984), cert. denied, 469 U.S. 1062 (1984), 451. Ferrigno v. Eli Lilly Co., 420 A.2d 1305 (N.J.Super 1980), 128, 557, 559, 565, 571, 579, 583, 597, 618, 649, 653. Friends For All Children v. Lockheed Aircraft Corp., 746 F.2d 816 (D.C. Cir. 1984), 527, 536. Garner v. Hecla Mining Co., 431 P.2d 794 (Utah 1967), 355. Gaulding v. Celotex Co., 772 S.W.2d 66 (Tex. 1989), 601. General Electric Co. v. Joiner, 522 U.S. 136 (11th Cir. 1997), 1. George v. Parke-Davis, 733 P.2d 507 (Wash. 1987), 628, 655, 657, 659, 660. Gideon v. Johns-Manville Sales Corp., 761 F.2d 1129 (5th Cir. 1985), 535. Goldman v. Johns-Manville Sales Corp., 514 N.E.2d 691 (Ohio 1987), 578, 681, 682.
Entscheidungsregister
249
Gray v. United States, 445 F.Supp. 337 (S.D. Tex. 1978), 155. Griffin v. Tenneco Resins, Inc., 648 F.Supp. 964 (D.N.C. 1986), 683, 693. Grover v. Eli Lilly & Co., 591 N.E.2d 696 (Ohio 1992), 126. Hagerty v. L & L Marine Services, Inc., 788 F.2d 315, modified on other grounds, 797 F.2d 256 (5th Cir. 1986), 527, 529, 535. Hall v. E.I. Du Pont De Nemours & Co., Inc., 345 F.Supp. 353 (E.D.N.Y. 1972), 585, 588–95, 598. Hannon v. Waterman Steamship Co., 567 F.Supp 90 (E.D. La. 1983), 681. Hardy v. Johns-Manville Sales Corp., 509 F.Supp.1353 (E.D.Tex. 1981), 586, 593, 601, 615, 618, 746. In re Hawaii Fed. Asbestos Cases, 734 F.Supp. 1563 (D.Haw. 1990), 524. Heckmann v. The Federal Press Co., 587 F.2d 612 (3rd Cir. 1978), 355. Herber v. Johns-Manville Corp., 785 F.2d 79 (3rd Cir. 1986), 527. In re High, 638 P.2d 818 (Colo. Ct. App. 1981), 355. Holliday v. Peden, 359 So.2d 640 (La.App. 1978), 571. Hopkins v. Dow Corning Corp., 33 F.3d 1116 (9th Cir. 1994), 245. Horton v. Harwick Chemical Co., 653 N.E.2d 1196 (Ohio 1995), 584, 681. Hospital Care Co. v. Comercial Casualty Ins. Co., 9 S.E.2d 796 (S.C. 1940), 550. Hurt v. Philadelphia Housing Auth., 806 F.Supp. 515 (E.D.Pa. 1992), 601. Hymowitz v. Eli Lilly Co., 539 N.E.2d 1069 (N.Y. Ct. App. 1989), 556–58, 570, 572, 573, 575, 577, 578, 618, 626, 630, 635, 649, 654, 662, 664, 671, 716, 717. Insurance Co. of North America v. Pasakarnis, 451 So.2d 447 (Fla. 1984), 726. Jackson v. Anchor Packing Co., 994 F.2d 1295 (8th Cir. 1993), 565. Jackson v. Johns-Manville Sales Corp., 727 F.2d 506 (5th Cir. 1984), 527. Jones by Jones v. Lederle Laboratories, 695 F.Supp. 700 (E.D.N.Y. 1988), 561. Keene Corp. v. United States, 508 U.S. 200 (1993), 1. Kehm v. Proctor & Gamble, 580 F.Supp. 890 (N.D. Iowa 1982), 246. King v. J.C. Penney Co., 120 S.E.2d 229 (S.C. 1961), 571. Koller v. Richardson-Merrell, Inc., No.80-1258 (D.D.C. filed Feb. 25, 1983), 477. Kreisman v. Thomas, 469 P.2d 107 (Ariz. 1970), 160. Larimer & Weld Irrigation Co. v. Walker, 176 P. 282 (Colo. 1918), 552. Lartigue v. R.J. Reynolds Tobacco Co., 317 F.2d 19 (5th Cir. 1963), 355. Laswell v. Brown, 683 F.2d 261 (8th Cir. 1982), 524. Lavelle v. Owens-Corning Fiberglas Corp., 507 N.E.2d 476 (Ohio 1987), 524. Lee v. Baxter Healthcare Co., 721 F.Supp. 89 (D.Md. 1989), 683.
250
Entscheidungsregister
Leuer v. Johnson, 450 N.W.2d 363 (Minn.Ct.App. 1990), 565. Linker v. Custom-Bilt Machinery, Inc., 594 F.Supp. 894 (E.D.Pa. 1984), 524. Lyons v. Premo Pharmaceutical Labs, Inc., 406 A.2d 185 (N.J.App.Div. 1979), 559. Mahoney v. United States, 220 F.Supp. 823 (E.D. Tenn. 1963), 355. Marshall v. Celotex Co., 651 F.Supp. 389 (393), 693. Martin v. Abbott Laboratories, 689 P.2d 368 (Wash. 1984), 554, 557–59, 569, 578, 593, 594, 597, 598, 602, 628, 631, 632, 635, 649, 663, 718—20. Mathis v. State Accident Ins. Fund, 499 P.2d 1331 (Or.App. 1972), 604, 605, 607. McClure v. Allied Stores of Texas, Inc., 608 S.W.2d 901 (Tex. 1980), on remand 622 S.W.2d 618 (1981), 131. McCormack v. Abbott Laboratories, 617 F.Supp. 1521 (D.C.Mass. 1985), 615, 663, 699, 707, 723, 726. McElhaney v. Eli Lilly Co., 564 F.Supp. 265 (S.D. 1983), 579, 618. McMahon v. Eli Lilly & Co., 774 F.2d 830 (7th Cir. 1985), 126. Mekdeci v. Merrell National Laboratories, 711 F.2d 1510 (11th Cir. 1983), 71. Mergenthaler v. Asbestos Corp. of. Am., 480 A.2d 647 (Del.Super. 1984), 524. Merry v. Westinghouse Electric Corp., 684 F.Supp. 847 (M.D. Pa. 1988), 527. Metro North Commuter Railroad Co. v. Buckley, 521 U.S. 424 (2nd Cir. 1997), 1. Mink v. University of Chicago, 460 F.Supp. 713 (N.D.Ill. 1978), 524. Minnich v. Ashland Oil Co., 473 N.E.2d 1199 (Ohio 1984), 565. Mizell v. Eli Lilly Co., 526 F.Supp. 589 (S.C. 1981), 693, 701. Moore v. Allied Chemical Corp., 480 F.Supp. 364 (E.D.Va. 1984), 524. Moorehead v. Mitsubishi Aircraft, Inter. Inc., 639 F.Supp. 385 (E.D. Tex. 1986), 131. In re Moorenovich, 634 F.Supp. 634 (D.Me. 1986), 524. Morris v. Parke, Davis & Co., 667 F.Supp. 1332 (C.D. Cal. 1987), 689. Morrissy v. Eli Lilly Co., 394 N.E.2d 1369 (Ill.Ct.App. 1979), 524. Morton v. Abbott Laboratories, 538 F.Supp. 593 (M.D. Fla. 1982), 554, 557, 559, 578, 597—600, 615. Mulcahy v. Eli Lilly Co., 386 N.W.2d 67 (Iowa 1986), 597–600, 693. Murphy v. E.R. Squibb & Sons, Inc., 710 P.2d 247 (Cal. 1985), 618, 630, 644. Murphy v. Taxicabs of Louisville, Inc., 330 S.W.2d 395 (Ky. 1959), 565. Namm v. Charles E. Frosst & Co., 427 A.2d 1121 (N.J.Super 1981), 570, 577, 578, 580, 582, 583, 597, 603, 618. Norwest v. Prebyterian Intercommunity Hospital, 652 P.2d 318 (Or. 1982), 565. Nutt v. A.C. & S. Co., 517 A.2d 690 (Del. Super.Ct. 1986), 693.
