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German Pages 640 Year 2018
Christian Wirkner Logenleben
Ancien Régime Aufklärung und Revolution
Herausgegeben von Rolf Reichardt und Hans-Ulrich Thamer
Band 45
Christian Wirkner
Logenleben
Göttinger Freimaurerei im 18. Jahrhundert
Dissertation zur Erlangung des philosophischen Doktorgrades an der Philosophischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen. Gefördert durch ein Herzog-Ernst-Stipendium der Fritz Thyssen Stiftung.
ISBN 978-3-11-061841-9 e-ISBN (PDF) 978-3-11-062172-3 e-ISBN (EPUB) 978-3-11-061872-3 ISSN 2190-295X Library of Congress Control Number: 2018956381 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen National bibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.dnb.de abrufbar. © 2019 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston Umschlagabbildung: Bijou der Loge „Augusta zu den 3 Flammen“. Aus dem Bestand der Loge „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen. Mit Dank an die Loge. Druck und Bindung: CPI books GmbH, Leck www.degruyter.com
Meinen Eltern
Inhalt Einleitung
Die Erforschung der Freimaurerei
Struktur und Vorgehensweise
.
Stadt und Universität im 18. Jahrhundert Göttinger Logen 43
3 20 29
Aufnahme und Beförderung . . . .
Rituale und ihre Geschichte 55 88 Rezeption und Weiterführung in Göttingen Rezeption und Weiterführung in der Augusta 89 107 Rezeption und Weiterführung im Goldenen Zirkel Die rituelle Praxis in Göttingen 122
Egalität und Bevorzugung . . .
Gunstbeweis und Privileg 137 Hofieren und Rezipieren 148 175 Hofmeister und Reisende 191 Fürsprache und Kalkül
Entscheidungsfindung . . .
Abstimmungsprozesse 203 Vorgabe und Reform 208 234 Kontinuität und Schwarze Kugeln 268 Oberflächliche Partizipation?
VIII
Inhalt
Fehlverhalten und Disziplin . . .
Diskretion und Strafe 293 301 Appell und Diskretion Respektlose Brüder, Verrat und Betrüger 347 Bedroht von außen und innen
324
Kommunikation . . . .
Spuren der Korrespondenzkultur 365 Kontakt und karitatives Engagement Von der Armenhilfe bis zur Werbung Vernetzt mit Europa 418 427 Der „Fall Spittler“
377 400
Schlussbetrachtung
Das verbindende Element
481
Anhang Abkürzungsverzeichnis – Schlüssel zur freimaurerischen Schriftführung 509 511 Quellen- und Literaturverzeichnis Archivalische Quellen 511 512 Gedruckte Quellen 515 Literatur Die Mitglieder der „Augusta“
530
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“ Personenregister
627
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Einleitung
1 Die Erforschung der Freimaurerei „Wie glücklich sind wir, daß wir Freymaurer sind. Das heist, Leute, welche die Vorurtheile der Welt von Rang, Ehre, Reichthum, abgelegt haben, und jeden blos nach seinem moralischen Preise schäzen.“ ¹
Im Zusammenspiel mit der Gründung und des Aufbaus der Göttinger Universität in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts erfuhr die kleine Leinestadt einen enormen Wandel in allen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereichen. Zu den fundamentalen Veränderungen gehörte auch, dass man sich an der herrschenden Mode orientierte und dem Zeitgeist entsprechende „Gesellschaften“ gründete, darunter auch drei Freimaurerlogen. Die chronologische Abfolge der Gründung der Göttinger Logen spiegelt dabei die gesellschaftlichen Entwicklungen des von starken Umwälzungen gezeichneten 18. Jahrhunderts: Nach nur einem Jahr scheiterte 1748 mit der Loge Friedrich der erste Versuch, eine noch stark durch den Adel geprägte Loge fest zu etablieren. Erst nach dem Siebenjährigen Krieg gelang es zwei neugegründeten Gemeinschaften dauerhaft die von der Loge Friedrich hinterlassene Lücke zu besetzen: Die Loge Augusta zu den 3 Flammen (gegründet 1765) gehörte dem System der „Strikten Observanz“ an, die Loge Zum goldenen Zirkel (gegründet 1773) arbeitete nach dem „zinnendorfschen“ System. In beiden Gemeinschaften spielte der Adel keine herausragende Rolle mehr, gelehrte Bürger trafen nun die Entscheidungen. Namen wie jene von Johann Georg Heinrich Feder (1740 – 1821), Johann Benjamin Koppe (1750 – 1791), Ludwig Timotheus Spittler (1752– 1810), August Gottlieb Richter (1742– 1812) oder Gottfried August Bürger (1747– 1794) sind noch heute untrennbar mit der Blütezeit der Georgia-Augusta verbunden und zeugen von der immensen Anziehungskraft, mit der die Freimaurerei weite Teile der jungen bürgerlichen Gesellschaft in ihren Bann zog. Beide Gemeinschaften flankierten über zwanzig Jahre in enger personeller Anlehnung den Aufstieg der jungen Universität zur bedeutendsten deutschsprachigen Hochschule der Aufklärung. Die Beziehung zwischen der Freimaurerei und den sie umgebenden gesellschaftlichen Transformationsprozessen fiel bereits aufmerksamen Zeitgenossen auf. Lessing bewies 1780 Spürsinn für gesellschaftliche Entwicklungen, als er feststellte: „Ihrem Wesen nach ist die Freimaurerei ebenso alt als die bürgerliche Gesellschaft. … Wenn nicht gar die bürgerliche Gesellschaft nur ein Sprößling der
Aus einer Rede anlässlich des zweiten Stiftungstags der Loge Zu den 3 Rosen in Hamburg, 1772. Verfasser unbekannt. Schwedenkiste, 14. Band, Dok. 122 f. https://doi.org/10.1515/9783110621723-001
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Freimaurerei ist …“ ² Die Forschung zur Bedeutung des Sozietätswesens begann also bereits im 18. Jahrhundert und ist von Anfang an eng mit der Epoche der Aufklärung und der Emanzipation des europäischen Bürgertums verknüpft.³ Als Zeitzeuge erlebte Lessing, wie sich aus zunehmendem Wohlstand und Bildung innerhalb des Bürgertums das Potential der verschiedenen Gesellschaften jenseits des bislang herrschenden Adels entwickelte. In Göttingen lässt sich diese Entwicklung nicht nur an der Zusammensetzung der Freimaurerlogen beobachten: Innerhalb weniger Jahrzehnte wurde aus dem provinziellen Landstädtchen ein intellektuelles Zentrum mit bürgerlicher Oberschicht.⁴ Immer mehr Bürger drängten in die verschiedenen bestehenden Sozietäten, gründeten eigene Gemeinschaften und veränderten so die Ausrichtung des gesamten Sozietätswesens nachhaltig. Die neue gesellschaftliche Elite – zu der nach wie vor Adelige gehörten – war in weiten Teilen durch bürgerliche Moralvorstellungen geprägt.⁵ Gegen Ende des 19. Jahrhunderts begannen vermehrt einzelne Gesellschaften und Logen, sich für die eigene Geschichte zu interessieren.⁶ Die damals entstandenen Arbeiten hielten sich meist eng an den überlieferten Quellenbestand und waren ereignisorientiert, ohne die eigene Geschichte kritisch zu reflektieren oder in einen größeren Zusammenhang zu stellen.⁷ In Göttingen veröffentlichte
Gotthold Ephraim Lessing, Ernst und Falk – Gespräche für Freimaurer – Fortsetzung, Wolfenbüttel 1780, S. 35. Der Begriff von der Bürgerlichen Gesellschaft hat sich seitdem verändert. Lessing spielte ursprünglich auf die Elite des Staates, also gebildete und wohlhabende Adelige und Bürger an. Mit der Französischen Revolution änderte sich der Begriff des Bürgers und bezog sich nun auf gleichberechtigte Staatsbürger. Vgl. Monika Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und Bürgerliche Gesellschaft – Entwicklungslinien zur modernen Welt im Geheimbundwesen des 18. Jahrhunderts, Göttingen 1995, S. 7. Das wohl umfangreichste Werk zum Wandel Göttingens vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Ende des Siebenjährigen Kriegs veröffentlichte Norbert Winnige. Vgl. Norbert Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt. Göttingen 1648 – 1756, Hannover 1996. So lag die Ausbildung junger Adeliger häufig in der Hand armer, aber gelehrte Männer aus dem Bürgertum: Der Hofmeister. Auch sie finden sich in den Mitgliederlisten der Logen. Ganze Kataloge von Forderungen umrissen im 18. Jahrhundert die Forderungen an den Hofmeister, von dem trotz schlechtem Gehalt kaum weniger als Vollkommenheit erwartet wurde.Vgl. Ludwig Fertig, Die Hofmeister – Ein Beitrag zur Geschichte des Lehrstandes und der bürgerlichen Intelligenz, Stuttgart 1979, S. 48 ff. Zur frühen freimaurerischen Logengeschichte vgl. Karlheinz Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806 – Die Logen in Berlin, 1. Band, Innsbruck u. a. 2014, S. 16 ff. Holger Zaunstöck, Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen – Die mitteldeutschen Aufklärungsgesell- schaften im 18. Jahrhundert, Tübingen 1999, S. 8.
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1896 Moritz Heyne eine kurze Geschichte der Göttinger Freimaurerei.⁸ Heyne war Meister vom Stuhl der 1810 gegründeten Loge Augusta zum goldenen Zirkel, die bis heute besteht. Bei seinen Nachforschungen griff Heyne auch auf einige der in der vorliegenden Arbeit verwendeten Dokumente zurück. Es entstand ein erster kompakter Überblick über die Geschichte der Göttinger Freimaurerei, der Grundlage für spätere Arbeiten werden sollte. Die von Lessing aufgeworfene Frage nach den gemeinsamen Ursprüngen von Freimaurerei und bürgerlicher Gesellschaft ist seit Beginn des 20. Jahrhunderts immer wieder Gegenstand des Forschungsinteresses gewesen. 1908 beschäftigte sich Georg Simmel mit den Ursachen der raschen Verbreitung des Geheimbundwesens im 18. Jahrhundert.⁹ Bereits vor über hundert Jahren stellte er die seitdem vieldiskutierte These auf, dass die eigentliche Funktion des Geheimnisses in der Abschottung gegenüber äußeren Einflüssen gelegen habe, und somit eine Reaktion auf den absoluten Anspruch des Staats dargestellt habe. Den Inhalt des Geheimnisses sah er als der Funktion untergeordnet, und damit nebensächlich, an.¹⁰ Wenige Jahre später beschäftigte sich der französische Historiker René Le Forestier mit der Freimaurerei in Frankreich und Deutschland ebenso wie mit dem Illuminatenorden.¹¹ Die 1930er und 1940er Jahre markieren in Deutschland einen Einschnitt: Freimaurer wurden von den Nationalsozialisten verfolgt, ihre Logen mussten schließen, Unterlagen und Besitztümer wurden beschlagnahmt.¹² Die Unterdrückung und das Verbot der Logen im 20. Jahrhundert stellen mittlerweile einen eigenständigen Zweig innerhalb der historischen Forschung dar.¹³ Als Folge der Machtergreifung kam die Untersuchung des Sozietätswesens und der Entstehung
Moritz Heyne, Mitteilungen zur Vorgeschichte der Loge Augusta zum goldenen Zirkel in Göttingen aus dem 18. Jahrhundert, Göttingen 1896. Georg Simmel, Soziologie – Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Berlin 1908. Nachdruck hrsg. von Otthein Rammstedt, Frankfurt a. M. 1992, S. 383 ff. Simmel, Soziologie – Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, S. 424. René Le Forestier, Les Illuminés de Bavière et la Franc-Maçonnerie Allemande, Paris 1914. Zur Freimaurerei zwischen 1933 und 1945 vgl. Ralf Melzer, Freimaurerei im Nationalsozialismus zwischen Verfolgung, Exil und Anpassung, in: Joachim Berger und Klaus-Jürgen Grün (Hrsg.), Geheime Gesellschaft – Weimar und die deutsche Freimaurerei, Katalog zur Ausstellung der Stiftung Weimarer Klassik im Schiller-Museum Weimar 21. Juni bis 31. Dezember 2002, München und Wien 2002, S. 296 – 301. Zur „Verschleppung“ freimaurerischer Protokolle nach 1945 vgl. Hermann Schüttler, Zwei freimaurerische Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts im Vergleich: Strikte Observanz und Illuminatenorden, in: Erich Donnert (Hrsg.), Europa in der Frühen Neuzeit – Festschrift für Günter Mühlpfordt, 4. Band, Wien, Köln und Weimar 1997, S. 521– 544, hier S. 523. Vgl. Helmut Reinalter, Geschichte, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe, Innsbruck 2002, S. 15 f.
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der Bürgerlichen Gesellschaft beinahe zum Erliegen.¹⁴ Ernst Manheim entwickelte 1933 Simmels Theorie vom Geheimbund als Zufluchtsort außerhalb der Gesellschaft weiter, und bezeichnete Geheimbünde als esoterische Zusammenschlüsse, die jedoch nicht auf die außerhalb des Geheimnisses stehende Gesellschaft einwirken wollten. Anders als Simmel hielt er das geheime Wissen zwar nicht für irrelevant, aber doch für irrational und daher als Forschungsgegenstand für nicht lohnend.¹⁵ In Göttingen erlebte die Sozietätsforschung in den 1930er Jahren eine Blüte, ohne dass die dabei entstandenen Arbeiten sich durch eine erkennbar dem Zeitgeist angepasste Gesinnung auszeichnen würden. 1935 veröffentlichte Paul Ssymank die für die kommenden Jahrzehnte detaillierteste Arbeit zur Geschichte der Göttinger Freimaurerei.¹⁶ Ein Glücksfall, denn Ssymank hatte noch Zugriff auf Dokumente der Göttinger Logen, die als Folge der wenig später erfolgten Beschlagnahmung verloren gingen.¹⁷ Neben Ssymank tat sich in dieser Zeit der Heimatforscher Otto Deneke als der Geschichte des Göttinger Sozietätswesens eng verbunden hervor. In den dreißiger Jahren veröffentlichte er mehrere Schriften, in denen er sich vor allem mit den im Umfeld der jungen Universität entstandenen
Kurz zuvor war noch das Internationale Freimaurer-Lexikon von Oskar Posner und Eugen Lennhoff erstmals erschienen, das in dieser Arbeit in einem Nachdruck von 2006 verwendet wird. Eugen Lennhof, Oskar Posner und Dieter A. Binder, Internationales Freimaurerlexikon, Wien 1932. Hier verwendet 4. überarbeitete Auflage, München 2006, 2011. Ernst Manheim, Die Träger der öffentlichen Meinung – Studien zur Soziologie der Öffentlichkeit, Brünn 1933, S. 24. Paul Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, Göttingen 1935. Ssymank (1874– 1942) gilt als Begründer der Hochschulkunde, insb. der Studentengeschichte. Zu seinem umfangreichen Wirken vgl. Friedhelm Golücke, Verfasserlexikon zur Studenten- und Hochschulgeschichte. Ein bio-bibliographisches Verzeichnis, Köln 2004, S. 313 ff. Eine Aufstellung der historischen Dokumente in ihrem Besitz ließ die Loge „Augusta zum goldenen Zirkel“ 1935 selbst der Göttinger Universitätsbibliothek zukommen. Unter dem Zeichen 4_Cod_Ms_hist_lit_223_f findet sich dort eine Liste der Dokumente. Diese wurden nur wenig später durch die Gestapo beschlagnahmt und gelangten 1945 als Kriegsbeute in die damalige Sowjetunion. Von dort erreichten sie schließlich das Zentrale Staatsarchiv der DDR in Merseburg und sind seit 1991 wieder für die Forschung zugänglich. Vgl. Johannisloge Augusta zum goldenen Zirkel Göttingen, Archiv, Göttingen 1935, S. 1– 18; Zaunstöck, Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen, S. 31; Renate Endler und Elisabeth Schwarze, Die Freimaurerbestände im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, zwei Bände, Frankfurt a. M. u. a. 1994– 1996; Renate Endler, Die Freimaurerbestände im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz, Abteilung Merseburg, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Aufklärung und Geheimgesellschaften. Freimaurer, Illuminaten und Rosenkreuzer: Ideologie, Struktur und Wirkung. Internationale Tagung 1992 an der Universität Innsbruck, Bayreuth 1992, S. 103 – 107.
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studentischen Gemeinschaften beschäftigte.¹⁸ Seine Arbeiten streifen mehrmals die Geschichte der Göttinger Freimaurerei.¹⁹ Beide Autoren gewannen mit ihren Schriften Erkenntnisse, welche die weiteren Werke zum Göttinger Sozietätswesen beeinflussten und prägten – so auch die vorliegende Arbeit. Ab 1945 wurden Werke publiziert, die unter dem Eindruck des Nationalsozialismus erneut den Blick auf die Entstehung der bürgerlich geprägten Öffentlichkeit richteten. Das Sozietätswesen des 18. Jahrhundert und die Freimaurerei im speziellen wurden als wichtiges Glied in einer langen Kette von Prozessen begriffen. Damit stellte sich die Forschung des 20. Jahrhunderts in die Tradition Lessings, allerdings unter Verwendung eines weiter entwickelten Begriffs vom Bürgertum. Die Bedeutung von Arbeiten wie Reinhart Kosellecks Kritik und Krise und Jürgen Habermas‘ Strukturwandel der Öffentlichkeit ist auch über 50 Jahre nach ihrer Entstehung ungebrochen, wenn auch nicht unumstritten.²⁰ Koselleck sah – wie Simmel – die rasche Ausbreitung der Freimaurerei als eine Antwort auf den absolutistischen Staat an. Das Geheimnis habe in verschiedenen freimaurerischen Systemen zwar abweichende Inhalte vermittelt, doch sei seine Funktion – die Konstruktion von staatsfernen Räumen – wichtiger gewesen als seine Inhalte.²¹ Unter dem Schutz des Geheimnisses hätte sich eine moralische Gegenwelt etabliert, in der sich bürgerliche Freiheiten entwickelten, die der absolutistische Staat nicht gewährte.²² In den 1970er Jahren begann sich die Forschung erneut intensiver mit dem Sozietätswesen an sich auseinanderzusetzen, und die Freimaurerei rückte als
Vgl. Otto Deneke, Franz Eichhorn der Vandale – Studenten-Leben in napoleonischer Zeit, Göttingen 1931; Otto Deneke, Ein Göttinger Studenten-Duell, Göttingen 1934; Otto Deneke, Die westphälische Landsmannschaft zu Göttingen 1787 – 1812, Göttingen 1935; Otto Deneke, Alte Göttinger Landsmannschaften – Urkunden zu ihrer frühesten Geschichte (1737 – 1813), Göttingen 1937; Otto Deneke, Göttinger Stammbuchkupfer, Göttingen 1938; Otto Deneke, Göttinger Studentenorden, Göttingen 1938. Daneben existieren noch weitere Schriften Denekes zur Göttinger Lokalgeschichte des 18. Jahrhunderts. Vgl. Deneke, Göttinger Studenten-Orden, S. 2 ff. Die Loge „Augusta zum goldenen Zirkel“ veröffentlichte 1972 und 1997 anlässlich ihres 225- beziehungsweise 250jährigen Bestehens kurze Schriften zur Geschichte der Göttinger Freimaurerei, die in weiten Teilen auf den Arbeiten Heynes, Denekes und Ssymanks basieren. Vgl. Arndt Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen – 1747 – 1997, Göttingen 1997. Reinhart Koselleck, Kritik und Krise. Ein Beitrag zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, Freiburg und München 1959; Jürgen Habermas, Strukturwandel der Öffentlichkeit – Untersuchungen zu einer Kategorie der bürgerlichen Gesellschaft, Neuwied 1962. Koselleck, Kritik und Krise, S. 49 f. Koselleck, Kritik und Krise, S. 60 f.
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populärste Sozietätsform der Aufklärungszeit erneut in den Mittelpunkt. Rudolf Vierhaus verstand die Freimaurerei dabei nur als einen möglichen Ausdruck aufklärerischen Verhaltens. Die Aufklärung sei älter als die Freimaurerei und diese daher keine zwingende Folge aufgeklärten Verhaltens. Ohnehin, so Vierhaus, mute das in manchen Logen praktizierte Verhalten wenig aufklärerisch an. Die Aufklärung definiere sich nicht durch einheitliche „philosophische Grundlagen“, sondern durch eine Grundhaltung gegenüber den Herausforderungen der Zeit: Eine Reaktion auf religiöse Konflikte und die andauernde Vorherrschaft des Adels, aber auch Ausdruck eines neuen Selbstbewusstseins erstarkender Kräfte, die an der gesellschaftlichen Gestaltung partizipieren wollten.²³ Schließlich habe das Konzept des Bruderbundes durch den gesellschaftlichen Wandel an Attraktivität verloren und sei durch neue Formen der Geselligkeit wie Parteien und Vereine abgelöst worden.²⁴ Der von Lessing beschriebene kausale Zusammenhang zwischen der Entstehung von bürgerlicher Gesellschaft und Freimaurerei führte also dazu, dass mit fortschreitender Weiterentwicklung der Öffentlichkeit die Freimaurerei nicht mehr im selben Maße benötigt wurde und damit ihre Bedeutung für die weitere Transformation der Gesellschaft weitgehend verlor. Die Funktion der Sozietäten des 18. Jahrhunderts übernahmen zunehmend andere Formen der organisierten Geselligkeit wie zum Beispiel bürgerliche Clubs.²⁵ 1976 stellt Thomas Nipperdey die These von den Sozietäten des 18. Jahrhunderts als Vorgängern des modernen Vereins- und Parteiwesens auf.²⁶ Die Sozietäten des 18. Jahrhunderts hätten sich demnach von den althergebrachten Organisationsformen der Ständegesellschaft dahingehend unterschieden, dass nicht durch Geburt oder Stand die sozialen Kontakte vorherbestimmt waren, sondern diese nun aus freiwilligen Zusammenschlüssen resultierten.²⁷ Beitritt, Austritt und die Auflösung der Sozietät hätten ebenso wie ihre Zielsetzung der Ent-
Rudolf Vierhaus, Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, in: Rudolf von Thadden, Gert von Pistolkohrs und Helmut Weiss (Hrsg.), Das Vergangene und die Geschichte. Festschrift für Reinhard Wittram zum 70. Geburtstag, Göttingen 1973, S. 23 – 41, hier S. 26 f. Vierhaus, Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, S. 38. Vgl. Regina Jeske, „Ein behagliches, vergnügtes Leben, wenig berührt von den Stürmen der Zeit“ – Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, in: Lothar Gall (Hrsg.), Vom alten zum neuen Bürgertum, München 1991, S. 65 – 104, hier S. 88 f.; Stefan-Ludwig Hoffmann, Die Politik der Geselligkeit – Freimaurerlogen in der deutschen Bürgergesellschaft 1840 – 1918, Göttingen 2000, S. 46 ff. Thomas Nipperdey, Gesellschaft, Kultur, Theorie – Gesammelte Aufsätze zur neueren Geschichte, Göttingen 1976, S. 174 ff. Zu den Umwälzungen der gesellschaftlichen Ordnung vgl. Horst Möller, Fürstenstaat oder Bürgernation – Deutschland 1763 – 1815, Berlin 1989, S. 94 ff.
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scheidungsgewalt ihrer Mitglieder unterlegen.²⁸ Nipperdeys These fand große Beachtung beim Versuch, die Organisation und Zielsetzung verschiedener Sozietätstypen zu verstehen.²⁹ Anders als Nipperdey untersucht der Mainzer Historiker Winfried Dotzauer 1977 nicht das deutsche Sozietätswesen insgesamt, sondern die Geschichte der Freimaurerei im Rheinland.³⁰ Dabei widmet er sich insbesondere der Sozialstruktur der Gemeinschaften und stellt fest, dass die durch Bürger, Beamten und Adelige geprägten Logen trotz zahlreicher Verbote häufig auch von katholischen Würdenträgern besucht wurden. In den 1980er Jahren geriet das breite Spektrum des Sozietätswesens erneut in den Blick der Forschung. In einem von Peter Christian Ludz herausgegebenen Sammelband, der den Stand der Forschung dokumentierte, verglich Manfred Agethen 1979 Organisation und Zielsetzung des Illuminatenordens mit den Strukturen christlicher Sekten.³¹ Ziel sei in beiden Sozietäten die Herbeiführung eines „sozio-politischen Wandels“ gewesen. Agethen charakterisiert dabei den Orden als „esoterischen“ Bund, der zwar innerhalb der Gesellschaft existierte, aber nicht Teil von ihr war.³² 1982 lieferte Ulrich Im Hof einen Überblick über die ständische Gesellschaft, die Entwicklung und Geschichte der populärsten Spielarten des Sozietätswesens sowie den Forschungsstand in verschiedenen europäischen Ländern zu Beginn der 1980er Jahre.³³ Vier Jahre später erschien Richard van Dülmens Gesellschaft der Aufklärer, in dem der Autor die ganze Bandbreite verschiedener Sozietätsarten und ihrer Entwicklung während des 18. Jahrhunderts nachzeichnet.³⁴ Nachdem die ersten
Nipperdey, Vereine als soziale Struktur in Deutschland, S. 174. Vgl. auch Zaunstöck, Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen, S. 1. Zur weiteren Diskussion von Nipperdeys These vgl. Johannes Rogalla von Bieberstein, Geheime Gesellschaften als Vorläufer politischer Parteien, in: Peter Christian Ludz (Hrsg.), Geheime Gesellschaften, Heidelberg 1979, S. 429 – 460. Winfried Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein – Aufgeklärte Sozietäten auf dem linken Rheinufer vom Ausgang des Ancien Régime bis zum Ende der napoleonischen Herrschaft, Wiesbaden 1977. Manfred Agethen, Mittelalterlicher Sektentypus und Illuminatenideologie – Ein Versuch zur geistesgeschichtlich-soziologischen Einordnung des Illuminatenbundes, in: Peter Christian Ludz (Hrsg.), Geheime Gesellschaften, Heidelberg 1979, S. 121– 150. Agethen, Mittelalterlicher Sektentypus und Illuminatenideologie, S. 136. Ulrich im Hof, Das gesellige Jahrhundert – Gesellschaft und Gesellschaften im Zeitalter der Aufklärung, München 1982. Richard van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer – Zur bürgerlichen Emanzipation und aufklärerischen Kultur in Deutschland, 2. Auflage, Frankfurt a. M. 1996.
