Macht der Schrift: Politischer Biblizismus in Schottland und England zwischen Reformation und Bürgerkrieg (1534-1642) 9783486707595, 9783486701012

Nach der Reformation wurde in England und Schottland mit der Bibel und ihren Texten Politik gemacht. Andreas Pecar führt

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German Pages 497 [498] Year 2010

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Macht der Schrift: Politischer Biblizismus in Schottland und England zwischen Reformation und Bürgerkrieg (1534-1642)
 9783486707595, 9783486701012

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Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London

Publications of the German Historical Institute London

Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London Herausgegeben von Andreas Gestrich Band 69

Publications of the German Historical Institute London Edited by Andreas Gestrich Volume 69

R. Oldenbourg Verlag München 2011

Andreas Pečar

Macht der Schrift Politischer Biblizismus in Schottland und England zwischen Reformation und Bürgerkrieg (1534–1642)

R. Oldenbourg Verlag München 2011

Bibliografische Information der deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.

© 2011 Oldenbourg Wissenschaftsverlag GmbH, München Rosenheimer Straße 145, D-81671 München Internet: oldenbourg.de Das Werk einschließlich aller Abbildungen ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Dies gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Bearbeitung in elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Dieter Vollendorf, München Gedruckt auf säurefreiem, alterungsbeständigem Papier (chlorfrei gebleicht). Satz: Typodata GmbH, München Druck: Memminger MedienCentrum, Memmingen Bindung: Buchbinderei Klotz, Jettingen-Scheppach ISBN: 978-3-486-70101-2

INHALTSVERZEICHNIS Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

IX

Einleitung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

1. Thema und Fragestellung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

1

2. Forschungsstand . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

6

3. Biblizismus als political language . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

21

Bürgerkrieg und Biblizismus . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

29

1. Schottland auf den Spuren des Volkes Israel. . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Der National Covenant . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Interpretationshilfe I: Gillespies Traktat gegen die ceremonies. c) Die Theokratie als Normensystem . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Interpretationshilfe II: Alexander Henderson . . . . . . . . . . . . . . e) Die Widersacher des National Covenant . . . . . . . . . . . . . . . . . . f) Interpretationshilfe III: Samuel Rutherford: Lex, Rex . . . . . . .

29 29 33 41 45 49 56

2. England im Kampf gegen den Antichristen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Zeugen der Apokalypse: Burton, Bastwick und Prynne . . b) Die Fastenpredigten vor dem Parlament (1640–1642) . . . . . . . . c) Gegenprobe: Die Henry Parker Kontroverse – Der Anfang vom Ende der Monarchie? . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

62 63 73 105

3. Zwischenergebnis: Biblizismus und Bürgerkrieg . . . . . . . . . . . . . .

120

Zweierlei Reformation in England und Schottland . . . . . . . . .

125

1. England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die „politische Reformation“ unter Heinrich VIII. . . . . . . . . . b) Die Reformation unter Eduard VI . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Radikalisierung im Exil: Königsherrschaft und Widerstandsrecht. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Exil versus Establishment: die Konkurrenz zweier Weltbilder

126 126 139

2. Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Prolog: John Knox und seine Haltung zum Widerstandsrecht in Schottland . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die schottische Reformation: eine ständische Konfessionalisierung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kirk gegen König I: Das Second Book of Discipline . . . . . . . . . d) Kirk gegen König II: Anwendungsfälle . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

162

1.

II.

III.

3. Zwischenergebnis: Zweierlei Reformation – zweierlei Biblizismus?

144 157

162 169 175 178 186

VI IV.

V.

VI.

Inhalt

Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland . . . . . . . . . . . . . . . .

189

1. Die Übersetzung der Psalmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

191

2. Die exegetischen Frühschriften des Königs . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) A Paraphrase upon the Revelation. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Ane Fruitfull Meditatioun . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Ane Meditatioun upon the First Buke of the Chronicles of the Kingis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

196 197 206

3. Politische Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge . . . . . a) The True Lawe of Free Monarchies (1598) . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Basilikon Doron. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

213 213 231

4. Zwischenergebnis: König Jakob als Theologe und Prophet . . . . . .

238

Apologeten der Krongewalt – Das divine right of kings . . . .

241

1. Das divine right of kings in der Forschung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

241

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie. . . . . . . . . . . . . . . .

244

3. Die schottische Kirche auf der Anklagebank . . . . . . . . . . . . . . . . . .

270

4. Die Sakralisierung der Monarchie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . a) Die Kontroverse um den oath of allegiance . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Debatte in England . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Jakobs exegetische Schriften II. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

289 289 301 308

5. Zwischenergebnis: Biblizistische Versuche der Immunisierung der Königsherrschaft. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

318

Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft . . . . .

323

1. Schottland: Der Kampf gegen den ‚Altar von Damaskus‘ . . . . . . .

323

2. England: Die Verfestigung eines oppositionellen Narrativs. . . . . . . a) Jakobs politisches Friedensprogramm in der Diskussion . . . . . b) Krieg und Frieden . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . c) Kein Umgang mit Götzendienern . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . d) Die Stimme der Apokalypse. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

331 336 344 352 369

3. Jakobs Kampf gegen die Propheten (1620–1625) . . . . . . . . . . . . . . . a) Zensurmaßnahmen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . b) Die Causa Pareus. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

375 375 381

4. Frontenwechsel: Karl in den Fußstapfen der Propheten . . . . . . . . .

389

5. Abgaben zahlen als Glaubensakt: Die Forced-Loan-Kontroverse (1626–1627). . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

404

6. Schuldzuweisungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

412

210

Inhalt

VII

VII. Schlußbetrachtung. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

421

Quellen- und Literaturverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 1. Ungedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Gedruckte Quellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

435 435 435 448

Abbildungsverzeichnis. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

471

Abkürzungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

472

Abstract

...............................................

473

Register ............................................... 1. Personenregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2. Sachregister . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Zitierte Bibelstellen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .

475 475 481 484

VORWORT Die vorliegende Arbeit wurde im Februar 2009 von der Philosophischen Fakultät der Universität Rostock als Habilitationsschrift angenommen. Dies bedeutete den vorläufigen Abschluß einer über sechs Jahre währenden Beschäftigung mit dem Thema des politischen Biblizismus auf den britischen Inseln in der Tudor- und Stuartzeit. In dieser Zeit erfuhr ich mannigfaltige Unterstützung, Ermutigung und wertvolle Kritik von zahlreichen Personen, denen ich hier nur sehr unvollkommen Dank sagen kann. Zuallererst ist hier Professor Markus Völkel zu nennen, der mein Arbeitsvorhaben stets großzügig und wohlwollend gefördert hat und mir für die Vollendung der Arbeit jede nur erdenkliche Freiheit ließ. Eine große Hilfe war mir auch Professor Ronald G. Asch, der mein Projekt von Beginn an mit Interesse begleitete, mir den Weg zu einem Forschungsaufenthalt in England eröffnete und als Gutachter im Habilitationsverfahren zur Verfügung stand. Professor Peter Burschel war ebenfalls bereit, als Gutachter zur Arbeit Stellung zu nehmen und wertvolle Hinweise beizusteuern. Ihnen allen gebührt mein herzlicher Dank! Professor Andreas Gestrich danke ich für die Aufnahme dieser Untersuchung in die Reihe der Veröffentlichungen des Deutschen Historischen Instituts London und Markus Mößlang für die zügige, kompetente und engagierte Hilfe bei der Drucklegung. Zahlreiche Impulse für mein Vorhaben habe ich während dreier Kavalierstouren zu Pflanzstätten des wissenschaftlichen Geistes empfangen. Ein einmonatiger Aufenthalt an der Herzog-August-Bibliothek Wolfenbüttel markiert den Beginn der konzentrierten Beschäftigung mit dem Thema. Hier wird mir neben den idealen Forschungsbedingungen stets auch die Hilfsbereitschaft und die Geselligkeit der Bibliotheksmitarbeiter und Stipendiaten in Erinnerung bleiben. Stellvertretend für alle möchte ich mich hierfür bei Jillian Bepler bedanken. Ein Feodor-Lynen-Stipendium der Alexander von Humboldt Stiftung ermöglichte mir einen einjährigen Forschungsaufenthalt an Queen Mary, University of London. Auch dort wurde ich mit offenen Armen empfangen und mit jeglicher Infrastruktur ausgestattet, die für meine Untersuchung notwendig war. Der Vice Principal der Universität, Philipp Ogden, fühlte sich persönlich dafür verantwortlich, daß es mir an nichts fehlte und ich mich dort wohl fühlte. Angus Nicholls war mir ein ebenso interessanter wie hilfsbereiter Freund und Kollege im Schleusenwärterhäuschen am Regent’s Canal, wo wir gemeinsam residieren durften. Das Institute of Historical Research bot sich als zweite Heimat an, insbesondere die Seminare „Tudor and Stuart History“ sowie „British History in the Seventeenth Century“, in denen ich Teile meiner Arbeit zur Diskussion stellen durfte. Vor allem aber haben die zahllosen Gespräche in London und Oxford mit meinem Humboldtgastgeber, Professor Kevin Sharpe, meine Zeit in England zu einem

X

Vorwort

Erlebnis werden lassen. Er hat mir in zahlreichen wichtigen Fragen die Augen geöffnet. Für all das schulde ich den genannten Institutionen und Personen Dank und Anerkennung. Die Arbeit konnte in der Schlußphase zügig abgeschlossen werden, da ein einjähriger Aufenthalt am Kulturwissenschaftlichen Kolleg des Exzellenzclusters 16 (Kulturelle Grundlagen von Integration) an der Universität Konstanz mich von allen akademischen Pflichten befreite und mir die ungeteilte Konzentration auf mein Habilitationsvorhaben ermöglichte. Der noble Rahmen in der sogenannten „Bischofsvilla“ und meine Mitstreiter am Kolleg ebenso wie die interessierten Dozenten vor Ort trugen das ihre dazu bei, daß die Untersuchung in Konstanz abgeschlossen werden konnte. Hierfür möchte ich stellvertretend für alle Fred Girod als wissenschaftlichem Koordinator des Kollegs sowie Professor Rudolf Schlögl als spiritus rector des Ganzen meinen Dank aussprechen. Ulrich Gotter, Matthias Haake, Ann-Cathrin Harders und Johannes Gautsch leisteten als ebenso anregende wie kritische Gesprächspartner und als kritische Leser einen wertvollen Beitrag, um mich vor Vereinzelung in der Fremde zu bewahren und den Abschluß der Arbeit zu ermöglichen. Besonders danken möchte ich aber Kai Trampedach, der mich dazu eingeladen hatte, mich in Konstanz zu bewerben und der mein Forschungsprojekt als Althistoriker seit Jahren mit Interesse verfolgt, da auch er sich der Erforschung von Fragen aus dem Themenfeld der „Politischen Theologie“ verschrieben hat. Die Freuden der peregrinatio academica haben als Kehrseite Mühen und Belastungen für die Familie zur Folge, lassen den Vater und Ehemann selten körperlich und noch seltener geistig zu Hause sein. Den größten Dank schulde ich daher meiner Frau und meinen beiden Kindern, die sich dieser Mühen unterzogen, obschon es nicht ihre Arbeit war, die da geschrieben werden mußte. Ihnen sei die vorliegende Untersuchung gewidmet. Bielefeld/Rostock, zu Pfingsten 2010

I. EINLEITUNG Worte sind Taten. (Wittgenstein, Vermischte Bemerkungen, S. 515) Symbolische Macht ist die Macht, Dinge mit Wörtern zu schaffen. (Bourdieu, Rede und Antwort, S. 153) Darum geht es letztlich im politischen Kampf, einem untrennbar theoretisch und praktisch geführten Kampf um die Macht zum Erhalt oder zur Veränderung der herrschenden sozialen Welt durch Erhalt und Veränderung der herrschenden Kategorien zur Wahrnehmung dieser Welt. (Bourdieu, Sozialer Raum und Klassen, S. 18 f.)

1. Thema und Fragestellung Im Jahr 1659 entfaltete der protestantische Theologe Richard Baxter in seiner Schrift A Holy Commonwealth sein politisches Gesellschaftsideal.1 Baxter hielt nach dem Tod Oliver Cromwells offenbar den Zeitpunkt für gekommen, um politische Träume zu Papier zu bringen, damit sie anschließend Realität werden konnten. Sein Blick reichte weit zurück, um ein ideales Vorbild für die Organisation von Gemeinschaft aufzuspüren, bis zur Zeit vor dem Sündenfall: „When God immediately Ruled, and man obeyed, all went right“.2 Einen Staat, der diesem Prinzip verpflichtet sei, nannte Baxter Theokratie. Baxter forderte in seinem Traktat nicht weniger, als daß England die Gestalt einer Theokratie annehmen solle. Die hierfür notwendige Transformation müsse zu einem Staatswesen führen, in dem Gott als König herrsche und alle Einwohner Gottes Untertanen seien.3 Das politische Staatsziel sei vollständig deckungsgleich mit dem Willen Gottes. Auch zwischen den Anliegen der Kirche und denen des Staates gäbe es keinerlei Differenzen. Der weltliche Herrscher sei Gottes Amtsträger: „This is a Theocraty, when Princes govern from God, by God, and for God in all things“.4

1

2 3 4

Alle konkreten Zeitangaben richten sich nach dem seinerzeit im protestantischen England gültigen julianischen Kalender. Der bis Mitte des 18. Jahrhunderts geltende mos Angelicanus, das Jahr anläßlich des Festes zu Maria Verkündigung am 25. März beginnen zu lassen, wird hingegen an kontinentaleuropäische Gepflogenheiten angepaßt, der Jahresbeginn daher für den 1. Januar festgelegt. Richard Baxter, A Holy Commonwealth, or Political Aphorisms, Opening the True Principles of Government, London 1659, S. 208. Ebd., S. 210. Ebd., S. 216.

2

I. Einleitung

Die Königsherrschaft Gottes ließ sich Baxter zufolge insbesondere dadurch in die Praxis umsetzen, daß die lex dei zum Fundamentalgesetz des Landes erhoben werden müsse. Dieses Gesetz sei allen Menschen bereits qua Geburt eingepflanzt und finde sich in der Heiligen Schrift ausbuchstabiert. Dabei seien die in der Kirche und im Gemeinwesen gültigen Normen nicht voneinander zu trennen, Kirche und Staat in Baxters Vision verschmelzen zu einer ununterscheidbaren Einheit. Auch die Mitgliedschaft verdanke sich in der geistlichen wie in der weltlichen Gemeinschaft einem einzigen Eintrittsritual: der Taufe. Damit bekräftige jeder einzelne Gläubige den Bund Gottes mit den Menschen, wie er seit Abrahams Zeiten Bestand habe. Baxter trennt den Gnadenbund ausdrücklich nicht vom Bund des Gesetzes, sondern betont die Identität zwischen beiden. Der Bund wird daher als konditioniert verstanden: Der Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz sei Voraussetzung für das göttliche Heil. Ein Verstoß dagegen sei Hochverrat gegen Gottes Königsherrschaft und werde für das Wohl der Gemeinschaft nicht ohne Folgen bleiben. Richard Baxters Schrift A Holy Commonwealth verkörpert geradezu idealtypisch den Versuch einer biblizistischen Sinnstiftung auf dem Feld der Politik. Sein Herrschaftsideal ist der Extremfall einer Gemeinschaft, die sich ausschließlich den in der Heiligen Schrift offenbarten Normen Gottes unterwirft und davon abweichende Normen nicht gelten läßt. Baxter zählte dabei zu den ersten, die dieses politische Ziel mit dem Begriff der Theokratie benannten.5 Das Ziel einer ausschließlich den Normen Gottes unterworfenen Gemeinschaft war hingegen bereits den alttestamentlichen Schriften inhärent und wurde insbesondere in England und Schottland seit der Reformation von radikalen protestantischen Geistlichen regelmäßig wiederkehrend auf die politische Agenda gesetzt. Und auch wenn im öffentlichen Raum Plädoyers für eine Theokratie in Schottland und England auch im 16. und 17. Jahrhundert eher die Ausnahme darstellten, so waren biblisch hergeleitete Argumente im politischen Diskurs Allgemeingut. Der Bezug auf biblische Maximen und Exempla im politischen Meinungsstreit, die Autorisierung politischer Äußerungen und Positionen durch den Rückgriff auf biblische Textstellen sind das Thema dieser Arbeit. Der dafür kennzeichnende Begriff lautet Biblizismus. Dieser Begriff soll auf wertneutrale Weise verstanden werden, d. h. ohne pejorativen Unterton, mit dem die moderne Theologie in der Tradition der historischen Bibelkritik den Biblizismus bedenkt, da sie darunter den unkritischen Bezug auf die Bibel im 19. und 20. Jahrhundert subsummiert.6

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6

Weitere Beispiele für die Verwendung des Begriffs finden sich bei John Cotton, A Discourse about Civil Government in a New Plantation whose Design is Religion, London 1637; John Rogers, Diapoliteia – A Christian Concertation with Mr. Prin, Mr. Baxter, Mr. Harrington, for the True Cause of the Commonwealth, London 1659; vgl. hierzu allgemein Jürgen Gebhardt, ‚Alle Macht den Heiligen‘ – zur frühneuzeitlichen Idee der Theokratie, in: Jakob Taubes (Hrsg.), Theokratie (Religionstheorie und Politische Theologie, Bd. 3), München u. a. 1987, S. 206–232. Vgl. Heinrich Karpp, Art. Biblizismus, in: TRE 6 (1980), S. 478–484.

1. Thema und Fragestellung

3

Für die Zeitgenossen des frühen 17. Jahrhunderts war der Biblizismus hingegen keine problematische Haltung zum Weltgeschehen. Vielmehr war der Biblizismus eine weit über theologische Fachgrenzen hinaus geteilte Form der Weltdeutung. Er stellte einen von mehreren verfügbaren Codes dar, mit denen die Menschen sich selbst und ihre Umwelt als sinnhaft wahrnehmen und deuten konnten.7 Der Bibel ließen sich offenkundig Erzählungen und Muster entnehmen, die sowohl eine Beschreibung als auch eine Bewertung der sozialen und politischen Verhältnisse ermöglichten. Auch und gerade der politische Raum war von diesem Code nicht ausgenommen. Politik und Religion waren keine klar ausdifferenzierten Themenfelder, sondern waren in gegenseitiger Abhängigkeit ineinander verwoben.8 Herrschaft ohne religiöse Legitimation war in der Frühen Neuzeit undenkbar. Diese Abhängigkeit blieb nicht folgenlos. Eine auf religiösem Fundament fußende Herrschaft war stets mit der Erwartung konfrontiert, die Grundlagen der jeweils als wahr geltenden Religion zu verteidigen und zu bewahren. Auf welche Weise der Herrscher als Schützer der Religion aufzutreten hatte, in welchem Verhältnis die Königsherrschaft zur Herrschaft Gottes stand, was Untertanen ihrer weltlichen Obrigkeit schuldeten und was sie von ihr einfordern konnten, ließ sich – auch – den Texten der Bibel entnehmen. Politische Herrschaft, so das allgemein geteilte Credo, hatte mit den Aussagen der Bibel übereinzustimmen, politische Entscheidungen sollten sich an den Vorgaben und Maximen der Heiligen Schrift orientieren. Aufgrund dieser Normen stand Politik in Theorie und Praxis daher immer auch in einem Wechselverhältnis zur Bibel. Politik soll im Sinne von Willibald Steinmetz verstanden werden als eine Abfolge „kommunikative[r] Ereignisse“, an denen „eine Vielzahl von Akteuren redend, schreibend, zuhörend, symbolisch agierend und – gelegentlich auch – handgreiflich teilnimmt“.9 Unter dem Begriff der politischen Kommunikation und der Politik werden Sprechakte subsummiert, die „auf kollektive Handlungseinheiten Bezug [nehmen]“ und dabei „Regeln des Zusammenlebens, Machtverhältnisse oder Grenzen des jeweils Sag- und Machbaren“ thematisieren.10 Dabei wird man 7

8

9 10

Zur sinnhaften Wahrnehmung der Welt vgl. Charles Taylor, Sources of the Self. The Making of the Modern Identity, Cambridge 1989, S. 27; Andreas Reckwitz, Die Politik der Moderne aus kulturtheoretischer Perspektive. Vorpolitische Sinnhorizonte des Politischen, symbolische Antagonismen und das Regime der Gouvernementalität, in: Birgit Schwelling (Hrsg.), Politikwissenschaft als Kulturwissenschaft. Theorien – Methoden – Forschungsperspektiven, Wiesbaden 2004, S. 33–56. Vgl. hierzu die allgemeinen Betrachtungen bei Jacob Taubes, Theologie und politische Theorie, in: Ders., Vom Kult zur Kultur. Bausteine zu einer Kritik der historischen Vernunft, Gesammelte Aufsätze zur Religions- und Geistesgeschichte, hrsg. v. Aleida und Jan Assmann/ Wolf-Daniel Hartwich/Winfried Menninghaus, München 1996, S. 256–267. Willibald Steinmetz, Das Sagbare und das Machbare. Zum Wandel politischer Handlungsspielräume: England 1780–1867 (Sprache und Geschichte, Bd. 23), Stuttgart 1993, S. 26. Vgl. hierzu Willibald Steinmetz, Neue Wege einer historischen Semantik des Politischen, in: Ders. (Hrsg.), „Politik“. Situationen eines Wortgebrauchs im Europa der Neuzeit (Historische Politikforschung, Bd. 14), Frankfurt a. M./New York 2007, S. 9–40, hier S. 15 Anm. 20.

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I. Einleitung

hinzufügen müssen, daß politische Kommunikation und politisches Handeln im Regelfall „auf die Herstellung und Durchsetzung allgemein verbindlicher Regelungen und Entscheidungen in und zwischen Gruppen von Menschen abziel[en]“.11 Durch den Rückgriff auf anerkannte Autoritäten erhielten die dabei vorgebrachten Argumente und Gesellschaftsentwürfe Plausibilität und damit Chancen auf Anerkennung. Es ist daher von zentraler Bedeutung für das Verständnis von Gesellschaften, auf welche Argumente jeweils Bezug genommen wurde und aus welchen Traditionsreservoirs sich die politische Debatte jeweils speiste. Mit ihrem Fokus auf diese Aspekte der politischen Kommunikation läßt sich die Arbeit der politischen Kulturgeschichte zurechnen.12 So unumstritten der Autoritätsgehalt der Bibel in der Frühen Neuzeit prinzipiell war, so umkämpft waren die Aussagekraft und die Reichweite biblischer Normen als Richtschnur politischer Herrschaft im einzelnen sowie die konkrete Auslegung einzelner Bibelstellen im politischen Diskurs. In der Kontroverse über diese Fragen verschmolzen theologische und politische Argumente zu einem unauflösbaren Amalgam.13 Diese Auseinandersetzung gilt es im folgenden anhand der politischen Debatte im Vorfeld des Bürgerkrieges in Schottland und England nachzuzeichnen. Dabei stehen drei Problemfelder im Zentrum der Untersuchung. 1. Sprecherrollen: Es waren keineswegs nur Geistliche, die sich in der Sprache des Biblizismus zu Wort meldeten. Vielmehr wird zu zeigen sein, wie auch die Monarchen selbst sowie zahlreiche weitere politische Akteure sich im politischen Feld biblizistischer Rhetorik bedienten, wie sich biblizistische Argumente nicht nur in Predigten und theologischen Traktaten wiederfinden, sondern auch in Fürstenspiegeln, politischen Traktaten, in politischen Reden vor dem Parlament etc. Es wird dabei im einzelnen zu klären sein, welche politische Funktion diesen unterschiedlichen Sprechakten jeweils zugerechnet werden muß. Daß sich zahlrei-

11 12

13

Werner Patzelt, Einführung in die Politikwissenschaft. Grundriß des Faches und studiumbegleitende Orientierung, Passau 2001, S. 23. Vgl. zu diesem Forschungsfeld Thomas Mergel, Überlegungen zu einer Kulturgeschichte der Politik, in: Geschichte und Gesellschaft 28 (2002), S. 574–606; Ute Frevert, Neue Politikgeschichte. Konzepte und Herausforderungen, in: Dies./Heinz-Gerhard Haupt (Hrsg.), Neue Politikgeschichte. Perspektiven einer historischen Politikforschung, Frankfurt a. M./ New York 2005, S. 7–26; Achim Landwehr, Diskurs – Macht – Wissen. Perspektiven einer Kulturgeschichte des Politischen, in: Archiv für Kulturgeschichte 85 (2003), S. 71–117; Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Was heißt Kulturgeschichte des Politischen? (ZHF, Beih. 35), Berlin 2005; Luise Schorn-Schütte, Historische Politikforschung. Eine Einführung, München 2006. Kritische Einwürfe gegen die kulturalistische Neuausrichtung der Erforschung von Politik stammen von Andreas Rödder, Klios neue Kleider. Theoriedebatten um eine neue Kulturgeschichte der Politik in der Moderne, in: HZ 283 (2006), S. 657–688 und Thomas Nicklas, Macht – Politik – Diskurs. Möglichkeiten und Grenzen einer Politischen Kulturgeschichte, in: Archiv für Kulturgeschichte 86 (2004), S. 1–25. Luise Schorn-Schütte/Sven Tode (Hrsg.), Debatten über die Legitimation von Herrschaft. Politische Sprachen in der Frühen Neuzeit (Wissenskultur und gesellschaftlicher Wandel, Bd. 19), Berlin 2006, S. 9.

1. Thema und Fragestellung

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che unterschiedliche Akteure im politischen Feld in der Sprache des Biblizismus zu Wort meldeten, dokumentiert bereits deren politische Relevanz. Zwei Typen von Sprecherrollen gilt es dabei voneinander zu unterscheiden. Zum einen meldeten sich Personen zu Wort, deren Sprechakten kraft ihres Amtes und ihrer Befehlsgewalt eine hohe Bedeutung zukam. Hier wird jeweils zu diskutieren sein, weshalb sich diese Personen im Einzelfall der Sprache des Biblizismus bedienten und nicht auf andere Sprachen zurückgriffen. Zum anderen ermöglichte der Biblizismus aber auch Akteuren jenseits institutionalisierter Amtsautorität prominente Sprecherrollen, sofern es diesen gelang, in emphatischer Weise als Zeugen der Wahrheit Gottes und damit als Nachfahren der Propheten aufzutreten und diese imaginierte Sprecherrolle auf Zustimmung stieß.14 Im Zeitraum von der Reformation bis zum Bürgerkrieg gab es mitunter Momente, in denen selbsternannte Propheten Gottes im politischen Feld eine bedeutende Rolle spielten. Diese gilt es in besonderer Weise in den Blick zu nehmen. 2. Aussagen und Ordnungsmuster: Neben der Frage, wer sich im politischen Feld unter Rückgriff auf die Bibel zu Wort meldete, geht es um die Inhaltsebene des Gesagten. Dabei ist der Fokus der Untersuchung ausschließlich auf Aussagen gerichtet, in denen grundsätzliche Fragen politischer Herrschaft direkt zur Sprache kamen, politische Entscheidungen im einzelnen mit biblizistischen Argumenten verteidigt oder kritisiert oder aber Aussagen getroffen wurden, die die Legitimität und damit die Stabilität der Königsherrschaft tangierten. Das Feld der Theologie und der Kirchenpolitik wird daher nur dann Thema dieser Untersuchung sein, sofern die sich hierin entzündeten Debatten eine allgemein politische Dynamik gewannen und zumindest mittelbar auch die Herrschaftsstellung des Königs berührten. Daß die Abgrenzung im einzelnen nur schwierig vorzunehmen ist, da die Felder Politik und Religion sich nicht trennscharf voneinander unterscheiden lassen, liegt auf der Hand. Die Untersuchung der biblizistischen Rhetorik im politischen Feld fragt danach, was in der politischen Sprache des Biblizismus gesagt wurde und was in ihr nicht gesagt werden konnte: Die Mehrzahl der biblizistischen Sprechakte thematisieren das Verhältnis zwischen den Zuständen in Schottland und England und den in der Bibel – genauer im deuteronomistischen Geschichtswerk des Alten Testaments – offenbarten Normen Gottes. Ebenso spielte der Biblizismus eine bedeutende Rolle, wenn die politische Verfaßtheit des Landes zur Debatte stand, d. h. nach den Ursprüngen von Herrschaft und Monarchie, nach den Rechten und den Pflichten sowohl des Königs als auch der Untertanen gefragt wurde. Dabei wird auf den jeweils unterschiedlichen epistemologischen Stellenwert des biblizistischen Arguments zu achten sein. Die Spannbreite des biblizistischen Arguments reicht von seiner didaktischen Verwendung als historisches Beispiel über die Übernahme einzelner biblisch fundierter Deutungsmuster und Erzählungen bis zum Alten Testament als zeitlos gültigem Gesetzbuch. 14

Vgl. hierzu erste Überlegungen bei David Colclough, Freedom of Speech in Early Stuart England, Cambridge 2005, S. 77–93 über „Biblical Parrhesia and Reformation Frankness“.

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I. Einleitung

3. Folgen: Je größer die Verbindlichkeit war, die dem biblischen Argument jeweils zugeschrieben wurde, desto größer war auch dessen politische Tragweite. Sofern im politischen Raum die Politik des Monarchen als Widerspruch zu der in der Bibel offenbarten lex dei wahrgenommen wurde, mußte dies über einen längeren Zeitraum zur Erosion der Autorität und der Legitimität des Königs führen. Es wird zu zeigen sein, welch große Argumentationsanstrengungen von den Anwälten des Königs jeweils unternommen wurden, um diese Situation unter allen Umständen zu vermeiden. Gleichwohl war dieses Argument seit den frühen 1620er Jahren der ständige Begleiter der Politik Jakobs I. und Karls I. Dieses Argument trug denn auch das seine dazu bei, die Stuartmonarchie in Schottland und England zum Einsturz zu bringen. In der Geschichte Englands und Schottlands eignet sich wohl kein Ereignis besser als der Bürgerkrieg von 1637–1649, um die Frage nach der politischen Bedeutsamkeit des Biblizismus zu diskutieren. Daher steht die Frage, ob und falls ja auf welche Weise die biblizistische Rhetorik in den Jahren unmittelbar vor Ausbruch des Bürgerkrieges zur Entstehung und Verschärfung der für die Stuartmonarchie bedrohlichen Herrschaftskrise beitrug, am Anfang der Untersuchung. Hierfür ist zum einen zu klären, welche biblisch generierten Argumente und politischen Ordnungsmuster während der Eskalation der Jahre nach 1637 die politische Debatte bestimmten. Zum anderen geht es um die Bedeutungsgewichtung der biblizistischen Argumente im Vergleich zu Argumenten, die sich aus anderen Traditionsquellen speisten. In einem zweiten Schritt geht es darum, die historische Tiefenschärfe zu erhöhen und die biblizistische Rhetorik im politischen Feld kursorisch seit der Reformation, auf intensivere Weise dann seit Beginn der Herrschaft König Jakobs VI./I. in den Blick zu nehmen. Es läßt sich zeigen, daß es sich bei den zum Ausbruch des Bürgerkrieges biblizistisch generierten politischen Erwartungen an den König und das Parlament größtenteils um keine Neuinterpretationen handelte. Vielmehr waren die meisten Deutungsmuster bereits etabliert und für den politischen Schlagabtausch verfügbar. Daraus gilt es Rückschlüsse zu ziehen für die Frage nach dem spezifischen herrschaftsstabilisierenden wie herrschaftskritischen Potential, das dem Biblizismus in bestimmten Kontexten jeweils innewohnen konnte.

2. Forschungsstand Die Wiedererrichtung der englischen Monarchie mit Karl II. als König war für Edmund Ludlow – Mitglied des Langen Parlaments, hoher Armeeoffizier der Parlamentsarmee und entschiedener Befürworter der Hinrichtung Karls I. – der Anlaß, sich an den Genfer See ins Exil zu begeben.15 Dort richtete er in der Schrift A Voyce from the Watch Tower den Blick zurück auf die Ereignisse des Bürger15

Zur Person vgl. C.H. Firth, Art. Edmund Ludlow [Ludlowe] (1616/17–1692), bearb. v. Blair Worden, in: ODNB 34 (2004), S. 713–718.

2. Forschungsstand

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krieges und rechtfertigte das Vorgehen des Parlaments gegen König Karl I. mit folgenden Worten: though Charles Steward was not the Anti-Christ spoken of by the Apostle, yet was he one of the kinges that gave his power to the Beast. Yea, albeit in appearance the nation had cast off the yoake, yet did he assume to himselfe the headship of the church, and in effect (as farr as he could) obstruct the propagation of the gospel, no other doctrine being willingly permitted to be tought within his dominions but such as suited with and supported his corrupt interest of tyranny and domination; which being witnessed against by the spirit of the Lord, from the beginning of Genesis to the end of the Revelations.16

Karl I., so Ludlows Begründung, mußte sterben, da er das Seelenheil des englischen Volkes aufs Spiel setzte. Er habe mit der Hure Babylon Unzucht getrieben, die Verbreitung des reinen Evangeliums verhindert und die Kirche korrumpiert. Die Rückkehr zum wahren Glauben machte die Hinrichtung des Königs erforderlich. Daß die Abgeordneten dabei nur Gottes Willen vollstreckt haben, zeige sich Ludlow zufolge auch am Erfolg ihrer Taten und an ihren gewonnenen Schlachten, die allesamt mit göttlicher Vorsehung geführt worden waren.17 Ludlows Rückblick auf die Stuartmonarchie und die Ereignisse des Bürgerkrieges betrachtet das gesamte Geschehen in einer biblischen, heilsgeschichtlichen Perspektive. Der Antichrist ist allgegenwärtig und insbesondere im royalistischen Lager präsent. Als Ludlows Schrift unter dem Titel Memoirs posthum in den Jahren 1698/99 veröffentlicht wurde, war sie von all den biblischen Anspielungen und von seiner eschatologischen Perspektive weitgehend gereinigt.18 Aus dem Nonkonformisten Ludlow, der stets in der Erwartung des Jüngsten Gerichts lebte, wurde ein republikanisch gesinnter, an römischen Werten orientierter Politiker und Autor und damit ein Vorläufer der Whig-radicals, in deren Kreisen sich Ludlows Memoiren im 18. Jahrhundert großer Beliebtheit erfreuten.19 Dieses Beispiel steht hier am Beginn, da es exemplarisch verdeutlicht, wie nach dem Ende des Bürgerkrieges zunächst das Interesse an einer biblizistischen Argumentationsweise und anschließend auch das Bewußtsein von deren großer Bedeutung im politischen Diskurs vor und während des Bürgerkrieges zunehmend verlorenging. Um Ludlows Text gegen Ende des 17. Jahrhunderts bedeutsam erscheinen zu lassen, erwies es sich offenbar bereits als notwendig, ihn in die 16 17

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Edmund Ludlow, A Voyce from the Watch Tower. Part Five: 1660–1662, hrsg. v. Blair Worden, London 1978, S. 144. Ludlow, A Voyce, S. 144 f. Vgl. zu dieser Sichtweise auch Blair Worden, Providence and Politics in Cromwellian England, in: PP 109 (1985), S. 55–99; J. C. Davies, Living with the Living God. Radical Religion and the English Revolution, in: Christopher Durston/Judith Maltby (Hrsg.), Religion in Revolutionary England, Manchester/New York 2006, S. 19–41. Edmund Ludlow, Memoirs of Edmund Ludlow Esq; Lieutenant General of the Horse, Commander in Chief of the Forces in Ireland, One of the Council of State, and a Member of the Parliament which Began on November 3, 1640, 2 Bde., [Vevay] 1698. Vgl. die Einleitung von Blair Worden in Ludlow, A Voyce, S. 5–13; zur Frage der Rolle John Tolands als potentieller Herausgeber der Memoiren Ende des 17. Jahrhunderts vgl. ebd., S. 17–39.

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I. Einleitung

Sprache des Republikanismus zu kleiden und von biblizistischen Deutungsmustern zu befreien. Solange die Ereignisse des Bürgerkrieges und der Stuartmonarchie fester Bestandteil des nationalen Selbstbildes Englands als der Mutter aller Freien waren, galt auch hier das Interesse den vermeintlich modernen Zügen der aufständischen Parlamentarier, nicht aber deren Millenianismus oder deren Vorliebe für alttestamentliche Vorbilder. In der Tradition der Whig interpretation of history hatte der Bürgerkrieg einen prominenten Ort: als Sieg eines unbeugsamen, das Recht und die Freiheit des englischen Volkes verteidigenden Parlaments gegen eine nach Willkür strebende Stuartmonarchie.20 Die Glorious Revolution des Jahres 1688 bestätigte in dieser Sichtweise das Ergebnis der ersten „Revolution“ ein weiteres Mal und ließ England endgültig zum allseits bewunderten Vorbild aller freiheitsliebenden Menschen und Völker werden. Für die biblizistische Rhetorik der Zeitgenossen war in dem Gemälde vom Freiheitskampf des im Parlament versammelten Volkes allerdings kein Platz. Sie hätte auf die Vorstellung von modernen Vorkämpfern der parlamentarischen Freiheitsrechte einen Schatten werfen können. Zwar billigte auch die Whig interpretation of history der Religion einen hohen Stellenwert zu. Daß das Parlament mit der Freiheit der Engländer auch den Protestantismus in England bewahrt hatte, war Teil der Großen Erzählung: Freiheit und Protestantismus waren zwei Seiten derselben Medaille. Gardiner hatte dafür den Begriff von der „puritan revolution“ ins Leben gerufen.21 Gleichwohl verstand er unter den Puritans weder religiöse Fanatiker noch sozial umstürzlerische Revolutionäre, sondern gleichsam Prototypen des vollkommenen „Englishman“, am besten verkörpert durch Oliver Cromwell selbst.22 Die puritan revolution war in dieser Lesart ein Kampf für politische wie religiöse Freiheitsrechte.23 Ferner 20

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Der Begriff stammt von Herbert Butterfield, The Whig Interpretation of History, London 1931. Hier findet sich auch eine erste Kritik an diesem teleologischen Geschichtsverständnis; vgl. hierzu Geoffrey Elton, Herbert Butterfield and the Study of History, in: HJ 27 (1984), S. 729–743. Vgl. nur Samuel Rawson Gardiner, The First Two Stuarts and the Puritan Revolution, London 1876. Vgl. Samuel Rawson Gardiner, Oliver Cromwell, London 1901; hierzu auch Roger Howell Jr., Images of Oliver Cromwell, in: Roger C. Richardson (Hrsg.), Images of Oliver Cromwell. Essays for and by Roger Howell Jr., Manchester/New York 1993, S. 20–32, hier S. 28 f. Diese Deutung ist bereits von John Milton vorgegeben worden; John Milton, Pro Populo Anglicano Defensio Secunda, in: The Works of John Milton, hrsg. v. Frank Allen Patterson, 20 Bde., New York 1931–40, hier Bd. 8 (1933), S. 215 u. S. 222. Eine Synthese politischer und religiöser Motive sieht auch John Pocock: „To the men of 1628 the reaffirmation of Magna Carta and the struggle against Antichrist at home and abroad were to be much the same“; John G. A. Pocock, The Machiavellian Moment. Florentine Political Thought and the Atlantic Republican Tradition, 2. Aufl. Princeton 2003, S. 345. Die durchaus überraschende Deutung, der englische Bürgerkrieg sei zur Durchsetzung von Religionstoleranz geführt worden, findet sich bereits bei Apologeten der Protektoratsherrschaft Oliver Cromwells wieder; vgl. Samuel Richardson, An Apology for the Present Government, London 1654, S. 4: „for now wee enjoy freedome from persecution in matters of Religion, which ist he greatest outward blessing wee can enjoy; this alone is worth all the blood and treasure that hath been spent.“ Vgl. auch das Großunternehmen von Wilbur Kitchener

2. Forschungsstand

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sah auch er die Religion gegenüber dem verfassungsrechtlichen Ziel der Einschränkung monarchischer Herrschaftsrechte in nachgeordneter Funktion. Die Religion galt ihm als Mittel der Legitimation und der Mobilisierung, nicht aber als Ursache des Konflikts.24 Interessanterweise hatten es marxistisch beeinflußte Historiker nicht schwer, an diese Erzählung mit ihrer eigenen, nun sozialgeschichtlich unterfütterten Deutung anzuschließen.25 Wenn sie im 17. Jahrhundert den Durchbruch der neuen Klasse des Bürgertums zur Herrschaft unterstellten,26 so widersprachen sie dem Bild der Whig-Interpretation jedenfalls nicht grundsätzlich; sie fügten dem Gemälde nur ein paar neue Farben hinzu. Eine besondere Spielart ist dabei Christopher Hill zu verdanken. Da er den sogenannten „Puritanismus“ als Ideologie der zur Herrschaft strebenden neuen Klasse des Bürgertums identifizierte,27 zeigte er sich zugleich mehr als andere Historiker vor ihm interessiert an dessen Erscheinungsbild. Diesem Umstand ist es zu verdanken, daß gleich mehrere Bücher aus seiner Feder sich der biblizistisch geprägten politischen Argumentation der Zeitgenossen widmen.28 Es ist gleichwohl bezeichnend, daß die biblizistischen Argumente der „Puritaner“ weit größere Aufmerksamkeit finden als die ihrer Gegenspieler, seien es konformistische Theologen oder aber Anwälte des divine right of kings.29 Außerdem löst Hill die biblisch vorgebrachten Argumente weitgehend

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Jordan, The Development of Religious Toleration, 4 Bde., London 1932–40, in welchem der Autor die Ursprünge religiöser Toleranz bis weit ins 16. Jh. zurückverlegt. Eine Neubetrachtung dieses Phänomens stammt von Alexandra Walsham, Charitable Hatred. Tolerance and Intolerance in England 1500–1700, Manchester 2006. Samuel Rawson Gardiner, The Constitutional Documents of the Puritan Revolution 1625–1660, 3. Aufl. Oxford 1906, XI: „No such conflict could be successfully waged without reliance on spiritual forces“, und XXIII: „Taken by itself, the dissatisfaction of thoughtful and religious men would not have produced a Revolution“; Ders., History of the Great Civil War 1642–1649, 4 Bde., London 1987, Bd. 1, S. 9. Vgl. nur exemplarisch Christopher Hills Einführung in eine Neuauflage von Gardiners History of the Great Civil War, in der er Gardiners Interpretation an zahlreichen Punkten den Vorzug gibt vor Deutungen der Revisionisten; S. XXV–XXXI. Richard H. Tawney, The Rise of the Gentry 1558–1640, in: EcHRev 11 (1941), S. 1–38; Christopher Hill, The English Revolution, London 1959. Gegen die Annahme einer Entstehung einer neuen „Klasse“ der Gentry vor allem Laurence Stone, An Open Elite? England 1540–1880, Oxford 1995. Christopher Hill, Puritanism and Revolution. Studies in Interpretation of the English Revolution of the 17th Century, London 1958, S. 3–31; Ders., A Bourgeois Revolution?, in: People and Ideas in 17th Century England (The Collected Essays of Christopher Hill, Bd. 3), Brighton 1986, S. 94–125. Christopher Hill, The Bible and the Seventeenth-Century Revolution, London 1993; Ders., Intellectual Origins of the English Revolution, 2. verb. Aufl. Oxford 1997; Ders., The World Turned Upside Down. Radical Ideas during the English Revolution, London 1972; Ders., Anti-Christ in Seventeenth-Century England, 2. Aufl. London/New York 1990. So auch der Kommentar von Peter Lake, Puritanism, Arminianism and Nicholas Tyacke, in: Kenneth Fincham/Peter Lake (Hrsg.), Religious Politics in Post-Reformation England. Essays in Honour of Nicholas Tyacke, Woodbridge 2006, S. 1–15, hier S. 2: „Hill’s was a narrative in which all sorts of progressive forces […] were associated, in one way or another, with puritanism“.

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I. Einleitung

aus ihrem konkreten Verwendungszusammenhang, um sie in einem zweiten Schritt wieder zu einem stimmigen Gesamtbild, eben einer schichtengebundenen kohärenten Ideologie und Weltanschauung, zusammenzufügen.30 Der rhetorische Gehalt der jeweils bemühten Argumente geht bei dieser Vorgehensweise allerdings verloren. Der Politologe Michael Walzer rückt in seiner 1965 erschienenen Arbeit über die „revolution of the saints“ die „Puritaner“ ebenfalls ins Zentrum.31 Die englische Revolution könne Walzer zufolge nur durch die Ideologie der puritanischen Geistlichen sowie durch die Wirkmacht ihrer Predigten erklärt werden.32 Die Puritans verkörperten – den Bolschewiki vergleichbar – eine intellektuelle Avantgarde33 und ständen für die vollständige Erneuerung und Umgestaltung der Gesellschaft, wie es geradezu idealtypisch in Oliver Cromwell und seiner New Model Army erkennbar wird.34 Obwohl Walzer die marxistische Annahme, daß die „Ideologie“ des Puritanismus sich vollständig auf Veränderungen der traditionellen Sozialstruktur zurückführen lasse, ausdrücklich nicht teilt,35 verficht auch er einen nicht minder modernisierungstheoretischen Ansatz, weist er den „Puritanern“ eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung Englands und der Individualisierung in der Gesellschaft zu.36 Daß Walzer mit seiner Studie letztlich die moderne Welt im Blick hatte, mag auch der Grund dafür sein, daß er zwar die Bedeutung der Predigten abstrakt anerkennt, sich jedoch auf eine detaillierte Interpretation und Kontextualisierung einzelner Predigten nicht wirklich einläßt.37 Seine Deutung fußt außerdem in weiten Teilen auf älteren, heute weitgehend überholten Positionen. So findet sich darin noch der zum Stereotyp gewordene Gegensatz zwischen konservativen Lutheranern einerseits und revolutionären Calvinisten andererseits.38 Walzer versteht Calvinismus zugleich als Ausdruck ei30 31 32

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So auch das Vorgehen bei Stephen Baskerville, Not Peace but Sword. The Political Theology of the English Revolution, London/New York 1993. Michael Walzer, The Revolution of the Saints. A Study in the Origins of Radical Politics, Cambridge (Mass.) 1965. Walzer, Revolution, S. 114–147; vgl. ferner ders, Puritanism as a Revolutionary Ideology, in: History and Theory 3/1 (1963), S. 59–90. Interessanterweise kommt bereits Thomas Hobbes in seiner Schrift Behemoth zu einem ähnlichen Urteil; s. u. Kap. VII. Walzer, Revolution, S. 121: „The Puritan ministers provide, perhaps, the first example of „advanced intellectuals in a traditional society“, ferner Verweise auf Karl Marx und Karl Mannheim und deren Einschätzung zur Rolle der Intelligenz in Revolutionen (S. 126 Anm. 31). Zur Deutung der Puritaner im englischen Bürgerkrieg zieht Walzer an einer Stelle explizit Parallelen zum Leninschen Konzept der intellektuellen Avantgarde (S. 310 Anm. 14 und S. 313–316). Ebd., S. 13 und S. 265 f. Ebd., S. 309. Ebd., S. 312 f. So auch die Kritik von John F. Wilson, Pulpit in Parliament. Puritanism during the English Civil Wars 1640–1648, Princeton 1969, S. 6 und S. 234 Anm. 114. Walzer, Revolution S. 23–27. Dieses Stereotyp hält sich hartnäckig in historischen Untersuchungen, darf indes gleichwohl als überholt gelten; vgl. nur Richard Roy Benert, Lutheran Resistance Theory and the Imperial Constitution, in: Il Pensiero Politico 6 (1973), S. 17–36;

2. Forschungsstand

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ner republikanischen Gesinnung im Sinne Hans Barons, auf den er sich ausdrücklich beruft,39 und übersieht dabei, daß König Jakob I. selbst sowie zahlreiche seiner Mitstreiter innerhalb des Klerus ebenfalls überzeugte Calvinisten waren. Ferner verwendet er die Begriffe Calvinisten und „Puritaner“ als Synonyme, von denen er die Anglikaner unterscheidet.40 Der Begriff Puritan war indes ein polemischer Abgrenzungsbegriff und taugt allein deswegen schlecht zur Kennzeichnung bestimmter Gruppen innerhalb der englischen Kirche.41 Der revolutionäre Charakter der Puritans ist bei Walzers Interpretation daher eine Konsequenz seiner eigenwilligen Begriffsbildung und seiner konzeptuellen Prämissen, weniger das Ergebnis empirischer Analyse. Ein weiteres bedeutsames Werk zum Bibelverständnis in England stammt aus der Feder des Theologen Henning Graf Reventlow, blickt daher von außen auf England.42 Dies allein führt allerdings nicht zu einer größeren Distanz zum Gegenstand der Betrachtung. Zwar ist er der Whig interpretation of history unverdächtig, statt dessen sucht er allerdings nach den historischen Spuren moderner Bibelkritik. Reventlow richtet seine Aufmerksamkeit insbesondere auf die theologischen Auseinandersetzungen um Lehre und Liturgie innerhalb der Kirche, weniger auf politische Konflikte. Dabei stellt er seine Untersuchung zum vormodernen Bibelverständnis unter den Primat moderner Problemstellungen der evangelischen Kirche. Es geht ihm um die „Selbstreflexion der Exegese über ihre eigenen weltanschaulichen und methodischen Voraussetzungen“.43 Dementsprechend werden die einzelnen Autoren, denen sich die Untersuchung zuwendet, daraufhin abgeklopft, in welchem Maß ihnen ein auf den Mitteln der Bibelkritik fußen-

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Ders., Inferior Magistrates in Sixteenth Century Political and Legal Thought, PhD Thesis University of Minnesota 1967; Robert von Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt. Notwehr und Gemeiner Mann im deutsch-britischen Vergleich 1530 bis 1669, Berlin 1999, S. 47–50; Luise Schorn-Schütte, Politische Kommunikation in der Frühen Neuzeit. Obrigkeitskritik im Alten Reich, in: GG 32 (2006), S. 273–314. Hans Baron, Calvinist Republicanism and its Historical Roots, in: Church History 8 (1939), S. 30–42. Diese irreführende Begrifflichkeit findet sich auch bei Paul S. Seaver, The Puritan Lectureships. The Politics of Religious Dissent 1560–1662, Stanford 1970. Vgl. hierzu Patrick Collinson, A Comment: Concerning the Name Puritan, in: JEH 31 (1980), S. 483–488; Ders., The Puritan Character. Polemics and Polarities in Early Seventeenth Century English Culture, Los Angeles 1989; vgl. ferner auch Christopher Haigh, The Character of an Antipuritan, in: Sixteenth Century Journal 35 (2004), S. 671–688; jüngst Peter Lake, Anti-Puritanism: The Structure of a Prejudice, in: Fincham/Lake, Religious Politics, S. 80–97, hier S. 85 über den Begriff Puritan als Teil polemischer Rhetorik: „Puritanism studied […] through the lens provided by anti-puritanism, tells us a good deal more about the people doing the constructing and the labelling […] than it does about the persons being labelled.“ Zahlreiche Beispiele für den willkürlichen Einsatz des Begriffes „Puritan“ unter Zeitgenossen finden sich in David Cressy, England on Edge. Crisis and Revolution 1640–1642, Oxford 2006, S. 141–146. Henning Graf Reventlow, Bibelautorität und Geist der Moderne. Die Bedeutung des Bibelverständnisses für die geistesgeschichtliche und politische Entwicklung in England von der Reformation bis zur Aufklärung, Göttingen 1980. Ebd., S. 6.

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I. Einleitung

des Bibelverständnis bereits innewohnt oder nicht. Das 16. und 17. Jahrhundert gilt Reventlow dabei als das „Zeitalter der Puritaner“, die den „deistischen Ansatz und die von ihm ausgehende Bibelkritik“ bereits vorbereitet hätten.44 Nur bei wenigen Verfechtern der großen Erzählung vom Sieg der Freiheit über die Tyrannei stand die Religion oder die Gruppe der Puritans so sehr im Vordergrund wie bei Walzer und Hill. Gleichwohl hatten die tragenden Säulen der Whig interpretation of history auf die Deutung der politischen Rhetorik der Zeit bestimmenden Einfluß. Zunächst bestand lange Zeit weitgehend Einigkeit darüber, daß England in der Geschichte der Frühen Neuzeit einen Sonderfall verkörpere. Während sich in den meisten Monarchien auf dem Festland im 17. Jahrhundert eine absolutistische Regierungsweise durchsetzte, geschah in England das Gegenteil: die Selbstbehauptung und die Stärkung des Parlaments gegen die Angriffe der Krone. Das Parlament war dementsprechend Garant der englischen Freiheitsrechte. Diese Rolle wurde nicht nur dem Long Parliament in seiner Auseinandersetzung mit Karl I. zuerkannt, sondern zumeist auf alle Parlamente in der Stuartzeit projeziert und zugleich ein prinzipieller Antagonismus zwischen Krone und Parlament unterstellt. Verkörperte das Parlament die Freiheit, so standen die beiden Monarchen Jakob I. und Karl I. für das Ziel, auch in England den Absolutismus einzuführen. Diese Deutung brachte es mit sich, daß die Auseinandersetzungen des Bürgerkrieges geradezu als zwangsläufige Folge und Konsequenz nicht anders lösbarer Antagonismen in Stuartengland erscheinen mußten.45 Der konstitutionelle Konflikt zwischen Krone und Parlament wurde dabei auch gesellschaftlich fundiert durch den nicht zu überbrückenden Gegensatz von Hof und Land. Die marxistische Deutung fügte den bereits diagnostizierten Konflikten zwischen Krone und Parlament und Hof und Land noch Klassenantagonismen zwischen neuer Gentry und alter Peerage hinzu. Das England der Stuartzeit bekam damit zunehmend das Aussehen einer außergewöhnlich konfliktreichen und krisenhaften Gesellschaft ohne Überlebenschance.46 Dieses Bild von der englischen Geschichte der frühen Stuartzeit hat heute keinen Bestand mehr.47 Bereits 1965 stellte Geoffrey Elton die teleologische Zwangsläufigkeit des Bürgerkrieges in Frage.48 Im selben Jahr erschien die Quellensammlung zur Stuart Constitution, deren Herausgeber John Kenyon ebenfalls jegliche Notwendigkeit der Ereignisse leugnete und die periodisch auftretenden Herr-

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Ebd., S. 175. William B. Mitchell, The Rise of the Revolutionary Party in the English House of Commons 1603–1629, New York 1957 (gemeint waren die „Puritaner“). So z. B. in Lawrence Stone, The Causes of the English Revolution 1529–1642, London 1972, der die gesamte englische Geschichte seit 1529 als eine Vorgeschichte der „Revolution“ deutet. Dieses Urteil gilt unbeschadet der Tatsache, daß stets auch immer wieder neue Aufgüsse der alten Thesen auf den Markt kommen; vgl. nur J.H. Hexter, Parliament and Liberty from the Reign of Elizabeth to the English Civil War, Stanford 1991; Stuart E. Prall, The Puritan Revolution and the English Civil War, Malabar (Florida) 2002. Geoffrey Elton, A High Road to Civil War?, in: Charles Howard Carter (Hrsg.), From the Renaissance to the Counter-Reformation, London 1966, S. 325–347.

2. Forschungsstand

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schaftskrisen unter Jakob und Karl nicht auf grundsätzliche Konflikte zurückführte, sondern auf konkrete Probleme englischer Staatlichkeit, insbesondere auf das notorische Finanzdefizit der Krone.49 Eine prinzipielle Absage an die Auffassung einer Zwangsläufigkeit des Bürgerkrieges erfolgte dann in den 70er Jahren insbesondere durch Conrad Russell, Mark Kishlansky und Kevin Sharpe, deren Argumente unter dem Stichwort Revisionismus gebündelt werden. Sie wiesen nach, daß Parlamente keineswegs als prinzipielle Foren der Opposition gegen den König gedeutet werden dürfen. Die Parlamentarier waren keine Revolutionäre, sondern einem konservativen Weltbild verhaftet und mehr an lokalen Belangen interessiert als an einer programmatischen Gestaltung der Politik.50 Vor allem aber räumte der Revisionismus mit der Vorstellung auf, England sei in den Jahren vor 1640 von ideologischen Gegensätzen bestimmt gewesen.51 Statt prinzipieller politischer Differenzen betonten dessen Verfechter den Konsens aller Beteiligten in Grundsatzfragen oder bestritten zumindest, wie Sharpe, daß die Konflikte innerhalb des Parlaments bzw. zwischen Parlament und Krone auf ideologische Ursachen zurückgeführt werden könnten. Nun waren die Revisionisten, wie Glenn Burgess zu Recht feststellte, an der politischen Ideengeschichte nur wenig interessiert.52 Doch setzte sich die Vorstellung eines alle Akteure einenden Konsenses auch auf diesem Feld weitgehend durch. Dies war insbesondere die Folge von John Pococks Werk The Ancient Constitution and the Feudal Law, das 1957 erschien. Pocock betont hier, daß die ancient constitution und das common law den für alle Akteure verbindlichen Werterahmen darstellten und in politischen Debatten überwiegend hierauf Bezug genommen wurde, um politische Aussagen zu legitimieren. Damit waren nicht allein die Parlamentarier jeglicher revolutionärer Gesinnung entkleidet. Zugleich sah man auch die Protagonisten der Krongewalt nicht mehr als Apologeten des Absolutismus. Vielmehr stand auch bei den Anwälten der Krone, folgt man beispielsweise Burgess, außer Frage, daß auch der König nicht willkürlich herrschen könne, sondern an Gesetze gebunden sei.53 49 50

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John P. Kenyon, The Stuart Constitution 1603–1688. Documents and Commentary, 2. Aufl. Cambridge 1986, S. 7, 175 u.ö. Conrad Russell, Parliamentary History in Perspective 1604–29, in: History 61 (1976), S. 1–27; Ders., Parliaments and English Politics 1621–1629, Oxford 1979; Mark Kishlansky, The Emergence of Adversary Politics in the Long Parliament, in: JMH 49 (1977), S. 617–640; Kevin Sharpe (Hrsg.), Faction and Parliament. Essays on Early Stuart History, Oxford 1978. Zum Revisionismus vgl. Ronald G. Asch, Triumph des Revisionismus oder Rückkehr zum Paradigma der bürgerlichen Revolution? Neuere Forschungen zur Vorgeschichte des englischen Bürgerkrieges, in: ZHF 22 (1995), S. 523–540; Glenn Burgess, Review Article: Revisionism, Politics and Political Ideas in Early Stuart England, in: HJ 34 (1991), S. 465–478; Eckhart Hellmuth, Die englische Revolution in revisionistischer Perspektive, in: GG 16 (1990), S. 441–454. Glenn Burgess, The Politics of the Ancient Constitution. An Introduction to English Political Thought, 1603–1642, Basingstoke 1992, S. 110 f. Glenn Burgess, Absolute Monarchy and the Stuart Constitution, New Haven/London 1996, S. 17–62.

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I. Einleitung

Diese Deutung hat die Zeit vor dem Bürgerkrieg allerdings nicht nur von ideologischen Gegensätzen entkleidet. Durch ihre Betonung der Sprache des common law verloren sie aus dem Blickfeld, daß über Politik auch in anderen Sprachen verhandelt wurde und England nicht nur mit dem Ideal der ancient constitution, sondern z. B. in der Sprache des Biblizismus auch gerne mit dem Alten Israel konfrontiert wurde. Bei Pocock wie auch bei Burgess kommt biblischen Maximen und Beispielen im politischen Diskurs jedoch allenfalls die Rolle zu, den von der ancient constitution bestimmten Werterahmen illustrativ auszuschmücken, keinesfalls aber, eine eigenständige politische Rhetorik hervorzubringen. Eine stärkere Beachtung der auf biblische Vorbilder rekurrierenden Rhetorik hätte es allerdings erschwert, einen ideologischen Konsens in England vor 1640 zu konstatieren – von Schottland ganz zu schweigen, das in diesen Debatten häufig unbeachtet bleibt. Ein weiteres Feld der politischen Ideengeschichte bilden Untersuchungen zum civic humanism und zu republikanischen Ideen in England.54 Quentin Skinner hat dabei die Idee des Republikanismus und spezifische Ideenübernahmen aus der klassischen Antike in besonders prominenter Weise mit dem Ausbruch des englischen Bürgerkrieges in Verbindung gebracht. Das Long Parliament, so Skinner, habe in dem Moment auf klassisch republikanische Freiheitsvorstellungen rekurriert, als es sich in einer politischen Notlage wähnte und die alleinige Souveränität für sich reklamierte.55 Zwar habe sich diese Idee erst im Verlauf des Bürgerkrieges und während der Herrschaft Oliver Cromwells vollständig im politischen Denken Englands etabliert.56 Gleichwohl ließen sich prominente Fürsprecher von Bürgerhumanismus und Republikanismus auch im elisabethanischen England sowie der frühen Stuartzeit ausfindig machen.57 War für manche Autoren wie Burgess und Pocock der Bürgerhumanismus gleichsam das ideologische Fundament für die Lehre von der ancient constitution und damit ein weiteres Bindemittel für den ideologischen Konsens in der englischen Oberschicht, betont Skinner in seiner Deutung der antik hergeleiteten Freiheitsidee stärker deren potentiell revolutionären Charakter. Beiden Spielarten ist jedoch gemeinsam, daß sie religiös dominierte politische Ordnungsvorstellungen marginalisieren.58 54 55

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Vgl. grundlegend Richard Tuck, Philosophy and Government, 1572–1651, Cambridge 1993. Quentin Skinner, Classical Liberty and the Coming of the English Civil War, in: Martin van Gelderen/Quentin Skinner (Hrsg.), Republicanism. A Shared European Heritage, Bd. 2: The Values of Republicanism in Early Modern Europe, Cambridge 2002, S. 9–28. Quentin Skinner, Liberty before Liberalism, Cambridge 1998. Markku Peltonen, Classical Humanism and Republicanism in English Political Thought 1570–1640, Cambridge 1994; vgl. ferner Colclough, Freedom of Speech. Zwar billigt Pocock der Revolution der Heiligen im Sinne Michael Walzers eine Bedeutung für die Entstehung des Bürgerkrieges zu. Gleichwohl gelangt er wie vor ihm die Anwälte des Konzepts der Puritan Revolution zur Schlußfolgerung, daß „to the men of 1628 the reaffirmation of Magna Charta and the struggle against Antichrist at home and abroad were to be much the same.“ Und weiter: „We can easily see that God’s Englishmen might have to choose between acting as Englishmen, as traditional political being, and as saint; but it is not certain

2. Forschungsstand

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Es ist wohl kein Zufall, daß der größte Kritiker des Bildes einer vom ideologischen Konsens getragenen englischen Gesellschaft, Johann P. Sommerville, auch dem biblischen Argument eine tendenziell größere Bedeutung zuweist. England sei Sommerville zufolge seit der Inthronisation Jakobs I. vom Konflikt mehrerer Weltanschauungen geprägt, die sich gegenseitig ausschlössen. Letztlich konkurrierten in England ebenso wie auf dem Kontinent zwei Ideologien miteinander, ein monarchischer Absolutismus mit dem Partizipationsanspruch des Parlaments. Dieser ideologische Konflikt sei eine wichtige Entstehungsursache für den englischen Bürgerkrieg, eine Deutung, mit der sich Sommerville durchaus in den Fußstapfen Samuel Gardiners bewegt.59 Die politische Sprache der ancient constitution sei nur eine Sprache neben anderen, unter denen dem divine right of kings die wohl größte Bedeutung zugesprochen werden müsse. In der Theorie vom divine right of kings sei Sommerville zufolge der Bezug auf biblische Exempla durchaus von mitunter entscheidender Bedeutung – so z. B. im Patriarchalismus, der die politische Herrschaft bereits auf die Gestalt Adams zurückführt. Das Problem seiner Darstellung der politischen Theorie in der frühen Stuartzeit besteht allerdings gerade in dieser schematischen Zuordnung von politischer Aussage und Argumentationsquelle. Während Christopher Hill den Blick vor allem auf die biblischen Argumente der Puritans richtete, erkennt Sommerville den Rückgriff auf die Heilige Schrift vor allem bei den Anhängern einer absoluten Königsgewalt. Die Bibel war, je nach Blickwinkel, Argumentationslieferant entweder für die Anhänger des Parlaments oder aber für die Anwälte des Königs. Es wird sich zeigen, daß beide Zuordnungen sich nicht halten lassen, wenn man die biblizistische Rhetorik in der politischen Debatte genauer in den Blick nimmt. Der Biblizismus war eine politische Sprache, um mit Pococks Worten zu reden, nicht aber ein politisches Programm. Der Revisionismus hat zweifelsohne das Verständnis der frühen Stuartzeit entscheidend bereichert. Gerade der Erfolg der neuen Deutung zur Geschichte der Stuartzeit markiert aber um so deutlicher die Lücke: von einer Antwort auf die Frage, was den englischen Bürgerkrieg ausgelöst hat, ist man heute weiter entfernt denn je.60 Auch werden mit dem Begriff des Revisionismus letztlich unvereinbare Deutungskonzepte zusammengefaßt, die bestenfalls in ihrem Angriff auf die Meistererzählung der puritan revolution ihren Berührungspunkt haben. So finden sich unter den Revisionisten sowohl Autoren, die den Bürgerkrieg weit-

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that to see this is to see to the bottom of the problem“; Pocock, Machiavellian Moment, S. 345. Vgl. allg. Johann Peter Sommerville, Royalists and Patriots. Politics and Ideology in England 1603–1640, 2. Aufl. London/New York 1999. Zu Gardiner S. 1–5. Vgl. nur John Morrills Diktum: „they succeded in explaining why a civil war did not take place in seventeenth-century England“; John Morrill, Revolt in the Provinces. The People of England and the Tragedies of War 1630–1648, 2. Aufl. London 1999, S. X; Ders., The Nature of the English Revolution, Harlow 1993, S. 188.

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I. Einleitung

gehend aller ideologischen Ursachen entkleiden,61 als auch Verfechter einer gegenläufigen These, die in der Religion den letztlich entscheidenden Auslöser des Bürgerkrieges sehen. Insbesondere Nicholas Tyacke suchte dabei den eventuell nur scheinbaren Widerspruch zwischen einem in England vorherrschenden Konsens einerseits und den offenkundigen Konflikten nach 1642 andererseits mit einer Art neuer großer Erzählung zu überbrücken. Er verlagert die Perspektive von den „Puritanern“ zu den „Arminianern“ innerhalb der englischen Kirche. Die „Puritaner“ hätten zu jeder Zeit den Grundkonsens der englischen Kirche geteilt: den Glauben an die Prädestination, weswegen es widersinnig sei, in der englischen Kirche einen Kampf zwischen „Anglikanern“ und „Puritanern“ zu erkennen. Die „Arminianer“ hingegen hätten mit ihrer Gnadenlehre den Konsens aufgekündigt und damit die zunehmenden Spannungen in Kirche und Gesellschaft erst heraufbeschworen.62 Tyacke erhielt insbesondere von Conrad Russell Rückendeckung für diese These, ließ sich damit doch erklären, weshalb ein Bürgerkrieg in England erst möglich wurde. Gleichwohl blieb diese Deutung nicht unwidersprochen.63 Zum einen handelt es sich dabei um ein Problem der Nomenklatur. Tyacke identifiziert Erzbischof Laud und andere als „Arminianer“, ohne eigens den Nachweis zu erbringen, daß diese Kleriker in ihrer Dogmatik wirklich Anhänger von Arminius’ Theologie des freien Willens waren.64 Daß zahlreiche Bischöfe in der englischen Kirche von den Zeitgenossen als „Arminianer“ bezeichnet wurden, rechtfertigt keineswegs die Übernahme des Begriffs als analytische Kategorie.65 Gerade die 61

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Unorthodoxe Denkansätze wie derjenige Adamsons, der den Bürgerkrieg als eine „baronial revolt“ deutete und damit weitgehend aller ideologischen Ursachen entkleidete, haben in der Forschung zumindest ein starkes Echo gefunden; John Adamson, The Baronial Context of the English Civil War, in: TRHS, Fünfte Folge, 90 (1990), S. 93–120. Mittlerweile liegt eine Gesamtdarstellung des Bürgerkrieges vor, die diesen Deutungsansatz verficht; Ders., The Noble Revolt. The Overthrow of Charles I, London 2007. Die pronunzierteste Erwiderung stammt von Mark A. Kishlansky, Saye what?, in: HJ 33 (1990), S. 917–937; Ders., Saye No More, in: JBS 30 (1991), S. 399–448. Nicholas Tyacke, Puritanism, Arminianism and Counter-Revolution, in: Conrad Russell (Hrsg.), The Origins of the English Civil War, 1973, S. 119–143, 261 f. und 270 f.; Ders., The Rise of Arminianism Reconsidered, in: PP 115 (1987), S. 201–229; Ders., Anti-Calvinists: the Rise of English Arminianism c. 1590–1640. Oxford, 1987; vgl. ferner Peter Lake, Puritanism, Arminianism and Nicholas Tyacke, in: Kenneth Fincham/Peter Lake (Hrsg.), Religious Politics in Post-Reformation England. Essays in Honour of Nicholas Tyacke, Woodbridge 2006, S. 1–15. Vgl. nur J. C. Davies, The Caroline Captivity of the Church, Oxford 1992. Peter White, The Rise of Arminianism Reconsidered, in: PP 115 (1987), S. 201–229; Davies, Caroline Captivity, S. 95. So ist Bischof Lancelot Andrewes für Tyacke eine Art Gründungsvater aller englischen „Arminianer“; vgl. Nicolas Tyacke, Lancelot Andrewes and the Myth of Anglicanism, in: Peter Lake/Michael Questier (Hrsg.), Conformity and Orthodoxy in the English Church, c. 1560–1660, Woodbridge 2000, S. 5–33; Nicolas Tyacke, Archbishop Laud, in: Ders., Aspects of English Protestantism, c. 1530–1700, Manchester 2001, 203–221, hier S. 212–214. Andrewes hat hingegen stets energisch bestritten, „Arminianer“ zu sein. Peter White, Predestination, Policy and Polemic. Conflict and Consensus in the English Church from the Reformation to the Civil War, Cambridge 1992; Ders., The „Via Media“ in the Early Stuart Church, in: Kenneth Fincham (Hrsg.), The Early Stuart Church, 1603–1642,

2. Forschungsstand

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Tatsache, daß die Identifizierung als „Arminian“ oder als „Puritan“ stets der polemischen Abgrenzung, nicht aber der Selbstbeschreibung diente, legt eher die Schlußfolgerung nahe, auf diesen Begriff in analytischer Hinsicht wenn möglich ganz zu verzichten.66 Zum anderen konzentriert Tyacke seinen Blick in zu starkem Maße auf dogmatische Differenzen innerhalb des englischen Klerus. Wirft man aber einen Blick auf die kirchenpolitischen Debatten unter Jakob I. und Karl I., so stehen offenkundig andere Streitthemen weit mehr im Vordergrund als die Frage nach der Prädestination: nämlich zum einen das Kirchenregiment und die Bischofsverfassung, zum anderen die Liturgie während des Gottesdienstes.67 Um die zentrale Bedeutung der Religion für die Frage nach der Ursache des Bürgerkrieges zu unterstreichen und darzulegen, warum der Bürgerkrieg vor allem ein Religionskrieg gewesen sei, wählt John Morrill einen anderen Ansatz.68 Er fragt danach, was die Parlamentarier 1642 dazu bewogen haben könnte, sich für eins der beiden Lager zu entscheiden, d. h. die Sache des Königs oder aber die des Parlaments zu vertreten. Dabei kommt er zu dem Ergebnis, daß es insbesondere die Haltung zur englischen Kirchenverfassung war, die über die Zugehörigkeit zu einer der beiden Seiten entschied, während Kontroversen über das Besteuerungsrecht des Königs oder die Reichweite seiner Prärogativrechte weniger ausschlagge-

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Basingstoke 1993, S. 211–230; Kevin Sharpe, Religion, Rhetoric and Revolution, in: Ders., Remapping Early Modern England. The Culture of Seventeenth-Century Politics, Cambridge 2000, S. 345–391, hier S. 349; Ders., The Personal Rule of Charles I., New Haven/London 1992, Kap. 6; Davies, Caroline Captivity, S. 122. Vgl. Anthony Milton, Catholic and Reformed, S. 5 passim. Ferner Kenneth Fincham/ Peter Lake, The Ecclesiastical Policy of King James I., in: JBS 24 (1985), S. 169–207, hier S. 193. Die Feststellung, daß die Begriffe Arminian und Puritan insbesondere Begriffe der Abgrenzung waren, hindert die Autoren aber nicht daran, in ihrem ansonsten exzellenten Beitrag beide Begriffe auch als „analytische“ Begriffe zu verwenden. Zum pejorativen Charakter des Begriffs Puritan bereits Herny Parker, A Discourse Concerning Puritans Tending to a Vindication of those, who Unjustly Suffer by the Mistake, Abuse, and Misapplication of that Name, [London] 1641, S. 45–47; Vgl. zur Vieldeutigkeit des Begriffes Puritan bereits eindrücklich Nathanael Holmes, The New World, or, the New Reformed Church, London 1641, S. 23: „ As said a Parliamentman in Parliament, the word Puritan in the mouth of an Arminian, signifies an Orthodoxe divine; in the mouth of a drunkard signifies a sober man; and in the mouth of a Papist signifies a Protestant.“ Eine vergleichbare Feststellung könnte man auch über die unterschiedliche Verwendung des Begriffes Arminian treffen. Vgl. v. a. Peter White, Predestination; Für die Zeit Jakobs I. jetzt Charles W.A. Prior, Defining the Jacobean Church. The Politics of Religious Controversy 1603–1625, Cambridge 2005; Peter Lake, The Laudian Style. Order, Uniformity and the Pursuit of the Beauty of Holiness in the 1630s, in: Fincham, The Early Stuart Church, S. 161–185, hier S. 163, vgl. auch das Beispiel von Joseph Mede; Jeffrey K. Jue, Heaven upon Earth. Joseph Mede (1586–1638) and the Legacy of Millenarianism, Dordrecht 2006, S. 28 f.; In seiner jüngsten Veröffentlichung versucht Tyacke indes, die Debatten um Änderungen der ceremonies mit seinem Konzept von Arminianismus zu verbinden; vgl. Kenneth Fincham/Nicholas Tyacke, Altars Restored. The Changing Face of English Religious Worship, 1547–c.1700, Oxford 2007. John S. Morrill, England’s Wars of Religion, in: Ders., The Nature of the English Revolution. London 1993, S. 33–44; als direkte Gegenrede vgl. Glenn Burgess, Was the Civil War a War of Religion? The Evidence of Political Propaganda, in: Huntington Library Quarterly 61/2 (2000 für 1998), S. 173–201.

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I. Einleitung

bend waren.69 Die Betonung des religiösen Charakters des Bürgerkriegs bei John Morill und Conrad Russell erfüllte aber zugleich einen weiteren Zweck. Da beide Autoren darauf insistierten, daß in der politischen Elite des Landes über konstitutionelle Fragen weitgehende Einigkeit bestand, bedurfte es eines gleichsam externen, außerhalb der Politik angesiedelten Faktors Religion, mit dem sich der Ausbruch des Bürgerkrieges erklären ließ.70 Beide Historiker waren daher auch für Tyackes Deutungsvorschlag einer arminianischen Revolution sehr empfänglich. Es ist jedoch bezeichnend, daß in diesem Deutungskonzept nach der politischen Rhetorik der Zeit nicht eigens gefragt wird. Sofern biblizistische Sprechakte im politischen Raum im Mittelpunkt stehen wie im Falle der vorliegenden Untersuchung, dürfte sich eine Trennung der Felder Politik und Religion keineswegs so eindeutig vornehmen lassen, wie es Morill und Russell praktizieren. Von der großen Anzahl und Varianz historischer Deutungsansätze zum englischen Bürgerkrieg, so läßt sich insgesamt wohl bilanzieren, hat die Untersuchung der biblischen Rhetorik im politischen Diskurs der Stuartmonarchie bislang nur am Rande profitiert. Selbst diejenigen Ansätze, die der Religion eine wesentliche Rolle für den Ausbruch des Bürgerkrieges zuschreiben, berücksichtigen nur selten, mit welchen biblischen Bildern diese Konflikte beschrieben worden waren, welche biblischen Maximen und Exempla zur Hervorbringung politischer Argumente zum Einsatz kamen und welche Konsequenzen dies für die Wahrnehmung und Beschreibung der politischen Handlungsoptionen jeweils hatte. Kevin Sharpes Plädoyer, mit einem breiteren Begriff von Religion zu arbeiten, und nicht nur dogmatische Aspekte sowie kirchenspezifische Belange wie die Konflikte um die Liturgie oder das Kirchenregiment in den Blick zu nehmen, sondern auch die religiöse Rhetorik in politischen Kontexten zu untersuchen, stieß bislang auf wenig Resonanz.71 Obwohl die Bibel in den politischen Kontroversen der Stuartzeit eine häufig eingesetzte Autoritäts- und Legitimationsquelle war, ist deren Verwendung zur Generierung politischer Argumente bislang nicht systematisch untersucht worden. Die Vielzahl an Untersuchungen zur English Bible in den vergangenen Jahren konzentriert sich insbesondere auf die verschiedenen englischen Bibelübersetzungen und deren unterschiedliche politische Konnotationen.72 Den Aspekt des 69

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Morrill, England’s Wars, S. 40–43. Vgl. auch ders., The Attack on the Church of England in the Long Parliament, 1640–1642, in: Derek E. Beales/Geoffrey F. A. Best (Hrsg.), History, Society and the Churches. Essays in Honour of Owen Chadwick, Cambridge 1985, S. 105–124; sowie ders., The Coming of War, in: Margo Todd (Hrsg.), Reformation to Revolution. Politics and Religion in Early Modern England, London/New York 1995, S. 142–54. Conrad Russell, Causes of the English Civil War. The Ford Lectures Delivered in the University of Oxford 1987–88, Oxford 1990. Kevin Sharpe, Remapping Early Modern England. From Revisionism to the Culture of Politics, in: Ders., Remapping, S. 3–37, hier S. 12. Hierzu nur exemplarisch: David S. Katz, God’s Last Words. Reading the English Bible from the Reformation to Fundamentalism, New Haven/London 2004; David Daniell, The Bible in English. Its History and Influence, New Haven/London 2003; Cameron A. MacKenzie, The Battle for the Bible in England 1557–1582, New York u. a. 2002; Adam Nicolson, Power and Glory. Jacobean England and the Making of the King James Bible, London 2003. Ferner gibt es

2. Forschungsstand

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biblizistischen Arguments in der politischen Debatte sparen diese Arbeiten jedoch meist aus. Auch in den Arbeiten zur protestantischen Buch- und Lesekultur steht die politische Kontroverse der Stuartzeit nicht im Vordergrund.73 Allenfalls in Einzeluntersuchungen ist der politische Biblizismus bislang untersucht worden. Daß deren Anzahl in den letzten Jahren indes stark zugenommen hat, signalisiert vielleicht eine gestiegene Aufmerksamkeit für das Thema.74 Am ehesten fand bislang ein Teilsegment des Biblizismus größeres Interesse unter den Historikern: die in England praktizierte politische Lesart der Apokalypse. Ende der 70er Jahre kam es zu einem kurzzeitigen Boom bei der Erforschung einer spezifisch englischen Auslegungstradition der Offenbarung des Johannes. Insbesondere die Identifizierung des Papstes sowie der ihm vermeintlich nahestehenden Gruppen und Protagonisten mit dem Antichrist hatte in England besondere Konjunktur und fand in der Forschung einige Aufmerksamkeit. Doch hat die Beschränkung auf die Apokalypse ihre Tücken. Gleichsam a priori wird dabei unterstellt, daß sich eine politische Konzeption, die sich auf die Prophezeiung des Johannes vom Untergang der Welt stützt, durch eine besondere Radikalität auszeichnet. Dabei läßt sich eine solche Aussage nur treffen, wenn man einen Vergleich mit anderen biblizistisch gewonnenen Aussagen ausdrücklich vornimmt. Eine solche Einordnung apokalyptischer Deutungsschemata in den Gesamtrahmen biblizistischer Rhetorik ist bislang indes nicht erfolgt. Ferner tendieren die Arbeiten, welche die Rolle der Apokalypse in der politischen Rhetorik in den Blick nehmen, zu einer gewissen Einseitigkeit. Fast immer beschränkt sich die Analyse auf königskritische Autoren, wird der Apokalypse von vornherein eine herrschaftskritische Aussage unterstellt. Es wird sich jedoch zeigen lassen, daß die Offenbarung wie alle anderen biblischen Schriften auch sowohl für als auch

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unzählige Untersuchungen, die sich wesentlich Fragen der Bibelhermeneutik zuwenden; hierzu nur exemplarisch Ariel Hessayon/Nicholas Keene (Hrsg.), Scripture and Scholarship in Early Modern England, Aldershot 2006; Allan K. Jenkins/Patrick Preston, Biblical Scholarship and the Church. A Sixteenth-Century Crisis of Authority, Aldershot 2007. Ian Green, Print and Protestantism in Early Modern England, Oxford 2000; Ders., The Christian’s ABC. Catechisms and Catechizing in England 1530–1740, Oxford 1996. Kevin Sharpe, Reading Revelations. Prophecy, Hermeneutics and Politics in Early Modern Britain, in: Ders./Steven N. Zwicker (Hrsg.), Reading, Society and Politics in Early Modern England, Cambridge 2003, S. 122–163; Daniel Fischlin, „To Eate the Flesh of Kings“. James VI and I. Apocalyse, Nation, and Sovereignity, in: Ders./Mark Fortier (Hrsg.), Royal Subjects. Essays on the Writings of James VI and I, Detroit 2002, S. 388–420; Christopher Bradshaw, David or Josiah? Old Testament Kings as Exemplars in Edwardian Religious Polemic, in: Bruce Gordon (Hrsg.), Protestant History and Identity in 16th Century Europe, 2 Bde., Aldershot 1996, Bd. 2, S. 77–90; Patrick Collinson, Biblical Rhetoric: the English Nation and National Sentiment in the Prophetic Mode, in: Claire Elizabeth McEachern/Debora Kuller Shuger (Hrsg.), Religion and Culture in Renaissance England, Cambridge 1997, S. 15–45; Hans-Dieter Metzger, David, der Musterkönig. Zur politischen Interpretation eines religiösen Sinnbilds im England des 17. Jahrhunderts, in: Barbara Bauer/Wolfgang G. Müller (Hrsg.), Staatstheoretische Diskurse im Spiegel der Nationalliteraturen von 1500 bis 1800, Wiesbaden 1998, S. 393–426.

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I. Einleitung

gegen den regierenden König ausgelegt werden konnten.75 Für die sich aus der Apokalypse speisenden Schriften gilt wie für den Biblizismus generell: es handelt sich um eine politische Sprache, nicht aber um ein politisches Programm. Die vorliegende Untersuchung nimmt sowohl Schottland als auch England zur Zeit der frühen Stuarts, d. h. unter Jakob VI./I. sowie unter Karl I. in den Blick und trägt damit dem Umstand Rechnung, daß die Stuarts seit 1603 beide Länder in einer Union of Crowns in Personalunion regierten. Zwar regierten die Stuarts als drittes Königreich auch über Irland, gleichwohl bleibt Irland bei der vorliegenden Untersuchung ausgespart.76 Im Gegensatz zu England und Schottland läßt sich hier ein eigenständiger politischer Diskurs in der Sprache des Biblizismus, der sich signifikant vom englischen oder schottischen Modell abhebt, nur in geringen Ausmaßen identifizieren.77 Trotz der Aussparung Irlands folgt diese Arbeit damit der Konzeption einer „new British History“, wie sie insbesondere von John Morill und John Pocock propagiert wird.78 Zwar führte die Tatsache, daß seit Jakob I. beide Länder von 75

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Vgl. hierzu Ronald G. Asch, The Revelation of the Revelation. Die Bedeutung der Offenbarung des Johannes für das politische Denken in England im späten 16. und frühen 17. Jahrhundert, in: Andreas Pečar/Kai Trampedach (Hrsg.), Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen biblizistischer Herrschaftslegitimation in der Vormoderne (HZ, Beih. 43), München 2007, S. 315–331, hier S. 326–330. Vgl. hierzu Alan Ford, The Protestant Reformation in Irland 1590–1641, Dublin 1987; Samantha A. Meigs, The Reformations in Ireland. Tradition and Confessionalism 1400–1690, Basingstoke 1997; Ute Lutz-Heumann, Die doppelte Konfessionalisierung in Irland. Konflikte und Koexistenz im 16. Jahrhundert und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts, Tübingen 2000; Ronald G. Asch, Die Englische Herrschaft in Irland und die Krise der StuartMonarchie im 17. Jahrhundert, in: Historisches Jahrbuch 110 (1990), S. 370–408. Zum politischen Denken in Irland vgl. Hiram Morgan (Hrsg.), Political Ideology in Ireland 1541–1641, Dublin 1999; Jane H. Ohlmeyer, Political Thought in Seventeenth-Century Ireland. Kingdom or Colony, Cambridge 2000. Zu den wichtigsten Repräsentanten der protestantischen Kirche in Irland sind jüngst zwei bedeutende Arbeiten erschienen; Alan Ford, James Ussher. Theology, History and Politics in Early-Modern Ireland and England, Oxford 2007; Jack Cunningham, James Ussher and John Bramhall. The Theology and Politics of two Irish Ecclesiastics of the Seventeenth Century, Aldershot 2007. Ähnlich begründet auch Glenn Burgess seine Aussparung Irlands; Glenn Burgess, British Political Thought, 1500–1660. The Politics of the Post-Reformation, Basingstoke 2009, S. XII f.; zu einer irischen Facette des Biblizismus vgl. Jerrold Casway, Gaelic Maccabeanism. The Politics of Reconciliation, in: Ohlmeyer, Political Thought, S. 176–188, demonstriert das unter den irischen Katholiken mehrfach herausgestellte Beispiel der Makkabäer für den irischen Aufstand. Für die Protestanten in Schottland und England waren die Makkabäer hingegen kein biblischer Referenzpunkt; vgl. hierzu Andreas Pecˇar, On the Path of the Maccabees? The Rhetoric of Holy War in the Sermons and Pamphlets of Puritans in the Runup to the English Civil War (1620-1642), in: Gabriela Signori (Hrsg.), Dying for the Faith – Killing for the Faith. Old Testament Faith Warriors (1 and 2 Maccabees) in Historical Perspective, Leiden/Boston 2010 (im Druck). John G.A. Pocock, British History: a Plea for a New Subject, in: JMH 47 (1975), S. 601–621; Conrad Russell, The British Problem and the English Civil War, in: History 75 (1987), S. 395–415; John Morrill, The Scottish National Covenant in its British Context, 1618–1651, Edinburgh 1990; Ders., A British Patriarchy? Ecclesiastical Imperialism under the Early Stuarts, in: Anthony Fletcher/Peter Roberts (Hrsg.), Religion, Culture and Society. Essays in Honour of Patrick Collinson, Cambridge 1994, S. 209–237; Brendan Bradshaw/John

3. Biblizismus als political language

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demselben Monarchen regiert wurden, nicht zu gleichen politischen Verhältnissen. Insbesondere die Kirchenstruktur sowie das von den Geistlichen beider Länder jeweils verfochtene Kirchenideal blieben weiterhin denkbar unterschiedlich. Faktisch handelte es sich bis zum Bürgerkrieg um zwei Länder unter einer Krone. Gleichwohl war sowohl für die Könige selbst als auch für die politischen Akteure beider Länder das Verhältnis zum jeweiligen Nachbarn nun stets Teil der politischen Agenda, provozierte die Herrschaftspraxis in der composite monarchy gegenseitige Reaktionen und Spannungen, die ebenfalls nicht wenig zum Ausbruch des Bürgerkrieges beisteuerten.79

3. Biblizismus als political language Diese Arbeit versteht sich als ein Beitrag zur Erforschung der „gepflegten Semantik“ in der Frühen Neuzeit.80 Damit ist der kollektive Wissensvorrat gemeint, über den eine Gesellschaft zur Wahrnehmung und Interpretation aktueller Probleme jeweils verfügt. Dieser kollektive Wissensvorrat setzt sich zusammen aus der Summe individueller Sprechakte, insbesondere sofern diese sich in Texten – oder anderen Medien oder aber in Ritualen – niederschlagen, so daß sie für die Gesellschaft insgesamt verfügbar und damit abrufbar bleiben. Wahrnehmung und Interpretation werden auf diese Weise gespeichert, zugleich aber auch typisiert, standardisiert und generalisiert.81 Was jeweils in den kollektiven Wissensvorrat Eingang findet und was dem Vergessen anheimfällt, läßt sich in der Rückschau nur daran feststellen, welche Themen in der gesellschaftlichen Kommunikation wiederholt aufgegriffen und damit aktualisiert werden und welche nicht. Die „gepflegte Semantik“ ist eine Art Sammelbegriff für unterschiedliche, sich durchaus mitunter auch widersprechende Diskurse oder „Sinngeneratoren“82, in

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Morrill (Hrsg.), The British Problem 1534–1707. State Formation in the Atlantic Archipelago, Basingstoke/London 1996; Glenn Burgess, The New British History: Founding a Modern State, 1603–1715, London 1999; Allan d. Macinnes/Jane Ohlmeyer (Hrsg.), The Three Kingdoms in the Seventeenth Century, 2000. Vgl. hierzu auch Ronald G. Asch, Die Stuart-Monarchie als „composite monarchy“. Supranationale Staatsbildung in Großbritannien und Irland im 17. und frühen 18. Jahrhundert, in: Hans-Jürgen Becker (Hrsg.), Zusammengesetzte Staatlichkeit in der Europäischen Verfassungsgeschichte (Der Staat, Beih. 16), Berlin 2006, S. 141–170. Der Begriff stammt von Niklas Luhmann, Gesellschaftliche Struktur und semantische Tradition, in: Ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissenssoziologie der modernen Gesellschaft, 4 Bde., Frankfurt a. M. 1980–95, hier Bd. 1, S. 9–71, hier S. 19. Luhmann, Gesellschaftliche Struktur, S. 18. Cornelia Bohn/Herbert Willems (Hrsg.), Sinngeneratoren. Fremd- und Selbstthematisierung in soziologisch-historischer Perspektive, FS für Alois Hahn zum 60. Geburtstag, Konstanz 2001, S. 9. Der Begriff ist entstanden in Anlehnung an Alois Hahns Begriffsbildung des Biographiegenerators, womit Gattungstraditionen bzw. „soziale Institutionen“ gemeint sind, die es erlauben, die eigene Vita zu thematisieren: die Beichte, das Geständnis, das Tagebuch oder die Memoiren. Biographiegeneratoren erlauben also die soziale Konstruktion der Identität einer Person mittels Selbstreflexion.

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I. Einleitung

denen sich eine Gesellschaft selbst beschreibt und dem eigenen Tun Bedeutung zumißt. Es soll dargelegt werden, daß der Biblizismus in Schottland und in England im 16. und 17. Jahrhundert ein bedeutsamer Diskurs war, der zur Selbstbeschreibung der Gesellschaft zur Verfügung stand und kontinuierlich fortgeschrieben wurde. Um die politische Kultur dieser Zeit zu erfassen, ist es bedeutsam, in welchen Diskursen – oder politischen Sprachen, wie sie fortan genannt werden sollen – eine Gesellschaft aktuelle Probleme und Konflikte jeweils kommuniziert. Mittels ihrer Selbstbeschreibungen konstruiert sich die Gesellschaft auf jeweils spezifische Art und Weise und prägt mit diesen Konstruktionen zugleich die eigene Wahrnehmung der Welt.83 Eine Beschreibung der politischen Ordnung, die ihr Inventar an Normen und Vorbildern wesentlich aus der Bibel bezieht, formt auf eine eigenständige Weise Identitäten, entwickelt ein eigenes Zeitverständnis, ja sie propagiert letztlich eine Kontinuität zwischen der im Alten wie im Neuen Testament beschriebenen Zeit einerseits und der eigenen Zeit andererseits. Im folgenden stehen Texte im Mittelpunkt der Untersuchungen, in welchen die Legitimität von Monarchie und Kirche an Maßstäben gemessen und debattiert werden, die den Texten der Bibel entnommen sind. In formaler Sicht kann von einem einheitlichen Textkorpus eigentlich keine Rede sein. Die untersuchten Schriften sind zum einen Predigten, die nach ihrem Vortrag gedruckt wurden, zum anderen politische und theologische Traktate. Aber auch Fürstenspiegel, Bibelkommentare und historiographische Texte sind in die Untersuchung mit einbezogen. Was diese heterogene Ansammlung von Texten vereint, ist allein die Tatsache, daß sie die Bibel als Autoritätsinstanz zu Rate ziehen, um politische Argumente vorzubringen. Der Bezug auf eine gemeinsame Autorität ordnet diese Texte einem gemeinsamen politischen Diskurs zu, macht sie zu unterschiedlichen Äußerungen einer gemeinsam geteilten „politischen Sprache“. Das methodische Konzept der political language stammt aus der Cambridge school of political ideas und ist insbesondere von John Pocock und Quentin Skinner entwickelt worden.84 Die Ausarbeitung dieses methodischen Konzepts er83

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Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft, Frankfurt 2001, S. 866: Das System braucht „imaginäre Konstruktionen der Einheit des Systems, die es ermöglichen, in der Gesellschaft zwar nicht mit der Gesellschaft, aber über die Gesellschaft zu kommunizieren. Wir werden solche Konstruktionen ‚Selbstbeschreibungen‘ des Gesellschaftssystems nennen.“ John G. A. Pocock, Language and their Implications. The Transformation of the Study of Political Thought, in: Ders., Politics, Language and Time. Essays on Political Thought and History, Chicago/London 1989, S. 3–41; Ders., The Concept of a Language and the Métier d´Historien: some Considerations on Practice, in: Anthony Pagden (Hrsg.), The Languages in Political Theory in Early-Modern Europe, Cambridge u. a. 1987, S. 19–38; James Tully (Hrsg.), Meaning and Context. Quentin Skinner and his Critics, Cambridge 1988; Melvin Richter, Zur Rekonstruktion der Geschichte der Politischen Sprachen: Pocock, Skinner und die Geschichtlichen Grundbegriffe, in: Hans E. Bödeker/Ernst Hinrichs (Hrsg.), Alteuropa – Ancien Régime – Frühe Neuzeit. Probleme und Methoden der Forschung, Stuttgart 1991, S. 134–174; Eckhart Hellmuth/Christoph von Ehrenstein, Intellectual History Made in Britain: Die Cambridge School und ihre Kritiker, in: GG 27 (2001), S. 149–172; Raimund Ottow, Die ‚Cambridge School‘ und die Interaktion politischer Diskurse, in: Lutz Raphael/

3. Biblizismus als political language

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folgte im Laufe einer Zeitspanne von mindestens 30 Jahren, in welcher sowohl in empirischen Untersuchungen z. B. zur ancient constitution oder zum frühneuzeitlichen Republikanismus als auch in zahlreichen theoretischen Beiträgen jeweils unterschiedliche Facetten des Modells dargelegt wurden. Es kann hier nicht darum gehen, die Genese des Methodenkonzepts nachzuzeichnen. Dagegen soll versucht werden, die für die Untersuchung des Biblizismus wesentlichen Theoriebestandteile in systematischer Weise vorzustellen und die daraus resultierenden Konsequenzen für die empirische Arbeit abzuleiten. 1. Texte und in einem weiteren Sinne sprachliche Äußerungen überhaupt werden als sprachliche Handlungen, als Sprechakte verstanden, die eine bestimmte Wirkungsabsicht verfolgen, so Skinner. Die Interpretation dieser Texte zielt nun insbesondere darauf, diese Wirkungsabsicht nachzuvollziehen.85 Die Offenlegung der Wirkungsabsicht eines Autors – Skinner spricht hierbei von dessen Intention – kann dann um so leichter gelingen, wenn man die Bandbreite möglicher Sprechakte, die dem Autor für seine Argumentation zur Verfügung standen, rekonstruieren kann und daran mißt, welcher Sprechakt und welche Aussage sich tatsächlich in seinem Text wiederfinden läßt.86 Dabei sind sich Skinner und Pocock allerdings zu recht darin einig, daß sich aus der Lektüre des Textes allein die Wirkungsabsicht nicht adäquat bestimmen läßt. Hierfür ist vielmehr eine doppelte Kontextanalyse vonnöten.87 2. Um die spezifische Wirkungsabsicht eines Autors bestimmen zu können, muß man dessen Text zunächst einordnen in den ideologischen beziehungsweise sprachlichen Kontext seiner Zeit, ihn also an anderen Texten messen. Erst durch den Vergleich und die Suche nach Gemeinsamkeiten und Abweichungen lassen sich spezifische Elemente von der Übernahme gemeinsam geteilter Konventionen des politischen Diskurses separieren. Was Skinner hier „conventions“ nennt, deckt sich vollständig mit dem von Pocock eingeführten Begriff der politischen Sprache. Es handelt sich dabei um „relevant linguistic commonplaces uniting a number of texts: shared vocabulary, principles, assumptions, criteria for testing knowledge-claims, problems, conceptual distinctions and so on“.88

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Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.), Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit, München 2006, S. 31–70; Luise Schorn-Schütte, Kommunikation über Herrschaft. Obrigkeitskritik im 16. Jahrhundert, in: Raphael/Tenorth (Hrsg.), Ideen, S. 71–108. Dies in Anlehnung an John L. Austin, How to do Things with Words. The William James Lectures Delivered at Harvard University in 1955, 2. Aufl. London 1992. Es geht um die Bestimmung des „illokutionären Akts“, d. h. um die Frage, was der Autor tut bzw. welche Absicht er verfolgt, wenn er spricht; Quentin Skinner, ‚Social Meaning‘ and the Explanation of Social Action, in: Tully, Meaning and Context, S. 79–98, hier S. 83 f. John G. A. Pocock, The State of the Art, in: Ders., Virtue, Commerce and History. Essays on Political Thought and History, Chiefly in the Eighteenth Century, Cambridge 1985, S. 1–34, hier S. 4. Ottow, Die ‚Cambridge School‘, S. 35–37. Vgl. Quentin Skinner, Conventions and the Understanding of Speech-Acts, in: Philosophical Quarterly 20 (1970), S. 118–138.

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I. Einleitung

3. Ein weiterer notwendiger Interpretationsschritt ist schließlich die Einbettung des Textes sowie seiner Aussagen in den politischen Kontext der Zeit. Politische Theorie wird dabei als politische Handlung verstanden, der Unterschied zwischen beiden Bereichen zwar nicht geleugnet, aber nicht als prinzipiell unüberwindbar gedeutet. Der Text fügt sich somit ein in die politische Kontroverse seiner Zeit, wobei jeweils zu untersuchen ist, ob der Autor mit seiner Äußerung eine Absicht verfolgt, die über die Sphäre des Diskurses in diejenige der politischen Praxis hineinreicht oder nicht. Das Verhältnis von Diskurs und Praxis wird dabei als wechselseitig bedingt angenommen: der politische Kontext ist eine wesentliche Bedingung für die Hervorbringung und die Art und Weise der produzierten Sprechakte. Umgekehrt sind aber die damit geschaffenen Ideologien wiederum ein „material factor“ für die politische Praxis, die davon durchaus nicht unberührt bleiben muß. Angewandt auf den Diskurs über die Legitimität politischer Handlungen heißt das: „the limits of the stretchability of the available ideologies set the limits to legitimate action“.89 Es sei hier allerdings angemerkt, daß sowohl Pocock als auch Skinner an einer Einbettung in den politischen Kontext weit weniger Interesse zeigten als an einer Untersuchung des sprachlichen Kontextes politischer Äußerungen.90 Die Verortung der jeweils untersuchten Protagonisten innerhalb der Figuration politischer Entscheidungsfindung, die Rekonstruktion von Machtlagen und sozialer bzw. ständischer Schichtung gehört nicht zu den bevorzugten Untersuchungsgegenständen beider Autoren. Dies verwundert auch deshalb, da eine Bestimmung der Motive und Intentionen eines Autors bei der Hervorbringung sprachlicher Äußerungen kaum gelingen dürfte, wenn man den sozialen und politischen Rahmen, in dem der Autor sich bewegte und in dem er seine Äußerung plazierte, außer acht läßt. 4. Pocock betont, daß politische Sprechakte, die er mehrfach auch in Anlehnung an den Strukturalismus mit dem Ausdruck parole benennt, sich orientieren müssen an den zur Verfügung stehenden politischen Sprachen, die er mit dem Begriff longue gleichgesetzt.91 Diese politischen Sprachen bestimmen wiederum Möglichkeiten und Grenzen des Gesagten: „For anything to be said or written or printed, there must be a language to say it in; the language determines what can be

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James Tully, The Pen is a Mighty Sword, in: Ders., Meaning and Context, S. 1–25, hier S. 23. Vgl. hierzu die Kritik von Ian Hampsher-Monk, Review Article: Political Languages in Time – The Work of J. G. A. Pocock, in: British Journal of Political Science 14 (1984), S. 89–116, hier S. 109; Mark Goldie, Obligations, Utopias and the Historical Context, in: HJ 26 (1983), S. 727–746, hier S. 733; sowie zusammenfassend Hellmuth/von Ehrenstein, Intellectual History, S. 165. Als Gegenentwürfe dürfen gelten: Richard Ashcraft, Revolutionary Politics and Locke’s ‚Two Treatises of Government‘, Princeton 1986; Jeffrey R. Collins, The Allegiance of Thomas Hobbes, Oxford 2005. Pocock, State of the Art, S. 5 passim. Als weitere Parallelbegriffe führt Pocock mitunter auch die Begriffe Vokabulare, Rhetoriken und Diskurse ins Feld; vgl. hierzu Pocock, Concept, S. 21. Diese Vielfalt trägt jedoch m. E. vor allem zur Verwirrung bei, weshalb hier dem Begriff der politischen Sprache der alleinige Vorzug gegeben werden soll, da sich dieser letztlich auch am stärksten mit dem vorgestellten theoretischen Konzept verbindet.

3. Biblizismus als political language

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said in it, but is capable of being modified what is said in it“.92 Dies habe keine Homogenisierung der Aussagen zur Folge – in einer politischen Sprache können durchaus gegensätzliche Standpunkte vertreten werden –, wohl aber einen gemeinsamen Kanon an Autoritätsinstanzen sowie ein bestimmtes Maß gemeinsamer Begriffe debattierter Themen.93 5. Um Aussagen über die Bedeutung und die Wirkung von Sprechakten treffen zu können, muß deren Rezeption gleichfalls berücksichtigt werden. Liegt ein Text der Öffentlichkeit erst einmal gedruckt vor, so unterliegt der Leser keiner Autorität, die ihm eine bestimmte Auslegung des Textes vorschreiben könnte.94 Pocock charakterisiert den Lesevorgang folgendermaßen: „any and all of the speech acts the text has been performing can be reperformed by the reader in ways nonidentical with those in which the author intended and performed them“.95 Zwar gibt es mannigfaltige Versuche von Autoren, auf die Interpretation ihrer Texte lenkend Einfluß zu nehmen, z. B. durch eigene Anmerkungen und Fußnoten im Text, durch im Vorwort vorab präsentierte Deutungsvorschläge etc.96 Der Erfolg dieser Bemühungen ist jedoch keineswegs garantiert. Allerdings steht der Historiker vor einem massiven Quellenproblem, sucht er die Aufnahme und Rezeption der von ihm untersuchten Texte bei den zeitgenössischen Lesern zu ermitteln. Allein die kontinuierliche Fortschreibung des Diskurses vermag ihm hier weiterzuhelfen. Oftmals erzwingen Sprechakte ihrerseits Antworten, führt eine Lektüre politischer Texte zum Verfassen von Gegenschriften. Auf diese Weise geht die Leseerfahrung in weitere Sprechakte ein, führt die Veröffentlichung eines Textes zur Entstehung immer weiterer Texte, die aufeinander Bezug nehmen und innerhalb einer politischen Sprache um die Deutungshoheit ringen. Es ist dieses „continuum of discourse“, das die Existenz einer politischen Sprache am deutlichsten unter Beweis stellt.97 Gerade für den Biblizismus läßt sich die Fortschreibung des Diskurses anhand von aufeinander folgenden Texten, d. h. von Schriften und Gegenschriften, die wiederum weitere Texte nach sich ziehen, häufig beobachten. Die Kategorie der politischen Sprache hat für die Erforschung von Diskursen eine vergleichbare Funktion wie der Begriff Struktur für die Interpretation menschlichen Handelns. Politische Sprachen liefern eine Disposition für politi-

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Pocock, Concept, S. 20. Pocock, State of the Art, S. 8–10. Vgl. hierzu Stanley Fish, Is there a Text in this Class? The Authority of Interpretive Communities, Cambridge (Mass.) 1980, S. 305; ferner grundlegend Kevin Sharpe/Steven N. Zwicker, Introduction: Discovering the Renaissance Reader, in: Kevin Sharpe/Steven N. Zwicker (Hrsg.), Reading, Society and Politics in Early Modern England, Cambridge 2003, S. 1–37, hier S. 2. Pocock, State of the Art, S. 29. Hierauf macht insbesondere Kevin Sharpe aufmerksam; Sharpe/Zwicker, Introduction, S. 5–8, sowie Sharpe, Reading Revelations, S. 122–125. Pocock, State of the Art, S. 28.

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I. Einleitung

sche Sprechakte, sie wirken zugleich ermöglichend als auch begrenzend. Innerhalb einer politischen Sprache ist eine bestimmte Bandbreite politischer Äußerungen möglich, bestimmte Aussagen schließt der Gebrauch einer Sprache jedoch jeweils aus. Die Ähnlichkeit der Kategorie der politischen Sprache mit derjenigen der Struktur hat dazu geführt, daß politische Sprachen mitunter mit den Begriffen „Mentalität“ oder „Habitus“ gleichgesetzt wurden.98 Damit wird aber letztlich der unterschiedliche Gehalt beider methodischen Konzepte mißverstanden.99 Ein Habitus wird durch Sozialisation erworben, gleichsam inkorporiert, um fortan Wahrnehmung und Weltanschauung, Verhalten und Lebensstil entscheidend zu prägen. Im Gegensatz zum Rollenverhalten, das dem Akteur je nach Rolle bestimmte Verhaltensweisen nahelegt und andere ausschließt, ist der Habitus nach Abschluß seiner Sozialisation fest mit der Person verknüpft, läßt sich weder austauschen noch beliebig neuen sozialen Erfordernissen anpassen.100 Politische Sprachen sind hingegen der Rollenkategorie weit näher als dem Habituskonzept. Für jeden Sprechakt steht dem Autor eine Auswahl verschiedener Sprachen zur Verfügung, derer er sich bedienen kann, sofern er deren Regeln beherrscht101 und eine bestimmte politische Sprache nicht prinzipiell – z. B. aus weltanschaulichen Gründen – ablehnt. Auch können in einem Text unterschiedliche Sprachen zugleich herangezogen werden – im politischen Diskurs ein keineswegs seltener Fall der Argumentation.102 Sollte es daher zu einer annähernden Deckungsgleichheit zwischen Habitus und der verwendeten politischen Sprache kommen, so ist dies die Ausnahme, keineswegs die Regel. Dieser Fall mag immer dann zutreffen, wenn aufgrund habitueller und weltanschaulicher Prägung aus der Summe der möglichen Sprachen nur eine als legitim erscheint, die anderen hingegen aus prinzipiellen Gründen verworfen werden müssen. So bleibt einem Presbyterianer im politischen Diskurs beinahe keine andere Wahl, als sich ausschließlich biblizistisch zu Wort zu melden, da ihm alle anderen Autoritätsinstanzen neben der Bibel bestenfalls als nachrangig, wenn nicht gar als illegitim zu gelten haben.

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So auch Quentin Skinner, The Foundations of Modern Political Thought, 2 Bde., Cambridge 1978, hier Bd. 1, S. XI, der die Begriffe „Mentalität“ und „political thinking“ gleichsam synonym gebraucht. Daß beides keineswegs miteinander identisch ist, betont Pocock, State of the Art, S. 18; Ders., Concept, S. 22. Pierre Bourdieu, Sozialer Sinn. Kritik der theoretischen Vernunft, Frankfurt a. M. 1993, S. 105–121. Pocock betont, daß auch eine politische Sprache angeeignet werden muß. Mit dieser Aneignung geht jedoch, im Gegensatz zum Habitus, nicht notwendigerweise eine Persönlichkeitsprägung einher. Es ist daher jeweils vom Bildungsstand des Autors abhängig, wie viele verschiedene politische Sprachen er sich zu eigen macht. Beispiele für Personen, die auf unterschiedlichen Klaviaturen zu spielen in der Lage sind, werden sich in den folgenden Kapiteln zahlreich finden. Pocock, Concept, S. 30 f.

3. Biblizismus als political language

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Pocock hat es schließlich unternommen, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen dem Konzept der politischen Sprachen und dem von Thomas Kuhn entwickelten Begriff des Paradigmas auszuloten. Auf den ersten Blick sind Gemeinsamkeiten unübersehbar: Den politischen Sprachen vergleichbar steuern die Paradigmen, was als Argument im Wissenschaftsdiskurs jeweils vorgebracht werden kann und was nicht.103 Diese Begrenzungen lassen sich Kuhn zufolge in den Naturwissenschaften nur durch eine wissenschaftliche Revolution durchbrechen, indem ein neues Paradigma an die Stelle des alten tritt.104 Bereits diese Annahme läßt sich allerdings kaum auf das Konzept der politischen Sprache übertragen, womit die gravierenden Unterschiede angesprochen sind, die beide Konzepte letztlich voneinander trennen: so ist zunächst der soziale Rahmen der untersuchten Debatten nicht vergleichbar. Die Regeln der politischen Öffentlichkeit und des politischen Diskurses sind weitgehend verschieden von denjenigen der wissenschaftlichen Gemeinschaft105 – was auch dann gilt, wenn man die Ausdifferenzierung der Wissenschaft im 17. Jahrhundert weniger optimistisch veranschlagt, als Kuhn und auch Pocock dies tun. So mag der naturwissenschaftliche Diskurs allein auf die Lösung von Erkenntnisproblemen ausgerichtet sein. Der politische Diskurs hingegen erfüllt mannigfaltige Funktionen: neben Erkenntnisfragen spielt auch die Legitimation und Delegitimation politischen Handelns eine große Rolle, die Beschwörung gemeinsamer Wertvorstellungen, das Evozieren von Feindbildern und vieles andere mehr.106 Vor allem aber erscheint der zur Beschreibung wissenschaftlichen Fortschritts in der Naturwissenschaft entwickelte Begriff des Paradigmas für den Ablauf politischer Debatten als zu starr, um übertragbar zu sein: im politischen Diskurs ist stets eine Vielzahl von politischen Sprachen zugleich im Gebrauch, die sich durchaus miteinander vereinbaren lassen und keineswegs notwendigerweise ausschließen.107 In zahlreichen Arbeiten wurde die Fruchtbarkeit des Konzeptes der political language eindrucksvoll unter Beweis gestellt.108 Wenn das Anliegen dieser Spielart von Ideengeschichte allerdings darin liegen soll, eine „sprachliche Landkarte der Frühmoderne“ zu entwerfen,109 so bleibt festzuhalten, daß bei der Verzeichnung der politisch einflußreichen Sprachen nach wie vor weiße Flecken zu konstatieren sind. Während die Sprache der ancient constitution oder des civic huma103 104 105 106 107

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Pocock, Languages, S. 15. Thomas S. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, 2. erg. Aufl. Frankfurt a. M. 2003, Kap. 9 und 10. Pocock, Languages, S. 16 f. Pocock, Languages, S. 18. Pocock, Concept, S. 21. Auf dieses Problem stößt man bereits, wenn man den ParadigmaBegriff für die Entwicklung in den Geisteswissenschaften fruchtbar zu machen sucht. Auch hier fallen schnell die Unterschiede zwischen Natur- und Geisteswissenschaft ins Auge; vgl. hierzu Stefan Haas, Historische Kulturforschung in Deutschland 1880–1930, Köln/Weimar/ Wien 1994, S. 446–453; Peter Burke, Varieties of Cultural History, Cambridge 1997, S. 177. Vgl. nur die Reihe Ideas in Context bei Cambridge University Press, die mittlerweile 80 Bände umfaßt. So die Formulierung bei Hellmuth/von Ehrenstein, Intellectual History, S. 159.

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I. Einleitung

nism bzw. des Republikanismus intensiv diskutiert werden, fristet der Biblizismus in der Cambridge school of political ideas eine wenig beachtete Schattenexistenz. Es wird sich jedoch m.E. zeigen lassen, daß sich der Biblizismus – also der Rückgriff auf die Bibel als entscheidende Autoritätsinstanz bei der Rede über politische Herrschaft – ebenfalls als eine politische Sprache auffassen läßt, die den politischen Diskurs auch und gerade in der Stuartmonarchie vor dem Bürgerkrieg wesentlich bestimmte. Daß dieses Thema bislang gerade von den Vordenkern der Cambridge school weitgehend unbeachtet blieb, mag auch damit zu tun haben, daß auch Pocock und Skinner nicht davor gefeit sind, in der Frühen Neuzeit die Ursprünge der Moderne zu verorten. Sowohl Pocock in seinem Machiavellian Moment als auch Skinner in den Foundations of Modern Political Thought verfolgen auf völlig unterschiedliche Weise letztlich dasselbe Ziel: das politische Denken der Moderne entweder wie Skinner auf das Werk vormoderner Autoren oder wie Pocock auf die Tradition vormoderner Sprachen zurückzuführen.110 Es liegt auf der Hand, daß eine solche Verknüpfung vormoderner und moderner politischer Ideen mit dem Biblizismus noch weit weniger erfolgsversprechend anmuten dürfte als im Falle des Republikanismus, unbeschadet der Frage, ob nicht auch hier die Unterschiede zwischen Machiavellis Rede von der Republik und der Debatte um die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika allzusehr zugunsten postulierter Gemeinsamkeiten kaschiert worden sind.111 So gesehen mag es geradezu ein Vorteil sein, daß sich die Gefahr einer vorschnellen Vereinnahmung von Sprechern und Autoren als Vordenker und Wegbereiter der Moderne im Falle biblizistischer Argumente kaum stellen dürfte. Nicht die vermeintliche Aktualität der Ideenwelt der Protagonisten, sondern umgekehrt die uns heute fremd und eigenartig erscheinende Form der Sinnstiftung bietet eine Gewähr dafür, daß eine Rekonstruktion der Motive und Intentionen der Autoren nicht zum bloßen Spiegelbild moderner Ideen gerät. Die Zielsetzung Skinners, mit Hilfe einer Analyse des sprachlichen und des gesellschaftlichen Kontextes den Intentionen der Autoren nachzuspüren, läßt sich ohne die Absicht einer Verknüpfung mit der Moderne zweifellos besser umsetzen.

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Vgl. Skinner, Foundation, Bd. 1, S. IX: „I hope to indicate something of the process by which the modern concept of the State came to be formed“. Vgl. ferner Hellmuth/von Ehrenstein, Intellectual History, S. 167. Vgl. hierzu insbesondere die wiederholt vorgebrachten kritischen Einwände von Wolfgang Mager, Art. Republik, in: Geschichtliche Grundbegriffe, hrsg. v. Otto Brunner/Werner Conze/Reinhart Koselleck, Bd. 5, Stuttgart 1984, S. 549–651; Ders., Genossenschaft, Republikanismus und konsensgestütztes Ratsregiment. Zur Konzeptionalisierung der politischen Ordnung in der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen deutschen Stadt, in: Luise Schorn-Schütte (Hrsg.), Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16./17. Jahrhunderts (HZ, Beih. 38), München 2004, S. 13–122.

II. BÜRGERKRIEG UND BIBLIZISMUS Ye will find a verrie near paralel betuixt Izrael and this churche, the only tuo suorne nations to the Lord. (Johnston, Diary I, S. 344)

1. Schottland auf den Spuren des Volkes Israel a) Der National Covenant Am 28. Februar des Jahres 1638 trafen sich zahlreiche einflußreiche schottische Adlige und Gutsbesitzer in der Greyfriars Kirk in Edinburgh, um durch ihre Unterschrift unter den Text der eigens hierfür verfaßten Confession of Faith einen Bund mit Gott einzugehen.1 Es folgten am nächsten Tag die Unterschriften von dreihundert Predigern sowie an den beiden darauffolgenden Tagen die der Stadtbevölkerung von Edinburgh. In ganz Schottland war die Bevölkerung dazu aufgerufen, dem Beispiel Edinburghs zu folgen und dem National Covenant beizutreten.2 Die Namen der Unterzeichner wurden ebenso protokolliert wie die Namen derjenigen, die sich weigerten, diesen Schritt zu vollziehen.3 Der gedruckte Text der Confession of Faith hatte allein im Jahr 1638 zehn Auflagen und verbreitete sich schnell in ganz Schottland. Dieser National Covenant markiert in Schottland den endgültigen Bruch mit der Regierungspraxis Karls I. Nachdem der Versuch des Königs, das in England gebräuchliche Book of Common Prayer auch in Schottland in nur wenig modifizierter Gestalt zur Grundlage des Gottesdienstes zu machen, bereits am 23. Juli 1637 in Edinburgh zu Tumulten geführt hatte, ließ sich der Graben zwischen den Erwartungen des Königs Karl auf weitgehende Konformität der englischen und der schottischen Kirche einerseits und dem in der schottischen Kirche und Gesellschaft verbreiteten Wunsch nach der Reinhaltung ihrer reformierten Kirche vor jedweden Elementen scheinbar katholischer Provenienz andererseits nicht mehr schließen. Der Bundesschluß des schottischen Volkes mit Gott suchte die schottische Nation in dem offen ausgesprochenen Wunsch nach Abwehr aller als 1

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Sir Archibald Johnston, einer der wichtigsten Initiatoren des Bundes, spricht vom „glorious marriage day of the Kingdome with God“; Sir Archibald Johnston of Wariston, Diary, hrsg. v. David Hay Fleming u. a., 3 Bde., Edinburgh 1896–1940, hier Bd. 1, S. 321 f. Zu den Ereignissen vgl. David Stevenson, The Scottish Revolution 1637–1644. The Triumph of the Covenanters, Worcester/London 1973, S. 82–84; David Hay Fleming, The Subscribing of the National Covenant, Edinburgh 1912; Robert Baillie, Letters and Journals, hrsg. v. David Laing, 2 Bde., Edinburgh 1841–42, hier Bd. 1, S. 78 f.; Johnston, Diary, Bd. 1, S. 322–325. Vgl. Morrill, Covenant, S. 14 f.

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II. Bürgerkrieg und Biblizismus

Neuerungen deklarierten Eingriffe in die Religionsausübung der schottischen Kirk zu einen: gegen den König, der für diese Neuerungen verantwortlich war und der das Book of Common Prayer in Schottland als königliches Edikt in Kraft zu setzen suchte.4 Es kann nicht verwundern, daß im Dokument des National Covenant selbst von einem Bruch mit dem König nicht die Rede ist. Vielmehr waren die Autoren bestrebt, ihren folgenreichen Schritt so weit wie nur irgend möglich abzusichern durch die Anknüpfung an die schottische Rechtstradition. Die Covenanters inszenierten ihren Bund als Wiederbelebung des Bundes, der im Jahr 1581 von König Jakob selbst initiiert wurde und als King’s Confession in die Geschichte einging. Der Text dieses Bekenntnisses, der seinerzeit zuerst vom König selbst und seinem Hofstaat und anschließend von der überwiegenden Mehrzahl der Schotten unterzeichnet wurde, wird in vollem Wortlaut wiedergegeben und bildet damit zugleich den ersten Teil des National Covenant. In diesem Bekenntnis hatte der König geschworen, den römischen Antichristen vollständig in der schottischen Kirche auszumerzen, mit all seinen Riten, Zeremonien und seiner falschen Lehre. Diese Agenda machten sich die Covenanters zu eigen. Des weiteren sollte eine Auflistung einer beeindruckenden Zahl von Parlamentsbeschlüssen, die derselben Agenda verpflichtet waren, gleichfalls belegen, daß sich die Covenanters auf dem festen Boden der schottischen Rechtstradition befanden.5 Den Covenanters dienten diese Präzedenzfälle als Ermutigung, dem Beispiel König Jakobs zu folgen und ihrerseits einen Bund mit Gott einzugehen, im Rahmen dieses Bundes das politische Anliegen zu formulieren und mit einem Eid zu beschwören.6 Obzwar sie in ihrer Rhetorik um Zurückhaltung bemüht waren, wurde mit dem Bundesschluß gleichwohl der Gehorsam zu Karl I. faktisch aufgekündigt, zumindest an ihm unannehmbare Bedingungen geknüpft. In ihrem Eid schwören die Covenanters zunächst, die Religion des Landes gegen alle „corruptions“ zu verteidigen. Dies bezog sich zunächst sicherlich auf die Einführung des Book of Common Prayer. Zugleich sollten aber auch alle in der Vergangenheit eingeführten Neuerungen in der Liturgie annulliert werden, sofern sie nicht von „free assemblies“ und vom Parlament verabschiedet worden waren. Damit waren 4

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Allan I. Macinnes, Covenanting Ideology in Seventeenth-Century Scotland, in: Jane H. Ohlmeyer (Hrsg.), Political Thought in Seventeenth-Century Ireland. Kingdom or Colony, Cambridge 2000, S. 191–220; Ders., Charles I and the Making of the Covenanting Moment 1625–1641, Edinburgh 1991, S. 158–173; J. B. Torrance, The Covenant Concept in Scottish Theology and Politics and its Legacy, in: Scottish Journal of Theology 34 (1981), S. 225–243; S. A. Burrell, The Covenant Idea as a Revolutionary Symbol: Scotland, 1596–1637, in: Church History 27 (1958), S. 338–350. Die Auswahl der den Covenant legitimierenden Parlamentsbeschlüsse war wesentlich das Werk von Sir Archibald Johnston, Lord Wariston, der zu einem der wichtigsten Politiker der Covenanters aufsteigen sollte. Er verfaßte den Text des Covenant; vgl. John Coffey, Sir Archibald Johnston, Lord Wariston, in: ODNB 30 (2004), S. 338–346. The Confession of Faith of the Kirk of Scotland, Edinburgh 1638, hier zitiert in: W. Croft Dickinson/Gordon Donaldson/Isabel A. Milne (Hrsg.), A Source Book of Scottish History, 3 Bde, London u. a. 1953, hier Bd. 3, S. 95–104.

1. Schottland auf den Spuren des Volkes Israel

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nicht nur alle unter Karl I. erlassenen Weisungen mit einem Schlag annulliert, sondern auch kirchenpolitische Neuerungen seines Vorgängers Jakob VI. standen nun in Frage, sofern die Covenanters die General Assemblies, die diesen Neuerungen zustimmten, nicht als frei einstuften.7 Als weiteres Ziel formulierten die Covenanters, man wolle „the Kings Majesty, his Person and Authority, in the defence and preservation of the foresaid true Religion, Liberties and Lawes of the Kingdome“ verteidigen. Gilt die Verteidigung des wahren Glaubens uneingeschränkt, so ist die Verteidigung der Königsherrschaft an eine klare Bedingung geknüpft, nämlich, die Religion Schottlands unangetastet zu lassen.8 Die Verteidigung richte sich „against all sorts of persons whatsoever“.9 Sollte sich daher der König nicht zum Schutz der in Schottland etablierten Glaubenspraxis bereit erklären, sondern im Gegenteil weiter an der Einführung der Neuerungen festhalten, so müßte man den wahren Glauben in diesem Fall auch vor dem König schützen.10 Daß der Bund als Rebellion gedeutet werden könne, war den Unterzeichnern bewußt.11 Und die Reaktion Karls I. ließ keinen Zweifel daran, daß er den Covenant mit Rebellion und Hochverrat gleichsetzte.12 Die Konzeption eines „covenanted king“, also eines in seiner Herrschaftsgewalt beschränkten Königs in einem theokratischen Staat, dessen Rechtgläubigkeit von der General Assembly als oberster Kirchenversammlung überwacht werden sollte, war für Karl unan7

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Vgl. John Morrill, The National Covenant in its British Context, in: Ders. (Hrsg.), The Scottish National Covenant in its British Context, Edinburgh 1990, S. 1–30, hier S. 11 f.; ferner Allan I. Macinnes, The Scottish Constitution 1638–51. The Rise and Fall of Oligarchic Centralism, in: Morrill, Scottish National Covenant, S. 106–133, hier S. 109–111; Interpretationen, die den National Covenant nur als Abwehr von „Laudian religious innovations“ auffassen, greifen daher zu kurz; vgl. hierzu Ian Michael Smart, The Political Ideas of the Scottish Covenanters 1638–88, in: History of Political Thought I/2 (1980), S. 167–193, hier S. 167. Hierzu überzeugend Conrad Russell, The Fall of the British Monarchies 1637–1642, Oxford 1991, S. 51 f.; Macinnes, The Scottish Constitution, S. 111 f. Dickinson/Donaldson (Hrsg.), A Source Book, Bd. 3, S. 102. Macinnes, Covenanting, S. 201–203. Dickinson/Donaldson (Hrsg.), A Source Book, Bd. 3, S. 103: „neither do we fear the foul aspersions of rebellion, combination, or what else our adversaries from their craft and malice would put upon us“. [Walter Balcanquhall], A Large Declaration Concerning the Late Tumults in Scotland, from their First Originalls together with a Particular Deduction of the Seditious Practices of the Prime Leaders of the Covenanters. By the King, London 1639, S. 70: „That band which was made in defence of Our person and authoritie, against all treason at home and invasion from abroad, is now principally made against Us, if We shall oppose their courses; and next, against all such of Our loyall subjects as shall adhere to Us in defence of Our person and authoritie: For these words, against all persons whatsoever, not excepting Us, shewes their bad meaning too well.“ Ebenso auch Karl I., A Proclamation and Declaration to Inform our Loving Subjects of our Kingdom of England of the Seditious Practises of Some in Scotland, Seeking to Overthrow our Regall Power under False Pretenses of Religion, London 1638, worin verlautbart wird: „which Band and Covenant (or rather Conspiracy) of theirs, could not be with God, being against us the Lords anointed [sic] over them.“ Diese Sicht der Dinge sollte von den Kanzeln aller englischen Gemeinden verkündet werden.

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II. Bürgerkrieg und Biblizismus

nehmbar.13 Damit war offenkundig, daß von den drei proklamierten Zielen der Covenanters – die Aufrechterhaltung des wahren Glaubens, der Königsherrschaft und des Friedens in Schottland – nicht alle zugleich Wirklichkeit werden konnten. Ebenso stand fest, daß der Kampf für eine weitgehend presbyterianisch ausgerichtete Kirche für die Covenanters uneingeschränkte Priorität hatte. Sofern der König nicht zur Unterschrift unter den Covenant und damit zur vollständigen Aufgabe seiner kirchenpolitischen Vorstellungen bereit war, ließ sich ein bewaffneter Konflikt kaum vermeiden. Verschärfend kam hinzu, daß die Covenanters auf der General Assembly in Glasgow Ende 1638 die Kirchenpolitik der Stuarts vollständig revidierten. Auf dieser Sitzung verdammte der schottische Klerus nicht nur das Book of Common Prayer, sondern auch die Existenz von Bischöfen in der Kirche, die fünf Artikel von Perth aus dem Jahr 1618, die High Commission als bischöfliches Disziplinargericht in der Kirche etc. Vom Furor des Klerus waren daher auch Maßnahmen betroffen, die auf Initiative von Karls Vorgänger, Jakob VI., in die Kirche eingeführt worden waren, und zwar nach Zustimmung sowohl der General Assembly als oberster Kirchenversammlung als auch des schottischen Parlaments. Wenn von Friedeburg hervorhebt, daß der Covenant keine Absage an die Monarchie gewesen sei,14 so ist dies zwar vordergründig richtig in dem Sinne, daß der National Covenant kein Zeugnis einer republikanischen Gesinnung der Unterzeichner darstellt. Daß der Bundesschluß gleichwohl ein Akt des Widerstands gegen den König war, zeigt schon ein Blick auf die Ereignisse selbst. Die Zusammenkunft der Unterzeichner erfolgte, nachdem König Karl in einer proclamation ausdrücklich jegliche Zusammenkunft von Protestierenden gegen das Prayerbook unter der Androhung verboten hatte, eine Mißachtung dieser Anweisung als Hochverrat anzusehen und dementsprechend bestrafen zu lassen.15 Auch kann kein Zweifel darüber bestehen, daß die Monarchie theokratischer bzw. hierokratischer Prägung, die den Covenanters als erstrebenswerter politischer Idealzustand vorschwebte, grundsätzlich andersgeartet war als eine Königsherrschaft, die dem König neben seiner Herrschaftsrolle als Monarch in weltlichen Dingen auch die Funktion als Oberhaupt der Kirche zuschrieb. Die Autoren des Textes des National Covenant verzichteten darauf, die Bibel explizit zur Legitimierung des eigenen Vorgehens einzusetzen. Allein der Akt eines inszenierten kollektiven Bundes mit Gott machte die Vorbildhaftigkeit des 13

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Vgl. zur Herrschaftskonzeption der Covenanters Margaret Steele, The „Politick Christian“. The Theological Backround to the National Covenant, in: Morrill (Hrsg.), Scottish National Covenant, S. 31–67, hier S. 56; zur Rolle der General Assembly vgl. Macinnes, The Scottish Constitution, S. 111. Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, S. 134; anders dagegen Macinnes, The Scottish Constitution, S. 108 f. Register of the Privy Council of Scotland, hrsg. v. John Hill Burton, 39 Bde., Edinburgh 1877–1970, hier 2nd series/Bd. 7 (1638–43), Edinburgh 1906, S. 3 f.; Robert Steele, A Bibliography of Royal Proclamations of the Tudor and Stuart Sovereigns and of Others Published under Authority 1485–1714, 2 Bde., Oxford 1910, Bd. 2, S. 1672.

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Volkes Israel hinreichend sinnfällig. In der Druckfassung des von den Covenanters unterzeichneten Textes wird erkennbar, welcher Tradition sich die Unterzeichner verpflichtet fühlen.16 Drei bereits auf dem Titelblatt angeführte Bibelstellen liefern Vorbilder, denen die Covenanters nachzueifern beabsichtigten. Erinnert wird an den Bund des Volkes Israel mit Gott auf Initiative des Propheten Josua (Jos 24,25), an den Bundesschluß, der auf Initiative des Hohepriesters Joiada erfolgte (2 Kön 11,17) sowie schließlich an Gottes Versprechen, das Volk Israel als sein Volk anzunehmen, zu entsühnen und aus der babylonischen Gefangenschaft herauszuführen (Jes 44,5). Mehr noch als im Text des National Covenant spiegelt sich in den hier ausgesuchten Textstellen das Selbstverständnis der Covenanters wider. Josuas Bundesschluß gibt den Grundgedanken des Bundes als einen Vertrag mutua obligatio auf klare Weise wieder: Das Volk schwört Gott Gehorsam, was gleichbedeutend ist mit dem Verzicht auf jede Form des Götzendienstes, um auf diese Weise Gottes Segen und Hilfe zu erhalten. Der nachfolgende Bundesschluß sowie die Verheißung für das Volk Israel sind Bekräftigungen des ursprünglichen Bundes, nachdem das Volk sich dem Götzendienst hingegeben hatte: im ersten Fall war es der Baalskult, der durch das Haus Ahab betrieben wurde, im zweiten Fall war es die Anlehnung des Königs Ahas an das assyrische Reich und die Einführung des assyrischen Kultes im Jerusalemer Tempel. Es ist auffällig, daß unter den zitierten biblischen Vorbildern des Covenant kein Bund aufgeführt ist, der von einem König initiiert wurde: Der Bund des Königs Hosia (2 Kön 23,1–3) beispielsweise wird übergangen. Die angeführten Initiatoren für den Bund des Volkes mit Gott sind dagegen ein Prophet und ein Hohepriester, also Personen, die man als alttestamentliche Vorläufer für die Kirche – gewissermaßen als Präfiguration der Rolle der schottischen Geistlichen – in Beschlag nehmen konnte. b) Interpretationshilfe I: Gillespies Traktat gegen die ceremonies Auf welch weitreichende Weise sich das Denken der Covenanters aus einer besonderen Interpretation biblischer Texte speiste, wird im Bundestext selbst nur unzureichend deutlich. Die Publizistik gibt hierüber mehr Auskunft. 1637 legte der Theologe George Gillespie, der in den kommenden Jahren zu einem der führenden Geistlichen des Landes aufsteigen sollte, einen Traktat mit dem Titel A Dispute against English Popish Ceremonies vor, in dem er auf umfassende Weise gegen die Neuerungen in der schottischen Kirche zu Felde zog und zugleich die Notwendigkeit einer Rückkehr zu den Wurzeln der schottischen Reformation biblizistisch untermauerte. Die Tragweite von Gillespies Argumentation wird 16

Confession of Faith; Die heilsgeschichtliche Dimension, in die die Covenanters ihren Bund einordneten, wird auch in Selbstzeugnissen der Zeit sichtbar, so im Tagebuch von Sir Archibald Johnston; Johnston, Diary, Bd. 1, S. 275, wo dieser den Bund mit folgenden Worten beschreibt: „the rebuilding of Gods house, and casting doune of the Kingdome of Antichryst“.

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bereits daran erkennbar, daß der schottische Geheime Rat im Oktober des Jahres 1637 anordnete, alle Exemplare von George Gillespies Traktat einzusammeln und durch einen Scharfrichter öffentlich verbrennen zu lassen.17 Den Autor selbst dürfte diese Reaktion der Obrigkeit auf sein Werk kaum überrascht haben: Er hielt es nicht nur für geboten, den Traktat anonym zu veröffentlichen, sondern wählte darüber hinaus Leiden oder Amsterdam als Druckort. Damit reiht sich seine Schrift in eine lange Kette von Werken ein, die aus niederländischen Pressen stammten und die Kirchenpolitik in Schottland und England kritisierten. Die öffentliche Verbrennung war ein bereits bewährtes Mittel zur Bekämpfung solcher Traktate18 und zugleich die logische Folge einer Argumentation, die bereits im Titel des Werkes deutlich zum Vorschein kommt. Gleichwohl wirkt der Beschluß des schottischen Rates im Rückblick wie der hilflose Versuch, der Dynamik der Ereignisse auf diese Weise noch Herr zu werden. Seit dem Versuch, das englische Book of Common Prayer auch in Schottland einzuführen, war die politische Lage gespannt. Bereits die Zeitgenossen haben diese Ausschreitungen als Auftakt zum schottischen Aufstand gegen den König und damit auch als Beginn des Bürgerkrieges auf den britischen Inseln gesehen.19 Gillespies zur gleichen Zeit erschienene theologische Streitschrift liefert ein breites Angebot an Argumenten, auf das sich auch die Covenanters – wie die Aufständischen nach ihrem oben beschriebenen Bundesschluß heißen sollten – zur Legitimation ihrer Politik gegenüber Karl I. stützen sollten. An seinem Traktat läßt sich gut ablesen, wie sich die politische Lage in Schottland darstellen ließ, wenn man sie durch den Filter biblischer Maximen und Exempla betrachtete. Gillespie richtete sein Interesse zunächst auf die sogenannten ceremonies in der Kirche. Darunter fällt die Einführung der kirchlichen Festtage an Weihnachten, Karfreitag und Ostersonntag, Christi Himmelfahrt und Pfingsten, ferner das Knien während der Kommunion, die Möglichkeit, Taufen notfalls auch im privaten Rahmen ausführen zu können sowie das Segnen von Kindern im Rahmen einer Konfirmation durch den Bischof. All diese Bestimmungen lehnt Gillespie kategorisch ab und verdammt sie als Götzendienst, als „verrotteten papistischen Abschaum“, den die Kirche bereits einmal zur Zeit der schottischen Reformation „angeekelt ausgespien habe“, der nun aber erneut die schottische Kirche zu vergiften drohe.20 Es ist bezeichnend, daß sich Gillespies Furor gar nicht gegen die Einführung des Book of Common Prayer richtete – von dieser neuerlichen Zumutung ahnte er 17 18

19 20

Steele, Bibliography, Bd. 2, S. 1667. David Cressy, Book Burning in Tudor and Stuart England, in: Sixteenth Century Journal 36 (2005), S. 359–374; Cyndia Susan Clegg, Burning Books as Propaganda in Jacobean England, in: Andrew Hadfield (Hrsg.), Literature and Censorship in Renaissance England, Basingstoke 2001, S. 165–186. Vgl. nur die Schilderung der Ereignisse bei [Balcanquhall], A Large Declaration, S. 31. [George Gillespie], A Dispute against the English-Popish Ceremonies, Obtruded upon the Church of Scotland […], [Leiden] 1637, Epistle, Fol. A3r: „rotten dregges of Poperie […] once beene spewed out with detestation“.

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zur Zeit der Abfassung seiner Streitschrift noch nichts.21 Seine Kritik entzündete sich an den fünf Artikeln von Perth, die noch unter Jakob VI. im Jahr 1618 von der General Assembly, der höchsten Kirchenversammlung in Schottland, verabschiedet und im Jahr 1621 vom schottischen Parlament ratifiziert wurden. Die Artikel von Perth wurden damit sowohl von der schottischen Kirche selbst als auch vom Parlament in Kraft gesetzt, im Gegensatz zu allen kirchenpolitischen Maßnahmen Karls I., die alle auf dem Weg königlicher Edikte Geltung erlangten.22 Gleichwohl fanden die Beschlüsse der Assembly zu Perth vor Gillespies Augen keine Gnade. Zum einen erinnert er an den politischen Druck, dem alle Anwesenden der Assembly seinerzeit ausgesetzt waren.23 Zum anderen aber legt Gillespie zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Zeremonialbeschlüsse einen Maßstab an, der sich über die Legitimität formal korrekt zustandegekommener Beschlüsse erhebt: We say then, that God tooke away from his people Israell, some of the liberty, which his morall Law permitted to them, because he was the Law giver, and Lord of the Law, and that the King and the Church can not doe the like with us, because they are no more Lords over Gods Law, then the people who are set under them.24

Gillespie unterwirft die ceremonies ebenso dem Gesetz Gottes wie die christliche Glaubenslehre. Damit entzieht er der Kirche ebenso wie der weltlichen Obrigkeit jedwede Verfügungsgewalt über die Einrichtung des Gottesdienstes und sieht allein im Gesetz Gottes die dafür maßgebliche Richtschnur, der sich alle gleichermaßen unterzuordnen hätten. Den Aspekt dauerhafter Gültigkeit unterstreicht Gillespie dadurch, daß er das Gesetz, welches die Einführung neuer ceremonies in der schottischen Kirche verbiete, den Moralgesetzen zurechnet, die auch mit dem Erscheinen Christi auf Erden nichts von ihrer Gültigkeit eingebüßt hätten – im Unterschied zum Zeremonialgesetz und den politischen Bestimmungen, die nur für Juden, nicht aber für Christen, bindend seien. Das Gesetz zur Reinhaltung der Verehrung Gottes und zum Verbot jeglicher Form des Götzendienstes sei allerdings im neuzeitlichen Schottland ebenso zu beachten wie in der kanaanitischen Wüste nach der Errettung aus der Herrschaft des Pharao. Daß die in Perth festgeschriebenen ceremonies zur Gottesverehrung untauglich und als Götzendienst zu verdammen seien, ist für Gillespie allein durch ihre Nähe zu den Riten der katholischen Kirche evident.25 21

22 23

24 25

Gillespie sollte die Kritik an der Einführung des Book of Common Prayer indes umgehend nachliefern; vgl. [George Gillespie], Reasons, for which the Service Booke, Urged upon Scotland ought to bee Refused, [Edinburgh] 1638. Vgl. hierzu Russell, Fall, S. 46. [Gillespie], Dispute, Teil I, S. 19: “And who among us knoweth not, how in the Assembly of Perth, free reasoning was shut to the doore, and all eares were filled with the dreadfull pale of Auctority?“ Ebd., Teil I, S. 22. Ebd., Teil II, S. 36. „we can not conforme, communicat, and symbolize with the Idolatrous Papists, in the use of the same, without making our selves Idolaters by participation. Shall the

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Gillespie bezieht sich insbesondere auf die im Deuteronomium enthaltene Ermahnung zur strikten Gesetzestreue (Dtn 4,2) und die darin enthaltene Weisung, zum Gesetz nichts hinzuzufügen oder zu entfernen.26 Diese Auflage gilt für ihn insbesondere bei Fragen, die den Gottesdienst und seine formale Gestalt betreffen. Die Befürworter der ceremonies waren selbstverständlich gleichfalls davon überzeugt, mit den Vorgaben des Gesetzes Gottes im Einklang zu stehen. Allerdings waren sie der Auffassung, daß der äußere Ablauf des Gottesdienstes ebenso wie viele organisatorische Belange der Kirche keineswegs durch die Schrift vorgeschrieben sei. Diese „äußeren Dinge“ seien keine Glaubensbestandteile, sondern für die Frage nach dem Seelenheil der Gläubigen irrelevant, sogenannte Adiaphora, die auf Geheiß der Kirche oder aber der weltlichen Obrigkeit und angepaßt an die historischen und gesellschaftlichen Bedingungen der Zeit jeweils neu einzurichten seien.27 Weder die Zurechnung der ceremonies zu den Adiaphora noch die sich daran anschließende Behauptung, die Verfügungsgewalt über diese Adiaphora obliege der weltlichen Obrigkeit, hält Gillespie für gerechtfertigt.28 Um dieser Interpretation die Legitimität zu entziehen, wählt er sich mit Marc’ Antonio de Dominis einen prominenten Verfechter dieser Lehre aus und argumentiert gegen dessen Werk De republica ecclesiastica. Gegenstand der Kontroverse ist insbesondere de Dominis Feststellung, daß alle Fragen, die die Kirche betreffen, durch den König und von ihm erlassene Gesetze zu regeln seien.29 Die zahlreichen Schriftstellen, die de Dominis zur Legitimation dieser Position anführt und die Gillespie zu deren Widerlegung auf abweichende Weise auslegt, stammen dabei ausnahmslos aus dem deuteronomistischen Geschichtswerk des Alten Testaments, entweder aus den fünf Büchern Mose oder aber aus den beiden Chronikbüchern. Während de Dominis zahlreiche Könige – angefangen von David über Salomon, Hiskija bis zu Hosia – als Exempla anführt, deren Taten in Belangen des Gottesdienstes ihre königliche Amtskompetenz beweisen sollen, ist Gillespie in seiner Auslegung dieser Exempla um den Nachweis bemüht, daß all diese Taten nicht Folge des Königsamtes, sondern entweder wie im Falle Davids oder Salomons Ausdruck ihrer Prophetenstellung oder aber Folge direkter göttlicher Intervention gewesen seien: Könige hätten allenfalls eine ausführende Rolle gespielt.30 Gillespie zufolge

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29 30

Chast Spouse of Christ take upon her the ornaments of the Whoore? Shall the Israell of God symbolize with her, who is spiritually called Sodome and Egypt? Shall the Lords redeemed people weare the ensignes of their captivity? Shall the Saincts be seen with the marke of the beast? Shall the Christian Church be like the Antichristian, the Holy like the Prophane, Religion like Superstition, the Temple of God like the Synagogue of Sathan?“ Ebd., Teil II, S. 118. Die Parallelstelle Spr 30,6 wird gleichfalls angeführt. Gillespie geht bereits in seinem vorangestellten Brief an den Leser auf diese Unterscheidung ein; ebd., Epistle s.p. Für Gillespie zählen vielmehr alle Dinge, die den Gottesdienst betreffen, gleichermaßen zu den „spiritualia“; ebd., Teil II, S. 126. Zur Auseinandersetzung über die Adiaphora s. u. Kap. V.3. Ebd., Teil II, S. 124. Ebd., Teil II, S. 124–130.

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lasse sich aus den von de Dominis genannten Beispielen nur eine Botschaft an die Könige entnehmen: daß sie in ihrem Herrschaftsgebiet alle Formen des Götzendienstes abschaffen sollten. Die von de Dominis aufgeführten Könige hätten dieser Auflage entsprochen und dienten daher als positive Exempla für die Herrscher der Christenheit. Weitergehende Kompetenzen eines Königs über die Kirche ließen sich daraus jedoch nicht ableiten.31 So wie de Dominis Gillespie dazu diente, die Rolle des Königs als Oberhaupt der Kirche in Frage zu stellen, wendet er sich anschließend gegen Hadrian Saravia und dessen Traktat De imperandi authoritate, insbesondere gegen die von Saravia betriebene Absolutsetzung von Römer 13 und der darin enthaltenen Weisung des Paulus, der Obrigkeit zu gehorchen um des eigenen Seelenheils willen. Gillespie betont in Abgrenzung zu Saravia insbesondere die Grenzen der königlichen Gewalt: O wisedome of God, by whom Kings doe raigne & Princes decree Iustice upon whose thigh & vesture is written King of Kings & Lord of Lords; make the Kings of the Earth to know that their Lawes are but Regulae regulatae, and mensurae mensuratae. Be wise now therefore. O ye Kings: Be instructed ye Iudges of the Earth. Serve the Lord with feare, and rejoyce with trembling.32

Der Anspruch auf grenzenlose Gewalt sei Gillespie zufolge vor allem ein Kennzeichen des Papstes, dem die Könige keinesfalls nacheifern sollten, da nicht zuletzt dieser übersteigerte Herrschaftsanspruch den Papst als Personifikation des Antichristen entlarve.33 Römer 13 legt Gillespie in bewußter Anknüpfung an David Pareus aus, einen prominenten calvinistischen Theologen der Universität Heidelberg, der 1608 einen bedeutenden Kommentar zur Auslegung des Römerbriefes vorgelegt hatte. Dessen obrigkeitskritische Aussagen veranlaßten bereits Karls Vorgänger dazu, dieses Werk öffentlich verbrennen zu lassen.34 Die offizielle Verurteilung von Pareus’ Deutung von Römer 13 konnte Gillespie jedoch nicht davon abhalten, seine eigenen Aussagen zur Einschränkung des Gehorsamsgebots explizit von Pareus abzuleiten: Die Obrigkeit könne nur dann Gehorsam erwarten, wenn sie erkennbar dem Gemeinwohl und Gottes Gesetzen verpflichtet sei.35 Was auf den ersten Blick wenig spektakulär erscheint – wird Königen doch von niemandem das Recht eingeräumt, Gottes Gesetzen zuwiderzuhandeln – hat gleichwohl ernstzunehmende politische Konsequenzen. Die Bindung der Gehorsamspflicht an das Gemeinwohl, an Gillespies Kautele, der Herrscher müsse „only for our good“ regieren, womit er vor allem das Seelenheil im Blick haben dürfte und den Herrscher auf die Übereinstimmung mit den Forderungen der General Assembly verpflichtete, war eine schwerwiegende Einschränkung der königlichen Herr31 32 33 34 35

Ebd., Teil II, S. 130. Ebd., Teil II, 132. Zu Saravias Traktat s. u. Kap. V.2. Ebd., Teil II, S. 134. Zu Pareus s. u. Kap. VI 3b. [Gillespie], Dispute, Teil II, S. 134.

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schaftsrechte. Die Verknüpfung des salus-populi-Gedankens mit dem Gottesgesetz führt zu folgenden Imperativen für die Untertanen: Whatsoever ye doe (though commanded by Superiours) doe all to the Glory of God. Let all things (though commanded by Superiours) be done to edifying. Whatsoever is not of Faith (though commanded by Superiours) is sinne.36

Für den regierenden Monarchen können diese Einschränkungen vor allem deswegen gefährlich werden, da ihm die Interpretationshoheit über die Frage, was das Gesetz Gottes im Einzelfall gebiete oder aber ausschließe, vollständig entzogen bleibt. Die Entscheidungsgewalt über die Frage, was Glauben und was Sünde sei, liegt vielmehr ausschließlich bei den Amtsträgern der Kirche. Der Kirchenversammlung obliegt außerdem das Recht auf Exkommunikation, von der auch der König selbst nicht prinzipiell ausgeschlossen werden kann, während er selbst keine Kompetenz für sich in Anspruch nehmen könne, ihm unliebsame Prediger zur Verantwortung zu ziehen.37 Gillespie vermag aus diesen Überlegungen im Zusammenhang mit den Artikeln von Perth nur folgenden Schluß zu ziehen. Die eingeführten ceremonies zu verweigern sei geradezu die notwendige Gehorsamspflicht aller wahren Gläubigen und kein Affront gegenüber der Obrigkeit: Our refusall to conforme to inconvenient Ceremonies, beeing a necessary duty, if the Magistrate be provoked therewith, we are blamelesse: neither can it any otherwise provoke him to disgrace those well deserving Ministers, then Moses his seeking of liberty for Israell to goe and serve God according to his will, provoked Pharaoh the more to oppresse them; or then Christs preaching of the truth, and his abstaining from the superstitious Ceremonies of the Pharisees, provoked them to disgrace him, and plot his hurt.38

Gillespie benennt hier die Kontrahenten im schottischen Glaubensstreit: Auf der einen Seite stehen die wahren Gläubigen, präfiguriert durch Moses und Christus, auf der anderen Seite stehen Geistliche, die in der Nachfolge des ägyptischen Pharao und der Pharisäer die Zerstörung der wahren Kirche beabsichtigten. Es fällt nicht schwer, in den Fußstapfen von Moses und Christus die Presbyterianer und auf der Gegenseite ihre Widersacher in der Kirche, insbesondere die Bischöfe, zu erblicken. Doch welche Rolle ist dem König selbst zugedacht? Auch wenn Gillespie sich zur Rolle des Königs hier nicht äußert, hält sein Vergleich ein für Karl I. wenig schmeichelhaftes Vorbild parat: den ägyptischen Pharao, Inbegriff tyrannischer Übergriffe gegen das von Gott auserwählte Volk. Negative Exempla israelischer Könige gesellt Gillespie als abschreckende Beispiele hinzu. Fände sich im Alten 36 37

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Ebd., Teil II, S. 142. Ebd., Teil II, S. 197. Da der König selbst keinerlei Jurisdiktionsgewalt auf Geistliche in kirchlichen Angelegenheiten ausüben durfe, könne er dieses Recht auch nicht an andere übertragen, z. B. an die High Commission. Diese Einrichtung, die in Schottland in Anlehnung an ihr englisches Vorbild im Jahre 1610 eingeführt worden war, hält Gillespie daher für eine Usurpation kirchlicher Jurisdiktionsrechte. S. u. Kap. VI 1. [Gillespie], Dispute, Teil II, S. 7.

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Testament aus naheliegenden Gründen kein einziges positives Beispiel für die Einführung von Neuerungen in der Religion, gäbe es an negativen Beispielen keinen Mangel. Gillespie nennt insbesondere die Könige Jerobeam und Ahas als mahnende Anschauungsobjekte für die Folgen frevelhafter Innovationsfreude.39 War Jerobeam gewissermaßen der erste Götzendiener des Nordreichs Israel, der den Tempel in Jerusalem durch zwei neue Heiligtümer in Betel und Dan zu ersetzen suchte, so steht Ahas mit seinem Auftrag, den Altar von Damaskus im jüdischen Tempel nachzubauen, am Ende dieser Reihe. Seine Taten waren ebenso wie die seiner Vorgänger für die von Gott ins Werk gesetzte vollständige Zerstörung des Nordreiches Israel verantwortlich – und eigneten sich daher vorzüglich für Gillespie, um die desaströsen Folgen der königlichen Religionspolitik Jakobs VI. und Karls I. für Schottland darzulegen. Dabei wurde das Sakrileg der beiden Stuartkönige in Gillespies Augen noch dadurch vergrößert, daß sie mit ihrer Politik gegen den Eid verstießen, den König Jakob VI. und mit ihm das ganze schottische Volk im Jahr 1581 abgelegt hatten: die sogenannte King’s Confession.40 Dieser Bund sei keineswegs erloschen, sondern unter Jakob VI. wiederholt bekräftigt worden und weiterhin in Kraft. Es gelte daher, gemäß den Bestimmungen dieses Bundes zu handeln. In diesem Argument wird die Übereinstimmung von Gillespies Argumentation mit den Motiven der Covenanters, die 1638 den Bund erneuerten, besonders deutlich erkennbar. Der Rückgriff auf Maximen und Exempla der Bibel hat in Gillespies Traktat vor allem zwei Funktionen. Die Heilige Schrift ist zunächst der Ort, der über das Gesetz Gottes Auskunft geben konnte. Dieses Gesetz entnimmt Gillespie den deuteronomischen Schriften des Alten Testaments, und er reduziert dessen Essenz auf eine Aussage: die Pflicht zur Vermeidung des Götzendienstes. Unter dieses Verdikt fallen dabei alle Formen des Gottesdienstes, die sich nicht bereits aus der Heiligen Schrift selbst ableiten lassen. Diese Gesetzesbindung wird von Gillespie absolut gesetzt und entzieht den in Schottland handelnden Akteuren in geistlichen Belangen jeglichen Handlungsspielraum. Neuerungen dürften weder vom König, noch vom Parlament, noch von der Kirche selbst eingeführt werden. Im Umkehrschluß hat diese Auffassung die Konsequenz, daß alle Bestimmungen, die unter Gillespies Verdikt der Neuerungen fallen, auch dann abzulehnen seien, wenn sie auf formal nicht zu beanstandende Weise beschlossen worden sind. Weder Verfahren noch Recht stiften demnach Legitimität, sondern einzig der Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz, so die Konsequenz. Die historischen Schriften des Alten Testaments dienen Gillespie des weiteren als eine Sammlung von Exempla, an denen sich vorbildliches Verhalten der Könige ebenso ablesen läßt wie deren Verfehlungen. Dabei war bereits in den biblischen Texten selbst die Haltung der Herrscher zum Götzendienst der zentrale Punkt – wenn auch nicht der einzige, wie z. B. die Geschichte von König Davids 39 40

Ebd., Teil II, S. 139–141. Ebd., Teil III, S. 35.

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Ehebruch deutlich macht –, auf den die Königsschilderungen jeweils fokussierten. Das Verhalten der Könige im Zusammenhang mit dem Götzendienst hatte in jedem Falle Auswirkungen auf das Verhältnis Gottes zu Israel und damit auf Wohl und Wehe des Staatswesens selbst. Diese unmittelbare Kausalbeziehung nutzt Gillespie zu politischen Vorhersagen, indem er das Kausalverhältnis von königlichem Handeln und dem Schicksal des Volkes in die Zukunft fortschreibt. In der Rolle des politischen Mahners tritt er damit automatisch in die Fußstapfen der Propheten des Alten Testaments. Den Königen der Neuzeit spricht Gillespie dagegen jegliche Prophetenrolle ab. Weder könnten sie sich hier auf das Vorbild einiger alttestamentlicher Könige berufen, die noch Könige und Propheten zugleich gewesen seien, noch dürften sie diese Exempla als Legitimation für königliche Weisungen gegenüber dem Klerus und für Eingriffe in die Autonomie der Kirche in geistlichen Belangen heranziehen. Gillespies Traktat ist paradigmatisch für die Covenanters. Dies ist nicht in dem Sinne zu verstehen, daß er bei der Entstehung des National Covenant eine besondere Rolle gespielt hätte; dies ist nicht der Fall. Es ist auch nicht erkennbar, wie umfangreich seine Leserschaft gewesen sein mag. Der Traktat ist sowohl aufgrund seines beträchtlichen Umfangs als auch aufgrund seines theologisch gehaltenen Duktus wohl vor allem in theologischen und theologienahen Kreisen zur Kenntnis genommen worden, zu denen die Initiatoren des Covenant allesamt zuzurechnen sind. Was den Dispute against English Popish Ceremonies zu einer repräsentativen Streitschrift macht, ist zum einen die Tatsache, daß die Notwendigkeit zur Ablehnung aller kirchenpolitischen Neuerungen Jakobs VI. und Karls I. durch den notwendigen Gehorsam gegenüber Gottes ausdrücklichem Verbot des Götzendienstes begründet wird. Diese Verpflichtung wiegt aufgrund des von Jakob 1581 eingegangenen Bundes mit Gott in der King’s Confession um so schwerer und läßt den schuldigen Gehorsam gegenüber dem König nachrangig erscheinen. Zum anderen ist Gillespie ebenso wie auch die Covenanters darum bemüht, auf der Grundlage der schottischen Kirchentradition seit der Reformation zu argumentieren. Es ist also gerade nicht Originalität, die Gillespies Traktat auszeichnet, sondern die systematisierte Wiedergabe von Positionen, wie sie innerhalb der schottischen Kirk seit der Reformation zahlreich verfochten wurden. Auch die Schriften derjenigen Theologen, auf die Gillespie zustimmend (Pareus) oder ablehnend (de Dominis; Saravia) Bezug nahm, waren bereits vor geraumer Zeit in unterschiedlichen Kontexten erschienen und bestätigen den Eindruck, daß die Debatte über eine bereits längere Tradition verfügte und nicht auf Schottland beschränkt war.41 Den Einklang der eigenen Positionen mit den glorreichen Vorkämpfern für die Reinheit des Glaubens in Schottland und darüber hinaus unter Beweis zu stellen, diese Legitimationsstrategie einte die Rhetorik der Covenanters zu Beginn der „Erhebung“ gegen Karl I.

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S. u. Kap. V.

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c) Die Theokratie als Normensystem Das bereits erwähnte Diktum von Friedeburgs, der National Covenant richte sich nicht prinzipiell gegen die Monarchie, muß an dieser Stelle kritisch erörtert werden, ist damit doch zugleich die Frage nach den politischen Ordnungsvorstellungen der Covenanters angesprochen. Wenn die Protagonisten des National Covenant keine prinzipiellen Gegner der Monarchie gewesen sind, wirft dies die Frage auf, welche Art von Monarchie ihren Vorstellungen entsprach. Der Bund selbst war ein eindrucksvoller Beleg dafür, daß die Unterzeichner ihre Loyalität gegenüber dem König an die Einhaltung bestimmter Bedingungen knüpften: die Rücknahme der religiösen „corruptions“ sowie die freie Entscheidungsgewalt der General Assembly und des schottischen Parlaments. Der König konnte sein Einverständnis durch eine Unterschrift unter den Bund dokumentieren. Andernfalls kündigten die Unterzeichner ihre Loyalität auf. Dies mag zunächst wie ein Plädoyer für eine durch Gesetze und Ständeversammlung beschränkte Monarchie in Schottland anmuten, eine Forderung, die im 17. Jahrhundert zahlreiche Stände gegenüber ihren Landesherrn durchzusetzen suchten. Gleichwohl geht diese Deutung an dem Kern der Sache vorbei. Zunächst waren die Covenanters nicht einfach Repräsentanten des Parlaments. Es war weniger das Parlament, für das die Unterzeichner sich einsetzten, sondern die General Assembly, also die höchste Kirchenversammlung, deren Recht auf freie Zusammenkunft sowie deren Rolle als oberstes kollegiales Leitungsgremium in der Kirche gegen königliche Eingriffe verteidigt werden sollte. Vor allem aber lohnt es sich, das erklärte Ziel der Covenanters ernst zu nehmen und nicht vorschnell als Bemäntelung weltlicher Interessen abzutun.42 Die Befürworter des Bundes kämpften für eine Monarchie, die mit einer Monarchie höherer Ordnung vereinbar war, der „Königsherrschaft Gottes“. Dies zeigt sich insbesondere dann, wenn man Gillespies Argumentation in seinem Dispute against English Popish Ceremonies auf den prinzipiellen Gehalt reduziert. Gillespie gibt sich hier als Verfechter einer radikalen Argumentationsstrategie zu erkennen, die Jan Assmann als Mosaische Unterscheidung bezeichnet hat. Gemeint ist damit die Unterscheidung „zwischen wahr und falsch in der Religion, zwischen dem wahren Gott und den falschen Göttern, der wahren Lehre und den Irrlehren, zwischen Wissen und Unwissenheit, Glaube und Unglaube.“43 Assmann deutet diesen Antagonismus als Konsequenz des Monotheismus. Gleichwohl ist die Mosaische Unterscheidung auch in monotheistischen Religionen nicht ständig in gleicher Schärfe präsent. Vielmehr ist sie „eine regulative 42

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Ähnlich auch Morrill, der den Covenanters ausschließlich religiöse Motive attestiert; Morrill, National Covenant, S. 19 f. Cowan hält hingegen die Religion nur für einen Vorwand für weltliche politische Interessen, bleibt den Nachweis dafür aber schuldig; Edward J. Cowan, The Making of the National Covenant, in: Morrill (Hrsg.), Scottish National Covenant, S. 68–89, hier S. 70. Jan Assmann, Die Mosaische Unterscheidung oder der Preis des Monotheismus, München 2003, S. 12 f.

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Idee, die ihre weltverändernde Wirkung über Jahrhunderte und Jahrtausende hin in Schüben entfaltet hat.“44 Als Potential ist sie sowohl dem Judentum als auch dem Christentum (ebenso wie auch dem Islam) inhärent. Damit ist allerdings nur die Möglichkeit der Anwendung gegeben. Es bedurfte besonderer Konstellationen, damit diese Möglichkeit auch genutzt wurde und die Mosaische Unterscheidung in jeweils aktualisierter Form Anwendung fand. Diese Aktualisierung läßt sich insbesondere an den von Gillespie zitierten Bibelstellen nachvollziehen. Sowohl das Alte als auch das Neue Testament enthalten Texte, in denen die Mosaische Unterscheidung in aller Schärfe vorgenommen wird. Im Alten Testament sind es vor allem das deuteronomistische Geschichtswerk sowie die Prophetenschriften, die unbedingten Gehorsam des jüdischen Volkes gegenüber dem Gesetz Gottes einfordern und in denen jede Form der Abweichung oder Idolatrie harte Gottesstrafen nach sich zieht. Ein Hauptcharakteristikum der in diesen Texten enthaltenen Mosaischen Unterscheidung ist die antagonistische Energie, die sie gegen alles entfaltet, was mit der wahren Religion nicht vereinbar ist. Ob es sich um die Anbetung des Goldenen Kalbs handelte, um den Baalskult oder um den Götzendienst, der sich im Reich Juda vor der Herrschaft Hosias ausbreitete – ihnen allen war gemein, daß sie durch ein gottgewolltes Massaker ein Ende fanden.45 Und eben diese Bibelstellen dienten auch Gillespie als legitimierendes Reservoir seiner Argumentation. Gillespie hat sich damit des antagonistischen Potentials der Mosaischen Unterscheidung bedient: Maßstab der Unterscheidung war dabei der Gehorsam zur lex dei. War der König der Idolatrie schuldig, so habe er damit gegen das Gesetz Gottes verstoßen. Dem Gebot des Gottesgehorsams aber seien alle unterworfen, die Könige ebenso wie ihre Untertanen. Nur eine Obrigkeit, die in Übereinstimmung mit den Gottesgesetzen regierte, durfte legitimerweise Gefolgschaft einfordern. Indem Gillespie die königliche Herrschaftsgewalt mit dem Vorwurf der Idolatrie belegte, konnte er das asymmetrische Herrschaftsverhältnis zwischen König und Untertan neutralisieren und durch das Herrschaftsverhältnis Gottes über die Menschen ersetzen. Ersetzt wurde dabei zweierlei: Das Herrscheramt wird anstelle des Königs von Gott selbst als oberstem Herrscher und Gesetzgeber eingenommen, und an die Stelle des Königs als Adressat von Gottes Gesetzen tritt das Volk, dem von Gillespie ausdrücklich auferlegt wird, den Weisungen des Königs nur insoweit Rechnung zu tragen, als dadurch die Gesetze Gottes nicht verletzt würden.46 Das Herrschaftsideal, das in dieser Argumentationskette zum Ausdruck kommt, ist das einer direkten Gottesherrschaft, einer Theokratie. Gillespie gibt sich zwar zu keiner Zeit als Gegner monarchischer Herrschaft zu erkennen. 44 45 46

Ebd., S. 13. Ex 32–34; 1 Kön 23, 1–17; 2 Kön 23, 1–27. Vgl. hierzu Jan Assmann, Herrschaft und Heil. Politische Theologie in Altägypten, Israel und Europa, Darmstadt 2000, S. 48 f. und S. 52: „Im Zeichen des gesetzgebenden Gottes hat der irdische Herrscher diese Position zu räumen.“ [Gillespie], Dispute, Teil II S. 7.

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Gleichwohl unterliegt die Zustimmung zur Königsherrschaft einer wesentlichen Grundbedingung: die Gesetze Gottes müßten vom König ebenso wie vom Volk vollständig befolgt werden. Die schottische Geistlichkeit, insbesondere die lokalen Presbyterien sowie die General Assembly, sieht Gillespie in der Rolle eines Wächterrates, der über Verfehlungen gegen Gottes Gesetz zu befinden hatte, notfalls durch den Akt der Exkommunikation, der selbstverständlich auch den König selbst treffen könnte. Berücksichtigt man, was dies für den König und seine Herrschaftsausübung bedeutete, so war diese Bedingung kein selbstverständliches Charakteristikum vormoderner Monarchien. Vielmehr büßte der König in diesem Ordnungskonzept zentrale Elemente seiner Herrschaftsgewalt ein. Die Aktualisierung der Mosaischen Unterscheidung war indes an Voraussetzungen geknüpft. Es bedurfte hierzu einer spezifischen Auslegung des Alten Testaments. Dies betraf zum einen das Gesetz Gottes und die Frage nach seiner fortdauernden Gültigkeit, zum anderen die Konzeption des Bundes Gottes mit den Menschen. Die lex dei behielt bei allen Aktivisten gegen den Götzendienst in Schottland ihre uneingeschränkte Gültigkeit, auch über den Erlösungstod Christi und den damit einhergehenden Gnadenbund hinaus. Dies betraf zumindest die Bestimmungen des moralischen Gesetzes, die im Unterschied zu den Zeremonialvorschriften und den strafrechtlichen Normen des Alten Testaments als zeitlos gültig verstanden wurden. Sofern Vorwürfe des Götzendienstes erhoben wurden, war in den Augen der Mahner stets das moralische Gesetz tangiert, stand nichts weniger als der Gehorsam zum zweiten Gebot auf dem Prüfstand.47 Die Covenanters und ihre Mitstreiter hatten ferner ein bestimmtes Verständnis vom Bund Gottes mit den Menschen. Der Bund zeichnete sich in den Augen der Aufständischen durch zweierlei aus. Er definiert erstens die Verpflichtung der Menschen gegenüber Gott: die reine Gottesverehrung, den Gehorsam gegenüber dem Gesetz Gottes. Und er knüpft zweitens das Heilsversprechen Gottes an die Bedingung des Gehorsams. Nur im Falle der Gesetzestreue ist Gottes Gnade zu erwarten. Dies gilt nicht nur für den einzelnen Gläubigen, sondern ebenso auch für das Wohlergehen des gesamten Volkes. Verstieß das Volk oder der Herrscher gegen das Gesetz Gottes, so zog dies Gottesstrafen nach sich, die letztlich das Volk in seiner Existenz gefährden konnten, wie sich anhand des Schicksals der Königreiche Israel und Juda gezeigt hatte. Die im Alten Testament enthaltene Mosaische Unterscheidung konnte auch im Schottland des 17. Jahrhunderts in dem Moment politische Dynamik entfalten, in dem die beiden wichtigsten Voraussetzungen zur Anwendung dieser Unterscheidung erfüllt waren: die Auflage zur Gesetzestreue und die aus dem konditionier-

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Die starke Akzentuierung der lex dei mag durchaus eine Besonderheit im schottischen und, wie noch zu zeigen seien wird, auch im englischen Protestantismus darstellen. In Frankreich war dieses Argumentationsmuster wohl auch während der Religionskriege weniger stark ausgeprägt; vgl. hierzu die Deutung von Lothar Schilling, Normsetzung in der Krise. Zum Gesetzgebungsverständnis im Frankreich der Religionskriege (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte, Bd. 197), Frankfurt a. M. 2005, S. 261–265.

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ten Bundesverständnis heraus sich ergebende Wahl zwischen Heil und Verdammnis. Damit waren zugleich die beiden wichtigsten Voraussetzungen erfüllt, um auch das in den Schriften des Alten Testaments beschworene politische Ideal einer Königsherrschaft Gottes wiederzubeleben und auf Schottland zu übertragen. Stand bei den Covenanters das religiöse Element, also der Kampf gegen den Götzendienst, im Mittelpunkt, wie John Morrill annimmt, oder war dies nur eine Bemäntelung politischer Interessen, wie Edward Cowan postuliert?48 Diese Streitfrage läßt sich an dieser Stelle zwar nicht entscheiden. Wohl aber können einige Zweifel an Cowans Argumentationsführung angemeldet werden. Eines der scheinbar schlagenden Argumente Cowans zum Nachweis des eher politischen Anliegens der Covenanters ist seine Annahme, die Aufständischen hätten sich insbesondere von Johann Althusius’ Traktat Politica leiten lassen. Ebenso wie Althusius hätten die schottischen Verschwörer im pactum das Kernelement jeglicher politischer Vergemeinschaftung gesehen. Ein solcher Vertrag zwischen Herrscher und Volk macht Althusius in Cowans Augen beinahe automatisch zum Anwalt eines Widerstandsrechts gegenüber tyrannischen Herrschern, auch wenn er konzidiert, daß Althusius dieses Recht nicht wie Buchanan Privatleuten zugesteht, sondern nur Magistraten.49 Robert von Friedeburg hat überzeugend deutlich gemacht, daß Althusius’ Vertragstheorie sich keineswegs als eine Art Volkssouveränität deuten lasse. Ferner gibt er einen interessanten Hinweis, an welcher Stelle bei Althusius von einem pactum die Rede ist: es geht dabei nicht um ein pactum zwischen Herrscher und Volk, sondern um den Bund Gottes mit den Menschen, den pactum religiosum.50 Althusius erweist sich dabei als ein Anwalt ebenjenes konditionierten Bundesverständnisses, das auch die Covenanters verinnerlicht hatten. Als Paradigma eines Religionsvertrages zitiert er Dtn 26, 17 in voller Länge: „Du [das Volk Israel] hast dir heute vom Herrn sagen lassen, daß er dein Gott sei, daß du sollest in allen seinen Wegen wandeln und halten seine Gesetze, Gebote und Rechte und seiner Stimme gehorchen. Und der Herr hat dich heute sagen lassen, daß du sein eigenes Volk sein wollest, wie er dir verheißen hat und du alle seine Gebote halten wollest“.51 Althusius macht in seinem zentralen Kapitel über die Übertragung der Herrschaft vom Volk auf den obersten Magistrat ferner deutlich, daß auch diese Herrschaftstranslation sich in den Bahnen der lex dei bewegt.52 Die Übergabe der Herrschaft erfolge stets unter der Voraussetzung, daß der Herrscher gemäß der beiden Tafeln des Dekalogs als frommer und gerechter Herrscher regieren möge.53 Vorbild für diese konditionierte Herrschaftsübergabe sei dabei das Volk 48 49 50 51 52 53

Morrill, National Covenant, S. 13 f.; Cowan, Making, S. 70. Ebd., S. 78–80. Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, S. 75 Anm. 13. Johannes Althusius, Politica methodice digesta…, 3. Aufl. Herborn 1614, Kap. XXVIII, § 15. Ebd., Kap. XIX, § 29–34. Ebd., Kap. XIX, § 31.

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Israel, das den König bei der Einsetzung in sein Amt auf die Bundeslade und die Gesetze Gottes ausdrücklich verpflichtete, wie z. B. aus Dtn 17 hervorgeht.54 Selbst falls die Covenanters sich daher wesentlich von Althusius hätten leiten lassen, so hätten sie in ihm einen weiteren Anwalt der Mosaischen Unterscheidung sehen können.55 Aus der Althusiusrezeption ergibt sich jedenfalls keinerlei Beleg für die These, das religiöse Element sei nur ein Vorwand für politische Zielsetzungen gewesen. d) Interpretationshilfe II: Alexander Henderson Der von den Unterzeichnern des National Covenant initiierte und auf der Assembly 1638 durchgeführte Kehrtwechsel in der schottischen Kirchenpolitik zwang alle Beteiligten zu einer Entscheidung. Die Unterzeichner hatten sich bereits entschieden. Für ein an dem politischen Ideal der Theokratie orientierten Gemeinwesen gingen sie das Risiko ein, vom König als Hochverräter zur Rechenschaft gezogen zu werden. Der König stand seinerseits vor der Wahl, dem Bund beizutreten und sich damit von seiner Kirchenpolitik und der seines Vaters zu verabschieden, oder aber den Bund als Akt des Ungehorsams aufzufassen und die politische Ordnung in Schottland wiederherzustellen, notfalls mit Truppengewalt.56 Karl I. votierte für die zweite Option und stand 1639 mit einer englischen Milizarmee vor der schottischen Grenze. Aus dem Engagement der Schotten für die lex dei drohte ein Waffengang gegen den eigenen König zu werden. Diese Zuspitzung der Ereignisse konfrontierte die Covenanters in aller Schärfe mit der Frage des Widerstandsrechts gegen Karl I. Sie hatten angesichts des zu erwartenden Krieges zwischen königlichen Truppen und denen des Bundes in gesteigerter Weise die Legitimität des Covenant darzulegen, insbesondere gegenüber denjenigen, die den Bund unterzeichnet hatten und nun der Tatsache eines Kampfes gegen ihren König ins Auge sehen mußten. Die Dynamik der politischen Ereignisse hatte daher auch eine Neuausrichtung der politischen Debatte zur Folge.57 Oberster Streitgegenstand war nicht länger die Religionspolitik in Schottland, sondern die Frage nach der Legitimität der Königsherrschaft und ihren Grenzen. Diese Debatte wurde nicht mehr ausschließlich auf der Grundlage biblischer Texte geführt. Gleichwohl mochten Autoren nur selten ganz auf biblische Argumente verzichten. Daher bietet die Auseinandersetzung um die Grundlagen legitimer Königsherrschaft eine Möglichkeit zu klären, welchen Anteil an 54 55 56

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Ebd., Kap. XIX, § 34 und 69. Ebd., Kap. XXVIII, § 15–19. Ein Beitritt zum Covenant kam für Karl I. zu keinem Zeitpunkt in Frage. Er verwarf diese Idee auch noch 1646, obwohl er mit diesem Schritt die Schotten als Bündnispartner gegen die siegreiche Parlamentsarmee in England hätte gewinnen können; vgl. hierzu Richard Cust, Charles I. and Providence, in: Fincham/Lake (Hrsg.), Religious Politics, S. 193–208, hier S. 197 und 203. Hierzu allgemein Herbert Grabes, Das englische Pamphlet, Bd. 1: Politische und religiöse Polemik am Beginn der Neuzeit (1521–1640), Tübingen 1990, S. 141–150.

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der Begründung des Widerstands gegen den König Argumente hatten, die auf Maximen und Exempla der Bibel Bezug nahmen. Die Gattung, die dabei die größte Öffentlichkeitswirkung besaß, war die Predigt. Und da führende Covenanters es nicht dem Zufall überlassen wollten, mit welchen Argumenten für ihre Sache geworben wurde, entwarf einer ihrer Protagonisten, Alexander Henderson, im Jahr 1639 eine Art Blaupause, in der er Argumente zusammenstellte, die in seinen Augen den National Covenant rechtfertigten: die Informations for defensive Armes against the Kings Majestie. Diese Schrift wurde erst 1642 unter anderem Titel gedruckt, vermutlich, um nun auf die englische Debatte Einfluß zu nehmen, in der sich die Frage des Widerstands gegen einen regierenden König nun ebenfalls stellte.58 Hendersons Text darf allerdings bereits als Manuskript in Schottland eine große Verbreitung unterstellt werden, was sich unter anderem daran zeigt, daß mehrere Autoren sich schon weit vor der Drucklegung zu kritischen Stellungnahmen veranlaßt sahen.59 Wie bei dem Kontext dieser Schrift nicht anders zu erwarten, mobilisiert Henderson in seinem Traktat jegliches aus seiner Sicht verfügbare Argument, um die bevorstehende Konfrontation mit dem König bzw. mit dessen Truppen zu rechtfertigen. Henderson listet insgesamt zwölf Punkte auf, mit denen die Position der Covenanters in Predigten von der Kanzel gestützt und legitimiert werden sollten.60 Die proklamierte Zielsetzung der Covenanters vereint gleichermaßen religiöse und politische Anliegen: die Verteidigung der Religion und der Freiheiten in Schottland gegen die Invasion einer vom König aufgebotenen Armee. Als wichtigstes politisches Anliegen nennt Henderson die zukünftige Absicherung freier und nationaler Assemblies,61 wie sie 1638 zum ersten Mal seit zwanzig Jahren wieder zusammengetreten war und ihr kirchenpolitisches Programm gegen den erklärten Willen des Königs durchgesetzt hatte. Henderson betont, daß alle Schotten auf Gottes Vorsehung vertrauen könnten, die Schottland bereits mehrfach gerettet habe, z. B. bei der Durchführung der Reformation.62 Ebenso ver-

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[Alexander Henderson], Some Speciall Arguments for the Scottish Subiects Lawfull Defence of their Religion and Liberty, Extracted out of the Manuscripts of one of their Chiefe Reformers, Amsterdam 1642. S. u. Kap. II 1d. Diese zwölf Punkte sollten auch die offizielle politische Position der Covenanters im Umgang mit Karl I. bestimmen. In einer gemeinsamen Unterredung in Berwick zur Vermeidung militärischer Kampfhandlungen trugen die schottischen Vertreter diese Agenda in Gegenwart des Königs vor; vgl. Russell, Fall, S. 64–66. [Henderson], Speciall Arguments, S. 2. Vgl. hierzu ferner Allan I. Macinnes, Charles I and the Making of the Covenanting Movement 1625–1641, Edinburgh 1991, S. 175 f. Ein weiterer Beleg für die auch in Schottland verbreitete Vorstellung, Gottes auserwähltes Volk zu sein, findet sich in Samuel Rutherfords Auslegung von Jes 49, in der er Schottland als Erben Israels erblickt und emphatisch verkündet: „Now, O Scotland, God be thanked, thy name is in the Bible“; John Coffey, Politics, Religion and the British Revolutions. The Mind of Samuel Rutherford, Cambridge 1997, S. 228. Dieser Sonderrolle werde Schottland jedoch nur gerecht, wenn es wieder zu seiner Vorbildhaftigkeit einer vollständig reformierten Kirche zurückfinde (S. 230 f.).

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dienten die politischen Anführer des Covenant jedes Vertrauen und volle Loyalität, habe sie doch Gott selbst für ihre Aufgabe bestimmt.63 Vor allem aber sei Einigkeit vonnöten, wolle man gegen den herannahenden Gegner bestehen. Die Rechtmäßigkeit des Widerstands gegen den König, den Henderson stets mit einer Verteidigung des Landes gegen eine von außen kommende Invasion umschreibt, belegt er mit zahlreichen Argumenten unterschiedlicher Provenienz. Zum einen rekapituliert Henderson die Haltung des Covenant selbst, daß der Gehorsam gegenüber der Obrigkeit an die Bedingung geknüpft sei, daß dieser dem Gehorsam zu den Gesetzen Gottes nicht entgegensteht. Da Schottland mit diesem Fall konfrontiert sei, gelte die Maxime aus Apostelgeschichte 4,19, daß man Gott mehr gehorchen müsse als den Menschen. Solange Karl I. nicht im Einklang mit Gottes Gesetzen regiere – was in Hendersons Augen erst dann wieder der Fall wäre, wenn sich der König ohne Vorbehalte dem Covenant anschlösse – könne es für die Schotten schon um ihres Seelenheils willen nur eine überirdische Obrigkeit geben: „not disobedience to the Magistrate, but obedience to God, who (in this point so long as the Magistrate runneth this course) becommeth their immediate Superiour“.64 Solange Karl I. sich dem religionspolitischen Anliegen der Covenanters verweigere, könne er sich auch nicht auf Römer 13 berufen. Da er nicht das Wohl der Untertanen im Auge habe, sondern vielmehr deren Seelenheil mit seinen Neuerungen gefährde, könne er nicht die Rolle eines „Ministers of God“ für sich in Anspruch nehmen, sei daher um des Seelenheils willen Ungehorsam und nicht Gehorsam notwendig (Röm 13,4).65 Die Covenanters könnten sich hierbei am Beispiel König Davids orientieren, der sich in der Stadt Keilah zusammen mit 600 Soldaten aufhielt, bereit, sich gegen Saul zu verteidigen.66 Dieses Argument zählt zu den Klassikern der Debatte um das Widerstandsrecht und findet sich bei Althusius ebenso wie bei George Gillespie und später bei Samuel Rutherford wieder.67 Neben dieser rein theologischen Begründung des Verhaltens der Covenanters gegen Karl I., die insbesondere in der Auslegung von Röm 13 stark an David Pareus erinnert, greift Henderson auch auf zwei weitere Legitimationsbausteine des Widerstandsrechts zurück. Hier kommen Argumente zur Sprache, wie sie in der schottischen Debatte über das Verhältnis von König und Kirche bislang nicht bemüht worden waren. Allenfalls George Buchanan argumentierte in seinem 1579 zuerst erschienenen Traktat De Jure Regni apud Scotos auf vergleichbare Weise. Henderson mußte aber nicht soweit zurückgreifen, um sich mit den notwendigen Argumenten zur Verteidigung des Widerstandsrechts auszustatten. Während in Schottland und England nach Buchanans Traktat für einen langen Zeitraum keine weiteren Lobreden auf das Recht des Volkes zur Gegenwehr gegen einen unrechtmäßig regierenden König mehr in der Öffentlichkeit zirkulier63 64 65 66 67

[Henderson], Speciall Arguments, S. 2: „whom God at this time hath raised up“. Ebd., S. 3 f. Ebd., S. 5. Ebd., S. 6; vgl. 1 Sam 23, 1–13. S. o. Kap. II 1b und unten Kap. II 1 f.

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ten, blieb diese Diskussion sowohl in Frankreich als auch im Alten Reich weiterhin aktuell und sorgte für immer elaboriertere Traktate, die den Anteil des Volkes an der Königsherrschaft ebenso betonten wie das Widerstandsrecht. Henderson machte sich seinerseits die Konzeption eines ständischen Widerstandsrechts zunutze, wie sie zuletzt umfassend Johannes Althusius in seiner Politica ausgearbeitet hatte. Hendersons Argument liest sich denn auch wie ein Exzerpt des Kapitels 19 aus Althusius’ Politica:68 safety and good of the people is the supream Law, Magistracie the inferiour and subordinate Law; The people maketh the Magistrate, but the Magistrate maketh not the people; The Magistrate cannot be without the people. The body of the Magistrate is mortall, the body of the people immortall.69

Henderson greift auch auf die politische Wissenschaft zurück, um zu begründen, daß der Widerstand gegen den König in Schottland nicht von Privatleuten getragen werde, sondern vom „hole body of a kingdome“, niedere Magistrate eingeschlossen,70 und daß die Auflehnung gegen Karl nicht nur legitim, sondern geradezu zwingend geboten sei, da ein Bruch des Bundes mit Gott nicht nur vom König selbst, sondern auch von all denen zu verantworten sei, die sich nicht dem Bruch des Bundes widersetzt hätten.71 Dies gilt auch für seinen Hinweis auf die „mutual contracts“ zwischen König und Volk, z. B. die vom König im Krönungseid eingegangenen Verpflichtungen.72 Desweiteren bemüht Henderson das Notwehrrecht, auf das sich die Covenanters berufen könnten. Karl sei einem rasenden Gewalttäter vergleichbar – „marching furiously towards his loyall and well meaning people“ –, Notwehr daher legitim, ebenso wie sich auch ein Kind gegen Eltern verteidigen dürfe, sofern diese in Raserei das Leben des Kindes bedrohten. Der römische Rechtsgrundsatz „vim vi repellere licet“ liefert hierfür das notwendige Rechtsfundament und wird bei Henderson gleichfalls als Legitimation angeführt.73 Henderson greift in seinen Informations also auf drei unterschiedliche Argumente zurück, um die Gegenwehr der Covenanters gegen die Armee des Königs zu legitimieren. Erstens argumentiert er biblizistisch und mobilisiert hier insbesondere das Argument von der unbedingten Gehorsamspflicht gegenüber dem

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Cowan, Making, S. 81 f.; aber hier evt. Überbetonung der Bedeutung Althusius’ („Blueprint of the Revolution“). Daß sich unter den Covenanters aber einige eifrige Leser der Politik des Althusius befanden, geht unter anderem auch aus manchem Selbstzeugnis der Akteure hervor; vgl. Johnston, Diary, I 348. [Henderson], Speciall Arguments, S. 5. Zur Tradition des ständischen Widerstandsrechts in Hendersons Text kurz Smart, Political Ideas, S. 169 f. [Henderson], Speciall Arguments, S. 5. Henderson spricht von seiner Anlehnung an „sound and religious Politicians“, zu denen er auch Althusius gezählt haben dürfte. Zum Bund zwischen Volk und Gott bei Althusius vgl. Althusius, Politica (1614), Kap. XXVIII, § 15–24, hier v. a. § 19. [Henderson], Speciall Arguments, S. 6. Ebd., S. 3 und 6.

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Gesetz Gottes, die im Konfliktfalle auch die Pflicht zum Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit suspendiere. Zweitens stützt er sich auf das ständische Widerstandsrecht, wie es insbesondere von Althusius vertreten worden ist. Diese Debatte bedient sich vor allem verfassungsrechtlicher Argumente und betont die fundierende Stellung des Volkes bzw. der Zwischengewalten in der Monarchie. Und drittens greift Henderson auf das Notwehrrecht zurück, das es jedem einzelnen Schotten erlaube, sich gegen einen König zu stellen, der eindeutig von Zerstörungsabsichten getrieben sei. Diese drei unterschiedlichen Legitimationsquellen stehen bei Henderson weitgehend unverbunden nebeneinander. Weder bemüht er sich um eine Synthese, noch greift er die Widersprüche auf, die sich aus einer Kompilation dieser drei unterschiedlichen Autorisierungsstrategien für das Widerstandsrecht ergeben. Beide Aspekte sollten in der durch die Informations angestoßenen Debatte über die Legitimationsgrundlagen der Monarchie sowohl von den Mitstreitern als auch von den Widersachern Hendersons noch zur Sprache kommen. Der bevorstehende Waffengang zwischen König und Covenant stellte die Monarchie auch in der politischen Debatte auf den Prüfstand. e) Die Widersacher des National Covenant In Schottland mögen die royalistischen Kritiker des Covenant in der Minderheit gewesen sein, sprachlos waren sie nicht. Und während an der schottischen Grenze die Truppen Karls I. aufmarschierten, um in Schottland die Autorität des Königs wiederherzustellen, wandten sich die royalistischen Autoren gegen die Anwälte des Covenant. Es waren dabei insbesondere zwei Legitimationsquellen, auf die sich die Kritiker des schottischen Bundes stützten: Zum einen speiste sich ihre Kritik auf Rechtsargumente und den Verweis auf geltende Gesetze, zum anderen formulierten manche Autoren ihre Angriffe prononciert in der Sprache des Biblizismus und betonten das divine right of kings. Der strikt legalistische Diskurs war insbesondere zu Beginn der revolutionären Ereignisse vorherrschend. So war einer der ersten Kritiker des Bundes, der sich in der Öffentlichkeit auf Seiten der Royalisten zu Wort meldete, der Theologe John Forbes. Er erinnerte an die dem Monarchen geleisteten Treueeide,74 betonte darüber hinaus, daß all die nun aufgehobenen kirchenpolitischen Maßnahmen, angefangen von der Bischofsverfassung bis zu den Artikeln von Perth, ordnungsgemäß vom Parlament beschlossen worden seien und daher befolgt werden müßten, während Zusammenschlüsse ohne ausdrückliche königliche Billigung wie der

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John Forbes, A Peacable Warning, to the Subjects in Scotland Given in the Yeare of God 1638, Aberdeene 1638, S. 8 f. Diese Schrift veranlaßte wiederum David Calderwood zu einer sofortigen Entgegnung, die ebenfalls auf biblische Legitimation verzichtet und statt dessen auf diejenigen Beschlüsse aus der Anfangszeit der Regierung Jakobs VI. verweist, auf die sich die Covenanters bei ihrem Vorgehen beriefen; David Calderwood, An Answere to M. I. Forbes, of Corse, his Peacable Warning, [Edinburgh] 1638.

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Covenant bereits von Jakob VI. verboten worden seien.75 Selbst in seiner prinzipiellen Stellungnahme zur Gehorsamspflicht aller Untertanen nutzt Forbes nur zwei der meistzitierten Bibelstellen, Römer 13 und 1 Petrus 2, um die Notwendigkeit zu bedingungslosem Gehorsam gegenüber dem Monarchen darzulegen, untermauert von Verweisen zu den Kirchenvätern bis zu zeitgenössischen Autoren, unter ihnen Jean Calvin und König Jakob VI.76 Der Verweis auf die geltende Rechtslage war auch die offiziell von Karl I. gewählte Argumentationsstrategie. Im Traktat Large Declaration, in dem suggeriert wurde, daß er aus der Feder des Königs selbst stammte, berief sich der Autor auf die fortdauernde Gültigkeit von Beschlüssen der Assembly und des schottischen Parlaments, über die sich die Covenanters rechtswidrig hinweggesetzt hätten.77 Stünden alle Maßnahmen der Regierung – einschließlich der Einführung des Book of Common Prayer – im Einklang mit schottischen Gesetzen, so gelte für die Covenanters das Gegenteil. Deren Wiederaufgreifen der King’s Confession aus dem Jahre 1581 sei nicht vom König autorisiert und daher nicht rechtmäßig gewesen. Schließlich dürfe niemand Gesetze auslegen, der hierfür nicht vom Gesetzgeber ausdrücklich dazu befugt sei.78 Die subversive Qualität der Initiatoren des Covenant zeige sich aber auch an deren Aussagen zur Königsherrschaft generell. Der Autor der Large Declaration dürfte insbesondere Hendersons Instructions im Sinne gehabt haben, wenn er deren Argumente mit den Lehren prominenter Jesuiten wie Bellarmin und Suárez vergleicht.79 Dies gelte für die Annahme, das Volk sei Ursprung der königlichen Herrschaftsgewalt ebenso wie für den Anspruch der Assembly, den König im Bedarfsfalle exkommunizieren oder sich über Beschlüsse des Parlaments hinwegsetzen zu dürfen.80 In der offiziell anmutenden Verlautbarung der Large Declaration wird ferner der Anspruch der Assembly auf eine von Christus direkt autorisierte Wächterrolle zur Überwachung von König und Parlament in allen Fragen der Kirchen- und Religionspolitik ausdrücklich verdammt.81

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John Forbes, Generall Demands Concerning the Late Covenant, together with Answeres to them, and Repleyes to those Answers, Aberdeen 1638, S. 10–14. Zu den Verhandlungen in Aberdeen zwischen den Kritikern des Covenant und den Befürwortern, unter ihnen Montrose, Alexander Henderson, David Dickinson und Andrew Cant; vgl. D. Stewart, The Aberdeen Doctors and the Covenanters, in: Records of the Scottish Church History Society 22 (1984–86), S. 35–44. Der theologisch-politische Konflikt sollte im ersten Bishops War 1539 auch zu militärischen Auseinandersetzungen führen; Stevenson, Scottish Revolution, S. 138–140; Russell, Fall, Kap. 3. John Forbes, Duplys of the Ministers and Professors of Aberdene to Second Answeres of Some Reverend Brethren, Concerning the Late Covenant, Aberdeen 1638, S. 23–33. In Wirklichkeit dürfte der Traktat von Walter Balcanquhal stammen; [Balcanquhall], Large Declaration, S. 73. Vgl. ferner Peter Donald, An Uncounselled King. Charles I and the Scottish Troubles, 1637–1641, Cambridge 1990, S. 132 f. [Balcanquhall], Large Declaration, S. 68–70. Ebd., S. 3. u. ö. Ebd., S. 410–414. Ebd., S. 416 f.

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Die offizielle Stellungnahme des Königs zum schottischen Aufstand war streng legalistisch formuliert. Der theokratische Anspruch der Covenanters wird in ihr zurückgewiesen, vom König selbst in dieser Schrift aber nicht in Anspruch genommen. Die Gesetze des Landes werden als Argument bemüht, nicht das divine right of kings. Es findet sich nur der Hinweis darauf, „the Lord’s annointed“ zu sein. Andere Autoren waren weniger zurückhaltend mit der Charakterisierung der Monarchie als Verkörperung des theokratischen Ideals auf Erden. John Corbet war einer der ersten, der mit diesem Argument Hendersons Argumentation einer vom Volk etablierten Königsherrschaft auf Abruf zurückwies und die Loyalität gegenüber dem König einforderte.82 Corbets eigener politischer Standpunkt wird bereits darin erkennbar, daß er sein Traktat Thomas Wentworth widmete, einer Person, die sowohl in Schottland als auch in England viele Kritiker des Königs für den Zustand der Monarchie verantwortlich machten und der das vom Long Parliament angestrengte Impeachmentverfahren denn auch nicht überleben sollte. Ihm gegenüber bezeichnet sich Corbet als einer der letzten Verbliebenen in Schottland vom Stamme Levi, womit er wohl vor allem seine Rolle als Fürsprecher der Bischofsgewalt im Sinn gehabt haben dürfte.83 Im Zentrum von Corbets Argumentation steht die Unantastbarkeit des Königs, der von Gott eingesetzt und daher nur Gott gegenüber verantwortlich sei: ein tragendes Fundament in der Lehre vom divine right of kings. Jegliche Idee, daß der König seine Herrschaft ursprünglich vom Volk erhalten habe und daher auch niederen Magistraten gegenüber rechenschaftspflichtig sei bzw. diesen das Recht auf Widerstand zugebilligt werden müsse, komme Corbet zufolge einer Umkehrung aller Hierarchien und letztlich der Blasphemie gleich, da man sich mit dieser Konzeption zugleich gegen die von Gott selbst etablierte politische Ordnung auflehne.84 Vorläufer für diese Gottesvergessenheit findet Corbet bereits in der Bibel: Corbet stellt Henderson und die Covenanters auf eine Stufe mit der Rotte Corah und ihrer Rebellion gegen Moses und mit Absalom in seinem Aufstand gegen David.85 Umgekehrt sieht Corbet in König Karl einen würdigen Nachfolger König Davids.86 Gerade David sei aber Corbet zufolge ein gutes Beispiel dafür, daß ein König selbst als Sünder vor Gott nicht dem Gesetz unterworfen sei und daher nicht belangt werden könne.87 Vielmehr gebühre Königen Gehorsam bei allen Befehlen, die mit den Gesetzen des Landes im Einklang stünden, und Unterwerfung bei denen, die dem Gesetz entgegenstünden.88 Das Gehorsamsgebot von Römer 13 sei daher mitnichten zu relativieren, sondern gelte absolut. Auch Tyrannen seien schließlich Teil des göttlichen Heilsplanes, von 82 83 84 85 86 87 88

John Corbet, The Ungirding of the Scottish Armour, or, An Answer to the Informations for Defensive Armes against the Kings Maiestie, Dublin [i. e. London] 1639. Ebd., Fol. A3r. Ebd., S. 29. Ebd., S. 20. Ebd., Fol. A4r/v. Ebd., S. 19. Ebd., S. 23. Corbet spricht von „obedience“ und „subjection“.