Entscheidungsregister
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O’Gilvie v. International Playtex, Inc., 821 F.2d 1438 (10th Cir. 1987), 246. Oliver v. Miles, 110 So. 666 (Miss. 1927), 565. Oritz v. Fibreboard Corp., 134 F.3d 668 (5th Cir. 1999), 1. Oxendine v. Merrell Dow Pharm., Inc., 506 A.2d 1100 (D.C. 1986), cert. denied, 493 U.S. 1074 (1990), 71. Palmer v. A.H. Robins Co., 684 P.2d 187 (Colo. 1984), 78. In re Paoli RR Yard PCB Litigation, 916 F.2d 829 (3rd Cir. 1990), 527, 529. In re Paoli RR Yard PCB Litigation, 35 F.3d 717 (3rd Cir. 1994), 527, 529. Parker v. Employers Mutual Liability Insurance Company of Wisconsin, 440 S.W.2d 43 (Tex. 1969), 160. Patnode v. Westenhaver, 90 N.W. 467 (Wis. 1902), 552. Payton v. Abbott Laboratories, 437 N.E.2d 171 (Mass. 1982), 524, 557, 559, 631, 693. People v. Collins, 439 P.2d 33 (Cal. 1968), 355. Plummer v. Abbott Laboratories, 568 F.Supp. 920 (R.I. 1981), 524. Poole v. Alpha Therapeutic Co., 696 F.Supp. 351 (N.D. Ill. 1988), 693. Potter v. Firestone Tire & Rubber Co., 863 P.2d 795 (Cal. 1993), 524, 527. Pritchard v. Ligett & Meyers Tobacco Co., 295 F.2d 292 (3rd Cir. 1961), 355. Radue v. Dill, 246 N.W.2d 507 (Wis. 1976), 550. Ray v. Cutter Laboratories, Div. of Miles, Inc., 754 F.Supp. 193 (M.D. Fla. 1991), 690. In re Related Asbestos Cases, 543 F.Supp. 1152 (1155 ff.) (N.D.Cal. 1982), 561. Rewis v. United States, 503 F.2d 1202 (5th Cir. 1974), 160. In re Richardson-Merrell, „Bendectin“ Prods. Liab. Litig., 533 F.Supp. 489 (J.P.M.D.L. 1982), 70. In re Richardson-Merrell, „Bendectin“ Prods. Liab. Litig., 624 F.Supp. 1212 (S.D. Ohio 1985), aff’d, 857 F.2d 290 (6th Cir. 1988), cert. denied, 488 U.S. 1006 (1989), 70. Ringeisen v. Insulation Servs., Inc., 539 S.W.2d 621 (Mo.Ct.App. 1976), 604, 605, 607, 609. Ryan v. Eli Lilly Co., 514 F.Supp. 1004 (S.C. 1981), 549, 550, 557—59, 563, 570, 571, 578, 594, 597, 603, 653, 693. Sanderson v. IFF, 950 F.Supp. 981 (C.D.Cal. 1996), 566, 578, 644, 683. Santosky v. Kramer, 455 U.S. 745 (1982), 160. Schweitzer v. Consolidated Rail Corp., 758 F.2d 936 (3rd Cir. 1985), 527. Senn v. Merrell-Dow Pharmaceuticals, Inc., 751 P.2d 215 (Or. 1988), 565, 572, 581, 584, 683, 689, 693, 696.
252
Entscheidungsregister
Shackil v. Lederle Laboratories, 561 A.2d 511 (N.J. 1989), 549, 552, 561, 578, 654, 673, 683, 693, 699. Sheffield v. Eli Lilly Co., 192 Cal.Rptr. 870 (Ct.App. Cal. 1983), 601, 689. Shope v. Boyer, 150 S.E.2d 771 (N.C. 1966), 550. Simmons v. Pacor, Inc., 674 A.2d 232 (Pa. 1996), 524. Simon v. Solomon, 431 N.E.2d 556 (Mass. 1982), 524. Sindell v. Abbott Laboratories, 607 P.2d 924 (Cal. 1980), 158, 552, 554, 555, 557– 59, 562, 570–73, 575, 577, 578, 586, 594, 597–600, 614, 615, 618–24, 633, 634, 644, 650, 663, 672, 699, 705, 749. Skipworth v. Lead Industries Association, Inc., 690 A.2d 169 (Pa. 1997), 550, 561, 566, 576, 578, 683. Slaybaugh v. Newman, 479 A.2d 517 (Pa.Super. 1984), 550. Smith v. Cutter Biological, Inc., 823 P.2d 717 (Haw. 1991), 618, 690. Smith v. Eli Lilly Co., 560 N.E.2d 324 (Ill. 1990), 559, 616, 669, 671, 693, 696, 699, 700, 705, 706, 714, 716, 717, 722, 725. Snoparsky v. Baer, 266 A.2d 707 (Pa. 1970), 566. Sorrells v. Eli Lilly & Co., 737 F.Supp. 678 (D.D.C. 1990), 126. Stapler v. Parler, 103 So. 573 (Ala. 1925), 552. Starling v. Seabard Coast Line R.R., 533 F.Supp. 183 (S.D. Ga. 1982), 243, 693. State v. Newberg, 278 P. 568 (Or. 1929), 549, 565. Sterling v. Velsicol Chemical Corp., 647 F. Supp. 303 (W.D. Tenn. 1986), aff’d in part, rev’d in part 855 F.2d 1188 (6th Cir. 1988), 456, 524. Summers v. Tice et al., 199 P.2d 1 (Cal. 1948), 566–71, 624, 748. Sutowski v. Eli Lilly Co., 696 N.E.2d 187 (Ohio 1998), 693, 700. Sweet v. Sisters of Providence, 895 P.2d 484 (Alaska 1995), 255. Sypert v. United States, 559 F.Supp. 546 (D.C. 1983), 524. Temple-Inland Forest Products Corp. v. Carter, 993 S.W.2d 88 (Tex. 1999), 524. Tetuan v. A.H. Robins Co., 738 P.2d 1210 (Kan. 1987), 78, 251. Theer v. Philip Carey Co., 628 A.2d 724 (N.J. 1993), 527. Thompson v. Johns-Manville Sales Corp., 714 F.2d 581 (5th Cir. 1983), 601, 693, 696. Thompson Coal Co. v. Pike Coal Co., 441 A.2d 466 (472) (Pa. 1979), 550. Tidler v. Eli Lilly Co., 851 F.2d 418 (D.C.Cir. 1988), 559. Tirey v. Firestone Tire & Rubber Co., 513 N.E.2d 825 (827), 693. Troop v. Dew, 234 S.W. 992 (Ark. 1921), 552. United States v. Carroll Towing Co., 159 F.2d 169 (2nd Cir. 1947), 172, 173.