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Sozietäten im Umfeld der Höfe des 17. Jahrhunderts entstanden, sei es erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts im nun bürgerlich geprägten Sozietätswesen zur Entwicklung von obrigkeits- und staatskritischen Strömungen gekommen. Als Ursache dieser Entwicklung identifiziert van Dülmen eine „Desillusionierung über den aufgeklärten Absolutismus“, der versprochene Reformen wie Meinungsfreiheit und Toleranz nur eingeschränkt umgesetzt hätte. Die zunehmend kritische Haltung des erstarkenden Bürgertums gegenüber den als schleppend empfundenen gesellschaftlichen Prozessen hätte der absolutistische Staat „ohne Schwierigkeiten“ aufnehmen können, doch als Folge der Französischen Revolution seien die Ambitionen des neuen Bürgertums durch reaktionäre Kräfte diskreditiert worden. Dieses neue Bürgertum entstammte laut Dülmen einer neuen gebildeten Schicht innerhalb des ständisch organisierten Staats, die sich während der Aufklärung gebildet hatte und sich auf „Nutzen, Moral und Vernunft“ stützte.³⁵ Wolfgang Hardtwig baute Ende der 1980er Jahre auf die Thesen Kosellecks, Vierhaus’, Nipperdeys und van Dülmens auf. Für ihn stellten Geheimgesellschaften Zusammenschlüsse von Personen dar, die „innerhalb der ständisch-feudalen Herrschafts- und Gesellschaftsordnung“ gemeinsam versuchten, Individualität zu erreichen. Deshalb, so Hardtwig, seien die Logen Schritte auf dem Weg von der ständischen zur bürgerlich geprägten Ungleichheit gewesen.³⁶ Agethen versteht dieses Streben aus der ständischen Öffentlichkeit hinaus in die Sozietäten als einen Exodus mit utopischer Zielsetzung und „Akt der Resignation“ zugleich.³⁷ Auch Norbert Schindler, Ludwig Hammermayer und Eberhard Illner untersuchen das Sozietätswesen als wichtigen Faktor für gesellschaftliche Entwicklungen.³⁸ Seit den späten 1970er Jahren forscht Schindler zur Aufklärung und Alltagskultur der Frühen Neuzeit, und widmet sich in diesem Rahmen auch immer wieder der Freimaurerei und den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, die er für die Erosion der „höfisch-aristokratischen Standeskulturen“ mit verant-
Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 11, 128. Wolfgang Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Aufklärung und Geheimgesellschaften – Zur politischen Funktion und Sozialstruktur der Freimaurerlogen im 18. Jahrhundert, München 1989, S. 63 – 86, hier S. 70. Vgl. Manfred Agethen, Geheimbund und Utopie – Illuminaten, Freimaurer und deutsche Spätaufklärung, München 1987, S. 141. Manfred Agethen, Aufklärungsgesellschaften, Freimaurerei, geheime Gesellschaften. Ein Forschungsbericht (1976 – 1986), in: Zeitschrift für historische Forschung, 14. Band, Berlin 1987, S. 439 – 463; Ludwig Hammermayer, Der Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent von 1782 – Höhe- und Wendepunkt in der Geschichte der deutschen und europäischen Geheimgesellschaften, Heidelberg 1980; Eberhard Illner, Bürgerliche Organisierung in Elberfeld 1775 – 1850, Neustadt a. d. Aisch 1982.
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wortlich macht.³⁹ 1979 gibt er Manheims Werk in einer Neuauflage heraus und behauptet, dieser hätte zuerst – vor Koselleck – die Aufklärungsgesellschaften mit der These von der Entstehung der bürgerlichen Gesellschaft in Verbindung gebracht.⁴⁰ Schindler hält Kosellecks These von der Freimaurerei als Antwort auf den absolutistischen Staat für zu kurz gegriffen; die Besonderheiten der deutschen Aufklärung leiteten sich nicht nur aus ihrem Verhältnis zum absolutistischen Staat, sondern auch aus ihren eigenen sozialgeschichtlichen Hintergründen ab.⁴¹ In einem 1987 veröffentlichen Aufsatz stellt Hammermeyer die bisherige Geschichte der europäischen Freimaurerei und ihrer Erforschung dar, bevor er auf seine Ansätze zur weiteren Erforschung zu sprechen kommt.⁴² Die Forschung müsse sich vor allem auf die Verknüpfungen zwischen Freimaurerei und Geheimgesellschaften auf der einen, und der „politischen und sozialen Welt“ auf der anderen Seite konzentrieren. Im Mittelpunkt des Interesses sollte die Suche nach kausalen Zusammenhängen zwischen dem populären Sozietätswesen und den gesellschaftlichen Transformationsprozessen stehen. Fragen nach maurerischen Systemen, Ritualen und Symbolen sollten dagegen zunächst zurückstehen.⁴³ In den 1990er Jahren verschiebt sich mit Arbeiten von Pierre-André Bois, Franz Biet oder Gerhard Fuchs der Interessenschwerpunkt zunehmend auf das Wirken einzelner Personen.⁴⁴ Horst Möller beschäftigt sich schon 1986 mit den
Norbert Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert – Zur sozialen Funktion des Geheimnisses in der entstehenden bürgerlichen Gesellschaft, in: Robert Berdahl u. a., Klassen und Kultur – Sozialanthropologische Perspektiven in der Geschichtsschreibung, Frankfurt a. M. 1982, S. 205 – 262; Norbert Schindler, Der Geheimbund der Illuminaten – Aufklärung, Geheimnis und Politik, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt a. M. 1983, S. 284– 318. Ernst Manheim, Aufklärung und öffentliche Meinung – Studien zur Soziologie der Öffentlichkeit im 18. Jahrhundert, hrsg. von Norbert Schindler, Stuttgart 1979, S. 9 ff. Norbert Schindler, Aufklärung und Geheimnis im Illuminatenorden, in: Peter Christian Ludz (Hrsg.), Geheime Gesellschaften, Heidelberg 1979, S. 203 ff., hier S. 204. Ludwig Hammermeyer, Zur Geschichte der europäischen Freimaurerei und der Geheimgesellschaften im 18. Jahrhundert. Genese – Historiographie – Forschungsprobleme, in: Eva H. Balász, Ludwig Hammermeyer, Hans Wagner und Jerzy Wojtowicz (Hrsg.), Beförderer der Aufklärung in Mittel- und Osteuropa – Freimaurer, Gesellschaften, Clubs, Essen 1987, S. 9 – 68. Hammermeyer, Zur Geschichte der europäischen Freimaurerei, S. 28. Vgl. Pierre-André Bois, Adolph Freiherr Knigge (1752 – 1796). De la „nouvelle religion“ aux Droits de’l Homme. L’itinéraire politique d’un aristocrate allemande franc-macon à la fin du dix-huitième siècle, Wiesbaden 1990; Franz Biet, Die ungeschminkte Maurertugend. Georg Forsters freimaurerische Ideologie und ihre Bedeutung für seine philosophische Entwicklung, Frankfurt a. M. 1993; Gerhard W. Fuchs, Karl Leonhard Reinhold – Illuminat und Philosoph. Eine Studie über den Zu-
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Doppel- und Mehrfachmitgliedschaften, das heißt mit der Annahme, dass viele Persönlichkeiten der Aufklärungszeit gleichzeitig in mehreren Sozietäten aktiv waren, und es in der Folge zu einem Austausch von Ideen zwischen verschiedenen Gesellschaftsformen kam. Möller sieht hier ein interessantes Forschungsfeld, das – so sein damaliges Urteil – allerdings aufgrund fehlender prosopographischer Grundlagen noch nicht zu bearbeiten sei.⁴⁵ Helmut Reinalter, der sich bereits seit den siebziger Jahren primär mit Aufklärung, Reform und Absolutismus im josephinischen Österreich beschäftigt hatte, widmet sich zunehmend der Rolle der Freimaurerei und der Geheimgesellschaften in den gesellschaftlichen Umwälzungen des ausgehenden 18. Jahrhunderts.⁴⁶ Auch Wolfgang Hardtwig, W. Daniel Wilson und Joachim Bauer veröffentlichen Arbeiten, in denen sich die Wahrnehmung der Sozietäten als für die Entstehung sozialer Prozesse zentraler Räume mit dem Blick auf regionale Geschehnisse vereint.⁴⁷ Hardtwig überprüft Nipperdeys These von der Trennung
sammenhang seines Engagements als Freimaurer und Illuminat mit seinem Leben und philosophischen Wirken, Frankfurt a. M. 1994. Horst Möller, Vernunft und Kritik – Deutsche Aufklärung im 17. und 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. 1986, S. 223 f. Von 1992 bis 2005 war Reinalter Vorsitzender der Wissenschaftlichen Kommission zur Erforschung der Freimaurerei, von 1995 bis 2010 wissenschaftlicher Leider der Freimaurerakademie der Großloge von Österreich. An dieser Stelle kann nur ein Auszug aus Reinalters zahlreichen Veröffentlichungen wiedergegeben werden. Helmut Reinalter, Reformkatholizismus oder Staatskirchentum? Zur Bewertung des Josephinismus in der neueren Literatur, in: Römische Historische Mitteilungen, 18. Band, Rom und Wien 1976, S. 283 – 307; Helmut Reinalter (Hrsg.), Aufgeklärter Absolutismus und Revolution – Zur Geschichte des Jakobinertums und der frühdemokratischen Bestrebungen in der Habsburgermonarchie, Wien 1980; Helmut Reinalter, Der „aufgeklärte Absolutismus“ als Forschungsproblem, in: Aufklärung – Vormärz – Revolution, 5. Band, Innsbruck 1985, S. 102– 104; Helmut Reinalter, Österreich im friderizianischen Zeitalter, Innsbruck 1986; Helmut Reinalter (Hrsg.), Joseph II. und die Freimaurerei im Lichte zeitgenössischer Broschüren, Graz und Wien 1986; Helmut Reinalter (Hrsg.), Joseph von Sonnenfels, Wien 1988; Helmut Reinalter, Das josesphinische Jahrzehnt – Staat, Politik und Gesellschaft, in: Zaubertöne. Mozart in Wien 1781 – 1791, Ausstellungskatalog, Wien 1990, S. 142– 147; Helmut Reinalter, Am Hofe Joseph II., Leipzig 1991; Helmut Reinalter (Hrsg.), Die Aufklärung in Österreich. Ignaz von Born und seine Zeit, Frankfurt a. M. u. a. 1991; Helmut Reinalter (Hrsg.), Der Josephinismus. Bedeutung, Einflüsse und Wirkungen, Frankfurt a. M. 1993; Helmut Reinalter (Hrsg.), Aufklärungsgesellschaften, Frankfurt a. M. u. a. 1993; Helmut Reinalter, Die Rolle der Freimaurerei und Geheimgesellschaften im 18. Jahrhundert, in: Peter Anreiter (Hrsg.), Scientia – Schriftenreihe der Innsbrucker Gesellschaft zur Pflege der Einzelwissenschaften und interdisziplinären Forschung, 39. Band, Innsbruck 1995, S. 101– 113. Wolfgang Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland. Vom Spätmittelalter bis zur Französischen Revolution, 1. Band, München 1997; W. Daniel Wilson, Geheimräte gegen Geheimbünde: Ein unbekanntes Kapitel der klassisch-romantischen Geschichte Weimars, Stuttgart 1991; Joachim Bauer und Jens Riederer (Hrsg.), Zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit – Jenaer Frei-
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zwischen Korporation und freiwilliger Assoziation und stellt dabei fest, dass zwischen beiden weitgehende Überschneidungen existierten und eine klare Trennung daher kaum vorgenommen werden kann.⁴⁸ Winfried Dotzauer veröffentlicht 1991 eine Quellenedition, in der eine Auswahl schwer zugänglicher Dokumente für die Forschung zur Verfügung gestellt wird. So soll nicht nur Einblick in die diversen Aktivitäten der Logen wie Rezeptionen und Weiterführungen gegeben werden, sondern auch Rituale, Symbole, Organisationsstruktur, die verschiedenen Systeme und berühmte Freimaurer sollen anschaulich dargestellt und porträtiert werden.⁴⁹ Die Erforschung von Geheimbünden als esoterische Gemeinschaften ist vor allem mit dem Namen Monika Neugebauer-Wölks verbunden. Esoterik sei „die Sammelbezeichnung für Geheimlehren, die nur den Eingeweihten einer Gemeinschaft zugänglich sind.“ Sie sieht in den Geheimlehren der Freimaurerei eine Weiterentwicklung von Utopien der Rosenkreuzer, nicht jedoch eine Antwort auf den absolutistischen Staat wie Koselleck.⁵⁰ Anders als Simmel, Hammermeyer oder Vierhaus versteht Neugebauer-Wölk gerade die esoterischen Inhalte der Freimaurerei als jenes Element, das die Logen den Zeitgenossen als fortschrittlich erscheinen ließ.⁵¹ In ihrer Eigenschaft als Suchende, einem Prozess der „moralischen Veredelung“ Unterworfene seien die Mitglieder der Logen gleichgestellt gewesen. Die in diesem Zusammenhang vermittelten Lehren hätten natürlich ein revolutionäres Potential besessen, eine Außenwirkung sei aber nicht zwingend und auch nicht erwünscht gewesen.⁵² Als herausragendes Werk muss Holger Zaunstöcks Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen gelten, in dem Prosopographie und Vernetzung von Aufklärungsgesellschaften durch Mehrfachmitgliedschaften innerhalb Mitteldeutschlands erstmals untersucht und damit die von Möller angeregte Forschung vorangetrieben wird. Auch Zaunstöck beklagt, dass die Erfassung der in den Gesellschaften versammelten Mitglieder bislang nur „sporadisch und ansatzweise“ erfolgt, und die Forschung insgesamt noch weit von einem Überblick entfernt
maurerei und studentische Geheimgesellschaften, Jena 1991; Jens Riederer, Aufgeklärte Sozietäten und gesellige Vereine in Jena und Weimar zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit 1730 – 1830. Sozialstrukturelle Untersuchungen und ein Beitrag zur politischen Struktur eines Kleinstaates, Jena 1994. Vgl. Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 9 ff., 55 ff., 362 ff. Winfried Dotzauer, Quellen zur Geschichte der deutschen Freimaurerei im 18. Jahrhundert, Frankfurt a. M. u. a. 1991. Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und Bürgerliche Gesellschaft, S. 8, 16. Vgl. Vierhaus, Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, S. 26 f. Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und Bürgerliche Gesellschaft, S. 17, 24.
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sei.⁵³ Bevor dieses Desiderat nicht aufgelöst werde, sei eine weitere Erforschung der Vernetzung der Sozietäten – etwa in Form von Mehrfachmitgliedschaften – unmöglich. Ähnlich äußerte sich zwei Jahre vor Zaunstöck schon Florian Maurice: „Es gibt derzeit keinen Mangel an großen Entwürfen … auf die Frage aber, was denn nun die Freimaurer eigentlich in der Loge machten, herrscht Ratlosigkeit.“ ⁵⁴ In seiner Analyse der Reform der Berliner Großloge Royal York sieht Maurice – wie Simmel – nicht die in den Geheimbünden vertretenen Inhalte für ihren Zusammenhalt als entscheidend an, sondern die Vorteile, welche die Mitgliedschaft für den einzelnen mit sich brachte. Die Freimaurerei des 18. Jahrhunderts war demnach eine Lebensgefühl und Identität schaffende Bewegung, die Ersatz bot für das, was die profane Welt nicht bieten konnte: „Raum für Selbstverwirklichung“. ⁵⁵ Dies wiederum habe den Konsum der „Ware“ Freimaurerei angeregt. Dass es nicht die eine, wahre Freimaurerei gegeben habe, sei dabei von Vorteil gewesen, denn so hätte sich die Freimaurerei den auf sie projizierten Wünschen anpassen können.⁵⁶ Ähnlich untersuchte auch Robert Beachy am Beispiel der Messestadt Leipzig, warum sich Händler und Akademiker zum Eintritt in die Logen entschlossen. Er kommt dabei zu der Überzeugung, dass es sich meist um die Suche nach gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Vorteilen handelte.⁵⁷ Seit Beginn des neuen Jahrtausends stellt sich die Forschung zum Sozietätswesen und der Freimaurerei differenzierter dar. Nachdem Reinalter sich erneut den der Aufklärung und dem Absolutismus zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Prozessen gewidmet hatte, fiel sein Blick in den letzten Jahren erneut stärker auf die Rolle der Geheimgesellschaften und der Freimaurerei bei den demokratischen Prozessen in der vom Absolutismus geprägten späten Frühneuzeit.⁵⁸
Zaunstöck, Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen, S. 11 f. Florian Maurice, Freimaurerei um 1800 – Ignaz Aurelius Feßler und die Reform der Großloge Royal York in Berlin, Tübingen 1997, S. XXII. Florian Maurice, Die Mysterien der Aufklärung – Esoterische Traditionen in der Freimaurerei?, in: Monika Neugebauer-Wölk (Hrsg.), Aufklärung und Esoterik, Hamburg 1999, S. 274– 287. Vgl. auch Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 208 f. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 395, 399. Robert Beachy, Club Culture and Social Authority – Freemasonry in Leipzig, 1741– 1830, in: Frank Trentmann (Hrsg.), Paradoxes of Civil Society – New Perspectives on Modern German and British History, New York und Oxford 2000, S. 157– 175.; Robert Beachy, The Soul of Commerce – Credit, Property, and Politics in Leipzig, 1750 – 1840, Leiden und Boston 2005, S. 113 ff. Helmut Reinalter, Die Freimaurer, München 2000; Helmut Reinalter (Hrsg.), Lexikon zum Aufgeklärten Absolutismus in Europa, Wien 2005; Helmut Reinalter (Hrsg.), Aufklärungsprozesse seit dem 18. Jahrhundert, Würzburg 2005; Helmut Reinalter, Joseph II. Reformer auf dem Kaiserthron, München 2011; Helmut Reinalter, Handbuch zur Geschichte der demokratischen Bewegun-
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In Zusammenarbeit mit Markus Meumann plädierte Zaunstöck dafür, Ansätze aus der Kommunikationsgeschichte auch ins Zentrum der Sozietätsforschung zu rücken, da die frühneuzeitlichen Gemeinschaften zentrale Orte für die ständeübergreifende Kommunikation gewesen seien.⁵⁹ 2010 legte Zaunstöck ein Werk vor, in dem er die Verfolgung studentischer Sozietäten und der Freimaurerei in den bedeutenden Universitätsstädten des 18. Jahrhundert behandelt.⁶⁰ Die Vernetzung der Gegner des sich immer weiter ausbreitenden Sozietätswesens wird ebenso untersucht wie die Erschließung neuer Standorte durch Mitglieder bereits bestehender Gemeinschaften. Monika Neugebauer-Wölk führte in Aufklärung und Esoterik ihre Untersuchungen zu den esoterischen Lehren der Aufklärung fort, indem sie ihre Herkunft seit der Renaissance nachzeichnet.⁶¹ Dabei wirft sie die Frage auf, wie Esoterik im 18. Jahrhundert wahrgenommen wurde, und ob eine Trennung zwischen „Rationalität und Irrationalität“ bereits stattgefunden habe, und stellt damit Manheims auf einem zeitlosen Rationalitätsbegriff basierende These in Frage: Für den Menschen der Aufklärung seien heute als irrational geltende Inhalte durchaus als rational wahrgenommen gewesen und stellten somit relevante Forschungsgegenstände gar.⁶² Linda Simonis vergleicht in Die Kunst des Geheimen die Rituale und Reden der Rosenkreuzer, Freimaurer und des Illuminatenordens mit Darstellungen in Theater und Oper. Sie folgt dabei der Argumentation Neugebauer-Wölks und weist darauf hin, wie widersprüchlich aus heutiger Sicht die Erkenntnis sei, dass Mystizismus und Legenden wichtige Aspekte der Aufklärung waren, von Zeitgenossen aber nicht als irrational wahrgenommen wurden. Die Freimaurerei habe gen in Zentraleuropa. Von der Spätaufklärung bis zur Revolution 1848/49, Frankfurt a. M. 2013; Helmut Reinalter (Hrsg.), Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa, Innsbruck 2014. Holger Zaunstöck, Zur Einleitung: Neue Wege in der Sozietätsgeschichte, in: Holger Zaunstöck und Markus Meumann (Hrsg.), Sozietäten, Netzwerke, Kommunikation – neue Forschungen zur Vergesellschaftung im Jahrhundert der Aufklärung, [Tagung ’Sozietäten, Netzwerke, Kommunikation’ im November 2000 am Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg], Tübingen 2003, S. 1– 10. Holger Zaunstöck, Das Milieu des Verdachts – Akademische Freiheit, Politikgestaltung und die Emergenz der Denunziation in Universitätsstädten des 18. Jahrhunderts, Berlin 2010. Monika Neugebauer-Wölk, „Höhere Vernunft“ und „höheres Wissen“ als Leitbegriffe in der esoterischen Gesellschaftsbewegung – Vom Nachleben eines Renaissancekonzepts im Jahrhundert der Aufklärung, in: Monika Neugebauer-Wölk (Hrsg.), Aufklärung und Esoterik, Hamburg 1999, S. 170 – 210, hier 173 ff.; Monika Neugebauer-Wölk, Aufklärung – Esoterik – Wissen. Transformationen des Religiösen im Säkularisierungsprozess. Eine Einführung, in: Neugebauer-Wölk, Monika (Hrsg.), Aufklärung und Esoterik. Rezeption – Integration – Konfrontation, Tübingen 2008, S. 5 – 28 Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und Bürgerliche Gesellschaft, S. 26; Neugebauer-Wölk, Leitbegriffe in der esoterischen Gesellschaftsbewegung, S. 173.
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ein zukunftsweisendes Potential besessen, auch wenn die Logen nicht – wie von Koselleck behauptet – Zentren der gegen den Staat gerichteten Agitation gewesen seien.⁶³ Stattdessen hätten die Geheimgesellschaften vorrangig „sozial- und mentalitätsgeschichtlich“ gewirkt.⁶⁴ Bei der Entwicklung einer neuen Form des gesellschaftlichen Lebens sei den Logen eine zentrale Rolle zugefallen; das Geheimnis müsse also Wirkung über den Logeninnenraum hinaus entfaltet haben.⁶⁵ Hier nun richtet Simonis ihr Augenmerk auf die von den Freimaurern wiederentdeckten alten Kommunikationstechniken, die für die Vermittlung der masonischen Inhalte verwendet wurden. Mittels der Verwendung „oraler und bildhaftvisueller Techniken“ hätten die Logen absichtlich einen Kontrast zum schriftlich geprägten öffentlichen Kommunikationsdiskurs konstruiert, und somit den Anschein von althergebrachtem Wissen hergestellt.⁶⁶ Ähnlich untersucht auch Kristiane Hasselmann das Ritual als einen Transformationsprozess, der mittels gezielter Anleihen aus dem Bereich der Darstellenden Künste emotionale Eindrücke auslösen und verstärken sollte.⁶⁷ Durch die Inszenierung von negativen sinnlichen Erfahrungen und deren anschließender Aufhebung in der „Geborgenheit der Gemeinschaft“ sollte das Erlebnis intensiviert und der Übergang zwischen Innen- und Außenwelt betont werden.⁶⁸ Von den überwiegend soziologisch geprägten Arbeiten der Nachkriegszeit ausgehend differenzierte sich die Fragestellung immer mehr, bis sie an einem Punkt ankam, an dem Ritual, Kommunikation und Verfolgung im Mittelpunkt des Interesses standen.⁶⁹ Insbesondere die Wahrnehmung der Freimaurerei änderte
Linda Simonis, Die Kunst des Geheimen – Esoterische Kommunikation und ästhetische Darstellung im 18. Jahrhundert, Heidelberg 2002, S. 9 ff., insb. S. 14 f. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 19. Zu Theater und Oper: Im Zusammenhang mit der Mozart-Ausstellung „Experiment Aufklärung“ gewinnt der Zusammenhang von Rosenkreuzern, Freimaurern, Illuminaten und Aufführungen in Theater und Oper noch einmal neue Aufmerksamkeit – siehe dazu den Essay-Band, der 2006 bei Hatje Kantz erschienen ist. Siehe auch: Leon Botstein, Unter Wunderkindern – Das Mozart-Bild der Juden in Europa, in: Lorenzo Da Ponte, Aufbruch in die Neue Welt – Mozart in der europäisch-jüdischen Vorstellung, Ostfildern 2006, S. 145 – 160, hier S. 148 f., wo der Einfluß des Newtonischen Weltbildes auf Da Ponte und Mozart thematisiert wird. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 40. Kristiane Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer – Zur Konstitution eines bürgerlichen Habitus im England des 18. Jahrhunderts, Bielefeld 2009. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 173. Auch im angloamerikanischen Raum ist die Freimaurerei weiterhin Gegenstand der Forschung. Dort wird die Bedeutung der Logen als Keimzellen mordernen Denkens (vgl. Jonathan Israel, A Revolution of the Mind – Radical Enlightenment and the Intellectual Origins of Modern Democracy, Princeton und Oxford 2010) und als Vorbereiter eines etheistisch-demokratischen Weltbildes (Vgl. Margaret C. Jacob, The Radical Enlightenment – Pantheists, Freemasons and Re-
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sich; die Logen wurden nicht mehr nur als klandestine Orte gesehen, die Zuflucht vor der angeblichen Allmacht des absolutistischen Staates boten, sondern als Zentren der Aufklärung, in denen uns teils fremd anmutendes Verhalten praktiziert wurde. Obwohl die Untersuchungen präziser wurden und sich zunehmend mit freimaurerischen Verhaltensweisen beschäftigen, sind Arbeiten zur Geschichte und den Abläufen innerhalb einzelner Logen nach wie vor selten. Florian Maurice konkretisierte 1999 die zahlreichen Desiderate ein weiteres Mal: „Ich kann heute für jede Loge die Paßwörter der Hochgrade nachschlagen – aber welche Bilder hingen im Logenhaus, was speisten die Brüder, wie häufig besuchten sie die Loge, welche Cliquen gab es dort, wie verliefen Logenkarrieren, also: Wie gestaltete sich das Alltagsleben? Das sind heutzutage die wahren Geheimnisse der Freimaurerei.“ ⁷⁰ Zur lebendigen Gemeinschaft wurde eine Loge vor allem durch das „Rahmenprogramm“, das neben den ritualisierten Arbeiten den Logenalltag ausmachte: Besucher wurden empfangen, Rezeptionen, Weiterführungen und Fehlverhalten diskutiert, Briefe verlesen und Neuigkeiten ausgetauscht. Dieser Alltag wurde bislang nur in wenigen Arbeiten untersucht. Karl Demeter vollzog 1967 am Beispiel der Frankfurter Loge Zur Einigkeit die Geschichte einer einzelnen Freimaurerloge nach.⁷¹ Seine Arbeit basiert allerdings nicht auf Protokollen, sondern auf verschiedenen Gedenkschriften, die Mitglieder der Loge über 225 Jahre hinweg verfasst hatten. Während seiner Nachforschungen stieß Demeter auf den Nachlass des Frankfurter Freimaurers Georg Kloß. Dieser hatte bis zu seinem Tod Mitte des 19. Jahrhunderts Dokumente der Frankfurter Loge gesammelt und archiviert, die Demeter über hundert Jahre später erstmals wissenschaftlich auswertete.⁷² Hans-Josef Irmen gab 1994 einen Band mit den
publicans, zweite Auflage, Lafayette 2006) diskutiert. Die unterschiedlichen Schwerpunkte, die offenbar im deutschsprachigen Raum und in GB und den USA gebildet werden, zeigen, dass in beiden Kulturräumen den Freimaurern unterschiedliche Aufmerksamkeit zuteilwird. Es stellt sich die Frage, ob diese unterschiedliche Wahrnehmung auch tatsächlich unterschiedlichen Schwerpunkten in den maurerischen Aktivitäten der verschiedenen Länder entspricht. Gefragt werden sollte in diesem Zusammenhang auch nach dem Einfluss der Britischen Logen auf die Göttinger Sozietäten, gehörte doch Göttingen als Teil des Kurfürstentums Hannover in Personalunion zum Britischen Weltreich. – Damit sind allerdings Überlegungen angeschnitten, die den Rahmen der vorliegenden Arbeit bei weitem sprengen würden. Es eröffnen sich neue Felder wissenschaftlicher Diskussion, zumal Israel und Jacob in ihren Arbeiten nicht auf deutsche Forschungsansätze eingehen. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 278. Karl Demeter, Die Frankfurter Loge zur Einigkeit 1742 – 1966. Ein Beitrag zur deutschen Geistesund Sozialgeschichte, Frankfurt a. M. 1967. Demeter, Die Frankfurter Loge zur Einigkeit 1742 – 1966, S. 11 f.