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Gott gesandt und daher zu erdulden. Selbst das Untier der Apokalypse (Offb 13, 7–10) entspreche göttlicher Providenz und sei daher ohne Widerstand zu erdulden.89 Während sich Henderson unterschiedlicher Traditionsreservoirs bedient, um das Vorgehen der Covenanters zu rechtfertigen, dient Corbet gerade der Rückgriff auf unterschiedliche politische Sprachen zugleich als Anknüpfungspunkt seiner Kritik. Corbet gründete seinen Einspruch gegen die Agenda der Covenanters vorwiegend auf die Bibel. Zum einen unterstellt er Henderson Beliebigkeit im Umgang mit der Heiligen Schrift, die bei ihm nur eine von mehreren Autoritätsquellen sei, nicht aber die einzige oder wichtigste.90 Auch stütze sich Henderson ausschließlich auf Beispiele des Alten Testaments, was Corbet zu der rhetorischen Frage veranlasst: „What if I would grant it lawful under the Law, and that your testimonies are good for your purpose? But can ye shew it lawfull under the Gospell, where suffering is only commanded?“91 Es ist bezeichnend, daß Corbet es bei dieser Frage nicht bewenden läßt, sondern zum einen alle von Henderson angeführten Exempla aus dem Alten Testament auf diametral andere Art und Weise auslegt und zum anderen bemüht ist, ihnen jedes Potential als beispielgebende Vorläufer göttlich legitimierten Widerstands gegen irregeleitete Könige zu nehmen. So pariert er Hendersons Verweis auf das Notwehrrecht mit dem Hinweis, daß David auch das Wüten Sauls klaglos erduldet habe, da dieser Gesalbter des Herrn gewesen sei.92 Und Hendersons Argument, daß zwar ein Volk ohne König, nicht aber ein König ohne Volk denkbar sei, entgegnet er mit einem Verweis auf Adam, der in der patriarchalistischen Lesart nicht nur der erste Mensch, sondern zugleich auch der erste König gewesen sei.93 Das Naturrecht begründe daher Corbet zufolge keine Gleichheit unter den Menschen, sondern etabliere umgekehrt von Beginn an den Zwang zur Unterordnung unter die Herrschaft. Der aus Schottland stammende Henry Leslie wandte sich von seiner neuen Wirkungsstätte in Irland als Bischof von Down und Connor an seine Landsleute. In seiner Schrift A Full Confutation of the Covenant sah er die Ursache der Krise, ganz im Einklang mit Karl I., in der mangelnden Konformität zwischen der schottischen und der englischen Kirche, wobei er keinen Zweifel daran läßt, daß die schottische Kirche der englischen Bischofskirche angeglichen werden müsse. Die Presbyterianer folgten mit dem Genfer Modell einem falschen Kirchenideal, das nicht nur für das nun zu beklagende Schisma in der schottischen Kirche verantwortlich sei, sondern auch für Häresie und Rebellion und letztlich auf eine Täuferherrschaft hinauszulaufen drohe.94 Daß der Covenant nicht rechtmäßig 89 90 91 92 93 94

Ebd., S. 25–27. Ebd., S. 37. Ebd., S. 38 f. Ebd., S. 34 f. Ebd., S. 30. Henry Leslie, A Full Confutation of the Covenant Lately Sworne and Subscribed by Many in Scotland, London 1639, S. 3–7.

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zustandegekommen und daher illegitim sei, sucht Leslie sowohl mit rechtlichen Argumenten darzulegen als auch mit biblischen Beispielen zu untermauern, z. B. mit der Warnung Gottes vor einem Meineid.95 Biblische Exempla dienen Leslie zudem dazu, die Schwere des Vergehens darzulegen. Die Covenanters stehen bei ihm auf einer Stufe mit den Israeliten, die das Goldene Kalb anbeteten, mit Absalom, der unrechtmäßig gegen David aufbegehrte und, im Falle Schottlands besonders sprechend, dem Volke Israels, das sich unter Rehabeam von Jerusalem abwandte.96 Der Biblizismus war keineswegs nur die Sprache von Theologen. So bediente sich z. B. auch der Engländer Henry Peacham – ein Autor von Büchern über Rhetorik, Emblematik und die Qualitäten des honnete homme97 – im Zusammenhang mit dem Kampf gegen die Covenanters einer weitgehend auf biblische Exempla gestützten Argumentation, um die absolute Gehorsamspflicht aller Untertanen zu untermauern, und führt im Widmungsschreiben seines Traktats The Duty of all True Subjects to their King als zentrale Säule der Königsherrschaft das „Law both of God and Nature“ an, das er anschließend mit zahlreichen meist klassischen Bibelexempla zu untermauern sucht.98 Peachams enge Bindung an den verstorbenen Prinz Henry mag dazu beigetragen haben, daß er sich in der für die Monarchie kritischen Stunde seinerseits in die Rolle eines Apologeten der nur Gott verantwortlichen Krongewalt begab.99 Die dafür notwendigen Argumentationsbausteine und Exempla waren in der Sprache des divine right of kings alle verfügbar und seit Jahrzehnten etabliert: Peacham mußte sich ihrer nur bedienen. Die Verteidiger des divine right of kings hatten in ihren Traktaten nicht die Absicht, ihre Originalität unter Beweis zu stellen. Die Legitimität des Königs und die Illegitimität des von den Covenanters betriebenen politischen Kurses bewies man am besten auf der Grundlage bereits etablierter, allgemein geteilter Grundsätze und Argumente. Die Bibel stellte ein anerkanntes Referenzmedium dar. Ziel der Autoren war es, mit der aus biblischen Maximen und Exempla destillierten politischen Ordnungsvorstellung des divine right of kings ein Fundament zu 95 96

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Lev 19,12; Betonung der Unrechtmäßigkeit des Eides auf den Covenant bei Leslie, A Full Confutation, S. 28–30. Ebd., S. 33 f. Das Beispiel Absalom ist ein Klassiker aller Gegner des Widerstandsrechts und wurde im britischen Bürgerkrieg oft als Argument ins Feld geführt; vgl. nur die im Königslager anonym herausgegebene Schrift: Absalom’s Rebellion. As it is Recorded in the 2. Sam Chap. 15,16,17,18 & 19, with some Observations upon the Severall Passages thereof, to Fit a Patterne for the Present Times, whereinto we are Fallen, Oxford 1645. Seine wichtigsten Werke waren: The Garden of Eloquence (1577); Art of Drawing (1607); Minerva Britannia, or, A Garden of Heroical Devises (1612) und The Complete Gentleman (1622); vgl. John Horden, Henry Peacham (b. 1578, d. in or after 1644), in: ODNB 43 (2004), S. 236–238; Sommerville, Royalists and Patriots, S. 47. Henry Peacham, The Duty of all True Subjects to their King as also to their Native Countrey, in Time of Extremity and Danger, London 1639, Fol. *1r. Vgl. Roy Strong, Henry Prince of Wales and England’s Lost Renaissance, London 1986, S. 27.

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schaffen, das auf vergleichbare Weise unantastbar und zustimmungsfähig war. Die Autorität der fundierenden Quelle sollte zugleich die Autorität der aus ihr abgeleiteten Interpretation begründen. Um im Kampf um die Deutungshoheit der politischen Ereignisse Punktgewinne zu erzielen, reichte es nicht aus, sich dieses Referenzmediums neben anderen zu bedienen. Vielmehr kam es darauf an, die Bibel für die eigene politische Interpretation gleichsam zu monopolisieren und der Gegenseite zu entwinden. In der Logik dieser Argumentationsstrategie kann nur derjenige, der sein politisches Ordnungsmodell ganz auf biblischen Aussagen gründen kann, Legitimität beanspruchen. Bereits John Corbet suchte Henderson in seiner direkten Entgegnung dadurch zu delegitimieren, daß er ihm nicht nur seine Argumentation, sondern auch seine autorisierenden Quellen vorwarf, sofern es sich nicht um die Heilige Schrift handelte. Sein Mitstreiter John Maxwell bediente sich derselben Strategie, als er im Jahr 1644 sein Traktat Sacro-sancta regum majestas der Öffentlichkeit vorlegte. Maxwell war während der gesamten Regierungszeit Karls I. ein loyaler Fürsprecher des Königs und seiner Religionspolitik. Dies führte nicht nur zu seiner Exkommunikation auf der Glasgower General Assembly des Jahres 1638, sondern auch zu seiner Verurteilung als Aufwiegler und Landesverräter durch das Parlament 1641. Der König dankte ihm sein Engagement mit einem Bischofssitz in Irland. Nach dem Beginn des irischen Aufstandes nahm Karl ihn in die Reihe seiner Hofkapläne an seinem provisorischen Königshof in Oxford auf.100 In dieser Funktion legte Maxwell eine weitere Neuauflage der Lehre vom divine right of kings vor, mit der sowohl den aufständischen Schotten als auch den Anhängern des Long Parliament jegliche Legitimation für ihr Handeln entzogen werden sollte. Bereits in seinem vorangestellten Widmungsschreiben reklamiert Maxwell die biblische Autorität für seine Sicht der Dinge, während er den Kontrahenten vorwirft, sie würden die Lehren der Heiligen Schrift mißachten und statt dessen die Lehren antiker Staatstheoretiker zu Rate ziehen und damit menschlichen Irrtümern erliegen.101 Dabei setzt er Jesuiten und „Puritaner“ in ihrer Lehre von der Volkssouveränität und der damit einhergehenden Untergrabung der von Gott etablierten Königsherrschaft gleich.102 Maxwell nutzt die Schriften des Alten Testaments dabei als Exempelsammlung, um darzulegen, daß Herrscher, die nicht von Gott, sondern vom Volk Israel als Regenten eingesetzt wurden, ihrer Herrschaft nicht würdig waren und diese mißbrauchten.103 Dieser Deutung stellt er 100 101

102 103

Vgl. A. S. Wayne Pearce, John Maxwell (d. 1647), in: ODNB 37 (2004), S. 518 f. John Maxwell, Sacro Sancta Regum Majestas, or, the Sacred and Royall Prerogative of Christian Kings, Oxford 1644, Fol. ¶2r: „A wonder then it is that some smatterers in Divinitie writing in this subject do borrow principles from old poticall fables and toyes, make premises, and inferred conclusions not onely destructive of Monarchie, but also contradictory to that truth Scripture hath revealed.“ Ebd., S. 6–19. Ebd., S. 114–120. Ein Beispiel eines solchermaßen illegitimen Herrschers ist für Maxwell Abimelech (Ri 9).

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die Lehre vom divine right of kings gegenüber, die er konsequent aus biblischen Stellen herleitet. Könige seien entweder direkt von Gott in ihr Amt eingesetzt worden wie Moses und Josua, Saul und David, oder aber sie hätten ihre Amtsgewalt direkt von Gott, auch wenn sie ihr Amt weltlichen Einsetzungsritualen verdankten. Diese Rituale fielen indes nicht ins Gewicht: So sei Matthias direkt von Christus zum Apostel bestellt worden, obgleich er vorher durch Los für diese Rolle bestimmt worden war, und auch die durch die Taufe verliehene Gnade verdanke sich des direkten Beistandes Christi, nicht aber dem Ritual des Übergießens mit Taufwasser allein.104 Maxwell nutzt das Königsgesetz des Deuteronomiums (Dtn 17), um sowohl die Legitimation des Königs direkt von Gott herzuleiten als auch dessen unanfechtbare Suprematie zu belegen. Er übergeht alle in diesem Kapitel niedergelegten Einschränkungen königlicher Machtausübung, die insbesondere die Kritiker einer unumschränkten Monarchie so gerne zitieren. Statt dessen betont er gegen Suárez, daß hier ein allgemeines Prinzip der Königsherrschaft niedergelegt sei, das nicht nur die Juden betreffe.105 Auch für die anderen klassischen Stellen, die er zur Verteidigung des divine right anführt, postuliert Maxwell zeitlose und kontextunabhängige Gültigkeit: Spr 8,15 (Durch mich regieren die Könige), Röm 13,2 (Wer sich der Obrigkeit widersetzt, widerstrebt der Anordnung Gottes), Ps 82,8 (Ihr seid Götter und allzumal Söhne des Höchsten), Joh 19,11 (Du hättest keine Macht über mich, wenn sie dir nicht von oben gegeben wäre).106 In seiner Auslegung vom Gehorsamsgebot im 13. Kapitel des Römerbriefs läßt Maxwell ebenfalls keinerlei Ausnahmen oder Einschränkungen gelten. Vielmehr habe man der Obrigkeit, die er umstandslos mit dem König als höchster Instanz auf Erden gleichsetzt, bedingungslos zu gehorchen, schließlich sei diese Maxime zu Zeiten Kaiser Neros verfaßt worden, der kaum als Herrscher gemäß christlicher Normen gelten könne.107 Maxwell bemüht wie Corbet wenige Jahre zuvor ebenfalls neben den biblischen Aussagen zur Königsherrschaft auch das Naturrecht, um das Prinzip der Monarchie bereits als Teil der Schöpfungsgeschichte anzusehen: Auch ihm gilt Adam nicht nur als Familienvater, sondern als erster Regent.108 Lex dei und Naturrecht sind bei Maxwell die beiden Säulen, auf denen die Monarchie zeitlos gründet.109 Dabei widerspricht er der Auffassung, daß die Autorität der Obrigkeit nur in abstracto von Gott herzuleiten sei, nicht aber in concreto, d. h. sich weder allein auf die Staatsform der Monarchie allein beziehen lasse, noch dem Herrscher als Person zuteil werde.110 Ferner sei im Naturrecht nicht die Gleichheit der Men104 105 106 107 108 109 110

Ebd., S. 20 f. Ebd., S. 24 f. Hierzu auch Maxwells Aussagen über die Könige der benachbarten Völker Israels, den Pharao, Nebukadnezar, Cyrus etc. (S. 36–39). Ebd., S. 23–27. Ebd., S. 30–32. Ebd., S. 33 und 84 f. Ebd., S. 33. Ebd., S. 80 f.

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schen festgeschrieben, sondern umgekehrt der Zustand von Herrschaft und Unterordnung vom Anbeginn der Schöpfung.111 Maxwell zieht aus diesen allgemeinen Überlegungen zur Königsherrschaft ein speziell an die politische Situation in Schottland adressiertes Fazit: Das Volk habe keinerlei Recht, sich gegen die Herrschaft des Königs zu erheben. Die politischen Akteure könnten sich für ihre Taten nicht auf die Heilige Schrift berufen, da in ihr ausschließlich die Monarchie von Gott eingerichtet und dauerhaft als legitime Herrschaftsform etabliert worden sei. Ferner finde sich in der Schrift kein Präzedenzfall für ein Bund des Volkes mit Gott, der gegen den Willen des Königs zustandegekommen sei.112 Die Covenanters befänden sich damit vollständig außerhalb der von der Bibel etablierten Ordnung, seien daher Aufrührer nicht nur gegen König Karl I., sondern gegen Gott, so Maxwells Botschaft an seine Leser. f) Interpretationshilfe III: Samuel Rutherford: Lex, Rex Der Kampf um die Deutungshoheit über die Heilige Schrift und deren politische Auslegung während des Bürgerkrieges brachte es mit sich, daß Maxwells Versuch, die Bibel für die Lehre vom divine right of kings zu monopolisieren, nicht lange unwidersprochen blieb. Noch im selben Jahr legte Samuel Rutherford in seinem Traktat Lex, Rex eine prinzipielle Entgegnung auf Maxwells Traktat sowie die Schriften zahlreicher weiterer Gegner des Widerstandsrechts vor.113 Und da Maxwells Vorwurf explizit lautete, die Apologeten der „Volkssouveränität“ könnten sich für ihre politischen Ziele nur auf Schriften antiker Autoren stützen, nicht aber auf die Heilige Schrift, nahm sich Rutherford der Aufgabe an, die Position der Covenanters nun stärker auf biblizistische Weise zu untermauern, als es beispielsweise Henderson in seinen Instructions getan hatte. Rutherford markiert bei der biblizistischen Legitimation des schottischen Aufstandes gegen Karl I. den Schlußstein. George Gillespie argumentierte kurz vor den Unruhen in Edinburgh und dem National Covenant noch ganz auf der Grundlage der lex dei, die als Maßstab für die Bewertung des Königs diente. Diese Argumentationsstrategie blieb auch nach dem Beginn des Aufstandes gegen den König aktuell. Zugleich nahmen die Covenanters aber auch Anleihen an gängigen Widerstandsrechtslehren der Zeit von Buchanan bis Althusius: Die Frage nach der politischen Rolle des Volkes als Legitimationsquelle aller Herrschaft rückte zunehmend in den Mittelpunkt. Der Biblizismus erscheint z. B. bei Alexander Henderson nur noch als eine politische Sprache neben anderen. Samuel Ruther111 112 113

Ebd., S. 83. Ebd., S. 155. Samuel Rutherford, Lex, Rex: The Law and the Prince. A Dispute for the Just Prerogative of King and People, Containing the Reasons and Causes of the Most Necessary Defensive Wars of the Kingdom of Scotland, London 1644. Zum Kontext der Entstehung von Lex Rex vgl. Coffey, Politics, Religion, S. 147 Anm. 4 mit kritischen Anmerkungen über die von William Campbell vorgenommene Datierung; William Campbell, Lex Rex and its Author, in: Records of the Scottish Church History Society 7/3 (1941), S. 204–228, hier S. 204–206.

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ford unternahm nun den Versuch einer Synthese aller Argumente, die die Legitimität des schottischen Aufstands gegen den König untermauerten.114 Und er vollzog diese Synthese wesentlich in der Sprache des Biblizismus.115 Ein zentrales Fundament aller divine-right-Theorien zur Legitimation königlicher Herrschaft ist die Herleitung der Herrschaftsgewalt direkt von Gott. Daraus wird stets abgeleitet, daß der König niemandem auf Erden Rechenschaft schulde und niemandem das Recht zukomme, die Herrschaft in Frage zu stellen und Gegenwehr zu leisten. Rutherford hält dieser Auffassung entgegen, daß Könige niemals direkt von Gott als Herrscher eingesetzt worden seien, sondern vom Volk.116 Mit dieser Auffassung steht er in einer langen Tradition katholischer wie protestantischer Autoren, die damit das Widerstandsrecht gegen einen rechtsbrecherischen König begründeten. Im Unterschied zu diesen Autoren sah sich Rutherford aber genötigt, diesen Beweis insbesondere auf der Grundlage der Heiligen Schrift anzutreten, statt deren politische Aussagekraft in Zweifel zu ziehen. Für Rutherford zeigt sich das Recht des Volkes zur Wahl des Königs in zahlreichen Exempla des Alten Testaments. Insbesondere das sogenannte Königsgesetz (Dtn 17) selbst zitiert Rutherford in seinem Traktat unzählige Male als Beleg: „Wenn du [das Volk Israel] sagst, ich will einen König über mich setzen, wie ihn alle Völker um mich her haben, so sollst du den zum König über dich setzen, den der Herr, dein Gott, erwählen wird“.117 Damit greift er auf exakt dieselbe Stelle zurück, aus der Maxwell die Übertragung der königlichen Herrschaftsgewalt allein von Gott ableitete, und er bedient sich dabei exakt derselben Auslegung, die Maxwell an den Jesuiten Suárez und Bellarmin heftig attackierte.118 Rutherfords Deutung lautet wie folgt: Die unmittelbar einsetzende Instanz sei dieser Aussage zufolge das Volk, nicht Gott. Nur die Propheten könnten sich darauf berufen, direkt von Gott eingesetzt worden zu sein. Auch wenn Gott auf außerordentliche Weise manche Personen als Könige auserkor, so hätten diese ihr Amt erst dann innegehabt, wenn sie vom Volk formal eingesetzt worden seien. So blieb David auch nach seiner von Gott beauftragten und vom Propheten Samuel durchgeführten Salbung zum König (1 Sam 16) weiterhin ein Untertan unter Sauls 114 115

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Den wesentlich schottischen Kontext der Schrift betont Coffey, Politics, Religion, S. 148. Coffey, Politics, Religion, S. 241 sieht das alles verbindende Narrativ bei Rutherford in seiner apokalyptischen Naherwartung und der besonderen Rolle Schottlands für die Erfüllung der Heilsgeschichte. Diese Deutung scheint mir jedoch den Stellenwert apokalyptischen Denkens bei Rutherford überzubetonen. Zumindest der in Lex, Rex betriebene Biblizismus kommt gänzlich ohne apokalyptische Argumente aus, basiert zu großen Teilen auf dem deuteronomistischen Geschichtswerk und betont die lex dei. Rutherford, Lex, Rex, S. 77–80. Vgl. hierzu auch John D. Ford, Lex, rex iusto posita. Samuel Rutherford on the Origins of Government, in: Roger A. Mason (Hrsg.), Scots and Britons. Scottish Political Thought and the Union of 1603, Cambridge 1994, S. 262–290, v. a. S. 280 f. Rutherford, Lex, Rex, S. 12. Zur Bedeutung von Dtn 17 für Rutherfords Traktat vgl. David Searle, Lex Rex, the Law and the Prince. Samuel Rutherford, in: The Evangelical Library Bulletin 105 (2000), S. 1–16, hier S. 12 f. Maxwell, Sacro-Sancta Regum Majestas, S. 40–44.

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Herrschaft, bis er vom Volk in Hebron zum König ernannt worden sei (2 Sam 2).119 Auch bei den Inthronisationen von Abimelech (Ri 9,6), Saul (1 Sam 11,15), Salomon (1 Kön 1) und Asarija (2 Kön 14,21) betont Rutherford den konstitutiven Anteil des Volkes.120 Dabei sei die Auswahl bestimmter Könige wie Saul und David durch Gott eine Ausnahme, die sich der besonderen Situation des israelischen Volkes verdankt. Ferner habe die dem Haus David zugesprochene dynastische Kontinuität mit Christus ihr Ziel erreicht. Auf beide Argumente könnten sich zeitgenössische Monarchen nicht mehr berufen.121 Aus der Heiligen Schrift lasse sich daher Rutherford zufolge weder das Prinzip der Erbmonarchie noch die Herleitung der königlichen Herrschaftsgewalt direkt von Gott schlüssig begründen. Auch das Naturrecht könne zur Begründung der Monarchie nicht herhalten, so Rutherford.122 Vielmehr seien alle Menschen von Natur aus gleich. Adam habe zwar als Familienoberhaupt qua Naturrecht legitime Gewalt über seine Familie, nicht aber politische Herrschaftsgewalt innegehabt, da diese nur durch positives Recht verliehen werden könne.123 Rutherford verwirft auch andere vermeintliche königliche Prototypen aus der Zeit vor der Verkündigung des Gesetzes wie Nimrod als untauglich, um eine Königsherrschaft zu begründen.124 Ebenso spricht er jeglicher Herrschaft die Legitimität ab, die sich ausschließlich auf Eroberung gründe. Allein die freie Entscheidung des Volkes zur Herrschaftsübertragung an einen König sei das rechtmäßige Fundament einer Monarchie.125 Interessanterweise greift Rutherford bei seiner Legitimation des Widerstandsrechts nicht primär auf die Idee des Volkes als Ursprung monarchischer Herrschaft zurück. Vielmehr ist seine Argumentation deckungsgleich mit den Argumenten der Covenanters der ersten Stunde, speist sich also aus dem Zusammenspiel unbedingter Gehorsamstreue zur lex dei einerseits und den Verpflichtungen aus dem konditionierten Bund zwischen Gott und seinem Volk andererseits.126 119 120 121 122 123

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Rutherford, Lex, Rex, S. 15. Ebd., S. 12–15. Ebd., S. 22. Zum Verhältnis von Naturrecht und Bibelexegese bei Rutherford vgl. Coffey, Politics, Religion, S. 152–157. Rutherford, Lex, Rex, S. 3–5 und S. 89 f.: „There is a subjection in respect of naturall being, as the effect to the cause, so though Adam had never sinned, this morality of the fifth command, should have stood in vigour, that the son by nature, without any positive Law, should have been subject to the father, because from him he hath his being, as from a second cause: But I much doubt, if the relation of a father, as a father, doth necessarily infer a Royall or Kingly authority of the father over the son; or by natures Law, that the father hath power of life and death over, or above his children, and the reasons I give, are, 1. Because power of life and death is by a positive Law, presupposing sin, and the fall of man; and if Adam standing in innocency, could lawfully kill his son, though the son should be a Malefactor, without any positive Law of God, I much doubt. 2. I judge, that the power Royall, and the fatherly power of a father over his children, shall be found to be different.“ Ebd., S. 84. Ebd., S. 85. Vgl. hierzu auch treffend Coffey, Politics, Religion, S. 165 f. gegen Skinner, Foundations, Bd. 2, S. 325.

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Ein Verstoß des Königs gegen das Gottesgesetz – worunter die Einführung des Books of Common Prayer als Element des Götzendienstes zu zählen wäre – entbinde die Untertanen von ihrer Gehorsamspflicht gegenüber dem König, um Gott den schuldigen Gehorsam zu erweisen.127 Rutherford kleidet auch den zur Zeit des römischen Bürgerkrieges von Cicero formulierten Grundsatz salus populi suprema lex in ein biblizistisches Gewand, indem er die Maxime als Auslegung von Römer 13,4 präsentiert.128 Da die Obrigkeit „Gottes Dienerin dir zugut“ sei, könne auch nur derjenige Gehorsam beanspruchen, der diese Maxime einhält, d. h. sowohl als Diener Gottes dessen Gesetze beachte als auch das Wohl des Volkes im Sinn habe.129 Diese Auslegung findet sich ebenfalls bereits bei Gillespie und fußt wesentlich auf Pareus’ Deutung des Römerbriefes. Ein König, der davon abweiche, im Sinne von Gottes Gesetzen und dem Wohl des Volkes zu handeln, könne hierfür nicht länger die Königsrolle für sich in Anspruch nehmen, so Rutherford: David habe in seinem Ehebruch mit Batseba seine Herrschaftslegitimation als König eingebüßt, daher wäre Widerstand gegen den König legitim und rechtens gewesen.130 Außerdem sei jeder Einzelne von Natur aus mit dem Notwehrrecht ausgestattet.131 Welches Verhalten z. B. für den Klerus und das Volk aus dieser Maxime abzuleiten ist, zeigt Rutherford am Fall des Königs Usija (2 Chr 26), der auf eigene Faust den Tempel betrat, um dort zu räuchern, obgleich dies nur den geweihten Priestern gestattet war. Der Hohepriester stellte sich zusammen mit 80 Priestern dem König in den Weg und hinderte ihn am Zutritt zum Tempel, der König wur127 128 129

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Rutherford, Lex, Rex, S. 98–109 und mit direkter Adaption auf die politische Situation in Schottland (173). Für diese Position greift Rutherford auch auf John Knox zurück (209). Cic., leg. 3, 3, 8. Burgess und Coffey sehen beide die Auseinandersetzung über die politische Zielsetzung der Monarchie bei der Frage nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges als wichtiger an als die Debatte über den Ursprung der Monarchie; Coffey, Politics, Religion, S. 168; Glenn Burgess, Revisionism, Politics and Political Ideas in Early Stuart England, in: HJ 34 (1992), S. 465–478. Rutherford, Lex, Rex, S. 269. Rutherford schloß daher keineswegs ein Handeln Einzelner gegen den König aus, wie von Friedeburg behauptet. Da ein Tyrann nicht gemäß seiner Herrschaftspflichten handle um damit seine Amtsgewalt eingebüßt habe, dürfe er auch von jedem einzelnen zur Rechenschaft gezogen werden: „every private man may kill a tyrant, void of title“; Rutherford, Lex, Rex, S. 260. Wenn Davids Verhalten gegen Batseba Rutherford zufolge ihn während dieser Handlung seiner königlichen Legitimität beraube, so geht er damit über Althusius weit hinaus, der zwischen Verfehlungen und Verbrechen einerseits und Verstößen, die das Gemeinwohl insgesamt aufs Spiel setzen, unterscheidet; nur in letzterem Falle sei Widerstand legitim; Althusius, Politica (1614), Kap. XXXVIII, § 4. Zur ambivalenten Haltung Rutherfords über die Frage, wer Widerstand leisten dürfe, auch Coffey, Politics, Religion, S. 176–179. Hier bezieht sich Rutherford auf den römischen Rechtssatz „vim vi repellere licet “, den er als Bestandteil des Naturrechts deutet; Dig. 43, 16, 1, 27; ebenso bereits Cic. Sest. 39. Zur Tradition dieser naturrechtlichen Auffassung des Notwehrrechts vgl. Merio Scattola, Das Naturrecht vor dem Naturrecht. Zur Geschichte des ‚ius naturae‘ im 16. Jahrhundert (Frühe Neuzeit, Bd. 52), Tübingen 1999, S. 76; Skinner, Foundations, Bd. 2, S. 125 f., 197–204, 217–224.

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de von Gott für seinen Frevel mit Aussatz bestraft.132 Auch Jehus Ausrottung des Hauses Ahab im Auftrag Gottes sieht Rutherford nicht als außerordentliche Tat und damit als nicht nachahmenswert an, sondern deutet seine Gewalttat als einen Anwendungsfall der lex dei – deren Bestimmungen in Dtn 13, 6–9 sehen als Strafe für die Verführung zum Götzendienst den Tod vor – und damit als Präzedenzfall für Schottland.133 Der Unterschied zu Schottland bestünde allein darin, daß es zur Zeit Jehus niemanden außer dem Propheten Elias gegeben habe, der sich dem Götzendienst des Hauses Ahab in den Weg gestellt habe, während in Schottland die Institutionen und der Adel des Landes zum Widerstand gegen den sich als Nero gebärdenden Karl I. willens und in der Lage gewesen seien.134 Am Beispiel Davids, als dieser sich mit 600 bewaffneten Männern gegen einen drohenden Angriff König Sauls rüstete, demonstriert Rutherford die Legitimität bewaffneten Widerstands gegen einen regierenden König. Dieses Exempel kontrastiert Rutherford mit dem vorausgehenden Verhalten Davids, als dieser sich der Verfolgung durch Saul durch Flucht entzog. Rutherford unterscheidet in den beiden Verhaltensweisen Davids das Verhalten von Privatleuten (Flucht) vom notwendigen Verhalten der Stände, deren Aufgabe nicht die Flucht, sondern der Widerstand sei. Dies ist einer der Fälle, in denen Rutherford explizit auf das Prinzip des ständischen Widerstandsrechts rekurriert und dabei auch auf Althusius’ Politica Bezug nimmt.135 Interessanterweise sieht Rutherford in Christus und den christlichen Märtyrern und ihrem Verhalten des duldenden Leidens im römischen Kaiserreich keine nachahmenswerten Vorbilder. Vielmehr sei Christus’ Verhalten als außerordentlich anzusehen und nicht als Präzedenzfall, da es auf Gottes ausdrücklichen und nur an ihn persönlich adressierten Befehl zurückginge, sein Schicksal auf sich zu nehmen. Auch Christus’ Botschaft, sich an ihm ein Beispiel zu nehmen, gelte Rutherford zufolge nur, falls man vor der Wahl stünde, entweder Christus zu

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Rutherford, Lex, Rex, S. 267 und erneut S. 348: „And by this same reason the Parliaments of both Kingdomes may resume the power once given to the King, when he hath proved more unfit to governe morally, then Uzziah was ceremonially, that he ought not to judge the people of the land in this case. 2. If the priests did execute a ceremoniall law upon King Uzziah, Far more may the three estates of Scotland, and the two houses of Parliament of England execute the morall law of God on their King“. Ebd., S. 364 f. Ebd., S. 364: „Ahab and Iezabel raised not an Armie of Idolaters, Malignants, such as are Papists, Prelates, and Cavalliers, against the three Estates, to destroy Parliaments, Lawes and Religion, and the people conspired with Ahab in the persecution and Idolatry, to forsake the Covenant throw dowwe the Altars of God, and slay his Prophets, so as in the estimation of Elias, 1 King. 19.9, 10, 11. there was not one man, but they were Malignant Cavalliers, and hath any Elias now power with the Cavalliers, to exhort them to rise in Armes against themselves, and to shew them it is their duty to make warre against the King and themselves, in the defence of Religion?“ Parallelen dieser Argumentation zu John Knox Appellation (S. 506 f.) sind unübersehbar; vgl. hierzu Kap. III 2a. Zum Vergleich Karls I. mit Nero vgl. Coffey, Politics, Religion, S. 150 f. Rutherford, Lex, Rex, S. 327–329. Vgl. Althusius, Politica (1614), Kap. XXXVIII, § 87.

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verraten oder aber für den Glauben zu sterben.136 Die Verteidigung des Glaubens sei indes allemal die bessere Alternative und stünde in voller Übereinstimmung mit dem Gesetz Gottes. Rutherford ist ein gutes Beispiel dafür, wie die Auseinandersetzung um die Legitimität des eigenen Handelns zwischen den Anhängern des Königs einerseits und den Covenanters andererseits im Bürgerkrieg in eine grundsätzliche Debatte über den Charakter der Monarchie in Schottland und England mündete. Dabei stand die Frage nach dem Widerstandsrecht gegen einen regierenden Monarchen aus aktuellem Anlaß im Mittelpunkt des Interesses. Die Gegner des Widerstandsrechts griffen prominent auf biblische Aussagen zurück, um daraus ein divine right of kings abzuleiten und jeglichen Widerstand gegen den König als Sakrileg zu verdammen. Aber auch die Apologeten des Widerstandsrechts wie Rutherford suchten ihr Argument mit biblischen Mitteln zu untermauern. Die Bibel – insbesondere das im Alten Testament enthaltene deuteronomistische Geschichtswerk – lieferte für beide Seiten verbindliche rechtliche Normen und Präzedenzfälle, denen nicht nur aus politischen Erwägungen Folge geleistet werden müsse, sondern aus einer religiösen Verpflichtung, um Gottes Gesetz zu gehorchen und das individuelle Seelenheil sowie das kollektive Heil des Volkes nicht aufs Spiel zu setzen. Die Konzeption der Monarchie auf demselben Fundament biblischer Normen fiel gleichwohl sehr unterschiedlich aus. Die weitgehend unstrittige Autorität der Bibel ließ sich nicht übertragen auf die Autorität der aus ihr abgeleiteten Interpretationen. Letztlich konkurrierten bei der biblizistischen Deutung der Monarchie insbesondere zwei Auslegungstraditionen um Gültigkeit: Die eine sah die Monarchie als einzige von Gott direkt legitimierte Herrschaftsform an, betonte die Stellung des Königs als Gottes erstem Amtsträger auf Erden, sah den König nur Gott gegenüber in der Verantwortung und verneinte damit jegliches Widerstandsrecht für die Untertanen und die Gemeinschaft. Rutherford gehörte zu denjenigen Autoren, die dieses Monarchiekonzept in Frage stellten und sich gleichfalls auf biblische Argumente stützten: Sie sahen Gott ebenfalls als oberste Legitimationsinstanz der Obrigkeit, beschränkten dies aber weder auf die Monarchie als Herrschaftsform noch auf den regierenden König, sondern sahen vielmehr alle Amtsträger als von Gott legitimiert an. Die Einsetzung des Königs sei ferner erfolgt auf der Grundlage klarer Herrschaftspflichten sowohl dem Volk als auch Gott gegenüber. Verstieß ein König gegen diese Pflichten, habe er damit dem Zweck seiner Herrschaft zuwidergehandelt und seinen Herrschaftsanspruch verwirkt. In diesem Falle könne der Herrscher bereits auf Erden zur Rechenschaft gezogen werden, sei es durch hierfür vorgesehene politische Instanzen wie z. B. das Parlament, sei es in Folge aktiver Notwehr zur Verhinderung eines Verbrechens auch durch einzelne Untertanen. Diese Argumente speisten sich aus zahlreichen unterschiedlichen politischen Sprachen, darunter besonders prominent die antike Staatslehre, historische Beispiele sowie 136

Rutherford, Lex, Rex, S. 314–318. Zu diesem Aspekt auch Coffey, Politics, Religion, S. 176.

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naturrechtliche Argumente. Rutherford bündelt die aus unterschiedlichen Sprachen gewonnenen Argumente und unterstellt sie in seinem Traktat Lex, Rex dem Primat des Biblizismus.137 Ungeachtet der diskursiven Herkunft der Argumente führt er alle unterschiedslos auf biblische Normen und Exempla zurück und schafft damit die Illusion, ein letztlich ausschließlich auf biblischen Aussagen fußendes politisches Ordnungsmodell der Monarchie zu entwerfen, in dem für ein divine right of kings kein Platz mehr war. Im engeren Sinne war der Anlaß dieser Debatte das politische Ereignis des Bürgerkrieges. In einem weiteren Sinne ging es um einen Kampf zweier Deutungskonzepte von Monarchie, der weit in die Zeit vor Ausbruch des Bürgerkrieges zurückreichte und auch keineswegs auf die Grenzen der britischen Inseln beschränkt blieb.138 Sowohl Rutherfords Kronzeugen wie Knox, Buchanan, Hotman, Pareus und Althusius als auch seine bereits im Titel ausgewiesenen Kontrahenten Barclay, Grotius, Arnisaeus und de Dominis zeugen von der langen Tradition der Debatte und dem grenzüberschreitenden Austausch der Argumente. Diese Tradition war zugleich ein Speicher zahlreicher unterschiedlicher Argumente, auf den Covenanters und Royalisten gleichermaßen in ihrer Auseinandersetzung rekurrierten. Die neuartige Herausforderung einer militärischen Auseinandersetzung zwischen dem König auf der einen und dem Parlament sowie den Covenanters auf der anderen Seite wurde begleitet von politischen Argumenten, die bereits älteren Datums waren und sich aus unterschiedlichsten politischen Kontexten speisten. Darauf wird später noch zurückzukommen sein.

2. England im Kampf gegen den Antichristen Der National Covenant und die Auseinandersetzung um die Religionspolitik der Stuarts in Schottland waren wesentlich gespeist von Maximen, Beispielen und politischen Leitbildern aus den Schriften des Alten Testaments. Die Verteidiger der Auflehnung gegen Karl I. bedienten sich einer biblizistischen Rhetorik, die Unterstützer der legitimen Herrschaftsgewalt Karls I. griffen ebenso auf biblizistische Argumente zurück. Auch in England, so soll im folgenden gezeigt werden, spielte der politische Biblizismus bei der Rechtfertigung des Bürgerkrieges ebenso wie bei der Ermahnung der Untertanen zum Gehorsam gegenüber dem König eine wesentliche Rolle. Dies soll exemplarisch anhand dreier Debatten aufgezeigt werden: der Auseinandersetzung um drei lautstarke Kritiker der englischen Kirchenpolitik, der biblizistischen Rhetorik in den Fastenpredigten vor dem Langen Parlament sowie schließlich der Kontroverse um Henry Parker und seiner Rechtfertigung der Entscheidung des Parlaments, den politischen Notstand auszurufen und damit die Nichtbeachtung grundlegender Verfassungsprinzipien zu begründen. 137 138

Über die Widersprüche beim Versuch der Synthese unterschiedlicher Diskurse und über das Primat des religiösen Arguments Coffey, Politics, Religion, S. 180–187. Vgl. hierzu auch Ford, Lex, Rex, S. 289 f.

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Zwar läßt sich anhand dieser Auswahl kein vollständiges Bild der Genese des Bürgerkrieges in England zeichnen. Wohl aber kann anhand der drei Debatten aufgezeigt werden, welchen Anteil der politische Biblizismus an der politischen Diskussion über die Monarchie in England hatte, auf welch spezifische Weise biblizistische Argumente die Wahrnehmung und Deutung der aktuellen Ereignisse prägten und damit das ihre dazu beitrugen, daß die politische Auseinandersetzung zwischen König und Parlament schließlich in einen Waffengang zwischen den Anhängern beider Seiten mündete. a) Die Zeugen der Apokalypse: Burton, Bastwick und Prynne War in Schottland die Gründung des National Covenant der Auslöser für den Bürgerkrieg zwischen den Anhängern des Bundes und den Truppen des Königs, läßt sich für England der Moment, von dem an die Ereignisse mehr oder weniger unweigerlich auf eine militärische Auseinandersetzung zuliefen, weniger eindeutig bestimmen. Erst der Aufbau einer nur dem Parlament unterstellten Miliz im Jahr 1642 war wohl der entscheidende Schritt in den Bürgerkrieg, da sich das Parlament bei dieser Entscheidung vollständig über die etablierte politische Ordnung hinwegsetzte und nicht nur eindeutig königliche Rechte usurpierte, sondern zugleich das ausdrückliche Veto des Königs in den Wind schrieb. Die politische Initiative war Karl I. jedoch bereits einige Zeit vorher vom Parlament aus der Hand genommen worden. Mit der Einberufung des Long Parliament und der Zusicherung des Königs, das Parlament nur mit Zustimmung der Abgeordneten wieder aufzuheben, war dem König bereits Anfang November 1640 die Regie über Englands Politik weitgehend entglitten.139 Dies zeigte sich bald in einer Serie von Entscheidungen, die alle ein Ziel hatten: der Politik aus der Zeit des personal rule Karls I. den Garaus zu machen.140 John Pym, einer der schärfsten Kritiker des Königs unter den Parlamentariern, sprach in seiner Eröffnungsrede vom 7. November aus, welcher Aufgabe sich das Parlament verpflichtet fühlen sollte: Es gelte, den König von den Hochverrätern im Kreis seiner Berater zu befreien, die nichts weniger als den vollständigen Umsturz von Religion und Verfassung in England anstrebten.141 Diese Worte waren kaum verhallt, da befanden sich zwei der politisch einflußreichsten Berater des Königs aus der Zeit seines personal rule, der Earl of Strafford, Thomas Wentworth, sowie der Erz139

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Ich folge in dieser Einschätzung David Cressy, Revolutionary England 1640–1642, in: PP 181 (2003), S. 35–71; Ders., England on Edge, S. 8–10. Dies galt um so mehr für die Autorität des Erzbischofs von Canterbury, William Laud, die bereits im Verlauf des Jahres 1640 erodierte (ebd., S. 110–129 und S. 149–166). Vgl. Hans-Christoph Schröder, Die Revolution Englands im 17. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1986, S. 49. Kenyon, Stuart Constitution, S. 189–191. Russell zeigt im Vergleich mit anderen Reden zu Beginn des Parlaments, daß nicht alle Mitglieder des Parlaments sich John Pyms Verdacht zu eigen machten, im Umkreis des Königs und unter den Bischöfen existiere ein Masterplan zur Umgestaltung der Religion in England; Russell, Fall, S. 218–221.

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bischof von Canterbury, William Laud, in Untersuchungshaft bzw. unter Hausarrest, konfrontiert mit einem Impeachmentverfahren vor dem Parlament und der Anklage des Hochverrats.142 Während sich hinter prominenten Entscheidungsträgern der vergangenen Jahre die Gefängnistüren schlossen, standen diese für drei im Jahr 1637 inhaftierte prominente Gefangene wieder offen. Die Rückkehr des Geistlichen Herny Burton, des Common-Law-Richters William Prynne und des Arztes John Bastwick von den Kanalinseln nach London gestaltete sich wie ein Triumphzug.143 Die Märtyrer aus den Tagen der von Laud initiierten babylonischen Gefangenschaft der Kirche waren wieder frei, so die Lesart dieses Ereignisses bei all denen, die die Kirchenpolitik Karls I. ablehnten; eine Haltung, die zumindest die Mehrheit der im Unterhaus versammelten Parlamentarier einnahm. John de la March sah in Henry Burton einen der beiden Zeugen Gottes, von denen in der Offenbarung geweissagt wird, daß sie nach der Erfüllung ihres Zeugenauftrags vom Untier der Apokalypse getötet werden, aber nach dreieinhalb Tagen wieder auferstehen sollten (Offb 11,7–13).144 Die Wiederkehr Burtons deutet de la March als Zeichen des Unterganges Babylons und der an ihren Dienern zu vollstreckenden Rache (Offb 19, 1–3).145 Und Robert Woodford, Steward von Northampton, verglich in seinem Tagebuch die Rückkehr der drei Geistlichen ebenfalls mit dem Ende der babylonischen Gefangenschaft.146 142

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Thomas Wentworth wurde am 11. November 1640 festgenommen und im Tower eingesperrt, William Laud der Obhut von Usher anvertraut; Russell, Fall, S. 211. Zur Rolle Wentworths vgl. Ronald G. Asch, Thomas Wentworth, Earl of Strafford (1593–1641): „Frondeur“ und Favorit? Eine Karriere zwischen Hof und Provinz, in: Klaus Malettke u. a. (Hrsg.), Hofgesellschaft und Höflinge an europäischen Fürstenhöfen in der Frühen Neuzeit (15.–18. Jhdt.), Münster 2002, S. 159–174; Zu Laud vgl. Sharpe, Personal Rule, S. 284–292; jetzt auch D. Alan Orr, Treason and the State. Law, Politics and Ideology in the English Civil War, Cambridge 2002, Kap. 3 (Thomas Wentworth) und 4 (William Laud). Vgl. nur die Beschreibung von Robert Woodford, zitiert in Russell, Fall, S. 222. Henry Burton, A Narration of the Life of Mr. Henry Burton, London 1643, S. 29–43; Edward Earl of Clarendon, The History of the Rebellion and Civil Wars in England begun in the Year 1641, 6 Bde., hrsg. v. W. Dunn Macray, Oxford 1992, Bd. 1, S. 264, 268 f. Ferner kamen Alexander Leighton, John Lilburne und Peter Smart aus langer Haft frei. John de la March, A Complaint of the False Prophets Mariners upon the Drying up of Their Hierarchicall Euphrates, London 1641, Fol. A1r–A2v. Ebd., S. 49. „Oh blessed be the Lord for this day; for this day those holy living martyrs Mr Burton and Mr Prynne came to town, and the Lord’s providence brought me out… to see them; my heart rejoiceth in the Lord for this day, it is even like the return of the Captivity from Babylon“; Diary of Roberd Woodforde, New College, Oxford Ms 9502, zit. n. Alastair James Bellany, Libels in Action. Ritual, Subversion and the English Literary Underground, 1603–42, in: Tim Harris (Hrsg.), The Politics of the Excluded, c.1500–1850, Basingstoke/New York 2001, S. 99–124, hier S. 115 f. Zu dieser Quelle John Fielding, Opposition to the Personal Rule of Charles I. The Diary of Robert Woodford 1637–1641, in: HJ 31 (1988), S. 769–788, hier S. 778. Vgl. hierzu ferner Russell, Fall, S. 222; Paul Christianson, Reformers and Babylon. English Apocalyptic Visions from the Reformation to the Eve of the Civil War, Toronto/Buffalo/ London 1978, S. 181 f. Derselbe Vergleich wird auch von Henry Burton selbst angestellt; Henry Burton, The Sounding of the Two Last Trumpets, London 1641, Fol. A4r.

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Auch Burton selbst nutzte die Chance der jüngsten Ereignisse, sich in den Text der Apokalypse einzuschreiben. Konsequent parallelisiert er sein eigenes, jüngst erlittenes Unheil mit der in der Apokalypse enthaltenen Weissagung über das Schicksal der beiden Zeugen (Offb 11).147 Die dreieinhalb Tage, in denen die Leichname der Zeugen nach ihrer Ermordung durch das apokalyptische Untier offen auf der Straße liegen, deutet Burton als metaphorische Umschreibung der dreieinhalb Jahre, die er und seine Mitgefangenen im Gefängnis ausharren mußten.148 Diese Deutung verschafft Burton eine Rolle als unmittelbarer Zeuge und Beauftragter Gottes, als Werkzeug in Gottes Heilsplan. Er hatte stets eine Rolle als „Watchman of Israel“ und als zeitgenössischer Nachfolger der Propheten des Alten Testaments für sich in Anspruch genommen.149 Dieses Selbstverständnis zeigt sich auch in einer Erklärung gegenüber den Mitgliedern des Privy Council, d. h. gegenüber den Richtern, die 1637 über Burton und einige seiner Schriften in der Star Chamber zu befinden hatten: „Yea, my Lords, knowe assuredly, that Christ himselfe, my great Lord & Master, hath called me forth to be a publique witnesse of this great Cause, who will certainly mainteyne both it and me against all the Adversaries of God and of the King.“150 Diese Lageeinschätzung mochte während des Prozesses einigermaßen kühn geklungen haben. Der Kaplan William Lauds, Peter Heylyn, macht sich im Zusammenhang mit dem Prozeß gegen Burton unverhohlen lustig über den Anspruch Burtons, gleichsam direkter Bote Gottes auf Erden zu sein.151 Die konsequente 147

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Burton stand mit der Idee, einer der beiden Zeugen der Offenbarung zu sein, zu dieser Zeit keineswegs allein. Anderen war mit dieser Selbstdarstellung allerdings weniger Erfolg vergönnt. Zwei Weber aus Cockney, Richard Farnham und John Bull, wurden 1636 von der High Commission für die Behauptung, die beiden Zeugen der Offenbarung zu verkörpern, zu einer Haftstrafe verurteilt; vgl. Ariel Hessayon, Art. John Bull (d. 1642), in: ODNB 8 (2004), S. 593 f.; John Walter, Art. Richard Farnham (d. 1642), in: ODNB 19 (2004), S. 77 f.; Alexandra Walsham, Providence in Early Modern England, Oxford 1999, S. 205; sowie die Traktate von Thomas Heywood, die dem Schicksal dieser „Zeugen“ erst die notwendige Verbreitung bescherten; T[homas] H[eywood], A True Discourse of the Two Infamous Upstart Prophets, London 1636; Ders., A Curb for Sectaries and Bold Propheciers, London 1641; Ders., False Prophets Discovered, London 1642. Burton, Sounding, S. 69 f. Burtons Selbstbeschreibung als „Watchman of Israel“; Henry Burton, A Replie to a Relation, of the Conference between William Laude and Mr. Fisher the Jesuite, [Amsterdam] 1640, S. 16; Ders., An Apology of an Appeale also an Epistle to the True-Hearted Nobility, [Amsterdam] 1636, S. 19; Henry Burton, For God, and the King, [Amsterdam] 1636, Fol. A4r–v. Burton: Apology, S. 28. Zunächst war ein Verfahren vor der High Commission vorgesehen; CSPD 1636–37, S. 198. Laud selbst veranlaßte ein Verfahren an einem „höheren Gericht“, d. h. der Star Chamber; The Works of William Laud, Archbishop of Canterbury, hrsg. v. William Scott/James Bliss, 7 Bde. in 9, Oxford 1847–60, hier Bd. 5, S. 338. Peter Heylyn, A Briefe and Moderate Answer, to the Seditious and Scandalous Challenges of Henry Burton, London 1637, Vorrede, Fol. c2r: “„Bold men, that durst lay hands upon a Prophet of such an extraordinary calling, who if his power had been according to his spirit, would have commanded fire from heaven, to have burnt them all, or sent them further off with a noli me tangere.“

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Selbststilisierung der drei Verurteilten auf dem Richtplatz zu standhaften Märtyrern152 sowie die Freilassung der Gefangenen und der Triumphzug nach London verlieh der Selbstbeschreibung Burtons als Zeuge Gottes jedoch Glaubwürdigkeit. Mit dieser reklamierten Sprecherrolle stellt sich Burton über die in der Kirche etablierte Hierarchie einer Bischofskirche, in der die Bischöfe zugleich über Art und Inhalt theologischer Sprechakte die Kontrolle ausübten und darüber im Konfliktfall in der High Commission auch zu Gericht saßen.153 Burton erhebt das Gesetz Gottes (this great cause) zur entscheidenden Norm und sieht sich selbst als von Gott berufener Anwalt, um die Einhaltung dieser Norm einzufordern. Dem Regiment der Bischöfe billigt Burton in seiner Erklärung an die Mitglieder des Privy Council eine direkte göttliche Legitimation ausdrücklich nicht zu. Vielmehr hätten sie sich dadurch diskreditiert, daß sie in ihren Maßnahmen und in ihrer Kirchenpolitik gegen die Norm Gottes verstoßen hätten. Sie seien in der Kirche daher keine rechtmäßige Entscheidungsinstanz mit legitimen Jurisdiktionsrechten, sondern „Adversaries of God“ und aufgrund ihrer angemaßten Stellung im Land auch „Adversaries of the King“.154 Die Freilassung Burtons und seiner Mitstreiter sowie die Rolleninszenierung als Zeuge der Apokalypse verliehen dieser Sprecherrolle Plausibilität und wiesen Burton eine notwendige Aufgabe in Gottes Heilsplan zu.155 Das etablierte Kirchenestablishment hatte die politische Deutungshoheit über die Heilige Schrift eingebüßt. Die Kritik der drei ehemals Verurteilten am Erscheinungsbild der englischen Kirche war im Jahr 1640 unvermindert aktuell. Ihre Freilassung ließ sich darüber hinaus als ein Zeichen dafür verstehen, daß das Parlament sich die Kritik zu eigen machte. Daß den Rückkehrern dabei von ihren Sympathisanten die Rolle aufrechter und standhafter Märtyrer für den wahren Glauben zugeschrieben werden konnte, verlieh auch den Äußerungen, die zu ihrer Verurteilung geführt hatten, neue Aufmerksamkeit und Legitimität.156 Somit wurde deren Anliegen, das ihnen 152

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Vgl. Sharpe, Personal Rule, S. 762 zum Auftritt der drei Verurteilten auf dem Schafott. Vgl. auch Bastwicks Darstellung, „Satan cast me into prison“; John Bastwick, The Letanie, [Leiden 1637], S. 1. Vgl. ferner Bellany, Libels in Action, S. 110–116. Dieser Kontrollfunktion suchten die Bischöfe noch 1640 durch den sogenannten Etc.-Oath gerecht zu werden, in dem sowohl Geistlichen als auch weltlichen Amtsträgern ein Bekenntnis darüber abverlangt wurde, daß sowohl die etablierte Kirchenstruktur als auch die Riten der Kirche rechtmäßig seien; Edward Cardwell (Hrsg.), Synodalia. A Collection of Articles of Religion, Canons and Proceedings of Convocations in the Province of Canterbury from the Year 1547 to the Year 1717, Oxford 1842, ND 1969, Bd. 1, S. 402–404. Henry Burton, The Baiting of the Popes Bull, or An Unmasking of the Mystery of Iniquity, Folded up in a Most Pernitious Breeve or Bull, Sent from the Pope lately into England, to Cause a Rent therein, for his Reentry, London 1627, S. 60; ebenso auch Alexander Leighton, An Appeal to the Parliament, [1629], S. 5. Vgl. hierzu William M. Lamont, Prynne, Burton, and the Puritan Triumph, in: Huntington Library Quarterly 27/2 (1963–64), S. 103–113; Ders., Marginal Prynne 1600–69, London/Toronto 1963; R. T. Hughes, Henry Burton. The Making of a Puritan Revolutionary, in: Journal of Church & State 16 (1974), S. 421–434. So auch treffend Christianson, Reformers, S. 138: „These outspoken, irrepressible men made increasingly radical attacks first upon the Arminians and then upon the bishops. Con-

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drei Jahre zuvor noch einen Schuldspruch wegen Hochverrats, das öffentliche Abschneiden ihrer Ohren sowie eine lebenslange Haftstrafe bescherte,157 nun zumindest für einen Teil der Abgeordneten zum politischen Programm: Es galt, alle Elemente von popery aus der englischen Kirche auszumerzen, die von der „papists party“ sowie vom korrupten Teil des englischen Klerus eingeschmuggelt worden seien, um die englische Kirche wieder dem Joch des Papstes zu unterwerfen.158 Das Ziel der Ausmerzung von popery in der englischen Kirche teilten alle drei Verurteilten.159 In einigen der Schriften, die zur Verurteilung führten, waren darüber hinaus auch weitere politische Ordnungsvorstellungen erkennbar, die dem Long Parliament später als Blaupause dienen konnten. Dies galt insbesondere für Henry Burtons Druckfassung einer Predigt, die er am Gedenktag zur Pulververschwörung am 5. November 1636 gehalten hatte und die den programmatischen Titel trug: For God, and the King. Insbesondere diese Schrift war für den Erzbischof von Canterbury, William Laud, der Anlaß, das Verfahren gegen die drei Autoren nicht vor der High Commission zu führen, also dem bischöflichen Gerichtshof, sondern vor der Star Chamber, also dem Privy Council als oberster Gerichtsinstanz des Landes.160 Burtons Predigt beinhaltet zweierlei: Zum einen war sie – wie zahlreiche weitere Schriften aus seiner Feder und derjenigen seiner Mitstreiter – eine Anklageschrift gegen die Mißstände in der Kirche und deren

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temporaries recognized the apocalyptic framework and the force of their arguments. Persecution not only promoted their propaganda, it drove them from defence of the Church of England to call for demolition of its governing structure.“ Die Popularisierung der antibischöflichen Haltung erfolgte dabei in zahlreichen Medien; vgl. nur Helen Pierce, Anti-Episcopacy and Graphic Satire in England, 1640–1645, in: HJ 47 (2004), S. 809–848. Vgl. hierzu Samuel Rawson Gardiner (Hrsg.), Documents Relating to the Proceedings against William Prynne in 1634 and 1637, ND New York 1965, zum Urteilsspruch S. 70–76 [SPD, CCCLXII, 31], zur öffentlichen peinlichen Bestrafung S. 86–90 [SPD CCCLXII, 42]. Prynne bekam als Wiederholungstäter außerdem auf die Stirn die Buchstaben S.L. für „Seditious Libellour“ eingebrannt. Burton benannte diese Buchstaben in einem Gedicht als „Stigmata Laudis“; vgl. John Bastwick, A Breife [sic!] Relation of Certaine Speciall, and Most Materiall Passages, and Speeches in the Starre-Chamber, [Amsterdam] 1638, S. 22. Vgl. zum Verfahren auch Stephen Foster, Notes from the Caroline Underground. Alexander Leighton, the Puritan Triumvirate, and the Laudian Reaction to Nonconformity, Hamden (Connecticut) 1978, S. 47–57. So beispielsweise John Pym in seiner Eröffnungsrede; vgl. Kenyon, Stuart Constitution, S. 190. Als Elemente von popery werden z. B. bei Burton im einzelnen an den Pranger gestellt: die ceremonies in der englischen Kirche, insbesondere die Neuerungen auf diesem Gebiet unter Karl I. bzw. William Laud; die Relativierung der Schrift im Verhältnis zur Liturgie; die Ausgleichsbestrebungen mit Rom als Zeichen einer Annäherung an den Antichristen; die Betonung der hierarchisch gegliederten Bischofskirche samt ihrem Repressionsinstrument, der High Commission; vgl. Burton, Sounding, S. 18–25, 54 f., 58 f. Zu Fragen der Rechtfertigungslehre, Predestination und freiem Willen findet sich bei Burton kein einziges Wort. Es ist eher unwahrscheinlich, daß Pym gerade diese Aspekte im Sinn hat, wenn er gegen den „corrupt part of the clergy“ wettert, wie Russell behauptet; Russell, Fall, S. 216 f. Burton, Apology, S. 21. Vgl. hierzu The Works of William Laud, Bd. 5, S. 338.

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Verursacher, die Bischöfe. Zum anderen aber finden sich in ihr prinzipielle Aussagen über das Verhältnis von Gottesgehorsam und Königsgehorsam. Burton startet mit einem emphatischen Bekenntnis zum Gehorsam sowohl gegenüber Gott als auch gegenüber dem König. Zugleich macht er deutlich, daß der Gottesgehorsam dem Königsgehorsam übergeordnet sei. In diesem Sinne interpretiert er auch die beiden Klassiker des Neuen Testaments zum Gehorsamsgebot: 1 Petr 2,13 und Röm 13. Der notwendige Gehorsam zur Obrigkeit ergebe sich zwingend bereits aus der Gehorsamspflicht gegenüber Gott, da die Obrigkeit von Gott gestiftet sei.161 Diese Kopplung weltlicher und transzendenter Obrigkeit bietet Burton die Möglichkeit, die weltliche Herrschaft als konditioniert und abgeleitet zu verstehen und den König als „God’s Minister“ zu umschreiben. Vorbild für die Königsherrschaft sei die Gottesherrschaft, deren Statthalter auf Erden der König sei. Gott fordere den Gläubigen aber keinen größeren Gehorsam ab als die Einhaltung der Gesetze Gottes. Dieses Prinzip müsse auch für die Königsherrschaft gelten, woraus Burton wiederum den Schluß zieht, daß die Gesetze des Landes auch für den König gelten. Im Krönungseid, dem „Solemne and sacred Covenant with all his people“, habe der König ferner versichert, der Schutzherr aller Engländer zu sein und gemäß der Gesetze des Landes zu regieren.162 Die Rolle des Königs sei die eines Hirten, der seine Herde auf Gottes Wegen halten und vor den Wölfen schützen solle.163 Sollte der König dieser Aufgabe nicht gerecht werden, so Burton, sei die Kongruenz von Gottes- und Königsgehorsam zerstört, stünden die Untertanen vor einem Gehorsamskonflikt zwischen Gott und dem König, bei dem Gott eindeutig der Vorrang gebühre.164 In der abstrakten Welt der politischen Theorie ist diese Feststellung ein Gemeinplatz. Lauds Gesinnungsgenosse Peter Heylyn läßt diesen Punkt in seiner Entgegnung auf Burton unwidersprochen. Wohl aber widerspricht Heylyn den Konsequenzen, die Burton daraus ableitet, wie noch näher zu zeigen sein wird.165 Subversives Potential erhält Burtons Argumentation daher erst durch die Art und Weise, wie er sie auf die aktuelle Lage in England appliziert. Besonders gut läßt sich dies anhand von Burtons Argumentation gegen die Prophanierung des heiligen Sonntags veranschaulichen. Das sogenannte Sabbathgebot, d. h. die Pflicht, am siebten Tag des Herrn zu gedenken, ist für Burton Teil des göttlichen Rechts, und zwar Teil der Moralia, d. h. der dauerhaft gültigen Normen Gottes, die nicht nur die Juden, sondern als Teil des Naturrechts alle Völker gleichermaßen betreffen.166 Alle Versuche, die Gültigkeit des Sabbathge161 162 163 164 165 166

Burton, For God, S. 36 f. Ebd., S. 41 f. Ebd., S. 43. Ebd., S. 76: „all our obedience to Kings and Princes, and other Superiors, must be regulated by our obedience to God“. Heylyn, A Briefe and Moderate Answer, S. 27–30. Henry Burton, The Lords Day, the Sabbath Day. Or, A Briefe Answer to some Materiall Passages, in a Late Treatise of the Sabbath-Day Digressed Dialogue-wise betweene two

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bots in seiner strikten Form auf die Juden zu beschränken oder durch neue Regelungen wie dem Book of Sports partiell aufzuheben,167 deutet Burton daher als Verstoß gegen die Gottesherrschaft, als Akt des Ungehorsams und der Rebellion gegen Gott: Now as the King will not take it well, if any medle with his Prerogative, and arrogate that to himselfe, which is the Kings right: So is God justly offended, when men presume to assume unto themselves a power, which is proper and peculiar to God alone. If any will take upon him to coyne money by counterfeiting the Kings stampe, and Name, his act is treason: How then shall they escape, that presume to coyne or stampe for currant, what time they please for Gods solemne worship? Now the Sabbath day is of the Lords owne making and stamping, and therefore stiled Lords day, his image and superscription is upon it, which let no wight presume to counterfeite.168

Die Prophanierung des Sabbaths ist für Burton nur ein Beispiel unter vielen, anhand derer er aufzeigt, daß der König seiner Rolle eines treusorgenden Hirten nicht gerecht werde. Dabei lautet der Kern des Vorwurfes, daß die unter Karl I. eingeführten „Neuerungen“ Eingriffe in die Sphäre der Gottesherrschaft darstellten. Implizit wird damit gegen Karl der Vorwurf erhoben, statt eines Statthalters Gottes auf Erden ein Usurpator zu sein, der sich Kompetenzen angemaßt habe, die allein Gott selbst zustünden. Dies betrifft insbesondere alle Versuche, die im Land etablierte Religion zu ändern: Neither God in his Law, nor the Law of the Land, doe allow the King a power to alter the State of Religion, or to oppresse and Suppresse the faithfull Ministers of the Gospell, against both Law and Conscience. For Kings are the Ministers of God for the good of his people.169

Ähnlich wie Gillespie in Schottland sieht Henry Burton auch in England den Sündenfall darin, daß die unter Karl I. in der Kirche vorgenommenen Eingriffe dem Gesetz Gottes und den Gesetzen des Landes zuwiderlaufen. Zwar richtet sich die Kritik explizit meist nicht gegen den König, sondern gegen die führenden Repräsentanten des Klerus, die Bischöfe, und ihre Kirchenpolitik: Während Burton Karl als Hirten benannte, titulierte er die Bischöfe als Wölfe, die die Herde bedrohten.170 Burtons Diktum, die Engländer seien eher „vessals and slaves to the Prelates“ als „free subjects of the King“ ist jedoch für den König nicht minder despektierlich als für die gescholtenen Bischöfe.171 Deren Sündenkatalog reiche von der Prophanierung des heiligen Sonntags, der Er-

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Divines A. & B, [Amsterdam 1636], S. 6 und 18. Burton zählt das Sabbathgebot übrigens durchgehend als viertes Gebot gemäß der jüdischen Überlieferung. Burton argumentiert insbesondere gegen Francis White, Treatise of the Sabbath Day, 3. Aufl. London 1636. Burton, The Lords Day, S. 12. Burton, For God, S. 72 f. So auch der Eindruck von Heylyn, A Briefe and Moderate Answer, S. 42 f. Burton, For God, S. 129. Burton führt in seiner Schrift, The Lords Day, S. 3, 36, 45, gleich mehrfach Jakob VI. und dessen Schrift Basilikon Doron als Kronzeugen für eine kritische Haltung gegenüber den Bischöfen an.

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richtung von Altären mit Kruzifix statt reiner Abendmahltische, dem Aufbau von Chorschranken und dem Knien während der Eucharistie über die Absetzung verdienter Prediger und dem Predigtverbot außerhalb der Messe bis zur Anweisung, in den Predigten das Thema der Prädestinations- und der Gnadenlehre auszusparen.172 Burton listet damit alles auf, was für die Reformer innerhalb der englischen Kirche insbesondere unter dem Regiment des Erzbischofs Laud ein steter Stein des Anstoßes war.173 In der Kirchenpolitik Lauds sieht er papistischen Götzendienst, der gegen das Gottesgesetz verstoße und daher den Widerspruch aller wahren Gläubigen erfordere. Laud und seine Mitstreiter werden auf apokalyptische Weise verteufelt: they are those froggs, uncleane spirits out of the mouth of the Dragon, and Beast, and false Prophet, whose croking cryeth downe the voyce of Gods Ministers, and which doe corrupt the pure streames of the waters of life by their filthinesse. In a word, these are the limbs of the Beast, even of Antichrist, taking his very courses to beare and beat downe the hearing of the Word of God, whereby men might be saved.174

Burton zitiert hier aus der Offenbarung des Johannes (Offb 16,13), allerdings ohne Zitat und Ort als solches kenntlich zu machen. Den unreinen Geistern kommt an dieser Stelle der Offenbarung insbesondere die Aufgabe zu, die Könige der Welt vor dem letzten Gefecht für die Seite des Teufels zu gewinnen. Diesen unreinen Geistern wirft sich nun Burton mit seinem eigenen Schicksal entgegen. Der Clou von Burtons Traktat besteht darin, daß er seinen eigenen Fall zum Test darüber erhebt, ob Karl I. bereit ist, sich den Rechtgläubigen anzuschließen und damit die notwendige Furcht des Herrn zu beweisen, oder ob er seinen Bischöfen nachfolgt, die Burton zufolge in der Tradition Hamans stünden, dem Inbegriff des bösen Beraters im Buch Esther.175 Da sich Burton aufgrund seiner Schriften vor der Star Chamber zu verantworten hatte, wendet er sich in seinem Traktat an Karl I., damit dieser selbst eine Entscheidung über ihn vornehmen möge: All which I humbly commit to Your Maiesties Royal Patronage, as Who next under God, are most interessed in the Cause. Now the Lord Iesus Christ, the King of Kings, and Lord of Lords, so unite and combine your heart unto Himselfe, that You being guided by His Spirit of Wisedome and Understanding, of Counsel and Strength, and of the feare of the Lord, You may doe Valiantly, and prosper, in stopping the course of all Innovators and Back-sliders into Popery, that so with and under Christs Kingdome, Yours may be established in Rightconsnesse to You and your Royall Posteritie, until time shall be no more.176

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Burton, For God, S. 16–20, 33, 51. Vgl. ferner [William Prynne], Newes from Ipswich, o. O. 1636, Fol. 1v; Bastwick, Letany, S. 11 (hier wird William Laud in Anspielung auf das 12. Kapitel der Offenbarung als „William, the Dragon“ tituliert). Burton, For God, S. 11 f. Prynne tituliert die Erzbischöfe und Bischöfe als „Luciferian Lord Bishops“, als „Archagents for the Divell, and Pope of Rome“; Prynne, Newes from Ipswich, Fol. ¶2r. Burton, For God, S. 46. Ebd., Vorwort, Fol. A4v.

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Karl wird hier vor die Alternative gestellt, durch eine Freisprechung Burtons von jeglicher Schuld und einen vollständigen Bruch mit seiner bisherigen Kirchenpolitik seine Gottesfurcht zu beweisen, oder aber im wahrscheinlicheren Falle einer Verurteilung Burtons ein weiteres Mal die in England bereits herrschende Tyrannei des Klerus zu dulden. Dabei läßt Burton an anderer Stelle anklingen, daß eine religionspolitische Umkehr der europäischen Könige zur Erfüllung der Heilsgeschichte zwingend erfolgen wird; nur der Zeitpunkt der Umkehr ist unklar. Hierfür bezieht er sich auf das 17. Kapitel der Offenbarung, in dem prophezeit wird, wie die Könige, nachdem sie zuerst mit der Hure Babylon Unzucht getrieben hätten, sich schließlich von ihr abwenden und den Untergang Babylons herbeiführen werden.177 Burtons Aufforderung an Karl I., eine bereits vorgezeichnete Rolle innerhalb der Heilsgeschichte zu übernehmen, kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es sich bei seiner Schrift For God, and the King um eine in hohem Maße subversive Schrift handelte, obwohl in ihr weder das Widerstandsrecht gegen den König thematisiert noch die Institution des Königtums in Frage gestellt wird. Die konsequente Unterwerfung der Königs- unter die Gottesherrschaft sowie die Auflistung der mit der Gottesherrschaft einhergehenden Prämissen reichte für Burton völlig aus, um das Regiment Karls I. als Tyrannei zu brandmarken, ohne diesen Vorwurf gegen den König ausdrücklich zu erheben. Der konditionierte Gehorsam gegenüber dem König war de facto ein Aufruf zur Aufkündigung der Gefolgschaft, da die Bedingung zur Gehorsamspflicht, die Treue zu Gottes Gesetz, in England nicht mehr gegeben sei: „If the Emperour commaund one thing, and God another: what thinkest thou? The greater power is God. Pardon O Emperour: thou threatenest a prison, He hell.“178 Peter Heylyn verfaßte im Auftrag Erzbischof Lauds A Briefe and Moderate Answer zu Burtons Traktat,179 in der er sich um die möglichst vollständige Widerlegung seiner Argumente bemühte. Gerade diese auf umfassenden Widerspruch angelegte Konzeption der Schrift macht es um so bemerkenswerter, daß die grundsätzliche Prämisse Burtons unwidersprochen bleibt, die Königsherrschaft dürfe zur Gottesherrschaft nicht in Widerspruch stehen. Vielmehr wählt Heylyn einen vergleichbaren Ausgangspunkt, wenn er betont, daß die königliche Herrschaftsgewalt sich ausschließlich Gott verdanke und im Naturrecht begründet sei.180 Menschliche Gesetze könnten die Königsherrrschaft hingegen nicht einschränken. Auf diesem Fundament kann Heylyn Burtons Erinnerung an den Königseid und die Bindung des Königs an die Gesetze des Landes souverän beiseite wischen.181

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Ebd., S. 84. Ebd., S. 79. Vgl. hierzu The Works of William Laud, Bd. 4, S. 85 f.; Heylyn, A Briefe and Moderate Answer, Vorwort, Fol. d1r. Heylyn, A Briefe and Moderate Answer, S. 36. Ebd., S. 38–40.

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Die Gehorsamspflicht des Königs zu den Gesetzen Gottes bleibt aber unwidersprochen.182 Hier konzentriert sich Heylyn allein darauf, darzulegen, daß Karl I. sich stets an die Gesetze Gottes gehalten habe. Burtons Feststellung, der König dürfe laut dem Gesetz Gottes weder die Religion des Landes ändern noch rechtschaffene Geistliche verfolgen, wird von Heylyn nicht bestritten. Wohl aber verneint er, daß der König sich dies habe zuschulden kommen lassen und Burton samt seinen Glaubensfreunden sich mit dem Titel „faithfull ministers of the Gospell“ schmücken dürften. Wenn der König daher Burton zur Rechenschaft ziehe, so Heylyn unter Bezug auf die von Burton zugrundegelegte Bibelstelle Röm 13,4, verstoße er nicht gegen Gottes Gesetz, sondern sei vielmehr dessen Vollstrekker.183 Die Konfrontation zwischen Heylyn und Burton war daher im Bezug auf das politische Ordnungsverständnis kein Kampf unterschiedlicher Prinzipien, sondern ein Kampf um die Interpretationshoheit über die Prinzipien. Der Streit ging nicht um die notwendige Kongruenz der Königsherrschaft mit der Gottesherrschaft, sondern darum, wer sich mit welcher Autorität auf Gott berufen konnte, um daraus politische Forderungen abzuleiten, also z. B. Aussagen zu treffen über die vorhandene oder aber nicht vorhandene Kongruenz. Letztlich läuft die gesamte Auseinandersetzung auf die Frage zu, wem das Recht zukommt, die Theokratie als Argument in Stellung zu bringen. Während Burton sich selbst und seinen Mitstreitern diese Autorität zugesteht, konzentriert Heylyn dieses Recht in der Person des Königs. Sofern sich die historische Forschung zur politischen Theorie der frühen Stuartzeit der Auseinandersetzung zwischen Burton und Heylyn annahm, schob sie allerdings andere Fragen in den Vordergrund. Dies gilt insbesondere für die prinzipielle Kontroverse zwischen Glenn Burgess und Johann P. Sommerville um die Frage – die auch anhand von Heylyns Traktat ausgefochten wurde –, ob in Stuartengland absolutistische Positionen verfochten worden seien oder nicht. Während Burgess unterstreicht, daß Heylyn den König keineswegs generell davon freigesprochen habe, den Gesetzen des Landes zu gehorchen und betont, daß die Gesetze ja selbst ein Resultat des königlichen Willens darstellten, sieht Sommerville in Heylyns Traktat ein Plädoyer für den unbeschränkten Gehorsam zum König, nicht aber zu den Gesetzen des Landes.184 Die Fixierung auf die Streitfrage des Absolutismus führt dazu, daß beide Autoren Heylyns Argumentation weitgehend loslösten von ihrem Entstehungskontext. Burtons Traktat wird bei Sommerville kurz angesprochen, bei Burgess gar nicht erst erwähnt. Dabei gerät der rhetorische Schachzug Heylyns nur in den Blick, wenn man beide Traktate direkt miteinander in Beziehung setzt. Während Burton in seiner Schrift insbesondere das Verhältnis zwischen Gott und König thematisiert und sich zum Thema, ob der König den Gesetzen des Landes unter182 183 184

Ebd., S. 27–30. Ebd., S. 37. Burgess, Absolute Monarchy, S. 103 f.; Sommerville, Royalists and Patriots, S. 240–244.

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worfen sei, eher lapidar äußert, spielt dieser Aspekt in der Entgegnung Heylyns eine ungleich größere Rolle, während die Relation zwischen der Königs- und der Gottesherrschaft ihm nur wenige Bemerkungen wert ist. Burgess’ und Sommervilles Debatte über die Auslegung von Heylyns Position zum Stellenwert der positiven Gesetze des Landes konnte nur deswegen zustande kommen, da Heylyn in seiner Antwort auf Burton das Thema der Auseinandersetzung neu justierte. Die Frage, weshalb sich Heylyn in seiner Erwiderung auf Burton stärker der Herrschaft des Königs über sein Volk widmet als dem Verhältnis zwischen Gott und dem König, ist ungleich bedeutsamer als die Frage, inwiefern Heylyn in seinem Traktat einer von den Gesetzen des Landes losgelösten Königsherrschaft das Wort redet. Offenbar bot das theokratische Argument zu viele Fallstricke, hatte Heylyn zu viele Einschränkungen königlicher Machtvollkommenheit zu konzedieren, als daß sich damit Burtons Aussagen rhetorisch ausreichend wirksam hätten widerlegen lassen. Nur das Argument der Einrichtung der Königsherrschaft allein durch Gott, also das Königtum jure divino, spielt in Heylyns Argumentation eine größere Rolle. Der aktive Part Gottes bleibt in diesem Argument allerdings auf den Moment der Etablierung der Monarchie beschränkt, ist also Vergangenheit. Die Vorstellung eines Gottes als dauerhafte Kontrollinstanz und als handelnder Akteur war jedoch nur schlecht zu vereinbaren mit der Konzeption einer unumschränkten Herrschaft des Monarchen. Weit eher ließ sich mit dieser Vorstellung auf dem Fundament allgemein geteilter Grundpositionen Kritik am König formulieren. Die Gott zugesprochene aktive Rolle verlieh der Kritik ferner die notwendige Relevanz, mußte es doch auch und gerade für den König in seiner ihm zugesprochenen Rolle als Statthalter Gottes immer darum gehen, den potentiell zornigen und strafenden Gott gewogen zu stimmen und nicht durch Ungehorsam zu verärgern.185 Heylyn war jedoch weit mehr daran gelegen, die Gehorsamspflicht des Volkes aufzuzeigen, als den schuldigen Gottesgehorsam des Königs zu thematisieren. b) Die Fastenpredigten vor dem Parlament (1640–1642) Die Warnung vor dem drohenden Gottesurteil über England bei ausbleibender Umkehr und fehlender Rückbesinnung zum Ideal einer vollständig reformierten Kirche wurde in keiner anderen Gattung so häufig repetiert und variiert wie in der Predigt. Predigten darf wohl prinzipiell ein bedeutender Einfluß zur Mei185

Diese Perspektive findet sich insbesondere bei Henry Burton, A Divine Tragedie Lately Acted, or, A Collection of Sundry Memorable Examples of Gods Judgements upon SabbathBreakers, and other like Libertines, in their Unlawfull Sports, Happening within the Realme of England, in the Compass only of Two Yeares Last Past, since the Booke was Published, o. O. 1636, S. 4–25. Burton listet hier individuelle Unglücksfälle von „Sabbath-Breakers“ der letzten zwei Jahre – d. h. seit der Veröffentlichung des Book of Sports im Jahr 1633 – auf, deren Schicksale er ausnahmslos als Beispiele göttlichen Einwirkens und damit göttlicher Gerechtigkeit deutet (Ebd., S. 30). Die Prophezeiung in Dtn 28,22, die im Falle von Übertretungen der Zehn Gebote göttliches Unheil androht, sieht Burton damit als erfüllt an (ebd., S. 26).

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nungsbildung unterstellt werden, waren es doch Appelle, die sich direkt auf die Autoritätsquelle der Bibel bezogen und daraus Normen für die Gegenwart ableiteten.186 Sofern Predigten nach ihrer mündlichen Darbietung auch in Druck gingen, zielten sie neben der Gemeinde auch auf eine tendenziell landesweite Öffentlichkeit. Glaubt man den Zeitgenossen, so hatten die Reden von der Kanzel einen prominenten Anteil daran, daß England sich alsbald im Bürgerkrieg wiederfinden sollte. Dabei finden sich Schuldzuweisungen an die Geistlichen beider Lager. Charles Herle klagte die königlichen Hofkapläne an, die Idee einer göttlich eingesetzten Monarchie ins Leben gerufen und damit der Tyrannei in England Vorschub geleistet zu haben.187 Thomas Hobbes warf den Predigern hingegen vor, sich als Gottes unmittelbare Botschafter aufgespielt und damit die königliche Herrschaftsgewalt letztlich usurpiert zu haben.188 Von besonderer politischer Relevanz waren sicherlich Predigten, die direkt an die politischen Akteure der Zeit adressiert waren, seien es die an den König gerichteten Hofpredigten oder aber Kanzelreden an die Mitglieder des Parlaments. Im Laufe des ersten Sitzungsjahres des Long Parliament etablierte sich dabei eine Tradition, die bis zum Pride’s Purge Cromwells Bestand haben sollte: die Fastenpredigten vor dem versammelten Unterhaus. Hier begleiteten Prediger mit ihren Reden das politische Geschehen über mehrere Jahre, konnten aktuelle Ereignisse ebenso ansprechen wie Forderungen oder Mahnungen unterbreiten. Zuerst erfolgten die Predigten in unregelmäßigen Abständen anläßlich ad hoc einberufener Fastentage des Parlaments, doch seit dem Sommer des Jahres 1641 etablierte sich die Abhaltung von Fastentagen und damit einhergehenden Predigten vor den Mitgliedern des Parlaments im Monatsrhythmus.189 Bereits die Gattung der Predigt sorgte dafür, daß die vorgetragenen Anliegen stets in das Gewand der Schriftauslegung gekleidet waren, daß Bibelexegese und politischer Kommentar eine Symbiose eingingen. Die Serialität der Fastenpredigten machten sie darüber hinaus bei der Suche nach den Charaktermerkmalen ei186

187 188 189

Allgemein zur politischen Bedeutung von Predigten vgl. Lori Anne Ferrell, Goverment by Polemic. James I, the King’s Preachers, and the Rhetorics of Conformity 1603–1625, Stanford 1998, S. 10–19; Paul S. Seaver, The Puritan Lectureships. The Politics of Religious Dissent 1560–1662, Stanford 1970, Kap. 1 und 2, v. a. S. 55; Lori Anne Ferrell/Peter E. McCullough, Revising the Study of the English Sermon, in: Lori Anne Ferrell/Peter E. McCullough, (Hrsg.), The English Sermon Revised. Religion, Literature and History 1600–1750, Manchester/New York 2001, S. 2–21. [Charles Herle], A Fuller Answer to a Treatise Written by Doctor Ferne…, London 1642, S. 6. Thomas Hobbes, Behemoth oder Das lange Parlament, hrsg. v. Herfried Münkler, Frankfurt a. M. 1991, S. 32–34. S. u. S. 421. Einen Überblick über alle gehaltenen Fastenpredigten bei Wilson, Pulpit, S. 237–254 (Appendix I). Zur Tradition kollektiv ausgerufener Fastentage in England vgl. Christopher Durston, Public Days of Fasting and Thanksgiving during the English Revolution, in: The Seventeenth Century 7 (1992), S. 129–149; H. Bartle Cox, The Story of Public Fast Days in England, in: Anglican Theological Review 37 (1955), S. 190–200.

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ner politischen Sprache des Biblizismus zu einem guten Testfall. Gab es – neben den jeweils kontextbezogenen Aussagen in den einzelnen Predigten – Gemeinsamkeiten, die es rechtfertigen, sie einer politischen Sprache zuzurechnen? Und kann dieser politischen Sprache, sofern sie sich aus den Predigten destillieren läßt, im Zusammenhang mit dem ausbrechenden Bürgerkrieg politische Relevanz zugesprochen werden? Anders gefragt: Liefert der Biblizismus Argumente zur Rechtfertigung einer Überschreitung des politischen Herkommens und der Gesetze durch das Parlament? Und präfigurierte die biblizistische Sprache bereits die darin ausgedrückten politischen Ordnungsvorstellungen?190 Edward Hyde, Earl of Clarendon, hegte am politischen Einfluß der Prediger vor dem Unterhaus keinerlei Zweifel. In seiner monumentalen History of the Rebellion, einer Darstellung des Bürgerkrieges aus royalistischer Sicht, griff er insbesondere zwei Prediger, Cornelius Burges und Stephen Marshall, heraus, deren Predigten vor dem Parlament er ungeheuren politischen Einfluß attestierte und damit verbunden auch die Zerstörung der englischen Monarchie zur Last legte.191 Allgemein bot sich den in die St. Margaret’s Church eingeladenen Predigern die Chance, ihre Forderungen und Wünsche direkt an die dort als Zuhörer versammelten Parlamentarier des Unterhauses zu richten, sicherlich ein wesentlicher Grund dafür, daß Clarendon ihren Predigten eine so weitreichende Bedeutung zuschrieb. Die meisten dieser Predigten bestimmte das Unterhaus anschließend zum Druck.192 Dies verschaffte den Rednern nicht nur eine größere Öffentlichkeit für ihre Aussagen. Es dokumentiert zugleich, daß das Unterhaus – oder zumindest einige ihrer einflußreichen Mitglieder – sich mit der Erlaubnis der Drucklegung die Argumentation und die politische Sprache der Prediger zu eigen machte. Auch wenn die in den Predigten anklingenden Forderungen nicht sofort in Parlamentsbeschlüsse münden sollten, bescheinigte das Parlament mit der Imprimatur der Forderung in jedem Fall die politische Legitimität.193 Die Übereinstimmung von Kanzel und Unterhaus überrascht wenig, da es wiederum den Parlamentariern vorbehalten blieb, wen sie mit der Predigt betrauten. Zahlreiche Geistliche fungierten als Sprachrohr einflußreicher Parlamentarier. So waren Stephen Marshall, Cornelius Burges und Edmund Calamy nicht nur drei 190 191

192 193

Ähnlich auch das Anliegen von Wilson, Pulpit, S. 16. Clarendon, History of the Rebellion, Bd. 4, S. 34: „the archbishop of Canterbury had never so great an influence upon the counsels at Court as Dr. Burgess and Mr. Marshall had then upon the Houses of Parliament“. Eine Liste der gedruckten Fastenpredigten findet sich ebenfalls bei Wilson, Pulpit, S. 255–274 (Appendix II). Waren zum Druck autorisierte Predigten gewissermaßen das offiizielle Medium im Meinungsstreit, so waren die Flugschriften und Straßenballaden das subversive Gegenstück; vgl. hierzu Ansgar Nünning, ‚The World Turned Upside Down‘. Englische Straßenballaden als Medium der Zeitkritik und politischen Meinungsbildung im Zeitalter der Englischen Revolution, in: Barbara Bauer/Wolfgang G. Müller (Hrsg.), Staatstheoretische Diskurse im Spiegel der Nationalliteraturen von 1500–1800 (Wolfenbüttler Forschungen, 79), Wiesbaden 1998, S. 355–392; Sharpe, Personal Rule, S. 856, 860, 875.

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der einflußreichsten Prediger im Long Parliament, sondern auch allesamt Klienten von Robert Rich, dem Earl of Warwick, einem der einflußreichsten Protagonisten des Parlaments, sowie Mitstreiter von John Pym, dem großen Gegenspieler des Königs im Unterhaus.194 Ein weiterer Prediger, Samuel Fairclough, verdankte seinen Auftritt vor dem Parlament einem Parteigänger John Pyms, nämlich seinem langjährigen Patron Sir Nathaniel Barnardiston, dem er auch die Predigt in der Druckfassung widmete.195 Dies sind nur wenige Beispiele für das allgemeine Phänomen, das unter dem Stichwort „tuning the pulpits“ firmiert.196 Die persönlichen Beziehungsnetze zwischen den geistlichen Sprechern vor dem Unterhaus und den Parlamentariern legen eine Modifikation von Clarendons Urteil über die große Einflußnahme radikaler Prediger im Parlament nahe. Nicht immer scheint festzustehen, ob die Parlamentarier ihre Pflichten von den Predigern oder aber die Geistlichen die Botschaft ihrer Predigttexte von den Parlamentariern diktiert bekommen hatten.197 Aber auch wenn die Prediger wesentlich ein Sprachrohr bestimmter Gruppen im Parlament waren, so bleibt doch die Frage von Interesse, in welcher Sprache sie diese Aufgabe wahrnahmen und auf welche Weise politische Forderungen in den Predigten übermittelt wurden. Dies gilt es genauer zu untersuchen. In jedem Fall läßt sich feststellen, daß nicht nur die Prediger selbst, sondern auch zahlreiche Parlamentarier den regelmäßigen Predigten vor dem Unterhaus ein großes Interesse entgegenbrachten und sie durchaus als ein bedeutsames Kommunikationsmittel ansahen. Nicht nur Royalisten wie Clarendon, sondern auch Akteure wie Pym unterstellten einer Predigt offenbar eine vergleichbare, wenn nicht größere Wirkungskraft als den eigenen Reden im Unterhaus. Diese größere Wirkung verdankten die Predigten insbesondere der Sprache des Biblizismus, derer sich wiederum Geistliche mit weit größerer Legitimität und damit auch mit größerer Überzeugungskraft bedienen konnten als Parlamentarier. Die Wirkung wurde zusätzlich dadurch verstärkt, daß die Predigten schon bald nach ihrem Vortrag im Parlament auf ausdrückliche Anweisung einer Parlamentskommission in Druck gingen und damit auch der politisch interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung standen. Bedenkt man ferner, daß Parlamentsreden auch zur Zeit des Long Parliament im Regelfall nicht gedruckt wurden – auch wenn 194

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196

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Hugh R. Trevor-Roper, The Fast Sermons of the Long Parliament, in: Ders. (Hrsg.), Essays in British History. Presented to Sir Keith Feiling, London 1964, S. 85–138; Wilson, Pulpit, S. 17. Richard L. Greaves, Sir Nathaniel Barnardiston (1588–1653), in: ODNB 3 (2004), S. 964–966; Trevor-Roper, Fast Sermons, S. 93; Die Widmung in Samuel Fairclough, The Troublers Troubled, or Achan Condemned and Executed, London 1641, Fol. A3r-A4r. Der Begriff Tuning the Pulpit war wohl bereits von Elisabeth I. geprägt worden (so: Peter Heylyn, Cyprianus Anglicus, London 1668, Fol. YIr), die in dieser Taktik eine Meisterin war; vgl. nur Arnold Hunt, Tuning the Pulpits. The Religious Context of the Essex Revolt, in: Ferrell/McCullough (Hrsg.), The English Sermon Revised, S. 86–114. Wilson steht dabei der ersteren Auffassung näher, Trevor-Roper kann als Anwalt der letzteren Position gelten; Wilson, Pulpit, S. 166 f. sowie S. 146, wo er die Fastenpredigten auch als „engine of influence“ umschreibt; Trevor-Roper, Fast Sermons, S. 88 f., S. 93–95 u. ö.

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nach 1640 deutlich mehr Publikationen die Redeauftritte der Parlamentarier dokumentierten als in den Parlamenten zuvor198 –, waren die Predigten der am leichtesten greifbare und gleichsam seriell verfügbare Kommentar für die Zeitgenossen. Und dieser erfolgte fast ausschließlich in der politischen Sprache des Biblizismus. Auf der Suche nach den in den Fastenpredigten geäußerten politischen Ordnungsvorstellungen läßt sich bereits die erste Predigt dieser Art vor dem Long Parliament zu Rate ziehen: Am Gedenktag anläßlich der Thronbesteigung Königin Elisabeths I., dem 17. November 1640, gab Cornelius Burges mit seiner Predigt vor dem Unterhaus die Richtung vor für all die zahlreichen Fastenpredigten, die in den kommenden Monaten und Jahren am selben Ort folgen sollten. Burges’ Predigt enthält bereits zahlreiche, in den späteren Predigten immer wiederkehrenden Grundmuster und läßt sich als eine Art Blaupause oder Drehbuch für die meisten der in den folgenden Jahren vor dem Parlament gehaltenen Fastenpredigten verstehen.199 Er beschrieb seine Aufgabe damit, „to seek what the Lord would command us to deliver in his Name, at such a time, to such an Honourable and [l]awfull Assembly“.200 Der Verweis auf den 82. Psalm, der in der Druckfassung dieser Predigt auf dem Rand vermerkt ist, ist ein erster Hinweis, worin Burges zufolge der Wille Gottes bestehen könnte. In diesem Psalm bestellt Gott die Könige vor seinen Richtstuhl, um sie zu fragen, wie lange sie noch Ursache von Ungerechtigkeit und Gottlosigkeit sein wollten. Aufgrund ihres Fehlverhaltens ebenso wie ihrer mangelnden Einsicht hätten sie auch ihr Ende selbst zu verantworten: „Wohl habe ich gesagt, ihr seid Götter/und allzumal Söhne des Höchsten; aber ihr werdet sterben wie Menschen/und wie ein Tyrann zugrunde gehen“. Burges geht in seiner Predigt nicht weiter auf die Rolle des Königs ein. Statt dessen richtet er seine Ansprache direkt an seine Zuhörer im Unterhaus und versucht diese für sein Anliegen zu gewinnen: England erneut einer reinigenden Reformation zu unterziehen, wie es einst Königin Elisabeth I. getan hatte, und einen Bund mit Gott einzugehen.201 Burges wählte als Motto der Predigt Jer 50,5, die Weissagung vom Untergang Babylons und von der Erlösung Israels aus der Gefangenschaft. Er läßt wenig Zweifel daran, daß England sich in derselben Lage befindet wie einst das Volk Israels im Exil. Seine Auslegung der Worte Jeremias präsentiert er in einer Art und Weise, daß sie als Prophezeiung der noch einzutreffenden Ereignisse in England verstanden werden kann: „This Northern Army should be the confusion of Babylon, the confusion of Babylon should prove the 198 199

200 201

A.D.T. Cromartie, The Printing of Parliamentary Speeches November 1640–July 1642, in: HJ 33 (1990), S. 23–44. Tai Liu, Cornelius Burges in: ODNB 8 (2004), S. 751–755: „he had set the basic tone of puritan preaching throughout the years of the English revolution“. Es wird allerdings noch zu zeigen sein, daß die einzelnen rhetorischen Bausteine der Predigt meist älteren Datums sind. Cornelius Burges, Two Sermons Preached to the Honorable House of Commons Assembled in Parliament at their Publique Fast, Novem. 17, 1640, London 1641, Fol. A2r. Ebd., S. 66.

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restoring of the Church (vers. 3.) And the restoring of the Church should produce a Covenant with God.“202 Karl hatte das Long Parliament einberufen müssen, da sich die schottischen Kontrahenten weigerten, mit ihm direkt über einen Friedensschluß zu verhandeln, sondern diese Verhandlungen nur mit dem Parlament zu führen bereit waren. Als Faustpfand hielten die Truppen der Covenanters den Norden Englands besetzt. Wenn die Zerstörung Babylons daher durch eine „northern army“ erfolge, so war dies in Jeremias Rede die Armee der Meder und der Perser. Burges dient diese Rede als Analogie zum aktuellen politischen Geschehen in England, d. h. als Anspielung auf die schottische Armee, die den Norden Englands besetzt hielt.203 Folgt man dieser Analogie, bliebe nur noch die Frage zu klären, wer Babylon repräsentiere, wenn das englische Volk doch mit dem Volk Israels gleichzusetzen sei. Burges gibt anhand mehrerer Bibelstellen darüber Aufschluß. Babylon sei gleichzusetzen mit dem Ungehorsam gegen Gott, mit Mißbräuchen in der Kirche wie dem Götzendienst sowie mit Unglauben, wobei er „Popery“, „Arminianisme“ und „Socinianisme“ unmittelbar benennt.204 Um Babylon zu verlassen, sei daher eine Umkehr nötig; Burges spricht von der „restoring of the church“. Diese Umkehr müsse die Vernichtung jedweden Götzendienstes einschließen. König Asa gilt Burges als vorbildliches Beispiel dafür, da er bei der Verfolgung des Götzendienstes selbst seine eigene Mutter nicht verschonte und sie von ihrer Rolle als Königin absetzte.205 Das im Deuteronomium überlieferte Gesetz Gottes (Dtn 13,7–9) ging in seiner Forderung sogar noch weiter, wie Burges ebenfalls nicht zu erwähnen ausläßt.206 Auch im unmittelbaren persönlichen Umfeld müßten Götzendiener mit dem Tode bestraft werden, unabhängig davon, ob es sich dabei um die eigenen Kinder, Eltern oder Ehepartner handelte. Dies alles sei notwendig, um einen neuen, dauerhaften Bund mit Gott einzugehen, wozu Burges die Parlamentarier nachdrücklich auffordert. Dieser landesweite Bund binde dann die ganze Nation, auch die Ehefrauen, wie Burges ebenfalls eigens erwähnt.207 Dieser Bund sei notwendig, um England Gottes Schutz und Rettung zu versichern.208 Der Rekurs auf biblische Exempla gibt Burges die Möglichkeit, eine äußerst heikle Materie auf indirektem Wege zur Sprache zu bringen und mit weitreichenden Forderungen zu verknüpfen, ohne dabei Namen zu nennen, nämlich die katholische Konfession der aus Frankreich stammenden Gemahlin Karls I., Henriette Maria. War im Verständnis des Königs die Konfession seiner Gemahlin das letzte, worüber er mit dem Parlament zu verhandeln beabsichtigte, so macht Burges daraus ein Thema von nationaler Tragweite und setzt es den Parlamentariern 202 203 204 205 206 207 208

Ebd., S. 6. So auch die Deutung von Wilson, Pulpit, S. 39. Burges, Two Sermons, S. 3 f. Ebd., S. 11, unter Bezug auf “ 2 Chr 14 und 15 sowie auf Dtn 13,6. Ebd., S. 12. Ebd., S. 29, unter Bezug auf Spr 2,17. Ebd., S. 30–35.

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auf die politische Agenda. Das Beispiel König Asas markiert dabei die notwendige Voraussetzung einer für das Heil aller notwendigen Umkehr zum vollständigen Gehorsam gegen Gott: Nimmt man dieses Beispiel zum Maßstab, so läßt sich daraus nur schlußfolgern, daß Henriette Maria, sollte sie weiterhin im katholischen Glauben verbleiben, zumindest als Königin des Landes nicht länger tragbar wäre. Wenn das Parlament sich Burges’ Forderung nach einem erneuten Bundesschluß mit Gott zu eigen machen wolle, so hätte es den König daher vor die Alternative zu stellen, seine Gemahlin entweder von einer Konversion zu überzeugen oder aber sich von ihr zu trennen. Diese Schlußfolgerung allerdings bleibt den Zuhörern überlassen und wird nicht eigens artikuliert. Nur ein Jahr später schien sich das Unterhaus Burges’ Forderungen zu eigen zu machen, nachdem sich in Folge des irischen Aufstandes im Herbst 1641 die politische Lage verschärft hatte. Die Königin brachte sich im Januar 1642 vor den politischen Ereignissen in England in Sicherheit und floh auf den Kontinent, nachdem das Unterhaus Ende 1641 den Hofstaat der Königin zum Thema von Beratungen machte, John Pym die Forderung erhob, daß auch alle Bediensteten der Königin, einschließlich der katholischen Geistlichen, den oath of allegiance ablegen müßten und kurz darauf sogar das Gerücht die Runde machte, die Königin solle einem Impeachmentverfahren unterzogen werden.209 Zwar hatten diese Forderungen nicht nur mit dem von Burges und seinen Mitstreitern propagierten Kampf gegen den Götzendienst zu tun, sondern waren eine Reaktion auf den kurz zuvor aufgedeckten Army Plot. Gleichwohl war nun der Moment gegeben, wo ernstlich die Gefahr bestand, daß das Unterhaus bei seinem selbsterklärten Kampf gegen den Götzendienst auch vor Mitgliedern der Königsfamilie nicht mehr haltmachte. Burges’ Forderung nach Umkehr und erneuter Hinwendung zu Gott und seinen Gesetzen erhält wahre Dringlichkeit durch den Verweis auf das Ende der Welt, die vollständige Errettung der wahren Kirche und den endgültigen Untergang Babylons. Das Wort des Propheten Jeremias von der Zerstörung Babylons stellt Burges in einen direkten Zusammenhang mit der endgültigen Zerstörung Babylons am Ende der Zeiten.210 Gerade diese Alternative von Heil und Verdammnis zwinge auch das mit weltlichen Fragen befaßte Parlament dazu, Englands Platz auf der Seite des Heils zu sichern – ein Platz, der England in früheren Jahren gewiß war, wie die wundersame Errettung sowohl gegen die spanische Armada als auch gegen die Pulververschwörung hinreichend bewies.211 Der Rückfall Englands in die Arme Babylons zwinge nun aber die Parlamentarier zur Umkehr und zur Bekräftigung des Bundes mit Gott.212 Burges betont ausdrücklich, daß sich das Parlament nicht darauf beschränken dürfe, die eigenen Rechte und

209 210 211 212

Russell, Fall, S. 420, 447, 458 f. Burges, Two Sermons, S. 36 f. Ebd., S. 40. Ebd., S. 45 und 54.

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Freiheiten zu verteidigen. Der Bundesschluß mit Gott sei vielmehr der eigentliche Schlüssel zur Errettung Englands.213 Soweit Burges’ Rede zur Lage der Nation. Die Forderung nach einem nationalen Bund mit Gott hatte in England weit weniger Tradition als in Schottland.214 Die Reformation war in England auf dem Wege des üblichen Gesetzgebungsverfahrens vom King-in-Parliament durchgeführt worden und wurde nicht gegen die Monarchie erstritten, wie es in Schottland der Fall war. Auch hätte es Elisabeth I. denkbar fern gelegen, sich als Initiatorin eines nationalen Bundes zu inszenieren, wie dies Jakob VI. als schottischer König 1581 betrieben hatte. Wenn Burges daher nun den Parlamentariern einen solchen Bund als letzten Ausweg anempfiehlt, liegt es nahe, daß er hierbei neben den Bundesschlüssen im Alten Testament auch das schottische Beispiel als Vorbild vor Augen gehabt haben dürfte.215 Dies ist zumindest deswegen pikant, da es der National Covenant war, der Karl I. zu militärischen Maßnahmen gegen Schottland veranlaßte, und die Niederlage gegen die Schotten im sogenannten zweiten Bischofskrieg, besiegelt durch den Vertrag von Ripon, ihn nun zur erneuten Einberufung eines Parlamentes zwang.216 Die schottischen Aufständischen forderten die Einberufung, um über einen Friedensvertrag zwischen Schottland und England nicht mit dem König, sondern mit dem Parlament zu verhandeln – ein weiterer irreparabler Autoritätsverlust für Karl I.217 Nicht ohne Grund sahen die Schotten in den Befürwortern eines Parlaments zugleich Verbündete für ihre religionspolitischen Anliegen. Unter den schottischen Aufständischen herrschte ferner die Überzeugung vor, daß von dem militärisch potentiell stärkeren England erst dann für Schottland keine Gefahr mehr drohe, wenn auch in England eine religions- und kirchenpolitische Kehrtwende einsetzen sollte, d. h. eine Entmachtung der Bischöfe, eine Abschaffung der strittigen ceremonies etc.218 War der schottische Aufstand 1637 losgebrochen, weil sich Schottland einer Angleichung an die englische Kirchentradition im Zuge der Einführung des Book of Common Prayer widersetzte, führte der Erfolg der Covenanters nun zum selben Ziel unter umgekehrten Vorzeichen, d. h. zur Forderung nach einem Vollzug der in Schottland durchgeführten Kirchenreform auch in England. Im weiteren Verlauf des Bürgerkrieges sollte sich schnell zeigen, wie unterschiedlich die religionspolitischen Konzeptionen der englischen und der schotti213 214

215 216 217 218

Ebd., S. 45. Vgl. hierzu jetzt Edward Vallance, Revolutionary England and the National Covenant. State Oaths, Protestantism and the Political Nation 1553–1682, Woodbridge 2005, S. 6–48 (Kap. 1: The Origins of the Idea of a National Covenant in England). Explizit wird dies formuliert bei Burton, Sounding, S. 40 f. Russell, Fall, S. 162 f. Ebd., S. 163. Die in London versammelten schottischen Gesandten quittierten daher jedes Zeichen für einen religionspolitischen Wechsel Englands mit großer Freude. Vgl. nur Robert Baillie, der am 12. Dezember 1640 an seine Frau schrieb, er sei guter Hoffnung, daß es mit der englischen Bischofskirche und mit den verhaßten ceremonies bald ein Ende haben werde; Baillie, Letters, Bd. 1, S. 278.

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schen Geistlichen waren, ihrem gemeinsamen Kampf gegen die englische Amtskirche Laudscher Prägung zum Trotz.219 Für die ersten Jahre des Long Parliament wird man jedoch eine weitgehende Interessengemeinschaft zwischen schottischen Covenanters und englischen Parlamentariern unterstellen dürfen. Und Burges’ Predigt vor dem Parlament gibt einen Hinweis darauf, daß er und seine zahlreichen Nachfolger auf der Kanzel in St. Margaret seine Zuhörer auch in der Religionspolitik auf das schottische Vorbild einschwörten.220 Von der ersten Predigt an war es das Ziel der Geistlichen, das Parlament auf das Ideal der Theokratie zu verpflichten und dieses Anliegen allen anderen Streitfragen voranzustellen.221 Dabei bedienten sie sich folgender Leitmotive: In den meisten Predigten ist der Ausgangspunkt der Argumentation die Gleichsetzung des zu erwartenden Schicksals Englands mit demjenigen Israels und Judas im Alten Testament.222 Zum einen geschah dies, um England in der Rolle einer von Gott auserwählten Nation zu preisen. Dies war eine im protestantischen England seit langem etablierte Überzeugung.223 Auch die stereotype Erwähnung des Sieges über die spanische Armada und die Aufdeckung des Gunpowder Plot diente stets als Beweis für die von Gott mehrfach dokumentierte Bereitschaft zur wundersamen Errettung Englands. Ebenso wie für das israelische Volk bedeutet die Auserwähltheit Englands jedoch nicht nur eine Auszeichnung, sondern zugleich eine besondere Verpflichtung zum Wohlverhalten gegenüber Gottes Gesetz. Stets diente der Vergleich daher auch dazu, die in den historischen Schriften des Alten Testaments ablesbare Reaktion Gottes auf das Wohl- wie auch das Fehlverhalten von Israel und Juda zu übertragen auf die in England herrschenden Verhältnisse, um daraus eine überzeugende Zukunftsprognose sowie Handlungsempfehlungen abzuleiten. So dient Stephen Marshall in seiner ersten Predigt vor dem Parlament das Schicksal Israels 219

220 221

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223

Chad B. van Dixhoorn, Unity and Diversity at the Westminster Assembly (1643–1649). A Commemorative Essay, in: Journal of Presbyterian History 79/2 (2001), S. 103–117; Robert S. Paul, The Assembly of the Lord. Politics and Religion in the Westminster Assembly and the Grand Debate, Edinburgh 1985; R. D. Bradley, The Failure of Accommodation: Religious Conflict between Presbyterians and Independents in the Westminster Assembly 1643–1646, in: Journal of Religious History 12 (1982), S. 23–47. Vgl. nur Henry Parker, A Discourse Concerning Puritans, London 1641, S. 39. Predigten mit gleichlautendem Inhalt erfolgten auch in zahlreichen Gemeinden des Landes; vgl. hierzu William Sheils, Provincial Preaching on the Eve of the Civil War. Some West Riding Fast Sermons, in: Roberts/Fletcher (Hrsg.), Religion, S. 290–313; J. Eales, Provincial Preaching and Allegiance in the First English Civil War, in: Thomas Cogswell/Richard Cust/ Peter Lake (Hrsg.), Politics, Religion and Popularity in Early Stuart Britain, Cambridge 2002, S. 185–210. Holmes, The New World, Fol. A2r, redete die Parlamentarier als „Wirthies of Israel“ an. Zahlreiche Beispiele genannt in Wilson, Pulpit, Kap. VI, v. a. S. 168 f.; vgl. ferner allg. William Haller, Foxe’s Book of Martyrs and the Elect Nation, London 1963. Ronald G. Asch, An Elect Nation? Protestantismus, nationales Selbstbewußtsein und nationale Feindbilder in England und Irland von zirka 1560 bis 1660, in: Alois Mosser (Hrsg.), Gottes auserwählte Völker. Erwählungsvorstellungen und kollektive Selbstfindung in der Geschichte, Frankfurt a. M. u. a. 2001, S. 117–141.

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als Vergleichsmaßstab, um die desaströsen Folgen von Englands Abtrünnigkeit von Gottes Gesetzen darzulegen.224 Der Rückblick auf das Schicksal Israels hat in beinahe allen Fastenpredigten dieselbe Funktion: den Zuhörern die Notwendigkeit der Umkehr zu verdeutlichen.225 Eine solche Umkehr hatte sich dabei in folgenden Schritten zu vollziehen: Zunächst bedurfte es einer Einsicht in die kirchlichen Mißstände, die auf alttestamentliche Weise umschrieben werden als Götzendienst und Ungehorsam gegen Gottes Gesetz. Diese Einsicht zog als notwendiges Zeichen der Umkehr eine vollständige Ausmerzung aller Formen des Götzendienstes nach sich, da sich nur darin der schuldige Gehorsam gegenüber Gott manifestierte. Und schließlich bedurfte es nach diesen notwendigen Signalen des Gehorsams einer erneuten Bekräftigung der unbedingten Treue zu Gott, wie es nur ein allgemeiner Bundesschluß leisten konnte. Dieses allgemeine Skript lag so gut wie allen vor dem Long Parliament gehaltenen Fastenpredigten zugrunde. Der Wert, dem alles andere untergeordnet werden müsse, war in den Predigten übereinstimmend die „true religion“. Alle anderen gesellschaftlichen Werte und Pflichten wurden stets an die Bedingung geknüpft, daß sie zur Reinheit des Glaubens nicht in Widerspruch stehen dürften. Dies war für sich genommen noch keine allzu aufregende Prämisse und dürfte von den meisten Zeitgenossen auch außerhalb der britischen Inseln akzeptiert worden sein. Die Brisanz entstand dadurch, daß das Verständnis von „true religion“ bei einer Mehrheit der Kanzelredner und wohl auch bei einer Mehrheit der Mitglieder des Unterhauses deutlich abwich von der Kirchengestalt, wie sie sich seit der englischen Reformation entwickelt hatte. Dadurch war das wiederholt vorgetragene Bekenntnis nicht eine Bekräftigung des etablierten Gesellschaftszustands, sondern die Aufforderung an das Parlament zu mitunter weitreichenden Maßnahmen. Die Dringlichkeit der Reformmaßnahmen wurde mit einem Verweis auf die ansonsten zu befürchtenden kollektiven Gottesstrafen unterstrichen, wobei man entweder auf die Gottesstrafen verwies, mit denen Israel und Juda für ihren zeitweiligen Ungehorsam bestraft wurden, oder aber den bevorstehenden Untergang der Hure Babylon beschwörte, von der man sich tunlichst fernzuhalten hatte.226 Der Hinweis auf die vielen und schwerwiegenden Verfehlungen der englischen Kirche fehlte zwar in keiner Predigt. Formeln von der „corruption“ der Religion und des Klerus in England, von Götzendienst, Aberglauben und der Nähe zu Babylon waren Legion. Weniger deutlich wurde aber benannt, worin diese Verfehlungen im einzelnen bestünden und wer dafür verantwortlich zu machen sei. 224 225

226

Stephen Marshall, A Sermon Preached before the Honorable House of Commons [17. November 1640], London 1641, S. 30–41. Vgl. auch Wilson, Pulpit, S. 186 f. und 199 f. Damit korrespondierte zu dieser Zeit auch die Rede von der Krankheit, die England befallen habe, und die geheilt werden müsse; Cressy, England on Edge, S. 30–36. Hinzu sammelten einzelne Autoren Idizien dafür, daß das Strafgericht Gottes gegen England bereits im Gange sei. Auf diese Weise wurde z. B. die Rückkehr der Pest in England gedeutet; vgl. hierzu mit zahlreichen Belegen Cressy, England on Edge, S. 60–67.

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Konkrete Vorwürfe wurden erhoben gegen die Prophanierung des Sonntages,227 gegen das Knien beim Abendmahl,228 gegen Altäre mit Kruzifixen,229 die Verurteilung rechtschaffener Prediger230 und die fehlende Abgrenzung zur katholischen Kirche.231 Weitaus seltener kamen dagegen Fragen der Lehrmeinung zur Sprache, meist vorgetragen in der Form pauschaler Angriffe auf „Arminianer“ und andere.232 Als Urheber all dieser Mißstände machten die Prediger oftmals die führenden Vertreter der Kirchenhierarchie aus, ohne dabei allerdings Namen zu nennen;233 Burton beispielsweise benennt sie als „faction of Egypt“.234 Die Abgeordneten des Unterhauses im Long Parliament machten die Reformation der Kirche in der Tat von Beginn an zu einem ihrer wichtigsten politischen Anliegen. Dies war in England ein Novum, da Religions- und Kirchenangelegenheiten bislang stets in den Kompetenzbereich des Königs als Supreme Head of the Church sowie den von ihm ernannten Bischöfen fielen und das Parlament daher nur in fundamentalen Fragen damit betraut wurde, religionspolitische Entscheidungen per Gesetzbeschluß mitzutragen. Dies änderte sich mit der Einberufung des Long Parliament gründlich. Es nahm sich zahlreicher Aufgaben an, die vorher der König und die Bischöfe des Landes durchführten. Hierzu zählte die Freilassung von Gefangenen, die von der High Commission oder der Star Chamber zu Haftstrafen verurteilt worden waren. Ebenso zählte hierzu die Verfolgung von Geistlichen, die man für die Neuerungen in der Kirche verantwortlich machte, unter ihnen zahlreiche Bischöfe, die sich nun vor dem Parlament zu verantworten hatten. Und schließlich annullierte das Parlament binnen Wochen Entscheidun227

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Marshall, A Sermon, S. 32; Thomas Case, Two Sermons Lately Preached at Westminster, London 1641, S. 12 und 17; Holmes, The New World, S. 44; Jeremiah Burroughs, Sions Joy. A Sermon Preached to the Honourable House of Commons, London 1641, S. 26 f.; Stephen Marshall, Reformation and Desolation, or, A Sermon Tending to the Discovery of the Symptomes of a People to whom God will by no meanes be Reconciled, London 1642, S. 33. Marshall, A Sermon, S. 35; Case, Two Sermons, S. 12; Holmes, The New World, S. 30; Burroughs, Sions Joy, S. 26 f.; Henry Burton, Englands Bondage and Hope of Deliverance, London 1641, S. 15–17 [irrt. S. 20–23]. Case, Two Sermons, S. 17; Burton, The Sounding, S. 25. Simeon Ashe, The Best Refuge for the Most Oppressed in a Sermon Preached to the Honourable House of Commons at their Solemne Fast, London 1642, S. 59 f. Burton, The Sounding, S. 58 f. Holmes, The New World, S. 44; Edmund Calamy, Gods Free Mercy to England Presented as a Pretious, and Powerfull Motive to Humiliation: in a Sermon Preached before the Honorable House of Commons, London 1642, S. 20; Joseph Caryl, The Workes of Ephesus Explained in a Sermon before the Honourable House of Commons at their Late Solemne Fast, [London] 1642, S. 51. Holmes, The New World, S. 30; William Sedgwick, Scripture a Perfect Rule for ChurchGovernment, London [1643]; Ashe, The Best Refuge, S. 31 und 61; Thomas Wilson, Davids Zeale for Zion: a Sermon Preached before Sundry of the Honourable House of Commons, London 1641, S. 4; Burroughs, Sions Joy, S. 40 f.; Jeremias Burroughs, A Glimpse of Sion’s Glory, London 1641, S. 2 f.; Burton, Sounding, S. 18f und 54; Caryl, The Workes, S. 51 und 55 f. Burton, Englands Bondage, S. 13 [irrt. S. 3].

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gen der Bischöfe wie die Canons von 1640, mit denen das Kirchenregiment Lauds noch im Frühjahr 1640 kirchenrechtlich untermauert werden sollte.235 Viele der Prediger von St. Margaret waren unter dem Kirchenregiment Lauds selbst vor Kirchengerichte zitiert und dort mit Predigtverboten und Schlimmerem belegt worden. Nun erhielten sie vom Parlament eine privilegierte Sprecherrolle zugewiesen.236 Sichtbar wurde die Kehrtwende auch in der Kirche St. Margaret selbst: die in ihr enthaltenen Chorschranken wurden nach Burges’ Predigt herausgerissen und statt eines Altars an der Ostwand wieder ein Abendmahltisch in der Mitte des Chores aufgestellt.237 In ganz England erfolgten in den Kirchen „Reinigungsaktionen“ gegen vermeintlich katholische Restbestände in der Kirche, wobei oftmals nicht nur die neu errichteten Chorschranken und Altäre betroffen waren, sondern auch das Book of Common Prayer sowie das surplice, das Chorhemd der Geistlichen, den Flammen zum Opfer fielen. In zahlreichen Fällen gab es darüber hinaus auch Übergriffe gegen einzelne Geistliche in den Gemeinden.238 Die Rede von der Ausrottung allen Götzendienstes fiel offenkundig auf fruchtbaren Boden. Zugleich fielen auch die Ziele unity, order und peace, die die Kirchen- und Religionspolitik seit Elisabeth I. bestimmten, der reformatorischen Aufwallung zum Opfer. Die Suche nach Leitmotiven und Gemeinsamkeiten in den Predigten an das Parlament beinhaltet das Risiko, den spezifischen Kontext der jeweiligen Predigt geringzuschätzen oder zu übersehen. In wie weit waren die Predigten situative Sprechakte, mit denen die Redner sowie ihre Patrone im Parlament versuchten, auf einzelne politische Entscheidungen konkret einzuwirken? In wie weit ließen sich biblische Exempla rhetorisch so einsetzen, daß sie eine spezifische, aktuelle Lesart mit einer gewissen Eindeutigkeit evozierten, ohne diese explizit anzusprechen? Diese Fragen lassen sich exemplarisch anhand zweier Predigten diskutieren, die als außerordentliche Predigten vor dem Unterhaus kurzfristig anberaumt und am 4. April 1641 vor dem Unterhaus gehalten wurden: Samuel Faircloughs The Troublers Troubled und Thomas Wilsons David’s Zeale for Zion.239 Trevor-Roper sieht die Predigt von Fairclough als Plädoyer des Geistlichen im Auftrag von John Pym für die später vom Parlament beschlossene Hinrichtung

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Vgl. hierzu ausführlich John Morrill, The Nature of the English Revolution, Harlow 1993, S. 45–90; Fincham/Tyacke, Altars Restored, S. 172–175 und S. 274 f. Zu den Canons von 1640 s. u. Kap. V 2. Vgl. hierzu Cressy, England on Edge, S. 168–172. Die Prediger Stephen Marshall, Cornelius Burges und Henry Burton hatten sich alle vor Kirchengerichten zu verantworten, um nur drei der berühmtesten Prediger in St. Margaret zu erwähnen. Commons’ Journal, Bd. 2, S. 24, 32 f., 37, 40. Fincham/Tyacke, Altars Restored, S. 274–283; Cressy, England on Edge, S. 199–209; ferner J. Walter, Popular Iconoclasm and the Politics of the Parish in Eastern England 1640–1642, in: HJ 47 (2004), S. 261–290. Vgl. Trevor-Roper, Fast Sermons, S. 93; Wilson, Pulpit, S. 44–46; Christianson, Reformers, S. 186 f.

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Thomas Wentworths. Auf Thomas Wilsons Predigt am gleichen Tag geht er nicht näher ein. Die näheren Umstände der beiden Reden legen einen Zusammenhang zum Verfahren gegen Wentworth in der Tat nahe. Gehalten wurden sie nur zwei Tage, nachdem John Pym und Francis Russell, Earl of Bedford, vom sogenannten Army Plot Kenntnis erhielten, einem Plan, Wentworth mit Waffengewalt aus dem Tower zu befreien.240 Wilson deutet beide Predigten hingegen weniger aus der konkreten politischen Situation, sondern sieht sie als typische Beispiele puritanischer Rhetorik vor dem Parlament.241 Ob es sich bei den beiden Predigten um spezifische Sprechakte handelte, die eindeutig auf eine Hinrichtung Thomas Wentworths abzielten oder nicht, läßt sich nur durch eine Interpretation der eingesetzten biblischen Exempla in den Predigten klären. Da der Name Wentworth in beiden Predigten kein einziges Mal genannt wird, oblag es den Zuhörern, ob sie anhand der Predigt eine Assoziation zu Wentworths Prozeß herstellten oder nicht. Und sollte dies das Anliegen Faircloughs gewesen sein, so wird zu untersuchen sein, welcher rhetorischer Mittel er sich bediente, um den Bezug zur causa Wentworth als zwingend erscheinen zu lassen. Samuel Fairclough wählte die Figur des Achan als Gegenstand seiner Predigt (Jos 7). Achan hatte nach der Zerstörung Jerichos gegen den Bann des Herrn verstoßen und Dinge aus der Stadt entwendet, weshalb Israel von Gott kollektiv bestraft wurde und gegen die Kanaaniter sieglos blieb. Erst die kollektive Steinigung des Übeltäters Achan stellte den Schutz Gottes wieder her. Für Trevor-Roper besteht kein Anlaß zum Zweifel, daß mit Achan niemand anders gemeint war als Thomas Wentworth.242 Auf den ersten Blick spricht auch einiges dafür, daß Fairclough mit seiner gegen Achan gerichteten Predigt direkt an das Parlament appelliert, sich für Wentworths Hinrichtung auszusprechen.243 Zunächst richtete Fairclough seinen Appell an das Parlament als zuständige Obrigkeit und sieht in der Josuastelle alles enthalten, was zur Ausübung von Strafjustiz gegen Aufwiegler nötig sei.244 Dann streicht er heraus, daß eine Aufdeckung der Vergehen Achans die sofortige Bestrafung des Übeltäters nach sich ziehen müsse, um eine weiterreichende „infection“ von der Gesellschaft abzuwenden.245 Gerade die Aufforderung zur Eile und zur unverzüglichen Strafvollstreckung macht es neben dem Zeitpunkt der Predigt wahrscheinlich, daß sich hinter Achan Thomas Wentworth verbirgt. Die Predigt ließe sich dann als ein Plädoyer für das später vom Parlament ergriffene Verfahren, einem sogenannten Act of Attainder, verstehen, der Verhängung der Todesstrafe durch einfachen Mehrheitsbeschluß in bei240 241 242 243

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Trevor-Roper, Fast Sermons, S. 93; hierzu auch Russell, Fall, S. 292–299. Wilson, Pulpit, S. 44–46. Trevor-Roper, Fast Sermons, S. 94. So auch Hill, Bible, S. 82. Samuel Fairclough, The Troublers Troubled, or Achan Condemned, and Executed. A Sermon, Preached before Sundry of the Honourable House of Commons at Westminster, April, 4. 1641 […], London 1641, S. 24: „that those that have authority under God, doe totally abolish and extirpate all the cursed things whereby it was disturbed“. Ebd., S. 1 f. Ebd., S. 47–49.

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den Kammern des Parlaments, nicht aber als Urteil im Rahmen eines ordnungsgemäßen Impeachmentverfahrens.246 Trevor-Roper blendet indes alle Aspekte aus, die eine einfache Gleichsetzung von Achan als Wentworth in Zweifel ziehen könnten. Davon gibt es jedoch einige: Zunächst bemüht sich Fairclough kaum darum, Achan mit denselben Vorwürfen zu überziehen, die im Impeachmentverfahren gegen Wentworth vorgebracht wurden. Wentworth war des Hochverrats angeklagt, wobei John Pym in seiner Rede einen dreifachen Verrat anprangerte: Verrat gegen Gott, da Wentworth es unternommen habe, England der kirchlichen Tyrannei des Papstes zu unterwerfen, und Verrat gegen den König und das Volk (commonwealth), da er den König gegen Parlament und Volk aufhetzte und damit die gegenseitige Treue- und Schutzbeziehung in Frage stellte.247 Von Hochverrat ist bei Faiclough jedoch keine Rede. Er hebt nur den Verrat an Gott hervor. Dabei zeigt sich weniger am Akt des Diebstahls Achans wahres Verbrechen, sondern vielmehr am entwendeten Diebesgut. Daß ein babylonischer Mantel aus Jericho entwendet wurde, deutet Fairclough als Abfall vom wahren Glauben und als Einschleppung von Götzendienst, und er läßt wenig Zweifel daran, daß er Götzendienst gleichsetzt mit den Riten in der englischen Kirche, die sich vom römischen Vorbild nicht hinreichend abgesetzt hätte.248 Zwar gehen Faircloughs Vorwürfe in die gleiche Richtung wie Pyms Anklage des Verrats gegen Gott. Allerdings sieht Fairclough in England eine Vielzahl von Achans am Werke: neben den Jesuiten seien es Bischöfe und Geistliche, die ihrer Residenzpflicht nicht nachkämen, Schwörer von Meineiden, Prophanierer des Sonntags etc.249 Auf eine vergleichbare Weise hatte Herny Burton bereits im Jahr 1628 – ebenfalls in einem an das Parlament gerichteten Appell – als unter ihnen lebende Achans die Jesuiten sowie die „Arminianer“ ausgemacht.250 Ein anonymes Pamphlet, das zur Zeit des Wentworthprozesses in London kursierte, zeugt davon, daß die Figur des Achan als Beispiel und als Typus des Unruhestifters nicht nur gegen Thomas Wentworth, sondern auch gegen andere unliebsame Personen 246

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John Rushworth, The Tryall of Thomas Earl of Strafford, London 1680, S. 658 f.; zu den Ereignissen Russell, Fall, S. 287–302. Dasselbe Schicksal sollte später auch William Laud ereilen, der am 4. Januar 1645 ebenfalls nicht durch ein ordnungsgemäßes Impeachmentverfahren, sondern mittels eines Act of Attainder zum Tode veruteilt werden sollte. Das Urteil wurde sechs Tage später vollstreckt; vgl. zum Prozeß gegen Laud ausführlich Anthony Milton, William Laud, in: ODNB 32 (2004), S. 655–670, hier S. 666–668. Vgl. Kenyon, Stuart Constitution, S. 191–193. Fairclough, Troublers, S. 10 f.; Christianson, Reformers, S. 186 erklärt etwas pauschal, Fairclough hätte Achan mit den „Arminianern“ gleichgesetzt. Fairclough, Troublers, S. 11. Henry Burton, Israels Fast. or, a Meditation upon the Seventh Chapter of Ioshuah a Faire Precedent for these Times, London 1628, S. 32; vgl. ferner Burton, Baiting, S. 44. Vgl. ferner zur weiteren Verwendung der Figur des Achan in der politischen Rede Blair Worden, Oliver Cromwell and the Sinn of Achan, in: Derek Beales/Geoffrey Best (Hrsg.), History, Society and the Churches. Essays in Honour of Owen Chadwick, Cambridge 1985, S. 125–145. Zur Charakterisierung des Herzogs von Buckingham als Achan s. u. Kap. VI. 6.

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wie den inhaftierten Erzbischof von Canterbury, William Laud, verwendet wurde.251 Auch Fairclough dürfte durchaus Laud und seine Anhänger im Sinn gehabt haben, als er seine Anklage gegen einen Teil des Klerus formulierte. Dies heißt jedoch auch, daß Achan eher als Platzhalter für die Lord Bishops diente als für Wentworth. Kam Wentworth dann aber überhaupt in der Predigt zur Sprache? Faircloughs Fazit, daß erst die Vernichtung all dieser Unruhestifter die Umkehr und die damit einhergehende Wiederkehr von Gottes Gnade ermögliche,252 hatte nicht, oder zumindest nicht ausschließlich, die Hinrichtung Thomas Wentworths zum Ziel. Vielmehr dürfte der Kreis der Nachfolger Achans und damit der zu Bestrafenden in Faircloughs Augen wesentlich weiter zu ziehen sein, auch wenn er sich alle präzisen Aussagen hierzu versagt. Ein weiteres Beispiel aus dem Buch Esther läßt bei Fairclough jedenfalls eine andere Zielsetzung vermuten, die noch weit radikaler war, als Trevor-Ropers Deutung nahelegt. Der Schlüssel zum Verständnis der Predigt ist nicht das Beispiel Achan allein, sondern ein weiteres von Fairclough zur Sprache gebrachtes biblisches Beispiel: die Geschichte von Mordechai und Haman am Hof des persischen Königs Ahasver. Haman wurde vom König zum höchsten Würdenträger am persischen Hof ernannt und war ein biblisches Paradebeispiel für den Typus des Favoriten. Um den Konkurrenten Mordechai aus dem Weg zu räumen, animierte er den König dazu, den Befehl zur Ausrottung der Juden zu erteilen. Der jüdischen Gemahlin des Königs, Esther, gelang es allerdings, Ahasver umzustimmen. Statt Mordechai und der Juden wurden Haman und seine ihm Gleichgesinnten hingerichtet bzw. massakriert; soweit die biblische Erzählung. Faircloughs auf die Situation in England bezogene Auslegung enthält ebenso unausgesprochene wie ausgesprochene Elemente. Nicht eigens erwähnt wird, wer sich hinter der Figur des Haman verbirgt. Es dürfte für die Zuhörer indes nahegelegen haben, Haman mit niemand anderem als mit Thomas Wentworth gleichzusetzen. Haman war in der Sprache des Biblizismus ein ebenso klassisches Beispiel für den Typus des Favoriten wie die Gestalt des römischen Prätorianerpräfekten Sejan in der Sprache des civic humanism.253 Wentworth wiederum galt den Abgeordneten spätestens seit den beiden Bishops Wars gegen Schottland als Favorit Karls I. sowie als politischer Widersacher, den es zu bekämpfen galt.254 Die bloße 251

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Mercuries Message Defended, Against the Vain, Simple and Absurd Cavils of Thomas Herbert a Ridiculous Ballad-Maker, London 1641, S. 2; in ähnlicher Weise auch verwendet bei William Bridge, Babylons Downfall, London 1641, S. 19. Als Synonym von allgemeiner Sündhaftigkeit dient Achan bei Edmund Calamy, Englands Looking-Glasse, London 1641, Fol. A3r. Fairclough, Troublers, S. 50. Am besten zur Sprache gebracht in der Tragödie Ben Johnsons aus dem Jahr 1603 mit dem Titel Sejanus his fall; Ben Jonson, Sejanus His Fall, The New Mermaids, hrsg. v. Whitney F. Bolton, London 1966; vgl. Uwe Baumann, Die Tragödien Ben Jonsons als humanistische Auseinandersetzung mit Niccolò Machiavelli, in: Staatstheoretische Diskurse im Spiegel der Nationalliteraturen von 1500 bis 1800 (Wolfenbüttler Forschungen, Bd. 79), Wiesbaden 1998, S. 295–318. Asch, Wentworth.

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Erwähnung der Figur Haman dürfte daher bei den Zuhörern eindeutige Assoziationen ausgelöst haben. Eine Identifikation mit Wentworth lag hier weitaus näher als bei Achan.255 Sollte Haman in der Predigt als Platzhalter für Wentworth dienen, bot sich hier für Fairclough die Möglichkeit, sein Plädoyer für dessen Hinrichtung zu halten, laut Trevor-Roper ja der eigentliche Anlaß, weshalb Fairclough sich an die Abgeordneten richtete. Dieses Plädoyer bleibt indes aus. Statt dessen richtet er an seine Zuhörer die rhetorische Frage, ob Mordechai es dabei bewenden ließ, daß Haman gehängt worden sei, und fährt sogleich fort, zu erwähnen, daß das daraufhin vollzogene Strafgericht auch die persönliche Umgebung Hamans sowie alle „Churches enemies“ umfaßte.256 Die Hinrichtung Wentworths galt Fairclough offenbar bereits als Selbstverständlichkeit. Die Botschaft der Predigt war kein Plädoyer für Wentworths Hinrichtung, sondern eine Mahnung an die Abgeordneten, nicht zu glauben, daß mit dem Tode des königlichen Favoriten der Gerechtigkeit bereits Genüge getan worden sei. Weitere Bestrafungen müßten folgen. Sucht man die Rede Faircloughs im biblizistischen Sinne zusammenzufassen, so müßten nach Haman auch alle Achans in England zur Rechenschaft gezogen werden. Der Gattung entsprechend macht Fairclough keine weiteren Angaben, wen konkret eine Bestrafung hätte ereilen müssen. Sollte er tatsächlich in biblischen Dimensionen gedacht haben, hätte das Blutbad gewaltig ausfallen müssen: das neunte Kapitel des Buches Esther spricht von 75 000 Toten. Trevor-Roper mag Recht gehabt haben mit seiner Annahme, Faircloughs Predigt habe sich ganz konkret auf die Ereignisse im Zusammenhang mit der causa Wentworth bezogen, auch wenn er mit seiner Textinterpretation in die Irre ging. Zugleich trifft allerdings auch der Befund Wilsons zu, der Faircloughs Kanzelrede als typische Äußerung im Rahmen der Parlamentspredigten versteht. In der Tat bedurfte es keinerlei neuer Rhetorik oder Argumentation, um das Geschehen rund um den Wentworthprozeß zu kommentieren. Das bereits in Burges’ Predigt erkennbare Grundmuster der Fastenpredigten bot alle notwendigen Versatzstücke, um jederzeit gegen die proklamierten Glaubensfeinde in Stellung gebracht werden zu können. Auch in Stephen Marshalls Predigt vom 17. November 1640 findet sich nicht nur ein Verweis auf die Figuren des „wicked Haman“ sowie des Achan, sondern auch die Applikation dieser Figur auf diejenigen in England, die nicht nur den König von seinem Volk, sondern auch England von Gott entfremdet hätten.257 Nur sechs Tage nach der Verhaftung von Wentworth und Laud dürfte eine Assoziation mit ihnen nahegelegen haben. Marshalls Worte klingen ihrerseits wie ein Widerhall der Worte Pyms aus seiner Rede vom 7. November 255

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Selbstverständlich war auch Haman nicht eindeutig und für alle Zeiten mit Thomas Wentworth konnotiert. Schließlich findet sich Haman als Beispiel für gottlose Männer mit Einfluß auch nach der Hinrichtung Wentworths in den Predigten, so z. B. bei Calamy, Gods Free Mercy, S. 5 (der damit wohl Laud und seine Anhänger meinte); Ashe, The Best Refuge, S. 30 (der damit die Lord Bishops charakterisierte). Fairclough, Troublers, S. 27; Est 9, 16. Marshall, A Sermon, S. 17 f.

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vor dem Parlament, als dieser der „papists party“ vorwarf, die Uneinigkeit zwischen König und Untertanen zu befördern und die Religion in England zu unterwandern. Und sie finden erneut Verwendung in Pyms Anklage gegen Wentworth am 25. November, als er ihn mit denselben Vorwürfen bedachte wie zuvor die „papists party“. Fairclough brauchte diese Interpretation nur aufzugreifen und zu wiederholen; eine weitergehende Anpassung des Skripts an die politischen Gegebenheiten war nicht vonnöten. Ein wesentliches Element, das in den meisten Fastenpredigten nicht fehlen durfte und sich ebenfalls bereits in Burges’ Vorlage findet, ist die Betonung der Unbedingtheit und Radikalität im Kampf gegen alle Feinde Gottes. Auch die zweite Predigt in Sachen Wentworth, die Thomas Wilson in St. Margeret am 4. April vortrug, betonte vor den Parlamentariern die Notwendigkeit zu unbedingtem Eifer im Kampf für Gottes Sache.258 Wilson empfiehlt den Parlamentariern König David als Vorbild, da er das Versprechen abgelegt habe, alle Gottlosen seines Landes zu vernichten (Ps 101,8). Dabei seien auch Könige nicht von der Bestrafung ausgenommen, sollten sie Gottes Gesetz übertreten (Esr 6,12).259 Auch die Heilsgeschichte sowie das nahende Endgericht ließen es als notwendig erscheinen, allen Ungehorsam gegen Gott ohne Ansehen der Person und ohne Rücksichtnahme zu bestrafen. Nur die Reinen fänden Aufnahme im neuen Jerusalem (Offb 21,27), was eine vollständige Umkehr geradezu erzwingt und jedwede Kompromisse in dieser Frage ausschließt.260 Jegliche Unentschiedenheit und Wankelmütigkeit zöge dagegen das Schicksal Laodizeas nach sich, das heißt die Verdammnis durch Gott (Offb 2,14–22).261 Wilson leitet daraus folgenden Appell an das Parlament ab: „Surely Reformation will be, for the present should be, put it not off for after times to doe it, doe your utmost that no Canaanite may be left, no leaven uncast out or cursed, no superstitions be left to posterity, but the word of God as an heritage for ever.“262 Ähnlich wie in Faircloughs Predigt bleibt es der Phantasie der Zuhörer überlassen, selbst zu ermitteln, wer aktuell in England den Kanaanitern zuzurechnen sei. Der Stimmungslage der Zeit entsprechend darf man aber vermuten, daß die vom Parlament inhaftierten Wentworth und Laud und ihre jeweiligen Anhänger sicherlich dazuzurechnen sind. Daß Wilson mit seinen Worten ausschließlich zur Frage der Hinrichtung Wentworths Stellung nahm, wirkt jedoch wenig wahrscheinlich. Die hier zusammengetragenen Leitmotive betreffen insbesondere diejenigen Predigten vor dem Long Parliament, die anhand von Beispielen aus dem Alten 258 259 260 261

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Wilson, Davids Zeale. Motto der Predigt war Ps 69, 10: „Denn der Eifer für Dein Haus hat mich gefressen“. Ebd., S. 29 f. Ebd., S. 6. Ebd., S. 16. Wilson sieht diese in die Zukunft gerichtete Prophezeiung offenbar als bereits in der Vergangenheit erfüllt an, betont er doch, daß die Stadt durch ein Erdbeben vollständig zerstört worden sei. Ebd., S. 44.

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Testament die Notwendigkeit unbedingter Treue zu Gottes Gesetz hervorhoben und daraus die Forderung nach einer Abschaffung zahlreicher Traditionsbestandteile in der englischen Kirche ableiteten, die sie als götzendienerische Mißstände deklarierten. Weit mehr als die Hälfte der Predigten bis ins Jahr 1643 sind eindeutig diesem Typus zuzurechnen. Eine starke Minderheit von Predigten speiste sich jedoch aus einer anderen biblischen Texttradition: den apokalyptischen Schriften, vor allem der Offenbarung des Johannes.263 Hatte dies auch abweichende Aussagen zum politischen Ordnungsverständnis zur Folge, wurden die Abgeordneten in diesen Predigten mit anderen Forderungen konfrontiert? Für den untersuchten Zeitraum bis ins Jahr 1643 fallen die Gemeinsamkeiten zwischen den beiden Predigtgruppen stärker ins Gewicht. Ein verbindendes Element ist beispielsweise die Chiffre „Babylon“ als Synonym für die Kopplung von Unglauben und übersteigertem Machtanspruch, und das hieß in Augen der Prediger stets das Papsttum in Rom. Diese Gleichsetzung galt sowohl für das Babylon des Alten Testaments, das die Existenz des Königreichs Juda beendete und das jüdische Volk in Gefangenschaft zwang, als auch für die Hure Babylon als Widersacher Christi, von der insbesondere in der Johannesoffenbarung die Rede ist. Bereits Burges hat in seiner Predigt das alte und das neue Babylon typologisch aufeinander bezogen, andere Prediger taten es ihm nach.264 Diese Gleichsetzung führte auch zu identischen Verhaltensvorschriften. Jedweder Umgang mit „Babylon“ hatte zu unterbleiben, wollte man sich nicht an deren Unglauben und Götzendienst beflecken und auf diese Weise selbst seelischen Schaden nehmen. Und da von Babylon meist dann die Rede war, wenn die Gefährdung Englands zur Sprache gebracht wurde und der Vorwurf an die Kirche lautete, sich Babylon bereits zu sehr angenähert zu haben, d. h. papistische Traditionsbestände in der eigenen Kirche zu dulden, mündete diese Diagnose in beiden Fällen in eine Ermahnung zur Umkehr, d. h. in der Forderung, jegliche Bestandteile der römischen Kirche entschieden auszumerzen. Sofern hierbei die Offenbarung der fundierende Text war, fehlte nur selten ein Verweis auf die Aufforderung der Stimme des Himmels, die Stadt zu verlassen, um nicht mitschuldig zu werden an ihren Sünden (Offb 18,4).265 Die Notwendigkeit zur Umkehr wurde oftmals abgeleitet aus einer weiteren Paradestelle, dem Vergleich Englands mit Laodizea, einer der sieben Gemeinden Asiens, an die Johannes zu Beginn seiner Offenbarung seine Sendschreiben abschickt. Der lauwarme, unentschiedene Zustand Laodizeas sorgt dafür, daß ihr die Gnade Gottes nicht zuteil wird, eine Charakterisierung, die seit Thomas Brightmans Traktat Revelation of the Revelation wiederholt auf die englische 263

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Christopher Hill hat dies auch mit Zahlen zum Ausdruck gebracht. Von 240 Fastenpredigten, die im Zeitraum von 1640 bis 1653 in Druck gingen, kreisten 181 um Stellen des Alten und nur 59 um Stellen des Neuen Testaments. Hiervon stammten wiederum allein 12 aus der Offenbarung des Johannes. Im Zeitraum bis 1645 standen 123 Predigtstellen aus dem Alten nur 26 aus dem Neuen gegenüber, ein Verhältnis von beinahe 5:1; Hill, Bible, S. 83. Burges, Two Sermons, S. 36 f. Caryl, The Workes of Ephesus, S. 39.

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Kirche übertragen wurde, da sie ebenfalls unentschieden zwischen den wahrhaft protestantischen Kirchen und der katholischen Kirche hin- und her laviere, statt sich nicht nur in der Lehre, sondern auch in ihrer äußeren Gestalt und in ihrer Organisation klar am Vorbild der reformierten Kirchen Europas zu orientieren.266 Es sei hier nur am Rande angemerkt, daß Edmund Calamy in seiner Predigt Gods free mercy to England für Laodizea wiederum eine alttestamentliche Entsprechung bereithält, als er die Kirche Englands mit denjenigen Juden vergleicht, die Babylon nach ihrem Exil nicht mehr in Richtung Jerusalem verlassen wollten.267 Die Botschaft aus all diesen Belegstellen aus der Offenbarung war stets, die Notwendigkeit zur entschiedenen Reform der Kirche in England zu verdeutlichen, was dem prinzipiellen Fazit auch der Predigten entsprach, die in ihren Aussagen auf alttestamentliche Bibelstellen zurückgriffen. Auch die Konsequenz, die England drohte, sollte die angemahnte Reform ausbleiben, war so unterschiedlich nicht. In der Tradition des Alten Testaments konnten die Prediger England schwere Gottesstrafen prophezeien, die bis zur völligen Zerstörung des Gemeinwesens reichen konnten. In eschatologischer Perspektive blieb den Engländern, sollten sie keine Anstrengungen zur Umkehr unternehmen, der Eintritt ins Himmlische Jerusalem versperrt. Interessanterweise wird der Zusammenhang von Gottesgehorsam und Heil, Ungehorsam und Strafgericht in den hier untersuchten Predigten beinahe immer nur in einer kollektiven Dimension angesprochen.268 Das beschworene Strafgericht Gottes über die identifizierten Mißstände in der englischen Kirche bedrohte nicht nur diejenigen, die sie hervorgebracht hatten, d. h. nach der gängigen Lesart die Bischöfe sowie die sie stützende weltliche Obrigkeit, sondern stets alle Engländer gleichermaßen. Das individuelle Seelenheil bedurfte als Voraussetzung der kollektiven Umkehr.269 Daß in den Predigten vor dem Parlament über Stellen aus der Offenbarung weitgehend dieselbe politische Zielrichtung verfochten wurde wie in den übrigen Predigten, wird hier auch deswegen stark betont, da den apokalyptisch gehalte266

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Thomas Brightman, Revelation of the Revelation that is, the Revelation of St. John, 2. Aufl. Amsterdam 1615, S. 137 und 165; vgl. hierzu Asch, The Revelation, S. 324–326. Als Motiv in den Predigten findet sich Laodizea als Chiffre für den heilsgeschichtlichen Zustand Englands u. a. bei Calamy, Gods Free Mercy, S. 48; Wilson, Davids Zeale, S. 16 f.; Burton, Sounding, S. 28; Thomas Goodwin, Zerubbabels Encouragement to Finish the Temple. A Sermon Preached before the Honourable House of Commons, London 1642, S. 16; Caryl, Workes of Ephesus, S. 47. Besonders prägnant drückt sich Nathanael Holmes aus; Holmes, The New World, S. 20: „the mixture are smokey distinctions, popish evasions, carnall pretences, pharisaicall conclusions, human rules and traditions, fleshly formes of warship, seeming pretences of flattering devotions, by all which to blinde the eyes and puddle the streames of the Scriptures.“ Calamy, Gods Free Mercy, S. 47. Etwas abweichend hierzu allerdings William Sedgwick, Zions Deliverance and her Friends Duty, or The Grounds of Expecting, and Meanes of Procuring Jerusalems Restauration, London 1642, S. 31. Caryl, The Workes of Ephesus, S. 39 f.

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nen Reden vor dem Parlament bisweilen größere Radikalität unterstellt wurde.270 Diese einseitige Betonung nur einer Traditionslinie führt insbesondere bei Paul Christianson zu der Schlußfolgerung, es seien vor allem die an der Apokalypse orientierten Predigten, die mit besonders radikalen Forderungen an das Parlament herantraten und damit zum Ausbruch des Bürgerkrieges beitrugen. Gerade die Predigten seiner beiden Kronzeugen Thomas Goodwin und Joseph Caryl, beide gehalten am 27. April 1642, sind jedoch typische Beispiele für Positionen, die auf der Kanzel in St. Margaret vertreten wurden, und fallen aus dem von Burges vorgegebenen Deutungsschema nicht heraus.271 Wenn Goodwin die in England durchgeführte Reformation für unvollkommen hält, ferner die zahlreichen Neuerungen in der Kirche beklagt und die Vollendung der Reformation anmahnt, dürfte er die Parlamentarier mit dieser Predigt schwerlich überrascht haben. Der Ruf zu den Waffen, den Christianson in dieser Predigt deutlich vernommen haben will, war nicht lauter vernehmbar als in den bisher gehaltenen Predigten am selben Ort auch.272 Dies gilt auch für Caryls Predigt über The Workes of Ephesus explained, die entgegen der Interpretation Christiansons keine explizit ausgesprochene Aufforderung zum Bürgerkrieg enthält, wohl aber die Forderung nach einer Bestrafung aller „mixing innovators“ und „false teachers“ innerhalb der Kirche durch das Parlament.273 Allerdings ergaben sich aus der eschatologischen Perspektive naturgemäß auch spezifische Argumente zur Bewertung der politischen Lage in England. Eine unmittelbare Verschränkung des politischen Geschehens in England mit der Heilsgeschichte erreichten mehrere Redner dadurch, daß sie die Ereignisse in England als Erfüllung der in der Offenbarung enthaltenen Prophezeiungen deuteten. Das politische Geschehen sei bereits Teil der Auseinandersetzung mit dem apokalyptischen Untier, wobei der entscheidende Schlag, die Zerstörung Babylons, allerdings noch ausstehe.274 Wenn Henry Burton sich aufgrund seines jüngst erlittenen Schicksals als einer der beiden Zeugen der Offenbarung stilisiert, macht er mit dieser Analogie zugleich eine Aussage über das England unmittelbar bevorstehende Weltende. Nach der Auferstehung der beiden Zeugen folgt in der Offenbarung unmittelbar die siebte Posaune, die die direkte Herrschaft Christi ankündigt und das Strafgericht gegen „Babylon“ einleitet.275 William Sedgwick ist 270

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Vgl. etwa Paul Christianson, From Expectation to Militance. Reformers and Babylon in the First Two Years of the Long Parliament, in: JEH 24 (1973), S. 225–244, hier S. 227. Ferner B. Capp, The Political Dimension of Apocalyptic Thought, in: Constantinos A. Patrides/ Joseph A. Wittreich (Hrsg.), The Apocalypse in English Renaissance Thought and Literature. Patterns, Antecedents and Repercussions, Ithaka (New York) 1984, S. 93–124, hier S. 109. Dies mag auch der Grund dafür sein, daß Hugh Trevor-Roper beide Predigten in seinem Aufsatz über die Fastenpredigten gar nicht erst erwähnt. Christianson, From Expectation to Militance, S. 239 f. Caryl, The Workes of Ephesus, S. 54–56. Auch stammt bei Caryl zwar die Bibelstelle der Predigt aus der Offenbarung (Offb 2, 2–3), die Forderungen an das Parlament werden jedoch größtenteils aus Exempla der historischen Schriften des Alten Testaments abgeleitet. So z. B. Burroughs, A Glimpse, S. 2 f. Burton, The Sounding, S. 62–70.

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sich in seiner Predigt Zions Deliverance ebenfalls sicher, daß der Endkampf mit dem Antichristen unmittelbar bevorstehe und die Königsherrschaft Christi auf Erden nicht mehr lange auf sich warten lasse, auch wenn es über den genauen Zeitpunkt keine Gewißheit geben könne.276 Was bis zum Anbruch des Milleniums und der Herrschaft der Heiligen noch eintreten müsse, sei zum einen die Konversion der Juden, zum anderen die Vertreibung des Antichristen aus dem Tempel.277 Die zwei Gewißheiten, die in Predigten aus der Johannesoffenbarung abgeleitet wurden, waren zum einen der Untergang Babylons und zum anderen, daraus resultierend, die Ankunft des himmlischen Jerusalems. Babylon wurde zumindest auf der Kanzel von St. Margaret stets mit Rom als Sitz des Papstes gleichgesetzt. Damit England aber dem Untergang Babylons mit freudiger Erwartung entgegensehen konnte, hatte es in Augen zahlreicher Prediger noch einige Korrekturen vorzunehmen. Unstrittig war dabei, daß der bald erwartete Beginn des Weltenendes die Dringlichkeit zur Umkehr nur unterstrich. England hatte dafür Sorge zu tragen, daß es bei der Vernichtung Babylons nicht selbst in Mitleidenschaft gezogen würde. Weniger eindeutig waren hingegen die Hinweise von der Kanzel, ob, und falls ja auf welche Weise, England aktiv auf den Untergang Babylons hinwirken solle. Aktivistische Vorschläge unterbreitete William Bridge in seiner Predigt, die sich ganz Babylons Downfall widmete. Bridges zufolge solle jeder Engländer aktiv auf die Zerstörung Babylons hinwirken. An die weltliche Obrigkeit richtete er insbesondere den Auftrag, den Vertretern von Babylon ihre Grausamkeit mit gleicher Münze heimzuzahlen. Was dabei vergolten werden sollte, macht er mit einem 276 277

Sedgwick, Zions Deliverance, S. 23. Ebd., S. 22. Der Hinweis auf die bislang ausgebliebene Judenkonversion findet sich auch bei Nathanael Holmes, The New World, S. 12; und als schottischer Vertreter George Gillespie, A Sermon Preached before the Honourable House of Commons at their Late Solemn Feast, in: The Works of George Gillespie. With Memoir of his Life and Writings by W.M. Hetherington, 2 Bde., Edinburgh 1843, Bd. 1, S. 23 f. Um das letzte Hindernis vor dem Anbruch des Milleniums, die Judenkonversion, auf den Weg zu bringen, trafen sich Johann Amos Comenius, John Dury und Samuel Hartlib auf Einladung des Parlaments im Winter 1641/42 in London und planten im einzelnen eine Akademie zur Erforschung des jüdischen Schrifttums, den Wiederaufbau des Tempels Salomons sowie die Publikation des Mishna; vgl. Mark Greengrass u. a. (Hrsg.), Samuel Hartlib and Universal Reformation, Cambridge 1994; Hugh R. Trevor-Roper, Religion, the Reformation and Social Change, London 1967, S. 237–293. Die nach Nordamerika ausgewanderten Kongregationalisten deuteten in den 1640er und 1650er Jahren die Indianer als einen der verlorenen Stämme Israels und machten sich daher auch bei der Indianermission eifrig ans Werk; vgl. hierzu den exzellenten Beitrag von Hans-Dieter Metzger, Heiden, Juden oder Teufel? Milleniarismus und Indianermission in Massachusetts 1630–1700, in: GG 27 (2001), S. 118–148. Der Libertin Isaac de La Peyrère ist mit seinem Traktat Rappel des Juifs aus dem Jahr 1643 ein Beispiel dafür, daß die eschatologische Vision einer Bekehrung der Juden als Voraussetzung für das Anbrechen des Milleniums weder auf England beschränkt war noch prinzipiell antimonarchische Züge trug. Bei La Peyrère regiert der französische König als Universalherrscher von Jerusalem aus die Welt, nachdem die Juden sich zum Christentum bekannt haben. Ich danke für diesen Hinweis Andreas Pietsch (Münster).

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Sprachspiel deutlich: „An Eye for an eye, a tooth for a tooth, burning for burning, eare for eare, liberty for liberty, and blood for blood.“278 Daß in Bridges Aufzählung Ohren miteinander verrechnet wurden statt Hände oder Füße wie im biblischen Text (Ex 21, 24–25) läßt sich als klarer Hinweis auf die öffentliche Bestrafung von Burton, Bastwick und Prynne verstehen, die im Jahr 1637 als Strafe für Hochverrat auf dem Richtplatz ihre Ohren einbüßten. Dieser Bezug dokumentiert allerdings, daß Bridge die Vertreter von Babylon nicht im fernen Rom ausfindig macht, sondern in Canterbury und in London. Bridge fordert in seiner Predigt offenkundig die gewaltsame Bestrafung des Kirchenestablishments Karls I., dessen Bestrafung und dessen Abschaffung zur heilsgeschichtlich notwendigen Umkehr unerläßlich seien.279 Die Frage, wer zu den Werkzeugen Gottes im Endkampf mit dem Antichristen zu zählen sei, war von besonderer politischer Aussagekraft: War es der König allein, der König und das Volk zusammen oder aber nur das Volk? In Kapitel 17, 12–17 der Offenbarung ist von zehn Hörnern des Untieres die Rede, die zehn Könige symbolisieren, welche zwar zunächst mit der Hure Babylon Unzucht getrieben hätten, sich dann aber von ihr lossagten und sie vernichteten. Diese Stelle inspirierte gleich mehrere Prediger zu einer auf die Ereignisse in England bezogenen Auslegung. Henry Burton sah den heilsgeschichtlichen Auftrag, der Hure Babylon den letzten Todesstoß zu versetzen, in der Offenbarung gewissermaßen an den Kingin-Parliament adressiert und betonte, daß nicht der König allein diese Rolle für sich in Anspruch nehmen könne: „because the Kings alone shall not make Babylon desolate, but their Kingdomes, to wit, their people taken together […].“280 Nathanael Holmes sieht ebenfalls das Parlament beauftragt, den Kampf gegen Babylon aufzunehmen, der König sei nur Haupt des Parlaments, nicht aber eine Größe sui generis.281 Und der anonyme Autor von A Glimpse of Sion’s Glory scheint den König für diesen Kampf gar nicht mehr zu benötigen. Da Christus sich stets dem einfachen Volk offenbart habe, das im Parlament vertreten sei, sei es auch die Aufgabe des einfachen Volkes, die Herrschaft Christi auf Erden voranzutreiben, d. h. den Kampf mit dem Antichristen aufzunehmen.282 Die Auslegung der Textstelle in der Offenbarung, in der von den zehn Hörnern des Untieres alias den zehn Königen die Rede ist, zeigt geradezu paradigmatisch die schleichende Abwendung der Redner vom König als höchster Autorität 278 279 280 281

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William Bridge, Babylons Downfall, London 1641, S. 10. Ebd., S. 23. Burton, The Sounding, S. 92. Holmes, The New World, S. 38: „I can see you are the promised people, you the Parliament and Parliaments of his Maiesties three kingdomes to be leaders and examples to the Christian world to pull downe that of Antichrist that is yet standing“. Burroughs, A Glimpse, S. 4–8: „First, that though the Kingdome of Christ may be darkned for a while, yet certainly Christ will reigne in his Church gloriously, at which the Saints will sing Halleluljah. Secondly, that the beginning of this glorious Reigne of Christ, the Multitude of the People shall bee the furtherers of it, and take speciall notice of it.“ (S. 8)

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und die Übertragung dieser Autorität auf das Parlament. Die Prediger brachten dieses Thema nicht offen und direkt zur Sprache. Auch unmittelbare Attacken auf den König finden sich in den Predigten nicht. Die Vorwürfe zielen vielmehr auf die geistliche Obrigkeit, treffen Karl I. daher nur indirekt, da er die Auswahl der Bischöfe zu verantworten hat und deren Kirchenpolitik nicht verhinderte. Aber auch diese Kritik wird nicht direkt erhoben, sondern anhand von biblischen Beispielen vorgeführt. Das Ausbleiben unmittelbarer Angriffe auf Karl I. heißt aber nicht, daß seine königliche Herrschaftsstellung unangetastet blieb. Die Erosion seiner Autorität läßt sich gerade anhand der Parlamentspredigten ablesen. Neben der Marginalisierung der Rolle des Königs bei der Anbahnung des Milleniums zeigt sich auch in der Auslegung klassischer Bibelstellen zur Königsherrschaft in einigen Predigten der Trend, das Parlament an die Stelle des Königs zu setzen. Ein besonders prägnantes Beispiel hierfür ist die Predigt von William Sedgwick vom 29. Juni 1642, gehalten zu einem Zeitpunkt, als das Parlament den Führungsanspruch des Königs offen in Frage gestellt hatte, zum einen mit der Entscheidung, eine eigene Miliz aufzubauen, zum anderen mit den sogenannten Nineteen Propositions, einem Forderungskatalog, der die königlichen Prärogativrechte vollständig kassierte und dessen Exekutivgewalt ohne Ausnahme der Kontrolle des Parlaments unterwarf.283 Sedgwick konfrontierte die Abgeordneten mit gleich mehreren Beispielen aus dem Alten Testament, um sie zum einen aufzufordern, es den vorbildlichen Königen nachzutun, und zum andern vor den Verfehlungen der sündhaften Könige zu warnen. König Saul dient ihm beispielsweise als abschreckendes Beispiel für Ungehorsam gegen Gott, da dieser Gottes Aufforderung zur Vernichtung aller Amalekiter nur unvollkommen nachkam und deren Anführer Agag verschonte. Davids Gelübde im Psalm 101, alle Gottlosen in seinem Reich auszurotten, wird dem Parlament hingegen zur Nachahmung empfohlen. In beiden Fällen sieht Sedgwick das Parlament in den Fußstapfen der alttestamentlichen Könige, nicht aber König Karl I. Dies mag vielleicht zu einem Teil auch der Redesituation geschuldet sein, war die Predigt doch direkt an die Abgeordneten gerichtet. Gleichwohl ist unverkennbar, daß Stellen zur Charakterisierung der Königsherrschaft an das Parlament adressiert wurden, um gute und schlechte Exempla für die anstehenden politischen Entscheidungen bereitzustellen. Daß Sedgwick sich an die Abgeordneten mit den Worten richtet, „Governours are stiled Gods in Scripture“, ist ein weiterer Beleg für diese Umdeutung – bezog man beispielsweise den Psalm 82 mit seiner Aussage, „Ihr seid Götter und allzumal Söhne des Höchsten“ bislang regelmäßig auf die Königsherrschaft.284 Und wenn Stephen Marshall an das Parlament appelliert, die Rolle des „nursing fathers“ zu überneh-

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Kenyon, Stuart Constitution, S. 222–226. Zu den Ereignissen Russell, Fall, Kap. 13. Sedgwick, Zions Deliverance, S. 52. Vgl. zur gängigen Interpretation von Psalm 82 nur die erste der Fastenpredigten von Cornelius Burges (s. o. S. 77–80). Zur Charakterisierung der Königsherrschaft s. u. Kap. V 4.

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men, wird damit ebenfalls ein klassisches Element biblizistischer Königslegitimation an das Parlament transferiert.285 Wie weit sich die Geistlichen in ihren Predigten an das Parlament und wohl auch die Parlamentarier selbst im Sommer 1642 bereits von klassischen Grundpositionen monarchischer Herrschaftslegitimation entfernt hatten, zeigt die Predigt von Thomas Cheshire, der am selben Tag wie Sedgwick sprach, allerdings vor dem Oberhaus. Liefert Sedgwicks Zions Deliverance das Beispiel einer Predigt, die den Parlamentariern den Kampf gegen den König als unausweichlich und notwendig schildert, so sucht Cheshire die Mitglieder des Oberhauses zur Treue zu Karl I. anzuhalten. Cheshires Predigt ist in ihrer Art singulär, da sie sich dem von Cornelius Burges vorgezeichneten Skript sowie dem alarmistischen Aufruf zur kollektiven Umkehr verweigerte und er vermutlich aus diesem Grund vom Kommitee des Parlaments auch keine Druckfreigabe erhielt.286 Cheshires Predigt eignet sich gut als Testfall dafür, was die Mitglieder des Parlaments nicht hören, vor allem aber nicht gedruckt sehen wollten.287 Cheshire nutzte zur Beschreibung des Sündenfalls Adams und Evas konsequent das Vokabular der Königsherrschaft. Gott wird umschrieben als „König der Könige“, das Naschen an den Früchten des Baums der Erkenntnis gilt als Angriff auf die Prärogativrechte Gottes, der wiederum dieses Verhalten als Hochverrat abstraft. Die Austreibung aus dem Paradies als Gottesstrafe für den begangenen Hochverrat stünde England nun wiederum bevor, so Cheshire, wobei er das Regiment Karls I. mit dem himmlischen Paradies metaphorisch gleichsetzt288 und den Sündenfall in der Infragestellung der Autorität des Königs erblickt.289 Diese Deutung der aktuellen Geschehnisse entsprach zwar voll und ganz der royalistischen Sicht der Dinge, wie sich anhand zahlreicher Traktate zeigen läßt, die ab 1643 in Oxford zur publizistischen Unterstützung des Königs gedruckt wurden.290 In den Fastenpredigten an das Parlament sucht man aber vergebens ein zweites Beispiel für eine Ermahnung der Abgeordneten zum Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit. Wenn England im Sommer 1642 auch noch eine Monarchie sein mochte, vor dem Parlament war die Sprache der Königsherrschaft bereits weitgehend verstummt. Nun darf man aus dieser Feststellung nicht den Umkehrschluß ziehen, daß die Parlamentarier in den Predigten direkt dazu aufgerufen worden seien, ihren Ge-

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Marshall, Reformation, S. 7. Christianson, Reformers, S. 183 Anm. 12. Thomas Cheshire, A Sermon Preached at Saint Peters Westminster on Saint Peter’s Day, being the Monethly Fast, before the Lords and Judges […], London 1642. Das Exemplar der British Library enthält auf der Titelseite unter der Zeile „printed by the author“ den handschriftlichen Vermerk, „because none other would“. Ebd., S. 22: „the voice of God walking in this our Garden of England a long time, the voice of peace, and the voice of the Gospell of Christ.“ Ferner hob Cheshire die lange Friedensperiode in England zur Zeit des in Europa tobenden Dreißigjährigen Krieges hervor. Ebd., S. 24 f. Zu Oxford als Sitz der royalistischen Presse vgl. Joad Raymond, Pamphlets and Pamphleteering in Early Modern Britain, Cambridge 2003, S. 152.

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horsam gegenüber Karl I. aufzukündigen. Dies war nicht der Fall. Auch fand in den Predigten keine formale Abwägung von der Reichweite und den Grenzen der Königsherrschaft statt, geschweige denn eine Diskussion des Widerstandsrechts. Der Versuch, die Predigten daraufhin abzuklopfen, inwiefern sie ihre Aussagen aus dem Textfundus der Protagonisten des Widerstandsrechts gewonnen haben, fördert ebenfalls keine größeren Erkenntnisse zutage.291 Dies mag auch der Grund sein, weshalb die Fastenpredigten zwar einige Aufmerksamkeit gefunden haben, seltener allerdings in Untersuchungen, die sich dem politischen Geschehen der Zeit widmeten.292 Die Aushöhlung der monarchischen Autorität funktionierte nach anderen Mechanismen als denen des juridischen Diskurses. Die Predigten erörterten nicht die Frage, wem die Kompetenz zugesprochen werden dürfe, sich unter welchen Bedingungen gegen Befehle des Königs zu stellen. Statt dessen war der Fokus darauf gerichtet, was zu tun sei, um den Gott schuldigen Gehorsam wieder herzustellen. Nun wirkt es auf den ersten Blick wie ein Allgemeinplatz, wenn vom Gehorsam zu Gott die Rede ist. Gottesgehorsam war schließlich erklärtermaßen für alle Protagonisten die höchste aller Tugenden. Ein Plädoyer zum Ungehorsam gegenüber Gott und seinen Gesetzen war schlechterdings unvorstellbar. Auch die Repräsentanten des Feindbilds der Abgeordneten, d. h. vor allem William Laud und die Führungsschicht des Klerus der englischen Kirche, nahmen für sich und ihr Handeln den Gottesgehorsam in Anspruch. Gleichwohl war die Forderung nach der Wiederherstellung des Gottesgehorsams die rhetorische Waffe, die den König seiner Legitimität zunehmend entkleiden sollte, jenseits aller Debatten um das Widerstandsrecht. Die binäre Unterscheidung von Gehorsam und Ungehorsam gegen Gott war für Karl I. und seine Autorität deswegen gefährlich, da seine Person, seine Familie und sein politisches und kirchliches Umfeld in den Predigten vor dem Parlament allesamt eher als Zeugnis für die in England diagnostizierte Abkehr von Gott denn als Garanten des Gottesgehorsams galten. Der Aufruf zur Umkehr an das Parlament war damit fast zwangsläufig verknüpft mit einem Aufruf zur Abkehr vom König, auch wenn diese Schlußfolgerung selten offen artikuliert wurde. Sofern der politische Konflikt bzw. der sich seit Anfang 1642 abzeichnende Bürgerkrieg überhaupt zur Sprache kommt, so wird er konsequent jeglicher konstitutioneller Elemente entkleidet.293 William Sedgwick redet in seiner Predigt am 29. Juni 291

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Einen Versuch dieser Art unternimmt Russell, Fall, S. 461, der allein aus der Tatsache, daß Edmund Calamy in seiner Predigt „Englands Looking Glasse“ Pareus in die Reihe Augustinus, Ambrosius und Martin Luther einreiht, bereits ein klares Bekenntnis zum Widerstandsrecht erblickt. Daß der Inhalt der Predigt dieses Bekenntnis noch weit stärker vermittelt als die Nennung von Pareus als Zeugen Gottes, scheint Russell entgangen zu sein. Vgl. nur Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, S. 118–130 ohne jeglichen Bezug auf die Predigten vor dem Parlament. Ähnlich auch Hill, Bible, S. 94: „no one who has read the Fast Sermons of the 1640s can suppose that the niceties of constitutional theory were uppermost in MPs’ minds. The question was rather Marshall’s, ‚whether Christ or Antichrist shall be lord or king?‘“

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1642 nicht von einem möglichen Kampf zwischen Anhängern des Königs und denen des Parlaments. Vielmehr macht er folgende Unterscheidung geltend: „If Heaven and Earth should make warre, there would be no corner of the world so safe, as on Gods, and the Churches side“.294 In einer solchen Auseinandersetzung zwischen Himmel und Hölle stelle sich die Frage nach den Prärogativrechten des Königs und den Kompetenzen von König und Parlament nicht mehr, so die unausgesprochene Botschaft hinter Sedgwicks Worten. Auch der Vorwurf, Aufruhr und Rebellion zu betreiben, dürfe die Protagonisten nicht von ihrem Werk abhalten. Das Beispiel der Reformation in England wie in Schottland zeige hinreichend, wie eine ursprünglich mit demselben Vorwurf von Verschwörung und Aufruhr konfrontierte Gruppe aufrechter Streiter für Gottes Wort sich schließlich habe durchsetzen können: „by rare, invisible, and unexpected providences, beyond what we were able to aske ort hinke, they have stood, and prospered“.295 Sedgwick diskutiert nicht die Frage, ob der Vorwurf der Rebellion gerechtfertigt sei oder nicht. Statt dessen macht er den Abgeordneten deutlich, daß sich diese Frage im Falle des Erfolgs nicht mehr stellt, und daß Gottes Vorsehung über Erfolg und Mißerfolg entscheidet. Wenige Wochen zuvor, am 27. April, plädierte auch Thomas Goodwin dafür, Gottes Providenz zu vertrauen: Sollten die Parlamentarier die notwendigen Maßnahmen zur Reform der Kirche einleiten, so mache auch Gott seine Heilsversprechen wahr und stünde England z. B. im Kampf gegen die aufständischen Iren bei, sowohl durch Männer, die in göttlichem Auftrag handelten, als auch durch „coincident acts of Providence“.296 In der sich abzeichnenden Schlacht zwischen Heil und Verdammnis, wie sie in den beiden soeben genannten Predigten in leuchtenden Farben ausgemalt wurde, rückt Gott zugleich selbst in die Rolle des Herrschers ein. Sedgwick redet dabei über den Zustand im Tausendjährigen Reich, wenn „Christ will take his Church by the hand, and publickely owne his people“.297 Die metaphorischen Umschreibungen der Kirche als „the Kings wife“ und „the Kings palace and court“ streichen die Qualität des Gottessohnes als weltlicher Herrscher auf Erden besonders deutlich heraus.298 Sedgwick verweist nicht nur darauf, daß dieser Moment nicht mehr fern sei. Im Anschluß daran erwähnt er auch, daß zugleich auch alle weltliche Obrigkeit ein Ende habe.299 Bei Goodwin hat es den Anschein, als würde die

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Sedgwick, Zions Deliverance, S. 11. Ebd., S. 26. Goodwin, Zerubbabels Encouragement, S. 42–44. Sedgwick, Zions Deliverance, S. 16; Prophezeiung anhand von Jes 62 sowie Offb 19,7. Ebd., S. 17 f. Vgl. auch Calamy, Englands Looking-Glasse, S. 3 f., der von den Prärogativrechten Gottes über alle Königreiche sowie der „supremacy of Gods power“ spricht. Sedgwick, Zions Deliverance, S. 20 f. Sedgwick bezieht sich auf 1 Kor 15,24, wo davon die Rede ist, daß Christus das Reich seinem Vater übergeben wird, nachdem er „alle Herrschaft, Macht und Gewalt vernichtet hat“. Sedgwick fügt diesem Zitat eine bemerkenswerte Ergänzung zu: „i. e. all his enemies, be they of rule, the highest degree; of authority, the middle or second degree; or of power, the lowest and meanest; all must be subject to Christ“. Eine vergleichbare Aussage findet sich in Burroughs, Glimpse, S. 8.

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direkte Weltherrschaft Gottes nicht erst im Tausendjährigen Reich Wirklichkeit, sondern Christus als „King Jesus, the Conqueror“ bereits vor dem letzten Gefecht mit Babylon seine Herrscherrolle einnehmen.300 Er betont Gottes Doppelrolle als „King of Nations“ und als „King of Saints“ und folgert daraus „Christs supremacie acknowledged both in matters Civill and Ecclesiasticall“.301 Mit dieser Umschreibung kleidet Goodwin die Herrschaft Christi in exakt dieselben Begriffe, mit denen spätestens seit dem sogenannten Act of Supremacy Elisabeths I. von 1559 die Herrschaft des englischen Königs charakterisiert wird.302 Da auch Goodwin den Moment der entscheidenden Auseinandersetzung mit der Hure Babylon als nicht mehr fern ansieht, stellt sich die Frage, wann und auf welche Weise die Herrschaft über England aus den Händen Karls I. in die Hände Christi übergeht. Dazu gibt Goodwin nur einen indirekten Hinweis, wenn er das Unterhaus für den jüngst gefaßten Beschluß zur Abschaffung aller „innovations“ in der Kirche beglückwünscht und dessen baldige Durchsetzung mit den Worten anmahnt: „Go to establish it; you will establish a Kingdome by it“.303 Welches Königreich könnte Goodwin gemeint haben wenn nicht das Königreich Christi, eingeführt durch eine vom Parlament betriebene konsequente Reformation der englischen Kirche? Für Karl I. blieb in diesem eschatologischen Fahrplan offenkundig keine Rolle mehr zu spielen. Ähnlich wie im Falle des schottischen National Covenant oder im Fall von Burtons Traktat For God, and the King, war die fortdauernde Loyalität zum König abhängig von seiner Bereitschaft, seine bisher protegierte Religionspolitik vollständig fallenzulassen und sich dem Diktat des jeweiligen Reformflügels in der schottischen und der englischen Kirche zu beugen. Die binäre Unterscheidung zwischen Gottes- und Königsgehorsam konnte Karl I. nur dann nicht mehr gefährlich werden, wenn er sich seinerseits die Forderungen der Reformer zu eigen machte, was zugleich einen Verzicht auf die eigene Kirchenpolitik der letzten anderthalb Jahrzehnte beinhaltete. Seine Weigerung, diesen Schritt zu vollziehen, führte zwangsläufig zur Konsequenz, das Heil Englands notfalls auch gegen den Willen des Königs sicherzustellen und die religionspolitische Umkehr zu vollziehen. Die Art und Weise, wie sich diese erneute Hinwendung zu Gott vollziehen sollte, war ebenfalls von einiger politischer Brisanz. Der Gottesgehorsam zeige sich nicht darin, daß er sorgsam und vorsichtig gegen alle anderen Loyalitätspflichten abgewogen werde, sondern in einem besonderen Einsatz für Gott, der alle anderen Bindungen als bedeutungslos erscheinen lasse. In mehreren Predig300 301 302 303

Goodwin, Zerubbabels Encouragement, S. 37, das Zitat bezieht sich auf Offb 6, 2. Ebd., S. 32 f.; eine vergleichbare Redeweise findet sich auch bei Samuel Rutherford; vgl. Coffey, Politics, Religion, S. 232 f. Vgl. zum Act of Supremacy Elton, Tudor Constitution, S. 372–377. Goodwin, Zerubbabels Encouragement, S. 41. Goodwin dürfte mit diesen Worten auf die Resolution des Unterhauses über „Ecclesiastical Innovations“ vom 1. September 1641 anspielen; vgl. hierzu Commons’ Journal, Bd. 2, S. 279; auch abgedruckt in Kenyon, Stuart Constitution, S. 236 f.

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ten werden den Abgeordneten zwei biblische Beispiele genannt, deren Einsatz sich das Parlament zum Vorbild nehmen sollte: zum einen David, der von sich selbst sagt, er habe sich seiner persönlichen Umgebung entfremdet, da der Eifer für Gott ihn schier gefressen habe (Psalm 69,9–10),304 zum anderen Pinhas, der Gottes Wohlgefallen dadurch errang, weil er Simri und seine midianitische Frau Kosbi wegen ihrer Teilnahme an fremden Opferfesten ohne Zögern mit dem Schwert durchbohrte; eine Tat, mit der Pinhas durch seinen Eifer die Plage von Israel abgewendet hat (Num 25, 6–15).305 Was die beiden angeführten Beispiele eint und in den Augen zumindest einiger Prediger zum Exempel statuiert, ist die Bedenkenlosigkeit beider Protagonisten beim Einsatz für Gottes Sache.306 Sofern Gottes Wort und Gesetz auf dem Spiel steht, dürfe es um des eigenen Heils willen keinerlei Kompromisse geben, diese Botschaft eint die meisten der Predigten in St Margaret. Insbesondere bei der Frage, wie mit den Gottesfeinden zu verfahren sei, legten sich die Kanzelredner keinerlei Schranken auf. William Bridge betonte im Jahr 1641, daß das Abschlachten zahlreicher „Philister“ Bestimmung des Parlaments sei.307 Und Thomas Wilson trägt den Parlamentariern vor, was sie von Davids Eifer lernen könnten: „a zeale that layeth aside all partiall affection, or respect of persons, great or small, King or people, kinsman or countrey-man, it will doe right to all, without doing a friend a pleasure, or a foe a spite“.308 Wilsons Aussage, daß der Eifer für Gottes Gesetz auf keinerlei Statusunterschiede Rücksicht nehmen dürfe, erhält politische Brisanz durch zwei weitere Punkte: zum einen den Umstand, daß Karl I. und seine persönliche Umgebung als diejenigen galten, die das Gesetz gebrochen hätten, zum anderen durch die im Alten Testament vorgesehene Todesstrafe durch Steinigung (Dtn 13,6–12) für diejenigen, die dieses Vergehens schuldig seien. Wilson unterstreicht seine Forderung nach der Todesstrafe noch dadurch, daß er das Beispiel des Königs Asa anführt (2 Chr 15, 16), der seiner Mutter Maacha die Königswürde entzog, nachdem sie sich des Götzendienstes schuldig gemacht hatte. Was Burges den Abgeordneten in der ersten Predigt vor dem Long Parliament noch als nachahmenswertes Beispiel anempfahl,309 galt Wilson als eine lahme Handlung, die nicht im Einklang stand mit den Erfordernissen des Gesetzes, da Asa das Leben seiner Mutter schonte. In Wilsons Augen hätten sich die Parlamentarier nicht

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Joseph Symonds, A Sermon Lately Preached at Westminster before Sundry of the Honourable House of Commons, London 1641, Fol. D2v; Wilson, Davids Zeale. Holmes, The New World, S. 41; Marshall, Reformation, S. 44; Sedgwick, Zions Deliverance, S. 23–25, der die Angehörigen des Long Parliament zumindest indirekt in der Rolle von Pinhas sieht. Friedeburg sieht in der Gestalt des Pinhas gleichsam eine biblische Vorlage für ein radikales Widerstandsrecht; Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, S. 13 f. Die Fastenpredigten machen darüber hinaus deutlich, daß sich sowohl David als auch Pinhas als Exempla für das gleiche Ziel darstellen lassen. Bridge, Babylons Downfall, S. 22. Wilson, Davids Zeale, S. 30. Burges, Two Sermons, S. 11. S. o. S. 78 f.

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an Asas Beispiel zu orientieren, sondern an Darius’ Befehl zum Schutz des wiedererrichteten Tempels der Juden (Esr 6, 12): „destroy all kings and people that shall put to their hand to alter and to destroy this house of God which is at Ierusalem“.310 Ob die Abgeordneten diese Aussage auf Karl I. beziehen sollten, ließ Wilson zwar wohlweislich offen. Es ist aber auffällig, daß er gleich mehrfach dem König explizit jegliche Sonderbehandlung abspricht, wenn die Treue zu Gottes Wort auf dem Spiel steht. Die Gottesherrschaft, die sich in Gottes Gesetz permanent manifestiert, läßt dem weltlichen König zumindest auf dem Feld der Kirchenpolitik keinerlei Gestaltungsspielraum. Vor dem Hintergrund der hier angeführten Beispiele fällt es beinahe schwer, John Wilsons Beobachtung zuzustimmen, daß sich der Ton der Predigten nach Bekanntwerden des irischen Aufstandes im November 1641 noch einmal radikalisiert habe; wohl aber stieg die Anzahl der Predigten mit radikalem Zungenschlag.311 Auch finden sich 1642 verstärkt bellizistische Metaphern, z. B. wenn Edmund Calamy die nunmehr monatlich gehaltenen Fastenpredigten vor dem Parlament als Zeichen der Mobilmachung und des Kriegszustands der englischen Kirche wertet oder Simeon Ashe die Predigten als „Guns and instruments of Warre“ ansieht.312 Die Prediger suchten den Parlamentariern insbesondere alle Wege zu verbauen, mit den „Feinden Gottes“ zu einem Ausgleich zu gelangen, statt deren unnachsichtige Bestrafung zu betreiben. Der Furor richtet sich dabei sowohl gegen Irland wie gegen all diejenigen, die man als Fünfte Kolonne innerhalb der Kirche auszumachen glaubte. Dazu zählten die Protagonisten der hierarchischen Bischofskirche mit William Laud an der Spitze, aber wohl auch diejenigen, denen man eine klammheimliche Sympathie für die aufständischen Iren unterstellte, nicht zuletzt Karl I. selbst.313 Positionen, die auf Ausgleich und Vermittlung bedacht waren, wurden in zahlreichen Fastenpredigten in ihrem Grundsatz angegriffen. In keiner Predigt wird dieser Aspekt so stark in den Mittelpunkt gerückt wie in Stephen Marshalls Kanzelrede Meroz cursed, die er am 23 Februar 1642 hielt.314 Stephan Marshall gelingt mit dieser Predigt sein Meisterstück, wie er selbst fand. Er tat daher auch alles, um ihr eine größtmögliche Verbreitung zu bescheren. An verschiedensten Plätzen des Landes wiederholte er die Predigt insgesamt ca. 60 Mal, ferner wurde sie gleich mehrfach gedruckt.315 In der Tat hatte Marshall

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Wilson, Davids Zeale, S. 30. Wilson, Pulpit, Kap. 4; Christianson, Reformers, S. 227–241. Calamy, Gods Free Mercy, Fol. A3r; Ashe, The Best Refuge, Fol. A3v. So beispielsweise der Verdacht von John Pym, geäußert im Unterhaus am 24. Februar 1642, der von Karl I. energisch zurückgewiesen wurde; Commons’ Journal, Bd. 2, S. 453 f. Zum Vorwurf und seiner Wirkung auch Clarendon, Rebellion, Bd. 4, 31; Vgl. ferner Caroline M. Hibbard, Charles I and the Popish Plot, Chapel Hill (NC) 1983; Robin Clifton, Fear of Popery, in: Russell (Hrsg.), Origins, S. 144–167. Stephen Marshall, Meroz Cursed, or, A Sermon Preached to the Honourable House of Commons, at their Late Solemn Fast, Febr. 23, 1641, London 1642. Trevor-Roper, Fast Sermons, S. 99. Im STC ist ein Nachdruck im Jahr 1645 bezeugt.

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getan, was mit der Macht des Wortes getan werden konnte, um England dem Krieg näher zu bringen. Sein Beispiel gewinnt er aus der Zeit der Landnahme und der Kämpfe Israels mit den verschiedenen Völkern Canaans. Die Stadt Meroz wird in Deboras Siegeslied (Ri 5,23) dafür verflucht, Gott nicht zu Hilfe gekommen zu sein. Die Frage danach, ob man Gott zu Hilfe komme, wird von Marshall generalisiert und zur Richtschnur erhoben, an der er das politische Verhalten allgemein kategorisiert. Als nachahmenswertes Vorbild dient Marshall die Gestalt Jaël, die sich nicht scheute, mit einer heimtückischen Tötung des kanaanitischen Feldhauptmanns Sisera der Sache Gottes zu dienen (Ri 4,19–22). Gottes Bannfluch gegen die hoffärtige Stadt Moab dient Marshall dabei als allgemeine Losung: „Verflucht sei, wer des Herrn Werk lässig tut; verflucht sei, wer sein Schwert aufhält, daß es nicht Blut vergießt“ (Jer 48,10). Es sei nicht möglich, sich zu den Streitfällen in der Kirche neutral zu verhalten:316 Gerade wenn es gilt, gegen Babylon die Oberhand zu behalten, sei nicht nur erlaubt, sondern sogar notwendig, was sonst barbarisch genannt werden müsse.317 Marshall faßt diese Haltung mit den Worten zusammen: „Salus ecclesiae suprema lex“.318 Mit dieser Adaption von Ciceros Diktum „Salus populi suprema lex esto“ relativiert Marshall explizit alle Schranken bestehender Gesetze und Traditionen, sofern sie dem erklärten Ziel, die Reformation der Kirche zu vollenden und den Kampf gegen die katholischen Aufständischen in Irland aufzunehmen, im Wege stünden.319 Seine Botschaft, das Heil der Kirche sei das höchste Gesetz, gepaart mit der heilsgeschichtlichen Notwendigkeit, England aus den Klauen der Hure Babylon zu erretten und vor Gottes Dammstrahl zu bewahren, richtete sich an die Mitglieder des Parlaments und legte ihnen die Verpflichtung auf, Gott zu Hilfe zu kommen. Die biblischen Beispiele lieferten ferner reiches Anschauungsmaterial, wie mit all denjenigen zu verfahren sei, die sich diesem Ziel widersetzten. Gegen wen mochte sich die Warnung an das Parlament, das Schwert aufzuhalten, gerichtet haben? Sie war wohl insbesondere eine Drohung für unentschiedene Abgeordnete, die zögerten, den entscheidenden Schritt zu unternehmen: mit dem Aufbau einer nur dem Parlament unterstellten Armee in den Krieg zu ziehen, gegen die aufständischen Iren, falls nötig aber auch gegen die Truppen des Königs und seiner Anhänger. Die Beratungen über diese Miliz waren im vollen Gange, seit am 31. Januar das Unterhaus mit der „Militia Bill“ einen ersten Vorschlag unterbreitet hatte, der bereits in diese Richtung zielte.320 Nur knapp zwei 316 317 318 319

320

Marshall, Meroz Cursed, S. 22–24. Ebd., S. 11 f., unter Bezug auf Psalm 137, 8–9: „Yet if this worke be to revenge Gods Church against Babylon, he is a blessed man that takes and dashes the little ones against the stones“. Ebd., S. 18. Ebd., S. 46: „many great things are yet to bee done; much rubbish to be removed; many obstructions to bee cleared, many enimies to be overthrown. Ireland is to be relieved, Religion to bee established […].“ Die Militia Bill findet sich im Commons’ Journal, Bd. 2, S. 406. Die endgültige Ablehnung des Königs erfolgte am 28. Februar 1642; Commons’ Journal, Bd. 2, S. 459 f. Zur Debatte ausführlich auch Clarendon, Rebellion, Bd. 4, S. 95–99.

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Wochen nach Marshalls Predigt, am 5. März, vollzog das Parlament diesen entscheidenden Schritt, der einen Bürgerkrieg zwischen dem königlichen Lager und den Mitstreitern des Parlaments unausweichlich machte. In den Predigten vor dem Unterhaus war dieser Bürgerkrieg – als Auseinandersetzung zwischen Jerusalem und Babylon – bereits lange zuvor Wirklichkeit geworden, wie bereits Wilson treffend kommentierte: „As far as the Pulpit in St. Margaret’s was concerned, civil war had already begun.“321 Die hier präferierte Deutung sieht in den Fastenpredigten politische Sprechakte, mit denen die Abgeordneten in ihrer Entscheidungsfindung beeinflußt werden sollten. Glenn Burgess interpretiert die Fastenpredigten hingegen als rein spirituelle Appelle, als Mahnreden gegen Laster und Sündhaftigkeit. Auch und gerade Stephen Marshalls Predigt Meroz Cursed versucht er so die Spitze zu nehmen. Marshall bediene sich zwar blutrünstiger Rhetorik und propagiere einen „Heiligen Krieg“. Damit sei jedoch nicht der Kampf zwischen König und Parlament gemeint, sondern die Auseinandersetzung zwischen Gut und Böse, die jeder Gläubige führen müsse.322 Es gab ohne Zweifel in England eine Tradition spiritueller Ermahnungsliteratur, auf die Burgess’ Deutung zutrifft, und in der die Autoren dem Kampf mit dem Teufel mit christlicher Seelenstärke und Glaubensgewißheit das Wort reden, nicht aber mit Waffengewalt und Blutergießen.323 Die Fastenpredigten können jedoch nur teilweise in diese Tradition eingeordnet werden. Um zu dieser Deutung zu gelangen, blendet Burgess alle Hinweise auf den historischen Kontext der Predigten konsequent aus: den Adressatenkreis, die Auswahl der Prediger durch einflußeiche Abgeordnete, den Zeitpunkt der Predigt – im Falle von Meroz Cursed unmittelbar vor der entscheidenden Abstimmung über die Militia Bill und damit voraussichtlich über Krieg und Frieden. Berücksichtigt man all diese Faktoren, lassen sich die hier näher behandelten Fastenpredigten nur als politische Sprechakte verstehen, auch wenn sie der Gattung der Predigt angehören und ihre politische Botschaft in der Sprache des Biblizismus vorgebracht wurde.324 321 322

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324

Wilson, Pulpit, S. 64. Burgess, English Civil War, S. 190–192. Glenn Burgess hat ferner kürzlich anhand einer mustergültigen Interpretation von William Perkins, A Discourse of Conscience, London 1596 – dem Prototyp des „moral Puritan“ – nachgewiesen, daß auch dieser Typus keineswegs unpolitisch war und dessen Prämissen die Gehorsamspflicht gegenüber dem weltlichen König an Bedingungen knüpften; vgl. Burgess, British Political Thought, S. 124–127. Vgl. nur zwei typische Beispiele hierfür: John Downame, The Christian Warfare, London 1604; William Gouge, The Whole Armour of God, or the Spirituall Furniture, which God hath Provided every Christian Soldier, London 1616. Michael McGiffert sieht gleichfalls sowohl einen spirituell-moralischen als auch einen politischen Diskurs in den Predigten der „Puritaner“ enthalten. Allerdings schließt er aufgrund der Existenz dieser beiden Diskurse auf zwei unterschiedliche Typen von „Puritanern“, dem „moral“ und dem „political Puritan“; Michael McGiffert, God’s Controversy with Jacobean England, in: AHR 88 (1983), S. 1151–1174, hier S. 1159. Es scheint mir aber sinnvoller zu sein, zwischen zwei verschiedenen Arten der Äußerung zu unterscheiden, die durchaus auch von denselben Personen in unterschiedlichen Kontexten vorgebracht werden konnten.

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Die Fastenpredigten leisteten einen wichtigen Beitrag, um die Parlamentarier auf das politische Ziel der Mosaischen Unterscheidung einzuschwören und die Königsherrschaft Gottes gegen die Herrschaftsgewalt des Königs zu verteidigen. Andere Medien wie Flugschriften, Balladen und kleinere Traktate brachten diese Unterscheidung den für das Parlament kämpfenden Soldaten nahe. Wiliam Starbuckes 1644 erschienener Spiritual Song of Comfort zur Ermutigung der Soldaten, die „in the Cause of Christ“ in den Krieg zögen, wie der Titel ausweist, ist hierfür nur ein Beispiel unter vielen:325 Behold how Babell it doth stagger, Meethinkes it doth begin to fall. The white Horse rider, and his Army, Will dash their bones against the wall.

Im selben Jahr gab es für die Soldaten der Parlamentsarmee auch einen eigenen Katechismus als spirituelle Beigabe zum Marschgepäck.326 Auf die Frage, ob es rechtmäßig sein könne, gegen den eigenen König die Waffen zu erheben, lautete eine der rechtfertigenden Antworten: „Wee take up Armes against the enemies of Jesus Christ, who in His Majesties name make warre against the Church and People of God“.327 Die biblischen Beispiele des Katechismus, anhand derer den Soldaten Verhaltensempfehlungen für den Kampf mitgegeben wurden, waren allesamt in zahlreichen Fastenpredigten bereits erprobt worden: Das Volk Israel, das Jonathan vor dem rasenden König Saul in Schutz nahm, wird den Soldaten als Vorbild angepriesen.328 Das Schicksal der Stadt Meroz sowie die Prophezeiung gegen Laodizea in der Offenbarung verdeutlichten den Soldaten die Gefahr, sich aus dem Kampf heraushalten zu wollen.329 Zu den politischen Zielen des Kampfes äußert sich der Katechismus in einer Aufzählung von acht Punkten. Die ersten vier Ziele lauteten wie folgt: Erstens gehe es um die Zerstörung von Babylon, zweitens um die Verdrängung der „Antichristian Prelacy“, also der Bischofskirche, drittens um die Reformation des korrupten Klerus allgemein und viertens um die Beförderung des Königreichs Christi.330 Dementsprechend sei die Armee des Königs nicht einfach ein politischer Gegner auf dem Schlachtfeld, sondern ein Feind Gottes, der zu vernichten sei: „We are not now to look at our enemies as Country-men, or Kinsmen, or fellow325

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Wiliam Starbucke, A Spiritual Song of Comfort, or, An Incouragement to the Soldiers that now are Gone Forth in the Cause of Christ, London 1644 (Strophe 16); vgl. hierzu mit zahlreichen weiteren Beispielen Paul Denzer, Ideologie und literarische Strategie. Die politische Flugblattlyrik der englischen Bürgerkriegszeit 1639–1661 (Mannheimer Beiträge zur Sprachund Literaturwissenschaft, Bd. 21), Tübingen 1991, S. 50–87. Robert Ram, The Souldiers Catechisme, Composed for the Parliaments Army, [London] 1644. Ebd., S. 3. Ebd., S. 4. Ebd., S. 7. Ebd., S. 9.

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Protestants, but as enemies of God and our Religion, and siders with Antichrist; and so our eye is not to pitie them, not our sword to spare them“.331 Dabei wird den Soldaten Jeremias’ Weissagung gegen Moab (Jer 48,10) vor Augen geführt, eine Stadt, deren vollständige Vernichtung Gott befahl und all diejenigen mit einem Fluch belegte, die im Kampf für Gottes Sache mangelnden Eifer und Einsatzwillen an den Tag legten.332 Das auf der Kanzel von St. Margeret vor den Parlamentariern wiederholt einstudierte Narrativ der Mosaischen Unterscheidung lieferte auch den kämpfenden Soldaten die Legitimation für ihr Handeln.333 Die Wiederherstellung der Königsherschaft Gottes war dabei eines der erklärten Ziele, für das die Soldaten ihre Waffen einsetzen sollten. c) Gegenprobe: Die Henry Parker Kontroverse – Der Anfang vom Ende der Monarchie? Der Biblizismus all derjenigen, die seit der Causa Bastwick, Burton und Prynne auf umfassende Reformen in der Kirche aus waren, ging mit einer politischen Theologie einher, in der die Königsherrschaft Gottes zunehmend zum argumentativen Vehikel wurde, um die Herrschaft Karls I. zu kritisieren und wenn auch nicht prinzipiell, so doch in ihrer aktuellen Erscheinungsform in Frage zu stellen. Doch bot nicht allein der Biblizismus ein Argumentationsreservoir, um den König einer „höheren Gewalt“ zu unterwerfen. Folgt man Quentin Skinner, so zählten nicht religiöse Spannungen zu den wichtigsten ideologischen Ursachen des Bürgerkrieges, auslösendes Moment war vielmehr die politische Rezeption antiker Staatsphilosophie sowie der darin enthaltene Republikanismus.334 Skinner führt als wichtigsten Kronzeugen für seine These Henry Parker an, insbesondere dessen Schrift Observations upon some of his Majesties late Answers and Expresses. Diese Schrift ist gleich aus mehreren Gründen bemerkenswert und von hoher politischer Relevanz. Dies liegt sicher im Kontext ihrer Entstehung begründet. Die Schrift erschien im Sommer 1642. Skinner hebt zu Recht hervor, 331 332

333

334

Ebd., S. 14 f. Jer 48, 10: „Verflucht sei, wer des HERRN Werk lässig tut; verflucht sei, wer sein Schwert aufhält, daß es nicht Blut vergießt!“ Stephen Marshall griff zwei Jahre zuvor ebenfalls auf diese Stelle zurück, um das Parlament auf Kriegskurs zu bringen. Im Jahr 1644 besuchte der Royalist und Geistliche Edward Symmons gefangene Soldaten der Parlamentsarmee, um sie nach ihren Motiven zu fragen, weshalb sie gegen ihren König zu den Waffen gegriffen hätten. Die Soldaten antworteten mit Versatzstücken, wie sie in den Fastenpredigten allesamt zum Einsatz gekommen waren: Ihr Kampf galt dem Antichristen und der Hure Babylon, der Verteidigung des Protestantismus in England gegen papistische Bischöfe, sie bezogen sich außerdem explizit auch auf Marshalls Predigt Meroz Cursed; Edward Symmons, Scripture Vindicated, from the Misapprehensions, Misinterpretations and Misapplications of Mr Stephen Marshall, Oxford 1644, Preface; auch erwähnt in Burgess, English Civil War, S. 173 f. Quentin Skinner, Classical Liberty and the Coming of the English Civil War, in: Ders./ Martin van Gelderen (Hrsg.): Republicanism. A Shared European Heritage, 2 Bde., Cambridge 2002, Bd. 2, S. 9–28, hier S. 14.

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daß zu diesem Zeitpunkt alle strittigen Bereiche der königlichen Prärogativrechte sowie der bischöflichen Herrschaftsgewalt längst der Vergangenheit angehörten: das ship money wurde für illegal erklärt, die Star Chamber ebenso wie die High Commission aufgelöst, führende Minister des Königs waren bereits hingerichtet wie Thomas Wentworth oder warteten auf ihren Prozeß wie William Laud.335 Damit war der Machtanspruch des Parlaments indes keineswegs gestillt. Zunehmend erstreckte sich dessen Entscheidungswillen auch auf die Kernbereiche der königlichen Exekutive: die Auswahl der Minister des Königs sowie die Verfügungsgewalt über die Miliz, mit der der Aufstand der irischen Katholiken niedergeschlagen werden sollte. Welche Gründe das Parlament zu Beginn des Jahres 1642 auch immer zu diesem Schritt veranlaßt haben mögen336 – mit dem Aufbau einer eigenen, nur den Befehlen des Parlaments unterworfenen Miliz zu Beginn des Jahres 1642 und der Mißachtung des königlichen Vetos hatte das englische Parlament den Rubikon überschritten. Die Legitimation der vom Parlament ergriffenen Maßnahmen wurde nicht einfacher dadurch, daß König Karl I. in seiner Answer to the XIX Propositions, einer Zurückweisung der Forderungen des Parlaments, zugleich ein Bild von der englischen Monarchie zeichnete, das sich mit dem bisher vom Parlament verfochtenen Staatsverständnis weitgehend deckte.337 Der Autor deutete die Verfassung Englands als mixed constitution, in der Gesetze nur durch das Zusammenwirken des Königs, des Oberhauses und des Unterhauses zustandekämen. Jeder der drei benannten Herrschaftsträger habe „free Votes and particular Privileges“. Die Forderung nach dem Aufbau einer nur dem Parlament unterstellten Miliz und die Verneinung des königlichen Vetorechts brächte diese Mischverfassung jedoch zum Einsturz und unterwerfe zwei der Herrschaftsträger dem Diktat des Dritten: dem Unterhaus.338 Das königliche Vetorecht und seine alleinige Exekutivgewalt dürften nicht bestritten werden, so die Antwort des Königs, wolle man nicht die Königsherrschaft insgesamt zum Einsturz bringen.339 Auf diese Antwort des Königs auf die Forderungen des Parlaments folgte erst einmal ein längeres Schweigen. Statt einer offiziellen weiteren Erklärung des Parlaments erschien anonym eine Antwort auf die Stellungnahme des Königs, die 335 336

337

338 339

Ebd., S. 17 f. Die fortwährende Beschneidung der königlichen Prärogativrechte dürfte sich wohl wesentlich defensiven Motiven der Parlamentsmitglieder verdanken, dem Mißtrauen des Parlaments gegen den König und seine Handhabung ihm zugebilligter Machtmittel und dem daraus resultierenden „Sicherheitsradikalismus“, wie es Hans-Christoph Schröder treffend beschrieben hat; Schröder, Revolutionen, S. 51–57. XIX. Propositions Made by both Houses of Parliament, to the Kings Most Excellent Majestie, with his Majesties Answer thereunto, in: Joyce Lee Malcolm (Hrsg.), The Struggle for Sovereignity. Seventeenth-Century English Political Tracts, 2 Bde., Indianapolis 1999, Bd. 1, S. 145–178. Vgl. als beste bislang vorliegende Deutung Michael Mendle, Dangerous Positions. Mixed Government, The Estates of the Realm, and the Making of the Answer to the XIX. Propositions, Alabama 1985. XIX. Propositions, S. 164. XIX. Propositions, S. 155.