Entscheidungsregister
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Villari v. Terminix International, Inc., 663 F.Supp. 727 (E.D. Pa 1987), 527. Weiner v. Ash, 782 P.2d 332 (Ariz.Ct.App. 1989), 524. West v. Johnson & Johnson Prods., Inc., 220 Cal. Rptr. 437 (Cal. Ct. App. 1985), 246. Wilson v. Circus Circus Hotels, Inc., 710 P.2d 77 (Nev. 1985), 134. Wilson v. Johns-Manville Sales Corp., 684 F.2d 111 (D.C.Cir. 1982), 160. Wisener v. State, 598 P.2d 511 (Ariz. 1979), 160. Wisniewski v. Johns-Manville Corp., 759 F.2d 271 (3rd Cir. 1985), 524. Woyke v. Tonka Corp., 420 N.W.2d 624 (Minn.Ct.App. 1988), 524. Ybarra v. Spangard, 154 P.2d 687 (Cal. 1944), 571. Yocom v. Gentry, 535 S.W.2d 850 (Ky. 1976), 611. York v. Lunkes, 545 N.E.2d 478 (Ct.App. Ill. 1989), 683. Zafft v. Eli Lilly Co., 676 S.W.2d 241 (Mo.banc 1984), 559, 570, 577, 578, 592, 594, 597–600, 630, 631, 657, 693, 695.
URLs I. Auswahl datenreicher Web-Sites zur Krebsforschung http://cancer.med.upenn.edu (= www.oncolink.upenn.edu): URL des University of Pennsylvania Cancer Centers. Enthält umfassende Informationen zu gängigen klinischen Behandlungsweisen verschiedener Krebsarten sowie Nachweise zur aktuellen Entwicklung der Krebsforschung in den USA. Neben den üblichen Methoden der Krebsfrüherkennung werden jeweils auch zahlreiche denkbare Entstehungsursachen hinsichtlich der jeweiligen Krebsart diskutiert. http://cis.nci.nih.gov: URL des National Cancer Institutes. Enthält aktuelle Berichte zur Krebsforschung; verarbeitet in diesem Rahmen zahlreiche Informationen zu Risikofaktoren diverser Krebsarten, Maßnahmemöglichkeiten eindämmender Vor- und Nachsorge sowie den dabei angewandten medizinischen Verfahren. www.wcn.org: URL der Women’s Cancer Network (intermedialer Zusammenschluß von Ärzten mit dem Ziel der Informationsvermittlung zur Vorsorge, Früherkennung und Bekämpfung diverser speziell bei Frauen vorkommender Krebsarten). Ständig aktualisierte Informationen zur gynäkologischen Erforschung vor allem des Brust- und Gebärmutterkrebses sowie sonstiger Krebsarten im weiblichen Beckenbereich; zahlreiche Erfahrungsberichte behandelter Krebspatientinnen. Über einen Internet-Fragebogen ist zudem die Ausarbeitung eines individuellen Planes zur Krebsvorsorge möglich. www3.cancer.org: URL der American Cancer Society. Umfassende Informationen hinsichtlich Entstehung und Vorsorge verschiedener Krebsarten; umfassende Angaben auch zur Statistik. www.mcw.edu: URL des Medical College of Wisconsin. Unter anderem Veröffentlichung kollegeinterner Daten zur eigenen Krebsforschung sowie Darstellung eigens dafür ausgearbeiteter Therapieprogramme zur Behandlung im Kollege einliegender Krebspatienten. www.graylab.ac.uk: URL des Gray Cancer Institutes in Middlesex (UK). Vorstellung institutseigener Forschungsergebnisse und Behandlungsstrategien zu diversen Krebsarten.
URLs
255
www.dkfz-heidelberg.de: URL des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg. Enthält unter anderem einen Krebsatlas zum Krebsmortalitätsrisiko innerhalb Deutschlands. Insoweit werden umfassende statistische Angaben zur regionalen resp. risikogruppenbezogenen Häufigkeit bestimmter Krebsarten gemacht. www.krebsinformation.de: URL des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg. Umfassende Darstellung von Entstehungsursachen verschiedener Krebsarten, gängigen Therapieformen sowie bislang praktizierten Maßnahmen zur Krebsprävention. www.medicine-worldwide.de: Umfassende Nachweise und Informationen zu über 80 Krebsarten und zugehörigen Risikofaktoren; diesbezüglich auch statistische Angaben. www.krebs-kompass.de: Interaktive Krebsberatung zu einzelnen Krebsarten mit diesbezüglich umfassenden Nachweisen; Darstellung neuerer Verfahren der Krebstherapie; zahlreiche Erfahrungsberichte von Patienten. www.netdoktor.de: Zu Entstehungsursachen, Symptomen, Diagnostizierbarkeit und Behandlung bestimmter Krebsarten. www.getwellness.ch/index.asp?389: Zu Entstehungsursachen, Behandlung und Prävention bestimmter Krebsarten. www.tumor-online.de: Veröffentlichung zahlreicher klinischer Studien und medizinischer Fachberichte zur Tumorentstehung und -behandlung. www.krebshilfe.de: URL der Deutschen Krebshilfe. Allgemeine Informationen, auch zur Finanzierbarkeit.
II. Verzeichnis der zitierten URLs http://cancer.med.upenn.edu/cancer_news/reuters/2000/aug/20000823epid003.html. http://cancer.med.upenn.edu/pdq_html/6/engl/600310.html. http://cancer.med.upenn.edu/disease/breast/faq/faq_hrt.html. http://cancer.med.upenn.edu/causeprevent/environment/faq-cellphones.html. http://cancer.med.upenn.edu/cancer_news/reuters/2001/feb/20010206epid005.html. http://cancer.med.upenn.edu/pdq_html/6/engl/600346. http://cancer.med.upenn.edu/causeprevent/emf_1.html. http://cancer.med.upenn.edu/ causeprevent/emf_1b.html. http://cancer.med.upenn.edu/disease/leukemia/emflds. html. http://cancer.med.upenn.edu//pdq_html/6/engl/600355.html. http://cancer.med.upenn.edu/cancer_news/1995/lung_radon.html. http://cancer.med.upenn.edu/.