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Protokollen der Wiener Loge Zur Wahren Eintracht heraus, in dem neben der Transkription der Protokolle auch eine kurze Beschreibung der Logengeschichte, der wichtigsten Mitglieder sowie der Prosopographie der Gemeinschaft enthalten ist.⁷³ Die 2013 erschienene Transkription Rüdiger Wolfs, der die Protokolle der Prager Loge Zu den 3 gekrönten Säulen aus den Jahren 1783 bis 1785 gesichtet hat, folgt dem Beispiel Irmens: Auch hier handelt es sich um einen zeitlich stark begrenzten Einblick.⁷⁴ Die Protokolle der beiden Logen beschäftigen sich vor allem mit Rezeptionen und Weiterführungen, wohltätigem Engagement und der Ämtervergabe. Stil und Formulierungen beider Protokolle weisen auf eine Formalisierung freimaurerischer Schriftführung hin, zeigen gleichzeitig aber auch, dass Wien und Prag in regem Austausch standen, und sich im Habsburgerreich demnach ein überregionales freimaurerisches Netzwerk gebildet hatte. Die Arbeiten Demeters, Irmens und Wolfs zeigen, dass weite Teile der für die Erforschung des Sozietätswesens relevanten Dokumente bislang kaum erschlossen und ausgewertet sind.⁷⁵ Erst in jüngster Zeit erschienen zwei Arbeiten, die sich näher mit den Abläufen rund um die Logen beschäftigen. Karlheinz Gerlach legte 2014 eine Übersicht über die Berliner Logen des 18. Jahrhunderts vor.⁷⁶ Dabei stellt er nicht nur die Geschichte und wichtigsten Protagonisten der Gemeinschaften der verschiedenen freimaurerischen Systeme detailliert vor, sondern analysiert neben Mitglieder- und Sozialstrukturen unter anderem auch deren Finanzen. So ergibt sich ein Überblick über die Logen der preußischen Hauptstadt, die sich in Struktur, Ausrichtung und Größe teils erheblich unterschieden. Gerlachs Untersuchung ist das beste Nachschlagewerk zur Freimaurerei des 18. Jahrhunderts in Berlin, setzt sich jedoch kaum mit den Abläufen innerhalb der Logen auseinander.
Hans-Josef Irmen (Hrsg.), Die Protokolle der Wiener Freimaurerloge „Zur Wahren Eintracht“ (1781 – 1785), Frankfurt a. M. 1994. Zur Geschichte der Loge „Zur Wahren Eintracht“ und der Freimaurerei in Österreich vgl. Zirkel und Winkelmass – 200 Jahre Große Landesloge der Freimaurer, Katalog zur 86. Sonderausstellung des Historischen Museums der Stadt Wien vom 8. März bis 27. Mai 1984, Wien 1984. Rüdiger Wolf, Die Protokolle der Prager Freimaurerloge „Zu den 3 gekrönten Säulen“ (1783 – 1785), Wien 2013. Erschwert wird dies zusätzlich durch den schwungvollen Handel mit Protokollen auf dem Markt für Antiquitäten, der den Zugang zu unersetzlichen Schriften erschwert beziehungsweise unmöglich macht. Die Kritik von Zaunstöck und Maurice trifft also zu. Karlheinz Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806 – Die Logen in Berlin, zwei Bände, Innsbruck u. a. 2014.
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Henning von Wistinghausen veröffentlichte 2016 eine dreibändige Arbeit zum Wirken des Revaler Logen zwischen 1773 und 1820.⁷⁷ Das Werk liefert nicht nur einen detaillierten Einblick in die Abläufe und Entscheidungsprozesse innerhalb und im Umfeld der Logen, sondern enthält auch zahlreiche Biographien einzelner Mitglieder, von denen einige dem Leser in der vorliegenden Arbeit wieder begegnen. Für Göttingen lag bislang keine vergleichbare Untersuchung vor; der umfangreiche erhaltene Dokumentenbestand der beiden Logen wurde bislang kaum untersucht.⁷⁸ Die vorliegende Arbeit soll dieses Desiderat aufheben. Sie will demonstrieren, welche Informationen sich freimaurerischen Protokollen, Mitgliederlisten und Korrespondenzen entnehmen lassen und gleichzeitig Einblicke in eine der populärsten Freizeitbeschäftigungen bieten, der im Jahrhundert der Aufklärung nachgegangen wurde.⁷⁹
Henning von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, drei Bände, Köln, Weimar und Wien 2016. Ich möchte an dieser Stelle der Göttinger Loge „Augusta zum goldenen Zirkel“ sowie der Großloge der A.F.u.A.M. von Deutschland für die Erlaubnis zur Auswertung der Dokumente danken. Durch Herrn W. Lange erfasst, aber noch nicht ausgewertet, ist eine Dokumentensammlung im Besitz der Loge Augusta zum goldenen Zirkel, die primär aus den Abrechnungen der Augusta besteht. Hier könnte in Zukunft noch die finanzielle Geschichte der Loge rekonstruiert werden.
2 Struktur und Vorgehensweise Göttingens Aufstieg zu einem intellektuellen Zentrum der Aufklärung war zu Beginn des 18. Jahrhunderts noch nicht absehbar. Erst durch Initiativen der königlichen Regierung kam es 1732 zur Planung der neuen Universität, nachdem man jahrzehntelang versucht hatte durch Baumaßnahmen und wirtschaftliche Subventionen die vom Dreißigjährigen Krieg in Mitleidenschaft gezogene Stadt zu neuer Blüte zu bringen. Der Abschnitt zur Geschichte Göttingens und seiner Universität soll die Entwicklungen zwischen 1700 und 1800 nachvollziehen und veranschaulichen, in welchem Umfeld sich die beiden Logen formierten und ihre Mitglieder lebten. Ebenfalls Bestandteil der historischen Darstellung ist ein kompakter Überblick über die Geschichte der drei Göttinger Freimaurerlogen des 18. Jahrhunderts, in dem ihre wichtigsten Rahmendaten präsentiert werden. Im Rahmen der Auswertung der Protokolle haben sich fünf Aspekte als zentrale Elemente der Protokollführung herausgestellt: Rituale, bevorzugte Behandlung im Rahmen von Rezeption und Weiterführung, Abstimmungsprozesse, Geheimnis und Strafe sowie Korrespondenzen.¹ Entsprechend der Quellenlage behandelt die Untersuchung in fünf Abschnitten die beschriebenen Aspekte.
Aufnahme und Beförderung „In der Logenarbeit nahmen Aufnahme- und Beförderungszeremonien die meiste Zeit ein, außerdem wurde aus Instruktionen und dem freimaurerischen Katechismus vorgelesen. Hier und da folgte eine Rede über den Geist der Freimaurerei, über die Tugend oder über die Brüderlichkeit. Wichtigster Teil aber war eine sorgfältig gepflegte Geselligkeit.“ ² Richard van Dülmens Aussage bewahrheitet sich bei Lektüre der Protokolle der beiden Göttinger Logen: In der Mehrzahl der Versammlungen kam es zur Aufnahme eines neuen Mitglieds oder zur Weiterführung eines Mit-
Die in der vorliegenden Arbeit zitierten Textpassagen aus den Beständen der Logen Augusta zu den 3 Flammen und Zum goldenen Zirkel wurden zur leichteren Recherche sämtlich mit Datierung zitiert. Zudem ist der Bestand bei früheren Nachforschungen bereits nummeriert worden, jedoch ohne ersichtliches System. Leider bezieht sich die Nummerierung meist nicht auf die einzelnen Dokumente innerhalb des Bestands, sondern erscheint willkürlich alle zwei bis drei Seiten angefügt worden zu sein. Die in der vorliegenden Arbeit verwendete Zitierweise löst sich deshalb folgendermaßen auf: „Bl. 31, S. 1“ bezeichnet das mit einer 31 verzeichnete Blatt, „Bl. 31, S. 2“ das folgende Blatt, das nicht eigenständig nummeriert wurde. Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 64; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 232. https://doi.org/10.1515/9783110621723-002
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glieds in höhere Grade; die Dokumentation dieser Prozesse nimmt einen Großteil der Protokolle beider Logen ein. Vor dem Hintergrund des Rituals spielte sich das Alltagsleben der Logen ab. Hasselmann analysiert treffend: „In der kollektiven kultischen Handlung ist niemand nur Zuschauer, da sich alle Brüder in einer gemeinschaftlich konstitutierten Realitätssphäre befinden und innerhalb dieser handeln.“ ³ Das Verlesen eingegangener Briefe, der Vorschlag neuer Mitglieder oder die Begrüßung von Besuchern wurden häufig während der im Ritual vorgeschriebenen Pausen vorgenommen und so zu einer unter Leitung des Vorsitzenden vorgenommenen gemeinsamen Aktivität. Die gemeinschaftliche rituelle Handlung gab den Versammlungen Struktur und vermittelte auch jenen Teilnehmern, die gerade nicht im Mittelpunkt standen, ein Gefühl von Teilnahme und Zugehörigkeit.⁴ Wie sich auch anhand der Arbeiten Irmens und Wolfs feststellen lässt, mussten freimaurerische Protokollanten keine detaillierte Schilderungen des Rituals verfassen; die rituellen Abläufe wurden nicht so ausführlich festgehalten wie zeitgenössische „Verräterschriften“ vielleicht annehmen lassen.⁵ Ziel der Protokollführung war nicht die repetitive Darstellung der Rituale, sondern ein Ergebnisprotokoll zum Nachweis, dass die Zusammenkunft ordnungsgemäß stattgefunden hatte. So kommt es, dass sich allenfalls „Umrisse“ der Rituale in den Protokollen finden. Bei der Suche nach dem zeitgenössischen Verständnis des Rituals helfen Logenprotokolle daher nur bedingt weiter, da sie kaum persönliche Ansichten und Aussagen durchschnittlicher Logenmitglieder enthalten. Anhand der Protokolle kann jedoch nachvollzogen werden, ob einzelne der in den „Verräterschriften“ und der Sekundärliteratur beschriebenen Elemente so auch in Göttingen praktiziert wurden oder ob sich auffällige Differenzen ergeben. Auch Unterschiede zwischen den Praktiken beider ortsansässiger Logen können sichtbar werden: Welche Forderungen wurden im Rahmen der Rituale jeweils an Anwärter und Weiterzuführende gestellt? Lässt sich aus Charakteristika des Rituals auf den Charakter der gesamten Loge schließen? Finden sich Hinweise darauf, dass es zu einer Vernachlässigung des Rituals – etwa wenn Elemente ausgelassen wurden – kam? Und kann, wenn sich eine Loge tatsächlich nicht an die selbstauferlegten Regeln und Ansprüche hielt, das Ritual dann noch als zentrales Element zur Erzeugung eines Gemeinschaftsgefühls angesehen werden? Der Blick auf die Rituale lohnt, weil er Strukturen erkennbar werden lässt, vor Kristiane Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung. Das Freimaurer-Ritual als Cultural Performance, Innsbruck 2002, S. 75. Die Konstruktion dieses Gemeinschaftsgefühls ist zentrales Thema der Arbeiten NeugebauerWölks, Hasselmanns und Simonis’. Vgl. Kap. 4.
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deren Hintergrund sich beinahe alle anderen die Freimaurerei prägenden Praktiken abspielten.
Egalität und Bevorzugung Im Zusammenhang mit Aufnahmen und Weiterführungen kam es häufig zur Bevorzugung: Eigentlich vorgeschriebene Wartezeiten wurden erheblich gekürzt oder ganz ausgesetzt, Fehlverhalten nachsichtig gehandhabt und den Angehörigen einflussreicher Persönlichkeiten besondere Gunstbeweise gewährt. Zweifel am freimaurerischen Postulat der Gleichheit aller Brüder sind nicht neu.Wolfgang Hardtwig stellte schon 1989 fest, dass das logeninterne Gleichheitspostulat im öffentlichen Raum keine Gültigkeit besaß.⁶ Deshalb seien die Hierarchien des öffentlichen Raums eher auf die Logen übertragen worden als anders herum – was in Zusammenwirkung mit dem neuen bürgerlichen Selbstbewusstsein Nährstoff für weitere Konflikte geliefert habe.⁷ Hardtwig spricht hier einen Konflikt an, der zahlreiche Logen des 18. Jahrhunderts betraf: Wie sollte der informelle Kontakt zwischen Angehörigen der verschiedenen Gesellschaftsschichten innerhalb der Logen ablaufen? Vor dem Hintergrund der sich entwickelnden Bürgerlichen Gesellschaft zielt Hardtwigs These auf die Frage ab, ob es sich bei den Logen um experimentelle Räume gehandelt hat, innerhalb derer neue Gesellschaftsmodelle getestet wurden. Aus Gründen des Selbstschutzes vermieden die meisten Logen es allzu öffentlich in Erscheinung zu treten bzw. ihre Ansprüche auch außerhalb der Logen zu postulieren und von Außenstehenden einzufordern. Dies erleichterte es äußeren Einflüssen in den Innenraum der Gemeinschaften einzudringen. Außerhalb der Logen herrschte Ungleichheit, und so kam zwangsläufig die Frage auf, ob man sich eine egalitäre Behandlung aller Mitglieder überhaupt erlauben konnte, und damit eventuell eine Brüskierung der Adeligen riskierte. Gleichzeitig konnte eine Bevorzugung der Adeligen zu Protesten jener bürgerlichen Mitglieder führen, die sich durch den Beitritt der Loge einen Prestigegewinn und Zugang zu höheren gesellschaftlichen Kreisen versprochen und dafür die teuren Rezeptionsgebühren bezahlt hatten. Dies führt zu einem weiteren Aspekt, der bei der Bevorzugung eine wichtige Rolle spielte: Der Konsum der „Ware“ Freimaurerei. Aufnahme und Weiterfüh-
Zum Konzept der freimaurerischen Brüderlichkeit vgl. Rainer Hubert, Brüderlichkeit, in: Reinalter (Hrsg.), Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe, S. 84– 88. Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 69.
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rung ließen sich beide Göttinger Logen gut bezahlen, doch die eigentliche Währung im Umfeld der Logen des 18. Jahrhunderts war eine andere: Wegen seiner gesellschaftlichen Relevanz wurde Prestige gleich einem immateriellen Gut gehandelt. Einflussreiche Persönlichkeiten wurden hofiert und umworben, übertrugen sie doch ihr Ansehen auf die Gemeinschaft. An der Freimaurerei Interessierte traten wiederum bevorzugt Logen bei, in denen sie mit einflussreichen Persönlichkeiten in Kontakt treten konnten. Für auswärtige Gemeinschaften stellten überregional angesehene Logen die bevorzugten Korrespondenzpartner dar. Die rasche Weiterführung in die höheren Grade und Gunstbeweise für einflussreiche Mitglieder waren also nicht nur für die Betroffenen, sondern auch für die Logen vorteilhaft. Allerdings konnte diese Praxis zu einer Trivialisierung freimaurerischer Inhalte führen, wenn befördert wurde, ohne dass eine (glaubhafte) Vermittlung freimaurerischer Kenntnisse stattgefunden hatte. Dies wiederum konnte das Ansehen einer Loge vermindern – die Bevorzugung einzelner Mitglieder stellte also gleich in mehrfacher Hinsicht eine Gratwanderung dar. Obwohl auch die Logen Augusta und Zum goldenen Zirkel Adelige zu ihren Mitgliedern zählten, kann nicht von durch Adelige geprägten Gemeinschaften gesprochen werden, denn in den höheren Ämtern der beiden Gemeinschaften war der Adel kaum vertreten. Bei den meisten Adeligen handelte es sich um Studierende, die sich nur wenige Monate oder Jahre in der Leinestadt aufhielten. Trotzdem stellen sich Fragen nach dem Umgang zwischen Adel und Bürgertum: Wurden Adelige häufiger bevorzugt als bürgerliche Mitglieder, oder zeigten sich beide Logen adeligen und einflussreichen Mitgliedern gegenüber besonders entgegenkommend? War die Bevorzugung einzelner Mitglieder in einer der beiden Logen weiter verbreitet als in der anderen? Und wenn dem so war: Welche Gründe führten dazu, dass man sich so zuvorkommend verhielt?
Entscheidungsfindung Da Partizipation ein Gefühl von Zusammengehörigkeit konstruiert, waren die Abstimmungen über Rezeption und Weiterführung wichtiger Bestandteil der den Rezeptions- und Weiterführungsritualen vorausgehenden Arbeiten. In den hierarchisch organisierten Logen suggerierte die gemeinschaftliche Abstimmung über Rezeptionen und Weiterführungen eine basisdemokratische Machtausübung. Dabei fanden Wahlverfahren Verwendung, die – so ähnlich – auch noch heute zum Einsatz kommen. Die beiden Logen praktizierten die Abstimmung durch Handzeichen, beschriftete Zettel, die Befragung der Anwesenden durch die Vor-
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steher oder die sogenannte Ballotage (dt. „Kugelung“).⁸ Besonders für die bürgerlichen Mitglieder stellten Entscheidungsfindung und die damit verbundene Machtausübung oftmals eine neue Erfahrung dar, die um so intensiver wurde, je höher das Ansehen desjenigen war, über den abgestimmt wurde. Für die Beamten gemischt adelig-bürgerlicher Logen hatten die Entscheidungen der Mitglieder stets das Potential, zahlreiche Probleme mit sich zu bringen, denn sie konnten das delikate „Prestigemanagment“ massiv stören. Der konfliktgeladene Zusammenhang zwischen der freien Entscheidungsfindung zu Aufnahmen und Weiterführungen einerseits, und der im fünften Kapitel behandelten Bevorzugung andererseits ist leicht ersichtlich: Freie Wahlen und Prestigedenken ließen sich nur schlecht vereinbaren. Zwangsläufig stellt sich die Frage, wie sich der Alltag der Logen vor diesem Hintergrund abspielte: Wurden einflussreiche, aber unbeliebte Anwärter abgelehnt, oder wurde dem Prestigegewinn Vorzug gegeben gegenüber der logeninternen Harmonie? Konnten die Mitglieder tatsächlich frei abstimmen, oder wurde von den Logenoberen Druck ausgeübt, um gewünschte Abstimmungsergebnisse zu erzielen? Und wie gingen die Logenoberen mit Fraktionen innerhalb der Mitgliederschaft um, wenn diese sich aufgrund ihrer Größe nicht mehr beeinflussen oder ignorieren ließen? Zur Fraktionsbildung kam es bei der Wahl des Vorsitzenden der Loge Zum goldenen Zirkel. Anhand der Protokolle lässt sich eine Fraktionsbildung nachweisen, die den Ausgang der Wahlen stark beeinflusste.
Fehlverhalten und Disziplin Die Aufnahme in eine Loge war das Ziel zahlreicher Männer aus Adel und Bürgertum, denn die Logen hätten – so Hasselmann – Projektionsflächen für unterschiedlichste Wünsche dargestellt, die innerhalb der Alltagsgesellschaft nicht befriedigt werden konnten.⁹ Wolfgang Hardtwig vertrat die Ansicht, dass erst unter dem Schutz des Geheimnisses eine nicht nur rationale, sondern emotionale Geselligkeit entstehen konnte.¹⁰ Damit werden die Gesellschaften auch zu Orten, an denen der nächste Schritt der geistesgeschichtlichen Entwicklung, nämlich der hin zur Romantik, vorbereitet werden kann. Mehr noch: Auch das Mystisch-Geheimnisvolle, das Emotionale und das Psychologische finden Eingang nicht nur in das angestrebte Innerhalb des untersuchten Zeitraums lässt sich anhand der Dokumente der Loge Augusta so eine Entwicklung der verwendeten Wahlverfahren nachweisen. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 160 f. Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 75.
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Gesamtkunstwerk, sondern auch in eine holistische Weltbetrachtung, die keinen Aspekt der Welt und der menschlichen Existenz mehr ausschließen will. Das von allen Mitgliedern zu durchlaufende Aufnahmeritual war ein wichtiger, aber nicht der einzige Faktor, der für die Konstruktion des Gemeinschaftsgefühls von großer Bedeutung war. So maßgeblich wie die Rituale selbst war die gemeinsame Bewahrung des Wissens über die Rituale und logeninternen Abläufe, also der Schutz des sogenannten Geheimnisses. Um das Geheimnis und die Gemeinschaft zu schützen, musste sich jeder Freimaurer den von den Logen aufgestellten Gesetzen unterwerfen. Die Wichtigkeit, die dem Gehorsam beigemessen wurde, wird im Lehrlingseid deutlich. Das Ablegen des Eids im Beisein der (zukünftigen) Brüder bildete den Höhepunkt der Rezeptions- und Weiterführungszeremonien, denn damit verpflichtete sich jeder Bruder zur Einhaltung der Ordnung, die für die Konstruktion des Innenraums nötig waren. Hasselmann betont, dass das Ablegen des Eids dem Anwärter zwar einen neuen Status verliehen hätte, er gleichzeitig aber auch durch das absolvierte Ritual zur Einhaltung der an ihn gestellten Verhaltensanforderungen gebunden war. Der im Innenraum der Sozietät konstruierte Freiraum habe demnach Grenzen gehabt, durch welche die Mitglieder auf ein höheres Ziel gelenkt werden sollten. Das Ziel dieser Habitualisierung sei die Beherrschung der Leidenschaften gewesen.¹¹ Als Repräsentanten ihrer Logen sollten die Brüder auch im gesellschaftlichen Leben als vorbildliche Männer gelten, und der Obrigkeit keinen Anlass liefern, gegen die Gemeinschaft vorzugehen. Untersagt waren deshalb Geschwätzigkeit, Trunkenheit, Glückspiel, betrügerisches Geschäftsgebaren oder das Duellieren.¹² In der Loge Augusta spielte unter dem Vorsitz des Theologen Koppe die Kontrolle der Leidenschaften eine große Rolle. Die Frage, warum Studenten, Bürger, Gelehrte und Adelige bereit waren, sich diesen „…teils ans Bizarre und Absonderliche grenzenden Ordnungsformen …“ unterzuordnen, beantwortet Linda Simonis mit der Relation zwischen habituellem Anspruch und der Attraktivität der Mitgliedschaft.¹³ Je größer die Vorteile, welche die Mitgliedschaft in einer Gemeinschaft verhieß, desto höhere Ansprüche konnte sie an Anwärter und Mitglieder stellen. Hier galt es Balance zu wahren: Wogen die mit einer Mitgliedschaft verbundenen Vorteile die Ansprüche nicht auf, war die Gemeinschaft für Anwärter unattraktiv. Niedrige Ansprüche verhinderten dagegen eine Loslösung von gesellschaftlichen Normen, verhinderten die Konstruktion eines elitären Sozietätscharakters und ließen die Gemeinschaft
Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 227. Vgl. Michael Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, Soest 2012, S. 154. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 120.
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nicht mehr als geeignete Projektionsfläche für die Wünsche der potentiellen Anwärter erscheinen.¹⁴ Trotzdem kollidierte die Lebenswelt der studentischen Mitglieder immer wieder mit den freimaurerischen Habitualisierungsversuchen: Verschiedene Fälle von Fehlverhalten, die man besonders Studenten zutrauen würde, begegnen dem Leser. Anhand dieser Beispiele soll untersucht werden, wie die Logenoberen mit den Fehlern der meist jüngeren Mitglieder umgingen, ob einflussreiche Mitglieder nachsichtiger behandelt wurden als einfach Bürger und Studenten, und welche Arten von Fehlverhalten zur Exklusion führen konnten. Dies war die härteste Strafe, die die Logen aussprechen konnten. In den Dokumenten der Loge Zum goldenen Zirkel befindet sich eine Tabelle, in der Namen, Fehlverhalten und Strafe von ausgeschlossenen Mitgliedern nicht nur der Göttinger Loge, sondern auch aus befreundeten Gemeinschaften, aufgelistet sind. Sie bietet einen Überblick über Fälle schweren Fehlverhaltens ebenso wie über die überregionale Weitergabe von Personendaten zwischen verschiedenen Gemeinschaften, und weist so darauf hin, dass sich zwischen den Logen ein Austausch von Informationen etabliert hatte, der an Datenregister heutiger Strafverfolgungsbehörden erinnert.