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Observations upon some of his Majesties late Answers and Expresses, geschrieben von Henry Parker. Es kann wenig Zweifel daran geben, daß Parker mit diesem Text als gleichsam inoffizielles Sprachrohr des Parlaments fungierte.340 Parker war es aufgegeben, für die seit Beginn des Jahres 1642 aufgestellten Forderungen des Parlaments, die mit dem klassischen Inventar der im common law festgeschriebenen Rechte und Freiheiten des Parlaments eben nicht mehr zu rechtfertigen waren, Legitimationsformeln zu entwickeln. Parker ist nicht ohne Grund der wichtigste Kronzeuge für Quentin Skinner und seine These, daß das Erbe der antiken Staatsphilosophie und der darin enthaltene Republikanismus zu den wichtigsten ideologischen Ursachen des englischen Bürgerkrieges zu rechnen sind. Seine Argumentation wird daher ausführlich darzulegen sein, bevor Skinners These einer erneuten Betrachtung unterzogen wird. Das leitende Prinzip von Parkers Argumentation ist Ciceros Diktum „salus populi suprema lex esto“. Dies sei das Grundprinzip aller Gesetzgebung, das im Zweifel als wichtiger anzusehen sei als die Einhaltung formaler Regeln. Mit dieser Präferenz wendet sich Parker dem konkreten Konfliktfall zu: der Mißachtung des königlichen Vetos durch das Parlament. Parker konzidiert, daß im Normalfall Gesetze vom König und dem Parlament einvernehmlich verabschiedet werden müßten. Im Ausnahmefall extremer Gefährdung des Gemeinwesens läge es Parker zufolge jedoch in der Hand des Parlaments, das das Volk verkörpere, im Falle der Notwehr die Selbstverteidigung des englischen Volkes in die Hand zu nehmen. Sollte der König mit seinem Veto dem Volk dieses Recht auf Selbstverteidigung bestreiten, so würdige er damit ein freies Volk zu einer Sklavenherde herab und mache es allein abhängig von seinem Willen.341 Es darf vermutet werden, daß Parker mit der Aufgabe, die Antwort des Königs auf die XIX Propositions zu verfassen, betraut worden war, da er sich aufgrund seiner bisherigen Traktate bereits als energischer Fürsprecher der Souveränität des Volkes und der daraus resultierenden Suprematie des Parlaments einen Namen gemacht hatte.342 Aus diesen Traktaten wird gleichfalls sichtbar, aus welchen Quellen er seine Argumentation vornehmlich speiste, und welche Argumentationsreservoirs er in der politischen Debatte für illegitim erklärte. Parker bediente sich vorwiegend der Sprache des civic humanism zur Autorisierung seiner Positionen. Politische Argumente, die vorwiegend auf das common law oder auf biblische Schriften gründeten, hielt er hingegen für wenig überzeugend. Weder Präzedenzfälle noch Exempla der Bibel dürften das Parlament in seiner Entscheidungsfreiheit einschränken, sollte es in außerordentlichen Anlässen dazu gezwungen 340 341

342

Vgl. hierzu Michael Mendle, Henry Parker and the English Civil War. The Political Thought of the Public’s „Privado“, Cambridge 1995, v. a. S. 1–31. [Henry Parker], Observations upon some of his Maiesties Late Answers and Expresses, [London 1642], S. 37 f., 41, 46 f., 56; vgl. hierzu Skinner, Classical Liberty, S. 18–23; ferner Friedeburg, Widerstandsrecht, S. 124–126. Die Zuordnung der Autorschaft ist bei den allesamt anonym veröffentlichten Traktaten nicht immer eindeutig möglich. Laut George Thomason war er der Autor von: The Case of Shipmoney, London 1640, sowie von: A Discourse Concerning Puritans, London 1641.

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sein, sich gegen sie zu entscheiden.343 Parkers juristische Sozialisation im Lincoln´s Inn, der ältesten der vier traditionellen Londoner Anwaltskammern, hatte ihn nicht zu einem Vorkämpfer für das common law werden lassen. Ebenso führte sein kirchenpolitisches Engagement in mehreren seiner frühen Steitschriften nicht dazu, daß er sich auf die in diesen Debatten vorherrschende Sprache des Biblizismus einließ oder sie sich gar zu eigen machte344 – als biblizistischen Autor wird man ihn nicht bezeichnen können. Vielmehr enthält bereits seine Schrift über die Bedeutung des Begriffs Puritan seine letztlich ablehnende Haltung zum politischen Biblizismus. Parker setzt die politische Sprache des Biblizismus offenkundig gleich mit der Konzeption einer Königsherrschaft jure divino. Diese Art politische Theologie sei von Hofkaplänen konzipiert worden, so Parker, um damit die Bedeutung der Gesetze des Landes zu mindern und sich selbst an Stelle der Juristen zu Herren über Recht und Unrecht aufzuschwingen.345 Dabei hätten sie das Alte Testament und das Königtum im alten Israel auf irrige Weise ausgelegt, um das Ohr des Königs zu gewinnen und ihr Ziel zu erreichen. Parker versucht nicht, eine eigene Deutung des Königtums im Alten Testament zu entwickeln. Sein prinzipielles Gegenargument gegen die Lehre vom Königtum jure divino war vielmehr die prinzipielle Infragestellung der biblischen Argumentationsgrundlage. Parker zufolge ließen sich der Schrift keine allgemeinen Regeln zur Königsherrschaft entnehmen, sondern nur eine große Anzahl von Beispielen. Diese Beispiele könnten aber über viele grundsätzliche Fragen nach der Ausgestaltung der Monarchie keine klare Auskunft erteilen: ob Könige ihre Herrschaft durch Erbrecht oder qua Wahl antreten, ob die Primogenitur zu gelten habe und auch Frauen in die Erbfolge mit einzubeziehen seien oder nicht – all diese Fragen blieben ungeklärt. Trotz dieser prinzipiellen Abwehrhaltung gegen biblisch fundierte politische Argumente kommt Parker nicht darum herum, sich seinerseits zu zwei prominenten biblischen Stellen zu äußern, die zum festen Repertoir aller Beiträge zählen, in denen die Königsherrschaft thematisiert werde: das sogenannte „Königsrecht (1 Sam 8) und Paulus’ Gehorsamsgebot gegenüber der weltlichen Obrigkeit (Röm 13). Beide Stellen werden von Parker nicht eigens genannt, sondern nur verklausuliert angesprochen. Gleichwohl macht er sich in beiden Fällen jeweils die Auslegung zu eigen, die der Interpretation dieser Stellen im Sinne des Königtums jure divino widerspricht. Im Falle der Bitte des jüdischen Volkes an Samuel, einen König über sie einzusetzen, betont Parker, daß das den Israeliten vorschwebende Vorbild die Herrschergestalten der sie umgebenden Völker gewesen seien, also Tyrannen. Der Wunsch des Volkes habe denn auch Gottes Mißfallen erregt. Röm 13 wiederum sei keine Aufforderung zum Gehorsam allein gegenüber dem König, sondern vielmehr auf alle Obrigkeiten gleichermaßen anzuwenden, d. h. 343 344 345

[Parker], Discourse, S. 52. [Henry Parker], The Altar Dispute, or A Discourse Concerning the Severall Innovations of the Altar, London 1642; Ders., Discourse. [Parker], Discourse, S. 50.

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auch das Parlament könne sich in gleicher Weise darauf berufen.346 Außerdem verpflichte der Paulusbrief an die Römer die Obrigkeit darauf, im Sinne des allgemeinen Wohls zu regieren. Daraus könne die Königsseite nur ableiten, daß sie hinreichend Handlungsfreiheit haben müsse, um dieses Ziel zu erreichen. Wie groß dieser Handlungsspielraum aber im einzelnen jeweils sein müsse, lasse sich nicht dem Naturrecht entnehmen, sondern nur den Gesetzen des Landes.347 Parker greift diese Argumentation in seinen Observations erneut auf, wiederum stehen sowohl Röm 13 als auch 1 Sam 8 im Fokus.348 Parkers rhetorische Strategie im Umgang mit dem Biblizismus der Befürworter der Königsherrschaft war zweigleisig angelegt. Zum einen suchte er den Rückgriff auf biblische Exempla im politischen Diskurs generell zu delegitimieren. Zum anderen aber führte er im einzelnen den Nachweis, daß die Auslegung einzelner biblischer Exempla bei den Apologeten des jure divino Königtums auf irrige Weise erfolgt sei. Es ist bezeichnend, daß Parker sich nicht mit der prinzipiellen Infragestellung des Biblizismus begnügt. Es genügte offenkundig nicht, die biblische Argumentationsbasis allein mit prinzipiellen Erwägungen zu verwerfen. Vielmehr hat es den Anschein, als ob die Exempla einzeln entschärft werden mußten, um mit der eigenen Argumentation überzeugend zu wirken. Die Ablehnung des Biblizismus ging bei Parker Hand in Hand mit der Substitution Gottes durch das Volk als wesentliche politische Legitimationsinstanz. In den Observations spricht er nun der Samuelstelle 1 Sam 8 für England auch deswegen jede Aussagekraft ab, da die Könige nicht mehr wie im alten Israel direkt von Gott eingesetzt seien, sondern vom Volk. Die Parallelstelle im Alten Testament zum Königsrecht in Israel (Dtn 17), in der Könige auf den strikten Gehorsam gegenüber Gottes Gesetzen verpflichtet werden, deutet Parker dagegen offensichtlich als dauerhaft gültig, führt er sie doch seinerseits als Referenz an.349 Gleichwohl lag Parker das Ideal theokratischer Herrschaft denkbar fern. Dies wird selten so deutlich wie in einer ironisch anmutenden Adaption biblischer Formeln zur Legitimation des jure divino Königtums. Könige, so Parker, wären gut beraten, ihr eigenes Wohlergehen an das der Allgemeinheit zu koppeln, „by which they are Kings, to which they are gods, from which their very Diadems receive honour and sanctity, to which their very Royall Order imparts life, and breath, and necessary substance“.350 Parker greift klassische Stellen biblizistischer Königslegitimation auf, um sie auf das Volk als entscheidender Legitimationsinstanz neu auszurichten. So wird ein locus classicus der Königslegitimation, „By me kings reign“ (Spr 8, 15), trans346

347 348 349 350

Besonders prägnant formuliert in Parkers Antwort auf eine der zahllosen Gegenschriften; [Henry Parker], The Observator Defended in a Modest Reply to the Late Animadversions upon those Notes the Observator, [London 1642], S. 7: „St. Paul in the 13. of the Romanes, tells us not what power is the highest, but that that power which is the highest ought to be obeyed.“ [Parker], Discourse, S. 51 f. [Parker], Observations, S. 1. Ebd., S. 19. [Parker], Discourse, S. 53.

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formiert in „by which they are Kings“; war im ersten Fall Gott die Quelle aller Königsherrschaft, so ist es im zweiten Fall das Volk. Auch der von Apologeten des jure divino Königtums gerne unvollkommen zitierte Satz des 82 Psalms („Ihr seid Götter“) verändert seine Bedeutung vollständig dadurch, daß Parker das Relativpronomen „to which“ in den Satz einfügt. Dieses von Parker betriebene Sprachspiel entblößt die Königsgewalt ihrer göttlichen Legitimation. Gleichwohl bleibt der König als politische Größe erhalten, wenn auch abgeleitet von der Souveränität des Volkes, repräsentiert durch das Parlament. Als politische Potenz vollständig eleminiert hat Parker dagegen Gott – eine eigentümliche Ironie seiner Lehre von der Souveränität des Parlaments. Parker war zweifelsohne ein wichtiger Fürsprecher des englischen Parlaments in den Auseinandersetzungen, die geradewegs in den Bürgerkrieg führten. Gleichwohl bleibt Skinners Diagnose, der Bürgerkrieg habe sich vornehmlich aus antikrepublikanischen Quellen gespeist, fragwürdig. Parkers Säkularismus war zu diesem Zeitpunkt alles andere als repräsentativ, was Skinner zumindest implizit nahelegt, wenn er ihn für seine Argumentation zum Hauptzeugen ernennt. Skinner blendet nicht nur den britischen Kontext des Bürgerkrieges völlig aus und ignoriert dabei, daß der auslösende Moment für die Krise der Königsgewalt nicht erst in den Parlamentsbeschlüssen von 1642 zu finden ist, sondern bereits in den schottischen Ereignissen des Jahres 1637, als die Schotten sich mit ihrem National Covenant gegen die Religionspolitik des Königs wandten und militärisch nicht bezwungen werden konnten. Die schottischen Beweggründe und ihre Argumentationsstrategie stimmten mit derjenigen Parkers jedoch nur sehr bedingt überein. Dies gilt ebenso auch für die zahlreichen Fastenpredigten vor dem Parlament, die bereits zur Sprache gekommen sind. Parker war in der Auseinandersetzung um die XIX Propositions ein Sprachrohr des Parlaments, die Prediger in St. Margaret konnten diese Rolle jedoch gleichfalls für sich beanspruchen. Dem Parlament standen offensichtlich gleich mehrere politische Sprachen zur Verfügung, in denen auf jeweils spezifische Weise Forderungen des Parlaments zum Ausdruck gebracht werden konnten. Es ist daher anzunehmen, daß sich John Pym und seine Mitstreiter bewußt dafür entschieden, in der Auseinandersetzung um das königliche Vetorecht Parkers auf der salus populi basierende Argumentation zu nutzen, nicht aber biblizistische Argumente. Worin lag also der Vorteil der politischen Sprache des civic humanism? Beide Sprachen deuten die Welt auf manichäische Art und Weise und treffen zur Beschreibung und Beurteilung des Geschehens jeweils spezifische binäre Unterscheidungen. Im Falle des Biblizismus ist die dominante Unterscheidung diejenige zwischen Gottesgehorsam und Götzendienst. Im Falle des civic humanism geht es um die Unterscheidung von Freien und Sklaven. Zwar zeigt beispielsweise Samuel Rutherfords Traktat Lex, Rex, daß der Biblizismus durchaus auch in konstitutionellen Fragen Argumente bereitstellen kann. Die größtmögliche Überzeugungskraft erlangte der Biblizismus aber vor allem, wenn mit ihm die Mosaische Unterscheidung aktualisiert werden konnte. In der Auseinandersetzung um das königliche Vetorecht war das nicht der Fall, im Gegensatz zu

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zahlreichen anderen Debatten, in denen die Mosaische Unterscheidung im Long Parliament zur Anwendung kam. Parker deutet das königliche Vetorecht als ein Mittel, mit dem der König auf willkürliche Art und Weise den sich im Parlament manifestierenden Willen des ganzen Volkes mißachte, damit das Parlament dem Willen des Königs unterwerfe und das freie Volk so zu Sklaven herabwürdige. Mit dieser Interpretation wendet er die binäre Unterscheidung zwischen Freien und Sklaven auf die Streitfrage um das königliche Vetorecht an und erreicht damit größtmögliche Rückendeckung für die Gegner des Vetorechts. Auf dem Spiel steht Parker zufolge nicht eine Frage des Verfassungsrechts bzw. eine politische Entscheidung über die Einberufung einer Miliz durch das Parlament. Vielmehr geht es um den Fortbestand des englischen Volkes als freier Nation generell. Henry Parker und mit ihm die Fürsprecher des Aufbaus einer Parlamentsarmee griffen zum äußersten Argument, um ihre politischen Maßnahmen gerechtfertigt erscheinen zu lassen. Parkers Traktat ließ bei den Zeitgenossen keinen Zweifel darüber aufkommen, daß mit seiner Konzeption einer allein der salus populi unterworfenen Königsherrschaft die Systemfrage im Raum stand und eine Art absolutistisch regierendes Parlament an die Stelle des Königs treten sollte.351 Das publizistische Echo war dementsprechend gewaltig. Dabei verschob sich der Fokus der Debatte schnell weg vom konkreten Streitfall um das königliche Vetorecht hin zur Diskussion um die prinzipielle Legitimation der Monarchie. Parkers Traktat veranlaßte gleich mehrere Verteidiger des Königs zu Gegenschriften, die seit dem Herbst 1642 in der Öffentlichkeit kursierten. Dabei dienten insbesondere die beiden politischen Sprachen, denen Parker ausdrücklich ihre Autorität in der politischen Auseinandersetzung absprach, als bevorzugtes Argumentationsreservoir: das common law und der Biblizismus. Die Traktate aus der Feder der Verteidiger Karls I. lassen sich zwei unterschiedlichen Gruppen zuordnen. Zum einen handelte es sich um ad locum Kontroversschriften, in denen Parkers Argumentation Punkt für Punkt widersprochen wurde; in diesen Schriften war biblizistische Rhetorik nicht enthalten.352 Die dem Parlament zugeschriebene Souveränität wird von den Autoren vielmehr dadurch zurückgewiesen, daß sie unter Rückgriff auf die englische Rechtstradition die bestimmende Rolle des Königs im Parlament unterstrichen. Das englische common law diente als Rettungsanker der Monarchie. Zum anderen aber einte mehrere Autoren das Bemühen, Parker und seinem Traktat gerade aus der Tatsache, daß er die biblizistische Rhetorik im politischen Diskurs ablehnte, einen Strick zu drehen, ähnlich wie einige Verteidiger der Krongewalt in Schottland dies gegen Alexander Henderson versuchten. In deren Schriften stand weniger die englische Rechtstradition im Mittelpunkt als vielmehr das Gesetz Gottes, dem England gleichmaßen unterworfen sei wie das Volk Israel. 351 352

Mendle, Henry Parker, S. 48. Richard Burney, An Answer or Necessary Animadversions, upon some Late Impostumate Observations Invective against His Sacred Maiesty, London 1642; Animadversions upon those Notes which the Late Observator hath Published, London 1642.

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So entgegnet William Ball auf Parkers Diktum, die Herrrschaftsgewalt läge ursprünglich in der Hand des Volkes, mit dem Hinweis, daß alle Herrschaftsgewalt ursprünglich in Gott vereinigt sei.353 Aus den beiden bereits von Parker genutzten Stellen Römer 13 und 1 Sam 8 leitete Ball seine Gegenargumentation ab: Das Volk habe nur dann Verfügungsgewalt über Herrschaft, wenn es sich vollkommen frei für eine Staatsform entscheiden könne, wie dies bei den Juden der Richterzeit, vor der Wahl König Sauls, der Fall gewesen sei. Gäbe es aber eine Monarchie, so läge die Herrschaft in der Hand des Monarchen, der sie unmittelbar von Gott erhalten habe. Diese Herrschaftsgewalt dürfe dem König niemand streitig machen, auch nicht das Parlament.354 In dasselbe Horn stößt Henry Ferne, zu dieser Zeit Erzdiakon und einer der Hofkapläne Karls I. Seine Schrift The Resolving of Conscience hatte innerhalb des royalistischen Lagers eine paradigmatische Stellung und war ihrerseits Anlaß für zahlreiche Gegenschriften der Befürworter des Parlaments.355 Sein Traktat wurde in gleich drei Städten gedruckt, in Oxford lag im Frühjahr 1643 bereits eine zweite Auflage des Werkes vor. Dies läßt darauf schließen, daß der Text sich im königlichen Lager großer Zustimmung erfreute. Die Anhänger des Parlaments hatten dagegen weniger Freude an Fernes Publikation. Sowohl dessen Inhalt als auch seine große Verbreitung sorgten dafür, daß sie noch 1643 vom House of Commons als aufrührerisch verurteilt und die Ergreifung des Autors angeordnet wurde.356 Fernes Antwort auf die Observations wirkt zunächst wie eine Bestätigung von Parkers Diagnose, daß der Biblizismus vor allem ein Argumentationsmittel der Befürworter des Königtums jure divino gewesen sei.357 Was Ferne geschrieben und die Unterhausmitglieder erzürnt hatte, war dabei alles andere als neu. In seiner Absicht, dem Parlament jegliches Recht auf Widerstand gegen den König abzusprechen, gab er vielmehr Grundpositionen und Argumente des divine right of kings wieder, die im politischen Denken Englands seit langem etabliert – wenn auch nicht notwendigerweise akzeptiert – waren und insbesondere von den Hofkaplänen in zahlreichen Predigten immer wieder neu variiert wurden.358 Außer353 354 355

356

357 358

William Ball, A Caveat for Subjects, Moderating the Observator, London 1642, S. 2. Ebd., S. 3 f., 5, 10 f., 14. Henry Ferne, The Resolving of Conscience upon this Question, wether upon such a Supposition or Case, as is now Usually Made (The King will not Discharge his Trust, but is Bent or Seduced to Subvert Religion, Laws, and Liberties) Subjects Must Take Arms and Resist, Cambridge 1642. Brian Quintrell, Art. Henry Ferne (1602–1662), in: ODNB 19 (2004), S. 401–404. Das Vorgehen des Parlaments gegen Ferne bleibt unverständlich, wenn man Burgess Interpretation folgt; Burgess, Absolute Monarchy, S. 177–179 und S. 22 f. Burgess sieht Parkers Argumentation tief in der Tradition des common law verwurzelt, Ferne wiederum sei keinesfalls ein Anwalt unumschränkter königlicher Gewalt, sondern sehe die Königsherrschaft als durch das Gesetz beschränkt an. Worüber der Konflikt dann aber letztlich eskalierte, bleibt bei Burgess vollständig offen. Ferne erwähnt Parkers Traktat nur einmal direkt als Beispiel für Traktate, die das Widerstandsrecht des Volkes gegen den König verteidigten; Ferne, Resolving of Conscience, S. 15. Es finden sich auch zahlreiche Beispiele solcher Predigten aus den einzelnen Grafschaften; vgl. hierzu Cressy, England on Edge, S. 409 f.

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dem stimmten Fernes Aussagen vollständig überein mit dem ersten Paragraphen der Canons von 1640 zur Beschreibung der Königsherrschaft, d. h. der offiziellen Doktrin von Amtskirche und König.359 Neu an seinem Traktat war allenfalls die privilegierte Sprecherrolle, die sich Ferne selbst zubilligte. Er stellt die Frage, ob das Parlament gegen den Willen des Königs eine Miliz aufbauen und sich damit zur Not auch gegen die Truppen des Königs zur Wehr setzen dürfe, nicht vordringlich als ein politisches oder juristisches Problem, sondern als eine Angelegenheit für das Seelenheil dar. Als einzigen für das Seelenheil verbindlichen Maßstab benennt Ferne die Schrift sowie die Vernunft. Dies gibt ihm die Möglichkeit, den Theologen in dieser Debatte einen besonderen Stellenwert einzuräumen.360 Gemäß der angestrebten Transformierung des politischen Konflikts in den Bereich der Theologie und der Seelsorge warnt Ferne seine Leser eindringlich davor, sich eines Sakrilegs schuldig zu machen und sich gegen den König zu stellen. Ferne führt zur Untermauerung seiner Warnung vor einer Erhebung gegen den König mit Waffengewalt einzelne Bibelstellen an, die allesamt zum klassischen Inventar des Königsdiskurses und des divine right of kings zählten. Er beginnt mit einem Verweis auf Römer 13. Da alle Obrigkeit von Gott eingesetzt sei, müsse man ihr gehorchen: „Whoever resist shall receive to themselves damnation“ (Röm 13,2). Diese Maxime gelte ohne Ausnahme und betreffe daher auch den vom Parlament initiierten Widerstand gegen den König.361 Die von Ferne bemühte Parallelstelle 1 Petr 2, 13–14 dient ebenfalls dazu, die Unantastbarkeit des Königs herauszustreichen. Zugleich deutet Ferne die Worte „being Supreme“, mit denen Petrus den Kaiser beschreibt, als Hinweis darauf, daß der König allein die höchste Obrigkeit verkörpere, das Parlament aber allenfalls eine vom König abhängige Stellung einnimmt.362 Daß die in beiden Stellen enthaltenen Aussagen dauerhaft Gültigkeit beanspruchen können und nicht zeit- und kontextgebunden zu verstehen sind, betont Ferne gleich mehrfach.363 Es ist insgesamt augenfällig, in welch starkem Maße Ferne jeweils direkte Gegenpositionen zu Parkers Argumentation bezieht. Die Belegstellen, mit denen die Parlamentsseite Ferne zufolge ihren Widerstand legitimierte, sucht er dadurch zu entkräften, daß er sie entweder als nicht zur Sache gehörig abqualifiziert oder aber zu außerordentlichen Beispielen erklärt.364 Allerdings bleibt unklar, auf welche Äußerungen er sich genau bezieht. Parkers 359 360 361 362 363 364

Cardwell (Hrsg.), Synodalia, Bd. 1, S. 389–392. S. ferner u. Kap. V 2. Ferne, Resolving of Conscience, Epistle, Fol. A1v: „certainly it belongs to the Divine to consider wether it be against Gods Law, and accordingly to instruct his people“. Ebd., S. 5. Ebd., S. 10. Ebd., S. 5, 11 und 15. So sei die Erettung Jonathans aufgrund der Intervention des Volkes gegen Sauls Tötungsabsicht (1 Sam 14) nicht mit der politischen Lage in England vergleichbar, da das Volk dabei ja nicht zu den Waffen gegriffen hatte. Und Davids Heer, mit dem er sich gegen die Angriffe Sauls habe wappnen wollen, sei gleichfalls kein Akt des Widerstandes gegen Saul, so Ferne, erklärt das Beispiel aber sicherheitshalber zugleich zu den außerordentlichen Exempla; Ebd., S. 5–8.

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Traktat kann er an dieser Stelle nicht im Sinn gehabt haben, da Parker keinerlei biblische Exempla anführt. Auch in den Fastenpredigten lassen sich die genannten Beispiele nicht finden. Wohl aber waren die angeführten Beispiele von Alexander Henderson im Kontext mit dem schottischen Aufstand vorgebracht worden.365 Offensichtlich hatte Ferne den Vorwurf Parkers im Hinterkopf, daß biblische Exempla ein äußerst unsicheres und widersprüchliches Fundament für politische Argumente seien. Er erhob daher den Anspruch, daß sich seine eigene Argumentation nicht auf Bibelexempla allein gründe, sondern auf „Precept, Conclusions, Resolutions, which are more safe“.366 Gleichwohl greift Ferne in seinem Traktat wiederholt auf klassische Exempla zurück. Die Unrechtmäßigkeit jedweden Widerstands gegen die Obrigkeit belegt Ferne mit einem Hinweis auf die Rotte Corah (Num 16,3) und mit der Schilderung der Folgen einer Königsherrschaft des Propheten Samuel vor dem Volk Israel (1 Sam 8, 11–18). Mit Num 10 nutzt Ferne dann ein eher ungewöhnliches Beispiel, um darzulegen, daß das Parlament seine Rechte als Versammlung nur der Einberufung durch den König zu verdanken habe. Die zwei Trompeten, die Mose im Auftrag Gottes herstellen ließ und dann dazu nutzte, das Volk zusammenzurufen, legte bereits Lancelot Andrewes in einer Predigt im Jahre 1606 auf diese Weise aus; die Annahme liegt nahe, daß diese Predigt Ferne in seiner Schrift als Muster diente.367 Ein Gemeinplatz der Obrigkeitsdiskussion war hingegen die Verschonung des Königs Saul durch David, seinen designierten Nachfolger (1 Sam 26,9), der Saul trotz dessen fortgesetzter Versuche, ihm nach dem Leben zu trachten, unversehrt ließ mit den Worten: „Who can stretch out his hand against the Lords anointed and be guiltlesse?“368 Es steht für Ferne außer Frage, daß die Könige von Gott gesandt seien. Allerdings habe sich der Modus geändert, durch den die Könige von Gott jeweils bestimmt wurden. Ferne greift hier Parkers Argument auf, das Königsrecht im Alten Testament habe keine Aussagekraft mehr, da die Könige Israels von Gott bestimmt worden seien, die Könige Englands indes ihr Amt dem Volk verdankten. Zwar konzidiert Ferne, daß Mose, die Richter Israels, Saul, David und die weiteren Könige unmittelbar von Gott zur Herrschaft auserwählt worden seien, die englischen Herrscher jedoch nicht. Allerdings wirke Gott Ferne zufolge in neuerer Zeit mittelbar auf die Auswahl der Herrscher ein, indem seine Vorsehung das Verfahren der Herrschaftsnachfolge beeinflusse, sei es durch Wahl, Erbfolge oder Eroberung.369 Gott bleibt also bei Ferne die entscheidende Legitimationsinstanz des Königtums. Außerdem betont er, daß in England allein die Erbfolge über die Königsherrschaft entscheide. Dem Volk spricht Ferne Mitwirkungsrechte daher 365 366 367 368 369

S. o. Kap. II 1d. Ferne, Resolving of Conscience, S. 8. S. u. S. 274 f. Ferne, Resolving of Conscience, S. 9. Ebd., S. 17 f.

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ausdrücklich ab. Hierfür dient ihm neben seiner aus der Bibel gespeisten Interpretation auch ein Hinweis darauf, daß England gleich mehrfach durch Eroberung den Herrscher gewechselt habe, was ursprüngliche Mitwirkungsrechte des Volkes an der Königsherrschaft, sollte es sie denn jemals gegeben haben, ohnehin zunichte gemacht hätte.370 Dieser kurze Ausflug in das Reich der Geschichte als Argument stellt aber die Ausnahme dar. Vielmehr bemüht sich Ferne darum, konkurrierende Argumentationsreservoirs neben der Bibel als illegitim auszuschließen. Insbesondere der Bezug auf Ciceros Leitsatz, „salus populi suprema lex“, gilt ihm als ein Leitsatz römischer Provenienz, mit dem bereits Päpste sich ein Recht auf die Absetzung von Königen zugeschrieben hätten. Bei allen Unterschieden griffen sowohl Henry Parker als auch Henry Ferne in einem Punkt auf dieselbe Diskursstrategie zurück. Beiden ging es in ihren Traktaten nicht nur um die jeweils verfochtene politische Position – z. B. für oder gegen den Aufbau einer nur dem Parlament unterstellten Miliz. Ebenso ging es beiden Autoren auch darum, die politische Sprache zu bestimmen, in der der Streit jeweils ausgetragen werden sollte: War für Henry Parker auf der Grundlage des civic humanism die salus populi die höchste politische Norm, an der der König gemessen werden sollte, führte Ferne mit den Mitteln des Biblizismus das divine law ins Feld.371 Vor dem Hintergrund der beiden hier vorgestellten Traktate von Parker und Ferne könnte man vermuten, daß ein klarer Zusammenhang zwischen der vertretenen politischen Position einerseits und der dabei benutzten politischen Sprache andererseits besteht. Ebenso könnte man annehmen, daß die Profession des Autors wesentlich darüber entschied, in welcher politischen Sprache er seine Agenda jeweils vortrug, daß der Biblizismus daher die politische Sprache der Theologen war. Beide Annahmen erweisen sich jedoch schnell als unzulässige Vereinfachungen, wie sich an zwei weiteren Protagonisten dieser Debatte erkennen läßt. Zunächst soll ein weiterer Kontrahent Parkers zu Wort kommen, der Jurist und royalistische Autor Dudley Diggs.372 In Darstellungen zur politischen Kontroverse zur Zeit des Bürgerkrieges hat er vor allem als „geistiger Vorläufer“ von Thomas Hobbes eine gewisse Prominenz.373 In der Tat genießt bei Diggs der Schutz des Volkes durch den Monarchen den höchsten Stellenwert, zeigt er sich als scharfer Kritiker eines idealisierten Naturzustands freier Menschen und deutet den Herrschaftsvertrag als einen irreversiblen Akt der vollständigen Übertragung 370 371 372

373

Ebd., S. 19. Vgl. hierzu auch Mendle, Henry Parker, S. 101. Nicht zu verwechseln mit seinem Vater, dem berühmten Common-Law-Richter Sir Dudley Digges; vgl. David Stoker, Dudley Digges (1613–1643), in: ODNB 16 (2004), S. 168 f.; vgl. zu Digges ferner John Sanderson, ‚But the People’s Creatures‘. The Philosophical Basis of the English Civil War, Manchester/New York 1989, S. 73–85. Mark Goldie, Absolutismus, Parlamentarismus und Revolution in England, in: Pipers Handbuch der politischen Ideen, hrsg. v. Iring Fetscher/Herfried Münkler, Bd. 3: Neuzeit: Von den Konfessionskriegen bis zur Aufklärung, München 1985, S. 316 f.; Richard Tuck, Power and Authority in Seventeenth Century England, in: HJ 17 (1974), S. 43–61, hier S. 43.

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der Herrschaftsgewalt des Volkes auf den Monarchen, was Hobbes’ Konzeption von der Einsetzung des Leviathan zumindest nahekommt.374 Da Diggs ferner darum bemüht ist, die Argumentation Parkers Punkt für Punkt zurückzuweisen, greift er auf dieselbe Argumentationsgrundlage zurück wie sein Kontrahent, kreist sein Traktat also ebenfalls ausführlich um die von Parker angeführten Lehrsätze antiker Staatsphilosophie, deren Interpretation allerdings deutlich von Parkers Lesart abweicht. Seine prinzipielle Verteidigung der Königsgewalt nimmt allerdings direkt auf den Willen Gottes Bezug. So besteht für Diggs kein Zweifel daran, daß die Monarchie unter allen Herrschaftsformen die größte Legitimität beanspruchen könne, da sie direkt von Gott gestiftet worden sei. Alle anderen Staatsformen seien dagegen Menschenwerk.375 Die Monarchie entspringe zwar nicht unmittelbar der patriarchalen Gewalt, wie sie bereits von Adam selbst und seinen Nachfolgern ausgeübt worden war, wohl aber sei sie am nächsten mit ihr verwandt und allein daher durch die Schöpfung, d. h. von Gott und Natur, legitimiert.376 Paulus’ Diktum in Römer 13 vom schuldigen Gehorsam gegenüber der Obrigkeit um des Seelenheils willen sei Diggs zufolge keineswegs Legitimationsgrundlage für alle Obrigkeiten und Magistrate gleichermaßen, sondern in einer Monarchie allein auf den König bezogen.377 Obwohl Diggs kein Theologe war, gründete er die Monarchie fest auf dem Fundament biblischer Aussagen über Monarchie und Herrschaft. Fand der Jurist Diggs in biblischen Texten die beste Legitimationsgrundlage für die Monarchie, so war es bei dem Theologen Charles Herle, einem englischen Presbyterianer und engen Verbündeten von Henry Parker, genau umgekehrt. Obwohl Herle ein Theologe war, argumentierte er ganz in verfassungsrechtlichen Kategorien.378 Sein Traktat war ein Widerspruch zum Widerspruch von Henry Ferne gegen Henry Parkers Observations. Herle attackierte insbesondere den Schriftgebrauch Fernes sowie dessen Interpretation biblischer Exempla.379 Auch 374

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376 377 378

379

Dudley Diggs, An Answer to a Printed Book, Intituled, Observations upon some of His Maiesties Late Answers and Expresses, Oxford 1642, S. 2–5. Vgl. ferner [Dudley Diggs], The Unlawfulnesse of Subjects Taking up Armes against Their Soveraigne in what Case Soever, London 1643, S. 63: „nemo habet, quod dedit“. Diggs macht jedoch zugleich deutlich, daß seine Auffassungen zum Herrschaftsvertrag Vernunftüberlegungen sind, aber kein Kommentar zur Frage nach der Rechtmäßigkeit des Vorgehens des englischen Parlaments qua Verfassung; Diggs, Answer, S. 2. Diggs, Answer, S. 4: „to look back to the Originall of Governments, we might finde that God was the immediate donor of Regall power, whereas other formes referre to him, onely as confirming the peoples Act.“ Ebd., S. 5. Ebd., S. 1 und 45. So auch Charles Herle, An Answer to Doctor Fernes Reply…, London 1643, S. 2: „the laws of the Land, and not Divinity were the proper judge in this controversie“. Und weiter: „Divinitie gives onely generall rules of obedience to all lawfull authority tels us not where that authority is, as in its adaequat subject“ (S. 3); vgl. auch Mendle, Henry Parker, S. 98. [Herle], A Fuller Answer to the Moderatour, [London] 1643, S. 21: „but we make no use of them [den biblischen Beispielen zur Rechtfertigung von Widerstand gegen die Königsgewalt], need them not, and therefore need not answer the Doctors refutation of them“.

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prangerte er ähnlich wie Parker die Korruption der Schrift durch die Apologeten des jure divino Königtums an, wodurch die Verwendung biblischer Exempla im politischen Diskurs für ihn insgesamt diskreditiert sei.380 Selbst Römer 13 sei kein passendes Exempel für die in England zur Debatte stehenden Fragen. Zum einen habe Paulus seine Sätze an die römische Gemeinde der Frühen Kaiserzeit gerichtet, deren Kontext sich mit den politischen Verhältnissen Englands nicht mehr vergleichen lasse. Zum anderen erstrecke sich das Gehorsamsgebot in Römer 13 nicht nur im besonderen auf die Königsgewalt, sondern auf alle Obrigkeiten gleichermaßen. Das Parlament könne daher aufgrund von Römer 13 genausoviel Loyalität einfordern wie der König selbst.381 Andere Parker wohl gesonnene Theologen hatten wiederum kein Problem damit, Fernes Argumentation auf der Grundlage der von ihm benutzten Sprache des Biblizismus zurückzuweisen. So listet beispielsweise Jeremiah Burroughs sämtliche von Ferne genannten biblischen Exempla einzeln auf und stellt Fernes Deutung seine eigene Interpretation entgegen.382 Dabei können seine Entgegnungen ebensowenig Originalität beanspruchen wie Fernes Deutung der meist klassischen Exempla zur Königsherrschaft. Originell wird Burroughs erst am Ende seines Traktats, wo er sich nicht mehr darauf beschränkt, Fernes Bibelauslegung zu verwerfen, sondern statt dessen das militärische Engagement des Parlaments gegen den König dadurch rechtfertigt, daß er es einbettet in die Heilsgeschichte. Sein Ausgangspunkt ist zunächst noch wenig spektakulär: Frieden sei nur dann erstrebenswert, so Burroughs, wenn es ein Friede unter Rechtgläubigen sei, nicht aber ein Frieden mit den Mächten der Finsternis.383 Allerdings sah Burroughs die Endzeit angebrochen und den entscheidenden Kampf mit dem Antichristen bereits im Gange. Dieser Kampf sei aber Burroughs zufolge eine Aufgabe des Volkes.384 Anhand von Offb 18,2–9 sieht er die Könige für die Durchführung des göttlichen Auftrags zur Vernichtung des Antichristen als eher hinderlich an, da diese mit der Hure Babylon Unzucht getrieben hätten und daher deren Untergang und Zerstörung eher bedauerten, als sich selbst an diesem Gotteswerk zu beteiligen.385 380 381 382 383 384

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[Herle], A Fuller Answer, S. 6 f. [Herle], A Fuller Answer, S. 21. So auch seine Auslegung von Ps 82,6. („Ihr seid Götter…“). Jeremiah Burroughs, A Briefe Answer to Doctor Fernes Booke, Tending to Resolve Conscience, about the Subjects Taking up of Arms, [London 1643]. Ebd., S. 13. Ebd., S. 14: „There is a necessitie that in these times peoples Consciences should be further satisfied in their liberties in this case then formerly, because the time is (we hope) at hand for the pulling down of Antichrist, and we find by Scripture this work at first will be by the people.“ Ebd., S. 14. Vgl. dagegen die Erwiderung von Diggs, Unlawfulnesse, S. 110 f., in der er darauf insistiert, daß es die Könige selbst seien, denen in der Offenbarung die Rolle zugebilligt werde, die Zerstörer des Antichristen zu sein (Offb 17,16–17). Da der Untergang Babylons sich ohnehin ereignen werde, sei es falsch, hier eine aktive Haltung einnehmen zu wollen und dafür schwere Sünden auf sich zu laden.

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Folgt man Burroughs’ Interpretation, so hatten die Parlamentstruppen auf dem Schlachtfeld nicht die verfassungsmäßigen Rechte des Parlaments zu verteidigen, sondern in göttlichem Auftrag den Antichristen zu besiegen. Zwar steht auch für Burroughs die salus populi an erster Stelle. Statt der Bewahrung der Freiheit und der Vermeidung der Sklaverei lautet für Burroughs das Ziel des Kampfes das Seelenheil der Kombattanten und die endgültige Vernichtung des Teufels sowie all seiner Fürsprecher. Und da die Könige – und mit ihnen Karl I. – die Gesellschaft mit der Hure Babylon nicht gemieden hätten, seien sie zusammen mit ihren Mitstreitern ebenfalls zu den Fürsprechern des Teufels zu zählen und daher zu bekämpfen. Burroughs nimmt hier Anleihen am Drehbuch, das in den Fastenpredigten vor dem Parlament allmonatlich zur Aufführung gelangte. In den Fastenpredigten blieb der politische Kontext des Gesagten jedoch stets unausgesprochen. Burroughs baut hier allerdings den heilsgeschichtlichen Moment der endgültigen Vernichtung des Antichristen in seine Argumentation über die Grenzen der Königsgewalt ein und ermächtigt damit das Parlament zur Übernahme der politischen Führungsrolle. Die in zahlreichen Fastenpredigten implizite Botschaft wird von Borroughs in seinem Traktat als zwangsläufige politische Konsequenz offen ausgesprochen. Diese neue Qualität antimonarchischer Agitation hängt wesentlich mit dem Kontext der Schrift zusammen. Burroughs verfaßte seinen Traktat, nachdem beide Seiten bereits die Waffen sprechen ließen. Es ging daher nun darum, die Legitimität militärischen Widerstands gegen den König zu beweisen. Ein solches Ziel verfolgt auch John Goodwin mit seinem Traktat Anti-Cavalierisme. Das Parlament befinde sich im Kampf mit der „Legion of Devils“, wie Goodwin die königlichen Truppen nennt.386 Er betont mehrfach, daß der Griff zu den Waffen auf Seiten des Parlaments ein rechtmäßiger und geradezu notwendiger Schritt sei, der sich zwingend aus dem Gesetz Gottes ergebe.387 Goodwin gibt zunächst klassische Positionen des Widerstandsrechts wieder, um den Kampf gegen Karl I. zu begründen. So sei die Monarchie keine Einrichtung Gottes, sondern Menschenwerk. Auch hätten Könige nur Anspruch auf Herrschaftsgewalt in den Grenzen des Rechts. Als Aufsichtsgewalt über die Königsherrschaft dienten die niederen Magistrate, im englischen Fall wohl das Parlament. Diese Magistrate könnten für sich das Gehorsamsgebot von Röm 13 in gleicher Weise in Anspruch nehmen wie der König.388 Mit Elias gegen Ahab und David gegen Saul bedient sich Goodwin ebenfalls langerprobter Klassiker des Widerstandsdiskurses.389 Zusätzlich zum Widerstandsrecht bemüht Goodwin aber auch die nahende Endzeit zur Rechtfertigung des Kampfes. Der Moment sei gekommen, so Good-

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John Goodwin, Anti-Cavalierisme, or, Truth pleading as well the Necessity, as the Lawfulness of this Present War for the Suppressing of that Butcherly Brood of Cavaliering Incendiaries, London [1642], S. 2. Ebd., S. 3–6 passim. Ebd., S. 7–10. Ebd., S. 11–16.

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win, wo der Antichrist erkannt wird und dessen Vernichtung naht. Dieses Werk habe das gemeine Volk zu erbringen, gegen den Willen und gegen den Befehl ihrer Könige, die sich mit der Hure Babylon eingelassen hätten und deren Untergang daher zu verhindern suchten.390 Goodwin gesteht zwar zu, daß in der Offenbarung 17,16–17 die Rede davon ist, daß die zehn Könige selbst die Vernichtung Babylons ins Werk setzen werden. Er sieht damit jedoch nicht die Könige persönlich angesprochen, sondern die Königreiche in ihrer Gesamtheit, also die Bevölkerung als Ganzes.391 Auch hier wird eine Position, wie sie bereits 1641 in der Fastenpredigt A Glimpse of Sions Glory vertreten wurde, nun zur konkreten Rechtfertigung des Kampfes gegen Karl I. dienstbar gemacht. Die in der Debatte um monarchische Herrschaftsrechte und das Recht des Volkes auf Widerstand vorgebrachten biblizistischen Argumente hatten bereits allesamt topische Qualität. Ein gewisser Neuigkeitswert kann allenfalls der politischen Interpretation der Offenbarung und der dabei gewonnenen Aussage zugesprochen werden, daß nicht die Könige, sondern das Volk den Kampf mit den Repräsentanten des Antichristen zu führen hätte.392 Es kam in dieser Deutung offenkundig darauf an, dem Königtum die heilsgeschichtliche Legitimation abzusprechen und für das Parlament zu reklamieren. Die sich daraus ergebenden Konsequenzen für die Königslegitimation waren erheblich. Es verwundert daher nicht, daß die Befürworter der Krongewalt diese Auslegung der Offenbarung sofort als Mißbrauch der Schrift brandmarkten und ihrerseits darauf beharrten, daß es in der Prophezeiung des Untergangs Babylons den Königen allein auferlegt sei, das Untier zu vernichten, wie beispielsweise Diggs entschieden betont. Diggs spricht außerdem dem apokalyptischen Argument jegliche politische Dringlichkeit ab. Da der Fall Babylons eine Tatsache sei, die allein in Gottes Hand liege, sei keinerlei Aktivismus nötig, ließe sich mit ihm ein Widerstand gegen den König nicht rechtfertigen.393 Die Parker-Kontroverse, die mit Henry Parkers auf antiken Legitimationsformeln beruhenden Ideen in den Observations ihren Anfang nahm, hatte sich im Laufe nur eines Jahres zu einem generellen polemischen Meinungskampf ausgeweitet, der in allen verfügbaren politischen Sprachen gleichermaßen ausgetragen wurde. Die auf antike Staatsphilosophie und römischem Recht fußenden Elemente in diesen pamphlet wars hat Quentin Skinner mustergültig dargelegt. Die vom Parlament vorgenommene Verurteilung von Henry Fernes weitgehend biblizistisch argumentierendem Traktat gegen Parker dokumentiert jedoch, daß das Parlament einer politischen Argumentation, die zumindest den Anschein erweckte, sich auf die Heilige Schrift zu gründen, große Aufmerksamkeit entgegenbrachte.

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Ebd., S. 31 f. Ebd., S. 32 f. Diese Deutung findet sich allerdings bereits bei Thomas Scott, allerdings noch ohne direkten Bezug auf die sich daraus ergebenden politischen Konsequenzen; s. u. Kap. VI 2d. Diggs, Unlawfulnesse, S. 110 f., unter ausdrücklicher Berufung auf die von Goodwin und Burroughs vorgelegte Deutung.

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Berücksichtigt man ferner die zahlreichen Argumente, die sich in dieser Auseinandersetzung aus anderen Autoritätsquellen speisten, so fällt es schwer, Skinners These zu teilen, das Parlament hätte die Auseinandersetzung mit dem König vornehmlich mit dem Slogan gerechtfertigt, die Versklavung des Volkes zu verhindern.394 Als das Parlament sich vor die Notwendigkeit gestellt sah, dem König sein Vetorecht gegen Entscheidungen des Parlaments abzusprechen, obwohl es sich hierbei um einen festen Bestandteil des traditionellen Verfassungsgefüges handelte, war die Unterscheidung zwischen einer freien englischen Nation und einer entmündigten Sklavenherde ein willkommener Notanker, um die Überschreitung der parlamentarischen Befugnisse damit zu legitimieren. In der sich daran anschließenden Generaldebatte um die Legitimation der Königsherrschaft war das Sklavenargument jedoch nur ein Argument unter vielen. Und es waren nicht nur die Königsbefürworter, die unter Rückgriff auf die Heilige Schrift die von Gott eingesetzte Königsherrschaft propagierten. Unter den Verteidigern der Sache des Parlaments war der Kampf gegen den Antichristen ein Argument, das mindestens ebenso zur Mobilisierung der eigenen Anhänger beigetragen hatte. Die Mosaische Unterscheidung trug ebenso zur Deutung und Bewertung der politischen Lage in England vor Ausbruch des Bürgerkrieges bei wie die Unterscheidung zwischen Freien und Sklaven.

3. Zwischenergebnis: Biblizismus und Bürgerkrieg „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“.395 Dieses Diktum Carl Schmitts macht deutlich, worum in Schottland und England in den Jahren 1637 bis 1643 gerungen wurde: um das Recht, die etablierte Herrschaftsordnung unter Bezug auf höchste Normen in einer spezifischen politischen Situation zu suspendieren. Dieses Recht nahmen die schottischen Covenanters für sich in Anspruch, als sie die Kirchenpolitik der Stuarts annullierten und die Bischofskirche durch eine rein presbyterianische Kirchenstruktur ersetzten, und in England bediente sich das Long Parliament des Notstandsarguments, als es eine nur dem Parlament unterstellte Miliz auszuheben begann. Ungeachtet dieser Parallele werden in der historischen Forschung für den Ausbruch des Bürgerkrieges in Schottland und in England unterschiedliche Gründe genannt. Während es im schottischen Fall ziemlich eindeutig die Religion gewesen sein dürfte, die das Handeln der Akteure wesentlich bestimmte, spielten im englischen Falle konstitutionelle Belange, insbesondere das Verhältnis von König und Parlament, eine mindestens ebenso entscheidende Rolle wie Bekenntnisfragen. Es soll an dieser Stelle nicht der Versuch unternommen werden, die Debatte 394 395

Skinner, Classical Liberty, S. 28. Carl Schmitt, Politische Theologie. Vier Kapitel zur Lehre von der Souveränität, ND der 1934 erschienenen 2. Aufl. Berlin 1993, S. 11.

3. Zwischenergebnis

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um die Ursachen des englischen Bürgerkrieges um eine weitere Position zu bereichern. Es genügt, darauf hinzuweisen, daß auf der Ebene der politischen Legitimationsrhetorik – trotz der unterschiedlichen Ursachen der beiden Rebellionen gegen Karl I. und trotz der teilweise divergierenden Intentionen der Akteure – die Gemeinsamkeiten klar überwiegen, zumindest sofern diese Legitimation in der politischen Sprache des Biblizismus erfolgte. Es hat sich gezeigt, daß sowohl in Schottland als auch in England der Biblizismus einen entscheidenden Beitrag leistete, um diese folgenreichen politischen Akte zu rechtfertigen: Er ermöglichte erstens bestimmten Sprechern, unmittelbar oder verschlüsselt politische Aussagen zu tätigen, ohne entsprechende politische Ämter innezuhaben, die solche Sprechakte legitimierten. Zwar war der protestantische Klerus qua Amt zur Schriftauslegung berufen und hatte daher stets die Möglichkeit, diese Kompetenz auch zur Kommentierung der zeitgenössischen Politik zu nutzen, sei es in Form der Allegorie, sei es in Form von Mahnreden. Das Alte Testament lieferte in Gestalt der Propheten jedoch ein Vorbild für eine weit bedeutendere Sprecherrolle: Propheten bezogen ihre Legitimation aus dem direkten Verhältnis zu Gott und immunisierten sich damit gegen die Notwendigkeit der Rechtfertigung vor weltlichen Autoritäten. Eine solche Sprecherrolle beanspruchten zahlreiche prominente Kritiker der königlichen Kirchenpolitik wie George Gillespie in Schottland und Henry Burton in England. Mit ihren Sprechakten stellten sie sich außerhalb der etablierten Kirchenhierarchie und leugneten die Jurisdiktionsgewalt der Bischöfe. Die notwendige Autorität für diese Haltung bezogen sie aus ihrer Auslegung der Bibel, die sie der offiziellen Religionspolitik entgegensetzten. Mit „ihren Wertungen und Interventionen in der Politik wirkten sie an der Definition und Durchsetzung ‚legitimer‘ Weltsicht mit“.396 Der Biblizismus lieferte den Sprechern zweitens die normativen Kategorien, an denen die Legitimität politischer Entscheidungen und im weiteren Ablauf der Ereignisse zunehmend auch die Legitimität der Entscheidungsträger gemessen wurde. Der verbindliche Referenzrahmen war dabei stets die lex dei. Das moralische Gesetz Gottes war die oberste Richtschnur, zu der sowohl der König als auch seine Politik in einem dienenden Verhältnis zu stehen hatten. Die Monarchie bezog in dieser Konzeption ihre ganze Legitimation nur in ihrer Rolle als Manifestation einer Theokratie. Kollidierte die Politik des Königs mit den Normen Gottes, stand seine politische Legitimation auf dem Prüfstand. Sofern namhafte Sprecher daher die Diskrepanz zwischen den Normen der lex dei und der Religionspolitik Karls I. anprangerten, war eine Rechtfertigung gegeben, dem König den Gehorsam zu verweigern. Wie gezeigt werden konnte, mangelte es an sol-

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So Ingrid Gilcher-Holtey treffend über die Rolle der Intellektuellen in der Moderne, eine Feststellung, die sich auch auf die Geistlichen der Frühen Neuzeit übertragen läßt; vgl. Ingrid Gilcher-Holtey, Eingreifendes Denken. Die Wirkungschancen von Intellektuellen, Weilerswist 2007, S. 7. Vgl. hierzu auch Pierre Bourdieu, Mit Weber gegen Weber. Pierre Bourdieu im Gespräch, in: Ders., Das religiöse Feld. Texte zur Ökonomie des Heilsgeschehens, Konstanz 2000, S. 111–130.

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II. Bürgerkrieg und Biblizismus

chen Äußerungen in den Jahren vor Ausbruch des Bürgerkrieges weder in Schottland noch in England. Fanden die Sprecher für diese Haltung bei einflußreichen politischen Akteuren Resonanz, sei es bei den schottischen Covenanters oder aber bei den Mitgliedern des Long Parliament, war die Herrschaft Karls I. auf längere Sicht in Frage gestellt. Neben der prinzipiellen Norm des moralischen Gesetzes Gottes stellte der Biblizismus drittens auch normative Beispiele bereit, die den politischen Akteuren als Vorbild für deren eigenes Handeln präsentiert wurden bzw. als Mahnung dienen sollten, um bestimmte politische Optionen auszuschließen. Insbesondere bei den Fastenpredigten vor dem Unterhaus präsentierten die Prediger den Abgeordneten wiederholt Beispiele, in denen der unbedingte Eifer für das Gesetz als oberste Handlungsmaxime angepriesen wurde: Pinhas war hier das positive Vorbild, die Stadt Meroz und ihr Schicksal diente der Abschreckung. In beiden Fällen geht es um die gleiche Botschaft: Verlangt wurde von den Parlamentariern nicht allein passive Gesetzestreue, sondern aktiver Einsatz für den im Gesetz offenbarten Willen Gottes. Gemessen wurde das Verhalten der Abgeordneten auch und gerade an der Intensität ihres Einsatzes. Mit dem biblisch hergeleiteten Vorbild des Eiferers wird den Mitgliedern der beiden Kammern in religionspolitischen Belangen nicht nur jeglicher Weg zum Ausgleich und zur Neutralität verbaut. Ihr Eifer bemaß sich in der Logik dieser Exempla gerade an ihrer Bereitschaft, sich zur Durchsetzung der Normen Gottes über bestehende Schranken hinwegzusetzen. Standen parlamentarischen Anliegen wie dem Aufbau einer eigenen Miliz zum Kampf gegen die aufständischen Katholiken in Irland, die unter dem Gesichtspunkt der Treue zur lex dei notwendig erschienen, konstitutionelle Schranken wie das Veto des Königs im Weg, so bemaß sich der Willen der Parlametarier zur Gottestreue an ihrer Bereitschaft, die Gesetzmäßigkeiten der Entscheidungsfindung beiseitezuwischen und dafür den Bürgerkrieg in England in Kauf zu nehmen. Mit diesen drei Elementen – einer emphatisch aufgeladenen Sprecherrolle außerhalb bestehender Amtshierarchien, einer die Gesetze des Landes übersteigenden normativen Richtgröße in Gestalt der lex dei und dem Maßstab der Unbedingtheit bei der Durchsetzung der eigenen religionspolitischen Ziele – stellte der Biblizismus alle notwendigen Kategorien, um einen Ausnahmezustand zu konstatieren und die Akteure mit klaren Verhaltensregeln auszustatten. Weitere Bausteine wie die apokalyptische Zuspitzung der Entscheidungssituation konnten hinzukommen, waren aber nicht zwingend notwendig, um im Namen der Herrschaft Gottes die Herrschaft des Königs in Frage zu stellen. Der Biblizismus stellte bereits eine hinreichende Bedingung zur Ausrufung des „Ausnahmezustands“ und damit zur Rechtfertigung des Bürgerkrieges dar. Gleichwohl bedienten sich die Befürworter einer Erhebung gegen Karl I. weder in Schottland noch in England ausschließlich der Sprache des Biblizismus. Vielmehr fand im Zusammenhang mit der drohenden Auseinandersetzung mit dem König in beiden Ländern eine Ausweitung der politischen Argumente statt. Neben die notwendige Treue zur lex dei und die damit verbundene Berufung auf

3. Zwischenergebnis

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Gott trat sowohl beim Schotten Alexander Henderson als auch beim Engländer Henry Parker die Berufung auf das „Volk“ und die salus populi als konstitutives Element und Endzweck jeglicher politischer Herrschaft. Speiste sich das erste Argument aus dem Biblizismus, entstammte das letztere Argument der antiken Staatsphilosophie und damit dem civic humanism. Und war in der Logik des lex-dei-Arguments Monarchie nur als Verwirklichung der Theokratie zu rechtfertigen, so war die Königsherrschaft in der Logik des salus-populi-Gedankens letztlich nur mehr die Umsetzung der im Parlament vollzogenen politischen Willensbildung. In der Debatte über die Königsherrschaft, die den Ausbruch des Bürgerkrieges begleitete, nahmen die Protagonisten zum Verhältnis zwischen Biblizismus und civic humanism die unterschiedlichsten Positionen ein. Unter den Gegnern Karls I. sahen manche Sprecher nur in einer von beiden Sprachen ein legitimes Argumentationsreservoir. So speisten sich die Fastenpredigten fast ausschließlich aus biblizistischen Argumenten, während Parker dem Biblizismus die Rolle einer Autorisierungsinstanz politischer Argumente absprach. Andere Autoren wie die Schotten Henderson und Rutherford strebten hingegen nach einer Symbiose von biblizistischen und antiken staatsphilosophischen Positionen. Wohl nicht zufällig steht für einen solchen Versuch der Symbiose Althusius’ Buch Politica Pate, speiste er seine Argumente doch gleichfalls wesentlich aus diesen beiden Traditionsspeichern. Die Anwälte des Königs formulierten ihrerseits die Argumente sowohl in der Sprache des Biblizismus als auch mit dem Hinweis auf das in Schottland und England geltende Recht. Sofern biblizistische Argumente bemüht wurden, waren die verwendeten Beispiele und Argumente jedoch gänzlich andere als bei den Kritikern Karls I. Royalisten wie John Corbet, Henry Ferne und John Maxwell diente die lex dei nicht dazu, konkrete Handlungen des Königs zu rechtfertigen, sondern zur prinzipiellen naturrechtlichen Untermauerung seiner Herrschaftsstellung. Es war die Königsherrschaft allgemein, die direkt von Gott hergeleitet wurde und deren Ausübung sich aufgrund einer königsfreundlichen Auslegung von Römer 13 jeglicher Kritik seitens der Untertanen entzog. Zwar leugneten die Anwälte des Monarchen nicht prinzipiell die Möglichkeit einer Diskrepanz zwischen den Normen des Gesetzes Gottes und den Handlungen des Königs. Wohl aber schlossen sie aus, daß dies irgendwelche Konsequenzen für die Gehorsamspflicht der Untertanen nach sich zog. Sollte die Königsherrschaft entarten, so sei sie gleichwohl Teil der Heilsgeschichte und als Gottesstrafe für die Sünden des Volkes klaglos zu ertragen.

III. ZWEIERLEI REFORMATION IN ENGLAND UND SCHOTTLAND

In der politischen Sprache des Biblizismus drehte sich die Debatte im Vorfeld des Bürgerkrieges in Schottland und England wesentlich um das Verhältnis zwischen der Königsherrschaft Gottes und der Königsherrschaft Karls I. Sofern Autoren eine Diskrepanz zwischen den Normen der göttlichen und der Herschaftspraxis der weltlichen Autorität ausmachten und dies in ihren Sprechakten öffentlich anprangerten, trugen sie das ihre dazu bei, die Herrschaft Karls I. zunächst ins Wanken und schließlich zum Einsturz zu bringen. Der folgende kursorische Rückblick bis zur politischen Reformation Heinrichs VIII. in England bzw. bis zur allmählichen Durchsetzung der Reformation in Schottland in den 1550er Jahren läßt erkennen, daß das Verhältnis von Gottesherrschaft und Königsherrschaft bereits in den Jahren der Hinwendung zum Protestantismus ein beherrschendes politisches Thema war und wesentlich in der Sprache des Biblizismus diskutiert wurde. Dabei finden sich insbesondere im politischen Diskurs in England bis zur Thronbesteigung Elisabeths I. bereits die beiden Extremvarianten, mit denen das Verhältnis zwischen Gottesherrschaft und Königsherrschaft charakterisiert werden kann: 1. Die Königsherrschaft als Abbild der Gottesherrschaft, wie es in der offiziellen Doktrin Heinrichs VIII. von der royal supremacy zum Ausdruck kommt und unter Eduard VI. in der Rolle des godly ruler in der Tradition des jüdischen Idealkönigs Hosia kulminiert; 2. Die Königsherrschaft als Abkehr von der Gottesherrschaft, wie die protestantischen Geistlichen im Exil gegen das Regiment Maria Tudors wetterten und daher zum Widerstand gegen die Königin aufriefen. Die Argumente, mit denen die drei Tudorherrscher Heinrich VIII., Eduard VI. und Maria Tudor entweder als Gottes Prophet verherrlicht oder aber als Verräter gegen Gott gebrandmarkt wurden, stammten vor allem aus dem Arsenal der historischen Schriften des Alten Testaments. Diese Argumente gingen ein in das kulturelle Gedächtnis insbesondere der englischen Geistlichkeit, aber auch der politischen Öffentlichkeit allgemein und waren fortan feste Bestandteile der politischen Sprache des Biblizismus, mit der auch in den folgenden Jahrzehnten die Politik kommentiert werden sollte. In Schottland nutzten die Geistlichen dasselbe biblizistische Arsenal. Da die schotische Reformation allerdings nicht durch die Königin Maria Stuart Fuß gefaßt hatte, sondern gegen sie durchgesetzt worden war, blieb der Biblizismus bis weit in die Herrschaftszeit Jakobs VI. eher eine Sprache der Herrschaftskritik als eine der Herrschaftslegitimation. Sowohl in England als auch in Schottland war die Dissoziation zwischen der Gottes- und der Königsherrschaft von Beginn an eine von mehreren möglichen Spielarten des politischen Biblizismus und damit eine stets latent angelegte Gefährdung der Legitimität monarchischer Herrschaft, wie im folgenden exemplarisch gezeigt werden soll.

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III. Zweierlei Reformation in England und Schottland

1. England a) Die „politische Reformation“ unter Heinrich VIII. Der Weg in den Protestantismus verlief in England weitaus kurvenreicher und erstreckte sich über einen längeren Zeitraum als in den meisten Territorien des Alten Reiches oder den anderen protestantischen Monarchien Europas.1 Letztlich sollte erst unter Königin Elisabeth die Reformation endgültig Fuß fassen und auch die Glaubenspraxis großer Teile der Bevölkerung bestimmen. Die von Christopher Haigh zu Recht so bezeichnete Phase der „politischen Reformation“ unter Heinrich VIII. hatte auf die konfessionelle Identität des Landes noch keine nachhaltigen Folgewirkungen.2 Der unter Eduard VI. vollzogenen Hinwendung zum Protestantismus kontinentaler Prägung fehlte wiederum aufgrund der kurzen Regierungszeit des jungen Königs die gesellschaftliche Tiefenwirkung. Die Rückkehr zum Katholizismus unter Maria Tudor war keineswegs von vornherein ein aussichtsloses Unternehmen. Die herkömmliche Religion und die traditionelle Glaubenspraxis waren weiterhin in vielen Teilen Englands verbreitet. Mag die erste Hälfte des 16. Jahrhunderts für die protestantische Prägung Englands auch eine geringere Rolle gespielt haben als in der älteren Forschung angenommen, für die Generierung biblizistischer Argumente im politischen Raum waren diese frühen Jahre der Reformation von 1534 bis 1559 von großer Bedeutung. Zahlreiche Elemente, die den Biblizismus in den Jahren vor Ausbruch des Bürgerkrieges kennzeichnen, haben ihre Wurzeln in dieser Zeit. Insbesondere wurden schon früh im Laufe der englischen Reformation bestimmte theologische Ordnungsvorstellungen etabliert, die eine breite Verwendung des Biblizismus im politischen Diskurs auch in späteren Jahrzehnten begünstigten. Dies zeigt sich zuallererst in der politischen Bedeutung, die der Heiligen Schrift in englischer Sprache von Beginn an zugeschrieben wurde. Vor dem 1534 per Gesetz verkündeten Bruch mit Rom und der Papstkirche setzte Heinrich VIII. alles 1

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Vgl. Arthur G. Dickens, The English Reformation, London 1964; Christopher Haigh, English Reformations. Religion, Politics, and Society under the Tudors, Oxford 1993; Nicholas Tyacke (Hrsg.), England’s Long Reformation 1500–1800, London 1998; Ralph Houlbrooke, Traditional Politics and Visionary Theology. The English Reformation, in: Robert von Friedeburg/Luise Schorn-Schütte (Hrsg.), Politik und Religion. Eigenlogik oder Verzahnung? Europa im 16. Jahrhundert (HZ, Beih. 45), München 2007, S. 93–127, sowie der Beitrag von Martin Ingram, The English Reformation in the Sixteenth Century. Major Themes and New Viewpoints (S. 129–161) im selben Band. Vgl. Haigh, English Reformations, S. 289; ferner ders., The English Reformation. A Premature Birth, a Difficult Labour and a Sickly Child, in: HJ 33 (1990), S. 449–459. Zur „politischen Reformation“ auch George W. Bernard, The King’s Reformation: Henry VIII and the Remaking of the English Church, New Haven/London 2005; ferner zur Frage der Breitenwirkung Ethan H. Shagan, Popular Politics and the English Reformation, Cambridge 2003, S. 140–147; Eamon Duffy, The Stripping of the Altars. Traditional Religion in England, 1400–1580, New Haven/London 1992, S. 448–503; J.J. Scarisbrick, The Reformation and the English People, Oxford 1984.

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daran, der eingeschmuggelten englischen Bibelübersetzungen Herr zu werden und die Übersetzungen als subversive Texte öffentlich verbrennen zu lassen. Der seit den 1520er Jahren aufkeimende Protestantismus hatte in Heinrich VIII. und seinem politischen Umfeld keinerlei Fürsprecher. In England gebührt William Tyndale die Ehre, sich um die Bibel in englischer Sprache in besonderer Weise verdient gemacht zu haben. 1526 entstand im Exil in Worms seine englische Übersetzung des Neuen Testaments, die bald darauf in England und Schottland zirkulierte.3 1527 fanden auf Veranlassung des Erzbischofs von Canterbury bereits die ersten öffentlichen Verbrennungen mit Exemplaren von Tyndales Bibelübersetzungen statt, und noch 1530 verbot Heinrich VIII. in einer Deklaration den Gebrauch von Bibelübersetzungen.4 Dessen ungeachtet erschien 1530 im Exil Tyndales Übersetzung des Pentateuch.5 Weitere Übersetzungen, z. B. der historischen Bücher des Alten Testaments von Buch Josua bis zum 2. Buch der Chroniken, blieben Manuskript. Tyndale selbst sollte vom Bruch Heinrichs VIII. mit der römischen Kirche und dem Papst nicht mehr persönlich profitieren. 1536 fand er nach einem Häresieprozeß im flandrischen Exil den Tod.6 Die englische Bibel trat indes nach der politischen Reformation Heinichs VIII. im sogenannten Reformationsparlament und dem Act of Supremacy 1534 ihren Siegeszug an. Bereits 1535 erschien unter dem Namen Coverdale’s Bible in Antwerpen zum ersten Mal eine vollständige Bibelausgabe in Englisch, die allerdings nur auf die Vulgata sowie auf die bereits vorliegende deutsche Übersetzung Luthers zurückging und griechische ebenso wie hebräische Urtexte ignorierte. 1537 erschien bereits die nächste vollständige Bibelübersetzung, die sogenannte Matthew’s Bible, ebenfalls mit Druckort Antwerpen, die alle verfügbaren Übersetzungen Tyndales bündelte und die fehlenden Teile des Alten Testaments unter Rückgriff auf die Übersetzung der Coverdale’s Bible vervollständigte. Im selben Jahr erschienen mit Druckort London zwei Neuauflagen der Coverdale’s Bible, die erste im Folioformat mit einer Widmungsschrift an Heinrich VIII., die zweite im Quartformat sogar mit einer ausdrücklichen Drucklizenz des Königs.7 Und weitere zwei Jahre später erschien dann 1539 unter dem Namen Great Bible eine nur leicht revidierte Fassung der Matthew’s Bible. Die Great Bible war von Beginn an ein englisches Unternehmen, die englische Bibel war endgültig in England heimisch geworden. An den in schneller Folge erschienenen Bibelausgaben in englischer Sprache läßt sich auch eine zunehmende Schirmherrschaft Heinrichs VIII. ablesen. War die Coverdale’s Bible mit einem Widmungsschreiben an den Herrscher adressiert, so verfügte die Matthew’s Bible über eine ausdrückliche Lizenz des Königs, trotz 3 4

5 6 7

Vgl. hierzu Daniell, Bible in English, S. 143–146. By the King. For Damping of Erronious Bokes; Robert Steele, A Bibliography of Royal Proclamations of the Tudor and Stuart Sovereigns and of Others Published under Authority 1485–1714, 2 Bde., Oxford 1910, Bd. 1, S. 122 f. Vgl. hierzu David Daniell, William Tyndale. A Biography, London 1994, Kap. 11. Daniell, Tyndale, Kap. 15. Daniell, Bible in English, S. 180.

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des Druckortes Antwerpen. Die Great Bible verdankte ihre Existenz dann vollständig dem Betreiben der Obrigkeit, genauer den Bemühungen des Lordkanzlers Thomas Cromwell, die neue Bibelübersetzung allen Gemeinden als maßgebliche Bibel vorzulegen und zur ausschließlichen Verwendung im Gottesdienst festzuschreiben.8 Diese Intention Cromwells, die englische Bibel mit der Autorität des Königs in der Kirche zu verankern, läßt sich nicht zuletzt auch an ihrem äußeren Erscheinungsbild ablesen. Die besondere Autorität sollte bereits am Buchformat ablesbar sein: Cromwell ordnete eine Ausgabe „of the largest volume“ an, was der Bibel auch ihren Namen verlieh. Die zunehmende Domestizierung der vorliegenden Bibelübersetzungen in englischer Sprache und die Verwandlung der englischen Bibel von einem subversiven Akt unter William Tyndale zu einem königlichen Herrschaftsinstrument werden auch anhand der Titelblätter der jeweiligen Bibelausgaben sehr anschaulich.9 Enthielt das Frontispiz von Tyndales Übersetzung des Neuen Testaments noch keinerlei Andeutungen an die Obrigkeit (siehe Abb. 1), so findet sich bereits auf dem von Hans Holbein entworfenen Titelblatt von Coverdales Bibelübersetzung Heinrich VIII. abgebildet, vor dem Klerus und Adel gleichermaßen in Demut versammelt sind, um aus seinen Händen das Wort Gottes entgegenzunehmen. Der König sitzt auf seinem Thron, eingerahmt von David und Paulus, und steht damit in der Tradition sowohl der altisraelischen Könige als auch der Apostel. Das Titelblatt der Coverdale Bible ist damit eine Verbildlichung der royal supremacy, des Anspruches Heinrichs VIII., Haupt von Staat und Kirche zugleich zu sein (siehe Abb. 2). 1539 wurde diese Rolle dann im Titelblatt der von Cromwell betriebenen Great Bible in großem Stil propagiert (siehe Abb. 3): Im oberen Bildfeld sieht man erneut König Heinrich auf seinem Thron, wie er die Bibel an den Klerus und den Adel verteilt, darunter als erste Empfänger Erzbischof Cranmer und der Lordkanzler Cromwell. Im unteren Bildfeld ist eine Predigt und damit die einzig legitime Form der Verkündigung und Auslegung der Schrift dargestellt. Deren erhoffte Wirkung findet sich gleichfalls im Bild: Die Zuhörer intonieren übereinstimmend „Vivat Rex“, mit Ausnahme einiger weniger, die am Rand im Gefängnis eingesperrt ihrem Schicksal entgegensehen.

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Über die Rolle Cromwells vgl. Bernard, King’s Reformation, S. 521–527; Bernard betont insbesondere, daß man Cromwells Einfluß nicht über- und Heinrichs Anteil an der Reformation nicht unterschätzen sollte; George W. Bernard, The Making of Religious Policy, 1533–1546. Henry VIII and the Search for the Middle Way, in: HJ 41 (1998), S. 321–349, v. a. S. 339 f., wo er Cromwell gar als „the king’s slave“ bezeichnet. Abweichend dagegen John A. Guy, Thomas Cromwell and the Intellectual Origins of the Henrician Reformation, in: Alistair Fox/John A. Guy (Hrsg.), Reassessing the Henrician Age. Humanism, Politics and Reform 1500–1550, Oxford 1986, S. 151–178. Zugleich sollte auf die Rezeption der Bibel mit den Mitteln der Gesetzgebung Einfluß genommen werden, um politisch subversive Folgen zu unterbinden. So beschloß das Parlament 1543 ein Gesetz, daß nur denjenigen die Lektüre der Bibel erlaubt sei, die davon profitieren könnten. Frauen und Kinder wurden explizit nicht dieser Gruppe zugerechnet.

1. England

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Abb. 1: William Tyndale: The Newe Testament, Worms 1526, Frontispiz.

Im Frontispiz der Great Bible wird die Botschaft der Heiligen Schrift auf eine einzige Formel reduziert: Sie verdankt ihre Existenz dem König und kulminiert in der zentralen Forderung nach Königstreue. In der königlichen Proklamation mit der Anweisung an den Klerus, daß die Great Bible fortan in jeder Gemeindekirche vorhanden sein und benutzt werden müsse, wird der erhoffte Lerneffekt

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Abb. 3: The Bible in English, 1539, Frontispiz [sog. Great Bible]. 왗 Abb. 2: Biblia, The Bible, that is the Holy Scripture of the Old and New Testaments, Antwerpen 1535, Frontispiz [sog. Coverdale Bible].

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III. Zweierlei Reformation in England und Schottland

der Lektüre von Gottes Wort folgendermaßen beschrieben: „not only perceive the great […] omnipotent power of almighty God, but also to learn to obey […] their sovereign lord“.10 Ein Herrscherportrait auf dem Titelblatt der Heiligen Schrift findet sich noch in zahlreichen weiteren Bibelausgaben, die im Laufe der Tudorherrschaft in Druck gingen: So prangt Eduard VI. auf dem Titelblatt der Quartausgabe aus dem Jahre 1552 von Tyndales Neuem Testament, das Portrait Elisabeths I. findet sich auf dem Titelblatt der ersten Auflage der Bishops’ Bible des Jahres 1568, ein weiteres Herrschaftsportrait ziert das Titelblatt der zweiten Auflage, die ein Jahr später erschien.11 Stets war die Verfügbarkeit des Gotteswortes in englischer Sprache verknüpft mit der Person des Herrschers, die als Garant des wahren Glaubens in den Mittelpunkt der Inszenierung rückte. Kirche und Krone waren darum bemüht, die englische Reformation als gleichsam folgerichtige Konsequenz englischer Herrschaftstradition zu deuten und jeden Anschein eines radikalen Bruchs zu vermeiden.12 Hierzu gehört auch, daß dem als Ketzer verfolgten und geächteten Tyndale auch nach der Reformation und nach dessen Hinrichtung in Flandern keine offizielle Ehrung zuteil wurde und sein großer Anteil an den nun vorgelegten Bibelübersetzungen so weit wie möglich verschwiegen wurde. Tyndales Rolle war und blieb daher die eines Reformators von unten, den die Obrigkeit zunächst offen verfolgte, dem sie aber auch im Nachhinein mit gehöriger Skepsis begegnete.13 Gleichwohl hat er nicht nur für die Übersetzung der Bibel wichtige Marksteine geliefert, sondern auch für deren Auslegung und Interpretation. Und wie sich seine Übersetzung in den nach seinem Tod aufgelegten Bibelausgaben großer Konjunktur erfreuen sollte, fiel auch seine Auslegung der Heiligen Schrift in vielen Fällen auf fruchtbaren Boden. Um grundsätzliche Deutungsangebote zum Verständnis der Heiligen Schrift vorzulegen, bediente er sich dabei, hierin Luther vergleichbar, der Gattung der kommentierenden Einleitung, in der er den jeweiligen Stellenwert und die Bedeutung der einzelnen übersetzten Bücher hervorhob.14 Die

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Paul L. Hughes/James F. Larkin, Tudor Royal Proclamations, 3 Bde., New Haven/London 1969, Bd. 1, Nr. 200, S. 296–298. The Holie Bible, Conteynnyng the Olde Testament and the Newe, London 1568. Vgl. John N. King, Tudor Royal Iconography. Literature and Art in an Age of Religious Crisis, Princeton 1989, S. 95 f., S. 105–108 und S. 233–236. Vgl. hierzu Stephen Gardiner, De Vera Obedientia, London 1535, Fol. 33v–34r. Noch im Jahr 1546 war die Verbreitung sowie die Lektüre der Schriften Tyndales unter Strafe gestellt worden; A Proclamation Devised by the Kinges Hyghnes, with Athduise of his Most Honorable Counsell, to Avoide and Abolish suche Englishe Bokkes, as Containe Pernicious and Detestable Errours and Heresies; Steele, A Bibliography, Bd. 1, S. 295. Tyndale verdankt seinen Nachruhm insbesondere der Popularisierung seiner Stellung als Märtyrer für den wahren Glauben, wie sie in Foxes Book of Martyrs erfolgte. So zeigt ein Holzschnitt den Reformator auf der Richtstätte und gibt seine letzten Worte wieder: „Lorde open the Kyng of Englandes eyes“; John Foxe, Acts and Monuments, London 1563, S. 519; Zur Martyrologie im 16. Jahrhundert allgemein jetzt Peter Burschel, Sterben und Unsterblichkeit. Zur Kultur des Martyriums in der frühen Neuzeit, München 2004. Jenkins/Preston, Biblical Scholarship, S. 112.

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in diesen Vorreden getroffenen Aussagen weichen aber von Martin Luther in zumindest zwei für den politischen Biblizismus in den Folgejahren entscheidenden Punkten ab, wie insbesondere aus seiner Vorrede zum Pentateuch hervorgeht, in der vom generellen Umgang mit der Heiligen Schrift die Rede ist.15 Zum einen spricht Tyndale dem Alten Testament und dem darin entfalteten Gesetz Gottes eine auch für Christen zentrale Bedeutung zu. Für ihn ist das Alte Testament nicht, wie für Luther, „der Jüden Sachsenspiegel“.16 Das Gesetz sei durch die mit Christus’ Erlösungstod verbundene Gnade nicht aufgehoben, sondern in seinen moralischen Aussagen auch für die Christen Richtschnur und Maßstab des Handelns. Zum anderen rückt Tyndale Gesetzesgehorsam und Gnadenerwartung in ein klares Bedingungsverhältnis: Nur wer die Gesetze Gottes einhält, kann auf die Gnade Gottes hoffen. Dies leitet er aus einer Bundesvorstellung ab, in der Gott seinem Volk das Heilsversprechen nur unter der Bedingung erteilt habe, daß dieses Volk seinen Gesetzen gegenüber gehorsam sei. Dieser Bund sei nach wie vor in Kraft, so Tyndale, erstrecke sich aber seit der Ankunft Christi auf alle Gläubigen, nicht nur auf das Volk der Juden. Auch den Christen bleibe jedoch der notwendige Gehorsam zum moralischen Gesetz Gottes, das im Dekalog seinen klarsten Niederschlag findet, auferlegt, und das Heilsversprechen weiterhin an diese Bedingung gekoppelt.17 Obwohl Tyndale und Heinrich VIII. in religiösen Fragen in den meisten Belangen unterschiedlicher Meinung gewesen sein dürften, teilten sie beide die Auffassung der großen Bedeutung des Alten Testaments für die Religionspolitik ihrer Zeit und der dauerhaften Gültigkeit des göttlichen Gesetzes, wenn auch auf unterschiedliche Art und Weise. So nahm Heinrich zum göttlichen Gesetz Zuflucht, um ein Argument zu erlangen, das ihm die Annullierung der Ehe mit Katharina von Aragon und damit die Eheschließung mit Anne Boleyn ermöglichte. In Levitikus 18,16 ist ausdrücklich verboten, die Frau des eigenen Bruders zur Frau zu nehmen. Die proklamierte Gottesstrafe bei Verstoß gegen dieses Gesetz war die Kinderlosigkeit (Lev 20,21), ein Schicksal, das Heinrich VIII. zumindest an den noch ausstehenden männlichen Thronnachfolger erinnern mochte. Seine Gemahlin Katharina von Aragon war vor der Hochzeit mit 15

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William Tyndale’s Five Books of Moses Called The Pentateuch, hrsg. v. Jacob I. Mombert, Carbondale (Illinois) 1967 [Reprint der Ausgabe von 1930], S. 8: „Seke therfore in the scripture as thou readest it, chefely and above all, the covenantes made betwene god and us. That is to saye; the lawe and comandementes which God commandeth us to do. And then the mercie promised unto all them that submite them selves unto the lawe. For all the promises thorow out the hole scripture do include a covenant. That is: god byndeth him selfe to fulfil that mercie unto the, onlye if thou wilt endeuoure thy selfe to kepe his lawes“. Martin Luther, Eine Unterrichtung, wie sich die Christen in Mosen sollten schicken (1525), in: Ders., Werke. Kritische Gesamtausgabe, Weimar 1883–1986, Bd. 24, S. 2–16, hier S. 9. Vgl. hierzu generell bereits Heinrich Bornkamm, Luther und das Alte Testament, Tübingen 1948. Zum Unterschied im Verständnis des Verhältnisses von Gesetz und Gnade bei Luther und Tyndale vgl. William A. Clebsch, England’s Earliest Protestants 1520–1535, New Haven/London 1964, Kap. 10 und 11. In dieser Deutung folge ich Reventlow, Bibelautorität, S. 187–191.

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Heinrich bereits einige Jahre mit seinem älteren Bruder Arthur verheiratet. Er erklärte sich daher von dem in Levitikus ausgesprochenen Eheverbot persönlich betroffen und deutete damit das in Levitikus enthaltene Ehegesetz auch für Christen als bindend. Der päpstliche Dispens, der ihm seinerzeit trotz dieser Hindernisse die Ehe mit Katharina von Aragon ermöglicht habe, sei eine Anmaßung des römischen Bischofs, da dieser sich ebensowenig wie jeder andere Geistliche über die Gesetze Gottes hinwegsetzen oder diese aufheben dürfe. Um die Ehe mit Katharina von Aragon im Nachhinein aufzulösen und für ungültig und illegitim zu erklären, hatte man dem Gesetz Absolutheitsstatus zuzubilligen und dem Papst jegliche Verfügungs- und Interpretationsgewalt darüber abzusprechen.18 Letzteres war sicherlich ganz im Sinne der neu ausgerufenen Doktrin von der royal supremacy. Die Verabsolutierung einer Ehevorschrift aus dem Pentateuch zu einem dauerhaft bindenden Gesetz sollte jedoch gleichermaßen beachtet werden. War das Alte Testament für Ehefragen in einem prominenten Einzelfall mit großer Öffentlichkeitswirkung zur allein verbindlichen Gesetzgrundlage erklärt worden, so konnte es diese Funktion auch in anderen Belangen einnehmen, nicht zuletzt in politischen Fragen. Nicht nur die Anwälte des Papstes, sondern auch Reformatoren wie Luther und Tyndale hielten die von Heinrich und seinen Mitstreitern vorgelegte Schriftauslegung im Zusammenhang mit der Scheidung von Katharina von Aragon für abwegig. Tyndale ließ es sich nicht nehmen, diese Art des Umgangs mit der Heiligen Schrift als Paradebeispiel für die Korruption des Gotteswortes durch den hohen Klerus anzuprangern, wobei er insbesondere den Kardinal Wolsey als Urheber im Visier hatte.19 Anhand von Dtn 25,5 machte er deutlich, daß sich die abscheuliche Tat, von der in Lev 20,21 die Rede ist, darauf bezieht, dem eigenen Bruder die Frau wegzunehmen, d. h. das Verbot daher nur zu Lebzeiten des Bruders Gültigkeit hat. In Dtn 25,5 wird die Heirat der Witwe des verstorbenen Bruders sogar ausdrücklich verlangt, sofern die vorangegangene Ehe ohne Söhne geblieben sei. Tyndales Traktat bedeutete sicherlich einen Rückschlag für Heinrichs Versuch, Fürsprecher für seine Scheidung auf dem Kontinent zu gewinnen. Gleichwohl blieb diese Deutung von Lev 20,21 das Schlupfloch, um die Ehe mit Anne Boleyn ohne Zustimmung des Papstes doch noch zu ermöglichen.20 18

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So beispielsweise der Tenor der vom König in Auftrag gegebenen, eventuell sogar selbst verfaßten, Disputation über dieses Thema: A Glasse of the Truthe. An Argument by Way of Dialogue, between a Lawyer and a Divine; that the Marriage of Henry VIII. with Catharine of Aragon was Unlawful; and that the Cause Ought to be Heared and Ordered within the Realm, [London] 1532, Fol. A2r: die Argumente zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Ehe seien „onely taken of the scripture of God“. Der Hinweis auf Lev 18–20 findet sich auf Fol. B4r, die universale Gültigkeit dieses Gesetzes wird anschließend dargelegt (Fol. B4r–C2r); zur Frage der königlichen Autorschaft vgl. Kevin Sharpe, Selling the Tudor Monarchy. Authority and Image in Sixteenth-Century England, New Haven/London 2009, S. 104–107. William Tyndale, The Practice of Prelates. Whether the King’s Grace may be Separated from his Queen because she was his Brother’s Wife, Antwerpen 1530. Hierzu ausführlich Scarisbrick, Henry VIII, S. 218–316; ferner Virginia Murphy, The Literature and Propaganda of Henry VIII’s first Divorce, in: Diarmaid MacCulloch (Hrsg.),

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Das Gesetz Gottes, wie es sich im Alten Testament manifestierte, war aber nicht nur prominenter Gegenstand in der Rechtfertigung der Scheidung von Katharina von Aragon. Für die politische Debatte der kommenden Jahrzehnte weit bedeutsamer war die Legitimation der royal supremacy Heinrichs VIII., d. h. der Anspruch des Königs auf Titel und Funktion des head of the church in England. Heinrich leitete seine Suprematie in der englischen Kirche vom Gesetz Gottes ab und sah im Papst mit seinem Anspruch auf die plenitudo potestatis den Usurpator originär königlicher Herrschaftsrechte. Bereits 1515 ließ er verlautbaren, „the kings of England in time past had never have any superior but God alone“.21 Das Gesetz aus dem Jahr 1536 zur Zurückweisung jeglicher Autoritätsansprüche des Papstes über England hielt über die königliche Autorität ausdrücklich fest, daß diese allein die Oberhoheit über England beanspruchen dürfe, da sie von Gott verliehen und ihm zuerkannt sei „by the law of God“.22 Der Bischof von Winchester, Stephen Gardiner, lieferte für dieses Gesetz in seiner Schrift De vera obedientia die Argumente. Dabei betonte er insbesondere die königliche Weisungsgewalt gegenüber dem Klerus und belegte dies mit zahlreichen Beispielen aus dem Alten Testament: Moses’ Autorität gegenüber Aaron, Sauls Todesurteil über Ahimelech (1 Sam 22), Salomons Verbannung Abjatars (1 Kön 2,26) sowie allgemein die Taten König Hiskijas liefern den biblischen Maßstab für Heinrichs Herrschaftsanspruch über die Kirche.23 Die Beispiele dienen Gardiner dabei nicht als Illustration, sondern als Manifestation des als dauerhaft gültig verstandenen Gesetzes Gottes. Das Alte Testament wird damit zum fundierenden Grundtext des königlichen Suprematieanspruchs über die Kirche: „No[n] tam enim confirmationis uim habeat ex divina lege exemplorum multitudo, q[uam] ostentationem. Hoc nanq[ue] interest divina et humana, q[ue] illa constantia, haec vanita[t]i, ac proinde varietati semper sint subiecta. In illis itaq[ue] nunq[ue] no[n] est verum, quod exemplo semel pro vero proditum est. ut ad probandam supremam principum potestatem, atq[ue] authoritatem unius Ezechiae exemplum divina historia testatum, ac nobis commendatum merito suffecisset.“24 Bei Gardiner dienten die alttestamentlichen Könige als Beweismittel für die königliche Herrschaftsgewalt, gleichsam als Präzedenzfälle mit bindender Wir-

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The Reign of Henry VIII. Politics, Policy and Piety, Basingstoke/London 1995, S. 135–158 und S. 277–279. Vgl. Thomas F. Meyer, On the Road to 1534. The Occupation of Tournai and Henry VIII’s Theory of Sovereignity, in: Dale Hoak (Hrsg.), Tudor Political Culture, Cambridge 1995, S. 11–30; John Guy, The Henrician Age, in: John G.A. Pocock (Hrsg.), The Varieties of British Political Thought 1500–1800, Cambridge 1993, S. 13–46, hier S. 24 f. Ein älterer Beitrag stammt von Franklin Le Van Baumer, The Early Tudor Theory of Kingship, New Haven/ London 1940; zuletzt Burgess, British Political Thought, S. 31–43. An Act Extinguishing the Authority of the Bishop of Rome (1536: 28 Henry VIII, c. 10) Stat. Realm III, S. 663–666, hier S. 663. Diese Position wird auch ausführlich vertreten von Stephan Gardiner, Bischof von Winchester; Gardiner, De Vera Obedientia, Fol. 16–18, insbesondere Fol. 17v, 30v–31r. Gardiner, De Vera Obedientia, Fol. 23r. Ebd., Fol. 23r–v.

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kung für England. Die historischen Schriften des Alten Testaments ließen sich aber auch als politisches Musterbuch lesen, das Beispiele für vorbildliches königliches Verhalten bereitstellt und es ermöglicht, sich bewußt in die Tradition alttestamentlicher Könige zu stellen bzw. es Autoren erlaubt, eine solche Nachfolgerschaft zu postulieren. Diese Vorbildrolle der positiv besetzten Herrschaftsgestalten des Alten Testaments hatte bereits Tyndale hervorgehoben. Um diese Lesart zu profilieren, lehnte er die typologische Interpretation, die z. B. Moses als Vorläufer Christi deutete, ausdrücklich ab.25 Moses habe genau wie die alttestamentlichen Könige auch als nachahmenswertes Beispiel für die politische Obrigkeit zu dienen, nicht als historische Vorläufergestalt für das Erscheinen Christi. Ein Anwendungsfall für die Vorbildrolle alttestamentlicher Herrscher war bei der Verwüstung und Plünderung der englischen Klöster gegeben, ein keineswegs populäres Ereignis, das der Legitimation bedurfte.26 Heinrich VIII. bekam dabei die Rolle eines neuen Hosia oder eines Hiskija zugewiesen, die beide als Könige den Götzendienst im Königreich Juda beendeten und damit den alten Bund mit Gott wieder herstellten.27 Sowohl die Auffassung von der Heiligen Schrift als verbindliche Gesetzessammlung als auch als politisches Musterbuch verlieh der Bibel eine bedeutsame Funktion auch und gerade für politische Auseinandersetzungen. Sie bot dem protestantischen Klerus die Möglichkeit, die eigene Erwartungshaltung an den König und seine Entscheidungen in Erinnerung an biblische Normen und Vorbilder zu artikulieren. Und sie ermöglichte es dem König, die eigene Herrschaft in der Tradition und Nachfolge biblischer Herrschergestalten zu inszenieren. Doch zeigte sich bereits in den frühen Jahren des politischen Biblizismus auch dessen Kehrseite für die Legitimität des Monarchen und seiner Kirchenpolitik. Nicht alle waren der Meinung des Oxforder Theologen John Beckinsau, der Heinrich VIII. als Erretter Englands aus der babylonischen Gefangenschaft pries.28 25

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Tyndale’s Five Books, S. 162 [in seiner Vorrede zu Exodus]: „And make not Moses a figure of Christ with Rochestre: but an example unto all princes and to all that are in authoritie, how to rule unto goddes pleasure and unto their neighbours profette.“ Es verwundert kaum, daß Heinrich VIII. für die Abwendung vom Papst die Rolle eines Moses zugeschrieben wurde, der sein Volk aus der ägyptischen Gefangenschaft herausführte; vgl. Catherine Parr, The Lamentacioun of a Sinner, London 1547, Fol. E1r–v. Zur Begleitung dieser Maßnahmen in der Publizistik vgl. Grabes, Das englische Pamphlet, S. 13–15. Die mangelnde Popularität dieser Maßnahme zeigte sich insbesondere an einer Kette von Aufständen; vgl. Haigh, English Reformations, S. 143–151; Madeleine Hope Dodds/ Ruth Dodds, The Pilgrimage of Grace 1536–1537 and the Exeter Conspiracy 1538, 2. Bde., 1971; A. Kreider, English Chanteries. The Road to Dissolution, Cambridge (Mass.) 1979; Michael L. Bush, The Pilgrimage of Grace. A Study of the Rebel Armies of October 1536, Manchester 1996. Vgl. hierzu Bernard, The Making of Religious Policy, S. 330; Letters and Papers, Foreign and Domestic, of the Reign of Henry VIII, hrsg. v. John S. Brewer u. a., 22 Bde., London 1862–1932, Bd. 14/1, S. 402. Zu weiteren Adaptionen biblischer Herscher vgl. King, Tudor Royal Iconography, S. 73 f.; S. 76–81 (als David); S. 81–88 (als Salomon), und, reichlich bizarr, als Judith S. 219 Anm. 62. John Beckinsau, De Suprema et Absoluto Regis Imperio, London 1546.

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Kritik kam insbesondere von denjenigen Protestanten, die England nur wenige Jahre nach dem Bruch mit Rom aus Furcht vor Verfolgung erneut den Rücken zukehrten. Wenn der Exilant William Turner Heinrich VIII. dazu auffordert, den Pharao zu verlassen und das Volk aus der ägyptischen Gefangenschaft zu befreien, so trifft er damit ein kritisches Urteil über den Zustand der englischen Kirche.29 Sie sei seiner Meinung zufolge nach wie vor nicht reformiert, sondern in vielen Dingen in irrtümlichen Traditionen gefangen, die sich letztlich päpstlichen Irrtümern verdankten.30 Dies bezog Turner zum einen auf die fortdauernde Geltung des kanonischen Rechts, das er durch die Heilige Schrift ersetzt sehen wollte. Zum anderen sah er insbesondere auf dem Feld der Liturgie weiterhin „the popes doctrine and traditiones“ am Werk.31 Die Schuld am Fortbestand papistischer Irrtümer schob Turner den Bischöfen zu, insbesondere Stephen Gardiner.32 Damit stand Turner in der Tradition Tyndales, die beide in den englischen Bischöfen eher Anwälte des Papstes erblickten als Vorreiter und Garanten der Reformation.33 Auch die Hinwendung zum Protestantismus unter Eduard VI. und später unter Elisabeth I. sollte übigens die Steine des Anstoßes nicht beseitigen. Das kanonische Recht blieb bis zum Bürgerkrieg die gültige Rechtsgrundlage für kirchliche Belange, die bischöfliche Jurisdiktionsgewalt blieb gleichfalls unangetastet. Und in der Liturgie bestanden zahlreiche Zeichen und Riten der alten Messe unverändert fort. Die Zuweisung biblischer Herrscherrollen als anempfohlene Vorbilder für den regierenden König hatte daher stets eine ambivalente Wirkung: Entsprach der Herrscher der mit den Vorbildern verknüpften politischen Agenda, konnte er als zweiter Moses, David oder Hosia gepriesen werden. Blieb er indes hinter der Erwartung zurück oder arbeitete er ihr gar entgegen, wie es im Falle Heinrichs VIII. bei den Forderungen nach einer durchgreifenden Reformation der Fall war, so lieferte er sich dem Vorwurf aus, mit dem Pharao mehr gemeinsam zu haben als mit Moses, um im Bild zu bleiben.34 Diese Ambivalenz war ebenfalls gegeben, wenn man den Herrscher vor dem Hintergrund apokalyptischer Endzeiterwartung beurteilte. Dies zeigt ein Blick auf John Bales monumentales Werk über The Image of Both Churches, das dieser 29

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William Turner, The Huntyng and Fyndyng out of the Romyshe Foxe, 2. Aufl. Antwerpen 1544, Fol. E4r: „So learned men whom the kyng apoynted to delyver hys subiectis from the bondage of the Romish Pharao the pope ought to have sweped the chirch & dryven quite out of it all that ever any pope had made“. Ebd., Fol. B2v–B3r. Ebd., Fol. A7r–B3v; Vgl. auch Reventlow, Bibelautorität, S. 194–197. Whitney R. D. Jones, Art. William Turner (1509/10–1568), Naturalist and Religious Controversialist, in: ODNB 55 (2004), S. 674–677. Mitstreiter Turners war vor allem John Bale, Epistle Exhortatorye of an English Christiane unto his Derelye Beloved Contreye of Englande against the Pompouse Bysshoppes therof as yet the True Members of theyr Fylthye Father the Great Antichrist of Rome, Antwerpen 1544. Vgl. ferner für die Herrschaftskritik von katholischer Seite T.F. Mayer, Nursery of Resistance: Reginald Pole and his Friends, in: Ders./Paul A. Fideler (Hrsg.), Political Thought and the Tudor Commonwealth, London 1992, S. 50–74.

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1545 im Exil verfaßte.35 Bale legte mit dieser Schrift den ersten vollständigen Kommentar zur Johannesoffenbarung in englischer Sprache vor. Die Kirchengeschichte erscheint hier als ein kontinuierlicher Kampf zwischen der wahren Kirche, die sich auf die Schrift und auf Christus gründe, und der falschen Kirche, in der der Papst als Diener des Antichristen die Herrschaft übernommen habe. Die sieben Zeitalter dieses Kampfes – in der Offenbarung dargestellt im Erschallen der sieben Posaunen, der Öffnung der sieben Siegel und den sieben Schalen des Zorns – spiegelten in Bales Augen den bisherigen Verlauf der englischen Kirchengeschichte wider, angefangen von dem Idealzustand der wahren Kirche in apostolischer Zeit, der jedoch bald der päpstlichen Herrschaftsanmaßung Platz machen mußte und die Kirche zu einem Werkzeug des Antichristen werden ließ.36 Zeugen der wahren Kirche, wie sie Bale in John Wyclif und William Tyndale erblickte, fielen daher der Verfolgung zum Opfer.37 Das in der Offenbarung angekündigte Strafgericht gegen Babylon verhieß für die Zukunft allerdings Rettung. Um dieser Rettung teilhaftig zu werden, müsse die englische Kirche jedoch zuerst ihren Status als „true church“ wiedererlangen und alle Elemente Babylons aus ihrer Mitte entfernen. Heinrichs VIII. konservative Kirchenpolitik und seine Weigerung, eine tiefgreifende Reformation in England durchzuführen, bot in Bales Augen dem apokalyptischen Untier die Chance auf Wiedergenesung, nachdem es durch die Abwendung Heinrichs von Rom schwer verwundet worden sei.38 Bales Deutung der Kirchengeschichte aus englischem Blickwinkel sollte bis weit über den Tod Heinrichs VIII. hinaus ein Narrativ für die Beurteilung der Religions- und Kirchenpolitik in England bereitstellen. Die fortdauernde Bedeutsamkeit des Traktats zeigt sich bereits in den weiteren Auflagen.39 Zwar war unter den protestantischen Königen Eduard VI. und Elisabeth I. die Gefahr eines wiedererstarkenden Antichristen vorerst aus England gebannt. Die Kirchenpolitik der Tudors und Stuarts bot Kritikern aber stets die Möglichkeit, die Deutung Bales zu reaktivieren und die Zukunft Englands bei Bedarf in apokalyptischen Farben zu malen. 35

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John Bale, The Image of Bothe Churches after the Moste Wonderfull and Heavenly Revelacion of Sainct Iohn the Evangelist, Contayning a Very Frutefull Exposicion or Paraphrase upon the same, London [1548]. Zu Bales Werdegang vgl. John N. King, Art. John Bale (1495–1563), Bishop of Ossory, Evangelical Polemicist, and Historian, in ODNB 3 (2004), S. 482–486; Ders., English Reformation Literature. The Tudor Origins of the Protestant Tradition, Princeton 1982, S. 56–75. Von der Breitenwirkung und der Popularität von Bales aktualisierender Auslegung der Johannesoffenbarung zeugen vier Auflagen des Werkes von 1545 bis 1550; Leslie P. Fairfield, John Bale. Mythmaker for the English Reformation, West Lafayette (Ind.) 1976, S. 86 f. Hierzu im einzelnen Fairfield, John Bale, S. 75–79. Vgl. hierzu auch King, English Reformation Literature, S. 70 f. Capp, Political Dimension, S. 95. Zur Popularisierung des von Bale etablierten Kirchenverständnisses und damit zur dauerhaften Verankerung im kulturellen Gedächtnis Englands trug John Foxe’ Book of Martyrs entscheidend bei; vgl. John N. King, Foxe’s Book of Martyrs and Early Modern Print Culture, Cambridge 2006, S. 37 f. Weitere Auflagen gab es 1549, 1550 und 1570.

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b) Die Reformation unter Eduard VI Durch die Weigerung Heinrichs VIII., die Reformation in England voranzutreiben und sich mit diesem Schritt eindeutig auf die Seite der anderen protestantischen Staaten zu stellen, richteten sich alle diesbezüglichen Hoffnungen auf den jungen Thronnachfolger, Eduard VI. Dies brachte auch Thomas Cranmer, Erzbischof von Canterbury, 1547 anläßlich der Krönung des zehnjährigen Eduards VI. in seiner Krönungspredigt mit den Mitteln der Schriftauslegung zum Ausdruck. Er konfrontierte den jungen König mit einer Troika vorbildlicher Könige des Alten Testaments: „The error of idolatry was so spread abroad that not only the unlearned people, but also the priests and teachers of the people… were corrupted … until three noble kings, Jehosaphat, Ezekias and Hosias, God’s elect ministers, destroyed the same clearly, and reduced the people from their feigned inventions unto the very commandements of God.“40 Die drei Könige bekamen ihren Status als Musterkönige bereits in den Schriften des Alten Testaments zugewiesen, da sie den Götzendienst beendeten und den Bund mit Gott wiederherstellten. Es bedarf keiner großen Phantasie, um in diesem Beispiel den Wunsch nach einer Reformation der englischen Kirche zu erkennen, wo die dogmatischen und liturgischen Traditionsbestände der alten Kirche den Götzendienst repräsentierten, den es auszumerzen gelte, und der erneuerte Bund mit Gott ein Sinnbild darstellte für die Reformation der Kirche auf der Grundlage der Heiligen Schrift.41 Die Eduard VI. von Cranmer anempfohlene Rolle des Hosia stattete den König automatisch mit einer Agenda aus und verlieh seiner Herrschaftszeit eine Mission: „a second Josiah sent to reform to see God truly worshipped, and idolatry destroyed, the tyrannyof the bishop of Rome banished from your subjects and images removed“.42 Eduard VI. machte sich das Anliegen der Reformation zu eigen.43 Damit sicherte er sich zugleich einen Platz in der kollektiven Memoria des Landes als „young Josiah“, d. h. als Verkörperung desjenigen Königs, den Cranmer ihm als Vorbild vor Augen stellte.44 40 41

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Thomas Cranmer, Coronation Speech, in: Miscellaneous Writings and Letters of Archbishop Cranmer, Martyr 1556, hrsg. v. John Edmund Cox, Cambridge 1846, S. 126 f. Vgl. hierzu Christopher J. Bradshaw, David or Josiah? Old Testament Kings as Exemplars in Edwardian Religious Polemic, in: Bruce Gordon (Hrsg.), Protestant History and Identity in Sixteenth-Century Europe, Bd. 2: The Later Reformation, Aldershot 1996, S. 77–90. Cranmer, Coronation, S. 126 f. MacCulloch, Thomas Cranmer, Kap. 3; Ders., Tudor Church Militant, Kap. 2. Dieses Bild festigte sich bereits zu Lebzeiten; vgl. Sharpe, Selling the Tudor Monarchy, S. 212–219. Bei der posthumen Glorifizierung der Edwardianischen Reformation war John Foxe Book of Martyrs von entscheidender Bedeutung; vgl. nur die ikonographische Darstellung der Regierungszeit Eduards VI. zu Beginn des neunten Buches; vgl. hierzu King, Foxe’s Book of Martyrs, S. 164–166. Zum Weiterleben dieses Bildes vgl. nur exemplarisch Richard Bernard, The Seaven Golden Candlestickes, London 1621, Fol. E6r: „The first King, that was but a child, and yet set up the true Worship of God, and banished Popery out of his Kingdome was our King Edward the Sixt, that noble Prince, a very Josiah, full of the love and the zeale of his God“. Ferner King, English Reformation Literature, S. 161, 177, 185 f., 426, 439.

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Ein ähnliches Ziel wie Thomas Cranmer mit seiner Predigt scheint auch Martin Bucer anzustreben, der seit 1549 auf Einladung Cranmers in England im Exil weilte.45 Bucer hielt die englische Kirche ebenso wie Cranmer für stark reformbedürftig und legte über die Gründe und die Ziele einer solchen Reform im Jahr 1550 mit De regno Christi seine umfassendste theologische Schrift vor, die er an König Eduard VI. adressierte.46 Bucers Reformprogramm umspannte alle Lebensbereiche und politischen Ordnungsfelder und war letztlich darauf gerichtet, das Königreich Christi auf Erden zu ermöglichen. Der König unterwerfe sich im Falle eines tugendhaften Regiments der Herrschaft Christi, mache sich deren Normen zu eigen und bemühe sich um deren möglichst vollständige Umsetzung.47 Ziel war nicht weniger als die Ordnung des englischen Gemeinwesens nach den Prinzipien der Heiligen Schrift.48 Dies war die Aufgabe, die Martin Bucer in der Tradition der vorbildlichen Könige des Alten Testaments der christlichen Obrigkeit allgemein und insbesondere Eduard VI. von England auferlegte.49 Nun ist sich die Forschung zwar einig darin, daß von Bucers De regno Christi keinerlei unmittelbare Wirkung auf England ausging.50 Der Masterplan zur vollständigen Durchsetzung der Reformation blieb Manuskript, und insbesondere der kurz nach Fertigstellung eingetretene Tod Bucers beraubte die Schrift jeglicher Wirkung.51 Mittelfristig dürfte der Traktat indes einige Resonanz gefunden haben. So war Bucer in Cambridge in ein Netzwerk von Personen integriert, die unter Elisabeth die führenden Positionen in der Kirche einnehmen sollten, unter ihnen die späteren Erzbischöfe von Canterbury, Matthew Parker und Edmund Grindal, sowie Roger Asham, Tutor der zukünftigen Königin.52 In den mitunter 45 46

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Vgl. zum Exil in England Martin Greschat, Martin Bucer. Ein Reformator und seine Zeit (1491–1551), München 1990, S. 246–256. Martin Bucer, De Regno Christi Libri Duo, 1550, hrsg. v. François Wendel (Opera omnia, 2,15), Gütersloh 1955; Andreas Gäumann, Reich Christi und Obrigkeit. Eine Studie zum reformatorischen Denken und Handeln Martin Bucers, Bern u. a. 2001; Marijn de Kroon, Studien zu Martin Bucers Obrigkeitsverständnis. Evangelisches Ethos und politisches Engagement, Gütersloh 1984; Greschat, Martin Bucer. Bucer, De Regno, S. 14: „sicut se regnum Christi regnis et potestatibus subiicit mundi: sic contra omne verum mundi regnum (regnum dico, non tyrannidem) subiicit se regno Christi, et reges ipsi cum primis, ut pietatem non colere tantum pro se, sed etiam ad eam subditos adducere studeant.“ Bucer, De Regno, S. 3 (Vorrede); zum Begriff der Ordnung als Fundamentalkategorie bei Bucer vgl. de Kroon, Studien, S. 27. Eine solche Ermunterung Eduards VI. gab es auch von Jean Calvin; vgl. Jean Calvin, Commentaires sur le Prophete Isaïe (1552), Fol. 2r–5r. Bucer, De Regno, S. 98–102. In der Aufzählung finden sich die Könige David, Salomon, Asa, Hiskija, Hosia und Nehemiah; vgl. ferner Reventlow, Bibelautorität, S. 233–235. Jan-Dirk Müller, Martin Bucer: De regno Christi. Die frühneuzeitliche Monarchie als Gottesstaat – gezähmte Pluralisierung?, in: Mitteilungen des SFB 573: Pluralisierung und Autorität in der Frühen Neuzeit (15.–17. Jahrhundert) Heft 2 (2007), S. 6–12; hier S. 6; Greschat, Martin Bucer, S. 252. Die Schrift wurde erstmals 1557 in Basel gedruckt. Vgl. Gäumann, Reich Christi, S. 123 Anm. 282 mit Verweis auf die ältere Literatur. Zur Frage der Wirkungsgeschichte Patrick Collinson, The Reformer and the Archbishop: Martin Bucer and an English Bucerian, in: Ders., Godly People. Essays on English Protestantism and

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hitzig geführten Debatten um die äußere Gestalt der Kirche sowie über die vermeintlich fortdauernde Notwendigkeit einer Reformation während ihrer Regierungszeit beriefen sich sowohl die Anhänger der etablierten Kirche als auch deren Kritiker auf Bucers Vorstellung vom regnum Christi. Martin Bucers Auffassung vom regnum Christi gründete sich auf Positionen, von denen sich bereits Tyndale und andere englische Theologen leiten ließen, die aber scharf kontrastierten mit Luthers theologischen Vorstellungen. Dies betrifft insbesondere die dem Alten Testament und dem darin enthaltenen Gottesgesetz zugeschriebene Bedeutung. Das im Alten Testament verkündete ius divinum beansprucht in Bucers Verständnis ebenso dauerhafte Gültigkeit wie der zwischen Gott und den Menschen geschlossene Bund, der die Heilserwartung an die Gesetzestreue und den Gehorsam seines Volkes bindet und durch den Gnadenbund bekräftigt, keinesfalls aber aufhebt.53 Die im Deuteronomium niedergelegten Normen stellten daher in Bucers Augen auch für die Christen bindende Gesetze dar, sofern man sie den äußerlichen, zeitgebundenen Umständen entkleidet und ihren spirituellen Kern erfaßt.54 Daher berief er sich auch in der Frage der Heiligung des Sonntages, dem sogenannten Sabbatgebot, auf die im Deuteronomium enthaltenen Bestimmungen, ebenso in der Frage des Umgangs mit Ehebrechern, Gotteslästerern etc.55 Und in der Frage nach der äußeren Gestalt der Kirche weist Bucer den diesbezüglichen Aussagen im Alten wie im Neuen Testament gleichsam Gesetzescharakter zu. Damit ist Bucer stärker als andere protestantische Theologen bereit, auch manchen Zeremonialgesetzen des Alten Bundes eine fortdauernde Verbindlichkeit zuzugestehen und dies nicht von vornherein auf das moralische Gesetz zu beschränken. Ferner sind diese Bestimmungen Bucer zufolge nicht nur für das kirchliche Leben die verbindliche Grundlage, sondern für das Recht insgesamt, da das ius divinum vom Naturrecht nicht unterschieden werden könne.56 Bucers Ideal ist unverkennbar das einer Theokratie.57 Das weltliche Leben solle vollständig gemäß der im Gesetz offenbarten Normen Gottes geordnet sein. Von

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Puritanism, London 1983, S. 19–44; Basil Hall, Martin Bucer in England, in: Martin Bucer, Reforming Church and Community, hrsg. v. David F. Wright, Cambridge 1994, S. 144–160. Zum Gesetz Bucer, De Regno, S. 199; zur Bundesidee vgl. Gäumann, Reich Christi, S. 207–211; ferner Reventlow, Bibelautorität, S. 140–145; de Kroon, Studien, S. 29–36. Vgl. hierzu Gäumann, Reich Christi, S. 201–222, v. a. S. 214 f. Bucer, De Regno, S. 80–84: „Hancque sabbati religionem sic sanciuit, ut excindi de populo suo et lapidari eos iusserit, qui eam uiolassent [Ex 31,14–15; 35, 2]. Et merito quidem, fide enim in Deum vivimus [Hab. 2,4].“ Vgl. ferner Reventlow, Bibelautorität, S. 159 f. Bucer, De Regno, S. 268: „Haec iuris sunt naturae, non tantum Evangelii, quod tamen in Serenissimae Maiestatis Tuae regno omnes profitentur“. Um die Allgemeinverbindlichkeit zu unterstreichen, beruft er sich bei dieser Aussage bezeichnenderweise auf Cic. De officiis III, 5–6. Vgl. abweichend Müller, Martin Bucer, S. 8. Müller geht davon aus, daß Bucer ein einziges politisches System kenne, das im regnum Christi vorgezeichnet sei und das Maß aller regna verkörpere, um dann auf überraschende Weise zu schlußfolgern: „Das bedeutet freilich keine theokratische Begründung des weltlichen Staats“.

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diesem biblisch fundierten Normenkanon abweichende Wert- und Verhaltensmaßstäbe werden als Abweichung vom vorgeschriebenen Weg verdammt. Die Obrigkeit hat für die konsequente Umsetzung des göttlich fundierten Ordnungsrahmens ihre Herrschaftsmittel einzusetzen.58 Eine Politik jenseits dieser Zielvorgabe wird weder als notwendig noch als wünschenswert angesehen. Zwar kennt auch Bucer das weltliche und das geistliche Regiment. Die vollständige Verpflichtung beider Regimenter auf dasselbe Ziel hebt diesen Unterschied aber wieder weitgehend auf. Beide Regimenter unterscheiden sich allein in den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln, das Ziel zu erreichen: Predigt und Exkommunikation im Falle des geistlichen Regiments, Gesetzgebung und das Schwert im Falle des weltlichen Regiments. Diese Differenz erscheint aber nebensächlich, da sich der Begriff der Theokratie sinnvoll nur vom jeweils verbindlichen Normensystem ableiten läßt, nicht aber von dabei eingesetzten Mitteln. Sofern politische Handlungen jenseits eines von Gott hergeleiteten Normensystems über keinerlei Legitimation verfügen, ist eine solche Herrschaftsordnung ihrem Wesen nach theokratisch. Welcher politische Handlungsraum blieb in diesem theokratischen Ordnungsmodell dem König? Zum einen bedeutete eine Durchführung von Bucers Reformprogramm eine Ausweitung der Aufgaben sowie der Kompetenzen der Obrigkeit.59 Der König sei zuständig sowohl für die Kirche und deren Regiment als auch für die Lebensführung seiner Untertanen. Zum anderen aber war der Obrigkeit die politische Ausrichtung ihres Engagements weitgehend entzogen, da sich aus der Unterordnung unter das Königreich Christi auch das umzusetzende Programm ableiten ließ. Insbesondere das umfassende Gesetzesverständnis Bucers rückte den König in die Rolle eines Aufsehers über die vollständige Einhaltung der in der Bibel zugrundegelegten göttlichen Normen. Eine eigenständige gesetzgeberische Tätigkeit sowie politische Entscheidungen jenseits der bloßen Durchsetzung des ius divinum war jedoch nur dann mit Bucers Ordnungsmodell zu vereinbaren, sofern dies das göttliche Gesetz nicht tangierte. Bucers Idealvorstellung einer Theokratie wies der Obrigkeit eine prominente Rolle als oberstem Verfechter des regnum Christi zu. Sein politisches Ordnungsverständnis war indes zunächst keineswegs auf die Monarchie fokussiert. Während seiner langjährigen Tätigkeit in Straßburg war er ein Befürworter des städtischen Regiments. Gegenüber der Monarchie äußerte er in dieser Zeit durchaus Vorbehalte.60 Auch hier diente ihm das Alte Testament als Beurteilungsmaßstab, da die meisten in den historischen Schriften überlieferten Könige Israels und Ju58 59

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Bucer, De Regno, S. 6–20. Völlig überstrapaziert wird dieser Aspekt bei Thomas Dandelet, Creating a Protestant Constantine. Martin Bucer’s De Regno Christi and the Foundations of English Imperial Political Theology, in: Christopher Ocker u. a. (Hrsg.), Politics and Reformations: Communities, Polities, Nations and Empires. Essays in Honor of Thomas A. Brady jr., Leiden/Boston 2007, S. 539–550, der Bucer als Ideengeber für eine „caesaropapistische Königsherrschaft“ in England ansieht, wie sie Elisabeth I. und Jakob I. dann auch faktisch innegehabt hätten (S. 541). Vgl. hierzu Gäumann, Reich Christi, S. 250 f.

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das schlecht gewesen seien. Das zentrale Argument zur Unterscheidung guter und schlechter Könige war dabei in Bucers Augen das gleiche wie im Fall der historischen Schriften selbst: War der König ein Vorkämpfer für das Gesetz Gottes, oder stand er dessen Normen im Wege? Bucers Interesse war dabei aber nicht prinzipiell auf die politische Staatsform gerichtet. Generell wies er der Obrigkeit die Aufgabe zu, in dienender Funktion die Normen Gottes umzusetzen und deren strikte Einhaltung zu überwachen. In diesem Sinne wies Bucer dem englischen König Eduard VI. die Rolle des Reformators Englands zu. Die Königsherrschaft sah Bucer nicht prinzipiell als Konkurrenz zur Herrschaft Gottes.61 Vielmehr hatte er ihr im Rahmen dieser Herrschaft eine tragende Funktion zuerkannt. Damit war die Legitimität des Monarchen jedoch zugleich eng an die Erfüllung der ihm zugeschriebenen Funktion gebunden. Ein König, dessen politisches Handeln nicht mit den Zielen des regnum Christi in Übereinstimmung stehe, sei ein Tyrann, so Bucer.62 Und eine Gesellschaft, die von den vorgezeichneten Bahnen des regnum Christi abweiche, habe mit Gottesstrafen zu rechnen, wozu Bucer die Türkenbedrohung ebenso zählte wie die Teuerung und die Pest.63 Um diesem göttlichen Strafgericht zu entgehen, helfe ausschließlich Buße und Umkehr. Die Obrigkeit stünde dabei besonders in der Pflicht. In seiner an König Eduard VI. adressierten Schrift De regno Christi enthielt sich Bucer verständlicherweise jeglicher Kommentare über das Widerstandsrecht, sondern betonte statt dessen das Gehorsamsgebot für alle Christen.64 Seine in Straßburg entwickelte Position zum Widerstandsrecht ließ sich auf die politischen Verhältnisse in England ohnehin nicht einfach übertragen. So sah Bucer die Herrschaftsträger des Reiches auch dann zur Durchführung der Reformation berechtigt, falls der Kaiser sich diesem Ansinnen verweigern sollte, und billigte den Fürsten auch das Recht zu, die Reformation notfalls mit Waffengewalt gegen den Kaiser zu verteidigen.65 Diese Position fußt jedoch wesentlich auf der Voraussetzung, daß die Fürsten ihrerseits die Obrigkeit verkörpern und damit den Schutz ihrer Untertanen zu gewährleisten hätten. Eine solche Obrigkeit unterhalb des Königs war in England jedoch nicht gegeben.66 Und da Bucer seine Agenda dem 61

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Nicht die Staatsform ist entscheidend, sondern die Treue zur lex dei. Daher gehen alle Versuche ins Leere, aus Bucer den Prototyp eines protestantischen Republikaners machen zu wollen; Vgl. zu diesem Deutungsansatz Hans Baron, Calvinist Republicanism and its Historical Roots, in: Church History 8 (1939), S. 30–42. Bucer, De Regno, S. 14. Ebd., S. 42; allg. Gäumann, Reich Christi, S. 207–211. Bucer, De Regno, S. 14, unter Verweis auf die üblichen Referenzen: 1 Petr 2 und Röm 13. Gäumann, Reich Christi S. 254–256. Vgl. zum allgemeinen Kontext auch die gleichlautende Auffassung der Wittenberger Theologen; Eike Wolgast, Die Wittenberger Theologie und die Politik der evangelischen Stände. Studien zu Luthers Gutachten in politischen Fragen, Gütersloh 1977; Heinz Scheible (Hrsg.), Das Widerstandsrecht als Problem der deutschen Protestanten 1523–1546, Gütersloh 1969. Zu diesem Unterschied insbesondere Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, Kap. C I.

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englischen König vorstellen konnte und dieser sich dem Ziel einer Reformation gleichfalls verpflichtet fühlte, bestand für den Theologen keinerlei Anlaß, seine Konzeption des Widerstandsrechts in England erneut vorzubringen. c) Radikalisierung im Exil: Königsherrschaft und Widerstandsrecht Die Frage nach dem Widerstandsrecht stellte sich für die protestantischen Geistlichen erst, als Maria Tudor die Reformation rückgängig machte und das regnum Christi für die protestantischen Geistlichen in England in unerreichbare Ferne zu rücken schien. Die protestantischen Theologen sahen sich durch die Obrigkeit verfolgt, zahlreiche Protestanten retteten sich ins Exil. Von dort aus sahen sie ohnmächtig den politischen Ereignissen in England zu. Ihre Machtlosigkeit kompensierten einige Geistliche durch die Radikalität, mit der sie die katholische Königin Englands fortan in ihren Schriften attackierten.67 Anhand der unterschiedlichen Positionen dreier prominenter Vertreter des Widerstandsrechts gegen die regierende englische Königin läßt sich aufzeigen, inwiefern diese Widerstandsrechtsargumentation mit den bereits in England vorliegenden Grundpositionen zur Reichweite des Alten Testaments und der Gültigkeit der alttestamentlich festgeschriebenen lex dei konvergierten und wo neue Wege biblizistischer Argumentation beschritten wurden.68 An John Knox und seinen zahlreichen im Exil entstandenen Schriften wird besonders anschaulich, wie sich im Laufe nur weniger Jahre von 1554 bis 1558 diese Radikalisierung vollzog. Seine ersten Wortmeldungen aus dem Exil lesen sich zunächst noch wie eine Zusammenfassung der im protestantischen England Eduards VI. etablierten Glaubensauffassung. Aus seinem sicheren Exil in Dièppe wandte er sich in einem Godly Letter of warning or admonition to the faithful in London, Newcastle and Berwick an die in England verbliebenen protestantischen Geistlichen. Er rief seine Glaubensbrüder dazu auf, den protestantischen Glau67 68

Dan G. Danner, Pilgrimage to Puritanism. History and Theology of the Marian Exiles at Geneva, 1550–1560, New York u. a. 1999. Allgemein vgl. Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt; Ders (Hrsg.), Widerstandsrecht in der Frühen Neuzeit. Erträge und Perspektiven der Forschung im deutschbritischen Vergleich (ZHF, Beih. 26), Berlin 2001; Ders., Welche Wegscheide in die Neuzeit? Widerstandsrecht, „Gemeiner Mann“ und konfessioneller Landespatriotismus zwischen „Münster“ und „Magdeburg“, in: HZ 27 (2000), S. 561–616; Luise Schorn-Schütte, Politische Kommunikation in der frühen Neuzeit: Obrigkeitskritik im Alten Reich, in: GG 32 (2006), S. 273–314; Dies., Obrigkeitskritik und Widerstandsrecht. Die politica christiana als Legitimitätsgrundlage, in: Dies., Aspekte der politischen Kommunikation, S. 195–232; Eberhard Isenmann, Widerstandsrecht und Verfassung in Spätmittelalter und früher Neuzeit, in: Helmut Neuhaus/Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Menschen und Strukturen in der Geschichte Alteuropas, FS für Johannes Kunisch (Historische Forschungen, 73), Berlin 2002, S. 37–69; Eike Wolgast, Die Religionsfrage als Problem des Widerstandsrechts im 16. Jahrhundert, Heidelberg 1980; Winfried Schulze, Zwingli, lutherisches Widerstandsdenken, monarchomachischer Widerstand, in: Peter Blicke/Andreas Lindt/Alfred Schindler (Hrsg.), Zwingli und Europa. Referate und Protokoll des Internationalen Kongresses aus Anlaß des 500. Geburtstages von Huldrych Zwingli, Zürich 1985, S. 199–216.

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ben trotz der in Schottland und neuerdings auch in England regierenden katholischen Königsherrschaft nicht aufs Spiel zu setzen – und ihn trotz aller Gefahren weiterhin zu verkünden.69 Insbesondere sollten sich die Gläubigen fernhalten von jeder Form des Irrglaubens. Irrglauben und Götzendienst war John Knox zufolge alles, was nicht ausdrücklich durch den Text der Heiligen Schrift gedeckt sei.70 Zugleich waren düstere Warnungen über die sicher drohende Gottesstrafe als Antwort auf Irrglauben und Götzendienst fester Bestandteil seiner Schriften.71 Die Gewißheit des kommenden Strafgerichts leitete er aus folgenden Argumenten ab: “1. the plane treuth of Godis Word; 2. the invincibill justice of the everlasting God; and 3. the ordinarie course of his punishmentis and plagues from the begynning“.72 Letztlich fußte Knox’ Prophezeiung kommenden Unheils für England auf zwei argumentativen Voraussetzungen. Zum einen bedurfte es der Gültigkeit der im Alten Testament enthaltenen lex dei.73 Zum anderen resultierte aus der Annahme 69

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Dies war laut Knox schon für das Seelenheil der Protestanten erforderlich, wie er mit einem Verweis auf Ez 33, 8 verdeutlicht; David Laing (Hrsg.), The Works of John Knox, 6 Bde., Edinburgh 1895, ND New York 1966, hier Bd. 3, S. 168. Diese Bestimmung von „idolatry“ fand – evt. durch Knox als Autor neben John Spottiswoode, John Douglas, John Willock, John Winram und John Row – auch Eingang in das schottische „Book of Discipline“. Idolatry sei „all honouring of God not contained in his holy Word“; vgl. Richard L. Greaves, Theology and Revolution in the Scottish Reformation. Studies in the Thought of John Knox, Grand Rapids (Mich.) 1980, S. 6 f. Calvin hielt diese Bestimmung für zu apodiktisch und ließ manche liturgischen Bestandteile des Gottesdienstes auch dann gelten, wenn sie keine Erwähnung in der Bibel fänden; Laing, Knox, Bd. 6, S. 123 f. Zu den Auswirkungen dieser strikt biblizistisch fundierten Auslegung des Begriffes idolatry im Streit um die englische und schottische Kirchenverfassung s. ferner Kap. II 1 und VI 1. In schönster Bildhaftigkeit formuliert Knox die Konsequenzen des Unglaubens unter Berufung auf Lev 23 und 26 sowie auf Jer 6: „Thair cities salbe brunt, thair land salbe laid waist, thair enemyis sall dwell in thair strangholdis, thair wyffis and thair dochteris salbe defyllit, thair children sall fall in the edge of the sworde; mercie sall thai find none, becaus thai haif refusit the God of all mercie, when lovinglie and lang he called upon thame“; Laing, Knox, Bd. 3, S. 166 f. Laing, Knox, Bd. 3, S. 168. Seine Belegstellen für die drohende Gottesstrafe (Dtn 28 und 29; Jer 5; Am 3) handeln allesamt von göttlicher Strafandrohung bei Ungehorsam gegenüber den göttlichen Geboten. Kyle betont zu Recht, daß Knox’ Selbstinszenierung als Prophet sich nicht auf dessen Anspruch gründe, die Zukunft vorherzusehen, sondern darauf, die Heilige Schrift wahrheitsgemäß auszulegen; Richard G. Kyle, The Hermeneutical Patterns in John Knox’s Use of Scripture, in: Pacific Theological Review 17/3 (1984), S. 19–32, hier S. 29, sowie ders., John Knox’s Methods of Biblical Interpretation: An Important Source of his intellectual Radicalness, in: Journal of Religious Studies 12/2 (1985), S. 57–70, v. a. S. 62 (über „the prophetic hermeneutic“). Laing, Knox, Bd. 3, S. 170: „Prophesies also agains certane Nationis and Citeis, not onlie adjacent to Jerusalem, but also aganis suche as wer fer distant; as aganis Moab, Ammoun, Egypt, Palestina, Tirus, Damascus, and agains Babilone. And, in conclusioun, generall Prophesies wer spokin aganis all inobedient, as in the twenty-fourth chapter of Esay planlie appeiries.“ Und mit Verweis auf Jer 25 und 6 sowie Am 9: „The eyis of the Lord ar upon everie synfull Natioun, to rute it oute of the earth“. Und ferner, unter Bezug auf Jer. 25: „do appertene to everie rebellious pepill, be thai Jew or be thai Gentill; Christianis in titill, or Turkis in professioun. And the ground and assurance of the Prophetis wes the samyn, whilk I haif rehersit to

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dieses Gesetzes im Bundesschluß zwischen Gott und seinem Volk Israel ein TunErgehens-Zusammenhang, der ebenfalls von ihm als zeitlos gültig aufgefaßt wird: Jeder Verstoß gegen die lex dei zieht demnach Gottesstrafen nach sich.74 Die Rückkehr Englands zum Katholizismus stellte für Knox einen so großen Verstoß gegen das Gottesgesetz dar, daß sich daraus die nahende Vernichtung Englands nahezu zwangsläufig ergab. Beunruhigende Parallelen zwischen der biblischen Überlieferung des Alten Testaments und dem politischen Zustand in England kamen hinzu: In beiden Fällen kam es nach der Wiederherstellung des wahren Glaubens durch einen vorbildlichen Herrscher – Hosia alias Eduard VI. – zum Glaubensabfall – unter Manasse bzw. Maria Tudor.75 Hatte einst Jeremias mit Verfolgung zu rechnen, so traf dieses Schicksal unter Maria Tudor die „Minister[s] of God“ als Nachfahren der Propheten.76 Daher sei Knox zufolge auch ein dem Untergang Jerusalems vergleichbares Schicksal von England kaum mehr abzuwenden – sollte die gottgewollte Ordnung nicht bald wiederhergestellt werden.77 Auch die Tatsache, daß die göttliche Verdammnis noch nicht eintrat, läßt Knox nicht als Argument gegen das drohende Unheil gelten. Schließlich habe auch Jeremias das Königreich Juda fast vierzig Jahre vor dem Untergang gewarnt, bevor das verkündete Schicksal sich durch die babylonischen Truppen vollzog.78 Die drohende Vernichtung sieht Knox als Folge menschlichen Fehlverhaltens, das von Gott nicht länger ungesühnt bleiben könne. Der schuldige Gehorsam gegenüber Gott war das wichtigste Kriterium zur Beurteilung von Wohl- und Fehlverhalten der Menschen.79 Knox bedient sich damit der politisch-rechtlichen Sprache des Alten Testaments. Nicht von Gottesfürchtigkeit und Glaube allein ist die Rede, sondern von dem Gesetz Gottes, dem man unbedingten Gehorsam schuldig sei. Irrglauben und Götzendienst lassen sich daher in die Sprache des Gesetzes mit Ungehorsam übersetzen, sie sind nicht weniger als eine Rebellion gegen die Herrschaft Gottes. Der religiöse Bund, den Gott mit seinem Volk Israel einging, und der Knox zufolge alle Menschen gleichermaßen auf Wohlverhalten verpflichtet, entspricht einem Vertragswerk mit Sanktionsandrohung bei Zu-

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be my assurance, that England salbe plagued; that is, Godis immutabill and inviolabill Justice, whilk can not spair in a realme and natioun the offences that he maist seveirlie punissis in another; for so wer he inequale, and maid difference as tuiching executioun of his just judgmentis betuix realme and realme, and betuix persone and persone, whilk is maist contrarious to the integritie of his Justice. For as the ryghteus Judge of the haill Earth can not distroy the just with the wickit, so can he not spair a sort of obstinat malefactouris and punische another“; (Ebd., S. 171). Vgl. ferner Kyle, Hermeneutical Patterns, S. 20–23. Vgl. Richard L. Greaves, John Knox and the Covenant Tradition, in: JEH 24 (1973), S. 23–32, hier S. 26 f.; ferner Vallance, Revolutionary England, S. 11. Laing, Knox, Bd. 3, S. 174–181. Ebd., S. 176–178. Ebd., S. 186–188. Ebd., S. 171 f. Die wichtigste Forderung an den Menschen lautet: „Be Subject unto God“. Sein Wort verheißt „distructioun to all inobedient“; Laing, Knox, Bd. 3, S. 167 f.

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widerhandlung.80 Gottes Weltherrschaft wird hier in eine Sprache gekleidet, die für weltliche Herrschaft ebenfalls kennzeichnend ist.81 Gegenüber Gott sind die weltlichen Herrscher keineswegs in einer privilegierten Situation. Ihnen wird dasselbe abverlangt wie allen Untertanen auch: Gesetzestreue und Gehorsam: „God is not to be tempted, but is to be heard, feared and obeyed“.82 Zwar bewegen sich alle hier von Knox vorgetragenen Argumente in den von Tyndale und Bucer vorgezeichneten Bahnen.83 Die dauerhafte Gültigkeit der lex dei, der dauerhafte Bund mit der Konditionierung des Heilsversprechens sowie der daraus ebenfalls abgeleitete Tun-Ergehens-Zusammenhang waren unter den protestantischen Theologen in England keine strittigen Positionen. Dies gilt ebenso auch für Knox’ Neigung, die Schriften des Alten Testaments nicht im typologischen Sinne auf Christus und die christliche Heilslehre zu beziehen, sondern aufzufassen wie einen Kanon von Präzedenzfällen.84 Gleichwohl deutet Knox mit seiner Forderung nach Gottesgehorsam, dem die Königin ebenso verpflichtet sei wie deren Untertanen, bereits an, daß es zur Rettung des Gemeinwesens vor der drohenden Gottesstrafe unter Umständen keinen anderen Ausweg mehr geben mag, als sich gegen die Königin zu stellen. Diese Position zur Legitimation des Widerstandsrechts entwickelt sich schrittweise. In seinem „Godly Letter“ äußert sich Knox zurückhaltend zur Frage legitimer Gegenwehr gegen eine irrgläubige Obrigkeit. Als Antwort auf seine rhetorische 80 81

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Zur politischen Sprache des Alten Testaments vgl. Assmann, Herrschaft und Heil, S. 54 f. Der Zusammenhang zwischen der alttestamentlichen Bundesidee und weltlichen Herrschaftsverträgen ist bereits von Gerhard Oestreich gesehen worden. Für ihn ist der enge Zusammenhang von Bundesidee und Herrschaftsvertrag im wesentlichen ein neuzeitliches Rezeptionsphänomen, begründet insbesondere in der Lehre Calvins und seiner Nachfolger, in der bundestheologische Auffassungen mit juristischer Begriffsbildung einhergehen, z. B. mit der Formel des römischen Rechts von der „mutua obligatio“; Gerhard Oestreich, Die Idee des religiösen Bundes und die Lehre vom Staatsvertrag, in: Hasso Hofmann (Hrsg.), Die Entstehung des modernen souveränen Staates, Köln/Berlin 1967, S. 137–151; ferner mit einem darüber hinausgehenden Blick auf die in Zürich wirkenden Theologen Zwingli und Bullinger Heinrich R. Schmidt, Bundestheologie, Gesellschafts- und Herrschaftsvertrag, in: Ders./ André Holenstein/Andreas Würgler (Hrsg.), Gemeinde, Reformation, Widerstand. FS für Peter Blickle, Tübingen 1998, S. 309–325, hier S. 312–314; Es soll hier gleichfalls darauf hingewiesen werden, daß in den Texten des Alten Testaments der umgekehrte Weg beschritten wird, d. h. das Verhältnis Gottes zum Volk Israel wird in rechtliche Kategorien politischer Herrschaft gekleidet. Dies dürfte die Art und Weise der Rezeption zu Beginn der Neuzeit zumindest erleichtert haben. Laing, Knox, Bd. 3, S. 210, unter Verweis auf Offb 18; 1 Kön 18; 1 Kor 10; Mt 10; Hebr 6,10. Zur besonderen Bedeutung Bucers für die Theologie der Exilanten in Genf vgl. Danner, Pilgrimage, S. 103–140. Kyle, Hermeneutical Patterns, S. 25 f. Diese Lesart war vielen protestantischen Exilanten gemein; vgl. Danner, Pilgrimage, S. 104 f.; Zur radikalen Differenz zum Bibelverständnis Martin Luthers vgl. Marcus Sandl, Politik im Angesicht des Weltendes. Die Verzeitlichung des Politischen im Horizont des lutherischen Schriftprinzips, in: Andreas Pečar/Kai Trampedach (Hrsg.), Die Bibel als politisches Argument. Voraussetzungen und Folgen biblizistischer Herrschaftslegitimation in der Vormoderne (HZ, Beih. 43), München 2007, S. 243–271, hier S. 255–258.

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Frage, ob man kurzerhand alle Götzendiener töten solle, kam er zu dem Schluß: „That wer the office, deir Bretherene, of everie Civill Magistrate within his realme. But of yow is requyreit onlie to avoyd participatioun and company of thair abominationis, as well in bodie as in saule; as David and Paule planelie teachis unto yow“.85 Ferner stellt er ausdrücklich klar, „that the slaying of ydolateris appertenis not to everie particular man“.86 Das Recht, Götzendiener zu bestrafen, wird ausdrücklich nur den Magistraten zuerkannt, ohne genauer zu spezifizieren, welche Personen in Schottland und England im einzelnen jeweils gemeint sein könnten. Burns vermutet hinter „everie Civill Magistrate“ nur den jeweiligen Inhaber der englischen Krone.87 Sollte dies zutreffen, so ist nur die Pflicht der Obrigkeit angesprochen, den wahren Glauben im eigenen Herrschaftsgebiet zu unterstützen und gegen Unglauben vorzugehen. Von einer Aufforderung John Knox’ zu Gegenwehr oder legitimem Widerstand gegen die Krone kann nach dieser Lesart keine Rede sein. Dies wäre allerdings der Fall, sollte er unter seiner Bezeichnung „everie Civill Magistrate“ nicht nur die Königin selbst, sondern auch niedere Magistrate subsumiert haben. Käme ihnen gleichfalls das Recht bzw. die Pflicht zu, Unglauben zu bestrafen, so hätten sie auch Maria Tudor zur Rechenschaft zu ziehen. Sie wird vom radikalen schottischen Reformator wiederholt des Götzendienstes beschuldigt. Für Burns’ Lesart und gegen eine Auslegung von Knox’ Aussage als Aufforderung zur Gegenwehr spricht insbesondere, daß sich vergleichbar radikale Aussagen in dessen Schriften des Jahres 1554 nicht finden lassen.88 Gleichwohl war Knox bereits 1554 der Gedanke an Gegenwehr keineswegs fremd. Um in dieser Frage Gewißheit zu erlangen, wandte er sich im selben Jahr an Heinrich Bullinger mit vier Fragen, die allesamt um die Frage des schuldigen 85 86

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Laing, Knox, Bd. 3, S. 194, unter Nennung von Ps 16 und 1 Kor 10. Laing, Knox, Bd. 3, S. 194. Vgl. ferner James H. Burns, The Trew Law of Kingship, Oxford 1996, S. 128 und 178. Es ist allerdings ein zweifelhaftes Verfahren, diesen Satz isoliert aus Knox Werk herauszulösen und damit begründen zu wollen, daß Knox sich mit dieser Aussage gegen den Widerstand Einzelner ausgesprochen habe, wie Robert von Friedeburg argumentiert; Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, S. 130 u. 135; sowie Ders., Wegscheide, S. 603. Zunächst entnimmt er das Knoxzitat der Sekundärliteratur und verweist auf Burns, Trew Law, mit falscher Seitenzahl (S. 128 statt 130 f.). Ferner bezieht er Knox’ Aussage auf die politischen Verhältnisse in Schottland, obwohl der Satz einem Brief entnommen ist, der sich an die Gemeinden in London, Newcastle und Berwick richtet, mithin an englische Gemeinden. Und schließlich hätte ein Blick auf die Appellation from the Sentence Pronounced by the Bishops and Clergy aus dem Jahre 1558 in der Beurteilung von Knox’ Haltung zum Widerstandsrecht eines jeden einzelnen das gegenteilige Bild ergeben. Hier obliegt es notfalls „every particular man“, sich gegen Götzendienst zur Wehr zu setzen; s. u. Kap. III 2a. Burns, True Law, S. 131, der insbesondere durch die Worte „within his realme“ die Königsgewalt umschrieben sieht; ebenso Jane E.A. Dawson, Trumpeting Resistance. Christopher Goodman and John Knox, in: Roger A. Mason (Hrsg.), John Knox and the British Reformations, Aldershot 1997, S. 131–153, hier S. 144. Burns, True Law, S. 131.

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Gehorsams gegenüber der Obrigkeit kreisten.89 John Knox’ Themenspektrum seiner späteren Veröffentlichungen deutet sich in drei von vier Fragen bereits an. Ob Frauen nach göttlichem Recht die Königsherrschaft innehaben könnten, lautete eine seiner Fragen. Hierauf antwortete Bullinger mit dem Hinweis, daß das göttliche Gesetz Frauen zum Gehorsam und nicht zur Herrschaft bestimmt habe. Er fügte allerdings einschränkend hinzu, daß ihre Herrschaft nicht in Frage gestellt werden könne, sollte sie die Gesetze und Gewohnheiten des Landes achten: „periculosum erit piis se objicere legibus politicis, maxime cum evangelium non videatur haereditarium jus et regnorum leges politicas convellere aut abrogare“. Aber selbst weibliche Tyrannenherrschaft müsse erduldet werden im Vertrauen darauf, daß ihr zu gegebener Zeit göttliche Strafe sicher sei. Um diese Strafe zu vollstrecken, habe sich Gott stets selbst geeigneter Leute bedient – hierbei zählt er Gideon (Ri 9, 1–5), ferner Jojada (2 Kön 11) und die Makkabäer auf.90 Bullinger äußert sich ferner zur Frage, inwieweit man auch einer Obrigkeit Gehorsam schulde, die der wahren Religion feindlich entgegenstehe. Aus Mt 10 und Apg 4 und 5 zieht Bullinger den Schluß, daß man der Obrigkeit nur dann gehorchen dürfe, wenn ihre Befehle mit Gottes Geboten in Einklang stünden. Der Aufstand der Armenier im 3. Jahrhundert gegen ihre eigene sowie im 6. Jahrhundert gegen die persische Obrigkeit ist für Bullinger Beleg dafür, daß zur Wahrung des Glaubens nicht nur passiver Ungehorsam, sondern auch gewaltsamer Widerstand erlaubt ist.91 Daraus folgert er: Um sich vor Götzendienst zu bewahren, ist Widerstand erlaubt. Die Kirchengeschichte wird gewissermaßen als Kommentar zur richtigen Auslegung der im Neuen Testament etablierten Regel eingesetzt. Bullinger betont zugleich, daß nur Magistraten das Recht auf Gegenwehr zugebilligt werden dürfe.92 Bullingers Magistratsbegriff läßt sich allerdings nicht in gleicher Weise wie bei John Knox’ Godly Letter mit der obersten Herrschaftsgewalt übersetzen, zumindest sofern man das von ihm angeführte Beispiel des Armenieraufstandes zur Klärung heranzieht. So berichtet Evagrius Scholasticus, daß die Armenier sich gegen ihre Obrigkeit aufgelehnt und anschließend Zuflucht bei den Römern gesucht hätten. Es war also gerade die höchste Magistratsgewalt, 89

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Ob das Schreiben, das Bullinger beantwortete, wirklich aus der Feder von John Knox stammte, läßt sich nur erschließen, da Bullinger seinen Brief in einem Schreiben an Calvin vom 26. März mit den Worten erwähnte: „Quid Scoto isti a te nobis commendato responderimus, hisce inclusi“. Knox ist hier zwar nicht namentlich erwähnt, gleichwohl dürfte es sich um ihn handeln, da er März 1554 in Genf weilte und Calvin ihm ein Empfehlungsschreiben an Bullinger mit auf dem Weg gab; Laing, Knox, Bd. 3, S. 219. Laing, Knox, Bd. 3, S. 223: „Si Debora non sit, sed impia magis quae praeest, et tyrannide consequunta imperium, habent pii exemplum et consolationem in Athalia. Injustas Dominus dominationes per suos, quos ad hoc instruit facultatibus, ut olim Jerubbaal et Machabaeos et Joiadas, suo tempore deturbat“. Bullinger bezieht sich hier auf Eusebius (Hist. Ecc. Lib. 9 Kap. 8) sowie auf Evagrius Scholasticus (Eccl. Hist. Lib.V Kap. 7). Laing, Knox, Bd. 3, S. 224: „Non et Scriptura sancta justam neccessariamque defensionem non modo concedit, sed etiam mandat magistratui“.

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nämlich der armenische König und seine Getreuen, gegen den sich der Aufstand richtete und den Bullinger ausdrücklich als legitim bezeichnete. Welche Magistrate allerdings den Aufstand veranlaßten, geht aus den benannten Quellen nicht hervor. Offenbar unabhängig von seinen zitierten Beispielen erhob Bullinger die Bindung des Rechtes auf Gegenwehr an die magistratische Amtsgewalt zum Axiom. Die Diskussion über die Aufgaben und Pflichten der Magistrate, die genauere Spezifikation des Magistratsbegriffes und die Differenzierung zwischen hohen und niedrigen Magistraten und ihrer Schutzfunktion für die rechtgläubigen Gemeinden sollte die Debatte insbesondere kalvinistischer Theologen und Juristen bis zum Beginn des 17. Jahrhunderts wesentlich bestimmen. Je nach Autor und politischem Kontext wird das Recht auf Gegenwehr dabei entweder auf Ständeversammlungen beschränkt oder aber auch auf eine Minderheit der Stände, ja sogar letztlich auf jeden einzelnen Amtsträger ausgeweitet. Knox beschreitet in seinen folgenden Schriften einen anderen Weg. Zunehmend nimmt er in den Folgejahren die Möglichkeit legitimen Widerstands gegen eine unrechtmäßige Obrigkeit jenseits einer genauen Bestimmung der Rolle der Magistrate in den Blick, und dehnt das Recht damit – entgegen seiner Aussagen im Godly Letter – letztlich auf das ganze Volk aus. Dabei spielte der Gehorsam gegenüber Gottes Gesetzen die entscheidende Rolle. Dies läßt sich bereits in Knox’ letzter Frage an Bullinger, für welche Seite sich die protestantischen Geistlichen im Falle eines Aufstandes protestantischer Adliger gegen eine götzendienerische Obrigkeit zu entscheiden hätten, erahnen. Hierauf gibt Bullinger keine allgemein verbindliche Antwort. Dies könne nur nach den jeweiligen Umständen entschieden werden. Bei dieser Entscheidung müsse allerdings Gottes Wille im Mittelpunkt stehen, so Bullinger. Die Geistlichen müßten „in omnibus verbum Dei respiciunt, nihil tentant adversum legibus Dei, Spiritus Sancti suggestionibus obtemperant […]“. Und ferner: „Hic est liberator unicus et verus; qui in libris Judicum et Regum, et in Ecclesiastica historiis, numquam defuit suae Ecclesiae“.93 Letztlich müsse der Aufstand von Gott selbst ausgehen, wenn er sich dabei auch menschlicher Hände bedienen sollte. Die Erkennbarkeit des göttlichen Willens war für Knox das zentrale Problem, das ihn weit mehr beschäftigte als eine nähere Bestimmung der Amtsgewalt der Magistrate. Zwar war er sich mit Bullinger darin einig, daß Gottes Gesetze ebenso klar erkennbar seien wie die Gefahr göttlichen Zorns gegen all diejenigen, die gegen diese Gesetze verstießen. Schließlich verzeichnet das Alte Testament hinreichend Beispiele, daß Menschen in göttlichem Auftrag götzendienerischer Obrigkeit mit Gewalt ein Ende bereiteten: sei es durch individuelle Auflehnung oder kollektiven Aufstand, sei es durch militärische Erfolge der Gegner Israels bis hin zum völligen Ende jüdischer Staatlichkeit. Das Anschauungsmaterial für den göttlichen Willen und die Folgen des göttlichen Zorns wurde fast ausschließlich

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Ebd., Bd. 3, S. 226.

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Israels Geschichte entnommen, das heißt der typologischen Zeitspanne des „sub lege“. Der Wille Gottes dokumentierte sich hier in historischen Ereignissen, nicht mehr in Naturkatastrophen wie der Sinnflut. Dieser war aus der Rückschau auf die Geschichte Israels und die Kirchengeschichte klar erkennbar. Dessen Klarheit endete allerdings, wenn aktuelle Ereignisse nach ihrer Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen befragt werden mußten. In diesem Sinne ist auch Knox’ Frage zu verstehen, ob sich die Geistlichen und das Volk im Falle einer Erhebung protestantischer Adliger gegen die katholische Krone diesem Aufstand anschließen sollten oder nicht. Ein solcher Aufstand, so könnte man Bullinger verstehen, sei nur dann legitim, wenn er mit Gottes Willen einherging. Ob dies auch der Fall sei, könne jedoch nicht vorab festgestellt werden: ein Problem, das die Haltung zahlreicher Theologen zum Widerstandsrecht immer wieder neu beschäftigte. John Knox suchte auch in seinen weiteren Briefen an die Protestanten in England die Erwartung zu wecken, daß eine unmittelbar bevorstehende Gottesstrafe dem Katholizismus in England und damit einhergehend auch der Königsfamilie den Garaus machen wird: „For so assuredly as God is immutable, so assuredly shall he styr up one Jehu or other to execute hys vengeaunce uppon these bloudde-thyrsty tyrauntes and obstinate idolators.“94 Die biblischen Personen Jehu und Isebel rückten dabei zunehmend in den Mittelpunkt seiner Argumentation. Während Knox keine Hinweise darauf zu geben vermochte, wer der Jehu Englands hätte sein können, so ließ er keinen Zweifel daran, wen er mit Isebel gleichsetzte: Maria Tudor. Mehrfach fand sich die englische Königin in seinen Schriften als Isebel tituliert. Er verstieg sich sogar einmal zu dem Vorwurf, sie habe Isebel an Grausamkeit noch übertroffen.95 Knox sah sich selbst in der Tradition einer langen Reihe von Propheten, von Jeremias angefangen über Elias, Micha, Amos, Daniel bis zu Christus und den Aposteln, die sich in Gottes Auftrag der weltlichen Herrschaft entgegenstellten, um ihnen ihren nahen Tod als gerechte Strafe zu verkünden.96 In dieser Rolle sah er infolge der Heirat Maria Tudors mit Philipp II. weiteres Unheil auf England zukommen und richtete daher ein Stoßgebet gen Himmel, um die Vernichtung des Königshauses anzumahnen: „God, for his great mercies sake, stirre up some Phinees, Helias, or Jehu, that the bloude of abhominable idolaters maye pacifie Goddes wrath, that it consume not the whole multitude. Amen“.97 Der Wunsch nach einem Gesandten Gottes zur Beendigung des Regiments der katholischen Königin Maria findet sich auch in späteren Schriften, z. B. in seinem 94 95

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Ebd., Bd. 3, S. 246: A Comfortable Epistell Sente to the Afflicted Church of Chryst, Exhortyng them to Beare his Crosse wyth Pacience (Dieppe, Mai 1554). John Knox, A Faithful Admonition to the Professors of God’s Truth in England (1554), in: Laing, Knox, Bd. 3, S. 294: „Jesebel […] never erected halfe so many gallowes in al Israel as myschevous Mary hath done within London alone“. Ebd., Bd. 3, S. 270. Er führt als Belegstellen an: Ez 3,33; Jer 20,34; 1 Kön 18+21+22; 2 Kön 3; Am 7; Dan 5; Mt 23; Apg 13. Ebd., Bd. 3, S. 309.

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berühmt-berüchtigten Traktat des Jahres 1558 The First Blast of the Trumpet against the Monstrous Regiment of Women. Knox lehnt in dieser Schrift jegliche Regierungsgewalt in der Hand von Frauen als Verstoß gegen das göttliche Recht ab: „To promote a woman to bear rule, superiority, dominion or empire above any realm, nation or city is repugnant to nature, contumely to God, a thing most contrarious to His revealed will and approved ordinance, and finally is the subversion of good order, of all equity and justice“.98 Knox begründet diese Aussage mit Ausführungen zur lex dei, mit biblischen Beispielen, mit Aussagen der Kirchenväter sowie mit Aussagen aus dem römischen Recht. Ferner bemüht er sich darum, den positiven Frauengestalten des Alten Testaments jegliche Aussagekraft in Bezug auf das Herrschaftsrecht von Königinnen abzusprechen:99 Zum einen seien dies Ausnahmebeispiele, die auf Gottes direkte Intervention zurückzuführen seien, die aber dem Gesetz Gottes entgegenstünden;100 zum anderen habe zum Beispiel Debora keine Königsherrschaft über Israel ausgeübt, noch habe sie ihre aufgrund göttlicher Intervention erfolgte Ausnahmestellung vererbt und damit institutionalisiert.101 Zwar geht aus dem Kontext der Schrift eindeutig hervor, daß sich diese Attacke vor allem gegen die englische Königin Maria Tudor sowie die Regentin in Schottland, Maria Guise, richtete.102 Die gesamte Argumentation war indes prinzipieller Natur, so daß Elisabeth I. sich in gleicher Weise diffamiert sah wie ihre Vorgängerin: Auch ihre Herrschaft mußte in der Logik von Knox’ Traktat als Verstoß gegen die lex dei gelten. Auch wenn sich der Autor nunmehr darum bemühte, sie als Englands neue Debora zu preisen, blieb er auch nach der Wiedereinführung des Protestantismus bis zu seinem Tod 1567 in England Persona non grata.103 Seinen schlechten Ruf im Umfeld der englischen Königin verdankte Knox außerdem seiner erkennbaren Bereitschaft, das Widerstandsrecht zu propagieren. Zwar bekräftigt er zunächst seine hergebrachte Position, daß die Abschaffung von Königen, die sich Gottes Gesetzen nicht fügten, allein in Gottes Hand liege.104 Zugleich sah er alle Untertanen, insbesondere aber den Adel und die Mitglieder des Parlaments, in der Pflicht, die Monstrosität des weiblichen Regiments zu bekunden, sich von allen königlichen Ämtern fernzuhalten und alles in ihrer Macht stehende zu tun, um deren Regiment zu beenden.105 Die Arbeit am Sturz 98 99 100 101 102 103

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John Knox, The First Blast of the Trumpet, against the Monstrous Regiment of Women, in: Ders., On Rebellion, hrsg. v. Roger A. Mason, Cambridge 1994, S. 3–47, hier S. 8. Über den Bezug auf alttestamentliche Frauengestalten in der Ikonographie unter Maria Tudor vgl. King, Tudor Royal Iconography, S. 219 sowie allg. Kap. 4. Knox, First Blast, S. 33. Ebd., S. 39. Ebd., S. 39. Vgl. Jenny Wormald, Maria Stuart, Freiburg/Würzburg 1992, S. 108; Patrick Collinson, John Knox, the Church of England and the Women of England, in: Mason (Hrsg.), John Knox, S. 74–96. Knox, First Blast, S. 5. Ebd., S. 44: „they…ought without further delay …remove from authority all such persons as by usurpation, violance or tyranny do possess the same“.

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der Königin sei zugleich ein erster Akt der Buße für die ihr gewährte Unterstützung zur Errichtung ihres Regiments. Als leuchtendes Beispiel dient Knox das Vorgehen des Hohepriesters Jojada, der die Regentschaft Atalias beendete und ihre Hinrichtung befahl.106 Knox sieht darin nicht nur ein Beispiel der historia sacra, sondern zugleich eine ausdrückliche Legitimation des Widerstandsrechts durch die lex dei, die den Tyrannenmord ausdrücklich einschließt. In derselben Weise sollte daher der englische Adel die Königin ihrer Herrschaft berauben und sie anschließend hinrichten lassen. Dies sei kein Verstoß gegen das Gehorsamsgebot. Vielmehr sei der Treueeid gegenüber der weiblichen Regentin ein Verstoß gegen das Gesetz Gottes und damit ein Akt der Rebellion gegen Gott. Nur der Tod der Königin könne dieses Sakrileg beenden.107 Eine vergleichbar radikale Konzeption präsentierte ein anderer protestantischer Geistlicher, Christopher Goodman, der unter Eduard VI. als Theologieprofessor in Oxford lehrte, bis er nach Marias Thronbesteigung gleichfalls nach Genf ins Exil flüchtete.108 Goodmans Traktat How Superiour Powers Ought to be Obeyed by their Subjects gründete sich ebenfalls allein auf die Auslegung einschlägiger Bibelstellen und erklärte die lex dei zur alleinigen Autorität, die jegliche Obrigkeit in gleicher Weise wie die Untertanen zu Gehorsam verpflichte. Goodman mißt die Legitimität der Königsgewalt an deren Übereinstimmung mit den Prämissen der Theokratie. Da man nicht zwei Herrschern zugleich dienen könne, so der Theologe, dürfe man den Anweisungen des weltlichen Herrschers nur dann gehorchen, wenn sie mit den Gesetzen Gottes übereinstimmten. Wer sich Gottes Gesetzen widersetze oder als Obrigkeit Dinge anordne, die der lex dei zuwiderliefen, sei ein Rebell gegen die Herrschaft Gottes. Daraus ergebe sich zum einen die Pflicht zum Widerstand, den die Magistrate leisten müßten, von den Peers bis zu jedem einzelnen Constable einer Gemeinde.109 Zum anderen sei die Konsequenz einer Rebellion gegen Gottes Herrschaft, daß die Obrigkeit damit ihren Herrschaftsanspruch verwirke und keinen legitimen Gehorsamsanspruch mehr geltend machen könne, sie daher als Privatperson zu bestrafen sei.110 Maria Tudor, so die Konsequenz dieser Haltung, sei aufgrund ihres Götzendienstes keine legitime Königin mehr, sondern eine Rebellin gegen Gott, die hierfür zu bestrafen sei. England befinde sich daher im selben Rechtszustand wie das

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2 Kön 11. Knox, First Blast, S. 44. Zu Genf als Ort diverser Theorien über Notwendigkeit und Grenzen des Gehorsams vgl. Robert D. Linder, Pierre Viret and the Sixteenth-Century French Protestant Revolutionary Tradition, in: The JMH 38 (1966), S. 125–137. Zu Goodman ferner Raimund Ottow, Protestantische Widerstandstheorie in England und Schottland. Gottes Gebot und die Souveränität des Volkes, in: Zeitschrift für Religions- und Geistesgeschichte 56 (2004), S. 193–221, hier v. a. S. 205; Dawson, Trumpeting Resistance. Christopher Goodman, How Superiour Powers Ought to be Obeyed by their Subjects, Genf 1558, S. 35 f. Ebd., S. 38–44.

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Volk Israel zur Zeit der Richter, das sich direkt der Herrschaft Gottes unterstellte und sich seinem Gesetz und seinen Befehlen unterwarf.111 Der dritte prominente Befürworter des Widerstandsrechts gegen Maria Tudor war John Ponet, unter Eduard VI. Bischof zunächst von Rochester, seit 1551 dann von Winchester, bis er zu Beginn von Marias Herrschaft dieses Amt entzogen bekam und sich kurz darauf nach Straßburg absetzte.112 Sein 1556 erschienener Traktat A Short Treatise of Politic Power zielt in die gleiche Richtung wie die Traktate von Knox and Goodman, greift allerdings auf ein weitaus größeres Reservoir an Argumenten zurück, speiste sich also aus mehr politischen Sprachen als aus dem Biblizismus allein: So greift er auf die konstitutionelle Debatte um die Reichweite und die Grenzen monarchischer Herrschaft im 15. Jahrhundert zurück, insbesondere auf einen der Ahnherren des common law, Sir John Fortescue. In England habe sich eine gemischte Regierungsform etabliert, eine „dominium politicum et regale“. In ihr verdanke der König seine Herrschaft letztlich dem Volk, das sie an ihn delegiert habe und dessen Wohl zu wahren der König verpflichtet sei.113 In ihr sei der König verpflichtet, zusammen mit dem Parlament zu regieren. All diese Erwägungen helfen Ponet jedoch nicht weiter, um zum Widerstand gegen Maria Tudor aufzurufen.114 Schließlich hatte sich die Königin stets innerhalb der Grenzen des „dominium politicum et regale“ bewegt, waren alle Maßnahmen zur Wiedereinführung des Katholizismus und zur Häresiebekämpfung von Königin und Parlament gemeinsam verabschiedet worden. Ponet ist daher auf naturrechtliche und biblizistische Argumente angewiesen, um seinen Aufruf zum Widerstand gegen Maria Tudor zu untermauern. Nicht die Gesetze und die politische Verfassung Englands, sondern die Gesetze Gottes werden zur Richtschnur, an der Maria Tudor Verfehlungen vorgehalten werden können. Die Rekatholisierung Englands mag auf verfassungskonforme Art und Weise beschlossen worden sein. In Ponets Augen wird damit jedoch der Götzendienst wieder in England etabliert, Gottes Gesetz daher mißachtet. Ponet wirft der Königin vor, ihre Herrschaftspflichten gegenüber dem Volk zu verletzen, da sie Gottes Gesetzen zuwiderhandle, die auch für sie jederzeit die absolute Richtschnur ihres Handelns sein müßten. Ponet sieht wie Knox und Goodman Gott in der Rolle des obersten Souveräns, der Anspruch auf unbedingten Gehorsam einfordern könne.115 Um dies zu unterstreichen, bedient er sich gleichfalls einer biblizistischen Rhetorik.116

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Ebd., S. 186–188. Zur Deutung vgl. Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, S. 102–105. Skinner, Foundations, Bd. 2, S. 221, läßt Ponet sein Zelt im Exil in Frankfurt aufschlagen und benennt Frankfurt auch als Druckort der Schrift, die 1556 erschienen ist. Laut dem British Museum Short Title Catalogue of German Books ist die Schrift allerdings in Straßburg von dem Drucker Wolfgang Köpfel gedruckt worden. Vgl. Friedeburg, Widerstandsrecht und Konfessionskonflikt, S. 105–109. Burgess, British Political Thought, S. 63–65. John Ponet, A Short Treatise of Politic Power, o. O. 1556, Fol. A2v–3r; A5v–A6r; A8v; B3v– B4r; C2r. Ebd., Fol. C2v–C4v; D2v–D5v.

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Ponets Plädoyer für ein Widerstandsrecht des Volkes folgt aus seinem Rekurs auf göttliche Normen: Sollte der König dem Gesetz Gottes zuwiderhandeln und damit das Heil des Volkes in Gefahr bringen, so mache er aus einer Königs- eine Tyrannenherrschaft. Tyrannen hätten jedoch ihr Herrschaftsrecht verwirkt und dürften jederzeit ihrer Herrschaft beraubt werden.117 Dies obliege zunächst den regulären Gewalten, d. h. dem Adel sowie dem Parlament. Sollten diese aber ebenfalls durch den König korrumpiert worden sein – und in England war das aus Sicht der protestantischen Exilanten der Fall – bliebe als einzige Rettung die Tat eines Einzelnen, der mit einem göttlichen Mandat ausgestattet sei wie einst Moses, der Israel aus Ägypten geführt habe, oder Pinhas, der die Midianiterin erschlug, oder Ehud, der den Moabiterkönig Eglon erdolchte.118 Ponets Beispiele stammen allesamt aus der Zeit Israels vor der Etablierung der Monarchie. Er ist wie Goodman der Ansicht, daß es sich bei einem Tyrannen nicht mehr um einen rechtmäßigen König handele, sondern um eine zu bestrafende Privatperson. Bei allen drei Anwälten des Widerstandsrechts zeigt sich in ihrer politischen Exegese ein grundsätzliches Phänomen beim Umgang mit dem Referenztext. Zwar wird die Schrift zum Maßstab für die Legitimation weltlicher Herrschaft sowie für die Ausrichtung des politischen Handelns der Obrigkeit erklärt. Gleichwohl zwingt die Heteronomie der verfügbaren Exempla die Autoren dazu, eine weitergehende Kanonisierung vorzunehmen. Die Beispiele erhalten je nach politischer Ordnungsvorstellung zweierlei epistemologischen und damit autoritativen Status zugewiesen: Entweder werden sie ihres Beispielcharakters entkleidet, da sie als Verkörperung der lex dei den Charakter eines Präzedenzfalls zugewiesen bekommen und die Autoren ihnen damit den Anspruch auf rechtliche Verbindlichkeit zuerkennen;119 oder die Autoren sprechen dem jeweils auszulegenden Beispiel diese Verbindlichkeit ausdrücklich ab, da es nur infolge außerordentlicher göttlicher Intervention geschehen und Gottes Ratschluß dem Menschen verborgen sei.120 Dies läßt sich bei Knox in seinem First Blast daran erkennen, daß er dem Beispiel der Gestalt Debora aus dem Buch Richter jeglichen Präzedenzcharakter zur Legitimierung weiblicher Herrschaft abspricht. Und Ponet wie Goodman widmeten sich beide einer Kernstelle zur Legitimation des Königtums, 1 Sam 8, um sie ebenfalls jeglichen Präzedenzcharakters zu entkleiden.121

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Ebd., Fol. B3r, mit ausdrücklichem Verweis auf Maria Tudor; ferner Fol. G3r. Ebd., Fol. G7r–G9v; Die angeführten Bibelstellen sind Ex; Num 25,6–9; Ri 3,16–21. Zu den verschiedenen Spielarten des Beispiels in der Rhetorik vgl. Stefan Willer/Jens Ruchatz/Nicolas Pethes (Hrsg.), Das Beispiel. Epistemologie des Exemplarischen, Berlin 2007, insbesondere die programmatische Einleitung (S. 7–60). Zur Besonderheit biblischer Exempla vgl. den Aufsatz von Daniel Weidner, Zur Epistemologie der Stelle in der Bibelexegese im selben Band (S. 83–99). Vgl. hierzu Andreas Pecˇar, Beispiele göttlichen Willens oder „extraordinarie examples“? Biblische Exempla als Mittel der Argumentation in politischen Auseinandersetzungen der frühen Stuartzeit in Schottland und England, in: Willer/Ruchatz/Pethes (Hrsg.), Das Beispiel, S. 100–121, hier S. 115–119. Pecˇar, Beispiele, S. 110–113.

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Diese Stelle etablierte sich ab dem ausgehenden 16. Jahrhundert in England zu einer tragenden Säule der Lehre vom divine right of kings.122 In ihr konfrontiert der Prophet Samuel das jüdische Volk, das einen König wünscht, mit den „Rechten des Königs“ und zählt seinen Zuhörern auf, welche Dinge sie von einem König zu erdulden hätten. Die Auslegung dieser Stelle bewegt sich zwischen zwei Positionen: Entweder handelt es sich bei Samuels Rede vom Königsrecht tatsächlich um biblisch verbriefte Herrschaftsrechte, die im Sinne der lex dei dauerhafte Gültigkeit hätten und damit auch das Herrschaftsrecht der zeitgenössischen Monarchen charakterisierten, oder aber um die Kennzeichnung einer illegitimen Tyrannenherrschaft ohne jeglichen Präzedenzcharakter.123 War 1 Sam 8 Ende des 16. Jahrhunderts in England eine der am meisten debattierten Bibelstellen, so kam ihr in den politischen Debatten sowohl zur Zeit der Reformation als auch im Konflikt zwischen Maria Tudor und den protestantischen Widersachern eine eher marginale Rolle zu.124 Insbesondere die Apologeten der Krone hatten deren Potential bislang nicht genutzt. Statt dessen gab es eine bis in die Scholastik zurückreichende Tradition, die Samuelrede als ironische Rede zu deuten, in der nicht die königlichen Herrschaftsrechte dargelegt wurden, sondern das Volk die Folgen einer Tyrannenherrschaft vorgeführt bekam.125 John Fortescue griff im 15. Jahrhundert diese Deutung in seiner Schrift The Governance of England ebenfalls auf.126 In diese Tradition ordneten sich nun auch die beiden Kritiker der Krone, Ponet und Goodman, ein. Es wird anhand der Autoren des divine right of kings noch zu zeigen sein, daß die biblischen Schlüsselstellen der Verteidiger des Widerstandsrechts von den Apologeten absoluter Krongewalt zu außerordentlichen Beispielen erklärt wurden und umgekehrt. Biblische Textauslegung und politische Herrschaftskonzeption standen in einem gegenseitigen Bedingungsverhältnis. 122 123

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S. u. Kap. IV 3a und V1. Vgl. allgemein dazu Annette Weber-Möckl, „Das Recht des Königs, der über euch herrschen soll“. Studien zu 1 Sam 8,11 ff. in der Literatur der frühen Neuzeit (Historische Forschungen, Bd. 27), Berlin 1986. Das Auslegungsproblem korrespondiert mit einem Problem der Textentstehung sowie der Textredaktion. Unterschiedliche Textbestandteile mit teils abweichendem Verständnis der Königsherrschaft wurden zu einem kontinuierlichen Text zusammengefügt, die Deutungsdifferenz über das Königtum damit in die Erzählung eingewoben; vgl. hierzu Reinhard Müller, Königtum und Gottesherrschaft. Untersuchungen zur alttestamentlichen Monarchiekritik (Forschungen zum Alten Testament, 2. Reihe, Bd. 3), Tübingen 2004, S. 119–147. Ferner Frank Crüsemann, Der Widerstand gegen das Königtum. Die antiköniglichen Texte des Alten Testaments und der Kampf um den frühen israelischen Staat, Neukirchen-Vluyn 1978. Dies gilt auch für die Debatte um das Widerstandsrecht im Reich im Zusammenhang mit dem Schmalkaldischen Bund; vgl. hierzu Weber-Möckl, Recht des Königs, S. 116. Vgl. hierzu Hans-Dieter Metzger, David und Saul in den Widerstandslehren der Frühen Neuzeit, in: Walter Dietrich/Hubert Herkommer (Hrsg.), König David – biblische Schlüsselfigur und europäische Leitgestalt, Freiburg (CH)/Stuttgart 2003, S. 437–485, hier S. 439–442. Sir John Fortescue, The Governance of England; otherwise Called The Difference between an Absolute and a Limited Monarchy, hrsg. v. Charles Plummer, Oxford 1885, S. 109–112; Metzger, David und Saul, S. 442 f.

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Die im Exil entstandenen Schriften stießen zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung auch aufgrund ihrer Radikalität auf große Resonanz. An den politischen Verhältnissen in England konnten sie gleichwohl nichts ausrichten. Elisabeths Wiedereinführung der Reformation in England tat ein übriges, um die Schriften ihrer Aktualität und ihrer politischen Stoßrichtung zu berauben. Unter dem Regiment einer protestantischen Königin waren Überlegungen protestantischer Geistlicher zur Legitimität des Widerstandsrechts zur Verteidigung des wahren Glaubens vorerst obsolet geworden. Sie erschwerten ihren Autoren gleichwohl entweder die Rückkehr nach England – Knox und Goodman waren in England nicht willkommen –, oder aber ihre Wiedereingliederung in die englische Kirchenhierarchie.127 Daß sie ihre Treue zur protestantischen Konfession so erkennbar über die Treue zur Krone gestellt hatten, ließ sie auch der protestantischen Königin Elisabeth verdächtig erscheinen. d) Exil versus Establishment: die Konkurrenz zweier Weltbilder Die politische Theologie der Exilanten erhielt nur partiell und auf Umwegen in England Wirkungskraft. Zwar gerieten die Schriften der drei Apologeten des Widerstandsrechts in England nicht in vollständige Vergessenheit. Aus dem kommunikativen Gedächtnis des Landes schieden sie jedoch vorerst aus. Der Rückgriff auf die Schriften von Knox, Goodman und Ponet erfolgte selten, kam aber mitunter vor. Insbesondere die Verfechter der absoluten Herrschaftsgewalt des Königs stellten ihre Kontrahenten wiederholt in die Tradition der berüchtigten drei Apologeten des Widerstandsrechts, um subversive Ideen dadurch sichtbar zu machen. Zumindest in dieser Form – als zitiertes Schreckensbild einer Krone und Staat gefährdenden Weltanschauung – blieben die Schriften der drei Exilanten also präsent. Und es kann geradezu als Symptom der Krisenhaftigkeit der englischen Monarchie gedeutet werden, daß mit John Ponet zumindest einer der drei Autoren ein Revival zuteil wurde: In den Jahren 1639 und 1642 wurde sein Traktat A Short Treatise of Politic Power erneut aufgelegt, das erste Mal anonym, das zwei Mal unter Nennung des Autors. Und zumindest diesmal waren Diskurs und Praxis nicht so weit voneinander entfernt wie zur Zeit der Entstehung des Textes. Es gab allerdings noch ein anderes Werk, das die Weltanschauung der Exilanten dauerhaft präsent halten sollte: die sogenannte Geneva Bible.128 Es waren insbesondere die in Genf erschienene Bibelübersetzung samt beigefügtem Bibelkommentar in den Fußnoten, die unter dem Regiment Elisabeths I. sowie unter der Herrschaft der Stuarts lang andauernde Erfolge feiern sollten.129 1557 erschien 127 128

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Vgl. zu Goodmans späterer Laufbahn D. G. Danner, Christopher Goodman and the English Protestant Tradition of Civil Disobedience, in: Sixteenth Century Journal 8 (1977), S. 61–73. Vgl. allg. D. G. Danner, The Contribution of the Geneva Bible of 1560 to the English Protestant Tradition, in: The Sixteenth Century Journal 12 (1981), S. 5–19; Hill, English Bible, S. 56–63. Richard L. Greaves, The Nature and Intellectual Milieu of the Political Principles in the Geneva Bible Marginalia, in: Journal of Church and State 22 (1980), S. 233–251.

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in Genf die Ausgabe des Neuen Testaments, 1560 dann eine vollständige Bibelausgabe mit einer englischen Übersetzung beider Testamente. Diese Bibelausgabe erschien bis ins Jahr 1644 mit einigen Revisionen in 140 Neuauflagen.130 Bereits das Titelblatt läßt den großen Unterschied zur Great Bible erkennen. Enthielt deren Titelblatt die Botschaft, daß die Bibel in Englisch die Herrschaft des Königs sowie die soziale Hierarchie des Landes unterstrich, traf das Titelblatt der Geneva Bible eine gänzlich andere Aussage (siehe Abb. 4). Dargestellt war der Auszug Israels aus Ägypten, kommentiert war die Szene durch folgende Bibelstellen. Zunächst durch Ex 14,13–14: Fürchtet euch nicht, stehet fest und sehet zu, was für ein Heil der HERR heute an euch tun wird. […] Der HERR wird für euch streiten, und ihr werdet stille sein.“ Anschließend durch Ps 34,20: „Groß sind die Leiden des Gerechten, aber aus alledem hilft ihm der HERR“. Solange Maria Tudor in England ihr katholisches Regiment ausübte, war die Botschaft eindeutig zu entschlüsseln. England war das verfolgte Israel, Ägypten und der Pharao waren die Anhänger Roms, und Gott derjenige, der die Exilanten vor der Hinrichtung bewahrt hatte. Zum Zeitpunkt des Druckes war die Krone allerdings bereits in die Hände Elisabeths übergegangen und die englische Kirche wieder protestantisch geworden: Wer verkörperte nun Israel, wer den Pharao? Und welche Leiden hatte der Gerechte fortgesetzt zu erdulden?131 Der Kampf zwischen der wahren und der falschen Kirche, den bereits Bale in apokalyptischen Dimensionen beschrieben hatte, dürfte für die Autoren der Geneva Bible auch nach der Rückwendung zum Protestantismus noch keineswegs ausgestanden sein, der Pharao blieb auch weiterhin in England präsent.132 Dies zeigt sich auch in der vorangestellten Dedikationsschrift an Königin Elisabeth. Darin wird sie vor den feindlichen auswärtigen Mächten ebenso gewarnt wie vor den Feinden im Inneren, den falschen Propheten und den politischen Verführern, den „papists“, den „worldings“ und den „ambicious prelats“. Die Autoren halten der Königin zu gute, daß sie damit begonnen habe, den Tempel Gottes wieder aufzurichten, d. h. die Kirche in ihrer Reinheit wiederherzustellen. Doch sehen sie dieses Werk erst am Anfang.133 Die weitere Agenda entfalten die Autoren anhand einer Galerie von Musterkönigen aus dem Alten Testament: allen voran Hosia, aber auch Asa, Joschafat und Hiskija. Ihrer Vorbildfunktion solle die Königin nacheifern, was insbesondere bedeutet, den Götzendienst in der Englischen Kirche vollständig auszurotten und auch die Götzendiener nicht zu verschonen.134 Die Autoren machten dabei aus ihrem eigenen Kirchenverständnis keinen Hehl, wie bereits die Attacke auf die „ambicious prelats“ deutlich macht, 130 131 132 133 134

Daniell, Bible in English, S. 294 f. Vgl. hierzu Cameron A. MacKenzie, The Battle for the Bible in England 1557–1582, New York u. a. 2002, S. 19 f. Das Titelblatt wurde allerdings bereits in der zweiten Auflage aus dem Jahr 1562 durch ein anderes ersetzt; vgl. MacKenzie, Battle for the Bible, S. 22 f. The Bible (1560), Fol. ***2r. Dies betont auch MacKenzie, Battle for the Bible, S. 20 f. The Bible (1560), Fol. ***2v–3r: „Yea and in the daies of Kyng Asa it was enacted that whosoever wolde not seke the Lord God of Israel, shulde be slayne“.

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Abb. 4: The Bible and Holie Scriptures Conteyned in the Olde and Newe Testament, Genf 1560, Frontispiz [sog. Geneva Bible].

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was sich wohl wesentlich gegen die Bischöfe und Erzbischöfe Englands richtete. Sie berufen sich auf Moses bei ihrer Mahnung, „never to prescribe any other ceremonies & lawes then suche as the Lord had expresly commanded“,135 eine Forderung, die im folgenden Jahrhundert stets erklingen sollte, um einer vollständigen Reformation der Kirche das Wort zu reden, die über das in England etablierte Maß hinausging. Auch in den kommentierenden Fußnoten der Geneva Bible verbargen sich neben reinen Worterklärungen auch Stelleninterpretationen, die das politische Weltbild der beteiligten Theologen widerspiegelten und zumindest nicht in allen Fällen der offiziellen kirchlichen Lehrmeinung entsprachen.136 In diesen Kommentaren ist auch die kritische Interpretation von 1 Sam 8, wie sie Ponet und Goodman vorgelegt haben, konserviert. So heißt es in der Vorrede zum 1. Buch Samuel über die Einsetzung Sauls als erstem König: „[The people] demanded a king, to the intent thei might be as other nacions, and in a greater assurance as thei thoght: not because thei might the better thereby serve God, as being under the safe-garde of him, which did represent Iesus Christ the true deliverer: therefore he gave them a tyrant and an hypocrite to rule over them, that they might learne, that the persone of a King is not sufficient to defend them, exept God by his power preserve and kepe them“.137 Und die Fußnote zu 1 Sam 8 stellt ferner klar, daß es sich bei Samuels Rede nicht um eine Schilderung der Herrschaftsrechte eines Königs handelt: „Not that the kings have this authority by their office, but that such as reigne in Gods wrath should usurp this over their brethren, contrary to the law, Deut. 17,20“.138 Auch in den Kommentaren zur Amtsführung Sauls strichen die Autoren immer wieder heraus, daß er als Tyrann auf unrechtmäßige Weise agierte.139 Die Geneva Bible bezieht ferner auch zum Widerstandsrecht eindeutig Position. Die Weigerung von Sauls Leibgarde, seinem Befehl nachzukommen, die Priester zu töten (1 Sam 22,17), wird als vorbildliches und nachahmenswertes Verhalten angeführt.140 Ein Klassiker der Gegner des Widerstandsrechts, nämlich die Verschonung Sauls in der Höhle von En-Gedi durch David (1 Sam 24,11), der seine Hand nicht an den Gesalbten des Herrn legen wollte, bleibt dagegen ohne Fußnote – ein sprechendes Schweigen. Und als David Saul zum zweiten Male 135 136

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Ebd., Fol. ***3r. Daniell ist bemüht, deren Einfluß herunterzuspielen und verweist darauf, daß drei Viertel sich auf reine Worterklärungen beschränkten, und auch das restliche Viertel zumeist nur Parallelstellen angab, um daraus eine Lehrmeinung abzuleiten; Daniell, English Bible, S. 290. Mit seiner Statistik mag Daniell Recht behalten, seine Geringschätzung des in den Stellenkommentaren verborgenen politischen Sprengstoffs wirkt indes wenig überzeugend vor der offenkundigen Evidenz der Beispiele; vgl. hingegen Greaves, Nature; Danner, Contribution, S. 56–63. The Bible (1560), Fol. 121r. Ebd., Fol. 124 r. Ebd., Fol. 125v–131r, insbesondere 1 Sam 15,11; 1 Sam 19,15. Ebd., Fol. 131v: „For thei knew that thei ought not to obey the wicked commandement of the King in slaying the innocent“.

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verschont und dies mit der Losung garniert, wer könne die Hand an den Gesalbten des Herrn anlegen, ohne damit Schuld auf sich zu laden, dient der Kommentar dazu, diese Aussage zu relativieren, nur in Bezug auf Privatleute gelten zu lassen und ferner auf das Vorbild Jehus hinzuweisen, der zwei Könige in Gottes Namen erschlagen habe.141 Damit bleibt der Tyrannenmord eine stets verfügbare Option zur Beendigung einer als Tyrannei gebrandmarkten Königsherrschaft.142 Und im Falle von Götzendienst gebe es auch für Amtsträger und Verwandte keinerlei Ausnahmerecht: alle müßten hierfür unterschiedslos bestraft werden, so der Kommentar zu 1 Kön 15,13.143 Ungeachtet des großen publizistischen Erfolges der Geneva Bible machten sich weder Elisabeth I. noch die Bischöfe diese Bibel, deren Schriftverständnis sowie deren politische Theologie zu eigen. Die von der Königin und dem Parlament im Act of Supremacy und im Act of Uniformity beschlossene Rückkehr zum Protestantismus bedeutete eine Wiederkehr der englischen Kirche in der unter Eduard VI. etablierten Gestalt, d. h. mit Bischofsregiment, mit Chorhemden und dem Book of Common Prayer. Ferner griff man auch wieder auf die von Thomas Cromwell initiierte Great Bible zurück, die 1562 eine Neuauflage erfuhr und die man wieder für den Gottesdienst in allen Kirchen des Landes als verbindlich erklärte. Diese Bibel enthielt keine Stellenkommentare. Ihre Botschaft an die Leser geht jedoch klar aus einem Vorwort Thomas Cranmers hervor, das man ebenfalls erneut abdruckte. Die Bibel sollte insbesondere eine verbindliche Tugendlehre vermitteln: „Herein may Princes learne how to governe their subiectes. Subiectes obedience, love and trede to their Princes. Husbands, how they should behave them unto their wives: how to educate their chidren and servantes. And contrary the wives, children and servantes may know their duty, to their husbands, parentes, and masters“.144 Die Bibel hatte dem Leser zu vermitteln, was zu tun und was zu lassen sei. Und sie bekam diese Funktion von der Königin zugewiesen.145 Damit erhielt die Heilige Schrift zugleich den Charakter eines Statutenbuchs der Krone. Elisabeth I. und das Establishment der englischen Kirche sahen in der Bibel insbesondere einen Stabilisationsanker zur Bewahrung von Ruhe und Ordnung. Die politische Theologie der Exilanten mit ihrer Forderung nach einer durchgreifenden Reformation lief dieser Zielsetzung zuwider. War bei der Geneva Bible Gott die alles autorisierende Instanz, so war es bei Cranmers Vorwort an die Leser der Great Bible die Krone, die Gottes Wort autorisierte.

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Ebd., Fol. 133v. Hierzu sehr einleuchtend Metzger, David und Saul, S. 480 f. The Bible (1560), Fol. 159v: „Nether kin[d]red nor authoritie ought to be regarded, when they blaspheme God and become idolaters, but must be punished“. The Bible in Englyshe (1562), Preface, Fol. *5v. Ebd.: „the kinges highness being supreme head next under Christ of this churche of England hath approved with his royal assent the setting forth herof“.

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III. Zweierlei Reformation in England und Schottland

2. Schottland a) Prolog: John Knox und seine Haltung zum Widerstandsrecht in Schottland Schottland vollzog die Abkehr Heinrichs VIII. von Rom zunächst nicht. Vielmehr sah der schottische König Jakob V. seine Rolle darin, als katholisches Bollwerk zu dienen und witterte die Chance, in einem engen Bündnis mit Frankreich gegen England vorzugehen. Diese Politik setzte seine Gemahlin, Maria Guise, nach seinem Tod als Regentin Schottlands auf moderate Weise fort. Schottland blieb katholisch, der Protestantismus breitete sich nur im Untergrund aus. Die Konfessionsfrage wurde allerdings auch in Schottland in den 1550er Jahren zunehmend zum wichtigsten Gegenstand politischer Kontroverse. Hierzu trugen auch manche protestantischen Geistlichen bei, die im Exil nicht nur das Schicksal Englands nach der Rekatholisierungspolitik Maria Tudors im Auge hatten, sondern mit ihren Schriften auch auf eine Reformation in Schottland abzielten. Deren prominentester Protagonist war sicherlich John Knox, ein schottischer Geistlicher, der in der Englischen Kirche unter Eduard VI. zu Amt und Würden gelangt war, aber nach dem Herrschaftsantritt Maria Tudors die Flucht nach Frankreich ergriff. Zwar war Knox’ Interesse in den ersten Jahren seines Exils stärker auf England als auf Schottland gerichtet.146 Gleichwohl blieb auch Schottland bei ihm immer im Blickfeld. 1555/56 reiste Knox sogar persönlich nach Schottland, um sich über den Zustand der dortigen protestantischen Gemeinden zu informieren. Und 1558 kehrte er nach Schottland zurück, um das Land fortan nicht mehr zu verlassen. Sein Engagement in Schottland und England wirft im Nachhinein die Frage auf, welche Schriften die englische Öffentlichkeit zum Adressaten hatten und welche an ein schottisches Publikum gerichtet waren. Dies ist keine rein akademische Frage. Waren etwa Knox’ Aussagen zum Widerstandsrecht des Volkes gegen eine götzendienerische Obrigkeit nur gegen Maria Tudor gerichtet, oder auch gegen die schottische Regentin Maria Guise, oder eventuell sogar gegen die schottische Königin in absentia, Maria Stuart? Und führte Knox’ Bibelverständnis im Falle Englands und Schottlands zu gleichlautenden Handlungsvorschlägen, oder lassen sich hier Unterschiede ausmachen? Die zur Zeit in der historischen Forschung vorherrschende Interpretation hat Roger Mason vorgegeben; Jane Dawson hat Masons Deutung noch weiter spezifiziert. Beide haben wiederholt betont, daß Knox in Schottland keineswegs die 146

Knox äußerte sich in seiner Exposition uppon the Syxt Psalm of David selbst zu seiner Bindung an Schottland und England: „Somtyme I have thought that impossible it had beene, so to have removed my affection from the Realme of Scotland, that eny Realme or Nation could have been equall deare unto me. But God I take to recorde in my conscience, that the troubles present (and appearing to be) in the Realme of England, are double more dolorous unto my heart, then ever were the troubles of Scotland“; Laing, Knox, Bd. 3, S. 133. Vgl. ferner Euan K. Cameron, Frankfurt and Geneva. The European Context of John Knox’s Reformation, in: Mason (Hrsg.), John Knox, S. 51–73, hier S. 72 f.

2. Schottland

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Absetzung der Regentin Maria Guise propagiert habe. Vielmehr gebe es „two John Knoxes“ – einen englischen, der auf radikale Weise den Sturz Maria Tudors betrieben habe, und einen schottischen, moderaten, der mit den Mitteln der Mahnung Maria Guise zur Umkehr aufforderte. War im Falle Englands die Königsgewalt selbst der Hauptgegner, so sei es in Schottland die katholische Kirche gewesen, gegen die sich Knox’ Angriffe richteten. Dieser Unterschied, so übereinstimmend Mason und Dawson, lasse sich erklären mit dem Covenant, der Idee des religiösen Bundes zwischen Gott und den Menschen. In England sei mit der vollständigen Hinwendung des Landes zur Reformation unter Eduard VI. dieser Bund vollzogen worden. Da Maria Tudor mit ihrer Politik der Gegenreformation gegen diesen Bund verstieß, sei dies nicht nur Götzendienst, sondern damit auch fortgesetzter Ungehorsam gegenüber Gott. Ihre Absetzung, ja wenn nötig ihre Vernichtung, sei daher eine gottgefällige Aufgabe, um die drohende Gottesstrafe und Vernichtung Englands abzuwenden. In Schottland habe es jedoch keine Hinwendung des ganzen Landes zur Reformation gegeben, stehe der Covenant, also der Bund des Landes mit Gott, laut Dawson und Mason noch aus.147 Daher könne man die katholische Obrigkeit auch nicht des Ungehorsams gegenüber Gott bezichtigen, bliebe kein anderer Weg, als auf Umkehr durch Einsicht zu hoffen und in diesem Sinne an die Obrigkeit zu appellieren. Erst 1559, nach seiner Rückkehr nach Schottland und der Proklamation der Reformation durch das schottische Parlament, habe sich John Knox’ Position in dieser Frage geändert. Ich halte diese Deutung für zweifelhaft. Dies möchte ich mit zwei Argumenten belegen. Erstens wird anhand dreier Schriften, die explizit an einen schottischen Leserkreis gerichtet sind, deutlich, daß John Knox’ Aussagen zum Widerstandsrecht keineswegs nur auf England zielen, sondern auch in seinen schottischen Schriften zum Ausdruck kommen. Zweitens soll dargelegt werden, daß die Bundesidee kein geeignetes Unterscheidungsmerkmal zur Differenzierung von Knox’ Aussagen zur Königsgewalt in England und Schottland darstellt. In seinem Schreiben an die Regentin Maria Guise aus dem Jahr 1556, das bereits im selben Jahr auch in gedruckter Form zirkulierte, schlägt Knox in der Tat wesentlich moderatere Töne an als gegenüber Maria Tudor.148 In diesem Brief weist Knox gleich zu Beginn darauf hin, daß das Heil für die Gläubigen nicht durch Widerstand, sondern einzig durch Leiden erreicht werden könne.149 Allerdings richte er sein Vertrauen darauf, das Herz der Mächtigen, also der Regentin Maria Guise, zu erweichen, um den Gläubigen Schutz zu verleihen, wie dies bei Pharaos Tochter zur Rettung des Moses, bei Nebukadnezar zur Rettung des

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Dawson, Trumpeting Resistance, S. 142; Roger A. Mason, Knox, Resistance and the Royal Supremacy, in: Mason (Hrsg.), John Knox, S. 154–175, hier S. 164–167. Jane E. A. Dawson, The Two John Knoxes. England, Scotland and the 1558 Tracts, in: JEH 42 (1991), S. 555–576, hier S. 556. Laing, Knox, Bd. 4, S. 75: „Their victory standeth not in resisting, but in suffering“. Belegstellen für diese Aussage sind: Mt 10; 1 Kön 14; Mt 15; Jer 14 u. 16; Jes 40–41 und 51; Ex 1.

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III. Zweierlei Reformation in England und Schottland

Volkes Israel und beim Perser Cyrus zur Entlassung des jüdischen Volkes in die Freiheit geschehen sei.150 Allerdings richtete er auch an Mary Guise eine eindeutige Warnung. Auch sie sei dem göttlichen Gesetz verpflichtet: “Let not youre Grace be disceaved: God can not deny hym selfe: He hathe witnessed from the beginnynge, that no religion pleaseth Hym, except that which He, by hys owne Worde, hath commanded and established“.151 Ferner habe Christus seinen Jüngern unmißverständlich verkündet (Mt 15,13): “All plantation that my Heavenlye Father hathe not planted shall be routed out“. Knox läßt keinerlei Zweifel daran, daß sich diese Botschaft nicht mit der katholischen Religion vereinbaren läßt, deren Wesen er als „corrupt religion“ mit Anklagen überzieht.152 Alle Versuche, die wahre Religion mit Zusätzen zu verdunkeln und Gottes Gesetze zu mißachten, hätten jedoch die Bestrafung der Verantwortlichen zur Folge gehabt. Als Beispiele nennt Knox die Könige Saul und Usija, die beide wegen Verstößen gegen Gottes Gebote ihre Herrschaft verloren, sowie die Söhne Aarons, Nadab und Abihu, die aufgrund eines unerlaubten Brandopfers durch Gott den Tod zu erleiden hatten. Deren Schicksal habe jeder zu befürchten, so Knox, der sich den göttlichen Weisungen nicht füge: „will He now, I say, adnmitte man’s inventions, in the matter of religion, which before he reputed for damnable idolatry“?153 Richtet sich diese Botschaft noch an die Kirche (Nachkommen Aarons) wie an die Regentin (Könige Saul und Usija) gleichermaßen, so zielt die abschließende warnende Mahnung auf Mary Guise allein. Um göttlicher Strafe zu entgehen, solle sie die Mißstände in der Kirche abstellen, d. h. die Religion und den Gottesdienst so reformieren, daß sich alles auf Aussagen der Bibel zurückführen läßt. Vorbilder für ein solches Vorgehen seien Hosia, Hiskija und Joschafat,154 die positiven Könige des Königreiches Juda im Alten Testament. Sollte sie dies unterlassen, falle sie mitsamt ihren Nachfahren der Gottesstrafe anheim. Da Gott der Ursprung weltlicher Herrschaft sei, habe er auch die Gewalt, weltliche Herrschaft wieder zu entziehen: „that he is alone that moderateth the tymes and disposeth kingdomes; (Dan 2; Jer 37; 1 Kön 2) that it is He, that glorifieth them that glorifieth him, and that he by his own power poureth forth contempt upon all princes that rebell against his graces offered.“155 Es erstaunt wenig, daß diesem Brief der von Knox erwünschte Erfolg versagt geblieben ist. Daher sah er sich genötigt, ihn erneut an die Regentin abzuschicken und in Druck zu geben, diesmal mit weiteren Kommentaren und Ausführungen versehen.156 Der gegenüber Maria Guise angeschlagene Ton ist nun deutlich här150 151 152 153 154 155 156

Ebd., S. 76. Ebd., S. 80. Knox bezieht sich hier auf Dtn 4,12, gemeint sein dürfte wohl Dtn 4,2. Ebd., S. 77–80. Ebd., S. 80. Ebd., S. 82 und S. 84. Ebd., S. 83. John Knox, A Letter to the Queen Dowager, Regent of Scotland, Augmented and Explained by the Author (1558), in: Laing, Knox, Bd. 4, S. 423–460.