256
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http://cancer.med.upenn.edu/specialty/gyn_onc/cervical/faq/faq_des.html. http://cancer.med.upenn.edu/cancer_news/1995/cig.html. http://cis.nci.nih.gov/fact/3_21.htm. http://cis.nci.nih.gov/fact/3_6.htm. http://cis.nci.nih.gov/fact/3_55.htm. http://cis.nci.nih.gov/fact/3_15.htm. http://cis.nci.nih.gov/fact/3_21.htm. http://cis.nci.gov/fact/3_4.htm. http://cancernet.nci.nih.gov/. http://eldorado.uni-dortmund.de:8080/FB2/Is8/forschung/1998/hutter. http://gesundheit.t-online.de/Gesu/aktu/Arti/a_tol_raucherpille. http://rummelplatz.uni-mannheim.de/ucgi/jura/garcia/urteile/kupol.html. http://w3.zdf.msnbc.de/news/58594.asp. www.acsh.org/PRESS/editorials/chemo020999.html. www.akw-nee.de/Hintergrund/NATOKosovo.html. www.allergie.de/pservice/haar_de.htm. www.aok.de/magazine/ratgeber/infothek/jungefamilie/m/682662984404041728.htm. www.barmer.de. www.berliner-morgenpost.de/archiv2001/010622/politik/story433690.html. www.bmu.de/presse/pressearchiv/news354.htm. www.brustkrebs.de. www.brustwiederherstellung.de/Kapitel_5_-_7/hauptteil_kapitel_5-_7.html. www.carreras-stiftung.de/nav/main.phtml?woher=d2 www.cco.net/~trufax/vaccine/v3.html. www.cco.net/~trufax/vaccine/v4.html. www.cnn.com/HEALTH/9606/03/cigarette/index.html. www.cpsc.gov. www.dak.de. www.dkfz-heidelberg.de. www.dot.gov. www.dr-walser.ch/tss.htm. www.elisabeth-schroedter.de/pm-01-01-17.html. www.epa.gov. www.epilepsie-online.de. www.erinbrockovich.com. www.eurosolve.com/charity/bava/vaccination.html. www.fda.gov. www.forum-schuldnerberatung.de.
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Stichwortverzeichnis Adenokarzinom 48, 126, 132, 206 Adenose 49 Admissibility 121 Agent Orange 29, 89, 146, 220 AIDS 38, 52, 77, 219, 222 Aldehyd (in Duftprodukten) 220 A limine Abweisung 195 Alkohol 28, 44 Allergie 37, 163 Alles oder Nichts-Prinzip 60, 64, 66, 76, 89, 98, 100, 102, 105, 111–112, 240 Alternative Liability 191, 204 – Bedeutung in der Praxis 191 – complete joinder-Erfordernis 195, 197, 210 – Entlastungsbeweis 191 – Fairnessgründe 193 – Gesamtschuld 192 – Informationsvorsprung 192–193, 195 – Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage 196 – prozessuale Mindestvoraussetzungen 195 – Zeitgleichheit der Schadenshandlungen 194 American Law Institute 186 Ames Test siehe In-vitro Studien (= Short-term Tests = Cell Assay Analysis = Screening Tests) 144 Anabolika 45 Anscheinsbeweis 83, 95, 98 – res ipsa loquitur 193 – res ipsa loquitur (Begriff) 85 – res ipsa (non) loquitur 85 Antitrust Law 185
Arbeitsrecht – Duration and Intensity of Exposure Rule 202 – Last Injurious Exposure Rule 201 Arzneimittelrecht 187, 201, 213–214, 233, 239 – Arzneimittelgesetz 93, 114, 172, 233 – Beweismittel 141 Asbest 35, 86, 126, 141, 182, 190, 200–202, 219–220, 223, 229 – Wellington-Abkommen 159 Asbestosis 126 Aspertame siehe Nutrasweet 45 Asthma 33, 163 Ätiologie 28, 44, 67–68, 85, 95, 112, 116, 124, 134, 144–146, 156–157, 168, 180, 184 Atomschutzrecht, AtG 80 Atomwaffentests 89 Attributives Risiko 125, 127, 129, 134, 140, 154, 159, 162, 164 – Formel 126 Ausgleichende Gerechtigkeit 65, 110, 115 Ausreißer siehe Herstellungsmangel 221 Autismus 38 Background risk siehe Natürliches Hintergrundrisiko 161 Balkan Syndrom 30 Battle of experts 118 Befundsicherung 89, 165, 229 – Verletzung der Befundsicherungspflicht 89 Bendectin 39, 87, 124, 137, 141, 144
302
Stichwortverzeichnis
– Morning sickness 39, 138 – Structure Activity Tests 145 Benzin 223 Benzol 220 Berksonscher Trugschluß 137 Bernoullisches Gesetz 165 Beteiligter i. S. d. § 830 I 2 BGB 194, 233, 235 – Ansicht von Otte 235 – Ansicht von Wiese 236 – innere Zweckverbindung 234 – Unternehmensbeteiligung 235 – zeitliche und räumliche Einheitlichkeit des Tatvorganges 234 – Zufallsbeteiligung 235 Bewegliches System der Haftungsvoraussetzungen 119, 172 Beweiserleichterung 78 – Anscheinsbeweis 83, 95, 98 – bei besserem Zugang zu Informationen 90 – bei Überschreiten immissionsschutzrechtlicher Grenzwerte 94 – Beweislastumkehr 86 – Beweisvereitelung 86 – Kritik 97 – Sliding Scale Burden of Proof 96 – Ursachenvermutung 79, 81–82 Beweislastumkehr 86, 195, 211 – bei besserem Zugang zu Informationen 90 – bei Beweisvereitelung 86 – bei Überschreiten immissionsschutzrechtlicher Grenzwerte 94 – Kritik 97 – Sliding Scale Burden of Proof 96 Beweismaß 79, 98, 106 – clear and convincing evidence 197 – more likely than not 63, 76–77, 185, 193–194, 211 – nach deutschem Zivilprozeßrecht 63 Beweisvereitelung 86 – spoilation of evidence 86
– Verletzung der Befundsicherungspflicht 89 Bias 123, 127, 132, 135–136 – Begriff 136 – Diagnostic Bias 138 – Information Bias 137 – interne Validität 150 – Neyman-Bias 138 – Selection Bias 137 Binnenregreß siehe Gesamtschuld 194 Binominalverteilung siehe Stochastik 128 Blasenkrebs 45, 118 Blei 44, 141, 194, 200, 220, 223 Blue bus-Beispiel 159 Blutgerinnungsmittel siehe Faktor VIIIBlutgerinnungsmittel 222 Brockovich, Erin 34, 58 Brustkrebs 28, 36, 42 – Entstehungsursachen 28 Bundeskartellamt 214 Bundeswehr – Pentachlorphenol (in Ausrüstungsgegenständen) 32 – Radarstrahlung 31 Bush, George W. 129 Calabresi, Guido 72, 75 Case Reports siehe Human Case Studies 146 Cell Assay Analysis siehe In-vitro Studien (= Short-term Tests = Cell Assay Analysis = Screening Tests) 144 Cellular phone siehe Handy 32 CERCLA (The Comprehensive Environmental Response, Compensation and Liability Act) 55 Cheapest Cost Avoider 75 Chemophobie 58 Cholesterin 38 Civil Conspiracy 186