Kommunikation Dass der Wunsch nach Austausch für zahlreiche Interessenten ein ausschlaggebender Grund für den Beitritt in eine Sozietät war, hat sich in den angesprochenen Arbeiten Zaunstöcks und Meumanns zur Kommunikation gezeigt.¹⁵ In einer Zeit, in der die gesellschaftliche Mobilität deutlich zunahm, kam den Sozietäten eine Bedeutung zu, wie sie heute unterschiedliche Dienstleiter abdecken: Die Mitgliedschaft in einer Loge zeugte von Bonität, Ehrlichkeit und Gesetzestreue – zumindest solange die beschriebenen Ansprüche durchgesetzt wurden. Aber auch als Hilfe bei der Suche neuer Bekanntschaften am neuen Wohnort, als Medium der Zimmer- und Wohnungsvermittlung oder auf der Suche nach neuen geschäftlichen Kontakten spielen die Sozietäten eine herausragende Rolle.¹⁶ Hardtwig bezeichnet die Mitgliedschaft in Geheimgesellschaften deshalb als
Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 120. Zaunstöck, Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen; Zaunstöck und Meumann (Hrsg.), Sozietäten, Netzwerke, Kommunikation. Zur Rolle der „Besuchenden Brüder“, d. h. Freimaurern auf Reisen, vgl. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 219 sowie Kap. 7.
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„Wechselbrief der Geselligkeit“, der den Kommunikationshorizont der Mitglieder erweitert habe.¹⁷ Das weitaus wichtigste Instrument zum überregionalen Austausch war im ausgehenden 18. Jahrhundert der Brief. Der massive Ausbau des Postwesens hatte zur Folge, dass in beinahe jeder Versammlung Schreiben auswärtiger Logen oder einzelner Personen verlesen werden konnten. Mitglieder einer Freimaurerloge gehörten unter informationstechnischem Gesichtspunkt zur zeitgenössischen Elite.¹⁸ Auch die beiden Göttinger Logen waren Teil dieses Netzwerks. Besucher aus dem Baltikum und Russland belegen die Bedeutung der Leinestadt. Das achte Kapitel bietet Einblicke in den „Kommunikationsalltag“ der beiden Logen. Wie ging man mit eingegangenen Schreiben um, bzw. wie wurden die Verlesung in den Ablauf der Loge eingebettet? Mit wem tauschte man Schreiben aus? Welche verschiedenen Gattungen von Schreiben lassen sich anhand der Protokolle identifizieren? Wie wurden neue Korrespondenzen initiiert? Und welche Bedingungen mussten erfüllt werden, damit eine Korrespondenz aufgenommen wurde? Neben den Protokollen findet sich im Bestand der Augusta eine besondere Sammlung von Schriftstücken. Als der bis dahin als Meister vom Stuhl der Loge aktive Koppe 1784 Göttingen verließ, um in Gotha eine Stelle als Generalsuperintendent anzutreten, wünschte er, dass sein Freund Ludwig Timotheus Spittler den Vorsitz der Loge übernehmen sollte. Spittler war Ende 1782 der Loge beigetreten und war bis zum Sommer 1784 in den Meistergrad aufgestiegen. Dies, und seine erst verhältnismäßig kurze Mitgliedschaft in der Loge, sorgte für einen Konflikt mit den Mitgliedern des vierten Grads, an dem die Loge beinahe zerbrach. Eine während dieser Streitigkeiten verfasste Sammlung von Briefen erlaubt einen Einblick in Verhaltens- und Denkweisen hochrangiger Logenmitglieder, der sich so aus den Protokollen nicht ergibt.
Schlussbetrachtung Im letzten Abschnitt der Untersuchung werden die in den Hauptkapiteln Vier bis Acht gewonnenen Erkenntnisse zusammengeführt. Dabei wird vor allem untersucht werden, ob sich verbindende Ziele oder Verhaltensweisen identifizieren lassen, die das Leben in den beiden Göttinger Logen maßgeblich geprägt haben. Ein besonderer Schwerpunkt liegt bei diesem letzten Blick zurück auf den die
Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 73 f. Vgl. Kap. 8.
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Leinestadt prägenden gesellschaftlichen Trennlinien, auf Prestige und Diskretion. Gleichzeitig sollen noch offene Fragen angesprochen und so Anstöße für die zukünftige Erforschung freimaurerischer Lebenswelten des 18. Jahrhunderts gegeben werden.
3 Stadt und Universität im 18. Jahrhundert Zu Beginn des 18. Jahrhunderts prägten im Dreißigjährigen Krieg entstandene Schäden und brachliegende Grundstücke noch immer weite Teile des Göttinger Stadtbilds.¹ Hatte die Bausubstanz der Stadt vor dem Krieg noch etwa 950 Gebäude umfasst, bestanden 1702 nur noch 771.² Auch die Zahl der Einwohner war rückläufig: Im Mittelalter hatten bis zu 6000 Menschen in der Stadt gelebt, Ende des 17. Jahrhunderts zählte die Stadt zwischen 3500 und 3800 Einwohner – auch hier ein Rückgang um rund 40 Prozent.³ Göttingen war in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts noch immer eine „Ackerbürgerstadt“; heute würde man von einer „strukturschwachen Region“ sprechen.⁴ Die hannoversche Landesregierung versuchte mit verschiedenen Maßnahmen die Entwicklung der Stadt zu fördern, beschnitt Anfang 1690 aber auch die Befugnisse des städtischen Rats, dem man eine Lösung der gravierenden Probleme nicht zutraute.⁵ Seit den frühen 1680er Jahren gab es Versuche, das einst florierende Tuchmachergewerbe erneut zu beleben, indem zuwandernden Tuchmachern das Bürgerrecht und Steuerbefreiungen versprochen wurden. Das Textilhandwerk blühte tatsächlich auf, wurde in den nächsten Jahrzehnten jedoch zunehmend der staatlichen Kontrolle unterworfen.⁶ Aus den einst freien Handwerkern wurden Angestellte.⁷ Größter Profiteur dieser Entwicklung war Johann Heinrich Grätzel (1691– 1770), der sich mit Hilfe staatlicher Privilegien über die traditionelle Satzung der Tuchweber hinwegsetzte und so eine monopolartige Marktstellung erreichte, die ihn zum wohlhabendsten Bürger der Stadt werden ließ.⁸
Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt, S. 244 ff.; Albrecht Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, Göttingen 1940, S. 9. Birgit Panke-Kochinke, Göttinger Professorenfamilien – Strukturmerkmale weiblichen Lebenszusammenhangs im 18. und 19. Jahrhundert, Pfaffenweiler 1993, S. 21; Carola Brückner, Sylvia Möhle, Ralf Pröve und Joachim Roschmann, Vom Fremden zum Bürger – Zuwanderer in Göttingen 1700 – 1755, in: Hermann Wellenreuther (Hrsg.), Göttingen 1690 – 1755 – Studien zur Sozialgeschichte einer Stadt, Göttingen 1988, S. 88 – 174, hier S. 100 f. Wieland Sachse, Göttingen im 18. und 19. Jahrhundert – Zur Bevölkerungs- und Sozialstruktur einer deutschen Universitätsstadt, Göttingen 1987, S. 84. Vgl. Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt, S. 126 f. Vgl. Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 71 f. Vgl. Sylvia Möhle, Zur Integration von zugewanderten Textilhandwerkern in Göttingen im frühen 18. Jahrhundert, in: Göttinger Jahrbuch, 36. Band, Göttingen 1988, S. 33 – 50; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 84. Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt, S. 52 f. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 115 f. https://doi.org/10.1515/9783110621723-003
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In zwei Phasen wurden zwischen 1699 und 1704 sowie zwischen 1715 und 1720 die Wehranlagen der Stadt ausgebaut.⁹ Der Bau läutete eine Zeit der regen Bautätigkeit ein, die vielen Menschen erstmals ein gesichertes Einkommen verschaffte. Eine Verordnung förderte private Bauvorhaben: Bauherren, die eine schlüssige Finanzierung zur Bebauung eines brachliegenden Grundstücks vorlegen konnten, wurde dieses als kostenloses Bauland zur Verfügung gestellt. Zusätzlich übernahm das Land bis zu 30 Prozent der Baukosten.¹⁰ Großprojekte wurden bis zu zehn Jahre von öffentlichen Abgaben befreit. Zunehmend wurden neue Gebäude errichtet, nachdem anfangs hauptsächlich bereits bestehende Immobilien wieder in Stand gesetzt worden waren.¹¹ Das Gesicht der Stadt begann sich zu wandeln: 1734 wurden 813 Gebäude bewohnt oder gewerblich genutzt, 1755 schon etwa 955.¹² Damit war nach über hundert Jahren der Stand von vor dem Dreißigjährigen Krieg endlich übertroffen worden. Signifikanten Einfluss auf die anhaltende Bautätigkeit hatte die Gründung der Universität, deren Geschichte im Jahr 1732 beginnt.¹³ Am 30. August des Jahres verfasste Johann Daniel Gruber (1686 – 1748) einen Entwurf, in dem der Aufbau einer neuen Universität propagiert wurde.¹⁴ Hintergrund war, dass es dem König gelungen war, die Herzogtümer Bremen und Verden zurückzuerlangen.¹⁵ Hinzu kam das Herzogtum Lauenburg aus den Händen des deutschen Kaisers. Der Hofrat bezog sich auf diese Entwicklungen und hielt eine eigene Universität für notwendig, da die Ausbildung von zukünftigen Funktionsträgern im Interesse das Staates lag.¹⁶ Für Georg II. (1683 – 1760) bedeutete die Gründung der Universität eine Steigerung des eigenen Prestiges. Ernst Böhme, Stadtentwicklung zwischen 1650 und 1866, in: Ernst Böhme und Rudolf Vierhaus (Hrsg.). Göttingen – Geschichte einer Universitätsstadt. Vom Dreißigjährigen Krieg bis zum Anschluß an Preußen – Der Wiederaufstieg als Universitätsstadt (1648 – 1866), 2. Band, Göttingen 2002, S. 429 – 450. Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt, S. 253. Böhme, Stadtentwicklung zwischen 1650 und 1866, S. 431. Panke-Kochinke, Göttinger Professorenfamilien – Strukturmerkmale weiblichen Lebenszusammenhangs im 18. und 19. Jahrhundert, S. 21. Sabine Kastner, Bürgerliches Bauen und Wohnen in Göttingen, in: Hermann Wellenreuther (Hrsg.), Göttingen 1690 – 1755, Göttingen 1988, S. 175 – 251, hier S. 197 ff. Johann Daniel Gruber, „Unvorgreiflicher Vorschlag zu Anlegung und Aufrichtung einer neuen Universität in Sr. Königl. Maj. Teutschen Landen.“ Ein Transkript von Grubers Entwurf findet sich in Emil Franz Roessler, Die Gründung der Universität Göttingen. Entwürfe, Berichte und Briefe der Zeitgenossen, Göttingen 1855, Abschnitt B., S. 3. Vgl. auch Rudolf Vierhaus, 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung, in: Bernd Moeller (Hrsg.), Stationen der Göttinger Universitätsgeschichte – Eine Vortragsreihe, Göttingen 1988, S. 9 – 26, hier S. 9. Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 5. Vierhaus, 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung, S. 9, 12, 23.
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Göttingen war aufgrund seiner geographischen Lage aus Sicht der Planer als Standort besonders geeignet, denn sie verfolgten einen kameralistischen Ansatz¹⁷: Nahe der Landesgrenzen, aber im Zentrum der deutschsprachigen Gebiete.¹⁸ Gruber hoffte, dass einerseits weniger einheimische Studenten zum Studieren ins Ausland abwandern, dafür andererseits zahlreiche auswärtige Studenten nach Göttingen kommen, und dort ihr Geld ausgeben würden.¹⁹ Für das Jahr 1756 ging die Universität von 16.600 Reichstalern Betriebskosten aus, denen erhoffte Ausgaben der Studenten in Höhe von 200.000 Reichstalern gegenüber standen.²⁰ Die Argumente waren stichhaltig und der Gründung der neuen Universität stand nichts mehr im Weg.²¹ Kritik von Seiten der Göttinger Bürger wurde nicht gehört – nicht alle waren begeistert von der Aussicht eine Universitätsstadt zu werden, denn sie fürchteten um ihren Einfluss auf die weitere Entwicklung der eigenen Stadt.²² Mit dem Aufbau der neuen Universität war der Geheimrat Gerlach Adolph Freiherr von Münchhausen (1688 – 1770) beauftragt, der als Kurator der Universität fungierte und in enger Absprache mit der deutschen Kanzlei und Georg II. in London den Aufbau leitete.²³ Seine Angst vor Sabotageakten war in jenen frühen Jahren so groß, dass er Teile seiner Korrespondenz in einer Geheimschrift verfasste.²⁴ Münchhausen wusste, dass Göttingen sich an die Bedürfnisse der Universität anpassen musste, wenn der Gründung langfristiger Erfolg beschieden sein sollte.²⁵ Geschickt nahm er zunehmend Einfluss auf die Entwicklung der Stadt, bestätigte so aber auch den skeptischen Teil des Bürgertums in seinen Vorbehalten: Die Universität bestimmte nun die Geschicke der Stadt.²⁶ Polizei und Feuerwehr wurden reformiert und aufgestockt, das Handwerk stärker reglemen-
Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt, S. 57 ff. Walter Leisering (Hrsg.), Historischer Weltatlas, Wiesbaden 2009/10, S. 78. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 121. Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt, S. 57 f. Vgl. Ferdinand Frensdorff, Göttingen in Vergangenheit und Gegenwart, Göttingen 1878, S. 18. Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 65; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 10. Benjamin Bühring, Die Deutsche Kanzlei in London, in: Katja Lembke (Hrsg.), Als die Royals aus Hannover kamen – Hannovers Herrscher auf Englands Thron 1714 – 1837, Katalog zur Ausstellung des Niedersächsischen Landesmuseums Hannover vom 17. Mai bis 5. Oktober 2014, Dresden 2014, S. 111 f.; Lars Scholl, Die Universität Göttingen und ihre Wissenschaftsbeziehungen zu England im 18. Jahrhundert, in: Göttinger Jahrbuch, 33. Band, Göttingen 1985, S. 71– 88, hier S. 71. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 123. Sabine Vetter, Wissenschaftlicher Reduktionismus und die Rassentheorie von Christoph Meiners, Aachen 1997, S. 89. Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 65.
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tiert, die Straßenbeleuchtung und Pflasterung verbessert, Straßenreinigung und Müllabfuhr organisiert, eine Poststation eingerichtet, und weiteres mehr.²⁷ Schon 1734 wurden die ersten Veranstaltungen abgehalten: In einem zum Hörsaal umgewandelten Getreidespeicher hielt Samuel Christian Hollmann am 14. Oktober die erste Vorlesung ab, die feierliche Eröffnung der Universität fand allerdings erst am 17. September 1737 statt.²⁸ Zahlreiche Studenten fanden in den ersten Jahren ihren Weg nach Göttingen. Bis Ende 1737 hatten sich insgesamt 933 ins Matrikelbuch der Universität eingeschrieben, wobei das erste Halbjahr 1735 den Höhepunkt bildete: 223 neue Studenten hatte die Universität innerhalb von sechs Monaten begrüßen können. Während der 1740er Jahre studierten jeweils zwischen 300 und 400 Studenten gleichzeitig in Göttingen, die Zahl der Neuimmatrikulationen hatte sich auf einen Wert von knapp unter 80 pro Jahr eingependelt. Grubers optimistische Prognose von 1732, dass sich wohl 1.000 Studenten gleichzeitig in Göttingen einschreiben würden, bewahrheitete sich im 18. Jahrhundert nicht mehr.²⁹ Die Institution der Universität sah sich im Zeitalter der Aufklärung teils heftiger Kritik ausgesetzt, galt als veraltet und ineffizient.³⁰ Die Göttinger Alma Mater konnte sich dieser Kritik weitgehend entziehen, galt als modern und genoss hohes Ansehen. Münchhausen selbst hatte in Halle studiert und versuchte, die ihm als fortschrittlich erscheinenden Aspekte der Universität Halle, die wiederum von der englischen Toleranzidee beeinflusst war, auf die Neugründung zu übertragen, was durch die Personalunion zusätzlich gefördert wurde.³¹ Die freie Lehre wurde ex-
Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 124. Vgl. Kap. 8. Marian Füssel, Actus publicus academicus. Die Inaugurationsfeierlichkeiten der Universität Göttingen 1737, in: Gerd Lüer und Horst Kern (Hrsg.), Tradition – Autonomie – Innovation. Göttinger Debatten zu universitären Standortbestimmungen, Göttingen 2013, S. 38 – 62, hier S. 42 f.; Gerhard Sauder, Bund auf ewig! – Der „Göttinger Hain“ 1772 – 1774, in: Lenz-Jahrbuch. Literatur-KulturMedien 1750 – 1800, 19. Band, St. Ingbert 2012, S. 9 – 47; Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 120; Vierhaus, 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung, S. 12. Im Jahr des Beginns des Lehrbetriebs – also vor der offiziellen Eröffnung der Universität – erschien bereits die erste mehrbändige Geschichte Göttingens. Vgl. Johann Daniel Gruber, Zeit- und Geschicht-Beschreibung der Stadt Göttingen, worin derselben Civil-Natur-Kirchen- und Schul-Historie, aus verschiedenen alten Urkunden, auch andern sichern Nachrichten umständlich vorgetragen wird, Göttingen 1734. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 131 f. Vgl. Marian Füssel, Akademische Aufklärung – Die Universitäten des 18. Jahrhunderts im Spannungsfeld von funktionaler Differenzierung, Ökonomie und Habitus, in: Wolfgang Hardtwig (Hrsg.), Die Aufklärung und ihre Weltwirkung, Göttingen 2010, S. 47– 73. Vierhaus, 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung, S. 12; Scholl, Die Universität Göttingen und ihre Wissenschaftsbeziehungen zu England im 18. Jahrhundert, S. 71; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 16 ff.
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plizit gefördert.³² Der theologischen Fakultät wurde das sonst noch weitverbreitete Zensurrecht nicht zugestanden, weshalb sie sich nicht mehr in die Angelegenheiten der juristischen, philosophischen und medizinischen Fakultäten einmischen konnte.³³ Es bestand weitgehende Lehr- und Konfessionsfreiheit. Einzige Einschränkung: Die Religion durfte nicht generell in Frage gestellt werden.³⁴ Münchhausen war Pragmatiker: Solange die Professoren fleißig waren, war ihm ihre Konfession gleichgültig.³⁵ Die Öffnung gegenüber anderen christlichen Konfessionen hatte auch einen politischen Hintergrund. Münchhausen spekulierte darauf, dass die freie Religionsausübung für Katholiken der Universität den Vorteil einbringen würde, dass Göttinger Promotionen von Anfang an im ganzen Reich anerkannt werden würden. Letztendlich war es dann doch nicht nötig, den Katholiken die freie Ausübung ihrer Religion zuzustehen, denn das Privileg wurde 1736 auch so erteilt.³⁶ Eine katholische Kirche errichtete man erst 1787.³⁷ Die in Göttingen lebenden Juden wurden von Universität und Regierung nach Gründung der Georgia-Augusta zunächst als willkommene Handelspartner angesehen. Mißgunst und der Wunsch, die Studenten vor zu großen Schulden zu bewahren, führten 1796 jedoch zur Ausweisung der meisten jüdischen Familien aus der Stadt.³⁸ Erst 1808 erhielten die jüdischen Bewohner der Stadt die gleichen bürgerlichen Rechte.³⁹ Neben der Lehrfreiheit gewann die Göttinger Universität durch die Personalunion zwischen Hannover und London. Großbritanniens politische Kultur bildete im Europa des 18. Jahrhunderts eine Ausnahme.⁴⁰ Autoren wie John Locke oder David Hume waren Ideengeber der Aufklärung, weshalb vor allem die phi-
Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 120. Scholl, Die Universität Göttingen und ihre Wissenschaftsbeziehungen zu England im 18. Jahrhundert, S. 71. Vierhaus, 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung, S. 20. Notker Hammerstein, 1787 – Die Universität im Heiligen Römischen Reich, in: Bernd Moeller (Hrsg.), Stationen der Göttinger Universitätsgeschichte, Göttingen 1988, S. 27– 45, hier S. 36. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 123; Vierhaus, 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung, S. 20. Vierhaus, 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung, S. 20. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 150; Stefan Brüdermann, Studenten als Einwohner der Stadt, in: Böhme und Vierhaus (Hrsg.), Göttingen – Geschichte einer Universitätsstadt, 2. Band, S. 395 – 426, hier S. 410. Jörg H. Lampe, Politische Entwicklungen in Göttingen vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zum Vormärz, in: Böhme und Vierhaus (Hrsg.), Göttingen – Geschichte einer Universitätsstadt, 2. Band, S. 43 – 102, hier S. 48 f. Vgl. Steve Pincus, 1688 – The first modern revolution, New Haven 2009; Patrick Dillon, The last revolution – 1688 and the creation of the modern world, London 2006.
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losophische Fakultät vom engen Kontakt nach Großbritannien profitierte.⁴¹ Noch in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts war Englisch im deutschsprachigen Raum eine kaum gesprochene Fremdsprache.⁴² Wer englische Literatur lesen wollte, griff häufig auf französische Übersetzungen zurück oder wartete bis eine deutsche Ausgabe vorlag. Diese basierten allerdings häufig auf französischen Übersetzungen, so dass sprachliche Feinheiten des Originals verloren gingen.⁴³ Für damalige Zeiten noch unüblich, pflegten Göttinger Gelehrte auch enge Kontakte in die Hauptstadt des russischen Reichs, St. Petersburg. Die von August Ludwig von Schlözer (1735 – 1809) verfasste Edition der Nestorchronik gilt als Meilenstein der (russischen) Geschichtsschreibung.⁴⁴ Trotz sprachlicher Barrieren stand die Universität nach wenigen Jahrzehnten im Ruf, die modernste Hochschule Europas zu sein.⁴⁵ Münchhausen gelang es einige der bedeutendsten Gelehrten der Zeit für das Projekt zu gewinnen.⁴⁶ Die Namen Johann Matthias Gesner (1691– 1761), Johann Lorenz von Mosheim (1691– 1755), Johann Andreas von Segner (1704– 1777), Georg Christoph Lichtenberg (1742– 1799) und Albrecht von Haller (1708 – 1777) zeugen noch heute vom Ruhm der ersten Jahre, und besonders die beiden Letztgenannten brachten – wie zuvor der Kurator von Münchhausen – Anregungen aus der englischen Wissenschaft ein, waren sie doch Anhänger Newtons.⁴⁷ 1747 lehnte von Haller gar eine Berufung nach Oxford ab.⁴⁸ Andere Gelehrte waren von ihrer neuen Wirkungsstätte so angetan, dass sie selbst begannen, für die Georgia-Augusta zu werben. Gesner erwies sich hier als besonders geschickt: Mit Wissen Münchhausens verfasste er
Vierhaus, 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung, S. 17. Vgl. auch Sven Aage Jørgensen, Klaus Bohnen und Per Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur, 6. Band: Aufklärung, Sturm und Drang, frühe Klassik, 1740 – 1789, München 1990, S. 38. Hans-Joachim Müllenbrock, Aufklärung im Zeichen der Freiheit – das Vorbild Englands, in: Jürgen von Stackelberg (Hrsg.), Zur geistigen Situation der Zeit der Göttinger Universitätsgründung 1737, Göttingen 1988, S. 144– 166, hier S. 146. Bernhard Fabian, Englisch als neue Fremdsprache des 18. Jahrhunderts, in: Dieter Kimpel (Hrsg.), Mehrsprachigkeit in der deutschen Aufklärung, Hamburg 1985, S. 178 – 196. Vgl. Martin Peters, Von Göttingen nach St. Petersburg und zurück – Grenzüberschreitungen im Leben und Werk August Ludwig (von) Schlözers (1735 – 1809), in: Elmar Mittler und Silke Glitsch (Hrsg.), Russland und die „Göttingische Seele“ – Ausstellung in der Paulinerkirche Göttingen [Ausstellungskatalog], Göttingen 2003, S. 183 – 199. Vierhaus, 1737 – Europa zur Zeit der Universitätsgründung, S. 12. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 127. Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, in: Böhme und Vierhaus (Hrsg.), Göttingen – Geschichte einer Universitätsstadt, 2. Band, S. 35; Scholl, Die Universität Göttingen und ihre Wissenschaftsbeziehungen zu England im 18. Jahrhundert, S. 72 f. sowie 80 ff. Scholl, Die Universität Göttingen und ihre Wissenschaftsbeziehungen zu England im 18. Jahrhundert, S. 77; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 28.