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ter: Könige, die ihre Macht zur Unterdrückung der Rechtgläubigen mißbrauchten und damit Gottes Gesetze mißachteten, seien Geistesverwandte des Pharao, bevor Gott sein Volk aus Ägypten geführt habe. Ihnen gegenüber sei niemand Gehorsam schuldig: „who are be so bolde as to affirme that God hath commanded any creature to be obeyed against himselfe“.157 Statt dessen haben sich alle wahrhaft gehorsamen Untertanen allen Weisungen der Obrigkeit zu widersetzen, die gegen den wahren Glauben gerichtet seien: „Onlie they which to the death resist such wicked lawes and decrees are acceptable to God, and faithfull to their Princes“.158 Knox bemüht ferner zahlreiche Beispiele aus dem Alten Testament, um darzulegen, welcher Gefahr die Könige und mit ihnen das ganze Volk aufgrund ihres Götzendiensts ausgesetzt sind. Hesekiel 22 gibt die Richtung vor. Es folgen ferner Hinweise auf Jerobeam, Baasa, Ela und Ahab sowie die letzten Könige des israelitischen Nordreiches, allesamt Herrscher, die entweder persönlich oder durch den Tod ihrer Nachkommen für ihren Götzendienst büßen mußten. Dieses Schicksal führt Knox Maria Guise nun auch ganz persönlich vor Augen: „By these examples you may evidentlie espie, that idolatrie is the cause why God destroyeth the posteritie of princes. […] Consider, Madame, that God hath begonne verie sharplie with you, taking from you, as it were together, two children and a husband. He hath begonne, I say, to declare hym selfe angrie; beware that you provoke not the eyes of his Majestie“.159 In seinem 1558 geschriebenen Traktat Appellation from the Sentence Pronounced by the Bishops and Clergy: Adressed to the Nobility and Estates of Scotland hat sich Knox schließlich endgültig zum Widerstandsrecht des Volkes gegen eine götzendienerische Obrigkeit bekannt, ein Bekenntnis, von dem er bis zu seinem Tode nicht mehr abweichen sollte.160 Mit dieser Schrift reagierte er auf seine Exkommunikation in absentia durch die katholische Kirche in Schottland und die öffentliche Verbrennung seines Bildnisses in Edinburgh. Zunächst appellierte er an den schottischen Adel, ihn gegen jedwede Verfolgung durch die katholische Kirche in Schutz zu nehmen, da diese die „tyrannie of that Antichrist“ verkörpere.161 Da die weltliche Gewalt der kirchlichen Gewalt Knox zufolge stets übergeordnet sei, müsse sie den Irrweg der „falschen Propheten“ beenden. Anschließend versucht Knox zu demonstrieren, daß der Adel Gott gegenüber zur Verteidigung des wahren Glaubens verpflichtet sei. Um diesen Beweis anzutreten, greift er auf Röm 13 zurück. Dabei ist seine Interpretation auf gleich zweifache Weise bemerkenswert. Zum einen betont er in seiner Auslegung von Röm 13 nicht die sich aus dem Gehorsamsgebot ergebenden Herrschaftsrechte der Obrigkeit, sondern deren Pflichten.162 Wenn die Untertanen um ihres Seelenheils 157 158 159 160 161 162

Ebd., S. 436 f. Ebd., S. 441. Ebd., 454. John Knox, Appellation from the Sentence Pronounced by the Bishops and Clergy: Adressed to the Nobility and Estates of Scotland, in: Laing, Knox, Bd. 4, S. 460–520. Ebd., S. 469. Ebd., S. 482–485.

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willen zu gehorchen hätten, so Knox, dann dürfte dieser Gehorsam ihr Seelenheil nicht in Gefahr bringen. Daraus ergebe sich als Konsequenz, „that the Reformation of religion in all points, together with the punishment of false teachers, doth appertaine to the power of the Civile Magistrate“.163 Zum anderen sieht der Reformator im Adel einen selbstverständlichen Teil der Obrigkeit. Wenn Paulus von den Christen Gehorsam gegenüber der Obrigkeit einfordere, dann sieht Knox den schottischen Adel auf der Seite derjenigen, denen die Untertanen zu gehorchen hätten, nicht aber auf seiten derer, die ihrerseits der Regentin untertan seien. Der Adel sei dabei ebenso wie die Könige Teil der Obrigkeit und daher wie die oberste Herrscherinstanz zur Verteidigung der wahren Religion und zur Bestrafung all ihrer Widersacher verpflichtet.164 Knox’ Auslegung von Röm 13 war nicht unbedingt neu. Die Gefährdung der Protestanten im Alten Reich von Seiten des Kaisers und der katholischen Reichstagsmehrheit veranlaßte bereits manche Theologen zu einer ähnlichen Deutung, so z. B. Andreas Osiander im Jahr 1531 in seinem Traktat Ein theologischer Ratschlag.165 Der Begriff der Obrigkeit gelte für Magistrate gleichermaßen, so Osiander, weshalb man aus Röm 13 nicht folgern dürfe, daß die niederen Magistrate den höheren bedingungslos zu folgen hätten. Allein die Untertanen, die kein Amt bekleideten, seien zum unbedingten Gehorsam verpflichtet. Die niederen Magistrate hingegen hätten ihr Mandat direkt von Gott.166 Diese Deutung ging Hand in Hand mit einer Selbstauffassung der Reichsfürsten als dem Kaiser quasi gleichgestellte Obrigkeit im Reich mit einer Schutzverpflichtung gegenüber den Untertanen in ihrem Herrschaftsbereich.167 Auf diese Weise ließ sich Röm 13 in der Auseinandersetzung zu einer Ressource in der Hand der Reichsfürsten verwandeln. John Knox’ Zuschreibung der Obrigkeitsrolle auf den schottischen Adel ist indes noch bei weitem weniger plausibel als die von den Reichsfürsten vertretene Argumentation. Diese subsummierten unter dem Begriff der Obrigkeit im Reich nun auch Reichsfürsten bzw. Amtsträger. Knox hingegen löst den Obrigkeitsbegriff von jeglicher institutionellen Verankerung und wendet ihn unterschiedslos auf einen ganzen Stand an. Von dort bis zur Übertragung des Widerstandsrechts auf jeden einzelnen war es nur ein kleiner Schritt, wie noch zu zeigen sein wird. Knox wendet sich im folgenden zwei Einwänden zu, die er zu widerlegen sucht: „Fyrst, because you are no Jewes but Gentiles: and secondarily, because you are no kinges, but nobiles in your realm“.168 Sein Widerspruch gegen den ersten Einwand liest sich wie eine Entgegnung auf die von Mason und Dawson 163 164 165

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Ebd., S. 489 f. Ebd., S. 498. Andreas Osiander, Ein theologischer Ratschlag (1531), in: Ders., Gesamtausgabe, hrsg. v. Gerhard Müller und Gottfried Seebaß, Bd. 4: Schriften und Briefe, Mai 1530 bis Ende 1532, Gütersloh 1981, S. 167–206, hier S. 171–174 und 187 f. Vgl. hierzu auch Benert, Inferior Magistrates, S. 54 f. Hierzu immer noch vorbildlich Eike Wolgast, Die Wittenberger Theologie und die Politik der evangelischen Stände. Studien zu Luthers Gutachten in politischen Fragen, Güthersloh 1977. Laing, Knox, Bd. 4, S. 491.

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vorgebrachte Bundestheorie, wonach nur in England Widerstand gegen die Königsgewalt legitim sei, da nur dort mit der Reformation Eduards VI. ein Bund zwischen Gott und dem Volk vorliege. Knox betont dagegen mit aller Deutlichkeit, daß ein solcher Bund schon längst existiere, und zwar seit der Verkündung der Gesetze an Moses. Dieser Bund sei für alle gültig (Jewes/Gentiles) und gelte uneingeschränkt nach wie vor: „whatsoever God required of the Civile Magistrate in Israel or Juda concerning the observation of the true religion during the tyme of the Law, the same doth he require of the lawfull Magistrates professing Christ Jesus in the tyme of the Gospell; […] it is evident that the Rulers, Magistrats, and Judges, now in Christes kingdome, are no lesse bound to obedience unto God, then were those under the Law“.169 Knox leugnet energisch die Auffassung, daß es einen prinzipiellen Unterschied im Bund Schottlands und Englands zu Gott geben könne.170 Sollten daher Unterschiede in Inhalt und Ton zwischen Knox’ englischen und seinen schottischen Schriften auszumachen sein, so müssen diese Differenzen auf andere Ursachen zurückgeführt werden als auf das vermeintlich unterschiedliche Bundesverhältnis beider Völker zu Gott. Knox’ Widerlegung des zweiten Einwands – daß der Adel nicht eingreifen müsse „because you are no kinges, but nobiles in your realm“ – macht schließlich die Differenzierung zwischen Schottland und England in Fragen des von ihm zuerkannten Widerstandsrechts insgesamt fragwürdig. Er führt drei biblische Beispiele an, in denen gegen ausdrückliche Anweisung königlicher Gewalt gehandelt wurde, um sich dem „blind rage“ des Königs entgegenzustellen. Insbesondere die Rettungstat des Abimelech für den Propheten Jeremias (Jer 38,7), mit dem sich der Reformator in zahlreichen seiner Schriften gerne verglich, diente ihm als paradigmatisches Exempel, um das Widerstandsrecht der Untertanen gegen die Herrschaftsgewalt darzulegen.171 Dieses Recht des Volkes, sich königlicher Gewalt entgegenzustellen, findet eine besonders weitreichende Auslegung in der Verpflichtung, den wahren Glauben zu bewahren und den Götzendienst zu unterbinden. Das im Deuteronomium niedergelegte Gesetz Gottes sowie die Weisung des Propheten Hesekiel dienen Knox als Legitimationsgrundlage.172 Hieraus entwickelt Knox in seiner an den schottischen Adel adressierten Appellation das allgemeine Widerstandsrecht des Volkes zur Wahrung der Gottesherrschaft auf Erden zumindest auf Umwegen: „the punishment of such crimes, as are idolatrie, blasphemie, and others, that tuche the Majestie of God, dothe not appertaine to kinges and chefe rulers only, but also to the whole bodie of that people, and to every member of the same, according to the vocation of everie man, and according to that possibilitie and occasion which God doth minister to revengethe injurie done against his glorie, 169 170

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Ebd. Vgl. hierzu auch Scott Dolff, The Two John Knoxes and the Justification of Non-Revolution. A Response to Dawson’s Argument from Covenant, in: JEH 55 (2004), S. 58–74, hier S. 67 f.; ferner Greaves, Theology and Revolution, S. 120. Laing, Knox, Bd. 4, S. 497 f. Dtn 7; Dtn 13; Ez 9.

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what time that impietie is manifestly knowen“.173 Es müsse sich daher letztlich jeder im Rahmen seiner Möglichkeiten dazu aufgefordert sehen, Götzendiener zu bestrafen und dagegen vorzugehen. Zwar wendet sich Knox an keiner Stelle explizit gegen die Regentin oder ruft zu ihrer Absetzung auf. Wohl aber erklärt er den katholischen Klerus in Schottland zu Freiwild. Da die katholischen Bischöfe Knox zufolge zweifelsohne Götzendiener seien, müßten sie hierfür gemäß dem göttlichen Gesetz mit dem Tode bestraft werden. Hierzu sei ausdrücklich nicht nur die Obrigkeit, sondern jedermann ermächtigt. Wer sich diesem Unterfangen aber entgegenstellt, sei ebenfalls ein Anwalt des Götzendienstes und daher gleichfalls zu bestrafen – dies dürfte auch die Königsgewalt selbst einschließen. Damit plädiert Knox in Schottland ebenso wie in England für ein allgemeines Widerstandsrecht des Volkes, wenn auch auf etwas verschlungeneren Pfaden. Worin nun der Unterschied zwischen Schottland und England besteht, macht Knox gegen Ende seiner Ausführungen deutlich.174 Schottland sei zu vergleichen mit dem israelitischen Nordreich nach der Herrschaft des Königs Jeroboam, das fast ununterbrochen Gottes Gesetze mißachtet habe. In Schottland sei der Götzendienst so allgegenwärtig und habe eine so lange Tradition, daß Gott niemanden finden könne, der die Strafe gegen die Götzendiener ausführen könnte. Es bedürfe daher einer Person mit besonderem göttlichem Auftrag wie Jehu, um die Rechtgläubigkeit wiederherzustellen. Schottland ist ebensowenig ohne Gesetz oder jenseits der Verpflichtungen, die aus Gottes Bund mit den Menschen resultierten, wie Israel es unter Jerobeam war. Es sei nur keine ordentliche staatliche Instanz mehr erkennbar, die den göttlichen Willen vollstrecken könne.175 Knox sucht den schottischen Adel zu ermuntern, diese Rolle als Anwalt des göttlichen Willens einzunehmen. Da der Adel Teil der Obrigkeit sei, habe er gegenüber der Kirche die Aufsichts- und Kontrollgewalt, wie Moses gegenüber Aaron. Er habe daher die Aufgabe, Götzendienst und Unrecht der katholischen Kirche zu bestrafen und die Unschuldigen vor der Tyrannei der katholischen Kirche zu schützen. Er habe die Möglichkeit der Umkehr, um einen Untergang des ganzen Landes abzuwenden.176 An der subversiven Qualität dieses Aufrufs kann kaum Zweifel bestehen. Nicht nur blendete Knox in seinem Begriff von der Obrigkeit die Regentin völlig aus, als wäre sie gleichsam gar nicht vorhanden, was auch in der Zuschreibung der Mosesrolle an den Adel sichtbar wird. Er rief den Adel darüber hinaus dazu auf, das Kirchenregiment des Landes zu übernehmen, auch hier ohne den Rechten der Krone irgendeine Beachtung zu schenken. Für den Adel dürfte es kaum möglich gewesen sein, diesem Aufruf nachzukommen, 173 174 175 176

Laing, Knox, Bd. 4, S. 501. Laing, Knox, Bd. 4, S. 506 f. Vgl. auch Dolff, Two John Knoxes, S. 73. Laing, Knox, Bd. 4, S. 516 f.: „But now doth God of his great mercie call you to repentance, before he powre furth the uttermost of his vongeance: he crieth to your eares that your religion is nothing but idolatrie; he accuseth you of the blood of his sainets, which hath bene shed by your permission, assistance, and powers: for the tyrannie of those raging beastes should have no force, if by your strength they were not mentained“.

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ohne dabei die Gesetze des Landes zu überschreiten und damit Widerstand gegen die etablierte Ordnung und die sie garantierende Krongewalt zu leisten. b) Die schottische Reformation: eine ständische Konfessionalisierung Der schottische Adel konnte die ihm von Knox zugedachte Rolle, ohne offenen Widerstand zu leisten, erst in dem Moment übernehmen, als Maria Guise im Juni 1560 verstarb. Die zukünftige Königin des Landes, Maria Stuart, weilte noch in Frankreich. In dieser Interimssituation schuf das Parlament im August vollendete Tatsachen und führte die Reformation ein. Die Gesetzgebung erstreckte sich dabei auf zweierlei. Zum einen kappte das Parlament kurzerhand die päpstliche Jurisdiktions- und Leitungsfunktion über die schottische Kirche. Wer sich weiterhin in Kirchenfragen an den Papst wende, so der Parlamentsbeschluß, mache sich strafbar.177 Zum anderen verbot es die katholische Messe, „thair wickit idolatrie sayand mess“.178 Dieser Beschluß zeugte von einer bemerkenswerten Distanz des Parlaments zur Krongewalt. Das Parlament führte die Reformation ein, ohne mit der Königin des Landes hierüber das Einvernehmen gesucht zu haben, ja es setzte sich sogar über das Verbot hinweg, über Fragen der Religion in Abwesenheit Marias zu beraten.179 Zwar weigerte sich Maria, diesen Beschluß zu ratifizieren. An seiner faktischen Gültigkeit vermochte sie indes nichts zu ändern. Ihre konfessionelle Identität suchte sie allein dadurch zu bewahren, daß sie sich von ihrem Statthalter in Schottland, Lord James Stewart, das Recht zubilligen ließ, in ihrer Hofkapelle weiterhin die katholische Messe besuchen zu dürfen, obwohl diese im Land fortan verboten war.180 Mit dieser Vereinbarung hatte Maria Stuart schon vor ihrer Rückkehr den Versuch der Rekatholisierung Schottlands aufgegeben und sich in Fragen ihrer katholischen Konfession der Gnade der protestantischen Führungsschicht des Landes ausgeliefert.181 177

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APS, II, 534–5, c.2: „Thairfoir [the three Estates of the Scottish Parliament] hes statute and ordaint that the bischope of Rome haif na jurisdictioun nor autoritie within this realme in tymes cuming […].“ ebenfalls abgedruckt in: Dickinson/Donaldson, A Source Book, Bd. 2, S. 176. Ebd. Gordon Donaldson, The Scottish Reformation, Cambridge 1960, S. 67. Über die politischen Hintergründe zu dieser Entscheidung und den Zusammenhang mit dem Wechsel des Bündnispartners (England statt Frankreich) vgl. Jenny Wormald, Court, Kirk an Community. Scotland, 1470–1622 (New History of Scotland, Bd. 4), Edinburgh/London 1981, S. 109–119. Dies war auch nach ihrer Rückkehr Gegenstand der Auseinandersetzung zwischen den Lords auf der einen und der Kirk auf der anderen Seite; Laing, Knox, Bd. 2, S. 291 f.; William Croft Dickinson, John Knox’s History of the Reformation in Scotland, 2 Bde., London 1949, hier Bd. 2, S. 23 f. Die schlüssigste Erklärung hierfür liefert Jenny Wormald in ihrer wenig schmeichelhaften Biographie Maria Stuarts. Maria Stuart habe als politisches Ziel ihrer Rückkehr nach Schottland die Erlangung der englischen Kronwürde angestrebt und auf ihre diesbezüglichen Rechte gepocht. Das Schicksal Schottlands lag ihr dagegen trotz ihrer Königskrone offenkundig nur wenig am Herzen; vgl. Wormald, Maria Stuart.

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Insbesondere die fortgesetzten Angriffe John Knox’ machen deutlich, daß die Königin vom protestantischen Klerus keinerlei Zurückhaltung erhoffen durfte. Die katholische Monarchin blieb in den Folgejahren ein steter Stein des Anstoßes. Knox nahm dabei die Restbestände der Alten Kirche in Schottland ebenso aufs Korn wie die in der Hofkapelle Woche für Woche zelebrierte katholische Messe, die er als Götzendienst brandmarkte, der das ganze Land ins Verderben stürzen sollte.182 Nun ist Knox’ Rolle als Vorkämpfer der Reformation auch deshalb so präsent, da er und seine Sprechakte gegenüber der Obrigkeit prominentester Gegenstand seiner eigenen Geschichtsschreibung über die Ereignisse dieser Zeit waren. Knox ist also sein eigener Chronist. Dies beeinträchtigt zwar die Glaubwürdigkeit der von ihm dargestellten Auseinandersetzungen mit der weltlichen Obrigkeit für die um Rekonstruktion der historischen Ereignisse bemühte Geschichtswissenschaft. Der Wirksamkeit seiner Sprechakte, die in seiner History of the Reformation in Scotland dauerhaft gespeichert und damit als Musterbeispiel verfügbar blieben, tat dies jedoch keinen Abbruch. Es war gerade der kompromißlose und äußerst entschiedene Wortlaut, der Knox’ Worten Wirkung verlieh. Dabei sorgte der ebenfalls harsche Ton seiner bereits im Exil publizierten Schriften für zusätzliche Authentizität seiner Sprechakte im Angesicht der Obrigkeit. Knox etablierte damit ein Muster für zukünftige Auseinandersetzungen protestantischer Geistlicher mit der Obrigkeit.183 Seine von ihm selbst inszenierte Rolle eines unbeugsamen Propheten sollten sich auch prominente schottische Geistliche der nachfolgenden Generationen zu eigen machen. Knox’ geradezu idealtypische Konstruktion der Begegnung eines auf göttliche Wahrheit pochenden Geistlichen mit Vertretern der weltlichen Macht soll hier an zwei Beispielen zur Sprache kommen. Schließlich war es diese Konstruktion, die in Schottland auf lange Sicht weit größere Wirkung entfalten sollte, als es dem historischen Knox jemals vergönnt gewesen war. Der schottische Reformator stilisierte sich insbesondere als unbeugsamer Verfechter des Widerstandsrechts. Dies stellte er zunächst Anfang September 1561 in einem direkten Zusammentreffen mit Maria Stuart unter Beweis. Er sprach Monarchen in einem ersten Schritt jegliches Recht auf die Konfessionalisierung ihrer Untertanen ab. Schließlich hätten die Juden ja auch nicht den Glauben des Pharaos, der Babylonier oder der Perser angenommen, obwohl sie deren Herrschaft unterstanden, und die Apostel hätten sich der römischen Religion nicht 182 183

Laing, Knox, Bd. 2, S. 270, 276 und 310. Ein Beleg für die langanhaltende Rezeption von Knox’ Aussagen ist auch ein weiteres Geschichtswerk zur schottischen Reformationsgeschichte, das David Calderwod 1625 – also mehr als fünfzig Jahre später – unternommen hat; David Calderwood, The True History of the Church of Scotland, from the Beginning of the Reformation unto the End of the Reign of King James VI, o. O. 1680. In diesem Werk finden sich Knox’ Aussagen in ähnlicher Detailfreude wiedergegeben wie in Knox’ eigener Reformationsgeschichte, die Sprechakte des Reformators gegenüber der Obrigkeit werden beinahe wörtlich von Knox’ eigener Reformationsgeschichte übernommen.

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gebeugt.184 In Fragen der Religion seien die Menschen nur Gott allein unterworfen. Sofern Könige dies nicht respektierten, so Knox, sei Widerstand legitim: “Yf thair Princes exeed thair boundis, Madam, and do against that whairfoir they should be obeyed, it is no doubt but thei may be resisted, evin by power“.185 Auch Kinder seien schließlich nicht dazu verdammt, sich einem Vater zu unterwerfen, sofern dieser sie in einem Anfall von Raserei umbringen wollte. Dies zu verhindern, sei kein Ungehorsam, sondern entspreche Gottes Willen.186 Knox billigt hier Untertanen gegenüber ihrer Obrigkeit ein Notwehrrecht zu, wie es Kindern gegenüber ihren Eltern ebenfalls zustehe. Eine Einschränkung dieses Notwehrrechts, beispielsweise auf Stände oder niedere Magistrate, erwähnt John Knox nicht, vielmehr seien alle Untertanen hierzu berechtigt. Er sieht das Notwehrrecht ferner im göttlichen Recht begründet.187 Und der Moment zur Notwehr sei gekommen, so der Kontext von Knox’ Aussage, wenn die Obrigkeit der wahren Religionsausübung des Volkes im Wege stehen sollte. Sowohl das Beispiel zur Legitimation des Notwehrrechts als auch den Kontext seiner Anwendung übernahm er dabei, ohne dies eigens zu erwähnen, dem Magdeburger Bekenntnis von 1550.188 Der Bezug auf das Magdeburger Bekenntnis macht zugleich deutlich, was Knox in seiner Auseinandersetzung mit Maria Stuart eigentlich umtreibt. Mehr 184 185 186

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Laing, Knox, Bd. 2, S. 281. Laing, Knox, Bd. 2, S. 282. Laing, Knox, Bd. 2, S. 282; Dickinson, John Knox’s History, Bd. 2, S. 16 f. Calderwood, The True History, S. 31, gibt diese Passage zwar in geglättetem Englisch wieder, hält sich ansonsten aber an den Text von John Knox, mit einem bezeichnenden Unterschied: Statt vom „true will of God“ ist bei Calderwood vom „true Word of God“ die Rede. Dies war unter protestantischen Theologen durchaus strittig. Luther sah beispielsweise keinerlei biblische Grundlage für ein Notwehrrecht gegeben und hielt allenfalls weltliche Wurzeln für denkbar. So äußerste sich im Zusammenhang mit dem Schmalkaldischen Krieg auch Basilius Monnerus, Von der Defension und Gegenwehr (1547), S. 12: Das Recht auf Notwehr besäßen die Menschen „nicht als Christen (dann dieselbigen haben für ihre Person einen anderen Befelch) Sondern als Bürger und Einwohner dieser Welt“. Dabei nahm er Bezug auf das römische Recht (Dig. 9, 2, 5, 1); hierzu Benert, Inferior Magistrates, S. 12 f., 14 u. 28; Scattola, Naturrecht, S. 59 f. Melanchthon hingegen sah das Notwehrrecht als Teil des Naturrechts und damit als göttlich sanktioniert an (S. 55–76). Bekentnis, Unterricht und Vermanung/der Pfarrherrn und Prediger/der Christlichen Kirchen zu Magdeburgk, zit. n. Friedrich Hortleder, Der Römische Kayser- und Königl. Maiestate… Gelehrten Handlungen, Frankfurt a. M. 1618, IV. 7, S. 1069: „Also widerrumb/ wenn die Obrigkeit unnd Eltern/ die jren von der waren Gotesfurcht unnd erbarkeit abfüren wollen/ So ist man jhn nach Gotes wort keinen gehorsam schüldig/ Wenn sie aber auch in dem fürhaben sind/ das sie ausrottung der Religion und guter sitten suchen/ unnd die wahre Religion unnd erbarkeit verfolgen/ so entsetzen sie sich jhrer ehr selbst/ das sie nicht mehr für Obrigkeit oder Eltern inn dem selben können gehalten werden/ wider für Gott noch für den gewissen jhrer unerthanen.“. An späterer Stelle bezieht sich Knox ausdrücklich auf das Magdeburger Bekenntnis, um das Widerstandsrecht des Volkes zu begründen; Laing, Knox, Bd. 2, S. 453. Mit der Parallelisierung von beschränkter Patrimonialgewalt und Herrschaftsgewalt und der Analogie, daß Kinder umnachteten Eltern nicht folgen müßten, hat Knox innerhalb der schottischen Presbyterianer Schule gemacht; vgl. nur David W. Atkinson, Selected Sermons of Zachary Boyd, Aberdeen 1989, S. 251.

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als Notwehr gegen eine blindwütige Obrigkeit hat er die Verteidigung des wahren Glaubens im Sinn, zu dem man durch Gottes Gesetz verpflichtet sei und das stärker binde als alle weltlichen Gesetze. Die Untertanen entsprächen mit der Wahrnehmung der Notwehr Gottes Gebot, dem sie stärkeren Gehorsam schuldig seien als der weltlichen Obrigkeit. Es ist dieser angemahnte Schutz des wahren Glaubens als Folge des Gott geschuldeten Gehorsams, der Knox’ Legitimation der Notwehr für Maria Stuart so gefährlich werden läßt. Als katholische Königin konnte sie stets als Feindin der wahren Lehre und als Götzendienerin gebrandmarkt werden – was radikale protestantische Prediger vom Schlage John Knox’ bereits praktizierten und damit die Notwendigkeit zur Notwehr begründeten. Folgt man den Aussagen des Theologen Knox, stand ihre Königsherrschaft bereits auf tönernen Füßen.189 Das Streitgespräch zwischen John Knox und William Maitland of Lethington, Sekretär der Königin, vor der General Assembly drei Jahre später liest sich wie eine Fortsetzung dieser Debatte. Auch hier stand das Widerstandsrecht des Volkes gegen den König zur Diskussion. Der königliche Sekretär suchte Knox die Zusage abzuringen, sich künftig in seinen Predigten mit Anklagen gegen die Königin zu mäßigen und keinerlei Dinge anzusprechen, die die königliche Herrschaftsgewalt und den schuldigen Gehorsam der Untertanen untergraben könnten.190 Knox hingegen verteidigte das Recht des Volkes auf Widerstand gegen die Obrigkeit für den Fall, daß die Obrigkeit dem falschen Glauben anhänge, Götzendienst im eigenen Land Vorschub leiste und damit gegen die Gesetze Gottes verstoße. Daß die Auseinandersetzung vor der General Assembly stattfand, also der höchsten Versammlung der schottischen Kirk, verlieh ihr zusätzliches Gewicht. Es ging um das Verhältnis von weltlicher und geistlicher Gewalt, um Gehorsam gegen König und Gott und um die Deutungshoheit über Aussagen, die die Heilige Schrift zur Klärung dieser Fragen vermeintlich bereithielt. Das Beispiel des Königs Manasse vom Königreich Juda (2 Kön 21,1–18) diente Knox dazu, Schottlands Schicksal allen Zuhörern der Assembly vor Augen zu führen. Für die Untaten Manasses, der den Baalskult wieder zum Leben erweckte, kündigte Gott über seine Propheten dem ganzen Volk Juda seine Strafe an. Daher habe aufgrund des Katholizismus der schottischen Königin das ganze Volk Gottes Strafe zu fürchten.191 Das Schicksal der Gemahlin Ahabs, der Königin Isebel, deutete Knox wie eine Prophezeiung der Zukunft der Königin Maria Stuart.192 Isebel veranlaßte als Phönizierin den König des israelischen Nordreiches Ahab dazu, den Baalskult einzuführen. Als Strafe hierfür wurden sie und die gesamte Königsfamilie von Jehu, einem Hauptmann im Heer des israelitischen Königs, in Gottes Auftrag umgebracht und ihre sterblichen Überreste den Hun189 190 191 192

Dem entsprach auch die Reaktion der Königin auf Knox’ Vortrag; Laing, Knox, Bd. 2, S. 283; Dickinson, John Knox’s History, Bd. 2, S. 17. Laing, Knox, Bd. 2, S. 425. Ebd., S. 426 f. Ebd., S. 432 f.

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den zum Fraß vorgeworfen (2 Kön 9–10). Lethington sah darin ein singuläres Beispiel außerordentlicher göttlicher Intervention ohne jegliche Aussagekraft für die Gegenwart. Knox hingegen diente es als Beweis einer bevorstehenden Gottesstrafe.193 Als nächstes hatte Knox vor Lethington seine Auslegung von Römer 13 zu verteidigen. Das prinzipielle Gebot von Paulus in Römer 13, jeder Obrigkeit zu gehorchen, gilt für John Knox nur für eine Obrigkeit, die im Einklang mit Gottes Gesetzen regiere.194 „Wyckit Princes“ hätten hingegen keinerlei Anspruch auf Gehorsam. Sollte die Obrigkeit sich gegen Recht und Gebot stellen, so wäre Widerstand geradezu Pflicht: „thai resist nocht God, but the Devill, who abusis the swerd and authoritie of God“.195 So habe das Volk Israel gegen den König Saul opponiert, nachdem dieser seinem eigenen Sohn Jonathan nach dem Leben trachtete, und seine eigene Leibgarde ihm den Gehorsam verweigert, als er ihr die Ermordung Ahimelechs und der Priester von Nob befahl.196 John Knox geht auch darauf ein, wer das Widerstandsrecht geltend machen könne: „I speik of the peopill assembled togidder in one bodie of ane Commounewelth, unto whome God hes gevin sufficient force, nocht onlie to resyst, but also to suppres all kynde of opin idolatrie“.197 Im Gegensatz zum Notwehrrecht koppelt Knox das Widerstandsrecht an eine Institution, die das Volk repräsentiert, womit er wohl an das schottische Parlament gedacht haben dürfte. Die gesteigerte Qualität politischer Repräsentation des Volkes korrespondiere indes auch mit höheren Gehorsamsanforderungen gegenüber der lex dei, was Knox wiederum anhand eines Vergleichs mit der historia sacra verdeutlicht: „God requyreit one thing of Abrahame and his seid, when he and thay wer strangeris and pilgremes in Egipte and Canaan; and ane uther thing requyrit he of thame, when thay wer delyverit fra the boundage of Egipt, and the possessioune of the land of Canaan grantit unto the same“.198 Hätte sich das Volk unter Abraham nur von allen Formen des Götzendienstes fernzuhalten, so habe das Volk nach der Landnahme den strikten Befehl erhalten, alle Formen des Götzendienstes zu zerstören. Das Gesetz Gottes verlange den Tod aller Götzendiener, ohne Ansehen der Person.199 Weitere das Widerstandsrecht legitimierende Beispiele findet Knox im Schicksal der beiden Könige Joas und Amazja, von denen der eine durch eine Revolte der Dienerschaft, der andere durch einen allgemeinen Aufstand des Volkes den Tod fanden (2 Kön 12, 21 und 14, 19–20). In beiden Fällen habe das Volk die richtige Lehre aus dem eingegangenen Bund mit Gott gezogen und die Verpflichtung 193 194 195 196 197 198 199

Ebd., S. 433 und 445 f. Ebd., S. 436: „for Godis ordinance is the conservatioun of mankind, the punishment of vyce, the mentenyng of vertew, quilk is in it self holie, just, constant, stable, and perpetuall“. Ebd., S. 438. Ebd., S. 437. Ebd., S. 442 f. Ebd., S. 443. Ebd., S. 445 und 447.

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ernst genommen, gehorsame Untertanen Gottes zu sein.200 Der Königsmord war daher auch in beiden Fällen Knox zufolge eine gottesfürchtige Tat, die Gottes Segen nach sich zog.201 Damit leitete Knox das Widerstandsrecht des Volkes im Falle götzendienerischer Könige aus der lex dei ab und erhob es zur allgemeinen Richtschnur politischen Handelns. Insbesondere für den schottischen Adel und das Parlament leitete er einen direkten Handlungsauftrag ab, um den Katholizismus der Königin nicht weiter zu dulden.202 John Knox bediente sich in seinen Sprechakten gegenüber der Obrigkeit ebenso wie bereits in seinen früheren Schriften bestimmter Texte des Alten Testaments, nämlich der historischen Schriften sowie der Prophetenschriften Jeremias und Hesekiel. Diese Auswahl war keineswegs zufällig. Vielmehr handelt es sich jeweils um Textstellen, in denen der unbedingte Gehorsam des jüdischen Volkes gegenüber Gottes Gesetz eingefordert wird und jede Form der Abweichung, insbesondere aber der Götzendienst als schlimmste Form des Ungehorsams, harte Gottesstrafen nach sich zieht. Auf dieser Textgrundlage wird John Knox in Schottland zum ersten Protagonisten, der sich der „Mosaischen Unterscheidung“ im protestantischen Sinne bediente und sie zur Propagierung der Reformation nutzte. Wie bereits das Beispiel George Gillespies kurz vor Ausbruch des schottischen Bürgerkrieges verdeutlichte, hat er damit Schule gemacht.203 Die zentralen Bestandteile seiner politischen Theologie – die dauerhafte Gültigkeit der lex dei, das Götzendienstverbot als oberster Maßstab, übertragen auf alle Formen katholischer Liturgie, die Unterwerfung der Obrigkeit unter die Herrschaft Gottes und das göttliche Gesetz sowie die Verpflichtung des Volkes zum Widerstand im Falle obrigkeitlicher Abweichungen vom Gesetz – fanden Eingang in den Erinnerungshaushalt der schottischen Kirche und erfuhren bei Bedarf erneute Anwendung.204 Daran konnten auch obrigkeitliche Maßnahmen nichts ändern: 1584 verurteilte das schottische Parlament John Knox’ History of the Reformation ausdrücklich als aufrührerisches Werk und ließ es zusammen mit George Buchanans History of Scotland öffentlich verbrennen. Zumindest den radikalen Presbyterianern blieb Knox’ Argumentation jedoch weiterhin vertraut. In Calderwoods Kirchengeschichte Schottlands finden sich die Streitgespräche, die Knox in seiner eigenen Geschichtsschreibung über die Reformation ausführlich festhielt, fast wortidentisch wiedergegeben.205 Das Ideal einer Theokratie blieb unter presbyterianischen Geistlichen in Schottland stets präsent. 200 201 202 203 204 205

Ebd., S. 448: „That the King and the peopill sould be the peopill of the Lord, and than sould thai be his faythfull subiectis“. Ebd., S. 449. Ebd., S. 427. So folgende, direkt an Lethington adressierte Aussage: „hoill Scotland is guiltie this day of the Quenis idolatrie, and ye, my Lordis, speciallie above all utheris“. S. o. Kap. II 1 b und c. Vgl. nur exemplarisch Samuel Rutherford und sein Traktat Lex, Rex, in dem er wiederholt auf Knox Bezug nimmt; s. o. Kap. II1 f.; vgl. ferner Coffey, Politics, Religion, S. 233 f. Calderwood, The True History, S. 35 f.

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c) Kirk gegen König I: Das Second Book of Discipline Mit der erzwungenen Abdankung Maria Stuarts durch das Parlament bzw. die einflußreichen Magnaten des Landes fehlte einer weiteren Anwendung der mosaischen Unterscheidung vorerst der Gegenstand. Jakob VI., Sohn und Thronfolger Maria Stuarts, erhielt durch seine Regenten eine streng protestantische Erziehung, weshalb die Gefahr einer katholischen Obrigkeit in einem protestantischen Schottland gebannt war. Zu einer dauerhaften Entspannung des Verhältnisses zwischen protestantischem Klerus und dem König trug dies jedoch nur bedingt bei. Bis Jakob VI. das regierungsfähige Alter erreichen und im Jahr 1582 das Heft selbst in die Hand nehmen sollte, etablierte sich in der schottischen Kirche zunehmend ein presbyterianisches Kirchenverständnis, das auch für den protestantischen König Jakob VI. einige Zumutungen bereithielt. Dies betraf zunächst die vom Klerus beanspruchte politische Wächterrolle. John Knox legitimierte seine Sprecherrolle als Kritiker der Monarchin noch auf außerordentliche Weise, d. h. durch seine persönliche Berufung von Gott. Letztlich stilisierte er sich zu einem geistigen Nachfahren des Propheten Jeremias, dem es auferlegt sei, den unbedingten Gehorsam gegenüber Gott von jedermann einzufordern, dem Volk ebenso wie der Königin.206 Diese Rolle sollte die Geistlichkeit bald generell für sich einfordern: Nicht die eigene außerordentliche Berufung wurde betont, vielmehr wurde die Rolle des Geistlichen generell in dieser Weise definiert. Zugleich wurde die Rolle des Königs in der Kirche marginalisiert. Das erste ausdrückliche Zeugnis schottischen Presbyterianismus war das Second Book of Discipline, das die General Assembly im Jahr 1578 verabschiedete.207 Die Autoren legten dabei größten Wert auf die vollständige Trennung zwischen der weltlichen und der kirchlichen Sphäre. Diesen Aspekt hatte zwar bereits John Knox gegenüber Maria Guise ebenso wie gegenüber Maria Stuart immer wieder betont.208 Entscheidend ist aber, daß die Autoren auch unter einem protestantischen Herrscher auf die Unabhängigkeit der Kirche pochten. Die geistliche Gewalt „flowis immediatlie frome God and the Mediatour Chryst Jesus, and is spirituall, not having ane temporall heid in eirth bot onlie Chryst, the onlie spirituall king and governour of his kirk“.209 Da Christus der einzige König seiner Kirche sei, wie die Autoren ausdrücklich betonten, blieb in diesem Kirchenverständnis für eine königliche Leitungsfunktion in der Kirche kein Platz. 206

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Vgl. John Knox, A Sermon Preached by John Knox, 19. August 1565, Edinburgh 1566, Fol. A2v–A3r: „I decree to containe my selfe within the bondes of that vocation whereunto I founde my selfe especially called. I dare not denie […] but that God hath revealed unto me secretes unknowen to the worlde, and also that he hath made my tong a trumpet to forewarne realmes and nations yea certaine great personages of mutations and chaunges, when no such thinges were feared, nor yet was appearing, a portion whereof can not the world denie (be it ever so blind) to be fulfilled“. Zur Entstehung dieses kirchlichen Regelwerks vgl. James Kirk (Hrsg.), The Second Book of Discipline. With Introduction and Commentary, Edinburgh 1980, S. 45 f. und S. 51–57. Ebd., S. 59. Ebd., I, 10 (S. 166).

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Dem englischen Modell einer Kirche mit dem König als Kirchenoberhaupt, das auch Jakob VI. sehr einleuchtete, war damit der Weg verbaut. Die geistliche Gewalt umfaßte zweierlei: zum einen die potestas ordinis, die jeder einzelne Pfarrer mit seiner Predigt ausübte, zum anderen die potestas jurisdictionis, die von der ganzen Kirche gemeinsam im „mutuall consent“ ausgeübt werden sollte; damit waren insbesondere die disziplinarischen Aufgaben der Kirche gemeint, die u. a. auch das Recht auf Exkommunikation einschlossen.210 Beide Spielarten der geistlichen Gewalt werden aus der Bibel direkt abgeleitet: Die Schlüsselübergabe an Petrus (Mt 16,19) und der damit verbundene Auftrag an ihn, zu binden und zu lösen, diente dabei als Grundlage der potestas ordinis, die Zurechtweisung innerhalb der Gemeinde (Mt 18,16–18) als Legitimation der kirchlichen Jurisdiktionsgewalt.211 Daß die Macht und die Herrschaft in der Kirche sich ausschließlich auf das Wort Gottes gründe und Christus der einzige „spirituall king“ in der Kirche sei, wird besonders betont.212 Der Anspruch, Haupt der Kirche zu sein, wird als größter denkbarer Akt des Ungehorsams gegen Gott deutlich gebrandmarkt: „It is ane title falslie usurpit be antichryst to call him self heid of the kirk and aucht not to be attributtit to angell or mane, of quhat estait soevir he be, saiffing to Chryst, the heid and onlie monarche in this kirk.“213 Diese Aussage ist zugleich einer der wichtigsten Grundsätze des Second Book of Discipline überhaupt. Legt man deren Anspruch zugrunde, so haben sich im Lauf der Kirchengeschichte zahlreiche sowohl geistliche als auch weltliche Autoritäten bereits als Usurpatoren der Herrschaftsgewalt Christi über seine Kirche betätigt, die Bischöfe und insbesondere der Papst ebenso wie zahlreiche weltliche Herrscher, angefangen von den christlichen römischen Kaisern bis hin zur englischen Königin Elisabeth, die gleichfalls den Anspruch erhob, Haupt, oder zumindest Governor, der Kirche zu sein. Niemand wird im Second Book of Discipline namentlich angesprochen oder beschuldigt. Mit dem Hinweis, daß der Anspruch darauf, Haupt der Kirche zu sein, dem Ansinnen des Antichristen gleichkomme, ist jedoch bereits die prinzipielle Botschaft vorgegeben, die in Predigten ohne weiteres auch auf konkrete Personen und Ereignisse angewendet werden konnte. Die strikte Trennung der geistlichen und der weltlichen Gewalt hatte einen weiteren, für weltliche Herrschaftsträger unangenehmen Aspekt. Jeder Christ ist auf Erden beiden Gewalten untertan, der geistlichen ebenso wie der weltlichen. Dies gilt für die Mitglieder der Kirche, ebenso aber auch für die oberste weltliche Autorität, den König. So wie die Pastoren in Fragen weltlicher Herrschaftsgewalt der Obrigkeit voll unterworfen sind, so ist auch der König „subject to the kirk 210

211 212 213

Ebd., I, 7 (S. 165). Daß nicht Einzelpersonen, sondern ein Konsistorium von Ältesten die disziplinarische Gewalt ausüben solle, entstammt Calvins Deutung der frühchristlichen Kirche; vgl. hierzu Jean Calvin, Institutionis Christianae Religionis 1559, hrsg. von Petrus Barth (Joannis Calvini Opera Selecta, 5), München 1936, Lib. IV, Kap. XI, 6. Kirk (Hrsg.), The Second Book of Discipline, I, 8 (S. 165). Ebd., I, 11 (S. 167). Ebd., I, 12 (S. 167).

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spirituallie and in ecclesiasticall government.“214 Ruft man sich die beiden Formen der geistlichen Gewalt in Erinnerung, so heißt das zum einen, daß er sich die Predigten der Pfarrer gefallen lassen müsse, auch wenn er oder Personen aus seiner unmittelbaren Umgebung mit Kritik überzogen werden sollten, und zum anderen, daß er als Mitglied der Kirche auch der Jurisdiktionsgewalt der Kirche unterworfen sei, schlimmstenfalls daher auch exkommuniziert werden könne. Beide Konkretisierungen ergeben sich logisch aus den im Second Book of Discipline vorgegebenen Prämissen, und beide waren für König Jakob VI. nicht hinnehmbar, wie die folgenden Jahrzehnte verdeutlichen sollten. Auch die Reformer kommen jedoch nicht umhin, der Obrigkeit – das Second Book of Discipline spricht ausdrücklich vom Magistrat, nicht vom König – eine Schutz- und Aufsichtsfunktion über die Kirche zuzugestehen; eine Rolle, die sie mit den Worten der Schrift als „nurissaris of the kirk“ bezeichnen.215 Der König habe eine Wächterfunktion, um sicherzustellen, daß in der Kirche alles gemäß der Heiligen Schrift eingerichtet sei.216 Keinesfalls dürfe er „fals teachearis“ in der Kirche dulden.217 Sofern dies nicht der Fall sei, bliebe diese Wächterfunktion für das Kirchenregiment jedoch in den Augen der Autoren ohne Bedeutung. Keinesfalls dürfe die Aufsichtsfunktion dazu mißbraucht werden, in der Kirche Zensur zu üben.218 Den Spagat zwischen der königlichen Wächterfunktion einerseits und dem Gebot der Nichteinmischung der weltlichen Gewalt in die geistliche Sphäre andererseits suchten die Reformer dadurch zu lösen, daß sie der Obrigkeit Einwirkungsrechte in die Kirche nur zu Not- und Krisenzeiten der Kirche zugestanden, nicht aber als dauerhaften Anspruch auf Einflußnahme in der Kirche.219 214 215

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Ebd., I, 14 (S. 169). Die Bezeichnung stammt aus Jes 49, 23: „And kings b shall be thy nursing fathers, and their queens thy nursing mothers: they shall bow to thee with [their] face toward the earth, and lick up the c dust of thy feet; and thou shalt know that I [am] the LORD: for they shall not be ashamed that wait for me.“ Der Text der Geneva Bible enthält zugleich zwei aufschlußreiche Fußnoten, die beide das dienende Verhältnis der Könige zu Gott und der Kirche herausstreichen: (b) Meaning, that kings will be converted to the gospel, and bestow their power and authority for the preservation of the Church. (c) Being joined with the Church, they will humble themselves to Christ their head, and give him all honour. Auch Jakob greift in seinem politischen Testament Basilikon Doron auf diese Bezeichnung aus Jes 49, 23 zurück, allerdings um daraus eine institutionalisierte oberste Leitungsfunktion in der Kirche für sich abzuleiten; vgl. hierzu unten Kap. IV 3b. Kirk, Second Book of Diszipline, X, 3 (S. 213). Ebd., X, 4 (S. 214). Ebd., X, 5 (S. 214). Ebd., X, 9 (S. 216): „And althocht kingis and princes that be godlie, sumtymis be thair awin auctoritie (quhene the kirk is corrupt and all thingis out of ordour) place ministeris and restoir the trew service of the Lord, eftir the example of sum godlie kingis in Judea, and divers godlie emperouris and kingis, also in the lycht of the New Testament, yit quhair the ministrie of the kirk is anislawfullie institut, and they that are placed do thair office faythfullie, all godlie princes and magistratis aucht to heir and obey thair voice, and reverence the majestie of the sone of God speiking be thame.“ Die Beschränkung der Aufsichtsgewalt des Fürsten auf die Zeiten einer von Korruption befallenen Kirche dürften die schottischen Geistlichen Martin Bucer verdanken, der als Vorbilder die Könige David, Salomon, Hiskija und Hosia benennt; Bucer, De Regno Christi, S. 15 f.

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d) Kirk gegen König II: Anwendungsfälle Das divergierende Kirchenverständnis zwischen den schottischen Presbyterianern einerseits und König Jakob VI. andererseits führte in den folgenden Jahrzehnten zu einer Vielzahl kleinerer und größerer Auseinandersetzungen. Gleich nachdem Jakob zu Beginn der 1580er Jahre das Regiment in seine eigenen Hände nahm, steuerte der Konflikt einem ersten Höhepunkt zu. Die schottische Kirk zeigte sich von Beginn an entschlossen, ihren Anspruch auf ein von königlicher Einflußnahme autonomes Kirchenregiment kompromißlos in die Tat umzusetzen. Der vom König eingesetzte Erzbischof von Glasgow, Robert Montgomery, wurde von der General Assembly im Jahr 1582 kurzerhand exkommuniziert. Dem König wurde vorgeworfen, mit seinen Eingriffen in die Kirche Reservatsrechte Christi zu usurpieren. In Jakobs Maßnahmen witterten die Presbyterianer bereits „a new Popedome“.220 Eine Entführung des Königs durch die Ruthen Raiders im August 1582 bekam schließlich die Rückendeckung der schottischen Kirk, die diese Aktion auf ihrer General Assembly billigte und als notwendige Maßnahme zum Schutz der schottischen Kirche adelte.221 Umgekehrt setzte König Jakob, nachdem er den Entführern schließlich entkommen war, alles daran, die Kirche fortan seinem Regiment zu unterwerfen: Die Versammlungen der Kirche durften nur mit königlicher Zustimmung erfolgen, deren Beschlüsse sollten erst nach königlicher Zustimmung in Kraft treten, die Exkommunikation von Robert Montgomery wurde aufgehoben, ferner behielt sich der König das Recht vor, auch in Zukunft Entscheidungen der Kirche zu kassieren. Geistliche, die ihre Funktion weiter ausüben wollten, mußten sich mit ihrer Unterschrift mit der Obergewalt des Königs in der Kirche einverstanden erklären und Gehorsam gegenüber den Bischöfen geloben.222 Zwar hatten die Black Acts, wie die Presbyterianer den königlichen Maßnahmekatalog titulierten, wie so viele politische Entscheidungen dieser Zeit in Schottland keine lange Halbwertszeit. Infolge mangelnder Durchsetzungsfähigkeit mußte Jakob statt dessen zusehen, wie der Ausbau der einzelnen Presbyterien unvermindert voranschritt und die Kirche sich mehr und mehr dem Ideal annäherte, das die Reformer so hartnäckig verfolgten.223 Politisch sollten die Black Acts Episode bleiben. Die einzelnen Beiträge, in denen öffentlich um die Legitimität dieser Maßnahmen gerungen wurde, ließen aber zum ersten Mal die beiden miteinander rivalisierenden politischen Theologien erkennbar werden. Daher ist 220 221

222 223

Calderwood, The True History, S. 127 f. Calderwood, The True History, S. 131–133; Acts and proceedings of the General Assemblies of the Kirk of Scotland from the Year M.D.LX., hrsg. v. Thomas Thomson, 3 Bde., Edinburgh 1839–45, hier Bd. 2, S. 594. Vgl. ferner den Traktat von John Colville, Ane Declaratioun of the Iust and Necessor Causis, Moving us of the Nobilitie of Scotland and Uthers ye Kings Maiesties Faithful Subiectis to Repare to his Hienes Presence and to Remane for him for Resisting of the Present Daingeris Appering to Goddis Trew Religion, Edinburgh 1582. Die Bestimmungen sind vollständig abgedruckt in den APS III, S. 292–303. David Georg Mullan, Episcopacy in Scotland. The History of an Idea 1560–1638, Edinburgh 1986, S. 65.

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die publizistische Auseinandersetzung, die aufgrund der Black Acts in Gang kam, von größerem Interesse als die Maßnahme selbst. Die Argumente, auf die sich beide Seiten jeweils stützten, waren nämlich von wesentlich größerer Haltbarkeit als die politischen Entscheidungen, die damit legitimiert werden sollten. Im Grundsatz sollte sich auch in den folgenden Jahrzehnten wenig an den jeweils vorgebrachten Standpunkten ändern. Dies gilt auch und gerade für das biblizistische Fundament der vorgebrachten Argumente. Den Anfang machte James Melville, einer der prominentesten Vorreiter der Presbyterianer in Schottland, mit einen Brief an seine Pastorenkollegen, in dem er diese davor warnt, die vom König geforderte Zustimmung qua Unterschrift zu leisten. Er wetterte gegen die „Popish Supremacie of the King“ und drohte allen, die die geforderte Unterschrift bereits geleistet hatten, Strafen innerhalb der Kirche an.224 Dabei sei das prinzipielle Vergehen der Anspruch des Königs auf Suprematie in der Kirche. Damit „yie haiff nocht onlie sett upe a new Pape, ans sa becom trators to Chryst“.225 Der Anspruch auf die Oberhoheit in der Kirche habe keine Grundlage in der Heiligen Schrift, sondern stünde im Gegensatz zur biblischen Überlieferung. Schließlich habe Christus, das einzige Haupt der Kirche, seine Gewalt, zu binden und zu lösen, an die Kirche weitergegeben, wie Melville mit ausdrücklichem Hinweis auf Mt 16,18 versichert, um daran die rhetorische Frage anzuschließen: „War thir keyes giffen to anie king or magistrat?“226 Daß die weltlichen Herrscher sich aber auch zu den Herren in der Kirche aufschwingen wollten, sieht Melville nicht als Vergehen Jakobs allein. Seit den ersten christlichen Kaisern habe sich weltliche Obrigkeit Autorität über die Kirche angemaßt, was sich auch prompt in zahllosen Schismen und Häresien niedergeschlagen habe.227 Jeder Pastor stehe daher vor der Wahl, so Melville in bester Knoxscher Tradition, entweder Christus zu gehorchen oder aber der weltlichen Autorität. Dabei ließ er keinen Zweifel daran, welche Wahl er für die richtige hielt: „Obedience, except it be in God, and according to his command, is na obedience, but sin, rebellion, treasone, and disobedience, the quhilk is as the sin of witchcraft, wickednes, and ydolatrie befor God, as Samuel teached King Saul, in his awin face.“228 Auch der Hinweis darauf, daß man Gott mehr gehorchen müsse als dem Menschen, fehlte in Melvilles Brief nicht.229 Dagegen sei, was Menschen Rebellion, Ungehorsam und Hochverrat zu nennen pflegten, vor den Augen Gottes Pflichterfüllung und Dienst. Zahlreiche Exempla des Alten Testaments dienen Melville

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James Melville, Autobiography and Diary of Mr. James Melvill, with a Continuation of the Diary, hrsg. v. Robert Pitcairn, Edinburgh 1842, S. 200. Ebd., S. 208. Ebd., S. 211. Ebd., S. 212: „Fra that tyme, as never of befor, miserablie hes the Kirk been cut and devydit be controversies, schismes, and heresies; sa pernitius hes it bein to ley asyde the Word of God“. Ebd., S. 214. Apg. 5, 29.

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dazu, diese Aussage zu unterstreichen.230 Diese „examples of God’s servantes in thair feir of his grait Majestie [Gott]“ dienen Melville dann als Vorbilder, um in ihrem Namen alle Geistlichen der Kirk zu ermahnen, sich den Black Acts zu widersetzen und sich jeder Zustimmung durch Unterschrift zu verweigern.231 Eine Unterschrift zu leisten hieße dagegen „treasone against Chryst, and disobedience, yea, rebellion to his word and command.“232 Die Gegenüberstellung von Götzendienst und Gottesfurcht bringt Melville nun nicht mehr gegen eine katholische Obrigkeit in Stellung. Vielmehr nutzt er diese Dichotomie zur Kennzeichnung zweier unterschiedlicher protestantischer Kirchenvorstellungen. Es ist überhaupt spannend zu sehen, wie die Presbyterianer in ihrem Pochen auf die Unabhängigkeit der Kirche Positionen bezogen, mit denen der Klerus bereits zur Zeit der Kirchenreform seine Unabhängigkeit durchzusetzen suchte. Weniger der konfessionelle Gegensatz war fortan bestimmend für die weiteren Auseinandersetzungen zwischen König und Kirche, sondern der Unterschied zwischen monarchischen und hierokratischen Positionen. Die Mosaische Unterscheidung nutzte Melville gegen Jakob letztlich in vergleichbarer Weise wie zuvor John Knox gegen Maria Stuart. Auch die verwendeten alttestamentlichen Exempla sind dieselben wie bei Knox’ Verteidigung des Widerstandsrechts. Dreh- und Angelpunkt der Invektiven gegen den König war nun allerdings die Autonomie der Kirche, in der Jesus Christus die einzige Obrigkeit darstelle, nicht aber der König. Der Vorwurf lautete auf Usurpation der Herrschaft Christi über die Kirche. Die politische Theologie des Königs und seiner Mitstreiter zeigte sich im Traktat A Declaratioun of the Kings Maiesties Intentioun and Meaning toward the lait Actis of Parliament.233 Zwar wird eine königliche Autorschaft suggeriert. Tatsächlich verfaßte es jedoch der Erzbischof von St. Andrews, Patrick Adamson, der eine der schillerndsten Figuren der an starken Persönlichkeiten nicht eben armen schottischen Reformationsgeschichte war.234 Die Black Acts waren diesem Traktat zufolge eine politische Notwendigkeit. Die kirchenpolitischen Ziele der Presbyterianer liefen letztlich auf Rebellion gegen den König hinaus. Dies gelte insbesondere für die Anschauungen Andrew Melvilles. Für den König gebe es

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234

Ebd., S. 214. Im einzelnen nennt Melville Schadrach, Meschach, Abed-Nego gegen Nebukadnezar (Dan 3,19); Daniel gegen Dareios, den Meder (Dan 6); die Königsgarde gegen Saul; Jonathan gegen Saul; etc. Ebd., S. 216. Ebd., S. 215. In Schottland erschienen unter dem Titel [Patrick Adamson], A Declaratioun of the Kings Maiesties Intentioun and Meaning toward the lait Actis of Parliament, Edinburgh 1585; in England publiziert unter Christopher Studley, Treason Pretended against the King of Scots by Certaine Lordes and Gentlemen, whose Names hereafter followe. With a Declaration of the Kinges Maiesties Intention to his last Acts of Parliament: which Openeth Fully in Effect of all the saide Conspiracy. Out of Skottish into English, London 1585. Zu ihm und seinem wechselhaften Auftreten sowohl gegenüber der Kirk als auch gegenüber dem König vgl. Mullan, Episcopacy, S. 54–73.

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daher nur die Alternative, entweder auf die schottische Krone zu verzichten oder aber auf die von Melville betriebene Form des Kirchenregiments.235 Was den Presbyterianern als Wurzel allen Übels galt, die königliche Oberhoheit über die Kirche, sei kein Skandalon, sondern vielmehr autorisiert durch die Heilige Schrift: „his Majestie surelye understandis be the Scriptures, that he is the cheife and principall member, appointed be the lawe of God to see God glorifiit, vice punished, and virtue mainteinit within his realme“.236 Wer dagegen behaupte, die Kirche und ihre Obliegenheiten seien allein die Angelegenheit der Kirche selbst und der in ihr aktiven Geistlichen, wandle letztlich auf den Spuren des Papstes, der sich selbst und die Kirche ebenfalls jeder Aufsicht weltlicher Fürsten entzogen und zum obersten Richter aufgeschwungen habe.237 Die Presbyterianer versuchten, mit Hilfe von „new inventit presbyteries“ eine kirchliche Tyrannei in Schottland zu begründen und erhoben für sich selbst den Anspruch auf „infinit iurisdiction, as nather the law of God, nor man can tolerate“.238 Daß aber die Obergewalt des Königs über die Kirche durchaus mit der Heiligen Schrift zu begründen sei, das belegen die Richter und Könige des Alten Testaments ebenso wie das Neue Testament und die Geschichte der „primitive kirk“.239 Adamson meinte mit seinem Hinweis auf die „primitive kirk“ nicht die Zeit der Verfolgungen, sondern die Etablierung des Christentums unter den ersten christlichen Kaisern. Er sieht die Könige in der Tradition Kaiser Konstantins: „For us it becumis his Maiestie, as Eusebius wrytis of Constantinus the great, to be ane Bishop of Bishops, and universall Bishop within his Realme, in sa far as his Maiestie sould appoint every ane to discharge his dewtie“.240 Melville und Adamson erklären beide das göttliche Recht zum Maßstab ihres Handelns und verweisen auf die Bibel als verbindliche Autorisierungsinstanz. Allerdings interpretieren beide Autoren das göttliche Recht im Hinblick auf die Autorität des Königs in geistlichen Dingen denkbar unterschiedlich. Melville gelangt zu der Schlußfolgerung, daß innerhalb der Kirche nur Gott (mit Bezug auf Samuels Rede zu König Saul) bzw. Christus (mit Bezug auf Christus’ Auftrag an Petrus und die Apostel) Herrschaft zugestanden werden könne, nicht aber weltlichen Autoritäten. Adamson kommt unter pauschalem Hinweis auf die Bücher „Richter“ und „Könige“ des Alten Testaments zum entgegengesetzten Urteil: der König habe auch in geistlichen Dingen das oberste Weisungsrecht. Beide Autoren versuchten, die Gegenseite als Verfälscher des Gotteswortes zu entlarven. Sie untermauerten diesen Vorwurf jedoch mit entgegengesetzten Plausibilisierungsstrategien. Melville akzeptierte nur die Bibel allein als wahrheitsrele235

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[Adamson], Declaration, Fol. B3v. Die presbyterianische Kirchenverfassung tut Adamson mit folgendem Sprichwort ab: „Nulla tyrannis aequiparanda est tyrannidi multitudini“ (Fol. C1r). Ebd., Fol. A3r. Ebd., Fol. A4r. Ebd., Fol. B1r. Ebd., Fol. A4r. Ebd., Fol. B4v–C1r.

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vante Instanz und sah letztlich die gesamte Kirchengeschichte als eine Abfolge fortgesetzter Verfälschungen des Gotteswortes. Adamson hingegen stellt sich in die Tradition der Kirchenväter und der Kirchengeschichte. Gerade die Tatsache, daß die Presbyterianer mit ihren Forderungen letztlich allen Kirchenvätern und der Gestalt der Kirche zum Zeitpunkt ihrer offiziellen Etablierung in Rom zuwiderliefen, ist ihm ein Beweis dafür, daß sie und nicht die Befürworter der Bischofskirche die Neuerer seien und sich gegen Gottes Wort stellten. Vielleicht ist die Tatsache, daß Adamson sich auf die Auslegungstradition als Argument berief, auch der Grund dafür, daß er sich den Maximen und Exempla der biblischen Schriften nicht im einzelnen zuwendet. Mit Eusebius als Zeugen wird er allerdings die Reformer nur wenig überzeugt haben; gerade Eusebius galt ihnen nicht als Kirchenvater, sondern eher als Höfling Kaiser Konstantins im Theologengewand.241 Andrew Melville griff seinerseits die Declaration sowie die in ihr enthaltene politische Theologie scharf an.242 Dabei sucht er sowohl die Black Acts als auch die Declaration einem einzigen Maßstab zu unterwerfen: Folgten die Maßnahmen des Parlaments dem in der Schrift offenbarten Willen Gottes oder nicht.243 Es überrascht kaum, daß Melvilles Urteil negativ ausfällt. Sein Vorwurf lautete auf nichts Geringeres als auf Usurpation. Die üblen Berater des Königs hätten es unternommen, so Melville, „to spoile Christ Jesus, the King of kings, of his scepter, and to throw his power out of his hand“.244 Aber auch der König selbst folge leider nicht den in der Bibel genannten Vorbildern wie König David, sondern vergreife sich an der Schrift wie einst Usa, der die Bundeslade fassen wollte und dabei durch Gottes Einwirken erschlagen wurde (2 Sam 6).245 Neben dem Vorwurf, sich mit falschen Beratern und Katholiken umgeben zu haben, sich für exkommunizierte Bischöfe einzusetzen, aber rechtschaffene Pastoren dafür zu bestrafen, daß sie gemäß der Schrift gepredigt hätten,246 galten Melvilles Attacken insbesondere der vom König beanspruchten Führungsposition innerhalb der Kirche sowie der damit verbundenen Bischofsverfassung. Beides sei nichts anderes 241

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So auch das Urteil von Theodore Beza, das sich in Schottland großer Resonanz erfreute; Theodor Beza, The Iudgement of a Most Reverend and Learned Man from beyond the Seas, London 1585, Fol. B4r. [Andrew Melville], An Answere to the Declaration of Certan Intentions Sett out in the King’s Name, Tuiching his Meaning toward the Late Acts of Parliament […], 7. Februar 1585; abgedruckt in: David Calderwood, The History of the Kirk of Scotland, 8 Bde., Edinburgh 1842–49, hier Bd. 4, S. 274–294. Ebd., S. 278. Ebd., S. 276. Auch die Kritik an den Beratern Jakobs ist biblizistisch gehalten: „what inversioun, infectioun, trouble and dissipatioun must ensue in that kingdom, where Achitophel, Sobnah, Haman, and Judas, joined together, with manifest sorcerers, witches, Atheists, and professed Papists, have seazed upon his young person [König Jakob], and ceasse not both day and night to corrupt his godlie educatioun“. Als Maßstab für den König wird explizit der 101. Psalm Davids sowie das Königsgesetz im Deuteronomium (Dtn 17) angeführt. Da David im Psalm verspricht, sich gegen alle „Gottlosen im Lande“ zu wenden, ist dies eine indirekte Kritik an Jakob, der in seiner persönlichen Umgebung durchaus auch Katholiken neben sich duldete. Calderwood, History, Bd. 4, S. 280–282.

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als „plaine tyrannie and Popedome in his person“.247 Das Schicksal des von Gott verworfenen Königs Saul solle sich Jakob als Mahnung ebenso vor Augen führen wie das des Königs Usija (2 Chr 26), den Gott für seine Usurpation der Stellung des Hohepriesters im Tempel mit fürchterlichem Aussatz strafte.248 Um die Unabhängigkeit der Kirche von jedweder weltlichen Autorität zu untermauern, stand vor allem das Verhältnis zwischen den Königen und den Priestern im Alten Testament im Mittelpunkt. Andrew Melville bestritt, daß die Könige des Alten Testaments als Beleg dafür dienen könnten, dem König stünde auch innerhalb der Kirche die oberste Autorität zu, wie es die Declaration proklamierte. Insbesondere wandte er sich gegen die Deutung Adamsons, daß aus Eusebius’ Formulierung, der Kaiser sei Bischof der Bischöfe, abzuleiten sei, der König habe selbst das oberste Amt in der Kirche inne. Vielmehr könnten nur Geistliche Kirchenämter bekleiden, spirituelle Funktionen nur von Geistlichen ausgeübt werden, so Melville. Was der König allein für sich geltend machen könne, sei eine Aufsichtsfunktion über die Kirche. Um den Anspruch König Jakobs auf eine Leitungsfunktion in der Kirche zu entkräften, kommt Melville allerdings nicht darum herum, die Vorbildhaftigkeit alttestamentlicher Exempla einzuschränken: „The kings of Israel are not to be imitated by the kings of this age, in every thing. David was both a king and a Prophet, and yet he did nothing, but, for eschewing of confusion, assigne by lote the Levites to their own Offices appointed by God, and divided them to serve by course […]. Jehoshaphat appointed not Princes to preach in Juda; but sent both Princes, Priests and Levites through Judah; the Priests and Levites to preach, and teach the People, and to do their Office; the Princes to interpose their Authoritie to see it done and obeyed.“249 Melvilles Bezug auf die alttestamentlichen Könige ist ambivalent. Zum einen betont er die Unterschiede zwischen den Herrschern über Israel und Juda und den christlichen Herrschern, da nur erstere mitunter als Propheten zugleich priesterliche Gewalt innegehabt hätten. Dies sei bei den christlichen Königen nicht der Fall. Zum anderen bemüht er sich aber darum, darzulegen, daß David und mit ihm andere Könige des Alten Testaments trotz ihres Prophetenamts die Trennung zwischen der geistlichen und der weltlichen Gewalt peinlich genau beachtet und sich letztlich darauf beschränkt hätten, das Wirken der Priester und Leviten zu überwachen. Mit diesem Argument war die Vorbildlichkeit der alttestamentlichen Könige zwar nicht in ihrer ihnen von Gott zugewiesenen Stellung, wohl aber in ihrem daraus resultierenden Verhalten auch weiterhin gewährleistet. Melvilles Argumentation fand schließlich auch Eingang in die offizielle Beschwerde der Kirche gegen die Black Acts, die die Commissioners of the Kirk im 247 248

249

Ebd., S. 283 f. Dieses Beispiel steht auch im fingierten Streitgespräch Zelator, Temporizar, Palemon im Mittelpunkt, das aus der Feder von James Melville stammen dürfte; abgedruckt in Calderwood, History, Bd. 4, S. 295–339, hier S. 300. Calderwood, True History, S. 180.

184

III. Zweierlei Reformation in England und Schottland

Dezember 1585 König Jakob im Parlament vorlegten. In diesen Animadversions of Offences Conceived upon the Acts of Parliament 1584 sprechen die Autoren Jakob nur den Status eines einfachen Kirchenmitgliedes zu, das keine Autorität über die schottische Kirche beanspruchen dürfe.250 Interessanterweise wird dabei Ambrosius als Gesinnungsgenosse angeführt: „Imperator bonus intra Ecclesiam, non supra Ecclesiam est“.251 Vor allem aber wird darauf hingewiesen, daß die Auslegung der Schrift selbst Teil der geistlichen Gewalt sei, d. h. nur von ordinierten Pastoren ausgeübt werden dürfe: „It is great a fault to a Civil Magistrat, to claime or usurpe this power, and specially to judge upon Doctrine, Errours and Heresies, he not being placed in Ecclesiatical function to interpret the Scriptures.“252 Der in der Declaration mehrfach anklingende Anspruch, daß Jakob als Theologe auf dem Thron gelten dürfe und gleichfalls kompetent sei, die Schrift auszulegen, wird damit zurückgewiesen. Eine für die Kirche verbindliche Auslegung dürfe sich der König keinesfalls anmaßen, wolle er sich nicht dem Verdacht aussetzen, letztlich ebenso wie der Papst die Gewalt beider Schwerter für sich zu beanspruchen. Dies sei definitiv der Fall, wenn Jakob die Exkommunikation Robert Montgomerys per königlichem Erlaß und Parlamentsbeschluß außer Kraft setze, ein Verfahren, das unter christlichen Königen ohne Beispiel sei.253 Das warnende Beispiel König Usijas (2 Chr 26,16–21) und seines Aussatzes, das die Commissioners König Jakob vorhielten, ist einem durch Andrew Melvilles Traktat bereits vertraut.254 Tatsächlich gelang es Jakob vorerst nicht, die Beschlüsse der Black Acts umzusetzen und auf diese Weise die königliche Suprematie in der Kirche zu sichern.255 Nicht nur wurde die Einrichtung von Presbyterien in allen Teilen Schottlands zunehmend Wirklichkeit, auch die Agitation zahlreicher Pfarrer von der Kanzel war ein immer wiederkehrendes Phänomen. Dabei waren es zum einen gängige Topoi der Hofkritik, die in den Predigten repetiert wurden, zum anderen gab es wiederholt Ausfälle gegen die Katholiken, die sich in Jakobs Umgebung befanden, gegen die „Ausschweifungen“ der Königin Anna, der Gemahlin Jakobs, sowie immer wieder auch Attacken gegen England, sei es gegen die dort etablierte Bischofskirche, sei es gegen die Monarchin Elisabeth selbst.256 Als David Black, Pfarrer in St. Andrews, in einer Predigt im Oktober 1596 Könige allgemein als 250 251 252 253 254

255 256

Abgedruckt in Calderwood, True History, S. 188–193. Ebd., S. 188. Ebd., S. 188. Ebd., S. 192. Ohne inhaltlich den Kritikern irgendwelche Zugeständnisse zu machen, wies Jakob in einer persönlichen Erklärung alle Vorwürfe zurück, beteuerte, sich keineswegs in die Rechte der Kirche einmischen zu wollen, noch irgendeiner Autorität neben der Heiligen Schrift zu folgen. Diese Erklärung ist ebenfalls abgedruckt in Calderwood, True History, S. 193–196. Mullan, Episcopacy, S. 65. Geistliche in Edinburgh verboten 1599 ihren Gläubigen, den Aufführungen englischer Schauspieler beizuwohnen, obwohl der König die Auftritte ausdrücklich gestattet hatte; Peter R. Roberts, The Buisness of Playing and the Patronage of Players at the Jacobean Courts, in: Houlbrooke (Hrsg.), James VI and I, S. 81–105, hier S. 86.

2. Schottland

185

„devil’s bairns“ bezeichnete und Elisabeth als Atheistin brandmarkte und dies auch in England bekannt wurde, befahl ihm Jakob, sich vor dem König und dem Geheimen Rat zu verantworten.257 Diese Weisung gab Black die Gelegenheit, den König an den presbyterianischen Standpunkt zu erinnern, daß er als weltliche Obrigkeit keinerlei Autorität über die Kirche, und damit auch über David Black, beanspruchen dürfe, sofern dies seine Amtsausübung als Pfarrer betreffe. In zwei Declinatures of the King and Councils Judicature, in Matters Spiritual Namely untermauerte er den Anspruch auf Eigenständigkeit der Kirche biblizistisch.258 Im Vordergrund steht für Black die Trennung von temporalia und spiritualia: Die Kirche, so Black in seiner zweiten Declinature, sei als corpus spiritualis nur Christus selbst unterworfen (1 Petr 2/Eph 1/Kol 2). Die Amtsträger der Kirche bestimme Christus selbst (1 Kor 2). Diese Geistlichen hätten die Aufgabe, die Botschaft mit Hilfe der Predigt zu verbreiten (1 Kor 9). Dabei dürfe die Predigt keinerlei weltlichen Zwängen unterworfen werden (Eph 4). In ihrer Amtsausübung, d. h. auf der Kanzel, seien die Geistlichen Königen und Königreichen übergeordnet (Ez 34/Ex 32/Jer 1). Wer im Glauben ungehorsam sei, müsse von den Geistlichen bestraft werden (2 Kor 10). Ihnen sei außerdem die Sorge um die Reinheit des Wortes auferlegt (2 Tim 4). Aufgabe der Geistlichkeit sei ferner die Erwartung des himmlischen Königreiches (Mt 24/2 Tim 2/1 Kor 5,1 /2 Tim 1/Mt 10/Joh 20). In diesem Königreich liegen die Macht und die Gewalt nur bei Gott (Mt 16). Um seine Ankunft zu erwarten und anzukündigen, sei es der Geistlichkeit daher stets erlaubt, sich zu versammeln (Mt 18/Apg 15/1 Kor 14/Mt 28). Ferner seien sie zu Richtern in geistlichen Fragen bestellt (1 Kor 14). Als Richter hätten sie indes zu urteilen ohne Ansehen der Person (1 Petr 5/1 Tim 5,6/2 Tim 4/ Tit 2).259 David Black zieht daraus die Konsequenz, daß er „cannot be lawfully judged, in spiritual matters, for Preaching and Applying of the word of God, by any Civil Power, Authoritie or Judge, I being an Ambassadour and Messenger of the Lord Jesus (Mal 2), having my messege and commission from the king of kings, as said is, and all my instructions set down and limited in the Book of God, that cannot be extended, abridged or altered by any mortal wight, king or Emperour (2 Tim 3/ Dtn 4/ Spr 30/ Offb 22).“260 Daher sei einzig der „ecclesiastical Senat“ dazu befugt, ihn für seine Predigt zur Rechenschaft zu ziehen, also die General Assembly, deren Sitzungen aber gerne königliche Kommissare als Beobachter beiwohnen könnten. Zwar erzielte Black mit seiner Argumentation nicht den gewünschten Erfolg. Jakob und sein Geheimer Rat verurteilten Black wegen Verrat und Verschwö-

257 258 259 260

Calderwood, History, Bd. 5, S. 531 f.; Ders., True History, S. 337; vgl. Maurice Lee jr., Government by Pen. Scotland under James VI and I, Urbana (Illinois) 1980, S. 19. Beide Declinatures finden sich abgedruckt bei Calderwood, History, Bd. 5, S. 457–459 und S. 476–480. Calderwood, True History, S. 346–348. Calderwood, True History, S. 348.

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III. Zweierlei Reformation in England und Schottland

rung, also Strafbeständen, die durchaus in den weltlichen Kompetenzbereich fielen, und sandten Black zur Strafe in die Verbannung in die schottische Provinz.261 Damit hatte Jakob unter Beweis gestellt, daß er Angriffe auf seine Herrschaftsweise und allzu politische Ausführungen seitens des Klerus nicht länger zu dulden bereit war. Die Auftritte von John Knox, den Gebrüdern Melville und Predigern wie David Black blieben allerdings im Gedächtnis des schottischen Klerus, insbesondere der Presbyterianer, haften und fanden beispielsweise Eingang in David Calderwoods Werke zur schottischen Kirchengeschichte. Hier werden sie als leuchtende Vorbilder präsentiert, die um der reinen Verkündigung des Gotteswortes willen keiner Auseinandersetzung aus dem Wege gingen und auch bereit waren, dafür zu leiden. An gleichgesinnten Nachfolgern sollte es daher auch im 17. Jahrhundert in Schottland nicht mangeln.262 Die sich aus der Bibelinterpretation speisende Herrschaftskritik vorwiegend presbyterianischer Geistlicher war bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges in Schottland eine ständig wiederkehrende Begleitmusik der Kirchenpolitik Jakobs VI. und Karls I.

3. Zwischenergebnis: Zweierlei Reformation – zweierlei Biblizismus? Der Verlauf der Reformation in England und Schottland hätte unterschiedlicher nicht sein können. Die politische Reformation Heinrichs VIII. ebenso wie die Reformation Eduards VI. und Elisabeths I. waren geradezu Prototypen einer landesherrlichen Konfessionalisierung. Vielleicht hat gerade die Zuspitzung der Auseinandersetzungen auf die Rolle des Königs in der Kirche dazu geführt, daß die Loslösung Heinrichs VIII. von Rom und die anschließende, in Etappen vollzogene Reformation von Beginn an mit der Rhetorik des politischen Biblizismus kommentiert und gerechtfertigt wurde. Die historischen Schriften des Alten Testaments waren in dieser Rhetorik mehr als nur Beispiele und Analogien für die Beschreibung der englischen Königsherrschaft. Vielmehr wurde die neu zu definierende Rolle Heinrichs VIII. getreu der alttestamentlichen Könige ausgelegt, die Verschmelzung von Königsamt und Prophetenrolle zum Modell der englischen Königswürde erhoben. Die Befürworter von Heinrichs Führungsrolle in der englischen Kirche taten ferner alles, was in ihrer Macht stand, um die Heilige Schrift selbst in mehreren Ausgaben als Manifest der Königsherrschaft zu präsentieren: Zum einen bezeugte die Bibel in deren Lesart den göttlichen Ursprung der Monarchie sowie die von Gott befohlene Gehorsamspflicht aller Untertanen. Zum anderen zeigte sich die neue geistliche Führungsrolle des Königs gerade darin, daß er es war, der die Heilige Schrift in der englischen Landessprache dem Klerus, seinen weltlichen Amtsträgern sowie seinen Untertanen zur Verfügung stellte.

261 262

Vgl. James K. Cameron, Art. David Black (c. 1546–1603), in: ODNB 5 (2004), S. 894–896. S. u. Kap. VI 1.

3. Zwischenergebnis

187

Trotz aller Anstrengungen, Heinrichs Kirchen- und Religionspolitik und die Reformation Eduards VI. und später Elisabeths I. auf biblizistische Weise zu legitimieren, war die Heilige Schrift zu keiner Zeit ein Argumentenreservoir, das der König und seine Fürsprecher für sich gepachtet hatten. Kritiker der königlichen Religionspolitik nutzten gleichfalls die Sprache des Biblizismus. Dies bekamen sowohl Heinrich VIII. als auch Elisabeth I. zu spüren, wenn protestantische Geistliche die Reformation in England als halbherzig und nicht entschieden genug anprangerten. Vor allem aber zeigte sich an den Traktaten der Exilanten unter Maria Tudor, daß die historischen Schriften des Alten Testaments ein vorzügliches Arsenal bereitstellten, um die regierende Königin des Götzendienstes anzuklagen. Die Gehorsamspflicht gegenüber Gottes Gesetz wurde zum entscheidenden Argument zur Legitimation politischen Widerstands gegen Maria Tudor. Die englische Königin mochte als legitime Herrscherin und mit Zustimmung des Parlamentes regieren; sofern sie sich dabei Gott in den Weg stellte und zum Götzendienst aufrief, hatte sie gemäß der Schriften von Knox, Goodman und Ponet ihren Herrschaftsanspruch verwirkt. Maria Tudor sollte der Aufschrei aus dem Exil nicht gefährlich werden. Elisabeth I. sollte ihre Entschlossenheit bei der erneuten Durchführung der Reformation gegen allzu lauthals vorgetragene Vorwürfe des Götzendienstes immunisieren. Die Königsherrschaft der Stuarts Jakob und Karl sollte jedoch daran erodieren, daß sie in Augen nicht weniger politischer Akteure in Schottland und England dem Götzendienst in ihren Königreichen Vorschub leisteten. Das englische Beispiel zeigt, wie ein und derselbe Fundus an biblischen Beispielen und Exempla auf ganz unterschiedliche Weise genutzt werden konnte, um die Position des Königs als von Gott beauftragter Magistrat unantastbar werden zu lassen oder aber dadurch in Frage zu stellen, daß man einen Verstoß gegen göttliche Normen anprangerte und damit die Königsherrschaft in einen Gegensatz zur Königsherrschaft Gottes stellte. Wie verhält sich dazu das schottische Beispiel? Da die Reformation in Schottland vom Parlament eingeführt worden war, hat man es mit dem Typus einer ständischen Konfessionalisierung zu tun, wie sie sich im späteren 16. Jahrhundert auch in Böhmen und den östlichen Erblanden der Habsburgermonarchie ereignete. Die Königsherrschaft in Schottland stand sowohl unter Maria Stuart als auch – nach ihrer erzwungenen Abdankung – unter dem minderjährigen Jakob VI. auf äußerst schwachen Beinen. Dies zeigt sich auch im zeitgenösischen politischen Diskurs in Schottland. Während die Presbyterianer ihr Religions- und Kirchenideal vollständig aus der Bibel speisten und damit die Heilige Schrift für ihr Weltbild zu monopolisieren suchten, läßt sich ein monarchischer Biblizismus von den 1560er bis in die 1580er Jahre in Schottland kaum ausmachen. Die Bibel war die entscheidende Autoritätsquelle in der Hand derjenigen, die Jakob VI. in seinen Schriften später als Gegner der Monarchie qualifizierte. Der junge König war jedoch fest entschlossen, diesen Zustand nicht länger hinzunehmen und die Bibel als politische Ressource der Monarchie zurückzugewinnen.

IV. JAKOB VI. ALS OBERSTER EXEGET IN SCHOTTLAND

Die sogenannten Black Acts waren eine erste sichtbare Manifestation von Jakobs Kirchenverständnis und seiner Rolle als Oberhaupt der schottischen Kirche. Die öffentlichen Proteste prominenter Geistlicher sowie die fehlenden Machtmittel des Königs zur wirksamen Durchsetzung der Beschlüsse führten Jakob jedoch zunächst vor Augen, wie weit die Realität der schottischen Kirche von seinen eigenen Vorstellungen entfernt war. In den folgenden zehn Jahren sollte sich an diesem Zustand wenig ändern, im Gegenteil. Die allgemeine Schwäche der monarchischen Zentralgewalt veranlaßte den wichtigsten politischen Berater des Königs, John Maitland of Thirlestane, die Presbyterianer gleichsam als Partner der Krone zu vereinnahmen, um dem König damit Unterstützung bei der Auseinandersetzung mit den sich gegenseitig befehdenden schottischen Adelsclans zu sichern.1 Jakob trug diesen politischen Kurs mit.2 Dies hatte zur Folge, daß sich bis zum Ende des Jahrhunderts die presbyterianische Kirchenstruktur in Schottland weitgehend durchsetzte und der König von einer dominanten Rolle innerhalb der Kirche weiter entfernt war denn je.3 Während Jakob sich nach dem offenkundigen Scheitern der Black Acts im folgenden Jahrzehnt administrativer Eingriffe in die Kirche weitgehend enthielt, entfaltete er auf einem gänzlich anderen Feld einige Betriebsamkeit. Von 1584 bis 1599 legte er eine Serie von sechs Schriften vor, von denen fünf auch in gedruckter Form die Öffentlichkeit erreichten. Diese schriftstellerische Aktivität war kein Indiz für einen kontemplativen Rückzug in die Welt der Gelehrten, sondern diente einem überaus politischen Zweck. Und es war dabei kein Zufall, daß die Exegese biblischer Schriften in den meisten dieser Texte im Zentrum stand oder zumindest zentrale Bedeutung hatte. Nun war Jakob nicht der erste Monarch, der zur Feder griff und sich in der Öffentlichkeit als Autor inszenierte. In England beispielsweise schien die Autorenrolle fester Bestandteil monarchischer Selbstdarstellung gewesen zu sein: Heinrich VIII. verfaßte als König nicht nur zahlreiche Traktate, sondern auch Liebesgedichte. Elisabeth I. verfaßte ein Book of Devotions mit persönlichen Ge1 2

3

Lee, Government by Pen, S. 20 f.; Ders., John Maitland of Thirlestane and the Foundations of Stewart Despotism in Scotland, Princeton 1959, S. 82–86. Jakob versicherte beispielsweise den Teilnehmern der General Assembly im Juni 1590, daß die schottische Kirche in ihrer presbyterianischen Gestalt „the sincerest kirk in the world“ sei und fügte hinzu, daß die englische Kirche sich nur undeutlich von der Kirche der „Papists“ abhebe, was die versammelten Geistlichen zu langanhaltenden Beifallsstürmen veranlaßte; Calderwood, History, Bd. 4, S. 98–106. Roger A. Mason, George Buchanan, James VI and the Presbyterians, in: Ders. (Hrsg.), Scots and Britons. Scottish Political Thought and the Union of 1603, Cambridge 1994, S. 112–138, hier S. 131 f.; Lee, John Maitland, S. 120–154 und S. 248–250.

190

IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

beten, das sie anschließend veröffentlichen ließ.4 In Schottland allerdings gab es für schreibende Könige keine Tradition.5 Dessen ungeachtet machte Jakob das öffentliche Schreiben und die inszenierte königliche Autorschaft zu seinem Markenzeichen. Für ihn war das Schreiben die wichtigste Form seiner Selbstdarstellung. Dafür sprechen die große Zahl seiner Schriften sowie die Tatsache, daß er sich während seiner gesamten Regierungszeit in zahlreichen Gattungen als Autor betätigte und die meisten seiner Schriften veröffentlichte, mitunter sogar mehrfach.6 Diese inszenierte Autorschaft war in den meisten Fällen auf das engste verknüpft mit der Auslegung der Heiligen Schrift. Ihm ging es dabei nicht vorrangig um die Rolle des „Intellektuellen“, sondern um die eines Theologen und Propheten, in der er sich in der Öffentlichkeit präsentierte.7 Dieser Umstand gelangt in der historischen Forschung allerdings erst allmählich ins Bewußtsein.8 Zwar liegen mehrere Editionen vor, in denen sich insbesondere die politischen Schriften Jakobs abgedruckt finden. Der politische Gehalt der vermeintlich theologischen Traktate wurde jedoch übersehen. Daher gerieten diese Schriften regelmäßig aus dem Blick.9 Dies gilt auch noch für neuere Biographien über Jakob VI./I., deren Autoren die Exegese Jakobs keine Erwähnung wert ist.10 Hierbei wird übersehen, daß die exegetischen Schriften von mindestens ebenso großer Aussagekraft sind wie die politischen Traktate, da sie zum einen ein spezifisches Mittel politischer 4 5

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7 8

9

10

W. P. Haugaard, Elizabeth Tudor’s Book of Devotions. A Neglected Clue to the Queen’s Life and Charakter, in: The Sixteenth Century Journal 12 (1981), S. 117–138. Jenny Wormald, ‚Basilikon Doron‘ and ‚The Trew Law of Free Monarchies‘: The Scottish Context and the English Translation, in: Linda Levy Peck (Hrsg.), The Mental World of the Jacobean Court, Cambridge 1991, S. 36–54 u. S. 278–283, hier S. 38 f. Fischlin/Fortier (Hrsg.), Royal Subjects. Kevin Sharpe, The King’s Writ. Royal Authors and Royal Authority in Early Modern England, in: Ders./Peter Lake (Hrsg.), Culture and Politics in Early Stuart England, Basingstoke 1994, S. 117–138 u. S. 343–347. Ders., Private Conscience and Public Duty in the Writings of Charles I, in: HJ 40 (1997), S. 643–665. Jane Rickard, Authorship and Authority: the Writings of James VI and I, Manchester 2007. Ferner Kevin Sharpe, Sacralization and Demystification. The Publication of Monarchy in Early Modern England, in: Jeroen Deploige/Gita Deneckere (Hrsg.), Mystifying the Monarch. Studies on Discourse, Power, and History, Amsterdam 2006, S. 99–115 und S. 255–259. Allgemein zu Selbstinszenierungspraktiken in dieser Zeit Steven Greenblatt, Renaissance Self-Fashioning. From More to Shakespeare, with a New Preface, Chicago 2005. Andreas Pecˇar, Der König – Theologe und Prophet? Biblizistische Selbstdarstellung Jakobs VI./I. im Spiegel seiner Schriften, in: ZHF 35 (2008), S. 207–234. Die Anglistik ist hier etwas weiter; vgl. Rickard, Authorship; Dies., The Word of God and the Word of the King. The Scriptural Exegeses of James VI and I and the King James Bible, in: Ralph Houlbrooke (Hrsg.), James VI and I. Ideas, Authority and Government, Aldershot 2006; Sharpe, The King’s Writ. King James VI and I: Political Writings, hrsg. v. Johann Peter Sommerville, Cambridge 1994. Dies gilt auch für The Political Works of James I, hrsg. v. Charles H. McIlwain, New York 1918, und King James VI and I. Selected Writings, hrsg. v. Neil Rhodes, Aldershot 2003. Pauline Croft, King James, Basingstoke 2003. Eine rühmenswerte Ausnahme ist dagegen Ronald G. Asch: Jakob I. (1566–1625), König von Schottland und England. Herrscher des Friedens im Zeitalter der Religionskriege, Stutgart 2005, Kap. 6.

1. Die Übersetzung der Psalmen

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Kommunikation darstellten, zum anderen Aussagen über das Herrschaftsverständnis und die Selbstdarstellung Jakobs VI. ermöglichen.

1. Die Übersetzung der Psalmen Die politische Funktion von Jakobs exegetischen Unternehmungen wird geradezu paradigmatisch bereits an seinem ersten Versuch biblischer Selbstinszenierung in der Öffentlichkeit deutlich. Die erste Veröffentlichung Jakobs VI. war eine Sammlung unterschiedlicher Dichtungen, eigener Sonette ebenso wie Übersetzungen von Versepen.11 In dieser Sammlung findet sich auch eine Übersetzung des 104. Psalms ins Schottische. Diese anonym gehaltene Publikation des achtzehnjährigen Königs war das erste öffentliche Zeichen dafür, daß er sich persönlich mit einer Neuübersetzung der Psalmen befaßte – ein Projekt, das er eventuell bis an sein Lebensende verfolgte, aber nicht vollendete.12 Eine gedruckte Ausgabe von Jakobs Psalmenübersetzungen sollte es erst unter Karl I. geben, als Zeichen der Erinnerung an seinen verstorbenen Vater. Auch war Jakob bei seinen Übersetzungen anscheinend weniger als bei anderen Manuskripten von seiner Hand darum bemüht, sie in Umlauf zu bringen, sieht man von der Publikation des 104. Psalms einmal ab. Allerdings ließ er seine Umgebung durchaus wissen, daß er sich der Psalmenübersetzung angenommen hatte und bekräftigte öffentlich seine Absicht, eine vollständige Neuübersetzung des Psalters vorzulegen. Diese Botschaft wurde von anderen aufgegriffen. So beklagte John Williams, der Bischof von Lincoln, in seiner Leichenpredigt, daß der Tod Jakobs Absicht zunichte gemacht habe, die Psalmen vollständig zu übersetzen und der Kirche zu widmen.13 Dies entsprach ganz der Strategie Jakobs, sich als Übersetzer der Psalmen zu stilisieren. Vielleicht versprach sich der König von der Stilisierung als Übersetzer der Psalmen sogar einen größeren Effekt als von seinen Übersetzungen selbst.14 11

12

13

14

[Jakob VI.], The Essayes of a Prentise, in the Divine Art of Poesie, Edinburgh 1584. Vgl. ferner James Craigie (Hrsg.), The Poems of James VI. of Scotland, 2 Bde., Edinburgh 1955/58, hier Bd. 1, S. 86–88. Eine Sammlung von Psalmübersetzungen in der Handschrift Jakobs VI. findet sich in der British Library, Royal MS 18 B. 16. Es ist unklar, inwiefern Jakob nach seiner ersten Beschäftigung mit der Übersetzung der Psalmen diese Arbeit zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen hat. Das überlieferte Manuskript gibt diesbezüglich keine klaren Hinweise. Insgesamt stammen dreißig Psalmenübersetzungen aus Jakobs Feder; vgl. hierzu Craigie, Poems, Bd. 2, S. XV–XVI. John Williams, Great Britaines Salomon. A Sermon Preached at the Magnificent Funerall, of the Most High and Mighty King, Iames, the late King of Great Britaine, France and Ireland, London 1625, S. 40–42, 59–61. James Doelman, The Reception of King James’s Psalter, in: Fischlin/Fortier (Hrsg.), Royal Subjects, S. 454–475, hier S. 461. Noch deutlicher wird Doelman in seinem Fazit: „James’s Psalms were a sort of phantom work; their reality was inconsequential or elusive, while the idea of them played a major role“ (Ebd., S. 468).

192

IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

Ob er sein Vorhaben auch in der General Assembly, dem wichtigsten Beratungsgremium der schottischen Kirche publik machte oder nicht, darüber geben die Quellen je nach ideologischer Ausrichtung der Autoren unterschiedliche Antworten. John Spottiswood, Erzbischof von Glasgow und St. Andrews und ein Verbündeter Jakobs in der Auseinandersetzung um die schottische Kirchenverfassung,15 berichtet in seiner History of the Church of Scotland, daß Jakob persönlich auf der General Assembly im Jahr 1601 den vorliegenden schottischen Psalter aus dem Jahr 1564 kritisierte, indem er einzelne Psalmen daraus vortrug und anschließend die Übersetzung sowohl inhaltlich als auch aufgrund ihres Metrums bemängelte. Jakobs Vortrag habe die Assembly so in den Bann gezogen, daß dabei allen Zuhörern klar geworden sei, „that he was no less conversant in the Scriptures, then they whose profession it was“.16 Da Spottiswoods’ schottische Kirchengeschichte von Jakob persönlich in Auftrag gegeben wurde und im wesentlichen eine Apologie für König Jakob und die Bischofskirche darstellt,17 ist es durchaus vorstellbar, daß der geschilderte Auftritt Jakobs vor der General Assembly der Imagepolitik des Königs stärker geschuldet war als dem tatsächlichen Beratungsverlauf. Zumindest entspricht die Aussage von der theologischen Weisheit des Monarchen der Wirkungsabsicht, die Jakob seit den 1580er Jahren als Autor von Psalmenübersetzungen und exegetischen Texten zu erzielen hoffte. Genau dieses Bild eines Königs als Theologe und Kirchenführer war den strikten Verteidigern der kirchlichen Eigenständigkeit und Unabhängigkeit von der weltlichen Gewalt ein Dorn im Auge. Wenn sich also vom Engagement des Königs in der presbyterianischen Überlieferung kein Hinweis findet, mag dies auch damit zusammenhängen. Statt dessen ging David Calderwood zufolge jede Initiative zur Verbesserung des schottischen Psalters auf der Assembly von 1601 von der Kirk selber aus. Es waren Mitglieder der Kirche, die am Psalter Kritik übten, und es war ein Geistlicher, der mit der Überarbeitung der Psalmenübersetzung beauftragt wurde: Robert Pont, Pfarrer der St. Scuthbert’s Church in Edinburgh, laut Calderwood ein „faithfull man who was both holie and learned“.18 Diese Schilderung entspricht auch den offiziellen Aufzeichnungen der General Assembly.19 Ungeachtet der Frage, was damals tatsächlich in der General Assembly initiiert und beschlossen worden ist, bleibt festzuhalten, daß es Jakob erstrebenswert schien, persönlich mit einer Neuübersetzung der Psalmen in Verbindung gebracht 15 16 17

18 19

Vgl. A. S. Wayne Pearce, Art. John Spottiswoode (1565–1639), in: ODNB 51 (2004), S. 968–972. John Spottiswood, History of the Church of Scotland, 3 Bde., Edinburgh 1847–51, hier Bd. 3, S. 98. Vgl. hierzu Maurice Lee jr., Archbishop Spottiswoode as Historian, in: JBS 13/1 (1973–74), S. 138–150, hier S. 143: „Spottiswoode tells the whole history of the church, and of relations between church and state, as the king would have wished it told“. Calderwood, History, Bd. 6, S. 124. Acts and proceedings of the General Assemblies, Bd. 3, S. 970. Bei James Melvilles’ Diary wird das Thema der Psalmenübersetzung überhaupt nicht erwähnt.

1. Die Übersetzung der Psalmen

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zu werden. Diese Inszenierungsabsicht steht einer Deutung der Psalmenübersetzungen als bloße Privatangelegenheit Jakobs im Wege. Vielmehr scheint offenkundig zu sein, daß Jakob mit seiner Arbeit an den Psalmen eine politische Wirkung erzielen wollte. Jakob stilisierte sich mit seiner Übersetzung der Psalmen Davids zugleich zu einem Seelenverwandten des altisraelischen Königs. Wie David selbst war er zugleich Dichter und König.20 Mit seiner Arbeit an den Psalmen ließ Jakob implizit einfließen, daß er sich in Davids Fußstapfen wähnte: als König, aber zugleich auch als Oberhaupt der Kirche, eine Rolle, die David in seiner Rolle als Prophet zugleich zufiel, und in der Jakob seinem alttestamentlichen Vorläufer nur zu gerne nacheifern wollte. Jakob verlautbarte, er überbringe Gott mit den Psalmen „before thy holy throne this speech of mine“.21 Mit diesem Anspruch transformiert der junge König Davids Psalmen in seine eigene Rede und macht aus dem Ergebnis göttlicher Inspiration seinerseits ein Geschenk an Gott. Jakob wollte hier weniger Davids Autorenrechte an den Psalmen streitig machen. Vielmehr beabsichtigte er, mit seiner Übersetzung sichtbar am Göttlichen zu partizipieren, mit Gott ebenso zu kommunizieren wie einst David, und in derselben Weise Empfänger göttlicher Inspiration zu sein. Die weitere Rezeptionsgeschichte von Jakobs Psalmenübersetzungen vermag die politische Brisanz dieser Stilisierung deutlich zu machen. So trieb Jakobs Sohn und Nachfolger Karl I. die Drucklegung des von Jakob zurückgelassenen Torsos voran und beauftragte den Hofpoeten William Alexander mit der Fertigstellung des Psalters. Im Jahr 1631, also sechs Jahre nach Jakobs Tod, sollte das Werk dann gedruckt vorliegen. Das Titelbild visualisiert die von Jakob beabsichtigte Stilisierung, zeigt ihn gleichrangig neben David. Beide nehmen das Psalmenbuch Davids aus Gottes Hand entgegen (siehe Abb. 5). Dabei wird im Titelkupfer zwischen David und Jakob keinerlei Unterschied erkennbar. Gleichermaßen haben sie durch göttliche Inspiration ihren Beitrag zu dem englischsprachigen Psalmenwerk geleistet. Der Name des Bearbeiters William Alexander findet auf dem Titelbild keine Erwähnung, was den Gepflogenheiten frühneuzeitlicher Autorschaft jedoch durchaus entsprach. Wäre es bei dieser Drucklegung der Psalmen als Geste der Memoria geblieben, hätte dies kaum tiefergehende politische Auswirkungen gehabt. Für Karl war das Psalmenbuch indes nicht ein Buch unter vielen. Er sah den Platz für diese Neuübersetzung in der Kirche, als offizieller Psalter für die schottische Kirk. Jakob mochte zu seinen Lebzeiten ähnliche Ideen gehabt haben, die Umsetzung dieser Idee jedoch mußte die Presbyterianer geradezu zwangsläufig auf den Plan rufen. Die Kritik entzündete sich dabei an mehreren Punkten. So war es zum einen die Angst vor weiteren Eingriffen in die überkommene Gestalt des Gottesdienstes, die viele Presbyterianer gegen ein neues Psalmenbuch mobilisierte, auch wenn diese Kritik nicht ursächlich mit der Übersetzung selbst

20 21

Doelman, Reception, S. 456. Craigie, The Poems, Bd. 2, S. 11; Sharpe, Private Conscience, S. 167 f.

194

IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

Abb. 5: The Psalmes of King David, Oxford 1631, Frontispiz.

1. Die Übersetzung der Psalmen

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zusammenhing.22 Und in der Tat gingen mit der Neuauflage des Psalmenbuchs 1636 auch Änderungen des Service Books und des Book of Canons einher – in der für die Kirche bestimmten Psalterausgabe waren beide Bücher traditionellerweise mit eingebunden. Zugleich wurde die Nutzung des alten Psalters im Gottesdienst ausdrücklich verboten.23 Diese Eingriffe in den schottischen Gottesdienst waren nicht die geringste Ursache dafür, daß sich Schottland 1637 gegen den König auflehnen und damit letztlich die in den Bürgerkrieg mündende Dynamik der Ereignisse auslösen sollte.24 Zum anderen gab es aber auch Kritik an der Neuübersetzung des Psalters selbst, und diese Kritik führt wieder zurück zum Kern der Auseinandersetzungen zwischen Jakob und der schottischen Kirche. Ein solches Werk, so David Calderwood, solle nur von der Kirche und ihren Geistlichen initiiert und durchgeführt werden, nicht aber von einem „courteour or commone poet“.25 Dieser Vorwurf hatte es in sich. Da sich die Mißbilligung gegen einen Hofpoeten richtete, nicht aber gegen Jakob, läßt sich daraus zwar schlußfolgern, daß der König von der Kritik ausgespart werden sollte. Allerdings hatte Calderwood, bewußt oder unbewußt, damit zugleich die königliche Inszenierungsabsicht in Frage gestellt, nämlich die Autorschaft des verstorbenen Königs. Die von Jakob beabsichtigte und von Karl fortgeführte Inszenierung Jakobs als zweiter David hatte Calderwood damit in seiner Reaktion auf die Psalmen konterkariert.26 Darüber hinaus läßt sich die Kritik Calderwoods an der Person des Übersetzers auch auf Jakob selbst übertragen. Aus presbyterianischer Sicht machte es nämlich keinen Unterschied, ob ein Hofpoet oder ein König sich der Übersetzung der Psalmen annahm. Solange sie hierzu nicht von der Kirche beauftragt worden seien, handele es sich in beiden Fällen um die unrechtmäßige Einmischung in die originären Angelegenheiten der schottischen Kirche. Diese Kritik ist nur die Wiederholung eines Standpunkts, der bereits von Andrew Melville bis zum Überdruß betont worden war: Der König habe sich mit den Belangen der Kirche nicht zu befassen. Und genau dieser Standpunkt war es, den Jakob mit seiner fortgesetzten Deutungsarbeit an der Bibel zu unterlaufen suchte.

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Vgl. David Calderwood, Reasons against the Reception of King James’s Metaphrase in the Psalms, in: Bannatyne Club Miscellany, hrsg. v. Sir Walter Scott/David Laing, Edinburgh 1827, Bd. 1, S. 237–242, hier S. 242: „Then may they luik for the new service to be recommended to them, the nixt day the organs &“. Coelman, Reception, S. 464–466. S. o. Kap. II 1. Calderwood, Reasons, S. 237. Zwar war Calderwood auf Jakob, der ihn in die Verbannung geschickt hatte, ohnehin nicht gut zu sprechen. Glaubt man allerdings seinen Worten, so verfing die Inszenierung des Psalmenübersetzenden Königs generell in Schottland wenig: „the people call them [die Psalmen] Menstries Psalmes“; Calderwood, Reasons, S. 237. Menstrie aber war der Name des Herrensitzes von William Alexander, dem das Werk offenbar zugerechnet wurde.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

2. Die exegetischen Frühschriften des Königs Jakob widmete sich gleich zu Beginn seiner Königsherrschaft in Schottland im Abstand nur weniger Jahre in zwei Texten der Auslegung der Offenbarung des Johannes, also der biblischen Schrift, die wohl die größten Ansprüche an Interpretation und Exegese stellt. Wenn es galt, seine theologische Kompetenz unter Beweis zu stellen und damit seinen Führungsanspruch über die Kirche zu begründen, so war für dieses Unterfangen vielleicht keine Schrift so gut geeignet wie diese. Daß diese Schrift in besonderer Weise erklärungsbedürftig sei, war unter den zeitgenössischen Theologen ein Gemeinplatz. Die Geneva Bible läßt die Interpretationsnotwendigkeit sogar auf visuelle Art und Weise erfahrbar werden. Während die erläuternden Kommentare zum besseren Verständnis der Heiligen Schrift im Falle aller anderen Schriften nur die Ränder der Druckseiten in Anspruch nehmen, so dreht sich das Verhältnis von Text und Kommentar bei der Offenbarung des Johannes um; die Auslegung der Apokalypse nimmt offenkundig mehr Raum ein als der Bibeltext selbst. Die große Werkausgabe der Schriften Jakobs VI./I. aus dem Jahr 1616 beginnt mit der Paraphrase upon the Revelation of the Apostle S. Iohn, direkt gefolgt von einer weiteren Auslegung der Apokalypse: A Fruitfull Meditatioun Containing a Plaine and Easie Exposition, or Laying open of the VII., VIII., IX. and X. Verses of the 20. Chapter of the Revelation, in Forme and Maner of a Sermon. Die Paraphrase hatte Jakob wohl vor dem Jahr 1587 verfaßt. Sie verblieb bis zur Drucklegung der Werkausgabe im Manuskript.27 Die Meditatioun wurde dagegen bereits 1588 in Edinburgh gedruckt und anschließend mehrfach übersetzt und neu aufgelegt.28 Ein weiteres Mal griff Jakob im Jahr 1609 in einem veröffentlichten Schreiben an Kaiser Rudolf II. auf die Auslegung der Offenbarung zurück, um im Rahmen der Auseinandersetzung um den von allen englischen Katholiken zu leistenden Treueeid gegenüber dem König über die Konfessionsgrenzen hinweg an die Solidarität der regierenden Fürsten gegen die weltlichen Herrschaftsansprüche des Papstes zu appellieren.29 Eine Interpretation der Paraphrase und der Meditatioun muß auf zwei Ebenen ansetzen. Zum einen geht es um die Frage nach der Inszenierung der Autorschaft. Hier spielt insbesondere die gewählte Gattung sowie deren Modifikation eine Rolle. Zum anderen geht es um die theologische und politische Aussage beider 27

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Jakob I., The Workes of the Most High and Mightie Prince, Iames by the Grace of God, King of Great Britaine, France and Ireland, Defender of the Faith, hrsg. v. James Montagu, London 1616, S. 1–72. Zu den einzelnen Ausgaben vgl. Charles H. McIlwain, The Political Workes of James I., New York 1965, CIII: In englischer Sprache wurde die Schrift zunächst in Edinburgh 1588 aufgelegt und zur Thronbesteigung noch einmal in London 1603 nachgedruckt. Auf französisch erschien eine Ausgabe bereits 1589 in La Rochelle. Auf Latein gibt es als Druckorte Basel (1596), Jena und Halle (beide 1603). Jakob I., Premonition to all Most Mightie Monarches, Kings, Free Princes and States of Christendom, in: Ders., Workes, S. 289–348. S. u. Kap. V 4a.

2. Die exegetischen Frühschriften des Königs

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Texte. Dabei steht insbesondere die Frage im Mittelpunkt, an wen Jakob seine Interpretation der Offenbarung adressiert haben könnte und welchen Nutzen er sich davon erhoffte. a) A Paraphrase upon the Revelation Die Paraphrase ist uns in zwei Fassungen überliefert. Zum einen gibt es in der British Library ein undatiertes Manuskript des gesamten Textes aus der Hand Jakobs VI.30 Das Erscheinungsbild des Manuskriptes erweckt dabei den Anschein, daß es sich dabei um ein persönliches Exemplar des Autors handelt, mit zahlreichen Verbesserungen und Korrekturen und geringer Sorgfalt bezüglich des äußeren Erscheinungsbildes. Zum anderen liegt die Druckfassung in der Werkausgabe vor. Der Herausgeber von Jakobs Werken, James Montagu, gibt an, daß der Text vor Jakobs zwanzigstem Geburtstag geschrieben worden sei, d. h. spätestens im Jahr 1586 entstanden sein muß.31 Die Unterschiede zwischen beiden Fassungen halten sich in engen Grenzen. Am auffälligsten ist die sprachliche Differenz: das Manuskript ist in schottischer Sprache verfaßt, der Text in der Werkausgabe auf englisch. Von solcherlei Unterschieden einmal abgesehen, stimmen beide Ausgaben sowohl in ihrer Gliederung als auch in ihrer Textfassung weitgehend überein. Es ist insbesondere die Komposition der Paraphrase, die diesen Text exzeptionell erscheinen läßt. Zwar gehört die Schrift zweifelsohne zur Gattung der Bibelkommentare oder spielt doch zumindest mit dieser Gattung, doch sucht sie diese wissenschaftlich-theologische Gattungstradition so weit wie möglich zu verschleiern. Dies dürfte auch der Grund sein, weshalb die Schrift in der historischen Forschung bislang eher auf Geringschätzung stieß. Paul Christianson sieht in dem Text vor allem eine Nacherzählung der Offenbarung, andere Autoren sehen in der Schrift vor allem ein wenig originelles Jugendwerk.32 Beide Deutungen haben indes den eigentlichen Charakter des Werkes ebenso wenig erfaßt wie den historischen Kontext, in dem diese Schrift politische Wirkung entfalten sollte. Die Paraphrase enthält zunächst eine vollständige Übersetzung der Offenbarung. Die ursprünglich schottische Übersetzung mag dabei durchaus von Jakob selbst angefertigt worden sein. So gab es zu dieser Zeit keine vorliegende Übersetzung in schottischer Sprache. Auch die in Schottland gedruckte Edinburgh Bassandyne Bible aus dem Jahr 1579 war ein Nachdruck der im Jahre 1561 erschienenen Folio-Ausgabe der Geneva Bible und damit ebenfalls auf englisch verfaßt.33 Es ist zwar schwer zu entscheiden, ob sich Jakob bei dieser Über-

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British Library Royal Manuscripts [BL Royal MS] 18 B. 14. Jakob I., Workes, Fol. d3v. Christianson, Reformers, S. 96; Asch, Jakob I., S. 119. Vgl. hierzu allgemein David F. Wright, „The Commoun Buke of the Kirke“. The Bible in the Scottish Reformation, in: Ders., The Bible in Scottish Life and Literature, Edinburgh 1988, S. 155–178.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

setzung als Vorlage einer englischen Übersetzung bediente oder nicht. Eine auffällige Übereinstimmung mit den Übersetzungen der Geneva Bible, der Bishop’s Bible oder der sogenannten Great Bible läßt sich allerdings nicht beobachten. Es ist daher ebenso wahrscheinlich, daß sich Jakob einer lateinischen Vorlage bedient hat, z. B. Theodor Bezas lateinischer Ausgabe des Neuen Testaments. Zu dieser Übersetzung gesellt sich ferner eine Kommentierung des Textes der Offenbarung auf zweierlei Art und Weise. So übernimmt Jakobs Paraphrase die Kapitelgliederung der Offenbarung, besteht also ebenfalls aus 22 Kapiteln. Jedem dieser Kapitel ist zum einen ein Kopfregest vorangestellt, ein sogenanntes „Argument“, in dem eine prononciert politische Deutung des Kapitelinhalts dem eigentlichen Text vorangestellt ist. In der Manuskriptfassung finden sich diese arguments gebündelt dem Text vorangestellt. Zum anderen finden sich weitere Kommentierungen des Bibeltextes in die Übersetzung integriert. Diese Kommentierungen sind aber weder im Manuskript noch in der Druckfassung auf irgendeine Weise hervorgehoben und dadurch für den Leser auch nicht ohne weiteres als Kommentar zu erkennen. Vielmehr fügen sich die königlichen Kommentare nahtlos in den Text ein, schreiben den heiligen Text gewissermaßen fort. Die Ununterscheidbarkeit der Textebenen verstärkt Jakob noch durch eine Ununterscheidbarkeit der Sprecherrollen. So erklärt er in seiner Einleitung zur Paraphrase lapidar, er habe Johannes zum Erzähler der gesamten Paraphrase einschließlich der Kommentare bestimmt und nicht weiter zwischen den beiden Erzählerrollen unterschieden.34 Mit diesem Kunstgriff wird die ohnehin unsichtbare Differenz zwischen dem heiligen Bibeltext und dem königlichen Kommentar noch weiter verwischt. Wenn es in Jakobs Paraphrase heißt, „that voice which I heared spoke to me from heaven“ (Offb 10,8), wird für den Leser ununterscheidbar, ob es sich hier um die Worte des Johannes oder aber um Jakobs Kommentar handelt, ob die Inspiration dem biblischen Autor oder aber dem Exegeten zuteil wird.35 Daniel Fischlin hat auf die Widersprüche hingewiesen, die sich durch die von Jakob imaginierte Sprecherrolle des Johannes ergeben.36 Zwar macht Jakob seine Absicht deutlich, in Johannes Stimme zu reden, „usurping, in a display of exe-

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Jakob I., Workes, S. 1: „I have made IOHN to be the Speaker in all this Paraphrase, and not that I am so presumptuously foolish, as to have meant therby, that my Paraphrase is the onely trew and certaine exposition ofthis Epistle, reiecting all others: For although through speaking in his person, I am onely bounded and limited to use one, and not divers interpretations of every severall place […].“ Jakob I., Workes, S. 32. Vgl. hierzu Kevin Sharpe, Reading Revelations: Prophecy, Hermeneutics and Politics in Early Modern Britain, in: Ders./Steven N. Zwicker (Hrsg.), Reading, Society and Politics in Early Modern Britain, Cambridge 2003, S. 122–163, hier S. 130. Die Widersprüche sind im einzelnen gut aufgezeigt worden von Daniel Fischlin, dessen Deutung ich hier im wesentlichen folge; Daniel Fischlin, „To Eate the Flesh of Kings“. James VI and I, Apocalypse, Nation and Soveraignity, in: Fischlin/Fortier (Hrsg.), Royal Subjects, S. 388–420, hier v. a. S. 398–401.

2. Die exegetischen Frühschriften des Königs

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getical sovereignity, the role of prophetic interlocutor“,37 redet aber an anderer Stelle zugleich von „my Paraphrase“, betont also seine Autorschaft. Auch im eigentlichen Text der Paraphrase finden sich wiederholt Aussagen, bei denen sich nur schwer ausmachen läßt, wer jeweils als Sprecher fungiert, Johannes oder König Jakob. So folgt in der Paraphrase auf den prophetischen Satz eines der drei Engel, der mit den Worten „Sie ist gefallen, Babylon, die große Stadt“, den Untergang Babylons verkündet, folgende Auslegung der Stelle: for it is to be noted, that as there is no distinction of times in the presence of God, but all things are present unto him, so he and his Angels calleth oftentimes that thing done, that is shortly and certainly to be done thereafter […]. The Monarchie, I say then, shall shortly be destroyed, and that justly, because she hath abused a great part of the earth […] to embrace her errours and idolatries or spirituall whoredome.38

Es ist schwer zu entscheiden, ob es sich bei der Ankündigung, daß das Ende Babylons, das in Jakobs kommentierenden Einschüben durchgehend mit dem Papsttum gleichgesetzt wird, kurz bevorstehe, um eine Prophezeiung Jakobs oder aber Johannes handeln solle. Nimmt man Jakobs Ankündigung im Vorwort für bare Münze, daß in seiner Paraphrase allein Johannes als Sprecher fungiert, so ist im Text auch die Auslegung des Untergangs Babylons als Zerstörung des Papsttums eine Aussage von Johannes selbst. Mit dieser Strategie wird auch die Auslegung des Textes der Offenbarung Johannes in den Mund gelegt, zweifellos in der Absicht, die Glaubwürdigkeit der Interpretation zu erhöhen. Handelt es sich dagegen bei dem Einschub um eine bewußte Betonung der Tatsache, daß hier Jakob selbst und nicht Johannes die Feder führt, so weicht er damit vom proklamierten Ziel ab, nur Johannes als Sprecher der Paraphrase einzusetzen. Auch in diesem Falle bleiben aber Zweifel über den proklamierten Sprecher der Interpretation bestehen, eine Unklarheit, die Jakobs Strategie der Verschmelzung von Text und Auslegung in seiner Paraphrase zu Gute kommt. Klar als Kommentar erkennbar sind hingegen die sogenannten „arguments“, die dem Text der einzelnen Kapitel vorangestellt sind. In diesen „arguments“ betreibt Jakob seine politisch-historische Auslegung der Offenbarung sehr viel offener als in seinen kommentierenden Einschüben im Text. So faßt er das Geschehen des neunten Kapitels mit folgenden Worten zusammen: In the fifth Trumpet, the heresies cause a great blindnesse and ignorance, whereof commeth the Ecclesiasticall Papisticall orders, signified by the grasshoppers breeding out of the smoake, and their power and qualities: Their King and head the Pope and his style; In the next Trumpet the beginning of his decay, signified by the loosing of the foure Angels at Euphrates: The remedy he useth for the same by hounding out the Iesuits, signified by the horse in the Vision: Their qualities signified by their breast-plates: The Popes and Turkes his gathering to destroy the Church, signified by a great armie of horse: The Pope is the plague for breaking of the first Table, and the Turke for breaking of the second.39

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Fischlin, To Eat the Flesh of Kings, S. 399. Jakob I., Workes, S. 45. Hervorhebung im Zitat von mir. Ebd., S. 26.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

In dieser Kommentierung wird der biblische Text als Umschreibung aktueller politischer Verhältnisse gedeutet. Freund und Feind werden klar benannt: Die Plage der Heuschrecken geht Jakob zufolge auf den Papst als Urheber zahlreicher Häresien zurück, der bevorstehende Untergang des Papsttums solle durch die Jesuiten aufgehalten werden, die wahre Kirche sei bedroht vom Papst in ihrer Seele und von den Türken in ihrer physischen Existenz. Die in den Bibeltext eingeschriebenen Kommentare sind weit weniger eindeutig. Weder der Papst noch die Jesuiten oder die Türken werden hier direkt benannt. Statt dessen bediente sich Jakob im Text typisch protestantischer negativer Beschreibungsformeln: So ist der Papst ein „hereticall Monarch“ und Verursacher von „Idolatry“.40 Und der „other Monarch“, den Jakob im Kopfregest als Personifikation der Türken beschreibt, wird hier nur charakterisiert als jemand, „who onely persecutes the body“.41 Seine auf zweierlei Weise betriebene Kommentierung der Offenbarung ermöglicht es Jakob, seine politischen Aussagen entweder explizit herauszustellen oder aber nur implizit anklingen zu lassen. Die Konsequenzen dieser spezifischen Kommentierungstechnik zeigen sich z. B. bei der Auslegung des 16. Kapitels der Offenbarung über die sieben Schalen des Zorns. Hier identifiziert er sowohl den Papst als auch die Presbyterianer mit dem Antichristen, eine aus schottischer Sicht ziemlich brenzlige Aussage. Die Gleichsetzung von Papst und Antichrist betreibt Jakob im „argument“ auf klare Art und Weise: mit der sechsten Schale des Zorns „his forces [die des Papstes] decay, which he perceiving, houndeth out the Iesuits, to destroy all the faithfull, with whom God fight to his destruction“.42 Der in den Text eingeschobene Kommentar deutet das Geschehen bei der Ausgießung der sechsten Schale jedoch auf eine abweichende Weise. Hier ist im Bibeltext davon die Rede, daß aus den Mündern des Drachen, des Untieres sowie des falschen Propheten drei unreine Geister hervorkamen, die wie Frösche aussahen. Jakob identifiziert diese unreinen Geister erstens als „old, filthy and corrupted false doctrine, which for a long space have blinded the world“.43 Jeder Protestant wird in dieser Formulierung sofort die römische Kirche beschrieben sehen, der Kommentar im Text entspricht der vom „argument“ vorgegebenen Erwartungshaltung. Jakob macht jedoch deutlich, daß die Frösche auch eine weitere Verirrung in der Kirche repräsentierten: as also for that they goe craftily about to undermine and condemne all Ecclesiasticall orders preceding them, as unperfect and unprofitable, because their kingdome is darknesse; But howsoever they thus craftily insinuate themselves in the favours of the people, surely their doctrine is nothing else, but the very same filthy puddle of uncleane and wicked heresies and impieties.44

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Ebd., S. 30. Ebd., S. 30. Ebd., S. 49. Ebd., S. 52. Ebd., S. 52.

2. Die exegetischen Frühschriften des Königs

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Im „argument“ findet sich kein Hinweis, wer das Königreich der Finsternis repräsentiert. Katholiken dürfte Jakob an dieser Stelle jedoch kaum im Sinn gehabt haben. Ihnen wurde im Konfessionsstreit viel nachgesagt, aber sicherlich kein kritisches Verhältnis zur etablierten Kirchenordnung. Eher entspricht dieses Argument den Presbyterianern und ihrem Kirchenverständnis. Der Appell an das Volk – „the favour of the people“ – deutet ebenfalls an, daß Jakob mit dieser Aussage die Presbyterianer im Sinn hatte. Der Vorwurf, Sprachrohr eines Regiments in Händen des Volkes zu sein, kennzeichnet die schottischen Presbyterianer auch in späteren Schriften des Königs, z. B. in seinem Basilikon Doron, als er ihnen ihre „populare Sermons“ vorwirft und sie beschuldigt, sich zu „Tribuni plebis“ aufschwingen zu wollen.45 In dieser Schrift richtet sich dieser Vorwurf zwar nicht gegen Presbyterianer, sondern gegen die „Puritanes“. Jakobs Beschwerde gegen diese Puritans, sie hätten sich während der Regentschaft vor Erlangung seiner Volljährigkeit der königlichen Rechte in der Kirche bemächtigt und propagierten ein Kirchenverständnis, in dem für den König als Oberhaupt kein Raum blieb, zeigt jedoch, daß er dabei die schottischen Presbyterianer und deren Kirchenideal im Auge hatte.46 Sofern diese Deutung zutrifft, setzt Jakob an dieser Stelle Katholiken und Presbyterianer gleich, verdammt beide Lehren gleichermaßen als Häresie und identifiziert deren Verkünder beide als falsche Propheten und damit letztlich als Inkarnationen des Antichristen.47 Diese Polemik entbehrt nicht einer gewissen Ironie, waren es doch die Presbyterianer, die den Antichristen in der schottischen Kirk überall dort am Werk sahen, wo die überkommene Gestalt der Kirche nicht mit ihren Reformideen übereinstimmte, z. B. bei den Bischöfen in Schottland.48 Nun war bei den englischen Conformists im 17. Jahrhundert die Gleichsetzung von Papst und Puritans ein Gemeinplatz. Den purito-papists wurde vorgeworfen, auf vergleichbare Weise das Fundament der Königsherrschaft in Frage zu stellen.49 Auch der polemische Traktat, den Patrick Adamson zur Verteidigung der Black Acts unter dem Namen Jakobs verfaßt hatte, verglich die Lehre der Presbyterianer mit derjenigen der Kurie, da beide zu unrecht die legitimen Herrschaftsrechte des Königs bestritten. Der Vorwurf der Nähe zum Antichristen war in dieser Debatte jedoch kein Thema.

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49

Ebd., S. 160. Ebd., S. 160. Es verwundert nicht, daß in der Geneva Bible alle Frösche den gleichen Ursprung haben: „That is, a froog nomber of this great devil and Popes ambassadours which are ever crying and croking like frogs and come out of the Antichrists mouth, because they shoulde speak nothing but lies and use all manner of crafty deceit to maintaine their riche Euphrates against true Christians“; zit. n. The Bible (1560). Zur Deutung der Bischöfe vgl. auch die Fußnote in der Geneva Bible zu den Heuschrecken in Offb. 9,3: „Locustes are false teachers, heretikes, and worldlie Prelates, with Monkes, Freres, Cardinals, Patriarkes, Archebishops, Bishops, Doctors, Bachelers & masters which forsake Christ to maintaine false doctrine“; zit. n. The Bible (1560). Vgl. hierzu unten Kap. VI 3b.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

Der durchaus scharfe Vorwurf des Königs wird insbesondere dadurch gemildert, daß er nicht explizit erhoben wurde. Stand die römische Kirche in der Paraphrase durchgängig und explizit am Pranger, so blieb die Attacke gegen die Presbyterianer implizit. Jakob läßt in dieser Schrift keinen Zweifel daran, wen er als größte Bedrohung des christlichen Glaubens ansieht: den Papst und seinen Suprematieanspruch.50 Dies war auch für die Identifizierung des Papstes mit dem Antichristen grundlegend. So innovativ Jakobs Paraphrase in der formalen Gestaltung anmutet, so konventionell ist dieser Text auf seiner politisch-theologischen Aussageebene. Mit seiner Deutung bewegte sich Jakob in den vorgegebenen Bahnen protestantischer Exegese der Offenbarung, wie sie sich vor allem in polemischen Streitschriften des 16. Jahrhunderts entfaltete.51 Dies betrifft insbesondere die historische Lesart des Textes sowie die Gleichsetzung des Papstes mit dem Antichristen, beides Elemente, die bereits Martin Luther wieder mit Vehemenz aufgegriffen hatte, wobei er seinerseits auf eine ältere Tradition dieser Deutung zurückgreifen konnte, die über Savonarola und die Franziskaner bis zu Joachim von Fiore zurückreicht.52 Gerade im protestantischen England war diese Auffassung ein Gemeinplatz seit John Bales’ vollständiger Deutung der Offenbarung in seinem Traktat The Image of Both Churches.53 Diese historische Deutung der Apokalypse fand auch Eingang in die Fußnoten der Geneva Bible, deren Auslegung sich von Jakobs Kommentaren kaum unterscheidet. Es dürfte unwahrscheinlich sein, daß Jakob bereits vorliegende Deutungen der Offenbarung nicht zur Kenntnis genommen hätte.54 50 51

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Jakob I., Workes, S. 5: „Poperie is the greatest temptation since Christus first coming, or that shalbe unto his last“. Vgl. hierzu Irena Backus, Reformation Readings of the Apocalypse. Geneva, Zurich, Wittenberg 1525–84, New York/Oxford 2000; Dies., The Church Fathers and the Canonicity of the Apocalypse in the Sixteenth Century: Erasmus, Frans Titelmanns and Theodore Beza, in: The Sixteenth Century Journal 29 (1998), S. 651–665; allgemein Katharine R. Firth: The Apocalyptic Tradition in Reformation Britain 1530–1645, Oxford 1979. Irena Backus hat jedoch auch anhand französischer Bibelkommentare des 16. Jahrhunderts darauf hingewiesen, daß die Art der Auslegung der Apokalypse je nach Gattung stark variiert. Waren protestantische Polemiken und katholische Predigten, sofern sie sich auf die Offenbarung stützten, voll von aktualisierenden Verweisen auf den Antichristen, mit dem die jeweilige Gegenseite identifiziert wurde, so war das bei den gelehrten Bibelkommentaren nicht im gleichen Maße der Fall. Hier überwog auch während der konfessionellen Streitigkeiten bei den Theologen aller Konfessionen eine durch die Tradition von Tyconius vorgegebene Lesart des Textes; vgl. hierzu Irena Backus, French Calvinist and Catholic Commentaries of the Apocalypse of John, 1539–1589. Common Ground and Confessional Tensions, in: Ralph Häfner/Markus Völkel (Hrsg.), Der Kommentar in der frühen Neuzeit, Tübingen 2006, S. 5–20, hier v. a. S. 19 f. Backus, Reformation Readings, S. XI–XX. Zu den mittelalterlichen Vorläufern vgl. Bernard McGinn (Hrsg.), Apocalyptic Spirituality. Treatises and Letters of Lactantius, Adso of Montier-en-Der, Joachim of Fiore, the Franciscan Spirituals, Savonarola, New York 1979; Christopher Hill, Antichrist in Seventeenth-Century England, 2. Aufl. London/New York 1990, S. 7 f. Zur Frage nach möglichen Vorlagen für Jakobs Paraphrase vgl. Andreas Pečar: King James VI. and his Interpretation of the Revelation in the 1580s (Manuskript). In seiner Bibliothek befanden sich sowohl Werke, die eine historische Lesart der Offenbarung bevorzugten als auch solche, die die Offenbarung strikt ahistorisch in einem morali-

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Wenn er gleichwohl in der Einleitung postuliert, er habe allein die Schrift selbst zu Rate gezogen und keine anderen Autoritäten, so darf diese Aussage der Selbstinszenierung Jakobs zugerechnet werden.55 Allenfalls die versteckten Giftpfeile gegen die Presbyterianer lassen eine recht eigenständige Position Jakobs erkennen. Im Vergleich zur vorgelegten Gesamtdeutung fällt dieser Aspekt allerdings kaum ins Gewicht. Um die Funktion und die Zielsetzung der Paraphrase zu verstehen, ist die Frage nach dem Adressatenkreis dieser Schrift von entscheidender Bedeutung. Doch lassen sich zur Klärung dieser Frage nur spärliche Indizien finden. Drei Aspekte sollen im folgenden die Deutung leiten: erstens der Bekenntnischarakter der Schrift, zweitens der innovative und geistreiche Duktus des Textes und drittens der Verzicht auf Publizität. Die historische Auslegung der Apokalypse, die Jakob in der Paraphrase als eigene Deutung der Schrift ausgab, trennt rigoros zwischen den Gefolgsleuten Christi einerseits, denen das neue Jerusalem offenstehen wird, und den Widersachern Christi an der Seite des Antichristen, deren Vernichtung in der Johannesoffenbarung geweissagt wird. Da Jakob den Papst zum personifizierten Widersacher Christi erklärte und sich damit einen Gemeinplatz der Protestanten zu eigen machte, legte er mit dieser Aussage zugleich ein eindeutiges Bekenntnis zu seiner festen Verankerung im protestantischen Lager ab. An wen mochte sich ein solches Bekenntnis gerichtet haben? Oder anders gefragt: Wer mochte an Jakobs protestantischem Bekenntnis Zweifel hegen? Für zunehmende Irritationen über Schottland hinaus sorgte sicherlich Jakobs Verhältnis zu Esmé Stuart Sieur d’Aubigny, dem späteren Earl of Lennox, der nach seiner Ankunft in Schottland 1579 eine Blitzkarriere am Hof Jakobs VI. machte und schnell zum Favoriten des jungen Königs aufstieg. Schon Ende 1580 gelang es Lennox, in Verbindung mit James Stuart, dem späteren Earl von Arran, die Regentschaft zu übernehmen und zugleich den früheren Regenten Earl of Morton wegen Mitwirkung an der Ermordung von Lord Darnley, dem Vater Jakobs VI., verhaften und später hinrichten zu lassen. Statt dem Earl of Morton war nun der Earl of Lennox der neue starke Mann neben dem jungen König Jakob: ein in Frankreich aufgewachsener Katholik, von dem seitens schottischer Geistlicher schnell verbreitet wurde, er sei ein Agent des Herzogs von Guise und suche Jakob zu einem Bündnis mit Spanien und Frankreich zu überreden.56 Gerüchte dieser Art mobilisierten in den Jahren nach 1580 nicht nur den Widerstand der

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schen Sinne auslegten, beispielsweise Heinrich Bullingers Hundered Sermons on Revelation (1557) oder die Magdeburg Centuries and Carion’s Chronicle; vgl. hierzu George F. Warner, The Library of King James VI, 1573–1583 from a Manuscript in the Hand of Peter Young, his Tutor, in: Publications of the Scottish History Society, Bd. 15: Miscellany, Edinburgh 1893, S. XI–LXXV. Vgl. hierzu auch Fischlin, Te Eate the Flesh of Kings, S. 401. Vgl. Rosalind K. Marshall, Art. Stuart [Stewart], Esmé, first Duke of Lennox (1542–1583), in: ODNB 53 (2004), S. 146–148, v. a. S. 147; Alan Stewart, The Cradle King: A Life of James VI and I, London 2004, S. 51–71.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

presbyterianischen Prediger, die auf der Kanzel gegen Lennox wetterten. Auch Königin Elisabeth war bei Gerüchten über ein mögliches Bündnis Schottlands mit den katholischen Erbfeinden Englands alarmiert, was für Jakobs ohnehin prekäre Rolle als König durchaus gravierende Folgen hätte haben können.57 In dieser zugespitzten Lage starteten Lennox und Jakob zumindest zwei Beschwichtigungsversuche. Zum einen ließ Lennox verbreiten, er sei bereits im Juli 1580 zum Protestantismus konvertiert.58 Zum anderen legte Jakob selbst, gefolgt von den Mitgliedern seines Hofstaates, ein Glaubensbekenntnis ab, das unter den Namen King’s Confession oder Negative Confession in die Geschichte einging. Als King’s Confession wurde sie bezeichnet, da Jakob als Erster seine Unterschrift unter das Bekenntnis setzte. Die Bezeichnung Negative Confession faßt den Inhalt des Bekenntnisses zusammen, geht es doch vor allem um eine radikale Absage an die katholische Konfession: „we detest and refuse the usurped authoritie of that Romane Antichrist upon the scriptures of God, upon the kyrk, the civill magistrate and conscience of men“, mit diesen Worten beginnt eine mehrseitige Suada, in der katholische Glaubenspositionen einzeln verdammt werden.59 Diese Maßnahme war sicherlich dazu gedacht, das Mißtrauen der Presbyterianer gegen Jakob und seine persönliche Umgebung zu zerstreuen. Zwar erzielte Jakob nicht die gewünschte Wirkung, da das Mißtrauen und die Polemik gegen Lennox weiter anhielten. Die Negative Confession fand gleichwohl begeisterte Aufnahme und war von nun an elementarer Bestandteil des kulturellen Gedächtnisses der schottischen Kirk, die auch König Jakob, insbesondere im Zusammenhang mit den fünf Artikeln von Perth im Jahr 1618, noch daran erinnern sollte, daß er einst dieses Bekenntnis abgelegt hatte.60 In den Kontext der vertrauensbildenden Maßnahmen gehört in meinen Augen auch die Paraphrase, die ebenso wie die Negative Confession den Papst klar mit dem Antichristen gleichsetzt und auf diese Weise jegliche Zweifel an Jakobs protestantischer Verankerung auszuräumen suchte. Da die Zweifel an Jakobs Zuverlässigkeit und seiner konfessionellen Standhaftigkeit auch in den Folgejahren nicht verschwanden, blieb eine Bekräftigung der Zugehörigkeit zum protestantischen Lager auf der Tagesordnung. Die Funktion der Paraphrase und der Negative

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Vgl. Wallace T. MacCaffrey, Queen Elizabeth and the Making of Policy 1572–1588, Princeton 1981, S. 408–411; Maurice Lee jr, The Fall of Regent Morton. A Problem in Satellite Diplomacy, in: JMH 28 (1956), S. 111–129. Am 6. Januar 1581 erhielt der Sondergesandte Thomas Randolph von Elisabeth die Warnung an Jakob mit auf den Weg, sich vor Lennox zu hüten, insbesondere aber vor jedem Versuch, die katholische Konfession wieder in Schottland einführen zu wollen: „And for that no trouble can happen in that realm especially tending to the alteration of religion, but that it is meant also should reach to us, we cannot – besides the care we have of his well doing – but for our own surety seek by all the means we may to prevent the same“; Calendar of Scottish Papers, Bd. 5, Nr. 651; auch abgedruckt in Dickinson/Donaldson (Hrsg.), A Source Book, Bd. 3, S. 434–436, hier 434. Marshall, Art. Stuart, S. 147. Dickinson/Donaldson, A Source Book, Bd. 3, S. 32–35, das Zitat S. 33. Hierzu s. u. Kap. VI 1.

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Confession scheint mir identisch zu sein: den eigenen Protestantismus herauszustreichen und Zweifel am politischen Kurs in Religionsfragen zu zerstreuen. Während aber das Bekenntnis in der Öffentlichkeit vollzogen wurde, blieb die Paraphrase vorerst Manuskript. Dies wirft die Frage auf, ob sich beide Bekenntnisakte an das gleiche Publikum wendeten oder ob Jakob mit seiner exegetischen Schrift einen besonderen Adressaten im Blick hatte. Die Vermutung Fischlins, die Paraphrase diente Jakob dazu, die radikalen Presbyterianer innerhalb seiner eigenen Regierung zu überzeugen,61 läßt Zweifel aufkommen. Wenn Jakob mit seiner Schrift die Presbyterianer besänftigen wollte, weshalb hat er dann seine kritischen Anmerkungen über diese als unreine Geister in der Kirche in den Text eingebaut? Außerdem ist fraglich, ob eine exegetische Schrift für einen regierenden König ein geeignetes Medium war, um mit den eigenen Ministern zu kommunizieren. Wenn die Paraphrase dazu dienen sollte, jemanden vom unerschütterlichen Protestantismus des Königs zu überzeugen, stellt sich die Frage, wer für Jakob von so großer politischer Bedeutung war, daß der König eine recht aufwendige exegetische Schrift als sinnvolle Investition ansah? Und wer mochte darüber hinaus nicht nur die Gleichsetzung des Papstes mit dem Antichristen gutheißen, sondern auch seine kritischen Kommentare über die Presbyterianer in den eigenen Reihen? Wir wissen insbesondere von einer Person, die mit Jakob beide Antipathien teilte: Königin Elisabeth I. von England. Sie war für Jakob von zentraler Bedeutung nicht nur als schottischer König, sondern auch und vor allem in seiner Absicht, ihren englischen Thron zu beerben. Ihr Wohlwollen lohnte daher jeden Aufwand. Es gibt zumindest ein starkes Indiz dafür, daß Jakob ihr die Paraphrase zukommen ließ. In einem Brief an Jakob bedankt sie sich ausdrücklich für die Zusendung einer gelehrten Paraphrase, die ihren Urtext übertreffe;62 sicher ein außergewöhnliches Kompliment für eine Bibelexegese. Der Brief ist datiert mit Januar 1586. Dies deckt sich mit Montagus Aussage, daß die Schrift spätestens Anfang 1586 entstanden sei. Damit fällt der Brief in die Zeit der Verhandlungen über einen Bündnisvertrag zwischen Schottland und England, der aus Sicht Jakobs VI. dem schottischen König nicht nur Subsidienzahlungen einbringen, sondern auch die Thronnachfolge sichern sollte. Zwar ging der letztere Wunsch nicht in Erfüllung, der Bündnisvertrag kam jedoch im Juli 1586 zustande.63 Der Briefwechsel zwischen beiden gekrönten Häuptern läßt erkennen, daß Jakob auch während der laufenden Bündnisverhandlungen Überzeugungsarbeit 61 62 63

Fischlin, Te Eate the Flesh of Kings, S. 406 f. „I do both admire and reioise to see your wise paraphrase, wiche far excedeth their texte“, John Bruce (Hrsg.), Letters of Queen Elizabeth and King James VI of Scotland, London 1849, S. 26f. Thomas Rymer (Hrsg.), Foedera, conventiones, literae, et cujuscunque generis acta publica, inter reges Angliae, et alios quosvis imperatores, reges, pontifices, principes…, 20 Bde., London, 1704–35, hier Bd. 15, S. 803–807, zu Teilen auch abgedruckt in Dickinson/Donaldson, A Source Book, Bd. 3, S. 441–443. See Julian Goodare, James VI’s English Subsidy, in: Ders./Michael Lynch (Hrsg.), The Reign of James VI., East Lothian 2000, S. 110–125; Maurice Lee jr., Great Britain’s Solomon. James VI and I in His Kingdoms, Urbana (Illinois)/Chicago 1990, S. 64 f.

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leisten mußte, um Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner Person zu zerstreuen. Elisabeth hatte Jakob stets in Verdacht, ein doppeltes Spiel zu spielen und nicht nur die Nähe Englands zu suchen, sondern sich ebenso auch um ein gutes Einvernehmen mit den katholischen Mächten zu bemühen. Dies veranlaßte sie zu einer unmißverständlichen Warnung an die Adresse des schottischen Königs: hope that you wyl remember, that who seaketh two stringes to one bowe, the may shute strong, but never strait; and if you suppose that princes causes be vailed so convertly that no intelligence may bewrayne them, deceave not yourselfe; we old foxes can find shiftes to save ourselves by others malice, and come by knowledge of greattest secreat, spetiallye if it touche our freeholde.64

Zu ihrem Mißtrauen trug auch die Tatsache bei, daß sich in Jakobs engster politischer Umgebung auch weiterhin einflußreiche Katholiken aufhielten, z. B. der Earl of Arran.65 Jakob bemühte sich in dem Briefwechsel seinerseits, die Zweifel der Königin zu zerstreuen und versprach ihr „continuance of that promesit course in religion and league“.66 Im Rahmen von Jakobs Bemühungen, die englische Königin seiner Bündnistreue zu versichern, war eine Bekräftigung seiner protestantischen Identität nicht die schlechteste Strategie. Allerdings hatte er sich dabei eines Kommunikationsmittels zu bedienen, das nicht den Eindruck der Unterwürfigkeit aufkommen ließ. Ein ausdrückliches Bekenntnis, wie er es in Schottland mit seiner King’s Confession abgelegt hatte, war im Briefwechsel mit Elisabeth I. wenig opportun. Um gleichwohl Elisabeths Besorgnis auf elegante, der höfischen Kommunikation entsprechende Weise zu zerstreuen, ohne sie explizit zum Thema zu machen, war wenig besser geeignet als eine Interpretation der Offenbarung, in der Jakob den Papst als Antichristen brandmarkte und den Königen die Rolle zuwies, das Papsttum zu zerstören. Demzufolge war die Paraphrase zunächst wohl insbesondere ein Mittel der Diplomatie, für eine einzige Leserin bestimmt. Eine größere Öffentlichkeit war ursprünglich nicht beabsichtigt, weshalb die Schrift nicht gedruckt wurde. Die Strategie Jakobs VI., zwischen den Kontrahenten England und Spanien zu lavieren, um auf diese Weise Schottland als politischen Ansprechpartner für beide Seiten interessant zu halten, war eben mehr als nur ein Hirngespinst der englischen Königin. Dieser Strategie hätte eine Veröffentlichung der Paraphrase zu diesem Zeitpunkt kaum entsprochen. b) Ane Fruitfull Meditatioun Nur kurz nach der Fertigstellung der Paraphrase griff Jakob erneut auf den Text der Offenbarung zurück, um sich ein weiteres Mal als Autor zu betätigen. Seine Interpretation ist dabei weitgehend identisch mit der in der Paraphrase vorgeleg64 65 66

Bruce, Letters, S. 16 f. (Juni/Juli 1685). Vgl. Conyers Read, Mr. Secretary Walsingham and the Policy of Queen Elizabeth, 2 Bde., Oxford 1925, hier Bd. 1, S. 246–248. Bruce, Letters, S. 16 (19. Juli 1585).

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ten Deutung. Allerdings beschränkte er sich nun darauf, in seiner Fruitfull Meditatioun das 20. Kapitel der Offenbarung in den Blick zu nehmen, das vom letzten Angriff der Feinde Gottes, von Gog und Magog, handelt, die schließlich der Vernichtung durch Gott anheimfallen.67 Gleichwohl fallen einige Übereinstimmungen zwischen beiden Schriften ins Auge. So betont Jakob in beiden Texten, daß er seine Deutung autonom verfaßt und zur Interpretation der Schrift nur auf andere Bibelstellen zurückgegriffen habe.68 Und in beiden Schriften vergleicht er den Papst mit dem Antichristen und nutzt diese Deutung zur Betonung protestantischer Identität. Noch stärker als im Falle der Paraphrase nutzte Jakob in der Meditatioun diese Deutung zur Beschreibung der politischen Lage. Der Anlaß, den Jakob heilsgeschichtlich zu deuten beabsichtigte, war die militärische Bedrohung Englands – und Schottlands, wie Jakob zu insinuieren sucht – durch die spanische Armada. Zur Interpretation der aktuellen politischen Lage sei kein Text der Bibel so gut geeignet wie die Apokalypse des Johannes, so macht Jakob gleich zu Beginn seines kurzen Textes deutlich.69 Dabei vergleicht er die Bedrohung durch Spanien mit dem letzten Angriff der Feinde Gottes in Kapitel 20, 7–10 der Offenbarung. Gog und Magog setzt Jakob mit den Türken und dem Papsttum gleich, dem offenen Feind und dem Feind im Verborgenen.70 Daß der Papst gleichwohl als Antichrist erkennbar sei, zeigt Jakob ebenfalls durch einen Verweis auf die aktuelle politische Situation in Europa: And hath he [der Papst] not of late dayes, seeing his kingdome going to decay, sent out the Iesuites, his last and most pernicious vermin, to stirre up the Princes of the earth his slaves […] . And are not the armies presently assembled, yea upon the very point of their execution in France against the Saints there? In Flanders for the like; and in Germanie, by whom already the Bishop of Collein is displaced? And what is prepared and come forward against this Ile?71

Hat Jakob in der Paraphrase – wie auch in der King’s Confession – noch insbesondere theologische Gründe für seine Aussage angeführt, daß der Papst sich als Antichrist zu erkennen gebe, taucht nun ein weiteres Element auf: der Anspruch des Papstes auf die plenitudo potestatis, womit er sowohl die Gewalt Gottes wie auch der weltlichen Könige usurpiere.72 Daß der Papst sich die weltlichen – und katholischen – Könige zu Sklaven mache, indem er ihre Herrschaftsgewalt usurpiere, z. B. durch die Jesuiten, gilt Jakob als Nachweis für seine Identifizierung als Antichrist und Untier der Apokalypse. Mit dieser Akzentverschiebung waren nun nicht mehr theologische Differenzen zwischen den Konfessionen das Haupt67

68 69 70 71 72

Jakob VI., Ane Fruitfull Meditatioun Contening ane Plane and Facill Expositioun of ye 7.8.9 and 10 Versis of the 20 Chap. of the Revelatioun in Forme of ane Sermone. Set Doun be ye Maist Christiane King and Synceir Professour, and Cheif Defender of the Treuth, Iames the 6 King of Scottis, Edinburgh 1588. Jakob I., Workes, S. 80. Ebd., S. 73. Ebd., S. 79. Ebd., S. 78. Ebd., S. 77, mit Hinweis auf Offb 13.

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element päpstlicher Verworfenheit, sondern der Angriff des Papstes auf die Autonomie weltlicher Herrschaftsgewalt.73 Umgekehrt wird mit dieser Interpretation die heilsgeschichtliche Bedeutung der unantastbaren Königsgewalt aufgewertet, ein für Jakob zunehmend zentrales Element seiner politischen Bibelinterpretation. Auch diese Deutung hat in protestantischen Schriften bereits prominente Vorläufer. John Foxe greift in seinem englischen Bestseller Acts and Monuments das Papsttum mit den Worten an: „What kings have been deposed, and emperors stripped from their imperial seat, and all because they would not stoop and bend the image of the beast, that is, to the majesty and title of Rome“.74 In der elisabethanischen Kirche bestand insbesondere nach der Exkommunikation Elisabeths I. durch Papst Pius V. im Jahr 1570 weitgehend Konsens darüber, daß der Papst auch aufgrund seiner Infragestellung königlicher Herrschaftsrechte und dem darin zum Ausdruck kommenden Machthunger mit dem Antichristen gleichzusetzen sei.75 Jakob machte sich in der Meditatioun eine spezifisch englische Sichtweise ausdrücklich zu eigen. Dabei mag zum einen sicher auch seine persönliche Überzeugung ein Grund hierfür gewesen sein, zum anderen aber war es Teil einer rhetorischen Strategie. Diese Strategie wird am ehesten sichtbar, wenn man in den Blick nimmt, was die Meditatioun von der Paraphrase vor allem unterscheidet: die Meditatioun ging im Jahr 1588 in Druck! Der Zeitpunkt der Veröffentlichung ist dabei von besonderem Interesse: die Schrift erschien kurz nach dem Untergang der spanischen Armada. Dies ist vor allem deswegen aussagekräftig, da Jakobs antispanische und antipäpstliche Rhetorik in diesem Traktat nach dem Sieg Englands nicht mit seiner politischen Strategie vor der militärischen Entscheidung übereinstimmt.76 Wie bereits erwähnt, bestand seine Außenpolitik wesentlich darin, beide Seiten so weit wie möglich in dem Glauben zu lassen, er stünde auf deren Seite oder zumindest nicht auf Seiten des Gegners. Zwar gab er sich nie als Verbündeter Spaniens zu erkennen, er sparte aber auch mit öffentlichen Demonstrationen einer starken Allianz mit England. Damit suchte er wohl insbesondere den Preis hochzutreiben, den er England für ein Bündnis abverlangen konnte.77 73 74 75

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Vgl. hierzu Asch, Revelation, S. 315–331. Foxe, Acts and Monuments, Lib. IV, S. 106. Vgl. hierzu John Jewel, A View of a Seditious Bull, in: The Works of John Jewel, hrsg. v. John Ayre, Cambridge 1845–50, Bd. 4, S. 1128–1160; Ders., An Apology of the Church of England, in: Works, Bd. 3, S. 75 ff.; Ders., A Defence of the Apologie, in: Works, Bd. 4, S. 627 ff. und S. 671 ff. So auch Rickard, Word of God, S. 140 f. MacCaffrey, Queen Elizabeth, S. 425 f.; Donaldson, Scotland, S. 185. Vgl. ferner J. D. Mackie, Scotland and the Spanish Armada, in: SHR 12 (1914), S. 16–18; Susan Doran, Revenge her Foul and Most Unnatural Murder? The Impact of Mary Stewart’s Execution on Anglo-Scottish Relations, in: History 85 (2000), S. 589–612, v. a. S. 603 f. Peter C. Herman interpretiert auch Jakobs Versepos Lepanto, das 1585 entstand, als Beitrag zur Außenpolitik des Königs; Peter C. Herman, „Best of Poets, Best of Kings“. King James VI and I and the Scene of Monarchic Verse, in: Fischlin/Fortier (Hrsg.), Royal Subjects, S. 61–103, v. a. S. 80 f.

2. Die exegetischen Frühschriften des Königs

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Diese Strategie hatte jedoch nur ihre Berechtigung, solange es ungewiß blieb, welche der beiden Großmächte sich militärisch durchsetzen sollte. Nach der Niederlage der spanischen Flotte wurden die Karten neu gemischt. Elisabeth I. hatte nun keinerlei Grund mehr, auf die Forderungen Jakobs VI. einzugehen, und zeigte ihm die kalte Schulter. Und Jakob sah sich in der mißlichen Lage, nun zumindest im Nachhinein protestantische Bündnistreue zu beschwören und auf diese Weise vielleicht auch etwas vom Glanz der siegreichen Königin zu profitieren. Ebenso wie die Paraphrase war die Meditatioun die Versicherung protestantischer Standhaftigkeit. Die veränderten politischen Umstände machten es nun allerdings ratsam, dieses Bekenntnis öffentlich vorzulegen und nicht nur in Form höfischdiplomatischer Kommunikation. Und je schneller der Text nach der spanischen Niederlage in die Öffentlichkeit kam, um so besser für die beabsichtigte Wirkung. Schließlich kam es dem König darauf an, mit der Schrift sein Bild in der Öffentlichkeit ebenso zu prägen wie auf die Einschätzung der Zuverlässigkeit seiner Person in England Einfluß zu nehmen. Seine Worte sollten daher seine diplomatischen Handlungen möglichst in Vergessenheit geraten lassen. Eine ähnliche Anpassung an die neuen politischen Rahmenbedingungen läßt sich auch im Falle von Jakobs Versepos Lepanto beobachten. Die handschriftliche Manuskriptfassung, die seit 1585 in seiner Umgebung zirkulierte, zeichnet ein positives Bild vom Helden Don Juan, der die Türken in der Seeschlacht besiegt hatte und damit der Christenheit insgesamt einen großen Dienst erwies. In den beiden gedruckten Ausgaben von 1591 und 1603 hat Jakob jedoch noch ein Vorwort eingefügt, das jegliche Identifikation mit dem dargestellten Protagonisten in Abrede stellt. Jakob versichert ausdrücklich, es entspräche keineswegs seiner Absicht, „a forraine Papist bastard“ zu preisen.78 In der Meditatioun war es Jakobs Strategie, das von ihm vermiedene Bündnis gegen Spanien wenigstens im Nachhinein zu imaginieren. Hierzu bediente er sich zweierlei Mittel. Zum einen koppelte er das Schicksal Schottlands eng an dasjenige Englands. Zwar befand sich nur England im Krieg mit Spanien, war daher die befürchtete Invasion zumindest vorerst auch nur gegen England gerichtet. Jakob sieht gleichwohl „our estate“ belagert, zum einen allgemein als Protestant durch die Häresie des Antichristen und als Mitglied der verfolgten Kirche, zum anderen aber konkret „by this present armie“.79 Sein Plädoyer an den Leser, er solle in Gott vertrauen und den wahren Glauben gegen die Glaubensfeinde verteidigen, war eine nachträgliche Bekräftigung eigener militärischer Entschlossenheit.80

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Zur Rezeption des Versepos in Holland als protestantisches Narrativ gegen die Spanier vgl. Astrid J. Stilma, The Battle of Lepanto. The Introduction of James VI of Scotland to the Dutch, in: Houlbrooke (Hrsg.), James VI and I, S. 9–23. Jakob VI, His Maiesties Poeticall Exercises at Vacant Houres, Edinburgh 1591, s.p.; Jakob VI and I: His Maiesties Lepanto, or Heroicall Song being Part of his Poeticall Exercises at Vacant Houres, London 1603, Fol. A2r. Zum Versepos vgl. auch Rickard, Authorship, S. 61–67. Jakob I., Workes, S. 80. Jakob VI, Ane Fruitfull Meditatioun, Fol. B4r; Jakob I., Workes, S. 80.

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Jakob suggerierte in seinem Text, dieser sei bereits vor der Niederlage der Armada geschrieben worden und die militärische Entscheidung stünde noch aus, womit er seiner Botschaft zusätzliche Glaubwürdigkeit verleihen wollte. Auch wenn er Spanien nicht ausdrücklich nennt, stellt er die rhetorische Frage: „quhat is preparit and cum fordwart against this Ile?“81 Hier suggeriert Jakob, daß die spanischen Schiffe immer noch auf dem Weg zu Englands Küsten seien und nicht bereits den Grund des Meeres zierten. Die Benennung der Armada als „yis present armie“ diente demselben Zweck. Es ist schwer zu entscheiden, ob es Jakob gelang, mit dieser Rhetorik kurzfristige Imageerfolge in der Öffentlichkeit zu erzielen. Elisabeth I. jedenfalls dürften seine Ausführungen kaum beeindruckt haben. Klar scheint hingegen Jakobs Absicht zu sein: das Image des Königs sollte mittels seiner Schriften erstrahlen und seine diplomatische Schaukelpolitik vergessen lassen. Langfristig entfalteten diese Interpretationen der Johannesoffenbarung in England allerdings eine Wirkung, die der König schwerlich beabsichtigt hatte. Diente der martialische Ton der Meditatioun ursprünglich dazu, die gänzlich unheroische Politik Jakobs zu bemänteln, entwickelte sich daraus bei bestimmten Lesern eine politische Erwartungshaltung, mit der er als regierender König von England noch konfrontiert werden sollte. Den Preis einer in der Öffentlichkeit betriebenen Imagepolitik sollte Jakob noch kennenlernen.82 c) Meditatioun upon the First Buke of the Chronicles Bislang war der Fokus vor allem auf die intendierte Wirkung der beiden Frühschriften in England gerichtet, auf deren beabsichtigte Funktion als Mittel der Diplomatie. Gleichwohl wurde die Fruitful Meditatioun aber in Schottland gedruckt und enthielt spezifische Botschaften auch an die schottische Öffentlichkeit, die über das bislang dargelegte hinausgehen. Dies betrifft weniger den Inhalt des Traktats als die Gattung, der er zuzuordnen ist. Jakob hat mit seiner Schrift letztlich eine Predigt vorgelegt. Die Schrift sei „in forme and maner of a Sermon“ geschrieben, wie bereits der Titel der Schrift ausweist. Dies war auch der Fall bei der Meditatioun upon the First Buke of the Chronicles, die im Jahr 1589 erschien.83 In diesem Traktat wird der Predigtcharakter zwar nicht mehr ausdrücklich im Titel hervorgehoben. Gleichwohl ist die Nähe zur Gattung der Predigt hier ebenso greifbar wie in allen Schriften, die Jakob mit dem Titel Meditatioun versehen hatte. Die von Jakob kommentierte Schriftstelle handelt vom siegreichen König David, der zu Ehren Gottes die Bundeslade feierlich nach Jerusalem bringen ließ 81 82 83

Jakob VI, Ane Fruitfull Meditatioun, Fol. B2v; Jakob I., Workes, S. 78. S. u. Kap. VI 2a. Jakob VI, Ane Meditatioun upon the XXV, XXVI, XXVII, XXVIII, and XXIX Verses of the XV Chapt. of the First Buke of the Chronicles of the Kingis Set Doun be the Maist Christiane King and Sincere Professour of the Treuth Iames the Sext King of Scottis, Edinburgh 1589.

2. Die exegetischen Frühschriften des Königs

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und anschließend vor der Bundeslade einen Freudentanz aufführte, ein Verhalten, für das er von seiner Frau Michal verachtet wurde. Jakob vergleicht nun den Sieg Davids über die Philister mit dem Sieg über die spanische Armada, beides Anlässe, den Ruhm Gottes zu preisen.84 Die von David für dieses Ereignis zusammengerufenen Gruppen, d. h. die „Elders“, die Obersten, die Priester und Leviten, repräsentierten dabei alle „Stände“ Israels. Besonders hebt Jakob hervor, daß David nichts ohne Beteiligung der Priester unternähme, die als geistliche Anführer (spiritual rulers) seiner Kirche bestellt seien.85 Allerdings tritt David selbst während des Tanzes als Priester auf, nicht als König, was an seiner Kleidung ersichtlich wird; er trug wie die Priester ein langes Leinengewand. Den Tanz Davids vor der Bundeslade kommentiert Jakob wie folgt:86 As to the dancing of David: dancing, playing, and such like actions we know are of themselves indifferent, and good or evil according to their use, and the intention of the user; and therefore being used at this time with a comely zeale, for the setting forth of Gods glory, are not onely to be borne with and excused, but even most highly to be praised and commanded, although that Michal dispraysed the same.

Davids Tanz wird von Jakob auf doppelte Weise gerechtfertigt. Zum einen gehörten die äußeren Formen der Gottesverehrung zu „actions indifferent“. Auch wenn David mit seinem Tanz eine ungewöhnliche Form der Verehrung wählte, sei dies also nicht zu kritisieren, da davon ja keine Glaubensfrage tangiert gewesen sei. Daß Jakob die „things indifferent“, also die Adiaphora, ohnehin dem Belieben der weltlichen Obrigkeit anheimstellt, mag dabei zusätzlich mitschwingen, ausdrücklich aussprechen tut Jakob es an dieser Stelle nicht. Statt dessen legitimiert er Davids Tanz damit, daß dieser ohne Zweifel von Gott selbst inspiriert gewesen sei.87 Hat Jakob die Auslegung von Davids Tanz vor der Bundeslade unternommen, da er sich dessen Verhalten zum Vorbild nehmen wollte? Sofern dies der Fall war, reklamierte Jakob damit zugleich einen Anspruch, der weit über die dem König von den Presbyterianern zugedachte Rolle hinausging. Diese Grenzüberschreitung scheint durchaus Teil des königlichen Kalküls gewesen zu sein. Unternahmen Andrew Melville und seine Mitstreiter alles, um die königliche Autorität strikt auf die weltliche Sphäre zu beschränken und den Bereich der spiritualia als alleiniges Reservatsrecht der Kirche anzusehen, so scheint Jakob diese Trennlinie mit Bedacht gleich auf mehrfache Weise zu überschreiten. Hierzu dienten die von ihm gedruckt vorgelegten predigtgleichen Schriften, mit denen er seine Kompetenz und seine Autorität auf einen Bereich ausdehnte, der zu den Herrschaftsgewalten der Kirche zählte, nämlich das Auslegen der Heiligen Schrift. Und wenn er sich bewußt in die Nachfolge Davids stellte und hierbei nicht nur die Königs84 85 86 87

Jakob I., Workes, S. 81 f. Ebd., S. 84. Ebd., S. 86. Ebd., S. 86: „David „did nothing without the special motion of the spirit of God, as an extraordinarie worke, which so fully possessed his soule at this present“.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

rolle für sich reklamierte, sondern ebenso auch diejenige des Propheten, dann adaptierte er ebenfalls eine Herrscherrolle, vor der Melville ihn warnte, sie jemals anzustreben.88 In seinen exegetischen Schriften leugnete Jakob die Vorstellung kirchlicher Reservatszonen, ohne sie direkt anzugreifen oder explizit in Frage zu stellen. Abgesehen von dem Rollenverständnis des Königs dürfte der Inhalt der beiden Meditatiouns für die Presbyterianer wenig Anlaß zur Kritik geboten haben. Seine Attacken auf das Papsttum dürften gerade auch radikalen Kreisen der schottischen Kirk höchst willkommen gewesen sein. Und solche Attacken finden sich auch in Jakobs Schrift über den Tanz Davids in ähnlicher Form wieder. So nimmt die Kritik von Davids Frau Michal am König in Jakobs Exegese großen Raum ein. Sie wird in den schwärzesten Farben gemalt, als Heuchlerin verdammt, die aber gleichwohl Teil der sichtbaren Kirche sei.89 Da sie nicht dieselben Gefühle Gott gegenüber aufbringen könne wie ihr Gemahl, König David, interpretiere sie sein Handeln auf mißgünstige Weise.90 Während Jakobs Aktualisierung der geschilderten Handlung keinen Zweifel daran läßt, daß er Israel mit Schottland gleichsetzt und die geschlagenen Philister mit Spaniens Armada sowie dem verbündeten Papsttum selbst, so bleibt doch eigentümlich unbestimmt, wen er in der Rolle Michals ausmacht. Einige Hinweise gibt Jakob aber doch: And although there will doubtlesss be many Michals amongst us, let us reioyce and praise God for the discoverie of them, assuring our selves they were never of us, accounting all them to be against us, that either reioyce at the prosperitie of our enimies, or reioyce not with us at our miraculous deliverance.91

Kriterium für die Suche nach den Michals, also nach den inneren Feinden der Kirche sei weniger ein konfessionelles Bekenntnis, sondern eine Haltung zum Wohl des eigenen Landes. Sofern das eigene Land – wie im Falle eines Angriffs der spanischen Armada – bedroht sei, könne nur Teil der Gemeinschaft sein, wer sich über eine Niederlage des Gegners und die damit verbundene Rettung des eigenen Landes freue. Ein politisches Ereignis wird so zu einem Zeichen göttlicher Providenz, die innere Einstellung dazu zu einem Erkennungszeichen der Gleichgesinnten ebenso wie der Abweichler in der Kirche. Damit wird von Jakob neben der konfessionellen Unterscheidung eine hiervon eventuell abweichende Gruppenbildung betrieben. Wer im Konfliktfalle sich dem eigenen Land verbunden fühle und nicht im Innersten auf einen Erfolg des Gegners hoffe, z. B. aus konfessionellen Gründen, der könne in der Gemeinschaft willkommengeheißen werden. Sollte er hier 88 89 90 91

S. o. Kap. III 2d. Jakob I., Workes, S. 87: „suche kinde of folkes (hypocrites I meane) are a malum necessarium inseparably and continually joyned with the trew Church“. Ebd., S. 87: „incontinent interprets shee this indifferent action in malam partem, as not being touched with a true feeling of the cause of his glory“. Ebd., S. 88.

3. Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge

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an die katholischen Untertanen seines Landes gedacht haben, so gäbe Jakob hier eine Haltung zu erkennen, wie er sie auch als englischer König nach dem Gunpowder Plot an den Tag legen sollte. Zugleich aber rechnet er sich im Nachhinein dem Lager der entschiedenen Gegner Spaniens zu und sucht damit ebenso wie im Falle seiner ersten Meditatioun jede Erinnerung an sein abweichendes Verhalten zu tilgen.

3. Politische Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge a) The True Lawe of Free Monarchies (1598) Die bislang analysierten Schriften des Königs waren – zumindest was ihre Funktion innerhalb Schottlands betrifft – alle das Ergebnis der politischen Strategie Jakobs VI., mit den Mitteln der Feder politische Ansprüche zu formulieren und Handlungsspielräume zu ermöglichen, ohne mit den schottischen Presbyterianern den offenen Konflikt zu suchen. Diese Strategie kam in den letzten Jahren des 16. Jahrhunderts an ihr Ende. Nicht ohne Grund erschien den Presbyterianern im Rückblick das Jahr 1597 als Umschlagpunkt in der schottischen Kirchengeschichte. Hierzu trug nicht nur das Vorgehen des Königs gegen David Black als einer der ihren bei. Auch die Reetablierung der Bischofssitze im schottischen Parlament galt ihnen als Abfall vom bislang von der Kirche verfolgten Weg einer reinen reformierten Kirche Gottes. Von nun an zeigte sich Jakob als offener Verfechter einer Bischofskirche in Schottland und rückte wieder in die Rolle des Antipoden der Presbyterianer. Auch in den Schriften Jakobs spiegelt sich die gestiegene Konfliktbereitschaft des Königs wieder. Stärker als zuvor nutzte er das Medium des Buchdrucks zur Propagierung eines Herrschaftsverständnisses, das Widerspruch von zahlreichen Seiten geradezu herausforderte. Es ist bezeichnend, daß Jakob sein Plädoyer für das divine right of kings in seiner 1598 erstmals erschienenen Schrift The True Lawe of Free Monarchies zunächst nicht direkt mit seinem Namen verband, sondern anonym vorlegte: das Vorwort ist mit den kryptischen Worten „Freund des Vaterlandes“ (Philopatris) unterzeichnet. Gleichwohl gab es für den interessierten Leser genügend Hinweise auf eine königliche Autorschaft. Dafür sprach zunächst der Drucker des Traktats, Robert Waldegrave,92 „the king’s printer“. Insbesondere eine anonyme Streitschrift dürfte wohl kaum aus der königlichen Druckerpresse gelangen, wenn der König selbst den Traktat nicht zumindest gelesen und abgesegnet hätte. Ein weiteres Indiz waren die Nachdrucke, die 1603 anläßlich der englischen Thronfolge in London gedruckt wurden, zusammen mit zahlrei92

Katherine S. Van Eerde, Robert Waldegrave. The Printer as Agent and Link Between Sixteenth-Century England and Scotland, in: Renaissance Quarterly 34 (1981), S. 40–78.William H. Jackson, Robert Waldegrave and the Books he Printed or Published in 1603, in: The Library, Fünfte Folge, Bd. 13 (1958), S. 225–233.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

chen weiteren Schriften Jakobs, die nun erneut in Druck gingen, um den Engländern ihren landfremden König im Spiegel seiner Schriften näherzubringen. Zwar war auch auf den Nachdrucken Jakob nicht ausdrücklich als Autor aufgeführt und auch das Vorwort war weiterhin mit Philopatris unterschrieben.93 Allerdings war auf dem Titelblatt nunmehr ein Holzschnitt der „Royal Arms of Scotland“, des schottischen Königwappens, abgedruckt,94 bei einem der beiden Nachdrucke – und zwar demjenigen, der nicht vom königlichen Drucker Waldgrave hergestellt wurde – waren sogar die Buchstaben IR für „Iames Rex“ angefügt. Andere Traktate der Zeit nannten Jakob denn auch klar als Autor der Streitschrift The True Lawe of Free Monarchies.95 Es bedurfte daher nicht erst der Aufnahme des Traktats in die voluminöse Werkausgabe des Jahres 1616, um die Autorschaft Jakobs offenzulegen. Jakobs Traktat ist in der Forschung heute kaum weniger umstritten als zum Zeitpunkt seiner Veröffentlichung, und zwar insbesondere aus drei Gründen. Zum einen wird debattiert, ob Jakobs Bild der Königsherrschaft als Beleg für seine Propagierung eines divine right of kings gelten könne, das spezifische Züge trägt und sich von allgemein geteilten Auffassungen über das Gottesgnadentum unterscheidet. 96 Zum anderen steht in der Diskussion, inwiefern sich an dieser Momentaufnahme zugleich eine Art habitualisierte politische Überzeugung des Königs ablesen läßt, also sein Verständnis von seinen Rechten und Pflichten als König, das sich im Laufe seiner gesamten Königsherrschaft sowohl in Schottland 93

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In der in Edinburgh gedruckten Ausgabe findet sich vor dem Philopatris der Buchstabe C. James Craigie nimmt an, daß C. die Abkürzung für „Caledonius“ sein könnte, dem lateinischen Begriff für Schottland. Dies würde auch erklären, warum das C. in den beiden Nachdrucken des Jahres 1603 fehlt, hat Jakob die Schrift doch nun als neuer englischer König für englische Leser bestimmt; vgl. hierzu James Craigie, Minor Prose Works of King James VI and I, Edinburgh 1982, S. 193 u. 203. Craigie, Minor Prose Works, S. 198 f. Zum Wappen: Woodcut of the Royal Arms of Scotland. So z. B. bei Albericus Gentilis, Regales Disputationes Tres: De Potestate Regis absoluta/De unione Regnorum Britanniae/De vi civium in Regem simper iniusta, London 1605, S. 18 f. Der erste Historiker des divine right of kings legte zugleich Jakobs Traktat in dieser Weise aus, daß er „the doctrine of Divine Right complete in every detail“ enthalte: John Neville Figgis, The Divine Right of Kings, 2. Aufl. London 1914, S. 138. Johann P. Sommerville, King James VI and I. Political Writings, S. XVII; Jenny Wormald, ‚Basilikon Doron‘, S. 46: „There is no doubt whatsoever that the True Law of Free Monarchies was an unequivocal defence of the theory of the divine right of kings.“ Dagegen sah John W. Allen in der Überzeugung, daß Könige durch göttliches Recht regieren, einen unbestrittenen Allgemeinplatz (John W. Allen, English Political Thought 1603–1660, London 1938, S. 97–99), und konnte auch in Jakobs Traktat keine spezifische Theorie zur Fundierung königlicher Herrschaft erkennen; Ders., A History of Political Thought in the Sixteenth Century, 1928, S. 255. Conrad Russell sieht in Jakobs Traktat ebenfalls nur den Ausdruck einer allgemein geteilten Überzeugung, daß weltliche Herrschaft göttlichen Ursprungs sein müsse, ohne jedoch näher auf die Argumentation im einzelnen einzugehen; Conrad Russell, Divine Rights in the Early Seventeenth Century, in: John Morrill/Paul Slack/Daniel Woolf (Hrsg.), Public Duty and Private Conscience in Seventeenth Century England. Essays presented to G.E. Aylmer, Oxford 1993, S. 101–120, hier S. 103 f.

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als auch in England nicht wesentlich ändern sollte.97 Und drittens ist der Kontext der Schrift in der Diskussion, d. h. vor allem die Frage, auf welche Herausforderung Jakob mit seinem Traktat reagierte, ob der Anlaß für die Schrift in Schottland zu suchen ist oder aber in der Frage der englischen Thronfolge. Um die Frage zu klären, inwiefern sich The True Lawe als eine Streitschrift für das divine right of kings lesen läßt, scheint eine genaue Untersuchung der von Jakob angeführten Bibelstellen und die Art und Weise der Auslegung geradezu zwingend zu sein.98 Bislang wurde jedoch meist nur darauf verwiesen, daß Jakobs Argumentation wesentlich auf der Bibel fußt, insbesondere auf der Stelle 1 Sam 8, in der Saul zum ersten König Israels ernannt wird. Die Art der Auslegung fand in der Diskussion nicht die nötige Aufmerksamkeit. Dieser Aspekt wird in der folgenden Analyse im Zentrum stehen. Die Monarchie sei, so beginnt Jakob sein Traktat, die vollkommenste und gottgefälligste Staatsform, eine Tatsache, die in Schottland leider aufgrund der historischen Ereignisse in jüngster Zeit in Vergessenheit zu geraten drohe. Jakob will diese Tatsache wieder in Erinnerung rufen. Hierzu bemüht er drei Legitimationsquellen: zunächst die Bibel, um darzulegen, daß die Monarchie ein Muster an göttlicher Vollkommenheit sei, dann die Fundamentalgesetze des Landes und schließlich das Naturrecht. Alle drei Autoritätsquellen nutzt Jakob dazu, Aussagen über den „mutuall dutie, and allegiance betwixt a free and absolute Monarche, and his people“ zu gewinnen.99 Die Pflichten des Königsamtes seien den Königen zunächst von Gott auferlegt worden, da sie an seiner Stelle, also gleichsam als Repräsentanten Gottes, zu herrschen hätten. In der verkürzten Wiedergabe des 82. Psalms nutzt Jakob ein Schriftzitat, um die göttliche Legitimation der Könige herauszustreichen: „Kings are called Gods, by the propheticall King David, because they sit upon God his Throne in the earth“.100 Daraus leiten sich insbesondere folgende Verpflichtungen ab: Könige müßten die Gerechtigkeit in ihrem Reich wahren, die Guten schützen und die Bösen bestrafen, gute Gesetze im Land etablieren und ihre Ein97

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Die Frontlinie der Auseinandersetzung verläuft dabei, wie üblich, zwischen den Anwälten des Begriffes „Absolutismus“ zur Kennzeichnung der Auffassungen Jakobs vom Königsamt einerseits und den sogenannten „Revisionisten“ andererseits. Für die Kontinuität der politischen Leitideen des schottischen und englischen Königs plädiert Johann P. Sommerville, James I and the Divine Right of Kings. English Politics and Continental Theory, in: Peck: Mental World, S. 55–70 und S. 283–289, hier S. 64; Ders., King James VI and I and John Selden. Two Voices on History and the Constitution, in: Fischlin/Fortier (Hrsg.), Royal Subjects, S. 290–322, hier S. 313; ähnlich auch Asch, Jakob I., S. 122. Dagegen betont Paul Christianson die Diskontinuitäten in Jakobs Herrschaft als schottischer und als englischer König; Paul Christianson, Royal and Parliamentary Voices on the Ancient Constitution 1604–1621, in: Peck (Hrsg.), Mental World, S. 71–95 und S. 289–98, hier S. 72. Vgl. hierzu auch Andreas Pecˇar, Auf der Suche nach den Ursprüngen des Divine Right of Kings. Herrschaftskritik und Herrschaftslegitimation in Schottland unter Jakob VI., in: Ders./ Trampedach (Hrsg.), Bibel, S. 295–314. Jakob I., Workes, S. 193. Ebd., S. 194.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

haltung überwachen, den inneren Frieden sichern und in allen Streitfällen entscheiden. Der Krönungseid – zugleich das wichtigste aller Fundamentalgesetze des Landes zur Umschreibung der Pflichten des Königs – verpflichte den Herrscher insbesondere darauf, die im Land etablierte Religion zu bewahren, die Privilegien und Freiheiten der einzelnen Stände anzuerkennen und stets zum Wohle des Landes zu regieren. Das Naturrecht sieht den König in der Rolle des Vaters seiner Untertanen, der sich um ihr Wohl kümmern müsse wie ein Vater um dasjenige seiner Kinder. Um die Pflichten des Königs darzulegen, genügen Jakob zwei Druckseiten.101 Auch findet sich hier nichts, was nicht dem Common sense jeder Rede über Königsherrschaft zuzurechnen wäre. Spezifischere Züge nimmt Jakobs Traktat an, wenn er sich den Pflichten der Untertanen zuwendet, die den Rest des Traktates in Anspruch nehmen. Deren Pflichten – insbesondere die Pflicht zu bedingungslosem Gehorsam – bestimmt Jakob wesentlich mit Hilfe der Bibel. Dreh- und Angelpunkt ist dabei die Rede des Propheten Samuel an das Volk Israel, in der er das Recht des Königs („the maner of the King“) dem Volk offenbart. Jakob mißt dieser Stelle entscheidende Bedeutung zu, weshalb er sie in voller Länge in seiner Schrift zitiert.102 Er stützt sich damit auf eine der wichtigsten Stellen der Bibel im Zusammenhang mit der Diskussion um die Rechte und die Pflichten eines Königs. Eine kurze Zusammenfassung ergibt folgende Handlungssequenz: Das Volk Israel erbittet vom alternden Propheten und Richter Samuel die Einsetzung eines Königs, wie ihn auch alle umliegenden Völker hätten, da er alt und seine Söhne für das Richteramt nicht geeignet seien. Samuel wird von Gott bedeutet, diesem Wunsch stattzugeben, da der Wunsch des Volkes sich nicht gegen Samuel, sondern gegen Gott selbst richte, da er „nicht mehr König über sie sein soll“ (1 Sam 8, 7). Der Wunsch nach einem König wird eingereiht in eine lange Tradition des Ungehorsams des Volkes Israel gegenüber Gott. Samuel solle daher dem Wunsch Israels nachkommen, aber zugleich verkünden, welche Rechte der König in Anspruch nehmen wird, der fortan über Israel herrschen wird. Samuel malt in dieser Rede die Versklavung des Volkes Israel aus und schildert einen Herrscher, der nicht am Gemeinwesen, sondern nur am eigenen Nutzen interessiert ist (1 Sam 8, 10 ff.). Gleichwohl fordert Israel weiterhin einen König, und Saul wird daraufhin als erster König Israels von Samuel gesalbt und in sein Amt eingesetzt. 1 Sam 8 konnte auf zweierlei Weise gelesen werden: zutiefst monarchiekritisch, da Königsherrschaft zugleich mit dem Abfall von der Herrschaft Gottes gleichgesetzt wird und einer Versklavung des Volkes gleichkommt, oder aber – selektiv – als Vortrag Gottes durch seinen Sprecher, den Propheten Samuel, über die Rechte eines Königs. Beide Lesarten waren bereits etabliert, als sich Jakob in seinem Traktat dazu entschloß, diese Stelle zur Grundlage des divine right of kings zu

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machen und sich eindeutig der selektiven Lesart anzuschließen, die Samuels Rede als Darlegung einer free monarchy deutet.103 Jakob dürfte dabei bewußt gewesen sein, daß die alternative Interpretation der Samuelrede vor dem Volk gleichfalls über eine prominente Tradition verfügte. Nicht nur George Buchanan betonte in seiner Schrift De Iure Regni apud Scotos, daß Samuel keineswegs die legitimen Rechte eines Königs benenne, sondern die Herrschaftspraxis eines Tyrannen – das Königsrecht sei vielmehr im 17. Kapitel des Deuteronomium enthalten, in dem die Könige darauf verpflichtet werden, das Gesetz Gottes zu achten.104 Diese Lesart hatte bereits vor dem schottischen Humanisten prominente Fürsprecher: angefangen von Thomas von Aquin bis zu Erasmus und Melanchthon.105 Einige der in Frankreich erschienenen Schriften der sogenannten „Monarchomachen“ deuten die Samuelrede gleichfalls als Illustration einer Tyrannenherrschaft durch den Propheten, nicht als Auflistung der Herrschaftsrechte des Königs.106 Gegen diese Tradition schrieb Jakob an, ohne dabei seine Widersacher namentlich zu erwähnen. Statt dessen betont Jakob wiederholt die Klarheit von 1 Sam 8, um seiner Argumentation die nötige Überzeugungskraft zu verleihen: „It is plaine, and evident, that this speech of Samuel to the people, was to prepare their hearts before the hand to the due obedience of that King, whitch God was to give unto them, and […] thereby preparing them to patience, not to resist to Gods ordinance“.107 Auch sucht er die Autorität der Samuelstelle dadurch zusätzlich zu unterstreichen, daß er explizit betont, diese Stelle sei Ausfluß des Heiligen Geistes, „since the whole Scripture is dited by that inspiration, as Paul said“.108 Zugleich sieht er sich jedoch gezwungen, die königskritische Deutung auszuschließen, was den Anspruch auf Klarheit nicht eben bestärkt: Samuel habe mit seiner Rede keineswegs das Mißfallen Gottes an einer Königsherrschaft ausdrücken wollen. Auch sei die Rede nicht als Warnung vor Sauls zukünftigen Missetaten zu verstehen.

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In vergleichbarer Weise wird die Stelle auch bei Jean Calvin gedeutet: „Certe non id iure facturi erant Reges, quos optime ad omnem continentiam Lex instituebat [Dtn 17,16 ff.]: sed ius in populum vocabatur, cui parere ipsi necesse esset, nec obsistere liceret“; Calvin, Institutionis Christianae Religionis, Lib. IV, Kap. 20,26. Die Ambivalenz der in 1 Sam 8 enthaltenen Aussagen zum Königtum resultiert auch daher, daß das Kapitel verschiedene Entstehungsund Redaktionsphasen durchlaufen hat und daher unterschiedliche politische Kontexte auch unterschiedliche Haltungen zum Königtum bedingten; vgl. hierzu die alttestamentliche Forschung bilanzierend Müller, Königtum und Gottesherrschaft, S. 119–147. Roger A. Mason/Martin S. Smith (Hrsg.), A Dialogue on the Law of Kingship among the Scots. A Critical Edition and Translation of George Buchanan’s ‚De Iure Regni apud Scotos Dialogus‘, Aldershot 2004, S. 108. Vgl. Hans-Dieter Metzger, David und Saul, S. 437–485. So Theodor Beza in De Iure Magistratuum und „Stephanus Junius Brutus“ in den Vindiciae contra Tyrannos; Vgl. hierzu Jürgen Dennert (Hrsg.), Beza, Brutus, Hotman. Calvinistische Monarchomachen, Köln/Opladen 1968, S. 23–25 (Beza) und S. 157–159 (Brutus). Jakob I., Workes, S. 197. Ebd., S. 196.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

Seine Ausführungen über die Herrschaftsgewalt des schottischen Königs sind zugleich das Ergebnis einer von ihm vorgenommenen Textinterpretation dieser Samuelrede sowie weiterer Textstellen. Im einzelnen leitet Jakob folgende Aussagen direkt aus der Samuelstelle ab: Nur Gott selbst kommt es zu, Könige zu entthronen, „since he [God] that hath the only power to make him, hath the onely power to unmake him“.109 Eine Entbindung der Untertanen von ihrem Gehorsamseid sei daher erst dann gerechtfertigt, wenn Gott selbst die Königsherrschaft aufgehoben hatte.110 Das Volk schulde dem Monarchen Gehorsam in allen Fragen.111 Sollte Königsherrschaft in Tyrannei entarten, so sei diese von Gott selbst zur Bestrafung des sündhaften Volkes entsandt; eine Auflehnung dagegen komme einer Auflehnung gegen Gott gleich.112 Jakob deutet 1 Sam 8 als Herrschaftsvertrag, in welchem das Volk ausdrücklich den von Samuel aufgezählten Bedingungen der Königsherrschaft zugestimmt habe, Bedingungen, die schlimmer waren als jede Tyrannei sein könne.113 Das Volk habe den Bedingungen zugestimmt, und damit auf immer dem Anspruch auf eigene Rechte und Privilegien entsagt.114 Der Herrschaftsvertrag sei weiterhin in allen Monarchien Europas in Kraft und fortgesetzt gültig. Eine Widerrufmöglichkeit sei ausdrücklich ausgeschlossen, verkündete Samuel dem Volk Israel doch klar, daß Gott sie nicht erhören wolle, sollte das Volk über die Last der Herrschaft Klage führen.115 Um sein wichtigstes Anliegen, daß niemand ein Recht auf Widerstand gegen den König geltend machen könne, zu untermauern, zieht Jakob auch weitere Bibelstellen und Analogien heran. Zunächst legt er Wert auf folgende Feststellung: „we never reade, that ever the Prophets perswaded the people to rebell against the Prince, how wicked souever he was“.116 Um dies an einzelnen Textstellen zu belegen, stützt er sich teilweise auf Beispiele, die auch von Befürwortern des Widerstandsrechts herangezogen werden: So legt er die Absetzung des Königs Saul durch den Propheten Samuel (1 Sam 15) auf eine kreative Weise zugunsten des Monarchen aus. Schließlich habe Samuel wegen dessen Schicksal Mitleid gegenüber Saul empfunden.117 Ebenso habe sich David geweigert, sich gegen Saul und seine Nachstellungen aktiv zur Wehr zu setzen (1 Sam 24) mit der Begründung, 109 110 111 112 113

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Ebd., S. 197. Ebd., S. 208: „God must first give sentence upon the king that breaketh, before the people can thinke themselves freed of their oath.“ Ebd., S. 197: „the very wordes of the text in order, as they are set downe, it shall plainely declare the obedience that the people owe to their King in all respects.“ Ebd., S. 206 f. Ebd., S. 199: „they can claime to no greater libertie on their part, nor the people of God might have done, and no greater tyranny was ever executed by any Prince or tyrant, whom they can obiect, nor was here fore-warned to the people of God“. Ebd., S. 198. Ebd. Ebd., S. 199. Ebd.

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Saul sei der Gesalbte des Herrn.118 Selbst die als Tyrannenherrschaft geschilderte Königsherrschaft Ahabs konnte den Propheten Elias nur dazu veranlassen, auf Gottes Weisung in die Wildnis zu fliehen (1 Kön 17), nicht aber, Widerstand gegen den König zu leisten oder dazu aufzurufen.119 Samuel, David und Elias führt Jakob daher auch als seine alttestamentlichen Zeugen gegen die „modernen Propheten“ ins Feld, um jeder Form von Widerstandsrecht eine Absage zu erteilen.120 Diese Aussage richtet Jakob gegen Presbyterianer und Katholiken gleichermaßen, sieht er die aufrührerischen Priester doch sowohl in Schottland als auch in Frankreich am Werk. Ebenso beruft sich Jakob auf den Propheten Jeremia (Jer 27), der dem Volk Israel die Weisung Gottes auferlegte, das Joch der Herrschaft Nebukadnezars zu erdulden, ohne dagegen zu opponieren. Und schließlich belegt Jakob die Notwendigkeit, der Obrigkeit untertan zu sein, mit Röm 13, einer Stelle, die zur Untermauerung der Königsherrschaft selten ausgelassen wird. Wenn den Untertanen aber sowohl von Jeremias als auch von Paulus der Gehorsam gegenüber so unzweideutigen Tyrannen wie Nebukadnezar oder Nero auferlegt wird, so könne das Widerstandsrecht unter christlichen Königen um so weniger in Anspruch genommen werden.121 Um nun aus der Auslegung von 1 Sam 8 das größtmögliche Kapital zu schlagen, muß Jakob dem Leser den Zusammenhang zwischen den Herrschern der Königreiche Israels und Juda und den neuzeitlichen Monarchien nahebringen. Hierzu trifft Jakob in seiner Schrift zwei Aussagen. Zunächst äußert er noch recht vorsichtig, daß die Errichtung des Königreichs im Alten Israel und das damit einhergehende Königsrecht auch als Maßstab für alle christlichen Monarchien dienen solle, da diese sich Gottes direktem Einwirken verdankten.122 Zum Ausklang seines Traktats postuliert Jakob dann wesentlich bestimmter den Zusammenhang von alttestamentlicher und neuzeitlicher Monarchie: „the leneall succession of crowns being amoung the people of God, and happily continued in divers christian common-wealths“.123 Allerdings gelingt es auch Jakobs rhetorischen Fähigkeiten nicht, das zweifelsohne in großen Teilen gegenüber Königsherrschaft sehr kritisch eingestellte Alte Testament zu einer monarchiefreundlichen Textsammlung zu machen. Das Beispiel des Hauptmanns Jehu (2 Kön 9,10), der von Gott den direkten Auftrag er-

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Ebd. Ebd., S. 199 f. Ebd., S. 199: „And I Thinke no man will doubt but Samuel, David and Elias, had as great power to perswade the people, if they had like to have employed their credite to uproares & rebellions against these wicked kings, as any of our seditious preachers in these daies of whatsoever religion, either in this countrey or in France, had, that busied themselves most to stir up rebellion under cloake of religion“. Ebd., S. 200: „What shameless presumption is it to any Christian people now adayes to claime to that unlawfull libertie [right of resistance], which God refused to his owne peculiar and chosen people?“ Ebd., S. 199. Ebd., S. 209.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

hielt, gegen den regierenden König Israels zu rebellieren, ja, sogar das ganze Königshaus aufgrund seines Unglaubens und Götzendienstes auszurotten, wird vom König kurzerhand zu den extraordinarie examples gerechnet, die den Menschen nicht zum Vorbild dienen dürften: „if extraordinarie examples of the Scripture shall bee drawne in daily practise; murther under traist as in persons of Ahud,124 and Iael125; theft, as in persons of the Israelites comming out of Egypt; lying to their parents to the hurt of their brother, as in persons of Iacob, shall all be counted as lawfull and allowable vertues, as rebellion against Princes“.126 Die Widersprüche, in die sich der Monarch bei der Nutzung der Bibel in seiner politischen Theologie verwickelt, treten in seiner Klassifizierung der extraordinarie examples besonders offen zutage. Jakob behauptet, daß die extraordinarie examples zur Legitimierung politischen Handelns ungeeignet seien. Der Maßstab, nach denen Jakob Passagen wie 1 Sam 8, die dem Gemeinwesen als Richtschnur dienen und zeitlose Gültigkeit beanspruchen können, von den extraordinarie examples unterscheidet, wirft ein bezeichnendes Licht auf die Art seiner Bibelauslegung insgesamt. Jakobs Argument, daß die soziale Ordnung zerfiele, nähme man die extraordinarie examples zum Vorbild, kehrt sein postuliertes Verhältnis zwischen Bibel und Herrschaft um. Demnach wären nur die Bibelstellen für die Gestaltung des Gemeinwesens nutzbar, die mit den Ordnungsvorstellungen des Gemeinwesens ohnehin übereinstimmten. Nicht die Bibel ist Referenz für das menschliche Zusammenleben. Vielmehr kommt den gesellschaftlichen Regeln und Normvorstellungen in dieser Argumentation die Rolle eines hermeneutischen Filters bei der Bibelinterpretation zu. Hier wird die Aporie erkennbar, in die Jakobs auf der Klarheit der Bibel fußende Argumentation letztlich mündet. Da über entscheidende Fragen des Gemeinwesens – z. B. im Zusammenhang mit politischer Herrschaft – eben kein Konsens bestand, ist es wenig erstaunlich, wenn mit der Pluralität gesellschaftlicher Wertvorstellungen auch die Pluralität des Bibelverständnisses korrelierte. Diese biegsame Schriftauslegung machte es Jakob um so leichter möglich, die verschiedenen politischen Sprachen miteinander zu synchronisieren. Sein selektiver Zugriff auf die Exempla der Bibel erleichterte ihm die Schlußfolgerung, die Bibel träfe in Bezug auf die Rechte des Monarchen dieselben Aussagen, wie sie sich auch aus Schottlands Fundamental Laws sowie aus dem Naturrecht ableiten ließen.127 Bei seiner Vorgehensweise zur Auslegung der Bibel wäre jedes andere Ergebnis auch erstaunlich gewesen. Damit erreicht Jakob zumindest auf rhetorische Weise ein für ihn politisch äußerst zufriedenstellendes Ergebnis. Das Verhältnis der drei politischen Sprachen – der Diskurse über Bibel, über die Scottish ancient constitution sowie über das Naturrecht – wird als vollkommen kongruent 124 125 126 127

Ehud war einer der großen Richter, der den Moabiterkönig Eglon ermordete und damit Israel von dessen Herrschaft befreite (Ri 3, 12–30). Jael tötete nach der Deboraschlacht den Heerführer Sisera (Ri 4, 17–22). Jakob I., Workes, S. 200. Ebd., S. 194.

3. Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge

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angenommen, in allen drei Diskursen gelangt Jakob zu den gleichen Aussagen über die königliche Herrschaftsgewalt: der König bekomme seine Herrschaft durch Erbfolge verliehen und habe als Gesetzgeber Entscheidungsgewalt über die Gesetze, könne aber nicht für Verfehlungen gegen die Gesetze zur Rechenschaft gezogen werden, es sei denn durch Gott. Wie läßt sich vor dem Hintergrund des True Lawe of Free Monarchies nun die Frage beantworten, inwiefern sich Jakobs Traktat als ein Bekenntnis zum divine right of kings verstehen läßt? Hierfür scheint mir insbesondere die Frage nach der konkreten Funktion von Jakobs Samuelinterpretation hilfreich zu sein. Insbesondere stellt sich die Frage nach dem Verhältnis von Samuels Rede über die Königsgewalt einerseits und den möglichen Grenzen der Königsgewalt andererseits, die Jakob gleichfalls thematisiert. Er führt in seinem Traktat zwei unterschiedliche Herrschaftsverträge in die Diskussion ein. Mit der Krönung und dem damit einhergehenden Eid des Königs trat ein Herrschaftsvertrag zwischen König und Untertanen in Kraft, der beiden Seiten Pflichten auferlegte; der Krönungseid war Bestandteil der Fundamentalgesetze des Landes. 1 Sam 8 deutet Jakob ebenfalls als Herrschaftsvertrag.128 Dieser Vertrag wurde nicht zwischen dem König und seinen Untertanen geschlossen, sondern zwischen Gott und dem Volk und war Teil des divine law. Dieser Herrschaftsvertrag sei aufgrund der von den verschiedenen christlichen Königreichen Europas angetretenen Nachfolge der jüdischen Monarchie ebenfalls weiterhin gültig. Damit bestehen in allen freien Monarchien zwei Herrschaftsverträge gleichzeitig; Teil der Fundamentalgesetze der eine, Teil des divine right der andere. Aus dieser Gleichzeitigkeit der beiden Herrschaftsverträge ergibt sich folgende Konsequenz: Nach 1 Sam 8 sind dem König keinerlei Pflichten auferlegt. Sollte sich der König daher gleichwohl, z. B. durch seinen Krönungseid, auf Verpflichtungen gegenüber den Untertanen einlassen, so handele es sich hierbei um einen Gnadenerweis gegenüber den Untertanen, nicht aber um eine einklagbare Verpflichtung des Königs: „a good king will frame all his actions to be according to the Law; yet is hee not bound thereto but of his good will“.129 Damit ist der Krönungseid als Herrschaftsvertrag entwertet. Aus einer rechtlichen Verpflichtung macht Jakob eine rechtlich folgenlose Absichtserklärung.130

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1 Sam 8 als weiterhin gültigen Herrschaftsvertrag auszulegen ist die kreative Leistung Jakobs VI., die jedoch bei all denjenigen konsequent übersehen wird, die den Traktat aufgrund von Jakobs Bekenntnis zum Krönungseid als konventionellen Text und als Ausdruck eines weitverbreiteten politischen Konsenses in Schottland wie in England verstehen; vgl. nur Burgess, British Political Thought, S. 142–147. Ebd., S. 203. Sofern man beide Herrschaftsverträge nicht miteinander in Beziehung setzt und die sich daraus ergebenden Folgen berücksichtigt, sondern einfach beide Aussagen unverbunden nebeneinanderstellt, so übersieht man die politische Brisanz der Aussage und sieht in Jakob einfach einen Vertreter sowohl des divine right of kings als auch der Herrschaftsbeschränkung durch Krönungseid und Gesetz. Bezeichnenderweise erwähnt Burgess Jakobs Interpretation von 1 Sam 8 mit keinem Wort; Burgess, Absolute Monarchy, S. 40–43.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

Es ist diese politische Konsequenz, die nahelegt, weshalb sich Jakob zur biblizistischen Untermauerung seiner Konzeption einer menschlicher Kontrolle enthobenen Königsherrschaft der Stelle 1 Sam 8 bediente und nicht auf andere biblische Exempla zurückgriff. Aufgrund des in 1 Sam 8 dargelegten Ablaufs der Ereignisse ließ sich hier die Etablierung der Königsherrschaft als Folge eines dauerhaften Vertrages deuten, in dem sich das Volk einer zu etablierenden Königsherrschaft unterwarf. Dieser Vertragscharakter machte es wiederum möglich, weltliche Herrschaftsverträge zwischen König und Volk in ihrer politischen Tragweite zu relativieren und damit ein wichtiges Argument zu entkräften, mit dem sich eine Herrscherabsetzung oder das Widerstandsrecht gegen einen vertragsbrüchigen Monarchen legitimieren ließ. Das divine right of kings hingegen erlaubt dem König in Jakobs Deutung ebenso grenzenlose Herrschaft wie eine Herrschaft qua Eroberung. Es dient Jakob insbesondere dazu, seine Königsherrschaft von jeglichen Bindungen an die Zustimmung anderer zu befreien, und damit jeder Form von Kritik oder gar Widerstand den Boden zu entziehen. Der König war nicht gebunden an die Gesetze des Landes, nicht an Herrschaftsverträge, die er oder seine Vorfahren unterzeichnet hätten, schon gar nicht abhängig vom Konsens: sei es mit dem Adel, sei es mit Ständeversammlungen, sei es mit den Repräsentanten der Kirche. Seine Herrschaft verdanke sich allein Gottes direkter und unmittelbarer Einsetzung des Königsamtes mit Saul als erstem König und den Prinzipien der Erbfolge. Mit dieser Argumentation entlarvt Jakob mit Hilfe des divine right of kings den Untertitel seines Traktats als leeren Schein: von „reciprock and mutuall duetie betwixt a free king, and his naturall subjects“ kann kaum mehr die Rede sein.131 Es bleibt allerdings festzuhalten, daß von allen hier aufgezählten Eigenschaften einer free monarchy kaum ein Land in der täglichen Regierungspraxis so weit entfernt war wie Schottland. Es mochte gerade diese Erfahrung gewesen sein, die Jakob zum Verfechter des divine right werden ließ.132 Was mag Jakob dazu bewogen haben, dieses Bekenntnis zum divine right of kings der Öffentlichkeit im Jahre 1598 vorzulegen? Was war der politische Kontext, in den die Schrift einzuordnen ist? Zahlreiche Interpretationen von Jakobs Traktat über die Rechte freier Könige waren weit stärker interessiert an prinzipiellen Bewertungen als an einer Verankerung der Schrift in den historischen Kontext: Johann Sommerville sieht in dem Traktat ein prinzipielles Bekenntnis zum divine right of kings, das die politische Haltung des Königs allgemein charakterisierte, Jenny Wormald dagegen verortet die Schrift nur im schottischen Kontext

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Daher geht Mark Kishlanskys Feststellung in die Irre, wenn er aufgrund des Untertitels den Traktat als „classic statement of contractualism“ ausweist; Mark Kishlansky, A Monarchy Transformed. Britain 1603–1714, London 1996, S. 37. Ähnlich auch die Bewertung bei Asch, Jakob I., S. 38, gegen Michael Lynch, Scotland. A New History, Edinburgh 1991, S. 236–244. Völlig überzogen auch die Deutung von John Cramsie, The Philosophy of Imperial Kingship and the Interpretation of James VI and I, in: Houlbrooke (Hrsg.), James VI and I, S. 43–60, hier S. 45 f.

3. Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge

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und spricht ihr für Jakobs Regierungszeit in England jede Relevanz ab.133 Beide Urteile sind entstanden, ohne daß dabei die Frage diskutiert wurde, deren Beantwortung für alle weiteren Deutungen eine notwendige Voraussetzung darstellt: Was hat Jakob dazu veranlaßt, zu diesem Zeitpunkt mit einem Traktat über das divine right of kings an die Öffentlichkeit zu treten? Da Jakob selbst in seiner Einleitung nur allgemein davon spricht, er wolle mit seinem Traktat das Volk warnen vor den Sirenenklängen jedweder Theorien legitimen Widerstands gegen die königliche Herrschaftsgewalt, ohne jedoch seine Kontrahenten namentlich zu benennen, ist der historische Kontext zum Zeitpunkt der Entstehung der Streitschrift von besonderer Bedeutung. Als Ursache für Jakobs Traktat wird häufig auf Buchanans Traktat De Jure Regnis apud Scotos verwiesen: Der König wollte mit dem True Lawe of Free Monarchies die politische Theorie seines einstigen Lehrers zurückweisen. Nun lassen sich Jakobs Aussagen zur politischen Theologie der Königsherrschaft sicher als Gegenentwurf zur politischen Theorie George Buchanans lesen,134 der die Rechtmäßigkeit der Absetzung Maria Stuarts darzulegen sucht und allgemein für ein Widerstandsrecht des Volkes votiert. Sieht man in Buchanans Traktat allerdings auch den Anlaß für Jakobs True Lawe, so bleiben manche Fragen offen. Warum sah sich Jakob veranlaßt, erst 19 Jahre nach dem Erscheinen des Traktats Buchanans mit einer eigenen Antwort aufzuwarten?135 War es nicht eher sein Bestreben, die Schriften Buchanans möglichst geräuschlos aus der kollektiven Erinnerung zu streichen, nachdem sie bereits 1584 im Rahmen der „Black Acts“ öffentlich verbrannt worden waren und ihr weiterer Besitz unter Strafe stand?136 Sicherlich waren Jakob selbst die Schriften Buchanans auch in den späten 90er Jahren des 16. Jahrhunderts weiterhin gegenwärtig. Davon zeugt nicht zuletzt sein Fürstenspiegel Basilikon Doron, in dem er seinen Sohn Heinrich ausdrücklich vor den Büchern Buchanans warnt und ihm einschärft, jeden Besitzer dieser Schriften hart zu betrafen.137 Dies dürfte aber kaum ausreichen, um die Entstehung des Traktats über die Rechte freier Könige zu erklären, zumal die Schrift Basilikon Doron eventuell ursprünglich gar nicht für eine größere Öffentlichkeit gedacht war – im Gegensatz zum anonymen Traktat True Lawe of Free Monarchies. 133 134

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Sommerville, James VI an I and John Selden; Wormald, ‚Basilikon Doron‘, S. 45. Abweichend hierzu Craigie, Minor Prose, S. 194. Craigies Auflistung der vermeintlich geringen gemeinsamen Berührungspunkte zwischen den beiden Traktaten ist indes sehr lückenhaft. Auf die Beschäftigung sowohl Buchanans’ als auch Jakobs’ mit der Stelle 1 Sam 8 geht Craigie z. B. gar nicht ein. Hierauf machte bereits James Craigie aufmerksam; Craigie, Minor Prose, S. 193 f. Weder Sommerville noch Wormald gehen auf diesen Punkt näher ein. Wormald, ‚Tis True I am a Cradle King‘. The View from the Throne, in: Goodare/Lynch (Hrsg.), The Reign of James VI, S. 241–256, hier S. 251 (Schrift sei eine Widerlegung Buchanans sowie der Kirchenauffassung von Melville). So auch William B. Patterson, King James VI and I and the Reunion of Christendom, Cambridge 1997, S. 23. So die Vermutung von Craigie, Minor Prose, S. 194. Jakob I., Workes, S. 176.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

Peter Lake hat kürzlich darauf hingewiesen, daß ein anderer Anlaß für die Entstehung von Jakobs Streitschrift weit wahrscheinlicher anzunehmen ist.138 1595 kam von Antwerpen aus der Traktat A Conference about the Next Succession to the Crowne of Ingland in Umlauf.139 Dessen Autorschaft ist nicht vollständig geklärt, hinter dem fiktiven Autornamen R. Doleman verbirgt sich aber wahrscheinlich Robert Parsons, ein im Exil lebender englischer Jesuit.140 Parsons verknüpfte in seinem Traktat zweierlei: zum einen stellte er prinzipiell den Gedanken der Erbmonarchie in Frage und betonte, daß letztlich jede Herrschaft vom Volk delegiert sei. Das Volk habe dabei auch das Recht, stets neu über die Delegation der Herrschaft zu entscheiden, sei es durch Absetzung eines regierenden Monarchen, sei es bei einem Herrschaftswechsel zugunsten anderer Kandidaten als den durch Erbfolge zur Herrschaft bestimmten. Zum anderen wandte er diese Ideen auf den konkreten Fall der anstehenden Nachfolge Königin Elisabeths an. Insbesondere suchte er die Ansprüche Jakobs zu konterkarieren und statt dessen einen Anspruch der spanischen Infantin Isabella Clara Eugenia auf den englischen Thron zu begründen. Jakob war hochgradig von dieser Schrift irritiert, als er von ihr im Dezember 1595, unmittelbar nach ihrer Verbreitung, Kenntnis erlangte.141 In der Tat war die englische Nachfolge keineswegs abschließend geklärt, weshalb Jakob sich dazu

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Peter Lake, The King (the Queen) and the Jesuit: James Stuart’s Trew Law of Free Monarchies in Context/s’, in: TRHS, Sechste Folge, 14 (2004), S. 243–260; eine ähnliche Kontextualisierung findet sich auch bei Figgis, Divine Right, S. 137; Allen, History of Political Thought, S. 251; D. Harris Wilson, King James VI and I, London 1956, S. 149; Lee, Great Britain’s Salomon, S. 82 f.; Peter Holmes, The Authorship and Early Reception of A Conference about the Next Succession to the Crown of England, in: HJ 23 (1980), S. 415–429, hier S. 426–428. [Robert Parsons], A Conference about the Next Succession to the Crowne of Ingland, [Antwerpen] 1594. Die Schrift ist auch nach der Drucklegung von 2 000 Exemplaren zunächst nicht in Umlauf gebracht worden, da offenbar auch innerhalb des Jesuitenordens keine Einigkeit darüber bestand, ob es opportun sei, sich zur Frage der englischen Thronfolge auf diese Weise im prospanischen Sinn zu äußern. Die Befürworter der Veröffentlichung setzten sich aber letztlich durch, weshalb die Schrift dann mit ungefähr einjähriger Verzögerung an die Öffentlichkeit gelangte; Holmes, The Authorship, S. 421 f. Diese Veröffentlichung setzte den Jesuitenorden 1602 allerdings der direkten Kritik des Papstes aus, der den schottischen König offenbar nicht eindeutig dem protestantischen Lager zurechnete und daher Angriffe gegen ihn mißbilligte; Susan Doran, James VI and the English Succession, in: Houlbrooke (Hrsg.), James VI and I, S. 25–42, hier S. 41. Zur Frage der Autorschaft ausführlich, auch mit Nennung der anderen möglichen Autoren, Holmes, Authorship, S. 415–420. Bereits Thomas Craig hielt Robert Parsons für den Autor des Traktats; Thomas Craig, The Right of Succession, London 1703, S. 142. Zum großen politischen Stellenwert der Nachfolgefrage für Jakob in den Jahren nach 1595 vgl. Doran, James VI, S. 25–42; Jean-Christophe Mayer (Hrsg.), The Struggle for the Succession in Late Elizabethan England. Politics, Polemics, and Cultural Representations, Montpelier 2004. Schottische Historiker neigen dazu, den Stellenwert der englischen Thronfolge für die Politik Jakobs VI. herunterzuschrauben; vgl. Lee, Great Britain’s Salomon, S. 65; Jennifer M. Brown, Scottish Politics 1567–1625, in: Alan G.R. Smith (Hrsg.), The Reign of James VI and I, Basingstoke 1973, S. 22–39, hier S. 36 f.

3. Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge

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genötigt sah, für seine Erbansprüche Mitstreiter zu gewinnen.142 Bereits im Januar 1596 nahmen Pfarrer in Schottland Parsons’ Traktat in ihren Predigten unter Beschuß.143 1597 war die Verteidigung von Jakobs Erbanspruch gegen die Vorwürfe des Traktats A Conference Thema im schottischen Parlament.144 Außerdem begann die Suche nach eloquenten Verteidigern der Erbansprüche Jakobs auf den englischen Thron,145 möglichst Engländern, die sich für Jakobs Sache aussprachen. In einer Gefängniszelle im Londoner Tower fand sich der geeignete Anwalt von Jakobs Interessen: Peter Wentworth.146 Wentworth war bereits als Befürworter von Jakob als Nachfolger Elisabeths I. aufgetreten und wollte dies auch im Parlament 1593 zur Sprache bringen, was durch seine Inhaftierung verhindert wurde.147 Seine Schrift Pithie Exortation, in der er Elisabeth zur baldigen Klärung ihrer Nachfolge aufruft, dürfte bereits kurz nach der Hinrichtung Maria Stuarts entstanden sein, blieb aber zunächst Manuskript. Von Peter Wentworth erschienen 1598, nur wenig mehr als zwei Jahre nach Erscheinen von Parsons’ Conference, zwei Gegentraktate, die bereits erwähnte Schrift Pithie Exhortation sowie der Discourse Concerning the Person of the Trew and Lawful Successor to the Realms of England and Ireland. Die Veröffentlichung erfolgte posthum, Wentworth war 1597 während seiner Haft gestorben. Wentworths Zustimmung zur Person Jakobs war wohl auch mit der Vorstellung verbunden, Jakob würde den Reformern in der Kirche, denen auch Wentworth zugehörte, einen größeren Spielraum einräumen, als dies unter Elisabeth I. der Fall war. Diese trügerische Hoffnung speiste sich auch aus Jakobs kompromißbereiter Kirchenpolitik gegenüber den Presbyterianern während der späten 1580er und frühen 1590er Jahre, Parlamentsbeschlüssen wie den sogenannten Golden Acts von 1592 und der immer stärker presbyterianischen Ausrichtung der schottischen Kirche.148 Daß Wentworth die Traktate trotz seiner Haft hatte schreiben können,

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Vgl. zur Erbfolgefrage Howard Nenner, The Right to be King. The Succession to the Crown of England 1603–1714, Basingstoke 1995, S. 13. CSP, Scot., XIII, S. 100, 116, 126. Lake, The King, S. 247. Hierzu vgl. Susan Doran, Three Late-Elizabethan Succession Tracts, in: Mayer (Hrsg.), Struggle, S. 100–117. Zu den Autoren von Werken, die den Erbanspruch Jakobs untermauerten, zählten Alexander Dickson, Thomas Craig, Peter Wentworth, John Colville und ein Autor mit dem Pseudonym Irenicus Philodikaios. Der Schotte Thomas Craig lamentierte allerdings in seinem Traktat über das Schweigen der Engländer zur Erbfolgefrage; Craig, Right of Succession, S. 1 f. Zu Peter Wentworth vgl. John E. Neale, Peter Wentworth, in: EHR 39 (1924), S. 36–54 und S. 175–205. David Dean, Art. Peter Wentworth (1524–1597), in: ODNB 58 (2004), S. 133–135. Vgl. ferner John E. Neale, Elizabeth I and her Parliaments 1584–1601, London 1957, S. 251–266. Nicholas Tyacke, Puritan Politicians and King James VI and I, 1587–1604, in: Cogswell/ Cust/Lake (Hrsg.), Popularity, S. 21–44, hier S. 36. Diese Hoffnung zeigt sich auch unmittelbar nach dem Tod Elisabeths I. in der sogenannten „Millenary Petitition“, in der die Reformer Jakob eine Liste mit Vorschlägen zu einer vollständigen Reformation in der englischen Kirche vorlegten; Kenyon, Stuart Constitution, S. 117–119.

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war seinen liberalen Haftbedingungen geschuldet.149 Diese erlaubten es auch, daß sein Manuskript aus dem Gefängnis geschmuggelt und nach Schottland gebracht werden konnte,150 wo es dann 1598 vom königlichen Drucker Robert Waldegrave gedruckt wurde – ohne daß Drucker und Druckort auf dem Titelblatt genannt wurden. Schließlich sollte die Fiktion aufrecht erhalten werden, daß Engländer sich um die Thronfolge Jakobs bemühten, nicht aber, daß von Schottland aus eine Kampagne zu Gunsten des schottischen Monarchen im Gange war. Wie diese Anstrengungen deutlich machen, nahm Jakob den Angriff Robert Parsons’ auf seinen Erbanspruch in England sehr ernst. Gegen Parsons’ Versuch, den Anspruch anderer Thronprätendenten auf den englischen Thron zu rechtfertigen, hatte Wentworth klar Stellung bezogen. Er forderte außerdem Königin Elisabeth dazu auf, die Nachfolgefrage zu ihren Lebzeiten zu regeln – zugunsten Jakobs. Neben Beispielen aus der antiken und der englischen Geschichte führt er auch biblische Exempla an: Elisabeth möge dem Beispiel König Davids folgen, der bereits zu Lebzeiten seinen Sohn Salomon zu seinem Nachfolger erklärte und damit Streitigkeiten unter mehreren denkbaren Thronfolgern von vornherein vermied. Dieses Beispiel müsse Elisabeth zur Richtschnur ihres Handelns machen, wolle sie gemäß Gottes Willen regieren.151 Ein weiterer Autor an der Seite Jakobs VI. war der angesehene Richter Thomas Craig, der 1602 De jure successionis regni Angliae, libri duo verfaßte.152 Diese Schrift blieb Manuskript und sollte erst hundert Jahre später in englischer Übersetzung in Druck gehen.153 Grundsätzlicher als Wentworth suchte Craig das Prinzip der Erbmonarchie und der Königsherrschaft qua divine right mit den Mitteln der lex dei und mit Argumenten des Naturrechts zu begründen. Daneben sucht er Parsons’ Argumente im einzelnen zu widerlegen und greift daher auch auf dessen Beispiele und Autorisierungsquellen zurück, vor allem auf das common law in England und historische Präzedenzfälle, auch wenn er diesen zugleich jegliche Beweiskraft abspricht.154 149 150

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Neale, Peter Wentworth, S. 200–202. Zum Kontaktnetz, das Jakob mit manchen Führungspersonen im unmittelbaren Umfeld Elisabeths unterhielt, darunter der berühmt-berüchtigte Earl of Sussex; vgl. Tyacke, Puritan Politicians. Peter Wentworth, A Pithie Exhortation to her Maiestie for Establishing her Successor to the Crowne, [Edinburgh] 1598, S. 14 f. Zur Person und seinen vorzüglichen Patronageverbindungen an den schottischen Königshof und in die führenden Kreise der Aristokratie vgl. John W. Cairns, Art. Thomas Craig (1538?–1608), in: ODNB 13 (2004), S. 956–959. Der Nachruhm Craigs war beträchtlich. Im Vorwort der Übersetzung wird er als schottischer Justinian vorgestellt. Zum Zeitpunkt der Abfassung vgl. Craig, Right of Succession, Fol. d1r. Im Vorwort zur Übersetzung läßt sich anhand giftiger Bemerkungen gegen den Deisten und Republikaner Toland der politische Kontext erahnen, in dem die Schrift neuerdings Wirkung entfalten sollte. Eventuell besteht auch ein Zusammenhang zur Thronfolge von Queen Anne als Nachfolgerin Williams III. von Oranien. Craig, Right of Succession, S. 194. So seien die von Parsons gerne bemühten Präzedenzfälle der Absetzung Richards II. und Eduards II. nicht rechtmäßig gewesen, sondern nicht zu rechtfertigende Usurpationen.

3. Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge

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Er sieht in der Monarchie die älteste und die beste Staatsform und beruft sich auf die Heilige Schrift. Nimrod deutet er als den Begründer der assyrischen Monarchie, in Mose sieht er ebenso die Präfiguration eines Königs wie in Josua und in den Richtern, die in der Folge das Volk Israels regierten. Damit habe Gott seine Präferenz für die Monarchie klar zum Ausdruck gebracht, wie er auch an seiner Abneigung gegen die Aristokratie keinen Zweifel ließ: So endete die Forderung der Rotte Corah an Mose, seine Alleinherrschaft mit anderen Personen zu teilen, in deren vollständiger Vernichtung durch Gott, da sie Moses Souveränität nicht geachtet hätten.155 Die Inthronisation Sauls als König über Israel wird bei Craig hingegen nur beiläufig erwähnt. Auch Craigs Auslegung von 1 Sam 8 offenbart im Vergleich zu Jakobs Argumentation interessante Unterschiede. Craig stimmt Parsons zu in der Deutung, die Rede des Propheten Samuel sei keine Wiedergabe der königlichen Herrschaftsrechte, und fügt hinzu: „no man, that I know of, ever made any other use of that Argument“.156 Auch behaupte Craig zufolge niemand, daß Könige völlig frei von Gesetzen regieren könnten oder nicht an ihr Gewissen gebunden seien. Ferner sei unstrittig, daß Könige zum Wohle des Volkes zu regieren hätten. Nur dürften Könige, die gegen die Gesetze verstießen, von niemandem zur Rechenschaft gezogen werden außer von Gott. Davids Mord an Urija hatte er nur vor Gott zu rechtfertigen, wie sein Bußpsalm (51,6) verdeutlicht. Für ein Widerstandsrecht gegen den König auf Erden gäbe es dagegen keinerlei Rechtfertigung in der lex dei. Gott allein ist für den König die richtende Instanz. Herrschte ein König auf grausame und ungesetzliche Weise, so habe das Volk dies als Gottesstrafe für eigene Sünden zu ertragen wie eine Seuche.157 Auch der Krönungseid bietet in Craigs Augen keinerlei Handhabe, um den König im Falle eines Verstoßes zur Rechenschaft zu ziehen. Den Eid leiste der König nicht gegenüber dem Volk, sondern allein gegenüber Gott: „the King swears to God, and the People swear by God to the King“.158 Im weltlichen Sinne sei die Krönung kein rechtskonstitutiver Akt, da die Könige bereits zuvor durch Erbfolge rechtmäßige Könige seien. Es gäbe daher keinen Vertrag zwischen König und Volk, deren Bruch man hätte ahnen können. Ferner gäbe es keine Instanz, die über dem König stünde und ihn daher vor den Richtstuhl zwingen könne. Über dem Herrscher throne Gott allein.159 Craig kommt mit dieser Argumentation zwar zu den gleichen politischen Schlußfolgerungen wie Jakob, ohne dabei allerdings auf 1 Sam 8 zu rekurrieren. Mehr Bedeutung kommt 1 Sam 8 in Craigs naturrechtlicher Argumentation zu. Am Wunsch des Volkes Israel nach einer Monarchie zeige sich, daß die Monar-

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Ebd., S. 7–10. Die Richterzeit dient Craig indes auch dazu, die Unordnung der Herrschaftsverhältnisse Israels in der königslosen Zeit darzulegen (S. 6 f.). Ebd., S. 186. Ebd., S. 186–199. Ebd., S. 200. Ebd., S. 193 und S. 200–203.

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chie als Staatsform Teil der menschlichen Natur sei; niemand hätte in Israel nach einer Republik als Staatsform verlangt.160 Die von Parsons proklamierte natürliche Gleichheit der Menschen hält Craig für eine Chimäre. Vielmehr sei bereits in jeder Familie, die gleichsam eine Keimzelle der Monarchie bilde, eine Person das Familienoberhaupt wie Abraham. Auch hätten die Väter Gewalt über ihre Kinder wie Könige über ihre Untertanen. Kein Vater sei aber je von seinen Kindern gewählt worden, so Craig lakonisch gegen das Prinzip der Volkssouveränität.161 Auch das Prinzip der Erbmonarchie sieht Craig bereits im göttlichen Recht verankert. So muß Abraham nicht nur Abimelech, sondern auch dessen Sohn und Enkel die Treue schwören (Gen 21, 22–24). Gottes Zusagen an Isaak und Jakob richteten sich stets zugleich auch an ihre Nachfolger. Das nach der Flucht aus Ägypten geschaffene Königsamt für Moses und das Priesteramt für Aaron waren ebenfalls beide erblich. Als das Volk bei Gideon den ersten Versuch startete, einen Richter zum König zu gewinnen, trug es ihm zusammen mit seinen Nachfahren das Amt an. Gott spricht seinerseits die Königsherrschaft nicht nur David zu, sondern auch all seinen Nachfahren (Ps 89).162 Um zu demonstrieren, was eine Mißachtung des Prinzips der Erbmonarchie für Folgen nach sich zieht, schöpft Craig im Alten Testament ebenfalls aus dem Vollen: Nach dem Tod Gideons sei nicht einer seiner siebzig rechtmäßigen Söhne als Nachfolger bestimmt worden, vielmehr habe der „Bastard“ Abimelech die Herrschaft usurpiert und alle siebzig Söhne ermorden lassen. Da diese Usurpation aber auch mit Zustimmung der Einwohner Sichems geschah, sieht Craig in Abimelechs Tat eine Folge des Prinzips der Wahlmonarchie und deklamiert empört: „Such are the Fruits of Election!“163 Das zumindest im Vergleich mit dem Nordreich Israel etwas bessere Schicksal des Königreichs Juda erklärt Craig gleichfalls mit dem dort strikt eingehaltenen Prinzip legitimer Erbfolge.164 Und auch das Prinzip der Primogenitur sieht Craig bereits in alttestamentlichen Zeiten verwirklicht und im Neuen Testament bekräftigt.165 Sofern sich Jakobs Traktat The True Law in die publizistischen Aktivitäten gegen Parsons’ Traktat einordnen läßt, zeigen sich im Vergleich zu den Stellungnahmen von Wentworth und Craig interessante Besonderheiten. Wentworth verteidigte vor allem die konkreten Erbansprüche des schottischen Königs. Craig suchte insbesondere das Prinzip der Erbmonarchie mit biblizistischen Mitteln zu begründen. Jakob hingegen greift mit seiner Streitschrift insbesondere Parsons’ Aussagen zur Königsherrschaft allgemein an. Dabei fällt dessen Name ebensowenig wie derjenige Buchanans – die Auseinandersetzung erfolgt implizit. Und da

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Ebd., S. 16. Ebd., S. 14 f. Ebd., S. 97–101. Ebd., S. 100. Ebd., S. 103 f. Ebd., S. 102, mit Verweis auf die Nachfolge Jehosaphats (2 Chr 21,3).

3. Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge

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Buchanan und Parsons sich in ihrer Argumentation auf geradezu frappierende Weise ähneln, läßt sich anhand der in Jakobs Traktat getroffenen Aussagen allein kaum unterscheiden, ob Jakobs Aussagen sich gegen Parsons oder gegen Buchanan richten. Vor dem Hintergrund der Schriften Parsons’ und Buchanans wird allerdings verständlich, weshalb sich Jakob in so exzeptioneller Weise der Bibel bediente, um seine Vorstellung einer unantastbaren Königsherrschaft darzulegen. Parsons und Buchanan teilten eine gemeinsame politische Sprache: Sie treffen ihre politischen Aussagen auf der Grundlage des Naturrechts einerseits und zahlreicher historischer Exempla von der Antike bis zur Gegenwart andererseits. Im Rahmen dieser Argumentationsstrategie hatte die Bibel als Autoritätsquelle wenig Platz. Statt dessen sind Aristoteles und Cicero die wichtigsten Gewährsleute. Aber auch die konfessionelle Bindung beider Autoren – Buchanan als schottischer Protestant einerseits, Parsons als Jesuit andererseits – ist in beiden Schriften wenig präsent.166 Besonders augenfällig ist bei Parsons’ Streitschrift, daß in seinen Ausführungen zur Absetzung von Königen der Papst und dessen von ihm beanspruchtes Exkommunikationsrecht nicht eigens erwähnt werden. Erst in seiner später erschienenen lateinischen Fassung hat er ein Kapitel hinzugefügt, das auf die Rolle des Papstes bei der Absetzung von Monarchen eingeht.167 Gerade der Umgang sowohl Parsons’ als auch Buchanans mit 1 Sam 8, der Einsetzung Sauls zum ersten König über Israel, läßt deren Distanzierung von der Bibel als politischem Musterbuch deutlich erkennen. Parsons gesteht zwar zu, daß die Monarchie ursprünglich in den meisten früheren Kulturen die übliche Herrschaftsform darstellte, weshalb auch das Volk Israel den Propheten Samuel um die Einrichtung der Monarchie bat. Ebenso hätten aber zahlreiche Gemeinschaften wie die griechischen Poleis in Sparta, in Athen und Korinth aufgrund des Mißbrauchs der Herrschaft durch die Könige andere Herrschaftsformen vorgezogen.168 Daraus zieht er den Schluß, daß das Volk Könige ins Amt setzen, ihrer Herrschaft aber auch ein Ende bereiten könne. Dem biblischen Beispiel kommt bei Parsons keinerlei privilegierter Status zu, es wird in die Aufzählung historischer Beispiele eingereiht. Buchanan wendet sich in seinem Traktat sogar explizit 1 Sam 8 zu und liest diese Stelle nicht als Aufzählung der königlichen Herrschaftsrechte, sondern als Warnung an das Volk Israel vor der Tyrannenherrschaft.169 Darüber hinaus betont er die Untauglichkeit alttestamentlicher Exempla für die aktuelle politische Debatte. Die Beispiele der Königsherrschaft Israels seien für Schottland ohne Aussagekraft, da die Könige in Schottland nicht von Gott direkt, sondern vielmehr vom schottischen Volk eingesetzt seien. Die Bibel beschreibe einen spezifischen historischen Sachverhalt, so Buchanan, der auf zeitgenössische Monarchien 166 167 168 169

Vgl. hierzu die Darlegung von Peter Lake, der ich mich hier anschließe; Lake, The King, S. 250–252. Holmes, Authorship, S. 423. [Parsons], Conference, S. 16. Mason/Smith (Hrsg.), Dialogue, S. 108.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

nicht übertragen werden könne. Ferner fänden sich im Alten Testament ebenso viele Beispiele, mit denen sich der Tyrannenmord legitimieren ließe, wie gegenteilige Exempla.170 Jedes Beispiel für sich belege „singularibus Dei mandatis“. Daraus resultiere aber keine Allgemeingültigkeit. Politische Entscheidungen sollten sich daher nicht nach möglichen biblischen oder historischen Präzedenzfällen richten, sondern nach den Prinzipien des Naturrechts. Wenn daher die Frage zu debattieren sei, ob dem Volk die Bestrafung rechtsbeugender Könige zustehe oder nicht, sei nicht zu prüfen, ob sich hierfür ein positives Beispiel in der Heiligen Schrift finden lasse, sondern umgekehrt, ob die Bibel das Recht des Volkes auf Widerstand ausdrücklich verneine.171 Die Nähe Buchanans und Parsons’ wird auch in ihren anderen Aussagen zu den Begrenzungen monarchischer Herrschaft deutlich. Beide deuten die Monarchie in ihrer Struktur als Wahlmonarchie, sehen den König als Beauftragten des Volkes an.172 Beide sehen im Krönungseid einen Herrschaftsvertrag, der die Herrschaft der Könige an klare Bedingungen knüpfe, und erklären bei Verstößen des Königs gegen den Eid eine Absetzung des Königs für legitim.173 Diese Interpretation der Monarchie gibt die Gliederung von Jakobs Traktat in Teilen bereits vor. Gleichwohl ist Jakobs biblizistische Theorie von den Ursprüngen der Monarchie von einiger Originalität. Jakob wendet sich im Einklang mit seinen Mitstreitern gegen Parsons’ und Buchanans Anschauung von der Einsetzung der Könige durch das Volk.174 Er betont darüber hinaus auf singuläre Weise die unmittelbare Beziehung zwischen der alttestamentlichen und der schottischen Königsherrschaft infolge der „lineal succession of crowns“. Damit handele es sich in seiner Interpretation bei der Einsetzung Sauls nicht um einen rein historischen Vorgang, sondern um die rechtliche Grundlegung der Monarchie schlechthin. Diese Deutung findet sich ebenfalls bei keinem der anderen Autoren in der Debatte gegen Parsons wieder. Auch Samuels Rede deutet niemand so prononciert als zeitlos gültige Auflistung der königlichen Herrschaftsrechte des Königs wie 170 171

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Ebd., S. 116. Ebd., S. 124: „Itaque si quis ex me requirat exemplum e sacrorum voluminum libris, ubi malorum regum poena probetur, ego vicissim ab illo petam, ubi reprehendatur“. Buchanan zeigt sich allgemein skeptisch gegenüber der Aussagekraft von Präzedenzfällen, seien sie biblischer oder aber historischer Provenienz. Er nutzt sie daher vor allem im rhetorischen Sinne als Veranschaulichung von Prinzipien, die er aus dem Naturrecht ableitet. Gleichwohl argumentiert er in seiner schottischen Geschichte auf der Grundlage historischer Exempla. Es bleibt daher eine offene Frage, ob man Buchanan mit der Tradition der ancient constitution in Verbindung bringen kann oder nicht; vgl. hierzu Burgess, Politics of Ancient Constitution, S. 15–18. Mason/Smith (Hrsg.), Dialogue, S. 94 u. 96. [Parsons], Conference, S. 76–81. Vielmehr sei Schottland von Irland aus vom ersten König Fergus durch Eroberung in Besitz genommen worden. Die Stände, das Parlament und die Gesetze verdanken daher ihr Entstehen ausschließlich königlichen Entscheidungen. Ursprünglich seien alle Untertanen seine persönlichen Vasallen gewesen; Jakob I., Workes, S. 201 f. Für England trifft Jakob dieselbe Feststellung (S. 202): „For when the Bastard of Normandie came into England, and made himselfe king, was it not by force, and with a mighty army?“

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Jakob – auch wenn er ebenfalls keinen Zweifel daran läßt, daß alle Könige gehalten sind, die von Samuel aufgeführten Rechte nicht vollumfänglich in Anspruch zu nehmen, sondern aus Gnade gegenüber den Untertanen auf deren Anwendung zu verzichten. b) Basilikon Doron Jakob nutzt in seinem Traktat The True Lawe die Einsetzung des Königtums im Alten Israel, um seine monarchische Herrschaftsgewalt von jeglicher Abhängigkeit geistlicher und weltlicher Instanzen zu lösen. Die biblisch abgeleiteten königlichen Herrschaftsrechte sollen den König auch im Falle eines Verstoßes gegen seine Herrschaftspflichten immunisieren vor jeglicher Rechenschaftspflicht gegenüber dem regierten Volk und seiner Repräsentanten. Diese Position war zunächst die direkte Reaktion auf einen Traktat, der mit dem Plädoyer einer ausschließlich vom Volk abgeleiteten Königsherrschaft zugleich auch die Erbansprüche Jakobs VI. auf England in Frage stellte und damit Jakobs wichtigstes politisches Ziel zu konterkarieren suchte. Inwiefern Jakob in seinem Traktat zugleich auch seiner grundsätzlichen Überzeugung das Wort redete, ist umstritten. In Jakobs 1599 zuerst in die Öffentlichkeit gelangten Fürstenspiegel mit dem Titel Basilikon Doron kam es zwar nicht zu einem Widerruf der im True Lawe vertretenen Herrschaftsauffassung, aber doch zu einer Akzentverschiebung. Gegenüber seinem präsumtiven Nachfolger Heinrich betonte Jakob neben den Rechten des Königs ungleich stärker auch die Pflichten, die mit dem Amt einhergingen. Zugleich wandelte Jakob mit dieser Schrift auf traditionellen Bahnen, waren doch Fürstenspiegel eine von vielen Fürsten der Zeit gepflegte Form politischer Erziehung. Nicht erkennbar ist allerdings ein unmittelbarer politischer Anlaß, der die Abfassung des Fürstenspiegels gerade 1599 verursacht haben könnte: Heinrich war 1598, als Jakob diese Schrift verfaßt hatte, vier Jahre alt. Der Weg an die Öffentlichkeit erfolgte eher zaghaft in mehreren Schritten.175 Zunächst wurden 1599 nur sieben Exemplare gedruckt, die Jakob an Familienmitglieder und einige engste Vertraute seines Hofstaates verteilte.176 Bereits zu diesem Zeitpunkt löste Jakobs Fürstenspiegel heftige Debatten aus: Andrew Melville formulierte seine Kritik gleich in 18 Punkten, die John Dykes auf der Synode von Fife im Jahr 1599 auf die Tagesordnung setzte.177 Die auf der Synode versammelten Geistlichen verurteilten die „Anglo-pisco-papisticall Conclusionnes“ des Königs in der ihnen eigenen Zurückhaltung als „treasonable, seditious, and

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Vgl. hierzu jetzt Rickard, Authorship, S. 113–120. Dies waren Jakobs Frau und sein Sohn, dessen Tutor, ferner der Lord John Hamilton sowie die drei katholischen Earls Huntly, Erroll und Angus; Craigie, Poems, Bd. 1, S. 13 und Bd. 2, S. 7 f. Vgl. zum Ablauf Spottiswood, History of the Church, Bd. 3, S. 80. Es war ein mit der Transkription des Fürstenspiegels betrautes Mitglied von Jakobs Hofstaat, Sir James Sempill, der den Text an Geistliche der schottischen Kirche weiterleitete.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

wicked“.178 Es verwundert kaum, daß Jakob wenig erbaut war darüber, seine Schrift von der Assembly examiniert und verurteilt zu sehen. John Dykes zog seinerseits die Flucht ins Exil dem vom König angeordneten Arrest vor. Die Kritik der schottischen Presbyterianer vermochte den ungeheuren Publikationserfolg, der dieser Schrift vergönnt war, jedoch nicht aufzuhalten. Eines der 1599 gedruckten Exemplare gelangte nach London, wurde bei der Stationers Company mit Copyright versehen und sofort mehrfach aufgelegt; bis zum Beginn der Pestwelle 1603 waren bereits mehr als 13 000 Exemplare verkauft.179 Auch Jakob selbst traf im selben Jahr die Entscheidung, seinerseits die Schrift erneut in Edinburgh drucken zu lassen, zusammen mit einem ausführlichen Vorwort, in dem er auf die Kritiker des Fürstenspiegels ebenso einging wie auf die sich im Umlauf befindenden Druckfassungen. Der Verkaufserfolg in England stand sicherlich in einem engen Zusammenhang mit der Nachricht vom Tod Elisabeths I. Viele Engländer mochten sich das Buch in der Hoffnung gekauft haben, mehr über den landfremden Thronfolger zu erfahren, der nun in Kürze ihr neuer König werden sollte. Damit erhielt das Buch, wie Jenny Wormald zu Recht feststellte, in England den Charakter einer Krönungsbeigabe, war unmittelbar mit Jakobs englischer Thronbesteigung assoziiert.180 Erst 1616 sollte Jakobs politisches Testament erneut in England gedruckt werden, als Teil der Werkausgabe, die James Montagu von den Schriften Jakobs erstellte. Der Fürstenspiegel entstammt trotz dieser Rezeptionsgeschichte ursprünglich dem schottischen Kontext.181 Da schon der erste Druck in sieben Exemplaren nicht in schottischer Sprache, sondern anglisiert vorgelegt wurde, war eine Rezeption in England zu einem späteren Zeitpunkt jedoch wohl gleichfalls intendiert. Dabei läßt sich bereits am Text selbst ablesen, daß sich auch der historische Kontext in Schottland seit der Entstehung der beiden Schriften Jakobs zur Offenbarung gewandelt hatte. Die Appeasementpolitik gegenüber den Presbyterianern, die Jakob im Gefolge seines Kanzlers John Maitland in den späteren 1580er und frühen 1590er Jahren verfolgte, war definitiv zu Ende gegangen. Insbesondere Jakobs Aussagen zur Kirchenpolitik betonen ebenso wie sein Traktat The True Lawe die königlichen Prärogativrechte. Fand Kritik an dem Kirchenverständnis der Presbyterianer in Jakobs frühen exegetischen Schriften allenfalls auf versteck178 179

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Melville, Autobiography, S. 144. Zum Publikationserfolg vgl. Wormald, ‚Basilikon Doron‘, S. 51. Auch in den anderen europäischen Ländern setzte sich die Erfolgsgeschichte mit mehr als 30 Übersetzungen fort; vgl. hierzu Craigie, Poems, Bd. 2, S. 153–178 und S. 188–190; ferner Stanley Rypins, The Printing of Basilicon Doron 1603, in: Papers of the Bibliographical Society of America 64 (1970), S. 393–417. „The English seem […] to have treated it as the equivalent of a coronation mug“; Wormald, ‚Basilikon Doron‘, S. 52. Wormald, ‚Basilikon Doron‘, S. 36–54 u. 278–283. Diese Tatsache betont auch Jakob in seiner 1603 eingefügten Vorrede, um sich gegen Kritik aus England abzusichern: „I onely teach my Son, out of my owne experience, what forme of government is fittest for this kingdome […] I will speake nothing of the state of England, as a matter wherein I never had experience“; Jakob I., Workes, S. 147.

3. Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge

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te Weise statt, so sparte er im Basilikon Doron nicht mit direkten Angriffen gegen die „Puritanes, verie pestes in the Church and Common-weale, whom no deserts can oblige, neither oathes nor promises binde, breathing nothing but sedition and calumnies […] and making their owne imaginations (without any warrant of the word) the square of their consciense“.182 Zwar will Jakob in seiner nachträglich eingefügten Vorrede, die versucht, die kritischen Einwände gegen seine Schrift zu entschärfen, seine harten Worte gegen die „Puritanes“ ausschließlich als gegen die Täufer gerichtet verstanden wissen.183 Dies klingt jedoch allein schon deswegen wenig glaubhaft, da Jakob die Täufer an einer Stelle des Textes, wo er Heinrich vor möglichen Häresien warnt, ausdrücklich auch als Täufer benennt, und nicht als Puritans, und auch sonst mehrfach zwischen Täufern und Puritans zu unterscheiden weiß.184 Jakob macht keinen Hehl mehr aus seinem eigenen Kirchenverständnis, das sich diametral von demjenigen der Presbyterianer abhebt und in gewisser Weise nahtlos an das politische Programm der sogenannten Black Acts anschließt, von dem er sich vorübergehend aus politischen Gründen hatte distanzieren müssen. Im Basilikon Doron legt Jakob dar, weshalb die Presbyterianer in der schottischen Kirche haben Fuß fassen können und welche Gefahren sie für die Königsherrschaft darstellen. Die Reformation in Schottland sei nicht als Herrschaftsakt in die Wege geleitet worden wie in England, Dänemark oder in manchen Territorien des Alten Reiches, sondern „extraordinarily wrought by God, wherin many things were inordinately done by a popular tumult and rebellion“.185 Zwar sei diese mit Rebellion einhergehende Reformation Gottes Werk gewesen. Doch hätte dies die Sinne vieler Akteure innerhalb der Kirche irregeleitet, so daß sie während der Regentschaft Maria Guise, der Königsherrschaft Maria Stuarts und schließlich in den Jahren der Regentschaft für den noch unmündigen Sohn und Nachfolger Jakob zunehmend eine Demokratie als politischen Idealzustand erträumten und sich selber in der Rolle von Tribuni plebis sahen.186 Aus dieser angemaßten Position heraus, so Jakob, verkündeten sie ihre Botschaft, daß

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Jakob I., Workes, S. 160 f. Gleichwohl finden auch die Kritiker der Bischofskirche in Jakobs politischem Testament einen Anknüpfungspunkt: „The naturall sicknesse that hath ever troubled, and beene the decay of all the Churches […] hath beene Pride, Ambition, and Avarice“ (S. 159 f.) Dies wird im Umfeld des englischen Bürgerkrieges wiederholt von Kritikern der Bischofskirche zitiert, um Jakob als einen der ihren darstellen zu können; vgl. nur exemplarisch Henry Parker, A Discourse Concerning Puritans Tending to a Vindication of those, who Unjustly Suffer by the Mistake, Abuse, and Misapplication of that Name, [London] 1641, S. 15–17. Jakob I., Workes, S. 143. Ebd., S. 153. Besonders aussagekräftig ist seine Bekräftigung der königlichen Suprematie über die Kirche und die Zurückweisung einer Einschränkung des königlichen Amtes auf den weltlichen Bereich: „For a King is not mere laicus, as both the Papists and Anabaptists would have him, to the which error also the Puritanes invline over farre“ (Ebd., S. 182). Ebd., S. 160. Ebd.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

alle Könige notwendigerweise zugleich Feinde der Freiheit der Kirche seien.187 All diese Einschätzungen hätten jedoch keinerlei Grundlage in der Heiligen Schrift und seien daher zurückzuweisen. Denn sollte sich die Haltung erst einmal in der Kirche festgesetzt haben und das Kirchenregiment in der Hand der Presbyterianer sein, so wäre es auch um die weltliche Königsherrschaft unweigerlich geschehen. Es gelte daher, moderate und gut ausgebildete Geistliche zu Bischöfen zu machen, finanziell hinreichend auszustatten und ihre Führungsposition innerhalb der Kirche zu stärken, genauso wie ihre politische Stellung als einer der drei althergebrachten Stände des Landes mit Sitz im Parlament.188 Es ist interessant, daß Jakob all diese Empfehlungen ausspricht, ohne sie mit einem Verweis auf die Bibel abzusichern. Auch der Vorwurf an die „Puritans“ – ein Begriff, mit dem im schottischen Kontext nur die Presbyterianer gemeint sein können –, ihr Kirchenverständnis habe keinerlei biblische Rechtfertigung, erfolgt pauschal, ohne näher auf die Argumente der Presbyterianer im einzelnen einzugehen, die ihrerseits, wie bereits gesehen, sehr wohl den Anspruch erhoben, ihre Forderungen ausschließlich mit der Schrift zu legitimieren. Nun mag der Verzicht auf eine tiefergehende Auseinandersetzung mit den biblischen Grundlagen eines presbyterianischen Kirchenregiments der Gattung geschuldet sein. Schließlich ist das politische Testament zunächst an seinen Nachfolger gerichtet und keine theologische Streitschrift gegen die Presbyterianer. Um so bemerkenswerter ist dann allerdings, daß Jakobs Basilikon Doron zahlreiche explizite Bezüge auf die Heilige Schrift enthält, sobald er auf die Ursprünge der Königsherrschaft, auf die Rechte, vor allem aber auch auf die Pflichten des Königs zu sprechen kommt. Auch fällt auf, daß Jakob der Bibel in dem Lektürekanon, den er seinem Nachfolger empfiehlt, eindeutig einen privilegierten Stellenwert zumißt. Die weitergehenden Vorschläge, Heinrich möge sich auch mit den Gesetzen seines Landes sowie mit der Geschichte der europäischen Staaten, insbesondere aber mit der schottischen Geschichte vertraut machen, fallen reichlich summarisch aus und werden auch nur kurz abgehandelt.189 Das politische Testament Basilikon Doron ist daher zumindest in den ersten beiden Büchern, die die Pflichten als Christ und als König behandeln, zugleich als eine Art Leitfaden zur königlichen Bibellektüre und Bibelinterpretation zu verstehen, fußt dabei aber auf allgemeinen protestantischen Glaubensüberzeugungen, seltener auf spezifischen Überlegungen Jakobs. Am Anfang handelt Jakobs Schrift von der Bedeutung der Bibel allgemein: Da die königliche Herrschaft ihren Ursprung allein der Gnade Gottes verdanke, sei es für Könige notwendig, alle sich daraus ergebenden Pflichten genau zu kennen,

187 188 189

Ebd. Ebd., S. 161. Ebd., S. 175 f. Jakob nutzt außerdem seinen Vorschlag, sich mit der Geschichte des eigenen Landes vertraut zu machen, vor allem dazu, die beiden Autoren Buchanan und Knox und ihre Geschichtswerke über die jüngere schottische Geschichte explizit zu verdammen; Ebd., S. 176.

3. Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge

235

und zwar „both as a Christian, and as a King“.190 Die einzige Methode, diese Pflichten zu erlernen, sei das genaue Studium der Heiligen Schrift. Hier sei Sorgfalt geboten, müsse die genaue Bedeutung des Wortes erfaßt werden, dürfe bei der Interpretation von Bibelstellen nichts hinzugefügt, aber auch nichts weggelassen werden. Dies sei insbesondere auch eine Weisung an alle Könige, wie Jakob unter Hinweis auf das sogenannte Königsgesetz in Deuteronomium 17 betont, der Bibelstelle, in der von gottesfürchtigen Königen die Rede ist. Hier lautet der Auftrag, „to reade and to meditate in the Law of God“.191 Wenn Jakob anschließend auf die Prinzipien der Schriftauslegung zu sprechen kommt, betont er ebenso wie in den beiden Vorreden seiner exegetischen Schriften der Offenbarung den protestantischen Grundsatz, daß die Schrift stets zugleich ihr bester Interpret sei. Er empfiehlt seinem Sohn, „obscure places“ zu meiden, und sich auf „plaine places“ zu konzentrieren, da diese alle glaubensrelevanten Wahrheiten enthielten.192 Über diese glaubensrelevanten Wahrheiten müsse er schon allein deswegen nicht nur als Christ, sondern auch als König Bescheid wissen, um sie von den Adiaphora unterscheiden zu können. Während die Glaubenswahrheiten vom König unter keinen Umständen anzutasten seien, obliege ihm als König über die Adiaphora volle Verfügungsgewalt: „for all other things not contained in the Scripture, spare not to use or alter them, as the necessitie of the time shall require“.193 Auch solle er diese Grenzziehung im Umgang mit der Geistlichkeit genau im Auge behalten. Den Geistlichen – den „heraulds of the most high God“ – habe er als König Folge zu leisten, sofern sie auf der Grundlage der Schrift ihn zur Bewahrung des Glaubens ermahnten. Sollten sie jedoch auch mit Forderungen an ihn herantreten, die nicht durch die Schrift gedeckt seien, solle er nicht zögern, sie in ihre Schranken zu weisen.194 Jakob widerspricht hier zwar nicht prinzipiell der presbyterianischen Auffassung, daß geistliche Belange dem Einfluß weltlicher Obrigkeit entzogen seien. Wohl aber dürfte er über die Frage, was eindeutig der geistlichen Sphäre zuzurechnen sei und was als Adiaphora zu gelten habe, anderer Auffassung gewesen sein als beispielsweise Andrew Melville, wie die endemischen Konflikte zwischen Kirche und König hinlänglich gezeigt haben. Die Zurückweisung ungerechtfertigter Ansprüche der Geistlichkeit schien Jakob denn auch so wichtig zu sein, daß er diese Empfehlung gleich an zwei unterschiedlichen Stellen im Basilikon Doron ausspricht, sowohl im ersten Buch, das von den Pflichten eines Christen handelt, als auch im zweiten Buch,195 das die Pflichten des Königs in den Blick nimmt. 190 191 192 193 194

195

Ebd., S. 149. Ebd. Ebd., S. 151. Ebd., S. 154. Ebd.: „if passing that bounds, they urge you to embrace any of their fantasies in the place of Gods word, or would colour their particulars with a pretended zeale, acknowledge them for no other then vaine men, exceeding the bounds of their calling; and according to your office, gravely and with authoritie redact them in order againe“. Ebd., S. 175.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

Welche Schriften der Bibel Jakob als besonders instruktiv seinem Sohn anempfiehlt, zeigt zugleich die politische Dimension seines Religionsverständnisses auf. Dabei betont er in seinem Fürstenspiegel die Pflichten des Herrschers, weniger dessen Herrschaftsrechte. Jakob nennt die historischen Bücher des Alten Testamentes, insbesondere die Bücher Könige und Chronik, mit denen sich der Nachfolger intensiv vertraut machen müsse: „for there shall yee see yor selfe, as in a myrrour, in the catalogue either of the good or the evill kings“.196 Jakob führt an dieser Stelle nicht näher aus, was in den historischen Schriften des Alten Testaments den „evil kings“ widerfährt. Er macht Heinrich jedoch hinreichend deutlich, daß ein König, der gegen seine Pflichten verstoße, die Strafe Gottes zu fürchten habe. Und der Verweis auf die Beispiele des Alten Testaments läßt sich auch als impliziter Hinweis darauf verstehen, daß das göttliche Strafgericht grausame Herrscher nicht erst zum Jüngsten Gericht ereilt, sondern sie jederzeit vom Thron reißen kann, auf welche Weise auch immer. Interessanterweise führt Jakob die Gefahr des gewaltsamen Thronsturzes aber nicht anhand biblischer Exempla vor, sondern bedient sich statt dessen antiker Autoren: Platon, Aristoteles, Xenophon, Isokrates und Cicero. Er wechselt also in die Sprache des civic humanism. Hier greift er den Topos des Tyrannen auf, der in der antiken Philosophie die Rede über Herrschaft, insbesondere über die Herrschaft eines einzelnen, dominierte. Ein guter Regent, so betont Jakob mit Cicero, stirbt in Frieden und ist sich seines Nachruhms sicher.197 Ein Tyrann aber, so Jakob mit Bezug auf Isokrates: „armed in end his owne Subiects to become his burreaux [Henker]: and although that rebellion be ever unlawfull on their part, yet it is the world so wearied of him, that his fall is little meaned by the rest of his Subiects, and but smiled by his neighbours. […] it oft falleth out, that the committers not onely escape unpunished, but farther, the fact will remaine as allowed by the Law in divers ages thereafter.“198 Heinrich wird hier eindringlich die Gefahr des Widerstands seiner Untertanen vor Augen geführt, sollte er zum Tyrannen mutieren, also seine Herrschaft nur zum eigenen Wohl, nicht aber im Sinne des Gemeinwohls ausüben.199 Diese Warnung konfrontiert Jakob zugleich mit dem Problem des Widerstandsrechts. Sein Umgang mit diesem für regierende Monarchen stets heiklen Thema ist bezeichnend: zum einen richtet er an die Untertanen die Botschaft, daß Widerstand gegen den Regenten ausnahmslos gegen das Recht verstoße und damit ungerechtfertigt sei. Zum anderen bedeutet Jakob aber seinem Nachfolger, daß die Verneinung jeglichen Widerstandsrechts dem Monarchen keineswegs größere Sicherheit garantiere. Mag gewaltsame Gegenwehr gegen die Obrigkeit ohne rechtliche Legitimation sein, so könne sie doch gerechtfertigt scheinen, sofern der Herrscher Untertanen und benachbarten Regenten als Tyrann und nicht als wohlmeinender 196 197 198 199

Ebd., S. 151. Ebd., S. 156 unter Bezug auf Cic. de rep. 6. Ebd., S. 156. Ebd., S. 155 f.

3. Publizistik im Vorfeld der englischen Thronfolge

237

König gegenwärtig sei. Diese faktische Zustimmung zum Tyrannensturz aber könne zu späteren Zeiten wiederum so ausgelegt werden, als ob dem Volk sehr wohl unter gegebenen Umständen ein Widerstandsrecht zugebilligt werden müsse. Der Gedanke liegt nahe, daß Jakob hier Buchanans Darstellung der Geschichte Schottlands vor Augen hat, anhand derer der schottische Humanist das Recht des Volkes auf Widerstand gegen die das Recht beugenden Monarchen insbesondere anhand der Aufzählung solcher Fallbeispiele aus der schottischen Geschichte zu belegen sucht. Maria Stuarts Schicksal, so könnte man Buchanans Argumentation zusammenfassen, war kein Einzelschicksal, sondern das letzte Beispiel für die Anwendung eines durch Geschichte und ancient constitution garantierten Rechtes auf Herrscherabsetzung durch das Volk.200 Da Jakobs politisches Testament zunächst an den Thronfolger adressiert war, weniger an die Untertanen, ist eine vollständige Zurückweisung jeglichen Widerstandsrechts hier nicht sein Anliegen. Der vermeintliche Erbe der schottischen Krone bekommt dagegen eine andere Lektion mit auf den Weg, nämlich die Pflicht, sich stets als guter, gesetzestreuer König zu zeigen – ein Topos der Fürstenspiegelliteratur. Weshalb hat Jakob seinem Sohn die aus schrankenloser Regierungspraxis resultierende Gefahr für den Herrscher selbst nicht anhand biblischer Exempla vorgeführt, sondern hierfür politische Maximen antiker Redner herangezogen? Wodurch unterscheiden sich entthronte Herrscher im Alten Testament von denjenigen, die den antiken Rednern vor Augen standen? Die Exempla gestürzter Monarchen im Alten Testament sehen Gott in der Rolle des Handelnden, wenn auch nie direkt, sondern mit Hilfe beauftragter Menschen als verlängertem Arm göttlicher Entscheidung. In der antiken Literatur bleibt die Ebene des handelnden Gottes hingegen ausgespart. Die treibende Kraft zum Sturz des Tyrannen wird dem Volk zugeschrieben. Diese rein weltliche Handlungsebene ermöglicht es Jakob, den Widerstand des Volkes gegen ihren Herrscher prinzipiell zu verurteilen, auch im Falle eines tyrannischen Herrschers. Eine grundsätzliche Ablehnung der Gegenwehr gegen einen Tyrannen wäre Jakob indes nicht möglich gewesen, hätte er hierfür Exempla des Alten Testaments angeführt, in denen Könige ihre Herrschaft einbüßen mußten. Hier war nicht das Volk, sondern Gott selbst der Akteur, die dabei involvierten Menschen Gottes Werkzeuge, die mitunter grausamen Strafen gegen unrechtmäßige Herrscher daher jeder Kritik entzogen.

200

Jakob macht keinen Hehl daraus, was er von dieser Art der Geschichtsschreibung hält. Sowohl Buchanans als auch Knox’ Darstellungen zur Geschichte bzw. Kirchengeschichte Schottlands seien bereits verboten, „and if any of these infamous libels remaine until your dayes, use the Law upon the keepers thereof“; Jakob I., Workes, S. 176.

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IV. Jakob VI. als oberster Exeget in Schottland

4. Zwischenergebnis: König Jakob als Theologe und Prophet Die Autorschaft Jakobs VI. ist sicherlich nicht zu erklären ohne dessen intelektuelle Neigungen und Kapazitäten. Dies soll nicht in Abrede gestellt werden, auch wenn hier der politische Kontext im Vordergrund steht, innerhalb dessen sich der schottische König von seinen Schriften eine politische Wirkung versprach. Fast allen Schriften ist gemeinsam, daß sie als politische Sprechakte des Königs aufzufassen sind. Mit Ausnahme des Fürstenspiegels Basilikon Doron waren alle hier vorgestellten Schriften Jakobs Handlungen, mit denen er in Bereichen Einfluß nehmen wollte, die jenseits der Reichweite seiner Königsherrschaft lagen. Dies betrifft zum einen die Schriften, mit denen er seine Wertschätzung bei Elisabeth I. verbessern wollte wie im Falle der Paraphrase oder die politische Öffentlichkeit in England allgemein für seine Ziele zu gewinnen suchte, sei es bei der nachträglichen Versicherung schottischer Solidarität gegen Spaniens Armada (A Fruitfull Meditatioun), sei es bei seiner Widerlegung von Robert Parsons’ Angriffen auf seinen Erbanspruch auf die englische Krone (The True Lawe). Zum anderen nutzte er seine Autorschaft auch dazu, die von der schottischen Geistlichkeit gezogenen Grenzen königlicher Einmischung in kirchliche und theologische Belange zu überschreiten und damit auf verschlüsselte Art und Weise einen Führungsanspuch in der Kirk zu reklamieren, ohne dabei jedoch den offenen Konflikt mit den Presbyterianern zu riskieren. Jakobs in seinen Schriften anklingender Führungsanspruch resultierte nun aber nicht, wie im Falle der auf längere Sicht fruchtlosen Black Acts, aus seinem Königsamt, sondern aus seinen persönlichen Qualitäten. Um diese Qualitäten sichtbar werden zu lassen, nutzte Jakob die Mittel des Buchdrucks: Er bediente sich in seinen Meditatiouns der theologischen Rede, der Predigt, und brachte im Falle seiner Psalmenübersetzungen sowohl theologische als auch literarische Kompetenzen zum Ausdruck, eventuell sogar vor der General Assembly, d. h. im Angesicht der schottischen Geistlichkeit. Jakob verfaßte die meisten seiner Schriften als politische Instrumente in ganz unterschiedlichen Zusammenhängen: als Mittel der Diplomatie, als Beitrag zur politischen Kontroverse um die Erbmonarchie, als Demonstration seiner theologischen Qualitäten. Es ist nicht erkennbar, daß er mit seinen Veröffentlichungen von Beginn an einem Masterplan folgte. Gleichwohl läßt sich kurz vor Jakobs Thronbesteigung in England im Jahre 1603 ein politischer Effekt seiner Schriften diagnostizieren. Zu Beginn seines Regiments Anfang der 1580er Jahre war der politische Biblizismus ein Monopol in der Hand der Presbyterianer, die anhand einzelner biblischer Schriften die Unabhängigkeit der Kirk von obrigkeitlicher Einmischung herausstellten und eine presbyterianische Kirchenstruktur propagierten. Im Jahr 1600 jedoch hatte das presbyterianische Deutungsmonopol Risse bekommen. Dies dürfte auch die scharfe Reaktion erklären, mit der die Kirk die Angriffe Jakobs VI. in seinem Fürstenspiegel Basilikon Doron auf das Selbstverständnis der schottischen Kirche konterte. Die Verschiebung der Gewichte im politischen Diskurs um die Königsgewalt in der schottischen Kirche war eine Folge der von Jakob geübten Praxis, mit

4. Zwischenergebnis

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seinen eigenen Schriften Exegesen aus königlicher Feder vorzulegen und sich damit ostentativ der theologischen Rede zu bedienen. Ferner ist auffällig, daß Jakob zur Beschreibung des Königtums auf vielfältige Art und Weise Anleihen bei den Königen des Alten Testaments machte und sich sowohl persönlich (beispielsweise mittels seiner Übersetzungen der Psalmen Davids) als auch institutionell (beispielsweise durch die von ihm postulierte „leneall succession of crowns“) in deren Tradition stellte. Jakob machte damit in seinen Schriften wiederholt deutlich, daß er sich in seinen Kompetenzen nicht auf den Bereich der temporalia beschränken ließ, sondern auch über die spiritualia eine Führungsrolle beanspruchte. Die Presbyterianer betonten, daß die Könige des Alten Testaments nicht als Könige, sondern als Propheten den Priestern Israels Weisungen erteilten. Jakob wiederum präsentiert sich in seinen Schriften ebenso sehr als Prophet wie als König. Sieht man von seinem Traktat The True Lawe of Free Monarchies einmal ab, so war es in den schottischen Schriften vor dem englischen Erbfall weniger der Inhalt seiner Exegese, sondern die von Jakob eingenommene Sprecherrolle, mit der er die Bibel als politische Ressource zunächst für seine eigene Person, mittelbar aber auch für die Institution Monarchie insgesamt nutzbar machte. Sein Amtsantritt als englischer König schuf dann die politische Möglichkeit, den Führungsanspruch auch in der schottischen Kirche zunehmend offen für sich zu reklamieren und mit den Mitteln der Gesetzgebung schrittweise durchzusetzen. Jakobs Biblizismus bereitete seiner Kirchenpolitik den Boden.

V. APOLOGETEN DER KRONGEWALT – DAS DIVINE RIGHT OF KINGS

1. Das divine right of kings in der Forschung Die Debatte in der Geschichtswissenschaft um das divine right of kings bewegt sich seit ihren Anfängen zu Beginn des letzten Jahrhunderts zwischen zwei Polen: Für John Neville Figgis war das divine right of kings gleichbedeutend mit einem absoluten Machtanspruch der Könige, ein Plädoyer für eine Krongewalt, die sich nur von Gott ableitete und nur Gott Rechenschaft schuldete, aber keinerlei gesellschaftlichen Institutionen.1 Für John Allen hingegen war das göttliche Recht der Könige ein von jedermann geteilter Allgemeinplatz, ohne daß damit ein politisches Programm zur Steigerung der Königsherrschaft verküpft sei. Die Herleitung der Obrigkeit von Gott bedeute nicht, daß Könige nicht auf die Gesetze des Landes verpflichtet seien und nicht auf ständische Partizipationsrechte hätten Rücksicht nehmen müssen. Selbst die Idee des Widerstandsrechts sah Allan mit dem divine right of kings als vereinbar an.2 Beide Positionen finden bis in die heutige Zeit Fürsprecher. So hat Johann Sommerville insistiert, daß es sich bei der Betonung des göttlichen Ursprungs der Monarchie um ein politisches Programm handelte, das den König letztlich von jeglichen Mitwirkungsrechten und Kontrollmöglichkeiten durch Dritte befreien sollte. Das divine right of kings ist für ihn ein Synonym für Absolutismus und damit ein Gegenstand politischer Auseinandersetzungen, da die Vorstellung einer absoluten Monarchie in England mindestens ebenso viele Gegner wie Befürworter auf den Plan rief.3 Francis Oakley und Conrad Russell haben sich dagegen Allans Position angeschlossen und verneinen entschieden, daß mit der Idee vom divine right der Königsgewalt ein Programm verbunden war, das eine Intensivierung der Königsherrschaft zum Ziel hatte.4 Dementsprechend betonen beide Autoren den breiten gesellschaftlichen Konsens über dieses Thema. Während Sommerville die Äußerungen, in denen die göttliche Qualität der Monarchie herausgestrichen wird, als Bekenntnis zu einer absoluten Königsgewalt deutet, sehen die Kontrahenten im divine right der Könige nicht mehr als die Fortschreibung der Idee des Gottesgnadentums ohne weitergehende Implikationen für die Reichweite königlicher Herrschaftsgewalt. 1 2

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Figgis, Divine Right of Kings. Allan, English Political Thought, S. 97–99; ähnlich auch Margaret A. Judson, The Crisis of the Constitution. An Essay in Constitutional and Political Thought in England 1603–1645, with a New Foreword by J. H. Hexter, New Brunswick/London 1988 [1949], Kap. 1. Sommerville, Royalists, Kap. 1 und in der Auseinandersetzung mit Kritikern dieser Deutung, S. 224–250. Russell, Divine Rights; Francis Oakley, Omnipotence, Covenant, and Order. An Excursion in the History of Ideas from Abelard to Leibniz, Ithaca (New York) 1984, Kap. 4. Vgl. auch den instruktiven Forschungsüberblick bei Burgess, Absolute Monarchy, S. 91–95.

242

V. Apologeten der Krongewalt

Glenn Burgess unternimmt den interessanten Versuch, beide Positionen einander anzunähern. Zwar bestreitet auch er entschieden, daß sich die Äußerungen zum divine right als Plädoyer für eine absolute Monarchie verstehen lassen.5 Gleichwohl sieht er mit den zahlreichen Äußerungen zum divine right of kings bestimmte konkrete Aussagen über die Königsherrschaft verknüpft. Diese Aussagen seien aber gleichfalls in England nicht strittig gewesen, sondern allgemein anerkannt. Burgess sieht die Rede vom divine right of kings getragen von einem breiten gesellschaftlichen Konsens. Hierzu zählt er folgende Punkte: 1. Der König verdanke sein Amt unmittelbar Gott, nicht aber dem Volk. 2. Der König könne von niemandem zur Rechenschaft gezogen oder gar abgesetzt werden. 3. Jedermann schulde dem König Gehorsam. Diese Aspekte seien in England unstrittig, ihre ständige Perpetuierung im politischen Diskurs verdanke sich insbesondere der Notwendigkeit zur Abgrenzung von abweichenden Herrschaftslehren der Presbyterianer einerseits und der katholischen Fürsprecher eines Widerstandsrechts andererseits, sei aber nicht gegen das Parlament oder gegen die verbrieften Freiheitsrechte und Privilegien des englischen Volkes gerichtet gewesen. Burgess zufolge bedeute das divine right of kings allerdings nicht, daß der König von der Gehorsamspflicht gegenüber den Gesetzen des Landes enthoben sei, es bedeute auch keine Ermächtigung, ohne Zustimmung des Parlaments Steuern und Abgaben zu erlassen und damit die Freiheits- und Eigentumsrechte des Volkes anzutasten. Solcherlei Forderungen seien aber in der Stuartzeit nur in äußerst seltenen Ausnahmefällen erhoben worden, deren Fürsprecher allesamt den schärfsten Widerspruch des Parlaments herausforderten. Für Burgess bestätigen diese Ausnahmen die Regel: kaum ein Fürsprecher des divine right habe eine Intensivierung der Königsherrschaft über den gesetzlich fixierten Rahmen hinaus im Sinn gehabt.6 Vielmehr handele es sich im einen Falle um eine theologische Rede vom göttlichen Fundament weltlicher Herrschaft, im anderen Falle um Fragen, die durch das Gesetz geregelt seien. Beide Sphären haben Burgess zufolge keine Berührungspunkte. Diese Deutung beschreibt den politischen Normalzustand der englischen Tudor- und Stuartmonarchie sicherlich treffend. Burgess betont ferner zu Recht, daß es nicht im Interesse der Könige lag, die divine right-Theorie in ein politisches Programm zur praktischen Durchsetzung des Absolutismus zu transformieren, da die eigene Strategie stets darauf gerichtet blieb, die daraus voraussichtlich resultierenden Konflikte und politischen Verwerfungen zu vermeiden. Spätestens seit Elisabeth I. fühlten sich die Könige einer Devise verpflichtet, die Burgess mit den Worten auf den Punkt bringt: „It was wicked to resist an English monarch; fortunately, it was also unnecessary“.7 5 6 7

Burgess, Absolute Monarchy, S. 91–123. Ebd., S. 110 f. Ebd., S. 100. Und ferner treffend: „the ideological character of ‚mainstream‘ Elizabethan political thought was dependant upon the simultaneous acceptance of the divine right of kings and avoidance of royal absolutism“.

1. Das divine right of kings in der Forschung

243

Gleichwohl überzeichnen Burgess und mit ihm Russell ihr vom politischen Konsens bestimmtes Bild, da sie nicht hinreichend unterscheiden zwischen einem formalen Rechtsanspruch einerseits und der politischen Strategie und Herrschaftspraxis andererseits. Die Frage nach dem Charakter einer Monarchie stellt sich nicht im Moment des Ausgleichs, sondern im Moment der Krise und der damit einhergehenden Entscheidung: Wenn der König zum einen an die Gesetze des Landes gebunden sei, zum anderen aber Widerstand gegen den König generell nicht legitim sei, was passiert dann bei Gesetzesverstößen des Königs? Sollten Rechtsbrüche des Königs ohne politische Folgen bleiben, inwieweit war der König dann faktisch an die Gesetze des Landes gebunden? Blieben Gesetzesverstöße ohne Sanktionsandrohung, war die Gesetzbindung der Monarchen nicht mehr als ein Appell, sie mögen auf rechtmäßige Art und Weise regieren. Es war Teil der klugen Herrschaftsstrategie der englischen Monarchen, lange Zeit so regiert zu haben, daß sich den politischen Protagonisten diese Frage nach den politischen Konsequenzen von Gesetzesverstößen seitens der Könige in der Praxis nicht stellte. Die Frage ist gleichwohl zentral, um die potentiellen politischen Konsequenzen einer Königsherrschaft zu verstehen, die sich auf das divine right of kings gründet. Weder Burgess noch Russell geben darauf eine Antwort. Es war keineswegs der Konsens innerhalb der politischen Elite Englands, daß die politischen Institutionen des Landes bei Gesetzesüberschreitungen des Königs auf politische Gegenwehr zu verzichten hätten. Ein weiterer Einwand kommt hinzu. Burgess hat Recht, daß die Fürsprecher des divine right of kings in ihren Texten nicht auf Gesetzesbelange rekurrierten. Sie vertraten ihre Position statt dessen in der Sprache des Biblizismus. Um die politischen Implikationen ihrer Aussagen adäquat wahrzunehmen, muß man daher die verwendeten biblischen Exempla und deren politische Interpretation in den Blick nehmen. Die Nutzung der Bibel bleibt bei Burgess und in den meisten anderen Kommentaren zum divine right of kings jedoch völlig außen vor. Im folgenden soll daher nicht nur untersucht werden, welche unterschiedlichen Aussagen über die Königsherschaft und ihre Grenzen Autoren des divine right vertraten, sondern auch danach gefragt werden, auf welcher biblizistischen Grundlage sie zu ihren Aussagen gelangten, auf welche biblischen Maximen und Exempla sie jeweils rekurrierten. Dementsprechend ist auch die Frage nach dem politischen Ort und den politischen Konsequenzen der Lehre vom divine right of kings neu zu stellen. Die Rede vom divine right of kings spielte in folgenden Kontexten eine herausgehobene Rolle: bei der grundsätzlichen Auseinandersetzung um die Erbmonarchie, beim Konflikt mit der römischen Kurie um eventuelle päpstliche Aufsichtsrechte gegenüber europäischen Königen, bei der Debatte um die Stellung des Königs und der von ihm ernannten Bischöfe in der schottischen und in der englischen Kirche sowie schließlich bei der Immunisierung des Königs gegen den Vorwurf, er verstieße mit seinem Regiment gegen die lex dei und setze damit das Wohlergehen des schottischen bzw. des englischen Volkes aufs Spiel. Die Autoren in der Debatte über das divine right gelangten nicht auf der Grundlage von Gesetzen, sondern auf der Grundlage göttlicher Normen zu ei-

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V. Apologeten der Krongewalt

nem Urteil über den Ursprung, die Reichweite und die Grenzen der Königsherrschaft. Im Rahmen dieser Debatte trat der politische Krisenfall nicht ein, wenn der König gegen die Gesetze des Landes verstieß, sondern wenn er den Normen Gottes zuwiderhandelte. Die Kontrahenten der Apologeten eines divine right of kings waren im Regelfall nicht diejenigen, die den König auf die Gesetze des Landes verpflichten wollten, sondern diejenigen, welche die lex dei zur Richtschnur der Königsherrschaft erhoben und sowohl in Schottland als auch in England die königliche Kirchenpolitik als eine Kette von Verstößen gegen diese Normen wahrnahmen und anprangerten; sei es von katholischer oder presbyterianischer Seite, aber auch von Seiten entschiedener Protestanten in der englischen Kirche. Diese Kritik war nicht nur in Schottland unter Jakob VI., wie bereits gezeigt, sondern auch in England unter Elisabeth I. eine häufig wiederkehrende Begleitmusik der offiziellen Kirchenpolitik und mündete in letzter Konsequenz in der – freilich nicht immer ausgesprochenen – Alternative, Gott oder dem König gehorsam zu sein. Es ist daher auch zu klären, wie die Autoren des divine right of kings das Verhältnis von Königsherrschaft qua divine right zur Königsherrschaft Gottes definierten. Diese Frage beantworteten die Autoren, die in dieser Debatte das Wort ergriffen, auf ganz unterschiedliche Art und Weise.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie Burgess’ Aussage über den breiten politischen Konsens in England zum divine right of kings erhält erste Kratzer, wenn man auf die Regierungszeit Elisabeths I. zurückblickt. Gehörten die beiden Aussagen, daß die Monarchie ihre Existenz unmittelbar Gott verdanke, nicht aber dem Volk, und daß gegen den König keinerlei Widerstand geübt werden dürfe, zum Kernbestand des divine right of kings, so bestand hierüber in England seit der Reformation keineswegs immer Einigkeit, von Schottland ganz zu schweigen. Vielmehr machten sich prominente Geistliche in der Regierungszeit Elisabeths I. Argumente zu eigen, mit denen zum einen die Königsherrschaft vom Willen des Volkes abgeleitet wurde, zum anderen Widerstand gegen den Herrscher durchaus in manchen Situationen gebilligt wurde, sofern dieser fundamentale Rechte des Volkes verletzt habe.8 Kein geringerer als der Theologe Richard Hooker entfaltete im achten Buch seiner Laws of Ecclesiastical Polity eine Lehre von der Königsherrschaft, deren Ursprünge er in der Übertragung der Herrschaftsgewalt des Volkes an den König ausmachte.9 Daraus zog Hooker die Konsequenz, daß der König die Gesetze des

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Vgl. hierzu Sommerville, Royalists, S. 11–13, auf dessen Beispiele ich hier ebenfalls zurückgreife; Burgess, Absolute Monarchy, S. 99–101. Vgl. Johann P. Sommerville, Richard Hooker, Hadrian Saravia and the Advent of the Divine Right of Kings, in: History of Political Thought 4 (1983), S. 229–245, v. a. S. 229–236.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

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Landes stets als Grenze seiner Herrschaftsgewalt zu respektieren hätte.10 Hookers politisches Weltbild erschien William Cecil als zu gefährlich für die Legitimationsgrundlagen der Monarchie, weshalb er eine Veröffentlichung dieses Buches unterband; es sollte bezeichnenderweise erst 1648 auf dem Buchmarkt erscheinen.11 Gleichwohl stand Hooker mit seiner sich aus der scholastischen Tradition speisenden Auffassung, die Herrschaftsgewalt läge ursprünglich in den Händen des Volkes, keineswegs allein.12 Matthew Sutcliffe, späterer Hofkaplan Jakobs I., sah in der Translation der Herrschaftsgewalt vom Volk an den König gleichfalls die Geburtsstunde der Monarchie.13 Dünnes Eis sollte auch Thomas Bilson betreten, als er den Versuch unternahm, den Aufstand der Niederlande gegen den spanischen König zu legitimieren, zur gleichen Zeit aber die katholische Lehre vom Widerstandsrecht, die im Umkreis der Guise im französischen Religionskrieg Konjunktur hatte, zu verwerfen.14 In seinem 1585 erschienen Traktat The True Difference between Christian Subjection and Unchristian Rebellion sprach er zwar dem Papst jegliches Recht ab, Könige abzusetzen. Gleichwohl könne ein Herrscher seine Krone verlieren, so Bilson, sofern er gegen die Fundamentalrechte eines Landes verstieß.15 Bilson sah im Gesetzesverstoß regierender Könige sehr wohl einen Anlaß für legitimen Widerstand, sofern die Königsherrschaft vom Volk jeweils an den Monarchen deligiert worden sei, es sich also nicht um klassische Erbmonarchien handelte wie in England oder Schottland.16 Mit dieser Unterscheidung konnte Bilson den Aufstand der Niederlande für rechtmäßig erklären, ohne ein vergleichbares Ereignis auch in England gutheißen zu müssen. Die Erbmonarchie entziehe jeglichem Widerstand den Boden. Damit war die einzige Rechtsgrundlage für die Frage des Widerstandsrechts die politische Verfassung und die Gesetze eines Landes. Auf die lex dei hingegen konnte man sich zur Legitimation von Widerstand gegen gekrönte Häupter in Bilsons Augen nicht berufen, wie er ausdrücklich gegen Christopher Goodman betont. Gegenwehr gegen Maria Tudor fehlte 10

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Richard Hooker, Of the Laws of Ecclesiastical Polity, hrsg. v. John E. Booty u. a. (The Folger Library Edition of the Works of Richard Hooker, Bd. 6), 2 Bde., Binghamton (New York) 1993, hier Bd. 2, Buch VIII, Kap. 2. Zur komplizierten Veröffentlichungsgeschichte der acht Bände der Laws of Ecclesiastical Polity vgl. die Einleitung in Richard Hooker, The Folger Library Edition of the Works of Richard Hooker, hrsg. v. William Speed Hill, 6 Bde., Cambridge (Mass.) 1977–93, hier Bd. 3 (1981), S. XIII–XXIV; ferner Sommerville, Richard Hooker, S. 230. Zur Verortung Hookers im scholastischen Denken und deren Tradition an der Universität Oxford zu Zeiten Hookers vgl. Tuck, Philosophy, S. 146–153. Matthew Sutcliffe, De Presbyterio, eiusque nova in Ecclesia Christiana Politeia, London 1591, S. 155: „At primis temporibus populus cum nullo certo teneretur imperio, ad unum aliquem summam detulit potestatem, eumque regem constituit“. Vgl. hierzu Eckehard Quin, Personenrechte und Widerstandsrecht in der katholischen Widerstandslehre Frankreichs und Spaniens um 1600 (Beiträge zur politischen Wissenschaft, Bd. 109), Berlin 1999, S. 144–341. Thomas Bilson, The True Difference between Christian Subjection and Unchristian Rebellion, London 1585, S. 520 f. Ebd., S. 513 f.

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V. Apologeten der Krongewalt

Bilson zufolge jegliche Legitimität, wie er rückschauend betont.17 Trotz dieser Einschränkungen wurde Bilsons Traktat zu einem prominenten Diskussionsgegenstand zu Beginn des englischen Bürgerkrieges und Bilson entgegen dem Tenor seiner Aussagen zu einer willkommenen Autorität zur Rechtfertigung des Aufstandes gegen Karl I.18 Nun mögen Bilsons Überlegungen mit der konkreten politischen Notwendigkeit zu erklären sein, den bedrängten Aufständischen in Holland Beistand zu leisten. Gleichwohl zeigt seine Argumentation, daß auch in England Argumente zur Rechtfertigung von Widerstand gegen die Krone nicht vollkommen fremd waren und auf sie zurückgegriffen werden konnte, wenn die politische Situation es erforderte. Auch der von Elisabeth I. nach langem Zögern schließlich unterzeichnete Befehl zur Hinrichtung Maria Stuarts stand gleichfalls in direktem Widerspruch zu der Vorstellung von der Unantastbarkeit gekrönter Häupter, erschien in der politischen Lage der Jahre 1587/88 aber als ein Akt der Notwendigkeit. Noch weit stärker als das Widerstandsrecht war die Vorstellung präsent, daß die Königsherrschaft sich ursprünglich aus den Händen des Volkes ableitete. Diese Auffassung war sicherlich nicht notwendigerweise antimonarchisch geprägt, wie die hier genannten Autoren hinlänglich bezeugen, die sich allesamt nicht als prinzipielle Kritiker der Krone einen Namen gemacht haben. Sie stand allerdings der Grundprämisse des divine right of kings entgegen und wurde von dessen Apologeten in dem Maße unter Generalverdacht gestellt, in dem es ihnen gelang, die Auffassung einer direkt von Gott eingesetzten Monarchie in der politischen Öffentlichkeit immer stärker durchzusetzen. Diese Entwicklung vollzog sich im Zusammenhang mit der Debatte um die Erbmonarchie, wie sie in England und in Frankreich seit den 1580er Jahren geführt wurde und bis zu den ersten Regierungsjahren Jakobs als englischer König andauerte. Jakob VI. hatte sich in seinem Traktat The True Lawe of Free Monarchy dazu entschieden, die monarchische Gewalt vollständig von 1 Sam 8 abzuleiten und die Bitte des Volkes Israel um einen König als einen Herrschaftsvertrag gedeutet, in dem das Volk die eigenen Herrschaftsrechte dauerhaft an den neu ernannten König Saul und seine Nachfolger abtritt. Ob Jakobs Antwort auf die Konzeption einer wesentlich vom Volk abhängigen Königsherrschaft Originalität zugesprochen werden kann oder nicht,19 zeigt ein Vergleich mit anderen Schriften zur Verteidigung der Erbmonarchie. Die Debatte um die Herrschaftsrechte des Königs fand dabei nach Buchanans 1579 erschienenem Traktat De Iure Regni apud Scotos 17 18

19

Ebd., S. 516 f. Vgl. Philip Hunton, A Treatise of Monarchie, London 1643, S. 59; William Bridge, The Wounded Conscience Cured, London 1643, S. 10. Hierzu William M. Lamont, The Rise and Fall of Bishop Bilson, in: JBS 5 (1966), S. 22–32, hier S. 22–27. Allen, Political Thought, S. 252 f., spricht Jakobs Schriften jedwede Originalität ab. Einen Vergleich mit aus Frankreich stammenden Schriften unternimmt er aber nicht, er verweist nur summarisch auf mögliche Einflüsse. Mit Blick auf die bislang in Schottland verfaßten Traktate zur Königsherrschaft kommt Jenny Wormald hingegen zu einer entgegengesetzten Bewertung; Wormald, ‚Basilikon Doron‘, S. 43.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

247

nicht nur in Schottland statt, sondern weitete sich auf England und den europäischen Kontinent aus. So verfaßte als erster Adam Blackwood eine direkte Entgegnung auf Buchanan, um dessen Idee des Widerstandsrechts des Volkes zu widerlegen. Blackwood war gebürtiger Schotte, hielt sich aber als Katholik in Frankreich auf.20 Hier erschien 1581 mit dem Druckprivileg des französischen Königs auch seine Apologia pro regibus, die 1588 noch einmal aufgelegt wurde.21 Zum anderen erschien im Jahr 1585 die Apologie Catholique von Pierre de Belloy und kam im selben Jahr auch in englischer Übersetzung auf den Markt.22 De Belloy war Katholik, richtete sich aber gleichwohl gegen die französische Liga und verteidigte das Recht der Erbfolge Heinrich von Navarras, auch nachdem dieser vom Papst exkommuniziert worden war. Robert Parsons bezog in seinem Traktat A Conference ausdrücklich Stellung gegen de Belloys Apologie Catholique, was wiederum die Frage nach möglichen Übereinstimungen zwischen Belloy und Jakob interessant macht. Und schließlich erschien in England 1593 Hadrian Saravias Traktat De imperandi authoritate et Christiana obedientia, die vielleicht entschiedenste Verteidigung der Erbmonarchie mit Bezug auf die Bibel überhaupt. Ein Vergleich von Jakobs True Lawe mit den hier aufgezählten Traktaten soll hier weniger dazu dienen, möglichen Einflüssen nachzuspüren, als vielmehr dazu, die Bandbreite der jeweils herangezogenen Argumente zu überprüfen, die alle demselben politischen Ziel dienen sollten: die Erbmonarchie zu legitimieren und möglichst unangreifbar zu machen. Adam Blackwood und Pierre de Belloy teilten in ihrer Verteidigung der Königsherrschaft qua Erbfolge überwiegend dieselbe Argumentation. Dies mag auch ihrer gemeinsamen Profession im selben Umfeld geschuldet sein: Beide waren als Juristen für römisches Recht in Frankreich tätig und argumentierten vor dem Hintergrund der Infragestellung dynastischer Erbfolge im Falle eines nichtkatholischen Monarchen durch die französische Liga.23 Gleichwohl ist der Fokus Blackwoods’ in weit stärkerem Maße als bei Belloy auf die Ereignisse in Schottland gerichtet. Nicht nur wandte er sich explizit gegen Buchanans Traktat über die Königsrechte schottischer Monarchen. Er widmete seine Schrift auch der abgesetzten Königin Maria Stuart sowie ihrem Sohn, König Jakob VI.24 Vergleicht man beide Traktate mit Jakobs Text über die Königsgewalt, lassen sich zahlreiche Übereinstimmungen in der Argumentation nicht leugnen.25 So 20 21 22 23 24 25

Nicola Ryan, Art. Adam Blackwood (1539–1613), in: ODNB 6 (2004), S. 33 f. Adam Blackwood, Adversus Georgii Buchanani dialogum, de iure regni apud Scotos, pro regibus apologia, Pictavis [Poitiers] 1581 sowie Paris 1588. Pierre de Belloy, A Catholique Apologie against the Libels […] of the Legue, 1585. Ryan, Art. Blackwood. Vgl. zum Kontext der Schrift Howell A. Lloyd, The Political Thought of Adam Blackwood, in: HJ 43 (2000), S. 915–935, hier S. 924–928. John Neville Figgis postulierte daher auch, daß der Einfluß sowohl von Blackwood als auch von William Barclay auf Jakobs Traktat fraglos gegeben sei; Figgis, Divine Right, S. 131. Allerdings konnte sich Barclays Einfluß schwerlich auf Jakobs Traktat The True Lawe auswirken, erschien dessen große Verteidigungsschrift der Monarchie, De Regno, doch erst 1600, also zwei Jahre nach The True Lawe.

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V. Apologeten der Krongewalt

unterscheidet Blackwood zwischen echten Monarchien einerseits und Mischverfassungen andererseits, in denen das „Volk“ gewisse Mitspracherechte für sich in Anspruch nehmen könne, wie im römischen Prinzipat,26 in Venedig27 und im Heiligen Römischen Reich.28 Schottland ordnet Blackwood eindeutig den reinen Monarchien zu:29 Die Herrschaft der Könige verdanke sich der Eroberung des Landes, deren Rechte hätten sich seither ungeschmälert auf die Nachfolger vererbt.30 Soweit stimmen Blackwoods und Jakobs Deutungen der schottischen Monarchie überein. Da es sich bei Blackwoods Traktat um eine direkte Entgegnung auf Buchanan handelt, erstaunt es auch nicht, daß er sich in seiner Argumentation derselben Autoritätsquellen bedient wie Buchanan, um dessen Aussagen zu widerlegen.31 Er stützt seine Interpretation daher größtenteils auf antike Schriften einerseits und historische Beispiele andererseits.32 Erst ab Kapitel 14 finden sich vereinzelt Kirchenväter als Zeugen angeführt, und erst in Kapitel 26 wendet sich Blackwood kurz möglichen biblischen Ursprüngen der Königsherrschaft zu. Er hebt hervor, daß Israel niemals von sich aus einen Herrscher bestimmt habe. Diese seien stets, ob sie nun Propheten, Richter oder aber Könige waren, von Gott dazu ernannt worden: „extra ordinem a numine vocatos“.33 Dem Volk komme daher keinerlei Rolle bei der Einsetzung der Königsherrschaft zu. Blackwood geht dann auf Buchanans relativierende Aussagen zu 1 Sam 8 näher ein. Er beruft sich auf die Autoritäten Thomas von Aquin und Jean Gerson, wenn er darauf pocht, daß es sich bei Samuels Rede über die Rechte eines Königs keineswegs um die Beschreibung einer Tyrannenherrschaft handele, sondern um die Aufzählung königlicher Herrschaftsrechte.34 Diese Interpretation tut Thomas’ Deutung der Rede Samuels jedoch einige Gewalt an, sah dieser doch in den Worten des Propheten eine ironische Rede, mit der Samuel die Israeliten vor einer Tyrannenherrschaft warnen wollte, nicht aber königliche Herrschaftsrechte.35

26 27 28 29

30 31 32 33 34 35

Blackwood, Adversus Georgii Buchanani, S. 51. Ebd., S. 54. Ebd., S. 54 f.: „imperium in aristocratiam degeneravit“. Ebd., S. 55: „Scotorum regum longe diversum ius est, quibus capita fortunaeque civium sunt obnoxiae, cum ii nulla conditione populo teneantur, nec superiorem ullam praeter solius numinis potestatem agnoscant. Eodemque iure suis regibus adstricti sunt Galli, Angli, Hispani, Lusitani, aliique permulti, quorum res rationesque omnes ita regibus addictae sunt, ut ne volentibus quidem populus, in ullam supreme potestatis et imperii societatem admitti queat. Ea siquidem est monarchiae natura, ut sine hoc imperio consistere non possit, quod nec dividatur, nec communicatione cum alio profanetur.“ Ebd., S. 66–69. Blackwood vergleicht die schottischen Könige mit Wilhelm, dem Eroberer in England und der Eroberung Perus durch Karl V. Der polemische Duktus der gesamten Schrift wird treffend charakterisiert bei Lloyd, Political Thought, S. 924–926. So auch Figgis, Divine Right, S. 133 f. Blackwood, Adversus Georgii Buchanani, S. 231. Ebd., S. 232, unter Bezug auf Thomas von Aquin, De Regimine Principum, Lib. 3. Kap. 15. Vgl. hierzu Metzger, David und Saul.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

249

Blackwood leugnet darüber hinaus die Möglichkeit, Widerstand gegen den Monarchen mit Hilfe der Bibel zu legitimieren. Hier bedient er sich mit dem Verweis auf Davids Weigerung, seine Hand gegen Saul, den Gesalbten des Herrn, zu erheben (1 Sam 24), eines locus classicus, auf den auch Jakob in seinem Traktat nicht verzichten wollte.36 Könige bleiben in dieser Lesart sakrosankt, auch im Falle von Fehlverhalten im Amt. Blackwood war ebenso wie später Jakob bestrebt, das Beispiel des Hauptmanns Jehu, der das Haus Ahab ausrottete, in seiner Bedeutung herabzustufen. Dazu bediente er sich auf kreative Weise der Heilsgeschichte und des Neuen Testaments. Das Beispiel Christi lasse auch die Beispielhaftigkeit von Jehu obsolet werden, so Blackwoods eigenwillige Deutung.37 Der Bezug auf das Neue Testament dient ihm dazu, Beispiele des Alten Testaments zu entschärfen. Finden sich also bei Blackwood einige der Bibelstellen versammelt, die Jakob ebenfalls für seine Argumentation heranzieht, bleibt gleichwohl die unterschiedliche Gewichtung der einzelnen Autoritätsquellen unverkennbar. Während bei Blackwood das biblische Argument erst an nachgeordneter Stelle neben anderen Argumenten kurz anklingt, steht es in Jakobs Legitimation der Königsherrschaft ungleich stärker im Mittelpunkt. Insbesondere die zentrale Bedeutung, die Jakob 1 Sam 8 zur Legitimation königlicher Gewalt einräumt, unterscheidet seine Argumentation von derjenigen Blackwoods. Zwar bemüht sich auch dieser, Buchanans Auslegung von 1 Sam 8 mit Hilfe katholischer theologischer Autoritäten zu widerlegen, eine darüber hinausgehende Bedeutung kommt dieser Stelle bei Blackwood aber nicht zu. Nicht Saul sei Blackwood zufolge der Anfang der Monarchie, sondern Nimrod (Gen 10, 9). Blackwood deutete dessen Herrschaft nicht als Usurpation, sondern durch göttliche Autorität eingesetzt und damit von Gott legitimiert.38 Ebenso wie Blackwood pocht Pierre de Belloy auf die im salischen Recht festgeschriebene Erbfolge und betont, daß diese göttlich sanktioniert sei. Seine Argumentation speist sich gleichfalls überwiegend aus historischen Exempla, nicht aus einer Auslegung der Heiligen Schrift.39 Die Stelle 1 Sam 8 wird von de Belloy gar 36 37

38

39

Blackwood, Adversus Georgii Buchanani, S. 240. Ebd., S. 241: „Interfecit certe non iam regem, sed oraculi iussu privatu imperio. Nam ut id facinoris auderet, prius inaugurato speciatim ei et diserte mandatum erat. Quod si nos ad novi foederis exempla convertamus, quotquot instituto Christi vixerunt; nunquam ne tyrannorum quidem refugerunt imperia, nedum iis armata vi restiterunt: in eo principem secuti suum, qui quanquam multis angelorum legionibus populi, pontificum, et Pilati presidis obstare potuisset iniuriis, se ipse neci obtulit, ut morte firmaret quod in vita docuerat patientia leniter et placide feredam, non vi repellendam iniuriam.“ Ebd., S. 64: „Nembrodus ille primus omnium regum, vi potitus est imperio, quem ea de causa robustum venatorem coram deo sacrae vocant literae, suo quodam loquedi genere, id est, bellatorem, cuiustamen dominationem deo probatam fuisse significat, et numinis auctoritate constitutam.“ Ähnlich argumentierte auch Thomas Floyd, The Picture of a Perfit Common Wealth, London 1600, S. 21: „In the beginning of the world, all people were willing to subject themselves unto a Monarch which was Nimrod“. Die wenigen Bezüge auf die Heilige Schrift zur Untermauerung der unmittelbaren Beauftragung der Könige zu ihrem Herrscheramt durch Gott finden sich bei de Belloy, A Catholicke Apologie, Fol. 29r–30v.

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V. Apologeten der Krongewalt

nicht behandelt. Er schrieb sein Traktat für die innerfranzösische Debatte und ließ die Diskussion mit Buchanan außen vor, weshalb er auch dessen Argumente nicht einzeln aufgreifen und widerlegen mußte. Gleichwohl erklärt auch de Belloy die Entstehung der Monarchie mit Hilfe einer biblischen Ursprungsgeschichte. Er bemüht weder Saul noch Nimrod, sondern eine weitere biblische Rechtfertigung für die Unantastbarkeit des Königs: den Patriarchalismus.40 Nicht die Inthronisation von Saul als erstem König sei entscheidend, sondern vielmehr die göttlich sanktionierte väterliche Gewalt. Hier liegen de Belloy zufolge auch die Wurzeln der Primogenitur begründet. Beide Aspekte überträgt er auf den König: Dem Monarchen käme über sein Volk die gleiche Gewalt zu wie dem Vater über seine Familie. Was Pierre de Belloy eher beiläufig in seine Argumentation einbaut, steht bei Hadrian Saravia im Zentrum. Er war kein Jurist wie Belloy oder Blackwood, sondern Theologe aus der Artois, der aus religiösen Gründen im protestantischen England Zuflucht suchte und 1568 eingebürgert wurde. Nach einer Professur für Theologie in Leiden, die er von 1584 bis 1587 innehatte, floh er endgültig nach England, nachdem er in Holland politischer Umtriebe beschuldigt worden war.41 Hier stellte er sich ganz in den Dienst der Krone, sei es in der Abwehr presbyterianischer Reformbestrebungen innerhalb der Kirche, sei es in der strikten Verteidigung der Erbmonarchie, wie er sie in seiner Schrift De imperandi authoritate betrieb. Saravia speist seine Aussagen zur Unantastbarkeit der Könige und ihrer absoluten Herrschaftsgewalt gleichfalls aus mehreren unterschiedlichen Traditionen. Bereits in der Einleitung gibt er klar zu verstehen, gegen welche Argumentation er sich mit seinem Traktat wendet. Er verwirft die Auffassung, daß dem Volk größere Herrschaftsautorität zustehe als dem König. Diese Idee sucht er dadurch zu entkräften, daß er die Autorität der dabei zum Einsatz kommenden politischen Sprachen in Frage stellt. So speisten sich die Argumente der Königskritiker aus „rationibus philosophicis et humanis, non Christianis, nec Philosophia celestis desumptis“ sowie ferner aus der griechischen und der römischen Geschichte.42 Ferner erhielten sie Beifall von der falschen Seite, da auch der Papst und seine Apologeten mit denselben Argumenten die Lehre vom legitimen Thronsturz der Könige vertreten.43 Saravia führt dagegen als wichtigste Autoritätsquelle die „christliche Botschaft“ an, die die Notwendigkeit des Gehorsams verkünde.44 Der Logik der Kontroversliteratur entsprechend greift Saravia zum einen alle angeführten Autoritäten wieder auf, deren Auslegung er im einzelnen zu wider40 41

42 43 44

Hierzu knapp Allen, History of Political Thought, S. 384 f. Zu Saravias Lebenslauf vgl. Willem Nijenhuis, Adrianus Saravia (c1532–1613): Dutch Calvinist, First Reformed Defender of the English Episcopal Church on the Basis of the Ius Divinum, Leiden 1980. Hadria Saravia, De imperandi authoritate, et Christiana obedientia, libri quatuor, London [1593], Fol. 2v. Ebd., Fol. 3r. Ebd., Fol. 3r.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

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legen sucht, argumentiert daher in Teilen historisch, oder bezieht sich seinerseits auf das römische Recht, wenn er beispielsweise darauf hinweist, daß der Wille des Souveräns Gesetz sei.45 Vor allem aber speist sich Saravias Argumentation aus der Heiligen Schrift. Bereits auf dem Titelblatt wird deutlich, worauf sich seine Aussage von der christlichen Botschaft des Gehorsams gründet: als Motto des Traktats prangt Paulus’ Diktum von Gottes Urheberschaft aller Obrigkeit im 13. Kapitel des Römerbriefes. Von ungleich größerer Bedeutung ist aber seine biblische Auslegung des Naturrechts, die „Philosophia celestis“. Sowohl die Königsherrschaft als auch das Prinzip der Erbfolge leitet Saravia direkt aus der Zeit nach der Sinnflut ab: Nam est Genesi notum est, summam potestatem cum ipsis simul hominibus incepisse, quando primis reparatoribus humani generis, statim ab initio post diluvium gladii ius ultoris paricidiorum Deus tradidit, & paulo post derisi patris poena servitus fuit instituta, unde ceteras omnes iuris gentium partes synecdochicos licet intelligere, atque natura com ipsis hominibus prima imperia esse nata: & cum homines subiecti nascantur parentibus, accepisse Principes, non elegisse. Seriem sacrae historiae qui considerabit attentius, primos hominum progenitores primos quoque fuisse Reges facile inveniet.46

Mit der väterlichen Gewalt habe Gott zugleich auch die politische Herrschaftsgewalt ins Leben gerufen, die Väter seien auch die ersten Könige auf Erden. Die Königsherrschaft sei daher durch das Naturrecht und durch Gott etabliert.47 Noah war nicht nur Urvater, sondern zugleich König der ganzen Welt. Mit der Gleichsetzung von patrimonialer Gewalt mit königlicher Herrschaftsgewalt macht Saravia die Vorstellung einer Freiheit des Menschen qua Naturrecht zunichte: Kinder seien Saravia zufolge in ein Untertanenverhältnis hineingeboren, da sie seit ihrer Geburt der väterlichen Gewalt unterworfen seien. Diese Gewalt habe ihren Ursprung in Gottes Schöpfung und sei nicht von den Kindern an den Vater delegiert worden.48 Ebensowenig verdanke sich daher die Königsgewalt einer Beauftragung durch das Volk. Da Saravia das Königtum mit der väterlichen Gewalt gleichsetzt und damit im Naturrecht selbst zu verankern sucht, ist für ihn die Einsetzung Sauls als König ohne größere Bedeutung für seine Argumentation. Sein Patriarchalismus erlaubt ihm, statt der durchaus problematischen Person Saul Moses als Prototypen moderner Könige zu stilisieren.49 Sowohl das Beispiel der Inthronisation Sauls als auch seines unrühmlichen Endes dient Saravia vor allem zur Untermauerung der Botschaft, daß dem Volk Israels zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Rechte ein45

46 47 48 49

Ebd., Lib. IV, Cap. XIX, S. 221: „Nam id demum lex est, quod placuit ei penes quem summum est imperium, sive populus, sive rex sit.“ Der Bezug zum berühmten Lehrsatz Ulpians aus den Digesten I, 4, 1 ist unschwer zu sehen: „Quod principi placuit, legis habet vigorem“. Ebd., Lib. II, Cap. XI, S. 62. Ebd., Lib. II, Cap. XI. S. 63: „Patres illos iure naturae principes fuisse eorum quos procrearunt. […] Natura solo Deo authore comparata“. Vgl. hierzu auch die Ausführungen von Sommerville, Richard Hooker, S. 238. Saravia, De imperandi authoritate, Lib. II, Cap. XIII, S. 66; ferner Lib. IV, Cap. XVIII, S. 218 f.

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V. Apologeten der Krongewalt

geräumt seien, weder zur Ernennung ihrer Könige, noch zu deren Absetzung. Das Geschehen liege allein in Gottes Hand.50 Die Erbfolge sei ebenfalls bereits zur Zeit Noahs geregelt, so Saravia. Noah habe seine Herrschaft unter seinen drei Söhnen zu ungleichen Teilen aufgeteilt, wobei der Erstgeborene den größten Teil zugesprochen bekam, „ac sic praerogativam honoris iure nativitatis accepit“.51 Damit sei das Prinzip der Primogenitur Saravia zufolge gleichfalls im Naturrecht verankert.52 Er hält die Primogentur für sakrosankt, zugleich sieht er aber Raum für Abweichungen in der Erbfolge. Zum einen verweist er darauf, daß beispielsweise König David zu seinen Lebzeiten Salomon zu seinem Nachfolger bestimmte, der nicht sein erstgeborener Sohn war. Mit einem Blick auf die römischen Adoptivkaiser sieht er den Befund bestätigt, daß der König selbst seinen Nachfolger bestimmen könne.53 Zum anderen bleibt stets die Möglichkeit direkter göttlicher Intervention als Motor des Wandels, wovon nicht nur die Erbfolge betroffen sei wie im Falle der Usurpation Nimrods, sondern auch die Regierungsform der Monarchie selbst, die auf diese Weise durch eine aristokratische oder aber demokratische Herrschaftsform abgelöst werden könne. Das Naturrecht und die Providenz sind bei Saravia die einzigen legitimen Quellen weltlicher Herrschaft.54 Mit dem Argument göttlicher Vorsehung hat er zwar eine Variable zur Hand, um die Vielfalt unterschiedlicher Herrschaftsformen in Europa zu erklären und deren Genese zu legitimieren, auch wenn das Prinzip der Erbfolge dabei nicht immer Berücksichtigung fand. Allerdings gleicht diese Interpretation für den regierenden König einem Bumerang: Herrschaft durch Usurpation und durch Eroberung, ja selbst aufgrund eines Volksaufstands ist in dieser Lesart stets ein Ausfluß göttlichen Willens, sofern sie sich nur dauerhaft etablieren konnte. Vergleicht man die Traktate von Adam Blackwood, Pierre de Belloy, Hadrian Saravia und König Jakob, lassen sich interessante Unterschiede konstatieren. Dies betrifft erstens den Stellenwert des Biblizismus für die Argumentation. Nur Jakob VI. und Hadrian Saravia sprechen der Bibel ausdrücklich eine herausgehobene Autorität im Zusammenhang mit der Legitimation der Königsherrschaft zu. Die beiden Juristen Blackwood und de Belloy speisen ihre Verteidigung der Erbmonarchie hingegen stärker mit Argumenten des römischen Rechts sowie des Monarchiediskurses der französischen Legisten seit dem Spätmittelalter.55 Gleich50 51 52 53 54 55

Ebd., Lib. II, Cap. XIII, S. 66 f. Ebd., Lib. II, Cap. XI, S. 62. Ebd., Lib. II, Cap. XII, S. 64. Ebd., Lib. II, Cap. XII, S. 64 f. Ebd., Lib. IV, Cap. XVIII, S. 219: „Natura & Dei providentia, non hominum voluntate imperia comparata esse supra docuimus“. Vgl. hierzu allgemein auch Denis Crouzet, Langages de l’Absoluité Royale (1560–1576), in: Lothar Schilling (Hrsg.), Der Absolutismus – ein unersetzliches Forschungskonzept? Eine deutsch-französische Bilanz (Pariser Historische Studien, Bd. 79), München 2008, S. 107–139; auf ähnliche Art und Weise verteidigte auch Le Roy die französische Erbmonarchie; Louis Le Roy, De l’Excellence du Gouvernement Royal: avec Exhortation aux François de Persévérer en Iceluy, Paris 1575.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

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wohl lehnten auch diese Autoren den Biblizismus nicht prinzipiell ab, sondern verwendeten diese politische Sprache selektiv und versuchten, die daraus abgeleiteten politischen Aussagen mit denen zu korrelieren, die sich aus anderen Argumentationsquellen speisten. Zweitens bewerteten die Autoren die Autorität der Schriften des Alten Testaments und der darin enthaltenen Beispiele mitunter auf unterschiedliche Art und Weise. Zwar zogen alle Autoren gleichermaßen Exempla des Alten Testaments heran, um den Ursprung der Königsherrschaft zu bestimmen. Blackwood unternahm es jedoch zugleich, Beispiele des Alten Testaments, die vom Widerstand gegen regierende Könige in Israel und Juda handelten, mit dem Beispiel Christi zu entwerten: Da dieser für sich kein Notwehrrecht beansprucht habe und seinem Beispiel zu folgen sei, habe das ursprüngliche Recht auf Gegenwehr gegen unrechtmäßige Handlungen der Obrigkeit seine Gültigkeit eingebüßt. Jakob deutet das Beispiel Jehus ebenfalls als außerordentlich und streitet ihm jegliche Präzedenzfunktion ab. Das Neue Testament spielt in seiner Begründung hingegen keine Rolle. Und drittens liefern die Autoren unterschiedliche Startpunkte für den Anfang der Monarchie in der Weltgeschichte. Nur Jakob verknüpft den Beginn der Monarchie eindeutig mit der Inthronisation Sauls zum König über Israel. Blackwood deutet Nimrod als ersten König, de Belloy und Saravia sehen in Adam bzw. Noah den Beginn monarchischer Herrschaft auf Erden. Der Vergleich von Jakobs Traktat The True Lawe of Free Monarchies mit den ihm vorangegangenen Verteidigern der Erbmonarchie läßt erkennen, daß es sich bei Jakobs Traktat keineswegs um eine bloße Wiedergabe bereits etablierter Positionen handelte. Zwar teilte er deren Zielsetzung, die Königsherrschaft allein von Gott abzuleiten und dem Volk die Rolle eines Wächters über die königliche Regierungspraxis abzusprechen. Er setzte aber in seiner Entmündigung des Volkes einen anderen Akzent. Jakob stützte sich weniger auf das Naturrecht und die darin vermeintlich festgeschriebene Einteilung der Menschen in Herrscher und Untertanen seit den Tagen der Schöpfung. Zwar sieht er sich auch in der Rolle des Vaters seiner Untertanen und die patriarchiale Gewalt als naturrechtlich gegeben an. Das Königtum führt er in seinen Ursprüngen hingegen nicht auf die Schöpfung zurück, sondern auf den Samuel gegenüber erklärten Willen des Volkes Israel, sich einem König unterwerfen zu wollen und ihm jegliche Herrschaftsrechte ohne die Gelegenheit des Widerrufs zuzubilligen. Die fundierende Grundlage der Königsherrschaft war also weniger das Naturrecht als vielmehr die spezifische lex dei, die der Prophet Samuel im Zusammenhang mit den Herrschaftsrechten des Königs verkündet hatte. Das Volk habe mit seinem Willen nach einem König seine eigenen Herrschaftsrechte damit selbst irreversibel aus der Hand gegeben, so lautete Jakobs durchaus kreative Argumentation. Die Rede vom divine right of kings hatte in ihren Anfangsjahren offenbar größere Übereinstimmung in der politischen Grundaussage als in der diese Aussage stützenden Argumentation. Der weitere Fortgang der Debatte zeigt, daß sich daran auch in den folgenden Jahren und Jahrzehnten wenig ändern sollte. Zwar war

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V. Apologeten der Krongewalt

der Biblizismus bei der Fundierung des divine right naheliegenderweise stets von herausgehobener Bedeutung zur Legitimation der Königsgewalt. Der Ursprung der Monarchie wurde aber auch weiterhin von den Autoren entweder naturrechtlich auf die patriarchalische Gewalt des Vaters oder aber historisch auf den Beginn der Königsherrschaft in Israel zurückgeführt.56 Jakob selbst sah in der Vielfalt der Argumente offenkundig kein größeres Problem. So findet sich unter den Schriften, in denen Jakobs Erbanspruch auf die englische Krone bekräftigt wurde, auch nach seinem Traktat The True Lawe weiterhin eine patriarchalische Herleitung der Monarchie, wie im Falle von The Palinod of Iohn Colvill.57 Colville gehört sicher zu den schillerndsten Gestalten unter den Unterstützern der Erbansprüche des schottischen Königs. Lange Jahre diente er als Sprachrohr gleich mehrerer schottischer Kontrahenten Jakobs VI. Er hielt sich im Umkreis der Ruthven Raiders auf und genoß die Förderung durch Francis Stewart, den Earl of Bothwell. In dieser Zeit führte er eine spitze Feder gegen den König. So sprach Colville ihm alle Thronansprüche in Schottland wie in England rundheraus mit dem wenig schmeichelhaften Argument ab, daß Jakob ein Bastard sei. Mit dem Palinod leistete Colville gewissermaßen Abbitte und widerrief diese Attacken.58 Die Schrift wurde daher auch 1600 in Edinburgh vom königlichen Drucker Robert Carter gedruckt und 1604 noch einmal aufgelegt. Colvilles Argumentation liest sich wie eine Zusammenfassung der wichtigsten Argumente Saravias. Colville übernahm dessen naturrechtliche Herleitung der Monarchie aus der Schöpfungsgeschichte und setzte es an die Stelle seiner ursprünglichen Argumentation, daß sich Königsherrschaft nicht aus dem Naturrecht ableiten lasse, da es im Naturzustand weder soziale Hierarchie noch Eigentumsrechte gäbe. Nun aber vertrat Colville die Auffassung, daß Adam der erste Herrscher und Eigentümer der Erde gewesen sei.59 Auch sei das Primogeniturrecht, nach dem Jakob die Thronfolge in England zustehe, bereits im göttlichen Recht verankert. Kam es zu Abweichungen von diesem Prinzip, wie z. B. bei Jakob, Salomon und anderen, so seien das wenige Ausnahmefälle aufgrund besonderen Einwirkens Gottes, ohne daß die Gültigkeit des Gesetzes der Primogenitur dadurch in Frage gestellt sei.60 Diese Betonung göttlicher Vorsehung zur Flankierung des naturrechtlichen Arguments war zuvor bereits von Saravia stark betont worden. Colville kommt zu dem für Jakobs Erbansprüche günstigen Ergebnis, daß das im göttlichen Recht verankerte jus sanguinis über den positiven Gesetzen Englands stünde. Daher dürften weder Bestimmungen des common law, daß

56 57 58 59 60

Vgl. nur die Aussagen royalistischer Autoren zu Beginn des Bürgerkrieges zum divine right of kings; s. o. Kap. II 1e und Kap. II 2c. John Colville, The Palinod of Iohn Colvill wherein he Penitently Recant his Former Proud Offences…, Edinburgh 1600. Ebd., Fol. A3v–A5r. Der Traktat, in dem Colvill Jakobs Erbanspruch in England streitig macht, ist nicht überliefert. Ebd., Fol. A5v–A6r. Ebd., Fol. A6v–A7r.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

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England nicht von Fremden regiert werden dürfe, Jakobs Erbansprüche gefährden noch ein Parlament über diese Frage befinden.61 Colvilles Traktat kommt innerhalb der Diskussion um die Legitimität des Erbfolgeanspruchs Jakobs VI. auf den englischen Thron eine gewisse Bedeutung zu, da er dessen Erbanspruch mit den Mitteln des Biblizismus verteidigte. Peter Wentworth suchte dies noch mit historischen Argumenten zu leisten, Jakob wiederum beschränkte sich auf die Verteidigung einer nur Gott unterworfenen Königsherrschaft. Die Wahrnehmung von Colvilles Schriften blieb allerdings auf England und Schottland beschränkt. Von weitaus größerer Wirkung war hingegen eine voluminöse Verteidigungsschrift der Krongewalt, die ebenfalls im Jahr 1600 in Paris erschien: William Barclays De Regno et Regali Potestate.62 Die langandauernde und weitreichende Resonanz von Barclays Traktat zeigt sich daran, daß sowohl Johannes Althusius als auch John Locke sich um eine ausdrückliche Widerlegung seiner Thesen zur Königsherrschaft bemühten. Barclay war ebenso wie sein Landsmann Adam Blackwood schottischer Katholik und seit 1578 Professor für römisches Recht in Pont-à-Mousson, einer neu gegründeten Universität in Lothringen.63 Sein Fokus war daher auch wesentlich auf die französischen Ereignisse gerichtet, wie es sich bereits an der Widmung an Heinrich IV. zeigt. Sein Ziel bestand, wie schon bei seinen Vorgängern Blackwood und de Belloy, darin, die Königsherrschaft fest auf das Prinzip der Erbmonarchie zu gründen und jegliches Widerstandsrecht zu verneinen. Barclays Traktat gleicht denen seiner älteren Kollegen auch darin, daß seine Argumente gegen das Widerstandsrecht sich stärker aus dem römischen Recht bzw. der Tradition der französischen Legisten speisten als aus Stellen der Heiligen Schrift. Gleichwohl bemühte er sich darum, biblische Schlüsselstellen für die Königsherrschaft in Israel in seine eigene Interpretation zu integrieren. Zugleich ist in seiner Schrift das Bemühen erkennbar, das naturrechtliche und das historische Argument zur Fundierung der Monarchie miteinander zu verknüpfen. So folgte Barclay Jakob darin, Samuels Rede vor dem Volk Israels nicht als Warnung vor einer Tyrannenherrschaft zu deuten, sondern als Beschreibung der Herrschaftsrechte des Königs: „ius Regis est a Deo per prophetam populo Iudaico promulgatum“.64 Nirgendwo sei Barclay zufolge im biblischen Text davon die Rede, daß Gott einem Tyrannen die Herrschaft übertragen habe.65 Saul sei vielmehr als von Gott ernannter rechtmäßiger König anzusehen, der auch nach Samuels Strafrede in diesem Amt verblieb, obwohl der Prophet Gottes Mißfallen 61 62 63

64 65

Ebd., Fol. A7v–B1r. William Barclay, De Regno et Regali Potestate adversus Buchananum, Brutum, Boucherium, & reliquos Monarchomachos Libri sex, Paris 1600. Zur dortigen Rechtsschule vgl. Claude Collot, L’école doctrinale de droit public de Pontà-Mousson (Pierre Grégoire de Toulouse et Guillaume Barclay) (Fin du XVIe siècle), Paris 1965. Barclay, De Regno, S. 143. Ebd., S. 49 f.

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V. Apologeten der Krongewalt

über den mangelnden Gottesgehorsam des Königs zum Ausdruck brachte. Barclay sieht diese Stelle als Exempel dafür, daß die Königsherrschaft auch dann ertragen werden müsse, wenn der König auf schändliche und ungerechte Art und Weise regiere.66 Die naturrechtliche Legitimation der Königsherrschaft bringt Barclay ins Spiel, um ein weiteres Argument zu entkräften, mit dem beispielsweise Buchanan zu beweisen sucht, daß Samuels Rede die Folgen einer Tyrannenherrschaft und nicht legitime Herrschaftsrechte schildere: Der Wunsch Israels, einen König zu haben wie alle es umgebenden Völker, war für Buchanan der beste Beweis für die bald darauf in Israel errichtete Tyrannenherrschaft, waren doch die umliegenden Völker Israels ausnahmslos orientalischen Despoten unterworfen. Barclay bestreitet das und sieht in den vermeintlichen Despoten nichts anderes als freie Könige, das heißt legitime Herrscher qua Naturrecht, die keinerlei rechtlichen Einschränkungen unterworfen seien.67 Sofern Könige auf legitime Weise auf den Thron gelangt seien, sei es prinzipiell unangebracht, sie als Tyrannen zu denunzieren.68 Damit sieht Barclay die Monarchie gewissermaßen auf zweifache Weise durch Gott legitimiert: zum einen durch das Naturrecht, zum anderen durch die zusätzliche Einrichtung der Königsherrschaft in Israel. Barclay stärkte mit seinem Traktat dem französischen König Heinrich IV. den Rücken, um dessen Herrschaft gegen religiös motivierte Angriffe sowohl seiner ehemals kalvinistischen Mitstreiter als auch radikalkatholischer Opponenten zu immunisieren. Sein Plädoyer für das divine right of kings öffnete ihm allerdings auch in England wichtige Türen. 1603 gab Barclay sein Amt an der Universität auf und zog nach England, wo Jakob ihm eine hohe Position in Aussicht stellte, sollte er zum Protestantismus konvertieren und der englischen Kirche beitreten. Zwar zog Barclay eine Rückkehr nach Frankreich dem Glaubenswechsel vor, seine Rolle als Mitstreiter in der grundsätzlichen Auseinandersetzung um die Grundlagen der Königsherrschaft und die sich daraus ergebenden politischen Konsequenzen waren davon jedoch unberührt. Unter den Protagonisten der Debatte über den Erbanspruch Jakobs VI. auf den englischen Thron und über Ursprung und Reichweite königlicher Herrschafts66 67

68

Ebd., S. 144: „Meminit quippe Samuel legis regni se praecone recens à Domino promulgatae, quae Regum sive vitia, sive iniurias, sive dana esse toleranda praecipit“. Ebd., S. 87 u. 58: „Nec Regum se arbitriis dediderunt inviti, quasi adempta aliam aliquam regiminis formam constituendi facultate, sed omnibus propositis monarchiam semper reliquis praetulerunt: tum quia id illos edocuit vis naturae et primorum parentum institutio, ut infra uberius demonstrabitur, tum quia satius esse uni patere, quam premi a multis, sapienter et vere iudicarunt“. Daß die schottischen Monarchen ebenfalls als freie Könige zu werten seien, begründet Barclay wie vor ihm Jakob mit der Eroberung des Landes durch den ersten König Fergus (99). Ebd., S. 268 u. 483. Gleichwohl sieht Barclay paradoxerweise in extremen Notfällen, in denen ein Herrscher sein Königtum wie die Kaiser Caligula oder Nero in den Ruin treibt, Widerstandsrecht als legitim an. Dies wird von Locke gerne aufgegriffen; vgl. hierzu John H.M. Salmon, The French Wars of Religion in English Political Thought, Oxford 1959, S. 82, 85, 154–157.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

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gewalt waren Engländer in der Minderheit. Die prinzipielle Diskussion über die Natur der Monarchie fand insbesondere in Frankreich statt und stand in enger Relation zum französischen Religionskrieg sowie zum Herrschaftsantritt König Heinrichs IV. Dies änderte sich nach Jakobs Thronbesteigung grundlegend. Zum einen bemühte er sich darum, Autoren wie William Barclay in persönliche Dienste zu nehmen. Zum anderen folgten nun auch manche englische civil lawyers dem Beispiel ihrer in Frankreich lebenden Kollegen, die Königsherrschaft vom Einfluß des „Volkes“ unabhängig zu machen und das divine right of kings zu propagieren. Die Autoren taten damit das ihre, um Jakobs neuen Herrschaftstitel – „his sacred majestie“ anstatt „soverane lord“69 – mit einer zusätzlichen Bedeutung zu versehen. Zuerst sprang Jakob Sir John Hayward zur Seite. Dieser verdankte dem neuen König seine Freilassung aus den Gefängnismauern des Tower, in die er 1601 als vermeintlicher Mitverschwörer der niedergeschlagenen Rebellion des Earl of Essex gelangt war. Ihm wurde zur Last gelegt, mit einer Essex gewidmeten Schrift über die Absetzung Richards II. vom englischen Thron gleichsam die historische Legitimation für die Revolte geliefert zu haben.70 Hayward bewies sich jedoch Jakob gegenüber als treuer Fürsprecher der Monarchie. Seine König Jakob gewidmete Gegenschrift zu Parsons Certain Conference Concerning Succession erhielt nur vierzehn Tage nach dem Tod der Königin Elisabeth I. das Druckprivileg und erschien bald darauf auf dem Buchmarkt. Hier verteidigte Hayward nicht nur das konkrete Erbrecht Jakobs VI. in England, sondern vertrat auch die Position einer von Gott eingerichteten Monarchie, in der das „Volk“ weder die Wahl des Herrschers noch irgendwelche Kontrollrechte beanspruchen könne. Die Widerlegung von Parsons Argumentation basierte mindestens ebenso sehr auf rechtlichen Erwägungen wie auf biblisch fundierten Argumenten. So berief er sich auf römisches und kanonisches Recht ebenso wie auf die geltende Rechtspraxis in vielen Nationen, um das Prinzip der Erbfolge zu verteidigen.71 Ein etwas anderes Bild ergibt sich hingegen, wenn Hayward die Monarchie als natürliche und gottgewollte Herrschaftsform charakterisiert. Hierzu dient ihm das bereits bekannte naturrechtliche Argument, daß seit der Schöpfung der Gehorsam der Kinder zu ihren Eltern und damit zur Obrigkeit festgeschrieben sei.72 Zwar sei die Patrimonalgewalt keine Regierungsgewalt im eigentlichen Sinne, sie verkörpere aber gleichwohl das natürliche und gottgewollte Herrschaftsprinzip.73 69 70

71 72 73

Wormald, ‚Basilikon Doron‘, S. 45. John Hayward, The First Part of the Life and Raigne of King Henrie IIII, London 1599, v. a. S. 84–98; vgl. John J. Manning, Art. Sir John Hayward (1564–1627), in ODNB 26 (2004), S. 87–90; Brian P. Levack, The Civil Lawyers in England 1603–1641. A Political Study, Oxford 1973, S. 113–115. Hayward, An Answer, Fol. A3r. Ebd., Fol. A3r. Ebd., Fol. A4v u. B4r: „As one GOD ruleth the worlde, one maister the familie, as all the members of one bodye receive both sence and motion from one heade […]: so it seemeth no lesse naturall, that one state should be governed by one commander“.

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V. Apologeten der Krongewalt

Aufgrund seiner Unterscheidung zwischen der Familiengewalt und der Staatsgewalt war Hayward die Möglichkeit versperrt, in Adam den ersten König zu sehen. Der erste Herrscher, der Gewalt über mehrere Familien hatte und daher als erster König gelten könne, sei Nimrod. Dieser habe seine Herrschaft aber nicht vom Volk übertragen bekommen, sondern sich aufgrund seiner Machtfülle selbst angeeignet.74 Von Nimrod ausgehend entwirft Hayward eine historische Genealogie der Königsgewalt: Nimrod habe die assyrische Monarchie begründet, die den Medern weichen mußte, die wiederum von den Persern besiegt wurden, bis unter Alexander die Griechen die Herrschaft übernahmen, die schließlich den Römern weichen mußten. Die Könige waren dabei zu keiner Zeit dem Volk verpflichtet oder, abgesehen von den Bestimmungen des Naturrechts, irgendwelchen Gesetzen unterworfen.75 Nachdem Hayward dem „Volk“ jegliche konstituierende Rolle in der Monarchie abgesprochen hatte, verwundert es nicht, daß er ihm auch kein Widerstandsrecht zubilligt. Er hält Parsons vor, daß dieser das Widerstandsrecht ausschließlich aufgrund historischer Beispiele proklamiere, während er Aussagen der Heiligen Schrift dagegensetzen könne, woraufhin er neben vielen anderen Stellen des Alten Testaments auch Röm 13 und 1 Petr 2,13 anführt. Der gleichlautende Aufruf von Petrus und Paulus zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit erhält seine größte Wirkung im Zusammenhang mit einem Verweis auf den historischen Kontext: selbst den Befehlen offenkundiger Tyrannen wie Caligula, Nero oder Nebukadnezar müsse Haywards Ansicht nach gehorcht werden.76 Dies schließe ein Widerstandsrecht gegen christliche Könige gleichsam automatisch aus. Und im Zusammenhang mit dem Krönungseid betonte er wie Jakob vor ihm, daß Könige ausschließlich Gott gegenüber verantwortlich seien, nicht aber vom Volk zur Rechenschaft gezwungen werden könnten.77 Zwei Jahre später veröffentlichte der aus Italien stammende Protestant Albericus Gentilis, seit 1580 Regius-Professor für römisches Recht an der Universität Oxford, seine Regales Disputationes Tres.78 Für Brian Levack waren Gentilis’ Disputationes „the most absolutistic piece of writing that appeared in England in the early seventeenth century“.79 Auch Glenn Burgess sieht in ihm das deutlichste Beispiel für einen „civil-law absolutism“, bemüht sich aber nach Kräften, ihn 74 75 76 77 78 79

Ebd., S. 29. Hayward beruft sich seinerseits auf Chrysostomos (Hom. in Gen.), der Nimrod ebenfalls als ersten König deutet. Ebd., S. 31. Ebd., S. 42–45. Ebd., Fol. M1v–M2r. Albericus Gentilis, Regales Disputationes tres: De Potestate Regis absoluta/De unione Regnorum Britanniae/De vi civium in Regem simper iniusta, London 1605. Brian Levack, Law and Ideology. The Civil Law and Theories of Absolutism in Elizabethan and Jacobean England, in: H. Dubrow/R. Strier (Hrsg.), The Historical Renaissance. New Essays on Tudor and Stuart Literature and Culture, Chicago 1988, S. 220–241, hier S. 229; ähnlich auch ders, Civil Lawyers, S. 106; vgl. auch Gezina H.J. van der Molen, Alberico Gentili and the Development of International Law, Amsterdam 1937, S. 239, der Gentilis als Begründer des Absolutismus in England denselben Status zuweist wie Bodin in Frankreich.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

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als Randfigur ohne nennenswerten Einfluß abzutun.80 Nun mag Gentilis’ Werk in England nicht den Status eines Klassikers der Rechtswissenschaften erworben haben. Seine Schrift war aber immerhin prominent genug, daß Althusius sich in seiner Politica genötigt sah, Gentilis gleich an mehreren Stellen energisch zu widersprechen.81 Innerhalb der gesamteuropäischen Debatte über die rechtlichen Grundlagen monarchischer Herrschaft hatte sein Wort also durchaus Gewicht. Und noch im Bürgerkrieg befand es ein Fürsprecher des Parlaments für notwendig, Gentilis’ Aussagen über die königliche Prärogativgewalt zurückzuweisen.82 Es fällt schwer zu erkennen, weshalb Gentilis’ Traktat ein stärkeres Bekenntnis zum „Absolutismus“ darstellen soll als die Schriften seiner Geistesverwandten. Bereits Althusius sieht in Gentilis’ Argumenten nicht zu Unrecht insbesondere eine Wiederholung von Barclays Positionen.83 So greift er auf dieselben Kernsätze zur Herrschaft des Princeps im römischen Recht zurück, um damit die Königsherrschaft zu charakterisieren.84 Ebenso wie Barclay fußte seine Argumentation wesentlich auf Rechtsargumenten. Und auch Gentilis’ Bezug auf die klassischen Stellen des Alten Testaments zur Legitimation einer von Gott eingerichteten Monarchie zeichnet sich nicht durch besondere Kreativität aus. Vielmehr folgte er deutlicher als die meisten anderen Autoren zum divine right der von Jakob etablierten Interpretation von 1 Sam 8. Gentilis deutet Samuels Rede an das Volk Israel wie Jakob vor ihm als Verkündigung der Herrschaftsrechte des Königs in einer freien Monarchie, wie sie auch bei den Israel umgebenden Völkern etabliert gewesen sei.85 Dies gibt ihm zugleich die Möglichkeit, die Herrschaftsgewalt des Königs gegenüber der patrimonialen Gewalt zu privilegieren, statt sie daraus ableiten zu müssen.86 Gentilis verneint nicht nur, daß der Prophet Samuel in seiner Rede eine Tyrannenherrschaft charakterisiert habe; er bestreitet zudem, daß das wahre Königsgesetz nur in Dtn 17, 14–20 niedergeschrieben sei. Vielmehr diene das Königsgesetz ausschließlich einer Belehrung der Könige, die Rede Samuels aber zur Unterweisung des Volkes.87

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86 87

Burgess, Absolute Monarchy, S. 75 („exotic figure“), sowie 78; gegen diese Wertung auch Sommerville, Royalists, S. 249. Althusius, Politica, Kap. XIX, § 33, 37 und 51; Kap. XXXVI, § 43–45 und 52; Kap. XXXVIII, § 77–87. Englands Monarch, or, A Conviction and Refutation by the Common Law, of those False Principles and Insinuating Flatteries of Albericus Delivered by Way of Disputation, and after Published, and Dedicated to our Dread Soveraigne King James, London 1644. Althusius, Politica, Kap. XXXVIII, § 87. Es geht dabei um „Princeps legibus solutus“ sowie um die Feststellung: „quod Principi placuit, legis habet vigorem“; Gentilis, Regales Disputationes tres, S. 5–7. Ebd., S. 18 f. Es bleibt unerfindlich, weshalb Annette Weber-Möckl zu dem Schluß gelangt, Gentilis interpretiere 1 Sam 8, 11 ff. dogmatischer als König Jakob; Weber-Möckl, Recht des Königs, S. 141. Gentilis, Regales Disputationes tres, S. 11: „Princeps est Deus in terris. Eius potestas major est, quam […] olim fuit patris in filium, domini in servum.“ Ebd., S. 20: „lex Moysis sit ad regem, ista populum, illa instruat regem, ista populum.“ Die klassische Gegenposition findet sich noch in Englands Monarch, Fol. B1v–B2r.

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V. Apologeten der Krongewalt

Selbst im Falle größtmöglicher Verstöße gegen die Verhaltensmaximen im sogenannten Königsgesetz (Dtn 17), wie sie sowohl bei Rehabeam als auch bei Ahab erfolgten, habe sich niemand mit einem Verweis auf das Königsgesetz gegen die Könige gewandt – für Gentilis ein eindeutiger Beweis, daß das Königsgesetz keinerlei vom „Volk“ einklagbare Schranken königlicher Machtausübung beinhalte.88 Auch in Gentilis’ dritter Disputation gegen das Widerstandsrecht bleiben Überraschungen aus. Dies gilt sowohl für sein Argument, daß eine Tyrannei immer noch besser zu ertragen sei als Anarchie, als auch für seine Aussage, daß selbst Tyrannen von Gott eingesetzt und deren Gewaltherrschaft daher zu dulden sei, wolle man sich nicht gegen Gott auflehnen.89 Daß David nicht gegen den tyrannisch agierenden König Saul vorging und sich der Auseinandersetzung statt dessen durch Flucht entzog, war ein weiteres klassisches Argument in Gentilis’ Beweisführung.90 Glenn Burgess zufolge fand die politische Debatte in der frühen Stuartzeit wesentlich in drei verschiedenen Sprachen statt: der des common law, der des römischen Rechts sowie in derjenigen der Theologie.91 Diese Einteilung hat sicherlich eine gewisse Berechtigung. Sie birgt allerdings die Gefahr, die Sprechakte der Autoren aufgrund ihrer fachspezifischen Qualifikation pauschal einer der drei Sprachen zuzuordnen, ohne deren Argumente und die verwendeten Traditionsreservoirs im einzelnen zu prüfen. Das divine right of kings war in diesem Schema deckungsgleich mit der theologischen Rede über die Königsherrschaft. Die soeben vorgestellten Schriften der zahlreichen Gelehrten für römisches Recht von Blackwood bis Gentilis zeigen aber, daß die Zuordnung der politischen Argumente gemäß der Profession der Sprecher nicht vollständig aufgeht. Dabei geraten die Refugien des Biblizismus aus dem Blick, die alle erwähnten Schriften der sogenannten Civilians enthalten. Von besonderem Interesse ist die Frage, welche Argumente mit dem Verweis auf biblische Maximen abgesichert werden und welche nicht. Bei der bedeutsamen Frage, inwiefern der König über dem Gesetz stehe oder aber den Gesetzen des Landes unterworfen sei, spielten biblische Argumente eine untergeordnete Rolle. Hier drehte sich die Diskussion wesentlich um die Auslegung klassischer Rechtssätze aus dem Corpus Juris Civilis, insbesondere um die Ulpian zugeschriebene Devise, daß der Wille des Fürsten Gesetz sei, sowie den von Bodin wieder aufgegriffenen Leitsatz „Princeps legibus solutus est“.92 Die Auslegungstradition beider Rechtssätze seit dem Hochmittelalter spielte gleichfalls eine bedeutende Rolle.93 Weder in Frankreich noch in England war allerdings unter den Gelehrten 88 89 90 91 92 93

Gentilis, Regales Disputationes tres, S. 18–20. Ebd., S. 103–110. Ebd., S. 113 f. Vgl. Burgess, Politics, S. 119–138; ähnlich auch Judson, Crisis of the Constitution, Kap. 4–6. Institutiones I,2,6 bzw. gleichlautend Digesten I, 4, 1 und Digesten I,3,31. Vgl. hierzu Brian Tierney, Bracton on Government, in: Speculum 38 (1963), S. 295–317; Ewart Lewis, King above Law? „Quod principi placuit“ in Bracton, in: Speculum 39 (1964),

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des römischen Rechts ein Konsens über die Frage erzielt worden, inwiefern sich aus den beiden Rechtssätzen die Aussage ableiten lasse, der König sei den positiven Gesetzen des Landes nicht unterworfen. Um die Auseinandersetzung hierüber weiterzuführen, waren biblische Argumente nicht vonnöten. Bei zwei zentralen Fragen der Königsherrschaft waren die Juristen des römischen Rechts aber offenkundig gerne bereit, römische Rechtssätze gegen biblische Maximen und Exempla auszutauschen. Dies betraf zum einen den Ursprung der Königsherrschaft und ihre direkte Herleitung von Gott, zum anderen die Zurückweisung jeglichen Widerstandsrechts. Dieser selektive Wechsel der Autoritätsquelle ist in der Diskussion um den vermeintlichen Civil Law Absolutism meist übersehen worden. Allein Brian Levack hat in seiner Untersuchung der civil lawyers hierzu eine interessante Begründung geliefert.94 Im römischen Recht findet sich der Ursprung der kaiserlichen Alleinherrschaft, die gewissermaßen den Prototyp auch der Königsherrschaft verkörpert, in der sogenannten lex regia dargelegt. Danach habe das römische Volk dem Kaiser die Herrschaftsgewalt übertragen: „cum lege regia, quae de imperio eius lata est, populus ei et in eum omne suum imperium et potestatem conferat.“95 Diese Ursprungserzählung war den Verteidigern der Monarchie um 1600 sowohl in Frankreich als auch in England alles andere als genehm. Zwar ließ sich mit diesem Rechtssatz das Argument vertreten, das Volk habe seine Rechte ein für allemal abgetreten und sei daher der Gewalt des Königs unterworfen.96 Zugleich ließ sich aber die Tatsache nicht leugnen, daß gemäß der lex regia das Volk die Herrschaftsgewalt ursprünglich innegehabt habe. Diese Aussage mochte aber, so Levack zufolge die Befürchtung der Anwälte des Königs, Wasser auf die Mühlen all derjenigen darstellen, die aus den ursprünglichen Verfügungsrechten des Volkes über politische Herrschaft eine Kontrollfunktion des Volkes über die Königsherrschaft ableiteten, das Widerstandsrecht des Volkes damit begründeten oder sogar die Erblichkeit der Monarchie prinzipiell in Frage stellten und letztlich jede Monarchie als „Wahlmonarchie“ deuteten. Es muß an dieser Stelle nicht entschieden werden, ob die Verteidiger der Erbmonarchie tatsächlich von der Sorge geplagt wurden, ein Verweis auf die lex regia hätte den Anwälten der „Volkssouveränität“ in die Hände gespielt. Zwar gab es von diesem Rechtssatz bereits seit dem Spätmittelalter Deutungen, die daraus nicht nur auf die Rechte, sondern auch auf die Pflichten des Herrschers Rück-

94 95 96

S. 240–269. Zur französischen Auslegungstradition vgl. Schilling, Normsetzung, S. 300–341; Henri Morel, L’absolutisme français procède-t-il du droit romain?, in: Ders., L’influence de l’antiquité sur la pensée politique européenne, Paris 1996, S. 113–130; allgemein Dieter Wyduckel, Princeps Legibus Solutus. Eine Untersuchung zur frühmodernen Staats- und Rechtslehre (Schriften zur Verfassungsgeschichte, Bd. 30), Berlin 1979. Levack, Civil Lawyers, S. 90–95; erste Ansätze auch bei Allen, Divine Right, S. 281. Dig. I,4,1. So Buchanans Interpretation des Satzes, weshalb er die Aussagekraft der lex regia für die Charakterisierung der Königsherrschaft in Frage stellt; Mason/Smith (Hrsg.), Dialogue, S. 92 u. 94.

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V. Apologeten der Krongewalt

schlüsse zogen.97 Gleichwohl begründeten die Gegner des Prinzips der Erbmonarchie das Recht des Volkes auf die Wahl des Herrschers nur selten mit der lex regia,98 sondern vielmehr mit dem Naturrecht und der daraus abzuleitenden natürlichen Gleichheit aller Menschen.99 Mit dem Rückgriff auf naturrechtliche Argumente griffen die Befürworter irreversibler Anteile des „Volkes“ an der politischen Herrschaftsgewalt auf die grundsätzlichste Ressource innerhalb der verschiedenen Rechtssprachen zurück.100 Da die im Naturrecht etablierten Normen ebenso universal wie dauerhaft gültig gedacht waren und in ihrem Ursprung auf die Schöpfung Gottes zurückgeführt wurden, ließ sich dieses Argument nur auf derselben prinzipiellen Ebene kontern. Selbst wenn man daher die lex regia im monarchischen Sinne verstand und daraus die Entstehung der Monarchie ableitete, so war sie gleichwohl ein spezifisches, kulturabhängiges historisches Gesetz, das nicht in der Lage war, den von Gott etablierten Rechtszustand natürlicher Gleichheit zu verdrängen. Das Naturrecht ging den menschlichen Rechtssatzungen stets voraus und hatte übergeordneten Charakter. Die Gesetze des Menschen – und um etwas anderes handelte es sich auch bei der lex regia nicht – hatten hingegen mit den von Gott etablierten Normen in Übereinstimmung zu stehen. Dieser Herausforderung begegneten die Anwälte der Erbmonarchie dadurch, daß sie sich ihrerseits in der Frage nach dem Ursprung der königlichen Herrschaftsgewalt auf die prinzipielle Ebene begaben. Dies gilt für all diejenigen Autoren, die die Monarchie mit der väterlichen Gewalt gleichsetzten und daher gleichfalls die Schöpfung als Argument heranzogen, jedoch nicht um die natürliche Gleichheit der Menschen zu begründen, sondern um statt dessen mit der Erschaffung des Menschen und seiner Vertreibung aus dem Paradies den Beginn von Herrschaft und Gehorsam beginnen zu lassen. Sofern die Autoren hingegen auf den Beginn der Königsherrschaft in Israel rekurrierten – unabhängig von der Frage, ob sie dabei Nimrod, Moses oder Saul zum Prototypen der israelischen Monarchie erklärten –, um damit die monarchische Herrschaftsgewalt jeglicher Initiation durch das „Volk“ zu entkleiden, stand ihnen das Naturrecht nicht mehr zur Verfügung. Statt dessen bemühten sie die historia sacra und den darin offenbarten göttlichen Willen, der sich in der direkten Beteiligung Gottes bei der Errichtung der Monarchie in Israel ablesen lasse. Biblische Exempla spielten außerdem bei der Zurückweisung eines Widerstandsrechts des „Volkes“ eine größere Rolle. Zum einen war es die von Paulus und Petrus gleichermaßen vertretene Maxime (Röm 13 und 1 Petr 2,13), der Ob97 98 99 100

Zur konstitutionellen Auslegung von Dig. I,4,1 bei humanistischen Rechtslehrern vgl. Skinner, Foundations, Bd. 2, S. 130–134. Ein seltener Fall hierfür ist Althusius, Politica, Kap. IX, § 16 und Kap. XIX, § 21. Allerdings ist sein Verweis auf Dig. I, 4, 1 stets nur eine Autoritätsquelle neben anderen. So beispielsweise Buchanan: vgl. Mason/Smith (Hrsg.), Dialogue, S. 18 und 20. Vgl. ferner zu den Gegnern der Erbmonarchie in Frankreich Quin, Personenrechte, S. 199–212. Zum Verhältnis von römischem Recht und Naturrecht allgemein vgl. Scattola, Naturrecht, S. 110–129.

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rigkeit Gehorsam zu erweisen, auf die sich die Ablehnung jeglichen Widerstandes gegen den König gründete. Zum anderen spielte das Beispiel Davids, der den König Saul mit den Worten verschonte, er vergreife sich nicht am Gesalbten des Herrn, in der Argumentation mehrerer Autoren eine prominente Rolle. Dem Beispiel Jehus, der in göttlichem Auftrag das Herrscherhaus Ahabs ausrottete, um dem Götzendienst ein Ende zu bereiten, wurde hingegen auf unterschiedliche Weise seine paradigmatische Bedeutung für die politische Debatte abgesprochen. Auch bei der Ablehnung des Widerstandsrechts hatte der Biblizismus die Funktion, eine politische Aussage auf universale, von Gott gestiftete Prinzipien zurückzuführen und damit unangreifbar zu machen. Der epistemologische Stellenwert der Schriftstellen ging daher über den Charakter historischer Exempla aus der historia sacra und der Apostelgeschichte hinaus: Den Autoren des divine right of kings zufolge lasse sich in ihnen vielmehr die Gehorsamspflicht als ein Gottesgesetz ausmachen, das ebenso zeitlose Gültigkeit beanspruchen könne wie das Naturrecht. Sowohl bei der Ursprungserzählung der Monarchie als auch bei der Ablehnung des Widerstandsrechts griffen die Civilians auf biblische Argumente zurück, da nur auf dieser Grundlage naturrechtliche Argumente der Kontrahenten wirksam entkräftet werden konnten. Die Naturalisierung und Sakralisierung der Königsherrschaft sollte diese aus den Niederungen politischer Streitigkeiten erheben und allen Argumenten den Boden entziehen, mit denen die Kritiker der reinen Erbmonarchie die Königsherrschaft vom Willen des„Volkes“ ableiteten und ihm damit eine Kontrollfunktion zuerkannten. Der Biblizismus kam auch in Debatten zum Einsatz, die wesentlich in einer anderen politischen Sprache geführt wurden, da mit ihm Argumente generiert werden konnten, die z. B. in der Sprache des römischen Rechts nicht zur Verfügung standen. Er läßt sich daher nicht einfach auf Sprechakte von Theologen beschränken und mit dem Begriff Theologie gleichsetzen. Ob biblizistische Sprechakte von Theologen im politischen Raum gleichsam automatisch als theologischer Diskurs verstanden werden müssen, ist ebenso fraglich. So sind die Canons der englischen Synode des Jahres 1606 weniger als theologische als vielmehr als politische Stellungnahme der Kirche zu deuten.101 Die Geistlichen unternahmen den Versuch, die Erbmonarchie mit biblischen Mitteln zu begründen und abweichende Auslegungen ausdrücklich zu verdammen. Der Charakter einer offiziellen Verlautbarung der Synode der englischen Kirche mochte einer spezifischen politischen Interpretation der Heiligen Schrift den Charakter einer verbindlichen Lehrmeinung in Glaubensfragen verleihen. Gleichwohl handelte es sich bei den Canons von 1606 um eine auf der Grundlage des Biblizismus getroffene politische Aussage, die mit den Mitteln der kirchlichen Autorität sanktioniert werden sollte. Es war ausgerechnet König Jakob I. selbst, der den von der Convocation des Jahres 1606 ausgesprochenen Canons seine Zustimmung versagte und sie damit kirchenrechtlich zu Makulatur werden ließ. Die umfangreichen Festlegungen der 101

Bishop Overall’s Convocation Book, in: Cardwell, Synodalia, Bd. 1, S. 330–379.

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V. Apologeten der Krongewalt

Kirche zur monarchischen Herrschaftsgewalt und ihrer biblischen Grundlagen verschwanden in der Schublade und wurden erst Ende des 17. Jahrhunderts zu Beginn des Regiments Wilhelms III. wieder hervorgeholt und unter dem Titel Bishop Overall’s Convocation Book in Druck gegeben.102 Jakob gibt als Ursache für sein Mißfallen insbesondere zwei Punkte an. So hätten die Teilnehmer der Convocation den Zweck ihrer Einberufung durch den König nicht verstanden. Jakob wollte von ihnen wissen, inwieweit es möglich sei, die Niederlande bei ihrem Aufstand gegen Spanien zu unterstützen, obwohl es sich hierbei um eine Erhebung gegen einen ursprünglich legitim herrschenden König handelte. Statt sich dieser Frage zuzuwenden, hätten die Geistlichen sich allgemein des Themas der Königsherrschaft angenommen und dabei Dinge erörtert, die „all kings reserve among the ‚arcana imperii‘“.103 Dabei hatte Jakob insbesondere erzürnt, daß die Geistlichen selbst Usurpatoren auf dem Thron eine göttliche Legitimation zubilligten, sofern es ihnen nur gelang, sich lange genug auf dem Thron zu halten.104 Obwohl die in der Convocation zusammengekommenen Bischöfe mit den von ihnen beschlossenen Canons beim König nicht auf Wohlwollen stießen und die Zusammenkunft daher zu keinen bindenden Entscheidungen führte, handelt es sich gleichwohl um ein bedeutsames Unterfangen der Kirchenoberen. Sie versuchten mit ihren Beschlüssen nicht weniger als eine offizielle Interpretation der biblischen Texte in Bezug auf die Königsherrschaft festzulegen. Der Biblizismus in Overall’s Convocation Book fand bisher allerdings erstaunlicherweise keine Beachtung.105 Letztlich verfolgten die Bischöfe das gleiche Ziel wie die Civilians, nämlich zum einen die Einsetzung der Monarchie von jeglicher Mitwirkung des Volkes zu befreien sowie zum anderen das Widerstandsrecht gegen den König prinzipiell zu verneinen. Dabei waren sie gezwungen, sich für eine der vorliegenden Deutungen über den Ursprung und die Legitimation der Monarchie zu entscheiden, d. h. die Monarchie entweder naturrechtlich herzuleiten oder aber auf die Einsetzung der Königsherrschaft in Israel durch Gott zurückzuführen. 102 103 104

105

Ebd., S. 331 f. Ebd., S. 334. Vgl. Canon 28; Ebd., S. 345 f. Hierzu lautete Jakobs Antwort in einem Brief an George Abbot, den späteren Erzbischof von Canterbury: „And whatever aversion you may profess against God’s being the author of sin, you have stumbled upon the threshold of that opinion, in saying upon the matter, that even tyranny is God’s authority, and should be reverenced as such. If the king of Spain should return to claim his old pontifical right to my kingdom, you leave me to seek for others to fight for it; for you tell us upon the matter beforehand, his authority is God’s authority, if he prevail.“ (Ebd., S. 334). Betont wird nur der Patriarchalismus der Canons; vgl. Judson, Crisis, S. 178 f.; Sommerville, Royalists, S. 32 f.,78 f., 191. Overall war Prolocutor und hatte in dieser Funktion die Beschlüsse der Convocation protokolliert. Eine besondere Rolle bei der Abfassung der Beschlüsse dürfte er hingegen nicht gespielt haben. Die Beschlüsse wurden vermutlich von Richard Bancroft der Convocation vorgelegt und dann verabschiedet; vgl. hierzu Anthony Milton, „Anglicanism“ by Stealth. The Career and Influence of John Overall, in: Kenneth Fincham/ Peter Lake (Hrsg.), Religious Politics in Post-Reformation England. Essays in Honour of Nicholas Tyacke (Studies in Modern British Religious History, Bd. 13), Woodbridge 2006, S. 159–176, hier S. 175.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

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Die Bischöfe entschieden sich für das naturrechtliche Argument und folgten wesentlich der von Hadrian Saravia vorgelegten Legitimationsstrategie für die Königsherrschaft.106 Im Stil einer Auflistung vermeintlich irriger Auslegungen der Heiligen Schrift erklärte die Convocation folgende Auffassungen für verbindlich: Statt einer natürlichen Gleichheit habe es von Beginn an Hierarchie und Unterordnung unter den Menschen gegeben (Canon 2). Das in der Natur etablierte Herrschaftsverhältnis stamme unmittelbar von Gott und sei nicht vom Volk an einen Herrscher delegiert worden (Canon 2). Noah habe die Herrschaftsgewalt von Gott erhalten und durch Erbfolge an seine Söhne weitergegeben (Canon 6). Es stünde nicht in der Macht der Nachfolger Noahs, die von Gott etablierte Herrschaftsordnung zu ändern (Canon 8). Mit diesen Lehrsätzen war die Erbmonarchie naturrechtlich begründet worden, das „Volk“ hatte hingegen an der Etablierung der Königsherrschaft keinen Anteil und daher auch keine daraus resultierende Kontrollgewalt über die königliche Amtsführung. Dieser naturrechtliche Zustand bleibe in Israel auch unter den von Gott ernannten Propheten, Richtern und Königen erhalten, die allesamt ausschließlich von Gott eingesetzt worden seien, nicht aber vom ‚Volk’ Israels (Canons 11, 13, 15 und 17). Die führungslose Zeit nach dem Tod Josuas war hingegen eine Zeit der Ordnungslosigkeit und daher kein erstrebenswerter politischer Zustand (Canon 13). Die Entscheidung der Geistlichen, zur Legitimierung der Monarchie das naturrechtliche Argument auszuspielen, nahm der Einsetzung des ersten Königs Saul den Charakter eines monarchischen Gründungsereignisses. Dementsprechend kam Saul in den Canons nur beiläufig als einer von vielen Anführern zur Sprache, unter ihnen Propheten, Richter und Könige. Samuels Rede zur Charakterisierung der Königsherrschaft (1 Sam 8) wurde ebensowenig angesprochen wie Davids Weigerung, sich am Gesalbten des Herrn zu vergreifen. Die Entscheidung der Synode für das naturrechtliche Argument und die damit verbundene Aussage, daß die Monarchie seit der Schöpfung die einzig naturgegebene Herrschaftsform darstellte, reduzierte zugleich den Stellenwert der biblischen Exempla aus der historia sacra. In den Canons, die sich mit der Absage an das Widerstandsrecht befassen, wird sichtbar, daß einzelne biblische Exempla für die Geistlichen weniger eine hinreichende Legitimationsgrundlage bereitstellen als vielmehr eine Herausforderung, der sie begegnen mußten. Im Canon 16 wird prinzipiell verneint, daß das Alte Testament für Kinder oder Untertanen Argumente liefern könne, mit denen sich eine Aufkündigung des Gehorsams legitimieren ließe. Die Canons 18 und 21 betonen darüber hinaus, daß die Kirche keine privilegierte Sprecherrolle gegenüber dem König in Anspruch nehmen könne und sowohl der Hohepriester im Alten Israel als auch die christliche Kirche stets der königlichen Herrschaftsgewalt unterworfen sei. Gleich fünf Canons dienen dazu, bestimmten biblischen Exempla ihren Status als Präzedenzfälle zur Legitimation von Ungehorsam gegenüber der weltlichen 106

Vgl. Tuck, Philosophy, S. 261.

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V. Apologeten der Krongewalt

Obrigkeit ausdrücklich abzusprechen: So sei die Flucht aus Ägypten nur aufgrund des direkt von Gott erteilten Auftrages legitim gewesen, tauge daher nicht als Vorbild zur Erhebung gegen unliebsame Herrscher (Canon 11). Und obschon sich der Hohepriester Asarija zu Recht dem König Usija [2 Chr 26] entgegenstellte und der Priester Urija dem Befehl des Königs Ahas, den Altar von Damaskus im Tempel zu errichten, nicht hätte Folge leisten dürfen [2 Kön 16], resultiere daraus gleichwohl keinerlei Recht auf Absetzung des Herrschers, auch nicht im Falle götzendienerischer Herrscher (Canon 22). Auch aus dem Handeln des Hohepriesters Jojada [2 Kön 11–12] ließe sich keine Autorität der geistlichen Gewalt über den König herleiten (Canon 23). Die Personen Samuel, Elias und Jehu, die sich gegen regierende Könige exponiert hätten, seien dazu ausdrücklich von Gott ausgewählt und beauftragt worden. Daher dürften diese Fälle nicht als Präzedenzfall dienen, es sei denn, es ließe sich der Nachweis führen, daß die Gegenwehr gegen zeitgenössische Könige sich gleichfalls „with sufficient and special authority“ auf ihre außerordentliche Beauftragung durch Gott zurückführen ließe (Canon 25).107 Und ebenso böten die Beispiele Ehud (Ri 3,12) oder Adonija (1 Kön 1–2) keine Legitimationsgrundlage, um einen Tyrannenmord zu befehlen (Canon 27).108 Es war allerdings nicht damit getan, einzelnen Bibelstellen ihre politische Relevanz abzusprechen und allein das naturrechtliche Argument gelten zu lassen. Vielmehr stellt diese Argumentationsstrategie die auf der Synode versammelten Kleriker vor das Problem, daß sich die naturrechtliche Herleitung der Erbmonarchie sowohl mit zahlreichen biblisch überlieferten Sachverhalten als auch mit manchen historischen Schlüsselereignissen nicht vereinbaren ließ. Wieso war beispielsweise Salomon legitimer König über Israel und Juda, obwohl nicht er, sondern Adonija als Erstgeborener nach dem vermeintlich naturrechtlich verankerten Prinzip der Primogenitur die Krone hätte erlangen müssen (1 Kön 1)? Und inwiefern waren Wilhelm der Eroberer und seine Nachfahren in England mit dem Prinzip der Erbmonarchie vereinbar, obwohl er seine Herrschaft der Eroberung Englands verdankte? Da es in beiden Fällen kaum möglich war, den Beispielen schlicht ihre Relevanz abzusprechen bzw. zuzugestehen, daß es hierbei um letztlich illegitime Akte der Herrschaftsusurpation ging, bedurfte die naturrechtliche Legitimation der Erbmonarchie eines flankierenden Arguments, mit dem Abwei-

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So auch Barclay, De Regno, S. 381, mit Stoßrichtung gegen den päpstlichen Herrschaftsanspruch. Die Convocation nahm sich nicht ohne Grund der hier genannten Exempla im einzelnen an. Ein kursorischer Vergleich mit prominenten Schriften der sogenannten Monarchomachen zeigt, daß es sich um Paradestellen handelte, um den Widerstand gegen eine vermeintliche Tyrannenherrschaft biblizistisch zu legitimieren; Dennert, Beza, Brutus, Hotman: Pharao (Beza S. 2, 4; Brutus S. 106); Asarija (Brutus S. 89); Joijada (Beza S. 25; Brutus S. 94 f., 105); Samuel (Brutus S. 76, 84); Elias (Beza S. 4; Brutus S. 82 u. 90); Jehu (Brutus S. 106 u. 189 f.); Ehud (Brutus S. 106; 181, 189). John Knox stützte sich in seiner Rechtfertigung des Tyrannenmords auf dieselben Beispiele, v. a. auf Jehu, Amazija und Asarija; vgl. hierzu Pecˇar, Auf der Suche, S. 296 f. S. o. Kap. III 2a und b.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

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chungen vom rechtlich verankerten Grundprinzip erklärt und damit auch legitimiert werden konnten. Bereits Hadrian Saravia hat hierfür die göttliche Vorsehung ausfindig gemacht.109 Gott allein habe das Recht und die Mittel, um das von ihm selbst etablierte Rechtsprinzip situativ außer Kraft zu setzen. Das Argument der Providence nutzte auch die Synode, um Abweichungen in der historischen Wirklichkeit vom naturrechtlichen Prinzip der Erbmonarchie zu legitimieren,110 eine Deutungsstrategie, die zum Canon 28 führte und damit den Ärger des Königs heraufbeschwor. Zum einen beschwört der Text die Rechtslage. Weder Rebellionen noch Eroberungen fremder Länder seien legitime Mittel zur Erlangung von Herrschaftsgewalt. Auch die Tatsache, daß sich Gott sowohl des Mittels der Rebellion als auch der Eroberung fremder Völker bediene, um damit richtend und strafend in das Weltgeschehen einzugreifen, mindere nicht die Verruchtheit dieser Taten. Zum anderen aber standen die Kleriker vor der Notwendigkeit, Rechtsprinzip und Rechtswirklichkeit miteinander zu vereinbaren. Daher erklärten die Geistlichen zugleich, daß auch Herrscher, die durch Rebellion oder Eroberung an die Macht gelangten, ihre Herrschaftsgewalt von Gott erlangt hätten, nachdem sie sich endgültig etabliert hätten.111 Glenn Burgess konstatiert, daß die Beschlüsse der Convocation von 1606 zwar bei Jakob zu Mißfallensbekundungen führten, nicht aber zu einer kritischen Resonanz in der Öffentlichkeit.112 Burgess zufolge liegt dies an der weitgehenden Übereinstimmung der Canons mit dem ideologischen Grundkonsens in England über die Legitimität der Königsherrschaft in Theorie und Praxis. Da es in England keinen Dissens darüber gegeben habe, daß Könige ihre Herrschaftsgewalt unmittelbar Gott zu verdanken hätten und die Illegitimität des Widerstandsrechts letztlich außer Frage stand,113 entsprachen die Canons der allgemein geteilten Grundüberzeugung. Und da sie nur auf sehr grundsätzliche Weise die Legitimität der Königsgewalt zur Sprache brachten und sich jeglicher Stellungnahmen zu Fragen des Besteuerungs- bzw. des Gesetzgebungsrechts enthielten, blieben wesentliche Interessen des Parlaments und der Richter des common law gewahrt, sahen damit wichtige Sprecher in der politischen Debatte zu einem öffentlich vor109 110

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S. o. Kap. V 2. Zum Gedanken der Vorsehung und ihren gesellschaftlichen Folgewirkungen allgemein vgl. Walsham, Providence. Die Debatte um die Königsherrschaft bleibt bei Walsham hingegen ausgespart. Vgl. Canon 28 in Cardwell, Synodalia, Bd. 1, S. 346: Es sei ein großer Irrtum zu behaupten „that, when any such new forms of government, begun by rebellion, are after thoroughly settled, the authority in them is not of God“. Diese Art der De facto Legitimation von Herrschaft erlangte insbesondere nach der Hinrichtung Karls I. große Bedeutung; vgl. Quentin Skinner, Conquest and Consent. Thomas Hobbes and the Engagement Controversy, in: G. E. Aylmer (Hrsg.), The Interregnum. The Quest for Settlement 1646–1660, London 1972, S. 79–98 und S. 222–224. Burgess, Politics of the Ancient Constitution, S. 161. Burgess, Absolute Monarchy, S. 96–102, allerdings ohne Berücksichtigung von Overall’s Convocation Book.

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V. Apologeten der Krongewalt

getragenen Protest keinerlei Anlaß; anders als etwa im Falle des von John Cowell vorgelegten juristischen Lehrbuchs The Interpreter, das sich auf sehr konkrete Weise der Reichweite der königlichen Praerogativrechte annahm und damit die Mitwirkungsrechte des Parlaments in Frage zu stellen schien.114 Nun steigt die Wahrscheinlichkeit einer kritischen Erörterung von politischen Sprechakten im Parlament immer dann, wenn die Parlamentarier ihre Mitwirkungsrechte in Gefahr sehen, weshalb The Interpreter während des Parlaments im Jahr 1610 ein Thema parlamentarischer Beratungen war. Soweit ist Burgess zuzustimmen. Daraus läßt sich aber nicht im Umkehrschluß auf die mangelnde Brisanz der von der Kirchenversammlung verabschiedeten Canons schließen. Erstens blieb eine größere Aufmerksamkeit für diese wohl allein deswegen aus, da sie aufgrund der fehlenden Unterschrift des Königs weder formal in Kraft traten noch publiziert wurden. Die Kenntnis der meisten weltlichen Mitglieder des Ober- und Unterhauses über den konkreten Inhalt der Beschlüsse der Convocation dürfte sich daher in Grenzen gehalten haben.115 Zweitens war bei den Aussagen der Kirchenversammlung über die Legitimation der Königsherrschaft allenfalls die Grundaussage unumstritten, d. h. die Tatsache des göttlichen Ursprungs der Monarchie und der Absage an das Widerstandsrecht. Für die vorgenommene Bibelauslegung im einzelnen und die Festlegung der Convocation auf die natürliche Ungleichheit der Menschen dürfte dies kaum in gleicher Weise gegolten haben. Sie bleiben bei Burgess’ Interpretation aber leider ausgespart. Ein Vergleich der Canons von 1606 mit denen des Jahres 1640 läßt die Grenze zwischen umstrittenen Assagen zum Patriarchalismus und unstrittigen Aussagen zum divine right of kings deutlich hervortreten. Tatsächlich lassen sich die knapp gehaltenen Beschlüsse der Synode von 1640 zu Fragen der königlichen Herrschaftsgewalt eher als Ausdruck eines Konsenses über die von Gott etablierte Königsherrschaft auffassen als die umfangreichen Festlegungen in Overall’s Convocation Book. So strittig die Canons von 1640 auch gewesen sind – die Kritik richtete sich in England nicht gegen die Festlegungen der Synode zur Monarchie, sondern gegen die zahlreichen Beschlüsse zur Untermauerung der ceremonies sowie der Stellung der Bischöfe in der Kirche.116 Was in den Canons von 1640 zur Königsgewalt ausgesagt wird, war in England auch noch kurz vor der Einberu-

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John Cowell, The Interpreter, or Booke Containing the Signification of Words, Cambridge 1607: Die umstrittenen Artikel waren insbesondere „King“ (Fol. Q4v–Qqiv), und „Praerogative“ (Fol. Ddd3r–Eee1r); hierzu Burgess, Politics of the Ancient Constitution, S. 149–161; ferner Sommerville, Royalists, S. 113–119. Allerdings verurteilte Richard Martin im Unterhaus wenige Tage nach dem Tod des Erzbischofs von Canterbury, Richard Bancroft, ein Buch, das der Convocation vorgelegt worden sei, mit den Worten: „Let that book die with all ill memory of the book and of him that was the author of it“; Elizabeth R. Foster (Hrsg.), Proceedings in Parliament 1610, 2 Bde., London 1966, Bd. 2, S. 328. Die Kritik richtete sich mit ziemlicher Sicherheit gegen die verabschiedeten Canons sowie gegen den verstorbenen Erzbischof, der in der Convocation den Vorsitz führte; vgl. auch Sommerville, Royalists, S. 78 f. Burgess, Absolute Monarchy, S. 121.

2. Die Auseinandersetzung um die Erbmonarchie

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fung des Long Parliament wenig kontrovers: „The most high and sacred order of kings is of divine right, being the ordinance of God himself, founded in the prime laws of nature, and clearly established by express texts both of the Old and New Testaments“.117 Die Schriften der Bibel werden in dieser Aussage als Autorität und Quelle königlicher Herrschaftsgewalt ausdrücklich benannt. Eine nähere Auslegung einzelner Schriftstellen unterbleibt aber ausdrücklich. Die Königsgewalt wird sowohl vom Naturrecht als auch von einzelnen Aussagen der Schrift hergeleitet, was auf einen Gleichklang der väterlichen Gewalt mit der königlichen Amtsgewalt hindeutet. Letztere sei jedoch erst im Verlauf der historia sacra ausdrücklich errichtet worden; wohl mit der Inthronisation Sauls als König über das Volk Israel und weiteren historischen Ereignissen. Die konkurrierenden Ursprungserzählungen werden daher in einer synthetischen Art und Weise miteinander verknüpft und geben sich in der allgemein dargebotenen Aussage nicht als widersprüchlich zu erkennen. Als gleichsam abstrakte Autorisierungsinstanz bot die Bibel offenbar eine größere und vor allem zustimmungsfähigere Legitimationsgrundlage für die Königsgewalt als in Form einer Exegese einzelner Schriftstellen. Ähnlich unumstritten waren in England die in den Canons daraus gezogenen politischen Konsequenzen – ganz im Gegensatz zu Schottland, wo gerade der fundamentale Dissens in diesen Fragen den Aufstand der Schotten auslöste und ja auch die Zusammenkunft des Short Parliaments sowie damit verbunden auch der Convocation veranlaßte.118 Mit den Beschlüssen stellten sich die englischen Bischöfe im Konflikt mit Schottland um die rechtmäßige Kirchenpolitik auf die Seite ihres Königs, ohne daß hierbei die Ereignisse in Schottland ausdrücklich benannt wurden. Im einzelnen bekräftigten sie die Obergewalt des Königs auch über die Kirche, das Recht des Königs, Kirchenversammlungen einzuberufen und aufzulösen. Auch dürfe es keinerlei vom König unabhängige Gewalt geben, die sich Herrschaftsrechte anmaße, da ein solcher Anspruch einem Verrat gegen die von Gott eingerichtete Königsherrschaft gleichkomme. Dies gelte um so mehr für gewaltsamen Widerstand gegen den König, der die sichere Verdammnis für die Aufständischen zur Folge habe. Diese Aussage war als einzige zumindest etwas präziser gestützt durch einen Verweis auf die Schriften des Paulus – gemeint war das 13. Kapitel des Römerbriefes. Ansonsten verwiesen die Beschlüsse gleich mehrfach pauschal auf die Schrift, aus der sich alle Aussagen ableiten ließen.119 Standen die bislang aufgezählten Aussagen der Geistlichen zur Königsherrschaft in direktem Zusammenhang mit dem Krieg gegen die schottischen Covenanters, so richtete sich der letzte Absatz in der Aufzählung eindeutig an das englische Parlament, ging es doch um das leidige Thema der Steuerbewilligung durch das Parlament: Zwar habe der König ein Recht auf „necessary support and supply […] by the law of God, nature, and nations, for the public defence, care 117 118 119

Cardwell, Synodalia, Bd. 1, S. 389. S. o. Kap. II 1. Ebd., S. 390 f.

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V. Apologeten der Krongewalt

and protection of them“, gleichwohl besäßen die Untertanen „not only possession of, but true and just right, title, and property to, in all their goods and estates, and ought to have“. Beschwichtigend fügten die Geistlichen noch hinzu, daß beide Prinzipien sich ohne weiteres miteinander vereinbaren ließen und keineswegs widersprächen.120 Es soll hier nicht entschieden werden, ob sich in diesen beiden Aussagen die Zurückhaltung der geistlichen Anwälte der Krongewalt spiegelt, wie Burgess behauptet, oder aber der Anspruch des Königs, mit Rekurs auf die necessitas am Parlament vorbei Abgaben wie die forced loan oder das ship money erheben zu dürfen, wie Sommerville unterstellt.121 Der Hinweis auf das Recht des Königs auf notwendige finanzielle Unterstützung mag schließlich auch eine Kritik am soeben aufgelösten Short Parliament gewesen sein, das dem König die schnelle finanzielle Unterstützung zur Finanzierung eines Feldzuges gegen die aufständischen Schotten verweigerte. Das Recht des Königs auf finanzielle Unterstützung sahen die Bischöfe jedenfalls im law of God and nature etabliert, nutzten hier also wiederum die Bibel summarisch als Autoritätsinstanz, ohne dabei jedoch den Nachweis im einzelnen zu erbringen. Es wird im Zusammenhang mit der Debatte um Roger Maynwarings Predigt über Religion and Allegiance aus dem Jahr 1627 noch zu zeigen sein, auf welche Weise ein Geistlicher den Versuch unternahm, ein Recht des Königs auf Besteuerung aus den biblischen Schriften abzuleiten.122 Inwiefern sich die in der Convocation versammelten Geistlichen dessen Position zu eigen machten, läßt sich anhand der Canons nur schwer beurteilen. Deren Formulierung war offenkundig darauf angelegt, eine größere Zustimmungsfähigkeit mit einem Mangel an Klarheit zu erkaufen. Die radikalen Kritiker des englischen Kirchenestablishments ließen sich jedoch auch mit vagen Formulierungen nicht besänftigen.123

3. Die schottische Kirche auf der Anklagebank Nur wenige Jahre nach der Thronbesteigung Jakobs als englischer König kam es zu einem Wiedersehen zwischen ihm und seinen stärksten Widersachern in der schottischen Kirche. Acht Wortführer der Presbyterianer wurden im Herbst des Jahres 1606 nach Hampton Court einbestellt, unter ihnen auch Andrew 120 121 122 123

Ebd., S. 391. Burgess, Absolute Monarchy, S. 115; Sommerville, Royalists, S. 150 f. S. u. Kap. VI 5. Vgl. nur Francis Rous in einer Rede im Frühjahr 1641 vor dem Unterhaus, um das Impeachmentverfahren gegen John Cosin zu rechtfertigen: „Our laws and popery cannot stand together; but either popery must overthrow our laws, or our laws must overthrow popery. But to overthrow our laws, they must overthrow parliaments; and to overthrow parliaments, they must overthrow property; they must bring the subjects goods to be arbitrarily disposed, that so there may be no need of parliaments: this hath been done by Dr. Manwaring; […] And I think it was the intention of late Canons“; State Trials, Bd. IV, col. 326.

3. Die schottische Kirche auf der Anklagebank

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und James Melville.124 Dort durften sie einer Inszenierung beiwohnen, die die königliche Obergewalt über die Kirche eindrucksvoll zum Ausdruck brachte. Kern dieser Inszenierung war eine Abfolge von insgesamt vier Predigten, alle gehalten von englischen Hofkaplänen Jakobs I. im Beisein des Königs. Anders als in der schottischen Kirk fand Jakob in England zahlreiche Kleriker als Mitstreiter für sein eigenes Kirchenverständnis. Dieses Sprachrohr machte sich der König bei seiner Abrechnung mit seinen Kontrahenten in der schottischen Kirche zunutze. Die Predigten waren augenscheinlich aufeinander abgestimmt und sollten die Anliegen der Presbyterianer mit dem Mittel der Schriftauslegung widerlegen. Die Stellung des Königs als oberste Entscheidungsinstanz der Kirche war ebenso Thema wie die Verteidigung der in England etablierten Bischofskirche. Beides wurde mit jure divino Argumenten legitimiert. Da der König selbst die vier Theologen bestimmte, die den schottischen Presbyterianern Mores lehren sollten, und da alle vier Predigten noch im selben Jahr auf Anweisung Jakobs gedruckt wurden, darf wohl unterstellt werden, daß die Predigten das Kirchenverständnis des Königs sowie seine eigene Herrschaftsauffassung adäquat widerspiegeln.125 Die Widersprüche, die sich aus einer im wesentlichen biblischen Herleitung von Jakobs Kirchen- und Herrschaftsverständnis ergeben, treten gleichfalls offen zutage. Daher sollen alle vier Predigten ausführlich zur Sprache kommen. Die vier Predigten geben einen guten Einblick in die Spannbreite der strittigen Themen. William Barlow machte den Anfang mit einer Verteidigung der Bischofsverfassung. Insbesondere suchte er Vorrang und Jurisdiktionsgewalt der Bischöfe über den restlichen Klerus nachzuweisen.126 Ziel müsse stets die Herstellung von Ordnung in der Kirche sein (1 Kor 14,33), so Barlow. Dies sei jedoch nur zu erreichen durch Amtsautorität und Befehlsgewalt einiger über die anderen Kirchenmitglieder (Tit 2,15; 1 Petr 2,13).127 Bereits im Alten Testament gäbe es eine Hierarchie vom Hohepriester über die Priester bis zu den Leviten.128 Im Neuen Testament zeige sich diese Hierarchie ebenfalls, und zwar bereits zu Lebzeiten der Apostel, so z. B. bei der Nachwahl eines Apostels für Judas aus dem Kreis der 72 124

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Es mußten in Hampton Court erscheinen James und Andrew Melville, ferner James Balfour, William Watson, William Scot, John Carmichael, Robert Wallace und Adam Colt; Melville, Autobiography, S. 637. Insgesamt zu dem Treffen in Hampton Court auch Mullan, Episcopacy, S. 98–102. So auch die Wertung bei Fincham/Lake, Ecclesiastical Policy, S. 169. Daß die Veröffentlichung der Predigten vom König selbst angeordnet wurde, betont William Barlow, One of the Foure Sermons Preached before the Kings Maiestie, at Hampton Court in September Last, this Concerning the Antiquitie and Superioritie of Bishops, Sept. 21 1606, London 1606, Fol. A1r. Die Predigten von Lancelot Andrewes und John Buckeridge wurden vom königlichen Drucker Robert Barker gedruckt. William Barlow, One of the Four Sermons, Fol. B4r. Dies sucht Barlow auch mit einem Aristoteleszitat plausibel zu machen: „Equalitie in government is the entertainer of confusion“; Barlow, One of the Four Sermons, Fol. B4r. Es ist Barlows einziger Rückgriff auf eine „weltliche Autorität“. Ebd., Fol. B4v.

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V. Apologeten der Krongewalt

Schüler Christi.129 Die Apostel hätten schließlich Bischöfe eingesetzt, unter ihnen Titus und Timotheus, und sie mit der Ordinations- und der Jurisdiktionsgewalt ausgestattet. Dabei seien die Bischöfe zu den Nachfolgern der Apostel bestimmt worden (1 Tim 6,14), woran sich eine vollständige apostolische Sukzession bis in die heutige Zeit anschließe.130 Da sich die Bischofsverfassung und mit ihr die Kirchenhierarchie bereits zu Lebzeiten der Apostel etabliert habe, so Barlow, sei sie zugleich direkt von Gott eingesetzt.131 Um zu dieser Schlußfolgerung zu gelangen, die den Bischöfen eine jure divino-Legitimation verleiht, führt Barlow Hieronymus als Kronzeugen an. Ferner dient ihm die Kirchengeschichte als Argument: so blieb die Bischofsverfassung in der Kirche über 1500 Jahre unangetastet. Wer diese nunmehr in Frage stelle, begebe sich in schlechte Gesellschaft: Barlow nennt im einzelnen die Verschwörer der Rotte Corah (Num 16,3) sowie den Häretiker Arius als Vorläufer der presbyterianischen Kirchenvorstellung.132 Dreh- und Angelpunkt von Barlows Predigt über Apg 20,28 war seine Übersetzung des griechischen Wortes „episcopoi“ mit Bischöfen statt mit „overseer“, wie man es sowohl in der Geneva Bible als auch in der King James Bible übersetzt findet. Auch schweigt er geflissentlich darüber, an wen sich Paulus’ Worte von den Aufsehern über seine Herde richteten: an die Ältesten (Presbyteroi) der Gemeinde von Ephesus (Apg 20,17), keineswegs aber an Bischöfe im Sinne Barlows. Kreative Schriftauslegung war offenkundig Teil des Unternehmens, die Bischofsgewalt vollständig auf biblischem Fundament zu verankern. Barlow erhebt seinerseits in seiner Predigt den Vorwurf der Schriftmanipulation an die Urheber der Geneva Bible. Um die Kirchenhierarchie und deren biblische Grundlagen zu leugnen, werde das im Text von 1 Tim 3,13 aufgeführte Amt des Diakons unterschlagen. Dabei sei dieses Amt die erste Sprosse in der Amtsleiter hinauf zum Bischofsamt.133 Nach William Barlows Verteidigung der Bischöfe war es an John Buckeridge, die Oberhoheit des Landesherrn über die Kirche zu begründen. Er wählte hierfür einen locus classicus des Obrigkeitsdiskurses: Römer 13. Paulus’ Aufforderung, der Obrigkeit zu gehorchen, da sie von Gott eingesetzt sei, richte sich an alle, wie Buckeridge betont, auch an den Klerus. Auf Erden gebe es niemanden außer Gott, der höher stünde als die Könige und Kaiser, was sich auch daran zeige, daß Paulus als römischer Bürger an den Kaiser appelliert habe (Apg 25,11).134 Daß die

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Ebd., Fol. B4v–C1r. Ebd., Fol. E1r. Barlow verweist an dieser Stelle auf die vollständigen Bischofslisten in Eusebius’ Kirchengeschichte für die Bischöfe von Jerusalem, Alexandria, Rom und Antiochia. Ebd., Fol. E3v; „superioritie came by a custome in the Apostles time“, d. h. „by the truth of the Lords ordinance“. Eben dieser Schlußfolgerung von Hieronymus hat Beza heftig widersprochen; s. o. S. 182 Anm. 241. Barlow, One of the Four Sermons, Fol. C4v–E1r. Ebd., C1r. In der Geneva Bible heißt es schlicht, „Those who have ministered well“, statt „those which have discharged the office of a diacon well“. John Buckeridge, A Sermon Preached at Hampton Court before the Kings Maiestie, on Tuesday, the 23 of September, London 1606, Fol. B2r–B3r.

3. Die schottische Kirche auf der Anklagebank

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Obrigkeit auch über die Kirche die Oberhoheit beanspruchen könne, sei einerseits eine sich aus der Vernunft ergebende Notwendigkeit (necessitas finis), da nur so Friede, Eintracht und Religion gewahrt bleiben könnten.135 Andererseits läßt sich dies auch aus der Schrift schlußfolgern (necessitas praecepti). In der Zeit ante legem, als nur das Naturrecht galt, lagen sowohl die weltliche als auch die geistliche Gewalt stets in einer Hand. Dies war bei allen Völkern und zu allen Zeiten der Fall: „order of superioritie and subiection is the instinct of purest nature.“136 Nach der Verkündigung der Gesetzestafeln hatte Moses als weltliche Obrigkeit die höchste Gewalt inne, auch über seinen Bruder Aaron, den Hohepriester. Dies lasse sich an einer ganzen Reihe von israelischen Königen ablesen. Daß beispielsweise David den Hohepriester Abiathar absetzen und durch Zadok ersetzen ließ, gilt Buckeridge als eindeutiges Zeichen der königlichen Oberhoheit in der Kirche. Joschafats und schließlich Hosias Strafgerichte gegen götzendienerische Priester werden als Legitimation der High Comission angeführt sowie als genereller Beleg dafür, daß Königen in Religionsfragen Jurisdiktionsgewalt über alle Vertreter der Kirche zukomme.137 Daß die Könige des Alten Testaments dies alles nicht als Könige, sondern als Propheten unternommen hätten – ein Argument, das beispielsweise Andrew Melville in der Diskussion um die sogenannten Black Acts angeführt hatte – hält Buckeridge für eine vollkommen unbelegte Behauptung.138 Als er schließlich auf die königliche Obergewalt im Zeitalter der Gnade zu sprechen kommt, gesteht er zunächst ein, daß sich im Neuen Testament und für die Zeit der Kirche unter heidnischen Herrschern keine neue Legitimationsgrundlage für die königliche Suprematie in der Kirche finden läßt. Doch weiß Buckeridge sich auch hier zu helfen. Da das Evangelium das Gesetz des Alten Testamentes vollende, nicht aber aufhebe, sei die im Gottesgesetz festgeschriebene königliche Obergewalt über die Kirche weiterhin in Kraft, seien die Könige immer noch die „nursing fathers“ (Jes 49, 23) der Kirche. Die Weisung des Matthäusevangeliums (Mt 22,21), man möge dem Kaiser geben, was des Kaisers ist, bedeute daher: „The commission of Kings granted in the Law, standeth good to the worlds end“.139 Für diese Deutung spreche schließlich auch die Kirchengeschichte seit Konstantin, die in Buckeridges Augen weit größere Verbindlichkeit für sich beanspruchen könne als das von den Presbyterianern angeführte Ideal der Urkirche, das er mit Hinweis auf Augustinus als nicht zeitgemäß ablehnt.140 Die Presbyterianer, die die Weisungsgewalt des Königs in der Kirche leugneten, stellt Buckeridge auf eine Stufe mit dem Papst sowie den Häretikern Donatus, Bischof von Karthago, und dessen Nachfolger Parmenian, und wendet Optatus’ Worte gegen Parmenian gegen die schottischen Zuhörer: „hee accuseth Donatus, 135 136 137 138 139 140

Ebd., Fol. C1v. Ebd., Fol. C3r. Ebd., Fol. C4v–D1v. Ebd., Fol. D1v–D2r. Zu Melvilles Argumentation im einzelnen s. o. Kap. II 2d. Ebd., Fol. D3r–D3v. Ebd., Fol. D4v–E1r. Augustinus zitiert er mit den Worten: „The times were different, and all things have their time.“

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V. Apologeten der Krongewalt

that hee esteemed himselfe as GOD and not as man […] he might have said, either while Donatus the Bishop of Rome, or the Presbytery, one Pope, or many Popes doeth extoll himselfe above the Emperor: not revering nor fearing him, who next after God is reverencing and feared of all men.“141 Buckeridge betont zwar seinerseits, daß auch die Könige sich nicht anmaßen dürften, über Gott und dessen Gesetzen zu stehen, ja er erinnert sogar daran, daß man bei Befehlen gegen Gottes Gesetz Gott mehr gehorchen müsse als dem Menschen.142 Auch reiche die Herrschaftsgewalt des Königs nicht so weit, daß er Dinge ändern könne, die durch Gottes Gesetz für alle Zeiten festgeschrieben seien. Seine Herrschaft erstrecke sich nur über alle Fragen, die den Glauben nicht unmittelbar beträfen.143 Widerstand dürfe man allerdings unter keinen Umständen üben, auch schlechte Herrscher seien von Gott gesandt.144 Lancelot Andrewes kam in seiner Predigt auf einen besonderen Streitfall zwischen Presbyterianern und dem König zu sprechen, nämlich auf das Recht, Kirchenversammlungen einberufen zu dürfen. Er greift hierfür auf das Vierte Buch Mose zurück (Num 10, 1–2): Gott beauftragt Moses mit der Anfertigung zweier Trompeten, deren Blasen die Gemeinde zusammenrufen soll. Die beiden Trompeten entsprächen dabei Andrewes zufolge den beiden Gesetzestafeln und gäben Moses und den Königen als dessen Nachfolger das Recht, weltliche sowie geistliche Versammlungen einzuberufen.145 Andrewes deutet diese Aussage nicht als Teil der jüdischen Zeremonialvorschriften, sondern als dauerhaft gültiges Gesetz Gottes, das außerdem in der Tradition (custom) aller im Alten Testament aufgeführten Herrscher von Moses bis zu den Makkabäern sowie in der Kirchengeschichte der Zeit nach Konstantin seine Entsprechung finde. Die Geschichte der Kirche vor Konstantin könne nicht als Vorbild dienen, hier ist sich Andrewes mit seinem Vorredner einig.146 Ein freies Versammlungsrecht stünde dem Klerus nicht zu. Die schottischen Presbyterianer, die eben dieses Recht für sich beanspruchten, vergleicht Andewes unter anderem mit der Rotte Corah, den Aufrührern gegen Moses’ Führungsrolle innerhalb des Volkes Israel.147 141 142 143

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Ebd., Fol. B3v–B4r. Das Zitat von Optatus, Contra Parm., Lib. 3. Ebd., Fol. B4r–B4v. Als Beispiel dient ihm die Weigerung der Israeliten, das goldene Bild anzubeten, wie Nebukadnezar von ihnen verlangt hatte (Dan 3). Ebd., Fol. A4v–B1r: „things simply good or evill, which are commanded or forbidden by God (A4v) and Nature, no man hath power to crosse the will of God. And in these things mans power is declanatory and executory, not souveraigne of it selfe; in things indifferent there is a power to command for circumstances of time, place, order, and the like, and there is a necessitie of obedience, and that for conscience sake, else man hath no power to command any thing of himselfe.“ Ebd., Fol. A3r. Lancelot Andrewes, A Sermon Preached before the Kings Maiestie, at Hampton Court, Concerning the Right and Power of Calling Assemblies, on Sunday the 28. of September, London 1606, S. 16–19. Ebd., S. 46–50. Ebd., S. 21–24: „You see then whose the Right is, and what the duties bee to it, and in whose steps they treade, that denie them.“

3. Die schottische Kirche auf der Anklagebank

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James Melville kommentiert in seiner Autobiographie mit bitteren Worten die Stoßrichtung von Andrewes’ Predigt, die den Sinn des Bibeltextes geradezu auf den Kopf stelle. Statt Moses’ Nachfolgern wird im Bibeltext die Aufgabe des Blasens der Trompete den Söhnen Aarons zugesprochen, also den Priestern, nicht aber der weltlichen Obrigkeit.148 Der König dürfte mit Andrewes’ Art der Schriftauslegung gleichwohl zufrieden gewesen sein, wenn auch vielleicht diesmal weniger aus intellektuellen als vielmehr aus politischen Gründen. Das Recht, General Assemblies selbst einberufen zu können und auch auf den Ort der Versammlung Einfluß auszuüben, war in seiner Auseinandersetzung mit den Presbyterianern und seinem Kampf zur Restitution der Bischofskirche das vielleicht wichtigste Instrument, über das er verfügte;149 er hatte sich in Folge der sogenannten Golden Acts das Recht auf die Wahl von Ort und Zeitpunkt der Assemblies ausbedungen, was ihm zunächst auch nicht streitig gemacht wurde.150 Nun hatte Andrewes für Jakobs Anspruch nachträglich eine biblische Legitimation geliefert, wie fragwürdig sie im einzelnen auch immer sein mochte. Der spätere Bischof von London, John King, beschloß den Reigen der von der Kanzel wetternden Theologen. Seine Predigt läßt sich auch als Zusammenfassung der drei bislang dargebotenen Predigten verstehen. In einer Auslegung über die Hüter des Weinberges (Hld 8,11) kommt er schnell auf das Verhältnis zwischen weltlicher und geistlicher Gewalt zu sprechen, den beiden Säulen der Kirche. Dabei seien die obersten geistlichen Wächter der Kirche unzweifelhaft die Bischöfe, so King, „by undoubted commission from Christ, succession from Apostles and apostolique persons, confirmation of the primitive and purer Church, and prescription of all ages downe to our owne times“.151 King gesteht ein, daß die Bischöfe – gemeint ist hier insbesondere der Papst – sich in der Folgezeit den Mißbrauch der Kirche haben zu schulden kommen lassen, insbesondere durch ihren Anspruch, über der weltlichen Gewalt zu stehen.152 Die Ablehnung der Bischofsgewalt durch Täufer und Presbyterianer – eine sicherlich so gewollte Zusammenstellung – und die Etablierung eines zuvor nicht gekannten Kirchenamtes der Presbyter als neuem Leitungsorgan in der Kirche seien hingegen ein Irrweg und beruhten ebenso auf dem Mißbrauch der Heiligen Schrift wie der päpstliche Machtanspruch.153 Den Mißbrauch macht King an der kritischen Haltung der Presbyterianer zur Obrigkeit deutlich, insbesondere an ihrem Anspruch, auch

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Melville, Autobiography, S. 663. Ähnlich äußert sich auch Mullan, Episcopacy, S. 100 f. Über die Auseinandersetzung um das Recht auf Einberufung einer General Assembly vgl. Duncan Shaw, The General Assemblies of the Church of Scotland 1560–1600. Their Origins and Development, Edinburgh 1964, S. 157–165; ferner Acts and Proceedings of the General Assemblie, Bd. 1, S. 297. APS, Bd. 3, S. 541; ferner Jakobs Stellungnahme auf der General Assembly im Jahr 1593; Acts and Proceedings of the General Assemblie, Bd. 3, S. 805, ferner S. 836 u. 845. Außerdem Calderwood, History, Bd. 5, S. 323 f. John King, The Fourth Sermon Preached at Hampton Court, Oxford 1606, S. 10. Ebd., S. 10–12. Ebd., S. 12–18.

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den König notfalls exkommunizieren zu können. Damit seien sie eine Gefahr für jede weltliche Herrschaft, deren Oberhoheit auch über die Kirche außer Frage stünde.154 Die Autorität des Königs zeige sich in der Kirche vor allem daran, daß es in seiner Macht liege, Gesetze zur Wahrung der Kirchendisziplin zu erlassen, sofern Glaubensfragen davon nicht berührt seien. Dies betreffe auch die Kirchenämter sowie deren Amtsgewalt. Zwar zieht King die Behauptung der Presbyterianer in Zweifel, daß sich nur ihr Ältestenamt mit der Heiligen Schrift und den Prinzipien der Urkirche vereinbaren lasse.155 Indem er aber zugleich die Kirchenstruktur zu den Adiaphora zählt, spricht er der Frage nach den biblischen oder historischen Ursprüngen ohnehin geringere Bedeutung zu: yet that one and the selfe-same forme of Church-policie befitteth not all times, and al places, but according to the variety therof recipit, imo exigit, receiveth, nay requireth variation of orders […] the internal beauty of [FN: Ps 45] the Church is alwaies the same, but hir outward garment is of divers colours and requisite it is that it should be so: for if there were no alteration, ceremonies would be taken not to be ceremonies, but matters of substance. To conclude, Tertullians rule is infallible, Regula [FN: de. vel. virg.] fidei immobilis, irreformabilis, caetera disciplina & conversationis admittunt nou[s]tatem correctionis: One body, one spirit, one lord, one faith, one baptisme: [FN: Eph 4] One government, one policy, one ceremony, one discipline was never spoken.156

Mit dieser Argumentation versucht sich King in der Quadratur des Kreises. Einerseits sucht er selbst mit Mitteln der Schriftauslegung die Bischofsverfassung zu legitimieren und deutet sie als göttliche Einrichtung in der Kirche, was deren Unantastbarkeit zumindest nahelegt; eine Position, wie sie auch William Barlow in seiner ersten Predigt vertreten hatte. Andererseits weist King den Bereich der Kirchenstruktur aber der Weisungsbefugnis des Königs zu, der darüber nach dem Gesichtspunkt der Praktikabilität urteilen dürfe, da es sich dabei eindeutig um Adiaphora handele und nicht um Glaubensfragen. Dieser Widerspruch ist bei den Apologeten einer Bischofsgewalt jure divino häufig anzutreffen – was mit den Ursprüngen dieser Lehre zu begründen ist, die noch zur Sprache kommen sollen. Ruft man sich die sogenannten Black Acts in Erinnerung, mit denen Jakob zum ersten Mal versuchte, das Kirchenregiment in Schottland seiner Kontrolle zu unterwerfen, zeigt sich, daß sich die Streitpunkte zwischen dem König und der Kirche in Schottland in den zwanzig Jahren nicht wesentlich verändert haben: Es ging weiterhin um die Stellung der Bischöfe in der Kirche, um das Einberufungsrecht für Kirchenversammlungen und allgemein um das Verhältnis zwischen Kirche und König, vor allem um die Frage, ob Geistliche in Predigten den König und seine Amtsträger anklagen und diese notfalls auch exkommunizieren dürften. 154 155 156

Ebd., S. 20–25. Ebd., S. 29 f. sowie S. 38–44. Ebd., S. 29.

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Auch die in den vier Predigten in Hampton Court verteidigten Positionen sind nicht neu und entsprechen inhaltlich im großen und ganzen den – zunächst wirkungslos gebliebenen – Bestimmungen der Black Acts: Der König habe die Obergewalt auch in der Kirche, nur ihm komme die Einberufung von Kirchenversammlungen zu, die Geistlichkeit habe sich aller Angriffe gegen die weltliche Obrigkeit zu enthalten und innerhalb der Kirche komme den Bischöfen die Leitungsfunktion zu.157 In der Legitimation des königlichen Kirchenverständnisses lassen sich allerdings deutliche Unterschiede ausmachen. Zwar suchte auch Patrick Adamson seine Verteidigung der Black Acts mit einem Hinweis auf das „lawe of God“ zu begründen, blieb allerdings den Nachweis dafür schuldig. Letztlich führte er zur Rechtfertigung – neben dem Verweis auf Konstantins Stellung in der Kirche – vor allem an, daß es um die Königsherrschaft in Schottland geschehen sei, überließe man den Presbyterianern und ihrem Kirchenverständnis die Kirche Schottlands. Der strikt aus Bibelstellen abgeleiteten Argumentation der Presbyterianer konnte Adamson nicht wirksam entgegentreten. Es ist jedoch gerade der strikte Bibelbezug, durch den sich die vier Predigten in Hampton Court auszeichnen. Alle vier Redner versagen sich neben Bibelstellen und Aussagen der Kirchenväter beinahe jeglichen Hinweis auf weitere Autoritäten. Weder werden antike Autoren bemüht, noch werden historische Beispiele herangezogen, sofern sie nicht die Kirchengeschichte selbst betreffen. Damit begeben sie sich zumindest rhetorisch auf eine Argumentationsgrundlage, die von den Presbyterianern als einzig legitime angesehen wurde. Allenfalls der Stellenwert von Beispielen aus der Kirchengeschichte und die Autorität der Kirchenväter mochten weiterhin strittig sein. Allerdings griffen auch Presbyterianer in ihren Äußerungen auf beide Argumentationsspeicher zurück, und sei es nur, um deren Interpretation nicht ganz der Gegenseite zu überlassen. Ob mit dieser Predigtfolge tatsächlich beabsichtigt war, die herbeizitierten schottischen Presbyterianer zu überzeugen, bleibt mehr als zweifelhaft. Das Wunder, „presbyterian water“ in „episcopelian wine“ zu verwandeln, blieb jedenfalls aus.158 Statt dessen ereigneten sich auch während der Beratungen mancherlei unschöne Szenen, die die Kompromißfreude aller Beteiligten nicht unbedingt steigern sollten.159 Ein Kompromiß im Sinne eines freien Meinungsaustauschs über die unterschiedlichen Positionen war von Seiten des Königs und der anwesenden englischen Geistlichen ohnehin nicht beabsichtigt. Jakob schien sich den „Ausgleich“ statt dessen so vorzustellen, daß er die angeklungenen Differenzen, die der beabsichtigten Kircheneinheit zwischen der schottischen und der englischen Kirche nicht im Wege stehen dürften, als nachrangig darstellen wollte. In allen Glaubensfragen herrsche Übereinstimmung, so trug Richard Bancroft, der neu gekürte Erzbischof von Canterbury und zugleich 157 158 159

S. o. Kap. III 2d. Mullan, Episcopacy, S. 98. Melville, Autobiography, S. 679.

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einer der schärfsten Kritiker der schottischen Presbyterianer, in der Schlußkonferenz vor: „Our difference is only in the Governing of the Kirk and sume ceremonies“.160 Um diese Position des weitgehenden Konsenses den Zuhörern plausibel zu machen, waren die kaum verhallten Kanzelreden jedoch kontraproduktiv. Selbst der erastianische Grundsatz, Adiaphora seien keine Glaubensfragen und lägen daher im Einflußbereich des weltlichen Herrschers, war für die glaubensstarken Presbyterianer vom Schlage Melvilles eine nur schwer hinnehmbare Position. Die Bischofsverfassung sowie die königliche Obergewalt hingegen als durch Gott unmittelbar ins Leben gerufen und legitimiert dargestellt zu sehen, konnte in presbyterianischen Ohren nicht anders als Gotteslästerung geklungen haben. Und daß sie sich selbst mehrfach in die Gesellschaft mit der Rotte Corah, diversen spätantiken Häretikern sowie den Täufern gestellt sahen, dürfte ihre Einigungsfreude auch nicht gerade befördert haben. De facto glich das Treffen in Hampton Court daher eher einem Tribunal gegen die schottischen Presbyterianer als einer auf Einigung angelegten Zusammenkunft. Da paßt es ins Bild, wenn Andrew Melville kurz darauf für mehrere Jahre in den Kerkern des Towers verschwand, bevor er anschließend als Hochschullehrer im Exil in Sedan seinen Lebensabend verbringen sollte, und auch James Melville nicht mehr nach Schottland zurückkehrte.161 Spätestens mit der englischen Thronbesteigung Jakobs hatten sich die Gewichte auch in Schottland eindeutig zugunsten des Königs verschoben. Die in Hampton Court von der Kanzel vorgetragenen Argumente waren alle nicht neu. Sofern die Herrschaftsrechte des Königs im Mittelpunkt stehen wie bei Buckeridges Predigt über Röm 13, befindet sich der Theologe ganz im Einklang zum einen mit Jakobs eigener Stellungnahme in seinem True Lawe of Free Monarchies, zum anderen mit vergleichbaren Verlautbarungen englischer Theologen zur Königsgewalt.162 Die Verteidigung der Bischofskirche auf der Grundlage der Heiligen Schrift hatte ihrerseits bereits Tradition in England und ist erwachsen aus der Auseinandersetzung zwischen den Verteidigern des bestehenden Kirchenregiments und den Ansprüchen englischer Presbyterianer wie John Field, Thomas Wilcox, Thomas Cartwright, Walter Travers, John Penry und „Martin Marprelate“ auf weitergehende Reformen, vor allem in den 70er und 80er Jahren des 16. Jahrhunderts.163 Die Entstehung der Idee einer Bischofsgewalt jure divino hatte nicht die Verständigung mit den Presbyterianern und ihren Reformforderungen zum Ziel, 160 161 162 163

Ebd., S. 699 f. James Kirk, Art. Andrew Melville, in: ODNB 37 (2004), S. 766–771, hier S. 770 f. S. o. Kap. IV 3a. Vgl. Peter Lake, Anglicans and Puritans? Presbyterianism and English Conformist Thought from Whitgift to Hooker, London 1988, S. 9–11. Martin Marprelate ist ein Pseudonym, hinter dem sich vermutlich Job Throckmorton verbirgt, ein Mitglied des Parlaments; vgl. hierzu Leland H. Carlson, Martin Marprelate, Gentleman. Master Job Throckmorton Laid Open in his Colors, San Marino 1981; vgl. ferner Reventlow, Bibelautorität, S. 181–183.