Stichwortverzeichnis Clear cell adenocarcinoma siehe Adenokarzinom 49 Clinical Ecology 148 Cluster Analysis 132 Complete joinder-Erfordernis siehe Alternative Liability 195 Concert of Action 186, 188, 191, 204 – Abgrenzung zu bloßem Parallelverhalten 188 – Entlastungsbeweis 190–191 – Gesamtschuld 191 – Haftungsgrund 190 – tacit understanding 187, 197 Contergan (= Thalidomide) 87, 126, 137, 147 Contribution siehe Binnenregreß 194 Copper 7 (Spirale) 41 Corrective Justice siehe Ausgleichende Gerechtigkeit 65 Cross complaint 209 Cross-Sectional Studies siehe Querschnittsstudien 135 Dalkon Shield (Spirale) 41, 87, 141 Darmkrebs 36 DDT (Dichloro-Diphenyl-Trichloroethan) 35 Debendox siehe Bendectin 39 Deep pockets, tendenzielle Mehrhaftung 210, 237 Depression 29, 31, 38, 40 Dermatitis 39 DES (Diethylstilbestrol) 47, 87, 141, 184, 205, 223 – Alternative Liability 194 – Concert of Action 187 – Industry-wide Liability 199 – res ipsa loquitur 193 – Zulassungsverfahren 50, 189 DES-Enkel 49 Designfehler 221 DES-Töchter 48–49, 241 Diabetes 37
303
Diagnostic Bias siehe Bias 138 Diäthylenglykol 51 – österreichische Weine 51 Diminuition in the Quality of Life 176 Dioxin 29 Dodds, E. C. 48 Doping 45 Dose-response gradient siehe DosisWirkung-Beziehung 156 Dose-response relationship siehe DosisWirkung-Beziehung 156 Dosis-Wirkung-Beziehung 140, 142, 145, 156, 161 – reversible statistische Assoziation 156 DPT (Diphtheria-Pertussis-Tetanus) siehe Impfstoffe 36 Due diligence siehe Market Share Liability (Marktanteilshaftung) 225 Düngemittel 35 Duration and Intensity of Exposure Rule 202 Eclipse 46 Eingebettete Fall-Kontroll-Studien (nested case-control studies) siehe Epidemiologische Studien 132 Elektromagnetische Strahlung (Elektrosmog) siehe Strahlung 32 Emotional Distress 175 Emotionale Bedürfnisse der einzelnen Risikobetroffenen siehe Medical Monitoring 174 EMS (Eosinophilia-Myalgia Syndrom) 126 Enterprise Liability siehe Industry-wide Liability 196 Entschädigungsfonds siehe Fondsmodelle 222 EPA (Environmental Protection Agency) 55 Epidemiologie 92, 120 – Begriff 119
304
Stichwortverzeichnis
– beobachtende 122 – ethische Grenzen 122 – experimentelle 121, 141 – Hilfsmittel 120 Epidemiologische Studien 32, 36, 39, 42–43, 92, 119, 121 – Aussagekraft 129, 131, 140 – Datenquellen 124 – eingebettete Fall-Kontroll-Studien (nested case-control studies) 132 – Finanzierungslast 131, 180 – gepoolte Auswertungsverfahren 140 – In-vivo Studien 144 – Kohortenstudien mit zurückversetztem Ausgangspunkt 132, 180 – Meta-Analyse 140, 154, 164 – prospektive Kohortenstudien 123, 180 – Querschnittsstudien (Cross-Sectional Studies) 123, 135 – retrospektive Fall-Kontroll-Studien 123, 132 – Secular Trend Studies 123 – Typen 121 Epilepsie 40–41 Erbbiologische Mängel 163 Erklärung von Helsinki (1964) 122 Erkrankungsrisiko 124 Excess risk (= attributives Risiko) siehe Attributives Risiko 126 Externe Effekte (Externalitäten) 74, 107 Externe Validität siehe Validität 157 Extrapolation 146 – der Ergebnisse von In-vitro Studien auf den Menschen 144 – von Tierversuchsergebnissen auf den Menschen 142 Faktor VIII-Blutgerinnungsmittel 222 Fälle siehe Retrospektive Fall-KontrollStudien 132 Fall-Kontroll-Studien siehe Retrospektive Fall-Kontroll-Studien 123
FDA (The Food & Drug Administration) 39–40, 50, 55, 88, 94, 189 Fehler 1. Art siehe Statistische Signifikanz 128 Fehler 2. Art siehe Statistische Signifikanz 128 Fehlgeburten 33 First Plaintiff-Problem 91, 118 Flußverschmutzung 35 Fluoride 35, 122 Follow-Up-Studien siehe Prospektive Kohortenstudien 123 Fondsmodelle 222 Fruchtbarkeitspillen 41 Frühgeburten 49 Gase – Radon 43 – Vinylchlorid 44 Gatecrasher-Beispiel 160 Gaußsche Glockenkurve 128, 130 Gaußsche Normalverteilung 134, 161 Gebisse 45 Gedanke der Vorteilsabwehr 112–113, 231 Gefährdungshaftungen, Anwendbarkeit des § 830 I 2 BGB 232 Gehirntumor 32, 44–45 Generic risk 219 Genomforschung 116 Gentechnikrecht, Gentechnikgesetz 81 Genveränderungen 37 Gepoolte Auswertungsverfahren siehe Meta-Analyse 140 Gesamtschuld – Binnenregreß 99, 194, 215, 218, 230 – contribution 194 – indemnity 194 Gesetzliche Vermutung siehe Ursachenvermutung 81 Gesundheitsvorsorge (Medical Monitoring) siehe Medical Monitoring 174
Stichwortverzeichnis Gewebegeschwulst 29 Gewerblicher Rechtsschutz 166 Giftmüll 33, 221 Gleichbehandlung 109–110, 115 Glykol siehe Diäthylenglykol 51 Golf-Krieg (1991) 31 Golf-Krieg Syndrom 31 Gore, Al 129 Grauer Star 39 Haarausfall 39 Haftungsfonds siehe Fondsmodelle 222 Handy 32 Hautkrebs 84 Hautreizungen 29 Hauttuberkulose siehe Lupus 42 Healthy Worker Effect siehe Konfounder 138 Helsinki siehe Erklärung von Helsinski (1964) 122 Henle/Koch/Evans-Postulate 152 Herstellungsmangel 221 Hill, Austin Bradford 152 Hintergrundrisiko siehe Natürliches Hintergrundrisiko 104 Historical prospective study siehe Kohortenstudien mit zurückversetztem Ausgangspunkt 132 HIV-Infizierung siehe AIDS 219 Homo oeconomicus 70 Hormonbehandlungen 28 Hühnerpest-Entscheidung 92 Human Case Studies 146 Human Genome Project 92 Immissionsschutzrecht 94 – BImSchG 80 – Verwaltungsvorschriften (§ 48 BImSchG) 94 Immunosuppressionstheorie siehe Clinical Ecology 148 Immunsystem 31, 145, 148–149