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den fingierten Brief eines englischen Barons, in dem er die neue Universität über alle Maßen lobte – und so die Kontakte nach Großbritannien mutmaßlich stärkte.⁴⁹ Der durchschnittliche Student blieb etwa drei Jahre in Göttingen. Während dieser Zeit besuchte er Lehrveranstaltungen, die er mit den sogenannten „Kollegiengeldern“ bezahlen musste. Neben ihrem Gehalt lebten die Professoren vor allem von diesen Gebühren. Die Qualität der Lehre profitierte von dieser Regelung, denn mehr Zuhörer bedeuteten ein höheres Einkommen. Dies führte dazu, dass zu beliebten Themen häufig mehrere konkurrierende Vorlesungen abgehalten wurden; Konflikte zwischen den Dozenten waren nicht unüblich.⁵⁰ In starkem Kontrast stand dazu die Qualität der Promotion, für die Gebühren gezahlt und eine Disputation in Latein einzureichen war. Häufig wurde weder geprüft ob der Promovierende das Werk selbst verfasst hatte, noch las der Prüfer das Werk.⁵¹ Den in die Stadt strebenden Studenten und Gelehrten folgten Handwerker und Kaufleute, die ihre Dienste anboten und sich im Umfeld der jungen Universität niederließen – das ursprünglich die Geschicke der Stadt leitende Bürgertum wurde zum Dienstleister.⁵² Der Charakter der Stadt änderte sich: Das althergebrachte Zunft- und Standesdenken wurde zunehmend von einer immigrierten bürgerlich-aufgeklärten Kultur verdrängt.⁵³ Als Folge nahm die Nachfrage nach Wohnraum zu; geschäftstüchtige Bürger wurden zu Vermietern.⁵⁴ Mit drei Verordnungen zwischen 1733 und 1735 versuchte die Regierung den Neubau von Wohnraum zu fördern.⁵⁵ Schon nach wenigen Jahren waren die verbliebenen brachliegenden Flächen innerhalb der Stadtgrenzen verschwunden. Die Zahl der Einwohner stieg: 1740 wohnten bereits knapp 5.600 Personen in Göttingen, sechzehn Jahre später circa 8.300.⁵⁶ Viele Professoren ließen sich in einem der neu errichteten Häuser im Universitätsviertel nieder, in denen sie auch ihre Vorlesungen hielten. Der Orientalist Johann David Michaelis (1717– 1791) erwies sich als
Reinhold Friedrich, Johann Matthias Gesner – Sein Leben und sein Werk, Roth 1991, S. 43. Ulrich Joost, Göttinger Gelehrtengezänk – Zur inneren Verfassung der Gelehrtenrepublik, dargestellt am Beispiel von Professorenstreitigkeiten im 18. Jahrhundert, in: Göttinger Jahrbuch, 34. Band, Göttingen 1986, S. 45 ff., hier insb. S. 55 f. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 132 f. Zur Promotion vgl. auch Marian Füssel, Gelehrtenkultur als symbolische Praxis – Rang, Ritual und Konflikt an der Universität der Frühen Neuzeit, Darmstadt 2006, S. 149 ff. Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt, S. 126 ff., insb. 130. Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 65 f., 81 f. Vgl. Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 69 f., Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 108. Böhme, Stadtentwicklung zwischen 1650 und 1866, S. 432. Sachse, Göttingen im 18. und 19. Jahrhundert, S. 87, 208.
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besonders geschäftstüchtig. 1764 erwarb er für 4.300 Taler das später nach ihm benannte Haus am Leinekanal. Zuvor hatte der große Bau die bekannte „Londonschänke“ und im Siebenjährigen Krieg ein Militärlazarett beherbergt. Zum Zeitpunkt des Kaufs durch Michaelis war das Haus noch unbewohnbar und von seiner Verwendung im Krieg gekennzeichnet, er selbst bezeichnete es als „Wüsteney“. ⁵⁷ Bei der Instandsetzung durch erhebliche Zuschüsse aus Hannover finanziell unterstützt, erstrahlte der Bau schon bald in altem Glanz. Michaelis teilte das große Anwesen auf. Den großen Weinkeller vermietete er an Johann Ludwig Wacker (1716 – 1791), den Gastwirt des Lokals „Zur Krone“ in der Weender Straße.⁵⁸ In den Hauptbau zog er mit seiner Familie ein, den am Leinekanal gelegenen Seitenflügel vermietete er an mehrere „Generalentrepreneure“. Diese vermieteten die Wohnungen – der Seitenflügel bot zehn bis zwölf Personen Unterkunft – in Eigenverantwortung weiter. Michaelis als Eigentümer des Objekts kam mit den Untermietern kaum in Kontakt und übernahm auch keinerlei Verantwortung. Rasch wurde der Flügel zu einem berüchtigten Zentrum studentischen Lebens. 1766 fand hier ein Studentenduell mit tödlichem Ausgang statt.⁵⁹ Doch das Michaelishaus steht nicht nur für den Exzess. Der Professor begrüßte zahlreiche berühmte Gäste, darunter Goethe, den britischen Leibarzt John Pringle und die drei Söhne Georgs III. Bereits 1750 hatte Johann Lorenz von Mosheim in einem Saal der „Londonschänke“ erste Vorlesungen abgehalten.⁶⁰ Dies deutet darauf hin, dass Mosheims Vorlesungen überaus gut besucht waren, denn es war üblich, dass die Vorlesungen im Haus des jeweiligen Professors stattfanden. Die Vorlesung im Saal einer Gaststätte verdeutlicht, dass die Universität eigene Gebäude benötigte. In der ehemaligen Paulinerkirche fand die Universitätsbibliothek Platz, die bald als am besten organisierte Bibliothek Europas galt, denn sie ermöglichte durch eine ausführliche Katalogisierung ihrer Bestände erstmals wissenschaftliches Arbeiten.⁶¹ Durch von Münchhausen von
Marit Borcherding und Marion Wiebel, Das Michaelishaus in Göttingen – Geschichte, Gelehrte, Gegenwart, Göttingen 2007, S. 14. Wackers Name wird in dieser Arbeit noch öfter fallen, denn er war Gründer und erster Meister vom Stuhl der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Borcherding und Wiebel, Das Michaelishaus in Göttingen, S. 14; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 108. Borcherding und Wiebel, Das Michaelishaus in Göttingen, S. 12. Wilfried Enderle , Ein König – viele Wege zum Bücherwissen. Die Göttinger Bibliothek im Kontext der deutschen und britischen Bibliothekslandschaften 1734 – 1820, in: Arnd Reitemeier (Hrsg.), Kommunikation & Kulturtransfer im Zeitalter der Personalunion zwischen Großbritannien und Hannover, Göttingen 2014, S. 207– 234; Wilfried Enderle, „Die Bibliothek der Bibliotheken“ Die Universitätsbibliothek Göttingen im 18. Jahrhundert als erste universale Forschungs- und Ge-
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Hannover aus aktiv gefördert wuchs die Bibliothek rasch.⁶² Schon 1779 belegte die sie das gesamte Gebäude, und bis zum Ende des Jahrhunderts schwoll die Sammlung unter der Aufsicht von Christian Gottlob Heyne (1729 – 1812) auf 160.000 bis 200.000 Bände an.⁶³ Von Anfang an beschränkte sich die Universität nicht ausschließlich auf das nach ihr benannte Viertel, sondern breitete sich über die ganze Stadt aus. Als „dreckig“ angesehene Gewerbe wie Färber oder Metzger mussten vor die Tore der Stadt weichen, um diese attraktiver für die neue Klientel werden zu lassen.⁶⁴ Stattdessen siedelten sich Verleger, Drucker und Buchhändler in der Stadt an, die mit Vergünstigungen gelockt wurden. Aus Den Haag fand Abraham Vandenhoek (~1700 – 1750) seinen Weg nach Göttingen und in der Folge wurde die Stadt zu einem der wichtigsten Verlagsorte Deutschlands für akademische Fachliteratur, gerade auch aus Großbritannien.⁶⁵ Zwischen den alteingesessenen Handwerkern der Stadt und der Universität schwelte lange Zeit ein Streit, denn viele zugezogene Handwerker hatten den Status der „Universitätsverwandten“ inne und waren als offizielle Angehörige der Universität der städtischen Gerichtsbarkeit entzogen.⁶⁶ Daneben fanden schon ab den 1730er Jahren auch Kaffeehäuser ihren Weg in die Stadt. An vier bis fünf Orten wurden offiziell Kaffee, heiße Schokolade und alkoholische Getränke ausgeschenkt, während sich die Gäste mit Billard, Karten- oder Glücksspielen vergnügten. Die Obrigkeit versuchte gegen derartige Etablissements vorzugehen,
brauchsbibliothek der Welt – Anmerkungen zur Historiographiegeschichte, in: Thomas Stäcker und Andrea Opitz (Red.), Wolfenbütteler Notizen zur Buchgeschichte, 38. Band, Wiesbaden 2013, S. 1– 22. hier S. 1, 7; Sauder, Bund auf ewig! – Der „Göttinger Hain“, S. 12; Alfred Oberdiek, Göttinger Universitätsbauten, Göttingen 1989, 2. Auflage ebd. 2002, S. 16, 26 und 35 sowie Reimer Eck, Vom Pädagogium zur Keimzelle von Universität und Bibliothek. Zur Bau- und Nutzungsgeschichte des Pauliner-Klosters im 18. Jahrhundert, in: Elmar Mittler (Hrsg.), 700 Jahre Pauliner Kirche – Vom Kloster zur Bibliothek, Göttingen 1994, S. 145 – 149. Enderle, Ein König – viele Wege zum Bücherwissen, S. 213 f. Böhme, Stadtentwicklung zwischen 1650 und 1866, S. 433; Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 138; Michaela Kipp und Johanna Oehler, Wissenstransfer im Raum der Personalunion, in: Katja Lembke (Hrsg.), Als die Royals aus Hannover kamen, S. 116 – 125, hier S. 116 f.; Scholl, Die Universität Göttingen und ihre Wissenschaftsbeziehungen zu England im 18. Jahrhundert, S. 79 f.; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 65 ff.; Enderle, „Die Bibliothek der Bibliotheken“ Die Universitätsbibliothek Göttingen im 18. Jahrhundert als erste universale Forschungs- und Gebrauchsbibliothek der Welt, S. 2. Böhme, Stadtentwicklung zwischen 1650 und 1866, S. 435 f. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 125; Arnd Reitemeier, Hannover und Großbritannien – Die Personalunion 1714 – 1837, in: Katja Lembke (Hrsg.), Als die Royals aus Hannover kamen, S. 18 – 45, hier S. 23. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 126
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denn man betrachtete den Konsum der dort angebotenen Dienstleistungen und Waren als Zeit- und Geldverschwendung, die vor allem jungen Leuten schädlich seien. Der Rat entzog deshalb bereits erteilte Konzessionen oder vergab erst gar keine neuen.⁶⁷ Da die Altstadt dicht bebaut war, wich man zunehmend auf die bislang noch freien Gebiete zwischen der alten Stadtmauer und dem Anfang des 18. Jahrhunderts angelegten Wall aus.⁶⁸ Hier entstand, vor allem für die wohlhabenden Studenten, zwischen 1734 und 1736 ein Reitstall, zwischen 1735 und 1739 ein botanischer Garten und in einem Turm der alten Stadtmauer wurde die erste Sternwarte eingerichtet. Im Hl. Kreuz-Spital eröffnete 1751 ein Entbindungshospital (Accouchierhaus) als erste deutsche Frauenklinik.⁶⁹ Von der Universität profitierte also auch die allgemeine Bevölkerung, der Lebensstandard stieg. Trotzdem war es weiterhin nichts Ungewöhnliches, wenn morgens und abends Viehherden durch die Straßen getrieben wurden. Unterbrochen wurde der rasche Aufstieg der Stadt für einige Zeit durch den Siebenjährigen Krieg.⁷⁰ Die nur von wenigen Verteidigern geschützte Stadt kapitulierte im Sommer des Jahres 1757 vor heranziehenden französischen Truppen.⁷¹ Vertreter von Stadt und Universität hatten mit dem Kommandeur der französischen Truppen verhandelt und übergaben Göttingen kampflos, womit der durchaus kampfeswillige Kommandant der ansässigen Garnison von Storren vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.⁷² Kampfhandlungen wurden auf diese Weise ebenso vermieden wie eine Zerstörung der gerade neu errichteten Gebäude. Studenten sollten nicht mit Gewalt zum Militärdienst gezwungen werden. Ein Verzicht auf Einquartierungen konnte in den Verhandlungen allerdings nicht Bernd Wedemeyer, Aspekte zur frühen Kaffeehauskultur Göttingens im 18. Jahrhundert, in: Göttinger Jahrbuch, 36. Band, Göttingen 1988, S. 51– 57, hier S. 52 f. Zum Kaffeekonsum vgl. auch Michael North, Genuss und Glück des Lebens – Kulturkonsum im Zeitalter der Aufklärung, Köln u. a. 2003, S. 193 ff., insb. S. 199. Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 8. Böhme, Stadtentwicklung zwischen 1650 und 1866, S. 435. Marian Füssel, „Die besten Feinde, welche man nur haben kann?“ – Göttingen unter französischer Besatzung im Siebenjährigen Krieg, in: Göttinger Jahrbuch, 60. Band, Göttingen 2012, S. 137– 160. Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, in: Ernst Böhme und Rudolf Vierhaus (Hrsg.): Göttingen – Geschichte einer Universitätsstadt, 2. Band, S. 33; Füssel, „Die besten Feinde, welche man nur haben kann?“, S. 137 f.; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 46 f. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 161; Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, S. 34. Möglicherweise gelang es im Vorfeld der Verhandlung den Kommandeur von der Sinnlosigkeit von Kampfhandlungen zu überzeugen. Vgl. Füssel, „Die besten Feinde, welche man nur haben kann?“, S. 140.
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durchgesetzt werden.⁷³ Das Verhältnis zwischen den französischen Offizieren und den Professoren, deren Häuser ebenfalls betroffen waren, war den Umständen entsprechend gut, jedoch nicht frei von Konflikten. Michaelis sprach von den besten Feinden, die man haben könne, und auch Johann Stephan Pütter (1725 – 1807) lobte noch 1765 das anständige Verhalten der Besatzer.⁷⁴ Andere Berichte gingen durchaus auch auf Exzesse und Drangsalierungen durch die Besatzer ein – die offizielle Darstellung sollte der Entwicklung der Universität nicht schaden und stellte daher die Ereignisse wohl positiver dar, als sie tatsächlich verlaufen waren.⁷⁵ Im Verlauf des Konfliktes wechselte die Stadt mehrfach die Seiten, doch von Gefechten blieb sie auch bei den späteren Übernahmen verschont. Spurlos ging der Krieg dennoch nicht vorüber: Handel war nur begrenzt möglich und die Versorgungslage äußerst schlecht – neben den zu Beginn der Besatzungszeit 8.300 Bewohnern der Stadt campierten hier zeitweise 7.500 Besatzer. Im Grätzelhaus in der Goetheallee quartierte sich das französische Oberkommando ein.⁷⁶ Bewohner begannen abzuwandern und bis 1763 war die Bevölkerung auf circa 6.000 Einwohner zurückgegangen.⁷⁷ Mit Ende des Konflikts endete die negative Entwicklung abrupt, denn die Universität konnte rasch wieder an ihren Erfolg anknüpfen, was wiederum das Wachstum der Stadt positiv beeinflusste. Schon 1765/1766 war die Zahl der Einwohner wieder auf knapp 6.100 Personen angestiegen.⁷⁸ Angelockt durch die Aussicht auf Wohlstand zog es viele Arme und Bettler in die Stadt. Obwohl zahlreiche neue Gebäude errichtete wurden, blieb Wohnraum knapp und teuer. In mehreren Razzien versuchte die Stadt unwillkommene Einwanderer wieder zu vertreiben, doch blieben diese Maßnahmen ohne Erfolg. An der Nikolaistraße entstand ein Elendsviertel, das Zeitgenossen wegen der dort weitverbreiteten Prostitution „Klein-Paris“ nannten.⁷⁹ Die Landesregierung zog Lehren aus dem Kriegsverlauf. Die Befestigungsanlagen hatten sich als weitgehend wirkungslos erwiesen und wurden abgetra-
Füssel, „Die besten Feinde, welche man nur haben kann?“, S. 141 f. Marian Füssel, Der Siebenjährige Krieg – Ein Weltkrieg im 18. Jahrhundert, München 2010, S. 99; Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, S. 33 f. Füssel, „Die besten Feinde, welche man nur haben kann?“, S. 147. Füssel, „Die besten Feinde, welche man nur haben kann?“, S. 138, 143, Sachse, Göttingen im 18. und 19. Jahrhundert, S. 208; Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, S. 33. Brückner, Möhle, Pröve und Roschmann, Vom Fremden zum Bürger – Zuwanderer in Göttingen 1700 – 1755, S. 105. Der Name leitet sich aus dem volkstümlichen Vorurteil her, nach dem in der Seine-Metropole die Prostitution besonders weit verbreitet sei. Vgl. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 151 f.
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gen.⁸⁰ Aus militärischer Sicht sollte Göttingen kein lohnendes Ziel mehr darstellen, eine erneute Besatzung der Stadt so unattraktiv wie möglich gemacht werden. Die Kontrolle über den Zugang zur Stadt wurde jedoch noch nicht gänzlich aufgegeben. Zwar durchbrachen neue Straßen den Wall an mehreren Stellen, doch 1765 stellte man an diesen Durchlässen neue Gittertore auf.⁸¹ Vor allem aus steuerlichen Gründen behielt man diese Praxis bis zum Ende des 18. Jahrhundert bei.⁸² Bis 1767 wurden die ehemaligen Wehranlagen zu einem beliebten Spazierweg ausgebaut.⁸³ Erste Parkanlagen und Gärten entstanden außerhalb der Stadtgrenzen, ganz als ob die Stadtbewohner der Freiheit ohne Mauern noch nicht ganz getraut hätten. Freizeit und Erholung fanden nun zunehmend auch außerhalb der Stadt statt; eine Entwicklung, die dem Sturm und Drang und der romantischen Hinwendung zur Natur vorauszugreifen scheint. Populär war das 1776 im Gebäude der ehemaligen Militärbäckerei eröffnete Ausflugslokal namens „Wackers Garten“.⁸⁴ 1775 lebten etwa 8.100 Menschen in der Stadt, 1795 knapp 9.100.⁸⁵ Die Zahl der Studenten folgte diesem Trend allerdings nicht und sank im selben Zeitraum von 840 auf 671, nachdem 1781 ein Höchststand von circa 950 eingeschriebenen Studierenden erreicht worden war.⁸⁶ Beeindruckt von der Vielfalt von Instituten und Fakultäten schrieb der bekannte Aufklärer Friedrich Gedicke 1789, dass die Göttinger Universität die berühmteste in allen deutschsprachigen Ländern sei.⁸⁷ Besonders hob er das breite Angebot an Fakultäten und Fächern sowie die hervorragend ausgestattete Bibliothek hervor. In Göttingen lehrende Professoren gaben Zeitschriften zu verschiedensten akademischen Themen heraus. Genannt seien an dieser Stelle nur Lichtenbergs Göttingisches Magazin der Wissenschaften und das von Christoph Meiners (1747– 1810) und Ludwig Timotheus Spittler her-
Stefan Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, Göttingen 1990, S. 285; Füssel, „Die besten Feinde, welche man nur haben kann?“, S. 155 f. Böhme, Stadtentwicklung zwischen 1650 und 1866, S. 439. Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, S.34. Böhme, Stadtentwicklung zwischen 1650 und 1866, S. 440; Gudrun Schwibbe, Wahrgenommen – Die sinnliche Erfahrung der Stadt, Münster 2002, S. 112. Böhme, Stadtentwicklung zwischen 1650 und 1866, S. 441. Sachse, Göttingen im 18. und 19. Jahrhundert, S. 208. 250 Jahre Georg-August-Universität Göttingen – Studentenzahlen 1734/37 – 1987, redaktionelle Bearbeitung von Hansgerd Dieckmann, Göttingen 1987., S. 1 f. Mehr als irgend eine andere in Deutschland bekannt – Die Göttinger Universität im Bericht des „Universitätsbereisers“ Friedrich Gedike aus dem Jahre 1789, hrsg. von Hartmut Boockmann, Sonderdruck, Göttingen 1996, S. 9; Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, S. 35.
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ausgegebene Göttingische Historische Magazin. ⁸⁸ 124 solcher wissenschaftlichen oder populärwissenschaftlichen Hefte sind heute bekannt, elf stammen aus Göttingen.⁸⁹ Die rege Verlegertätigkeit trug ihren Teil dazu bei, dass die Georgia-Augusta im Ruf stand, eine Universität zu sein, an der auf Fleiß und Disziplin geachtet werde. Das Bild der Stadt hatte sich gewandelt und wurde gegen Ende des Jahrhunderts von neu gebauten Wohnhäusern und Universitätsgebäuden, Alleen und Gärten bestimmt. Das rückständige und verarmte Landstädtchen hatte sich zu einem wissenschaftlichen Zentrum Europas entwickelt. Gelehrte und Studenten von nah und fern bevölkerten das Universitätsviertel; viele von ihnen engagierten sich in den verschiedenen Sozietäten der Stadt. Als im frühen 19. Jahrhundert im Rahmen der Staats- und Bildungsreform nach Vorbildern für die geplante Gründung der Berliner Universität gesucht wurde, kam nur Göttingen in Frage. Friedrich August Wolf (1759 – 1824), berühmter Altertumswissenschaftler und langjähriges Mitglied der Loge Zum goldenen Zirkel, pries seine ehemalige Wirkungsstätte in diesem Zusammenhang als einzigartig an.⁹⁰ Die enge Verbindung Göttingens mit London und damit mit den gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen Großbritanniens, nicht zuletzt durch die hervorragend ausgestattete Bibliothek, beeinflusste die weitere Entwicklung im deutschsprachigen Raum, in dem sich im frühen 19. Jahrhundert als Folge der französischen Besatzung eine Begeisterung für alles britische ausbreitete, die in Großbritannien selbst aber kaum wahrgenommen wurde.⁹¹ Doch hinter der fortschrittlichen Fassade war auch in Göttingen die Stimmung von den für das letzte Drittel des Jahrhunderts typischen Anspannungen geprägt. Die Studentenorden und Landsmannschaften sorgten immer wieder für Probleme und rückten die studentischen Sozietäten in den Fokus der Obrigkeit.⁹²
Vgl. Kap. 8. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 145 f. Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, S. 36 Vgl. Arnd Reitemeier, Hannover und Großbritannien – Die Personalunion 1714 – 1837, in: Katja Lembke (Hrsg.), Als die Royals aus Hannover kamen, S. 24 f., 40 f. Gegen Ende des Jahrhunderts führte der bürgerliche Unmut über der studentische Verhalten gar zur Gründung von Clubs, zu denen Studenten nur begrenzt Zugang hatten. Begünstigt wurde das entstehen dieser neuen Sozietätsform sicherlich auch durch das Verbot der Freimaurerei wenige Jahre zuvor, das sich explizit auf die Mitgliedschaft von Studenten in den Göttinger Logen bezog. Die Obrigkeit differenzierte nicht zwischen studentischen Sozietäten, und solchen in denen Studenten Mitglieder waren. Folgerichtig scheint sich das Bürgertum der Stadt eine neue Betätigungsform ohne Studenten gesucht zu haben. Vgl. Römling, Göttingen – Geschichte einer
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Krawalle, wie sie in den ersten Jahrzehnten der Universität üblich waren, kamen in der Zeit nach dem Siebenjährigen Krieg nur noch selten vor; die universitäre Polizeitruppe, die sogenannte Scharwache, wurde 1763 aufgelöst und durch eine nur 24 Mann starke Einheit ersetzt.⁹³ Der Zeitraum von 1770 bis 1790 war frei von größeren Vorkommnissen.⁹⁴ Zwischen Studenten und ortsansässigen Bürgern blieb aber eine Kluft bestehen, die sich nicht nur in der Trennung von Universitätsviertel und eigentlichem städtischen Raum manifestierte: Je mehr die Stadt sich zum Dienstleister der Universität wandelte und wirtschaftlich vom akademischen Betrieb abhängig wurde, desto mehr nahmen die Studenten das Göttinger Bürgertum als Wucherer wahr und betrachteten sich selbst als gesellschaftlich höhergestellt.⁹⁵ Immer lauter wurden die Rufe nach gesellschaftlichen Veränderungen und staatlicher Reform. Die Göttinger Universität war – gefördert durch die Zensurfreiheit – ein Brennglas des deutschen Blicks auf die historischen Ereignisse in Amerika und Frankreich. Die überwiegende Mehrheit des deutschen Bürgertums lehnte eine Revolution nach französischem Vorbild ab.⁹⁶ In Göttingen fanden sich aber auch Unterstützer der revolutionären Ideen: Während Ernst Brandes (1758 – 1810), Referent der Georgia-Augusta an der Staatskanzlei in Hannover, eine unpolitische Universität propagierte und das bestehende System unterstützte, bezeichnete Schlözer die Revolution zunächst als Lektion für alle Unterdrücker, kritisierte später aber den um sich greifenden „Terreur“.⁹⁷ Die Sorge, dass Unruhen Bürger und Studierende ergreifen, und so dem Ansehen der so erfolgreichen Universität schaden könnten, führte schließlich zu restriktiven Maßnahmen.⁹⁸ 1793 musste nicht nur Schlözer seine erfolgreichen „Staatsanzeigen“ einstellen – womit de facto die hochgerühmte Zensurfreiheit endete –, sondern auch Geheimgesell-
Stadt, S. 155 f.; Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 215 f.; Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 88. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 157 Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, S. 36. Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 69 f. Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 83 f. Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 83 f.; Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, S. 37. Ernst Brandes legte seine Sicht auf die Französische Revolution und ihren Einfluss auf Deutschland in zwei Werken ausführlich dar: Politische Betrachtungen über die französische Revolution, Jena 1790 und Ueber einige bisherige Folgen der Französischen Revolution, in Rücksicht auf Deutschland, Hannover und Osnabrück 1793. Vierhaus, Göttingen vom Dreißigjährigen Krieg bis Napoleon, S. 38.
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schaften und die seit dem Siebenjährigen Krieg populären Studentenorden wurden verboten.⁹⁹ Mit der Pressefreiheit und dem Sozietätswesen wurde nicht nur die gesellschaftliche Elite angegriffen, sondern die staatsunabhängige Organisation des Bürgertums insgesamt. Die Konflikte des frühen 19. Jahrhunderts warfen ihre Schatten voraus – eine lange Phase der Stabilität ging ihrem Ende entgegen.