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sondern diente der Abgrenzung. Die noch von John Whitgift, Erzbischof von Canterbury, vertretene Position, die Kirchenstruktur sei keine Glaubensfrage, könne daher auch nicht ein für alle Mal aus der Bibel abgeleitet werden, sondern habe sich nach den jeweils existierenden politischen Rahmenbedingungen auszurichten und falle in die Zuständigkeit der weltlichen Obrigkeit, war seit dem Act of Supremacy Elisabeths I. lange Jahre communis opinio innerhalb der englischen Kirche.164 Withgift führt für die Bischofskirche in England ins Feld, „that the external government of the church under a Christian magistrate must be according to the kind and form of government used in the commonwealth“.165 Die Bischofskirche sei demzufolge für eine Monarchie am besten geeignet. Im Umkehrschluß hieß dies zugleich, daß im Falle anderer politischer Rahmenbedingungen, z. B. in Stadtrepubliken wie Genf und Zürich, andere Formen des Kirchenregiments geeigneter sein mochten, die presbyterianische Verfassung der Bischofskirche vorzuziehen sei. Und auch in England waren Änderungen der politischen Verhältnisse und damit verbunden auch eine Neuorganisation der Kirche denkbar und legitim. Entscheidend hierfür war der Wille des Monarchen, der über diese Fragen allein zu entscheiden hatte. Das Drängen auf tiefgreifende Reformen in der Kirche von Geistlichen oder aber von Mitgliedern im Parlament war hingegen Whitgift zufolge unangebracht und eine Verletzung des autonomen Entscheidungsrechts der Krone, weshalb Whitgift die presbyterianischen Akteure in England auch mit aller Entschiedenheit bekämpfte. Nach außen hin aber hatte diese pragmatische Position den Vorteil, daß man ungeachtet aller Unterschiede im Kirchenregiment ein enges Verhältnis mit den reformierten Kirchen auf dem Kontinent pflegen konnte, ohne gleichzeitig ihren Kirchenstatus in Frage zu stellen.166 Durch die Angriffe der Presbyterianer, die die Kirche von allen verbliebenen Resten von popery reinigen wollten, geriet diese Position jedoch unter Druck. Ein repräsentatives Beispiel für die Argumentation der Reformer in der englischen Kirche findet sich in William Fulkes Traktat A Brief and Plain Declaration.167 Fulke konfrontierte die Verteidiger der bestehenden Kirchenverfassung mit dem Wahrheitsargument, er legitimierte das Anliegen der Reform mit der Interpretation der Heiligen Schrift. Die Kirche habe die Gestalt anzunehmen, die Christus für sie vorge164

165 166 167

Vgl. hierzu Lake, Anglicans and Puritans, S. 88–90. Zu Whitgift und seinen Mitstreitern vgl. Ralph Houlbrooke, The Protestant Episcopate 1547–1603. The Pastoral Contribution, in: Felicity Heal/Rosemary O’Day (Hrsg.), Church and Society in England. Henry VIII to James I, London 1977, S. 78–98; Zu Whitgifts Adiaphora-Position Reventlow, Bibelautorität, S. 200–202. The Works of John Whitgift, hrsg. v. John Ayre, 3 Bde., Cambridge 1851–53, Bd. 2, S. 263 (ferner Bd. 1, S. 184, 363 und Bd. 3, S. 176). Lake, Anglicans and Puritans, S. 89; Milton, Catholic and Reformed, S. 454. Fulke verfaßte den Traktat wohl bereits 1572, d. h. in der beginnenden heißen Phase der Auseinandersetzungen um eine Kirchenreform und zur Zeit der Bemühungen einiger Aktivisten, mit Hilfe zweier Admonitions das Parlament für die eigene Sache zu gewinnen. Im Gegensatz zu den Admonitions blieb Fulkes Traktat jedoch Manuskript und wurde erst 1584 gedruckt, anonym und ohne seine Zustimmung.Vgl. hierzu Richard Bauckham, Art. William Fulke (1536/37–1589), in: ODNB 21 (2004), S. 129–131.

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sehen habe.168 Alle Elemente in der Kirche, die sich nicht auf biblische Ursprünge zurückführen lassen, seien menschliche Zusätze und Erfindungen, Reste von popery, von denen die Kirche gereinigt werden müsse.169 Dies betreffe nicht nur einige Streitpunkte in der Kirchenliturgie, es gelte auch für die Kirchenämter selbst: Wherefore while wee search the Scripture, the onelye rule whereby the Church of God oughte to be governed, we finde that in regiment & governance of the church, the pastor, bishop or elder, hath none authority by himself, seperated from other. For in the Church, ther ought to be no monarchy or sole absolute government, but that is referred peculiarly to our saviour Christe only, 2. Tim. 6.7. Iude. 4. [FN 2 Tim 6,15] And that regimente, which hee hath left unto his Church, is a consent of his houshold servaunts, to do all things according to his prescription, as he witnesseth, Math. 18.19.170

Durch Angriffe dieser Art herausgefordert, waren manche Anwälte der englischen Kirchenverfassung bemüht, die althergebrachte Hierarchie in der Kirche auf prinzipiellere Weise zu verteidigen, als sie mit dem Hinweis auf ihren Charakter als Adiaphora ins Belieben des Landesherrn zu stellen. Einige Theologen begegneten dem Wahrheitsargument der Presbyterianer in den 80er Jahren gleichfalls mit dem Wahrheitsargument und kreierten eine Bischofsgewalt jure divino. Waren in den Augen der Presbyterianer nur die Pfarrer, Ältesten und Diakone biblisch nachgewiesen, durch Christus eingesetzt und damit göttlich legitimiert, postulierten ihre Kontrahenten die Etablierung des Bischofsamtes einschließlich des Ordinations- und des Jurisdiktionsrechts bereits zu apostolischer Zeit. John Bridges’ A Defence of the Government Established in the Church of Englande for Ecclesiasticall Matters machte hier den Anfang mit einem weit über tausend Seiten umfassenden Werk der Kontroverstheologie, das sich wesentlich auch mit der Widerlegung von Fulkes’ drei Jahre früher erschienenen Traktat befaßte.171 Die englische Diskussion mit den Presbyterianern unter Elisabeth I. soll hier nicht wiedergegeben werden.172 Drei Aspekte sind allerdings auch für die kirchenpolitischen Auseinandersetzungen unter Jakob von größerer Bedeutung und 168

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170 171 172

Vgl. nur pars pro toto William Fulke, A Briefe and Plaine Declaration, Concerning the Desires of all those Faithfull Ministers, that have and do Seeke for the Discipline and Reformation of the Church of Englande which may Serve for a Iust Apologie, against the False Accusations and Slaunders of their Adversaries, London 1584, S. 7: „There remayneth therefore of these before rehearsed, onely in the Church, these Ecclesiasticall offices instituted of God: namely, Pastors, Doctors, Gouernours, and Deacons: By which the church of God may, according to his worde, be directed in all matters, which are commonly called Ecclesiasticall.“ Ebd., S. 7 f.: „And therefore as it is unlawful, so it is unneedeful for men, following the devises of their owne brayne, without the warrant of Gods worde, to institute and ordayne anye other offices or kindes of ministerye beside these, appointed & approved by God himself, exercised in the Primitive & pure church, until the mistery of iniquity working a way for Antichristes pride & presumption, changed Gods ordinance, and brought in al kind of false doctrine & confusion.“ Und S. 13: „the exchaunge of the ordinaunce of God and Christ, [2 Thess 2,1] brought in nothing else, but the Divell and Antichriste.“ Ebd., S. 80 f. John Bridges, A Defence of the Government Established in the Church of England for Ecclesiastical Matters, London 1587; vgl. auch Milton, Catholic and Reformed, S. 458. Vgl. hierzu Patrick Collinson, The Elizabethan Puritan Movement, London 1967; Lake, Puritans and Anglicans, Kap. 1–4.

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verdienen daher Aufmerksamkeit. Zum einen verdanken sich einige Unklarheiten und Widersprüche der jure divino-Legitimation der Bischöfe ihren Ursprüngen. Insbesondere das Verhältnis von biblischen und kirchenhistorischen Wurzeln und dem göttlichen Auftrag der Bischofsgewalt blieb letztlich bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges und darüber hinaus in England strittig.173 Zum anderen bietet die englische Diskussion über die Reformforderungen der Presbyterianer eine interessante Vergleichsfolie zu den gleichzeitig stattfindenden Debatten in Schottland. Waren die Forderungen der Reformer sowie deren Art der Argumentation in beiden Fällen weitgehend identisch, so unterscheiden sich beide Fälle nicht nur hinsichtlich des Erfolgs der Reformbestrebungen, sondern insbesondere auch hinsichtlich der gegen die Reformer und ihr Anliegen angeführten Argumente sowie deren Verfechter. In England war die jure divino Rechtfertigung des Bischofsamtes ein Argument vorwiegend jüngerer Theologen wie John Bridges, Richard Bancroft und Thomas Bilson, die sich als entschiedene Verteidiger der bestehenden Kirchenverfassung einen Namen machten und damit auch einen Grundstein für ihre weitere Karriere in der Kirche unter Jakob legten. In Schottland hingegen blieben Fürsprecher einer jure divino-Legitimation zumindest im 16. Jahrhundert weitgehend aus, hatte sich der König selbst stärker auch an dieser Debatte zu beteiligen. Gleichwohl war Schottland in der Debatte um die Legitimität der Bischofsgewalt auch in England stets präsent: als abschreckendes Beispiel eines Landes, in dem in Folge des Einflusses der Presbyterianer sowohl die kirchliche Ordnung als auch die königliche Herrschaftsgewalt zu verschwinden drohte. Um die Widersprüche und Ambivalenzen der jure divino-Legitimation der englischen Kirchenhierarchie offenzulegen, eignen sich wenige Autoren so gut wie Richard Bancroft. Bancroft war während seiner gesamten Zeit als Geistlicher ein unbedingter Widersacher aller Forderungen nach Kirchenreform. Presbyterianer waren ihm ein Greuel. Sein Name stieß auch in Schottland bereits früh auf Aufmerksamkeit, da er Schottland und die schottische Kirk seinem englischen Publikum gerne als abschreckendes Beispiel präsentierte.174 Wenn man den Reformern in der englischen Kirche nachgäbe, so Bancroft, drohten auch in England schottische Verhältnisse, würde jede Form weltlicher wie geistlicher Autorität untergraben.175 Die Art und Weise allerdings, wie Bancroft die Presbyterianer zu 173 174

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Hierzu ausführlich Milton, Catholic and Reformed, S. 454–475. Vgl. hierzu nur die Gegenschrift von John Davidson, D. Bancrofts Rashnes in Rayling against the Church of Scotland Noted in an Answere to a Letter of a Worthy Person of England, Edinburgh 1590. Richard Bancroft, A Sermon Preached at Paules Crosse the 9. of Februarie being the First Sunday in the Parliament, Anno. 1588, London 1588, S. 72–76. Ferner ders, Dangerous Positions and Proceedings Published and Practised within the Island of Brytaine, under the Pretence of Reformation, and for the Presbiteriall Discipline, London 1593, S. 5–18 u. 62. Diese Schrift ist 1640 neu aufgelegt worden! Die Darstellung der schottischen Verhältnisse bei Bancroft und Whitgift hatte auch Jakob offenbar erzürnt; Mullan, Episcopacy, S. 70; hierzu G. Donaldson, The Attitude of Whitgift and Bancroft to the Scottish Church, in: TRHS, Vierte Folge 24 (1942), S. 95–115; vgl. ferner allg. Prior, Defining the Jacobean Church, S. 206–213, unter konsequenter Auslassung aller Fragen des Schriftbezugs.

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widerlegen und die englische Kirche zu verteidigen suchte, wechselte im Laufe nur weniger Jahre beträchtlich. In einer Predigt in Paul’s Cross, gehalten am 9. Februar 1588, dem ersten Sonntag nach Beginn der Parlamentssitzungen und umgehend auch gedruckt erhältlich,176 stand Bancroft dem Biblizismus der Presbyterianer noch ablehnend gegenüber. Er nannte sie „false prophets who do pervert the meaning of the Scriptures for the maintenance and defence of any false doctrin, schism, or heresie“.177 Seine eigene Position, daß das etablierte Kirchenregiment in England „both in respect of hir majestie, and of our Bishops is lawfull and godlie“,178 verteidigte er mit Aussagen der Kirchenväter und mit Bezug auf die Kirchengeschichte, Bancroft zufolge zwei für die englische Kirche relevante Autoritäten, um den Wahrheitsgehalt theologischer Positionen zu überprüfen.179 Den reinen Bibelbezug kommentierte er hingegen mit den Worten, kein Text könne so klar geschrieben sein, daß er nicht auch mißbräuchlich ausgelegt werden könne.180 Außerdem appellierte er an den Common sense: Wenn es keine Kirchenhierarchie mehr gäbe, so sein Credo, wäre es um die Einheit der Kirche geschehen, und es gäbe so viele Kirchenspaltungen, wie Pastoren in der Kirche bestellt seien.181 Garant für die Einheit der Kirche sei der Monarch: „he has ordinarie authoritie for making all lawes, ceremonies, and constitutions of the church“.182 Die Presbyterianer aber trachteten danach, nicht nur die Kirchenhierarchie, sondern zugleich auch die Herrschaft des Königs auszuhöhlen.183

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Zum politischen Kontext der Predigt als medialer Begleitung einer Parlamentsdebatte, die sich gemäß der Wünsche Königin Elisabeths I. nicht mit den Forderungen nach einer weitergehenden Kirchenreform befassen sollte, sowie zu den möglichen Initiatoren der Predigt sowie der Beauftragung Bancrofts mit der Rolle des Predigers – entweder John Whitgift, Erzbischof von Canterbury, oder Sir Christopher Hatton, dem Lord Chancellor; vgl. W.D.J. Cargill Thompson, A Reconsideration of Richard Bancroft’s Paul’s Cross Sermon of 9 February 1588/9, in: JEH 20 (1969), S. 253–266, hier S. 260. Bancroft, A Sermon, S. 8. Ebd., S. 89. Ebd., S. 43: „And surely it is a very true doctrine, that when councels and synods being lawfullie assembled and directed with Gods spirit do resolve upon matters in question: that private men should content themselves therewithall. Neither can I see, now that popery is banished and the truth of christian religion (maugre the malice of all sorts of enimies) is godlie planted amongst us, why in these daies we should not attribute as much to the decrees of our learned fathers in their lawfull assemblies, as other men in times.“ Ebd., S. 58: „Heretikes in former times looking upon the Scriptures with their eies have condemned them of follie. There was never any thing so exactly written in the worlde, which is not subject to malice & slander.“ Auf diese Gefahr habe bereits Tertullian hingewiesen: „Caedem scripturarum faciunt ad materiam suam: They murder the Scriptures to serve their owne purpose“ (S. 11). Ebd., S. 15. Ebd., S. 70. Ebd., S. 74: „under the pretence of their presbyteries, they trod upon his sceptre, and labored to establish an ecclesiastical tyranny of an infinite jurisdiction, such as neither the law of God or man could tolerate“.

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In der Kirchengeschichtsschreibung hat sich bereits seit dem frühen 18. Jahrhundert zunehmend die Meinung etabliert, diese Predigt sei zugleich das erste Zeugnis einer Legitimation der Bischöfe in der englischen Kirche jure divino.184 Im Text der Predigt finden sich für eine mit biblischen Argumenten abgesicherte Legitimation der Kirchenhierarchie indes keinerlei Anhaltspunkte. Das wichtigste Argument, das Bancroft zur Rechtfertigung der Bischöfe und ihrer Leitungsfunktion in der Kirche vorbringt, ist ihre bis in apostolische Zeit zurückreichende Tradition, ein Argument, das sich ebenso auch in Texten von John Whitgift oder John Bridges wiederfindet. Gerade Bancrofts skeptische Bemerkungen zum Anspruch der Presbyterianer, allein die Schrift zur Grundlage aller kirchlichen Streitfragen zu machen, lassen sich mit der Absicht einer jure divino-Legitimation nur schwer in Einklang bringen. Statt dessen steht Bancroft hier in einer Tradition mit Richard Hooker, dem vielleicht prominentesten Verteidiger der hergebrachten englischen Kirchenverfassung in der Auseinandersetzung mit Reformern wie Thomas Cartwright. Hooker betont, daß nur in Fragen der Glaubenslehre ein strikter Schriftbezug erforderlich sei, nicht aber in Belangen des Kirchenregiments. Letztere rechnet er zu den Adiaphora, die sowohl durch die Tradition als auch durch Entscheidungen der weltlichen Obrigkeit geregelt werden könnten, ohne daß dadurch Fragen des Glaubens bedroht seien.185 Die Bibel solle nicht dadurch überbeansprucht werden, daß man sie als Gottes Gesetzbuch mißverstehe.186 Bancrofts Predigt unterscheidet sich von Konformisten wie Hooker und Whitgift nicht durch die Argumente, die er anführt, sondern durch diejenigen, die er ausläßt. So ist auffällig, daß das gebräuchliche Argument, die Kirchenstruktur sei zu den Adiaphora zu zählen und daher nicht durch Schriftinterpretation zu entscheiden, bei ihm unerwähnt bleibt.187 Daß er allerdings dem Landesherrn die Verfügungsgewalt über die Kirchenstruktur, über Gesetze und Zeremonien in der Kirche einräumt, ist eine Konsequenz aus der Tatsache, daß diese Punkte nicht 184 185 186

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Vgl. hierzu mit zahlreichen Belegen Thompson, Reconsideration, S. 253–258. Hooker, Of the Laws of Ecclesiastical Polity (Books I to IV). With an Introduction by Christopher Morris, ND London 1960, Lib. III., S. 300–302. Hooker, Of the Laws, Lib. III., S. 304: „their common ordinary practice is to quote byspeeches in some historical narration or other, and to urge them as if they were written in most exact form of law. What is to add to the law of God if this be not? When that which the word of God doth but deliver historically, we construe without any waarant as if it were legally meant, and so urge it further than we can prove that it was intended; do we not add to the laws of God, and make them in number seem more than they are? It standeth us upon to be careful in this case. For the sentence of God is heavy against them that wittingly shall presume thus to use the Scripture.“ Hooker ist seinerseits um eine biblische Absicherung seiner Aussage bemüht; daher der Verweis auf Offb 22, 18: „Ich bezeuge allen, die die Worte der Weissagung dieses Buches hören: Wenn jemand etwas hinzufügt, dann wird Gott ihm die Plagen zufügen, die in diesem Buch beschrieben stehen.“ Den darauffolgenden Satz (Offb. 22, 19) übergeht Hooker indes mit Schweigen: „wenn jemand etwas wegnimmt von den Worten des Buches dieser Weissagung, dann wird Gott ihm das Anrecht nehmen auf den Baum des Lebens and auf die heilige Stadt…“. So auch Thompson, Reconsideration, S. 264.

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unmittelbar glaubensrelevant seien und daher auch von der weltlichen Obrigkeit nach weltlichen Gesichtspunkten geregelt werden könnten. Wie steht es um diese königliche Entscheidungsgewalt, wenn z. B. die Bischofsgewalt nicht mehr zu den Adiaphora zu zählen ist, sondern jure divino, d. h. von Gottes Einsetzung und Befehl, hergeleitet wird? In seinem 1593 erschienenen Survey of the Pretended Holy Discipline geht Bancroft zur Legitimation des Bischofsamtes diesen Weg einer Rechtfertigung der Kirchenhierarchie jure divino. Zum einen sucht er die biblische Begründung für das Ältestenamt zu torpedieren, für das es seiner Auffassung nach einen klaren biblischen Beleg eben nicht gebe.188 Die Presbyterianer, so Bancroft, könnten die Ursprünge des Ältestenamtes eben nicht klar benennen und gingen daher auf der Suche nach Anknüpfungsmöglichkeiten immer weiter in die Vergangenheit zurück, bis zu Moses und Aaron, wo sie bereits eine Trennung der weltlichen und der geistlichen Gewalt ausfindig gemacht hätten.189 Wenn die biblischen Ursprünge des Ältestenamtes indessen unklar seien, so Bancroft, müsse auch in diesem Fall der presbyterianische Leitsatz zur Anwendung kommen: „That government whose originall is unknoven, hath no warrant in Gods word, and is unlawfull“.190 Zum anderen präsentiert Bancroft seinerseits mit Hilfe der historia sacra eine Legitimation zur Rechtfertigung des Bischofsamtes und einer hierarchisch gegliederten Kirche. So lasse sich an der Figur des Hohenpriesters als oberste geistliche Autorität mit Jurisdiktionsgewalt sowie an den ihm zur Seite stehenden 24 Principes Sacerdotum ablesen, daß bereits im Alten Testament beim auserwählten Volk Gottes die Kirchenhierarchie etabliert und die Bischofsgewalt präfiguriert gewesen sei.191 Im Neuen Testament ist gleichfalls eine hierarchische Struktur in der Kirche erkennbar: Christus standen die Apostel zur Seite, und einen Rang unter den Aposteln 70 Schüler.192 Auch nach der Auferstehung Christi blieb die 188

189 190 191 192

Richard Bancroft, A Survay of the Pretended Holy Discipline…, London 1593, S. 87: „Is it probable, if Christ had appointed any such government, as they speake of, to have continued to the end of the world, or if the Apostles themselves had ordained or practised it, in their times: that all the ancient Martyrs, Councels, and godly Fathers would with one consent have abolished it? Is it probable, Moyses being so carefull […] that he would not omit to signifie unto his people, even the smallest matters, that God gave him in charge, till he came to their basons, besomes, and pinnes about the Tabernacle: that he woulde have made no mention of such a waighty point, as this is pretended to be: if the Lord had ever given him commandement for the institution of it? Is it likely, Moyses so ofte speaking of the institution of the publicke courts, for Iustice and correction of manners amongst the Iewes (which he knew were but to continue until the coming of Christ): that he would have beene silent, as touching the institution of this spirituall government, which should have lasted till the day of iudgement, if he had received any such Commission?“ Bancroft, A Survay, S. 82–85. Ebd., S. 87. Ebd., S. 104. Diese biblische Rechtfertigung der Kirchenhierarchie findet sich zuerst bei Hadrian Saravia, Of the Diverse Degrees of the Ministers of the Gospel, London 1591 [lat.: De diversis ministrorum evangelii gradibus, sicut a Domino fuerunt institute…, London 1590], Kap. 4,

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Kirchenhierarchie bestehen, gab es noch zu Lebzeiten der Apostel die ersten Bischöfe: St. Markus in Alexandria, St. James in Jerusalem und Timotheus in Ephesus. Auch die Amtsgewalt der Apostel, d. h. ihre Ordinations- und ihre Jurisdiktionsgewalt, die sie exklusiv ausübten, endete nicht mit deren Tod, sondern sei an die ihnen nachfolgenden Bischöfe weitergegeben worden.193 Die Kirchenhierarchie werde außerdem durch alle Kirchenväter und alle Generalkonzilien ausnahmslos bestätigt. Auch die Reformatoren der ersten Stunde, von Luther über Melanchthon bis zu Osiander stünden auf der Seite der Bischöfe. Nur Arius, ein im vierten Jahrhundert verurteilter Häretiker, habe die Amtsgewalt der Bischöfe in Frage gestellt – in dessen Tradition ordnet Bancroft auch die Presbyterianer ein.194 Er wirft ihnen ferner vor, sie stellten die Herrschaft der christlichen Könige in Frage, da sie ihnen das Recht absprächen, in ihrem Herrschaftsgebiet Oberhaupt der Kirche zu sein. Dieses Ansinnen teilten sie mit dem Papst. Ihr Beharren auf Kirchenautonomie, auf die Möglichkeit, auch den Herrscher selbst exkommunizieren (Cartwright) bzw. absetzen oder im Notfall auch töten zu können (Buchanan), verurteilt Bancroft daher barsch als „puritane-popish assertions“.195 Einziger Unterschied zwischen beiden Gruppen sei, daß die Katholiken die kirchliche Oberhoheit für den Papst beanspruchten, die Presbyterianer aber für die Ältesten. Bancroft begnügt sich hier damit, mit Hinweis auf Thomas Erastus die Widersprüche der Gegenseite offenzulegen. Um eine eigenständige Legitimation der Rolle des Königs als Oberhaupt der Kirche bemüht er sich in diesem Traktat nicht. Vergleicht man Bancrofts Predigt in Paul’s Cross mit seinem kontroverstheologischen Survey, läßt sich neben den formalen Differenzen, die dem Gattungsunterschied geschuldet sind, vor allem ein inhaltlicher Unterschied festmachen. Bancroft kritisiert an den Presbyterianern nicht mehr ihren Schriftbezug generell, sondern sucht nur noch im Detail ihre mißbräuchliche Interpretation der Schrift nachzuweisen. Und er greift nun seinerseits neben dem Traditionsargument ebenfalls auf die Bibel zurück, um die Kirchenhierarchie in der englischen Kirche zu

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allerdings ohne Angabe der Bibelstelle (Lk 10). Die zwölf Apostel werden typologisch mit den Anführern der zwölf Stämme Israels in Beziehung gesetzt, die 70 Schüler entsprechen typologisch den 70 Ratgebern Moses. Vgl. ferner Matthew Sutcliffe: A Treatise of Ecclesiastical Discipline, London 1590, S. 58; Thomas Bilson, The Perpetual Government of Christ’s Church, [London 1593], hrsg. v. R. Eden, Oxford 1842, S. 86–89. Bancroft, A Survay, S. 104 f. Bancroft, A Survay, S. 106 f. Dieses Argument brachte Bancroft bereits in seiner Paul’sCross-Predigt vor; Ders, A Sermon, S. 17; Ebenso Bridges, A Defence, S. 454 f.; Saravia, Of the Diverse Degrees, S. 62 f.; Sutcliffe, A Treatise, S. 68. Bancroft, A Survay, S. 250–259. In Klammern ist angegeben, welchen Autor Bancroft als Nachweis der vertretenen Gegenposition jeweils zitiert. Daß er dabei den englischen Theologen Cartwright und den schottischen Juristen Buchanan, den er als „Scottish Consistorian“ tituliert, in einem Zusammenhang erwähnt, ohne auf die unterschiedliche Art und Weise der Argumentation beider Autoren einzugehen, ist sowohl für die Textgattung wie auch für den Autor typisch.

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legitimieren. Dies erfolgt mit dem Hinweis auf die siebzig Schüler, die sich neben den zwölf Aposteln um Jesus versammelt hätten und die im Rang unter den Aposteln stünden. War erst mit diesem Schriftargument der Schritt zur jure divinoLegitimation der Bischöfe vollzogen? Interessanterweise hält Bancroft selbst in seinem Traktat diese Frage offen. Beide Argumente zur Legitimation des Bischofsamtes, die durch Bibelinterpretation gewonnene Erkenntnis einer von Christus selbst etablierten Hierarchie unter seinen Jüngern sowie die kontinuierliche Abfolge von Bischöfen in der Kirchengeschichte stehen gleichwertig nebeneinander. Ob die Bischofskirche göttlich legitimiert sei, weil sie sich direkt von Christus herleiten lasse oder aber weil sie von den Aposteln ins Leben gerufen worden sei, wird von Bancroft nicht beantwortet. Damit bleibt auch offen, welchen Stellenwert er dem Schriftargument im Verhältnis zum historischen Argument einräumt. In seinen Augen stützt letztlich beides gleichermaßen die Existenz von Bischöfen in der Kirche. Inwiefern bleibt die Bischofskirche aber für den Landesherrn verfügbar, wenn deren Gestalt nicht mehr als Teil der Adiaphora, sondern als Folge eigenen Rechts jure divino angesehen wird? Bancroft stellt diese Frage gleichfalls nicht und betont nur allgemein die Stellung des Monarchen als Oberhaupt der Kirche. Einen anderen Weg schlägt hier Hadrian Saravia ein. Er zieht aus der Tatsache, daß er das Kirchenregiment in der Bibel verankert sieht,196 deutlich weiterreichende Konsequenzen als Bancroft. In seiner Vorrede an den Leser unterscheidet Saravia das weltliche und das Kirchenregiment mit folgenden Worten: that form of pollicie is to bee accounted best, not which is such in his owne nature, but that which is mostly necessary for the people, the time and the place. For which cause (as I conceave) GOD himselfe in the secrecie of his wisdome, hath not set downe unto any nation, any perpetual forme of government, the which it was not lawful to alter according to the incidencie of time, place and persons. But in the government, of the which we dispute, the case is far otherwise: for in that it proceedeth immediately from God, men maye not alter the same according to their fancies, neither is it necessary: For the wisedome of God hath so tempered the same, that it repugneth no form of civil government.197

Mit dieser Aussage erteilt er der Zuordnung des Kirchenregiments zu den Adiaphora eine deutliche Absage. Ähnlich wie die Presbyterianer deutet er die Ämter in der Kirche und ihre Hierarchie als gottgegeben und damit als unveränderbar, nur daß er das Bischofsamt mit seiner Leitungsfunktion als von Gott etabliert ansieht und nicht die presbyterianische Kirchenstruktur. Saravia zufolge stünde nur die weltliche Herrschaft zur freien Disposition der Menschen, die Kirchenstruktur habe Gott vorgegeben: Sie folge aus dem jure divino.198 Allerdings sei die Bischofskirche mit allen weltlichen Herrschaftsformen vereinbar, stünde daher weder einer Monarchie noch einer Aristokratie oder einer Demokratie im Wege.

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Saravia, Of the Diverse Degrees, Kap. 4. Ebd., Fol. C3r. Vgl. Milton, Catholic and Reformed, S. 454–475.; Lake, Anglicans and Puritans, S. 88–90.

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Johann Sommerville hat dargelegt, daß der bereits zur Zeit Jakobs mehrfach erhobene Vorwurf, die jure divino-Legitimation des Bischofsamtes schmälere die königliche Oberhoheit in der Kirche, in die Irre führt.199 Was den Bischöfen jure divino verliehen wird, ist ihre geistliche Gewalt, d. h. das Recht, Predigten zu halten, Sakramente zu spenden, aber auch die Ordination von Geistlichen sowie die Jurisdiktionsgewalt über den Klerus. Diese Gewalten sind dem Bischof jure divino verliehen und für den König nicht verfügbar. Allerdings ist das Recht auf Spendung der Sakramente auch von keinem König jemals beansprucht worden. Die Ausübung der dem Bischof jure divino verliehenen geistlichen Gewalt indes ist an die könligliche Zustimmung gebunden, d. h. an die Übertragung eines Bistums, und kann vom König ebensogut auch wieder zurückgenommen werden, durch eine Absetzung vom Bischofsamt, durch die der König die Ausübung der Gewalt beendet, diese selbst aber nicht berührt. Folgt man Saravias Aussagen zum geistlichen und zum weltlichen Regiment, so hat die jure divino-Legitimation der Bischofsgewalt nur in einem – zugegebenermaßen reichlich hypothetischen und vielleicht daher von Sommerville nicht weiter beachteten – Fall eine Einschränkung der königlichen Handlungsmöglichkeiten zur Folge: Es steht dem König nun nicht mehr frei, die Bischofsverfassung abzuschaffen, da sie von Gott etabliert und als unveränderliches Kirchenregiment dauerhaft eingesetzt sei. Diese Gefahr mutet auf den ersten Blick ohnehin rein theoretisch an. Die Stuartkönige Jakob VI./I. und Karl I. waren schließlich die größten Fürsprecher einer starken Bischofsgewalt in den Kirchen Englands und Schottlands. Ganz müßig sind Überlegungen dieser Art gleichwohl nicht. Die ersten Wortmeldungen zur Bischofsgewalt jure divino fallen Ende der 80er und Anfang der 90er Jahre des 16. Jahrhunderts. Dabei ging es sicherlich primär um eine Abwehr der presbyterianischen Reformforderungen in der englischen Kirche. Zugleich mag aber auch eine Rolle gespielt haben, daß Jakob, der nach der Hinrichtung Maria Stuarts präsumtive Nachfolger Elisabeths, aufgrund seiner während dieser Jahre zurückhaltenden und konzilianten Politik gegenüber den Presbyterianern in Schottland gerade den strikten Befürwortern einer Bischofskirche als unsicherer Kantonist galt.200 Mancher Befürworter der Bischofsgewalt jure divino mag durchaus auch daran gedacht haben, mit dieser Legitimation der Kirchenhierarchie dem potentiellen neuen König die Einführung einer presbyterianischen Kirchenstruktur zu erschweren.201 Daß dies aufgrund von Jakobs feindlicher Haltung zu jeder Form von Presbyterianismus reichlich überflüssige Sorgen waren, konnten die Konformisten erst nach Jakobs englischer Thronbesteigung persön199 200 201

Sommerville, The Royal Supremacy and Episcopacy ‚Jure Divino‘ 1603–1640, in: JEH 34 (1983), S. 548–558; ferner ders., Royalists, S. 196–199. S. o. S. 189. So bereits William M. Lamont, Godly Rule: Politics and Religion 1603–1660, London 1969, S. 35 f. Diesem Argument hat Sommerville m.E. zu wenig Bedeutung beigemessen. Allerdings gelingt es ihm, zahlreiche andere Behauptungen und Annahmen Lamonts überzeugend zu widerlegen; vgl. Sommerville, Royal Supremacy, S. 552–558.

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lich erfahren. Zu diesem Zeitpunkt war die Legitimation der Bischofsgewalt jure divino bereits etabliert und fand auch im König selbst einen Fürsprecher. Ähnlich wie beim Insistieren der Presbyterianer auf die strikte Schriftbindung auch der Kirchenämter und ihrer Amtsgewalt ergeben sich daraus auch im Falle von Saravia weitreichende Konsequenzen. Letztlich wird durch das Argument jure divino aus dem Kirchenregiment eine Glaubensfrage.202 Wenn die Kirchenordnung auf die Weisung Gottes zurückgeht (jure divino) und nicht auf menschliche Tradition und Vorgaben der weltlichen Obrigkeit (Adiaphora), so ist auch eine Kirchenordnung – bei Saravia die Leitungsfunktion der Bischöfe – nur theologisch zu rechtfertigen. War die Frage des Kirchenregiments bislang im Kontakt mit anderen protestantischen Kirchen von untergeordneter Bedeutung, da man ungeachtet der Unterschiede die gleiche Glaubenslehre verfocht, so stünden nunmehr Kirchen mit abweichenden Kirchenordnungen dem Willen Gottes entgegen, könnten daher nicht mehr ohne weiteres als Teil der gemeinsamen Glaubensgemeinschaft akzeptiert werden.203 Dieses Verdikt betraf auch und gerade die schottische Kirk. Deren Kirchenstruktur erschien nunmehr nicht mehr nur als inadäquat mit den Prinzipien monarchischer Herrschaft, sondern wurde zugleich als Folge religiöser Irrlehren gebrandmarkt und verworfen. Wie dieser Rückblick verdeutlicht, waren alle in Hampton Court im Jahre 1606 vorgetragenen Argumente zur Begründung einer Kirchenhierarchie aus der Heiligen Schrift sowie zur Kritik am presbyterianischen Kirchenverständnis seit Beginn der 1590er Jahre etabliert. Dies betrifft zum einen die Auswahl der Bibelstellen, insbesondere den Hinweis auf die Trennung zwischen den Aposteln und den Schülern Christi. Dies betrifft die starke Betonung der Amtsgewalt von Titus und Timotheus als bereits in der Bibel genannten „Bischöfen“. Es trifft auch zu auf die Wahl polemischer Argumente, beispielsweise die Gleichsetzung der Presbyterianer mit den diversen Häretikern und Schismatikern der Spätantike, seien es die Arianer oder die Donatisten. Umgekehrt läßt sich feststellen, daß auch unter Jakob keine Klarheit darüber vorhanden war, worauf sich die jure divinoLegitimation der Bischöfe letztlich gründet, ob auf christliche Entscheidung, auf apostolische Sukzession oder auf beides zugleich. Und auch die Konsequenz einer Bischofsgewalt jure divino bleibt in der Schwebe: zählt das Kirchenregiment nach wie vor zu den allein von königlichen Entscheidungen abhängigen Adiaphora, oder ist es ein Wesensmerkmal der Kirche, unveräußerlich und daher auch für den König letztlich nicht mehr verfügbar? Solange Könige und Bischöfe politische Verbündete waren, sollte auch eine Bischofsgewalt jure divino die Königsgewalt in der Kirche nicht schmälern. Dies hat auch Sommerville völlig zu recht herausgestellt. Er hat es dabei allerdings tunlichst unterlassen, das Verhältnis zwischen Bischofsgewalt und Königsgewalt in Zeiträumen zu untersuchen, in denen das Bündnis zwischen beiden Gewalten keinen Bestand hatte. So führte beispielweise die Gesetzgebung des Long Parlia202 203

Lake, Anglicans and Puritans, S. 96 f. Milton, Catholic and Reformed, S. 454.

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ment zu einer ernsten Trübung des Verhältnisses zwischen König und Bischöfen. Im Februar 1642 beschloß das Parlament den Bishops’ Exclusion Act, also den Ausschluß der Bischöfe aus dem Oberhaus sowie von allen weltlichen Ämtern der Monarchie.204 Mit der Unterschrift Karls I. trat dieses Gesetz in Kraft. Als Folge dieser Gesetzgebung waren es nunmehr manche Bischöfe, die öffentlich erörterten, ob das Parlament und der König zu einer solchen, die Bischofsgewalt einschränkenden Maßnahme, das Recht hatten, oder ob hier nicht Rechte beschnitten wurden, die den Bischöfen von Gott direkt verliehen worden seien.205 Für zahlreiche Bischöfe war ihre politische Position in England nicht verhandelbar und lag nicht im Ermessensspielraum des King-in-Parliament. Der Angriff gegen ihre Herschaftsrechte und Privilegien war für sie ebenso ein Sakrileg wie der Ungehorsam gegen Karl I. In ihren Augen hatte der König Schuld auf sich geladen, als er aus politischen Erwägungen der Attacke des Unterhauses gegen die Bischofsgewalt jure divino freien Lauf ließ, statt sich schützend vor seine Bischöfe zu stellen. Gleichwohl blieb den Bischöfen nichts anderes übrig, als in der folgenden militärischen Auseinandersetzung auf einen Sieg Karls I. zu hoffen, der den Ausschluß der Bischöfe aus dem Parlament Episode werden ließ. Diese Hoffnungen erfüllten sich zwar nicht. Nach dem Ende des republikanischen Zwischenspiels durften die Bischöfe aber infolge der Restauration gleichwohl wieder im Oberhaus ihre Sitze einnehmen und sich in ihrer jure divino verliehenen Bischofsgewalt bestärkt sehen.

4. Die Sakralisierung der Monarchie a) Die Kontroverse um den oath of allegiance Am 9. November des Jahres 1605 trat König Jakob I. vor beide Kammern des Parlaments und hielt eine Rede über seine Interpretation des nur vier Tage zuvor aufgedeckten Anschlagversuchs auf den König und das Parlament, der unter dem Namen Gunpowder Plot in die Geschichtsbücher einging. Jakob ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen, sich als Instrument der göttlichen Vorsehung zu inszenieren, da Gott ihn und mit ihm die politische und geistliche Elite des Landes vor der Vernichtung bewahrt habe.206 Jakob betont selbst den theologischen Charakter seiner Rede und greift damit auch vor dem Parlament eine Rolle auf, in der er sich bereits in Schottland wiederholt präsentiert hat: die eines ersten Theologen 204 205

206

Kenyon, Stuart Konstitution, S. 237; vgl. ferner Russell, Fall, S. 471 (Abstimmung im Oberhaus), S. 475 (Unterschrift Karls I.). Vgl. die Einwände des Bischofs von Ossory; Griffith Williams, Jura Majestatis, The Rights of Kings both in Church and State, Oxford 1644, S. 158–162; ferner zu ähnlichen Vorbehalten bei weiteren Bischöfen Anthony Milton, Laudian and Royalist Polemic in SeventeenthCentury England. The Career and Writings of Peter Heylyn, Manchester 2007, Kap. 4. A Speech in the Parliament House, as Neere the very Words as could be Gathered at the Intant, in: Jakob I., Workes, S. 499–508, hier S. 499 f. und S. 508.

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der Monarchie.207 Er unterstrich zunächst mit Anleihen aus den Psalmen den göttlichen Ursprung der Monarchie und die Rolle der Könige als Gottes direkte Beauftragte und Stellvertreter auf Erden.208 Dann hob er die aus der von Gott ins Werk gesetzten Erhöhung der Könige resultierenden Gefahren hervor, denen er in besonderer Weise ausgesetzt sei, reichten Anschlagsversuche auf sein Leben doch bis in die Zeit vor seiner Geburt zurück. Die Vielzahl der gegen ihn unternommenen und gescheiterten Attentatsversuche zeugt in Jakobs Augen zugleich von seiner göttlichen Erwählung, habe Gott ihn doch bislang stets auf wundersame Weise aus der Gefahr errettet.209 Jakob brandmarkte in seiner Rede den Versuch eines Anschlags auf den König nicht nur als Hochverrat, sondern als Sakrileg. Als Ursache für diesen Frevel nannte er religiöse Verblendung, insbesondere aber die vom Papst und seinen Fürsprechern propagierte Auffassung „that it was lawfull, or rather meritorious […] to murther Princes or people for quarrel of Religion“.210 Dieser Auffassung suchte Jakob mit allen Mitteln entgegenzutreten. Zum einen diente ihm hierzu der oath of allegiance, der vom Parlament des Jahres 1606 beschlossen und in Kraft gesetzt wurde.211 In ihm hatten alle Katholiken zu schwören, daß Jakob I. rechtmäßiger König in England sei, den der Papst weder absetzen noch die Untertanen von ihren Gehorsamspflichten – auch nicht im Falle einer Exkommunikation – gegenüber ihrem König lossprechen könne. Ferner hatten die Katholiken zu bekennen, daß die Lehre vom Widerstandsrecht des Volkes gegen den König oder die Lehre vom Tyrannenmord als legitime Folge einer vom Papst ausgesprochenen Exkommunikation als „impious“ und als „hereticall“ aufzufassen sei.212 Zum anderen suchte Jakob I. die europäische Öffentlichkeit, um seine Auffassung von der Unantastbarkeit des Königs auch auf publizistische Weise zu verbreiten: mit eigenen Schriften, mit Schriften zahlreicher seiner Geistlichen bzw. von Autoren aus seinem höfischen Umfeld. Dabei ging es von Beginn an nicht nur um die Rechtmäßigkeit des den Katholiken abverlangten Eides. Vielmehr stand eine bestimmte Anschauung vom Königtum zur Debatte, die sich wesentlich aus Aussagen von Schriften des Alten Testaments speiste. 207

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Ebd., S. 503: „I have spoken more like a Divine then would seeme to belong to this place, the matter it selfe must plead for mine excuse: For Being here commen to thanke God for a divine worke of his Mercy, how can I speake of this deliverance of us from so hellish a practise, so well as in language of Divinitie, which is the direct opposite to so damnable an intention?“ Ebd., S. 499. Ebd., S. 500. Jakob geht mit Anspielungen auch auf die Gowrie-Conspiracy ein. Vgl. hierzu auch Ferrell, Government by Polemic, S. 72 f. Jakob I., Workes, S. 503. Zu den politischen Intentionen, die Jakob I. mit dem Eid über die Absicherung seiner Königsherrschaft hinaus verknüpft haben könnte, vgl. die interessanten Überlegungen von Michael Questier, Loyalty, Religion and State Power in Early Modern England. English Romanism and the Jacobean Oath of Allegiance, in: HJ 40 (1997), S. 311–329. Vgl. ferner Kenyon, Stuart Constitution, S. 170 f. Der Eid findet sich vollständig abgedruckt in Jakobs Traktat Triplici Nodo, in: Jakob I., Workes, S. 250 f.

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Für die öffentliche Auseinandersetzung um den oath of allegiance dürfte die Reaktion des Papstes ausschlaggebend gewesen sein. Paul V. warnte alle englischen Katholiken davor, den Eid abzulegen, da er auf vielfältige Weise gegen die katholische Glaubenslehre verstoße.213 Statt dessen sollten sich die Katholiken in ihrem Verhalten vom Vorbild der Märtyrer leiten lassen und auf Gottes Lohn für ihre Standhaftigkeit vertrauen. Der Kardinal Bellarmin forderte in einem Schreiben an den katholischen Erzpriester in England gleichfalls die Verweigerung des Eides, da dieser den Primat des Papstes in Frage stelle. Die englischen Katholiken hatten sich nach diesen offiziellen Stellungnahmen aus Rom zu entscheiden zwischen der Loyalität zu ihrem König einerseits und der Treue zu ihrem geistlichen Oberhaupt andererseits. In dieser Situation begann Jakob I. die öffentliche Kontroverse darüber, ob der Eid oder aber dessen Ablehnung gegen christliche Glaubenswahrheiten verstößt. In seiner im Februar 1608 anonym erschienenen Schrift Triplici nodo, triplex cuneus, or an Apologie for the Oath of Allegiance begründet er die Rechtmäßigkeit des Treueeides mit prinzipiellen Überlegungen über eine von Gott etablierte Königsherrschaft, die sich wesentlich aus biblischen Argumenten speisten.214 Das Neue Testament reduziert Jakob in seinem politischen Gehalt auf die Stelle Röm 13,1, der er dogmatischen Rang zuschreibt und damit den Status einer dauerhaft verbindlichen Norm zuerkennt: „Subjects are bound to obey their Princes for conscience sake, wether they are good or wicked Princes“.215 Diese Aussage gilt für Jakob ohne jede Einschränkung. Da es hierbei nicht nur um ein weltliches Gesetz geht, sondern um eine Glaubenswahrheit, bei deren Mißachtung das Seelenheil auf dem Spiel steht, muß umgekehrt jeder Versuch einer Relativierung dieses Dogmas als Häresie aufgefaßt werden, eine Auffassung, die sich in der Eidesformel des oath of allegiance ebenfalls wiederfindet. Die Kirchenväter und die Kirchengeschichte werden gleichfalls von Jakob bemüht, um den Treueeid als gleichsam natürliche Konsequenz orthodoxer Lehrmeinung zu präsentieren.216 Das Alte Testament dient Jakob dazu, für die von Gott geforderte Loyalität der Untertanen gegenüber ihrer weltlichen Obrigkeit normative Beispiele zu liefern, in denen die erforderliche Loyalität anschaulich wird. Im einzelnen nennt er den Treueschwur Israels gegenüber Josua (Jos 1,17), Jeremias Gehorsamsaufruf gegenüber Nebukadnezar (Jer 27,12), Israels Flehen vor dem Pharao um die Erlaubnis der Auswanderung (Ex 5,1) und die Bitte Israels an Cyrus, nach Jerusalem zurückkehren und dort den Tempel wieder aufbauen zu dürfen (Esra 1,3) als Beispiele schuldiger Loyalität.217 Dabei ist wohl kein Zufall, daß diese Gesten des Gehorsams und der Unterwerfung in drei von vier Fällen gegenüber Herrschern

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Ebd., S. 250–252. Triplici Nodo, Triplex Cuneus, or an Apologie for the Oath of Allegiance, in: Jakob I., Workes, S. 247–286. Ebd., S. 254. Ebd., S. 264–267. Ebd., S. 254.

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erbracht wurden, die im christlichen Verständnis als irrgläubige und grausame Tyrannenherrscher gelten, was die Untertanen jedoch gleichfalls nicht von ihrer Gehorsamspflicht entbindet. Mit dem Beispiel des Propheten Josua als Personifikation eines Königs über Israel vereinnahmte Jakob darüber hinaus die prophetischen Führungsgestalten als Teil der biblisch überlieferten Tradition monarchischer Herrschaft. Ferner dienten Jakob die historischen Schriften des Alten Testaments dazu, die Oberhoheit des Königs über die Kirche zu dokumentieren, die Könige seit den Ursprüngen ihres Herrscheramts im alten Israel ausgeübt hätten: Der König sei „Custos utriusque Tabulae“.218 Der päpstliche Primat habe dagegen in Augen des englischen Königs keinerlei biblische Grundlage.219 Jakob hat mit dieser Deutung den bis ins Mittelalter zurückreichenden Streit zwischen Imperium und Sacerdotium wieder aufleben lassen. Die Königsherrschaft sah er als von Gott selbst eingerichtete Herrschaftsform an, den König in der Stellvertreterrolle Gottes. Diese Herrschaftsrolle unterwerfe auch die Amtsträger der Kirche seiner Gewalt. Den Anspruch des Papstes, Stellvertreter Gottes auf Erden zu sein, wies Jakob hingegen zurück, und damit einhergehend erklärte er auch alle mit dieser proklamierten Stellvertreterrolle einhergehenden Herrschaftsrechte des Papstes für nichtig. Der Anspruch des Papstes auf die plenitudo potestatis war für Jakob ein Beleg für eine angemaßte Herrschaftsstellung, die sich weder mit Hilfe der Heiligen Schrift noch aus der frühen Kirchentradition ableiten lasse, sondern vielmehr einer Usurpation ursprünglich königlicher Herrschaftsrechte gleichkomme.220 Der Traktat blieb in katholischen Gelehrtenkreisen nicht lange unwidersprochen. Robert Parsons verfaßte im selben Jahr sein Iudgment of a Catholicke English-Man, und eine Responsio Matthaei Torti, hinter dessen Namen sich wohl kein geringerer als Robert Bellarmin verbergen dürfte, wies ebenfalls Jakobs Legitimation des Treueeides zurück.221 Parsons verneinte die Legitimität des oath of allegiance, da dieser in unzulässiger Form die Treue zur Obrigkeit in weltlichen Belangen mit Glaubensfragen vermische, in denen die Untertanen dem König keineswegs bedingungslos folgen dürften.222 Diese Haltung sei auch für die Auslegung von Römer 13 entscheidend, so Parsons. Der Obrigkeit müsse zwar um des Seelenheils willen gehorcht werden, nicht aber gegen das Seelenheil; eine Aus218

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Ebd., S. 284: „In the old Testament, Kings were directly Govenours over the Church within their Dominions“. Belegstellen waren folgende: 2 Chr 19,4; 2 Sam 5,6; 1 Chr 13,12; 2 Sam 6,16; 1 Chr 28,6; 2 Chr 6; 2 Kön 22,11; Neh 9,38; 2 Kön 18,4; 1 Kön 15,12; 2 Kön 13,4; 2 Chr 17,8; 1 Kön 2,27; 2 Sam 7,14; Ps 82,6; Ex 22,8; 1 Sam 24,10; 2 Chr 9,8; 2 Chr 6,15; 2 Sam 14,20; 1 Sam 13,14; 2 Sam 21,17; Jes 49,23. Ebd., S. 269, 278–281 u. 286. Zum Versuch der Fundierung der plenitudo potestatis im Verlauf des Mittelalters auf Aussagen der Bibel vgl. Karl Ubl, Der Mehrwert der päpstlichen Schlüsselgewalt und die Tradition des heiligen Clemens; in: Pečar/Trampedach (Hrsg.), Bibel, S. 189–217. Robert Parsons, The Iudgment of a Catholicke English-Man, Living in Banishment for his Religion, [Saint Omer] 1608. Ebd., S. 50.

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legung von Röm 13, die sich übrigens auch bei David Pareus, George Gillespie und Samuel Rutherford findet, um den Gehorsam gegenüber dem König an Bedingungen zu knüpfen.223 Auch die im Traktat genannten Beispiele aus dem Alten Testament beträfen nur den Gehorsamszwang in weltlichen Fragen. Als Nebukadnezar hingegen die Verehrung einer goldenen Ehrenstatue befohlen habe, fände der Gehorsam der Juden seine Grenze. Ebenso wäre ihr Gehorsam gegenüber den Seleukiden in dem Moment zu Ende gewesen, als den Juden befohlen worden sei, die Gesetze Gottes zu mißachten und Schweinefleisch zu essen: Der Makkabäeraufstand sei die legitime Folge gewesen.224 Parsons bekräftigte außerdem die Auffassung, daß die Königsgewalt sich nicht unmittelbar von Gott herleiten könne, da sie letztlich stets vom Volk etabliert worden sei, während sich das Kirchenregiment unmittelbar auf den Befehl Christi gründe.225 Nach diesen Einsprüchen von katholischer Seite weitete sich die Auseinandersetzung um die wahre Stellvertreterrolle Gottes auf Erden aus. Jakob legte mit seiner Praemonition to all Christian Monarches eine weitere Verteidigungsschrift vor, die er an alle europäischen Monarchen adressierte, in erster Linie an Kaiser Rudolf II. In dieser Schrift bekannte er sich nicht nur nachträglich zur Autorschaft seiner Apologie.226 Er bekräftigte auch die in dieser Schrift propagierte politische Theologie der Monarchie als einer direkt von Gott eingerichteten Institution, während er den Papst mit dem Vorwurf belegte, für seinen Machtanspruch königliche Herrschaftsrechte zu usurpieren.227 Für diese Sicht der Dinge suchte er unter seinen europäischen Mitregenten und potentiell in ihrem Herrschaftsanspruch ebenfalls Betroffenen Gleichgesinnte und Mitstreiter. Jakob bereicherte in der Praemonition seinen Angriff auf die vom Papst beanspruchte Herrschaftsgewalt um ein weiteres Element. Er trat mit den Mitteln der Exegese insbesondere der Johannesoffenbarung den Beweis an, daß der Papst niemand anderes sei als der Antichrist.228 Mit dieser spezifischen Auslegung der Offenbarung griff Jakob auf seine früheren exegetischen Schriften zurück, stellte diese protestantische Grundüberzeugung aber stärker als dort in einen direkten Zusammenhang mit seiner Auffassung einer unmittelbar von Gott gestifteten Monarchie.229 Zum einen war nämlich die Tatsache, daß der Papst für sich das

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S. o. Kap. II 1 und unten Kap. VI 3b. Parsons, The Iudgment, S. 51 f. Parsons, The Iudgment, S. 121. Er gibt hier zwar keinerlei Bibelstellen an, dürfte aber in seiner Aussage wohl Mt 16,18 (Du bist Petrus, und auf dir will ich meine Kirche bauen) im Sinn gehabt haben. Jakob I., Workes, S. 290. Diese Autorschaft wurde von Parsons rhetorisch in Frage gestellt, da dieser die Schrift in ihrer Argumentation für so ungenügend erklärte, daß sie niemals aus der Feder des Königs hätte stammen können; Parsons, The Iudgment, S. 1–8. Jakob I., Workes, S. 295–297 und S. 306 f. Ebd., S. 308–328. Ich folge hier wesentlich den Überlegungen von Asch, Revelation, S. 328 f. Zu Jakobs früheren Auslegungen der Offenbarung s. o. Kap. IV 2.

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Recht auf die Exkommunikation von Königen und der damit einhergehenden Loslösung der Untertanen von ihrem politischen Treueeid beanspruche, für Jakob selbst der schlagendste Beweis, um den Papst mit dem Antichristen gleichzusetzen: In Offb 17,18 wird die ‚Hure Babylon’ als diejenige Stadt charakterisiert, die „die Herrschaft hat über die Könige auf Erden“, eine Aussage, die Jakob nicht nur im Falle des Papsttums erfüllt sieht, sondern mit der für ihn auch die Unrechtmäßigkeit und häretische Qualität dieses Herrschaftsanspruchs belegt ist.230 Auch die von katholischen Kontroverstheologen vertretene Legitimität des Widerstandsrechts sowie deren Auffassung von einer nur vom Volk, nicht aber unmittelbar von Gott abgeleiteten Königsherrschaft waren für Jakob ein Beweis für die vom Papst zum Zwecke seiner Machtsteigerung propagierte Irrlehre.231 Zum anderen aber kommt den auf diese Weise mißbrauchten Königen in der Offenbarung die heilsgeschichtlich notwendige Rolle zu, zur Vernichtung Babylons beizutragen. Obwohl die Könige sich den Wünschen des Papstes lange Zeit dienstbar gemacht hätten und den römischen Götzendienst in ihren Reichen beförderten, würden sie von Gott zur rechten Zeit zur Umkehr angehalten: wee shall in the time appointed by God, having thus fought with the Lambe, but ‚being overcome by him‘, that is, converted by his Word; wee shall then (I say) ‚hate the Whore, and make her desolate, and make her naked‘, by discovering her hypocrisie and false pretence of zeale; and ‚shall eate her flash, and burne her with fire‘.232

Dieser heilsgeschichtliche Auftrag zur Vernichtung des Antichristen verband alle Könige – unabhängig von ihrer Konfession – gleichermaßen und machte das Königtum nicht nur zu einer von Gott gestifteten Einrichtung, sondern darüber hinaus zu einem notwendigen Werkzeug Gottes zur Erfüllung des göttlichen Heilsplans. Jakobs Beiträge in der Auseinandersetzung um die Legitimität des oath of allegiance hatten zum Ziel, in der politischen Debatte Gott als Argument in der Hand des Königs zu monopolisieren. Seine Königsherrschaft galt ihm in dem Moment als gefährdet, wenn einzelne Akteure sich auf Gott und die Religion berufen konnten, um sich unter Bezug auf die überweltliche Autorität Gottes dem Gehorsam gegenüber der weltlichen Autorität des Königs zu entziehen. Die politische Theologie päpstlicher Suprematie und die damit vom Papst beanspruchte Wächterrolle über die Rechtgläubigkeit der Monarchen Europas rückten daher ins Zentrum seiner Attacken. Dabei konkurrierte der Anspruch des Papstes auf

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Jakob I., Workes, S. 318 f. Ebd., S. 331–337 und S. 326: „And it is no small merchandise of Soules, when men are so highly deluded by the hopes and promise to Salvation, as to make a Frier murther his Soveraigne [Heinrich III]; a yong knave attempt the murther of his next Successour [Heinrich IV]; many one to conspire and attempt the like against the late Queene; and in my time, to attempt the destruction of a whole Kingdome and State by a blast of Powder: and hereby to play bankerupt with both the soules mentioned in the Scriptures, Animus & Anima“. Ebd., S. 325 f.

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die Rolle eines vicarius Christi mit Jakobs Betonung des Königs als von Gott direkt ernannter Herrscher auf Erden. Zugleich waren beide Seiten bemüht, der Gegenseite ihre göttliche Sendung streitig zu machen: Für katholische Kontroverstheologen galt die Monarchie als eine rein menschliche Einrichtung, die sich letztlich der Beauftragung der Könige durch das Volk verdanke. Jakob wiederum sah die beanspruchte päpstliche Vormachtstellung in der Kirche und die daraus abgeleitete Aufsichtsfunktion über die Könige als Usurpation weltlicher Herrschaftsrechte. In den folgenden Jahren fanden diese Argumente auf beiden Seiten zahlreich Verwendung, da Jakob es in dieser Angelegenheit nicht bei eigenen Beiträgen bewenden ließ, sondern sich der Unterstützung zahlreicher Geistlicher versicherte. Er beauftragte 1608 Lancelot Andrewes mit der Aufgabe, die Legitimität des Eides ebenso wie die Stiftung der Königsherrschaft direkt von Gott darzulegen; viele weitere Theologen machten es ihm nach, unter ihnen einige Hofkapläne des Königs.233 Dieses Engagement förderte Jakob I. noch zusätzlich dadurch, daß er 1609 unter der Leitung seines calvinistischen Hofkaplans Matthew Sutcliffe das King James’s College in Chelsea ins Leben rief, deren Mitglieder sich vor allem anderen der Kontroverse mit den katholischen Theologen widmen sollten.234 Ferner gab es mehrere Traktate von englischen Katholiken, die den Eid als rechtmäßig erklärten und sich damit der päpstlichen Auffassung widersetzten.235 Schließlich erhielt Jakob I. in dieser Debatte auch Beistand von auswärtigen Gelehrten und Theologen, unter ihnen William Barclay, Isaac Casaubon und Pierre du Moulin.236 Den Verlauf der Debatte über den oath of allegiance hat bereits Johann Sommerville minutiös nachgezeichnet, es bedarf daher an dieser Stelle keiner Wieder-

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Lancelot Andrewes, Tortura Torti, sive ad Matthaei [i. e. Bellarmin] Torti librum responsio, London 1609; William Barlow, An Answer to a Catholike English-Man, London 1609; George Carleton, Iurisdiction Regall, Episcopall, Papal, wherein is Declared, how the Pope hath Intruded upon the Iurisdiction of Temporall Princes, and of the Church, London 1610; Thomas Ireland, The Oath of Allegiance Defended by a Sermon Preached at a Synode in the Metropoliticall Church of York, London 1610; Robert Burhill, De Potestate Regia, et Usurpatione Papali pro Tortura Torti, Oxford 1613. D. E. Kennedy, King James I’s College of Controversial Divinity at Chelsea, in: Ders. (Hrsg.), Grounds of Controversy. Three Studies of Late 16th and Early 17th Century English Polemics, Melbourne 1989, S. 97–119; ferner Milton, Catholic and Reformed, S. 32–35. Richard Sheldon, Certain General Reasons, Proving the Lawfulnesse of the Oath of Allegiance, London 1611; William Warmington, A Moderate Defence of the Oath of Allegiance, London 1612; Edward Forsett, A Defence of the Right of Kings, wherein the Power of the Papacie over Princes, is Refuted, and the Oath of Allegiance Justified, London 1624. Sheldon konvertierte 1612 zur englischen Kirche und stellte sich fortan in den Dienst der Kontroverse mit der römischen Kirche; vgl. ders., The Motives of R. Sheldon for his Iust, Voluntary and Free Renouncing of Communion with the Bishop of Rome, Paul V. and his Church, London 1612. William Barclay, De Potestate Papae, 1609 (auf englisch: Of the Authoritie of the Pope, London 1612); Pierre du Moulin, Nouveauté du Papisme, 3. Aufl. Genf 1633; Jean Bédé de la Gormandière, Jus Regum, or, a Defence of the Regall Power and Soveraigne Authoritie of Kings against the Usurped Claime of the Romish Sea over them, London 1614.

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holung.237 Dabei hat er zu Recht auf die paradigmatische Bedeutung der Debatte für das politische Denken in England hingewiesen. Die Argumente beider Seiten über den Charakter der Monarchie finden sich im englischen Bürgerkrieg in den Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern des Königs und den Fürsprechern des Long Parliament wieder.238 Zu diesem Befund läßt sich ferner hinzufügen, daß auch in Schottland die im Zusammenhang mit der Kontroverse um den oath of allegiance von zahlreichen Autoren vorgebrachte Position der obersten Autorität des Königs über die Kirche nicht unwidersprochen blieb.239 Die Vielzahl der Stimmen in der Debatte bescherte dieser nur wenig neue Argumente.240 Letztlich hatte Jakob mit seinen zwei Traktaten, der Triplici Nodo und der Praemonition, die Richtung bereits vorgegeben. Auch alle weiteren Fürsprecher des Königs griffen auf dieselben biblischen Argumente zurück, um das divine right of kings darzulegen und damit jegliche päpstliche Einflußnahme auf die Königsherrschaft zurückzuweisen. Ihre Aussagen speisten sich, wie bereits bei Jakob, aus drei unterschiedlichen Quellen: 1. Röm 13 definiert die unbedingte Gehorsamspflicht der Untertanen gegenüber ihrem König.241 Die Gehorsamspflicht gelte absolut und sei auch nicht an die Rechtgläubigkeit der Könige gebunden.242 2. Die historischen Schriften des Alten Testaments dokumentieren in Augen der Mitstreiter Jakobs zum einen den göttlichen Ursprung der Monarchie, zum anderen die Rolle des Königs als Beauftragter Gottes auf Erden und liefern ferner zahlreiche Beispiele für die Herrschaftsgewalt des Königs, die auch vor den Priestern nicht Halt machte und dem König selbst eine priesterähnliche Rolle zuwies.243 Das gleichfalls bereits in der Debatte um die Königsherrschaft etablierte Argument des Patriarchalismus und der von der Vaterrolle abgeleiteten politischen Herrschaftsgewalt spielten in der oath of allegiance-Debatte zunächst eine untergeordnete Rolle.244 3. Die Autoren weisen den päpstlichen Primat zurück, 237 238

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Johann Peter Sommerville, Jacobean Political Thought and the Controversy over the Oath of Allegiance, PhD Thesis Cambridge 1981. Sommerville, Jacobean Political Thought, Summary. Zur Zurückweisung des sakralen Charakters der Monarchie und der damit einhergehenden Vorstellung von der Unantastbarkeit des Königs s. o. Kap. II 2c. S. o. Kap. II 1b, Gillespies Argumentation gegen Marc Antonio de Dominis Traktat De republica ecclesiastica. Zu einem ähnlichen Ergebnis kommt Sommerville, Jacobean Political Thought, S. 64, der im Jahr 1610 die Argumente auf beiden Seiten voll etabliert sieht. Andrewes, Tortura Torti, S. 43; Warmington, A Moderate Defence, S. 50, 72. Andrewes, Tortura Torti, S. 157 f. Dabei nutzt Andrewes dieselben Beispiele wie Jakob: Nebukadnezar, den Pharao und Cyrus; Warmington, A Moderate Defence, S. 11; Ireland, The Oath of Allegiance, Fol. D1r–v. Andrewes, Tortura Torti, S. 91; Richard Crakanthorpe, A Sermon Solemnizing of the Happie Inauguration of our Most Gracious and Religious Souveraigne King James, London 1609, Fol. C4v; Edmund Richer, A Treatise of Ecclesiasticall and Politike Power, London 1612 (Übersetzung von De ecclesiastica et politica potestate), Fol. B4r–v. Für diese Variante hat sich der Bischof von Rochester John Buckeridge entschieden, der 1614 ein Traktat von nicht weniger als 1 400 Seiten vorlegte, um den päpstlichen Anspruch auf Absetzung von Königen zurückzuweisen; John Buckeridge, De Potestate Papae in rebus

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indem sie die papalistische Auslegung von Mt 16, 18 und die damit verknüpfte Beauftragung Petri als alleiniger Herr über die Kirche bestreiten. Darüber hinaus setzen einige Autoren den Papst mit dem Antichristen gleich, um die Unvereinbarkeit des päpstlichen Herrschaftsanspruchs sowohl in der Kirche als auch als Kontrollinstanz der regierenden Könige mit der christlichen Glaubenslehre zu unterstreichen.245 Eine etwas größere Bewegung in der Debatte läßt sich auf Seiten der katholischen Kontrahenten ausmachen, zumindest was das Arrangement ihrer Argumente angeht.246 Enthielten sich die ersten Antworten auf den oath of allegiance, also die beiden päpstlichen Breve und Bellarmins Schreiben an den Erzpriester Blackwell, noch weitgehend einer biblizistischen Argumentation, so änderte sich dies in den weiteren Beiträgen zur Kontroverse. Insbesondere der Jesuit Martin van der Beek machte es sich zur Aufgabe, die Schriftauslegung der protestantischen Fürsprecher eines divine right of kings nach den Spielregeln der Kontroverstheologie Punkt für Punkt zu widerlegen. Van der Beek bestritt Jakob und allen christlichen Königen die Möglichkeit, an die Tradition der alttestamentlichen Könige anknüpfen zu können. Deren Oberhoheit über die Priester hätten diese nicht als Könige, sondern als Propheten eingenommen: „simul prophetae aut Pontifices“.247 Diese Rolle bliebe ihnen aber nach dem Erscheinen Christi ausdrücklich verwehrt, die Proklamation einer priesterähnlichen Stellung der Könige käme einer Usurpation kirchlicher Autorität gleich. Schließlich sei Christus’ Auftrag „pasce oves meas“ (Joh 21,15–17) Petrus erteilt worden, nicht aber den Königen.248 Daher sei auch der seit Heinrich VIII.

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temporalibus, London 1614, S. 282, 531. Richard Tuck vermutet darüber hinaus, daß auch das erste Buch von Robert Filmers Patriarcha 1614 entstanden sei, dessen Patriarchalismus daher ebenfalls im Zusammenhang mit der oath-of-allegiance-Kontroverse einzuordnen sei. In der Tat sind seine Antipoden in den ersten Kapiteln vor allem Bellarmin und Suarez; Tuck, Philosophy, S. 262 f.; ferner ders., A New Date for Filmer’s Patriarcha, in: HJ 29 (1986), S. 183–186; zu Fragen der Datierung vgl. auch die knappe Zusammenstellung in Johann P. Sommerville, Sir Robert Filmer. Patriarcha and other Writings, Cambridge 1991, S. XXXII–XXXIV; und als Beispiel einer ausgesprochenen Spätdatierung vgl. John M. Wallace, The Date of Sir Robert Filmer’s ‚Patriarcha‘, in: HJ 23 (1980), S. 155–165. Es darf mittlerweile als gesichert gelten, daß Filmer sich 1632 um eine Drucklizenz für seine Patriarcha bemühte und Karl I. sich persönlich dagegen ausprach; vgl. Anthony B. Thompson, Licening the Press. The Career of G.R. Weckherlin during the Personal Rule of Charles I, in: HJ 41 (1998), S. 653–678. Andrewes, Tortura Torti, S. 180–188; Barlow, An Answer, S. 27–29; Warmington, A Moderate Defence, S. 18–20 (Zurückweisung eines weltlichen Herrschaftsanspruchs), S. 92 f.; ebenso Richer, A Treatise, S. 4; Thomas Morton, A Full Satisfaction Concerning a Double Romish Iniquitie, Hainous Rebellion, and more then Heathenish Aequivocation, London 1606, S. 2–4; Crakanthorpe, A Sermon, Fol. C2v–C3r. Vgl. hierzu jüngst Johann P. Sommerville, Papalist Political Thought and the Controversy over the Jacobean Oath of Allegiance, in: Ethan H. Shagan (Hrsg.), Catholics and the Protestant ‚Nation‘. Religious Politics and Identity in Early Modern England, Manchester 2005, S. 162–184. Martino Becano, Refutatio Torturae Torti seu contra Sacellanum Regis Angliae, Mainz 1610, S. 11. Becano, Refutatio, S. 13 f.

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beanspruchte Primat des Königs, der von manchen auch als Suprematie bezeichnet werde, eine Neuerung und letztlich eine Usurpation originär geistlicher Vorrechte.249 Van der Beek gibt sich außerdem alle Mühe, das alttestamentliche Priestertum als Präfiguration des Papstes direkt von Gott herzuleiten und die Königsherrschaft allein auf die Beauftragung durch das Volk zurückzuführen. Aaron sei zweifelsohne von Gott selbst auserwählt worden, während es die Ältesten Israels als Repräsentanten des Volkes waren, die Samuel zur Ernennung eines Monarchen aufforderten, was zur Inthronisation Sauls als erster König führte (1 Sam 8,4).250 Aaron sei darüber hinaus 400 Jahre vor Saul in sein Amt gelangt, das Priesteramt daher älteren Ursprungs als das Königsamt. Auch könnten nur die Priester des Alten Testaments ausnahmslos eine Salbung für sich in Anspruch nehmen, während dies nur bei manchen Königen ausdrücklich in der Heiligen Schrift bezeugt sei, bei anderen hingegen nicht.251 Diese Punkte führen van der Beek zu seinem Fazit, daß auch im Alten Testament der König unter dem Hohepriester rangiere.252 Eine solche Deutung hat auch Konsequenzen für die Frage, ob der Papst Könige von ihrem Amt absetzen dürfe oder nicht. Van der Beek findet auch hierfür im Alten Testament Beispiele, die dieses Recht des Papstes – übertragen auf die Hohenpriester – ausdrücklich untermauern. Dabei holt er weit aus und vermag bereits aus der Tatsache, daß Priestern in Levitikus das Recht zuerkannt wird, Aussätzige als unrein zu erklären (Lev 13,2 und 44), ein Recht auf Herrscherabsetzung erkennen.253 Ein weiteres von van der Beek angeführtes Beispiel ist die Absetzung der Herrscherin Ataljas durch den Priester Jojada (2 Kön 11).254 Aber auch das Volk dürfe Könige absetzen, wie van der Beek mit Blick auf die Königsgeschichte Israels ausdrücklich hervorhebt. Dies sei sowohl bei tyrannischen Herrschern geschehen als auch bei Götzendienern auf dem Thron.255 Van der Beeks Traktate sind ein Beispiel dafür, daß keine Konfession den Biblizismus für sich als politische Sprache monopolisieren konnte. Zwar waren seine Argumente allesamt deckungsgleich mit der von der Kurie selbst und insbesondere vom Jesuitenorden propagierten politischen Lehre und bestanden in nichts anderem als einer Wiederholung der Aussagen Robert Bellarmins.256 Originell 249

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Martino Becano, Dissidium Anglicanum de Primatu Regis, cum brevi praefatione ad Catholicos in Anglia gegentes, Mainz 1612, S. 8–12; Ders., Controversia Anglicana, de Potestate Regis et Pontificis, Mainz 1612, S. 14: „quae olim a Regibus Hebraeorum legitime usurpata sit.“ Becano, Controversia Anglicana, S. 18 f. Ebd., S. 25 f. Ebd., S. 70. Ebenso auch ders., De Pontifice Veteris Testamenti, et de Comparatione illius cum Rege, Mainz 1612. Becano, Controversia Anglicana, S. 115. Ebd., S. 121. Ebd., S. 123. Vgl. hierzu zusammenfassend Harro Höpfl, Jesuit Political Thought. The Society of Jesus and the State 1540–1630, Cambridge 2004.

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war allerdings sein Bestreben, diese Argumente fast ausschließlich auf Stellen der Heiligen Schrift zu gründen und damit dem wiederholt unter anderem von Jakob I. vorgetragenen Vorwurf zu begegnen, der päpstliche Primat sowie die Lehre von der Absetzung regierender Könige durch den Papst fände keinerlei Rückhalt in der Heiligen Schrift. Sofern es dabei um die Zurückweisung der königlichen Aufsichtsgewalt über die Kirche ging, finden sich bei ihm dieselben biblischen Beispiele und Deutungsmuster wie bei den schottischen Presbyterianern Andrew und James Melville, die sich ebenfalls als lautstarke Kritiker einer königlichen Suprematiegewalt in der Kirche profilierten.257 Die langanhaltende Debatte über den oath of allegiance, die Legitimation der Königsherrschaft, das Widerstandsrecht und die potestas indirecta des Papstes zur Absetzung regierender Könige, gewann in ihrem Verlauf einen zunehmend gesamteuropäischen Charakter.258 Insbesondere in Frankreich war das Interesse an der Debatte groß: Nach zwei von katholischen Attentätern ermordeten Königen in Folge war die Immunisierung des Königs gegen religiös motivierte Angriffe ein vordringliches politisches Ziel. Die Sakralisierung der Person des Königs erschien den Anwälten der Krongewalt als ein gebotenes Mittel. Auf der Sitzung der Generalstände im Jahr 1614 versuchte der Dritte Stand daher die königliche Autorität durch einen Treueeid auf den minderjährigen König Ludwig XIII. zu stärken, mit dem die unbedingte Loyalität zum König bekräftigt und zugleich jegliche Rechtsansprüche des Papstes auf eine Herrscherabsetzung zurückgewiesen werden sollten. Hierbei dürfte der oath of allegiance als Vorbild fungiert haben. Dieser Treueeid scheiterte jedoch am Einspruch des französischen Klerus, wobei die Rede des Kardinals Jacques Davy du Perron vor den Vertretern des Dritten Standes eine entscheidende Rolle gespielt haben dürfte. Diese Rede ging nur wenig später in Druck und war damit ein weiterer öffentlicher Sprechakt eines prominenten katholischen Geistlichen gegen die Unantastbarkeit der Könige und ein Beweis für die Schwäche der französischen Krone unter der Regentin Maria di Medici.259 Für Jakob I. boten die Rede und Schrift du Perrons eine weitere Gelegenheit, seinerseits öffentlich das Wort zu ergreifen und einer allgemeinen, konfessionsübergreifenden Solidarität der gekrönten Häupter Europas gegen jeglichen Herrschaftsanspruch des Papstes das Wort zu reden. 257 258

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S. o. Kap. III 2. Hierzu zählte auch eine Kontroverse um die Frage, inwiefern Jakob I. sich als katholischer Monarch verstehen könne oder nicht; Jacques Davy du Perron, A Letter Written from Paris, by the Lord Cardinall of Perron, to Monsr. Casaubon in England, Saint Omer 1612; Isaac Casaubon, The Answer of Master Isaac Casaubon to the Epistle of the Most Reverend Cardinall Perron, London 1612; Jacques Davy du Perron, The Reply of the Most Illustrious Cardinal of Perron, to the Answere of the Most Excellent King of Great Britaine, Douai 1630. Du Perrons Rede wurde nach dem Erscheinen von Jakobs Traktat schnell auch auf englisch der Öffentlichkeit vorgelegt; Jacques Davy du Perron, An Oration Made to the Part of the Lordes Spirituall in the Chamber of the Third Estate (or Communality) of France, upon the Oath (Pretended of Allegiance) Exhibited in the Late Generall Assembly of the Three Estates of that Kingdom, Saint-Omer 1616; vgl. ferner Milton, Catholic and Reformed, S. 221 f.

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Jakob I. bediente sich in seinem zunächst in französisch erschienenen Traktat der bereits in der oath of allegiance-Debatte entwickelten Argumente, um die Unabhängigkeit und Unantastbarkeit regierender Monarchen einmal mehr unter Beweis zu stellen.260 Falls Könige nur solange ihrer Herrschaft sicher seien könnten, so Jakob, bis sie die Päpste nicht zu Häretikern erklärten und ihre Absetzung forderten, wären sie ständig vom Verlust ihrer Herrschaft bedroht.261 Auch du Perrons konzedierende Einschränkung, daß eine Absetzung des Königs nicht allein auf Geheiß des Papstes erfolgen könne, sondern hierzu auch die Zustimmung des Volkes vonnöten sei, ist Jakob kein Trost. Vielmehr kommt es ihm darauf an, die Könige vor einer Absetzung nicht nur durch den Papst, sondern auch durch das Volk zu bewahren.262 Jakobs Traktat speiste sich im Unterschied zu seinen früheren Schriften zur Legitimation der Königsherrschaft weniger aus Quellen der Heiligen Schrift als vielmehr aus langen Exkursen über die Kirchengeschichte. Er suchte zu beweisen, daß der päpstliche Herrschaftsanspruch im weltlichen Bereich und insbesondere der Anspruch auf Herrscherabsetzung erst jüngeren Datums sei und sich z. B. in der Haltung des römischen Bischofs zu Kaiser Julian Apostata noch nicht erkennen lasse.263 Schriftstellen werden von Jakob nur aufgegriffen, um deren Auslegung durch du Perron zu widerlegen. So weist er dessen Argument zurück, daß der Prophet Samuel König Saul für dessen Mißachtung der Befehle Gottes abgesetzt habe (1 Sam 15); dieser habe sein Herrscheramt vielmehr bis zu seinem Tode innegehabt. Dies zeige sich auch am Verhalten Davids, der zweimal darauf verzichtete, den König gefangenzunehmen oder zu töten, da dieser der Gesalbte des Herrn sei. Sauls Verdammnis durch Gott sei durchaus vergleichbar mit einer Exkommunikation, so Jakob, doch habe sie eben keinen Verlust des Herrscheramtes nach sich gezogen.264 In diesem Sinne greift er auch andere von du Perron angeführte biblische Paradestellen der Debatte um das Widerstandsrecht auf: Der Prophet Elias habe König Ahab aufgrund dessen Götzendienstes zwar den Untergang vorhergesagt, ihn aber nicht seiner Herrschaft entkleidet (1 Kön 19). Der Hohepriester Asarija habe zwar König Usija davon abzuhalten versucht, den innersten Tempelbereich zu betreten und dort rituelle Handlungen zu vollziehen, die nur geweihten Priestern vorbehalten seien. Aber auch dieser König wurde vom Priester nicht von seiner Herrschaft entbunden, sondern von Gott mit Aus-

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Declaration du serenissime Roy Iaques I. Roy de la Grand’ Bretaigne France et Irlande, defenseur de la foy Pour le droit des rois & independance de leurs couronnes, contre la harangue de l’illustrissime Cardinal de Perron prononcée en la chambre du tiers Estat le XV. de Ianuier 1615, London 1615. Unter dem englischen Titel findet sich diese Schrift in seiner Werkausgabe; Jakob I, A Remonstrance for the Right of Kings, and the Independance of their Crownes, against an Oration of the most Illustrious Cardinall of Perron, in: Jakob I., Workes, S. 392–484. Ebd., S. 425. Ebd., S. 424. Ebd., S. 434 f. Ebd., S. 429.

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satz bestraft, weshalb sich der König aus der menschlichen Gesellschaft zurückzog, ohne aber dabei sein Amt einzubüßen (2 Chr 26).265 Die Handlung des Hohepriesters Mattathias gegen Antiochus tauge erst recht nicht als Vorbild, da es sich beim Makkabäeraufstand in Jakobs Augen nicht um ein legitimes Vorgehen des Volkes Israel handelte, sondern um Verschwörung und Rebellion. Um dagegen die Gehorsamspflicht aller Untertanen zum unbedingten Gehorsam gegenüber der Königsgewalt zu untermauern, begnügte sich Jakob in diesem Traktat mit der klassischen Stelle Röm 13, die er als dauerhaft gültiges Gesetz Gottes auslegt und hierbei keinerlei Ausnahmen gelten läßt.266 b) Die Debatte in England Die bislang unter der Überschrift divine right of kings untersuchten Sprechakte standen zum einen im Zusammenhang mit der Erbfolge Jakobs als legitimer englischer Thronfolger sowie die Legitimität der Erbmonarchie allgemein, die insbesondere in Frankreich aufgrund des dort herrschenden Religionskriegs in der Diskussion stand, zum anderen im Zusammenhang mit der Debatte um den oath of allegiance, die ebenfalls in Frankreich auf Resonanz stieß. Die Stellungnahmen zur Verteidigung der Erbmonarchie und der Unantastbarkeit von Monarchen waren insbesondere nach außen gerichtet und betteten sich in einen europäischen Debattenkontext ein. Zur gleichen Zeit gab es aber auch Appelle, die sich an das englische Publikum richteten. Insbesondere Predigten waren unter Jakob I. ein bevorzugtes Instrument königlicher Imagepolitik. Sofern diese Predigten in Druck gingen, waren sie das vielleicht einflußreichste Mittel zur Propagierung politischer Botschaften in der Öffentlichkeit.267 Dabei waren die politischen Anlässe zu landesweiten Predigten über die Monarchie und den regierenden Monarchen Jakob I. in zwei von drei Fällen verknüpft mit der Erinnerung an Attentatsversuche gegen den König: Jedes Jahr fanden anläßlich Jakobs englischer Thronbesteigung ebenso Gedenkpredigten statt wie anläßlich seiner Errettung von der Gowrie Conspiracy (1600) sowie der Pulververschwörung (1605).268 Alle drei Anlässe boten gleichermaßen Gelegenheit, sowohl die besondere Nähe Jakobs I. persönlich als auch des Königsamtes allgemein zu Gott herauszustellen und mit den Mitteln des Biblizismus zu untermauern. William Barlows Predigt in Paul’s Cross am 10. November 1605, nur fünf Tage nach der Aufdeckung der Verschwörung, war eine der ersten Stellungnah-

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Ebd., S. 430. Ebd., S. 431 f. Ferrell, Government by Polemic, S. 10 f. Zum Festcharakter insbesondere der Erinnerung an den Gunpowder Plot vgl. David Cressy, Bonfires and Bells. National Memory and the Protestant Calendar in Elizabethan and Stuart England, Berkeley 1989; Mary Morrissey, Presenting James VI and I to the Public. Preaching on Political Anniversaries at Paul’s Cross, in: Houlbrooke (Hrsg.), James VI and I, S. 107–121.

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men hierzu von der Kanzel und lieferte für die zahlreichen kommenden Predigten zu diesem Ereignis mehrere paradigmatische Bausteine. Hierzu zählt zum einen die besondere göttliche Vorsehung König Jakobs I., die dieser selbst nur einen Tag zuvor in seiner Rede vor dem englischen Parlament ebenfalls herausstellte.269 Zum anderen war der Hinweis auf die besondere Heiligkeit des Königs als Gesalbter des Herrn ein wiederkehrendes Element. Barlows Predigt kreiste um Ps 18, ein Dankespsalm Davids anläßlich seiner Errettung und seines Sieges, der mit den Worten endete: „Darum will ich dir danken, Herr, unter den Heiden und deinem Namen lobsingen, der seinem Könige großes Heil gibt/ und Gnade erweist seinem Gesalbten, David, und seinem Hause ewiglich“ (Ps 18, 50). Die Salbung enthob die Könige aus der rein irdischen Sphäre und stattete sie mit heiligen Qualitäten aus, wie Barlow eigens betonte.270 Diese Teilhabe der Könige an der Heiligkeit Gottes unterstrich die göttliche Qualität ihres Herrscheramtes und machte aus jedem Akt des Widerstandes zugleich einen Angriff auf die von Gott eingerichtete und sanktionierte Ordnung. Wurden die Befürworter des divine right of kings in der staatsrechtlichen Debatte um die Königsherrschaft nicht müde, den göttlichen Gründungsakt der Monarchie zu betonen, so korrespondierte damit die Betonung der Heiligkeit des Königs von Seiten einiger Theologen. Vor allem aber zeichneten sich zahlreiche Predigten anläßlich der Jahrestage der gescheiterten Anschlagsversuche gegen König Jakob dadurch aus, daß sie sich gleichermaßen gegen katholische wie radikalprotestantische Kritiker der Königsherrschaft richteten, worauf insbesondere Lori Anne Ferell zurecht aufmerksam gemacht hat.271 Bereits die beiden Gedenktage – gegen die schottische Gowrieverschwörung einerseits und die Pulververschwörung andererseits – sorgten für eine Balance der Vorwürfe gegen protestantische und katholische Kritiker der Monarchie gleichermaßen. Barlow vergaß auch in seiner Predigt über die Pulververschwörung nicht, unter diejenigen, die im Begriff seien, sich am Gesalbten des Herrn zu vergreifen und damit ein Sakrileg zu begehen, auch John Knox und George Buchanan zu zählen und darüber hinaus die Befürworter einer weiteren Kirchenreform gleichfalls in die Kritik mit einzuschließen.272 Damit brandmarkte Barlow nicht nur Attentatsversuche gegen den König und die Befürwortung des Widerstandsrechts als Sakrileg, sondern in letzter Konsequenz jegliche Kritik an der bestehenden Kirchenverfassung. In einer Serie von Predigten vor dem König und seinem Hofstaat zum Jahrestag der Pulververschwörung unternahm es der Bischof von Ely, Lancelot Andrewes, den König gegen Angriffe auf seine Herrschaft unter Bezug auf die Wahrheit Gottes zu immunisieren. Von 1609 bis 1622 blieb zu diesem Jahrestag die Kanzel 269 270 271 272

William Barlow, The Sermon Preached at Paules Crosse the Tenth Day of November, London 1606, Fol. C1r–C2v. Ebd., Fol. E3r–E4r: „this Word Anointed, which makes a King a Sacred Person“. Ferrell, Government by Polemic, S. 1–27. Barlow, The Sermon, Fol. E4r.

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in der Kapelle in Whitehall für Andrewes’ Predigten reserviert.273 In seiner Predigt im Jahr 1609 führte er seinen Zuhörern das Beispiel Christi vor Augen.274 Nachdem die Samariter sich weigerten, ihm und seinen Jüngern auf ihrem Weg nach Jerusalem Unterkunft zu gewähren und zwei Jünger daraufhin vorschlugen, den Samaritern die Vernichtung durch himmlisches Feuer anzudrohen, wies Jesus dieses Ansinnen zurück mit den Worten: „Wißt ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid? Der Menschensohn ist nicht gekommen, das Leben der Menschen zu vernichten, sondern zu erhalten“ (Lk 9,55). Andrewes deutete diese Stelle als Absage jeglicher Gewalt im Namen der Religion. Er erhob das Verhalten Christi zum normativen Exempel für alle Christen und verdammte vor diesem Hintergrund nicht nur die Absichten der Pulververschwörer als unchristlich, sondern verurteilte letztlich alle Lehren, die sich im Namen Gottes den gewaltsamen Kampf gegen Ungläubige und Häretiker auf ihre Fahnen geschrieben hatten. Damit hat er aber nicht nur einem auf interkonfessionelle Versöhnung ausgerichteten Kurs der englischen Kirche das Wort geredet, was zugleich, wie Ferell betonte, eine Abgrenzung gegen alle entschiedenen Calvinisten war, für die der Kampf gegen den Antichristen einen unverzichtbaren Bestandteil ihrer Treue zur lex dei darstellte.275 Er entzog mit dieser Auslegung auch allen religiösen Argumenten den Boden, mit denen ein Widerstandsrecht gegen regierende Könige legitimiert werden sollte. Die Ermordung des französischen Königs Heinrich IV. am 14. Mai 1610 rief die Verletzbarkeit der Könige einmal mehr in Erinnerung und veranlaßte Lancelot Andrewes bei seiner Predigt am 5. August anläßlich des Jahrestages der Gowrie Conspiracy, ein weiters Mal die besondere Unantastbarkeit der Könige zu betonen.276 Die Predigt erschien alsbald auch in gedruckter Form in der Öffentlichkeit und stammte aus der königlichen Druckerpresse, womit sie gleichsam die Auffassung des Königs selbst wiedergab. Der Bischof von Ely griff dabei auf eine Bibelstelle zurück, die für die Idee des sakralen Königtums von zentraler Bedeutung war: „Touch not mine anoited“ (1 Chr 16,22). Diese Weisung Gottes erging zur Zeit Abrahams und Jakobs an die Könige der Völker Kanaans, damit sie den Anführern des in Kanaan umherziehenden Volkes Israel kein Leid zufügten. Andrewes sieht in dieser Weisung eine Bestimmung des Naturrechts und versteht sie daher als dauerhaft gültiges Gesetz Gottes, das die Unantastbarkeit aller Könige für alle Zeiten festschreibt.277 Zu dieser Aussage gelangt er, da er die Könige in die Tradition der Patriarchen einreiht und Abraham und seine Nachfolger als „princes in their generation“ ansieht.278 In ihnen vereinigten sich „fatherhood 273 274 275 276 277 278

McCullough, Sermons at Court, S. 119–121. J. P. Wilson/J. Bliss (Hrsg.): The Works of Lancelot Andewes, 11 Bde., Oxford 1841–54, hier Bd. 4, S. 243. Ferrell, Government by Polemic, S. 104–106. Lancelot Andrewes, A Sermon Preached before His Maiestie on Sunday the Fifth of August Last at Holdenbie, London 1610, S. 49 f. Ebd., S. 4. Ebd., S. 11.

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and government“, Könige seien dann später an ihre Stelle getreten.279 Andrewes greift hier auf die Patriarchalgewalt als Ursprung der Königsgewalt zurück und sieht das Herrschaftsrecht der Könige damit als Teil des Naturrechts, ebenso wie die Weisung Gottes, sich nicht an den Gesalbten des Herrn zu vergreifen. Der Rückgriff auf das Naturrecht bietet Andrewes gleich mehrere Argumente zur Immunisierung des Königtums gegen Einflußnahme von außen. Da Gott die Patriarchen als Gesalbte des Herrn bezeichnete, konnte diese Eigenschaft nicht an das Ritual der Salbung geknüpft sein. Vielmehr besaßen die Patriarchen kraft ihrer Leitungsfunktion die Qualität von Gesalbten des Herrn.280 Daraus zieht Andrewes zugleich die politisch gewünschte Konsequenz, daß die Herren der Zeremonie der Salbung sich nicht als Schiedsrichter darüber aufschwingen dürften, wem die Salbung zustünde und wem nicht.281 Die Qualität eines Gesalbten des Herrn billigt Andrewes allen Königen gleichermaßen zu, unabhängig von ihrem Bekenntnis. Es handelt sich in seinen Augen nicht um eine persönliche Eigenschaft oder Auszeichnung, sondern um eine dem Königsamt innewohnende Qualität, die alle Amtsträger gleichmaßen für sich beanspruchen könnten: „sacred is the office, whereunto they designed, sacred the power wherewith they indued, sacred the persons whereto it applied“.282 Und aufgrund dieser herausgehobenen Amtsqualität gesteht Andrewes auch allen Königen gleichermaßen und bekenntnisunabhängig Christusähnlichkeit zu, da Christus neben den Königen der einzige sei, der in der Heiligen Schrift ebenfalls als Lord’s anointed bezeichnet wird.283 Dies muß auch Tyrannen wie dem Perserkönig Cyrus und dem ersten jüdischen König Saul zugestanden werden.284 Eine Grenze zieht Andrewes allein bei Herrschern, die den Thron usurpiert haben und nicht auf legitime Weise in ihr Amt gekommen sind, weshalb er Nimrod nicht als König und Gesalbten des Herrn ansieht, sondern als unrechtmäßigen Gewaltherrscher.285 Diese Einschränkung verdankt sich vermutlich nicht zuletzt der Erinnerung an den Einspruch Jakobs I. gegen die auf der Synode von 1606 formulierten Beschlüsse zur Königsherrschaft, in der die Legitimität einer Herrschaft im Sinne des Vorsehungsgedankens von seiner faktischen Existenz abgeleitet wurde. Diese Position macht sich Andrewes hier nicht zu eigen.286 Bestand an der Legitimität eines Herrschers kein Zweifel, so besaß er die Qualität eines Lord’s anointed unwiderruflich und für immer. Eine Königsherrschaft, die sich im weiteren Verlauf zu einer Tyrannenherrschaft entwickeln sollte, änderte nichts an der besonderen Qualität des Herrschers und der daraus resultierenden Unantastbarkeit. Jegliche Einschränkung dieser Qualität deutet An279 280 281 282 283 284 285 286

Ebd., S. 13. Ebd., S. 12. Ebd., S. 18 f. Ebd., S. 28. Ebd., S. 14–16 und 29 f. Ebd., S. 32. Ebd., S. 34. S. o. Kap. V 2.

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drewes als Angriff auf die Monarchie und auf die von Gott etablierte Herrschaftsordnung: „if he will not heare a Masse, no Catholicke, no Annoited. If after hee is anointed, hee grow defective (to speake in their owne language) prove a Tyrant, fall to favour Heretickes, his anointing may be wiped off, or scraped off, and then you may write a booke De iusta abdicatione, make a holy league touch him, or blow him up as ye list“.287 Für Andrewes war jeder Versuch, die Legitimität eines regierenden Königs an Bedingungen zu knüpfen, ein Verstoß gegen die göttliche Vorschrift, sich nicht am Gesalbten des Herrn zu vergreifen. Dies betraf auch despektierliche Sprechakte und Traktate, die der monarchischen Sphäre zu nahe kamen und auf diese Weise die Majestas des Königs beeinträchtigten.288 Andrewes ermahnte den Hofstaat Jakobs I. elf Jahre später erneut, nicht durch kritische Erörterung der Außenpolitik des Königs das Mysterium der Königsherrschaft zu gefährden, und rief hierfür dessen Unantastbarkeit in Erinnerung.289 Die mystische Qualität des Königtums war nicht nur Thema zahlreicher Predigten, sondern auch Gegenstand mehrerer Reden König Jakobs I. vor dem englischen Parlament.290 Insbesondere in seiner Rede am 21. März 1610 vor beiden Kammern bemühte er sich darum, seine Vorstellungen vom divine right of kings mit der im common law verankerten Rolle eines King-in-Parliament in Einklang zu bringen.291 Hierzu sah er sich veranlaßt, nachdem am 10. März der Bischof von Chichester, Samuel Harsnett, in Whitehall sein eigenes Verständnis vom divine right in seiner Predigt offenbarte: Könige hätten aufgrund ihrer ihnen von Gott verliehenen Herrschaft das Recht, Steuern nach eigenem Ermessen zu erheben, ohne hierfür notwendigerweise die Zustimmung des Parlaments einzuholen.292 Diese Predigt vor den Augen des Königs, gehalten von der Kanzel der Hofkapelle, war kein Auftakt, der die Kompromißbereitschaft der Parlamentsmitglieder förderte. Vielmehr ließ dieser Beginn bei manchen Abgeordneten Zweifel an Jakobs Bereitschaft aufkommen, sich an das englische common law und damit an die etablierte Verfassungsordnung in England halten zu wollen. Publikationen wie James Cowells Interpreter, die den König als „supra legem“ ansahen und damit über die Gesetze des Landes stellten, fachten diese Zweifel noch zusätzlich

287

288 289 290 291 292

Andrewes, A Sermon, S. 31 f. Das von Andrewes genannte Buch stammt aus der Feder von Jean Boucher, De iusta Henrici tertii abdicatione e Francorum regno, libri quattuor, Paris 1589. Andrewes Deutung der Königsherrschaft bezieht in der Tat eine Gegenposition zu Boucher, der den König rein weltlich legitimiert sieht und die Monarchie durch eine Translation der ursprünglich in der Hand des Volkes liegenden Herrschaftsgewalt ableitet; Boucher, De iusta abdicatione, Fol. 11v–12r. Andrewes, A Sermon, S. 46. S. u. Kap. VI 3a. S. o. Kap. V 4a. Jakob I, A Speech to the Lords and Commons of the Parliament at Whitehall, on Wednsday the XXI. Of March Anno 1609 [1610], in: Jakob I., Workes, S. 527–548. Sommerville, Royalists, S. 124; auch Jakob geht in seiner Rede auf diese Predigt ein; Jakob I., Workes, S. 529.

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an, auch wenn Jakob Cowells Publikation ausdrücklich seine Zustimmung versagt hatte.293 Der König entfaltete vor den Abgeordneten zunächst in aller Ausführlichkeit seine Auffassungen von der sakralen Qualität des Königtums. Er betonte die Rolle der Könige als „God’s Lieutenants upon earth“, die vom Thron Gottes aus regierten. Deren Herrschaftsgewalt sei daher mit derjenigen Gottes zu vergleichen: „they exercise a manner or resemblance of Divine power upon earth“.294 Er läßt seine Zuhörer auch nicht darüber im Unklaren, was er im einzelnen unter einer Gott ähnlichen Herrschaftsgewalt versteht: „they make and unmake their subiects: they have power of raising, and casting downe: of life, and of death: Iudges over all their subiects and in all causes, and yet accomptable to none but God onely.“295 Diese Aufzählung weckt durchaus Assoziationen zu Samuels Rede von den Folgen einer Königsherrschaft und dürfte schwerlich auf die Zustimmung aller Zuhörer gestoßen sein. Jakob milderte diese Beschreibung von der Königsherrschaft dadurch, daß er die monarchische Herrschaftsgewalt in abstracto unterschied von derjenigen in einem etablierten Königreich, in der sich eine Verfassungstradition ausgebildet habe und in Fundamentalgesetzen des Landes widerspiegele.296 In einer solchermaßen entwikkelten Monarchie binde sich der König selbst an die Gesetze des Landes, da er zum einen als König deren Garant sei, zum anderen deren Einhaltung im Krönungseid ausdrücklich geschworen habe.297 Sofern Könige gegen diesen Eid verstießen, verwandelten sie ihre Herrschaft in eine Tyrannei, die Gott nicht ungestraft lassen werde. Weder den Untertanen noch dem Parlament gibt Jakob allerdings irgendeine Handhabe, sollten sie sich in einer Tyrannenherrschaft wiederfinden. Ihnen bliebe nichts als die Hoffnung auf bessere Zeiten und die Erlösung durch Gott.298 An die persönliche Versicherung an die Mitglieder des Parlaments, stets die Gesetze Englands zu achten, fügte er aber zugleich eine Mahnung an: „That as to dispute what God may doe, is Blasphemie; […] So it is sedition in Subiects, to dispute what a King may do in the height of his power: But iust Kings wil ever declare what they wil do, if they wil not incurre the curse of God.“299 Auf vergleichbar doppelbödige Art bekräftigte Jakob das Recht des Parlaments, Beschwerden der Untertanen in gebührender Weise zu debattieren und dem König vorzutragen, sich dabei aber nicht in den Kern der Regierungsgeschäfte einzumischen oder den König zu belehren: „I must not be tought my Office“.300 293 294 295 296

297 298 299 300

Ebd., S. 528. Ebd., S. 529. Ebd., S. 529. Ebd., S. 529 f. Zu dieser Unterscheidung und ihrer Tradition vgl. auch Francis Oakley, Jacobean Political Theology. The Absolute and Ordinary Powers of the King, in: Journal of the History of Ideas 29 (1968), S. 323–346. Jakob I., Workes, S. 530. Ebd., S. 531. Ebd., S. 531. Ebd., S. 536 f.

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War es Jakob mit dieser Rede gelungen, die Zweifel unter den versammelten Abgeordneten zu zerstreuen, oder hatte er eher Öl ins Feuer gegossen? Die Resonanz der Parlamentsmitglieder war positiv: Sie hielten Jakobs Rede für ein klares Bekenntnis zur etablierten Herrschaftspraxis des King-in-Parliament und zum common law als Richtschnur für das politische Handeln. Auch Abgeordnete nachfolgender Parlamente zitierten Jakobs Rede zustimmend, insbesondere dessen Unterscheidung zwischen einer Herrschaft des Königs getreu den Gesetzen des Landes und einer Tyrannenherrschaft, die diese Gesetze mißachte.301 Diese Unterscheidung machte sich auch John Locke in seinen Two Treatises of Government zu eigen, der sich dabei ausdrücklich auf Jakobs Rede bezog.302 Damit ist der Nachweis erbracht, wie diese Rede in ihrer Zeit überwiegend verstanden wurde, oder besser, welchen Gebrauch zahlreiche Abgeordnete und Autoren von ihr machten, um sich zur Untermauerung ihrer politischen Auffassung der Autorität Jakobs I. zu bedienen. Die Forschung ist sich jedoch weiterhin uneins darüber, welche Intention und welche politische Haltung des Königs sich hinter seinen Worten verbergen. War es nur eine versöhnliche Geste des Königs, um die Beratungen im Parlament nicht zu gefährden, wie Johann Sommerville annimmt?303 Dokumentiert diese Rede eine politische Neuerfindung Jakobs I., der mit ihr demonstrativ Abschied nahm von seinen in den True Lawe of Free Monarchies geäußerten Vorstellungen einer freien Monarchie und sich nun bereiterklärte, sich mit der durch Gesetze des Landes eingeschränkten Königsherrschaft in England begnügen zu wollen, wie Paul Christianson unterstellt?304 Oder war diese Rede ein „appeal to consensus“, die die gemeinsame Weltanschauung von König und Abgeordneten offenlegte, und zwar sowohl in ihren Ausführungen zum divine right of kings als auch in ihrem Bekenntnis zur Verbindlichkeit des common law für die Regierungspraxis des Königs, wie Glenn Burgess vermutet?305 Von diesen drei Deutungen vermag Christiansons Auffassung am wenigsten zu überzeugen. Ein Vergleich der Rede Jakobs im Jahr 1610 mit den True Lawe of Free Monarchies läßt nicht fundamentale Unterschiede erkennen, sondern Gemeinsamkeiten. Zum einen wird die von Gott allein etablierte Königsherrschaft bekräftigt, zum zweiten jegliche Möglichkeit zurückgewiesen, den König in seiner Herrschaftsausübung zu beschränken bzw. nachträglich hierfür zur Verantwortung zu ziehen. Nur Gott steht als richtende Instanz bereit, sollte der König gegen Bestimmungen seines Krönungseids verstoßen. In all diesen Dingen ist Jakobs Rede vor dem Parlament nichts anderes als eine Wiederholung der Aussagen seines Traktats. 301 302 303 304 305

Sommerville, Royalists, S. 125. John Locke, Two Treatises of Government, hrsg. v. Peter Laslett, 2. Aufl. Cambridge 1970, II, § 200, S. 417 f. Sommerville, Royalists, S. 125 f. Christianson, Royal and Parliamentary Voices. Burgess, Politics of the Ancient Constitution, S. 148; vgl. auch ders., Absolute Monarchy, S. 40–43.

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Welche Bedeutung hat darüber hinaus das Bekenntnis des Königs, die Gesetze Englands zu respektieren? Hier ist meines Erachtens die genaue Formulierung ausschlaggebend, die Jakobs rhetorisches Geschick offenbart, zugleich aber auch einige Zweifel daran weckt, ob er und seine Zuhörer wirklich gleicher Auffassung darüber waren, wie weit der Arm des Königs in England reichen könne, wie Burgess unterstellt. Jakob spricht vor dem Parlament nicht davon, daß Könige an Gesetze gebunden seien, sondern daß sie, wollten sie nicht als Tyrannen regieren, bereit seien, sich selbst ihren Gesetzen zu unterwerfen: „to bound themselves within the limits of their Lawes“.306 Es handelt sich bei diesen Worten um eine Absichtserklärung, nicht um eine verbindliche Rechtsverpflichtung. Das Parlament habe dem König zu vertrauen, einfordern könne es hingegen nichts, so die Botschaft des Königs, verpackt in warme Worte zur Verfassungstradition in England. Jakob I. hat das Parlament dabei nicht hinters Licht geführt. Sein Regierungshandeln gibt tatsächlich keinerlei Hinweise darauf, daß er jemals danach getrachtet hätte, die etablierte Herrschaftsform des King-in-Parliament in Frage zu stellen. Es bleibt aber äußerst fraglich, ob es den Abgeordneten des Parlaments genügte, ihre politischen Mitspracherechte allein der guten Absicht ihrer Monarchen zu verdanken, nicht aber auf klare, notfalls auch einforderbare Rechte zu gründen, deren Verletzung auch die Legitimität des Königs in Frage stellte.307 Sollten die Mitglieder des Parlaments der letzteren Auffassung eher zugeneigt gewesen sein, läßt sich die Rede nur schwerlich als Beschwörung eines Konsenses zwischen den Abgeordneten und dem König auffassen. Eher war sie ein eindrucksvoller politischer Sprechakt des Königs, mit dem er sein Einverständnis mit dem Parlament über die englische Verfassungsordnung inszenierte, ohne dabei die eigene Auffassung von den im göttlichen Recht sowie im Naturrecht verankerten Herrschaftsrechten des Königs aufgeben zu müssen. c) Jakobs exegetische Schriften II Die Rede vom divine right of kings und dem König als Gesalbten des Herrn wurde von Inszenierungen begleitet, die gleichfalls die Königsherrschaft Jakobs I. mit der Sphäre des Göttlichen in Zusammenhang brachten. Dabei dürfte kaum eine Maßnahme der Imagepolitik Jakobs I. so nachhaltige Folgen gehabt haben wie sein Entschluß während der Hampton Court Konferenz im Januar 1604, eine neue Bibelübersetzung ins Englische in Auftrag zu geben. Der Vorschlag wurde auf der Konferenz von John Reynolds vorgetragen, einem der wenigen „Puritaner“, die bei dieser Konferenz zugegen waren. Die Bischöfe reagierten zögerlich, Jakob griff jedoch diesen Vorschlag beherzt auf und verknüpfte ihn mit einem eigenen Anliegen. 306 307

Jakob I., Workes, S. 531. Dieser Dissens bricht im Parlament des Jahres 1621 wieder auf, als die Freiheit der Rede im Parlament als Recht der Abgeordneten bzw. als vom König zuerkannte und damit jederzeit reversible Gnade zur Debatte stand. Der Verlauf dieser Auseinandersetzung läßt einen Konsens aller Beteiligten nur schwer erkennen; vgl. Colclough, Freedom of Speech, S. 168–185.

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Er sah darin die Chance, die Geneva Bible als bis dahin meistgelesene Bibel in englischer Sprache abzulösen. Die Geneva Bible mißfiel ihm, da er deren interpretierende Fußnoten für „very partiall, untrue, seditious“ erklärte, die „daungerous, and trayterous conceipts“ enthielten.308 Es waren also wesentlich die mit den Fußnoten der Geneva Bible mitgelieferte politische Botschaft und die in ihr enthaltenen Aussagen zur Königsherrschaft, gegen die sich Jakobs Unmut richtete. Von einer neuen Übersetzung dürfte sich der König nicht zuletzt erhofft haben, daß sie das divine right of kings auf besonders öffentlichkeitswirksame Weise zum Ausdruck brachte. Jakob I. trieb das Unternehmen der neuen Bibelübersetzung daher auch gegen die zunächst zögerliche Hinhaltetaktik seiner Bischöfe voran.309 Sechs Gelehrtengruppen bekamen die Aufgabe zugewiesen, die bisher vorliegenden Übersetzungen mit den Urtexten zu vergleichen und, falls notwendig, eine bessere Version vorzulegen.310 Damit sollte statt der Vielfalt vorliegender Bibelübersetzungen in englischer Sprache eine einzige, vom König in Auftrag gegebene und autorisierte Übersetzung an die Stelle treten. Auch sollte anstelle einer in Fußnoten nachgewiesenen Variantenvielfalt möglicher Bedeutungen eine klare und eindeutige Botschaft das Erscheinungsbild der Bibel bestimmen.311 Das Ziel war nicht, die mitunter königskritischen Fußnoten der Geneva Bible durch monarchiefreundliche Deutungen zu ersetzen, sondern die Klarheit der Schrift auch dadurch zu dokumentieren, daß man sich jeglicher erklärender Fußnoten enthielt. Die göttliche Sendung des Königs trat in der 1611 der Öffentlichkeit vorgelegten neuen Bibelübersetzung gleichwohl auf vielfältige Weise zu Tage.312 So wies bereits der Titel selbst Jakob I. als Initiator des Unternehmens aus. Die beiden Paratexte – die Widmungsschrift an den König sowie das Vorwort der Übersetzer an die Leser – enthielten ebenfalls zahlreiche Verweise auf Jakobs spezifische Rolle als König ebenso wie als Verteidiger des wahren Glaubens und damit als erster Diener Gottes auf Erden. Die Übersetzer betonen in ihrer Widmung an den König dessen direkte Einsetzung durch Gott und weisen ihn aus als „sanctified person“.313 Sie erwähnen darüber hinaus die königliche Aufgabe als „nourcing Father“ der Kirche, der Jakob auf exzeptionelle Weise sowohl als Autor zahlrei308

309 310 311 312 313

Vgl. William Barlow, The Summe and Substance of the Conference at Hampton Court, London 1604, S. 46 f.; eine Diskussion dieser Aussagen Barlows findet sich in Daniell, The Bible, S. 432–435; zu der in den Fußnoten der Geneva Bible enthaltenen politischen Theologie s. o. Kap. III 1d. Stanley L. Greenslade (Hrsg.), The Cambridge History of the Bible, Bd. 3: The West from the Reformation to the Present Day, Cambridge 1963, S. 164. Hierzu ausführlich Adam Nicolson, Power and Glory. Jacobean England and the Making of the King James Bible, London 2003, Kap. 7–11. Vgl. R. Carroll/S. Prickett (Hrsg.), The Bible. Authorised King James Version, Oxford 1997, S. LXVII. Vgl. hierzu Rickard, Authorship and Authority, S. 133–137. The Holy Bible, Conteyning the Old Testament and the New. Newly translated out of the Originall Tongues: & with the Former Translations Diligently Compared and Revised, by his Maiesties Speciall Comandement, London 1611, Fol. A2r–v.

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cher gelehrter religiöser Traktate als auch durch seine Initiative bei der Neuübersetzung der Heiligen Schrift nachgekommen sei.314 Hier sei seine Rolle die des „principall mover and Author of the Worke“.315 Wie die englischen Könige Heinrich VIII. und Elisabeth I. versuchte auch Jakob I. die Bibel als Ressource für seine Königsherrschaft dienstbar zu machen. Wie seine Vorgänger ließ er sich in der Rolle desjenigen inszenieren, durch den die Untertanen in den Genuß der Heiligen Schrift und damit göttlicher Wahrheit gelangten. Ihm habe England „the opening and clearing of the word of God“ zu verdanken, verlautbarten die Übersetzer in ihrem Vorwort.316 Dabei tat Jakob alles, um den bisher vorhandenen Bibelübersetzungen nicht nur eine weitere hinzuzufügen, sondern diese zu ersetzen. Die King James Bible war die einzige, die auf königliche Anweisung gedruckt wurde, und auch die einzige, die nach 1611 im repräsentativen Folioformat erhältlich war. Zwar blieb die Geneva Bible bis in die Jahre des Bürgerkriegs weiterhin populär und wurde auch vom Drucker des Königs in mehreren neuen Auflagen zum Verkauf angeboten. Nur die neue Bibelübersetzung vereinigte aber königliche und göttliche Autorität gleichermaßen in sich. Die King James Bible legt auch davon Zeugnis ab, wie zwischen dem Wort Gottes und dem des Königs ein Verwandtschaftsverhältnis imaginiert werden sollte. Um beispielsweise zu begründen, weshalb die Heilige Schrift auch in ihrer englischen Übersetzung ebenso wie die Urschriften in Hebräisch und in Griechisch das Wort Gottes sei, bemühten die Übersetzer als Analogie die Rede König Jakobs I. vor dem Parlament, die auch in ihren existierenden Übersetzungen die Worte des Königs beinhaltete.317 Und während die Paratexte in der King James Bible in römischen Lettern gedruckt wurden, bediente man sich bei dem Bibeltext selbst gotischer Lettern und damit derjenigen Drucktype, in der auch die Royal Proclamations veröffentlicht wurden.318 In seinem äußeren Erscheinungsbild bekam das Wort Gottes damit das Aussehen königlicher Verlautbarungen verliehen. Fünf Jahre später erschien im Jahr 1616 eine vom Dekan der Hofkapelle, James Montagu, herausgegebene repräsentative Werkausgabe der Schriften Jakobs I., in der die zahlreichen Schriften des Königs, die er seit seinem Herrschaftsbeginn in Schottland geschrieben hatte, in einer repräsentativen Ausgabe erneut der Öffentlichkeit vorgelegt wurden. Dies war ein bis dahin nicht gekannter Vorgang: Kein König hatte vor Jakob I. seine Schriften zu Lebzeiten in einer Werkausgabe veröffentlichen lassen.319 Allein diese Form der Veröffentlichung sollte den hier zusammengestellten Schriften die Anmutung von Klassizität und immerwährender Autorität verleihen. Auch das äußere Erscheinungsbild dieser Werkausgabe dien314 315 316 317 318 319

Ebd., Fol. A2v. Ebd., Fol. A2v. Ebd., Fol. A4r. Ebd., Fol. A6v. Kevin Sharpe, Reading Revolutions. The Politics of Reading in Early Modern England, New Haven/London 2000, S. 51. Rickard, Authorship and Authority, S. 138.

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te dem Ziel, den König als Urheber dauerhafter Werte und Wahrheiten darzustellen. Formal war die Ausgabe in einer Art und Weise gestaltet, daß sie der King James Bible möglichst nahe kam: Beide Bücher waren in Folio erschienen, beide hatten sehr ähnliche Bilder auf ihrer Titelseite und beide stammten aus der Presse des königlichen Druckers Robert Barker (siehe Abb. 6 und 7).320 Das äußere Erscheinungsbild war dabei Programm: Soweit dies mit den Mitteln der Ausstattung möglich war, sollte Jakobs Schriften ein dem biblischen Text vergleichbarer Status zuerkannt und der König in die Nachfolge der biblischen Autoren gestellt werden. Wohl nicht zufällig schließt denn auch der erste Text von Jakobs Schriften, seine Paraphrase upon the Revelation of Apostle St. John, direkt an die letzte Schrift des Neuen Testaments an. Es handelt sich gewissermaßen um die Fortschreibung des Wortes Gottes. James Montagu gibt in seiner Einleitung weiteren Aufschluß über die Analogie zwischen dem König und Gott als Autor. Daß Jakobs Werke auf eine lange Entstehungszeit zurückblicken können und zahlreiche verschiedene Anlässe ihn zum Abfassen seiner Schriften bewogen haben, finde seine Entsprechung in der göttlichen Offenbarung, die sich ebenfalls zu unterschiedlichen Zeiten auf je unterschiedliche Weise vollzog.321 Auch die Frage, ob es Königen überhaupt gebührt, als Autoren von Texten öffentlich in Erscheinung zu treten, bejaht Montagu dadurch, daß er wiederum auf Gott verweist, der gewissermaßen als erster Autor überhaupt jedem Menschen sein Gesetz eingeschrieben habe: „And certainly from this little Library, that God hath erected within us, is the foundation of all our Learning layd“.322 Neben Gott könne sich Jakob in Montagus Augen aber auch auf Moses berufen, der nicht nur Priester und Prophet, sondern zugleich auch König über das Volk Israel war, auf die Könige David und Salomon ebenso wie auf den Propheten Samuel. All diesen Autoren, die Montagu als Referenz für König Jakobs eigene Werke anführt, war aber ein besonderer Umstand gemein: „All these were rather workes to manifest humane wisdome, then Divine knowledge“.323 Zwar führt Montagu im folgenden die Kette der schreibenden Könige fort bis zu Heinrich VIII., Eduard VI. und Elisabeth I. – doch läßt er wenig Zweifel daran, daß auch Jakob in seinen Schriften mindestens ebenso „divine knowledge“ wie „humane wisdome“ vermittele.324 Dies zeigt sich auch in den einzelnen in der Ausgabe zusammengestellten Schriften selbst. Sie lassen sich gemeinsam einem Ziel zuordnen: der Selbstbeschreibung des Königs als „godly ruler“, als Theologe und Prophet.325 Jakob 320

321 322 323 324 325

Vgl. hierzu Ebd., S. 152–156; Kevin Sharpe, Foreword, in: Fischlin/Fortier (Hrsg.), Royal Subjects, S. 15–36, hier S. 19. Ders., Image Wars. Promoting Kings and Commonwealths in England, 1603-1660, New Haven/London 2010, S. 30–32. Ich danke Kevin Sharpe für die Möglichkeit, vorab das Manuskript einsehen zu dürfen. Jakob I., Workes, Preface (James Montagu), Fol. b1r/v. Ebd., Fol. b3r. Ebd., Fol. b4v. Ebd., Fol. c4r. Vgl. hierzu Pecˇar, König.

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Abb. 6: The Holy Bible, Conteyning the Old Testament and the New, London 1611, Frontispiz [sog. King James Bible].

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Abb. 7: The Workes of the Most High and Mighty Prince Iames, London 1616, Frontispiz.

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stellt sich in seinen beiden Schriften über die Offenbarung des Johannes sowie in seiner Meditatioun über 1 Chr 15,25–29 als oberster Exeget und Theologe dar. Er kämpft in seiner Schrift Daemonologie gegen den zerstörerischen Einfluß durch Hexen und verteidigt damit die Seelenreinheit seines Volkes. Seinen präsumptiven Nachfolger, den zum Zeitpunkt der Werkausgabe bereits verstorbenen Prinzen Heinrich, ermahnt er im Fürstenspiegel Basilikon Doron zu gottesfürchtiger Herrschaft. In seiner Schrift The True Lawe of Free Monarchies gründet er die monarchische Staatsform selbst und damit seinen Herrschaftstitel auf die im Alten Testament durch Gott etablierte Königsherrschaft. Seine Streitschrift A Counter-Blast to Tobacco weist Jakob als um die Gesundheit seines Volkes besorgten obersten Arzt aus. Sein Engagement für den von allen englischen Katholiken zu leistenden Treueeid verficht Jakob in zwei Schriften, der Apologie for the Oath of Allegiance und der Praemonition to all Christian Monarches, Free Princes and States. In beiden Schriften zeigt er sich als ein Kämpfer gegen den zerstörerischen Einfluß des Papstes. In zwei weiteren Schriften mischt er sich direkt in die theologische Debatte innerhalb Europas ein, zum einen in seiner Declaration against Vorstius, zum anderen mit der Schrift A Defence of the Right of Kings, und präsentiert sich damit als Verteidiger des wahren Glaubens. Es folgen als letztes fünf Reden, die Jakob vor dem Parlament und vor der Star Chamber gehalten hatte und in denen er sich ebenfalls biblischer Argumente bediente, um seine Politik zu legitimieren. Die Nähe zur Bibel kam auch in der Art der Argumentation zum Ausdruck: Die Mehrheit der Schriften ist entweder vollständig oder zumindest in wichtigen Teilen exegetischer Natur. Gleich mehrfach offeriert Montagu die Lesart, daß Jakobs Bibelinterpretation ebenso göttlich inspiriert sei wie der biblische Text selbst: „I leave it the world to iudge, wether there were not a speciall hand of God in it, or no“.326 Unter spezieller Berücksichtigung der ersten in der Werkausgabe aufgenommenen Schrift, der Paraphrase upon the Revelation of Apostle St. John, bedient sich Montagu ferner folgender Analogie: „Anciently Kings drempt dreames, and saw visions, and Prophets expounded them […]. In this age, Prophets have written Visions, and Kings have expounded them.“327 Der König bemühte sich während der gesamten Regierungszeit, die von ihm reklamierte sakrale Qualität als König in seinen Schriften auf gleichsam intellektuelle Weise zum Ausdruck zu bringen. Der Herausgeber Montagu unterstrich diese sakrale Qualität, indem er Jakob in der Prophetenrolle portraitierte. Er bescheinigte mit seiner geistlichen Autorität als Bischof dem König dessen besondere Nähe zu Gott. Gerade in Jakobs Schriften sollte die beanspruchte Sakralität daher besonders erfahrbar werden. Jakob veröffentlichte nach dem Erscheinen seiner Werke noch zwei weitere exegetische Schriften: A Meditation upon the Lords Prayer, die 1619 erstmals erschien, sowie seine Meditation upon the 27th Chapter of St. Matthew or a Paterne 326 327

Jakob I., Workes, Preface (James Montagu), Fol. d3v. Ebd., Fol. d3v.

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for the Kings Inauguration, erstmals 1620 veröffentlicht. Beide Schriften fanden ihren Weg auch in die zweite Auflage seiner gesammelten Werke, die im Jahr 1620 erschien. In beiden Schriften beweist er sich wie in früheren Fällen auch als Theologe. Das „Vater unser“ deutet Jakob als biblisch überliefertes Muster wahrer Gottesverehrung. Er betont die Notwendigkeit von Demut und Unterwürfigkeit gegenüber Gott als Folge der ungeheuren Diskrepanz zwischen dem ohnmächtigen Menschen und dem allmächtigen Gott, und das Gebet als beste Form der Kommunikation, um dieser Diskrepanz zu begegnen.328 Der König beschreibt Gott als alleinigen Eigentümer von Himmel und Erde sowie aller irdischen Güter.329 Alle weltlichen Königreiche, Herrschaften und Ehren seien dagegen nur ein schwacher Abglanz.330 Gleichwohl zeigt sich an mehreren Stellen Jakobs Absicht, als König an der göttlichen Allgewalt zu partizipieren und die Gott zugeschriebenen Attribute auch für seine eigene Herrschaft in Anspruch zu nehmen. Jakob fügte dem Hinweis, daß die Rache allein ein Recht Gottes sei, die Worte hinzu: „ and by deputation of him, to his Lieutenants upon earth“.331 Die Aufforderung zur Vergebung der Sünden der Mitmenschen richte sich zwar an alle Untertanen, nicht aber an die Obrigkeit, deren von Gott verliehene Aufgabe darin bestünde, Verstöße mit Strafen zu ahnden und auf diese Weise Gerechtigkeit sicherzustellen.332 Und um dem Leser zu verdeutlichen, wie die Worte „Geheiligt werde dein Name“ auszulegen seien, griff Jakob auf die Analogie einer Audienz beim König zurück: „For it were an impudent thing for any Subiect to make a sute to his Soveraigne Prince, before hee did his homage to him.“333 Die Puritans hingegen schildert Jakob in seiner Meditation als Personen, die jegliche Ehrerbietung gegen Gott und gegen den König gleichermaßen vermissen lassen. Ihre Haltung in der innerkirchlichen Auseinandersetzung um die zeremonielle Durchführung des Abendmahls, wo sie das Knien während der Eucharistie verweigerten und darauf bestanden, im Sitzen an der Zeremonie teilzunehmen, kommentierte der König mit den Worten: „[the Puritans] therefore love to sit Iack fellow like with Christ at the Lords Table, as his brethren and camerades“.334 War die Argumentation der Reformer in der englischen Kirche vollständig gegründet auf die Forderung, im Gottesdienst nur das zu dulden, was bereits in den Schriften des Neuen Testaments überliefert sei, richtet Jakob hier die Waffe des Biblizismus gegen sie selbst. Mit ihrer Haltung untergrüben sie die von Christus 328

329 330 331 332 333 334

Jakob I, A Meditation upon the Lords Prayer, Written by the Kings Maiestie for the Benefit of all his Subiects, Especially of Such as Follow in Court, in: Jakob I., Workes, S. 571–599, hier S. 574 f. u. 578. Ebd., S. 583. Ebd., S. 596. Ebd., S. 592. Ebd., S. 592. Ebd., S. 578. Ebd., S. 578.

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selbst im „Vater unser“ geforderte Verehrung und Demut gegenüber der Autorität Gottes – und des Königs, wie der Leser wohl im Sinne Jakobs ergänzen kann. Der König zeigte sich mit seiner Auslegung des „Vater unser“ einmal mehr als erster Exeget für die von ihm regierten Nationen. Er versuchte mit der von ihm gewählten Schriftstelle zugleich ein Beispiel dafür zu geben, welche Schriften innerhalb der Bibel zur Erkenntnis göttlicher Wahrheit am dienlichsten seien. Das „Vater unser“ sei „plaine, smoothe and easie“ und daher ein geeignetes Zeugnis für den Willen Gottes. Die Offenbarung des Johannes hingegen, die Jakob selbst mehrfach zum Gegenstand exegetischer Ausführungen gemacht hatte, sei Gegenstand vieler Irrtümer und Verwirrungen und daher kein geeigneter Schlüssel, um den Willen Gottes zu erkunden. 335 Der Leser solle sich auf die Botschaften beschränken, die in der Heiligen Schrift direkt an die Gläubigen adressiert seien, und Gottes „secret will in his eternal counsel“ nicht zu ergründen suchen.336 Zwar enthält sich Jakob hier jeglicher Analogie zur weltlichen Königsherrschaft. Die Nähe zu Andrewes’ Aussagen über das Sakrileg, dem König als Inkarnation von Gottes „Mysteries“ zu nahe zu treten, ist aber gleichwohl unverkennbar.337 Auch der letzte von Jakob zu Lebzeiten veröffentlichte Text, seine Meditation upon the 27th Chapter of St. Matthew or a Paterne for the Kings Inauguration, läßt sich als ein weiterer Versuch deuten, die Königsherrschaft als Teil der Gottesherrschaft darzustellen und mit dieser gleichsam zu verschmelzen. Jakob nahm in diesem Traktat Christus als einen seiner Amtsvorgänger für sich in Anspruch. In seiner Meditation über das „Vater unser“ begnügte er sich damit, eine solche Verbindung zwischen ihm und dem Gottessohn implizit anzudeuten. Wenn er Christus mit den Worten charakterisiert, „he is King, Priest and Prophet“, so zählt er damit zugleich die Rollen auf, in denen er sich selbst seit seinen ersten exegetischen Schriften der Öffentlichkeit präsentierte.338 In seiner Meditation über die Dornenkrone Christi stellt er die Institution des Königsamtes generell in die Tradition des Gottessohnes. Jakobs Traktat läßt sich nur schwer einer Gattung zuordnen.339 Die Schrift richtet sich an seinen Sohn und Nachfolger, Prinz Karl, dem er seine Auffassung vom Königsamt und den Rechten und den Pflichten eines Königs gegenüber Gott und den Untertanen auseinandersetzt. Man kann sie daher sicherlich zu den Fürstenspiegeln rechnen. Gleichwohl hat Jakob im Vergleich zum Basilikon Doron eine sehr verschiedenartige Schrift vorgelegt. Die Art der Argumentation ähnelt einer Predigt viel mehr als einem Fürstenspiegel; wie dies auch für alle anderen Schriften gilt, die er als Meditations betitelte. Jakob leitet sein Verständnis vom

335 336 337 338 339

Ebd., S. 571 f. u. 581 mit direkter Zurückweisung der Milleniumsthesen Thomas Brightmans. Ebd., S. 580. S. o. Kap. V 4b. Ebd., S. 598. Zur spezifischen Imagepolitik Jakobs I. vgl. Pecˇar, König. Jakob I, A Meditation upon the 27, 28, 29 Verses of the 27th Chapter of St. Matthew, or a Paterne for the Kings Inauguration, in: Jakob I., Workes, 2. Aufl. London 1620, S. 601–620.

4. Die Sakralisierung der Monarchie

317

Königsamt ab von der Bibelstelle Mt 27,27–29, in der Christus die Dornenkrone aufgesetzt wurde: Da nahmen die Soldaten des Statthalters Jesus mit in das Praetorium und sammelten die ganze Abteilung um ihn. Dann zogen sie ihn aus und legten ihm einen Purpurmantel um, flochten eine Dornenkrone und setzten sie ihm aufs Haupt, gaben ihm einen Stab in die rechte Hand, beugten die Knie vor ihm, verspotteten ihn und sagten: sei gegrüßt, König der Juden! [sie spuckten ihn an, nahmen den Stab und schlugen damit auf den Kopf]

Jakob sieht in dieser Beschreibung des Martyriums Christi zugleich die Schilderung einer vollständig gültigen Krönungszeremonie. Christus deutet er als weltlichen König, sich selbst damit implizit als Nachfolger Christi.340 Welchen Mehrwert der König aus dieser Deutung für sein Amtsverständnis gewinnt, zeigt sich besonders deutlich in seiner Auslegung vom Aus- und Ankleiden des Gottessohnes. Jesus büßte dabei sein Prophetengewand ein, gewann dafür aber die königliche Robe. In diesem Kleiderwechsel sei Christus keineswegs die geistliche Würde entzogen worden, so Jakob, da die Könige selbst „Gods deputie-iudges on earth“ seien, also keine reinen Laien, sondern „mixtae personae being bound to make a reckoning to God for their subiects soules as well as their bodies“. Außerdem sei den Königen im Rahmen dieser Verpflichtung die Rolle als oberster Aufseher der Kirche zugeteilt, als „vindex utriusque tabulae“.341 Auch der Stab, den die römischen Soldaten Jesus statt eines Zepters in die Hand drückten, sei ein Ausdruck der geistlichen Würde des Königs und einem Hirtenbzw. Bischofsstab vergleichbar.342 Das Königsamt selbst, so läßt sich Jakobs Deutung zusammenfassen, beinhalte bereits die Prophetenrolle, weshalb der Verlust des Prophetengewands folgenlos sei. Vergleicht man Jakobs Selbstdarstellung in der Paraphrase und bei der Übersetzung der Psalmen mit derjenigen in der Meditation, so fällt ein bedeutsamer Unterschied ins Auge.343 Hatte der König die Prophetenrolle in seinen frühen Texten – neben seinen Auftritten als „Theologe“ – als persönliche Qualität für sich reklamiert, so koppelte er dies in seiner Meditation über die Dornenkrönung Christi nicht mehr individuell an sich als Person, sondern an das Königsamt selbst. Dies mag zum einen damit zusammenhängen, daß es sich um eine Schrift an seinen Nachfolger Karl handelte und Jakob seinem Sohn die Prophetenrolle gewissermaßen zusammen mit seinem Amt vererben wollte. Zum anderen schreibt Jakob diesen Text aber bereits in der Tradition der englischen Könige, die weit weniger Probleme damit hatten, sich selbst eine führende Rolle in der Kirche zuzuschreiben, als dies in Schottland der Fall war. Sieht man von dieser bedeutsamen Differenz einmal ab, ist die Selbstinszenierung Jakobs in seinen Schriften als oberster Exeget, Theologe und Prophet im Laufe seiner Herrschaftszeit kontinuierlich beibehalten und gepflegt worden. Die 340 341 342 343

Ebd., S. 607 f. Ebd., S. 611. Ebd., S. 613 f. S. o. Kap. IV. 1 und 2.

318

V. Apologeten der Krongewalt

Autorenrolle war und blieb für Jakob die vornehmste Art, sich in der Öffentlichkeit in Szene zu setzen und Botschaften zu transportieren. Die gesammelten Werke wirken wie ein Denkmal dieser schriftstellerischen Tätigkeit des Königs. Die Vorrede Montagus trug zu diesem Denkmal das ihre bei, gab sie doch mit ihren panegyrischen Deutungsangeboten, die alle auf die herausgehobene Rolle des Königs abzielten, Regieanweisungen an den Leser, auf welche Art und Weise die Schriften Jakobs aufgefaßt werden sollten. Programm ist dabei die weitgehende Dekontextualisierung seiner zu unterschiedlichen Anlässen jeweils geschriebenen Texte. Nicht die mannigfachen Bedingungen ihrer Entstehung betont Montagu, sondern die Übereinstimmung ihrer Aussagen mit dem Wort Gottes. Damit erscheinen Jakobs Auslegungen nicht als zeitgebundene Aussagen, sondern als Manifestationen ewig gleichbleibender Wahrheiten. Die inhaltlichen Aussagen des Königs insbesondere zum Papsttum machten die Exegese allerdings zugleich zu einer guten Fundstätte für all diejenigen, die den König im Dreißigjährigen Krieg auf einen strikten Kriegskurs gegenüber den katholischen Mächten festlegen wollten. Die Dekontextualisierung der ursprünglich politischen Sprechakte konnte eine Rekontextualisierung im Zusammenhang mit dem Dreißigjährigen Krieg nicht verhindern. Wie im folgenden zu zeigen sein wird, sollte diese Form der Auslegung von Jakobs Schriften dem Image des Prophetenkönigs Jakob nicht gut bekommen.

5. Zwischenergebnis: Biblizistische Versuche der Immunisierung der Königsherrschaft Die Rede vom divine right of kings konnte in unterschiedlichen Kontexten Verschiedenes bedeuten. Stand die Verteidigung der Erbmonarchie im Mittelpunkt, so waren die Verfechter eines divine right der Könige darum bemüht, die Herrschaft der Könige sowie den Thronwechsel frei zu halten von jeglichen Kontrollund Herrschaftsansprüchen Dritter. Erbfolge und Königsherrschaft könnten weder vom Volk noch von auswärtigen Mächten in Frage gestellt werden, da beide sich auf göttliche Einsetzung zurückführen ließen, nicht nur auf die Tradition der jeweiligen Monarchien. Die göttliche Stiftung der Monarchie wird als Argument angeführt, um die Gehorsamsbindung an den regierenden König absolut zu setzen und keinerlei Ausnahmen zuzugestehen. Weder Irrglauben noch Tyrannei werden als Argumente anerkannt, um Ausnahmen von der Gehorsamspflicht aller Untertanen zuzulassen. Sollte ein König vom wahren Glauben abfallen oder sich als Tyrann gerieren, so wird Gott wiederum als Ursache bemüht: nicht als Stifter der Erbmonarchie, sondern als Akteur und Lenker der Weltgeschichte, der sich tyrannischer Herrscher bediene, um sündhafte Völker zu strafen. In der Auseinandersetzung mit den schottischen Presbyterianern standen andere Aspekte im Vordergrund. Hier ging es den Autoren des divine right insbesondere darum, dem König eine Führungsrolle in der Kirche zuzuschreiben und ihn in die Tradition der alttestamentlichen Könige einzuordnen. Der König ist

5. Zwischenergebnis

319

demzufolge nicht nur einfaches Mitglied in der Kirche, sondern deren Haupt, oberster Wächter beider Tafeln, mit Weisungsgewalt in allen Dingen des Kirchenregiments sowie aller Äußerlichkeiten in der Kirche, z. B. die ceremonies, die als Adiaphora verstanden und damit der Ordnungsaufgabe des Herrschers zugerechnet wurden. Auch in der Auseinandersetzung mit dem Papst und dessen Fürsprechern diente die Lehre vom divine right of kings dazu, den Führungsanspruch des Königs auf seine Nationalkirche zu behaupten gegen den Anspruch des Papstes, in der Kirche alleiniges Oberhaupt zu sein. Ferner ging es den Autoren darum, die päpstliche Waffe der potestas indirecta gegenüber den Monarchen stumpf zu machen. Eine Exkommunikation des Königs durch den Papst sei ohne jegliche politische Folgen, so das einhellige Credo der Apologeten einer von Gott gestifteten Königsgewalt. In allen drei Kontexten läßt sich bei den Autoren des divine right of kings ein gemeinsames politisches Ziel ausmachen: die Monarchie als politische Institution und den regierenden König zu befreien von Ansprüchen und Kontrollrechten Dritter (Papst/General Assembly/„Volk“), um auszuschließen, das aus solcherlei reklamierten politischen Ansprüchen und Kontrollrechten Argumente zur Legitimierung von Widerstand gegen den König abgeleitet werden können. Die Übereinstimmung in der politischen Zielsetzung der Befürworter des divine right of kings bedeutete jedoch nicht, daß sie sich zur Rechtfertigung ihrer Herrschaftsauffassung stets derselben Autoritäten und politischen Sprachen bedienten. Auch der praktizierte Biblizismus vollzog sich in Varianten. Es zeigte sich bei einem Blick auf die Schriften der Verteidiger einer reinen Erbmonarchie, daß insbesondere bei den Aussagen zum Ursprung der Monarchie auf unterschiedliche biblische Erzählungen rekurriert wurde, die nicht ohne weiteres miteinander vereinbar waren. Im 16. und 17. Jahrhundert gab es eine Konkurenz zwischen der naturrechtlichen Grundlegung der Monarchie – mit Adam und Noah als ersten Königen – und der historischen Herleitung mit Rekurs auf 1 Sam 8 und Saul als erstem König. Beide Interpretationen hatten spezifische Vorzüge und spezifische Aporien. Die zahlreichen Wortbeiträge zugunsten des divine right of kings in der Stuartzeit führten gleichwohl nicht zu einer vollständigen Standarisierung biblizistischer Argumente. Keine der beiden Ursprungserzählungen sollte sich zur unangefochtenen Meistererzählung über den Ursprung der Monarchie entwickeln. Da die Kontexte unterschiedlich waren, in denen die Rede vom divine right der Könige Wirkung entfalten sollte, läßt sich auch keine generelle Aussage über den politischen Erfolg dieser Rede treffen. Zunächst ist an Glenn Burgess’ Aussage zu erinnern, daß die Äußerungen zum divine right of kings in England im allgemeinen nicht dazu dienten, um einer Intensivierung der Herrschaftsgewalt des Königs das Wort zu reden oder den König über die Gesetze des Landes zu stellen. Vielmehr ging es darum, konkurrierende Auffassungen der Presbyterianer und der katholischen Kontroverstheologen zur Monarchie zurückzuweisen; beide Gruppen unterstellten Könige einer Kontrollaufsicht geistlicher Instanzen, sei es der dafür zuständigen Kirchenversammlungen, sei es des Papstes, beide betonten

320

V. Apologeten der Krongewalt

auch das Recht dieser Instanzen, Könige bei Bedarf exkommunizieren zu können. Burgess hat diese Aussage für England getroffen. Die Situation in Schottland weicht insofern etwas von dieser Deutung ab, da hier eine Abwehr der presbyterianischen Vorstellungen von Monarchie mit einer Intensivierung der Königsherrschaft zwingend einhergehen mußte. Das divine right of kings diente hier zur Legitimation der Errichtung einer königlichen Suprematie in der schottischen Kirche, die alles andere als unumstritten war. Von einem Konsens über die Prämissen des divine right of kings konnte in Schottland keine Rede sein. Vielmehr blieb diese Rede ebenso wie die Maßnahmen Jakobs zur Kirchenreform in großen Teilen der schottischen Kirche ein steter Stein des Anstoßes, eine Abkehr vom Ideal einer reinen, d. h. vollständig reformierten Kirche. In England bestand zu solchen Maßnahmen kein Anlaß, war der König doch seit der Reformation das Oberhaupt der englischen Kirche. Auch die Debatte um die Legitimität der Erbmonarchie und des englischen Erbanspruches Jakobs VI./I. sowie die Auseinandersetzung um den oath of allegiance stellt sich wesentlich als Konflikt zwischen einer englischen, protestantischen Position und einer Schar auswärtiger, katholischer Kritiker dar. In diesen beiden Debatten herrschte innerhalb der politischen und geistlichen Elite Englands weitgehend Einigkeit. Ist die Einigkeit der politischen Nation Englands im Kontext dieser Debatten jedoch auch als Zustimmung zu den Grundpositionen des divine right of kings generell zu verstehen, wie Glenn Burgess behauptet? War die Erbmonarchie in der englischen Führungsschicht wirklich so verankert, der Gedanke an Widerstand gegen die Krone so ausschlossen, daß ein Abweichen von diesen Prinzipien generell ausgeschlossen war und blieb? Um dieser Frage nachzugehen, sind die politischen Kontexte, in denen in England unter Jakob I. häufig auf das divine right of kings rekurriert wurde, ungeeignet: In beiden Fällen ging es schließlich um die Abwehr äußerer Gefahren durch die Einheit von König und political nation, das divine right of kings war hier nur ein rhetorisches Mittel, die Identität dieser political nation auszudrücken. Solange zwischen der Königsherrschaft auf der einen und der politischen Identität Englands – d. h. insbesondere ein Bekenntnis zum Protestantismus, aber auch zur politischen Verfassung des King-in-Parliament – keine Unterschiede wahrgenommen und artikuliert wurden, blieben Überlegungen zur Legitimität des Widerstandsrechts, so sie denn überhaupt angestellt wurden, ohne politische Resonanz. Um Breite und Intensität der Zustimmung in England zu den Grundpositionen des divine right of kings zu testen, also die Zustimmung zur Erbmonarchie und die Ablehnung des Widerstandrechts, bedarf es historischer Konstellationen, in denen der König nicht als Verkörperung der politischen Identität des Landes wahrgenomen wurde, sondern im Gegenteil als dessen Bedrohung. Erst in einem solchen Fall läßt sich überprüfen, ob dem König politische Loyalität auch um den Preis entgegengebracht wurde, daß damit das protestantische Bekenntnis des Landes oder dessen politische Verfaßtheit als dominium politicum et regale auf dem Spiel stand. Bereits ein kursorischer Rückblick in die elisabethanische Zeit

5. Zwischenergebnis

321

läßt daran zweifeln. Schließlich waren die Mitglieder des Privy Council keineswegs gewillt, im Falle des Todes Elisabeths I. umstandslos eine katholische Thronprätendentin Maria Stuart zu akzeptieren.344 Die Hinrichtung der schottischen Königin war vielmehr der Preis, den Elisabeth I. zu entrichten hatte, um die Identität von Krone, Regierung und Parlament wieder herzustellen. Die Zustimmung zur Erbmonarchie war daher nicht bedingungslos gegeben. Und wie sah es mit der grundsätzlichen Ablehnung des Widerstandsrechts in der political nation Englands aus? Die erforderliche historische Konstellation, in der der König von Teilen der politischen und geistlichen Elite des Landes stärker als Bedrohung denn als Garant für den Schutz des Landes und seiner politischen Identität wahrgenommen wurde, sollte sich in den letzten Regierungsjahren Jakobs I. einstellen und zum Basso Continuo der Königsherrshaft Karls I. werden. Erst diese politische Krisensituation läßt erkennen, wie es um die Zustimmung zu den Prinzipien des divine right of kings in England wirklich bestellt war.

344

Die Ablehnung eines katholischen Thronfolgers durch die politische Elite des Landes kam insbesondere im Bond of Association von 1584 zum Ausdruck; vgl. hierzu David Cressy, Binding the Nation, the Bonds of Association, 1584 und 1696, in: Delloyd J. Guth/John W. Mckenna (Hrsg.), Tudor Rule and Revolution. Essays for G. R. Elton from his American Friends, Cambridge 1982, S 217–234; ferner Patrick Collinson, The Monarchical Republic of Queen Elisabeth I., in: John Guy (Hrsg.), The Tudor Monarchy, London 1997, S. 110–134; allg. Ronald G. Asch, Von der „monarchischen Republik“ zum Gottesgnadentum? Monarchie und politische Theologie in England von Elisabeth I. bis zu Karl I., in: Luise SchornSchütte (Hrsg.), Aspekte der politischen Kommunikation im Europa des 16. und 17. Jahrhunderts (Beiheft der HZ, NF 39), München 2004, S. 121–148.

VI. DIE UNTERSCHEIDUNG VON LEX DEI UND KÖNIGSHERRSCHAFT

1. Schottland: Der Kampf gegen den ‚Altar von Damaskus‘ Jakobs Selbstdarstellung als erster Exeget seiner Königreiche nahm in Schottland ihren Anfang. Für den jungen schottischen König waren die Sprechakte in der Rolle eines Geistlichen ein Versuch, seine persönliche Autorität auch in theologischen Fragen unter Beweis zu stellen und daraus zusätzliche Einflußchancen innerhalb der schottischen Kirk zu gewinnen. Allerdings geben bereits die 1584 erlassenen Black Acts einen ersten Hinweis darauf, daß sich Jakob nicht darauf beschränken wollte, seinen Einfluß in der Kirche nur als Autor wahrzunehmen. Es dürfte wenig Zweifel daran bestehen, daß er seit Beginn seiner Regierungszeit für sich die selbe Rolle in der schottischen Kirk reklamierte, die den englischen Königen seit der politischen Reformation Heinrichs VIII. unwidersprochen zugestanden wurde und die er selbst nach seinem Herrschaftsantritt in England im Jahre 1603 in der englischen Kirche einnahm: die eines supreme head of the church. Die Durchführung der schottischen Reformation gegen den Willen der Krone und die weitgehende Verfestigung der presbyterianischen Kirchenstruktur in Schottland in den ersten 15 Jahren seiner Herrschaftszeit machte die Realisierung dieses Ziels aber zu einem schwierigen Unterfangen. Die Stärkung der Position des Königs innerhalb der schottischen Kirche führte über folgende Stationen: zunächst wurde der General Assembly das Selbstversammlungsrecht beschnitten, Zeit und Ort ihres Zusammenkommens von der Entscheidung des Königs abhängig gemacht (1592). Dann erhielten die Bischöfe erneut Sitze im schottischen Parlament zugewiesen (1597). Da die Bischöfe vom König benannt wurden, verstärkte diese Maßnahme automatisch auch im Parlament den königlichen Einfluß. Die Aufsichtsfunktion der Bischöfe über die Kirche wurde gleichfalls in gewissen Grenzen wieder hergestellt, da sie als Mitglieder der High Commission Jurisdiktionsgewalt über den übrigen schottischen Klerus zugesprochen bekamen (1610). Die Gleichheit aller „Ministers of God“ fand damit ein Ende, auch wenn die Presbyterien in Schottland erhalten blieben. Um die schottischen Bischöfe ferner in den Genuß der apostolischen Sukzession kommen zu lassen und damit ihre Aufsichtsfunktion innerhalb der Kirche zu legitimieren, hatten sich drei von ihnen von englischen Bischöfen weihen zu lassen, da diese auf eine ununterbrochene Sukzession seit Beginn des Christentums in England zurückblicken konnten.1 1

Vgl. hierzu Dickinson/Donaldson, Source Book of Scottish History, Bd 3, S. 48–65; George I. R. McMahon, The Scottish Courts of High Commission 1610–1638, in: Records of the Scottish Church Society 15/3 (1965), S. 193–209; Mullan, Episcopacy, Kap. 5; Alan R. MacDonald, The Jacobean Kirk 1567–1625. Sovereignty, Polity and Liturgy, Aldershot 1998.

324

VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

Diese Maßnahmen erfüllten zweierlei Funktion. Erstens dienten sie dazu, die schottische Kirche der Aufsicht des Königs zu unterwerfen. Gerade auch die Restituierung der Bischofsgewalt verstand Jakob als Maßnahme zur Stärkung der königlichen Autorität, da er selbst die Bischöfe ernannte und außerdem nur eine Bischofsverfassung in seinen Augen mit der Monarchie vereinbar war. Der Verzicht auf eine hierarchische Kirchenstruktur hätte getreu dem Motto „No Bishop, no King“ in Jakobs Augen auch die Königsherrschaft in Gefahr gebracht. Mit der Zurückdrängung der presbyterianischen Gestalt der schottischen Kirche verfolgte der König zweitens das Ziel, die schottische Kirche an die englische Kirche anzugleichen und damit seinen Traum von einer Union of Crowns zumindest auf dem Feld der Kirchenpolitik Wirklichkeit werden zu lassen, wenn sich dies auf der politischen Ebene aufgrund des energischen Widerstands des englischen Parlaments nicht durchsetzen ließ.2 Was in Augen des Königs notwendige Maßnahmen waren, um seine Autorität in der Kirche zu stärken, sahen die Presbyterianer als Abfall vom Ideal einer „purely reformed church“, das in ihren Augen in den 1590er Jahren in Schottland stärker verwirklicht worden war als in jedem anderen europäischen Land. James Melville sah 1596 den Moment des Umschlags gekommen. Seit dieser Zeit habe sich das Land aufgrund der königlichen Kirchenpolitik immer weiter von der lex dei entfernt.3 Die bischöfliche Amts- und Jurisdiktionsgewalt in der Kirche war in Augen der Presbyterianer ebenso eine Usurpation der Herrschaft Christi über die Kirche wie der königliche Anspruch auf Suprematie.4 Einen wahren Proteststurm entfachten aber Eingriffe in den Gottesdienst, wie sie in den sogenannten fünf Artikeln von Perth zunächst auf der General Assembly im Jahr 1618 beschlossen und dann vom schottischen Parlament 1621 bestätigt worden waren. Der Streit drehte sich um folgende fünf Regelungen: 1. Das heilige Sakrament der Eucharistie war künftig kniend entgegenzunehmen. 2. Kranke Gläubige durften die Eucharistie fortan auch privat, d. h. außerhalb des Gottesdienstes, empfangen. 3. Kindstaufen durften in Ausnahmefällen ebenfalls privat, außerhalb der Kirche, vorgenommen werden. 4. Kinder sollten mit dem achten Lebensjahr nach einer katechetischen Unterweisung vom Bischof examiniert werden und anschließend dessen Segen erhalten. 5. Weihnachten, Karfreitag, Ostern, Christi Himmel-

2 3 4

Vgl. hierzu Asch, Stuart-Monarchie, S. 156–159. Melville, Autobiography, S. 330 f. Melville beschreibt den Zeitraum nach 1596 mit den Worten: „the Declyneing Aige of the Kirk of Scotland“. So auch die Schützenhilfe presbyterianischer Gleichgesinnter aus Holland; Gernson Bucerus, Dissertatio de Gubernatione Ecclesiae, Middelburg 1618, S. 117 f.: „Quod autem in Pontifice Romano hodie culpamus, num id recti iudicii calculo in Supremo Magistratu approbemus?“ Der Traktat war als Zurückweisung von George Downames Konzeption einer Bischofsgewalt jure divino verfaßt worden. Inwiefern er mit den Artikeln von Perth in Zusammenhang steht, ist ungewiß. Gleichwohl verlieh die zeitliche Koinzidenz zwischen der Publikation des Traktats und den Artikeln von Perth Bucerus Argumenten eine gesteigerte Aufmerksamkeit in Schottland; vgl. Milton, Catholic and Reformed, S. 457 Anm. 26.

1. Schottland

325

fahrt und Pfingsten wurden wieder als Feiertage eingeführt und dementsprechend begangen.5 Der unmittelbare Anlaß für diese Regelungen war die Uneinigkeit unter den schottischen Bischöfen über die Frage, ob die Eucharistie im Knien oder im Sitzen empfangen werden sollte, wofür beispielsweise William Cowper, der Bischof von Galloway, eintrat.6 Mit dieser Frage war Jakob anläßlich seines Besuchs in Schottland im Herbst 1617 konfrontiert. Jakob nahm diese Streitfrage zum Anlaß, eine Regelung durchzusetzen, die sich am Vorbild der englischen Kirche orientierte, und schrieb das Knien als verbindlich fest. Ein erster Vorstoß in dieser Richtung auf einer Assembly in St. Andrews im November 1617 scheiterte aber am Widerstand des schottischen Klerus. Daraufhin befaßte Jakob im Folgejahr eine weitere Assembly mit diesem Thema, diesmal in Perth, abseits der presbyterianischen Hochburg um Edinburgh und St. Andrews. Jakob überließ auch sonst nichts dem Zufall, um diesmal das gewünschte Resultat zu erzielen: Die Kritiker in der schottischen Kirche sollten die Drohungen und Einschüchterungsversuche des Königs noch lange im kollektiven Gedächtnis speichern.7 Eine weitgehend handverlesene Kirchenversammlung leistete Jakobs Wünschen denn auch Folge, blieb den anwesenden Geistlichen doch nur die Wahl, entweder den Artikeln zuzustimmen oder aber offen den Ungehorsam gegen den König zur Schau zu stellen.8 Die theologische Legitimation für die Artikel hatte dabei der Erzbischof von St. Andrews, Spottiswood, in seiner Rede vor der Assembly zu leisten. Er versuchte seine kritischen Zuhörer gar nicht erst von der Notwendigkeit der fünf Artikel zu überzeugen. Statt dessen betonte er zum einen ihre Rechtmäßigkeit, da sie Gottes Gesetz nicht entgegenstünden. Vielmehr seien sie den Adiaphora zuzurechnen und daher Teil des königlichen Aufgabenbereichs im Rahmen seiner Aufgabe als Hüter der Ordnung in der Kirche. Zum anderen verweist Spottiswood auf die persönliche Autorität Jakobs VI., die dieser unabhängig von seinem Königsamt auch aufgrund seiner mehrfach unter Beweis gestellten theologischen Gelehrsamkeit besitze: „His Person, were he not our Sovereigne, gives them [den Artikeln] sufficient authoritie, being recommended by him; for hee knowes the nature of thinges and the consequences of them, what is fit for a church to have, and what not, better then we do all.“9 Diese dem König zugeschriebene persönliche Autorität stand sicherlich im Zusammenhang mit Jakobs in seinen Schriften praktizierter Selbstdarstellung als Theologe und Exeget. Das dabei erworbene 5 6 7

8 9

Vgl. hierzu Prior, Defining the Jacobean Church, S. 220 f. Beriah Botfield (Hrsg.), Original Letters Relating to the Ecclesiastical Affairs of Scottland, 1603–25, 2 Bde., Edinburgh 1851, Bd. 2, S. 513 f. So äußerte sich noch Gillespie über die General Assembly von Perth; [Gillespie], Dispute, I., S. 19: „And who among us knoweth not, how in the Assembly of Perth, free reasoning was shut to the doore, and all eares were filled with the dreadfull pale of Auctority?“ Vgl. ferner David Calderwood, Perth Assemblie, Leiden 1619, S. 1–10. So zumindest das Urteil der Kritiker der fünf Artikel; vgl. Lindsay, A True Narration, S. 71. Ebd., S. 39.

326

VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

Prestige des Königs suchte Spottiswood zur Beeinflussung der Abstimmung über die fünf Artikel nutzbar zu machen. Die Exegese des Königs sollte sich bei der Abstimmung über die Artikel von Perth nun auf sehr konkrete Weise auszahlen, so Spottiswoods Überlegung. Auf beinahe gleichlautende Art und Weise verteidigte auch der Bischof von Brechen, David Lindsay, das Recht des Königs, Regelungen über die ceremonies der Kirche zu treffen.10 Er unterschied wie Spottiswood, dessen Rede jedoch vorerst ungedruckt blieb und daher keine Wirkung in der breiteren Öffentlichkeit entfalten konnte, zwischen der gemäß den äußeren Umständen veränderbaren Liturgie in der Kirche einerseits und den Glaubenswahrheiten der Religion andererseits, die für jedermann unantastbar seien.11 Diese Unterscheidung zwischen den Glaubenswahrheiten und den Adiaphora hatte in der protestantischen Theologie im allgemeinen wie in der englischen, wenn auch bislang weniger in der schottischen Kirche, eine lange Tradition.12 Dies gilt auch für die sich daraus ergebenden Spielräume für den König. Da die Liturgie Lindsay zufolge nicht zu den Glaubenswahrheiten zähle und daher den gesellschaftlichen Umständen anzupassen sei – so habe Christus beispielsweise beim Abendmahl wohl eher gelegen als gesessen, was aber nur den damaligen Gebräuchen geschuldet sei -,13 falle die Autorität zur Ordnung dieser Angelegenheiten dem König zu. Er komme damit Paulus’ Auftrag nach, daß es in der Kirche ehrbar und ordentlich zugehen solle (1 Kor 14,40), habe also dafür Sorge zu tragen, daß Konfusion in der Kirche ebenso vermieden werde wie die Entstehung eines Schismas.14 Die presbyterianischen Kritiker teilten indes weder die Zuordnung der ceremonies zu den Adiaphora noch die Ermächtigung des Königs zu einer eigenmächtigen Reform der Kirche. Ein besonders entschiedener Widersacher war David Calderwood. Dessen publizistischer Kampf gegen die Beschlüsse von Perth, der sehr bald zu einer Generalkritik an Jakobs schottischer Kirchenpolitik der letzten zwanzig Jahre anwuchs, brachte ihn bald um sein Amt in der Kirk, führte zu seiner Verhaftung und schließlich zur Verbannung aus Schottland.15 Das holländische Exil war für Calderwood aber nur ein neuer Ort, von dem aus er den Kampf 10 11 12

13 14 15

David Lindsay, The Reasons of a Pastors Resolution, Touching the Reverend Receiving of the Holy Communion, London 1619. Ebd., Widmungsbrief unpag.; John Michelson, The La[wfulnes] of Knee[ling] in th[e act] of Receiving th[e Sacrament] of the Lordes [Supper], [Saint Andrews] 1620, S. 91–98. Vgl. nur Melanchthons Position zum sogenannten Leipziger Interim und die Kritik hieran; Irene Dinge, „Der rechten lehr zuwider“. Die Beurteilung des Interims in ausgewählten theologischen Reaktionen, in: Luise Schorn-Schütte (Hrsg.), Das Interim 1548/50. Herrschaftskrise und Glaubenskonflikt, Gütersloh 2005, S. 292–311. Ferner zu den matters indifferent in der englischen Kirche bereits die Positionen von Jewel und Whitgift; s. hierzu o. Kap. V 3; ferner Nigel Atkinson, Richard Hooker and the Authority of Scripture, Tradition and Reason, Vancouver 1977, S. 59–61. Lindsay, The Reasons, S. 14 f.; ebenso auch Michelson, Lawfulness of Kneeling, S. 9. Lindsay, The Reasons, S. 9 f. Prior, Defining the Jacobean Church, S. 226; Vaughan T. Wells, Art. David Calderwood (c. 1575–1650), in: ODNB 9 (2004), S. 513–515.

1. Schottland

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gegen die vermeintlichen Neuerungen in der Kirche um so schärfer fortsetzen konnte. Calderwood machte in seiner 1619 erschienenen Publikation mit dem Titel Perth Assembly zunächst geltend, daß die General Assembly, die im Sommer 1618 zusammenkam, nicht als rechtmäßige Kirchenversammlung angesehen werden könne, ihre Beschlüsse daher weder rechtmäßig noch bindend seien.16 Im Anschluß daran versuchte er als nächstes nachzuweisen, daß alle fünf Artikel von Perth ungesetzlich seien, und zwar im dreifachen Sinne: So würden sie erstens geltenden Bestimmungen der schottischen Kirche zuwiderlaufen und insbesondere gegen den Eid verstoßen, den der König und mit ihm das ganze schottische Volk 1581 abgelegt hätten, die sogenannte Negative Confession.17 Hier habe man sich ausdrücklich dazu verpflichtet, „ceremonies of the Romane Antichrist“ in der schottischen Kirche auszumerzen und nicht zu dulden.18 Zweitens verstießen die Artikel gegen das zweite Gebot, da sie in der Kirche den Götzendienst wieder einführten.19 Und drittens seien die Bestimmungen mit dem in der Heiligen Schrift überlieferten Beispiel Christi nicht zu vereinbaren – Christus hätte schließlich sein letztes Abendmahl mit den Jüngern im Sitzen eingenommen.20 Daher seien die Bestimmungen Menschenwerk und den unerlaubten Neuerungen zuzurechnen, die darüber hinaus eine gefährliche Nähe zu katholischen Riten aufwiesen.21 Calderwood liefert also im wesentlichen zwei Argumente, um die Artikel von Perth zu attackieren: die bestehende schottische Kirchen- und Rechtstradition seit der Einführung der Reformation im Jahre 1560 sowie die Heilige Schrift. Bereits das Titelblatt schmücken zwei biblische Mahnworte: Ex 20, 7 mit der Wie-

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19 20 21

Calderwood, Perth Assemblie, S. 1–10; ferner William Scott, The Course of Conformitie as it hath Proceeded, is Concluded, should be Refused, Amsterdam 1622, S. 5–20, zum unrechtmäßigen Verlauf der Parlamentsversammlung S. 95 f. Die Erinnerung an die „perfect reformed church“ suchten die Presbyterianer auch mit dem Wiederabdruck der Kirchenbeschlüsse dieser Zeit deutlich zu machen; vgl. The first and second Book of Discipline, together with some Acts of the Generall Assemblies…, Amsterdam 1621. Daß diese Memoria auf den Druckort Amsterdam angewiesen war, dokumentiert die politische Brisanz, die diese Erinnerungspolitik besaß. Auch der Zeitpunkt des Werkes ist gut gewählt. Im Jahr 1621 hatte das schottische Parlament über die Artikel von Perth zu befinden, die von der General Assembly im Jahre 1618 bereits abgesegnet wurden, wenn auch nicht ohne Druck seitens des Königs; vgl. zu den Artikeln von Perth John D. Ford, The Lawful Bonds of Scottish Society. The Five Articles of Perth, the Negative Confession and the National Covenant, in: HJ 37 (1994), S. 45–64; Ders., Conformity and Conscience. The Structure of the Perth Articles Debate in Scotland 1618–1638, in: JEH 46 (1995), S. 256–277. Calderwood, Perth Assemblie, S. 26. So auch ders., A Defence of our Arguments against Kneeling in the Act of Receiving the Sacramentall Elements of Bread and Wine Impugned by Mr. Michelsone, [Amsterdam] 1620, S. 53. Calderwood, Perth Assemblie, S. 46 f.; Ders., A Defence, S. 1 f. Calderwood, Perth Assemblie, S. 36. Diese Argumentation auch in David Calderwood, A Solution of Doctor Resolutus, his Resolutions for Kneeling, [Amsterdam] 1619, S. 19.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

dergabe des zweiten Gebots, und Kol 2,8, wo Paulus davor warnt, menschlicher Überlieferung zu trauen statt Christus. Die Liturgie habe der lex dei zu gehorchen, sei daher Eingriffen der weltlichen Autorität ebenso wie kirchlicher Instanzen explizit entzogen.22 Mit diesem Argument sprach Calderwood den angeprangerten menschlichen Neuerungen von Perth jegliche Legitimation ab. Die Auseinandersetzung drehte sich damit wesentlich um die Frage der Reichweite der Heiligen Schrift. Davon hing wiederum der Spielraum ab, der für ordnungspolitische Entscheidungen durch die Kirche oder den König verblieb. Änderungen der Liturgie beispielsweise waren für die Fürsprecher des Königs Adiaphora, die aus Ordnungsgründen nach Kriterien zeitgenössischer Opportunität vom König bzw. der Kirchenhierarchie verbindlich festgelegt werden dürften. Für Calderwood und seine Mitstreiter ging es dagegen wesentlich um Belange, die sowohl durch Gottes Gesetz als auch durch das Beispiel Christi und der Apostel endgültig und für alle verbindlich festgeschrieben seien.23 Calderwood erschien das Adiaphora-Argument als ein rhetorischer Trick, um für den König den Zugriff auf Bereiche zu reklamieren, die eigentlich außerhalb seines Einflusses lagen, da sie durch das göttliche Gesetz verbindlich und dauerhaft festgeschrieben seien. Dies beträfe sowohl die Liturgie als auch das Kirchenregiment in Schottland. Um nicht offen gegen das Gesetz Gottes Stellung beziehen zu müssen, so der Vorwurf, deute man statt dessen durch Gott normierte Bereiche um in veränderbare menschliche Belange.24 Vom Standpunkt des Königs aus war jede Kritik an den Artikeln von Perth eine Infragestellung seiner Autorität innerhalb der Kirche. In Calderwoods Perspektive war die Kritik eine gebotene Christenpflicht, um den König von sündhaftem Tun abzuhalten. Sollte dies nichts bewirken, dürfe man den Befehlen nicht Folge leisten, wie sich auch Daniel der Anweisung des Perserkönigs Darius verweigert habe, sich mit seinen Bitten und Anliegen an niemanden außer dem König selbst zu richten, auch nicht an Gott.25 Vielmehr habe die Kirche den Auftrag, das Heft des Handelns im Falle von Notsituationen und außerordentlicher Bedrohungen selbst in die Hand zu nehmen. Damit sucht Calderwood ein Zusammentreffen der General Assembly ohne die Einladung des Königs zu legitimieren. Da der Kirche ihre Amtsgewalt direkt von Christus verliehen worden sei und Christus seine Anwesenheit bei Kirchenversammlungen ausdrücklich versicherte, müsse sie nun gegen den Willen des Königs handeln: „Salus ecclesiae suprema lex esto“.26 Der 22 23 24

25 26

Calderwood, A Solution, S. 18: „All this holy action, the words, the symbols, the rites, are all divine, and Christs own words, rites, and symbols“. Calderwood, A Defence, S. 5 und S. 35–38. Calderwood, The Altar of Damascus or the Patern of the English Hierarchie, and Church Policie Obtruded upon the Church of Scotland, [Amsterdam] 1621, S. 14. Daß Calderwood auch die nicht glaubensrelevanten Kirchenfragen nicht in der Kompetenz des Königs, sondern derjenigen der General Assembly sah, kommt noch hinzu (ebd.). Calderwood, A Defence, S. 55–57 (Dan 7,11–12). Als weiteres Exemplum für mustergültiges königliches Verhalten führt Calderwood den König Hiskija an (2 Kön 18–20). Calderwood, Altar of Damascus, S. 15.

1. Schottland

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König könne seine Gewalt über die Kirche nur dann für sich reklamieren, wenn er sie zum Wohle der Kirche einsetze und damit deren Autorität stärke, nicht aber, wenn er versuche, ihre von Christus verliehene Amtsgewalt einzuschränken. Ein solcher Akt käme der Usurpation der Herrschaft Christi über seine Kirche gleich, was die schottische Geistlichkeit verhindern müsse.27 Diese Argumentation war von erheblicher politischer Brisanz: Sie stattete die Kirche mit dem Recht aus, jederzeit den Notstand reklamieren und damit die königliche Mitsprache in kirchlichen Belangen außer Kraft setzen zu können. Die Debatte entfaltete schnell eine ungeahnte Dynamik und erfaßte nicht mehr nur die liturgischen Neuerungen von Perth, sondern auch das schottische Kirchenregiment insgesamt. In den Augen der Presbyterianer waren Fragen des rechtmäßigen Gottesdienstes ohnehin nicht zu trennen vom geltenden Kirchenregiment; Calderwood bezeichnet beide Dinge als „Hippocrates twins“.28 Solange Schottlands Kirchenregiment dem göttlichen Willen gemäß eingerichtet gewesen sei, d. h. dem presbyterianischen Ordnungsmodell entsprach, wie es sich in Schottland bis Mitte der 1590er Jahre weitgehend etabliert hatte, solange sei auch die Reinheit des Gottesdienstes gewährleistet gewesen.29 Nachdem allerdings die Bischöfe ein immer stärkeres Gewicht erlangt hätten und sich die Herrschaft über die Kirche anmaßten, verbreiteten sich auch wieder „Popish Rites“ und „superstitious Ceremonies“.30 Dies lag wiederum am negativen Einfluß, dem die schottische Kirche durch den englischen Nachbarn ausgesetzt sei. Jegliches Bestreben einer Konformität beider Kirchen, wie es Jakob als politisches Ziel unterstellt wird, stößt auf entschiedenen Widerspruch. Calderwood führt Thomas Brightmans Schrift Revelation of the Revelation ins Feld,31 in der er die schottische wie die englische Kirche mit einer der sieben Gemeinden aus Kapitel zwei und drei der Offenbarung gleichsetzte: Die schottische Kirche verkörpere das rechtgläubige Philadelphia, die englische Kirche dagegen nur das lauwarme Laodizea, das sich weder ganz für noch gegen Christus entschieden habe und mit dieser unentschiedenen Haltung das eigene Heil aufs Spiel setze. Präsentiert Brightman mit diesem Argument die schottische Kirche England als Vorbild, dient Calderwood die Analogie dazu, vor jeglicher Angleichung der schottischen an die englische Kirche zu warnen – in letzter Konsequenz würde dies nämlich zu einer Angleichung an die Papstkirche führen, und damit zu einer Unterwerfung vor dem Antichristen.32

27 28 29 30 31 32

Ebd., So auch ein Mitstreiter Calderwoods; Scott, Course of Conformitie, S. 147: „Let Christs royall prerogative who will not give his glory to another be kept for himselfe.“ Calderwood, Perth Assembly, Fol. A2r. Besonders zugespitzt in David Calderwood, Quaeres Concerning the State of the Church of Scotland, [Amsterdam] 1621, A2r; ähnlich Scott, Course of Conformitie, S. 11–20. Ebd., Ein weiterer Kritikpunkt war, daß Schottland mit den Bestimmungen letztlich der englischen Kirche angeglichen werden solle; Calderwood, A Defence, S. 40. Calderwood, Quaeres, Fol. A5r. Ebd., Fol. A4r–5r.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

Calderwood bedient sich in seiner Schrift The Altar of Damascus ferner einer alttestamentlichen Analogie: Die Angleichung der schottischen Kirche an das englische Modell kommt für Calderwood der Errichtung des Altars von Damaskus durch König Ahas im Königreich Juda gleich.33 England stelle für Schottlands Seelenheil eine vergleichbare Gefährdung dar wie die Perser für das Königreich Juda. Dabei zielt sein Angriff diesmal nicht nur auf die Einführung der liturgischen Neuerungen in den fünf Artikeln, sondern allgemein auf Jakobs Kirchenpolitik seit seiner englischen Thronbesteigung: die Errichtung der High Commission im Jahre 1610, die als „Bonifacian Prelats“ verunglimpften Bischöfe und deren Amtsgewalt, die in England etablierte dominante Stellung der Erzbischöfe, die Jurisdiktionsgewalt der Bischöfe generell. Die Kritik gründete in allen Fällen stets auf das gleiche Argument: Die „Neuerungen“ seien abzulehnen, da sie nicht durch die Heilige Schrift gedeckt seien. Calderwood griff in seinem publizistischen Feldzug gegen die Kirchenpolitik Jakobs auf biblische Analogien zurück, die diese Kirchenpolitik seit ihren Anfängen begleiteten. So beschwörten die Presbyterianer die Abgeordneten des Parlaments von Perth im Jahr 1606, das die Bischofsverfassung in Schottland wieder einführen sollte, davon abzulassen, die Mauern von Jericho wieder aufzurichten.34 Auch der Vergleich mit dem Altar von Damaskus wurde bemüht, um die Bischofsverfassung zu brandmarken, kombiniert mit einer weitsichtigen Prophezeiung: der Altar von Damaskus „came last in the temple, and went first out.“35 Und manche vor die High Commission zitierten Geistlichen verglichen das Knien während der Eucharistie offen mit dem Knien vor Baal.36 Diese einzelnen biblischen Analogien reaktivieren eine prominente und in zahlreichen Variationen verfügbare Erzählung im Alten Testament zur Beschreibung der zeitgenössischen Verhältnisse in Schottland: Ein Volk, das mit Gott einen Bund eingegangen ist, der dem Volk Gehorsam und Gesetzestreue gegenüber Gott abverlangt, um ihm Gottes persönlichen Schutz und besondere Fürsorge angedeihen zu lassen, weicht aufgrund der Verführungen der Obrigkeit vom Weg des Gehorsams ab und setzt sich damit der Gefahr empfindlicher Gottesstrafen aus. Der König erscheint hier als Verführer des Volkes und damit als Gefährdung für das Heil des Volkes, nicht als Schutzherr der Kirche. Obschon der Unmut in der schottischen Kirche über die Einführung der fünf Artikel von Perth deutlich vernehmbar war und die Artikel nach ihrer Ratifikation 1618 in der General Assembly und 1621 im Parlament weitgehend nur auf dem Papier existierten,37 bleibt unklar, wieviel Mitglieder der schottischen Kirche die aus dem Exil geäußerten Positionen Calderwoods wirklich teilten und die von ihm vorgelegte Sicht auf die schottischen Verhältnisse akzeptierten. Gleichwohl 33 34 35 36 37

Calderwood, Altar of Damascus. Calderwood, The True History, S. 528. Ebd., S. 529. Ebd., S. 725–727. Vgl. hierzu MacDonald, Kirk, S. 160–170.

2. England

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lag in den Schriften Calderwoods und seiner Mitstreiter eine Deutung der Kirchenverhältnisse bereit, die das Potential in sich trug, Ungehorsam gegen Befehle des Königs mit dem Gehorsam gegenüber Gott zu begründen. Diese Deutung konnte jederzeit aktualisiert werden. Die Schriften enthielten ferner alle biblischen Maximen und Exempla, die zur Rechtfertigung einer Abkehr vom König notwendig waren. Zwar sollte erst Karl I. die politischen Folgen dieses Narrativs zu spüren bekommen. Die Kirchenpolitik Jakobs lieferte jedoch die Initialzündung, um ein auf der Bibel fußendes Bild von einer vom König der Verdammnis ausgelieferten Kirche entstehen zu lassen.

2. England: Die Verfestigung eines oppositionellen Narrativs Die Kirchenpolitik Jakobs VI. in Schottland war in den Augen der Presbyterianer spätestens seit 1596 geprägt durch eine kontinuierliche Abkehr vom bereits weitgehend etablierten Idealzustand einer vollständig reformierten Kirche. Die Artikel von Perth waren nur der letzte Stein des Anstoßes in einer langen Kette von Verstößen gegen die nach den Prinzipien Christi und der Apostel eingerichteten schottischen Kirk. In England hingegen war die Wahrnehmung der Kirchen- und Religionspolitik Jakobs I. in den ersten eineinhalb Jahrzehnten seiner Regierungszeit weitgehend positiv. Insbesondere der nach der Pulververschwörung eingeschlagene Kurs der Abgrenzung gegen die römische Kirche wirkte ausgleichend und reduzierte die Spannungen in der englischen Kirche zwischen Conformists und Nonconformists.38 In den meisten Berufungen auf vakante Bischofsstühle ernannte Jakob entschiedene Gegner der römischen Kirche in hohe Ämter, Befürworter der etablierten Kirche in England, aber zugleich überzeugte Calvinisten und damit in Frontstellung gegen alles, was mit Rom in Beziehung stehen könnte.39 In der Zeit von 1605 bis 1618 war die englische Kirche mit ihrem König Jakob weitgehend einig.40 Solange die Auseinandersetzung um den oath of allegiance in Form einer theologischen Gelehrtendebatte geführt wurde, war Jakob I. stets gerne bereit, zum apokalyptischen Säbel zu greifen, statt das Florett zu bemühen. Mit dem Aufstand der böhmischen Stände allerdings und dem daraus resultierenden europäischen Krieg, der dreißig Jahre währen sollte, bekamen Jakobs Bekenntnisse und seine Attacken gegen den Antichristen plötzlich eine andere Bedeutung. Für zahlreiche Calvinisten in der englischen Kirche wie auch im Privy Council war nun der Moment gekommen, den heilsgeschichtlichen Auftrag der Könige zu 38

39 40

Zu den Spannungen und den dabei vertretenen Positionen vgl. Prior, Defining the Jacobean Church, der allerdings an keiner Stelle zu erkennen gibt, daß es sich bei der Kontroverse letztlich um eine Auseinandersetzung mit weitgehend marginalisierten Gruppen an den Rändern der Kirche handelte. Kenneth Fincham, Prelate as Pastor. The Episcopate of James I., Oxford 1990. Zum weitgehenden Konsens während der Jahre 1603–1618 vgl. Fincham/Lake, Ecclesiastical Policy.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

erfüllen und gegen die Hure Babylon zu Felde zu ziehen: „to eate her flash and burne her with fire“ (Offb 17,16), was insbesondere an der politischen Haltung des Erzbischofs von Canterbury, George Abbot, deutlich werden wird. In den Augen der Befürworter eines „Heiligen Krieges“ gegen die Mächte der Finsternis, d. h. vor allem gegen Spanien und den Kaiser, ging es um den großen, apokalyptischen Konflikt zwischen Heil und Verdammnis. Englands Haltung zu diesem Konflikt entschied in ihrer Sicht der Dinge nicht nur über das Schicksal der protestantischen Leidensgenossen in Böhmen und in der Pfalz. Sie war auch der entscheidende Indikator dafür, wo England selbst im Moment der Vernichtung Babylons seinen Platz finden sollte: bei den Streitern für Christus Lehre, oder bei denjenigen, die bis zuletzt mit der Hure Babylon Unzucht getrieben hätten. In diesem Konflikt war Neutralität nicht möglich. Schließlich verkündet das Sendschreiben der Johannesoffenbarung an die Stadt Laodicäa, daß lauwarmen, unentschiedenen Gläubigen ebenso die Verdammnis bevorstehe wie den Gegnern Christi (Offb 3,14–20).41 Welche Haltung nahm Jakob I. zum Konflikt in Böhmen und in der Pfalz ein? Schließlich war die Tochter Jakobs I. die Frau Friedrichs V. von der Pfalz, neu ernannte Königin Böhmens und damit auf der Seite der Aufständischen. Für die Befürworter eines „Heiligen Krieges“ gegen Spanien war die politische Aufgabe Jakobs I. offensichtlich.42 Sie dürften im englischen König zunächst einen Gesinnungsgenossen vermutet haben. Schließlich waren erst im Jahr 1616 in einer prachtvollen Folioausgabe die gesammelten Schriften Jakobs I. aufgelegt worden, also eine Sammlung all seiner über Jahrzehnte gemachten Bekenntnisse zur Verteidigung des wahren Glaubens wider den römischen Antichristen.43 In dieser Werkausgabe waren seine antipäpstlichen Attacken und seine politische Deutung der Offenbarung noch einmal für jedermann nachlesbar. Jetzt war in den Augen der protestantischen Aktivisten der Zeitpunkt gekommen, diese Weltdeutung mit Leben zu füllen und den Kampf gegen Babylon in die Tat umzusetzen.

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Vgl. hierzu Thomas Brightman als einer der ersten Mahner, bereits vor dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges; Brightman, Revelation, S. 137 und 165; vgl. hierzu auch Asch, Revelation, S. 325. Begriff und Konzept des „Heiligen Krieges“ sind in jüngster Zeit verstärkt in die Diskussion geraten, ohne daß dabei bislang allerdings eine klare Definition herausgearbeitet worden wäre oder Einigkeit über die Tauglichkeit des Begriffes in der Geschichtswissenschaft bestünde; vgl. Klaus Schreiner (Hrsg.), Heilige Kriege. Religiöse Begründungen militärischer Gewaltanwendung: Judentum, Christentum und Islam im Vergleich (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien: Bd. 78), München 2008; ferner allg. Franz Brendle/Anton Schindling, Religionskriege im Alten Reich und in Alteuropa, Münster 2006; Heinz Schilling (Hrsg.), Konfessioneller Fundamentalismus. Religion als politischer Faktor im europäischen Mächtesystem um 1600 (Schriften des Historischen Kollegs, Kolloquien: Bd. 70), München 2007; Matthias Pohlig, Konfessionskulturelle Deutungsmuster internationaler Konflikte um 1600 – Kreuzzug, Antichrist, Tausendjähriges Reich, in: Archiv für Reformationsgeschichte 93 (2002), S. 278–316; zur englischen Variante dieser Denkfigur bereits Walzer, Revolution, S. 277–299. S. o. Kap. V 4c.

2. England

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Der König verweigerte sich jedoch dieser religiösen Deutung der Ereignisse. Er sah im Vorgehen der böhmischen Stände die unrechtmäßige Erhebung von Rebellen gegen einen legitimen Herrscher. Sobald das Herrschaftsrecht der Könige tangiert war und dem Widerstandsrecht das Wort geredet wurde, war für Jakob eine rote Linie überschritten, kam eine Solidarisierung mit den Aufständischen nicht in Frage. Die Frage der Konfession stellte sich für ihn erst an zweiter Stelle.44 Dies zeigte sich auch in seinem Bemühen, den großen europäischen Krieg mit einer eigenen Friedensinitiative doch noch abzuwenden. Eine dynastische Hochzeit zwischen seinem Sohn Karl I. und der spanischen Infantin sollte zu einem Ausgleich der Kriegsparteien und zu einer Versöhnung zwischen den Konfessionen beitragen, so sein Plan.45 Um für diesen Hochzeitsplan den spanischen Botschafter Gondomar zu gewinnen, war Jakob gerne bereit, als vertrauensbildende Maßnahmen auch die antikatholischen Recusant-Gesetze zeitweilig aufzuheben, d. h. katholische Religionsausübung in England in bestimmten Grenzen wieder zuzulassen.46 Für Protestanten, die die Schlachten im Reich mit der Brille der Offenbarung betrachteten, war dies ein schwerer Schlag. Ihr eigener König weigerte sich nicht nur, gegen die Hure Babylon zu Felde zu ziehen. Er reichte ihr auch noch die Hand. Es war daher nur folgerichtig, daß Jakob I. für seine Pläne vor allem publizistischen Gegenwind erntete. Dabei stand viel auf dem Spiel. Es ging zunächst um Zweifel an der Glaubwürdigkeit der königlichen Schriften; damit verbunden um die Glaubhaftigkeit seiner öffentlichen Bekenntnisse; und nicht zuletzt insgesamt um Zweifel an der Rechtgläubigkeit des Königs. Diagnostiziert man für die 1620er Jahre in England eine politische Krise, so war dies vor allem anderen eine Krise der von Jakob betriebenen Selbstdarstellung und der königlichen Repräsentation in der Öffentlichkeit.47 Die Anstrengungen des Königs, seine Herrschaft von Gott abzuleiten und seine eigene Rolle als Gottes oberster Exeget, als Prophet und göttliches Sprachrohr herauszustellen, wurden durch den lauter werdenden Chor kritischer Stimmen oppositioneller Geistlicher gegen die Ausrichtung seiner Außenpolitik zunichte gemacht. Statt im König ein Werkzeug Gottes zu sehen, diagnostizierten sie die zunehmende Diskrepanz zwischen der lex dei und dem von Jakob I. und später von Karl I. verfolgten politischen Kurs. Die Kritik entzündete sich allerdings weniger an Maßnahmen der Kirchenpolitik wie in Schottland nach den Artikeln von Perth. Vielmehr standen die auf Ausgleich mit den katholischen habsburgischen Großmächten bedachte Außenpolitik und deren innenpolitische Konsequenzen in zahlreichen Wortmeldungen am Pranger.

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Vgl. hierzu Magnus Rüde, England und Kurpfalz im werdenden Mächteeuropa (1608–1632). Konfession – Dynastie – kulturelle Ausdrucksformen, Stuttgart 2007, S. 174. Asch, Jakob I., S. 182–185. Thomas Cogswell, The Blessed Revolution. English Politics and the Coming of War, Cambridge 1989, S. 37. Sharpe, Image Wars, S. 130 f.

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Die Auseinandersetzung um den außenpolitischen Kurs fand zum einen in den dafür konstitutionell vorgesehenen Institutionen statt – im Privy Council sowie während der Parlamente der Jahre 1621 bis 1629, in denen der Konflikt zwischen König und Unterhaus mitunter zu einem Prinzipienkonflikt ausartete.48 Zum anderen war die Opposition gegen die Politik Jakobs I. und Karls I. auch ganz wesentlich ein Phänomen der zeitgenössischen Publizistik. Die Kritiker bedienten sich dabei zahlreicher Gattungen, um ihrem Unmut gegen die aktuelle englische Politik Ausdruck zu verschaffen: Neben traditionelle Spielarten politischer Stellungnahme wie Predigten und Traktate traten weitere Gattungen: die Satire, Spottverse, Flugschriften und erste Zeitungen.49 Die Politik der beiden Stuartkönige wurde in den 1620er Jahren wie nie zuvor in der Öffentlichkeit diskutiert und hatte sich kritischen Fragen zu stellen. Dabei standen Publizistik und Parlamentssitzungen in einem Zusammenhang: Die öffentliche Debatte begleitete die Beratungen des Parlaments, konfrontierte die Abgeordneten mit Wünschen und Forderungen, während umgekehrt die Abgeordneten sich zahlreicher Autoren bedienten, um in der Öffentlichkeit Werbung für ihre politischen Anliegen zu machen und auch auf diese Weise Druck auf die Verhandlungen auszuüben.50 Die Frontlinie verlief dabei nicht zwischen den Mitgliedern des Parlaments auf der einen und den Mitgliedern der Regierung und des Hofes auf der anderen Seite. Vielmehr war der einzuschlagende Kurs in der Außenpolitik innerhalb des Hofes umstritten, fanden daher die einzelnen Fraktionen am Hof in den verschiedenen Parteiungen im Parlament ihre Entsprechung.51 In den Veröffentlichungen, die die zahlreichen Parlamentssitzungen von 1621 bis 1629 begleiteten, wurde die Politik des Königs an den Normen und Beispielen gemessen, die die unterschiedlichen politischen Sprachen als verbindliche Autorität bereitstellten, und auf diese Weise die Legitimität der politischen Vorgänge 48 49

50 51

Vgl. hierzu Conrad Russell, Parliaments and English Politics 1621–1629, Oxford 1979; Colclough, Freedom of Speech, Kap. 3, v. a. S. 168–185. Andrew McRae, Literature, Satire, and the Early Stuart State, Cambridge 2004; Raymond, Pamphlets; Dagmar Freist, Öffentlichkeit und Herrschaftslegitimation in der Frühen Neuzeit: Deutschland und England im Vergleich, in: Ronald G. Asch/Dagmar Freist (Hrsg.), Staatsbildung als kultureller Prozeß. Strukturwandel und Legitimation von Herrschaft in der Frühen Neuzeit, Köln/Weimar/Wien 2005, S. 322–351; Richard Cust, News and Politics in Early Seventeenth-Century England, in: PP 112 (1986), S. 60–90; Ders., „Patriots“ and „Popular“ Spirits. Narratives of Conflict in Early Stuart Politics, in: Nicholas Tyacke (Hrsg.), The English Revolution 1590–1720. Politics, Religion and Communities, Manchester 2007, S. 43–61; Grabes, Das englische Pamphlet, Bd. 1, S. 97–100; Charles H. Firth, The Ballad History of the Reign of James I., in: TRHS, Dritte Folge, 5 (1911), S. 22–61, hier S. 44–56. Vgl. hierzu demnächst Cyndia Clegg, Print in the Time of Jacobean Parliaments, in: Peter Longman (Hrsg.), Negotiating Jacobean Print Culture (erscheint vor. 2011). Vgl. Conrad Russell, The Nature of a Parliament in Early Modern England und Parliamentary History in Perspective 1604–1629, beide in: Ders., Unrevolutionary England 1603–1642, London 1990, S. 1–29 und 31–57; sowie die Beiträge in Kevin Sharpe (Hrsg.), Faction and Parliament. Essays on Early Stuart History, Oxford 1978; Rüde, England und Kurpfalz, S. 187–193 und S. 212–216.

2. England

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diskutiert. Der Biblizismus war dabei eine der Sprachen, die in dieser Debatte zum Einsatz kamen. Hierbei wählten zahlreiche Kritiker eine Dramatisierungsrhetorik und bedienten sich spezifischer Exempla aus der historia sacra, um die vermeintlich existentielle Bedrohung von Englands Seelenheil in der Öffentlichkeit ins Bewußtsein zu rufen. Die dabei angesprochenen Adressaten dieser Mahnreden waren zum einen der König selbst, der beschworen wurde, seine Politik zu ändern und damit zurückzukehren auf den Pfad des von Gott vorgezeichneten Weges, zum anderen die Mitglieder des Parlaments, die ebenfalls dazu aufgefordert wurden, um der protestantischen Identität des Landes willen der vom König verfolgten Politik Einhalt zu gebieten. Beide Adressaten, die in den Predigten zu politischem Handeln aufgefordert worden waren, waren Teil der englischen Herrschaftsgewalt, der durch den Kingin-Parliament verkörperten Souveränität. Die Sprechakte selbst sind daher noch kein hinreichender Indikator für die Krisenhaftigkeit der Stuartherrschaft. Öffentliche Gravamina gehörten schließlich spätestens seit der Zeit des Buchdrucks zu der Begleitmusik von Parlamentssitzungen. Es war die Vielzahl und die Vehemenz der kritischen Wortmeldungen, die bei zeitgenössischen Beobachtern den Eindruck erweckten, einem Bürgerkrieg in England nahe zu sein. So meldete der venezianische Botschafter Girlamo Lando aus London, daß die Prediger im Zusammenhang mit dem spanischen Hochzeitsprojekt dazu übergegangen seien, von der Kanzel aufrührerische und gefährliche Positionen zu vertreten, statt die Untertanen zum nötigen Gehorsam gegenüber dem König anzuhalten.52 Und der französische Botschafter Tillières sah in dieser aufgeheizten Stimmung die üblichen Vorboten eines Bürgerkrieges.53 Zwar wird die Frage nicht zu beantworten sein, wie nahe England in den Jahren 1622–29 wirklich vor einem Bürgerkrieg stand. Jakobs Versuche, mit Hilfe obrigkeitlicher Anordnungen die Kritik gegen seine Politik einzudämmen, dokumentieren allerdings die Irritation des Königs angesichts der zunehmend kritischen Öffentlichkeit. Sie zeigen darüber hinaus, wo Jakob die Grenze sah zwischen legitimer Bibelexegese einerseits und politischer Agitation andererseits. Darüber hinaus wird im folgenden zu zeigen sein, daß die Herrschaftskritik am politischen Kurs Jakobs I. bereits nahezu alle biblisch abgeleiteten Argumente und Exempla enthielt, die auch zwanzig Jahre später die Abrechnung mit Karls Kirchenpolitik bestimmen sollten. Dies ist zumindest aus zwei Gründen bemerkenswert. Zum einen entzündete sich die Kritik an Jakob I. sowie an Karl I. zumindest auf den ersten Blick an unterschiedlichen Politikfeldern. Die Auswahl und die Deutung der dagegen angeführten biblischen Beispiele schien dies offen-

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CSP Ven., Bde. 16 (1619–1621) und 17 (1621–1623), hrsg. v. Allen B. Hinds, London 1908–1912, Bd., 17, Nr. 603, S. 445 (21. 09. 1622). Sharpe, Image Wars, S. 130. Michael B.Young, James and the History of Homosexuality, New York 2000, S. 62; dort zitiert: Frederick von Raumer, History of the Sixteenth and Seventeenth Centuries. Illustrated by Original Sources, trans. by H.E. Loyd, 2 Bde., London 1835, Bd. 2, S. 246.

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kundig wenig zu beeinflussen. Zum anderen stellt sich angesichts des biblizistischen Gleichklangs der vorgebrachten Kritik die Frage nach der Krisenhaftigkeit der späten Regierungsjahre Jakobs I. Insbesondere wird zu diskutieren sein, inwiefern sich aus dem biblischen Inventar der Herrschaftskritik bereits auf die Fragilität der Königsherrschaft Rückschlüsse ziehen lassen. a) Jakobs politisches Friedensprogramm in der Diskussion Die im Jahr 1616 erschienene Werkausgabe setzte den Schriften Jakobs VI./I. bereits zu Lebzeiten ein Denkmal. Mit dieser Monumentalisierung der Aussagen des Königs war zuleich die Suggestion verknüpft, daß die Deutungen und Positionen aus Jakobs Feder gleichsam ewig Bestand hätten und dauerhaft verbindlich seien. Ungeachtet dieser Inszenierungsabsicht ist nicht zu übersehen, daß sich die Imagepolitik des Königs in den knapp vierzig Jahren seiner Regierung bis in das Jahr 1620 deutlich gewandelt hatte, und damit verknüpft auch die Botschaften seiner Schriften. So enthalten die frühen Schriften Jakobs über die Auslegung der Offenbarung eine Militanz gegen die römisch-katholische Kirche im allgemeinen und gegen Spanien im besonderen, wie sie Jakobs Selbstdarstellung im letzten Jahrzehnt seiner Herrschaft nicht mehr zu eigen war. Vielmehr hatte Jakob im Laufe seiner Regierungszeit als englischer König zusehends eine neue Rolle für sich gefunden: die Herausstellung seiner eigenen Person als ausgleichende Instanz, als Friedensvermittler und Schiedsrichter, die mit dem Friedensschluß zwischen Spanien und England kurz nach seiner englischen Thronbesteigung im Jahr 1603 ihren Anfang nahm.54 In den ersten fünfzehn Jahren von Jakobs Herrschaft als englischer König waren beide Botschaften gleichermaßen in der Öffentlichkeit präsent. In Predigten und panegyrischen Schriften wurde Jakob als zweiter Salomon gefeiert, da er England Frieden beschert hatte. Auch als Friedensvermittler hatte er sich einen Namen gemacht, wirkte er doch als Vermittler persönlich daran mit, daß der Krieg zwischen Schweden und Dänemark 1613 ein Ende fand.55 In den auf europäischer Bühne stattfindenden Auseinandersetzungen nach der Pulververschwörung um den Treueeid der englischen Katholiken blieb hingegen die Deutung der römischen Kirche als Manifestation des Antichristen aktuell, wurde sie sowohl von Jakob selbst als auch von zahlreichen englischen Theologen in deren Schrif54

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Hierzu Malcolm Smuts, The Making of Rex Pacificus: James VI and I and the Problem of Peace in an Age of Religious War, in: Fischlin/Fortier (Hrsg.), Royal Subjects, S. 371–387; ferner die Darstellung Jakobs I. in den zahlreichen panegyrischen Schriften anläßlich seiner Thronbesteigung in England; Sharpe, Image Wars, S. 14–17. Leider wird bei Christoph Kampmann in seiner instruktiven Untersuchung über die Rolle des Friedensstifters in Europa Jakob I. vollständig ausgespart. Auch daran läßt sich die begrenzte Reichweite von Jakobs Schiedsrichterrolle ermessen; vgl. aber grundsätzlich Christoph Kampmann, Arbiter und Friedensstiftung. Die Auseinandersetzung um den politischen Schiedsrichter im Europa der Frühen Neuzeit, Paderborn u. a. 2001. Lee, Great Britains Salomon, S. 264; weitere Friedensbemühungen aufgelistet bei Patterson, James VI and I, S. 294 f.