305
Impfschäden 37, 222 – Ersatzfähigkeit und Abwicklung in den USA 38 – Ersatzfähigkeit und Abwicklung in Deutschland 38 Impfstoffe 36, 77, 158, 194, 219, 221–222 – DPT (Diphtheria-Pertussis-Tetanus) 36, 190, 200, 223 – Zulassungsverfahren 190 Indemnity siehe Binnenregreß 194 Indeterminate Defendant 51, 99, 184, 191, 196, 230–231, 238–239 – Begriff 51 Indeterminate Plaintiff 29, 62, 67, 99, 109, 112, 117, 224, 231, 239 – Begriff 29 Individual attribution uncertainty 158 Industry-wide Liability 196, 204 – Entlastungsbeweis 198 – gemeinsame Risikokontrolle 198 – hybrider Charakter 197 – industrieautonom gesetzte Sicherheitsstandards 198, 200 – joint control of risk 197 – Kritik 200 – Notwendigkeit einer gesetzlichen Grundlage 200 – prozessuale Mindestvoraussetzungen 197 Information Bias siehe Bias 137 Information Sharing 92 Innovation 223 Insektenvernichtungsmittel 31, 219 Insolvenzdruck siehe Ökonomische Analyse des Rechts 76 Insurant Monitoring 73 Interdisziplinäre Verknüpfung, Notwendigkeit einer 59 Intergenerational Torts 32, 47, 49 Internalisierung siehe Kosteninternalisierung 74 Internet siehe Information Sharing 92 Interne Validität siehe Validität 150
306
Stichwortverzeichnis
Intrauterine Empfängnisverhütungsmittel (IUDs) 41 In-vitro-Screening 142 In-vitro Studien (= Short-term Tests = Cell Assay Analysis = Screening Tests) 124, 146, 156 – siehe auch Toxikologische Beweismittel 144 In-vivo Studien siehe Epidemiologische Studien; Tierversuche 144 Inzidenzrate siehe Neuerkrankungsrate 125 Ionisierende Strahlung siehe Strahlung 28 IUDs siehe Intrauterine Empfängnisverhütungsmittel (IUDs) 41 Joint control of risk siehe Industrywide Liability 197 Junk science 148 Kampfstoffe 29, 31 Kapselfibrose 42 Karies 35 Kartellrecht (USA) siehe Antitrust Law 185 Kästner, Erich 78 Kautabak 46 Klimaschutzabkommen 57 Klimaveränderungen 57 Kohärenz 146, 155 Kohortenstudien siehe Prospektive Kohortenstudien 123 Kohortenstudien mit zurückversetztem Ausgangspunkt siehe Epidemiologische Studien 132 Konfidenzintervall 90, 113, 128, 134, 146, 161 – Berechnung 128 – gemeinsames 139 – Verengung durch Meta-Analyse 140 Konfounder 123, 127, 136, 161 – Begriff 136
– – – – – – – –
Healthy Worker Effect 138 interne Validität 150 Konvarianzanalyse 139 Logische Regression 139 Matching 139, 146, 159 Multivarianzanalyse 139 Sensitivitätsanalyse 139 Stratification (Standardisierung) 139, 146, 159 Konsistenz (Reproduzierbarkeit) 154 Kontrollen siehe Retrospektive FallKontroll-Studien 133 Konvarianzanalyse siehe Konfounder 139 Kosovo-Krieg 30 Kostenanlastungsfunktion des Deliktsrechts 74 Kosteninternalisierung 74, 167 Kosten/Nutzen-Analyse siehe Ökonomische Analyse des Rechts 69 Kostenstreuung 74 Krebs – Blasenkrebs 45, 118 – Brustkrebs 28, 36, 42 – Darmkrebs 36 – Gehirntumor 32, 44–45 – Hautkrebs 84 – Krebsforschung 116 – Leberkrebs 35, 45 – Leukämie 30–31, 33, 62, 107 – Lungenkrebs 36, 43–46, 182 – Lymphknotenkrebs 29, 35 – Magenkrebs 29, 45–46 – Nackenkrebs 29 – Nierenkrebs 45 – Prostatakrebs 45 – Speiseröhrenkrebs 46 Krebsfrüherkennung 176, 180 Krebsregister 124 Kupolofen-Entscheidung 94
Stichwortverzeichnis Landeskartellämter 214 Last Injurious Exposure Rule 201 – gesetzliche Anerkennung 201 – ökonomische und rechtsethische Bedenken 202 Latenzzeit 34, 45, 47, 49, 60, 73, 117, 123–124, 131, 136, 138, 158, 166– 168, 171–172, 174, 182, 236 Lauge 46 Learned Hand 68–69, 76 – Formel von 69, 71, 107, 166 Leberkrebs 35, 45 Legal Causation 47, 50, 61, 184, 205, 221, 231, 243 – Begriff 50 – herkömmlicher Rechtszustand in den USA 185 – neuere Rechtsentwicklungen in den USA 204 Lenotan siehe Bendectin 39 Leukämie 30–31, 33, 62, 107 Logische Regression siehe Konfounder 139 Longitudinalstudien siehe Prospektive Kohortenstudien 123 Loss Spreading 75 Love Canal 33, 177 L-Tryptophan (Essenszusatz) 126 Luftverschmutzung 200, 221 Lump sum-Entschädigung 178 Lungenkrebs 36, 43–45, 182 Lupus (= Hauttuberkulose) 42 Lymphknotenkrebs 29, 35 Magenkrebs 29, 45 Mann, Thomas 117 Market Share Alternate Liability 228 – Entlastunggsbeweis 228 – Kritik 228 Market Share Liability (Marktanteilshaftung) 61, 204–205, 230, 240 – Anwendbarkeit der §§ 830 I 2, 840 I BGB? 236, 238
307