3.1 Göttinger Logen Die Geschichte der Göttinger Freimaurerei begann 1747 auf Initiative zweier Studenten. Philipp Carl Freiherr von Knigge und Balthasar Friedrich von Mithof, Mitglieder der halleschen Loge Zu den drei Schlüsseln, kamen nach Göttingen. In der Leinestadt taten sie sich mit sieben weiteren studierenden Freimaurern zusammen, die ebenfalls Interesse an der Gründung einer Loge hatten. Wie zur Universitätsgründung ging auch bei der Etablierung der Freimaurerei der Impuls von Halle aus. Die junge Loge wollte als Deputationsloge der halleschen Mutterloge anerkannt werden. Die Zusage traf ein, und am vierten Juni 1747 kam es zur ersten offiziellen Versammlung. Bei Eintreffen der Konstitutionsurkunde am 24. August hatten sich die Umstände in Göttingen aber bereits geändert: Mithof und Knigge verließen die Leinestadt am Tag darauf in Richtung Hannover. Die Urkunde ging zurück nach Halle; Knigge und Mithof verfolgten nun andere Pläne. In Hannover stieg Knigge innerhalb eines knappen Monats zum Meister vom Stuhl der Loge Friedrich zum weißen Pferde auf, und am 21. September 1747 stellte er der Göttinger Loge eine neue Urkunde aus. Wie ihre Mutterloge trug die Göttinger Filiale den Namen Friedrich. Von der Großloge Zu den drei Weltkugeln wurde sie unter der Matrikelnummer 15 anerkannt. Meister vom Stuhl wurde der junge Professor und Hofrat Georg Ludwig Böhmer (1715 – 1797). Hauptsächlich Adelige, teils samt ihrer Hofmeister, der Tuchfabrikant Johann Heinrich Grätzel oder der Professor der Rechtswissenschaften Johann Stephan Pütter traten bei. Der wohlhabende Grätzel stellte ein Haus im Universitätsviertel für die Versammlungen zur Verfügung. Da die Konstitutionsurkunde die Mitgliederzahl auf zwölf beschränkte, musste vor weiteren Aufnahmen in Hannover um Erlaubnis gebeten werden – Knigge lenkte so die Loge auch aus der Ferne, behinderte allerdings auch ihr Wachstum. Hinzu kam das Misstrauen durch Obrigkeit und Universitätsleitung.
Vgl. Sauder, Bund auf ewig! – Der „Göttinger Hain“, S. 11; Jeske, Die Universitätsstadt Göttingen 1790 – 1825, S. 85 f.
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Nachdem der auch in Göttingen aktive Mopsorden aufgedeckt worden war, setzte eine Verfolgung der Sozietäten ein. Bereits 1748 begann das Logenleben zu erlahmen. Böhmer war zum Prorektor der Universität ernannt worden (vom dritten Juli 1748 bis zweiten Januar 1749), was sicher einer der Hauptgründe für die nachlassende Aktivität innerhalb der Loge war, denn als Prorektor war es Böhmers Pflicht, gegen alle Arten von studentischen Sozietäten vorzugehen. 1751 stellte die Loge ihre Arbeiten ein, zwei Jahre später sandte Böhmer die Unterlagen und Utensilien der Loge zur Aufbewahrung an die hannoversche Mutterloge. Die Geschichte der ersten Göttinger Loge endete damit bereits nach sechs Jahren.¹⁰⁰ Die Verfolgung des Mopsordens und der frühen studentischen Sozietäten sowie die Wirren des Siebenjährigen Krieges hatten zur Folge, dass nach Auflösung der Loge Friedrich zwölf Jahre bis zur Gründung einer weiteren Göttinger Loge vergingen.¹⁰¹ 1765 gründet der Gastwirt Johann Ludwig Wacker die Loge Vgl. Otto Deneke, Göttinger Studenten-Orden, S.2; Arndt Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 32 f.; Bauer und Riederer (Hrsg.), Zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit – Jenaer Freimaurerei und studentische Geheimgesellschaften; Wilhelm Thiel (Red.), 240 Jahre Freimaurerloge Friedrich zum weißen Pferde Nr. 19 im Orient Hannover, [Festschrift], Hannover 1986; Herbert Hillert [Red.], Treue ohne Zwang – 225 Jahre Freimaurer Loge Friedrich zum weißen Pferde i.O. Hannover, Hannover 1971; Heinrich Wanner d. Ält., Aus der Geschichte der Freimaurerei in Hannover – Die Errichtung der templarischen Loge Zum weißen Pferde und der Schottenloge Karl zum Purpurmantel 1764 bis 1786, Hannover 1908; Friedrich Voigts, Geschichte der g. u. v. Freimaurerloge Friedrich zum weißen Pferde im Orient von Hanover. In Anlaß ihrer Säcularfeier aus den Acten der Loge zusammengestellt, Hannover 1846; Zaunstöck, Das Milieu des Verdachts, S. 114 f., 120 f., 126, 131 f. sowie Wilhelm Ebel, Catalogus Professorum Gottingensium 1734 – 1962, Göttingen 1962, S. 23; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 91 f. Zur Geschichte der Freimaurerei in Halle vgl. Friedrich August Eckstein, Geschichte der Freimaurer-Loge im Orient von Halle – Eine Festgabe zur Secularfeier der Loge zu den drei Degen, Halle 1844; Werner Piechocki, Die Anfänge der Freimaurerei in Halle – Studenten und Professorenlogen, in: Erich Donnert (Hrsg.), Europa in der Frühen Neuzeit – Festschrift für Günter Mühlpfordt, 4. Band, S. 479 – 486. Das elitäre Auftreten der frühen Freimaurerlogen und die päpstliche Bannbulle „In eminenti apostolatus specula“ von Clemens XII., welche Katholiken die Mitgliedschaft in Freimaurerlogen untersagte, führte zur Entstehung einer die Freimaurerei nachahmenden katholischen Sozietät: Dem sogenannten „Mopsorden“. Eine Besonderheit dieser Sozietät war, dass auch katholische Frauen Mitglied werden konnten. In Göttingen war ein Orden desselben Namens seit 1747 aktiv. Vermutlich war der Orden aus Helmstedt nach Göttingen gekommen. Die Göttinger Loge „Louise des ehrwürdigen Mopsordens“ setzte sich aus adeligen und dem gehobenen Bürgertum entstammenden Studenten zusammen, hatte also inhaltlich mit dem eigentlichen Mopsorden wenig gemein. Dies legt die Vermutung nahe, dass der Göttinger Mopsorden der Versuch war das Verbot der Landsmannschaften von 1747 zu umgehen. Mit 55 Mitgliedern war der Mopsorden in Göttingen äußerst erfolgreich, erregte so aber schnell die Aufmerksamkeit der Regierung. Als sie ab 1748 gegen den Mopsorden vorging fiel ihr Blick auch auf die Freimaurer. Vgl. Dotzauer, Quellen zur Geschichte der deutschen Freimaurerei im 18. Jahrhundert, S. 336 ff.; Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S.220, 280; Deneke, Göttinger Stu-
3.1 Göttinger Logen
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Augusta zu den 3 Flammen. ¹⁰² Dies war ungewöhnlich, denn die meisten Logen wurden von Männern aus dem Adel oder dem gebildeten Bürgertum gegründet; Göttingen wäre gerade für die zweite Variante prädestiniert gewesen.¹⁰³ Anders als die elitäre Loge Friedrich war die neue Gemeinschaft von Anfang an bürgerlich geprägt; eine Entwicklung, die für die Freimaurerei der zweiten Jahrhunderthälfte typisch ist.¹⁰⁴ Von den Mitgliedern der ersten Göttinger Loge trat nur der ehemalige Meister vom Stuhl Georg Ludwig Böhmer der neuen Gemeinschaft bei, weshalb man von einer Zweiteilung der freimaurerischen Geschichte Göttingens im 18. Jahrhundert sprechen kann. 1766 nahm die Loge Augusta das System der Strikten Observanz an, nachdem Johann Christian Schubarth (1734– 1787) die Göttinger Brüder für das aus Frankreich stammende System gewonnen hatte.¹⁰⁵ Als umtriebiger Mann beschränkte Wacker sein freimaurerisches Engagement nicht auf Göttingen.¹⁰⁶ Auch an der Gründung der Logen Zum gekrönten Löwen in seiner Geburtsstadt Kassel und der Loge Friedrich zu den 3 Quellen in Bad Pyrmont war er beteiligt; so stellt Wacker neben Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau (1722– 1776) eine der maßgeblich an der Verbreitung der Strikten Observanz beteiligten Personen dar.¹⁰⁷ Seine umfangreichen Aktivitäten blieben der Regierung nicht verborgen: 1773 bedenten-Orden, S. 9; Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 8; Bärbel Raschke, Androgyne Arkangesellschaften und Freimaurerei. Entwicklungs- und Beziehungsprobleme aus der Perspektive hochadliger Frauen, in: Joachim Berger und Klaus-Jürgen Grün (Hrsg.), Geheime Gesellschaft – Weimar und die deutsche Freimaurerei, München 2002, S. 153 – 159; Zaunstöck, Das Milieu des Verdachts, S. 120 f. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 10 ff.; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 92. Schon van Dülmen wies allerdings darauf hin, dass Logengründungen – auch ungültige, die den Mitgliedern nur vortäuschten, zu einem größeren Verbund zu gehören – durch geschäftstüchtige Wirte vorgenommen wurden. Anders als die Gründung war die Versammlung in eigens zu dem Zweck angemieteten Gasthäusern oder Wohnungen weit verbreitet. Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 57 f.; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 617 ff.; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 233. Vgl. Zaunstöck, Das Milieu des Verdachts, S. 115. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 37. Vgl. Jörg Meidenbauer, Aufklärung und Freimaurerei in der Provinz – Ideologie, Struktur und Wirkung der Freimaurerlogen in Hessen-Kassel bis 1794, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Aufklärung und Geheimgesellschaften: Freimaurer, Illuminaten und Rosenkreuzer: Ideologie – Struktur und Wirkungen. Internationale Tagung in Insbruck 22./23. Mai 1992, Bayreuth 1992, S. 39 – 70, hier S. 43 f. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 14. Vgl. auch Hermann Trommsdorff, Die Freimaurerei in Pyrmont – Beiträge zur Kulturgeschichte Niedersachsens im 18. Jahrhundert. Festschrift zur Feier der Neugründung der Loge Friedrich zu den Drei Quellen in Bad Pyrmont, Göttingen 1928.
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3 Stadt und Universität im 18. Jahrhundert
schwerte man sich in einem Schreiben an die Universitätsleitung über die Anstrengungen des „Weinschenkers“ Wacker.¹⁰⁸ Zu Beginn fanden die Zusammenkünfte der neuen Göttinger Loge in der „Kommende“, einem Anfang des 14. Jahrhunderts vom Deutschen Orden erbauten Gebäude, das zum Komplex um die Kirche St. Marien gehört, statt.¹⁰⁹ Geschäftliche Überlegungen des Gastwirts mögen eine Rolle gespielt haben, dass die Loge 1770 den Versammlungsort wechselte: Um 1766 hatte er das Gasthaus „Zur Krone“ in der Weender Straße erworben.¹¹⁰ Bis 1790 fanden die Treffen in einem Raum dieser Gastwirtschaft statt.¹¹¹ Als Folge finanzieller Unregelmäßigkeiten verlor Wacker im Herbst 1779 den Vorsitz der Loge: Er hatte Logen- und Privatvermögen vermischt, Rechnungen lagen nicht vor.¹¹² Nach kurzer Auseinandersetzung
Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 13. Vgl. Reinhard Vogelsang, Die Kirche vor der Reformation – Ihre Institutionen und ihr Verhältnis zur Bürgerschaft, Bernd Moeller, Die Reformation, Karl Heinz Bielefeld, Die Kirche nach der Reformation sowie Hans Reuther, Architektur des Mittelalters und der frühen Neuzeit, alle in: Dietrich Denecke und Helga-Maria Kühn (Hrsg.), Göttingen – Geschichte einer Universitätsstadt. Von den Anfängen bis zum Ende des Dreißigjährigen Krieges, 1. Band, Göttingen 1987, S. 465 – 491, hier S. 469, 516 sowie S. 530 – 570, hier 537 f. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 38. Zu wirtschaftlichen Überlegungen bei Gründung von Sozietäten vgl. auch Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 202. Neben dem Vorsitz eines Schwankwirts deutet auch dies auf ein weniger elitäres Auftraten hin, als es die Loge Friedrich über zwanzig Jahre zuvor praktiziert hatte. Auch scheint Wacker sich nicht immer an Beschlüsse des Wolfenbütteler Konvents, einer Versammlung hochrangiger Mitglieder der Strikten Observanz, gehalten zu haben, denn Koppe rechtfertigt im März 1781 seine Aufnahme der drei Anwärter Heinrich Wilhelm Mathias Olbers, Engelbert Wichelhausen und Johann Conrad Bremer folgendermaßen: „Ich darf es allerdings nicht leugnen, daß die hier studirenden Bremer, Olbers, Wichelhausen, und Heineken von mir in den Or. aufgenommen und auf die Liste der Mitglieder unserer Loge geschrieben worden. Auch habe ich sie ohne Anfrage aufgenommen, und die Receptions-Gelder zurückbehalten: beides gegen den ausdrücklichen Innhalt des angeführten § des wolfenbüttelschen Conventbeschlußes. Meine Gründe zu einem solchen, wenigstens dem Buchstaben eines allgemein angenommenen Gesezzes entgegenlaufenden Verfahren waren indes folgende: I. Eine von unsern abgegangenen Meister vom Stuhl dem S[ehr] E[hrwürdigen] Br[uder] Waker bisher ungestört beobachtete ähnliche Observanz. Ohne alles Bedenken hat er bis zur Niederlegung seines Amts, Studierende aus verschiedenen Sprengeln aufgenommen, und ihre Receptionsgelder zur Ehre und zum Besten der hiesigen Loge verwendet, ohne daß darüber irgend woher entweder Beschwerden eingegangen, oder wenn sie eingegangen, nach darüber brüderlichst gemachten Vorstellungen, dieselben weiter fortgesezt und dringender wiederhohlt worden wären. Was also ihm, meinen Vorgänger im Amte, gefälligst zugestanden worden war, daßelbe konnte ja doch auch ich hoffen, von der Billigkeit meiner Brbr: erhalten zu dürfen, um so mehr, da nach der jezzigen Einrichtung unsrer Loge die genaueste Vorsicht angewandt wird, daß nicht jemand in dem Or. aufgenommen werde, von deßen Anlage und Charakter sich nicht einst wahre Vortheile für den Or erwarten laßen.“ Schreiben Koppes an Unbekannt, vermutlich an den Altschottischen Obermeister Herzog
3.1 Göttinger Logen
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zwischen Anhängern Wackers und der Altschottischen Loge in Hannover wurde Johann Benjamin Koppe feierlich durch Karl August von Hardenberg (1750 – 1822) als neuer Meister vom Stuhl eingesetzt.¹¹³ Die knapp fünf Jahre unter Koppes Vorsitz sollten zur Blütezeit der Loge werden.¹¹⁴ Ursprünglich war die Gemeinschaft durch „Bildungsbürger“, Professoren und einige Adelige geprägt gewesen.¹¹⁵ Unter Koppes Vorsitz stieg die Mitgliederzahl kontinuierlich an, denn zahlreiche Studenten und junge Gelehrte traten bei. Diese Entwicklung wurde von Koppe forciert, denn im bereits zitierten Schreiben vom März 1781 heißt es weiter: Bekanntlich arbeitet hier in Göttingen neben unsrer Loge noch eine andre vom Zinnend[orf’schen] System zu der besonde[rs] viel Studenten übergehen, und welcher auch unser würdi[ger] Br[uder] Olbers würde übergegangen seyn, wenn er nicht no[ch] früh genug durch den hochwürdigen und von uns alle[n] innigst verehrten Br[uder] Rulfs aus Einbek eines andern [be]lehrt worden wäre. So bald nun die Aufname eine[s] Studenten, unserer Loge durch diejenigen schottischen [Logen] zu deren Sprengel sie ihrer Geburt nach gehören, fer[ner] hin erschwert werden sollte, und wir das bisher geno[ssne] Recht, sie, so lange sie hier studiren, als Mitglieder unsrer Loge anzusehen, verliehren müsten, so würde die natürliche Folge seyn: daß wir jeden solchen Adspiranten so bald er sich bey uns meldete, abweisen würden. Ob er aber als dann die Zeit seiner Rükkehr ins Vaterland abwarten, oder aber sich zu der ihm hier näheren Zinnend[orf’schen] Loge wenden, mithin selbst für die Zukunft, für seine vaterländische Loge verlohren gehen würde, läßt sich bey einiger Kenntnis jugendlicher Lebhaftigkeit leicht beurtheilen.¹¹⁶
Karl II. von Mecklenburg-Strelitz (1741– 1816), 4. März 1781. Schwedenkiste, 18. Band, Dok. 103. Koppe bezieht sich auf Paragraph Acht des „Wolfenbüttelscher Convent-Schluss“ vom 27. Aug. 1778. Zu finden im 19. Band der Schwedenkiste, Dok. 44. Karls Ordensname in der Strikten Observanz war „Pallio Purpureo“. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 14 ff. Hardenberg war Meister vom Stuhl der hannoverschen Loge Zum weißen Pferde. Zu Hardenberg vgl. Helmut Reinalter, Hardenberg, Karl August Fürst von (1750 – 1822), in: Reinalter (Hrsg.), Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa, S. 70 ff. sowie Voigts, Geschichte der g. u. v. Freimaurerloge Friedrich zum weißen Pferde im Orient von Hanover, S. 68. Joist Grolle, Landesgeschichte zur Zeit der deutschen Spätaufklärung – Ludwig Timotheus Spittler (1752 – 1810), Göttingen 1963, S. 34; Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 220. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 20 f. Schreiben Koppes vom 4. März 1781, vermutlich an den Altschottischen Obermeister Herzog Karl II. von Mecklenburg-Strelitz, Schwedenkiste, 18. Band, Dok. 103. Die gekennzeichneten Stellen wurden vom Autor sinngemäß ergänzt, da der Text im Falz des Dokuments verklebt wurde, und damit unleserlich ist. Beim „Zinnendorffschen System“ handelte es sich um ein mit der Strikten Observanz konkurrierendes System. Dazu mehr im weiteren Verlauf des Kapitels.
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3 Stadt und Universität im 18. Jahrhundert
Der Theologieprofessor sah die von ihm geführte Gemeinschaft augenscheinlich in Konkurrenz beziehungsweise in einem Wettstreit um die geeignetsten Anwärter innerhalb Göttingens.¹¹⁷ Unter seinem Vorsitz wurde die Loge immer mehr zu jener studentisch geprägten Sozietät, die man in einer Universitätsstadt erwartete.¹¹⁸ Aber die Mitgliedschaft zahlreicher Studenten brachte ihre ganz eigenen Probleme mit sich. In wiederholten Ermahnungen appellierte der Meister vom Stuhl deshalb an die Diskretion und Umsicht der studentischen Mitglieder.¹¹⁹ Gleichzeitig fand, unbemerkt von der Mehrzahl der Mitglieder, eine enge Anbindung zahlreicher Mitglieder an den Illuminatenorden statt. 1781 erwarb die Loge für 2.000 Reichstaler ein ehemaliges Wohnhaus am Geismartor, um dort nach der Renovierung das erste chirurgische Klinikum Göttingens zu eröffnen.¹²⁰ Unter der Leitung des berühmten Chirurgen und Hofarztes August Gottlieb Richter wurde die moderne Einrichtung auch von der Universität zur Ausbildung von Medizinstudenten und Theologen genutzt.¹²¹ Johann Franz Wilhelm Böhmer (1754– 1788), Sohn des bereits in der Loge Friedrich aktiven Georg Ludwig Böhmer, arbeitete hier als Hospitalarzt.¹²² Der die Universität umgebende Personenkreis war klein, und es kam folglich häufig zu Überschneidungen im beruflichen wie im privaten Leben. Im Sommer 1784 nahm Koppe in Gotha eine Stelle als Generalsuperintendent an, und sein enger Vertrauter Ludwig Timotheus Spittler folgte ihm als Meister vom Stuhl der drei Johannisgrade. Spittler war Professor für Philosophie und erst seit Ende 1782 Freimaurer.¹²³ Innerhalb der Loge gab es erhebliche Konflikte um seine Amtsführung, die in einem zeitweisen Bruch Spittlers mit der Loge kumulierten.¹²⁴ Von 1786 bis 1788 führte Richter den Hammer, bevor Spittler 1789 bis 1793 erneut den Vorsitz übernahm.
Heinrich Wilhelm Mathias Olbers war unter der Matrikelnummer 10930 an der Göttinger Universität immatrikuliert.Vgl. Götz von Selle (Hrsg.), Die Matrikel der Georg-August-Universität zu Göttingen 1734 – 1837, Hildesheim und Leipzig 1937, Nachdruck Nendeln 1980, S. 231. Zu Olbers vgl. auch Kap. 4. Freimaurerlogen setzten sich in ihrer Sozialstruktur meist ortsspezifisch zusammen.Vgl.Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 58. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 21 f.; Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 220. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 40. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 19 f. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 41. Grolle, Landesgeschichte zur Zeit der deutschen Spätaufklärung, S. 33. Vgl. Kap. 8.4.
3.1 Göttinger Logen
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Zur Anschaffung eines eigenen Logenhauses kam es erst 1790, das vormalige Ausflugslokal „Wackers Garten“ wurde erworben. Die Anschaffung kann als Reaktion auf den sich ändernden Zeitgeist gewertet werden, denn die Loge musste sich nun nicht mehr in der Gaststätte „Zur Krone“ versammeln, und hoffte so wohl weniger öffentliches Aufsehen zu erregen.¹²⁵ 1793, nach 28 Jahren, war die Loge dennoch zur Auflösung gezwungen: Ein königliches Edikt verbot ein weiteres Mal alle Ordensgesellschaften und geheimen Verbindungen in Göttingen.¹²⁶ Alle Versuche, sich von den unter Studenten beliebten Orden abzugrenzen, waren vergeblich gewesen.¹²⁷ Der Vorschlag, sich von allen studentischen Mitgliedern zu trennen, fand nicht die Zustimmung der Obrigkeit, denn auch zahlreiche Professoren waren Mitglieder der Loge.¹²⁸ Hinzu kam ein generelles Misstrauen gegenüber geheimen Verbindungen, das durch die Französische Revolution noch verstärkt worden war.¹²⁹ Das verbliebene Vermögen von 5.000 Reichstalern spendeten die ehemaligen Mitglieder einige Jahre später der Regierung um den Betrieb des Klinikums sicherzustellen.¹³⁰
Die Loge Zum goldenen Zirkel Ab 1770 breitete sich eine Gegenbewegung zum System der Strikten Observanz aus. Ziel der von Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf (1731– 1782) angeführten Bewegung war es, die ursprünglichen Ziele der Freimaurerei wieder in den Mittelpunkt zu stellen.¹³¹ Gleichwohl bearbeitete auch das „Zinnendorf’sche System“ ein über die ursprünglichen drei Johannisgrade hinausreichendes Gradsystem: In der sogenannten Andreasloge konnten die Grade des Andreaslehrlings, -gesellen
Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 22 f. Vgl. das Erneute Verbot der Ordensgesellschaften und geheimen Verbindungen auf der Universität zu Göttingen vom 29. Oktober 1793, mit dem drei zuvor erlassene Edikte vom 8. Februar 1748, 9. Dezember 1762 und 22. Juni 1772 bekräftigt wurden. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 228 ff. Im Ratgeber Allgemeine Uebersicht sämmtlicher Universitäten Deutschlands aus dem Jahr 1792 werden Veranstaltung- und Verhaltensstipps für Göttingen gegeben. Dabei werden ausdrücklich die beiden ortsansässigen Freimaurerlogen genannt. Vgl. Carl Heuns, Allgemeine Uebersicht sämmtlicher Universitäten Deutschlands, Leipzig 1792, S. 80 f. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 220. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 24. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 45. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 596 ff.; Dotzauer, Quellen zur Geschichte der deutschen Freimaurerei im 18. Jahrhundert, S. 25.
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3 Stadt und Universität im 18. Jahrhundert
und des Andreasmeisters erreicht werden. Im Kapitel des Ordens warteten die Grade sechs bis neun: Ritter des Ostens, Ritter des Westens, der Vertraute der Johannisloge und der Auserwählte.¹³² 1770 kam es zur Gründung der Großen Landesloge. ¹³³ Zinnendorf versuchte vergeblich, sein System durch die Schwedische Großloge anerkennen zu lassen. Erst 1773 gelang es dem Vermittler der Großen Landesloge, Charles Hanbury (1750 – 1783), mittels der Zahlung von 50 Pfund Sterling die Anerkennung durch die Großloge von England zu erlangen.¹³⁴ In Göttingen gründeten am achten Juli 1773 der Rittmeister Georg Gottlieb Maximilian von Hammerstein und der Fähnrich Johann Heinrich Christoph Meyer die Loge Zum goldenen Zirkel. ¹³⁵ Innerhalb des ersten Jahres wechselte zweimal der Vorsitzende, und erst dem dritten Meister vom Stuhl Arnold Heinrich Nicolaus Behm (1738– nach 1803) gelang es, die Loge der Großen Landesloge zuzuführen.¹³⁶ Erst am 30. November 1774 traf die vom zehnten Juni des Jahres datierte Konstitutionsurkunde ein.¹³⁷ Die Göttinger Loge der Zinnendorf’schen Lehrart bearbeitete nur die drei Johannisgrade – Hinweise auf Aktivitäten einer ortsansässigen Andreasloge oder eines Ordenskapitels fehlen in den Protokollen. Die Mitgliederstruktur der jüngeren Loge wich bis etwa 1780 von jener der Augusta deutlich ab: Nur wenige Professoren fanden sich in ihrer Mitgliederliste, dafür zahlreiche Studenten und Militärs, Juristen, Doktoren und Beamte.¹³⁸ Wegen der vorwiegend studentischen Mitglieder war der Altersdurchschnitt niedriger. Mehrere ehemalige Mitglieder des berühmten Hainbunds oder dem Bund Nahestehende kamen in der Loge erneut zusammen, darunter Johann Martin Miller (1750 – 1814), Johann Heinrich Christoph Meyer, Gottfried August Bürger, Carl August Wilhelm von Closen (1754– 1776) und Christian Adolph Overbeck
Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurer Lexikon, S. 769 f. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 45. Zum Verhältnis der Großen Landesloge zur Großloge von England vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 606 ff. Zu Hanbury vgl. Kap. 8. Vgl. Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 92. Zu Behm vgl. Andreas Georg Waehner, Tagebuch aus dem Siebenjährigen Krieg, Göttingen 2012, S. 103. A.H.N. Behm war während des Siebenjährigen Kriegs unter der Matrikelnummer 5668 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 127. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 28 f. Die Rolle der Regimentslogen und von Offizieren in und für die Freimaurerei ist bislang kaum erforscht. Vgl. Andreas Önnerfors, Freimaurerei und Offiziertum im 18. Jahrhundert, in: Gundula Gahlen und Carmen Winkel (Hrsg.), Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit, Themenheft: Militärische Eliten in der Frühen Neuzeit, hrsg. vom Arbeitskreis Militär und Gesellschaft in der Frühen Neuzeit e.V., 14. Band, 1. Heft, Potsdam 2010, S. 229 – 250.