2. England

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ten vertreten. Bis zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges gibt es jedoch keinerlei Anzeichen dafür, daß die Pluralität der ausgesandten Botschaften in der Öffentlichkeit auf Kritik gestoßen wäre, ja überhaupt als widersprüchlich wahrgenommen wurde. Der Ausbruch der Kampfhandlungen in Böhmen, wo sich der frisch gewählte böhmische König Friedrich V. von der Pfalz, der Schwiegersohn Jakobs I., den Truppen der katholischen Liga sowie der Habsburger zu erwehren hatte, sollte die Wahrnehmung der Selbstdarstellung des englischen Königs ebenso wie seiner politischen Agenda deutlich verändern. Aus den Ereignissen in Europa zog Jakob andere Konsequenzen als zahlreiche seiner Untertanen. So erschien im Jahr 1618 ein repräsentatives Buch mit dem Titel The Peace Maker or Great Brittaines Blessing. Das Werk ist geschmückt mit den Initialen und dem Wappen König Jakobs und ist auf eine offiziellen Verlautbarungen und Proklamationen vergleichbare Weise an die Amtsträger und die Untertanen des Königs adressiert, auch wenn es vermutlich eher aus der Feder Thomas Middletons stammen dürfte.56 Die Botschaft des Königs an seine Untertanen, Frieden und Eintracht als höchstes politisches Ziel anzusehen und in seinen Königreichen ebenso durchzusetzen wie im Verhältnis der europäischen Monarchien untereinander, läßt sich zugleich als Jakobs politisches Programm wie auch als Teil seiner Selbstdarstellung in den letzten Jahren seiner Regierungszeit verstehen. Die Schrift streicht dabei nicht nur das harmonische Verhältnis der Königreiche Irland, Schottland und England untereinander als Erfolg von Jakobs Friedenspolitik heraus, sondern begrüßt auch den Frieden mit Spanien als große politische Leistung.57 England sei „Insula pacis“, “the Land of Peace, under the King of Peace“, Jakob selbst ein neuer König Salomon.58 In seiner 1619 zuerst veröffentlichten Schrift A Meditatioun upon the Lords Prayer stellt Jakob seine Rolle als rex pacificus in eine biblische Tradition, die von Salomon bis zu Christus reicht: „King Salomon was a figure of Christ in that, that he was a King of peace“.59 So wenig diese Selbstdarstellung Jakobs neu war, so umstritten war diese Rolle des Friedenskönigs angesichts der in Böhmen bedrängten Protestanten. Hinzu kam, daß Jakob es nicht bei einer bloßen Inszenierung belassen wollte. Er sah seine Rolle vielmehr darin, aktiv auf einen Ausgleich zwischen den beiden verfeindeten konfessionellen Lagern hinzuwirken. Hierzu sollte ihm ein klassisches Mittel dynastischer Politik dienen, eine Heiratsverbindung zwischen dem protestantischen und dem katholischen Lager, konkret zwischen seinem Sohn und 56

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The Peace Maker or Great Brittaines Blessing, London 1618, Fol. A3r: „To all our Subjects…“. Zur Autorschaft vgl. Susan Dwyer Amussen, The Peacemaker. A Critical Introduction, in: Gary Taylor (Hrsg.), The Complete Works of Thomas Middleton, Oxford 2007; Rhodes Dunlap, James I., Bacon, Middleton, and the Making of the Peace-Maker, in: Josephine W. Bennet (Hrsg.), Studies in the English Renaissance Drama, New York 1959, S. 82–94; Patterson, James VI and I, S. 296 Anm. 9. The Peace Maker, Fol. B1r. The Peace Maker, Fol. A4r und B1v. Jakob I., Workes, S. 590.

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Thronfolger Karl I. und der spanischen Infantin Doña Maria. Es soll an dieser Stelle nicht erörtert werden, ob diese Eheschließung, wäre sie denn zustande gekommen, Europa den Frieden gebracht hätte oder nicht. Wesentliche Protagonisten der Auseinandersetzung, beispielsweise Kaiser Ferdinand II., der bayerische Herzog Maximilian I. und die übrigen Reichsstände, Frankreich und die Niederlande, blieben bei diesem Ausgleichsprojekt völlig außen vor, ein Umstand, der zumindest daran zweifeln läßt, ob die geplante Eheschließung in einen Frieden hätte einmünden können.60 Jakob schien aber von seinem Projekt um so stärker überzeugt zu sein, je größer der Widerstand in England dagegen wurde. Für die verbleibenden sieben Jahre seiner Amtszeit avancierte das Projekt der spanischen Hochzeit zu seinem wichtigsten politischen Vorhaben.61 Diese Prioritätensetzung hinterließ in Gestalt des neu errichteten Banqueting House in der Londoner Königsresidenz in Whitehall auch dauerhaft sichtbare Spuren.62 Der von Inigo Jones errichtete Bau sollte die Kulisse für die Hochzeitsfeierlichkeiten abgeben. Damit entstand in London in Zeiten des kontinentalen Krieges ein Monument des rex pacificus, das die Idee der Ausgleichpolitik und des Heiratsprojekts in Stein bannen sollte.63 Dies trifft um so mehr für die Ausgestaltung des Banqueting House zu. Insbesondere die von Rubens gemalten Dekkengemälde über die Wohltaten der Herrschaft Jakobs I. geben das politische Programm seiner letzten Regierungsphase wieder.64 Auf einem Gemälde ist Jakob als Vater von Einheit, Frieden und Überfluß zu sehen, begleitet von Minerva, der Göttin der Weisheit. Sie verteidigt den Thron Jakobs gegen Angriffe des Kriegsgottes Mars, so daß der Friede in England und für seine Untertanen erhalten bleibt. Ein anderes Gemälde zeigt die Apotheose Jakobs I., der von den Tugenden Religio und Fides in den Himmel geleitet wird, während er auf Erden Frieden hinterläßt. Zwar ist dieses Bildprogramm erst im Jahr 1635 fertiggestellt worden. Es geht jedoch wahrscheinlich bereits auf die Zeit der Errichtung des Bauwerks zurück, d. h. auf die frühen 1620er Jahre.65 Damit wäre es ein weiteres Beispiel für die Selbstinszenierung Jakobs als Friedensgarant in Europa. Auch die Nachwelt sollte Jakob I. als Friedenskönig in Erinnerung behalten. In der Leichenpredigt, die John Williams in Westminster vortrug, rief der Bischof 60 61

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63 64 65

Asch, Jakob I., S. 187 f. Vgl. Patterson, King James VI and I, Kap. 9. Vgl. hierzu auch aus der Perspektive der Kurie Georg Lutz, Kardinal Giovanni Francesco Guidi di Bagno. Politik und Religion im Zeitalter Richelieus und Urbans VIII. (Bibliothek des DHI in Rom, Bd. 34), Tübingen 1971, S. 118–128. Ich folge hier wesentlich Sharpe, Image Wars, S. 84–88. Vgl. hierzu ferner Per Palme, Triumph of Peace. A Study of the Whitehall Banqueting House, Stockholm/London 1957; John Charlton, The Banqueting House Whitehall, London 1964; Simon Thurley, Whitehall Palace. An Architectural History of the Royal Apartments 1240–1698, New Haven/London 1999. Palme, Triumph of Peace, S. 18 f. Vgl. Roy Strong, Britannia Triumphans. Ingo Jones, Rubens, and Whitehall Palace, London 1980, S. 17–19. So Strong, Britannia Triumphans, S. 17–19; Palme, Triumph of Peace, S. 230–248; Gregory Martin, The Banqueting House Ceiling. Two Newly Discovered Projects, in: Apollo 139 (1994), S. 29–34.

2. England

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von Lincoln Jakob noch einmal als „Great Britains Salomon“ in Erinnerung, da er ein König der Weisheit gewesen sei, aber auch ein Friedenskönig.66 Williams betont zum einen Salomons Rolle als Typus Christi, zum anderen sieht er Jakob I. als „lively Representation of the Vertues of Salomon“67 – in der Gesamtschau steht Jakob daher in der Tradition Salomons und Christi gleichermaßen, eine Position, die zu diesem Zeitpunkt keineswegs alle Mitglieder der Kirche teilen sollten. Insbesondere Jakobs Ausgleichspolitik mit katholischen Mächten stieß innerhalb der englischen Kirche auf wenig Gegenliebe.68 Der mit dem Prager Fenstersturz ausgelöste Krieg auf dem Kontinent war zugleich ein Konfessionskrieg, ein Element, das die öffentliche Wahrnehmung in England weitgehend bestimmte. Dementsprechend gestaltete sich die Rhetorik, in der der Dreißigjährige Krieg dargestellt und die katholischen Kriegsparteien, insbesondere Spanien, charakterisiert wurden. Daß Jakob in den folgenden Jahren, statt den „Heiligen Krieg“ zu propagieren, den überkonfessionellen Ausgleich anstrebte und sogar eine dynastische Verbindung mit dem katholischen Erzfeind Spanien ins Auge faßte, intensivierte die Abgrenzungsbekundungen zahlreicher um ihre protestantische Identität fürchtenden Mitglieder der englischen Kirche noch um ein Vielfaches. Die Angst um den Fortbestand des Protestantismus in England wurde auch dadurch intensiviert, daß von Beginn an in den Eheverhandlungen von Zugeständnissen an Englands Katholiken die Rede war und die Bestimmungen, die nach der Pulververschwörung erlassen wurden, um die englischen Katholiken zu Treuebekundungen gegenüber dem König zu zwingen, bis auf weiteres außer Kraft gesetzt werden sollten.69 Zusammengenommen führte all dies bei zahlreichen Geistlichen zu der Überzeugung, daß Englands Heil auf dem Spiel stand, sollte der politische Kurs des Königs nicht aufgehalten werden. Es war kein neues Phänomen der öffentlichen politischen Debatte in England, daß Kritiker in ihren politischen Appellen den Antichristen vor der Tür wähnten und die Gefahr des Götzendienstes anprangerten. Neu war hingegen, daß es diesmal keineswegs nur die üblichen Verdächtigen waren, also die Nonconformists und Separatists, die die Ereignisse im Heiligen Römischen Reich in heilsgeschichtlicher Perspektive betrachteten. Sogar der Erzbischof von Canterbury, Georg Abbot, sah mit dem Abfall der böhmischen Stände von Ferdinand II. den Moment gekommen, an dem „by piece and piece, the Kings of the Earth, that gave their power unto the Beast (all the word of God must be fulfilled) shall now tear the ‚Whore 66

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John Williams, Great Britains Salomon. A Sermon Preached at the Magnificent Funerall, of the Most High and Mighty King, Iames, the Late King of Great Britaine, France and Ireland, London 1625, S. 2. Ebd., S. 3 und 76. Vgl. nur Cogswell, Blessed Revolution, S. 24–35. Zur Haltung des Unterhauses in dieser Frage in den beiden Parlamenten von 1621 und 1624 vgl. Conrad Russell, The Foreign Policy Debate in the House of Commons in 1621, in: HJ 20 (1977), S. 289–309; S.L. Adams, Foreign Policy and the Parliaments of 1621 and 1624, in: Sharpe (Hrsg.), Faction, S. 139–172. Cogswell, Blessed Revolution, S. 37.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

and make her desolate‘, as St John in his Revelation hath foretold“.70 Abbot richtete diese Worte an Sir Robert Naunton, zu dieser Zeit Mitglied des Privy Council, Secretary of State und damit zuständig für den diplomatischen Kontakt zu auswärtigen Höfen. Abbot sah in ihm vielleicht einen Geistesverwandten, da Naunton ebenfalls ein entschiedener Verfechter der Interessen Friedrichs V. von der Pfalz sowie der Idee eines Krieges gegen Spanien war.71 Der Erzbischof schien diese Haltung auch in Äußerungen gegenüber dem Schwiegersohn Jakobs, Friedrich V., an den Tag gelegt zu haben. Mit der Versicherung, in Gottes Heilsgeschichte eine Aufgabe zugewiesen bekommen zu haben, ermunterte Abbot den pfälzischen Kurfürsten geradezu, die böhmische Krone anzunehmen, und stand damit in direktem Widerspruch zu der von Jakob später eingenommenen Haltung.72 Nachdem der Erzbischof dann mehrere Jahre zusehen mußte, wie Jakob nicht nur keinen „Heiligen Krieg“ zu führen bereit war, sondern statt dessen auch noch immer größere Kompromißbereitschaft an den Tag legte, um mit Spanien das Heiratsprojekt zu ermöglichen, hielt er im August 1623 den Moment zu öffentlicher Kritik für gekommen. In einem Brief, der umgehend den Weg an die Öffentlichkeit finden sollte, klagte er Jakob an mit den Worten, er errichte mit seiner Politik in England „that most damnable and heretical Doctrine, the Whore of Babylon“.73 Abbots Kritik richtete sich insbesondere gegen die im Zuge der Verhandlungen mit Spanien zugestandene Tolerierung der englischen Katholiken und ihrer Glaubensausübung in der Öffentlichkeit.74 Insgesamt aber entzog eine Gleichsetzung Spaniens, des Papstes und der gesamten katholischen Welt mit dem Babylon der Johannes-Offenbarung jeder Form einer Ausgleichspolitik den Boden. Zwischen Gott und dem Teufel war eine auf Vermittlung abzielende Politik nicht mehr denkbar. Thomas Scott fand auch hier die einprägsamste Formulierung, indem er betonte, daß man Christus und den Antichristen nicht zusammenzwingen könne.75 Wer es gleichwohl versuche, liefere England der sicheren Verdammnis aus.76 Selten dürften sich ein Erzbischof von Canterbury und ein Presbyterianer so einig gewesen sein wie in diesem Fall. 70 71 72

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Abbot an Naunton, s.d. [1619], in: Cabala sive, Scrinia sacra. Mysteries of State and Government in Letters of […] Great Ministers of State, London 1691, S. 102 f. Roy E. Schreiber, Art. Sir Robert Naunton (1563–1635), in: ODNB 40 (2004), S. 275–278; Cogswell, Blessed Revolution, 151 f.; Rüde, England und Kurpfalz, S. 173 f. Cogswell, Blessed Revolution, S. 17; Asch, Revelation; Asch, Jakob I., S. 153 f.; Adams, Foreign Policy, S. 146 f.; M.A. Breslow, A Mirror of England. England Puritan Views of Foreign Nations 1618–1640, Cambridge 1970, Kap. 2. [Abbot] an James [August 1623], Beinecke Library (Yale University), Osborn fb 57, S. 110 f., zit. n. Cogswell, Blessed Revolution, S. 46. Rüde, England und Kurpfalz, S. 214 f. Thomas Scott, Digitus Dei, S. 33 f.; ähnlich Thomas Taylor, Two Sermons, the One a Heavenly Voice, Calling all Gods People Out of Romish Babylon. The Other an Everlasting Record of the Utter Ruine of Romish Amalek, London 1624, Fol. A3v. Scott, Digitus Dei, S. 33: „to come on upon their side, and take upon us the least marke of the Beast which we have cast off, therby to buy our peace, and to endeare our entertainment, is to wound our owne Consciences, and to sinne with a high Hand against the Light of Knowledge.“

2. England

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Die Politik Jakobs durch die Brille der Heilsgeschichte zu betrachten und seine Politik Spanien gegenüber in eine endzeitliche Perspektive zu rücken bot sich für die Kritiker auch und gerade deswegen an, da man sich bei der Identifizierung des Papstes und seiner politischen Verbündeten mit dem Antichristen auf Jakobs Aussagen berufen konnte, der diese Deutung in mehreren seiner Schriften selbst vertreten hatte. Jakobs Inszenierung war zwar darauf ausgerichtet, sich selbst als Urheber ewiger Einsichten und Wahrheiten zu präsentieren. Der Erfolg dieser Selbstdarstellung war allerdings wesentlich abhängig von der Rezeption, die seine Schriften erfuhren. Und dies war beim König ebenso wie im Falle aller anderen Autoren auch der eigenen Verfügungsgewalt entzogen. Seine beanspruchte Sprecherrolle als godly ruler, als Theologe und Prophet des Landes, sollte durch seine aktuelle Politik empfindlichen Schaden nehmen. Seine Texte trugen statt dessen dazu bei, seine Außenpolitik angreifbar zu machen und das Bild des Königs in der Öffentlichkeit zu untergraben. In der Schrift Vox Regis leiht sich Thomas Scott Jakobs „Stimme“, um ihn auf diese Weise zum Krieg gegen Spanien aufzufordern. Der König solle sich an Gott orientieren, so Scott, um an diesem Beispiel zu erkennen, wie Worte und Taten idealiter übereinstimmen sollten.77 Bei Jakob hingegen ließe sich zwischen Worten und Taten ein großes Mißverhältnis feststellen: I doe assure my selfe it can be no presumption in me for my owne and other mens resolution, to observe his words, and to reade his writings, therby to learn to know him perfectly & to expect without doubt the accomplishment of his promisses. For his words and writings are published to this end and called his Works, because they should be turned into workes.78

Scott rekurriert auf Jakobs Schriften, um vom König eine mit seinen Worten übereinstimmende Politik einzufordern. Noch deutlicher stellt er das von ihm diagnostizierte Mißverhältnis zwischen Jakobs Worten und seinen Taten in seinem Pamphlet Digitus Dei bloß, das 1623 gedruckt wurde. Hier nötigt er Jakob, aus dessen Erkenntnis, der Papst sei ein Repräsentant des Antichristen, die notwendigen Schlüsse zu ziehen: If the Pope be not Antichrist, why hath he written so? It is Gods Word and his Pen that hath deceived us. [Ier 20,7] If the Pope be Antichrist, then to make a Covenant with him, or to trade with him in Spirituall Merchandize, [Es 28,15] is to make a Covenant with Death, Satan, and Hell, against God, his Sonne, and his Church.79

Auch wenn nur die wenigsten Autoren ihre Kritik an Jakob so offen aussprachen – allein dadurch, daß sie auf seine Johannesexegese Bezug nahmen, richteten sie die von Scott formulierte Frage ebenfalls zumindest implizit gegen den König. 77 78

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Thomas Scott, Vox Regis, Utrecht 1624, Fol. **1v: „His [God’s] workes are but the eccho of his word“. Ebd., Fol. **2v. Noch wesentlich deutlicher die Worte eines anonymen Pamphlets; The French Herauld sent to the Princes of Christendome, London 1622, S. 12: „Wake out of your slumber, give your servant the pen, and take the sword in hand“. Scott, Digitus Dei, 30 f.

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Entweder wurde allgemein auf Jakobs politisch aktualisierende Deutung der Offenbarung Bezug genommen,80 oder aber einzelne Schriften besonders hervorgehoben: die Paraphrase upon the Revelation,81 Jakobs Meditatioun über das 20. Kapitel der Offenbarung ebenso wie über das 15. Kapitel des ersten Buchs der Chroniken,82 die Praemonition to Christian Monarchs83 und die Defence of the Right of Kings, against Cardinall Perron84. Diese Art der Lektüre von Jakobs Schriften durch seine Opponenten und Kritiker entzog ihm nicht nur die Kontrolle über seine eigenen Texte. Sie gefährdete zudem sein Herrscherbild in der Öffentlichkeit als godly ruler. Allein die Tatsache, daß es möglich war, zwei unterschiedliche Könige auszumachen, einen der Schriften und einen der Taten, entlarvte seine Selbstdarstellung als leeren Schein und ließ seine Botschaft obsolet werden, die Leser und Untertanen mögen ihren König im Spiegel seiner Schriften erkennen. Jakob schien sich im Zuge der Auseinandersetzungen um seine Außenpolitik zunehmend bewußt zu werden, daß seine Schriften nicht den erhofften Effekt bei seinen Lesern und seinen Untertanen zeitigten.85 Nach 1620 sollte denn auch keine Schrift aus seiner Feder mehr gedruckt werden. Der Graben, der sich zwischen seinen Schriften und seinen politischen Absichten auftat, wurde außerdem von Scott und anderen beschrieben als Unterschied zwischen den durch Gott auferlegten Herrscherpflichten, derer sich Jakob, wie seine eigenen Schriften ausweisen, wohl bewußt sei, und seinem Unwillen, diesen Pflichten nachzukommen.86 Dadurch bekommen seine Schriften aber den Anschein, daß sie Gottestreue nur simulieren sollten, um davon abweichende Intentionen zu verschleiern. Die biblische Figur aber, der eine solche Strategie nachgesagt wird, ist niemand anders als der Antichrist selbst. Zwar wird von niemandem in der Debatte der Vorwurf erhoben, Jakob sei ein Repräsentant des Antichristen – für Karl I. läßt sich dies bereits nicht mehr mit derselben Bestimmtheit sagen –, wohl aber zeigt sich daran die politische Tragweite des Umgangs mit Jakobs exegetischen Schriften. 80

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Thomas Jackson, Iudah Must into Captivitie. Six Sermons on Ierem. 7.16. Lately Preached in the Cathedrall Church of Christ in Canterburie, and Elsewhere, London 1622, S. 96; Sacrae heptades, or Seaven Problems Concerning Antichrist, [Amsterdam 1625], S. 2. Theophilus Higgons, Mystical Babylon, or Papall Rome…, London 1624, Vorrede, Fol. A2v; Burton, Seven Phials, S. 76–78. John Everard, Three Sunnes Seene at Tregnie in Cornewall, the 22. of December last. With other Memorable Occurents in Other Places, [London] 1622, S. 2 u. 20. Sheldon, A Sermon Preached in Paules Crosse, S. 9, 19 u. 40. Higgons, Mystical Babylon, S. 54. So auch das Urteil des venezianischen Botschafters in London, der Jakob zunehmend Sorge und Zögerlichkeit bei öffentlichen Verlautbarungen attestierte; CSP Ven., Bd. 17, S. 429; ferner grundlegend Curtis Perry, „If Proclamations will not Serve“. The Late Manuscript Poetry of James I and the Culture of Libel, in: Fischlin/Fortier (Hrsg.), Royal Subjects, S. 205–232. Tom Tell-Troath: Or, A Free Discourse Touching the Manners of the Time, Directed to his Majestie by Waye of Humble Advertisement [1622], in: The Harleian Miscellany. A Collection of Scarce, Curius, and Entertaining Pamphlets and Tracts, hrsg. v. Edward Harley, Bd. 2, London 1809, S. 419–438, hier S. 420.

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Die Sorge um die protestantische Identität Englands artikulierte sich dabei in einer sich formierenden politischen Öffentlichkeit. Der Widerspruch trat anhand gedruckter Predigten, Traktate, und Pamphlete öffentlich zutage. Daß zahlreiche Geistliche mit ihren Aussagen an die Öffentlichkeit drängten, begründeten sie mit ihrer besonderen Aufsichts- und Schutzfunktion zur Bewahrung der Rechtgläubigkeit in England. Thomas Scott war dabei einer der lautesten Stimmen im Chor der Kritiker; er verfaßte allein mehr als 20 Pamphlete gegen die Friedenspolitik mit Spanien und die Idee einer dynastischen Verbindung beider Königshäuser. Zwar zählte er als Presbyterianer zu den besonders entschiedenen Kritikern Jakobs. Mit seiner Warnung, daß durch diese Politik eine „Ruine of Religion“ in England drohe, stand er jedoch keineswegs allein.87 Dieser Befund verpflichte alle Geistlichen dazu, ihre mahnende Stimme gegen den König zu erheben wie einst Nathan im Falle Davids.88 Gleich mehrfach strich er die Notwendigkeit heraus, die Öffentlichkeit anzurufen, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die bei einer Fortsetzung der Politik des Königs drohten.89 Richard Sheldon erinnerte alle Geistlichen an ihre Verpflichtung, die Könige an ihren in der Offenbarung 17,16 niedergelegten heilsgeschichtlichen Auftrag zu erinnern – die Hure Babylon zu verlassen und zu vernichten – und ließ keinen Zweifel daran, daß damit Spanien und das Papsttum gemeint waren.90 Thomas Jackson, einer der Domherren von Canterbury, ermahnte alle Geistlichen dazu, dem Beispiel des Propheten Jeremias nachzufolgen und die Sünden der Obrigkeit öffentlich zu benennen und anzuprangern, nicht aber zu verschweigen.91 Und Theophilus Higgons erinnerte seine Kollegen daran, daß sie sich eines Tages vor Gott verantworten müßten für ihr gefährliches Schweigen.92 Dabei betonen zahlreiche Autoren, daß sie mit ihrer Kritik keineswegs beabsichtigten, sich in politische Fragen und in die arcana imperii einzumischen,93 ein Aspekt, den König Jakob naheliegenderweise etwas anders beurteilte. Drei Themen prägten die öffentliche Debatte um das spanische Hochzeitsprojekt und Jakobs Friedenspolitik in besonderer Weise: zum einen die Frage nach Krieg und Frieden, zum anderen das Problem des Umgangs mit Götzendienern, und schließlich, gewissermaßen als Synthese, die Frage nach den heilsgeschichtlichen Konsequenzen.

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Thomas Scott, Vox Regis, S. 36; Tom Tell-Troath, S. 420. Scott, Vox Regis, S. 42. Zum Appell an die Öffentlichkeit vgl. Colclough, Freedom of Speech, S. 112–116. Dabei berief er sich auf Esther ebenso wie auf Ambrosius als Vorbild für seinen Appell. Sheldon, A Sermon Preached at Paules Crosse, S. 42. Jackson, Iudah, S. 41: „to see their sinnes, and being farre off from serving the time, and flattering them, saying, „Peace, Peace, when there is no peace“ (Jer 6,14). Higgons, Mystical Babylon, Widmungsschrift, Fol. 3v, und der Text der zweiten Predigt, S. 76. Oxford BL, Rawlinson MS D. 853, unpag: Hakewill, The Wedding Ring, Preface; Higgons, Mystical Babylon, Widmungsschrift, Fol. 3v.

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b) Krieg und Frieden Das umstrittene Ziel einer dynastischen Verbindung mit Spanien war bei Jakob ein wichtiges Element seiner auf Friedensstiftung ausgerichteten Politik in Europa. Auch in seiner Selbstdarstellung entwickelte sich der Friedensgedanke zunehmend zum Leitmotiv seiner späten Regierungsjahre. „Beati pacifici“ wurde zum zentralen königlichen Herrschaftsmotto. Wenn daher seit dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges in England über die Frage Krieg und Frieden debattiert wurde, so betraf dies unmittelbar nicht nur Jakobs politische Strategie, sondern auch sein Bild in der Öffentlichkeit. Die Kritik an Jakobs Friedenspolitik bediente sich vor allem zweier unterschiedlicher Argumentationen. Die radikalere Position stellte prinzipiell in Frage, ob Frieden einen Wert an sich darstelle. Insbesondere zweifelten deren Verfechter an, daß der Frieden, den Jakob England beschert habe, für das Land ein Segen gewesen sei. Bereits kurz nach Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges war in London eine Predigt zu hören, in der sich John Everard vor Mitgliedern der Königsgarde der Gottgefälligkeit gerechter Kriege widmete. Gott sei mindestens so sehr ein Gott des Krieges wie des Friedens – diese Position findet sich bei Everard sowie bei zahlreichen weiteren Autoren der Zeit, die den Friedenskurs kritisch verfolgten.94 Zwar lehnt Everard den Frieden als politisches Ziel nicht rundheraus ab, betont aber zugleich, daß echter Friede nur das Ergebnis gottgewollter Kriege seien könne: „warre with Amalek ist the condition with Israels peace.“95 England habe sich von diesem politischen Ideal allerdings weit entfernt und sei den Lockungen des Friedens und der Völlerei erlegen. Es müsse daher dafür Sorge tragen, daß es nicht das gleiche Schicksal erleide wie die Stadt Niniveh, die aufgrund von Verweichlichung und Irrglauben untergegangen sei.96 Die zahlreichen Anspielungen auf die Verweiblichung Englands dürften nicht zuletzt den Zweck gehabt haben, allgemeine Topoi der Hofkritik aufzugreifen und insbesondere Jakobs homoerotische Neigungen zu brandmarken.97 Everard sollte seine Kritik an Jakobs Friedenspolitik noch mehrfach von der Kanzel verkünden, weshalb er in den folgenden Jahren wiederholt mit Gefängniszellen Bekanntschaft machte.98 Die prinzipielle Geringschätzung der in England anhaltenden Friedensperiode findet sich auch auf einem Einblattdruck mit einem Gedicht von John Taylor mit dem Titel The Subjects Joy, for the Parliament.99 Dieser Druck kursierte in Lon94

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John Everard, The Arriereban, a Sermon Preached to the Company of the Military Yarde, London 1618, S. 63 (mit Bezug auf Ex 15,3); Thomas Scott, The Belgicke Souldier, S. 6; ferner [Thomas Scott], Robert, Earl of Essex His Ghost Sent from Elizian, to the Nobility, Gentry, and Communalitie of England, [London] 1624, S. 4, 13, 16 f.; Alexander Leighton, Speculum Belli Sacra, or the Looking-Glasse of the Holy War, [1624], S. 32. Everard, The Arriereban, S. 13. Ebd., S. 73. Vgl. ferner S. 87 und S. 94. Young, James, S. 80. Elizabeth Allen, Art. John Everard (1584?–1640/41), in: ODNB 18 (2004), S. 782–784. John Taylor, The Subjects Joy, for the Parliament, London 1621.

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don im Jahr 1621 vor der offiziellen Parlamentseröffnung. Ihm zufolge hätten die achtzehn Jahre Frieden vor allem die Sündhaftigkeit in England beflügelt und zu einer Abkehr von den Gesetzen Gottes geführt.100 Als Vorbilder sollten sich König und Parlament an den biblischen Heroen orientieren, an David, Salomon, Josua, Moses und Hosia, um das Recht Gottes wieder herzustellen und dessen Feinde zu bekämpfen101: „Plucke Heresies up by the very Roote/And tread proude Antichrist quite under foote“. Im folgenden macht Taylor klar, welche Politik sich aus diesem Prinzip zwangsläufig ergeben müsse: „The Prince and Princesse Palatines high Grace/With all the Royall and the hopefull Race:/Defend them Against all that them oppose/And fight their Battles still against their Foes“. Dies war nur einer von mehreren Aufrufen zum Kriegseintritt Englands in den Dreißigjährigen Krieg, die die Parlamentsdebatten in der Öffentlichkeit begleiteten.102 In dieselbe Kerbe schlägt Thomas Scott, zuerst in seinem 1622 erschienen Traktat The Belgicke Pismire, in dem er England als Folge des Friedens der Dekadenz ausgesetzt sah.103 Insbesondere der Adel dürfe kein vornehmeres Ziel kennen als Wehrhaftigkeit und Krieg, sei aber statt dessen aufgrund des Hoflebens degeneriert, führe sein Leben „not for action, but idleness“.104 Bei Scott ist der Friede ein Synonym für Luxus, Verschwendungssucht und Pflichtvergessenheit gegenüber dem Land ebenso wie gegenüber der Religion, weshalb der Frieden zugleich Götzendienst und Unglauben befördere.105 Der Krieg hingegen ist für Scott insbesondere in diesem Traktat ein wesentlicher Bestandteil einer vita activa im Dienste des eigenen Landes, die Scott für alle Engländer, insbesondere aber für den Adel zur Pflicht erhebt. In seinem zwei Jahre später veröffentlichten Traktat mit dem vielsagenden Titel The Belgick Souldier, der an die Mitglieder des Parlaments gerichtet ist, macht Scott aus seiner prinzipiellen Haltung zu Krieg und Frieden ebenfalls keinen Hehl. Der Krieg sei für den sittlichen Zustand eines Landes generell mehr förderlich als der Frieden, im Falle Englands gehöre er aber geradezu zur nationalen Bestimmung: „Commonwealth and Religion of England have had their glory and propagation by opposing Antichrist“.106 Darüber hinaus sei er eine religiöse Pflicht, um die Abkehr von den Gesetzen Gottes kollektiv zu sühnen: „if peace have abused us, let warre in Gods name repaire our credits“.107 100 101 102 103 104 105 106 107

Ebd. Dieselben Heroen finden sich auch in Everards Predigt aufgelistet; Everard, The Arriereban, S. 13 f. Vgl. ferner Thomas Scott, A Speech Made in the Lower House of Parliament, Anno 1621, by Sir Edward Cicill, Colonell, [London] 1621; Tom Tell Troath. Thomas Scott, The Belgicke Pismire, London 1622, S. 13. Als Motto dient Spr. 6,6: „Geh hin zur Ameise [pismire], du Fauler, sieh an ihr Tun und lerne von ihr“. Ebd., S. 30–32. Ebd., S. 38. Zum sexuellen Unterton und dem Vorwurf der Verweichlichung und fehlenden Männlichkeit Jakobs bei Scott vgl. Young, James, S. 91 f. Thomas Scott, The Belgicke Souldier, Dedicated to the Parliament. Or, Warre was a Blessing, Dort [i. e. London] 1624, S. 2. Ebd., S. 3.

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Markku Peltonen nimmt dieses von Scott propagierte Lebensideal zum Anlaß, ihn als einen Vertreter des Republikanismus zu charakterisieren.108 Zwar spielten für Scott Religion und anti-popery die zentrale Rolle, so Peltonen, es sei aber gleichwohl möglich, auch eine humanistisch-republikanische Tradition in seinen Schriften ausfindig zu machen, wofür wiederum seine akademische Sozialisation in Schottland verantwortlich sei.109 Für Peter Lake hingegen ist Scott ein typisches Beispiel eines „Puritaners“, der zwar mit seiner presbyterianischen Haltung nicht ganz den Mainstream innerhalb der englischen Kirche verkörpert, aber in seiner Argumentation gegen das spanische Hochzeitsprojekt Lake zufolge äußerst bemüht ist, den Konsens innerhalb der Kirche zu artikulieren.110 Wer hat Recht? Zunächst gilt generell, daß sich beide Positionen nicht notwendigerweise ausschließen müssen. Sollte sich Scott in seiner Argumentation nicht nur auf religiösbiblische Argumente gestützt haben, sondern auch auf solche des civic humanism, so wäre das keineswegs außergewöhnlich, im Gegenteil: Häufig greifen Autoren auf mehrere politische Sprachen zurück, um ihr jeweiliges Anliegen zu propagieren.111 Es ist allerdings jeweils zu untersuchen, auf welche Weise dies geschieht. Sofern sich Thomas Scott explizit zu der Frage nach seinen Autoritätsquellen äußert, gibt er, wie ja auch Peltonen selbst feststellt, der Religion klar den Vorzug.112 So betont Scott in seiner Schrift The Belgick Souldier, daß er nicht weiter auf historische Beispiele und philosophische Lehren über Krieg und Frieden rekurrieren, sondern sich allein auf die Argumente der Kirche Gottes und der Religion stützen wolle. Er untermauert seine Aussagen fast ausschließlich mit Beispielen aus dem Alten und Neuen Testament sowie der Kirchengeschichte.113 In Scotts Selbstcharakterisierung wird dem Biblizismus daher explizit der Vorrang gegenüber anderen Sprachen eingeräumt. Wenn er gleichwohl eine bis in die Antike zurückgreifende republikanische Tradition aufgreift, so entweder aus Überzeugung – eine Haltung, die Peltonen zu suggerieren scheint –, oder aber aus rhetorischen Gründen. Sollte Scott wesentlich aufgrund seiner religiösen Überzeugung den Krieg mit Spanien fordern, stellt sich die Frage, weshalb er dabei auf Argumente zurückgriff, die sich aus republikanischen Traditionen speisten. Hierfür lassen sich zwei Gründe nennen. 108 109 110 111

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Peltonen, Classical Humanism, S. 232: „in so far as his advocacy of active citizenship is concerned, Scott’s arguments are almost exclusively classical republican in character“. Ebd., S. 233 f. Peter Lake, Constitutional Consensus and Puritan Opposition in the 1620s. Thomas Scott and the Spanish Match, in: HJ 25 (1982), S. 805–825, hier S. 807. Vgl. nur zur Symbiose von religiösen und humanistischen Wertvorstellungen Margo Todd, Christian Humanism and the Puritan Social Order, Cambridge 1987. Ferner konkret auf Scott bezogen Colclough, Freedom of Speech, S. 103: „The Bible and the history of the church combine perfectly, for Scott, with the humanist values of public interest, liberty, and the resistance of tyranny“. Peltonen, Classical Humanism, S. 233. Scott, Belgicke Souldier, S. 5; Ders., Vox Regis, S. 66; Ders., Synmachia, S. 14; Ders., Belgicke Pismire, S. 5.

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Zum einen mag dies mit seiner anvisierten Leserschaft zusammenhängen. Mehrere Traktate erschienen im Zusammenhang mit den zusammengerufenen Parlamenten in den Jahren 1621 und 1624.114 Es mag dabei eine Rolle gespielt haben, daß Scott auch diejenigen Abgeordneten für einen Krieg gegen Spanien zu gewinnen suchte, die nicht in gleicher Weise wie er selbst Spanien als katholische Macht automatisch mit dem Antichristen gleichsetzten. Wenn er sie gleichwohl von der Notwendigkeit des Krieges überzeugen wollte, mußte er mitteilen, was in diesem Krieg außerdem auf dem Spiel stand. Mit seiner Darstellung der Entscheidung zwischen Krieg und Frieden als Wahl zwischen Freiheit und Sklaverei, Tugend und Korruption, griff Scott in der Tat auf Grundbegriffe des Bürgerhumanismus zurück. Er bediente sich damit derjenigen Weltanschauung, die unter den Mitgliedern des Unterhauses aufgrund ihrer Sozialisation an den beiden Universitäten des Landes anscheinend besonders verbreitet war.115 Zum anderen ergibt sich der Rückgriff auf republikanische Versatzstücke aus dem vorgebrachten Argument: Sofern sich Scott zum Ziel gesetzt hatte, die Friedenspolitik von Jakob prinzipiell zu delegitimieren, d. h. den Wert des Friedens an sich in Frage zu stellen und den Krieg als gleichsam notwendige Maßnahme zur Tugenderhaltung zu charakterisieren, fehlt ihm für eine solche Argumentation das biblische Fundament. Römische Autoren eigneten sich hingegen sehr gut, um die Verweichlichung und die Degeneration der Gesellschaft durch zu lange Friedensperioden anzuprangern. Macht die Verwendung klassisch republikanischer Antagonismen wie Freiheit gegen Sklaverei oder Tugend gegen Korruption Scott bereits zu einem Republikaner? Hier sind Zweifel angebracht. Einerseits läßt sich bei ihm kein politisches Ideal erkennen, das sich in irgendeiner Art und Weise als prinzipielle Kritik an der Monarchie oder als Bekenntnis zur Republik deuten ließe. Selbst wenn er England als „monarchical republic“ wahrgenommen haben sollte, so läßt sich dies nur erkennen in seiner Mahnung, daß König und Untertanen wechselseitigen Verpflichtungen unterworfen seien und das Parlament die beste Institution sei, um Mißbräuchen der Königsherrschaft vorzubeugen. Diese Überzeugung teilte er allerdings mit der überwiegenden Mehrheit aller Engländer, was ihn keineswegs als Republikaner ausweist. Andererseits verwendet Scott die Begriffe der republikanischen Tradition auf sehr eigenwillige Weise. Wenn er „corruption“ anprangert, dann ist dies für ihn meist ein Synonym für Götzendienst. Der Begriff wird daher religiös ausgelegt. Auch die Sklaverei, vor der Scott in seinen Schriften warnt, droht England nicht 114

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Scott war nur einer von vielen Autoren, die aus dem niederländischen Exil den Versuch unternahmen, im Vorfeld der Parlamentssessionen 1621 und 1624 mit Traktaten Einfluß auf die öffentliche Stimmung und damit die politische Entscheidungsfindung zu nehmen. Dabei waren es wiederum hochrangige Befürworter einer Kriegspolitik gegen Spanien wie Edward Conway, die sich an der Traktatproduktion in den Niederlanden sehr interessiert zeigten; vgl. Rüde, England und Kurpfalz, S. 227. Vgl. hierzu die Äußerungen von Thomas Hobbes über die Abgeordneten; Hobbes, Behemoth, S. 14 f. und S. 32–34.

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durch eine willkürliche monarchische Gewalt, sondern durch Spanien und das Papsttum. Und die Freiheit, die es zu bewahren gelte, ist nicht in erster Linie im konstitutionellen Sinne zu verstehen, sondern vornehmlich als Freiheit der Kirche vor den Agenten des Papstes, den church papists. Es ist daher insbesondere der Gegenstand, der Scott nicht als einen reinen Bürgerhumanisten, geschweige denn als einen Republikaner erscheinen läßt. Die Sorge Scotts gilt vornehmlich der Kirche in England, die in seinen Augen den Kern der Gesellschaft und des Staates verkörpert. Daher vermag Scott auch die Kirchengeschichte ins Feld zu führen, um die Notwendigkeit des Kampfes zu betonen. In der Urkirche standen die Märtyrer im Krieg mit den Glaubensfeinden, ein in seinen Augen geradezu leuchtendes Vorbild für die Kirche in späteren Epochen. Die Korruption innerhalb der Kirche begann mit Konstantin, als der Kriegszustand abgelöst wurde durch zunehmenden Reichtum innerhalb der Kirche, was sich ungünstig auf deren Zustand ausgewirkt habe. Vorbilder findet Scott daher in den folgenden Jahrhunderten nur noch auf Seiten der Verfolgten, z. B. den Hussiten, nicht aber auf Seiten der Kirchenhierarchie.116 Scott gibt mit dieser Darstellung der Kirchengeschichte idealtypisch die Sicht der Presbyterianer zu erkennen, hier allerdings mit dem Ziel, den Kriegszustand als einzig wahren Zustand der Kirche darzustellen. Diese prinzipiell bellizistische Argumentation war auch bei den kritischen Einlassungen über die Friedenspolitik Jakobs I. der Ausnahmefall. Die Mehrheit der Beiträge kritisierte die Friedenspolitik nicht prinzipiell, sondern aufgrund einer Güterabwägung.117 Der grundsätzliche Konflikt richtete sich dabei auf die Frage, ob Friede auch dann ein erstrebenswertes politisches Ziel war, wenn dabei die Wahrheitsfrage ausgeklammert blieb. Anders gewendet: Wenn Spanien als Glaubensfeind und Vorreiter des Antichristen identifiziert werden konnte – durfte Jakob dann überhaupt einen Frieden mit Spanien anstreben, oder hatte er als König und damit als Schutzherr der Kirche nicht geradezu die Pflicht, gegen Spanien in den „Heiligen Krieg“ zu ziehen? Der streng calvinistische Hofkaplan Georg Hakewill schlußfolgerte aus Offb 17,16–17, daß Friede nur dann ein erstrebenswertes Ziel sei, wenn der wahre Glaube dabei nicht auf dem Spiel stünde. Andernfalls sei der Kriegszustand vorzuziehen, um Babylon und die Mächte der Finsternis zu zerstören.118 Zum selben Ergebnis kommt auch Alexander Leighton, im Gegensatz zu Hakewill ein radikaler Kritiker der englischen Kirche, der unter Karl I. für seine geharnischten Pu-

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Scott, The Belgicke Souldier, S. 9–15. Hier bewegt sich Scott ganz in den von John Fox’ Acts and Monuments vorgezeichneten Bahnen. Dies gilt auch für den im Exil gedruckten Traktat von Alexander Leighton, Speculum Belli Sacri, Amsterdam 1624, S. 1–8, der in den ersten beiden Kapiteln den bösen und den guten Krieg miteinander kontrastiert. Sofern ein Krieg die Menschen Gott näherbringt, so seine Unterscheidungsformel, sei ein Krieg notwendig und gerechtfertigt (Ebd., S. 5). Zu Leighton vgl. Foster, Caroline Underground, S. 20–25. Hakewill, King Davids Vow, S. 297 f.

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blikationen mehr als zehn Jahre im Gefängnis verbringen durfte.119 Theophilius Higgons – ein Zeitgenosse, der vielen aufgrund seiner konfessionellen Wankelmütigkeit als unsicherer Kantonist galt, da er sich zuerst 1605 in die Arme der römischen Kirche warf, um dann nur sechs Jahre später reumütig zur englischen Kirche zurückzukehren, wobei in beiden Fällen des Konfessionswechsels durchaus auch der finanzielle Aspekt eine Rolle gespielt haben mag120 – nahm nach seiner Rückkehr in den Schoß der englischen Kirche eine strikt antikatholische Haltung ein, die sich im Zusammenhang mit der Kontroverse um die spanische Hochzeit in seinem Werk Mystical Babylon, or Papall Rome manifestierte.121 Higgons hält wie Hakewill jegliche Ausgleichs- und Friedenspolitik mit „Babylon“ für verfehlt und gefährlich, überläßt es aber dem Leser, diese Aussage auf Spanien und das Hochzeitsprojekt zu applizieren.122 Auch sein Hinweis auf die Notwendigkeit des Krieges mit „Babylon“ bleibt unbestimmt. Der Frieden wird von Higgons als legitimes politisches Ziel dadurch in Frage gestellt, daß er ihn konfrontiert mit der von Gott offenbarten Wahrheit: This warre, therefore, is honourable, religious, necessary, and to be preffered before a base, cowardly, and profane peace. If Iehoram speake of peace, yee Iehu will heare of nonne, because hee is the minister of Gods Iustice. […] I say here, have peace from Babylon, in not medling with her societie, you can have no peace with her, in treating with her upon sweet, and amicable terms.123

Das Ideal des „Heiligen Krieges“ sieht Higgons in der Gestalt des Jehu verkörpert, der mit der Ausrottung des Hauses Ahab ein gottgefälliges Werk vollbrachte und sich auch von Jorams Friedensbitten nicht davon abbringen ließ (2 Kön 9, 17–24). Obwohl Higgons davon absieht, die politische Schlußfolgerung seiner Bibelexegese selbst vorzunehmen, enthält bereits seine Andeutung eine unmißverständliche und für Jakobs politischen Kurs schmerzliche Botschaft: Weltlicher Frieden ist dann kein Wert an sich, wenn er die Aufrechterhaltung des wahren Glaubens gefährdet; in diesem Fall wird Krieg zu einer von Gott befohlenen Pflicht.124 Wer den bedrängten Glaubensbrüdern nicht zu Hilfe eilte, machte sich hingegen in den Augen der Kriegsbefürworter schuldig.125 119 120 121 122 123 124

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Leighton, Speculum Belli Sacri, S. 5: „A just war is to be preferred to an unjust peace“. Michel Questier, Conversion, Politics and Religion in England 1580–1625, Cambridge 1996, S. 42 und S. 72. Higgons, Mystical Babylon. Ebd., S. 78. Ebd. So auch John Reynolds, Votivae Angliae: or The Desires and Wishes of England Contayned in a Patheticall Discourse, Presented to the King on New-Yeares Day Last, Utrecht 1624, Fol. pi v – pii r. Ferner Thomas Gataker, A Sparke Toward the Kindling of Sorrow for Sion, London 1621, S. 31; Leighton, Looking Glasse, S. 31. Gataker gehörte auch einem Netzwerk an, das für die verfolgten Protestanten in der Pfalz Spenden sammelte; Milton, Catholic and Reformed, S. 398. Thomas Barnes, Vox Belli, or, An Alarum to Warre, London 1626, S. 19: „Cursed be he that hodeth backe his sword from bloud, when he eis willed and warranted to dip it, to dye ir in the same“.

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Die wichtigste politische Streitfrage im England der Jahre 1620 bis 1625 war die Frage von Krieg oder Frieden. Dieses Thema beschäftigte gleich mehrere Parlamente und führte auch zu einem Anschwellen der zeitgenössischen Publizistik.126 Auch die hier erörterten Traktate und Predigten waren ein Teil dieser in der Öffentlichkeit geführten Debatte. Wenn die Autoren den „Heiligen Krieg“ propagieren, so ist dieser Appell in den hier behandelten Schriften durchaus im politischen Sinne gemeint, d. h. als Aufruf, den katholischen Kriegsparteien im Dreißigjährigen Krieg, allen voran Spanien, den Krieg zu erklären. Nicht alle Autoren bekennen sich explizit zu diesem politischen Ziel. Es war ihnen auch keineswegs gefahrlos möglich, dies zu tun und sich damit der Einmischung in die arcana imperii schuldig zu machen.127 Sie nutzten statt dessen die Möglichkeiten der politischen Sprache des Biblizismus, um ihr Anliegen implizit in der Öffentlichkeit vorzutragen. Gleichwohl darf der biblizistische Modus des Sprechens nicht dazu verleiten, die hier dargelegten Äußerungen und Appelle auf rein theologische Art und Weise zu deuten und den Begriff des „Heiligen Krieges“ nur als Metapher für den in der Seele eines jeden Christen auszufechtenden Kampf zwischen Gut und Böse mißzuverstehen.128 Den Kampf für die Wahrheit hatte der König in Augen der hier genannten Autoren mit den Mitteln der Politik und des Krieges zu führen, nicht in den Untiefen seiner Seele. Im Prinzipienstreit zwischen Wahrheit und Frieden hatten die Verteidiger der Wahrheit den leichteren Stand. Es bestand nämlich allgemeiner Konsens darüber, daß die göttliche Wahrheit das oberste Gut darstellte, das es zu verteidigen galt. Selbst William Laud, wahrlich kein Kritiker der Stuarts, betonte dies anläßlich seiner Predigt zu Jakobs Geburtstag, „the very birthday of both Peace, and Peacemaker“. Zwar galt Laud Friede als erstrebenswertes Gut in der Gesellschaft. Gegen die göttliche Wahrheit sei jedoch ein Friede nicht möglich, so betonte er zugleich.129 Apologeten der Friedens- und Ausgleichpolitik hatten daher jeden Anschein eines Gegensatzes zwischen einer auf Frieden und den Schutz des wahren Glaubens ausgerichteten Politik zu vermeiden. Wahrheit und Frieden seien vielmehr zwei Seiten der gleichen Medaille, so beispielsweise der Autor von The Peace Maker:130 Religion sei eine Frucht des Friedens, nicht des Krieges.131 Der Friede sei die Tochter der Wahrheit, so Thomas Adams.132 Göttliche Legitimation erhielt die Friedenspolitik Jakobs auch da-

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Raymond, Pamphlets, S. 164. Zu den möglichen Konsequenzen S. u. Kap. VI 3. Vgl. hierzu auch die verschiedenen Interpretationen von Stephen Marshalls Predigt Meroz Cursed; s. o. S. 101–103. William Laud, A Sermon Preached Before his Maiesty, on Tuesday the Nineteenth of Iune, at Wansted. Anno Dom. 1621, London 1621, S. 18: „peace against truth is not pax Ierusalem“. The Peace Maker, Fol. B4r: „yet still shall Truth have Peace, and the Peace-maker shal preserve the truth; They shall dwell together, and live together.“ The Peace Maker, Fol. B3r. Thomas Adams, Eirenopolis: the Citie of Peace, London 1622, S. 1.

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durch, daß man sie einreihte in die Kette der England von Gott zugesprochenen Segnungen: Daß England in Frieden leben könne, während ganz Europa in Krieg versinke, sei ein ebenso großes Zeichen göttlicher Erlösung wie der Sieg über die Armada und die Entdeckung der Pulververschwörung, äußerten übereinstimmend mehrere Prediger.133 Gerade durch seine Friedenspolitik würde Jakob darüber hinaus das Heil des englischen Volkes sichern, befand der Hofkaplan John Denison. Als Friedensvermittler wandle Jakob nämlich auf Jesus’ Spuren, sei er als Friedenskönig zugleich ein Typus Christi, was auch das Wohl des Volkes sichere, wie Denison versichert: „the Kings high-way, the way of Peace, which is the roade to heaven.“134 Der für seine sprachlich gelungenen Predigten berühmte Thomas Adams wagte sich über solcherlei allgemeinen Feststellungen hinaus auch an die heikle Frage, ob auch ein Friede mit katholischen Mächten wie Spanien legitim sei. Hier gelte es zwischen „offenders“ und „offences“ zu unterscheiden.135 Zwar dürfe kein Ausgleich stattfinden, in dem sich England zu Dingen verpflichte, die dem göttlichen Recht entgegenstünden, dürfe sich daher den „offences“ nicht beugen. Wohl aber könne England mit deren Protagonisten ein Friedensabkommen schließen, sofern dabei die Religionsfrage ausgeklammert bliebe.136 Walter Curll, zu diesem Zeitpunkt Dean in Lichfield und Hofkaplan des Königs, suchte das Verhältnis von Friede und Wahrheit so zu bestimmen, daß dem Frieden eine größere Bedeutung zugebilligt werden müsse.137 Hierzu dient ihm Paulus’ Hebräerbrief (Hebr 12,14): „Bemüht euch um Frieden mit jedermann, und um Heiligung, ohne die niemand den Herrn sehen wird“. Zwar betont auch Curll, daß sowohl Friede als auch Heiligung zugleich angestrebt werden müßten. Allerdings schließt er aus der Tatsache, daß der Frieden in dieser Aufzählung zuerst erwähnt sei, auch auf deren größere Bedeutung.138 So sei Frieden die Grundbedingung für wahre Religion, da die Religion sonst in endlosen Kontroversen 133

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Robert Willan, Conspiracie against Kings, Heavens Scorne. A Sermon Preached at Westminster-Abbey before the Iudges, upon the Fifth of November 1622, London 1622, S. 3; Adams, Eirenopolis, S. 170 f.; Samuel Purchas, The Kings Towre and Triumphant Arch of London. A Sermon Preached at Pauls Crosse, August 5. 1622, London 1623, S. 76–82; Samuel Buggs, Davids Straits, London 1622, S. 57; Daniel Donne, A Sub-Poena from the Starchamber of Heaven, London 1623, S. 41. Dieses Argument griff auch Jakob in seiner Eröffnungsrede vor dem Parlament am 19. Februar 1624 auf; Journals of the House of Lords, 19 Bde., London 1767, Bd. 3, S. 220–243. John Denison, Beati pacifici: The Blessednes of Peace-Makers: and the Advancement of Gods Children. In Two Sermons Preached before the King, London 1620, S. 23 und 37 (falsche Paginierung: S. 33 und 47). Adams, Eirenopolis, S. 13. Adams, Eirenopolis, S. 14 f.: „wee may have Peace with evill men, though not in evill matters“; zum expliziten Ausklammern der Religionsfrage Ebd., S. 16. Walter Curll, A Sermon Preached at White-Hall, on the 28. of April, 1622. Published by Special Command, London 1622. Curll wurde in den Folgejahren Bischof von Rochester, Bath, Wells und Winchester. Anthony Milton charakterisiert ihn als „Laudian Bishop“; Milton, Catholic and Reformed, S. 50, vgl. ferner S. 365. Curll, A Sermon, Fol. A3r.

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und Kirchenspaltungen zerrieben würde;139 eine Position, wie sei bereits in The Peace Maker vertreten wurde. In diesem Sinne äußert er sich auch gegen die vorherrschende Konjunktur an Mahnschriften, die durch ihren Einsatz für die Verteidigung der göttlichen Wahrheit suggerierten, daß diese in Gefahr sei, und mit dieser Kontroverse ihrerseits zuerst den Frieden und dann die Religion gefährdeten.140 Friedensdienst hieße so verstanden auch, sich jeglicher Agitation gegen das spanische Hochzeitsprojekt zu enthalten. Curll schreibt in seiner Predigt allen Kritikern von Jakobs Ausgleichspolitik ins Stammbuch, daß auch mit den Feinden und den Gottlosen ein Frieden angestrebt werden müsse, freilich ohne dabei deren Sitten und deren Religion zu übernehmen, eine Position, wie sie auch Thomas Adams vertrat.141 Wenn im zweiten Timotheusbrief davon die Rede sei, daß man mit allen in Frieden leben solle, die „aus reinem Herzen den Herrn anrufen“ (2 Tim 2,22), so schließt Curll aus dieser Weisung, daß man nicht nur mit diesen Frieden schließen müsse, sondern insbesondere mit diesen.142 Diese Predigt wurde ursprünglich am Hof Jakobs I. in Whitehall gehalten und anschließend auf königliche Weisung gedruckt. Sie gibt daher offenkundig eine politische Lesart des biblischen Handlungsauftrags wieder, wie sie auch vom König zu dieser Zeit geteilt wurde. c) Kein Umgang mit Götzendienern War bereits die Friedens- und Ausgleichspolitik Jakobs I. alles andere als unumstritten, so war die Zahl der Befürworter des spanischen Heiratsprojekts nochmals geringer –, und in der englischen Kirche tendierte sie gegen Null. Gab es einige Autoren, die den Frieden in England in Zeiten des allgemeinen Krieges als Zeichen der göttlichen Auserwähltheit Englands hochleben ließen, so finden sich kaum Schriften, in denen sich deren Autoren ausdrücklich zustimmend zur geplanten Hochzeit zwischen Prinz Karl und Infantin Doña Maria äußerten.143 An Kritik herrschte hingegen kein Mangel. Das englisch-spanische Heiratsprojekt war Gegenstand satirischer Schriften wie in John Reynolds Vox Coeli, in der die Amtsvorgänger Jakobs I. auf dem englischen Thron im Himmel untereinander das spanische Hochzeitsprojekt debattierten und allein die katholische Königin Maria Tudor für diese Idee zustimmende Worte fand.144 Der daraus für englische

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Ebd., S. 11. Ebd., S. 16. Ebd., S. 27. Ebd., S. 28. Cogswell, Politics of Propaganda, S. 197. Ausnahmen sind Michael Du Val, Rosa HispaniAnglica, London [1623], S. 51 f.; Edmund Garrard, The Countrie Gentleman Moderator, London 1624; Sir John Stradling, Beati Pacifici, London 1623. All diese Schriften enthielten sich jeglicher biblizistischer Rhetorik. [John Reynolds], Vox Coeli, or News from Heaven, o. O. 1624, S. 74. Bisweilen wird auch Thomas Scott irrtümlich als Autor angegeben. Auch dieser bediente sich mehrfach der imaginierten Sprecherrolle prominenter Verstorbener, insbesondere prominenter Kämpfer gegen

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Leser automatisch resultierende Eindruck der Illegitimität wird von Reynolds noch dadurch gesteigert, daß sämtliche protestantischen Amtsvorgänger ihre Ablehnung mit Bibelstellen untermauerten und einzig Maria Tudor den so erbrachten Schriftbeweis nicht zur Kenntnis nehmen wollte.145 Sollte Jakob an der Idee einer Hochzeit mit dem spanischen Königshaus festhalten, so Reynolds, so stünde er damit in der Tradition einer Königin, die als Bloody Mary im kulturellen Gedächtnis des protestantischen England gespeichert war. Ironischerweise stammt der einzige mir bekannte ausdrücklich zustimmende Text zur geplanten Eheschließung aus der Feder eines Katholiken: Matthew Pattensons Traktat The Image of Bothe Churches erschien 1623 bezeichnenderweise nicht in England, sondern in Tournai, einem Druckort katholischer Untergrundliteratur.146 Der Autor war ein katholischer Kontroverstheologe, der sich für seinen Traktat eines in England äußerst prominenten Titels bediente. John Bale hatte 1548 in seiner gleichnamigen Schrift der wahren Kirche, die in Bales Augen nur eine vollständig reformierte Kirche sein konnte, die falsche entgegengestellt, die er mit der römischen Kirche identifizierte und mit dem Antichristen gleichsetzte.147 Pattenson dreht nun den Spieß um. Als Verkörperung Babels benennt er die Protestanten, die bereits seit Martin Luther unter Vortäuschung religiöser Motive die politische Ordnung untergruben.148 Umgekehrt verkörperten die Katholiken das wahre Jerusalem, das sich durch Gehorsam und Ordnung auszeichne.149 Was auch immer der Grund dieses Traktates gewesen sein mochte, er dürfte englischen Lesern ihre mit dem Hochzeitsprojekt verbundenen Sorgen kaum verringert haben, da es sich um Applaus von der falschen Seite handelte. Erschwerend kam hinzu, daß der Traktat Prinz Karl gewidmet war und sich Pattenson dabei als „your highness […] servant“ titulierte.150 Mit solchen Fürsprechern konnte die geplante Hochzeit kaum an Legitimität gewinnen. Generell schwankte die Haltung des protestantischen Klerus zwischen Schweigen und Kritik. Die warnenden Stimmen kamen aus allen Teilen der Kirche und verkörperten deshalb eine neue Qualität des Protestes. Eine dynastische Verbindung mit dem spanischen Königshaus war in den Augen ihrer Gegner ein Akt des

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Spanien, die sich gleichsam aus dem Himmel zu Wort meldeten, um ihre Besorgnis über die aktuelle politische Entwicklung in England kundzutun; [Thomas Scott], Robert Earle of Essex his Ghost, Sent from Elizian: To the Nobilitie, Gentry, and Communalitie of England, „Paradise“ 1624, S. 162; [Thomas Scott], Sir Walter Rawleigh’s Ghost, or Englands Forewarner, Utrecht 1626; zu dieser imaginierten Sprecherrolle vgl. Colclough, Freedom of Speech, S. 105–113. Reynolds, Vox Coeli, S. 70. Matthew Pattenson, The Image of Bothe Churches, Hierusalem and Babel, Tornay 1623, S. 2–7. Thomas Cogswell nennt zwar Schriften, die das spanische Hochzeitsprojekt unterstützen sollten. In ihnen wird jedoch ausschließlich die Rolle Jakobs als Friedensstifter gerühmt, nicht das geplante Hochzeitsprojekt selbst; Cogswell, Blessed Revolution, S. 42 f. S. o. Kap. III 1a. Pattenson, Image, S. 19–275. Ebd., S. 277 ff. Ebd., S. 2.

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Götzendienstes und damit ein Verstoß gegen göttliches Recht. Zwar war auch vor 1618 die Warnung vor dem Götzendienst ein fester Bestandteil in der Argumentation von Autoren, die gegen die bestehende Gestalt der englischen Kirche opponierten und in ihrer Kirchenstruktur und ihren Riten Reste des katholischen Götzendienstes erkannten. Vor allem nach der Verabschiedung der Canons von 1604 meldeten sich zahlreiche Nonconformists wie William Bradshaw und Henry Jones zu Wort und versuchten, ihre Ablehnung eines Eids auf die traditionell festgeschriebenen Grundsätze der englischen Kirche mit dem Verbot zu rechtfertigen, fremde Götter anzubeten.151 Im Rahmen dieser Debatte hatte sich zwar eine programmatische Lesart hierzu passender Bibelstellen weitgehend etabliert, wozu insbesondere die mahnenden Beispiele götzendienerischer Könige und deren Schicksal in Israel und Juda zu zählen sind. Die politische Reichweite dieser Argumente blieb aber begrenzt: Weder die englische Kirche noch das Kirchenregiment des Königs waren dadurch ernsthaft herausgefordert worden. In der Kontroverse um die Idee einer dynastischen Verbindung mit Spanien fanden weitgehend dieselben Argumente samt ihrer biblischen Fundierung nun erneut Verwendung. Der historische Kontext war allerdings keineswegs derselbe, da nicht mehr allein der Zustand der englischen Kirche, sondern die Außenpolitik des Königs und die Zukunft der englischen Dynastie im Mittelpunkt stand. Auch waren die Autoren dieser Debatte nicht mehr auf Nonconformists und Separatists beschränkt. Es kam für Jakob erschwerend hinzu, daß die 1613 geschlossene Hochzeit zwischen seiner Tochter Elisabeth und dem Kurfürsten Friedrich V. von der Pfalz von zahlreichen Theologen dafür gepriesen wurde, daß beide Ehepartner derselben Konfession angehörten. Der Londoner Bischof John King, der strikt kalvinistische Andrew Willet und George Webbe betonten übereinstimmend, daß nur Ehen von konfessionsgleichen Brautleuten den Segen Gottes hätten.152 Diese Botschaft war im Jahre 1613 sicherlich vor allem im panegyrischen Sinne gemeint, um die soeben geschlossene dynastische Verbindung um so heller strahlen zu lassen. Ihr Nachhall dürfte aber jeder Eheverbindung mit katholischen Dynastien im Wege gestanden haben. Die nur kurz vor der Ehe Elisabeths mit Friedrich V. unternommenen Sondierungsversuche zum Arrangement einer Ehe des Prinzen

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Vgl. Hierzu ausführlich Prior, Defining the Jacobean Church, Kap. 3. Allerdings ist Peter Lake zuzustimmen, wenn er Prior vorwirft, aus den Positionen einiger radikaler, disparater Nonkonformisten auf das Vorhandensein einer geschlossenen Gruppe von Reformern zu schließen und diese en bloc den Befürwortern der etablierten Kirche gegenüberzustellen; Lake, Antipuritanism, S. 90, Anm. 22, sowie Lake, Puritanism, S. 9, Anm. 27; vgl. ferner meine Rezension über Priors Studie, in: ZHF 34 (2007), S. 739–741. John King, Vitis Palatina. A Sermon Appointed to be Preached at Whitehall upon the Tuesday after the Marriage of the Ladie Elizabeth her Grace, London 1614, S. 13; Andrew Willet, A Treatise of Salomons Marriage, or A Congratulation for the Happie and Hopefull Marriage between […] Prince Frederike […] And […] the Ladie Elizabeth, London 1613, S. 9; George Webbe, The Bride Royall, or The Spirituall Marriage betweene Christ and his Church, London 1613, S. 77.

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Heinrich mit einer Prinzessin aus einer der großen katholischen Dynastien Europas stießen denn auch bei den entschiedenen Protestanten unter Jakobs politischen Amtsträgern wie Pembroke und Abbot auf energischen Widerstand.153 Die jubelnden Worte der Geistlichen für die konfessionsgleiche Heirat der englischen Prinzessin mag auch eine Reaktion auf die für Heinrich verfolgte Heiratspolitik gewesen sein. Im Kontext des Dreißigjährigen Krieges und nach der vernichtenden Niederlage der kurpfälzischen und böhmischen Protestanten war eine wesentlich schärfere Kritik am politischen Kurs des Königs zu erwarten. Selbst Befürworter von Jakobs Friedenspolitik konnten zugleich als energische Kritiker seines Hochzeitsprojekts auftreten. In seinem 1622 erschienenen Traktat Eirenopolis feierte beispielsweise Thomas Adams König Jakob als Friedensbringer. Zwei Jahre später fand er dann in seiner Predigt, die er ausgerechnet am Jahrestag zur Erinnerung an die Gowrieverschwörung öffentlichkeitswirksam in Paul’s Cross gehalten hatte, kritische Worte über Jakobs politischen Kurs. Bereits die Schriftstelle 2 Kor 6,16 war Programm: „Was hat der Tempel Gottes gemein mit Götzen?“, so fragte Paulus die Korinther. Adams deutet diese Stelle als Beleg für die prinzipielle Unvereinbarkeit der protestantischen mit der katholischen Kirche. Bereits in seiner Apologie der Friedenspolitik benennt er klar die Grenze des Ausgleichs: Die Religion dürfe dabei nicht tangiert werden, die Irrlehren Roms müßten von England ferngehalten werden.154 Diese Grenze scheint Adams nun überschritten zu sehen, wenn man seine Predigt für bare Münze nimmt: In composing differences betwixt man and man, betwixt family and family, betwixt kingdome and kingdome, Beati Pacifici, Blessed are the Peace makers. But in reconciling Christ and Behal, the Temple of God and the Idols, Maledicti pacifici, Cursed are the peace makers.155

In der Aussage unterscheidet sich dieser Auftritt kaum von den Angriffen Thomas Scotts, mit einem entscheidenden Unterschied: Adams kritisiert das Hochzeitsprojekt nicht explizit, sondern begnügt sich mit Anspielungen, die allerdings allen Zuhörern in ihrer aktuellen politischen Brisanz klar verständlich gewesen sein dürften. So ist offenkundig, daß sich der Angriff direkt gegen den König richtet, wenn er dessen Herrschaftsmotto persifliert, auch ohne ihn direkt zu benennen. Die Götzen im Tempel dürften zum einen auf die Umgestaltung der königlichen Hofkapelle Bezug nehmen, die 1621 vollzogen wurde; dies betraf das Bildprogramm ebenso wie die Aufstellung eines silbernen Kruzifixes auf dem Altar.156 Zum anderen waren sie eine kritische Anspielung auf eine Verbindung des eng-

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Vgl. Rüde, England und Kurpfalz, S. 142. Adams, Eirenopolis, S. 9–12 und 16. Thomas Adams, The Temple. A Sermon Preached at Pauls Crosse the Fifth of August. 1624, London 1624, S. 3. Zur Neuausstattung der Kapelle in Whitehall vgl. McCullough, Sermons at Court, S. 33 f. Allerdings hatte auch Elisabeth I. stets ein silbernes Kreuz auf dem Altar ihrer Hofkapelle, und hielt an dieser Ausstattung trotz Kritik des protestantischen Klerus fest; Diarmaid MacCullough, The Later Reformation in England, 1547–1603, 2. Aufl. London 2001, S. 25.

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lischen Thronerbes mit einer Prinzessin aus dem spanischen Königshaus. Dieses Vorhaben brandmarkt Adams aber auch mit weit klareren Andeutungen: The familiar societie of orthodox Christians with mis-beleevers, hath by God ever been most strictly forbidden: and the neerer this coniunction, the more dangerous, and displeading to the forbidder. No man can chuse a worse friend, then one whom God holds his enemy. When Religion and Superstition meet in one bed, they commonly produce a mungrell generation.157

Neben der schroffen Kritik versteht sich Adams auch meisterhaft auf subtile Anspielungen, die alle gegen den König gerichtet sind. So verweist er, um die Gefahr gemischtkonfessioneller Ehen, insbesondere im Königshaus, zu verdeutlichen, auf die Folgen der zahlreichen Verbindungen Salomons mit irrgläubigen Frauen für Israel.158 Da Salomon für die Selbstdarstellung Jakobs gerade in der Schlußphase seiner Regentschaft zur zentralen Figur avancierte, trifft diese Kritik in Teilen auch den König selbst. Adams erinnert außerdem an die Bitte, die jeder Christ mit dem „Vater unser“ an Gott richte: „Erlöse uns von dem Bösen“, eine Bitte, die zugleich die Verpflichtung enthalte, sich dem Bösen fernzuhalten. Dieser Verweis ist deshalb pikant, da Jakob im Jahr 1619 selbst eine Exegese des „Vater unser“ veröffentlicht hatte und es Teil seiner Herrscherpflichten war, England nicht dem Bösen auszusetzen. Seine Gleichsetzung von Götzendienst mit Hochverrat mahnt die Gehorsamspflicht auch des Königs selbst gegenüber Gott an, ohne dies explizit auszusprechen.159 Und als Schlußpointe erinnert Adams an den eigentlichen Anlaß der Predigt, die Verschwörung gegen Jakob I., und die Tatsache, daß es sich um einen Tag der Errettung des Königs handele, um daran den Wunsch anzuschließen, daß nun ganz England errettet werden möge.160 Die unausgesprochene Quintessenz dieses Wunsches bedeutete, daß die Errettung Englands zwingend eine Abkehr Jakobs von seiner Heiratspolitik für den Prinzen Karl voraussetzte. Aus dem Monarchen als Garanten für Englands Rettung in den Jahren 1588 und 1605 ist nun ein Risikofaktor für Englands Heil geworden. Thomas Adams harsche Kritik ist auch wegen seiner Fürsprecher und damit seiner potentiellen Auftraggeber interessant. Gewidmet hat Adams seine Predigt Henry Carey, dem vierten Lord of Hunsdon. Adams war allerdings zugleich auch Kaplan in Diensten des Henry Montagu, first Earl of Manchester und seit 1620 Lord Treasurer des Königs und konnte sich ferner auf die Protektion von Ellesmere und Pembroke verlassen.161 Letzterer genoß die Reputation des größten Fürsprechers protestantischer Interessen am Hof und war daher bekanntermaßen auch ein großer Kritiker des spanischen Hochzeitsprojekts sowie ein Gegen157 158 159 160 161

Adams, The Temple, S. 35. Ebd., S. 35 f. Ebd., S. 65: „the one being a breach of Allegiance to the Lord, the other a breach of allegiance to the Lords Annoited“. Ebd., S. 66 f. Vgl. hierzu J. Sears McGee, Art. Thomas Adams (1583–1652), in: ODNB 1 (2004), S. 260 f.; ferner J. Sears McGee, On Misidentifying Puritans. The Case of Thomas Adams, in: Albion 30 (1998), S. 402–418.

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spieler von Buckingham, der wiederum anfänglich zu einem der eifrigsten Befürworter der geplanten Heirat zählte. Pembroke war zugleich Patron mehrerer Theaterstücke, die in meist satirischer Form sowohl Spanien als auch die höfische Korruption anprangerten.162 So wie die städtischen Bühnen zu Foren höfischer Auseinandersetzungen über den Kurs der Außenpolitik werden konnten,163 so war dies auch bei den Kanzeln zahlreicher Kirchen der Fall. Pembroke hatte beispielsweise Thomas Scott als Kaplan in seinen Diensten, bis dieser das Exil in den Niederlanden seiner sicheren Verhaftung vorzog.164 Es ist zumindest denkbar, daß Adams in seiner Predigt in Paul’s Cross nicht nur seiner eigenen Meinung Ausdruck verlieh, sondern damit auch eine am Hofe vorhandene Ansicht verstärken wollte. Die Paul’s-Cross-Predigten eigneten sich vorzüglich, um hierfür eine möglichst große Öffentlichkeit zu erreichen.165 Zeigt bereits der Fall Thomas Adams, daß die Kritik an der politischen Ausrichtung des Landes bis in höchste Kreise artikuliert wurde, so ist George Hakewill ein weiteres prominentes Beispiel dafür, auf welche Weise auch in der Mitte der englischen Kirche am spanischen Hochzeitsprojekt Kritik geübt wurde. Hakewill war seit 1613 als Hofkaplan im Hofstaat von Prinz Karl tätig und zugleich in religiösen Fragen Tutor des zukünftigen Thronerben.166 Er trat damit in die Position ein, die Benjamin Carier, der zuvor zehn Jahre lang zunächst für Prinz Heinrich und anschließend für Prinz Karl als Tutor fungierte, infolge seiner Konversion zum Katholizismus aufgeben mußte.167 Carier war mit derselben Leidenschaft anticalvinistisch eingestellt, wie sein Nachfolger Hakewill antikatholisch gesinnt war, eine Haltung, die nach den negativen Erfahrungen mit Carier vielleicht sogar ein Grund für seine Einstellung gewesen sein mag.168 Hakewill vertrat diese Überzeugungen unter anderem in einer gegen Carier gerichteten Streitschrift, die im Jahr 1616 in Druck ging, eine Schrift, die auch Jakobs theologischen Auffassungen zu dieser Zeit sehr nahe gekommen sein dürfte.169 162

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Albert H. Tricomi, Anticourt Drama in England 1603–1642, Charlottesville 1989, S. 153; Margot Heinemann, Puritanism and Theatre. Thomas Middleton and Opposition Drama under the Early Stuarts, Cambridge u. a. 1980, S. 165 f. Vgl. hierzu Kevin Sharpe, Representations and Negotiations. Texts, Images and Authority in Early Modern England, in: HJ 42 (1999), S. 853–881, hier S. 854–859. Lake, Constitutional Consensus, S. 813 f. Mary Morrissey, Rhetoric, Religion and Politics in the St. Paul’s Cross Sermons, 1603–1625, Ph.D Thesis, University of Cambridge 1998; Dies., Presenting; Huw Gareth Owen, Paul’s Cross. The Broadcasting House of Elizabethan London, in: History Today 11 (1961), S. 836–842. McCullough, Sermons at Court, S. 197. Vgl. Anthony Milton, Catholic and Reformed, S. 171 f.; Michel Questier, Conversion, Politics and Religion in England 1580–1625, Cambridge 1996, S. 42 f., 49 u. 57; Antony Charles Ryan, Art. Benjamin Carier (bap. 1565, d. 1614), Church of England Clergyman and Roman Catholic Convert, in: ODNB 10 (2004), S. 98 f. An der calvinistischen Haltung George Hakewills konnte kein Zweifel bestehen. Er studierte zunächst am streng calvinistischen Exeter College in Oxford und dann an der nicht minder calvinistischen Universität in Heidelberg. George Hakewill, An Answer to a Treatise Written by Dr. Carrier, London 1616.

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Dieser Konsens zwischen den theologischen Auffassungen des Königs und seines Hofkaplans schwand allerdings zunehmend, als Jakob seine Annäherung an Spanien und damit zumindest mittelbar auch an die katholische Welt insgesamt betrieb.170 Die streng auf Abgrenzung zum Katholizismus beruhende Haltung Hakewills trieb ihn fast zwangsläufig ins Lager der Kritiker des Königs und seiner Außenpolitik – und mit ihm zahlreiche Theologen wie Andrew Willet und Matthew Sutcliffe, die wie er die protestantische Kirche jahrelang durch Stellungnahmen gegen den Papst und die katholischen Kontroverstheologen verteidigten.171 Einer von Hakewills größten Fürsprechern in der Kirche war kein geringerer als Erzbischof Abbot,172 ein weiterer hoher Geistlicher, mit dem sich Jakob im Zuge seiner Spanienpolitik überwarf. Hakewills Engagement als politischer Autor gegen Jakobs Ausgleichpolitik ist ein geradezu idealtypisches Beispiel für die unterschiedlichen Möglichkeiten, politische Aussagen mit Hilfe des Biblizismus zu verschleiern oder offenzulegen. Hakewill tat sich in zwei unterschiedlichen Traktaten sowohl mit impliziter als auch mit expliziter Herrschaftskritik hervor. Er sah seine Kritik am spanischen Hochzeitsprojekt auch dadurch als gerechtfertigt an, da er als Tutor des Nachfolgers Karl für dessen Standhaftigkeit im protestantischen Glauben verantwortlich war.173 Beide Texte waren dem Thronfolger, Prinz Karl, gewidmet. Die ältere Schrift mit dem Titel King Davids Vow for Reformation of Himselfe. his Family. his Kingdome Delivered in twelve Sermons before the Prince his Highnesse vpon Psalm 101 erschien 1621 im Druck und erhielt 1622 bereits die zweite Auflage; die jüngere Schrift trug den Titel The Wedding Ring. Mit diesem Traktat sollte Hakewill den bleibenden Zorn Jakobs I. auf sich ziehen. Nur wenige Wochen, nachdem das erste Buch auf dem Buchmarkt erhältlich war, hatte sich Hakewill für sein zweites Traktat vor einer Untersuchungskommission unter der Leitung des Vorgesetzten der Hofkapläne, des Bischofs Lancelot Andrewes, zu verantworten und verlor seine Stellung am Hof. Was macht den Unterschied zwischen beiden Werken aus? In seinem Traktat The Wedding Ring, der ihm disziplinarischen Ärger bereiten sollte, äußert Hakewill offen seine Beweggründe, die ihn zum Schreiben veranlaßt haben. Bereits der Titel enthält die Kernaussage seines Textes: Es sei gegen Gottes Gesetz, als Protestant „papists“ zu heiraten.174 In seiner Widmung an 170 171 172

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Vgl. Fincham/Lake, Ecclesiastical Policy. Zu Sutcliffe vgl. Levack, Civil Lawyers, S. 180, 272 f. Vgl. nur CSPD 1619–23, S. 67, in der Abbot sich an Carleton wendet mit der Bitte, George Hakewill als rechte Hand mit zur Synode nach Dordrecht mitnehmen zu können, um dort einen weiteren energischen Kritiker der „Arminianer“ an seiner Seite zu wissen. Oxford BL, Rawlinson MS D.853: George Hakewill, The Wedding R[ing]. A Treatise Touching the Unlawful of Protestants Marriages with Papists, Divided into Three Parts, whereof The First Containes Arguments Drawne from the Holy Scriptures of the Old and New Testament; The Second from the Testimonie of Antient Councells, Fathers and Later Writers on both Sides; The Third from the Light and Discourse of Humane Reason but Especiallie Sanctified Grace, Preface. Oxford BL, Rawlinson MS D. 853.

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Prinz Karl verneint Hakewill zwar jegliche Absicht, sich in politische Belange einzumischen. Er halte es aber als Tutor für seine Pflicht, den Prinzen über seine Pflichten Gott gegenüber aufzuklären, was vor allem anderen beinhaltet, Gottes Gesetz nicht zu verletzen. In seiner Vorrede erklärt Hakewill offen seine Botschaft: Es sei not unfitt onlie, but unlawfull for a professed member of the church of England, but especially those of the highest rank […] to contract marriage with ane Idolatour, and in specially with a professed member of the Church of Rome; for I take it as granted that all the members of that church are Idolators.

Hakewill dient sein Traktat dazu, diese Aussage mit seiner Interpretation des göttlichen Rechts zu untermauern. Dabei zieht er alle Entwicklungsstufen der Heilsgeschichte gleichermaßen heran: die Schöpfung, die Zeit ante legem, sub lege und sub gratia. Im ersten Kapitel erörtert Hakewill die Beziehung von Mann und Frau vor dem Sündenfall, greift also bis zur Schöpfung zurück. Wenn Adam seine Frau Eva als Bein von seinem Bein und Fleisch von seinem Fleisch ansehe, so Hakewill, so habe diese Feststellung für den Geist und den Glauben noch weit stärker zu gelten als für den Körper.175 Gemischtkonfessionelle Hochzeiten seien daher nicht vereinbar mit der Schöpfungsordnung, d. h. mit dem Naturrecht. Im nächsten Kapitel nimmt Hakewill das Zeitalter vor dem Gesetz in den Blick. Hier dient Hakewill Abrahams Vermächtnis als aussagekräftiger Beweis: „And I will make thee swear by the LORD, the God of heaven, and the God of the earth, that thou shalt not take a wife unto my son of the daughters of the Canaanites“ (Gen 24,3). Hakewill nennt als Grund für dieses Heiratsverbot mit den Kanaanitern deren sattsam bekannten Götzendienst. Für ihn ist der Wille Abrahams nicht weniger als ein weiteres Zeugnis des Gesetzes Gottes.176 Mit dieser Deutung stand er keineswegs allein. In der Geneva Bible ließ die erläuternde Fußnote zu dieser Stelle verlauten: „He did not want his son to marry out of the godly family: for the problems that come from marrying the ungodly are set forth in various places throughout the scriptures.“ Es war geradezu ein Allgemeinplatz protestantischen Bibelverständnisses, den Unterschied zwischen dem Volk Israels und den Israel umgebenden Völkern als Unterschied zwischen den rechtgläubigen Protestanten einerseits und den dem Götzendienst verfallenen Katholiken andererseits umzudeuten. Das zum Prinzip erhobene Heiratsverbot mit den Nichtjuden zwingt Hakewill allerdings dazu, sich zu einer Vielzahl solcher im Deuteronomium angeführten Ehen zu äußern. Um darzulegen, daß diese Ehen zwar im Kontext der heiligen Schrift rechtmäßige Ehen darstellten, allerdings nicht als normative Beispiele und Präzedenzfälle aufzufassen seien, greift er auf unterschiedliche Deutungen zurück: Abrahams eigene Ehe mit Hagar war von Gott inspiriert und daher auch recht-

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Ebd., S. 2. Ebd., S. 2.

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mäßig, obwohl sie aus Ägypten stammte (Gen 16). Die geplante Ehe zwischen Hemor und Dina sei ebenfalls rechtmäßig gewesen, da Hemor bereits darin eingewilligt hatte, sich beschneiden zu lassen, d. h. den rechten Glauben anzunehmen (Gen 34). Die Ehe zwischen Joseph und Potifars Tochter Asenat war rechtmäßig zum einen aufgrund göttlicher Inspiration, zum anderen, da sie höchstwahrscheinlich den jüdischen Glauben annahm, wie Hakewill ohne weitere Evidenz mutmaßt.177 Selbst Mose war seinerseits mit einer Äthiopierin namens Zippora verheiratet (Num 12), was aber ebenfalls nur aufgrund direkter göttlicher Einwirkung zustande kam. Die göttliche Vorsehung allein rechtfertigte Abweichungen vom Gesetz Gottes, Gott allein war es vorbehalten, vom Pfad des Gesetzes in Ausnahmefällen abzuweichen, so Hakewills Deutung all dieser Beispiele. Mit der Verkündigung des Gesetzes war auch der Befehl Gottes, jeglichen Kontakt mit Götzendienern zu meiden, vollständig etabliert. Dieses Gesetz deutet Hakewill gemäß der communis opinio nicht als Bestandteil der jüdischen Zeremonialgesetze, sondern als Teil des moralischen Gesetzes, das von jedermann und für alle Zeit zu befolgen sei.178 Die drohenden Gefahren des Götzendienstes für das Königreich faßt Hakewill zusammen mit den Worten „suspicion“, „infection“ und „malediction“.179 Josuas an die Juden adressierte Warnung dient ihm als Mahnung an England und insbesondere an Thronfolger Karl vor den Folgen: Denn wenn ihr euch abwendet und diesen Völkern, die noch übrig sind, anhangt und euch mit ihnen verheiratet, daß ihr zu ihnen eingeht und sie zu euch, so wißt, daß der HERR, euer Gott, nicht mehr alle diese Völker vor euch vertreiben wird, sondern sie werden euch zum Fallstrick und zum Netz werden und zur Geißel für euren Rücken und zum Stachel in euren Augen, bis ihr ausgerottet seid aus dem guten Land, das euch der HERR, euer Gott, gegeben hat. […] Wenn ihr übertretet den Bund des HERRN, eures Gottes, den er euch geboten hat, und hingeht und anderen Göttern dient und sie anbetet, so wird der Zorn des HERRN über euch entbrennen, und ihr werdet bald ausgerottet sein aus dem guten Land, das er euch gegeben hat.180

Die historischen Schriften des Alten Testaments liefern Hakewill eine Fülle von Beispielen, mit denen er den Wahrheitsgehalt von Josuas Warnungen unter Beweis stellen kann. In diesem Zusammenhang verweist er u. a. auf die Figur des Jehu, die ein Favorit auch all derjenigen Autoren war, die damit das Widerstandsrecht gegen Könige, die gegen das Gesetz Gottes verstießen, rechtfertigen wollten. Hakewill dient das Beispiel indes nicht für Deutungen in diese Richtung, sondern als mahnendes Beispiel für Karl, den er ausdrücklich darauf hinweist, daß „Jehu by Gods appointment and Eliah’s Prophecy slew all the remainders of this house“.181 Am Ende seines Traktats kommt er erneut auf dieses Beispiel zu sprechen. Karl möge daraus lernen, so Hakewill, daß die Ehe Ahabs mit Isebel auch nicht dadurch gerechtfertigt werden könne, daß sie eine Königstochter ge177 178 179 180 181

Ebd., S. 3–5. Ebd., S. 7. Ebd., S. 31. Jos 23,12–13 u. 16. Oxford BL, Rawlinson MS D. 853, S. 13.

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wesen sei.182 Auch an Pinhas erinnert Hakewill den zukünftigen Thronerben und greift damit auf ein weiteres prominentes Beispiel im Diskurs des Widerstandsrechts zurück. Und schließlich fehlt auch die Warnung des Engels der Apokalypse nicht, der im Moment der Vernichtung Babylons dem Volk Gottes die Warnung zuruft: „Come out of her, my people, that ye be not partakers of her sins, and that ye receive not of her plagues.“183 Zentrale Stellen der späteren Fastenpredigten vor dem Parlament ebenso wie der Schriften zum Widerstandsrecht finden sich auch bei Hakewill versammelt. Hakewill selbst liegt es denkbar fern, sich zur Frage des Widerstandsrechts zu äußern. Er nutzt diese Beispiele statt dessen, um vor der Gefahr einer Strafe durch Gott zu warnen, nicht aber um den Widerstand von Menschenhand zu legitimieren. Zwar steht außer Frage, daß die Beispiele Jehu und Pinhas ebenso wie die Warnung vor der Gemeinschaft mit Babylon bereits durch ihre paradigmatische Funktion im Alten bzw. im Neuen Testament von vornherein monarchiekritisch aufgeladen sind, ihre Verwendung im politischen Zusammenhang daher automatisch eine kritische Haltung auch an der zeitgenössischen Monarchie bzw. am herrschenden König evoziert. Diese Kritik erfährt bei Hakewill jedoch keinerlei aktivistische Zuspitzung. Jenseits der Mahnung an den Thronfolger gibt es keine von ihm empfohlene oder legitimierte Handlungsempfehlung an die Leser. Hakewill sucht den subversiven Eindruck seiner Schrift auch dadurch zu mindern, daß er als Autorität für seine Position niemand anderen als König Jakob selbst ins Feld führt. Er zitiert dessen Traktat Basilikon Doron, in dem der König selbst die Notwendigkeit konfessioneller Einheit zwischen dem König und seiner Gemahlin herausstreicht.184 Diese Absicherungsstrategie ist zugleich eine weitere Spitze gegen den Monarchen. Er konfrontiert den König damit, daß dessen aktuelle Politik in Widerspruch steht zu dessen eigenen, in seinen Schriften propagierten Prämissen. Diese Strategie, Jakob mit seinen eigenen Worten zu schlagen, war zu dieser Zeit eine beliebte Waffe in der Hand der Kritiker. Gleichwohl hatte der Hofkaplan die Folgen für sein politisches Engagement zu tragen. Nach einer kurzen Besinnungspause hinter den dicken Mauern des Tower of London zog ihn eine Kommission unter der Leitung des Deans der Hofkapelle, Lancelot Andrewes, zur Verantwortung:185 Hakewill verlor seine Anstellung am Hof. Seine

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Ebd., S. 35. Offb 18,4; Oxford BL, Rawlinson MS D. 853, S. 31. Ebd., S. 28; Vgl. Jakob I., Workes, S. 172: „ye have deeply to weigh, and consider upon these doubts, how ye and your wife can bee of one flesh, and keepe unitie betwixt you, being members of two opposite Churches: disagreement in Religion bringeth ever with it, disagreement in manners; and the dissention betwixt your Preachers and hers, wil breed and foster a dissention among your subiects, taking their example from your family; besides the perill of the evill education of your children. Neither pride you that ye wil be able to frame and make her as ye please: that deceived Salomon the wisest King that ever was; the grace of Perseverance, not being a flowre that groweth in our garden.“ The Letters of John Chamberlain, hrsg. v. Norman E. McClure, 2 Bde., Philadelphia 1939, Bd. 2, S. 393 f.

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Äußerung, jede Ehe mit Katholiken sei Götzendienst und daher gegen das Gesetz Gottes, galt als nicht hinreichend biblisch abgesichert und daher als politisches Engagement jenseits der Grenzen des Predigtamtes. Im Jahr 1622, als Hakewill für seinen Traktat The Wedding Ring bestraft wurde, ging seine Schrift mit dem Titel King Davids Vow for Reformation anstandslos in Druck. Bereits Peter McCullough hat in seinem Buch Sermons at Court zu Recht darauf hingewiesen, daß die politische Aussage dieses Buches weitgehend identisch war mit der des Wedding Ring und daß kein Zweifel darüber besteht, daß es in Hakewills Augen Jakobs Haushalt und Jakobs Staat waren, die der Reformation bedurften.186 Gerade mit Kenntnis von Hakewills Traktat The Wedding Ring ist es unschwer möglich, den kritischen Gehalt der Schrift über König Davids in Psalm 101 geleisteten Eid offenzulegen. Der Psalm selbst ist in der ersten Person geschrieben und hat den Charakter eines Gelübdes. Jakob hat in seinem Basilikon Doron selbst die Bedeutung dieses Psalms für jeden Regenten betont, da „King David sets downe the best precepts, that any wise and christian King can practise in that point“.187 Hakewill macht sich diesen Standpunkt zu eigen. Was Jakob seinem ältesten, mittlerweile verstorbenen Sohn Heinrich vermittelte, übernahm der Hofkaplan in seinem Fürstenspiegel an den neuen Thronfolger, Prinz Karl. Dabei verwendete er mitunter dieselben Formulierungen wie später in The Wedding Ring: Karl möge sich wie jegliche Obrigkeit von den Irrgläubigen fernhalten, um kein Risiko einzugehen „of suspicion from others, of infection in themselves, of malediction and punishment from God.“188 Hakewill macht ferner deutlich, daß die Gefahr des Infekts häufig durch Frauen drohe, wie er anhand der Beispiele Eva, Dalia und der heidnischen Frauen des Königs Salomon darlegt.189 Damit griff er auf dieselben Beispiele zurück, die sich auch in seiner späteren Schrift wiederfinden lassen. Sogar das Zitat König Jakobs aus Basilikon Doron mit dessen Mahnung vor der Ehe mit einer Frau anderer Konfession findet sich in beiden Texten.190 Auch die Beispiele, anhand derer Karl ebenso wie den Lesern die Gefahren göttlicher Verdammnis vor Augen geführt werden sollten, sind in beiden Schriften identisch. Dies gilt für die Warnung Moses’ an die Israeliten, nicht mit den Ungläubigen Kontakt zu pflegen, (Num 26) ebenso wie für Josuas Vermächtnis 186 187

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McCullough, Sermons at Court, S. 202. Jakob I., Workes, S. 167. Obwohl Jakob die große Bedeutung des 101. Psalm als Fürstenspiegel betont, hat er sich selbst nie der Übersetzung dieses Psalms angenommen, zumindest findet sich der 101. Psalm nicht unter den von Jakob übersetzten Psalmen in der Hanschriftenabteilung der British Library; Royal MS 18 B. 16. Vgl. ferner James Doelman, The Reception of King James’s Psalter, in: Fischlin/Fortier (Hrsg.), Royal Subjects, S. 454–475. George Hakewill, King Davids Vow for Reformation of Himselfe, his Family, his Kingdome. Delivered in Twelve Sermons before the Prince his Highnesse upon Psalm 101, London 1621, S. 158. Ebd., S. 159 f. Ebd., S. 160. Hakewill bezieht sich des öfteren auf Jakobs Traktat Basilikon Doron. Jakobs Aussage, daß die Psalmen ebenso wie die historischen Schriften des Alten Testaments für Könige besonders nützlich seien, zitiert er sogar in den Worten des Königs (S. 4 u. 334).

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(Jos 23,13) und die Weisung des apokalyptischen Engels, die sündige Stadt Babylon zu verlassen (Offb 18,4).191 Hakewills Interpretation des 101. Psalms enthält außerdem zahlreiche Ratschläge an den Prinzen Karl, die sich zugleich als indirekte Herrschaftskritik an Jakobs Kurs verstehen lassen. Wenn er beispielsweise betont, „true vertue consists not in knowledge but in practice“, und er der Herrschaftspraxis ferner Beständigkeit abverlangt statt häufiger Kurswechsel, so scheint Hakewill als Negativbeispiel Jakob im Sinn zu haben.192 Dies gilt auch für seine Geringschätzung ostentativer Gelehrsamkeit auf dem Königsthron. Ein König habe nicht durch „wise writing“ hervorzustechen, da er alle Weisheit, derer ein König bedarf, im durch Gott festgelegten Königsgesetz (Dtn 17,18–20) finden könne, eine Stelle, die er in voller Länge zitiert.193 Die wichtigste Herrscherpflicht sei es, Gottes Gesetz zu erfüllen, was mehr als alles andere bedeute, den Götzendienst auszurotten.194 Zwar kritisiert Hakewill in dieser Schrift das spanische Hochzeitsprojekt nicht explizit, sondern mahnt nur allgemein, daß die Ehe mit einer Götzendienerin etwas sei, das „David as Prophet must hate, and as a Prince must punish“.195 Hakewill betont daher auch zum Ende seines Traktats, daß die Herrscherpflicht zur Bestrafung von Götzendienern ohne Ausnahme gelte, wofür er wiederum das Deuteronomium zitiert (Dtn 13,7–9): „If a brother, if a daughter, if a wife offend in some cases, they are not to be spared“. Gegen wen war diese Drohung gerichtet, wenn nicht gegen Karls präsumtive Gemahlin, die spanische Infantin, sowie gegen Karl selbst sowie seinen Vater, die beide im Begriff seien, sich über die Gesetze Gottes hinwegzusetzen? Hakewills Schriften, die er an Prinz Karl adressierte, enthielten offenkundig dieselbe Botschaft. Gleichwohl teilten sie nicht das gleiche Schicksal. Der entscheidende Unterschied, der auch die unterschiedliche Reaktion König Jakobs erklären dürfte, war weniger ihre implizite Botschaft, als vielmehr ihre rhetorische Vorgehensweise. Zwar verwendete Hakewill in beiden Schriften weitgehend dieselben Exempla der Bibel zur Untermauerung seiner Argumentation. Die Art

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Ebd., S. 160 f. Ebd., S. 44–46. Ebd., S. 55 f. „When he shall sit upon the throne of his kingdom, hee shall write him a copy of this Law in a booke, out of that which is before the Priests, the Levites: and it shall bee with him and hee shall reade therein all the dayes of his life, that hee may learne to feare the Lord his God, to keep all the words of this Law, and these Statutes to doe them, that his heart be not lifted up aboue his brethren, and that he turne not aside from the Commandement, to the right hand or to the left, to the end that hee may prolong his dayes in his kingdome, hee and his children in the midst of Israell.“ Ebd., S. 133 f.: „in a Christian Magistrat the acknowledgement of his Lieutenantship to be held from God, when he shewes himselfe as forward to make lawes, and draw his sword for the punishing of sacrilege as theft, blasphemy as murder, idolatry as treason, atheism as rebellion; finally, when by his actions it appears, that he is as zealous and carefull of the honour and service of God, as of his owne either gain or glory.“ Vgl. ferner ebd., S. 157. Ebd., S. 136.

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und Weise, wie er auf der Grundlage der biblischen Beispiele politische Aussagen tätigte, war allerdings der entscheidende Unterschied. Hakewills gedruckte Schrift King Davids Vow ist eine klassische Exegese, dargeboten in Form einer Predigtsammlung von 12 Predigten. Hier interpretiert er Vers für Vers und erläutert deren Bedeutung, wobei der biblische Text stets Grundlage seiner Interpretation bleibt. Hakewill deutet dabei das im 101. Psalm ausgesprochene Gelübde König Davids als eine dauerhaft bindende Selbstverpflichtung aller gottesfürchtigen Herrscher, in denen die Herrscherpflichten gegenüber Gott benannt seien. Hakewill macht Prinz Karl die strikte Einhaltung dieser Herrscherpflichten zur obersten Aufgabe, hat dabei aber stets auch König Jakob im Auge, für den diese Weisung gleichermaßen gelten müsse. Der entscheidende Punkt ist allerdings, daß Hakewill die der Bibel entnommenen Imperative nie explizit in aktuelle politische Forderungen übersetzt. Zwar erinnert er Karl daran, er habe jeden Umgang mit Götzendienern zu meiden, ja es sei als Regent seine Aufgabe, sie zu bestrafen. Er folgert aber an keiner Stelle explizit, daß aufgrund dieser Auflage eine Hochzeit mit der spanischen Infantin undenkbar sei. Es oblag den Lesern, diese Konsequenz aus der von Hakewill vorgelegten Exegese selbst zu ziehen. Der politische Kontext der Zeit dürfte wohl dazu beigetragen haben, daß diese Lesart die vorherrschende war. Die Verwendung biblischer Maximen und Exempla bot Hakewill und zahlreichen anderen Autoren stets die Möglichkeit, sich auf biblizistisch verschlüsselte Weise über arcana imperii zu äußern, ohne diesen Bereich direkt zu tangieren.196 Diese Form politischer Rede machte den Autor für die Obrigkeit unangreifbar. Schließlich wollte niemand sich dem Verdacht aussetzen, die Bibel selbst der Zensur unterwerfen zu wollen. Es stellt sich allerdings die Frage, weshalb Hakewill diese Form der biblizistisch verschlüsselten Argumentation in seinem folgenden Traktat nicht beibehielt, sondern statt dessen offene Kritik an der Politik Jakobs I. übte. Dies mag damit zu tun gehabt haben, daß es Hakewill vor allem auf den politischen Effekt seiner Schrift ankam. Er wollte die Politik Jakobs nicht ausschließlich kritisieren, sondern ändern. Die Wirkung eines Textes konnte aber darunter leiden, daß es den Lesern überlassen blieb, ob sie in ihm eine Kritik am König und seiner aktuellen Außenpolitik sahen oder nicht. Die Tatsache, daß der Text King Davids Vow in kurzer Zeit zwei Auflagen erlebte, mag auch ein Indikator dafür sein, daß das Traktat nicht generell als Herrschaftskritik verstanden worden ist. Sollte Hakewills Absicht darin bestanden haben, Karl und mittelbar auch Jakob I. von einer in seinen Augen vollständig irregeleiteten und gefährlichen Politik für das kollektive Heil des Volkes abzubringen, so war die Freiheit des Rezipienten bei der Entschlüsselung der Textbedeutung kein Vorteil, sondern ein Nachteil, den es zu beheben galt. Dies mochte ihn dazu veranlaßt haben, einen weiteren Traktat auf den Weg zu bringen, der sich zwar weitgehend derselben biblischen Beispiele bediente, aber die politisch sich daraus ergebenden Schluß196

McCullough, Sermons at Court, S. 204.

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folgerungen mitlieferte und ambivalente Deutungen so weit als möglich ausschloß. In seinem Traktat The Wedding Ring stand die politische Aussage an erster Stelle, die Interpretation der Schriftstellen diente der Untermauerung der Botschaft. Hakewill blieb allerdings auch in dieser Schrift den Beweis dafür schuldig, weshalb jeder Katholik als Götzendiener zu behandeln sei.197 Er nahm dies vermutlich aufgrund seiner Haltung als überzeugter Calvinist als geradezu selbstverständlich an, was ihn letztlich zunächst in den Tower und anschließend um seine Position am Hof brachte. Hakewill war in seinem Engagement gegen das spanische Hochzeitsprojekt nur ein Kritiker unter vielen. Gleichwohl zeigen seine beiden Traktate geradezu paradigmatisch die Spannbreite zwischen impliziter und expliziter Herrschaftskritik, innerhalb der sich auch die anderen kritischen Beiträge der Debatte bewegten. Robert Jenisons Traktat über The Height of Israels Heathenish Idolatrie, in Sacrificing their Children to the Deuill stellt eine Attacke auf den König und seine Politik dar, ohne ihn selbst beim Namen zu nennen.198 Bereits der Titel ist eine implizite Königskritik. Er fußt auf einem Bibelwort aus Psalm 106, der eine Klagerede über Israels Gottvergessenheit darstellt. Als zentrales Motto der drei darauffolgenden Predigten dient der Vers 37: „Und sie opferten ihre Söhne und ihre Töchter den bösen Geistern“. Damit waren die Götzen gemeint, denen die Israel benachbarten Völker weiterhin anhingen und deren Ausrottung Gott den Juden zwar befohlen hatte, ohne daß sie diesem Befehl jedoch nachgekommen wären (Vers 34–36). Der Vorwurf, die eigenen Söhne und Töchter den Götzen zu opfern, richtet sich gleich auf zweifache Weise gegen König Jakob. Zum einen wird damit sofort der Gedanke an das spanische Heiratsprojekt evoziert, bei dem Jakobs Sohn Karl die spanische Infantin und damit eine Katholikin heiraten sollte. Zum anderen läßt sich dieser Satz vom Opfern der eigenen Kinder an die Götzen auch im übertragenen Sinne als Zukunftsvorhersage verstehen. Jakob ist im metaphorischen Sinne als König zugleich der Vater seiner Untertanen – eine Metapher, die Jakob selbst in seinen Verlautbarungen und Schriften mehr als einmal verwendete. Wenn er nun als Fürsprecher einer dynastischen Verbindung mit Spanien auftritt und zugleich den Katholiken in England wieder Religionsfreiheit zugesteht, so ist für Jenison der Weg zum Rückfall des ganzen Landes zum Götzendienst nicht mehr weit. Dabei war es für ihn gar nicht nötig, diese Königskritik direkt auszusprechen – das Bibelzitat von Psalm 106,37, präsentiert im diskursiven Kontext der Debatte um das spanische Hochzeitsprojekt, reichte völlig aus, um gegen den König gewendet werden zu können. Der Kontext um die geplante Eheverbindung des Thronfolgers mit der spanischen Infantin verlieh auch Aussagen, die bereits länger zurücklagen, nun auf einmal eine neue, kritische Bedeutung. Jenison hatte als dritten Teil seines Traktats 197 198

Vgl. hierzu Milton, Catholic and Reformed, S. 193. Robert Jenison, The Height of Israels Heathenish Idolatrie, in Sacrificing their Children to the Devill, London 1621.

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den Text einer Predigt eingefügt, die er am 5. März 1614 in Cambridge gehalten hatte, und die sich vor allem mit den Pflichten der Magistrate zur Bestrafung der Götzendiener befaßte. Seine Aussagen waren 1614 sicherlich konform mit der Politik Jakobs I. gegenüber den Katholiken in England, im Moment ihrer Veröffentlichung 1621 lesen sie sich gleichwohl so, als wären sie als aktuelle Mahnung direkt gegen Jakob gerichtet.199 Selbst ein reines Schriftzitat wie Psalm 106,37, das sich Jenison im ersten Teil seines Traktats zum Thema seiner Predigt auserkoren hatte, erhält durch den politischen Kontext eine subversive Aussage: „sie opferten ihre Söhne/und ihre Töchter den bösen Geistern“ wirkt wie ein direkt an Jakob gerichteter Vorwurf, daß er auf dem Altar seiner fehlgeleiteten Friedens- und Ausgleichspolitik seinen eigenen Sohn und seine Unteranen zu opfern bereit sei, und mit ihnen seine Verpflichtungen gegenüber Gott.200 Jenisons Predigt deutet an, daß es keiner neuen Sprechakte bedurfte, um Jakobs Politik mit biblizistischen Mitteln ins Unrecht zu setzen. Es waren vielmehr langjährig etablierte Deutungsmuster und zunächst unstrittige Erwartungshaltungen an die Obrigkeit, die nunmehr aufgrund der veränderten Politik in England einen subversiven Charakter erhielten. In der Predigt Edward Gees etwa über The Curse and Crime of Meroz, die 1618 in Oxford gehalten, aber erst 1620 posthum veröffentlicht wurde, ist die Aufforderung zur Verfolgung der römischen Kanaaniter,201 d. h. der englischen Katholiken und der church papists, vor allem an die Friedensrichter und die lokalen Obrigkeiten gerichtet, die mit dieser Aufgabe betraut waren, dabei aber in Gees Augen nicht immer die nötige Entschiedenheit an den Tag legten. Er ermahnt sie, daß in dieser Angelegenheit politische Neutralität nicht möglich sei und eine „lauwarme“ Haltung einer Position zwischen Gott und Baal gleichkomme.202 Ihnen hält er das Schicksal der von Gott verfluchten Stadt Meroz vor, da sie sich geweigert hätte, Gott zu Hilfe zu eilen.203 Und er empfiehlt ihnen zur Behandlung der katholischen Priester und Jesuiten im Land die Losung aus Psalm 137,8: „blessed shall he be that taketh thy children, and dasheth them against the stones“.204 Gee konnte zum Zeitpunkt, als er diese Predigt gehalten hatte, noch nicht wissen, daß nur vier Jahre später die Gesetze zur Katholikenverfolgung in England durch den König selbst außer Vollzug gesetzt worden sind. Auch der außenpoli199

200 201

202 203 204

Jenison, Height, Sec. III, S. 27: „Where these and such like sinnes are not punished, God is displeased, and his wrath breakes in, but where they are punished, Gods wrath is stayed, as in Phinehas. So that where sinne is wincked at, and malefactors either not discovered or spared, wee can looke for no blessing from God.“ Ebd., Sec. I, S. 1. Edward Gee, Two Sermons: One, the Curse and Crime of Meroz. Preached at the Assises at Exon. The other, a Sermon of Patience. At St Maries in Oxford, London 1620, S. 19. Gee war Kaplan des Lordkanzlers Ellesmeres, Hofkaplan des Königs und besaß eine Kanonikerstelle in Exeter; vgl. C. W. Sutton, Art. Edward Gee (1565/6–1618), rev. by Stephen Wright, in: ODNB 21 (2004), S. 712. Gee, Two Sermons, S. 16. Ebd., S. 20. Ebd., S. 22 f.

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tische Kurs war noch nicht absehbar, zumindest enthält seine Predigt keinerlei Aussagen in dieser Richtung.205 Gees Predigt hatte daher keinerlei königskritische Komponente. Gleichwohl versammelt sie zahlreiche biblizistische Bausteine, mit denen in den Folgejahren andere Autoren implizite Herrschaftskritik formulierten. Dies betraf zum einen das Einfordern einer kompromißlosen und unerbittlichen Haltung gegenüber allen als Götzendiener gebrandmarkten Gruppen um Gottes Gesetzes willen, zum anderen aber auch die dabei eingesetzten Exempla. Die Stadt Meroz sollte als mahnendes Beispiel für das drohende Schicksal Englands in den Folgejahren noch große Konjunktur haben, ebenso wie später in den Predigten, die den Bürgerkrieg einläuten sollten.206 Der königliche Hofkaplan Gee konnte selbst nicht mehr miterleben, wie sich die Bausteine seiner Predigt mühelos auch als Mittel oppositioneller Agitation verwenden ließen. Thomas Jackson beispielsweise sparte in seinen Predigten über Jeremias 7,16, die zuerst in der Kathedrale von Canterbury gehalten worden waren, bevor sie in Druck gingen, nicht mit offener Kritik und mit einer auf Aktualisierung angelegten Deutung des Bibeltextes.207 Sein sicheres Urteilsvermögen über die kommende Verdammnis Englands verdankt er einer konsequenten Gleichsetzung des englischen Schicksals mit demjenigen des Königreichs Juda. England drohe wie Juda auch die vollständige Vernichtung, sollte es nicht endlich die Zeichen der Zeit erkennen und zur vollständigen Umkehr bereit sein.208 Gott strafe zwar nie ohne vorherige Warnung, so Jackson, an Warnungen herrsche aber kein Mangel.209 Nicht nur die aus protestantischer Sicht desaströsen Ereignisse in Böhmen und der Pfalz wertet er als mahnendes Gotteszeichen, sondern auch Unwetter, den strengen Winter und den „prodigious starre“, womit er wohl den Halleyschen Kometen des Jahres 1618 gemeint haben dürfte.210 Die Ursache für das drohende Strafgericht Gottes benennt Jackson (unter Hinweis auf Ri 19,20 ff.) mit folgenden Worten: „because they came not up to warre, to see Gods judgements executed upon those wicked men.“211 Gegen wen sich dieser heilige Krieg vor allem richten solle, macht Jackson mit seinem Sündenregister Englands deutlich: Er beklagt insbesondere die hohe Anzahl von Katholiken im Land, die Gefahr der heimlichen Katholiken unter dem 205

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In der politischen Agitation für den Krieg ging die Notwendigkeit eines Krieges gegen Spanien stets mit der Notwendigkeit einer schärferen Katholikenverfolgung im eigenen Land Hand in Hand; vgl. hierzu Scott, Speech, Fol. A2v. Diese Rede wurde pünktlich zur Parlamentssession im Jahr 1624 neu aufgelegt. Vgl. Gataker, Sparke, S. 37; Jackson, Iudah, S. 60 f. Jackson, Iudah. Der Autor ist nicht zu verwechseln mit dem gleichnamigen Theologen, der William Laud nahestand. Ebd., S. 5 f. Ebd., S. 20 f. Ebd., S. 7 und 26. Zeichen des Himmels waren generell ein beliebtes Mittel, um Gottes Botschaften zu entschlüsseln. Zur Zeit der spanischen Hochzeitskontroverse erfreuten sie sich allerdings besonderer Konjunktur; exemplarisch Everard, Three Sunnes; vgl. generell Walsham, Providence, S. 174 u. 298. Jackson, Iudah, S. 33.

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Dach der englischen Kirche sowie den mannigfaltigen Götzendienst.212 Daß sich diese Kritik direkt gegen den König wendete, ist offenkundig, setzte Jakob doch im August 1622 mit einer Anweisung des Lordkanzlers an die Friedensrichter die Strafgesetze gegen Katholiken, insbesondere gegen diejenigen, die sich weigerten, den oath of allegiance abzuleisten, faktisch außer Kraft, ein Schritt, der sich bereits im Jahr zuvor angedeutet hatte.213 Und worauf könnte sich Jacksons Mahnung, es sei der falsche Weg, die Propheten zu bestrafen wie einst Jeremias, den man für seine Ankündigung des göttlichen Strafgerichts über Juda in die Zisterne warf (Jer 38,4),214 beziehen, wenn nicht auf die Inhaftierung mehrerer Geistlicher der englischen Kirche, die ihren Unmut über die aktuelle Politik des Königs in ihren Predigten zum Ausdruck brachten? Während Jackson seine Kritik an der Bestrafung kritischer Prediger hier in einer biblisch-allegorischen Rede vorbringt, benennt Thomas Taylor in seiner an das Parlament adressierten Druckfassung zweier seiner Predigten den Mißstand ausdrücklich: Im existentiellen Kampf Englands gegen „Popish Amalek“ könne England nicht siegen, wenn dem katholischen Klerus in England größere Freiheiten eingeräumt würden als den rechtgläubigen Geistlichen der englischen Kirche.215 Es waren immer wieder dieselben Stellen, die als Beleg und als Warnung gegen Jakobs politischen Kurs angeführt wurden, Stellen, die sich dann auch zwanzig Jahre später in den Fastenpredigten vor dem Parlament wieder großer Beliebtheit erfreuen sollten. So betont Jackson, daß derjenige, welcher der Kirche in Momenten der Gefahr nicht beistehe, dem göttlichen Fluch verfallen sei wie einst die Stadt Meroz (Ri 5,23).216 Diese Sünden wögen um so schwerer, so Jackson, da Gott England bisher in besonderer Weise gnädig gestimmt war: die Rettung des Landes vor der spanischen Armada und die Aufdeckung der Pulververschwörung 212 213

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Ebd., S. 90–97. Ähnlich auch Higgons, Mystical Babylon, S. 142. Das Unterhaus verabschiedete am 3. Dezember 1621 eine Petition, die sich gegen jegliche Aufweichung der bestehenden antikatholischen Gesetze aussprach (Art. 5); John Rushworth, Historical Collections, 7 Bde., London 1659–1701, hier Bd. 1, S. 40–43. Der Antrag Eduard Cecils am 26. Februar 1624 auf eine Garde für das Parlament zum Schutz vor einem Anschlag durch sogenannte recusants macht deutlich, daß die Sorge vor den Katholiken im Land sich nicht auf ein bloß diskursives Phänomen beschränken läßt; vgl. Russell, Parliaments, S. 160. Die öffentliche Lobpreisung von Prinz Karl I. und dem Herzog von Buckingham durch Katholiken bei ihrer Zusammenkunft in Canterbury mit dem spanischen Botschafter im Juni 1623 löste unter den Protestanten der Stadt schlimmste Befürchtungen aus; vgl. hierzu Peter Clark, Thomas Scott and the Growth of Urban Opposition to the Early Stuart Regime, in: HJ 21 (1978), S. 1–26, hier S. 12. Jackson, Iudah, S. 46. Taylor, Two Sermons, S. 25: „How could Israel have expected to prevaile against Amalek, if in stead of rearing up Moses his hands, they had turned him off the hill with despight and contempt, and taken up some Amalekite into his stead? How can Popish Amalek but prevaile, if Popish Priests shall finde any where better entertainement than faithfull Preachers, who are so many Mosesses, and men of God, who would stand in the gap, and are indeed the horsemen and Chariots of Israel?“ Jackson, Iudah, S. 60 f. Vgl. Zu Meros als Beispiel für England auch Gataker, Sorrow for Sion, S. 37.

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dienen ihm als Beschwörungsformeln und Schlüsselzeugnisse für Englands Providenz; sie wurden ebenfalls in kaum einer mahnenden Predigt ausgelassen.217 Die zwei biblischen Figuren, die Jackson präsentiert, um zu verdeutlichen, wie die babylonische Gefangenschaft noch abgewendet werden könne, die England drohe, können ebenfalls nicht überraschen: Jackson nennt Pinhas und Hosia als mögliche Retter. Pinhas wird von Jackson eher implizit erwähnt, als Priester, der durch seinen Eifer für Gott die drohende Gottesstrafe vom jüdischen Volk abgewendet habe.218 Hosia als vorbildlichen König herauszustellen war von ungleich geringerer Brisanz, wenngleich nicht weniger vielsagend. Sein Name ist vor allem mit einer Abschaffung des Götzendienstes in Juda und der Erneuerung des Bundes mit Gott verbunden, eine Herrschaftsrolle, die Jackson auch Jakob anempfiehlt.219 d) Die Stimme der Apokalypse Die Kritik an Jakobs Ausgleichspolitik war in zahlreichen Fällen eschatologisch aufgeladen. Schließlich stand in den Augen der Kritiker nicht weniger als das Seelenheil der gesamten englischen Nation auf dem Spiel. Das Projekt einer Hochzeit zwischen dem englischen und dem spanischen Königshaus kam in ihren Augen der Unzucht mit der Hure Babylon gleich. Ähnlich wie im Falle der Fastenpredigten vor dem Long Parliament zeigt sich allerdings auch hier eine große Übereinstimmung in der biblizistischen Argumentation, unabhängig von der Frage, ob dabei Stellen aus den historischen Schriften des Alten Testaments herangezogen werden oder aber Stellen der Johannesoffenbarung. Die aktive Bekämpfung jeglichen Götzendienstes ist in beiden Fällen die aus den biblischen Schriften abgeleitete Konsequenz. Der Götzendienst wird unter den Kritikern des spanischen Heiratsprojekts in jeder dieser Deutungen mit der katholischen Kirche, genauer mit Rom und Spanien, gleichgesetzt. Das goldene Kalb, der Baalskult, der Altar von Damaskus, das Babylon Nebukadnezars oder aber dasjenige der Apokalypse werden allesamt als typologische Präfigurationen des konfessionellen Erzfeindes gedeutet, weshalb auch die sich aus dieser Deutung ergebende Konsequenz stets die gleiche sein konnte. Sofern man die politische Entscheidungssituation allerdings eschatologisch deutete und unmittelbar vor dem Anbruch der Endzeit verortete, stellte sich die Dringlichkeit der eingeforderten Umkehr in ungleich stärkerer Weise: Aus der babylonischen Gefangenschaft konnte das Volk Israels in das gelobte Land zurückkehren, eine vom Jüngsten Gericht ausgesprochene Verdammnis ließ dagegen keine Appellation mehr zu. Es ist daher zu prüfen, auf welche Weise diese endzeitliche Unsicherheit auch die politische Botschaft der kritischen Mahnreden beeinflußt hat. 217

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Jackson, Iudah, S. 101 f.; Thomas Taylor, A Mappe of Rome, Lively Exhibiting her Mercilesse Meeknesse, and Cruell Mercies to the Church of God: Preached in Five Sermons, on Occasion of the Gunpoweder Treason, London 1619, S. 4; Taylor, Two Sermons, II, S. 6 u. 24; Scott, Vox Regis, S. 16; Ders., Belgick Pismire, Fol. A3v–A4v. Jackson, Iudah, S. 35. Ebd., S. 109 f.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

Richard Sheldons kritische Wortmeldungen sind ein gutes Beispiel sowohl dafür, wie alttestamentliche und apokalyptische Stellen zu ein und derselben Aussage synthetisiert werden, als auch für das Postulieren einer spezifisch heilsgeschichtlichen Entscheidung, der man sich stellen müsse. Sheldon war dabei genausowenig wie George Hakewill prädestiniert, im Lager der Kritiker des Königs zu landen. Im Zusammenhang mit der oath-of-allegiance-Kontroverse zählte er zu den energischen Befürwortern von Jakobs Politik gegenüber Katholiken und war hierfür auch vom König selbst protegiert wurden. Für Sheldon war das Verhältnis zum Katholizismus vielleicht noch mehr als für andere Mitglieder der englischen Kirche von persönlicher Bedeutung: Er war um 1611 vom katholischen Glauben konvertiert und fand sich anschließend im Lager der Verteidiger des Königs gegen den Papst wieder, was ihm unter anderem eine Stelle als Hofkaplan des Königs einbrachte.220 In dieser Funktion hielt er vor den Augen des Königs eine Predigt über Mt 24,26, über falsche Propheten, die er mit Rom und dem katholischen Klerus gleichsetzte.221 Die Predigt hat Sheldon einige Jahre vor der Drucklegung gehalten, also wohl zu einem Zeitpunkt, als dieser kontroverstheologische Gegenstand Jakob schwerlich irritiert haben dürfte.222 Der Zeitpunkt der Drucklegung indes könnte schon eher Jakobs Mißfallen erregt haben. Das Jahr 1622 war der Höhepunkt der Kontroverse um die sich anbahnende spanische Heirat, so daß Sheldons Botschaft in der Vorrede an den Leser, Rom und die katholischen Mächte könnten nur in den Worten Antichrist, falsche Propheten und Götzendiener angemessen beschrieben werden, wohl durchaus als eine gegen Jakobs Politik gerichtete polemische Spitze gesehen werden konnte.223 Dies wird um so deutlicher in Sheldons Predigt, die er 1623 in Paul’s Cross öffentlich gehalten hatte, die aber erst 1625 in Druck ging. Seine auf dem Titelblatt als Motto vorangestellten Bibelstellen geben bereits die Richtung der gesamten Predigt vor: Mit Jer 50,14 verdeutlicht Sheldon den göttlichen Auftrag, die Stadt Babylon ob ihrer Sünden zu vernichten, und mit einem Hinweis auf Johannes’ Offenbarung 14,9–11 beschreibt Sheldon die furchtbare Gottesstrafe für jeden, der das Tier der Apokalypse angebetet hat. Sheldon läßt in seiner Predigt keinerlei Zweifel daran, daß sowohl die Stadt Babylon im Alten Testament als auch das Tier der Apokalypse in der Offenbarung für ihn nur Platzhalter sind für das Papsttum und dessen „antichristian state“, da der Papst weltliche Herrschaftsgewalt usurpiert habe und sich daher im Gegensatz zu den weltlichen Obrigkeiten auf kein Gehorsamsgebot berufen könne.224

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Vgl. Questier, Conversion, S. 161 u. S. 45. Richard Sheldon, Christ, on his Throne; not in Popish Secrets, London 1622, S. 2. Als einzige hierfür zugängliche Quelle bleibt Sheldons Aussage selbst, er habe diese Predigt vor dem König in Wansted vor einigen Jahren gepredigt. Sheldon, Christ, on his Throne, Fol. a3v. Sheldon, A Sermon, S. 9–18, v. a. S. 17 f.

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Sheldon sieht in den aktuellen Ereignissen in Böhmen klare Hinweise, daß die Zerstörung der Hure Babylon und das damit bevorstehende Ende der Welt nicht fern seien; zu viele Ankündigungen der Offenbarung hätten sich bereits erfüllt.225 Die Obrigkeit sieht Sheldon besonders in der Pflicht, ihrem sich daraus ergebenden heilsgeschichtlichen Auftrag nachzukommen und die Hure Babylon zu vernichten.226 Sheldon grenzt die politische Reichweite dieser Aussage zwar etwas ein, wenn er betont, daß Krieg mit Rom nicht unbedingt die einzig mögliche Konsequenz sei; Spanien wird ohnehin nicht direkt erwähnt. Weniger die Außenpolitik als vielmehr die damit einhergehende Kirchenpolitik dieser Jahre steht im Mittelpunkt von Sheldons Kritik: die in den Jahren 1622–24 weitgehende Duldung der katholischen Religionsausübung in England.227 Hier verweist er nicht nur auf die Unmöglichkeit jeglicher Vermittlung mit „Baal“ und dem „Beast“,228 er betont ferner auch die notwendige Abfolge des heilsgeschichtlichen Verlaufs, die jegliche Rückwendung zum Katholizismus unmöglich mache: shall the words of God be accomplished, that those States and Kingdomes, which first ‚loved the whore, should afterwards hate her‘, yea so hate her, ‚that they should eat her flesh, and consume her bones with fire‘: and what is this else but to make her desolate, without any hope of ever recovering her former state againe?229

Die Notwendigkeit der Verdammnis Babylons erzwinge jedoch Sheldon zufolge Veränderungen in der englischen Kirche, um mit Gewißheit im nahenden Endgericht auf Seite der Heiligen zu stehen. Zum einen solle England zur festen Burg aller protestantischen Glaubensflüchtlinge werden, um seine heilsgeschichtliche Aufgabe zu erfüllen. Zum anderen macht sich Sheldon ausdrücklich zum Fürsprecher einer vollständigen und nicht nur partiellen Reformation, die nicht nur die Glaubenslehre, sondern auch die Riten der Kirche mit einschließen müsse, Forderungen, die unter Jakobs Regierungszeit in England bislang überwiegend von Nonconformists erhoben wurden.230 Mit diesen Forderungen befindet sich Sheldon beispielsweise mit dem Presbyterianer Thomas Scott im Einklang.231 Es war daher auch nur folgerichtig, daß er als Konsequenz seines Engagements die

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Ebd., S. 5. Ebd., S. 42. Sheldon bedient sich hier der direkten Worte aus Offb. 17,16, wenn er davon spricht, die Obrigkeit müsse sich zusammen mit den Geistlichen nach Kräften bemühen „to make her desolate“. Ebd., S. 42–45. Ebd., S. 50. Ebd., S. 49. Die Zitate im Zitat sind von Sheldon selbst und markieren Textstellen der Offenbarung (Offb 17,16). Ebd., S. 49. Scott mahnt nicht nur neben der scharfen Abgrenzung gegenüber katholischen Staaten eine Vereinigung der reformierten Kirchen an, insbesondere einen Zusammenschluß der englischen mit der schottischen Kirche; vgl. Scott, Digitus Dei, S. 34–37. Er teilt auch die Forderung einer weitergehenden Reformation der englischen Kirche, deren Zustand er mit den Worten umschreibt: „the doctrine of Christ and Antichrist is mingled in your Church“ (S. 40).

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königliche Rückendeckung einbüßte und sich vor der High Commission verantworten mußte.232 Die Notwendigkeit einer vollständigen Reformation sieht Sheldon als heilsgeschichtlich geboten an, sofern man die Englische Kirche mit Laodizea vergleicht, einer der sieben Gemeinden aus Kapitel 2 und 3 der Offenbarung. Er brandmarkt deren Einwohner als „halters betwixt Baal and God“. 233 Zwar läßt er offen, wen er damit genau identifiziert. Seine Forderung nach einer erst noch zu vollendenden Reformation im Bereich der Riten erhält jedoch vor allem dann einen spezifischen Sinn, wenn damit die für das Endgericht äußerst ungünstige Lage zwischen Himmel und Hölle verlassen werden solle, in der sich Englands Kirche ohne diese Reformen weiterhin befinde. Dies war zumindest die Botschaft Thomas Brightmans in seiner „Revelation of the Revelation“, der in seinem Werk erstmals die englische Kirche mit Laodizea gleichsetzte und daraus den Zwang zu einer weitergehenden Kirchenreform ableitete.234 Thomas Taylor wandte sich mit derselben Botschaft direkt an die Mitglieder des im Jahre 1624 zusammengekommenen Parlaments.235 Taylor war Sprachrohr des formal wichtigsten politischen Amtsträgers der englischen Monarchie, des Secretary of State Edward Conway, dem er als Kaplan diente.236 Conway ließ nichts unversucht, um ein militärisches Bündnis aller protestantischen Mächte zur Rückeroberung der Kurpfalz zustande zu bringen und das Parlament auf eine Kriegspolitik gegen Spanien und die Bewilligung der notwendigen Mittel einzuschwören.237 Er hatte dafür auch die Rückendeckung des Thronfolgers Karl I. und des einflußreichen Favoriten Buckingham; allein Jakob I. zögerte weiterhin, auf einen klaren Kriegskurs einzuschwenken.238 Taylor rief die Mitglieder des Parlaments dazu auf, der himmlischen Stimme zu folgen und sich dem Auftrag Gottes und den Belangen der wahren Religion stärker verpflichtet zu fühlen als den Forderungen des Königs.239 In einer Predigt über Offb 18,4 – „Come out of her [Stadt Babylon], my people, that yee be not partaker of her sinnes, and that ye receive not of her plagues“ – verurteilt er kompromißlos jeden Versuch des Übereinkommens mit Katholiken.240 Jeder Katholik sei zum Untergang verdammt, so Taylor, sollte er nicht von den fundamentalen 232 233 234

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Cogswell, Blessed Revolution, S. 40. Sheldon, A Sermon, S. 49. Brightman, Revelation, S. 137 u. 165; Firth, Apocalyptic Tradition, S. 167–169; Asch, Revelation, S. 325; vgl. ferner Robert Surridge, An English Laodicea. The Influence of Revelation 3, 14–22 on Mid-Seventeenth Century England, in: David J.B. Trim/Peter J. Balderstone (Hrsg.), Cross, Crown and Community. Religion, Government and Culture in Early Modern England, 1400–1800, Oxford/Berlin/Frankfurt a. M. 2004, 143–176. Taylor, Two Sermons, Fol. A2v. J. Sears McGee, Art. Thomas Taylor (1576–1632), in: ODNB 53 (2004), S. 985–987. Vgl. Cogswell, Blessed Revolution, S. 76 und 115 f.; Russell, Parliaments, S. 168. Vgl. Cogswell, Blessed Revolution, S. 133; Adams, Foreign Policy, S. 153–157. Taylor, Two Sermons, Fol. A2v. Ebd., I. S. 12: „Wee must depart from needlesse association and assistance: how can we strike hands, and embrace amitie and societie with such as have broken off with God? How can

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Glaubensirrtümern Abstand nehmen.241 Zwar nennt auch er das spanische Hochzeitsprojekt nicht direkt, es dürfte den Parlamentariern indes wenig Schwierigkeiten bereitet haben, seine Botschaft zu verstehen: we may not thinke our selves departed from Babylon, unlesse our wives and children be departed with us. He is but halfe departed whose other halfe is a Recusant, neither can a man of reason thinke him departed, that sends his pawnes, his sonnes and daughters, for education in Popish countreys.242

Der Rückgriff auf die Offenbarung des Johannes bot kritischen Autoren die Möglichkeit, aktuelle politische Entwicklungen zu kritisieren, ohne dabei gezwungen zu sein, die Kritik explizit zu machen und damit gegen Jakobs wiederholte Anweisung zu verstoßen, sich in Predigten politischer Kommentare zu enthalten.243 Häufig verwiesen die Kritiker dabei auf die spezifische Rolle, die in Johannes’ Offenbarung den Königen im Kampf mit der Hure Babylon zuteil wird. In der Offenbarung ist im 17. Kapitel von zehn Hörnern die Rede, die zehn Könige symbolisieren. Diese Könige befänden sich zunächst auf Seiten der Feinde Gottes und stünden mit dem Tier der Apokalypse in Übereinstimmung, doch wird Gott zu gegebener Zeit den Königen den Befehl erteilen, von der Hure Babylon abzufallen (Offb 17,16): „Und die zehn Hörner, die du gesehen hast, und das Tier, die werden die Hure hassen und werden sie ausplündern und entblößen und werden ihr Fleisch essen und werden sie mit Feuer verbrennen.“ Jakob selbst diente diese Stelle als göttliche Legitimation der Königsherrschaft, und zwar unabhängig von der Konfession des regierenden Königs. Selbst ein Monarch, der als Katholik auf dem Thron der falschen Konfession angehört und dem Papst die Treue hält, sei Teil des göttlichen Heilsplans. Über den Zeitpunkt, wann er sich vom Papsttum abwenden und anschließend mit zu dessen Zerstörung beitragen werde, entscheide Gott allein. Widerstand gegen die Königsgewalt sei daher auch dann ein Frevel, wenn der Thron sich in der Hand eines konfessionsfremden Monarchen befinden sollte.244 Stand in Jakobs Auslegung der salvatorische Aspekt im Vordergrund, bedienten sich zahlreiche Kritiker des spanischen Heiratsprojekts dieser Stelle mit mahnendem Unterton. Nicht das passive Erwarten göttlicher Entscheidung entsprach dabei ihren Vorstellungen. Was sie dem König abforderten, war vielmehr eine aktive Politik, die mit der in der Offenbarung prophezeiten Rolle der Könige in Übereinstimmung stand. Diese Erwartungshaltung wurde vielfach garniert mit alttestamentlichen Beispielen vom Schicksal derjenigen Könige, die der von Gott vorgegebenen Rolle nicht entsprachen und hierfür bestraft worden waren. Eine solche mahnende Auslegung von Offb 17,16 findet sich in Thomas Taylors A

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iron and clay temper together? What societie betweene light and darknesse? What agreement betweene a member of Christ, and a limbe of Antichrist?“ Ebd., I. S. 33 f. Ebd., I. S. 14. S. u. Kap VI 3a. S. o. Kap. V 4a.

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Mappe of Rome, in Thomas Jacksons Iudah must into Captivitie, bei Richard Sheldon in seiner Paul’s-Cross-Predigt sowie in Taylors Predigt über Offb 18,4.245 Theophilus Higgons beschwört in seiner Predigt über den Fall Babylons die protestantischen Könige, allen voran natürlich König Jakob, den er zugleich als seinen theologischen Lehrmeister apostrophiert: „to burne the Whore [Babylon] and to subdue the Beast [the Pope] and so to accomplish that Royall worke, unto which God hath alreadie consecrated them in his holy World.“246 Scheinen die Könige in Offb 17,16 eher willenlose Werkzeuge in Gottes Heilplan zu sein, so transformiert Higgons sie zu eigenverantwortlichen Akteuren im Heilsgeschehen, die mit den Worten der Offenbarung eine Herrschaftspflicht auferlegt bekommen hatten, der sie aus freien Stücken genügen sollten. Er vergleicht Jakobs Rolle mit derjenigen Königs Saul, dem Gott die Vernichtung der Amalekiter angeordnet hatte und dessen unvollständige Ausführung dieses Gottesauftrags ihn letztlich seine Königsherrschaft kostete.247 Die Erfüllung der in der Offenbarung verkündeten Prophezeiungen scheint für Higgons unmittelbar bevorzustehen, was es um so dringlicher machte, im apokalyptischen Endkampf auf der richtigen Seite zu stehen: Der Schrifterfüllung dürften sich Könige keinesfalls in den Weg stellen. Die meisten Theologen, die sich in der Auseinandersetzung um die spanische Hochzeit zu Wort meldeten, teilten mit Jakob die Auffassung, daß den Königen im Zusammenhang mit der Vernichtung der Hure Babylons, die übereinstimmend als Personifikation des römischen Papsttums gedeutet wurde, eine bedeutende, wenn nicht die entscheidende Rolle zukomme. Gerade dies mochte auch ein Grund dafür gewesen sein, weshalb die dynastischen Planungen des Königs in dieser Schärfe und Intensität attackiert worden waren. Seltener und ungleich radikaler war die Position, die Thomas Scott zur Rolle der Könige in der letzten Auseinandersetzung mit dem Antichristen einnahm. In seiner 1623 erschienenen Schrift Digitus Dei erklärte er lapidar: God will no more use the temporall power or policie of Princes in the totall and finall supplantation and eradication of Antichrist, then he did use them in the first planting of the Gospell of Christ. They are to be nursing Fathers and nursing Mothers, not generating and naturall Parents to the Church, that Christ may be all in all.248

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Taylor, Mappe of Rome, S. 43 f., der zugleich an historische Beispiele erinnerte, in denen Könige sich mit militärischen Mitteln gegen den Papst gewandt hatten; die französischen Könige Karl VIII. und Ludwig XII. ebenso wie die deutschen Landsknechte Karls V. beim Sacco di Roma; Jackson, Iudah, S. 102; Sheldon, A Sermon, S. 42 und 49; Taylor, Two Sermons, S. 13. Higgons, Mystical Babylon, II S. 75, die beigefügten Klammern stammen vom Verfasser. Higgons, Mystical Babylon, S. 72: „„God hath prest you unto this service, and not onely warranted, but required you unto it. You are sent against Rome (as Saul against Amalek) to destroy it with fire, and sword. […] Now the time is come [it is past with God] it is now at hand, that you may, you must, you shall take up a temporall against his spirituall Sword“; mit der gleichen Stoßrichtung und demselben Beispiel auch Taylor, Two Sermons, II S. 4 f. Scott, Digitus Dei, S. 33.

3. Jakobs Kampf gegen die Propheten

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Thomas Scott mag in seinen Äußerungen zwar meist alles darangesetzt haben, den Konsens der englischen Kirche zu artikulieren, um damit die Resonanz seiner Schriften zu erhöhen,249 an dieser Stelle argumentiert er allerdings in geradezu klassisch presbyterianischer Manier. Die Rolle der Könige als „nursing fathers“, mit der unter anderem Jakob seinen Anspruch auf die Oberhoheit des Königs in der Kirche begründete, ist für Scott ein historisch lange zurückliegendes Ereignis aus der Frühzeit der Kirche bzw. zur Zeit der Könige in Israel und Juda. Christus als einziges Haupt der Kirche anzusehen ist fester Bestandteil presbyterianischer Überzeugungen.250 Scott nutzt diese Auffassung nun dazu, die eschatologische Rolle der weltlichen Könige in der letzten Auseinandersetzung mit ‚Babylon’ in Frage zu stellen – eine Rolle, die Jakob als biblische Absicherung seiner Königsherrschaft diente. Wenn Könige im Drehbuch der Heilsgeschichte aber keine wesentliche Rolle mehr zu spielen hätten, können sie auch keine sakrosankte Position mehr für sich in Anspruch nehmen, so Scotts Argument. In seiner Auffassung ist die Loyalität zum König abhängig von dessen Verbundenheit entweder mit Gott oder mit dem Teufel. Falls Jakob seine Politik Spanien gegenüber nicht zu ändern bereit sei, so sei er selbst Teil der Partei des Antichristen.251 Die sich daraus fast notwendig ergebende Konsequenz, daß der König als Feind Gottes ebenfalls zu bekämpfen sei, überläßt Scott indes seinen Lesern.

3. Jakobs Kampf gegen die Propheten (1620–1625) a) Zensurmaßnahmen Jakobs rege Tätigkeit als Autor sowohl in Schottland als auch in England macht es um so bemerkenswerter, daß er in den letzten fünf Jahren seiner Herrschaft auf diese Form der Selbstinszenierung verzichtete. Das zunehmende Anschwellen öffentlich vorgetragener Kritik an der Politik des Königs veranlaßte Jakob nicht dazu, seine Politik mit eigenen Traktaten in der Öffentlichkeit zu verteidigen.252 Dem König ging es vielmehr darum, die Themen Außenpolitik und spanisches Heiratsprojekt ganz aus der öffentlichen Debatte zu verbannen. Jakob suchte der öffentlichen Kritik an seiner Friedenspolitik und am spanischen Heiratsprojekt zunächst insbesondere durch obrigkeitliche Maßnahmen zu begegnen. So ließ er Ende 1620 eine Proklamation verkünden „against Excesse of Lavish and Licentious Speech of Matters of State“, in der er den Klerus öffentlich ermahnte, sich 249 250 251

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Lake, Constitutional Consensus, S. 807. S. o. Kap. III 2c–d. Scott, Digitus Dei, S. 33: „to come upon their side, and take upon us the least marke of the Beast which we have cast off, therby to buy our peace, and to endeare our entertainment, is to wound our owne Consciences, and to sinne with a high Hand against the Light of Knowledge.“ Eine Ausnahme bildeten Flugschriften, die der König selbst verfaßte, um auf oppositionelle Flugschriften persönlich zu reagieren; vgl. hierzu Perry, Proclamations.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

nicht in die arcana imperii einzumischen und diese zum Gegenstand öffentlicher Auseinandersetzungen zu machen.253 Damit reagierte er insbesondere auf eine Predigt in Paul’s Cross, in der ein junger Geistlicher sich kritisch über die in Aussicht stehende Heirat Karls mit einer spanischen Prinzessin äußerte.254 Es ist offenkundig, daß der König sowohl seine Außenpolitik als auch die Frage dynastischer Verbindungen den arcana zurechnete. Die zahlreichen kritischen Beiträge, die auch nach der königlichen Proklamation keineswegs verstummten, zeigen allerdings eine abweichende Einschätzung seiner Zeitgenossen. Insbesondere eine an Beispielen und Maximen des Alten Testaments geschulte Perspektive sah in der eingeschlagenen politischen Richtung Englands keine rein politische Angelegenheit, die ausschließlich königliche Reservatsrechte berührte, sondern eine Frage von Heil und Verdammnis für das ganze Volk. Diese heraufbeschworene Gefahr für die Allgemeinheit verlangte daher auch nach öffentlichem Engagement. Hakewills kritischer Beitrag zum spanischen Heiratsprojekt dürfte sich aus dieser Befürchtung gespeist haben. Sein Traktat war dann wiederum wohl der Auslöser für die Wiederveröffentlichung der Proklamation gegen politische Agitation; sie erfolgte am 26. Juli 1621, nur wenige Tage, nachdem Jakob von Hakewills Text erfuhr.255 Jakobs Versuche, die öffentliche Kritik durch Verlautbarungen in die Schranken zu weisen, schlugen fehl, wie allein die hier vorgeführten Predigten belegen. Der König suchte daher, den Druck weiter zu erhöhen, und zumindest die Aktivitäten des Klerus auch mit den Mitteln der bischöflichen Aufsichtsgewalt zu beschneiden. Hierfür sandte Jakob Erzbischof Abbot am 4. August 1622 Bestimmungen zu, die Prediger dazu anhalten sollten, sich strikt auf die Schriftauslegung zu beschränken. Diese Grenze solle nicht überschritten werden. Die Directions to Preachers ermahnen die Geistlichen insbesondere dazu, alles zu unterlassen, was die Autorität des Königs berühre oder politische Belange tangiere. Ferner sei darauf zu achten, daß in den Aussagen Mäßigung gewahrt und keine Konfession mit harschen Vorwürfen überzogen werden solle.256 Der Zeitpunkt der Veröffentli253

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Jakob I., By the King, A Proclamation against Excesse of Lavish and Licentious Speech of Matters of State, London 1620; Paul L. Hughes/James F. Larkin (Hrsg.), Stuart Royal Proclamations, Bd. 1, Oxford 1973, S. 496 f.; S. 519 f. Chamberlain an Carleton am 22. Dezember 1620; Chamberlain, Letters, Bd. 2, S. 331. John Chamberlain schrieb am 28. Juli 1621 an Sir Dudley Carleton über eine Unterredung mit Sir Lancelot Andrewes, in der sich der Bischof über das Verfahren am Hof gegen Hakewill äußerte: „He [Andrews] told me that the King sending for him on a sodain, and shewing him some part of the booke, in the presence of Dr Hackwell [Hakewill] and two or three bishops, commanded him to deliver his opinion. He answered that when he was younge he had seene and reade much of that argument, upon occasion of the late French kings marriage with Henry the thirds sister, (whereunto Beza gave consent) and of the marriage of Madame his sister to the Duke of Lorrain: and for scripture we had the examples of Hester maried Ashnerus, of Salomon to Pharaus daughter, and of Moses to an Ethopian: and that every papist was not an idolater.“ Chamberlain, Letters, Bd. 2, S. 390 f. Edward Cardwell (Hrsg.), Documentary Annals of the Reformed Church of England, 2 Bde., 1844, Bd. 2, S. 146–151.

3. Jakobs Kampf gegen die Propheten

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chung, nur zwei Tage nach der Suspendierung der Gesetze gegen die englischen Katholiken, ließ allerdings bei manchen Zeitgenossen den Eindruck aufkommen, daß protestantische Sprechakte der Krone zunehmend suspekt waren, während die Schranken für die Verbreitung des römisch-katholischen Glaubens gelockert wurden.257 Das unrühmliche Ende des so hoffnungsvoll begonnenen Parlaments im Jahr 1621 zeigt, daß Jakob eine Erörterung der Hochzeitspläne zwischen Karl und der spanischen Infantin Doña Maria selbst im Parlament nicht zu tolerieren bereit war. Ohnehin hatte Jakob wenig Neigung verspürt, mit den Mitgliedern des Parlaments die politische Lage zu erörtern. Einzig in der finanziellen Unterstützung des Königs erkannte er den von ihm angestrebten Zweck ihrer Zusammenkunft.258 Der Streit zwischen König und Parlament flammte insbesondere in der zweiten Sitzungsperiode auf, als das Unterhaus am 3. Dezember 1621 eine Petition an den König richtete, in der es vor einer Hochzeit des Prinzen mit einer nichtprotestantischen Gemahlin warnte und die Gefahr einer „subversion of religion“ beschwor.259 In dieser Petition griff das Parlament Warnungen auf, die bereits in zahlreichen Predigten und Traktaten zum Ausdruck kamen, und machte sich diese zu eigen. Inwiefern die Abgeordneten hierbei allerdings von der Absicht der Herrschaftskritik geleitet waren, ist zumindest fraglich. Der Initiator der Petition war George Goring, Mitglied des Königshofes und ein Klient des zu dieser Zeit omnipräsenten Favoriten Buckingham.260 Welche Absichten Buckingham dazu führten, Goring zu seiner Rede zu veranlassen, bleibt unklar.261 Unter den Abgeordneten jedenfalls konnte nach der Rede durchaus der Eindruck entstehen, daß eine Petition mit der Befürwortung eines Krieges mit Spanien, einer Verschärfung der Maßnahmen gegen die englischen Katholiken und einer damit logischerweise einhergehenden Ablehnung der spanischen Hochzeitspläne zu diesem Zeitpunkt auch im Interesse des Königs sei.262 Dies war ein folgenschwerer Irrtum, wie sich alsbald zeigen sollte. In einem Brief an den Sprecher des Unterhauses ereiferte sich der König darüber, daß „some fiery and popular spirits of the House of Commons […] argue and debate publicly of matters far above their reach and capacity, tending to

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262

So äußerte John Chamberlain in einem Brief an Dudley Carleton vom 25. September 1622 den Verdacht, daß einige ob dieser Koinzidenz an des Königs „constancie in the true reformed religion“ zweifeln könnten; Chamberlain, Letters, Bd. 2, S. 451. Commons’ Debates in 1621, Bd. 2, S. 7 und 9 sowie S. 11 f.: „I would not have you to meddle with complaints against the King, the church or state matters, nor with princes’ prerogatives. The parliament was never called for that purpose“. Commons’ Debates in 1621, Bd. 2, S. 487–498. Barbara Donagan, Art. George Goring, first Earl of Norwich (1585–1663), in: ODNB 22 (2004), S. 998–1006. Eine Überlegung geht dahin, daß Buckingham weiterhin ein Impeachmentverfahren gegen seine Person fürchtete und daher die Auflösung des Parlaments durch den König provozieren wollte; vgl. Robert Zaller, The Parliament of 1621, Berkeley (Cal.) 1971, S. 152. Vgl. hierzu Russell, Parliaments, S. 133–135.

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our high dishonour and breach of prerogative royal“.263 Jakob sprach den Parlamentariern in seinem Brief nicht nur das Recht ab, das spanische Hochzeitsprojekt zu debattieren. Er konfrontierte die Abgeordneten darüber hinaus mit seiner Auffassung, daß die Redefreiheit im Parlament sich ausschließlich königlicher Gnade verdanke, die er jedoch auch jederzeit zurücknehmen könne. Damit machte er aus einer Diskussion um ein dynastisches Hochzeitsprojekt einen Prinzipienstreit um die Verfassung und nötigte die Abgeordneten dazu, in einer protestation ihrerseits ihr Recht auf freie Rede zu betonen.264 An einen geregelten Fortgang der Beratungen war nicht mehr zu denken. Jakob löste das Parlament auf, verhaftete einige der Initiatoren der Petition und riß die Protesterklärung eigenhändig und vor den versammelten höchsten Richtern des Landes aus dem Commons’ Journal.265 Weder solch demonstrative Akte königlicher Mißbilligung noch die wiederholt verabschiedeten Proklamationen vermochten die Kritik an der Außen- und Religionspolitik Jakobs I. zum Schweigen zu bringen. Allerdings sahen sich manche geistlichen Fürsprecher des Königs dazu veranlaßt, Jakob in seiner Haltung zu bestärken bzw. mit eigenen öffentlichen Stellungnahmen zur Seite zu stehen. In einer Predigt vor dem König in Whitehall zu Ostern 1621 über die Auferstehung des Herrn stellt Lancelot Andrewes eine Analogie her zwischen der Aufforderung des wiederauferstanden Christus an Maria Magdalena, von einer Berührung abzusehen (Joh 20,17), und den Staatsgeheimnissen eines Königs. Ebenso wie man davon absehen solle, sich in die nicht einsehbaren Geheimnisse des Allerhöchsten zu mengen, dürfe man sich auch nicht in Fragen der arcana imperii vertiefen: „The Matters likewise, princes’ affaires, Secrets of State, David called them magna & mirabilia super se, and so super nos: points too high, too wonderfull for us to deal with“.266 Andrewes richtete sich mit dieser Botschaft an den Hofstaat. Doch waren ähnliche Aussagen auch an die weitere Öffentlichkeit adressiert. Anläßlich der Predigt zum Jahrestag der Gowrie Conspiracy am 5. August 1622 schärfte Samuel Purchas seinen Zuhörern in Paul’s Cross die Pflicht zum Gehorsam gegenüber dem König ein.267 Er schrieb allen Kritikern die besondere Gottesnähe des Königs ins Stammbuch, die jegliche Kritik als Sakrileg erscheinen lasse. Jeder Untertan müsse sich seiner unbedingten Gehorsamspflicht bewußt sein. Diese Forderung gelte unabhängig von der Politik des Königs: „To forget that we are his Subiects, if he have forgotten to be his, Gods, King, is contrarie to all Religion, in 263 264 265 266

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Joseph R. Tanner, Constitutional Documents of the Reign of James I 1603–1625, with an Historical Commentary, Cambridge 1930, S. 279. Vgl. hierzu ausführlich Colclough, Freedom of Speech, S. 179–185. Russell, Parliaments, S. 136–144; Asch, Jakob I., S. 182–190. Lancelot Andrewes, A Sermon Preached before the King’s Majesty at Whitehall on the First of April 1621, being Easter Day, in: XVCI Sermons by the Right Honorable and Reverend Father in God, Lancelot Andrewes, Late Bishop of Winchester, London 1629, S. 548. Das Davidzitat stammt aus Psalm 131,1. Purchas, Kings Towre.

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the Law and Gospell“.268 Ferner sei Jakob „Gods immediate instrument“,269 jeglicher Widerstand gegen ihn käme damit einem Sakrileg gleich. John Donne vertrat eine ähnliche Position in der Öffentlichkeit. Mitte September 1622 verteidigte er in einer öffentlichen Predigt in Paul’s Cross die Politik Jakobs I. und mahnte seine Zuhörer zu Geduld.270 Auch wenn die militärischen Ereignisse in Europa sich für die Protestanten wenig hoffnungsvoll entwickelten, dürfe man nicht vergessen, daß Gott auch seinem Volk Israel manchmal erst nach langen Jahren des Wartens zu Hilfe gekommen sei.271 Gleichwohl dürfe man an Gottes Hilfe weder zweifeln noch die Geduld verlieren. Schließlich seien Gottes Wege der Einsicht der Menschen verborgen, ebenso wie der Ratschluß der Könige den Untertanen nicht immer einsichtig sei.272 Da aber Gottes Wille nicht einsehbar sei, dürfe man den Vollzug vom deklarierten Willen Gottes auch nicht gegen den Willen des Königs einfordern,273 so Donne in klarer Anspielung auf die zahlreichen Wortmeldungen, in denen der König unter Berufung auf die lex dei zum Kampf gegen die Habsburger aufgefordert wurde. Dem vielerorts lauter werdenden Ruf nach einem spiritual war setzt Donne die Worte des Paulus entgegen, mit denen er in seinen Sendschreiben die Gemeinden zu Glaubensfestigkeit, Ruhe und Ordnung ermahnte.274 Dieses Ziel habe Donne zufolge auch König Jakob I. im Sinne gehabt, als er alle Geistlichen darauf verpflichtete, in ihren Predigten keine direkten Angriffe gegen Angehörige der anderen Konfession vorzunehmen. Dabei könne in Donnes Augen gar kein Zweifel daran bestehen, daß der König zu dieser Weisung befugt gewesen sei. Schließlich hätten sich sowohl die Könige Israels als auch die christlichen römischen Kaiser gegen „disorderly preaching“ gewandt. Für Donne steht es dabei außer Frage, „that the King had the same authoritie in causes Ecclesiasticall, that the godly Kings of Juda, and the Christian Emperors in the primitive church“.275 Lautete die Argumentation der Kriegsbefürworter auf der Kanzel, daß der Kampf gegen den Götzendienst im eigenen Land ebenso wie zur Verteidigung der Glaubensbrüder in fremden Monarchien von Gott gleichsam befohlen sei und 268 269 270

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Ebd., S. 66. Ebd., S. 102. John Donne, Sermon upon the XV. Verse of the XX Chapter of the Booke of Iudges, wherein Occasion was Instly Taken for the Publication of some Reasons, which his Sacred Maiestie had been Pleased to Give, of those Directions for Preachers, which he had Formerly Sent Forth, London 1622. Zur Diskussion dieser Predigt als Ausweis für Donnes absolutistische Gesinnung oder aber als Opfer königlicher Nötigung vgl. Jeanne Shami, The Stars in their Order Fought Against Sisera. John Donne and the Pulpit Crisis of 1622, in: John Donne Journal 14 (1995), S. 1–58; Mary Morrissey, John Donne as Conventional Paul’s Cross Preacher, in: David Colclough (Hrsg.), John Donne’s Professional Lives, Cambridge 2003, S. 159–178. Donne, Sermon upon the XV. Verse, S. 4. Ebd., S. 9 unter Verweis auf Debora (Ri 4,1–5) sowie auf Esra 37,36; 2 Kön 5,16; 1 Sam 23,5, sowie S. 18 f. Ebd., S. 21. Ebd., S. 39 unter Verweis auf Kol 2,5; 1 Thess 4,11; 2 Thess 3,6. Ebd., S. 45 f.

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mangelnder Eifer in dieser Sache das Heil Englands aufs Spiel setze, so sucht Donne die proklamierte Verbindlichkeit ebenso wie die Dringlichkeit des Anliegens zu entkräften. Er sieht die Verantwortlichkeit für das politische Geschehen allein in der Hand des Königs, dessen Urteil auch dann Vertrauen entgegen gebracht werden müsse, wenn es den Untertanen und den Geistlichen nicht einleuchte. Auch die Geistlichen dürften Gottes Willen nicht als Argument gegen die Politik des Königs in Stellung bringen, da in Donnes Augen niemand beanspruchen könne, Gottes Willen besser als der König selbst zu kennen. Daher müsse man der Weisheit des Königs auf die gleiche Weise vertrauen wie derjenigen Gottes. Für ihn bestehe kein Zweifel daran, daß beide höchsten Instanzen sich miteinander in Einklang befänden: Jakobs politischem Handeln schreibt er auf diese Weise implizit providenzielle Züge zu. In den Predigten und politischen Stellungnahmen zur Beförderung eines englischen Krieges gegen Spanien und zur Ablehnung des spanischen Hochzeitsprojekts lag die politische Brisanz vor allem darin begründet, daß die Sprecher eine Diskrepanz zwischen dem göttlichen Gesetz und der Politik des Königs konstatierten, der Wille Gottes und der des Königs vor aller Augen auseinandertraten. Diese Dissoziation göttlicher und königlicher Autorität barg aber subversives Potential selbst dann, wenn niemand offen eine Entscheidung zwischen beiden Autoritäten forderte. Sofern die Politik des Königs sich von den verbindlichen Maßstäben Gottes entfernte, lag die Frage nach der Entscheidung zwischen Gott und dem König als Damoklesschwert über dem Monarchen. Das theokratische Argument drohte die Politik des Königs und in äußerster Konsequenz auch die Königsherrschaft Jakobs I. insgesamt zu diskreditieren. John Donne bemühte sich darum, das theokratische Argument zu entschärfen bzw. in der Hand des Königs zu belassen. In seiner Predigt versucht er auf subtile Weise, die Dissoziation zwischen der Autorität Gottes und der des Königs aufzuheben, indem er den König zur alleinigen Instanz erklärte, der es gegeben sei, gemäß Gottes Willen zu handeln. Da sich niemand anmaßen dürfe, Gottes Willen bzw. den des Königs zu durchschauen, könne auch niemand auf legitime Weise eine Dissoziation zwischen beiden diagnostizieren. Es bleibe daher allen Untertanen nur die Möglichkeit, darauf zu vertrauen, daß sich der Wille Gottes und die politischen Absichten des Königs deckten. Thomas Myriell war in seiner 1623 erschienenen Schrift The Christians Comfort ebenfalls bemüht, seinen Lesern eine quietistische Haltung ans Herz zu legen. Er empfahl allen Zuhörern seiner Predigt in St Paul’s die Hoffnung, daß der König auch in der aktuellen Situation aufgrund seines Urteilsvermögens und seiner Gelehrtheit stets in der Lage sei, der irrigen Lehre entgegenzutreten. Den Untertanen käme dabei die Aufgabe zu, dem König zu vertrauen. Selbst die Tatsache, daß katholische Priester und Jesuiten nunmehr wieder in der Öffentlichkeit präsent seien, dürfe dieses Vertrauen nicht untergraben. Den Untertanen bliebe nur, für den Fortbestand der wahren Religion zu beten.276 276

Thomas Myriell, The Christians Comfort in a Sermon Appointed for the Crosse, but Preached in S. Pauls Church on Candlemas Day, 1623, London 1623, S. 49 f.

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Die hier genannten mahnenden Aufrufe zur Geduld und zum Vertrauen in die Rechtschaffenheit des Königs legen von der zunehmend kritischen Stimmung gegenüber der Politik Jakobs I. mindestens ebenso Zeugnis ab wie die zahlreichen kritischen Stimmen, die offen oder versteckt die politische Richtung in England kritisierten. Die Appelle enthielten dabei zum einen Verweise auf das divine right of kings, das den göttlichen Ursprung der Monarchie, die göttliche Sendung regierender Monarchen und die Notwendigkeit des Gehorsams betonte. Zum anderen suchten die Fürsprecher des Königs dessen bisher durch seine exegetischen Schriften gesammeltes Kapital als godly ruler zu nutzen, um für Vertrauen in seinen politischen Kurs zu werben. Gleichwohl dürfte es um die Gewißheit der Untertanen, daß der König mit seiner Politik auf den Pfaden Gottes wandle, selten so schlecht bestellt gewesen sein wie in seinen letzten Regierungsjahren. b) Die Causa David Pareus Die Reaktionen des Königs und seiner geistlichen Fürsprecher machen deutlich, daß die kritischen Stimmen von der Kanzel und die Dissoziation der königlichen Politik von den Erfordernissen der lex dei als politische Sprechakte ernst genommen wurden und man bemüht war, sie zum Verstummen zu bringen. Des subversiven Potentials der fortgesetzten Unterscheidung von aus der Königsherrschaft Gottes resultierenden Verpflichtungen einerseits und den Befehlen und politischen Strategien des Königs andererseits war man sich in der Umgebung des Königs sehr bewußt. Die von zahlreichen Kanzeln und Druckerpressen verbreitete Kritik bedeutete für Jakob I., der sich seit Beginn seiner schottischen Regierungszeit stets auch als Prophet und Theologe stilisierte und die Königsgewalt in prononcierter Weise als von Gott direkt verliehene Amtsgewalt verstand, einen großen Imageverlust. Obwohl die Kritiker darauf verzichteten, in ihren Mahnreden über die Forderung nach einem Kurswechsel hinaus politische Konsequenzen zu ziehen und das Thema des Widerstandsrechts wohlweislich aussparten, war die Autorität des Königs in der Öffentlichkeit tangiert. Diese angespannte Situation vermag zu erklären, weshalb einer Predigt des jungen Geistlichen John Knight am Palmsonntag, den 14. April 1622, in der Kirche St. Mary in Oxford so viel Aufmerksamkeit zuteil wurde wie kaum einer anderen Äußerung dieser Zeit.277 Knight wählte als Predigtthema die Auslegung des 13. Kapitels aus Paulus’ Römerbrief. Dabei vertrat er die Auffassung, daß niedere Magistrate gegen den König Widerstand leisten dürften, sollte die wahre Religionsausübung in Frage gestellt werden. Um die Brisanz dieser Aussage noch zu erhöhen, verwies er auf das Beispiel Trajans und dessen angebliche Weisung an seinen Prätorianerpräfekten: „Accipe hunc gladium, quem pro me si bene imperavero distringes; sin minus contra me“.278 Mit diesen Worten hatte der Kanzelredner 277 278

Chamberlain, Letters, Bd. 2 S. 434, 439 u. 443. Zum politischen Kontext der Predigt vgl. Judson, Crisis, S. 312 f. Peter Heylyn, Cyprianus Anglicus, S. 95.

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die rote Linie überschritten, die zuvor von allen anderen Kritikern der aktuellen Politik des Königs peinlich genau beachtet worden war: sich nicht zu Fragen des Widerstandsrechts zu äußern. Diese Predigt hatte Folgen. Zunächst nahm sich der Vizekanzler der Universität Oxford der Sache an, dann der Bischof von St. Davis und schließlich König Jakob selbst. Knight gab während einer Befragung die Quelle seiner Predigt an: David Pareus’ opulenter Kommentar zum Römerbrief, der nicht nur die Position zum Widerstandsrecht enthielt, sondern auch das Beispiel Trajans.279 Daraufhin erging die Weisung, alle Exemplare dieser Schrift, derer man in Oxford, Cambridge und London habhaft werden konnte, einzusammeln und öffentlich zu verbrennen, zusammen mit anderen offen als hochverräterisch gebrandmarkten Werke wie den Vindiciae contra tyrannos. Darüber hinaus listete die Universität Oxford Pareus’ wichtigste Irrtümer auf, die am 25. Juni von der Convocation verurteilt wurden als: „false, seditious, impious, and destructive to all Civil Government“.280 Das Ereignis und seine Wirkung dokumentieren anschaulich das politische Reizklima dieser Zeit. Pareus’ Römerbriefkommentar war 1609 in erster Auflage erschienen, erfuhr 1613 eine zweite und 1620 eine dritte Auflage. Dies führte in England zunächst ebensowenig zu kritischen Stimmen wie die Rezeption von Pareus’ Römerbriefkommentar in prominenten englischen Bibelkommentaren der Zeit. An der Gelehrsamkeit des in Heidelberg lehrenden calvinistischen Theologen bestand schließlich keinerlei Zweifel. Öffentlich und politisch wirksam wurde Pareus’ Auslegung des Römerbriefs erst in der heißen Phase der Auseinandersetzungen um das spanische Hochzeitsprojekt, ausgelöst durch Knights Predigt in Oxford. Dabei war das Buch, das auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde, alles andere als eine politische Kampfschrift im Stil der Vindiciae contra Tyrannos. Es handelte sich vielmehr um einen voluminösen Beitrag zur Kontroverstheologie, wobei die Stoßrichtung eindeutig gegen katholische Theologen wie Bellarmin gerichtet war. Von den mehr als 800 Seiten enthielten nur wenige Seiten, die um die Auslegung von Röm 13 kreisten, aus der Perspektive des englischen Königs politische Brisanz. Diese allerdings hatten es in sich. Pareus argumentiert vehement gegen eine Auslegung, die postuliert, daß alle Herrschaftsgewalt von Gott stamme. Anhand von Bibelbeispielen ebenso wie anhand historischer Exempla unterstreicht er, daß sich keine Obrigkeit auf Gott berufen könne, die sich in ihrer Herrschaft grausam und maßlos gebärde. Eine Herrschaft im Einverständnis Gottes sei vielmehr zur Rechtmäßigkeit verpflichtet.281 Diese Auslegung war keineswegs revolutionär. Bereits Thomas von Aquin folgerte aus Röm 13 ein besonderes Dienstverhältnis des Königs gegenüber Gott

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David Pareus, In Divinam ad Romanos S. Pauli Apostoli Epistolam Commentarius, 2. Aufl. Frankfurt a. M. 1613. George W. Whiting, Pareus, the Stuarts, Laud, and Milton, in: Studies in Philology 50 (1953), S. 215–229, hier S. 220; Milton, Catholic and Reformed, S. 519. Pareus, Epistolam Commentarius, Sp. 1339: „Si omnes potestates essent a Deo, oporteret omnia in gubernatione recte administrari.“

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und daher die besondere Verpflichtung des Königs zu einem tugendhaften Regiment.282 Mehrere Reformatoren im Alten Reich zogen aus dieser Verpflichtung des Königs zu einem gottgefälligen Regiment politische Konsequenzen und verstanden das Gehorsamsgebot in Röm 13 auf konditionierte Weise: Die Gehorsamspflicht der Untertanen gelte solange, wie die Obrigkeit auf gottgefällige Weise regiere. Grobe und wiederholte Verstöße gegen die Normen Gottes oder der Gesellschaft seien nicht vereinbar mit der Rolle des Königs als Diener Gottes. Sofern der König entgegen seiner Berufung handle, gelte auch das Gehorsamsgebot nicht mehr, so lautete mit geringen Abweichungen die Interpretation bei Johannes Bugenhagen, Andreas Osiander und Martin Bucer.283 Pareus geht noch einen Schritt weiter, um die Königsherrschaft ihrer göttlichen Legitimation zu entkleiden. Er betont wiederum anhand biblischer ebenso wie historischer Beispiele, daß Magistrate durch Menschen in ihr Amt eingesetzt werden.284 Gerade anhand des Petrussatzes, „Fügt euch jeder menschlichen Ordnung um des Herrn willen“, macht Pareus deutlich, daß es sich eben um eine originär menschliche Ordnung handele, nicht um eine göttliche. Mose, Josua, die Richter, David, Jehu und andere Herrschergestalten des Alten Testaments seien zwar direkt von Gott in ihr Amt berufen worden, doch seien dies Ausnahmefälle, nicht die Regel.285 Es entspreche daher Einflüsterungen des Teufels, irdischen Gütern göttliche Qualität zuzuschreiben, was Pareus auch auf die weltliche Herrschaft ausdehnt. Und schließlich könne Röm 13 allein schon deswegen nicht besagen, daß alle Obrigkeit von Gott sei, da sich ansonsten auch der Papst auf diese Devise berufen könne. Da dieser aber eindeutig die Macht des Antichristen verkörpere, dient er Pareus als weiterer Beweis einer Macht, die sich zu Unrecht auf göttliche Legitimation berufe.286 Mit diesen Einwänden belegt Pareus letztlich jeden König, der seine Herrschaftsgewalt direkt von Gott ableitet, mit dem Vorwurf, es hierin dem Papst, ergo dem Antichristen, gleichzutun. Für Jakob und die Apologeten des divine right of kings war dies sicherlich ein ungeheuerlicher Vorwurf. Pareus versteht die Obrigkeit als Amtsträger Gottes, die ihre Herrschaftsgewalt von Gott zweckgebunden verliehen bekommen hätten. Ihre Herrschaftsgewalt sei indes nur solange von Gott, solange sie auf richtige Weise, d. h. gemäß der göttlichen wie der weltlichen Gesetze gehandhabt werde.287 Sollte sie indes ihre Herrschaftsgewalt mißbrauchen, so müßte sie von den niederen Magistraten, die 282 283

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Aquin, De Regimine Principum, Lib. 1, Kap. 7. Vgl. hierzu Heinz Scheible, Das Widerstandsrecht als Problem der deutschen Protestanten 1523–1546, Gütersloh 1969, S. 25–29 (Johannes Bugenhagen); Friedrich Hortleder, Der Römischen Keyser ud königlichen Majestät […] Handlungen und Ausschreiben […] von Rechtmäßigkeit, Anfang und Fortgang des deutschen Kriegs [..] Vom Jahr 1546 biß auf das Jahr 1558, Weimar 1618, Teil II, S. 83 f. (Andreas Osiander); Martin Bucer, Metaphrases et Enarrationes Perpetuae Epistolarum D. Pauli Apostoli, Straßburg 1536, S. 477–481; vgl. ferner Skinner, Foundations, Bd. 2, Kap. 7, sowie die genannte Literatur auf S. 144 Anm. 68. Pareus, Epistolam Commentarius, Sp. 1339. Ebd., Sp. 1346. Ebd., Sp. 1339. Ebd., Sp. 1351.

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Pareus gleichsam zu Mitregenten ernennt, zu deren Einhaltung gezwungen werden.288 Diejenigen, die den Herrscher in sein Amt eingesetzt hätten, dürften ihn auch rechtmäßig absetzen und bestrafen.289 Zur Untermauerung dieser Sichtweise liefert Pareus eine Kette von biblischen und historischen Beispielen, die von Nebukadnezar bis zu König Wenzel reicht. Die bereits genannte Maxime des römischen Princeps Trajan rundet diese Betrachtung ab.290 Bevor der Oxforder Geistliche Knight mit seiner Predigt den Eklat auslöste, blieb die Auseinandersetzung mit Pareus’ Römerbriefkommentar in England auf das theologische Fachgespräch beschränkt.291 Dabei hing es offenkundig vom theologischen Standpunkt der Autoren ab, in welcher Form man zu Pareus Stellung bezog. Andrew Willet beispielsweise hat Pareus in seinem voluminösen Bibelkommentar zum Römerbrief in seiner Auseinandersetzung mit Röm 13 ausführlich paraphrasiert, obgleich er zur Frage des Widerstandsrechts eine zurückhaltendere Position bezog.292 So sei es Pastoren zwar erlaubt, die Obrigkeit zu ermahnen und einer grausamen und gottlosen Obrigkeit die Kommunion zu verweigern, eine Exkommunikation des Fürsten hält Willet hingegen für nicht legitim. Ferner betont er ausdrücklich, daß selbst eine Exkommunikation die Untertanen nicht von ihrem Treueeid entbinden könne; die gegenteilige Anschauung erklärt Willet zu papistischem Teufelszeug. Damit gibt er exakt die Position der Autoren wieder, die sich in der Auseinandersetzung um den oath of allegiance für den König zu Wort gemeldet hatten. Willet gesteht den Untertanen zwar zu, daß sie Befehlen der Obrigkeit ihren Gehorsam verweigern dürften, die eindeutig Gottes Gesetzen zuwiderliefen (Apg 4,19). Er betont indes zugleich, daß sie sich dabei keineswegs gegen die Obrigkeit auflehnen dürften, es sei denn, es geschehe innerhalb der durch die Gesetze des Landes jeweils definierten Grenzen des individuellen Notwehrrechts. Unter bestimmten Umständen sei Widerstand allenfalls seitens der niederen Magistrate legitim.293 Mit dieser Aussage gibt sich Willet eindeutig als Leser von Pareus’ Römerbriefkommentar zu erkennen, ohne jedoch weiter auszuführen, wen er in England den niederen Magistraten zurechnet, wem er daher das Recht auf Widerstand in bestimmten Notsituationen zuerkennt. Gleichwohl ist bei Willet die Absicht zu erkennen, sich von Pareus’ entschiede288

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Ebd., Sp. 1351 f.: „Ergo cum superior magistratus quod malum est facit: & atrocibus iniuriis in subditos, aut blasphemies in Deum, inferior debet esse ultor ad iram, &. Item, quia ideo inferiors magistratus adduntur superioribus: tum ut sint socii gubernationis, tum etiam ut horum moderentur immensiam licentiam.“ Ebd., Sp. 1352: „Constituuntur autem vel per populi consensum, vel per senatum, vel per electores, vel per alios magistratus. Ergo hi recte faciunt, com cohercent aut tollunt grassatores.“ Ebd., Sp. 1352 f. Dies galt dementsprechend auch für die Thematisierung des Widerstandsrechts; vgl. hierzu Burgess, British Political Thought, S. 117. Andrew Willet, Hexapla, that is, A Six-Fold Commentarie upon the Most Divine Epistle of the Holy Apostle S. Paul to the Romanes wherein According to the Authors Former Method, Sixe Things are Observed in every Chapter, Cambridge 1611, S. 588–594. Ebd., S. 592.

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nen Thesen zum Widerstandsrecht abzusetzen, ohne Pareus, den großen Theologen, dessen calvinistische Überzeugung Willet teilte, zu attackieren.294 David Owen suchte hingegen im Rahmen der universitären Öffentlichkeit in Cambridge die offene Kontroverse. Seine 1619 in Cambridge vorgestellte Disputation war ein Frontalangriff auf Pareus’ Obrigkeitsverständnis. Dabei diente ihm zur Abgrenzung ein bereits zehn Jahre zuvor etabliertes Deutungsschema,295 nämlich die Gleichsetzung von Jesuiten und „Disciplinarians“, ein Stichwort, mit dem Owen letztlich alle calvinistischen Theologen Genfer Prägung unter Beschuß nahm.296 Er legt seiner Argumentation ein Königsverständnis zugrunde, das er mit König Jakob teilen dürfte: „I call him King who hath a Supreame Power, subject to none“.297 Owen nimmt Jesuiten und „Disciplinarians“ aufs Korn, da beide diesem Verständnis von Königsherrschaft entgegenarbeiteten und dies mit einer vermeintlich fälschlichen Interpretation der Heiligen Schrift begründeten: So leugneten beide – Robert Bellarmin und Wilhelm Bucanus – die Souveränität des Königs über die Kirche, zögen beide – Robert Parsons und David Pareus – seine weltliche Souveränität in Zweifel, da sie abhängig gemacht werde von Gesetzen und der Zustimmung der niederen Magistrate, und schrieben beide – Robert Bellarmin und Theodor Beza – geistlichen Autoritäten, sei es dem Papst, sei es den Presbyterien, das Recht zu, über Könige zu Gericht zu sitzen. Diese Gleichförmigkeit der Positionen mache letztlich auch die beiden Gruppen austauschbar, weshalb Owen sie auch als „puritan-papists“ charakterisiert. Um den Nachweis des Mißbrauchs der Schrift zu erbringen, muß sich Owen seinerseits auf die Interpretation der Schrift einlassen. Dabei ist allerdings erwähnenswert, daß er sich zu Pareus’ Referenzstelle Röm 13 nicht äußert und daher auch Willets Positionen zum paulinischen Gehorsamsgebot mit keinem Wort erwähnt, sondern die Auseinandersetzung statt dessen vorwiegend mit Stellen des Alten Testaments führt. Auf diese Weise löst Owen Pareus’ Aussagen von ihrem Gattungskontext als Kommentierung des Römerbriefes, um sie in der Form eines politisch-theologischen Traktats zu widerlegen. Hierbei bedient er sich ebenfalls vorwiegend der Sprache des Biblizismus, postuliert dabei aber die vollständige Übereinstimmung zwischen allen Legitimationsgeneratoren politischer Herrschaft.298 294 295

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So auch Milton, Catholic and Reformed, S. 519. Vgl. David Owen, Herode and Pilate Reconciled, or, The Concord of the Papist and Puritan (against Scripture, Fathers, Councils, and other Orthodoxall Writers) for the Coercion, Deposition, and Killing of Kings, Cambridge 1610. Vgl. Milton, Catholic and Reformed, S. 519 f. Milton rechnet Owen zur „avant-garde conformist faction“. Zum Begriff vgl. Peter Lake, Lancelot Andrewes, John Buckeridge and Avantgarde Conformity at the Court of James I., in: Linda Levy Peck (Hrsg.), The Mental World of the Jacobean Court, Cambridge 1991, S. 113–133 und S. 303–308. David Owen, Anti-Paraeus, or, A Treatise in the Defence of the Royall Right of Kings against Paraeus and the Rest of the Anti-Monarchians, whether Presbyterians or Jesuits, York 1642, S. 2. Owen führt im einzelnen an: Naturrecht, Völkerrecht, römisches Recht, kanonisches Recht, die Schrift, die Kirchenväter und protestantische Theologen.

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Da Owen nachweisen möchte, daß es geistlichen Autoritäten unter keinen Umständen erlaubt sei, Könige zu exkommunizieren, hat er den Nachweis zu erbringen, daß Exkommunikation bzw. eine Absetzung von Königen durch geistliche Autoritäten in der Heiligen Schrift nirgendwo zu finden sei.299 Um zu belegen, daß der König niemandem außer Gott für sein Handeln Rechenschaft schuldig sei, zitiert er Davids an Gott gerichteten Ausspruch aus dem 51. Psalm: „An dir allein habe ich gesündigt, und übel vor dir getan“. Auch als Ehebrecher und Mörder unterstehe David nur Gottes Strafgewalt, aber keinerlei weltlichen Instanzen. Daher dürfe sich auch unter seinen Zeitgenossen Owen zufolge niemand das Recht zuschreiben, über Könige und deren Herrschaft zu befinden.300 Um dies zu illustrieren, wählt er ein Paradebeispiel der Befürworter des Widerstandsrechts: den tyrannischen König Ahab, der zwei Propheten Gottes hinrichtete und den Baalskult förderte. Trotz dieser Freveltaten habe das Volk sich nicht das Recht angemaßt, ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Jehu hingegen, der dem Hause Ahabs den Garaus machte, habe seinen Auftrag direkt von Gott erhalten, sei daher ein untaugliches Beispiel zur Legitimation des Widerstandsrechts.301 Owen erhebt auch prinzipiell den Vorwurf, Pareus deute Beispiele außerordentlicher göttlicher Beauftragung gezielt um zu dauerhaften Rechten des Volkes.302 Dies gelte auch für das Beispiel Trajans. Seine Weisung an den Prätorianerpräfekten mag eine noble Geste gewesen sein, begründe aber für das Volk und die Untertanen keinerlei Rechte über ihre Könige.303 Selbst offener Götzendienst könne am Verbot jeglichen Widerstands gegen den König nichts ändern. So schreibe das Gebot zur Bestrafung aller Fürsprecher des Götzendienstes in Dtn 13,7 zwar vor, auch Bruder, Mutter, Sohn, Tochter oder Frau nicht zu schonen, und im Falle des Götzendienstes die Steinigung an ihnen zu vollziehen. Da in dieser Aufzählung aber der Vater, der Ehemann und die Obrigkeit ausgespart sei, könne dieses Gesetz keineswegs auf Könige angewendet werden.304 Die Leiden Christi und der christlichen Märtyrer bezeugten schließlich, daß auch schreckliche Grausamkeit und Ungerechtigkeit kein Grund zu Widerstand sei.305 Zwar leugne niemand, daß die Könige den Gesetzen Gottes 299

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Owen, Anti-Pareus, S. 9–11. Owen diskutiert die Streitfälle Elias gegen Ahab, Jeremias gegen Jojakim, Johannes der Täufer gegen Herodes und als prominentestes Beispiel der Kirchengeschichte Ambrosius gegen Theodosius. Dabei gestattet er sich indes einige Freiheiten. Die Absetzung des Jojakim, die Jeremia als Gottes Prophet rechtfertigte (Jer 22,18–23), wird von Owen gar nicht erst traktiert. Statt dessen kontert er mit Jeremias Weisung an das Volk Israel, die Unterdrückung Nebukadnezars als Gottesstrafe klaglos hinzunehmen und nicht dagegen aufzubegehren, und zitiert hierfür nicht ohne Ironie Calvin als seinen Gewährsmann. Ebd., S. 12 f. Owen gesteht den niederen Magistraten ferner keinerlei autochthone Herrschaftsgewalt zu. Diese sei nur vom König verliehen, weshalb mit ihr auch keinerlei Widerstandsrecht einhergehen könne (S. 11). Ebd., S. 15 f. Ebd., S. 40. Ebd., S. 46. Ebd., S. 18 f. Ebd., S. 20.

3. Jakobs Kampf gegen die Propheten

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unterworfen und Tyrannen verdammenswürdige Kreaturen seien, sie jedoch im Falle einer Übertretung dieser Gesetze zur Rechenschaft zu ziehen, obliege Gott allein.306 Owen entzieht auch der biblizistischen Fundierung der Theorie der niederen Magistrate den Boden. So seien z. B. die siebzig Ältesten nicht diejenigen, die Moses ins Amt einsetzten und seine Herrschaftsausübung zu überwachen hätten. Umgekehrt verdankten sie ihr Amt Moses und hätten daher über den Vorläufer aller Könige keinerlei Befugnisse.307 Ebenso widerspricht Owen der Auffassung, die zeitgenössischen Könige seien nicht von Gott, sondern vom Volk in ihr Amt eingesetzt. Die Tatsache, daß im Alten Testament keinerlei Widerstandsrecht des Volkes über ihre Könige nachgewiesen werden könne, habe daher Verbindlichkeit auch für die zeitgenössischen Monarchien, so Owen explizit gegen Buchanan, den er an dieser Stelle zitiert.308 Zwar geht Owen an dieser Stelle weder auf seinen Hauptwidersacher Pareus noch auf dessen Argumentation, daß nicht alle Obrigkeit unmittelbar von Gott in ihr Amt eingesetzt worden sei, näher ein. Gleichwohl vertritt er die gegenteilige Auffassung und bekräftigt, daß alle Monarchen göttliche Legitimation für sich beanspruchen könnten, ein Unterschied zwischen den alttestamentlichen Königen und dem König von England daher nicht zu erkennen sei. Owens Position rekapituliert Jakobs Argumentation in The True Lawe of Free Monarchies, ohne sie explizit zu nennen. Ähnlich wie Jakob trifft er eine Unterscheidung zwischen denjenigen Exempla des Alten Testaments, die dauerhafte Rechte begründet hätten und daher auch für die zeitgenössischen Monarchien grundlegend seien, und außerordentlichen Beispielen, in denen Gott unmittelbar in das politische Geschehen Israels eingegriffen habe, die daher nicht als dauerhaft rechtskonstitutiv gelten dürften. Diese Unterscheidung läßt sich auch bei Pareus finden. Während aber dieser die Einsetzung der Könige im Alten Testaments unmittelbar durch Gott zu den außerordentlichen Ereignissen zählt, von denen sich keine bis in die Gegenwart reichenden Rechte ableiten ließen, rechnet Owen z. B. die Gestalt Jehus zu den außerordentlichen und daher nicht rechtskonstitutiven Beispielen. Der konstitutionelle Streitfall, der anhand der Heiligen Schrift entschieden werden sollte, verlagerte sich zu einem Streitfall der Schriftinterpretation mit politischen Implikationen. Owens Schrift entstand im Jahr 1619 und war zunächst ein Beitrag in einer Oxforder Disputatio zu Pareus’ Thesen. Nur wenige Monate nach Knights Predigt in Oxford erschien Ende August Owens Anti-Pareus im Druck, König Jakob gewidmet.309 Diese Schrift war wohl vor allem als eine Unterweisung an den

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Ebd., S. 31. Ebd., S. 36 f. Ebd., S. 79. David Owen, Anti-Paraeus: sive Determinatio de iure regio habita Cantabrigiae in scholis theologicis, 19. April. 1619. contra Davidem Paraeum caeterosq[ue] reformatae & Romanae religionis antimonarchas, [Cambridge] 1622.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

Klerus gedacht, um ihn davor zu warnen, sich in Fragen der Königsherrschaft auf David Pareus als geistliche Autorität zu berufen. Der Traktat erschien in lateinischer Sprache. Die intendierte Öffentlichkeit war eher die internationale Gemeinschaft protestantischer Theologen als die politische Öffentlichkeit in England. Erst 1642 erschien Owens Schrift gegen Pareus auf Englisch: gleichsam als royalistischer Kommentar zum Bürgerkrieg gegen die Fürsprecher des Long Parliament, von denen sich viele Pareus’ Deutung von Röm 13 zu eigen machten.310 Die Causa Pareus ist sicherlich kein Beweis für die allgemeine Verbreitung revolutionären Gedankenguts in England.311 Knights Plädoyer von der Kanzel für ein Widerstandsrecht der niederen Magistrate gegen den König blieb in Stuartengland vor dem Bürgerkrieg singulär. Es dokumentiert die Konsolidierung der Monarchie in England unter Elisabeth I. und Jakob I., daß die Lehre vom Widerstandsrecht niederer Magistrate weitgehend aus der politischen Rede verschwunden ist, wenn sie auch nicht vergessen wurde. Zu Beginn der Königsherrschaft Elisabeths I. waren auch ranghohe Geistliche, insbesondere die sogenannten Marian exiles, vom Recht der niederen Magistrate auf Widerstand gegen Monarchen überzeugt und taten dies auch ohne Scheu in ihren Schriften kund.312 Je länger jedoch die Zeit Maria Tudors zurücklag, desto seltener wurden solcherlei Stellungnahmen des protestantischen Klerus. Solange am protestantischen Bekenntnis des Monarchen kein Zweifel bestand, lag kein Anlaß vor, Fragen des Widerstandsrechts zu erörtern. Die Causa Pareus macht jedoch auch deutlich, daß das Schweigen über die Frage des Widerstandsrechts nicht gleichbedeutend war mit einem Konsens über das Verhältnis von Gottesherrschaft und Königsherrschaft. Für die Apologeten des divine right of kings war Röm 13 eines ihrer wichtigsten Argumente, um den König als Stellvertreter Gottes auf Erden anzusehen und jeglichen Widerstand gegen ihn als Sakrileg zu verdammen. Diese Auslegung war jedoch kaum repräsentativ für die Haltung der englischen Geistlichkeit insgesamt. Mochten Pareus’ Ausführungen zum Widerstandsrecht wenig Rückhall unter dem englischen Klerus gefunden haben, dürfte seiner Auslegung von Röm 13 große Zustimmung sicher gewesen sein: Eine Obrigkeit könne nur dann für sich beanspruchen, von Gott zu sein, wenn sie auch Gottes Willen gemäß regiere. Aus Röm 13 ergebe sich nicht nur die Gehorsamspflicht aller Untertanen, sondern im Gegenzug auch die Verpflichtung des Königs, mit seiner Herrschaft nicht das Seelenheil seiner Untertanen aufs Spiel zu setzen, also gemäß der Gesetze Gottes zu regieren. Sollte der König seinen Teil dieser Abmachung nicht erfüllen, so war die Legitimität seiner Herrschaft in Frage gestellt. Nicht zuletzt Andrew Willets Paraphrase von 310 311 312

S. o. Kap. II 2c. Vgl. auch die Deutung von Burgess, Absolute Monarchy, S. 10 f. Vgl. nur den Traktat des aus dem Exil zurückgekehrten Laurence Humphrey, Regius-Professor für Theologie in Oxford; Laurence Humphrey, De Religionis Conservatione et Reformatione Vera, London 1559, S. 99; vgl. allg. Burgess, British Political Thought, S. 113–121.

4. Karl in den Fußstapfen der Propheten

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Pareus’ Interpretation in seinem eigenen Römerbriefkommentar macht dies deutlich. Willets Überlegungen zum Römerbrief waren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im Jahre 1611 theoretischer Natur. Kaum jemand dürfte zu diesem Zeitpunkt im politischen oder im kirchlichen Establishment der Meinung gewesen sein, daß die Loyalität zum König das eigene Seelenheil aufs Spiel setzte. Nach dem Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges, den mahnenden Stimmen zum Beginn eines holy war gegen den Antichristen und der gegenläufigen Ausgleichspolitik des Königs mit Spanien samt der Planungen zu einer dynastischen Verbindung zwischen England und Spanien dürfte diese Gewißheit bei manchen Akteuren geschwunden sein. Stieg jedoch bei einflußreichen Zeitgenossen die Sorge um das eigene Seelenheil infolge königlicher politischer Entscheidungen, erodierte die Legitimität des Königs auch dann, wenn die Frage des Widerstandsrechts nicht gestellt wurde. John Knight war daher nicht nur eine Ausnahme in der politischen Öffentlichkeit, er war ebenso auch ein Symptom für die bis dahin schwerste Vertrauenskrise unter Jakob I. in England.

4. Frontenwechsel: Karl in den Fußstapfen der Propheten Jakob blieb seinem politischen Kurs trotz aller Appelle zur Umkehr treu und widerstand bis zu seinem Tod am 25. März 1625 dem Drängen nach einem Kriegseintritt gegen Spanien. Die Friedenspolitik blieb bis zum Schluß das Markenzeichen seiner Regierungszeit als englischer König und wurde denn auch bei den Leichenpredigten anläßlich der Beerdigungsfeierlichkeiten gepriesen.313 Als Great Britains Salomon fand er Eingang ins kollektive Gedächtnis Englands. Diese letzte Ehre änderte aber nichts daran, daß der König mit seiner Außenpolitik in seinem letzten Regierungsjahr ziemlich alleine stand. Jakob konnte auch nicht mehr auf die Unterstützung seines Sohnes und Nachfolgers Karl sowie seines Favoriten Buckingham zählen, seitdem diese sich unautorisiert im Jahr 1623 nach Spanien auf Brautfahrt begeben hatten und die Brautwerbung vor Ort ohne jeden Erfolg blieb. Zwar wurden beide nach ihrer Rückkehr in England mit großem Jubel, mit Umzügen und mit Freudenfeuern gefeiert, gerade weil Karl den spanischen Klauen noch einmal entronnen war, wie es unter den Feiernden wohl verbreitete Auffassung war.314 Für den Prinzen selbst war seine spanische Expedition im Nachhinein eine persönliche Niederlage, für die er Genugtuung anstrebte – ein Krieg gegen Spanien war fortan in seinem politischen Interesse.315 313

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Williams, Great Britains Salomon, S. 37 f.; vgl. ferner John Donne, Complete Poetry and Selected Prose, hrsg. v. John Hayward, 12. Aufl. London 1978, Death’s Duell, S. 738–760, hier S. 748–752. Chamberlain, Letters, Bd. 2, S. 515. Sharpe, Personal Rule, S. 5 f.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

War Karl I. sich im Jahr 1621 noch mit Jakob einig, als dieser sich über die Petition des Unterhauses empörte,316 in der dem König ein Verzicht auf die Hochzeitspläne mit Spanien nahegelegt wurde, so gingen der König und sein Nachfolger in das folgende Parlament des Jahres 1624 mit unterschiedlichen politischen Absichten. Buckingham unternahm es, das Parlament auf den neuen politischen Kurs einzuschwören, bei dem stets unklar blieb, inwiefern er dabei auf die Rükkendeckung nicht nur des Kronprinzen, sondern auch des Königs zählen konnte. Buckingham kam den Kritikern der englischen Politik der letzten Jahre weit entgegen. Das Hochzeitsprojekt mit Spanien wurde im Einvernehmen mit dem Parlament beerdigt, der Abbruch der Verhandlungen war schnell beschlossene Sache.317 Und ein Krieg mit Spanien wurde im Parlament zwar nicht von allen Seiten lautstark begrüßt, rückte aber doch immer stärker in den Bereich des Wahrscheinlichen, auch wenn völlig offen blieb, um welche Art Krieg es sich dabei handeln sollte. Conrad Russell hat darauf aufmerksam gemacht, daß im Parlament von 1624 insbesondere die Bischöfe im Oberhaus mit einigem rhetorischen Furor einen Krieg gegen Spanien forderten, während das Unterhaus in dieser Frage zurückhaltender blieb.318 Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, daß die Bischöfe sich ihrerseits auf die in zahlreichen Predigten und Traktaten bereits etablierten biblizistischen Analogien stützten, um damit ihre Befürwortung eines Krieges mit Spanien auszudrücken: So war für den Bischof Neile ein Friede zwischen England und Spanien so undenkbar wie zwischen Israel und den Ammonitern.319 Bischof Carleton wiederum hielt einen Krieg mit Spanien für unvermeidlich, da mit „Papisten“ grundsätzlich kein Frieden denkbar sei.320 Besaß die Rede von der notwendigen Bekämpfung des Götzendienstes in den Jahren zuvor kritisches Potential, so hatte sie ihre kritische Note weitgehend eingebüßt, nachdem Buckingham und mit ihm der Thronfolger dieses Prinzip zumindest implizit zur Maxime der englischen Außenpolitik erklärten. Zur offiziellen Doktrin der Außenpolitik erhob sie schließlich Karl I., als er sich 1625 als neuer König zum ersten Mal vor dem Parlament präsentierte. Er inszenierte sich vor den beiden Kammern des Parlaments als entschiedener Streiter für den wahren Glauben und trat damit gleichsam in die Fußstapfen seines verstorbenen älteren Bruders Heinrich, der sich Zeit seines Lebens auf vergleichbare Weise ins Bild setzte.321 Karl nannte es sein oberstes politisches Ziel, gegen Spanien in den Krieg zu ziehen, um so den verfolgten Protestanten im Reich beizustehen und dem Pfälzer Kurfürsten zu Hilfe zu kommen. Er begründete dies

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Vgl. Richard Cust, Prince Charles and the Second Session of the 1621 Parliament, in: EHR 122 (2007), S. 427–441. Russell, Parliaments, S. 162 f. Ebd., S. 163 f. Lords’ Debates, S. 10 f. Russell, Parliaments, S. 164. Strong, Henry Prince of Wales.

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auch mit dem Willen Gottes, dem er als König nachzukommen habe.322 Der Sprecher des Unterhauses, John Crew, bekräftigte den Tenor von Karls Rede und berief sich auf das Schicksal der Stadt Meroz, die Gottes Aufruf zum Kampf gegen die ungläubigen Völker nicht nachkam und dafür verflucht worden war, ein Schicksal, das England nicht zuteil werden solle.323 Diese Sprachregelung wurde anschließend auch vom wichtigsten politischen Amtsträger, dem Secretary of State Eduard Conway, in dessen Rede wiederholt.324 Das theokratische Argument diente Karl I., Buckingham und ihren Mitstreitern dazu, den König als Vorkämpfer des göttlichen Willens zu inszenieren und das Parlament dazu zu bewegen, die hierfür notwendigen Schritte zu unternehmen, sich also den erforderlichen Steuerbewilligungen nicht zu verweigern. Für die Zeit von 1624 bis 1628 war das Narrativ vom „Heiligen Krieg“ Teil der politischen Rede zunächst des Thronfolgers, seit 1625 auch des neuen Monarchen.325 Er machte sich auf diese Weise Deutungen zu eigen, mit denen ein Teil der Regierungsmannschaft und zahlreiche Geistliche seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges versuchten, den König von der Notwendigkeit eines englischen Kriegseintritts zu überzeugen. Der in diesem Zusammenhang beschworene „Heilige Krieg“ wurde der politischen Sphäre enthoben und zu einem Werk Gottes stilisiert, dem sich der König nicht entziehen dürfe, ohne Gottesstrafen für sein Königreich befürchten zu müssen. Karl I. war seit 1624 bereit, die Rolle einzunehmen, die im Konzept des „Heiligen Krieges“ für ihn vorgesehen war: Schutzherr der bedrängten Protestanten zu sein und den Kampf mit den Widersachern des wahren Glaubens aufzunehmen. Realpolitische Zwänge drohten diese Inszenierung des Königs als Glaubenskämpfer jedoch von Beginn an unglaubwürdig zu machen. Es verstand sich von selbst, daß England einen Krieg mit Spanien nur an der Seite eines starken Verbündeten riskieren konnte. Hierfür kam letztlich nur Frankreich in Frage. Dieses Bündnis war jedoch aus zwei Gründen eine große Bürde für Karl I. und die Glaubwürdigkeit der von ihm propagierten Botschaft. Zum einen betraf dies den 1625 geschlossenen Hochzeitsvertrag zwischen England und Frankreich, der die Bedingungen für eine Ehe zwischen Karl und Henriette Maria regelte. Hier konnte Frankreich dieselben Freiräume für englische Katholiken durchsetzen, die auch im spanischen Hochzeitsvertrag enthalten waren, d. h. faktisch die Außerkraftsetzung der Strafgesetze gegen die recusants. Dies war für den ausgelobten Glaubenskrieg kaum förderlich. Schließlich ließ sich nicht vermitteln, weshalb der 322 323

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Rede Karls I. am 20. Juni 1625, in: Gardiner, House of Commons, S. 5 Rede John Crews am 20. Juni 1625, in: Gardiner, House of Commons, S. 5: „and if in this case wee withhold our succour, wee shalbee liable to that curse of Egipt and Meros for not helping the Lord“. Rede Eduard Convays am 4. August 1625, in: Gardiner, House of Commons, S. 73 f. Vgl. hierzu Schreiner, Heilige Kriege; Egon Flaig, ‚Heiliger Krieg‘. Auf der Suche nach einer Typologie, in: HZ 285 (2007), S. 265–302; und klassisch Gerhard von Rad, Der heilige Krieg im Alten Israel, 3. Aufl. Göttingen 1958; und in vergleichender Perspektive James Turner Johnson, The Holy War Idea in Western and Islamic Traditions, Pennsylvania 1997.

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Antichrist jenseits der Grenzen Englands bekämpft werden müsse, nicht aber innerhalb des Königreichs. Auch wurden beide Felder in der öffentlichen Debatte um den notwendigen Kriegseintritt Englands stets als zwei Seiten einer Medaille betrachtet. Der „Heilige Krieg“ war kein rein außenpolitisches Unternehmen, sondern betraf die Durchsetzung des göttlichen Gesetzes auch und gerade innerhalb der Gemeinschaft. Ohne die Gesetzestreue des auserwählten Volkes war auf militärische Erfolge nicht zu hoffen, wie unzählige Beispiele aus den Schriften des Alten Testaments verdeutlichen. Eine fortwährende Duldung der englischen Katholiken mußte daher von vornherein Zweifel an der Ernsthaftigkeit der von Karl proklamierten Zielsetzung aufkommen lassen. Ganz zu schweigen davon, daß die zahlreichen Wortmeldungen gegen eine Ehe mit einer Götzendienerin, die im Zusammenhang mit dem spanischen Hochzeitsprojekt erfolgt waren, auch eine Hochzeit mit Henriette Maria als illegitim ausschlossen.326 Zum anderen kam während der Beratungen des Parlaments ans Licht, daß die englische Krone auf Betreiben Buckinghams einige ihrer Schiffe an den neuen Verbündeten Frankreich ausgeliehen habe, damit der französische König in La Rochelle den Aufstand der Hugenotten niederschlagen könne.327 Bevor also ein Krieg gegen Spanien überhaupt in Gang gekommen war, beteiligte sich England am Kampf gegen die eigenen protestantischen Glaubensbrüder. Diese Waffenhilfe mochte außenpolitisch vielleicht opportun gewesen sein;328 ging es aber darum, das Schicksal der Stadt Meroz von England abzuwenden, war sie kontraproduktiv. Der proklamierte Eifer für Gottes Sache war mit den politischen Zwängen, denen Karl zu Beginn seiner Amtszeit ausgesetzt war, nicht zu vereinbaren. Die Inszenierung Karls I. als Glaubenskämpfer war daher von Anfang an begleitet von öffentlich vorgetragenen Zweifeln, ob England und der neue König sich wirklich ganz dem Ziel verschrieben hätten, den Götzendienst zu bekämpfen. Bereits die Widmung der anonym verfaßten und im holländischen Exil erschienenen Schrift Sacrae Heptades läßt sich als Kritik an Karl I. verstehen: „to King Charles defender of the faith and to the king and queen of Bohemia professing the faith and therefore persecuted“:329 Gehörte für den englischen König die Verteidigung des wahren Glaubens zu seinen Amtspflichten, war dies für seine Schwester Elisabeth Teil ihrer persönlichen Haltung mit weitreichenden, negativen Konsequenzen. Der Traktat läßt sich gleichsam als eine Art Überprüfung lesen, wie ernst es dem König mit seiner Aufgabe als Verteidiger des Glaubens sei. Dabei läßt der Autor keinen Zweifel daran, daß es beim aktuellen Kriegsgesche326

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Reichlich euphorisch wird diese Eheschließung beschrieben in George Marcelline, Epithalamium Gallo-Britannicum, London 1625, Introduction: Die Hochzeit bewirke „the destruction and ruine of Antichrist, the establishment of the true Faith, the propagation of the Gospell, the restitution of the Palatine“. Damit macht sich der Autor seinerseits das Narrativ des „Heiligen Krieges“ zu eigen und sieht in der Hochzeit einen Schritt zum Erfolg. Russell, Parliaments, S. 211 f.; Roger Lockyer, The Early Stuarts. A Political History of England 1603–1642, London/New York 1989, S. 27 f. Hierzu Lockyer, Buckingham, S. 230. Sacrae heptades, Fol. A2v.