– de lege ferenda 239, 242, 244 – due diligence-Erfordernis 225 – Entlastungsbeweis 207, 214–215, 217 – Grundgedanken 205 – Haftungsumfang 208 – kritische Würdigung 223 – Marktanteilsstatistiken 214 – Mißbrauch 225 – ökonomische Betrachtung 224 – rechtsethische Betrachtung 224 – Schätzung des Marktanteils 215 – substantial share-Erfordernis 207, 209–212 – Verankerung im deutschen Recht 231 – Zahlenbeispiel 205 Marktversagen 74 Mass Toxic Torts, Begriff 27 Matching siehe Konfounder 139 Maximum Likelihood Rule 102, 203 – Kritik 103 Medical Causation 28–29, 46, 60, 62, 68, 90, 94, 105, 111, 184, 243 – Informationsvorsprung 195 Medical Monitoring 174, 176, 180– 181 – Anspruchskürzung bei Mitverschulden 181 – Anspruchsvoraussetzungen 177 – emotionale Bedürfnisse der einzelnen Risikobetroffenen 174 – maximale Ersatzdauer 179 – Modus des Ersatzes 178 – mögliche Ersatzgrundlage im deutschen Recht 178 – ökonomische Betrachtung 179 – Rechtszustand im deutschen Recht 177 – versicherungsrechtliche Aspekte 178 – Vorsorgekosten 177 Medizinische Unaufklärbarkeit siehe Medical Causation 28
308
Stichwortverzeichnis
Mengele, Josef 122 Menstruation 28 MER/29 38, 87, 141 – Cholesterin 38 Merbental siehe Bendectin 39 Mesothelioma 126 Meta-Analyse siehe Epidemiologische Studien 140 Methylen Chlorid 45 Moral Hazard 73, 167 More likely than not 63, 76–77, 185, 193–194, 211 Morning sickness 39, 138 Mortalitätsrisiko 124 Mortalitätsstatistik 124 Most Likely Victim Approach 100, 110 – Kritik 101 Multiple Sklerose 37 Multivarianzanalyse siehe Konfounder 139 Nackenkrebs 29 Natürliches Hintergrundrisiko 104, 108, 161–163 – Schadensgeneigtheit 138, 162–163 Negligence 69 Nested case-control study siehe Epidemiologische Studien 132 Neuerkrankungsrate (Inzidenzrate) 125 – kumulative Inzidenzrate 125 Neurosen 44 Neyman-Bias siehe Bias 138 Niagara-Fälle 33 Nierenkrebs 45 Nitrat 35 Nonconcurrent prospective study siehe Kohortenstudien mit zurückversetztem Ausgangspunkt 132 Nutrasweet 45
Odds Ratio 133 – Formel 134 – gemeinsame 133, 139 Öffentliches Sicherheits- und Ordnungsrecht 57 Ökologie 104 Ökonomische Analyse des Rechts 68 – Ersatz der Kosten für Medical Monitoring 179 – Insolvenzdruck 76 – Insurant Monitoring 73 – Kostenanlastungsfunktion des Deliktsrechts 74 – Kosteninternalisierung 74, 167 – Kosten/Nutzen-Analyse 69 – Kostenstreuung 74 – Latenzzeit 166 – Loss Spreading 75 – Marktversagen 74 – Preisgestaltung 74 – Ressourcenschonung 72, 78 – Risikomanagement 73 – Schadensprävention 54, 71–74, 101, 103–104, 107, 119, 126, 166–168, 174, 176, 179, 210, 224 – Schadensvermeidekosten 69, 75 – Sozialnützliche Produkte 76 – Sozialschädliche Produkte 77 – Steuerungseffekt 71 – Übervorsorge 76 – Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Produktsicherheit 74, 108, 167, 207 – Versicherungsverträge 72 – Zwang zur vorbeugenden Ressourcenschonung 72 Opt out-Verfahren 146 OSHA (The Occupational Safety and Health Administration) 55, 93 Österreichische Weine siehe Diäthylenglykol 51 Östrogen, synthetisches siehe DES (Diethylstilbestrol) 47
Stichwortverzeichnis Parkinson 38 Pentachlorphenol 32 Pestizid-Verseuchung 79 Pflanzenschutzmittel 30, 45 Pharmacological Studies siehe Structure Activity Tests 145 Pollution Share Liability 221 Prävalenzrate 125 Prävention siehe Schadensprävention 71 Preisgestaltung siehe Ökonomische Analyse des Rechts 74 Preponderance of the available evidence 147 – Kritik 147 Preponderance of the evidence siehe More likely than not 63 Private nuisance 176 Produzentenhaftung 92 Progressive Effekte 34, 47, 56–57, 118, 182 – Adäquanzerwägungen 182 – Begriff 182 – Gesamtschuld 182 Proportional Liability (Proportionalhaftung) 60, 90, 101, 105, 119, 165, 174, 205, 230–231, 240 – beweismethodische Umsetzbarkeit 116 – beweismethodische Umsetzung 151 – de lege ferenda 114, 244 – Inhalt 105 – nach Marktanteilsgrundsätzen 244 – ökonomische Betrachtung 107, 119, 166 – rechtsethische Betrachtung 108, 119 – Verankerung im deutschen Recht 110 Pro-rata-Haftung 82 Prospektive Kohortenstudien siehe Epidemiologische Studien 123 Prostatakrebs 45 psychische Störungen 29 Psychosen 29, 40, 145
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Psychosomatische Krankheiten 33 Puder 46 Punitive damages 41, 66, 87 PVC-Isolierungsmaterial 51 Querschnittsstudien (Cross-Sectional Studies) siehe Epidemiologische Studien 123 Radioaktive Strahlung siehe Strahlung 30 Random sampling error siehe Zufälliger Fehler 127 Rauchlose Zigarette siehe Eclipse 46 RCRA (The Resource Conservation and Recovery Act) 55 Rechtliche Unaufklärbarkeit siehe Legal Causation 50 Rechtsethik 65 – ausgleichende Gerechtigkeit 65, 110, 115 – Schadenskompensation 66 Rechtssicherheit 110, 147, 213, 239, 242 Rechtszersplitterung 59 Red cab-Beispiel 160 Relatives Risiko 124, 127, 129, 133– 134, 140, 154, 164 – Formel 125 – gemeinsames 139 Reproduzierbarkeit siehe Konsistenz 154 Res ipsa loquitur siehe Anscheinsbeweis 85 Ressourcenschonung siehe Ökonomische Analyse des Rechts 78 Restatement (Second) of Torts – Alternative Liability 191, 194, 196 – Beweismaß 63 – Comparative Negligence (Mitverschulden) 181 – Concert of Action 186 – Diminuition in the Quality of Life 176
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Stichwortverzeichnis