3.1 Göttinger Logen
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(1755 – 1821).¹³⁹ Desgleichen Johann Friedrich Hahn (1753 – 1779) und Anton Matthias Sprickmann (1749 – 1833), wobei Sprickmann 1779 verstoßen wurde, nachdem er in eine Loge der Strikten Observanz übergetreten war.¹⁴⁰ Ludwig Christoph Heinrich Hölty (1748 – 1776) starb kurz vor seiner Aufnahme. Unter den zahlreichen jungen Militärs findet sich Gerhard David Scharnhorst (1755 – 1813), der spätere Mitorganisator der preußischen Heeresreform.¹⁴¹ Das Verhältnis zur Augusta war anfangs schlecht, denn die neue Loge erkannte die ältere Gemeinschaft nicht an. Grund waren die Streitigkeiten zwischen den unterschiedlichen Systemen über die korrekte Auslegung der Rituale, wer die wahre Freimaurerei praktizierte und die Konkurrenz um Anwärter. Erst als sich die Augusta nach dem Wilhelmsbader Konvent zunehmend reformierte, begannen beide Gruppierungen sich reger auszutauschen.¹⁴² Nachdem die ältere Gemeinschaft 1790 „Wackers Garten“ erworben hatte, nutzten beide Logen das Haus gemeinsam. Die Augusta erhielt dafür von der jüngeren Loge eine jährliche Miete von 52 Reichstalern.¹⁴³ 1783 wurde der einunddreißigjährige Johann Heinrich Jäger zum neuen Vorsitzenden der Loge gewählt, der die Loge bis zu ihrer Auflösung 1793 führte.Wie in der Augusta auch, wurde das Vermögen der Loge zunächst von ehemaligen Mitgliedern verwahrt. Schließlich spendete man den Großteil des Vermögens an die Göttinger Industrieschule und die Armenkasse der Stadt. Lediglich 100 Taler wurden für den Fall einer möglichen Neugründung als Startkapital verwahrt.¹⁴⁴ Dazu sollte es erst 1810 mit Gründung der noch heute bestehenden Loge Augusta zum goldenen Zirkel kommen.¹⁴⁵ Mitglieder der als Nachfolgerin der beiden Logen des 18. Jahrhunderts gegründeten Gemeinschaft verwahrten bis 1935 den im Nachfolgenden untersuchten Nachlass. Die bereits erwähnte Schrift von Moritz Heyne zeigt aber, dass während dieser 125jährigen Phase das Interesse an den
Zur Geschichte des Hainbunds vgl. Sauder, Bund auf ewig! – Der „Göttinger Hain“, S. 12 ff. Zu Bürger vgl. Peter Volk, Bürger, Gottfried August (1747 – 1794), in: Reinalter (Hrsg.), Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa, S. 31 ff. Vgl. Axel Pohlmann, Der Hain und die Loge, in: Quatuor Coronati – Jahrbuch für Freimaurerforschung, Nr. 38, Bayreuth 2001, S. 129 – 149; Sauder, Bund auf ewig! – Der „Göttinger Hain“, S. 21 f. sowie Kap. 7. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 32 f.; Vgl. Johannes Kunisch, „Scharnhorst, Gerhard Johann David von“, in: Neue Deutsche Biographie, 22. Band, Berlin 2005, S. 574 f. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 31. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 47; Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 31. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 49. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 34.
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3 Stadt und Universität im 18. Jahrhundert
Ursprüngen der eigenen Gemeinschaft unter den Göttinger Brüdern – und mittlerweile auch Schwestern – nie ganz erlosch und bis heute anhält.
Aufnahme und Beförderung
4 Rituale und ihre Geschichte „… lassen Sie sich ja auf keine Weise verleiten hinter den Symbolen und Hieroglyphen irgend ein übernatürliches Geheimniß zu suchen, oder nur zu vermuthen.“ ¹
Die Freimaurerei war eine geheime Gesellschaft, das heißt die Abläufe innerhalb der Versammlungen sollten Außenstehenden verborgen bleiben. Die Existenz der Logen an sich und ihr karitatives Engagement waren dagegen gewöhnlich nicht geheim.² Noch heute sind die rituellen Arbeiten der Logen Außenstehenden nicht zugänglich.³Die Ursprünge der geheimen Rituale sind eng verwoben mit der Geschichte der Freimaurerei und lassen sich über die mittelalterlichen Bauhütten hinaus zurückverfolgen, aus denen die neuzeitliche Freimaurerei im 18. Jahrhundert hervorging.⁴ In den mittelalterlichen Bauhütten war die Verschwiegenheit über die eigenen Arbeiten – das heißt über handwerkliche Kenntnisse – Pflicht, denn sie wurden während einer mühevollen Ausbildung erworben.⁵ Das
Johann Joachim Christoph Bode (1731– 1793) als „Basilius“ in einer Reproche an Friedrich Heinrich Adolph Schlichtegroll in Göttingen, September 1786. Schwedenkiste, 12. Band, Dok. 266. Zu Bode vgl. Helmut Reinalter, Bode, Johann Joachim Christoph (1730 – 1793), in: Reinalter (Hrsg.), Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa, S. 25 f. Anders bei Geheimgesellschaften wie dem Illuminatenorden. Hier sollten sowohl die Existenz als auch sämtliche Aktivitäten vor der Öffentlichkeit verborgen bleiben bzw. keine Rückschlüsse auf die verborgene Sozietät erlauben. Vgl. Renko Geffarth, Markus Meumann, Marianne Taatz-Jacobi und Holger Zaunstöck, Collegia, Logen, Salons – Akademische Geselligkeit und ihre Räume im Halle des 18. Jahrhunderts, in: Sebastian Görtz, Ute Pott und Cornelia Zimmermann (Hrsg.), Geselligkeiten im 18. Jahrhundert – Kulturgeschichtliche Überlieferung in Museen und Archiven Sachsen-Anhalts, Halle 2012, S. 218 – 229, hier S. 224; René le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, 1. Band, Leimen 1987, S. 49 f.; Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und bürgerliche Gesellschaft, S. 5. Vgl. auch Burkard Sievers, Geheimnis und Geheimhaltung in sozialen Systemen, Opladen 1974, S. 11. Manfred Agethen, Geheimbund und Utopie – Illuminaten, Freimaurer und deutsche Spätaufklärung, München 1987, S. 55 ff.; Vgl. Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein, S. 14 ff; Vgl. Helmut Reinalter, Die Freimaurerei zwischen Josephinismus und frühfranziszeischer Reaktion – Zur gesellschaftlichen Rolle und zum indirekt politischen Einfluß der Geheimbünde im 18. Jahrhundert, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt a. M. 1983, S. 25 – 84, hier S. 38 ff.; Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 163; Helmut Reinalter, Freimaurerei und Geheimgesellschaften, in: Reinalter (Hrsg.), Aufklärungsgesellschaften, S. 85; Reinalter, Geschichte, S. 11. Heinrich Dührsen, Über die Entstehung der Hiramslegende, in: Heinz Lott (Hrsg.), Quatuor Coronati – Jahrbuch für Freimaurerforschung, Jahrbuch 1987, Nr. 24, S. 153 – 170, hier 156. https://doi.org/10.1515/9783110621723-004
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4 Rituale und ihre Geschichte
ursprüngliche Geheimnis diente also der Bewahrung eines technischen und wirtschaftlichen Monopols der sogenannten „operativen Freimaurerei“.⁶ In der Renaissance verbanden sich christliche Lehre und hermetische Philosophie; im 16. und 17. Jahrhundert wurden in „chymischen“ Gesellschaften alchemistische Experimente durchgeführt. Die chemische Veränderung von Stoffen diente als allegorische Hilfe bei der Erklärung innerer Wandlungsprozesse im Menschen – eine Praxis, die auch frühen Freimaurerlogen nicht fremd war.⁷ Mit der Zeit wurde dieser Symbolismus durch das anschaulichere Bildnis vom schöpferischen Menschen abgelöst, einem Baumeister, der seine Umgebung mit Hilfe von Werkzeugen formt.⁸ In geometrischen Formen und dem Streben nach Perfektion nähert sich der Schaffende dabei dem göttlichen Ideal, dem Großen Baumeister aller Welten, an.⁹ In England kam es zu einer Entwicklung, die den Charakter der Bauhütten nachhaltig ändern sollte: „By the 1670s, many operative and artisan masonic lodges in Scotland as well as in England began to admit non-masonic gentlemen into their lodges ….“ ¹⁰ Durch den Beitritt von anderen Berufsgruppen angehörenden Personen stellten die Werkmaurer schon gegen Ende des 17. Jahrhunderts nicht mehr die Mehrheit der Mitglieder.¹¹ Aus Bauhütten wurden Logen, die sogenannte „spekulative“ Freimaurerei entstand – und berief sich auf Ursprünge, die eigentlich nicht die ihren waren.¹² Durch die mit jedem erteilten Grad fort-
Alexander Giese, Die Freimauerer – Eine Einführung, 4. Auflage, Wien u. a. 2005, S. 27. Hier wird die handwerkliche Eigendefinition der Freimaurer sichtbar, indem sie ein Verfahren übernehmen, das die Zünfte und Gilden schon seit dem Mittelalter kennen. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 19 ff. Vgl. auch Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein, S. 21; Vgl. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 274 ff. Siehe dazu auch J. W. Goethe, Faust I, Zeile 1030 ff., wo Goethe die weite Verbreitung „chymischen“ Wissens um Substanzen und Experimente der Alchemie zeigt, indem er ein solches Experiment auf der Bühne nennt. Nur Eingeweihte können wissen, was da beschrieben wird – und Goethe vermutet sie offenbar in seinem Publikum. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 23. Vgl. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 25 f., 31; Reinhart Koselleck, Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, S. 56 ff. Zum „Großen Baumeister“ vgl. Reinalter, Der „Große Baumeister“ aller Welten, in: Reinalter (Hrsg.), Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe, S. 72 ff. Margaret C. Jacobs, The Radical Enlightenment, S. 85; Vgl. auch Margaret C. Jacobs, The Origins of Freemasonry – Facts & Fictions, Philadelphia 2006, S. 11 ff.; Reinalter, Freimaurerei und Geheimgesellschaften, S. 84. Der Rezeption des ersten angenommenen Maurers fand 1641 statt. Vgl. Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und bürgerliche Gesellschaft, S. 6. Dührsen, Über die Entstehung der Hiramslegende, S. 161. Zur Esoterik der entstehenden spekulativen Freimaurerei vgl. Neugebauer-Wölk, Leitbegriffe in der esoterischen Gesellschaftsbewe-
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schreitende Auflösung der freimaurerischen Rituale wurde den Rezipienten klar, dass auch die christlichen Mysterien letztlich dekonstruiert und vernünftig erklärt werden konnten.¹³ Die 1717 in London entstandene erste Großloge behielt die Geheimhaltung als zentrales Charakteristikum bei, obwohl die einstige Notwendigkeit längst nicht mehr bestand.¹⁴ Im Zuge des Transformationsprozesses wandelte sich auch der Inhalt des Geheimnisses. Der „operative“ Teil diente nun zur besseren Vermittlung des „Spekulativen“: Das Ritual diente als Instrument der Vermittlung und Etablierung freimaurerischer Werte bei den Mitgliedern der Logen.¹⁵ Es war verbindendes Element, dem sich jedes Mitglied der Loge zu unterwerfen hatte; gleichzeitig aber – und hier lag der fundamentale Unterschied zu den Ritualen in Kirche und Gesellschaft – stand ein Mensch im Zentrum des Rituals: „Der Ritus baut ein gesteigertes Ichgefühl auf und pflegt es, indem jeder einzelne ausdrücklich ein Recht auf die betonte Aufmerksamkeit aller anderen erhält.“ ¹⁶ Im Innenraum der Loge hätten die Mitglieder sich durch die Rituale gegenseitig eine Bedeutung verliehen, die sie im Alltag nicht hatten.¹⁷ Die Anthropozentrik des freimaurerische Rituals wird während der Rezeption neuer Mitglieder oder anlässlich von Weiterführung in die höheren Grade am deutlichsten.¹⁸ Jeder der drei Johannisgrade hatte den Anspruch eine der drei freimaurerischen Kardinalstugenden zu vermitteln: Selbsterkenntnis, Selbstbeherrschung und Selbstveredlung. Der Lehrling sollte in sich gehen und sich selbst erkennen, der Geselle seine Umgebung, die Zusammenhänge zwischen den Menschen sowie Aktion und Reaktion erkennen. Der Meister schließlich sollte über sich und die Menschen hinaus schauen und so die eigene Vergänglichkeit erkennen.¹⁹
gung, S. 187 f.; David Stevenson, The Origins of Freemasonry – Scotland’s Century, 1590 – 1710, Cambridge 1990. Jørgensen, Bohnen und Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur 1740 – 1789, 6. Band, S. 47 f. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 49 f. Zur Geschichte der Freimaurerei vgl. auch Hammermeyer, Zur Geschichte der europäischen Freimaurerei, S. 10 ff. sowie Herbert Kessler, Systeme, Obedienzen, in: Reinalter (Hrsg.), Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe, S. 23 – 29, hier S. 25. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 212 ff. Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 318. Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 84. Vgl. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 66 f. Wolfram Kraffert, Ritualistik, Initiation, in: Reinalter (Hrsg.), Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe, S. 36 – 42, hier S. 37 f.; Lennhof, Posner und Binder, Internationales Freimaurerlexikon, S. 852.
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In den aktiveren Logen des 18. Jahrhunderts, zu denen auch die beiden Göttinger Gemeinschaften zählten, kam es in beinahe jeder Versammlung der Johannisgrade zu solch einem gemeinschaftlichen Erlebnis. Kristiane Hasselmann leitet die umfassende Bedeutung der Rituale von deren Einfluss auf den sozialen Stand einer Person ab, und beruft sich dabei auf Wolfgang Scherpe und Victor Turner. Beide verstehen, im Gegensatz zu anderen zeremoniellen Praktiken innerhalb der Logen, nur die anlässlich von Aufnahmen und Weiterführungen vollzogenen Handlungen als freimaurerische Rituale.²⁰ Turner sieht also nur ein solches Verhalten als Ritual an, in dem der soziale Stand einer Person verändert wird.²¹ Der gesellige Teil der Zusammenkünfte, also das Verlesen von Korrespondenzen, Beratschlagungen über das karitative Engagement, Berichte über vorbildliches oder tadelhaftes Verhalten einzelner Mitglieder, das Verlesen von Aufsätzen, das Präsentieren neuerschienener Bücher oder das gemeinsame Durchgehen der Katechismen fällt laut Turner ebenfalls nicht unter den Begriff des Rituals, da sie keinen transformativen Charakter besitzen. Das Ritual sollte den Anwärter beeindrucken, vielleicht auch einschüchtern, eine individuelle Erfahrung sein, in welcher der Anwärter die Bedeutung der Freimaurerei für sich entdeckte – eine Konfrontation auf kognitiver und emotionaler Ebene – also ein Eindruck auf alle Sinne.²² Derartige Erfahrungen lassen sich nur schwer schriftlich fassen; sie müssen selbst erlebt werden und sind dem „Profanen“, dem Außenstehenden, kaum zu vermitteln.²³ Parallelen zu ähnlichen Ritualen in religiösen Zusammenhängen sind beabsichtigt.²⁴ Die Trennung durch Stand, Beruf, Herkunft und christliche Konfession sollte im Ritual überwunden und unter dem Schutz der Geheimhaltung eine Gemeinschaft von gleichwertigen Individuen – von Brüdern – geschaffen werden.²⁵ Nachdem sich die Freimaurerei von ihren handwerklichen Wurzeln entkoppelt hatte, war eine neue Formalisierung und Standardisierung der freimaureri-
Vgl. Wolfgang Scherpe, Das Unbekannte im Ritual, Braunschweig 1990, S. 76; Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 67. Vgl. Victor W. Turner, The Anthropology of Performance, Baltimore und London 1988, S. 95. Karl Digruber, Die Freimaurer und ihr Ritual – Theologisch kirchenrechtliche Perspektiven, Berlin 2011, S. 98. Vgl. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 39 ff. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 130 ff. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 1.; Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 65 f.; Vgl. auch Gotthold Ephraim Lessing, Ernst und Falk. Gespräche über Freymaurer, Wolfenbüttel 1778/80, S. 357 ff. Die Metapher von der Brüderlichkeit war damals hochaktuell. Siehe das Beispiel der Society of Friends, der Quäker, welche die Hauptstadt von Pennsylvania Philadelphia nannten.
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schen Inhalte notwendig geworden.²⁶ James Anderson, ein geschäftstüchtiger schottischer Schriftsteller und presbyterianischer Prediger, der vermutlich schon vor 1717 in Schottland (Aberdeen) als Freimaurer aktiv gewesen war, entwickelte im Auftrag der Londoner Großloge unter Zuhilfenahme älterer Konstitutionsbücher verschiedener englischer Bauhütten eine die Ursprünge der Freimaurerei erklärende Legende, in der die Freimaurer als eine Gemeinschaft von Eingeweihten dargestellt werden, die über uraltes und althergebrachtes Wissen verfügen.²⁷ Als Herkunftsort dieses nicht näher definierten Wissens gab er den Orient an, von dem aus es schließlich bis nach Europa gelangt sei. Damit traf Anderson den Geschmack der Zeit, denn im Jahrhundert der Aufklärung war der Glaube an ein der frühen Menschheit offenbares, nun aber verlorenes Wissen, weit verbreitet.²⁸ Die konstruierte, legendäre Geschichte der Freimaurerei war wichtiger Teil seines erstmals 1723 von der Londoner Großloge veröffentlichen Konstitutionsbuchs – den sogenannten Alten Pflichten – welches die bestimmende freimaurerische Schrift des 18. Jahrhunderts werden sollte.²⁹ Andersons Werk ist in vier Hauptteile gegliedert: Auf eine ausführliche Schilderung der Geschichte der Freimaurerei – sie umfasst etwa die Hälfte des Buchs – folgen die Charges, allgemein formulierte Pflichten für Freimaurer. An Vgl. Giese, Die Freimauerer, S. 27. Andreas Önnerfors, Anderson, James, in: Reinalter (Hrsg.), Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa, S. 11 f.; Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 46; Lennhof, Posner, Binder, Internationales Freimaurerlexikon, S. 75, 475.; Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein, S. 14.; Dührsen, Über die Entstehung der Hiramslegende, S. 155. Vgl. auch Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 79 f.; Joachim Bauer, Freimaurerei, Geheimgesellschaften und Studenten in Jena zu Beginn der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts, in: Bauer und Riederer (Hrsg.), Zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit, S. 10 – 41, hier S. 24. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 55 ff. James Anderson, Constitutions of the Free-Masons. containing the History, charges, Regulations, &c. of that most Ancient and Right Worshipful Fraternity, London 1723. Die Konstitutionen erschienen in mehreren Ausgaben und Sprachen über das 18. Jahrhundert hinweg. Die erste überarbeitete Version stammte von 1738: James Anderson, The New Book of Constitutions of the Ancient and Honourable Fraternity of Free and Accepted Masons. Containing Their History, Charges, Regulations, &c., London 1738. Vgl. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 46.; Zur Geschichte der verschiedenen Konstitutionen vgl. auch Joachim Bauer und Gerhard Müller, Jena, Johnssen, Altenberga – ein Beitrag zur Geschichte der deutschen Freimaurerei im 18. Jahrhundert, in: Joachim Bauer, Birgitt Hellmann, Gerhard Müller (Hrsg.): Logenbrüder, Alchemisten und Studenten – Jena und seine geheimen Gesellschaften im 18. Jahrhundert, Rudolstadt und Jena 2002, S. 19 – 85, hier S. 29; Jacobs, The Origins of Freemasonry, S. 47 ff. Zu den Alten Pflichten vgl. Reinalter, Pflichten, in Reinalter (Hrsg.), Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe, S. 114 ff.
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schließend werden in den Regulations jene Regeln dargelegt, nach denen die Logen arbeiten sollten. Den Schluss bilden vier Lieder: Eines für jeden der drei Johannisgrade sowie das Lied des Aufsehers.³⁰ Der Schutz des geheimen Wissens sollte laut den Constitutions nicht nur vor Verfolgung durch Staat und Gesellschaft schützen, sondern vor allem verhindern, dass das Ritual von Außenstehenden kritisiert oder lächerlich gemacht würde.³¹ Trotzdem entwickelte sich das Ritual weiter: Neue Mitglieder trugen ihre Wünsche in die Logen und gaben Impulse.³² Seit den 1750er Jahren entwickelten sich neue Spielarten der Freimaurerei.³³ Auf der Suche nach tieferen Mysterien entstanden neue und höhere Grade, die die Einweihung in verborgene Geheimnisse jenseits des Meistergrads versprachen – von Günter Oesterle als eine „Permanenz der Wahrheitssuche“ bezeichnet, die über fehlende Inhalte hinwegtäuschen sollte.³⁴ Ulrich Im Hof versteht die sich ausbreitende Sehnsucht nach dem Mystizistischen als eine Reaktion auf die sich mit der Aufklärung immer weiter verbreitende Rationalität. Dabei sei es zu einer „… Hinwendung zu wissenschaftlicher und parawissenschaftlicher Beschäftigung mit Okkultismus, Alchimie und Magie …“ gekommen.³⁵ Koselleck hat bereits 1959 festgestellt, dass die „unlösliche Verbindung“ rationaler Aspekte mit „romantisierenden und mystisierenden Phantasmen“ charakteristisch für die Freimaurerei gewesen sei.³⁶ Dieses treffend erkannte Paradox band aber jeweils nur die Mitglieder der Logen eines Systems aneinander – zwischen den verschiedenen freimaurerischen Spielarten kam es häufig zu Streitigkeiten über die korrekte Interpretation der überlieferten Mysterien, und Anhänger der jeweils anderen Spielarten der Freimaurerei wurden nicht als „wahre“ Freimaurer anerkannt. Systeme, die mehr als die drei ursprünglichen
Dührsen, Über die Entstehung der Hiramslegende, S. 154. Die Lieder der drei Johannisgrade waren schon Teil von Andersons Werk bevor die ersten Logen überhaupt ein dreigradiges System bearbeiteten. Vgl. Anderson, Constitutions (1723), S. 75 ff. Digruber, Die Freimaurer und ihr Ritual, S. 98 ff. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 50; Koselleck, Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, S. 56; Florian Maurice hat bereits darauf hingewiesen, dass Vorwissen bei der Aufnahme als Freimaurer hinderlich ist, denn die Illusion wird damit zerstört. Vgl. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 276. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 102. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 31; Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 275; Koselleck, Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, S. 62; Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 60; Günter Oesterle, Aufklärung und Geheimnis oder die Kunst als Rätsel, in: Albert Spitznagel (Hrsg.), Geheimnis und Geheimhaltung – Erscheinungsformen – Funktionen – Konsequenzen, Göttingen u. a. 1998, S. 97– 105, hier S. 99. Vgl. Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 168. Koselleck, Kritik und Krise, S. 56.
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Johannisgrade bearbeiten, werden unter dem Sammelbegriff der Hochgradmaurerei, auch Rote Maurerei genannt, zusammengefasst.³⁷ Den größten Zulauf fand im deutschsprachigen Raum das System der Strikten Observanz, dem sich 1766 auch die Göttinger Loge Augusta zu den 3 Flammen anschloss. Die Strikte Observanz sah sich in der Nachfolge der Tempelritter. Der Begründer Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau behauptete, am französischen Hof Charles Eduard Stuarts zum Ritter des Templerordens geweiht worden zu sein, der angeblich die Jahrhunderte in Schottland überdauert hatte.³⁸ Dabei habe man ihn zum Heermeister bzw. Provinzial-Großmeister der siebten Ordensprovinz (nämlich Deutschland) ernannt.³⁹ Dort angelangt, versuchte von Hund zusammen mit dem Marschall von Bieberstein sein System zu etablieren. Es folgten mehrere Logengründungen, doch rasant verbreitete sich das autoritäre System erst in den 1760er und 1770er Jahren.⁴⁰ Die „Ritterspiele“ der Strikten Obersanz konnten die Wünsche nach Ansehen und Prestige besser befriedigen als die vergleichsweise schlichte Johannisfreimaurerei.⁴¹ Philipp Samuel Rosa, ein Anhänger des Clermontschen Systems, und Johann Samuel Leucht, der sich als Georg Friedrich von Johnson-Fünen ausgab, entwickelten 1763 eine der von Hund propagierten Legende sehr ähnliche Geschichte. Johnson trat in Jena als angeblicher schottischer Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 102. Die drei Johannisgrade werden wegen der üblichen blauen Bänder und Ausstattung des Tempels auch aus blaue Maurerei bezeichnet. Vgl. Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurer Lexikon, S. 137, 721. Zur Geschichte der Strikten Observanz vgl. auch die 1796 von Karl Heinrich Ludwig Jacobi verfasste Kurze Uebersicht einer Geschichte der Fr Mry und des T Os in Deutschland, insbesondere der zu dem sogenanten System der Stricten Observanz gehörigen BBr. von dem Jahr 1742. an fangend. Im Jahre 1796 übergeben von Jacobi, zu finden in Dotzauer, Quellen zur Geschichte der deutschen Freimaurerei im 18. Jahrhundert, S. 53 ff. Das von Hunds Anspruch angeblich legitimierende Dokument ist teils in einem Geheimcode verfasst und konnte bis heute nicht entschlüsselt werden. Es befindet sich im Archiv des Dänischen Freimaurerordens in Kopenhagen. Vgl. Klaus C. F. Feddersen, Constitutionen – Statuten und Ordensregeln der Freimaurer in England, Frankreich, Deutschland und Skandinavien, Wiesbaden 1994, S. 294 f.Vgl. auch Helmut Reinalter, „Hund und Altengrotkau, Karl Gotthelf Reichsfreiherr von (1722 – 1776)“, in Reinalter (Hrsg.), Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa, S. 84 f. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 67 ff.; Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 102; Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein, S.15; Eugen Lennhoff, Die Freimaurer, Wien 1929, Nachdruck ebd. 1981, S. 122 ff.; Vgl. auch Joachim Bauer und Gerhard Müller, Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben – Tempelmaurerei, Aufklärung und Politik im klassischen Weimar, Rudolstadt und Jena 2000, S. 24 ff.; Hammermeyer, Zur Geschichte der europäischen Freimaurerei, S. 11 f.; Hammermeyer, Der Wilhelmsbader Freimaurerkonvent von 1782, S. 9 ff.; Hans Biedermann, Das verlorene Meisterwort – Bausteine zu einer Kultur- und Geistesgeschichte des Freimaurertums, Wien u. a. 1986, 3. unv. Auflage ebd. 1999, S. 119 f.; Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 35. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 231.