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hen auf dem Kontinent um nichts weniger geht als um die Auseinandersetzung zwischen den Protestanten als wahren Gläubigen und den Katholiken als Repräsentanten des Antichristen. Zu den sich daraus ergebenden politischen Konsequenzen äußert sich der Autor zum einen mit Anspielungen in seinem Vorwort, zum anderen in seinem Schlußwort mit einer Auflistung positiver und negativer Exempla aus dem Alten Testament. Im Vorwort warnt der Autor ausdrücklich vor einer Isebel, die zwar einst jung und untadelig gewesen sein mag, nun aber nicht anderes sei als eine „royall whore“. Er zweifle aber nicht daran, daß Gott einen Jehu senden werde, der sie aus dem Fenster werfen werde, als Strafe für alle sie umgebenden „Fryars, Monks and other Votaries“.330 Dies werde zugleich das Startsignal sein für eine wahre Reformation und die endgültige Vertreibung des Antichristen. Mit keinem Wort gibt der Autor zu erkennen, daß mit Isebel die Königin Henrietta Maria gemeint sei.331 Er liefert aber die nötigen Stichworte, um eine solche Assoziation auszulösen: So hatte Henrietta Maria als Katholikin auch katholische Geistliche in ihrer Umgebung, die in ihrer Hofkapelle die katholische Messe zelebrierten, was ihr im Hochzeitsvertrag zwischen Frankreich und England ausdrücklich zugestanden wurde. In ihrem umfangreichen Hofstaat, den sie größtenteils aus Frankreich mit nach London brachte, befanden sich ebenfalls überwiegend Katholiken.332 Damit war die Gleichsetzung der katholischen Königin mit Isebel, die als Gemahlin Ahabs den Baalskult in dessen Königreich beförderte, zumindest naheliegend und zugleich eine ungeheure Provokation.333 Die Schlußfolgerungen des Autors aus seiner politischen Deutung der Apokalypse enthielten kaum weniger politische Brisanz. Er beharrte darauf, daß nicht nur der Papst der Antichrist sei, sondern auch jeder Katholik als Antichrist zu gelten habe, der auf der Seite des Teufels stünde. Daher stellte er die rhetorische Frage, „whether it may stand with the policie, safetie, or peace of any Christian kingdome state or common wealth, to permit and suffer Antichristian and divelish practises of filthines, infidelitie, murder, treason, Idolatire, blasphemie, and

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Sacrae heptades, Fol. 3v. So auch Hill, English Bible, S. 69 f. Vgl. Christianson, Reformers, S. 114 f.; Sharpe, Personal Rule, S. 168. Die zunehmenden Spannungen zwischen England und Frankreich boten Karl I. die Möglichkeit, 300 Mitglieder dieses Hofstaates aus England auszuweisen; ferner Lockyer, Buckingham, S. 251 f. Die biblisch vorgetragenen Angriffe gegen die katholische Königin sollten auch in den folgenden Jahren nicht verstummen. Manche Bibelstellen bedurften nur der Erwähnung (Mal 2,11–12: „Denn Juda entheiligt, was dem HERRN heilig ist und was er lieb hat, und freit eines fremden Gottes Tochter. Aber der HERR wird den, der solches tut, ausrotten aus den Zelten Jakobs mit seinem Geschlecht, auch wenn er noch dem HERRN Zebaot Opfer bringt“), andere forderten offen die Konversion der Königin wie Hugh Peter, der sich dafür verantworten mußte. Radikale wie Alexander Leighton wiederum sparten nicht mit harschen Vergleichen und nannten Henrietta Maria „daughter of hell“, „Canaanite and an idolater“; vgl. hierzu Hill: English Bible, S. 70; William Hunt, The Puritan Moment. The Coming of Revolution in an English County, Cambridge (Mass.) 1983, S. 277.

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superstition to increase amongst them“.334 Wenn Karl I. seine Rolle als Defender of the Faith ausfüllen wolle, so die Botschaft dieses Traktats, genüge es nicht, gegen Spanien in den Krieg zu ziehen. Vielmehr müsse er zuerst seine Rolle als Schutzherr des protestantischen Glaubens im eigenen Land wahrnehmen und allen Formen des Götzendienstes ein Ende bereiten. Nur dann könne der König auf militärische Erfolge hoffen, wie der Autor mit einem Verweis auf mehrere Bibelexempla ausführt: „You cannot stand before your enemies, untill you have taken away the cursed thing from among you“.335 Samul Bachilers in Holland erschienener Traktat Miles Christianus, or the Campe Royal enthält ebenfalls den Hinweis darauf, daß ein Sieg gegen die äußeren Feinde die unbedingte Gottestreue zur Voraussetzung habe.336 Die hierfür zu Grunde gelegte Schriftstelle Dtn 23,15 prangt bereits auf dem Titelblatt: „For the Lord thy God walketh in the midst of the Campe, to deliver thee, and to give up thine enimies before thee: therefore shall thy Campe be holy, that he see no uncleane thing in thee, and turne away from thee“. Bachiler betonte zum einen die Notwendigkeit und Heiligkeit des Krieges gegen Spanien und bezog sich dabei ausdrücklich auf den im Text der Offenbarung enthaltenen Auftrag an die Könige, der Hure Babylon den Todesstoß zu versetzen.337 Zum anderen aber betonte er eindringlich, daß dieser Kampf auf der Grundlage der lex dei erfolgen müsse, die eigene Rechtgläubigkeit daher Voraussetzung sei für den Erfolg.338 Letztlich sei es dabei unerheblich, ob man den Kampf gegen die Feinde der lex dei auswärts führe oder aber im eigenen Land:339 gerechtfertigt sei der Kampf immer dann, wenn er einem heiligen Ziel dient: „the slaughter of Gods enemies“.340 In diesem Sinne war das „Campe Royal“, für das die Predigt bestimmt war, nicht nur das englische Feldlager in Holland, sondern die Monarchie insgesamt. Dabei betonte Bachiler ausdrücklich, daß es der Obrigkeit aufgegeben sei, Sittenlosigkeit wie öffentliche Trunkenheit ebenso zu ahnden wie die Profanierung des Sonntags.341 Auch die von Bachiler angeführten klassischen Beispiele für Ver-

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Sacrae heptades, S. 211 f. Sacrae heptades, S. 213 anhand von Jos 7 über Achans Diebstahl. Weitere Exempla sind 2 Chr 19; 2 Chr 20; 2 Chr 21; 2 Chr 23; Jer 51. Daß nicht nur radikale Geistliche dieser Auffassung waren, sondern auch Mitglieder des Unterhauses, zeigt ein Tagebucheintrag von Thomas Scott während der Parlamentssitzungen des Jahres 1626, in der der Religionskrieg gegen die katholischen Gegner erst nach der Wiederherstellung der wahren Religion im eigenen Land für sinnvoll erachtet wird; Clark, Thomas Scott, S. 17. Samuel Bachiler, Miles Christianus, or The Campe Royal Set Forth in Briefe Meditations on the Words of the Prophet Moses, Deut. 23, 9, 14, Amsterdam 1625. Bachiler hielt die Predigt für die zu dieser Zeit in Holland weilenden englischen Soldaten. Ebd., Fol. A2v: „God shall put into the hearts of the tenne Hornes (the Kings of the earth) to fulfil his will in the judgment of the Whore by warre against her“. Ebd., Fol. A3r: „And when we goe out to war against our enemies, Gods law must order us“. Ebd., Fol. A4r. Ebd., Fol. S. 14. Ebd., Fol. A3v.

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stöße gegen Gottes Normen, Achan und Pinhas, lassen erahnen, daß es in der Predigt nicht nur darum ging, die Soldaten auf Anstand und Disziplin zu verpflichten.342 Wenn er seine Zuhörer davor warnte, daß sie unbedingt die Gesellschaft mit Gottlosen zu meiden hätten,343 so konnte dies in Assoziation mit Karl I. aufgrund seiner Ehe mit einer katholischen Gemahlin auch eine kritische Botschaft enthalten. Eine kirchenpolitische Erblast aus dem letzten Regierungsjahr Jakobs I. erschwerte zusätzlich die Imagepolitik seines Nachfolgers als protestantischer Vorreiter im Kampf mit den Glaubensfeinden. 1624 veröffentlichte Richard Montagu den Traktat A New Gagg for an Old Goose. Damit reagierte er auf einen polemischen Traktat katholischer Missionare in Essex mit dem Titel The Gagge of the Reformed Gospel, in dem die Autoren, gestützt auf zahlreiche Bibelzitate, also auf gleichsam protestantische Weise, die Irrigkeit der protestantischen Lehre zu demonstrieren suchten. Montagus Antwort fiel aus dem Rahmen der üblichen Kontroversrhetorik heraus: Er hielt die Angriffe seitens der Katholiken für gegenstandslos, da sie sich nur gegen die Auffassungen der Puritans richteten, die aber keineswegs von allen Protestanten geteilt würden.344 Die Gemeinsamkeiten zwischen der römischen und der englischen Kirche untermauerte Montagu in zahlreichen Punkten, wobei er mehrfach auf die auch von Jakob I. stets geteilte Überzeugung zurückgriff, daß die englische Kirche selbstverständlich Teil der katholischen Kirche sei, ja diese besser als jede andere verkörpere: Er betonte die Nützlichkeit von Bildnissen in Kirchen zur Anleitung der Gläubigen zu echter Frömmigkeit, bestritt energisch die in England zum festen Kanon zählende Auffassung, der Papst verkörpere den Antichristen und wandte sich gegen die calvinistische Auffassung der Prädestinationslehre. Mit diesem Traktat Richard Montagus begann in den Augen zahlreicher Kirchenhistoriker die Arminian revolution in der englischen Kirche.345 Seit mittlerweile fast dreißig Jahren wird energisch debattiert, ob die Bischöfe Laud, Neile und Cosin eine arminianische Speerspitze in der Kirche darstellten oder nicht, welchen Anteil diese Bischöfe an der stärkeren Betonung der ceremonies im Gottesdienst sowie an der Hervorhebung des Altars in den Kirchen hatten, welche Rolle Karl I. selbst bei diesen Änderungen zukam, und vor allem inwiefern diese Entwicklungen als ein klarer Bruch mit der in England etablierten Kirchentradition sowie deren Dogmatik gedeutet werden muß oder nicht. Es kann an dieser Stelle nicht darum gehen, diese Debatte selbst zum Gegenstand der vorliegenden Untersuchung zu machen. Auch scheint sich die Kontroverse zumindest implizit immer auch um die Frage zu drehen, wer damals in den kirchenpolitischen Auseinandersetzungen das Recht auf seiner Seite hatte: die „Laudians“, der König 342 343 344 345

Ebd., Fol. S. 18. Ebd., Fol. S. 26. Richard Montagu, A Gagge for the New Gospel? No, a New Gagg for an Old Goose, London 1624, S. 323 f. Siehe hierzu auch Kap. I. 2.

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oder die zahlreichen Kritiker; dies kann und soll hier nicht entschieden werden. Es ist in meinen Augen für die politische Dimension der Angelegenheit auch weniger bedeutsam, ob Richard Montagu oder William Laud „Arminianer“ waren, sondern daß sie von zahlreichen einflußreichen Akteuren in Kirche und Parlament als solche wahrgenommen und angegriffen wurden, woran niemand zweifelt. Auch im Fall Montagu interessiert für die hier vorliegende Fragestellung weniger die von ihm vertretene Dogmatik, sondern die Wirkung dieses Traktats auf die Selbstdarstellung des Königs und deren Wahrnehmung in der Öffentlichkeit. Er dient gewissermaßen als Testfall, inwiefern Karl I. sich wirklich der Rolle als Vorkämpfer für den Protestantismus verschrieben hat. In der Auseinandersetzung ist vor allem von Interesse, inwiefern die Argumente für und gegen Montagu sich mit dem Narrativ des „Heiligen Krieges“ vereinbaren lassen oder nicht. Dabei ist allerdings bemerkenswert, daß diese Frage bei der bis heute hitzig geführten Debatte eine wenn überhaupt nur untergeordnete Rolle spielt. Der Fall Montagu weckte bereits unter den Zeitgenossen Argwohn. Was als lokale Angelegenheit begann, bekam alsbald die volle Aufmerksamkeit aller Akteure auf der politischen Bühne Englands. Schon 1624 bemühte sich John Pym im Unterhaus, die Aussagen Richard Montagus im Parlament auf die Tagesordnung zu setzen. Im ersten Parlament unter der Ägide Karls I. ein Jahr später waren Montagus Positionen zur Identität der englischen Kirche dann ebenso Gegenstand von Beratungen wie 1626 und 1628/29. Der Argwohn gegen Montagu wuchs unter den Abgeordneten auch deshalb, da dieser als Antwort auf die Kritik an seinem ersten Traktat eine weitere, Jakob I. gewidmete Schrift mit dem Titel Appello Caesarem vorlegte, in der er seine Positionen verteidigte und deren Übereinstimmung mit den hergebrachten Grundsätzen der englischen Kirche untermauern wollte.346 Der Erzbischof von Canterbury, George Abbot, gab im Juli 1625 seine Vorbehalte gegen Montagus Schriften zu Protokoll. Montagus vermeintlicher Arminianismus war dabei ebenso Gegenstand der Anklage wie dessen Leugnung, daß der Papst Repräsentant des Antichristen sei. Beide Aussagen liefen in Abbots Augen der Auffassung Jakobs I. zuwider, der sowohl in seinem Traktat gegen Vorstius seine Abneigung gegen den Arminianismus dargelegt als auch in zahlreichen Schriften nachgewiesen habe, daß der Papst der Antichrist sei.347 Bemühungen des Parlaments um die Aufnahme eines Impeachmentverfahrens verliefen 1625 im Sande. Dafür war nicht zuletzt die Tatsache verantwortlich, daß Karl I. Montagu zu einem seiner Hofkapläne ernannte und auf diese Weise die Möglichkeit erschwerte, ihn offiziell anzuklagen.348 Diese königliche Protektion machte aus der Causa Montagu einen Fall von nationaler Tragweite. Aus den umstrittenen Äußerungen Montagus wurde in den 346 347 348

Richard Montagu, Appello Caesarem. A Iust Appeale from two Iniust Informers, London 1625. Commons’ Debates (1625), S. 47 f. Commons’ Journal, Bd. 1, S. 809 f.

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Augen zahlreicher Geistlicher und Abgeordneten infolge der Rückendeckung Karls I. eine Gefahr für die Orthodoxie in der englischen Kirche.349 Zugleich mußte die selbsterklärte Rolle Karls I. als Schutzherr der Protestanten in den Augen aller Kritiker Montagus fragwürdig erscheinen. Thomas Wentworth äußerte darüber hinaus seine Sorge, daß im Falle ausbleibender Bestrafung Gottes Zorn heraufbeschworen und ganz England ein Opfer von dessen Strafgericht werden könne. Montagus Bücher seien ein direkter Verstoß gegen die Heilige Schrift, so Wentworth, seine Bestrafung daher notwendig. Diese Notwendigkeit unterstrich Wentworth noch mit einem Hinweis auf zahlreiche gottesfürchtige Könige wie Theodosius, Ludwig den Heiligen und Elisabeth I., die sich durch Respekt gegenüber der Heiligen Schrift bleibende Anerkennung erworben hätten.350 Deutlicher konnte im Unterhaus nicht ausgesprochen werden, daß Karl I. in den Augen einiger Abgeordneter Gottes Strafgericht gegen England heraufbeschwor, wenn er seine Protektion für Montagu nicht aufgab. Die Causa Montagu kam auch in den folgenden Jahren immer dann auf die Tagesordnung, wenn ein Parlament einberufen wurde. John Pym listete am 17. April 1626 alle Beschwerdepunkte gegen Montagu auf: Ihm wurde vorgeworfen, gegen die in England etablierte dogmatische Grundlage des Glaubens verstoßen zu haben, konkret gegen die 39 Artikel, die im Jahr 1562 auch vom Parlament abgesegnet worden waren. Ferner trage er mit seinen Büchern dazu bei, den König und das Volk voneinander zu entfremden. Und schließlich lautete der Vorwurf, er verführe das Volk zu „popery“ und strebe eine Wiedervereinigung der englischen mit der römischen Kirche an.351 Auch wenn alle Versuche des Parlaments scheiterten, Montagu einem impeachment zu unterziehen, blieben die Zweifel an dessen Orthodoxie in der Welt und übertrugen sich auf Karl I. Der Versuch des Königs, die Debatten über die gefährlichen Neuerungen in der englischen Kirche mit einer beschwichtigenden Proklamation im Juni 1626 aus der Welt zu schaffen, fruchtete ebensowenig wie ein Wiederabdruck der 39 Glaubensartikel der englischen Kirche im Jahre 1628, in dem der König es in seinem Vorwort ausdrücklich zu seinem obersten Anliegen erklärte, „to conserve and maintaine the Church commited to our charge in the 349

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Hierzu Russell, Parliaments, S. 240 f. Karl I. befand sich in seiner Protektion für Montagu übrigens in Übereinstimmung mit seinem Vater Jakob I., der den umstrittenen Geistlichen mit den Worten in Schutz nahm, „If thou be a Papist, I am a Papist“; vgl. Commons’ Debates (1625), S. 46. Commons’ Debates (1625), S. 70 f.: „He insisted cheifly upon the abuse of the Bible, paralellinge it with that of tramplinge upon the Bible in Canterburye. Both which, if they were not punisht by authority of private faults, would become publicke, and thoughe it be at no tyme fit to provoke the wrath of God, yet much less at this tyme, when we are all as it were making our wills, beinge already under his hande“. Commons’ Journal, Bd. 1, S. 845. Ausführlich findet sich Pyms Gutachten über Richard Montagu in Commons’ Debates (1625), S. 179–186. Besondere Aufmerksamkeit findet Montagus Leugnung des Papstes als Personifizierung des Antichristen: „Whereas the Kinge in his monitorie preface [die Paraphrase upon the Revelation] hath spent about 60 pages to prove the Pope Antichrist, Montigue saieth he never yett heard a perswadinge argument for it“.

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unitie of true Religion and in the bond of peace“.352 Statt in seiner Rolle als Vorkämpfer des Protestantismus Zustimmung zu ernten, mußte Karl I. sich Vorwürfen erwehren, Neuerungen in der Kirche Vorschub zu leisten. Der wachsende Unmut ließ sich auch nicht mit Proklamationen und wiederholten Aufforderungen zur Mäßigung beschwichtigen. Vielmehr artikulierte sich der Zweifel an der Religionspolitik des Königs und der Bischöfe in zahlreichen Traktaten. Dabei war es eine Vielzahl von Themen, an denen sich Kritik an jüngsten Maßnahmen in der Kirche festmachen ließ. Mehrere Autoren bekräftigten die Prädestinationslehre als Teil der in der englischen Kirche althergebrachten etablierten Glaubensgrundsätze und attackierten die vermeintlichen „Arminianer“ als gefährliche Neuerer, die eine Änderung der Dogmatik im Sinne hätten. Unter den Autoren war George Carleton, einst Delegierter für die englische Kirche bei der Synode in Dordrecht im Jahre 1618, auf der die Lehren des holländischen Theologen Jakob Arminius ausdrücklich verdammt worden waren, John Yates, und Henry Burton.353 Laien wie der Jurist Francis Rous und der Arzt William Prynne beteiligten sich ebenfalls an der Kritik am Vordringen des Arminianismus.354 Einige der Autoren griffen dabei auf Jakobs Traktat gegen Vorstius zurück, um den verstorbenen König als Zeugen für die Prädestinationslehre und gegen Arminius ins Feld zu führen.355 Henry Burton machte die Causa Montagu darüber hinaus zu einer unmittelbaren Angelegenheit für Karl I., der als Defendor of Faith zum Einschreiten gegen Montagus Veröffentlichungen verpflichtet sei. Dabei erinnerte er auch an die Tatsache, daß dessen Schriften cum privilegio erfolgt seien, was den König gewissermaßen in Mithaftung nehme und eine um so stärkere Abgrenzung von Montagus Argumenten verlange: Der König solle sich und seine Vorfahren von jedem Vorwurf reinigen, „Arminianer“ zu sein.356 352

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Hughes/Larkin (Hrsg.), Stuart Royal Proclamations, Bd. 2, Nr. 43, S. 90–93; Articles agreed upon by the Archbishops and Bishops of both Provinces and the whole Clergie, Reprinted by his Majesties Command, London 1628, Fol. A3r. Vgl. ferner Sharpe: Personal Rule, S. 282 f. und S. 292–295. George Carleton, An Examination of those Things wherin the Author of the Late Appeale holdeth the Doctrines of the Pelagians and Arminians to be the Doctrines of the Church of England, London 1626; [John Yates], Ibis ad Caesarem. Or A Submissive Appearance before Caesar in Answer to Mr Mountagues Appeale, in the Points of Arminianisme and Popery, Maintained and Defended by Him, Against the Doctrine of the Church of England, London 1626; Henry Burton, A Plea to an Appeale, London 1626. Zum Fortgang der Debatte über den Arminianismus siehe auch die aufgelisteten Traktate in Grabes, Das englische Pamphlet, S. 152–154. Francis Rous, Testis Veritatis. The Doctrine of King Iames our Late Soveraigne of Famous Memory. Of the Church of England. Of the Catholicke Church. Plainely Shewed to bee One in the Points of Praedestination, Free-will, Certaintie of Salvation, with a Discouery of the Grounds both Naturall Politicke of Arminianisme, London 1626; William Prynne, God, no Impostor nor Deluder, or, An Answer to a Popish and Arminian Cavill, in the Defence of Free-Will, and Universall Grace, [London 1629]; William Prynne, The Church of Englands Old Antithesis to New Arminianisme, London 1629. Rous, Testis veritatis; [Yates], Ibis ad Caesarem, Fol. A4r–v; Burton: A Plea, Fol. ¶3r. Burton, A Plea, Fol. ¶2v und ¶4v.

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Karls Umgang mit den englischen Katholiken war gleichfalls geeignet, Zweifel an der Entschiedenheit des Königs in Glaubensfragen zu wecken. So forderte Henry Burton in seiner Schrift The Baiting of the Popes Bull ein schärferes Vorgehen gegen Katholiken im eigenen Land. Sein Gehorsam zu Gott zwinge ihn dazu, auch die Gefahr einer Anklage wegen Hochverrats auf sich zu nehmen, um den König zu einer politischen Kurskorrektur zu bewegen.357 In seiner Widmung an Karl I. warnte er den König vor der Gestalt des Haman, der seine Favoritenstellung beim Perserkönig Xerxes dazu mißbraucht habe, den König von den Juden zu entfremden und das Verderben Israels herbeizuführen.358 Es brauchte im Jahr 1627 nicht viel Phantasie, um sich auszumahlen, daß Haman wohl niemand anderes seien dürfte als Lord Buckingham. In seiner Widmungsschrift an den Lord Buckingham wählte Burton hingegen einen anderen Gegenstand der Klage: die katholische Königin Henrietta Maria. Gegenwärtig würden die Frösche bereits in des Königs Schlafgemach vordringen, so lautete Burtons Kritik unter Anspielung auf die Frösche der Apokalypse, die in Offb 16,13–14 die Könige der Erde dem Antichristen zuführten.359 Burton gab mit seinen kritischen Anspielungen der Sorge Ausdruck, daß Karl I. von den Personen seiner engeren Umgebung dazu verführt werden könnte, in Fragen der Religion von Gott abzufallen und sich der römischen Kirche zuzuwenden. Vor diesem Hintergrund erklärt sich auch der Appell an den König. Burton forderte Karl I. auf, gegen die neuerliche Bulle Urbans VIII. mit ihrem Aufruf an alle englischen Katholiken zur Standhaftigkeit im Glauben und zur Verweigerung des oath of allegiance Zeichen zu setzen, d. h. sie als Hochverrat zu brandmarken und öffentlich zu verbrennen.360 Daß die Kapelle der Königin in der Bulle als Zufluchtsstätte für die verfolgten Katholiken bezeichnet wurde, gab Burtons öffentlich bekundeter Besorgnis weitere Nahrung. Weitere Handlungsempfehlungen entnahm Burton der Heiligen Schrift. So zitierte er das Königsgesetz des Deuteronomiums (Dtn 17,18–20), in dem Könige ausdrücklich zur Gottesfürchtigkeit und zur Treue gegenüber Gottes Gesetzen angehalten werden.361 Er verwies auf die Einsetzung von Helfern für Mose nach dem Prinzip der Redlichkeit und Gottesfürchtigkeit, das auch der König bei der Auswahl seiner Amtsträger befolgen solle (Ex 18, 21) und mahnte den König allgemein, die Kirche von „pollutions of Idolatry and Superstition“ zu befreien.362 In seinem Traktat machte Burton sich ferner die Deutung des Papstes als Antichrist auf Erden zu eigen und untermauerte damit seine Absage an jegliche Toleranz gegenüber Katholiken in England, da Toleranz letztlich einer Duldung der Hure Babylon gleichkomme.363 Sollte der König in Glaubensfragen in die Irre 357 358 359 360 361 362 363

Burton, Baiting, Fol. ¶2v. Ebd., Fol. ¶1r–¶2r. Ebd., Fol. *1v–*2r. Ebd., Fol. ¶3v–4r und *1v. Ebd., Fol. ¶¶ 2r. Ebd., Fol. ¶¶ 2v. Ebd., S. 22 f., S. 28 u.ö.

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gehen und dem Auftrag Gottes zur Reinigung des Landes vor jeglichem Götzendienst nicht oder nur unvollständig nachkommen, so habe er das Schicksal der Könige Saul, Ahab und Isebel zu vergewärtigen, die allesamt von Gott für ihren Ungehorsam zur Rechenschaft gezogen wurden.364 Auch Peter Smart, Kaplan an der Bischofskirche von Durham, gelangte zu dem Eindruck, daß sich Englands Kirche auf gefährliche Weise der römischen Kirche annäherte. Am 7. Juli 1628 nutzte er den Moment der Abwesenheit seines Bischofs, Richard Neile, um in einer Predigt gegen all die abergläubischen Riten zu protestieren, die in der Kathedrale von Durham seit zehn Jahren um sich gegriffen hätten, nachdem sie in der Reformation bereits vollständig ausgemerzt schienen.365 Hierfür griff er auf eine Aussage im 31. Psalm zurück: „Ich hasse, die sich halten an nichtige Götzen“. Smart stellte einen Gegensatz her zwischen dem Gesetz Gottes, das man zu befolgen habe, und menschlichen Erfindungen, die als Götzendienst gegen die lex dei verstießen und dem Einzug des Antichristen in die Kirche den Weg ebneten.366 Deren Erfinder müßten mit Feuer und Schwert vom Erdboden vertilgt werden, so Smart in geradezu selbstmörderischem Furor, wobei er an den Auftrag der Johannesoffenbarung an die Könige erinnert, die Hure Babylon zu entblößen, zu verspeisen und zu verbrennen.367 Peter Smarts Haltung zur Frage der ceremonies in der Kirche war eindeutig: „The life, and soule of every Ceremony, is the word of God; without which, it is dead and damned“.368 Der Urheber immer neuer Riten in der Kirche ohne Grundlage in der Heiligen Schrift war das Papsttum, und damit das Wirken des Antichristen.369 Das Wiederauftauchen von einem neuerrichteten Altar in der Kathedrale von Durham, von einem Kreuz auf dem Altar, von Leuchtern und Bildnissen, von geistlichen Hymnen und Kirchenmusik, das Smart in seiner Predigt explizit beklagt, deutete daher für ihn die Wiederkehr des Antichristen in der englischen Kirche an.370

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Ebd., S. 18. Peter Smart, A Sermon Preached in the Cathedrall Church of Durham, [London] 1628. Zum Kontext jetzt ausführlich Fincham/Tyacke, Altars Restored, S. 137–139. Smart, A Sermon, S. 4 f.: „So must we love Gods law, which forbiddeth idolatry, and hate vaine inventions, and the inventours of vanities“. Ebd., S. 5 f. Ebd., S. 7. Ebd., S. 8 und 11: „Butt the whore of Babylon bastardly brood, doing upon their Mothers beauty, that painted Harlot the Church of Rome, have laboured to restore her all her robes and iewells againe: especially her looking glasse the Masse, in which she hold all her bravery“. Ebd., S. 17 und S. 20, wo er den Vorwurf, Rom zu imitieren, offen ausspricht. Sein Vorwurf der Einführung von Neuerungen in die Kirche belegt Smart mit einem Hinweis auf Peter Martyr, der bereits in den 1550er Jahren gegenüber Stephen Gardiner die Existenz von Altären in der Kirche als Götzendienst anprangerte (Ebd., S. 28 f.), sowie mit Jakobs Paraphrase upon a Revelation (S. 31). Zum weiteren Fortgang der Altar-Kontroverse und der Auseinandersetzungen über ceremonies in der Kirche vgl. Fincham/Tyacke, Altars Restored, S. 137–175 u. S. 227–273.

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In diesen exemplarisch ausgesuchten Wortmeldungen wird bereits die gesamte Spannbreite religiöser Kontroversen deutlich, die dem Image Karls I. als Schutzherr der Protestanten im Wege standen. Der König war in keiner der hier genannten Fragen gewillt, sich die Position der Kritiker an der aktuellen Kirchenpolitik zu eigen zu machen, und sah seine Rolle nicht darin, als Vorkämpfer des reformierten Glaubens gegen vermeintlich arminianische Umtriebe unter seinen Bischöfen sowie gegen die Riten und Zeremonien in der Kirche vorzugehen. Damit nahm er der Inszenierung des „Heiligen Krieges“ und seiner eigenen Rolle darin als Schutzherr der Protestanten Europas im Auftrag Gottes die Glaubwürdigkeit nicht nur bei manchen kritischen Geistlichen, sondern auch bei einigen Mitgliedern des Parlaments, auf deren Unterstützung er angewiesen war. Nicht zuletzt um derentwillen hatte Karl I. die Rolle eines Vorkämpfers für den wahren Glauben ja eingenommen. In der Logik des von Karl I. zur Inszenierung seiner ersten Herrschaftsjahre gewählten Narrativs des „Heiligen Krieges“ gab es nur ein Argument, mit dem er den Zweiflern und Kritikern den Wind aus den Segeln hätte nehmen können: den militärischen Erfolg. Nun waren Siege für die Selbstdarstellung regierender Könige immer von Vorteil. Im Falle einer Herrschaft, die es sich erklärter Maßen zur Aufgabe gemacht hatte, Gottes Willen zu vollstrecken, mit einem „Heiligen Krieg“ den bedrängten Gläubigen auf dem Kontinent zu Hilfe zu kommen und die Glaubensfeinde zu bekämpfen, hatten Sieg oder Niederlage aber noch eine darüber hinausgehende Bedeutung. Das seit Beginn des Dreißigjährigen Krieges von zahlreichen Geistlichen und schließlich auch von Karl I. selbst verwendete Narrativ des „Heiligen Krieges“ enthielt folgende Elemente: Erstens war es Gott, der über Sieg und Niederlage entschied, nicht die bessere Kriegskunst oder aber die stärkeren Bataillone. Zweitens traf Gott diese Entscheidung anhand der Treue seines kämpfenden Volkes zum göttlichen Gesetz: In der Schlacht wurde Gottesgehorsam prämiert und Ungehorsam abgestraft. Ein Sieg war daher in dieser Logik nicht nur ein Ausweis göttlicher Erwählung, sondern zugleich auch eine Bestätigung eigener Rechtgläubigkeit. Der Untergang der spanischen Armada 1588 und die Aufdeckung der Pulververschwörung 1605 waren für die englischen Protestanten die entscheidenden Beweise dafür, daß Gott auf ihrer Seite stand. Umgekehrt ging die Bedeutung einer Niederlage weit über bloß militärische Fragen hinaus. Wenn Gott im Moment der Entscheidung die früher bereits mehrfach geleistete Hilfe und Unterstützung für die englische Seite versagte, so waren die Gründe hierfür im mangelnden Gehorsam gegenüber Gottes Gesetz und in der Mißachtung des göttlichen Willens zu suchen. Ein glorreicher Sieg über Spanien hätte die Kritiker der Religionspolitik Karls I. vielleicht fürs erste verstummen lassen. Eine Niederlage bewies in der providenziellen Logik jedoch, daß die Kritiker mit ihren Vorwürfen Recht hatten. Die Nachrichten von den unterschiedlichen Kriegsschauplätzen boten den Kritikern des Königs Bestätigung im Überfluß. Was England bzw. deren Verbündete auch unternahmen, ging schief. Graf Mansfelds Planungen einer Expedition zur

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Befreiung der Kurpfalz scheiterten ebenso kläglich wie der englische Flottenangriff auf Cadiz.371 Zu allem Überfluß wurde auch der frisch angeworbene Bündnispartner Englands im Dreißigjährigen Krieg, der dänische König Christian IV., in der Schlacht an der Lutter vernichtend geschlagen. Nicht den geringsten Anteil an diesem Ausgang der Schlacht hatte wohl auch die Tatsache, daß die von England zugesicherten Subsidien nie beim dänischen König eingetroffen waren.372 Der Mißerfolg ließ an vielen Stellen die Frage nach den Gründen laut werden. Für den König war eine Ursache des Debakels die unzureichende Bewilligung von Steuermitteln durch das Parlament. Für viele Abgeordneten des Parlaments von 1626 wiederum war der ausbleibende Erfolg vor allem dem Versagen des Herzogs von Buckingham zuzuschreiben: Zumindest der mißlungene Angriff auf Cadiz fiel nach deren Auffassung in die persönliche Verantwortung des Herzogs.373 Seine Absetzung machten sie zur Voraussetzung für weitere Geldbewilligungen, auf die der König zur Fortführung des Krieges angewiesen war. Mit dieser Forderung war das Parlament des Jahres 1626, das zur Mittelbeschaffung für eine Fortsetzung des Krieges unabdingbar schien, von vornherein zum Scheitern verurteilt, da Karl I. nicht bereit war, seinen engsten Mitstreiter fallenzulassen und daher das Parlament auflöste, bevor ein Impeachmentverfahren gegen Buckingham zum Abschluß hätte kommen können.374 Die Auflösung des Parlaments im Juni 1626 ohne Geldzusage seitens der beiden Kammern machte es für den König unumgänglich, nach anderweitigen Finanzierungsmöglichkeiten Ausschau zu halten. Zunächst wandte er sich dabei an die Londoner City mit der Bitte um eine Geldanleihe, die ihm nicht gewährt wurde.375 Als nächstes unternahm die Regierung den Versuch, die Friedensrichter dazu zu ermuntern, in ihren counties eine Abgabe auf freiwilliger Basis einzutreiben.376 Diese politischen Bemühungen wurden begleitet von einer Unterstützungskampagne, in der Geistliche aller Gemeinden dazu angehalten wurden, von der Kanzel ihre Gemeinde auf die Sache des Königs einzuschwören.377 Am 5. Juli und am 2. August hatten alle Gläubigen im Königreich im Gottesdienst für den guten Ausgang des gerechten und notwendigen Krieges gegen Spanien zu beten: „in this our English and Spanish Warre, Trueth may seeme to fight against falsehood, Innocence against Antichristian cruelty and syncerity of Worship against flat Idolatry, and therefore […] what can bee expected from God by us in this 371 372

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Lockyer, Early Stuarts, S. 24–26; Ders., Buckingham, S. 222–229 (über Mansfeld) und 281–285 (über Cadiz). Zu den Folgen dieses Versäumnisses für die Reputation Karls I. auf dem internationalen Parkett vgl. Sharpe, Personal Rule, S. 15; vgl. ferner allg. Christoph Kampmann, Europa und das Reich im Dreißigjährigen Krieg. Geschichte eines europäischen Konflikts, Stuttgart 2008, S. 54–61. Vgl. hierzu Lockyer, Buckingham, S. 308–317. Ebd., S. 330 f. Richard Cust, The Forced Loan and English Politics 1626–28, Oxford 1987, S. 38. Ebd., S. 32–39 u. S. 153–158. Thomas Cogswell, The Politics of Propaganda. Charles I and the People in the 1620s, in: JBS 29 (1990), S. 187–215, hier S. 196.

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battell, but victory and great triumph?“378 Das Narrativ des „Heiligen Krieges“ blieb weiterhin Bestandteil der königlichen Selbstdarstellung und sollte nun auch dazu dienen, den außerparlamentarischen Geldforderungen des Königs die notwendige Legitimität zu verleihen.379 Im Kontext mit diesen mehr oder weniger verzweifelten Bemühungen der Krone um Geldbeschaffung hielt am 23. Juli William Hampton eine Predigt in Paul’s Cross, die sich auch als Spendenaufruf für den Krieg verstehen läßt.380 Folgt man dem Tenor dieser Predigt, so ist vom Elan Karls I., sich in der Öffentlichkeit als Vorkämpfer für den Protestantismus in Europa zu inszenieren, wenig geblieben. Vielmehr geht es um die Notwendigkeit, sich mit letzter Kraft gegen einen übermächtigen Gegner zu verteidigen und eine Invasion wenn möglich abzuwenden.381 Dabei enthält die Predigt zwei Diskursstränge, die sich auf den ersten Blick gegenseitig auszuschließen scheinen. Zum einen machte sich der Autor seinerseits das Narrativ des „Heiligen Krieges“ zu eigen: Er betont, daß Sieg und Niederlage allein in Gottes Hand liegen. Getreu dem Maßstab der Geschichte des Volkes Israel könne England dann auf Gottes Errettung hoffen, wenn es nicht die Gesetze Gottes mit Füßen tritt. Eine solche Errettung sei England während der Reformation, der Zerstörung der spanischen Armada und der Aufdeckung der Pulververschwörung bereits mehrfach zuteil geworden.382 Umgekehrt seien Niederlagen Gottes Strafe für die Sündhaftigkeit in England, die Hampton insbesondere in den Sünden des Hochmuts, der Trunksucht und der Völlerei erblickt.383 Die Militäroperation bei Cadiz hätte nur dann Erfolg gebracht, so Hampton, wenn die Sünden der verteidigenden Spanier größer gewesen wären als diejenigen der angreifenden Engländer.384 Hampton begründete die bisherigen Niederlagen mit den Sünden des englischen Volkes allgemein. Damit entlastete er implizit zugleich den König und seine Umgebung vom Vorwurf, ihre Religionspolitik sei der Grund für Gottes Unmut. Zum anderen richtete er an seine Zuhörer die dringende Bitte um finanzielle Unterstützung für das Anliegen der Krone, um die dringend erforderlichen Verteidigungsmaßnahmen gegen eine spanische Invasion finanzieren zu können.385 378 379

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A Forme of Prayer Necessary to be Used in these Dangerous Times of Warre and Pestilence, London 1626. Vgl. hierzu auch die kritischen Bemerkungen des französischen Beobachters Dumolin in London, der nach Paris berichtete: „They wish for war against heaven and earth, but lack the means to make it against anyone“; zit. n. Russell, Parliaments, S. 323. William Hampton, A Proclamation of Warre from the Lord of Hosts. Or Englands Warning by Israels Ruine Shewing the Miseries like to Ensue upon us by Reason of Sinne and Securitie, London 1627. Auch im Council of War rechnete man im Juni 1626 mit der Gefahr einer Invasion; vgl. Russell, Parliaments, S. 326. Hampton, Proclamation of Warre, S. 9 f. Ebd., S. 20. Ebd., S. 13. Ebd., S. 18: „our most gracious Souveraigne, to be carefull to provide for our defence and safety, so move the hearts of the people to furnish him with supplies sufficient for the performance of it, before it be too late“.

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Diese Bitte formulierte Hampton schließlich auch in Form eines moralischen Appells: „[Do we] Love our wealth more then our selves, more then our lives, more then our wives, more then our children, more then our Country, more then the Gospell?“386 Vor dem Hintergrund von Hamptons Diagnose, daß allein Gott über Sieg und Niederlage entscheide und nur eine moralische Umkehr Gott in dieser Frage gnädig stimmen könne, verwundert sein Appell an die Zahlungswilligkeit seiner Zuhörer. Wenn die Sündhaftigkeit des englischen Volkes die Niederlage in Cadiz bescherte, dürften auch zusätzliche Finanzmittel für die Krone am Ausgang der fortdauernden Auseinandersetzung mit Spanien nichts ändern. Der hier zutage tretende Widerspruch läßt sich nur dann auflösen, wenn man in der Zahlung der notwendigen Geldmittel selbst bereits einen Beitrag zur Umkehr erkennt. Sponsoring für den König erscheint dann Hampton zufolge als bester Weg, um Gott gnädig zu stimmen.

5. Abgaben zahlen als Glaubensakt: Die forced-loan-Kontroverse (1626–1627) Im Laufe des Jahres 1626 sollte sich bald herausstellen, daß der Finanzbedarf der Krone mit der benevolence, also den freiwilligen Geldzahlungen in den Grafschaften und Stadtgemeinden, nicht zu decken war.387 Die Nachricht von der vollständigen Niederlage seines Verbündeten Christian IV., der vergeblich auf englische Subsidienzahlungen hatte warten müssen, führte Karl I. einmal mehr seine finanzielle Notlage vor Augen und veranlaßte ihn dazu, nunmehr eine Zwangsabgabe zu erheben, mit der die notwendigen Gelder eingetrieben werden sollten.388 Diese Abgabe war zwar ein großer Erfolg, um die notwendigen Geldmittel für die Politik des Königs einzutreiben.389 Dieser Vorteil war indes erkauft mit einer nachhaltigen Vergiftung des innenpolitischen Klimas. In zahlreichen Grafschaften kam es bei der Eintreibung der Mittel zu Protestbekundungen und teilweise offenem Widerstand, mehrere Mitglieder der Gentry weigerten sich rundheraus, die erzwungene Abgabe zu leisten. Siebzig Gentlemen wurden daher ohne Gerichtsverfahren inhaftiert, fünf von ihnen bestanden darauf, den genauen Grund der Verhaftung zu erfahren, worauf ihnen nur mitgeteilt wurde, sie seien

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Ebd., S. 33. Cust, Forced Loan, S. 33–39. Hughes/Larkin (Hrsg.), Stuart Royal Proclamations, Bd. 2, S. 110–112; Cust, Forced Loan, S. 99–102; Sharpe, Personal Rule, S. 15. Die Proklamation erfolgte am 7. Oktober. Zur Frage, ob der König selbst oder aber Buckingham diese Abgabe initiierte, vgl. Richard Cust, Charles I, the Privy Council, and the Forced Loan, in: JBS 24 (1985), S. 208–235, hier S. 215. Bereits im Sommer 1627 kam mit der forced loan eine Summe von 240 000 £ in die königlichen Kassen, und damit mehr, als das Parlament des Jahres 1626 vor seiner Auflösung an Steuern zu bewilligen bereit war; Cust, Forced Loan, S. 47.

5. Die forced-loan-Kontroverse

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auf besondere Anweisung des Königs inhaftiert worden.390 Die Frage nach der Legitimität königlicher Abgaben ohne Parlamentsbewilligung und der Vorgang der Verhaftung ohne Gerichtsurteil, der sogenannte Five Knights’ Case, rückte nun in den Mittelpunkt öffentlicher Aufmerksamkeit und Debatte.391 Die Zwangsabgabe wurde mit dem Verweis auf die politische Notlage erhoben, in der sich der König und mit ihm ganz England befanden. Zugleich fand die politische Maßnahme bei einigen Geistlichen wortgewaltige Fürsprecher, nachdem der Klerus des Landes ausdrücklich dazu angehalten worden war, die Zwangsabgabe vor den Zuhörern mit den Mitteln der geistlichen Rede zu rechtfertigen.392 Im Jahr 1627 gingen insgesamt drei Predigten in Druck, deren Autoren es sich zur Aufgabe gemacht hatten, die Herrschaftsgewalt des Königs in den Mittelpunkt zu stellen und auf diese Weise die forced loan zu verteidigen.393 Die Predigten von Robert Sibthorpe und Roger Manwaring taten dies auf eine Art und Weise, daß sie beide während des im folgenden Jahr zusammengerufenen Parlaments Gegenstand eines Impeachmentverfahrens wurden.394 Als Grund hierfür nannte Glenn Burgess deren direkte Einmischung in Fragen des Steuerbewilligungsrechts des Parlaments und damit in politische Abläufe hoher politischer Brisanz. Der Autor Isaac Bargrave hätte zwischen dem divine right of kings und dem Recht des Königs, Abgaben ohne Parlament zu erheben, allerdings keinen Zusammenhang hergestellt, weshalb ihm ein Impeachmentverfahren erspart geblieben sei.395 Diese Aussage gilt es im folgenden zu prüfen. Robert Sithorpe war bestrebt, sein politisches Anliegen möglichst klar und deutlich zu formulieren. Damit provozierte er nicht nur den Widerspruch des Parlaments. Auch im Kreis der politischen Entscheidungsträger im Umfeld Karls I. war nicht jedermann von der Richtigkeit der Eskalationsstrategie überzeugt. So weigerte sich der Erzbischof von Canterbury, George Abbot, dem Traktat die Druckerlaubnis zu erteilen, obwohl Karl I. dies ausdrücklich angewiesen hatte. Dies mag auch damit zusammenhängen, daß Abbot ohnehin nicht 390 391

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Lockyer, Early Stuarts, S. 223 f.; Mark Kishlansky, Tyranny Denied. Charles I, Attorney General Heath, and the Five Knights’ Case, in: HJ 42 (1999), S. 53–83, hier S. 60 f. Vgl. hierzu John A. Guy, The Origins of the Petition of Right reconsidered, in: HJ 25 (1982), S. 289–312; eine substantielle Neubewertung des Vorfalls wurde kürzlich unternommen von Kishlansky, Tyranny Denied. Instructions Directed from the King’s most Excellent Majestie unto all Bishops of this Kingdom and Fit to be Put in Execution Agreeable to the Necessitie of the Time, verabschiedet am 20. September 1626; vgl. Cust, Charles I, the Privy Council, S. 218. Cust, Forced Loan, S. 62–67. Cust spricht von vier Predigten. Er rechnete die Predigt von Matthew Wren, A Sermon Preached Before the Kings Majestie, Cambridge 1627 [sic!] auch mit dazu, ohne zu beachten, daß infolge des Jahreswechsels diese Predigt gemäß heutiger Jahreszählung (s. o. S. 1 Anm. 1) erst am 17. Februar 1628 erfolgte. Zur Datierung vgl. Suellen M. Towers, Control of Religious Printing in Early Stuart England, Woodbridge 2003, S. 169. Wrens Predigt stand denn auch nicht im Kontext mit der Propagierung der forced loan. Eine neue Deutung des Kontextes findet sich in Fincham/Tyacke, Altars Restored, S. 134 f. Harry F. Snapp, The Impeachment of Roger Maynwaring, in: Huntington Library Quarterly 30 (1966/67), S. 217–232. Burgess, Absolute Monarchy, S. 110.

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zu den Befürwortern der forced loan zählte und eine Einberufung des Parlaments zur Mittelbeschaffung lieber gesehen hätte.396 Für den Erzbischof hatte diese Haltung nachhaltige Folgen. Er wurde zeitweise auf seine Güter in Kent verbannt, seine Funktion als Erzbischof wurde kommissarisch von fünf Bischöfen des Landes ausgeübt.397 Erst während der Parlamentssitzungen im Jahr 1628 sollte Abbot sein Amt wieder voll ausfüllen können, seine Autorität im Umkreis des Königs war jedoch für immer verloren. Auch den Druck der Sibthorpepredigt hat er nur kurz hinauszögern, nicht aber aufhalten können. An seiner Statt erhielt die Predigt vom Bischof von London, George Montaigne, die Imprimatur.398 Bereits in der Überschrift seiner Predigt macht Sibthorpe deutlich, worum es ihm geht: „shewing the duty of subjects to pay tribute and taxes to their princes, according to the Word of God, in the law and the Gospell, and the rules of religion, and cases of conscience“.399 Um den Beweis anzutreten, daß die Zahlung von Abgaben eine religiöse Pflicht sei, die in der Heiligen Schrift jedem Gläubigen auferlegt werde, greift er mit Röm 13 auf das Allheilmittel des obrigkeitlichen Diskurses zurück. Sibthorpe stützt sich insbesondere auf den siebten Vers: „So gebt nun jedem, was ihr schuldig seid: Steuer, dem Steuer zusteht; Zoll, dem Zoll zusteht; Achtung, dem Achtung gebührt; Ehre, dem Ehre gebührt“. Sibthorpe ermahnt seine Zuhörer und Leser, daß sie diese von Paulus angemahnte Untertanenpflicht nicht nur in Momenten unmittelbarer Notwendigkeit und politischer Zwangslagen leisten sollten, sondern freudig und freiwillig dieser Pflicht nachzukommen hätten.400 Selbst eine Steuer, die durch die Gesetze des Landes nicht rechtmäßig sei, hätten die Untertanen zu entrichten, um damit der Gewissenspflicht des schuldigen Gehorsams nachzukommen.401 Außerdem sei durch die lex dei jegliche Art der Besteuerung als rechtmäßig anzusehen, wie Sibthorpe unter Bezug auf die Rede Samuels über die Folgen der von Israel geforderten Königsherrschaft deutlich macht.402 Sibthorpe läßt keinen Zweifel daran, daß es sich bei 1 Sam 8,11–17 um eine Aufzählung der königlichen Herrschaftsrechte handelt, nicht aber um die Beschreibung einer Tyrannenherrschaft.403 Diese Lesart von Samuels Rede über die Königsherrschaft sichert Sibthorpe durch Verweis auf weitere alttestamentliche Bibelstellen ab. In Koh 3,4 sieht er 396 397 398 399

400 401 402 403

Rushworth, Historical Collections, Bd. 1, S. 454. Vgl. hierzu auch Cust, Charles I, the Privy Council, S. 216. Kenneth Fincham, Art. George Abbot (1562–1633), in: ODNB 1 (2004), S. 15–26, hier S. 24 f. J. Fielding, Art. Robert Sibthorpe (d. 1662), in: ODNB 50 (2004), S. 500 f. Diese Imprimatur ist vor der Widmungsschrift an Karl I. mit abgedruckt. Robert Sibthorpe, Apostolike Obedience Shewing the Duty of Subiects to Pay Tribute and Taxes to their Princes, According to the Word of God, in the Law and the Gospell, and the Rules of Religion, and Cases of Conscience. A Sermon Preached at Northampton, at the Assises, for the Countie, Feb. 22. 1626, London 1627. Ebd., S. 6 f. Ebd., S. 16. Ebd., S. 17. Zu dieser Streitfrage s. o. Kap. IV 3a und V 2.

5. Die forced-loan-Kontroverse

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die alleinige Gesetzgebungskompetenz des Königs angesprochen, in Spr 16,10 die oberste Rechtssprechungskompetenz des Königs dargelegt. Auch einem Widerstandsrecht erteilt Sibthorpe eine klare Absage: „If Princes command any thing which Subjects may not performe, because it is against the lawes of 1. God, or of 2. Nature, or 3. impossible, yet Subjects are bound to undergoe the punishment without either resistance, or railing and reviling“.404 Es ist typisch für den scharfen Ton des Traktats, daß Sibthorpe bei der Beurteilung der Legitimität von Widerstand ausdrücklich einen Extremfall zur Grundlage seiner Erörterungen macht, den fast alle Autoren des divine right of kings gerne aussparten, nämlich den Konflikt zwischen dem Gesetz Gottes und dem Befehl des Königs. Er stellt klar, daß auch dieser Fall keine Rechtfertigung sei für Gehorsamsverweigerung oder offenen Widerstand. Die daraus resultierenden Konflikte für das Gewissen der Untertanen müsse jeder auf eine Weise regeln, die nicht den Befehlen des Königs zuwiderliefe. Sibthorpe nutzte die Extremfälle bei der Frage der Besteuerung und beim Widerstandsrecht, um darzulegen, wie weit die königliche Herrschaftsgewalt reichen könne, ohne daß man das Recht darauf habe, sich ihr zu verweigern. Keineswegs wollte er damit andeuten, daß sich diese Frage unter der Herrschaft Karls I. für die Untertanen stellte. Um die aktuelle politische Situation zu charakterisieren, greift Sibthorpe wie zahlreiche seiner Vorredner auch auf die Notwendigkeit zurück, den protestantischen Glaubensbrüdern zu Hilfe zu kommen und sich selbst vor einem Angriff der Glaubensfeinde zu schützen. Diese politischen Maßnahmen entsprächen vollständig dem Willen Gottes, sich ihnen zu verweigern hieße das Schicksal eines göttlichen Strafgerichts gegen England heraufzubeschwören, wie es auch bereits der Stadt Meroz zuteil geworden sei. Sibthorpe übernimmt hier die bereits etablierte Rede vom König als Glaubensstreiter im Auftrag Gottes, der für diese Aufgabe alle Unterstützung verdient, die er zum Erfolg nötig hat.405 Roger Manwarings Predigten über die Frage der forced loan wurden mindestens ebenso kontrovers debattiert wie diejenige Sibthorpes. Im Falle der Predigten Manwarings hatte selbst William Laud, einer der engsten Mitstreiter des Königs im Privy Council im Zusammenhang mit der forced loan, Bedenken, ob man ihnen mit der Drucklegung eine größere Öffentlichkeit verschaffen und damit die politische Diskussion weiter anheizen sollte.406 Karl I. setzte sich über derlei Bedenken hinweg ließ die Predigten „by his Majestie’s special command“ in Druck geben.407 Es konnte daher kein Zweifel darüber bestehen, daß Manwaring in 404 405 406

407

Sibthorpe, Apostolike Obedience, S. 13. Ebd., S. 20–22: „to defend religion and the law of God“. Lauds Vorschlag war, „to think better of it that there were many things therein which will be very distasteful to the people“; zit. n. Cust, Forced Loan, S. 62. Zu Lauds Rolle bei den Beratungen des Privy Council vgl. Cust, Charles I, the Privy Council, S. 216. Roger Manwaring, Religion and Alegiance in Two Sermons Preached before the Kings Maiestie: the One on the Fourth of Iuly, Anno 1627, at Oatlands. The Other on the 29. of Iuly the same Yeere, at Alderton. By his Maiesties Speciall Command, London 1627.

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seiner Argumentation zugleich auch die Position des Königs zum Ausdruck brachte. Manwaring hat seine Gedanken über den Zusammenhang von Religion und Gehorsam im Juli 1627 in zwei Predigten vor den Augen des Königs vorgetragen. In beiden Predigten bediente er sich dabei einer ähnlichen Argumentation. Ausgangspunkt war stets das Verhältnis zwischen der Herrschaft Gottes und des Königs: Die göttliche Gewalt sei unabhängig, die des Königs sei abgeleitet von Gott. Könige partizipierten daher in ihrer Herrschaft an der Herrschaft Gottes, sie verdankten ihr Amt und ihre Herrschaftsgewalt nicht den Menschen.408 In einer der beiden Predigten griff Manwaring auch auf den Patriarchalismus zurück, um die Unabhängigkeit der königlichen Herrschaft von menschlichen Einflüssen zu unterstreichen: Adam habe seine Herrschaftsrechte bereits durch die Schöpfung innegehabt, „before ever there was either Pope, or People“.409 Der zweite Schritt in der Argumentation ergab sich als gleichsam zwangsläufige Konsequenz einer nur von Gott abgeleiteten Krongewalt: Jeder Widerstand gegen Anweisungen und Edikte des Königs sei nicht nur Ungehorsam, sondern Frevel, und gefährde das Seelenheil. Allein Befehle gegen das Gesetz Gottes seien nicht in gleicher Weise bindend, eine Einschränkung, die etwas weiter geht als im Falle der Argumentation Sibthorpes.410 Daraus zieht Manwaring nun in einem dritten Schritt die Konsequenz, daß eine solche Gehorsamspflicht auch bestünde, falls der König aufgrund von necessitas und Dringlichkeit Abgaben erheben sollte. Auch das Parlament dürfe sich den Steuerwünschen des Königs nicht entziehen, da auch diese Institution sich an Christus Weisung halten müsse: Gebt Caesar, was Caesars ist (Mt 22,21). Da aber weltliche Gesetze nichts anderes bestimmen könnten, als durch das göttliche Gesetz und das Naturrecht bindend geregelt sei, komme es dem König als prinzipielles Herrschaftsrecht zu, Steuern und Abgaben einzufordern.411 Wer sich hiergegen auflehne, verhalte sich wie die Rotte Corah, die gegen Moses aufbegehrte, und dafür von Gott bei lebendigem Leibe verbrannt wurde (Num 16).412 Die Predigten Manwarings und Sibthorpes zeichnen sich dadurch aus, daß sie direkt auf die aktuelle politische Situation Bezug nahmen und dem König mit den Mitteln des Biblizismus ein Sonderbesteuerungsrecht in Notzeiten ausdrücklich zuerkannten. Dabei war es aber wohl nicht nur die Einmischung in eine konkrete politische Kompetenzstreitigkeit zwischen König und Parlament allein, die die 408 409 410

411 412

Ebd., S. 8–13 (1. Predigt) und S. 10 f. (zweite Predigt). Die beiden Predigten haben keine durchgehende Paginierung. Ebd., S. 13 (1. Predigt). Ebd., S. 17–19 (1. Predigt). In der zweiten Predigt (S. 18–23) erwähnt Manwaring auch die klassischen Bibelstellen: Mt 22,21; Spr 24,21; 1 Petr 2,17; Koh 8. Um den Vorbehalt bei königlichen Befehlen, die eindeutig gegen das Gesetz Gottes gerichtet sind, mit einem biblischen Beispiel zu illustrieren, greift er auf den Befehl zur Verehrung des Bildnisses Nebukadnezars zurück (S. 41 f.) Ebd., S. 27–29 (1. Predigt) und S. 47 (2. Predigt). Ebd., S. 47 (2. Predigt).

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Brisanz dieser Predigten ausmachte. Vielmehr war es in Augen der protestierenden Abgeordneten unerhört, daß die Aussagen zum Besteuerungsrecht der Bibel entnommen wurden und die Gesetze des Landes dadurch in ihrer politischen Relevanz in Frage gestellt wurden. Wie Burgess zu Recht festgestellt hat, wurde das divine right of kings in England erst in dem Moment zu einem Gegenstand der politischen Auseinandersetzung, wenn deren Befürworter den Anschein erweckten, damit das common law als Grundlage politischer Entscheidungsfindung zu ersetzen, statt beide Sprachen als komplementär anzusehen. Der Hofkaplan Isaac Bargrave war der dritte im Bunde, der mit einer Predigt die Legitimität der forced loan unter Beweis stellen wollte. Er vertrat diese Auffassung allerdings auf implizite Art und Weise und entging damit einem Impeachmentverfahren durch das Parlament. Gleichwohl enthielt auch seine Predigt politischen Zündstoff. Bargrave setzte Ungehorsam mit Abgötterei und Götzendienst gleich.413 Er rief England zum nötigen Gehorsam auf, um weiterhin die Segnungen zu empfangen, die Gott England vor allen anderen Nationen zuteil werden ließ: ein protestantischer Glaube und Frieden im eigenen Land. Gott habe außerdem den König in England mit der Aufgabe betraut, diese Segnungen auch für die Zukunft sicherzustellen.414 Durch Ungehorsam wären all die Segnungen in Gefahr, drohten statt dessen Gottesstrafen an deren Stelle zu treten.415 Daß Saul Agag geschont und die Viehherden der Amalekiter nicht vernichtet habe, sondern den Herden Israels einverleibte, wurde ihm zum Verhängnis. Bargrave tut sein möglichstes, um dieses Vergehen in Anspielungen dem Vergehen anzugleichen, sich der forced loan zu verweigern: Israel habe nicht Gottes Auftrag im Sinn gehabt, sondern nur den schnöden Mammon. Saul habe Gottes Auftrag zuwidergehandelt, da er sich nach dem Wunsch seines Volkes richtete.416 Eigeninteresse sei an die Stelle Gottes getreten, so der Vorwurf, den Bargrave auch seinen Zuhörern in England nicht ersparte, und Ungehorsam sowohl gegenüber Gott als auch gegenüber dem König sei die Folge.417 Insbesondere prangerte er die bisweilen verlautbarte Haltung an, daß Gehorsam gegenüber dem König Verrat am eigenen Land sei.418 Des weiteren klagte er all diejenigen an, die ihre Haltung gegenüber dem König mit diversen Autoritäten begründeten, statt aus den klassischen Stellen der Schrift (1 Petr 2 und Röm 13) Gehorsam zu lernen.419 413

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Isaac Bargrave, A Sermon Preached before King Charles, March 27. 1627. Being the Anniversary of his Maiesties Inauguration, London 1627. Predigtstelle ist 1 Sam 15,23, wobei es hier allerdings eindeutig um den Ungehorsam gegenüber Gott geht, ein Vergehen, das sich Saul hatte zuschulden kommen lassen. Ebd., S. 9. Ebd., S. 10. Ebd., S. 11. Ebd., S. 14. Ebd., S. 18. Ebd., S. 19: „And therefore these men, who will doe nothing without text, might find Text enough for their obedience, not onely in my Text here, but in 1 Peter 2, where they are enjoyned to obey for the Lords sake and for conscience sake in the 13. to the Romanes 2. where to disobey is damnation“.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

Da Gott England mit einem König gesegnet habe, der entschlossen sei, Amalek zu vernichten, rief Bargrave England dazu auf, dem König Gehorsam zu sein.420 In all diesen Mahnungen und Vorwürfen ist nie ausdrücklich von der forced loan die Rede. Einige der von Bargrave allgemein angesprochenen Mißstände erhalten jedoch nur im Kontext dieser Kontroverse einen spezifischen Sinn. Wer sich der forced loan mit dem Argument verweigerte, diese Abgabe verstoße gegen die Gesetze des Landes, sei daher unrechtmäßig und dürfe nicht geleistet werden, unterscheidet tatsächlich zwischen dem Befehl des Königs und dem Interesse des Landes. Und wer in diesem Zusammenhang die Gesetze des Landes und die Autoritäten des common law bemühte, muß sich von Bargrave auf Aussagen in der Heiligen Schrift hinweisen lassen, der auch in dieser Frage die größte Autorität zukommen müsse. Zum Abschluß erinnerte Bargrave schließlich noch an die von Karl I. selbst gewählte Rolle des Vorkämpfers für den wahren Glauben, der in Gottes Auftrag gegen Amalek zu Felde zieht. Diesen Kampf nicht zu unterstützen hieße zugleich, sich Gottes Auftrag zu verweigern. Hinweise auf die aktuelle politische Situation sind durchaus in der Predigt enthalten. Sie bleiben aber implizit, lassen für den Zuhörer daher auch eine Deutung zu, die weniger ausdrücklich mit dem Streit um die Zwangsabgabe verknüpft ist und damit an politischer Schärfe einbüßt. Letztlich bleibt es dem Rezipienten überlassen, in welchem Grad er die Predigt als Beitrag zur forced-loan-Kontroverse ansieht. Gleichwohl blieb die Predigt Bargraves in der Wahrnehmung mancher Zeitgenossen keineswegs so harmlos wie Burgess vermutet. So war für den Abgeordneten für Canterbury, Thomas Scott, die Predigt Bargraves, der zu diesem Zeitpunkt Dekan des Domkapitels in Canterbury war, der Anlaß für einen längeren Eintrag in sein Tagebuch. Ihm ging es dabei insbesondere um das Verhältnis von Gottesgehorsam und Königsgehorsam. Bei Bargrave erscheint Karl I. in der Rolle desjenigen, der den Auftrag Gottes zur Vernichtung der Amalekiter ohne Abstriche umsetzen möchte. All diejenigen, die ihm dabei die notwendige Unterstützung verweigerten, sieht Bargrave in der Rolle des Königs Saul, der dem Auftrag Gottes nur unzureichend nachkam und darauf verzichtete, den König der Amalekiter zu töten. Der Gehorsam zu Gott macht den Gehorsam zu König Karl I. notwendig, so Bargraves suggestiver Kommentar, da er keineswegs den Fehler Sauls wiederholen wolle. Scott hingegen reflektiert in seinem Tagebuch über einen möglichen Widerspruch zwischen Gottsgehorsam und der Treue zum König: Sollte der König sich der Notwendigkeit verweigern „to kill Agag“, müßte das Parlament an Stelle des Königs handeln.421 Mit dieser Notiz gibt sich Bargrave als ein Anhänger des Widerstandsrechts in bestimmten Situationen zu erkennen. Sofern der König dem Willen Gottes nicht oder nur unvollständig Folge leistete, habe das Parlament das Recht und die 420 421

Ebd., S. 20. Clark, Thomas Scott, S. 18 f.; vgl. ferner Cesare Cuttica, Kentish Cousins at Odds. Filmer’s Patriarcha and Thomas Scott’s Defence of Freeborn Englishmen, in: History of Political Thought 28 (2007), S. 599–616.

5. Die forced-loan-Kontroverse

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Pflicht, dies an seiner Stelle zu tun. Auch sieht Scott Karl I. im Gegensatz zu Bargrave durchaus unter bestimmten Bedingungen in den Fußstapfen Sauls. Dies entscheidet sich letztlich erst in der Zukunft anhand der Frage, ob er dazu bereit sei, dem Befehl der Tötung Agags nachzukommen oder nicht. Dabei ist bei Scott allerdings reichlich unbestimmt, wen unter seinen Zeitgenossen er als Verkörperung Agags im Sinn hatte. Während es sich für Bargrave nur um eine Personifizierung der Glaubensfeinde generell handelte, also wohl die Spanier damit gemeint waren, so ist dies im Falle von Scott eher unwahrscheinlich. Viel eher scheint sich hinter Agag Buckingham zu verbergen, der auch in Scotts Tagebuch für die politischen Mißstände verantwortlich gemacht wurde und dessen Verurteilung durch das Parlament Karl I. bislang verhinderte. Bargraves Predigt mochte daher über die forced loan keine explizite Aussage getroffen haben, sie veranlaßte aber gleichwohl einen Abgeordneten der Parlamente von 1626 und 1628 dazu, sich ernsthaft Gedanken über die Legitimität politischen Widerstands gegen den König zu machen. Die Frage nach der Legitimität der forced loan war das eine, die Frage nach dem damit erzielten politischen Erfolg das andere. Mit der Abgabe konnte sich die Krone die dringendsten Finanzmittel beschaffen, um damit militärisch tätig zu werden. Die Art und Weise, wie das geschah, vermochte die zahlreichen Kritiker der Abgabe indes kaum zum Schweigen zu bringen. Laut der offiziellen Begründung der forced loan, die in den vom König initiierten Predigten überall im Land sowie in den in Auftrag gegebenen Predigten seiner Hofkapläne gegeben wurde, diente die Zwangsabgabe der Notwendigkeit, sich gegen Spanien zu behaupten. Dieses politische Ziel dürfte in England prinzipiell weniger strittig gewesen sein als die Art und Weise, wie Karl I. es innenpolitisch zu verwirklichen suchte. Dabei waren es nicht nur die knappen Kassen, die Englands Erfolgschancen in dieser Auseinandersetzung minimierten. Entgegen aller Absprachen zeigte sich Frankreich keineswegs als zuverlässiger Bündnispartner. Ludwig XIII. machte keinerlei Anstalten, gegen Spanien in den Krieg zu ziehen, und setzte statt dessen seine Truppen dazu ein, La Rochelle zu belagern und den Aufstand der dortigen Hugenotten niederzuschlagen.422 Buckingham machte für diesen Kurswechsel Richelieu persönlich verantwortlich und versuchte mit militärischen Drohgebärden Frankreich zur Einhaltung des vereinbarten Kriegskurses gegen Spanien zu zwingen.423 Die Konsequenz dieses Vorgehens war im Sommer 1627 ein propagandistisch groß aufgezogener Feldzug unter dem persönlichen Kommando von Buckingham, um die Insel Ré unweit der Festungsstadt La Rochelle zu besetzen und von dort aus weitere Interventionen in Frankreich vornehmen zu können.424 Die Mittel für diesen Feldzug stellten die Einnahmen aus der forced loan bereit. 422 423 424

Zu den politischen Ursachen für diesen Kurswechsel vgl. David Parrott, Richelieu’s Army. War, Government and Society in France 1624–1642, Cambridge 2001, S. 87–91. Lockyer, Early Stuarts, S. 28. Thomas Cogswell, The People’s Love. The Duke of Buckingham and Popularity, in: Cogswell/Cust/Lake (Hrsg.), Popularity, S. 211–234.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

Buckinghams hoher persönlicher Einsatz in diesem Unternehmen mochte ein weiterer Versuch gewesen sein, die Zweifel an seiner Person auszuräumen.425 Angesichts der bisherigen Entwicklung des Krieges und der allgemeinen Mißstimmung gegen die Regierungspraxis der letzten Jahre wäre hierfür aber ein grandioser Sieg die notwendige Voraussetzung gewesen. Statt dessen endete die Expedition zur Insel Ré nach anfänglichen Erfolgen gleichfalls als Debakel. Nach großen Verlusten mußten sich die englischen Truppen im Herbst nach England zurückziehen.426 Zusätzlich zu den zahlreich erklingenden Klagen und Protesten über die englische Kirchenpolitik und die faktische Duldung der Katholiken in England kam noch der Kriegsverlauf, der die Inszenierung Karls I. als Vorkämpfer für die bedrängten Protestanten im Reich und in Frankreich zu Makulatur werden ließ. Buckingham und Karl I. blieben den Beweis schuldig, daß Gott in ihrem Kampf gegen Spanien und Frankreich an ihrer Seite stand. Gleichwohl sollte es noch ein weiteres Jahr dauern, bis sich Karl I. endgültig von der Rolle eines „Heiligen Kriegers“ verabschieden sollte.

6. Schuldzuweisungen (1628–1629) Die Ereignisse des Jahres 1627 ließen eine erneute Einberufung des Parlaments unausweichlich erscheinen. Für das Jahr 1628 berief Karl I. daher für Anfang März die Abgeordneten zu erneuten Beratungen zusammen. Zur Einstimmung suchte der Bischof von Lincoln, John Williams, bereits im Vorfeld die Wogen zu glätten und die Mitglieder des Oberhauses zur Zurückhaltung zu ermahnen. In einer Predigt an Aschermittwoch schilderte er den versammelten Bischöfen und den Lords des Oberhauses das Beispiel Hiobs in leuchtenden Farben.427 Dessen Geduld in Momenten größter Bedrängnis sei für alle ein Vorbild, Hiob sei in dieser Haltung ein Typus Christi.428 Der Segen, der ihm zum Ende seines Lebens so reichhaltig 425

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Im Unterhaus wurde während der Session des Jahres 1626 auch der Vorwurf laut, Buckingham habe trotz seines Amtes als Admiral nicht persönlich das Kommando übernommen; Lockyer, Buckingham, S. 313; auch in Pamphleten dieses Jahres findet sich dieser Vorwurf; Frederick W. Fairholt (Hrsg.), Poems and Songs Relating to George Villiers, Duke of Buckingham and his Assassination, London 1850, S. 6–9. Der Versuch der Wiedergewinnung öffentlicher Reputation war auch der Grund dafür, daß die Öffentlichkeit in England kontinuierlich mit neuesten Erfolgsnachrichten vom Landungsunternehmen auf der Insel Ré versorgt wurde, solange es Erfolge zu vermelden gab; A Catalogue of all the Kings Ships, as also of all other Ships, and Pinnaces, together with their Squadrons, Captaines, Burthen, Seamen, and Landmen, Set forth in His Maiesties Service, the 27 of Iune, 1627, [London 1627]; A Iournall of all the Proceedings of the Duke of Buckingham his Grace, in the Isle of Ree, London 1627; A Continued Iournall of all the Proceedings of the Duke of Buckingham his Grace, on the Isle of Ree, a Part of France, from the Beginning untill this 17. of August, London 1627. Lockyer, Buckingham, S. 378–404. John Williams, Perseverantia Sanctorum. A Sermon of Persevering in Patience, Repentance, and Humiliation, in Time of Afflictions, Preached before the Lords of the Parliament, at the last Generall Fast, upon Ash-Wednesday, the 18. Day of February 1628, at the Collegiat Church of S. Peter in Westminster, London 1628. Ebd., S. 3 u. 8.

6. Schuldzuweisungen

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zuteil werde, sei die direkte Konsequenz seiner Geduld, seiner Glaubensfestigkeit und seines stillen Leidens.429 Den Abgeordneten empfahl Williams die gleiche Haltung wie Hiob: Geduld und Vertrauen auf den Segen Gottes am Ende. Die bisherigen Rückschläge dürften dagegen kein Anlaß für Zweifel und Vorwürfe sein, sondern zählten zu den Prüfungen der Zeit, die alle klaglos zu erleiden hätten.430 Öffentlicher Disput führe hingegen zu einer Entfremdung zwischen dem König und seinem Volk und setze den zu erwartenden Segen Gottes aufs Spiel.431 König Karl I. fügte diesem Aufruf zur Duldsamkeit in seiner Rede vor dem Parlament eine weitere Botschaft hinzu. Als das erste von zahlreichen Parlamenten in den 1620er Jahren zusammentrat, war Jakob I. strikt entschlossen, Krieg wenn irgend möglich zu vermeiden, während sowohl im Ober- als auch im Unterhaus einige Abgeordnete darauf drangen, gegen Spanien zu Felde zu ziehen. Im Parlament des Jahres 1628 waren die Rollen umgekehrt. Während im Parlament jeglicher Enthusiasmus für eine Fortsetzung des Krieges verflogen war, war es nun Karl I., der auf eine Fortsetzung der militärischen Anstrengungen bestand.432 Der Einschluß der Hugenotten in La Rochelle und deren Aussicht auf den kollektiven Hungertod, den die Protestanten auch infolge der englischen Mißerfolge in der Stadt zu erwarten hatten, sollte ihnen nicht doch noch von außen Hilfe zuteil werden, ließ dem König aus seiner Sicht keine andere Wahl, wenn er seine Ehre auf dem internationalen Parkett nicht vollends aufs Spiel setzen wollte. Buckingham bereitete eine weitere Flottenaktion vor La Rochelle vor, und der König bat das Parlament um die hierfür notwendigen Mittel.433 Dabei zog Karl I. bzw. seine engere Umgebung eine spezifische Konsequenz aus dem Narrativ des „Heiligen Krieges“: Wenn die englischen Kriegshandlungen im Auftrag Gottes erfolgten, um den Glaubensbrüdern zur Seite zu stehen und vor den Feinden des Glaubens zu bewahren, hatte dann nicht das Parlament die Pflicht, die notwendige Finanzierung ohne Umschweife bereitzustellen? War nicht eine Verweigerung finanzieller Unterstützung ein Akt direkten Ungehorsams gegenüber Gott? Und war der König im Falle eines solchen Ungehorsams nicht seinerseits verpflichtet, die Finanzmittel auf andere Weise zu beschaffen, um Gottes Auftrag nachzukommen, auch wenn dabei die Gesetze des Landes dem entgegen standen?434

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Ebd., S. 34. Ebd., S. 54: „the most deplorable case of our distressed Brethren in the Palatinate, and other places, where, in regard of any free profession of the true Religion, the fire of God seems to have fallen from heaven, and to have consumed all“. Ebd., S. 40: „Nothing dries up faster then a publique teare; it seldome continues moist a whole day. Faction, ambition, and private ends, by separating a Good King from a Good people, a good people from a good King, and so both King, and People (for the time) from the wanted benedictions of a good, and gracious God“. Russell, Parliaments, S. 340 f. Lockyer, Buckingham, S. 419–426. CSPD 1628–29, S. 533 (April 1628). Zur Frage der Autorschaft des Memorandums vgl. Sharpe, Personal Rule, S. 45 f.

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Karl konfrontierte das Parlament mit der Aussage: „These Times are for Action; wherefore, for Example Sake, I mean not to spend much Time in Words“.435 Oberstes Ziel müsse es sein, den Glaubensbrüdern zu Hilfe zu eilen und auf diese Weise die Gefahr für den wahren Glauben abzuwenden. Die Prioritätenliste der Abgeordneten sah indes anders aus. Der „Heilige Krieg“ stand hier nicht länger auf der Tagesordnung. Statt dessen ging es im Unterhaus als Reaktion auf die forced loan und die Verhaftungen zahlreicher Mitglieder der Gentry zunächst vor allem darum, die in England seit der Magna Charta verbrieften Freiheitsrechte zu sichern. Daraus entwickelte sich alsbald ein Prinzipienkampf um die Reichweite der königlichen Prärogativrechte und die genaue Auslegung der Magna Charta. Im Zusammenhang mit diesen Debatten, die schließlich in die Petition of Right münden sollten, gewannen auch die Predigten von Roger Manwaring und Robert Sibthorpe die Aufmerksamkeit des Unterhauses. John Pym empfahl in einer Rede die Aufnahme eines Impeachmentverfahrens gegen Manwaring, da dessen Plädoyer für ein Besteuerungsrecht des Königs auch ohne die Bewilligung des Parlaments ein Angriff auf die Fundamentalrechte des Landes sei, die Änderung der Verfassung und letztlich deren Ruin zur Folge hätte.436 Ferner ginge Manwarings Auslegung von Mt 22,21 (Gebt Caesar, was Caesars ist) in die Irre, da die Juden von den Römern erobert worden seien und daher deren absolute Herrschaft zu erdulden hätten, während in England die Königsherrschaft durch Gesetz und Herkommen geregelt sei.437 Am 4. Juni klagte das Unterhaus Manwaring offiziell an, die Gesetze und das Herkommen in England verunglimpft und die Rechte und Freiheiten der Bürger in Frage gestellt zu haben.438 Während sich diese Anklage nur auf die politischen Folgerungen bezog, die Manwaring in seinen beiden Predigten aus seiner spezifischen Bibelexegese ableitete, stand vor dem Oberhaus auch seine Exegese selbst unter Beschuß. Nachdem Manwaring sich vor den versammelten Lords und den Bischöfen des Landes mit den Worten rechtfertigte, seine Aussagen nur in einer spezifischen politischen Notlage getroffen zu haben, ohne damit die Rechte des Parlaments oder die Gesetze des Landes in Frage stellen zu wollen, ergriff der Erzbischof Abbot das Wort und nutzte die Chance zur Abrechnung. Er warf Manwaring für seine spezifische Auslegung des 82. Psalms („Ihr seid Götter“) nichts weniger als Blasphemie vor, da er den König in unziemlicher Weise mit Gott gleichgesetzt habe. Dies ging auch in den Urteilsspruch des Oberhauses ein, der Manwarings Bestrafung vorsah „for attributing unto the King a Participation of God’s Omnipotency, and an absolute Power of Government; for his scandal-

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Lords’ Journal, Bd. 3, S. 686–689 (17. März 1628). Ein Auszug dieser Rede findet sich in Kenyon, Stuart Constitution, S. 14–16. Ebd., Vgl. ferner Conrad Russell, The Parliamentary Career of John Pym 1621–1629, in: Peter Clark/Alan G.R. Smith/Nicholas Tyacke (Hrsg.), The English Commonwealth 1547–1640. Essays in Politics and Society Presented to Joel Hurstfield, Leicester 1979, S. 147–165 u. 248–253. Commons’ Journal, Bd. 1, S. 908 f.

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ous Assertions against Parliaments; and for branding those Gentlemen who refused the late Loans with Damnation“.439 Der Rachedurst des Parlaments war jedoch mit dem Fall von Roger Manwaring nicht zu stillen. Im Juni 1628 richteten sich die Angriffe erneut gegen den Herzog von Buckingham, zusammengefaßt in einer Beschwerdeschrift an den König.440 Karl ließ sich erneut nicht dazu veranlassen, seinen Favoriten zu opfern – er verschob statt dessen weitere Parlamentssitzungen auf den Herbst; aufgrund weiterer Verzögerungen trat das Parlament erst im Frühjahr 1629 wieder zusammen. Buckingham sollte das erneute Zusammentreten des Parlaments jedoch nicht mehr erleben. Der Leutnant John Felton, der an dem mißglückten Unternehmen auf der Insel Ré teilgenommen hatte, zog mit der Ermordung des Favoriten in Portsmouth seine persönliche Konsequenz aus den Vorwürfen und den Beschweren des Parlaments und berief sich explizit auf die Remonstance als Rechtfertigung für seine Tat.441 Auch der Abdruck des vor seiner Hinrichtung vorgenommenen Schuldeingeständnisses konnte nicht verhindern, daß zahlreiche Personen Felton für seine Tat beglückwünschten und manche in ihm gar einen Boten Gottes sahen, der am Favoriten Karls I. die notwendige Strafe vollzog.442 Die Rechtfertigung von Buckinghams Tod erfolgte zum einen in der Sprache des civic humanism.443 Aber auch biblische Exempla trugen das ihre dazu bei, die Ermordung des Favoriten gerechtfertigt erscheinen zu lassen.444 In einer Flugschrift wurde der Mörder als David ebenso gepriesen wie als Pinhas und Ehud.445 Diese Untergrundpublizistik 439 440 441 442

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Lords’ Journal, Bd. 3, S. 852–854. Commons’ Debates in 1628, Bd. 4, S. 257; vgl. ferner Gardiner, History of England, Bd. 6, S. 317. CSPD 1628–29, S. 271. The Prayer and Confession of Mr. Felton, Word for Word as hee Spake it Immediately before his Execution Novem. 29, London 1628, S. 4: „Gentlemen to satisfie you; know that in this Bloody and haynous fact that I have commited, I was seduced by the Divell“. Und S. 5: „I beseech you, none of you thinke that the fact was done well“. Hierzu reichte es bereits aus, ein Werk über den Prätorianerpräfekten Sejan nach dem Tod Buckinghams wieder auf den Buchmarkt zu bringen; Pierre Matthieu, The Powerfull Favorite, or, The Life of Aelius Seianus, o. O. 1628: „Seianus hath raised him selfe upon the Ruines of the State, the State must raise itselfe upon the ruines of Seianus“. In einer Flugschrift wurde Buckingham mit Achan verglichen (Jos 7), dessen Verstoß gegen Gottes Weisung, sich nicht am Banngut Jerichos zu vergreifen, Israel gegen die Amoniter Niederlagen bescherte, bis er aufgrund seiner Verfehlungen gesteinigt wurde; Fairholt (Hrsg.), Poems and Songs, S. 50; Ins selbe Horn blies auch Henry Burton, Israels Fast. Or, a Meditation upon the Seventh Chapter of Joshuah a Faire Precedent for these Times, London 1628, Fol. A3v–A4r. Zugleich setzte Burton aber auch die arminianischen Bischöfe mit Achan gleich (Ebd., S. 32). „When David had Goliah cast to ground,/How full was Israel’s campe with joyfull sound!/ […] All deaths I would contemne, my lives all bring,/My God to honour, my countrie free, and king./I Know what Phinees did; and Hebers wife,/And Ehud, Israells judges, with Eglons wife:/And I did heare, and see, and know, too well,/What evill was done our English Israell:/ And I had warrant seal’d, and sent from heaven,/My work to doe: and soe the blow is given“; Fairholt, Poems and Songs, S. 73.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

stieß auf große Resonanz: Der Transport Feltons als Gefangener noch London wurde von Menschenmassen begleitet. In Kingston empfing ihn eine alte Frau mit den Worten: „God bless thee, little David“.446 In zahlreichen englischen Städten kursierten Flugschriften, in denen Felton in Gedichten für seine Tat gepriesen wurde, die England von einer großen Last befreit habe.447 Auch zahlreiche Angehörige der politischen Führungsschicht sahen bei der Ermordung Buckinghams die Hand Gottes im Spiel.448 Mit dem Tod Buckinghams im August und dem Fall La Rochelles im Oktober 1628 war die Inszenierung Karls I. als Vorreiter eines „Heiligen Krieges“ und als Schutzherr der europäischen Protestanten endgültig gescheitert. Die Annahme der Rolle, die die Kritiker der Friedenspolitik Jakobs I. für den König vorgesehen hatten, war Karl I. nie wirklich glaubwürdig gelungen. Hinzu kam, daß sich der König vom Parlament geradezu verraten fühlte, da er zunächst zu militärischem Engagement gedrängt und ihm anschließend nicht die notwendigen Gelder zugesichert wurden, um im Krieg erfolgreich bestehen zu können. Der daraus resultierende Status- und Ehrverlust des Königs in Europa war in Karls Augen eine direkte Folge der Obstruktionspolitik einiger einflußreicher Widersacher im Parlament. Der König machte sich daher bereits im Sommer 1628 daran, die Politik des Landes in eine neue Richtung zu lenken. Zum einen nahm er diejenigen Entscheidungen zurück, zu denen er sich vom Parlament gedrängt fühlte, ohne dafür die seines Erachtens angemessene Gegenleistung erhalten zu haben. Dies betraf insbesondere die Abstrafung einiger Geistlicher, die sich im Sinne des Königs zu Wort meldeten, damit aber den Unmut des Parlaments hervorriefen. Conrad Russell faßte Karls Personalentscheidungen in Kirchenfragen treffend mit den Worten zusammen, daß die Kritik des Parlaments an einzelnen Geistliche für eine weitere Karriere innerhalb der Kirche offenbar das beste Empfehlungsschreiben gewesen sei: 1628 verurteilte das Parlament Manwaring zu einer langen Haftstrafe, aus der er kurz darauf durch einen Gnadenakt Karls I. entlassen und als Hofkaplan in dessen Dienste aufgenommen wurde. Richard Montagu, gegen den in den Parlamenten der Jahre 1624, 1625, 1626 und 1628 Vorwürfe laut wurden, er446 447

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Lockyer, Buckingham, S. 459. Thomas Cogswell, John Felton, Popular Political Culture, and the Assassination of the Duke of Buckingham, in: HJ 49 (2006), S. 357–385; Alastair Bellany, ‚Raylinge Rymes and Vaunting Verse‘. Libellous Politics in Early Stuart England 1603–1629, in: Sharpe/Lake (Hrsg.), Culture and Politics, S. 285–310 und S. 367–371; Ders., Libels in Action. Ritual, Subversion and the English Literary Underground 1603–1642, in: Tim Harris (Hrsg.), The Politics of the Excluded 1500–1800, New York 2001, S. 99–124, hier S. 106–110; Fairholt (Hrsg.), Poems and Songs, z. B. S. 53: „But howsoe’re it is, the case is plaine,/God’s hand was in’t, and the duke striv’d in vaine:/For what the parliament did faile to doe,/God did both purpose and performe it too.“ CSPD 1628–29, S. 268, Sir Francis Nethersole an James Hay, Earl of Carlisle, 24. Aug. 1628: „The stone of offence being now removed by the hand of God“. Weitere Beispiele hierfür im sonst etwas obskuren Beitrag von James Holstun, „God bless thee, little David!“ John Felton and his Alies, in: English Literary History 59 (1992), S. 513–552, hier S. 529 f.

6. Schuldzuweisungen

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nannte Karl I. am 4. Juli zum Bischof von Chichester. Einer seiner Schutzherren, William Laud, erhielt den Bischofsitz in London zugesprochen. Die beiden Geistlichen, die in der Remonstance von 1628 persönlich des Arminianismus verdächtigt worden waren, waren seit 1629 Mitglieder des Privy Council.449 Zum anderen bestand nur wenig Zweifel daran, daß Karl den Krieg Englands mit Frankreich und Spanien so schnell wie möglich beenden wollte. Der desaströse Kriegsverlauf, die ungelösten Finanzierungsfragen und die damit einhergehende Kritik an den politischen Maßnahmen des Königs ließen Karl I. gezwungenermaßen in die Fußstapfen seines Vaters treten und fortan einen Friedenskurs anstreben. Im November wurden die angeworbenen Soldaten aus ihrem Militärdienst entlassen. Erste Gespräche mit Frankreich und Spanien zum Abschluß eines Friedensvertrags kamen hinzu. In den Augen des Königs schien Krieg keine politische Option mehr zu sein. Karl I. war nicht länger bereit, sich weiter in Hiobs Fußstapfen zu bewegen. Karls Kirchenpolitik sorgte ebenso wie seine Abkehr vom Kriegskurs gegen Spanien für kritische Resonanz in der Öffentlichkeit. Richard Bernard plädierte beispielsweise 1629 in seinem Traktat The Bible-Battells, or the Sacred Art Military for the Rightly Wageing of Warre According to Holy Writ dafür, den „Heiligen Krieg“ fortzusetzen.450 Zu diesem Zweck nutzte er die Bibel konsequent als Musterbuch gerechter Kriegsführung. Er betonte zum einen, welche Kriege gottgefällig und daher notwendig zu führen seien, und zum anderen, auf welche Art und Weise man Krieg führen solle. Das Volk Israels diente ihm dabei als nachahmenswertes Vorbild.451 Bernard sprach in seinem Traktat der neuen Friedenspolitik Karls I. die Legitimation ab, ohne sie explizit zu erwähnen. Allerdings forderte er in seiner Widmung an Karl I. den König explizit zum Standhalten auf: „Stand therefore Oh King in the forefront of the Lord’s battles“.452 Der Krieg gegen Götzendiener, so seine Botschaft, sei ein Auftrag Gottes, ihn zu verweigern ein Akt des Ungehorsams gegen Gott.453 Englands Heil sei jedoch nur an der Seite Gottes zu erlangen. Krieg und Frieden sind in dieser Argumentation nicht verhandelbare Dinge, für die man sich nach politischen Opportunitätsgesichtspunkten entscheiden könne, der Kurs ist vielmehr durch das Gesetz Gottes festgelegt. Andere Autoren gingen noch weitaus härter mit den ersten Regierungsjahren Karls I. ins Gericht. Der radikale Kritiker Alexander Leighton warf die Frage auf, weshalb England in den zurückliegenden Schlachten so verlustreiche Niederlagen 449 450

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Russell, Parliaments, S. 396. Richard Bernard, The Bible-Battells, or The Sacred Art Military for the Rightly Wageing of Warre According to Holy Writ, London 1629. Ich deute den Traktat als politische Äußerung, nicht als spirituell-theologische; zu dieser Unterscheidung s. o. S. 103. Vgl. hierzu Walzer, Revolution, S. 277–285. Bernard, Bible-Battells, Widmung ohne Paginierung. Bernard, Bible-Battells, Preface, Fol. ¶7r: „Our course is just, though God please a while to afflict us, Set be worth of our Religion before your eyes: Its the truth of the eternal God. The Scriptures command it; and thereby our consciences bound, doe tie us unto it.“

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

hatte einstecken müssen. Die Ursache dafür sah er in der Religionspolitik des Königs. In seiner Kampfschrift An Appeal to the Parliament or Sions Plea against the Prelacy forderte er vom Parlament getreu dem Vorbild der schottischen Presbyterianer nicht weniger als die Abschaffung der Bischöfe in der englischen Kirche.454 Leighton machte sich in seiner Argumentation gegen die Bischöfe voll und ganz die Mosaische Unterscheidung zu eigen: Das Heil Englands und Schottlands sei garantiert, wenn das „Kingdome of Christ“ wiederhergestellt werde, wenn sich die Königreiche jedoch der Herrschaft Christi entgegenstellten, so seien sie zum Untergang verurteilt.455 Die Kette von Niederlagen, die England in den letzten Jahren erlitten habe, sei bereits der Anfang von Gottes Strafgericht gegen die von England begangenen Sünden.456 Die Entscheidung zwischen Christus und dem Antichristen obliege dem Parlament. Dabei war Leighton kein Argument zu abwegig, um nicht nur den römischen Papst, sondern auch die englischen Bischöfe zu Repräsentanten des Antichristen zu stempeln. Selbst die Pulververschwörung führt Leighton auf die englischen Bischöfe zurück, genauer auf den damaligen Erzbischof von Canterbury, Richard Bancroft, der sich als Folge dieser Tat Chancen auf den Stuhl Petri ausrechnete.457 Dem Parlament sei es aufgegeben, mit der Abschaffung der Bischöfe Gottes Gnade wiederzuerlangen.458 Leighton warnte ausdrücklich davor, darauf zu warten, daß Gott sich selbst der Bestrafung der Glaubensfeinde annehme. Vielmehr komme es darauf an, die erforderlichen Dinge zur Widerherstellung des göttlichen Gesetzes selbst zu tun.459 Das Plädoyer gewinnt noch dadurch an politischer Brisanz, daß Leighton die Ermordung des Duke of Buckingham als von Gott inspirierte Tat deutet.460 Er rückt den Attentäter John Felton implizit in die Rolle eines Pinhas, während die königliche Rechtssprechung ihn als Mörder und Hochverräter zu Tode verurteilte.461 454

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Alexander Leighton, An Appeal to the Parliament or Sions Plea against the Prelacy, [Amsterdam 1629], S. 224 f. (zur Vorbildhaftigkeit des presbyterianischen Kirchenideals in Schottland). Ebd., Fol. A3r. Auch der Wiederabdruck von Samuel Bachilers bereits im Jahre 1625 erschienenen Traktat diente dazu, den Zusammenhang von Rechtgläubigkeit und der Gnade des Sieges erneut einzuschärfen. Zu Baciler s. o. S. 394 f. Leighton, An Appeal, Fol. A2r. Die Schrift datiert Leighton selbst auf den Monat, „wherein La Rochelle was lost“. Ebd., S. 76 f. Ebd., S. 6. Ebd., S. 170: „it is a great fault in men of place, both Ministers and Magistrats, that they would have God to doe all the hard worke by himself, and they would come, and gather up the spoyle: but they who will raigne with God, even in the glory of any good work, must do for him, and suffer with him in the doing of the Work“. Ebd., 172: „A third thing we looked for, was the removall of the former Favorite, which the Lord effected“. Alastair James Bellany, Art. John Felton (d. 1628), in: ODNB 19 (2004), S. 283–284; Cogswell: John Felton, S. 357–385. Leighton stand mit seiner Deutung keineswegs allein. In zahlreichen Flugschriften wurde Felton als neuer Pinhas oder Ehud bezeichnet. Ein Gedicht bezeichnete ihn sogar als starken Makkabäer: „Stout Macabee, thy most mighty arm,/With zeal and justice arm’d, hath in truth won/The prize of patriot to a British son“; Fairholt (Hrsg.), Poems and Songs, S. 70.

6. Schuldzuweisungen

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In dieser Aufforderung zeigt sich die paradigmatische Bedeutung der Gestalt des Pinhas in Leightons Argumentation. Pinhas hatte mit seiner Gewalttat Gottes Ordnung wiederhergestellt und damit Gottes Strafgericht abgewendet. Leightons Mahnung an das Parlament, Gottes Werk selbst zu verrichten, bedeutet nichts anderes als eine Aufforderung, dem Vorbild des Pinhas nachzueifern. Leighton hatte sich für seinen Traktat im Jahr 1630 vor der Star Chamber zu verantworten und zahlte für seinen Appell an das Parlament einen hohen Preis. Auf dem Richtplatz kappte man ihm Nase und Ohren, ferner erhielt er mit einem Brandzeichen zweimal den Buchstaben S für „Sower of Sedition“ aufgedrückt.462 Er hatte außerdem eine Haftstrafe zu verbüßen, bis ihn das Parlament 1640 gemeinsam mit den drei 1637 verurteilten Burton, Bastwick und Prynne aus der Haft entließ. Seine Forderung an das Parlament war sicherlich in ihrer Radikalität zu diesem Zeitpunkt einzigartig und fand während der Beratungen der Abgeordneten auch keine weitere Beachtung.463 Erst in Folge der Kirchenpolitik Karls I. und des Erzbischofs Laud sollte bis zur Einberufung des Long Parliament der Chor derjenigen lauter werden, die eine Abschaffung der Bischofsgewalt in der englischen Kirche forderten.464 Die Abschaffung der Bischöfe in der Kirche stand für die Abgeordneten im Jahr 1629 nicht auf der Agenda. Wohl aber galten ihnen einige Bischöfe als gefährliche Neuerer, deren Kirchenpolitik zu bekämpfen sei. Die zahlreichen Aufschreie über die Zunahme vermeintlicher Neuerungen und Mißstände in der englischen Kirche, die unter dem Schlagwort Arminianism gebündelt wurden, stießen auch im Parlament auf Gehör. Die Einziehung von Montagus Traktat Appello Caesarem unmittelbar vor Beginn der zweiten Sitzungsperiode auf Weisung Karls I. konnte als einzelne Beschwichtigungsmaßnahme nichts daran ändern, daß Karls I. Religionspolitik Unmut hervorrief und die Abgeordneten davon nicht unbeeinflußt blieben.465 Die Kritik an den vermeintlichen Neuerungen in der Kirche machte sich eine Gruppe im Unterhaus um John Pym ausdrücklich zu eigen. Nur sieben Tage nach der erneuten Zusammenkunft des Parlaments beschloß das Unterhaus, die Religionspolitik und damit das Thema „Arminianismus“ zu seiner zentralen Angelegenheit zu machen. Wie die Autoren der an das Parlament gerichteten Traktate nannten sie als Grund hierfür die Notwendigkeit, England wieder auf den Pfad Gottes zu führen, um damit dessen Strafgericht zu entgehen und die eigenen Sieg462 463 464

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Foster, Caroline Underground, S. 28–32. Vgl. Cressy, England on Edge, S. 133 f. Vgl. hierfür nur exemplarisch William Prynne, The Unbishopping of Timothy and Titus, Amsterdam 1636; Ders., A Breviate of the Prelates Intolerable Usurpations, both upon the Kings Prerogative Royall, and the Subjects Liberties, Amsterdam 1637; Ders., Lord Bishops, None of the Lords Bishops. Or a Short Discourse, Wherin is Proved that Prelaticall Jurisdiction, is not of Divine Institution, but Forbitten by Christ Himselfe, Amsterdam 1640. Zur Forderung nach einer Abschaffung der Bischöfe nach der Einberufung des Long Parliament Cressy, England on Edge, S. 183–190. Hughes/Larkin (Hrsg.), Stuart Royal Proclamations, Bd. 2, Nr. 105, S. 218–220.

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VI. Die Unterscheidung von lex dei und Königsherrschaft

chancen auf dem Schlachtfeld zu erhöhen.466 Andere Unterhausabgeordnete wie Francis Rous sahen die Hure Babylon in England auf dem Vormarsch. Er wandte sich mit folgendem Appell an die Abgeordneten: „I desire that it may be considered, how the sea of Rome doth eat into our religion, and fret into the banks and walls of it, the laws and statutes of the realm. […] an Arminian is the spawn of a Papist […] And if there come the warmth of favour upon him, you shall see him turn into one of those frogs, that arise out of the bottomless pit“.467 Da unter solcherlei Anklagen an gedeihliche politische Beratungen nicht zu denken war, war die Auflösung des Parlaments durch Karl I. nur folgerichtig.468 Ebenso konsequent war es aus der Perspektive des Königs, daß er nach seinen Erfahrungen in den ersten Regierungsjahren im folgenden Jahrzehnt davon Abstand nahm, weitere Parlamente einzuberufen. In der Zeit seines persönlichen Regiments ohne Parlament gelang es ihm zwar, mit Frankreich und Spanien Frieden zu schließen und weithin unbehelligt regieren zu können. Mit seiner personal rule konnte Karl I. aber nicht die Auffassung zahlreicher Geistlicher und ehemaliger Abgeordneter des Parlaments aus der Welt schaffen, daß England sich in gefährlicher Weise der römischen Kirche annähere und einzelne Elemente papistischen Unglaubens zunehmend von der englischen Kirche Besitz ergriffen. Die Verfestigung der Überzeugung bei zahlreichen Geistlichen und politischen Akteuren, daß die lex dei und die Religionspolitik Karls I. auseinanderdrifteten, machte die Hoffnung Karls I. auf Einheit und Frieden in der Kirche illusorisch. Vielmehr trug dieses Gefühl der Entfremdung der Kirche von dem Ideal der reformierten Kirche dazu bei, daß die Umkehrrhetorik dann im Long Parliament auf so fruchtbaren Boden fallen konnte. Gottesherrschaft und Königsherrschaft empfanden dessen Abgeordnete mehrheitlich als einen Gegensatz, wobei sie der Loyalität zu Gott im Konfliktfall – wie zuvor bereits die schottischen Covenanters – den Vorrang einräumten. Mit dieser Entscheidung nahm der Bürgerkrieg seinen Lauf.

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Sir Francis Seymour konstatierte: „If God fight not our battles, the help of man is in vain […] the cause hereof is in our defects, and the same is idolatry and popery“; zit. n. Russell, Parliaments, S. 406 f. Zit. n. Russell, Parliaments, S. 407. Lockyer, Early Stuarts, S. 350; Russell, Parliaments, S. 404–408; Sharpe, Personal Rule, S. 54 f.

VII. SCHLUSSBETRACHTUNG Denn nachdem die Bibel ins Englische übersetzt worden war, glaubte jedermann, ja sogar jeder Junge und jedes Mädchen, die lesen konnten, sie sprächen mit Gott dem Allmächtigen und verstünden, was er sagte, wenn sie eine Anzahl von Kapiteln pro Tag aus der Heiligen Schrift ein- oder zweimal gelesen hätten. Damit wurden die Ehrfurcht und der Gehorsam der reformierten Kirche gegenüber den Bischöfen und der Geistlichkeit darin vernichtet, und jeder wurde jetzt selbst Richter der Religion und ein Ausleger der Heiligen Schrift für sich selbst. (Hobbes, Behemoth oder das Lange Parlament, S. 30) In ähnlicher Weise [wie die Pädagogen] beanspruchen die öffentlichen Sittenlehrer und Gottesgelehrten, die Könige selbst und die höchsten Herren der Kirche zu leiten, ohne zu wissen, von wem sie zu so einer bedeutenden Aufgabe berufen werden; da sie vielmehr den Glauben erwecken möchten, nicht den Königen und Männern, deren Sorge Gott das Wohl des Volkes anvertraut hat, sondern ihnen selbst sei diese Aufgabe von Gott unmittelbar übertragen – zur großen Gefahr für den Staat. (Hobbes, Lehre vom Menschen, S. 43)

Für Thomas Hobbes waren die Ursachen des englischen Bürgerkrieges wesentlich geistiger Natur. Bibel und antike Philosophie waren für ihn subversive Arsenale, aus denen die Kritiker der Monarchie ihre Argumente speisten. Kirchen und Universitäten sah er als Orte, in denen die Untertanen und die Mitglieder der politischen Führungsschicht Werte und Vorbilder vermittelt bekamen, die ihre Loyalität zur Krone untergruben. Sofern es nicht gelang, den Zugriff auf die Speicher und Autoritätsquellen politischer Sprechakte zu domestizieren und die Auslegung dieser Quellen qua politischer Autorität vorzugeben, war die Monarchie in Hobbes Augen auf Sand gebaut. Hobbes war keineswegs der einzige, der das potentiell herrschaftsgefährdende Potential der Bibel zur Sprache brachte. Nach dem Zusammenbruch der etablierten Kirchenordnung in den Herbstmonaten des Jahres 1640 klagten einige Conformists in der englischen Kirche über die politischen Folgen der Tatsache, daß die Bibel in englischer Sprache von jedermann zu Rate gezogen werden könne.1 Das Gotteswort war in ihren Augen eine politische Ressource, die sich der Kontrolle der kirchlichen ebenso wie der weltlichen Obrigkeit entzog und deren Autorität schwinden ließ. Vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Erfahrungen waren diese Klagen des hohen Klerus verständlich. Allerdings lassen sowohl Hobbes als auch die Conformists in ihrer Beschwerde über die subversiven Folgen der allgemein ver1

Beispiele finden sich in Cressy, England on Edge, S. 266.

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VII. Schlußbetrachtung

fügbaren Heiligen Schrift unerwähnt, daß es nicht nur die Kritiker von König und Klerus waren, die sich der politischen Ressource der Bibel bedienten. Der Rückblick bis zum Beginn der „politischen Reformation“ Heinrichs VIII. hat gezeigt, daß zahlreiche Akteure in Staat und Kirche sich der Autorität der Bibel bedienten, um aus ihr Legitimität für den eigenen Statusanspruch zu gewinnen oder konkrete politische Forderungen aus ihr abzuleiten. Dies läßt sich schon an der vorliegenden Vielzahl englischer Bibelübersetzungen bis zum Bürgerkrieg ablesen. Die Verfügbarkeit der Heiligen Schrift für all diejenigen in England sicherzustellen, die des Lesens kundig waren, war dabei stets nur ein Anlaß für die Entstehung immer neuer Bibelübersetzungen und -ausgaben. Eine weitere Ursache war die Möglichkeit, durch den Akt der Autorisierung einer Neuausgabe der Heiligen Schrift das Gotteswort in einen Sprechakt der autorisierenden Instanz zu verwandeln. Von dieser Möglichkeit machte Heinrich VIII. mit der Great Bible ebenso Gebrauch wie Jakob I. mit der King James Bible; und auch die Bischöfe wollten dem nicht nachstehen und beauftragten ihrerseits eine Bishop’s Bible als Textgrundlage für den Gottesdienst in allen Gemeinden Englands. Selbst die Katholiken wollten die Ressource der Bibel nicht einfach den Protestanten überlassen und brachten mit dem Rheims New Testament eine eigene Übersetzung aus der Exilspresse auf den englischen Markt. Die Übersetzung der Heiligen Schrift bot stets auch die Möglichkeit, auf die Interpretation der Schrift Einfluß zu nehmen, sei es durch die Kommentierung einzelner Textstellen, wie es insbesondere in der Geneva Bible oder im Rheims New Testament praktiziert wurde, sei es durch Botschaften, wie sie im Titelbild oder in den Paratexten vermittelt wurden. Die Autorität der Schrift bedurfte zusätzlich der richtigen Auslegung, um zu einer scharfen Waffe in den politischen Auseinandersetzungen werden zu können. Wenn die Technik des Buchdrucks die private Bibellektüre ermöglichte, sollten gezielte Botschaften im Umfeld der bereitgestellten Übersetzung dazu führen, daß der Leser aus der Heiligen Schrift die „richtigen“ Schlußfolgerungen zog. Vor dem Hintergrund der seit 1637 in Schottland und seit 1640 in England erodierenden Herrschaftsgewalt des Königs und der Bischöfe mochten deren Anhänger zwar zunehmend der Meinung gewesen sein, daß die Bibel eine wirkungsvolle politische Ressource vorwiegend in der Hand ihrer Gegner war. Diese Auffassung war in den Jahrzehnten zuvor indes nur vereinzelt anzutreffen. Es hat sich vielmehr gezeigt, daß sich in England und Schottland seit der Reformation Grundauffassungen zum Bibelverständnis etablierten, die den politischen Biblizismus in den Folgejahrzehnten begünstigten. Während der politischen Reformation unter Heinrich VIII. argumentierten zwei so unterschiedliche Protagonisten wie William Tyndale und Stephen Gardiner gleichermaßen mit der lex dei, um damit die Notwendigkeit der Reformation (Tyndale) bzw. die Suprematie des Königs in der Kirche (Gardiner) zu begründen. Das göttliche Gesetz entnahmen beide Autoren den deuteronomischen Schriften des Alten Testaments, deren Aussagen sie beide als zeitlos gültig aner-

VII. Schlußbetrachtung

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kannten, zumindest sofern sie das moralische Gesetz Gottes bezeugten. Den mit dem Erlösungstod Christi begründeten Gnadenbund verstanden Tyndale und Gardiner und mit ihnen die überwiegende Mehrheit des englischen Klerus als Bekräftigung der im Alten Testament festgeschriebenen lex dei, nicht aber als deren Ablösung. Diese Auffassung von der Einheit beider Testamente machte alle Aussagen im Alten Testament, die sich als Manifestation des moralischen Gesetzes Gottes auslegen ließen, gleichsam zu potentiellen Gesetzestexten, mit denen Institutionen in Staat und Kirche ebenso wie konkrete politische Handlungen legitimiert oder aber delegitimiert werden konnten. Die große Zahl von Sprechakten, in denen sich zahlreiche Akteure seit der Reformation in unterschiedlichen Themenfeldern auf die lex dei beriefen und daraus politische Forderungen ableiteten, war hauptverantwortlich dafür, daß sich in England und Schottland der Biblizismus als eine maßgebliche politische Sprache ausbildete. Eine weitergehende Bedeutungssteigerung erhielt die lex dei als Argument in der politischen Auseinandersetzung durch den Verweis auf die potentiellen Folgen bei Nichtbeachtung der Befehle Gottes. Sowohl in England als auch in Schottland war dabei die Vorstellung eines konditionierten Bundes vorherrschend, der seit Abraham und Moses das gegenseitige Verhältnis zwischen Gott und den Menschen bestimmte. Gott sagt seinem Volk dabei Sicherheit und Wohlergehen zu, sofern es sich seinen Gesetzen unterwirft und insbesondere jeglichem Götzendienst für immer abschwört. Diese Bundesvorstellung prägte seit der Reformation die Auffassung vom Verhältnis beider Länder zu Gott. Sowohl nördlich als auch südlich des Tweed sah man sich in der Nachfolge des Volkes Israel, was zum einen das Heilsversprechen und die besondere Nähe Gottes implizierte, zum anderen aber auch die Gefahr von Gottesstrafen heraufbeschwor, sollte die lex dei verletzt werden. Die Schriften des Alten Testaments gaben dabei erschöpfend Auskunft über die zerstörerischen Folgen einer Mißachtung des göttlichen Willens. Sie statteten die Mahnredner mit einem reichen Inventar an Drohpotential aus und ermöglichten es allen Sprechern, durch eine Rückschau auf die historia sacra zu Aussagen über die Zukunft des eigenen Landes zu gelangen. Es gab sowohl in Schottland als auch in England vereinzelt Stimmen, die davor warnten, die Bibel als politisches Gesetz- und Musterbuch zu verwenden und die daher den politischen Biblizismus ablehnten. Zu ihnen zählte der schottische Humanist George Buchanan ebenso wie der englische Theologe Richard Hooker, der versuchte, den normativen Gehalt der biblischen Texte auf den Bereich der Dogmatik einzuschränken. Ihre Skepsis blieb aber weitgehend ungeteilt. Vielmehr waren Maximen und Exempla der Heiligen Schrift stets wichtige Bestandteile der politischen Auseinandersetzung. Für die meisten Autoren enthielt die Bibel auch auf Feldern jenseits der christlichen Glaubenslehre verbindliche Aussagen. Wie diese Arbeit zeigt, kam die Bibel als Argumentationslieferant zum Einsatz, um die äußere Gestalt der Kirche zu debattieren, d. h. die Kirchenverfassung und die Formen des Gottesdienstes. Sie war von entscheidender Bedeutung, um die Verankerung der Königsherrschaft im Naturrecht zu diskutieren. Sie enthielt in den historischen Schriften des Alten Testaments zur Geschichte des Vol-

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VII. Schlußbetrachtung

kes Israel entscheidende historische Anknüpfungspunkte an das Königtum der Juden, die in der politischen Debatte oft und gerne bemüht wurden. Sie kam zum Einsatz, wenn über Krieg und Frieden gestritten wurde. Sie stellte Argumente bereit, wenn dynastische Eheverbindungen zur Diskussion standen. Und ihre Maximen und Exempla waren im Spiel, als die Steuer- und Abgabenpolitik Karls I. die Gemüter erhitzte. Diese resümierende Aufzählung der unter Bezug auf biblizistische Argumente debattierten Themenfelder läßt deutlich werden, daß die politische Sprache des Biblizismus sich nicht einfach mit Theologie gleichsetzen läßt. Der Biblizismus war zugleich weniger und mehr als eine Fachsprache theologischer Gelehrsamkeit. So fand die gelehrte Debatte in der Fachwissenschaft um den Bedeutungsgehalt der Schrift, unter Rekurs auf die Patristik und die Lehre vom vierfachen Schriftsinn, in der politischen Auseinandersetzung nur im Ausnahmefall ihren Niederschlag. Der Fall des jungen Theologiestudenten John Knight in Oxford hat deutlich werden lassen, wie aus einem theologischen Diskurs – David Pareus’ Bibelkommentar über den Römerbrief des Apostels Paulus – erst im Moment der öffentlich vorgetragenen Predigt ein politischer Sprechakt wurde, der weitreichende Reaktionen der Obrigkeit auslöste. Erst der politische Sprechakt hat Sanktions- und Zensurmaßnahmen erforderlich gemacht und die Obrigkeit dazu veranlaßt, sich der theologischen Fachdebatte anzunehmen. Umgekehrt waren biblizistische Sprechakte nicht auf Theologen beschränkt. Auch zahlreiche Juristen des römischen Rechts, Literaten und nicht zuletzt König Jakob VI./I. nutzten diese Sprache, um mit ihr politische Aussagen zu begründen. Sicherlich läßt sich die politische Sprache des Biblizismus genau wie andere politische Sprachen idealtypisch mit einem Ort verknüpfen, an dem diese Sprechakte besonders prominent angesiedelt waren. Die Sprache des common law war neben den Gerichtshöfen insbesondere im Parlament beheimatet. Das römische Recht fand vor allem in den dafür zuständigen Gerichtshöfen Verwendung, z. B. dem Gerichtshof der Admiralität oder der High Commission. Die antike Staatsphilosophie und der sich daraus speisende civic humanism waren vor allem an den Universitäten des Landes zu Hause. Der primäre Ort des Biblizismus war die Kanzel. Die Auslegung der Heiligen Schrift durch einen fachkundigen Sprecher für ein größeres Publikum und die damit einhergehende Adaption der biblischen Aussagen auf einen aktuellen Kontext war gleichsam der idealtypische Sprechakt in der politischen Sprache des Biblizismus. Diese Zuordnung verschiedener politischer Sprachen zu spezifischen Orten ihrer Verwendung ist eine schematische Beschreibung für den imaginierten „Normalfall“. Um die Dynamik politischer Auseinandersetzungen und die sich daraus ergebenden Folgen zu verstehen, sind aber gerade die Momente der Überschreitung der imaginären Grenzlinien von ausschlaggebender Bedeutung. So läßt sich anhand zahlreicher biblizistischer Sprechakte bilanzieren, daß die mit der Exegese einhergehende Sprecherrolle eines Schriftkundigen auf der Kanzel weit über den Kreis der Geistlichen hinaus attraktiv war. Diese spezifische Art, politische Aussagen zu treffen, ließ den Sprecher teilhaben an der Autorität

VII. Schlußbetrachtung

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der Heiligen Schrift. Und sie verlieh ihm eine besondere Autorität, die Bedeutung der Schrift für die Zeitgenossen zu vermitteln. Diese Autorität vermittelte den Anschein, ebenso wie diejenige der Heiligen Schrift von Gott verliehen zu sein, der Sprecher hatte daher Anspruch auf Gehör und Beachtung. Es verwundert nicht, daß diese Sprecherrolle in Schottland und England seit der Reformation eine umstrittene Ressource darstellte. Das Recht zu predigen gehörte neben dem Jurisdiktionsrecht zu der offiziellen Amtsgewalt der Kirche. In der schottischen Kirk hatte sich dabei spätestens seit dem Second Book of Discipline im Jahr 1578 eine besonders stolze Tradition der freien Predigt ausgebildet: Nur Geistliche hatten das Recht, auf autorisierte Art und Weise die Heilige Schrift öffentlich auszulegen. Weder Bischöfen noch dem König war es erlaubt, Predigten einer Zensur zu unterziehen, auch nicht im Falle direkter Herrschaftskritik. Dieses Recht kam nur der Kirche als Ganzes zu, die sich in ihren regelmäßig tagenden General Assemblies dieser Aufgabe annahm, allerdings oftmals ohne auf die Interessen des Königs Rücksicht zu nehmen. Die Bibel war die Meßlatte, anhand derer die Politik des Königs einer regelmäßigen Prüfung unterzogen wurde, die Exegese das öffentliche Richtschwert, das im Falle von Kritik regelmäßig zum Einsatz kam. Diese Erfahrung veranlaßte Jakob dazu, zum einen selbst das Potential der Exegese für eigene Sprechakte zu nutzen, zum anderen gegen den Widerstand der Presbyterianer die bischöfliche Jurisdiktionsgewalt und die High Commission auch in Schottland zu etablieren – ein Unterfangen, das von Teilen des Klerus als Verrat an der Reformation empfunden und nach der Etablierung des National Covenant alsbald rückgängig gemacht wurde. In England zählte das Predigen zwar ebenfalls zu den Amtsaufgaben jedes Pfarrers. Er unterstand aber der Jurisdiktionsgewalt seines Bischofs bzw. der High Commission als innerkirchliches Disziplinargericht. Und da die Bischöfe vom König ernannt wurden und er als Supreme Head of the Church eine Aufsichtsfunktion über die Kirche wahrnahm, blieb die Freiheit des Kanzelworts eine Ressource, die an Bedingungen geknüpft war. Die wachsende Kritik an Jakobs Friedenspolitik im Dreißigjährigen Krieg und seinen dynastischen Heiratsplänen mit Spanien veranlaßte den König gleich mehrfach dazu, die Geistlichen in England an die Grenzen ihrer Redefreiheit zu erinnern. Diese Maßnahmen zeigten jedoch zugleich, wie schwer es war, zwischen Bibelexegese und politischer Kritik eine eindeutige Grenze zu ziehen. Das schärfere Vorgehen von Karl I. und Erzbischof Laud gegen unliebsame Prediger erweckte bei manchen Zeitgenossen zunehmend den Anschein, gegen die Wahrheit des Gotteswortes selbst gerichtet zu sein und führte dazu, die Bischöfe in ihrer Rolle als Zensoren der Kanzel und das Gericht der High Commission in Augen vieler Protestanten zu delegitimieren. Dieser Effekt verschärfte sich noch dadurch, daß es anderen Geistlichen gelang, sich selbst auf charismatische Weise als Propheten Gottes zu stilisieren und damit gegen die kirchliche Hierarchie die gleiche Autorität und Unantastbarkeit für sich einzufordern wie ihre alttestamentlichen Vorläufer. Am Beispiel Henry Burtons ließ sich zeigen, wie die beanspruchte Prophetenrolle einzelner Geistlicher die

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Hierarchie der Kirche herausforderte und vor die Wahl stellte, subversive Sprechakte tatenlos zu dulden oder aber mit Strafmaßnahmen gegen Personen vorzugehen, denen zumindest ein Teil der Gläubigen eine besondere Nähe zu Gott zubilligte. Dabei waren die beiden Mitstreiter Burtons auf dem Richtplatz, John Bastwick und William Prynne, keine Geistlichen; gleichwohl reklamierten sie in ihren kritischen Schriften gegen das englische Kirchenregiment die Prophetenrolle mit einigem Erfolg für sich. Die Rückkehr Burtons und seiner Mitgefangenen in die Freiheit verschaffte ihnen darüber hinaus die Möglichkeit, die Rolle der beiden Zeugen der Apokalypse für sich zu beanspruchen und sich damit zu einer wichtigen Figur bei der Erfüllung der Heilsgeschichte zu stilisieren. Diese Inszenierungen waren keine bloße Kuriosität in der Auseinandersetzung um die Kirchenpolitik in England, sondern vielmehr äußerst erfolgreiche Imagepolitik, die den soeben noch verfolgten Sprechern für ihre kirchenpolitische Agenda sowohl Aufmerksamkeit als auch Akzeptanz verschaffte. Im Long Parliament stand für die überwiegende Mehrheit des Unterhauses außer Frage, wer im Falle der Personen Henry Burton und dem Erzbischof von Canterbury, William Laud, zu Recht und wer zu Unrecht Gott für seine Sache reklamierte. Die protestantische Tradition tat das ihre, um den reklamierten außerordentlichen Sprecherrollen von Burton und seinen Gesinnungsgenossen zusätzliche Legitimität zu verleihen. Reformer wie William Tyndale stellten sich mit ihrem Kampf für den „wahren“ Glauben und gegen den „Götzendienst“ gleichfalls gegen die etablierte Amtskirche und bezahlten dieses Engagement mit ihrem Leben, was ihnen die Aufnahme in das Pantheon protestantischer Erinnerungskultur in England bescherte: eine prominente Erwähnung in John Fox monumentalem Book of Martyrs. In Schottland spielte John Knox eine vergleichbare Rolle, als er sich unerschrocken Maria Stuart entgegenstellte und in der Pose eines zweiten Propheten Jeremias auf die Notwendigkeit einer vollständigen Reformation in Schottland beharrte. Auch diese Sprechakte waren im kollektiven Gedächtnis des schottischen Klerus gespeichert und lieferten ein Vorbild für den unerschrockenen Kampf gegen den Götzendienst. Diese Beispiele verdeutlichen, wie sich die Tradition der Propheten des Alten Testaments dazu nutzen ließ, eine besondere Nähe zu Gott für sich zu reklamieren und damit außerordentliche Sprecherrollen in der Kirche zu legitimieren. Es ließ sich zeigen, daß auch der junge schottische König Jakob VI. nicht darauf verzichten wollte, sich als oberster Exeget seines Landes zu profilieren, um damit neben seiner Expertise als Theologe auch eine Prophetenrolle für sich zu reklamieren. Er stellte sich selbst sowohl in seinen Psalmenübersetzungen als auch in seiner Meditatioun über Davids Tanz vor der Bundeslade in die Tradition des ruhmreichen David, betonte dabei aber stets die Rolle des Propheten, weniger die des Königs. Seine frühen exegetischen Schriften dienten Jakob dazu, seine Autorität in der Kirche unter Beweis zu stellen, ohne jedoch das presbyterianische Kirchenestablishment offen herauszufordern. Es war dabei eine bewußte Grenzüberschreitung, daß er diese Schriften in der Form von Predigten abfaßte und damit eine Sprecherrolle einnahm, die eigentlich Geistlichen vorbehalten blieb,

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ein Monopol, das die schottischen Presbyterianer besonders energisch verteidigten. Diese zunächst in Schottland erprobte Rolle behielt Jakob über weite Strekken seiner Regierungszeit bei. Dabei nutzte er die spezifischen Aussagemöglichkeiten der Exegese für vielfältige politische Zwecke: Er betrieb mit seinen Schriften Außenpolitik mit England unter Elisabeth I., er untermauerte mit einer Schrift zum divine right of kings seine Erbansprüche auf den englischen Thron, er inszenierte sich in einem Fürstenspiegel an seinen Sohn Heinrich als Herrscher in besonderer Verantwortung gegenüber Gott. In mehreren Schriften wies Jakob den Anspruch des Papstes auf Herrscherabsetzung im Falle einer Exkommunikation zurück und mischte sich darüber hinaus in derselben Angelegenheit auch in eine Debatte der französischen Generalstände ein. Damit stellte er in all diesen Schriften unter Beweis, daß seine Rolle als König sich nicht allein auf weltliche Fragen beschränkte, sondern er auch in geistlichen Angelegenheiten die oberste Autorität verkörperte. Seine Prophetenrolle verschmolz dabei zusehends mit seinem Königsamt. Spätestens als er den englischen Thron bestieg und sich nunmehr als „his sacred majestie“ titulierte, war die Priester- und Prophetenrolle in seiner Selbstdarstellung nicht mehr eine persönliche Qualität, sondern Teil der monarchischen Herrschaftsrolle. Seine Hofkapläne taten das ihre, um daraus eine besondere Unantastbarkeit des Königs abzuleiten und die besondere Nähe des Königs zu Gott zu proklamieren. Insbesondere in seinen frühen exegetischen Schriften machte sich Jakob zunutze, daß er in der Sprache des Biblizismus über zweierlei Modi des Sprechens verfügte. Im Gegensatz zu seinem Traktat über die Erbmonarchie, The True Lawe of Free Monarchy, in dem er offen die Unantastbarkeit des Königs beschwor und darauf pochte, sowohl in weltlichen als auch in kirchlichen Fragen die oberste Entscheidungsgewalt innezuhaben, ließ er diesen Anspruch in seinen frühen Schriften nur implizit einfließen, indem er biblische Figuren wie König David in den Vordergrund stellte, ohne den Anspruch auf die Führungsrolle in der Kirche ausdrücklich zu erheben. Es blieb dem Leser überlassen, aus den angeführten biblischen Exempla die sich aus ihnen für die eigene Zeit notwendigen politischen Konsequenzen zu ziehen und die Autorität Davids auf Jakob zu übertragen. Der schottische König nutzte mit dieser Möglichkeit des indirekten Sprechens mittels biblischer Exempla eine Argumentationstechnik, die sich ansonsten insbesondere zahlreiche Kritiker der Politik Jakobs I. und Karls I. zu eigen machten, um mit Hilfe biblischer Exempla zwar die gewünschten Assoziationen über die politischen Zustände auszulösen, diese aber nicht direkt zu kritisieren. Der Kampf um den legitimen Zugriff auf das in den biblischen Schriften gespeicherte Reservoir an Maximen und Exempla setzte sich in Auseinandersetzungen um die richtige Auslegung der einzelnen Bibelstellen fort. Dabei hat die Analyse zahlreicher, äußerst unterschiedlich gelagerter biblizistischer Sprechakte erkennen lassen, daß es sinnvoll ist, bei der Erforschung der politischen Sprache des Biblizismus drei Ebenen voneinander zu unterscheiden: 1. Die Bibel in ihrer Gesamtheit aller kanonischen Schriften stellte das Argumentationsreservoir. Als geheiligtes Gotteswort waren alle in ihr enthaltenen

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Maximen und Exempla gleichsam mit dem Siegel göttlicher Normativität versehen, aller Heterogenität und Widersprüchlichkeit der in ihr enthaltenen Texte zum Trotz. Sie nahm dabei die Rolle eines fundierenden Textes ein, auf den oftmals Bezug genommen wurde, um politische Argumente mit ihr zu autorisieren. 2. Der Zugriff auf die Bibel erfolgte in der politischen Debatte stets selektiv. Es waren einzelne Maximen und Exempla, einzelne in ihr enthaltene Themenstränge und Mustererzählungen, aus denen die Sprecher und Autoren in den hier untersuchten Diskussionen ihre Argumente bezogen. Drei davon spielten in der vorliegenden Untersuchung eine herausgehobene Rolle: Äußerungen zur lex dei, zur Königsherrschaft und der apokalyptische Diskurs vom Untergang Babylons als bevorstehende Ankündigung des Weltenendes. Das Gesetz Gottes war prominenter Gegenstand der Mehrheit der hier untersuchten Sprechakte. Was dabei unter der lex dei jeweils verstanden wurde, welche Maximen und Exempla jenseits des Dekalogs darüber Auskunft zu geben vermochten und welche Konsequenzen man daraus zur Beurteilung der Politik in Schottland und England zog, hing von der Sinnzuschreibung im Argumentationszusammenhang ab und war nur im Ausnahmefall in den biblischen Schriften selbst präfiguriert. Dies gilt ebenso auch für die unterschiedlichen Aussagen insbesondere aus den historischen Schriften des Alten Testaments zur Monarchie in Israel, die in der Debatte um das divine right of kings bzw. um die Rechte und Pflichten des Königs zahlreich zum Einsatz kamen. Die Ambivalenz der alttestamentlichen Aussagen zum Königtum fand ihr Pendant in der vielseitigen Verwendung dieser Aussagen und Exempla, um je nach Sprecher und politischem Kontext damit die Unantastbarkeit der Könige zu begründen oder aber deren Herrschaftsgewalt einer Reihe von Bedingungen zu unterwerfen. Der Untergang Babylons wurde in zahlreichen Schriften als Warnung an die Zuhörer adressiert, um die Dringlichkeit einer religionspolitischen Kurskorrektur anzumahnen, konnte aber ebenso dazu dienen, den heilsgeschichtlichen Auftrag der Könige in Erinnerung zu rufen, für die bei der Vernichtung Babylons in Johannes’ Offenbarung eine entscheidende Rolle vorgesehen sei, woraus z. B. Jakob I. ihre Unantastbarkeit ableitete. 3. Die verschiedenen Mustererzählungen, die in der politischen Debatte regelmäßig aufgegriffen und fortgeschrieben wurden, enthielten ihrerseits nicht jeweils eine in ihnen festgeschriebene Bedeutung, sie standen für eine Vielzahl möglicher Interpretationen offen. In den hier untersuchten Sprechakten kamen sie daher auf sehr unterschiedliche Weise zum Einsatz. Die jeweils bemühten Mustererzählungen waren daher keine politischen Programme einer bestimmten Gruppe in Staat oder Kirche. Sie sind nicht als Ideologie einer bestimmten Gruppe wie der „Puritaner“ mißzuverstehen. Selbst der Verweis auf die Apokalypse hatte nicht immer die Funktion, die bestehende Ordnung in Frage zu stellen. Vielmehr waren alle drei hier behandelten Narrative für jeden Sprecher prinzipiell verfügbar, um daraus politische Argumente abzuleiten. Gleichwohl war der Zugriff auf die in der Bibel enthaltenen Mustererzählungen nicht beliebig. Insbesondere anhand der Imagepolitik sowohl Jakobs VI./I.

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als auch Karls I. hat sich gezeigt, welche Konsequenzen es haben konnte, wenn Könige biblische Maximen zum Maßstab ihres Handelns erklärten oder sich selbst in die Tradition biblischer Vorbilder stellten. Jakobs öffentlich betriebenes Engagement als oberster Exeget im Spiegel seiner Schriften hatte zur Folge, daß er während seiner gesamten Herrschaftszeit auf Aussagen und Rollenbilder festgelegt wurde, die er zu Beginn seiner Herrschaftszeit aus politischen Opportunitätserwägungen heraus getätigt hatte: Seine Selbstbeschreibung als godly ruler, der seine in der Johannesoffenbarung beschriebene Rolle als Kämpfer gegen Babylon und den Antichristen ernst nahm, machte ihn in späteren Regierungsjahren angreifbar, als er sich zu einer Friedenspolitik mit den katholischen Mächten entschloß. Seine öffentlich vorgelegte Interpretation der Apokalypse samt damit einhergehender Handlungsempfehlungen ließ sich nicht vereinbaren mit seiner aktuellen Politik. Eine ähnliche Erfahrung sollte auch Karl I. machen, als er sich entschloß, im Dreißigjährigen Krieg an der Seite der Protestanten gegen Spanien in den Krieg zu ziehen. Zur Legitimierung dieses Krieges griff Karl auf die lex dei zurück und leitete aus dem Alten Testament die Notwendigkeit ab, bedrängten Glaubensbrüdern beizustehen und deren Kontrahenten als Götzendiener und Gottesfeinde zu bekämpfen. Er griff damit auf ein Rollenverständnis der Königsherrschaft zurück, auf das die zahlreichen Kritiker der Friedenspolitik Jakobs I. rekurrierten, um dessen Friedenspolitik zu brandmarken und um den König auf die Rolle eines Glaubenskämpfers festzulegen. Sicherlich bot sich Karl die Chance, durch eine Adaption dieser Rolle den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Die Rolle eines Vorkämpfers für den wahren Glauben und gegen den Götzendienst ließ sich aber nicht partiell einnehmen, sondern implizierte, sollte sie glaubhaft sein, weitreichende politische Maßnahmen nicht nur gegen Spanien, sondern auch in der Kirchenpolitik, in der Heiratspolitik und im Umgang mit den englischen Katholiken. Da Karl I. weder bereit noch in der Lage war, diese Agenda vollständig zu erfüllen, verkehrte sich seine an biblischen Rollenvorbildern orientierte Selbstdarstellung in den Augen seiner zahlreichen Kritiker ins Gegenteil. Statt als Held des Protestantismus wahrgenommen zu werden, sahen immer mehr Engländer in der in seinem Namen durchgeführten Politik eine Ursache für die Abkehr Englands vom wahren Glauben: Es stand Jakob und Karl frei, ob sie in ihrer Selbstdarstellung auf die Offenbarung des Johannes oder aber die lex dei im Alten Testament rekurrierten oder nicht. Sobald sie aber eine bestimmte Interpretation dieser Narrative zur Grundlage ihrer Politik erklärten, hatten sie sich der Logik der Mustererzählung zu unterwerfen, oder aber aufgrund der erkennbaren Widersprüche Kritik zu gewärtigen. Die Reaktionen in England auf die Imagepolitik der beiden Stuartkönige Jakob und Karl vermitteln einen Eindruck von den möglichen politischen Folgen biblizistischer Rhetorik. Damit ist zugleich die Grundsatzfrage berührt, welche Bedeutung dem politischen Biblizismus am Ausbruch des Bürgerkrieges in Schottland und England zuzuschreiben ist. Es versteht sich von selbst, daß hier keine eindeutigen Kausalitäten postuliert werden können. Sicherlich war der Bürger-

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krieg keine notwendige Konsequenz einer biblizistisch vorgetragenen Herrschaftskritik. Wohl aber lassen sich einige Implikationen benennen, die eine biblizistische, an den Normen der lex dei orientierte Weltdeutung mit sich brachte und in bestimmten Situationen eine Entscheidung für eine militärische Auseinandersetzung gegen den König nahelegte. Urheber biblizistischer Sprechakte evozierten mit ihrer am Wort Gottes orientierten Rhetorik, daß sie sich dem Ziel einer Königsherrschaft Gottes auf Erden verbunden fühlten. Über die Frage, wann dieses Ziel auf Erden erreicht sei, gingen die Positionen allerdings diametral auseinander. In den Augen der Fürsprecher des divine right of kings hatte sich die Königsherrschaft Gottes gleichsam in der Errichtung der Monarchie materialisiert und institutionalisiert. Der König übernahm im Auftrag Gottes die Herrschaftsrolle, die mit oberster Autorität über Staat und Kirche ausgestattet und für die Untertanen unantastbar war. Die Monarchen waren zugleich Werkzeuge Gottes im Heilsplan bis zum Jüngsten Gericht. Mehrere Autoren betonten die besondere Rolle, die den Königen in der Johannesoffenbarung bei der Zerstörung Babylons zugeschrieben wurde. Die Gemeinschaft dieser Könige mit Babylon vor dessen Ende war hierfür kein Gegenargument, sondern nur Teil des Heilsplanes. Götzendienst sei daher kein Grund, die Königsherrschaft in Frage zu stellen. Dies gelte auch für alle anderen Verfehlungen der Könige im Amt. Da die Könige von den Apologeten des divine right of kings als Werkzeuge Gottes verstanden werden, trifft dies in deren Augen auch für deren „Verfehlungen“ zu, die als Gottesstrafe für ein sündhaftes Volk gedeutet werden. Diese politische Theologie monopolisiert den Willen Gottes als Argument in der Hand des Monarchen. Gemäß dem providenziellen Argument kann niemand – außer Gott – den Vorwurf erheben, daß der König gegen die Normen Gottes verstoßen habe. Eine völlig unterschiedliche Konzeption einer Königsherrschaft Gottes auf Erden vertraten all diejenigen, die den Bund Gottes mit seinem Volk Israel zur Grundlage ihrer politischen Theologie erhoben hatten. Gemäß der Vorstellung eines konditionierten Bundes kann nur diejenige Gemeinschaft Gottes Segen für sich erhoffen, die alle von Gott diktierten Normen minutiös einhielt: Der Verzicht auf jeglichen Götzendienst genoß dabei stets höchste Priorität. Die Heilsgemeinschaft und die politische Gemeinschaft verschmolzen idealiter zu einem einheitlichen Gottesvolk, das Gottes Gesetze achtete und dem daher das Heil gewährt wurde. Dem König kommt in dieser Gemeinschaft die Aufgabe zu, die Einhaltung der göttlichen Normen zu überwachen und sicherzustellen. Sofern er dieser Aufgabe nachkommt, kann er den Gehorsam der Gemeinschaft für sich einfordern. Diese Vorstellung gehörte für große Teile des schottischen Klerus zum politischen Weltbild und prägte die Wahrnehmung der Königsherrschaft Jakobs VI. und Karls I. Aber auch in England war diese Haltung zur Monarchie sowohl in Teilen des Klerus als auch unter zahlreichen Abgeordneten des Parlaments verbreitet. Für die politische Stabilität der Stuartmonarchie blieb diese politische Theologie solange ohne Folgen, solange die Auffassung vorherrschte, der König

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komme der Aufgabe nach, die Einhaltung der Gesetze Gottes zu überwachen. Sobald sich allerdings bei einflußreichen Kreisen in Kirche und Parlament der Eindruck verfestigen sollte, daß die Übereinstimmung der Monarchie der Stuarts mit der Königsherrschaft Gottes nicht mehr gegeben sei, ja daß die Politik des Königs Verstößen gegen die lex dei Vorschub leiste, war das Potential gegeben, dem König im Namen der Loyalität zu Gott den Gehorsam aufzukündigen. In den kritischen Sprechakten, die in Schottland als Reaktion auf die Artikel von Perth seit 1618 und in England im Zusammenhang mit der Friedens- und Ausgleichspolitik mit Spanien seit Beginn der 1620er Jahre zu vernehmen waren, diagnostizierten zahlreiche Sprecher ein Auseinanderdriften von göttlichem Normenkatalog einerseits und der Politik des Königs andererseits. Damit läuteten die Kritiker zwar nicht den Bürgerkrieg ein. Sie schufen aber in ihren Mahnreden ein Szenario der Gefährdung Englands durch die Abwendung Gottes von seinem „auserwählten Volk“ und dessen Bestrafung. Zahlreiche Exempla des Alten Testaments lieferten in ihren Predigten und Traktaten Anschauungsmaterial, was Schottland und England zu befürchten hätten, sollte der politische Kurs nicht aufgehalten werden. Die Frage nach den Grenzen der Loyalität gegenüber Jakob VI./I. und Karl I. wurde in diesen Sprechakten in den 1620er Jahren noch ausgespart. Allerdings fanden biblische Gestalten wie Pinhas als Vorbilder Eingang in die Predigten und Traktate, also Personen, die sich durch besonderen Eifer für das Gesetz Gottes auszeichneten und auch vor Mord nicht zurückschreckten, um die göttliche Ordnung wieder herzustellen. Zwar sollten sich die Wogen zu Beginn der 1630er Jahre sowohl in Schottland als auch in England noch einmal glätten. Die Diskrepanz zwischen der von Karl I. vorangetriebenen Religionspolitik einerseits und dem Ideal einer vollständig reformierten und damit den Gesetzen Gottes entsprechenden Kirche bestimmte aber weiterhin die Wahrnehmung zahlreicher Zeitgenossen. Und im Rahmen dieser Wahrnehmung rückte beinahe zwangsläufig die Frage in den Mittelpunkt, welchen Gesetzen zu gehorchen sei, wenn die königlichen Anweisungen zur lex dei in Widerspruch standen. Die biblizistischen Sprechakte taten dabei das ihre, um diesen Widerspruch stets aufs neue anzuprangern und damit unter den Zeitgenossen präsent zu halten. Manche Autoren wie der schottische Theologe George Gillespie erinnerten die Zeitgenossen ferner daran, daß sie Gott größeren Gehorsam schuldig seien als dem König. Doch war an diesem Punkt eine Grenze erreicht. Gillespie konstatierte wie andere Kritiker der Politik Karls I., daß die Zustände im eigenen Land einem Abfall von Gottes Gesetz gleichkämen und daher eine Umkehr notwendig sei. Sie zogen aber nicht die Konsequenz, ihre Mitstreiter zur offenen Rebellion aufzurufen. Gleichwohl war der Aufstand der schottischen Covenanters gegen Karl I. letztlich die politische Folge der von der Kanzel und in Traktaten gelieferten Zustandsbeschreibung des Landes. Er entzündete sich am Versuch der Einführung des englischen Book of Common Prayer, also an einer Maßnahme, die aus Sicht der Presbyterianer die schottische Kirk noch tiefer in den „Götzendienst“ gezwungen und damit vom Zustand der von Gott eingerichteten Kirche entfernt

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hätte. Die Rebellion war der Auftakt zur Umkehr, deren Notwendigkeit zahlreiche Geistliche unter Verweis auf viele Beispiele des Alten Testaments immer wieder bekräftigten. Der Aufstand mündete im National Covenant, einer Bekräftigung des Bundes mit Gott, der den Schotten einen Treueschwur gegenüber Gott und seinen Gesetzen abverlangte, womit sie ihre Loyalität zu Karl I. faktisch aufkündigten. Die lex dei war in diesem Akt der Vergemeinschaftung oberste handlungsleitende Norm. Karl I. sicherten die Unterzeichner nur dann ihre Loyalität zu, sofern er sich seinerseits der lex dei unterwarf, was im Verständnis der Covenanters nicht weniger bedeutete, als vierzig Jahren Religionspolitik der Stuarts in Schottland abzuschwören. Erst nachdem Karl diese Forderungen ablehnte und ein Bürgerkrieg in Schottland unausweichlich war, vergrößerte sich das Arsenal der Argumente, mit denen die Covenanters die Abkehr von ihrem König begründeten: Zusätzlich zur lex dei beriefen sich die Aufständischen nun auch auf das Notwehrrecht sowie das ciceronianische Leitprinzip, daß das Heil des Volkes das oberste Gesetz des Landes sei. In England fehlte es seit den 1620er Jahren ebenfalls nicht an Sprechakten, in denen Geistliche, Autoren und Abgeordnete des Parlaments eine Diskrepanz zwischen der Einhaltung der Gesetze Gottes und der Friedenspolitik Jakobs I. konstatierten. Nach der Thronbesteigung Karls I. verschob sich der Gegenstand der Kritik von der Außenpolitik des Vorgängers zur Religionspolitik Karls I. Im Zentrum der Kritik standen insbesondere prominente Geistliche wie Richard Montagu oder der spätere Erzbischof von Canterbury, William Laud, die pauschal als Arminians diskreditiert wurden und denen die Kritiker unterstellten, eine heimliche Wiederannäherung der englischen an die römisch-katholische Kirche zu betreiben und damit dem Antichristen in England Tür und Tor zu öffnen. Die stärkere Betonung der ceremonies in der Kirche erschien den Kritikern als Ausweitung des „Götzendienstes“, was der Musterzählung von der Dringlichkeit der Umkehr und der damit verbundenen Einhaltung der Gesetze Gottes neue Nahrung bot. Diese Botschaft dürfte auch im Unterhaus gehört worden sein. Der Abgeordnete John Pym setzte bereits in den Parlamenten der ausgehenden 1620er Jahre alles daran, die Religionspolitik Karls I. zu bekämpfen, indem er versuchte, herausgehobene Protagonisten wie Richard Montagu vom Parlament verurteilen zu lassen. Im Long Parliament von 1640 zählte er dann zu den einflußreichsten Abgeordneten und setzte seine ganze Energie dafür ein, daß das Narrativ der Umkehr und die Notwendigkeit einer Erneuerung des Bundes Englands mit Gott im Parlament Wirkung entfalten konnte. Die zahlreichen Fastenpredigten taten das ihre, die Notwendigkeit zur Reform der Kirche sowie zur Bestrafung all derjenigen, die sich angeblich des „Götzendienstes“ schuldig gemacht hatten, zu unterstreichen. Auch in den Fastenpredigten findet sich nicht die ausdrückliche Aufforderung zu einem Aufstand gegen den König. Die Prediger in St. Margaret präsentierten den Abgeordneten aber in zahlreichen Predigten biblische Erzählungen und Vorbilder, in denen ausschließlich der bedingungslose Kampf für Gott und gegen die Glaubensfeinde zum Verhaltensideal erhoben wurde. Das Unterhaus sollte sich

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darin beweisen, Eifer für das Gesetz Gottes zu zeigen, deren Widersacher zu vernichten und den Kampf mit der Hure Babylon entschlossen aufzunehmen. Die hierbei häufig zitieren Exempla waren bereits in den Traktaten und Predigten der 1620er Jahren enthalten, in denen manche Autoren zum holy war gegen Spanien und das Papsttum aufriefen. Der Heilige Krieg, von dem die Prediger die Abgeordneten des Long Parliament zu überzeugen suchten, richtete sich dagegen nach innen. Im Fadenkreuz standen die Bischöfe und Repräsentanten der unter Anklage stehenden Kirchenpolitik, ferner die katholische Königin des Landes und ihre Umgebung am Hof, und nur mittelbar auch der König selbst, sofern er sich nicht seinerseits dem Kampf gegen die Glaubensfeinde ohne Rückhalt verschreiben sollte. Rücksicht gegenüber konstitutionellen Schranken war in der Logik dieser Erzählungen bereits eine Abkehr vom Auftrag Gottes, Zögern eine Handlung, die Gottesstrafen heraufbeschwor. Vom schuldigen Gehorsam gegenüber dem König war im Zeitraum von 1640 bis 1642 nur in einer einzigen Fastenpredigt vor den Abgeordneten ausdrücklich die Rede. Bezeichnenderweise weigerte sich das Parlament, diese Predigt zum Druck zu autorisieren. Die Anwälte des divine right of kings waren auch nach 1640 nicht verstummt. Sie fanden sich aber bis zum Ausbruch des Bürgerkrieges alle im Lager des Königs ein. Mochte die Auffassung von der Unantastbarkeit des Königs als Repräsentant Gottes auf Erden in Stuartengland eine weitgeteilte Auffassung gewesen sein: Aufgrund der Ereignisse in Schottland und England seit dem Jahr 1637 hatte sich dieser Konsens offenkundig verflüchtigt. Die zwei Gruppen, die sich im Sommer 1642 mit ihren Armeen gegenüberstanden, hatten nicht nur divergierende Auffassungen über die Rechte des Königs und die des Parlaments. Sie hatten auch zweierlei Ansichten über die Auslegung von Röm 13, über die Unantastbarkeit des Königs und über die Frage, auf welche Weise die lex dei auszulegen und welche politischen Konsequenzen aus ihr zu ziehen seien. Mochten auch auf beiden Seiten des Schlachtfelds Engländer und Protestanten gegeneinander antreten. Die Politische Theologie der Kontrahenten konnte unterschiedlicher nicht sein. Wie in England eine Königsherrschaft Gottes auf Erden zu erringen sei, darüber entschieden fortan die Waffen. Der politische Biblizismus war das Fundament dafür, daß die Kämpfer beider Seiten darauf vertrauten, Gott an ihrer Seite zu haben.

VIII. QUELLEN- UND LITERATURVERZEICHNIS

1. Ungedruckte Quellen British Library, Royal Manuscripts 18 B. 14 (Jakob: Paraphrase). British Library, Royal Manuscripts 18 B. 16 (Jakob: Psalmenübersetzungen). Bodleian Library, Oxford, Rawlinson MS D. 853 (Hakewill: The Wedding Ring).

2. Gedruckte Quellen Absalom’s Rebellion. As it is Recorded in the 2. Sam Chap. 15, 16, 17, 18 & 19, with some Observations upon the Severall Passages Thereof, to Fit a Patterne for the Present Times, where into we are Fallen, Oxford 1645. Acts and Proceedings of the General Assemblies of the Kirk of Scotland from the Year M.D.LX., hrsg. v. Thomas Thomson, 3 Bde., Edinburgh 1839–45. Acts of the Parliaments of Scotland, hrsg. v. T. Thomson/C. Innes, Edinburgh 1814–1875. Adams, Thomas, Eirenopolis: The Citie of Peace, London 1622. Adams, Thomas, The Temple. A Sermon Preached at Pauls Crosse the Fifth of August 1624, London 1624. [Adamson, Patrick], A Declaration of the Kings Maiesties Intentioun and Meaning toward the Lait Actis of Parliament, [Edinburgh] 1585. Althusius, Johannes, Politica methodice digesta…, 3. Aufl. Herborn 1614. Andrewes, Lancelot, A Sermon Preached before the Kings Maiestie, at Hampton Court, Concerning the Right and Power of Calling Assemblies, on Sunday the 28. of September, London 1606. Andrewes, Lancelot, Tortura Torti, sive ad Matthaei [i. e. Bellarmin] Torti librum responsio, London 1609. Andrewes, Lancelot, A Sermon Preached before His Maiestie on Sunday the Fifth of August Last at Holdenbie, London 1610. Andrewes, Lancelot, A Sermon Preached before the King’s Majesty at Whitehall on the First of April 1621, being Easter Day, in: XVCI Sermons by the Right Honorable and Reverend Father in God, Lancelot Andrewes, Late Bishop of Winchester, London 1629. Andrewes, Lancelot, The Works of Lancelot Andrewes, hrsg. von J. P. Wilson/J. Bliss, 11 Bde., Oxford 1841–54. Animadversions upon those Notes which the Late Observator Hath Published, London 1642. Articles Agreed upon by the Archbishops and Bishops of Both Provinces and the Whole Clergie, Reprinted by His Majesties Command, London 1628. Ashe, Simeon, The Best Refuge for the Most Oppressed in a Sermon Preached to the Honourable House of Commons at Their Solemne Fast, London 1642. Atkinson, David W., Selected Sermons of Zachary Boyd, Aberdeen 1989. Bachiler, Samuel, Miles Christianus, or The Campe Royal Set Forth in Briefe Meditations on the Words of the Prophet Moses, Deut. 23, 9, 14, Amsterdam 1625. Baillie, Robert, Letters and Journals, hrsg. von David Laing, 2 Bde., Edinburgh 1841–42. [Balcanquhall, Walter], A Large Declaration Concerning the Late Tumults in Scotland, from their First Originalls together with a Particular Deduction of the Seditious Practices of the Prime Leaders of the Covenanters: Collected out of their Owne Foule Acts

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VIII. Quellen- und Literaturverzeichnis

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ABBILDUNGSVERZEICHNIS Abb. 1: William Tyndale, The Newe Testament, Worms 1526, Frontispiz, S. 129. Abb. 2: Biblia, The Bible, that is the Holy Scripture of the Old and New Testaments, Antwerpen 1535, Frontispiz [sog. Coverdale Bible], S. 130. Abb. 3: The Bible in English, London 1539, Frontispiz [sog. Great Bible], S. 131. Abb. 4: The Bible and Holie Scriptures Conteyned in the Olde and Newe Testament, Genf 1560, Frontispiz [sog. Geneva Bible], S. 159. Abb. 5: The Psalmes of King David, Oxford 1631, Frontispiz, S. 194. Abb. 6: The Holy Bible, Conteyning the Old Testament and the New, London 1611, Frontispiz [sog. King James Bible], S. 312. Abb. 7: The Workes of the Most High and Mighty Prince Iames, London 1616, Frontispiz, S. 313.

ABKÜRZUNGEN AHR BL BodlL CSPD CSP, Scot. CSP, Ven. EcHRev EHR FS GG HJ HZ JBS JEH JMH MSS ODNB PP SFB SHR SPD STC TRE TRHS ZHF

= American Historical Review = British Library = Bodleian Library = Calendar of State Papers Domestic = Calendar of State Papers Scotland = Calendar of State Papers Venetian = Economic History Review = English Historical Review = Festschrift = Geschichte und Gesellschaft = Historical Journal = Historische Zeitschrift = Journal of British Studies = Journal of Ecclesiastical History = Journal of Modern History = Manuscripts = Oxford Dictionary of National Biography = Past and Present = Sonderforschungsbereich = Scottish Historical Review = State Papers Domestic = Short Title Catalogue = Theologische Realencyclopädie = Transactions of the Royal Historical Society = Zeitschrift für Historische Forschung

ABSTRACT One of the characteristics of the modern western world is the separation of politics from religion. The will of God no longer constitutes a legitimate argument in the political debate. In the 16th and 17th centuries, on the other hand, any attempt to separate politics from religion war regarded as Machiavellian, in other words offensive and immoral, and was often punished. If one of a king’s main duties was to orientate himself to Christian norms and to ensure that they were upheld within his own sphere of rule, this also affected the relationship with the Bible. Especially in Protestant countries, where the Holy Scripture was focussed on as the only direct source of God’s will, the biblical scriptures were like political pattern-books. They contained, on the one hand, eternal norms and values, and on the other numerous examples of both good and bad rulers. The Bible was a canonised storehouse of maxims and exempla, of statements about God’s expectations of Man and his deeds. Thus it was also a reservoir of arguments for political controversies – for example about the legitimacy of monarchical rule, about the rights and duties of rulers and about the legitimacy of individual political measures and decisions. So it was precisely this authority of biblical maxims that political biblicism, which emerged from all this, used for political argumentation. It can be seen more or less everywhere, especially in the confessional age of the 16th and 17th centuries. But since Henry VIII’s break with Rome and the almost permanent conflict for a century and a half over the „true form“ of the English church, or since the Reformation introduced by the Scottish parliament in 1560, the political disputes in England and Scotland were particularly marked by biblicist arguments. This book describes how reference to biblical scriptures united the authors in the way they interpreted the world, but not in their political statements. In the whole period under examination there was no unanimity on fundamental issues such as the origin, extent and limits of monarchical rule, the equality or inequality of people, or the extent and limits of God’s command of obedience to secular authorities, since the texts used were interpreted differently according to the speaker’s political and theological orientation. Try as they might, the monarchs never managed to monopolise the Bible as a political resource. In fact, the historical and prophetic writings of the Old Testament were ideally suited to criticism of rulers and were used extensively for this purpose. But above all it was the prophets’ representative role that critical members of the clergy liked to make their own. Regardless of censorship, criticism of the ruler presented – usually indirectly – in the language of biblicism offered the authors sufficient opportunity to denounce the politics of the country, yet still to be published. In Scotland the debate between the Scottish church and King James VI soon became a matter of principle. The Scottish Presbyterians saw no place for a king in the church. Instead, he was just a believer like everyone else, and the only king

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Abstract

in the church was Christ. Neither James VI/I nor his successor Charles I was prepared to accept this, which favoured, at least, the outbreak of the civil war in Scotland in 1637. In England from the last years of James I’s reign at the latest the choir became louder of those who saw in England’s church and religious policy, and its foreignpolitical stance during the Thirty Years’ War clear indications of a rejection of Jerusalem and another return to the Whore of Babylon. A specifically Protestant interpretation of both the Old Testament and the Revelation of John saw the country facing the decision either to completely reverse its religious policy or to fall into damnation. In order to avoid damnation both Scottish rebels and the English members of the Long Parliament saw civil war as the lesser evil. The biblicism of the political actors played its part in this.

REGISTER Kursiv gedruckte Seitenangaben verweisen auf Angaben im Fußnotentext. Auf die Aufnahme der Lemmata Jakob VI./I. und Karl I. wurde verzichtet. Die übrigen schottischen und englischen Monarchen sind unter den Dynastienamen Tudor und Stuart aufgeführt.

1. Personenregister Aaron 135, 164, 168, 228, 273, 275, 284, 298 Abbot, George 264, 332, 339 f., 355, 358, 376, 396, 405 f., 414 Abiatar 273 Abihu 164 Abimelech 54, 58, 167, 228 Abjatar 135 Abraham 2, 173, 228, 303, 359, 423 Absalom 51, 53 Achan 85–88, 394, 415 Adam 15, 52, 55, 58, 96, 116, 253 f., 258, 319, 359, 408 Adams, Thomas 350–352, 355–357 Adamson, John 16 Adamson, Patrick 180–183, 201, 277 Adonija 266 Agag 95, 409 f. Ahab 33, 60, 118, 165, 172,219, 249, 260, 263, 300, 349, 360, 386, 393, 400 Ahas 33, 39, 266, 330 Ahasver, s. Xerxes Ahimelech 135, 173 Alexander 258 Alexander, William 193, 195 Allen, John W. 214, 241 Althusius, Johannes 44 f., 47–49, 56, 60, 62, 123, 255, 259 Amazja 173 Ambrosius 97, 184, 386 Amos 151 Andrewes, Lancelot 16, 114, 271, 274 f., 295, 302–304, 316, 358,361, 376, 378 Anna (Gemahlin Jakobs VI./I.) 184, 226, 231 Aragon, Katharina von 133 f. Aristoteles 229, 236, 271 Arius 272, 285 Arminius, Jakob 16, 398 Arnisaeus, Henning 62 Asa 79, 158

Asarija (König) 58, 266, 300 Asarja (Hohepriester) 59 Asenat 360 Asham, Roger 140 Ashe, Simeon 101 Assmann, Jan 41 Atalja 153, 298 Augustinus 97, 273 Baasa 165 Bachiler, Samuel 394, 418 Baillie, Robert 80 Balcanquhal, Walter 50 Bale, John 137 f., 158, 202, 353 Balfour, James 271 Ball, William 112 Bancroft, Richard 268, 277, 281–286, 418 Barclay, William 62, 247, 255–257, 259, 295 Bargrave, Isaac 405, 409–411 Barker, Robert 271, 311 Barlow, William 271 f., 276, 301 f. Barnardiston, Nathaniel 76 Baron, Hans 11 Bastwick, John 63 f., 66, 94, 105, 419, 426 Batseba 59 Baxter, Richard 1 f. Becanus, Martin 297 f. Beckinsau, John 136 Bellarmin, Robert 50, 57, 291 f., 297 f., 385 Bernard, Richard 417 Beza, Theodor 198, 217, 272, 385 Bilson, Thomas 245 f., 281 Black, David 184–186, 213 Blackwell, George 297 Blackwood, Adam 247–250, 252 f., 255, 260 Bodin, Jean 258, 260 Boleyn, Anne 133 f. Boucher, Jean 305 Bradshaw, William 354

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Register

Bridge, William 93 f., 100 Bridges, John 280 f., 283 Brightman, Thomas 90, 316, 329, 332, 372 Bucanus, Wilhelm 385 Bucer, Martin 140–143, 147, 177, 383 Bucerus, Gernson 324 Buchanan, George 44, 47, 56, 62, 174, 217, 223, 228–230, 234, 237, 246–250, 256, 261 f., 285, 302, 387 Buckeridge, John 271, 272–274, 278, 296 Buckingham, s. Villiers Bugenhagen, Johannes 383 Bullinger, Heinrich 147, 148–151, 203 Burges, Cornelius 75, 77–81, 84, 88–90, 95 Burgess, Glenn 13 f., 72 f., 103, 112, 221, 242–244, 258, 260, 267 f., 270, 307 f., 319 f., 405, 409 f. Burns, James H. 148 Burroughs, Jeremiah 117 f. Burton, Henry 63–73, 83 f., 86, 92, 94, 99, 105, 121, 398 f., 419, 425 f. Calamy, Edmund 75, 91, 97, 101 Calderwood, David 49, 174, 186, 192, 195, 326–331 Caligula 256, 258 Calvin, Jean 50, 149, 217, 386 Cant, Andrew 50 Carey, Henry, Lord of Hunsdon 356 Carier, Benjamin 357 Carleton, Dudley 358, 376 Carleton, George 390, 398 Carmichael, John 271 Carter, Robert 254 Cartwright, Thomas 278, 283, 285 Caryl, Joseph 92 Casaubon, Isaac 295 Cecil, Eduard 368 Cecil, William, Lord Burghley 245 Chamberlain, John 376 Chesire, Thomas 96 Christian IV. 402, 404 Christianson, Paul 92, 197, 307 Christus 38, 50, 55, 58, 60, 92, 94, 99, 136, 138, 140, 142, 147, 151, 164, 175 f., 178 f., 181 f., 185, 203, 249, 253, 279 f., 284, 286, 297, 303 f., 315–317, 326–329, 331 f., 337, 339, 351, 378, 386, 412, 418 Cicero, Marcus Tullius 59, 102, 107, 115, 229, 236, 432 Clarendon, s. Hyde

Colt, Adam 271 Colville, John 225, 254 f. Comenius, Johann Amos 93 Conway,Edward 372, 391 Corbet, John 51 f., 54 f., 123 Cosin, John 270, 395 Cowan, Edward J. 44 Cowell, John 268, 305 Cowper, William 325 Craig, Thomas 225, 226–228 Craigie, James 214, 223 Cranmer, Thomas 128, 139 f., 161 Crew, John 391 Cromwell, Oliver 1, 8, 10, 14, 74 Cromwell, Thomas 128, 161 Curll, Walter 351 f. Cust, Richard 405 Cyrus 164, 291, 304 Dalia 362 Daniel 151 Daniell, David 160 Darius 101, 328 David 36, 39 f., 47, 51–53, 55, 57–60, 89, 95, 100, 113, 114, 118, 128, 137, 148, 160, 177, 182 f., 193, 210–212, 215, 218 f., 226–228, 249, 252, 260, 263, 265, 273, 300, 311, 343, 345, 358, 362–364, 378, 383, 386, 415 f., 426 f. Dawson, Jane E.A. 162 f., 166 De Belloy, Pierre 247, 249 f., 252 f., 255 Debora 102, 152, 155 de Dominis, Marco Antonio 36 f., 40, 62 Denison, John 351 Deveraux, Robert, 2. Earl of Essex 226, 257 Dickinson, David 50 Dickson, Alexander 225 Diggs, Dudley 115 f., 119 Dina 360 Donatus 273 f. Donne, John 379 f. Douglas, Archibald, Earl of Angus 231 Douglas, James, Earl of Morton 203 Dury, John 93 Downame, George 324 Dykes, John 231 f. Eduard II. 226 Egerton, Thomas, Viscount of Ellesmere 356 Eglon 155, 220 Ehud 155, 220, 266, 415

1. Personenregister Ela 165 Elias 60, 118, 151, 219, 266, 300, 360, 386 Elisabeth, Gemahlin Friedrichs V. von der Pfalz 332, 345, 354, 392 Ellesmere, s. Egerton Elton, Geoffrey 12 Erasmus von Rotterdam 217 Erastus, Thomas 285 Essex, s. Deveraux, Robert Eusebius 149, 181–183 Eva 96, 359, 362 Evagrius Scholasticus 149 Everard, John 344 Fairclough, Samuel 76, 84–89 Felton, John 415 f., 418 Ferdinand II. 338 f. Ferell, Lori Anne 302 f. Fergus 230, 256 Ferne, Henry 112–117, 119, 123 Field, John 278 Figgis, John Neville 241, 247 Fischlin, Daniel 198, 205 Forbes, John 49 f. Fortescue, John 154, 156 Foxe, John 132, 208, 426 Friedeburg, Robert von 32, 41, 44, 100, 148 Friedrich V. von der Pfalz 332, 337, 340, 345, 354 Fulkes, William 279 f. Gataker, Thomas 349 Gardiner, Samuel Rawson 8 Gardiner, Stephen 135, 137, 400, 422 Gee, Edward 366 f. Gentilis, Albericus 258–260 Gerson, Jean 248 Gideon 149, 228 Gilcher-Holtey, Ingrid 121 Gillespie, George 33–42, 47, 56, 59, 69, 121, 174, 293, 431 Gondomar, Don Diego de Sarmiento 333, 368 Goodman, Christopher 153–157, 160, 187, 245 Goodwin, John 118 f. Goodwin, Thomas 92, 98 f. Gordon, George Earl von Huntly 231 Goring, George 377 Grindal, Edmund 140 Grotius, Hugo 62

477

Guise, Maria 152, 162–165, 168 f., 175,233 Guise, Henrie 203 Hagar 359 Hahn, Alois 21 Haigh, Christopher 126 Hakewill, Georg 348 f., 357–365, 370, 376 Haman 70, 87 f., 399 Hamilton, John 231 Hampton, William 403 Harsnett, Samuel 305 Hartlib, Samuel 93 Hatton, Christopher 282 Hayward, John 257 f. Heinrich IV. 247, 255–257, 303 Hemor 360 Henderson, Alexander 46–52, 54, 56, 111, 114, 123 Henriette Maria (Gemahlin Karls I.) 78 f., 391 f., 393, 395, 399 Herbert, William, Earl of Pembroke 355–357 Herle, Charles 74, 116 Herodes 386 Hesekiel 167, 174 Heylyn, Peter 65, 68, 71–73 Hieronymus 272 Higgons, Theophilus 343, 349,374 Hill, Christopher 9, 12, 15, 90 Hiob 412 f., 417 Hiskija 36, 135 f., 139, 158, 164, 177 Hobbes, Thomas 74, 115 f., 421 Holbein, Hans 128 Holmes, Nathanael 94 Hooker, Richard 244, 283, 423 Hosia 33, 36, 125, 136 f., 139, 146, 158, 164, 177, 273, 345, 369 Hotman, François 62 Humphrey, Laurence 388 Hyde, Edward, Earl of Clarendon 75 f. Isaak 228 Isabella Clara Eugenia (span. Infantin) 224 Isebel 60, 151, 172, 360, 393, 400 Isokrates 236 Jackson, Thomas 343, 367–369, 374 Jaël 102, 220 Jakob 220, 228, 254, 303 Jakobus (Bischof von Jerusalem) 285 Joas 173 Jojada 149, 153, 266, 298

478

Register

Jones, Henry 354 Joschafat 139, 158, 164, 183,273 Joseph 360 Jehu 60, 151, 161, 168, 172, 219, 249, 253, 263, 266, 349, 360 f., 383, 386 f., 393 Jenison, Robert 365 f. Jeremias 78 f., 105, 146, 151, 167, 174 f., 219, 291, 343, 368, 386, 426 Jerobeam 39, 165, 168 Joachim von Fiore 202 Johannes der Täufer 386 Johannes von Patmos 19, 70, 90, 196, 198–200, 207, 316, 373, 428 Johnson, Ben 87 Joiada 33 Jojakim 386 Jonathan 104, 113, 173 Jones, Inigo 338 Joram 349 Josua 33, 55, 227, 265, 291 f., 345, 360, 362, 383 Judas 271 Julian (Apostata) 300 Karl V. 248 Kenyon, John P. 12 King, John 275 f., 354 Kishlansky, Mark 13, 222 Kosbi 100 Knight, John 381 f., 384, 387–389, 424 Knox, John 59, 62, 144–155, 157, 162–175, 179 f., 186 f., 234, 237, 302, 426 Konstantin 181 f., 273 f., 277, 348 Kuhn, Thomas S. 27 Lake, Peter 224, 229, 346, 354 Lando, Girlamo 335 La Peyrère, Isaac de 93 Laud, William 16, 64 f., 67, 70 f., 81, 87 f., 89, 97, 101, 106, 350, 395 f., 407, 417, 419, 425 f., 432 Leighton, Alexander 348, 393, 417–419 Lennox, s. Stuart, Esmé Le Roy, Louis 252 Leslie, Henrie 52 f. Levack, Brian 258, 261 Lindsay, David 326 Locke, John 255, 256, 307 Ludlow, Edmund 6 Ludwig der Heilige 397 Ludwig XIII. 299, 411 Luther, Martin 97, 127, 132–134, 141, 147, 171, 202, 285, 353

Maacha 100 Machiavelli, Niccolò 28 Maitland of Lethington, William 172 f. Maitland of Thirlestane, John 189, 232 Manasse 146, 172 Mansfeld, Ernst von 401 Manwaring, Roger 405, 407 f., 414–416 March, John de la 64 Maria (span. Infantin) 333, 338, 352, 377 Maria Magdalena 378 Markus (Bischof v. Alexandria) 285 Marprelate, Martin, s. Throckmorton Marshall, Stephen 75, 81, 84, 88, 95, 101–103 Martin, Richard 268 Martyr, Peter 400 Mason, Roger A. 162 f., 166 Mattathias (Hohepriester) 301 Matthias (Apostel) 55 Maximilian I. 338 Maxwell, John 54–57, 123 Maynwaring, Roger 270 McCullough, Peter 362 McGiffert, Michael 103 Medici, Maria di 299 Melanchthon, Philipp 217, 285, 326 Melville, Andrew 180, 182–184, 186, 195, 211 f., 223, 231, 235, 270 f., 273, 278, 299 Melville, James 179–181, 183, 186, 271, 275, 278, 299, 324 Micha 151 Michal 211 f. Middleton, Thomas 337 Milton, Anthony 351 Montagu, Henry, Earl of Manchester 356 Montagu, James 197, 205, 232, 310 f., 314, 318 Montagu, Richard 395–398, 416 f., 419, 432 Montaigne, George 406 Montgomery, Robert 178, 184 Montrose, James Graham fünfter Earl von 50 Mordechai 87 f. Morrill, John S. 17 f., 20, 44 Moses 38, 51, 114, 135–137, 155, 160, 163, 167 f., 227 f., 251, 262, 274 f., 284, 311, 345, 360, 362, 368, 383, 387, 399, 408, 423 Moulin, Pierre du 295 Myriell, Thomas 380 Nadab 164 Nathan 343

1. Personenregister Naunton, Robert 340 Nebukadnezar 163, 219, 258, 274, 291, 293, 369, 384, 386 Neile, Richard 390, 395, 400 Nero 55, 60, 219, 256, 258 Nimrod 58, 227, 249 f., 252 f., 258, 262, 304 Noah 251–253, 265, 319 Oakley, Francis 241 Optatus 273 Osiander, Andreas 166, 285, 383 Overall, John 264 Owen, David 385–388 Pareus, David 37, 40, 47, 59, 62, 97, 293, 382–385, 387–389, 424 Parker, Henry 62, 105, 107–117, 119, 123 Parker, Matthew 140 Parmenian 273 Parsons, Robert 224–230, 238, 247, 257 f., 292 f., 385 Pattenson, Matthew 353 Paul V. 291 Paulus 37, 108 f., 116 f., 128, 148, 166, 173, 219, 258, 262, 269, 272, 326, 328, 351,355, 381, 406, 424 Peacham, Henry 53 Peltonen, Markku 346 Pembroke, s. Herbert Penry, John 278 Perron, Jacques Davy du 299 f. Peter, Hugh 393 Petrus 113, 176, 181, 258, 262, 297 Pharao 35, 38 Philipp II. 151 Pinhas 100, 122, 151, 155, 361, 369, 415, 418 f., 431 Pius V. 208 Platon 236 Plessis de Richelieu, Armand-Jean du 411 Pocock, John G.A. 1315, 20, 22–28 Ponet, John 154–157, 160, 187 Pont, Robert 192 Pontifar 360 Prior, Charles W.A. 354 Prynne, William 63 f., 66, 67, 94, 105, 398, 419, 426 Purchas, Samuel 378 Pym, John 63, 67, 76, 79, 84–86, 88 f., 110, 396 f., 414, 419, 432 Randolph, Thomas 204 Rehabeam 53, 260

479

Reventlow, Henning Graf 11 f. Reynolds, John 308, 352 f. Rich, Robert, Earl of Warwick 76 Richard II. 226, 257 Richelieu, s. Plessis de Richelieu Rous, Francis 270, 398, 420 Rubens, Peter Paul 338 Rudolf II. 196, 293 Russell, Conrad 13, 16, 18, 214, 241, 243, 390, 416 Russell, Francis, Earl of Bedford 85 Rutherford, Samuel 46, 47, 56–62, 99, 110, 123, 174, 293 Salomon 36, 58, 135, 177, 226, 252, 254, 266, 311, 337, 339, 345, 356, 362 Samuel 57, 108 f., 114, 156, 160, 179, 181, 216–219, 221, 227, 229–231, 248, 253, 255, 259, 265 f., 298, 306, 311, 406 Saravia, Hadrian 37, 40, 247, 250–254, 265, 267, 286–288 Saul 47, 52, 55, 57 f., 60, 95, 104, 112 f., 114, 118, 135, 160, 164, 173, 179, 181, 183, 215–219, 222, 227, 229, 249–251, 255, 260, 262 f., 265, 269, 298, 300, 304, 319, 374, 400, 409–411 Savonarola, Girolamo 202 Schmitt, Carl 120 Schröder, Hans-Christoph 106 Scot, William 271 Scott, Thomas 119, 340–343, 345–348, 352, 355, 357, 371, 374 f. Scott, Thomas (Abgeordneter) 394, 410 f. Sedgwick, William 92, 95–98 Sejan (Lucius Aelius Seianus) 87, 415 Sempill, James 231 Sharpe, Kevin 13, 18, 25 Sheldon, Richard 295, 343, 370–372, 374 Sibthorpe, Robert 405–408, 414 Simri 100 Sisera 102, 220 Skinner, Quentin 14, 22–24, 28, 105, 107, 110, 119 f. Smart, Peter 400 Sommerville, Johann Peter 15, 72 f., 222, 241, 270, 287 f., 295, 307 Spottiswoode, John 192, 325 f. Starbucke, William 104 Steinmetz, Willibald 3 Stewart, James, Earl of Arran 169, 203, 206 Stuart, Esmé, Sieur d’Aubigny, Earl of Lennox 203 f.

480

Register

Stuart, Henry, Lord Darnley 203 Stuartkönige – Heinrich, Prinz 53, 223, 231, 233–237, 355, 357, 362, 390, 427 – Jakob V. 162 – Maria (Stuart) 125, 162, 169–172, 175, 180, 187, 223, 233, 237, 246 f., 287, 321, 426 – Karl II. 6 Suárez, Francisco 50, 55, 57 Sutcliffe, Matthew 245, 295, 358 Symmons, Edward 105 Taylor, John 344 f. Taylor, Thomas 368, 372–374 Tertullian 282 Theodosius 386, 397 Thomas von Aquin 217, 248, 382 Throckmorton, Job 278 Tillières, Tanneguy Leveneur Comte de 335 Timotheus 272, 285 Titus (Bischof) 272 Toland, John 226 Trajan 381 f., 384, 386 Travers, Walter 278 Trevor-Roper, Hugh R. 84–88, 92 Tudorkönige – Arthur, Prinz 134 – Heinrich VIII. 125–128, 133–139, 162, 186 f., 189, 297, 310 f., 323, 422 – Eduard VI. 125 f., 132, 137–140, 143 f., 146, 154, 161–163, 167, 186 f., 311 – Maria (Tudor) 125 f., 144, 146, 148, 151–154, 156, 158, 162 f., 187, 245, 352 f., 388 – Elisabeth I. 76, 77, 80, 84, 99, 125 f., 132, 137 f., 140, 152, 157 f., 161, 176, 184–187, 189, 204, 205 f., 208–210, 224–226, 232, 238, 242, 244, 246, 279 f., 282, 287, 310 f., 321, 388, 397, 427 Turner, William 137 Tyacke, Nicholas 16–18 Tyconius 202

Tyndale, William 127–129, 132–134, 136 f., 141, 147, 422, 426 Ulpian 260 Urban VIII. 399 Usa 182 Usija 59, 164, 183 f., 266, 300 Urija 227, 266 van der Beek, Martin, s. Becanus Villiers, George, Duke of Buckingham 357, 368, 372, 377, 389–392, 399, 402, 411–413, 415 f., 418 Waldegrave, Robert 213 f., 226 Wallace, Robert 271 Walzer, Michael 10–12, 14 Watson, William 271 Webbe, George 354 Weber-Möckl, Anne 259 Wentworth, Peter 225 f., 228, 255 Wentworth, Thomas, Earl von Strafford 51, 63 f., 85–89, 106, 397 Whitgift, John 279, 282, 283 Wilcox, Thomas 278 Willet, Andrew 354, 358, 384 f., 388 f. Wilhelm, der Eroberer 230, 248, 266 Wilhelm III. Oranien 226 Williams, John 191, 338 f., 412 f. Wilson, John F. 88, 101, 103 Wilson, Thomas 84 f., 89, 100 f. Wolsey, Thomas 134 Woodford, Robert 64 Wormald, Jenny 169, 222, 232, 246 Wyclif, John 138 Xenophon 236 Xerxes (Ahasver) Yates, John

87, 399

398

Zadok 273 Zippora 360 Zwingli, Huldrych 147

2. Sachregister

481

2. Sachregister Im Sachregister sind nur Orte aufgeführt, die als Chiffre für eine religiöse Haltung verwendet wurden (z. B. Babylon). Act of Supremacy 127, 161, 279 Act of Uniformity 161 Adiaphora 36, 211, 212, 235, 276, 278, 280, 283 f., 286, 288, 319, 325 f., 328 Ancient Constitution 13–15, 23, 27 f., 230, 237 Antichrist 7, 19, 30, 37, 62, 93 f., 105, 117–119, 138, 165, 176, 200–208, 293 f., 297, 303, 327, 329, 331 f., 336, 339–342, 347, 352, 370, 375, 383, 389, 392 f., 395 f., 399 f., 418, 429 Apokalyptik 19 f., 90–94, 98 f. Armada 81, 207, 209–212, 238, 351, 368, 401, 403 Armee (Parlamentsarmee) 6, 10, 63, 95, 102–106, 111, 115, 118, 122 Arminianer, Arminianismus 16 f., 78, 83, 86, 395 f., 398, 417, 419 f., 432 Artikel von Perth 32, 35, 38, 49, 204, 324–329, 331, 333, 431 Autorschaft (König Jakobs) 189–191, 209, 211 f., 375, 381, 426 f. – Psalmenübersetzungen 191–195, 362, 426 – Lepanto 209 – Paraphrase upon the Revelation 196–209, 314, 342, 400 – A Fruitfull Meditatioun 196, 206–210, 314, 342 – Meditatioun upon the First Buke of the Chronicles 210–213, 314, 342, 426 – Daemonologie 314 – The True Lawe of Free Monarchies 213–224, 246, 253, 278, 307, 314, 387, 427 – Basilikon Doron 201, 223, 231–238, 314, 316, 361 f. – A Counter-Blast to Tobacco 314 – Triplici nodo, triplex cuneus 291 f., 296, 314 – Premonition to all Most Mightie Monarchs 196, 293 f., 296, 314, 342 – Declaration against Vorstius 314, 396, 398 – A Remonstrance for the Right of Kings 300 f., 314, 342 – The Workes (1616) 214, 310–314, 332, 336

– A Meditation upon the Lords Prayer 314–316, 337 – A Meditation upon the 27th Chapter of St. Matthew 314–317 Babylon 7, 64, 78 f., 82, 90–94, 99, 102, 104, 117–119, 138, 294, 332 f., 340, 343, 349, 361, 363, 369–375, 394, 399 f., 420, 428–430, 433 Beispiel 5, 39, 84, 107–109, 114, 116 f., 122, 135 f., 147, 153,155 f., 183, 220, 222, 226, 229 f., 237, 249, 262 f., 265 f., 335, 363 f., 387, 415, 423, 427 f. Bibelübersetzungen / English Bible 18, 61 f., 126–132, 157–161, 191–195, 197 f., 272, 308–312, 421 f. Bibelkritik 2 Böhmischer Aufstand, s. Dreißigjähriger Krieg Book of Common Prayer 29 f., 32, 34, 35, 50, 59, 80, 84, 161, 431 Bürgerhumanismus 14, 27 f., 87, 107, 110, 117, 123, 229, 236, 346 f., 415, 424 Bund 2, 29, 32 f., 39, 41, 43–45, 48, 56, 58, 78–80, 133, 139, 141, 146 f., 163, 167 f., 173, 330, 360, 369, 423, 430–432 – Gnadenbund 133, 141, 273 Bürgerkrieg 4, 6–8, 12 f., 17, 28, 45, 61–63, 74, 97, 110, 120–123, 246, 259, 281, 296, 310, 335, 388, 429–433 Calvinismus 10 f. Canons (1604) 354 Canons (1606) 263–268, 304 Canons (1640) 84, 113, 268–270 Civic humanism, s. Bürgerhumanismus Common Law 13 f., 107 f., 111, 226, 254, 260, 267, 305, 307, 409 f., 424 Deuteronomium 36, 39, 78, 167, 217, 235, 359, 399 Deuteronomistisches Geschichtswerk 5, 36, 423 Dreißigjähriger Krieg 331 f., 337–340, 343, 345, 350 f., 355, 367, 372, 379, 389–391, 393, 401 f., 425, 429

482

Register

Exemplum / Exempel, s. Beispiel Fastenpredigten 62, 73–77, 81 f., 88 f., 95 f., 103, 122 f., 361, 368, 432 f. Forced Loan 270, 404–407, 409–411, 414 Frankreich – Bündnis (1625–26) 391 f., 411 – Krieg (1627–30) 411–414, 417 – Heirat Henrietta Maria 391–393 Frauenherrschaft 149, 152 f. General Assembly 30 f., 35, 37, 41, 43, 46, 50, 54, 172, 175, 178, 185, 189, 192, 231 f., 238, 275, 319, 323–325, 327 f., 330, 425 Gentry 9 f., 12, 404, 414 Gesetz Gottes 2, 5 f., 35 f., 39, 42–44, 49, 58, 61, 66, 72, 78, 81 f., 89, 100 f., 111, 115, 118, 121–123, 133–136, 141–147, 150, 153–155, 164 f., 167 f., 172–174, 187, 221, 226 f., 235, 243, 245, 263, 273, 286–288, 301, 303, 308, 323 f., 328, 330, 333, 345, 358–360, 363, 379–381, 392, 394, 399–401, 403, 406, 408, 417 f., 420, 422 f., 428–433 Götzendienst 34 f., 37, 39 f., 42 f., 59 f., 70, 78, 82, 84–86, 89 f.,136, 145 f., 148–150, 153 f., 158, 161, 163–165, 167 f.,172–174, 180, 187, 200, 220, 266, 294, 298, 327, 339, 343, 347, 352, 354–356, 359 f., 362–370, 379,386, 390, 392–394, 399 f., 409, 417, 423, 426, 429–432 Gottesstrafe 39 f., 42–44, 82, 91, 96, 123, 133, 143, 145–147, 151, 163–165, 172, 174, 227, 236, 330, 340, 360–363, 367, 369, 373 f., 391, 397, 409, 418, 423, 431, 433 Gowrie Conspiracy 301–303, 355, 378 Gunpowderplot, s. Pulververschwörung Heiliger Krieg 103–105, 332, 339 f., 348–350, 367, 379, 389, 391 f., 394, 396, 401–403, 412–414, 416 f., 433 Herrschaftsvertrag 115 f., 218,221 f., 227, 230, 246, 253 High Commission 32, 38, 66 f., 83, 106, 273, 372, 424 f. Hochverrat 31, 64, 67, 86, 96, 179, 290, 356, 399 Irland (Aufstand von 1641) Jesuiten 385

79, 122

54, 86, 200, 224, 229, 298, 380,

King’s Confession 30, 39 f., 50, 204–207, 327 Kirche, englische – Kirchenverfassung / Bischofskirche 17 f., 66, 80, 101, 137, 158, 233, 268 f., 278–289, 302, 354, 418 f. – königliche Obergewalt 128, 135 f.,176, 186 f., 243, 268 f., 292, 296, 298 f., 317, 320, 323, 379, 385, 422 – Liturgie (ceremonies) 17 f., 69 f., 80, 83 f., 137, 160 f., 268, 280, 315, 354, 371 f., 395 f., 400 f., 432 – Presbyterianer 278–286, 348, 371, 375 Kirche, schottische / Kirk – Kirchenverfassung 49, 52, 120, 182, 192, 201, 213, 234, 271, 275–277, 288, 320, 323 f., 328–330, 425 – Stellung des Königs 175–185, 189, 196, 211 f., 233, 238, 243, 271, 272–277, 317, 320, 323 f., 328 – Liturgie (ceremonies) 30, 33–35, 38, 195, 319, 324–326, 328–330 – Presbyterianer 52, 174 f., 178, 180–182, 186 f., 189, 193, 195, 200–205, 211, 213, 219, 225, 232–235, 238, 270 f., 273–279, 287, 318–320, 324, 326–331, 425, 427 Königsherrschaft Gottes, s. Theokratie Laodizea 89–91, 104, 329, 332, 372 Lex Dei, s. Gesetz Gottes Lex Regia 261 f. Magdeburger Bekenntnis 171 Makkabäer 20, 274, 293, 301 Meroz 101–104, 122, 366–368, 391, 407 Magistrate (niedere) 44, 48, 51, 116, 118, 148–150, 153, 166, 171, 383 f., 386, 388 Monarchie – Absolutismus 12 f., 15, 72, 241 f., 258 f., 261, 268 – Herrschaftsgewalt vom Volk verliehen 48, 57 f., 109 f., 114 f., 116, 118, 224, 228–230, 244–246, 248, 257, 261 f., 265, 293, 295, 298, 319, 383, 387 – Erbmonarchie 227 f., 57 f., 224, 226, 228, 238, 243–267, 318 – Bindung an die lex dei 37 f., 42 f., 47, 56, 61, 71 f., 95, 121, 142, 147, 153, 165, 217, 244, 274, 364, 383, 388 – Bindung an weltliche Gesetze 13, 109, 118, 221, 241–245, 261, 305–308, 383, 410

483

2. Sachregister – Divine right of kings 9, 15, 49, 51–56, 61 f., 73, 108–110, 112–114, 117, 128, 135, 156, 213–216, 221–223, 226, 241–244, 246, 253 f., 256 f., 259 f., 263, 268, 296, 301 f., 305–309, 318–321, 381, 383, 388, 405, 407, 409, 427 f., 430, 433 – Patriarchalismus 15, 52, 116, 228, 250–252, 264, 268, 296, 304, 408 – Gehorsamspflicht der Untertanen 38, 50–53, 96 f., 108, 117, 123, 132, 143, 227, 242, 250, 260, 291 f., 296, 301, 318, 378 f., 383, 388, 406, 408 f. National Covenant 29–33, 40 f., 46 f., 52 f., 56, 62, 80, 110, 425, 432 Naturrecht 62, 71, 116, 123, 141, 216, 220, 226 f., 229 f., 256, 263–266, 269 f., 273, 303 f., 308, 319, 359, 385, 408, 423, – Gleichheit des Menschen im Naturrecht 58, 228, 262 – Ungleichheit des Menschen im Naturrecht 52, 55, 115 f., 228, 251, 253, 257, 262, 265 Negative Confession, s. King’s Konfession Oath of Allegiance 79, 196, 289–292, 294–297, 299–301, 320, 331, 370, 384, 399 Parlament (engl.) 8, 12 f. – Steuerbewilligungsrecht 267, 269 f., 305 f., 402, 404–412, 414 – Parlament (1562) 397 – Parlament (1605/06) 289 f. – Parlament (1610) 305–307 – Parlament (1621) 345, 347, 368, 377 f., 390 – Parlament (1624) 347, 367, 368, 372, 390 – Parlament (1625) 390 f., 396 – Parlament (1626) 394, 397, 402, 411, 412 – Parlament (1628/29) 397, 405 f., 411–416, 418–420 – Short Parliament 269 f. – Long Parliament 6, 14, 51, 54, 62 f., 67, 74, 76, 81, 83, 89, 94 f., 100, 106, 111, 117–120, 122, 268, 288 f., 296, 369, 388, 419 f., 426, 432 f. Parlament (schott.) 35, 41, 49 f., 54 Peerage 12 Philadelphia 329 Political language 21–27, 75, 115, 220, 229, 250, 260, 334, 423, 427 f.

Präzedenzfall, s. Beispiel Prädestinationslehre 16 f., 395, 398 Privy Council 65–67, 321, 331, 334, 407, 417 Prophetenrolle 5, 40, 65, 121, 146, 170, 183, 186, 190, 193, 211, 219, 239, 273, 297, 311, 314, 316–318, 333, 341, 381, 421, 425–427 Providenz 46, 98, 252, 254, 267, 290, 360, 367, 369, 380, 401 Pulververschwörung 67, 81, 213, 289, 301–303, 331, 336, 339, 351, 368, 401, 403, 418 Puritaner, Puritanismus 8–11, 16 f., 54, 85, 108, 201, 233 f., 315, 346, 395, 428 – puritan revolution 8, 15 Recusant-Gesetze 333, 339 f., 365–368, 377, 391 f., 399, 412 Reformation (engl.) 125–127, 139 f., 156, 167, 186, 233, 403 Reformation (schott.) 162 f., 169 f., 187, 233, 327 Religionskrieg 17 Republikanismus 7 f., 14, 23, 105, 346 f. Revisionismus 13 Salbung 57, 298, 302, 304 Second Book of Discipline 175–177, 425 Semantik, s. political language Ship Money 270 Spanien – Friedenspolitik mit Spanien 333, 336–339, 343–351, 355, 366, 375, 389, 413, 431 f. – Spanisches Hochzeitsprojekt 333, 335, 337 f., 340, 343 f., 346, 349, 352–366, 367, 369 f., 373 f., 376–380, 389 f., 425 – Krieg (1625–1629) 389–391, 394, 417, 429 Sprechakte 23–26, 84, 121, 170, 238, 308, 318, 323, 381, 421, 423–426, 432 Star Chamber 65, 67, 70, 83, 106, 419 Theokratie 1 f., 31 f., 41–45, 68, 72 f., 81, 101, 104 f., 109, 121, 123, 125, 140–142, 153, 174, 244, 380, 391 Union of Crowns, s. Composite Monarchy Vorsehung Gottes, s. Providenz Whig interpretation of history

8, 11 f.

484

Register

Widerstand / Widerstandsrecht 32, 45–49, 57, 59–61, 96, 100, 107, 112 f., 118 f., 121, 143 f., 147–157, 160, 163, 165–168, 171–174, 218 f., 222 f., 227, 230, 236 f.,

241, 243, 245 f., 249, 255, 258, 261, 263 f., 267–269, 274, 290, 294, 298 f., 302 f., 319–321, 333, 361, 373, 381–389, 407, 410, 432 f.

3. Zitierte Bibelstellen Altes Testament Der Pentateuch Gen 10 Gen 16 Gen 21 Gen 24 Gen 34

58, 249, 258, 304 360 228 359 360

Ex 1 163 Ex 5 291 Ex 14 158 Ex 15 344 Ex 18 399 Ex 20 327 Ex 21 94 Ex 22 292 Ex 31 141 Ex 32 42, 185 Ex 35 141 Lev 13 Lev 18 Lev 19 Lev 20 Lev 23 Lev 26 Num 10 Num 12 Num 16 Num 25 Num 26

298 133 f. 53 133 f. 145 145 114, 274 360 51, 114, 272, 274, 408 100, 155 362

Dtn 4 36, 164, 185 Dtn 7 167 Dtn 13 60, 78, 100, 167, 363, 386 Dtn 17 45, 55, 57, 109, 160, 182, 217, 235, 259 f., 363, 399 Dtn 23 394 Dtn 25 134 Dtn 26 44

Dtn 28 Dtn 29

145 145

Die historischen Bücher Jos 1 291 Jos 7 85, 394, 415 Jos 23 360, 363 Jos 24 33 Ri 3 Ri 4 Ri 5 Ri 9 Ri 19

155, 220, 266 102, 220, 379 102 54, 58, 149 367

1 Sam 8 108 f., 112, 114, 155, 160, 215–223, 227, 229 f., 246, 248 f., 253, 255, 259, 265, 298, 406 1 Sam 11 58 1 Sam 13 292 1 Sam 14 113 1 Sam 15 95, 218, 256, 300, 409 1 Sam 16 57 1 Sam 19 160 1 Sam 21 173 1 Sam 22 135, 160 1 Sam 23 47, 379 1 Sam 24 160, 218, 249, 263, 265, 292, 300 1 Sam 26 114, 263, 265, 300 2 Sam 2 2 Sam 5 2 Sam 6 2 Sam 7 2 Sam 14 2 Sam 15 2 Sam 21

58 292 182, 292 292 292 53 292

1 Kön 1

58, 266

3. Zitierte Bibelstelle 1 Kön 2 135, 164, 266, 292 1 Kön 14 163 1 Kön 15 292 1 Kön 17 219 1 Kön 18 147, 151 1 Kön 19 300 1 Kön 21 151, 172 1 Kön 22 151 1 Kön 23 42 2 Kön 3 151 2 Kön 5 379 2 Kön 9 173, 219, 349 2 Kön 10 173 2 Kön 11 33, 149, 153, 266, 298 2 Kön 12 173, 266 2 Kön 13 292 2 Kön 14 58, 173 2 Kön 16 266 2 Kön 18 292, 328 2 Kön 21 172 2 Kön 22 292 2 Kön 23 33, 42

Ps 18 Ps 31 Ps 34 Ps 45 Ps 51 Ps 69 Ps 82 Ps 89 Ps 101 Ps 104 Ps 106 Ps 131 Ps 137

302 400 158 276 227, 386 89, 100 55, 77, 95, 110, 117, 215, 292, 414 228 89, 95, 182, 362 363 365 f. 378 102, 366

Spr 2 78 Spr 6 345 Spr 8 55, 109 Spr 16 407 Spr 24 408 Spr 30 36, 185 Koh 3 Koh 8

406 408

1 Chr 13 292 1 Chr 15 211 f., 314 1 Chr 16 303 1 Chr 28 292

Hld 8

275

2 Chr 6 292 2 Chr 9 292 2 Chr 15 78, 100 2 Chr 17 292 2 Chr 19 292, 394 2 Chr 20 394 2 Chr 21 228, 394 2 Chr 23 394 2 Chr 26 59, 183 f., 266, 301

Jes 40 Jes 41 Jes 44 Jes 49 Jes 51 Jes 62

Esra 1 291 Esra 6 89, 101 Esra 28 341 Esra 37 379 Neh 9 Est 8 Est 9

292 87 88

Prophetenschriften 163 163 33 46, 177, 273, 292 163 98

Jer 1 185 Jer 5 145 Jer 6 145, 343 Jer 14 163 Jer 16 163 Jer 20 151, 341 Jer 22 386 Jer 25 145 Jer 27 219, 291 Jer 37 164 Jer 38 167, 368 Jer 48 102, 105 Jer 50 77, 370 Jer 51 394

Psalter / Weisheitsbücher Ps 16

148

Ez 3 Ez 9

485

151 167

486

Register

Ez 22 Ez 33 Ez 34

165 145 185

Dan 2 Dan 3 Dan 5 Dan 6 Dan 7

164 180, 274 151 180 328

Am 3 Am 7 Am 9

145 151 145

Hab 2

141

Mal 2

185

185 185 185 147 f. 185, 271, 331 98

2 Kor 6 355 2 Kor 10 185 Eph 1 Eph 4

185 185, 276

Kol 2

185, 328, 379

1 Thess 4 2 Thess 2 2 Thess 3

Neues Testament Evangelien Mt 10 Mt 15 Mt 16 Mt 18 Mt 22 Mt 23 Mt 24 Mt 27 Mt 28

1 Kor 2 1 Kor 5 1 Kor 9 1 Kor 10 1 Kor 14 1 Kor 15

147, 149, 163, 185 163 f. 176, 179, 185, 293, 297 176, 185, 280 273, 408, 414 151 185, 370 317 185

Lk 9 303 Lk 10 285 Joh 19 Joh 20 Joh 21

155 185, 378 297

Apg 4 Apg 5 Apg 13 Apg 15 Apg 20 Apg 25

47, 149, 384 149, 179 151 185 272 272

Briefe Röm 13 37, 47, 50 f., 55, 59, 68, 72, 108 f., 112 f., 116, 118, 123, 143, 165 f., 173, 219, 251, 258, 262, 269, 272, 278, 291–293, 296, 301, 381–385, 388, 406, 409

379 280 379

1 Tim 3 1 Tim 5 1 Tim 6

272 185 272

2 Tim 1 2 Tim 2 2 Tim 3 2 Tim 4 2 Tim 6

185 185, 362 185 185 280

Tit 2

185, 271

Hebr 6 147 Hebr 12 351 1 Petr 2 50, 68, 113, 143, 185, 258, 262, 271, 276, 408 f. 1 Petr 5 185 Jud 4

280

Offenbarung Offb 2 Offb 3 Offb 6 Offb 9 Offb 10 Offb 11 Offb 13 Offb 14 Offb 16

89–92, 329, 372 329, 332, 372 99 199–201 198 64 f. 52, 207 370 70, 201 f., 399

487

3. Zitierte Bibelstelle Offb 17 71, 94, 117, 119, 294, 332, 343, 348, 373 f. Offb 18 90, 117, 147, 199, 360, 365, 371 f., 374

Offb 19 Offb 20 Offb 21 Offb 22

64, 98 207 89 185, 283