– Emotional Distress 175 Retrospektive Fall-Kontroll-Studien siehe Epidemiologische Studien 123 Retrospektive Studien siehe Retrospektive Fall-Kontroll-Studien 132 Reversible statistische Assoziation siehe Dosis-Wirkung-Beziehung 156 Risikohaftung ex ante 167 Risikomanagement siehe Ökonomische Analyse des Rechts 73 Risk Contribution Liability 225, 229 – Kritik 226 Risk Share Liability 221 Röntgenstrahlung siehe Strahlung 30 Sachbezogenheit des Rechts 109 Salmonellen 44, 51, 219 Sandoz-Katastrophe 79 San Francisco Matrix 213–214 Saurer Regen 221 Schadensgeneigtheit siehe Natürliches Hintergrundrisiko 162 Schadensprävention 54, 71–74, 101, 103–104, 107, 119, 126, 166–168, 174, 176, 179, 210, 224 Schadensschätzung 110 Schadensvermeidekosten siehe Ökonomische Analyse des Rechts 75 Scharping, Rudolf 32 Scheinassoziation 151–152 Schizophrenie 38 Schnupftabak 46 Science panel 149 Screening Tests siehe In-vitro Studien (= Short-term Tests = Cell Assay Analysis = Screening Tests) 144 Secular Trend Studies siehe Epidemiologische Studien 123 Selection Bias siehe Bias 137 Sensitivität 150 Sensitivitätsanalyse siehe Konfounder 139 Settlement Trusts 36
Shampoos 39 Shaw, George Bernard 152 Short-term Tests siehe In-vitro Studien (= Short-term Tests = Cell Assay Analysis = Screening Tests) 144 Signature disease 36, 67, 126, 147, 151, 154, 177 – Begriff 126 – Beispiele 126 Silikonimplantate 28, 42, 58, 86, 141, 221 – Kapselfibrose 42 – Stillschäden 43 Sklerodermie 42 Sliding Scale Burden of Proof 96 – Kritik 97 Smog 44, 56–57 Sozialnützliche Produkte siehe Ökonomische Analyse des Rechts 76 Sozialschädliche Produkte siehe Ökonomische Analyse des Rechts 77 Speiseöl 51, 219 Speiseröhrenkrebs 46 Spezifizität 150 Spirale – Copper 7 41 – Dalkon Shield 41, 87, 141 Standardisierung siehe Stratification (Standardisierung) 139 Statistik 46, 82, 101 – Fehler 1. Art 128 – Fehler 2. Art 128 – Mortalitätsstatistik 124 – statistische Assoziation 119–121, 124, 133, 146, 154 – statistische Signifikanz 31–33, 39, 43, 45, 56, 104, 120, 129, 134, 140, 154–155, 178 Statistische Assoziation siehe Statistik 119 Statistische Signifikanz siehe Statistik 129 Steuerungseffekt siehe Ökonomische Analyse des Rechts 71
Stichwortverzeichnis Stichprobe 127, 140 Stillschäden siehe Silikonimplantate 43 Stochastik 59, 113 – stochastische Binominalverteilung 128 – stochastischer Multiplikationssatz 243 – Urnenmodell 162 Strafrechtlicher Schutz 55, 93 Strahlung 89 – Bundeswehr 31 – elektromagnetische Strahlung (Elektrosmog) 28, 32 – Handys 32 – ionisierende Strahlung 28 – Radar- 31 – radioaktive Strahlung 30 – Röntgen- 30, 117 Stratification (Standardisierung) siehe Konfounder 139 Structure Activity Tests (Pharmacological Studies) siehe Toxikologische Beweismittel 145 Substantial share siehe Market Share Liability (Marktantteilshaftung) 207 Summierte Immissionen 237 Synergistische Effekte 34, 47, 56–57, 117, 182 – Adäquanzerwägungen 182 – Begriff 182 – Gesamtschuld 182 Synthetisches Östrogen siehe DES (Diethylstilbestrol) 47 Tacit understanding siehe Concert of Action 187 Tampons 42, 87 Tertiäre Kosten siehe Transaktionskosten (= tertiäre Kosten) 72 Thalidomide siehe Contergan (= Thalidomide) 87 Tierschutz 141 Tierversuche, In-vivo Studien 144
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Tierversuche siehe Toxikologische Beweismittel 141 Time Series Data siehe Secular Trend Studies 123 TOSCA (The Toxic Substances Control Act) 55 Toxikologie 92 Toxikologische Beweismittel 92, 94, 141 – Ames Test 144 – Cell Assay Analysis 144 – ergänzende Funktion 146 – In-vitro Studien (= Short-term Tests = Cell Assay Analysis = Screening Tests) 144 – Studien über Tierversuche 141 Toxische Massenschäden siehe Mass Toxic Torts 27 Toxisches Schocksyndrom (TSS) 42, 87 Transaktionskosten (= tertiäre Kosten) 72, 107, 217–218 Trans-science-Problematik 142, 145 Treibhauseffekt 56 Trichloroäthylen 45 Übervorsorge siehe Ökonomische Analyse des Rechts 76 Umwelthaftungsrecht 72, 79, 201 – Europarats-Konvention (1993) 81 – Umwelthaftungsgesetz 79, 81, 98, 163 Umweltschäden, jährliche Schadenshöhe in Deutschland 80 Umweltverschmutzung 221 Uran 30–31 Urnenmodell siehe Stochastik 162 Ursachenvermutung 79, 81–82 Validität – externe 157–158, 169 – interne 150
312
Stichwortverzeichnis
Verantwortungsprinzip 66–67, 110, 113–114, 183, 210, 224, 230, 237– 238, 240–241, 244 Verbesserung der gesamtwirtschaftlichen Produktsicherheit siehe Ökonomische Analyse des Rechts 74 Verdachtshaftung 82, 98, 172 Vermutung siehe Ursachenvermutung 81 Versicherungsverträge siehe Ökonomische Analyse des Rechts 72 Verursachungsprinzip 66–67, 224, 238, 241 Vietnam-Krieg 29 Vocabulary Uncertainty 119 Völkerrechtlicher Schutz 57 Vorgeburtliche Schäden 31, 33 Vorsorgekosten siehe Medical Monitoring 177 Vorsorgeuntersuchungen siehe Krebsfrüherkennung 176 Vorteilsabwehr siehe Gedanke der Vorteilsabwehr 112 Wagner, Wendy E. 171, 227
Wahrscheinlichkeitsfunktion 127 Wahrscheinlichkeitsmarge 164 Wasserrecht, Wasserhaushaltsgesetz (WHG) 79–80 Wasserverschmutzung 200 Waste Share Liability 221 Weinstein, Jack B. 197, 199, 204 WHO 124 Wilburg, Walter 172 Windfall 67, 101, 104, 108–109, 216, 224 – umgekehrter 68, 112 – zweiter 170 Wisconsin Comparative Negligence Statute 226 Workers’ Compensation 201, 204 Zeugungsunfähigkeit 29 Zigaretten 44, 77, 182 – Tabak 86, 118, 141 Zigarettenfilter 46 Zufälliger Fehler (random sampling error) 127 Zyban (Nichtraucherpille) 40