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Adeliger und Tempelritter auf und brachte Rosa dazu, sich ihm zu unterwerfen. Auf einem Konvent in Altenberge bei Weimar kam es zum Treffen zwischen von Hund und Johnson-Fünen. Hund huldigte dem Hochstapler – erst später kam er ihm gemeinsam mit anderen Opfern auf die Schliche und der Betrüger wurde in die Flucht geschlagen. Das System der Strikten Observanz gewann mit der Vertreibung Johnsons schlagartig an Relevanz und von Hund war alleiniger Heermeister.⁴² Nach seinem Tod drohten ab 1776 interne Streitigkeiten das System zu zerreißen; die Legitimation des Heermeisters war schon länger angezweifelt worden. Auf dem Wilhelmsbader Konvent 1782 sollte ein Neubeginn stattfinden. Die Diskreditierung der Tempelherrenlegende als mythologischem Unterbau des Systems führte jedoch zu dessen weitgehenden Zusammenbruch.⁴³ In der vormals siebten Provinz des Ordens übernahm Herzog Ferdinand von Braunschweig die Macht, löste widerspenstige Logen auf und sicherte so den Fortbestand einer erneuerten Strikten Observanz in seinem Einflussbereich.⁴⁴ Das neue System des Eklektischen Bundes übernahm man nicht, doch die Tempelherrenlegende sowie der Glaube an unbekannte Obere verschwanden endgültig.⁴⁵ Die Bedeutung der freimaurerischen Rituals erschöpfte sich nicht in der Vermittlung vermeintlich uralten Wissens wie etwa der Herkunft vom Templerorden: Während der Aufnahme wurde der Anwärter Teil einer intimen Gemeinschaft außerhalb – und doch innerhalb – des absolutistischen Staats.⁴⁶ Das Geheimnis, das auch das Geschehen innerhalb der Loge vor der Außenwelt verschleierte, bildete dabei die Grenze zwischen (utopischem) Innenraum und der „profanen“ Welt.⁴⁷ Wolfgang Hardtwig beschreibt das Geheimnis als ein Mittel zur Freisetzung der Phantasie und „… damit ein wesentliches Mittel zur Öffnung des Wissenshorizontes.“ Erst unter dem Mantel des Stillschweigens habe sich das
Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 35 f.; Lennhof, Die Freimaurer, S. 120 f.; Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurer Lexikon, S. 405 f. Zur Legende vom Überleben der Tempelritter vgl. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 104 f.; Schüttler, Zwei freimaurerische Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts im Vergleich, S. 527 ff. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 102. Vgl. auch Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein, S. 16 ff. Vgl. Bauer und Müller, Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben, S. 50 ff. Vgl. Voigts, Geschichte der g. u. v. Freimaurerloge Friedrich zum weißen Pferde im Orient von Hanover, S. 79 ff. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 49; Helmut Reinalter, Die Freimaurer, München 2006, S. 34; Koselleck, Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, S. 65. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 1.; Agethen, Geheimbund und Utopie, S.141 f.; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 227 f.
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Wissen von Staat und Kirche emanzipieren können.⁴⁸ Angezogen von der Aussicht auf neues Wissen trafen sich Adelige, Gelehrte, Militärs, wohlhabende Kaufleute und Bildungsbürger um zu kommunizieren und Kontakte zu knüpfen.⁴⁹ Die niederen Stände verband der Wunsch, innerhalb der ständischen Strukturen aufzusteigen – vielleicht sogar deren Grenzen überwinden zu können. Zwar wurde die grundsätzliche Teilung der Gesellschaft in verschiedene Stände noch nicht in Frage gestellt, doch innerhalb der Logen kam es zum regen Austausch zwischen Adel und bürgerlichen Eliten – ein Charakteristikum der frühneuzeitlichen Freimaurerei, das für Hoffman die besondere gesellschaftliche Signifikanz der Freimaurerei ausmacht.⁵⁰ Die Mitglieder der Logen genossen aufgrund ihrer Vernetzung häufig Vorteile.⁵¹ Die Mitgliedschaft in einer Loge wurde von Außenstehenden wie Freimaurern als Königsweg in die höchsten Schichten der Gesellschaft verstanden.⁵² Die daraus resultierende Attraktivität der Freimaurerei zog zahlreiche Betrüger an, die im Umfeld der Logen ihr Unwesen trieben – Johnson-Fünen war kein Einzelfall. Die meisten Betrüger behaupteten, über geheimes Wissen zu verfügen, das sie – von Loge zu Loge ziehend – gegen Bezahlung teilen wollten.⁵³ Die Scharlatane profitierten dabei vom Unwissen zahlreicher Freimaurer über die Ursprünge ihrer Sozietät und der Bedeutung des Geheimnisses. Einige Geschäftemacher bedienten die Sehnsüchte der Menschen schriftlich, und damit anonym. Seit den An-
Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 81; Vgl. auch Linda Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 127 sowie Reinalter, Freimaurer und Geheimgesellschaften, S. 90 f. Die prosophographische Zusammensetzung der Logen hing eng mit ihrem Standort zusammen – in den beiden Göttinger Logen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts stellten Studenten, Professoren und andere Gelehrte den Großteil der Mitglieder. Obwohl nur wenige Männer aus der eigentlichen Göttinger Stadtbevölkerung zu den Logen gehörten, fanden sich unter ihnen gerade die beständigsten Mitglieder. Auch Offiziere, Professoren oder andere in der Freimaurerei aktive Gelehrte – Männer also, die sich bereits eine Existenz aufgebaut hatten und über einen längeren Zeitraum in Göttingen lebten – waren teils über viele Jahre in den Logen aktiv. Vgl. Hoffmann, Die Politik der Geselligkeit, S. 33 ff; Vgl. Helmut Reinalter, Die Freimaurerei zwischen Josephinismus und frühfranziszeischer Reaktion, S. 62 ff., Rudolf Vierhaus, Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Freimaurer und Geheimbünde im 18. Jahrhundert in Mitteleuropa, Frankfurt a. M. 1983, S. 115 – 139, hier s. 123 ff.; Koselleck, Eine Studie zur Pathogenese der bürgerlichen Welt, S. 57 ff. Hoffmann, Die Politik der Geselligkeit, S. 33 ff. Vgl. auch Jørgensen, Bohnen und Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur 1740 – 1789, 6. Band, S. 46. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 50; Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 77 f. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 279 ff. Vgl. Kap. 7.
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fängen der Freimaurerei im England des frühen 18. Jahrhunderts wurden immer wieder Enthüllungsschriften publiziert, in denen detailliert Ritual und Symbolik der Logen enthüllt wurden. Die Autoren waren meist selbst Freimaurer; und obwohl sie als Verräter geächtet wurden, dienten ihre Schriften zahlreichen Gemeinschaften als Informationsquelle, um eigene Rituale und Symbole mit denen anderer Logen und Systeme abgleichen zu können.⁵⁴ Bereits 1730, acht Jahre vor Gründung der ersten deutschen Loge in Hamburg, wurde in der Londoner Tageszeitung Daily Journal eine Schrift mit dem Titel Masonry Dissected zum Kauf angeboten. Der Autor, Samuel Prichard, pries im Untertitel alles, was er als Meriten ansah, an: „… a Universal and Genuine Description Of all its Branches from the Original to this Present Time. … Giving an Impartial Account of their Regular Proceeding in Initiating their New Members in the whole Three Degrees of Masonry …“. ⁵⁵ Im Gegensatz zu vielen anderen Verrätern hielt Prichard Wort, weshalb davon auszugehen ist, dass er Freimaurer war. Seinen Verrat verstand er vermutlich als Dienst an der traditionellen Freimaurerei, die immer mehr unter äußere Einflüsse geriet.⁵⁶ Im deutschsprachigen Raum bot das Werk von Gabriel Loius Calabre Pérau Der verrathene Orden der Freymaurer, Und das offenbarte Geheimniß der Mopsgesellschaft dem neugierigen Zeitgenossen Einblick in Geheimnis und Ritual der mysteriösen Sozietät.⁵⁷ In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts erreichte die Popularität der Freimaurerei ihren Höhepunkt. Werke wie die anonym verfassten Bücher Allerneueste Geheimnisse der Freymäurer oder Der entdeckte Maurer, oder das wahre Geheimnis der Frey-Maurer erreichten eine breite Öffentlichkeit.⁵⁸ Jakob Mauvillon bewarb seine Schrift Aufklärung über wichtige Gegenstände in der Freymaurerey schließlich offen damit, dass die freimaurerischen Geheimnisse auch für Men-
Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 154 ff.; Digruber, Die Freimaurer und ihr Ritual, S. 97. Samuel Prichard, Masonry Dissected – Being an Universal and Genuine Description of All its Branches, from the Original to the Present Time, London 1730. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 155 ff. Gabriel Louis Calabre Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, Und das offenbarte Geheimniß der Mopsgesellschaft, Leipzig 1745. Es handelt sich um die Übersetzung seines ebenfalls 1745 in französischer Sprache in Amsterdam erschienenen Werks L’Ordre des Francs-Maçons trahi, et Le secret des Mopses re´ve´le´. Das die deutsche Übersetzung noch im selben Jahr wie das Original erschien ist ein deutlicher Hinweis auf die damalige Brisanz der Thematik. Allerneueste Geheimnisse der Freymäurer, deren Sitten und Gebräuche bey ihren Versammlungen und Aufnehmen der Brüder, Diener, Lehrlinge, Gesellen, Meister u: Obermeister. Mit Küpfern, 1770; Der entdeckte Maurer, oder das wahre Geheimnis der Frey-Maurer. Mit Aufrichtigkeit und ohne Verstellung in allen seinen Theilen ans Licht gegeben, Frankfurt a. M. und Leipzig 1786.
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schenkenner allgemein von Bedeutung seien.⁵⁹ Das Geschäft mit dem Verrat wurde von einer Gesellschaft finanziert, die das Sozietätswesen zwar immer kritischer sah, gleichzeitig aber ihre Neugier befriedigen wollte und die Logen teils gar verspottete.⁶⁰ Die Logen wussten auf diese Problematik keine andere Antwort, als Anwärter streng zu überprüfen und ihre Mitglieder eindringlich zur Verschwiegenheit zu ermahnen.⁶¹ Doch bedurfte eine nicht gegen die bestehende Ordnung gerichtete Sozietätsform überhaupt einer strikten Geheimhaltung innerer Strukturen und Abläufe?⁶² Koselleck prägte die lange vorherrschende Auffassung, dass das Geheimnis, trotz seiner unterschiedlichen inhaltlichen Gestaltung in den verschiedenen maurerischen Systemen, doch immer politisch sei und sich gegen die herrschende absolutistische Staatsform richte, da es sich als Reaktion auf diese entwickelt habe. Demzufolge sei die Funktion des Geheimnisses – die Schaffung eines dem Zugriff des absolutistischen Staats entzogenen Raums – wichtiger als der eigentliche Inhalt des Geheimnisses gewesen.⁶³ Monika Neugebauer-Wölk stellte diese These in Frage, indem sie darauf hinwies, dass die Freimaurerei nicht zu-
Jakob Mauvillon, Aufklärung über wichtige Gegenstände in der Freymaurerey, besonders über die Entstehung derselben ohne alle Schwärmerey eigentlich nur für Freymaurer, doch wird auch der, der Menschenkenntnis schätzt, viel Interessantes darinnen finden, Aus der Loge Puritas, 1787; Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 80 f. Vgl. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 218 f. Neugier und Spott trieben teils erstaunliche Blüten. Als die Hildesheimer Loge Friedrich zum Tempel eine Tafelloge bei offenem Fenster und ohne Vorhänge hielt, stiegen die Nachbarn auf die Dächer um dem mysteriösen Treiben zuzusehen. In den folgenden Tagen hielten Kinder mit Holzhämmern und Butterbroten „Tafellogen“ auf der Straße ab und freimaurerische Aussprüche wurden als Trinksprüche in den Wirtshäusern der Stadt verballhornt. Noch im 19. Jahrhundert beschäftigten die Geheimnisse der Freimaurer die Menschen. In dem Manuskript von Georg Büchners unvollendetem Woyzeck etwa werden unerklärbare Geräusche den geheimen Versammlungen der Freimaurer zugeordnet, die gar sprichwörtlich die Welt unterhöhlt hätten. Vgl. Georg Friedrich Menge, Geschichte der Freimaurerloge Pforte zum Tempel des Lichts in Hildesheim und der vor ihr daselbst bestandenen Logen, nebst vorangedrucktem Bericht über das in der Loge Pf. z. T. d. L. am 26. u. 27. December 1862 gefeierte hundertjährliche Jubelfest, Hildesheim 1863, S. 141 f.; Georg Büchner, Woyzeck, fragmentarisch, 1836/37. Die zunehmende gesellschaftliche Mobilität und die fehlende Möglichkeit, verlässliche Auskünfte über ortsfremde Personen zu erhalten, führen zur Suche nach einer – möglichst objektiven – Technik, mit der die Einschätzung Fremder gelingen kann. Dazu zählen Lehren zur Menschenkenntnis (als deduktivisch-induktivische Erfassung des Anderen aufgrund seines Verhaltens – Sprache, Gestik, Mimik – oder als pseudo-wissenschaftlicher Umgang mit der Physiognomie der Individuen. Vgl. Koselleck, Kritik und Krise, S. 60. Koselleck, Kritik und Krise, S. 49 ff.; Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und Bürgerliche Gesellschaft, S. 7 ff.
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sammen mit dem Absolutismus verschwunden sei, wie es von einer – laut Koselleck – „spezifischen Antwort auf das System des Absolutismus“ zu erwarten gewesen wäre.⁶⁴ Ihrer Meinung nach handelte es sich bei der Freimaurerei um einen esoterischen Bund, der aufgrund seines mystizistischen Fundaments – eben des Geheimnisses – auch ohne äußeren Druck bestehen konnte. Es handle sich daher „nicht um eine politische Konzeption“. ⁶⁵Auch Hasselmann sieht mehr in den Ritualen als den Versuch, einen dem absolutistischen Staat entzogenen Raum zu konstruieren: Die Rituale seien zur Konstruktion von Immersionsräumen nötig gewesen, auf welche die Mitglieder der Logen ihre ganz persönlichen Utopien projizieren konnten. Das Maß, in dem einzelne Mitglieder sich auf diese Immersion einließen, hätte demnach von ihrer Vorstellungskraft sowie Bereitschaft sich emotional einzubringen abgehangen. Um die Wirkung des Rituals auf Rezipienten zu unterstreichen, sollte es eindrucksvoll, vielleicht sogar einschüchternd, auf alle Fälle aber Ehrfurcht gebietend sein, um so einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen und den Schritt von der profanen Welt in den Logeninnenraum zu unterstreichen.⁶⁶ Florian Maurice sieht dagegen handfeste Vorteile als Hauptgrund für die Attraktivität der Logen. Nicht der Wunsch nach einem Raum außerhalb der absolutistischen Gesellschaft oder der Reiz utopischer Projektionsflächen hätten so zahlreiche Menschen in Sozietäten gezogen, sondern „welche Funktionen diese Vereinigungen im Leben ihrer Mitglieder erfüllen konnten.“ Die Anziehungskraft der Freimaurerei sei nicht in ihren Lehren gegründet gewesen, sondern in der Möglichkeit sich durch die Logenmitgliedschaft selbst zu verwirklichen.⁶⁷ Damit lehnt sich Maurice an Kosellecks These an, entwickelt sie gleichzeitig aber weiter.
Der Idealtypus des Rituals Die Rituale zur Aufnahme und Weiterführung in den drei ersten Graden verliefen – trotz geringfügiger Abweichungen – in allen freimaurerischen Systemen sehr ähnlich. Ihre Auslegung wich allerdings von Spielart zu Spielart ab.⁶⁸ Selbst unter den verschiedenen Logen eines Systems entwickelten sich teils regionale
Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und Bürgerliche Gesellschaft, S. 8; Koselleck, Kritik und Krise, S. 49. Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und Bürgerliche Gesellschaft, S. 8 ff., 16 ff. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 165 f. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 274. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 275.
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Besonderheiten – das eine, wahre Ritual hat es also nie gegeben.⁶⁹ Die Übereinstimmungen leiten sich von der Hiramslegende ab.⁷⁰ Ohne Kenntnis dieser Geschichte sind die im Ritual – vor allem des dritten Grades – vorgenommenen Handlungen nicht verständlich.⁷¹
Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 128; Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 34; Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 275; Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 17; Klaus C. F. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, auch Strikte Observanz genannt – I. bis VII. Grad, Flensburg 1999, S. 28.; Bauer und Müller, Jena, Johnssen, Altenberga, S. 28 f. Als Beispiel für lokale Besonderheiten des Rituals kann ein Protokoll aus der Gothaer Loge Zum Kompaß (GStA PK 5.2. G39 Nr. 78) vom 8. März 1791 dienen. Die Gothaer Gemeinschaft war auf Bestreben Johann Joachim Christoph Bodes 1791 vom Eklektischen Bund in seinen neugegründeten Bund der deutschen Freimaurer übergetreten. An besagtem 8. März verlas der Vorsitzende Christian Georg von Helmolt das neue Ritual des Lehrlingsgrads: „… las der Ehrwürdigste das neue Ritual für den 1sten Grad vor u[nd] forderte die Brüder auf ihre Erinnerungen, falls sie dergl[eichen] zu machen hätten, frey zu eröfnen, damit wenn die Brüder gleicher Meinung wären, die Abänderungen dernach gemacht werden könnten. Demnach wurden folgende Abänderungen beliebt: 1) Statt des Worts Association soll Verbindung so wie statt des Wortes Societät durchaus das in der Fr[ey] M[aurerei] usuellere Wort Orden gebraucht werden. 2.) statt des Ausdrucks: doch ehe der Kandid[at] diese Prüfungen durchgeht, soll gesetzt werden vor diesen Prüfungen 3.) statt: der den Auftrag ihre Ansprüche zu untersuchen soll gesetzt werden: ihre Receptionsfähigkeit 4.) in den Worten: sollten sie den Wahn hegen, der sich seit einiger Zeit verbreitet hat, solle nur gesetzt werden: sollten sie auch in der Meynung stehen, die letzten unterstrichenen Worte aber sollen weggelassen werden. 5.) Wenn der Aufzunehmende zum 1sten Male das Licht empfängt, sollen die ausgestreckten Hände weg, und es hingegen beym Entgegenhalten der Degenspitzen wie sonst gewöhnlich gewesen verbleiben und sollen die Degen bey d[em] Worte: formiren Sie die Loge, gezogen werden. …“ Die Liste fährt weiter fort bis zu Punkt 9. und zeigt anschaulich, dass man beim Wechsel von einem System zum nächsten nicht alle Neuerungen sofort übernahm. Alte, gewohnte Praktiken zogen Teile der Brüder den Neuerungen offenbar vor. Gleichzeitig wird deutlich, dass die Abweichungen zwischen den Systemen innerhalb der drei Johannisgrade gering waren. Eine ausführlichere Darstellung der Hiramslegende, ihrer Ursprünge und Vorgeschichte findet sich in Peter Francis Lobkowicz’ Die Legende der Freimaurer. Die Verschiedenen Darstellungen der Hiramslegende in der Literatur weichen – beispielsweise in der Herleitung des neuen Meisterworts – leicht voneinander ab. Dies deutet darauf hin, dass in der Freimaurerei mehrere Versionen der Legende verbreitet waren. Vgl. Peter Francis Lobkowicz, Die Legende der Freimaurer, 2. Auflage, München 1992, S. 40 – 59. So findet sich im System der Strikten Observanz die Ermordung Hirams abgewandelt ein zweites Mal innerhalb der Geschichte des Tempelritterordens. Ende des 12. Jahrhunderts sei der Subprior Carl de Monte Carmel von zwei seiner Gefolgsmänner mit drei Schlägen eines Streithammers erschlagen worden. Grund war eine zuvor verweigerte Weiterführung. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 169.
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Die Legende von Hiram Abif Im ersten Buch der Könige heißt es: „König Salomo ließ Hiram aus Tyrus kommen. Dieser war der Sohn einer Witwe aus dem Stamm Naftali. Sein Vater war Bronzeschmied aus Tyrus. Er war mit Weisheit, Verstand und Geschick begabt, um jede Bronzearbeit auszuführen.“ ⁷² Die Legende wurde in den englischen Bauhütten des 17. Jahrhunderts ausgeschmückt und hat von dort ihren Weg in die Freimaurerei gefunden – die in ihr geschilderten Verhaltensweisen, Kleidungsarten und Namen prägten das im Anschluss geschilderte Ritual der Logen.⁷³ Anderson erwähnte Hiram schon in seinen Konstitutionen von 1723, geht jedoch nur auf Hirams Rolle beim Bau des Tempels ein.⁷⁴ Detaillierter beschrieb Prichard die Ermordung Hirams. Hiram beaufsichtigte demnach im Auftrag Salomons als Steinmetz und Architekt den Tempelbau.⁷⁵ Eines Mittags (Hochmittag) ging er zum beinahe fertiggestellten Tempel um den Fortgang der Arbeiten zu inspizieren und zu beten.⁷⁶ Fünfzehn seiner Gesellen hatten festgestellt, dass das Bauwerk beinahe fertig gestellt war, ohne dass Hiram ihnen bislang das geheime Meisterwort mitgeteilt hätte, das sie selbst zu Meistern erhoben hätte. Als Meister hätte ihnen bei Abschluss der Arbeiten ein höherer Lohn zugestanden. Sie überlegten, Hiram zur Herausgabe des Meisterworts zu zwingen. Zwölf Gesellen ging die Vorstellung, Gewalt gegen ihren Meister anzuwenden, zu weit.⁷⁷ Die drei verbliebenen Verschwörer konfrontierten Hiram im Tempel, doch dieser weigerte sich, das Meisterwort zu verraten, denn die Gesellen hatten ihre Ausbildung noch nicht beendet. Als Hiram versuchte zu fliehen, wurde er am ersten Tor von einem der Verschwörer geschlagen.⁷⁸ Er taumelte zum zweiten Tor, nur um dort erneut einen Hieb versetzt zu bekommen. Am dritten Tor schließlich wurde der Bau-
Vgl. Die Bibel, 1. Buch der Könige. Man beachte, dass an dieser Stelle Hiram nicht als Maurer bezeichnet wird, sondern als Metallarbeiter. Auch der Begriff „Söhne der Witwe“, mit dem sich die Freimaurer stuarttreuer französischer Systeme bezeichneten, leitet sich aus dieser Legende ab. Vgl. Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurerlexikon, S. 789 f. Digruber, Die Freimaurer und ihr Ritual, S. 172; Zur Entstehung der Hiramslegende vgl. auch Joannes A.M. Snoek, The Evolution of the Hiramic Legend in England and France, in: S. Brent Morris, Heredom – The Transactions Of The Scottish Rite Research Society, 11. Band, 2003, S. 11– 53, hier S. 44 ff.; Vgl. Dührsen, Über die Entstehung der Hiramslegende, S. 162. Anderson, Constitutions (1723), S. 14 ff.; Dührsen, Über die Entstehung der Hiramslegende, S. 158. Prichard, Masonry Dissected, S. 19; Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 183. Prichard, Masonry Dissected, S. 19. Zur Herkunft der Hiramslegende vgl. auch Biedermann, Das verlorene Meisterwort, S.63 ff. Digruber, Die Freimaurer und ihr Ritual, S. 174. Prichard, Masonry Dissected, S. 19.
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meister erschlagen.⁷⁹ Die Verschwörer nutzten dabei die Werkzeuge der Maurer – Maßstab, Winkelmaß und Spitzhammer – als Waffen.⁸⁰ Vorläufig verscharrten die Mörder Hirams Körper unter einem Schutthaufen, bargen ihn aber um „Hochmitternacht“ („High 12 at Night“) und begruben ihn auf einem nahegelegenen Hügel erneut. Das Grab war von Ost nach West ausgerichtet.⁸¹ Salomon sandte fünfzehn Tage später „Fifteen Loving Brothers“ aus, um den verschwundenen Baumeister zu finden. Diese befürchteten, dass Hiram ermordet worden sein könnte und damit das Meisterwort verloren wäre. Sie verabredeten daher, dass das erste Wort das nach der Entdeckung von Hirams Leiche gesprochen werden würde, als neues Meisterwort fungieren sollte.⁸² Einer der Suchenden setzte sich erschöpft auf einen lockeren Erdhaufen und fand den vermissten Baumeister zufällig. Um das Grab später besser wiederzufinden steckte man einen Akazienzweig obenauf, der rasch austrieb.⁸³ Der König befahl, Hirams Leichnam zu bergen, damit er im Allerheiligsten bestattet werden könne. Doch als der Körper aus dem Grab gehoben werden sollte, löste sich bereits das Fleisch vom Knochen der Hand. Erschrocken rief der Bergende „Machenah“ aus, was laut Prichard „The builder is smitten“ bedeutet.⁸⁴ Das neue Meisterwort war gefunden. Da Hirams Körper sich bereits auflöste, und nicht an der Hand aus dem Grab zu ziehen war, stieg einer der „guten Brüder“ in das Grab und legte dem Leichnam einen Arm um den Rücken. Hand am Rücken, Wange an Wange, Hand an Hand, Knie an Knie und Fuß an Fuß hob man den Meister aus seinem Grab.⁸⁵ Die Punkte, an denen der Geselle den Leichnam berührte, gelten seitdem als die „fünf Meisterpunkte“.⁸⁶ Auf Salomons Anweisung hin trugen die „guten Brüder“ bei der Beisetzung Hirams weiße Handschuhe und Schürzen – die rituelle Kleidung der Freimaurer.⁸⁷ Soweit die Legende.⁸⁸
Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 63. Prichard, Masonry Dissected, S. 19; Vgl. Digruber, Die Freimaurer und ihr Ritual, S. 174. Prichard, Masonry Dissected, S. 19 ff. Prichard, Masonry Dissected, S. 20; vgl. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 63 f. Prichard, Masonry Dissected, S. 20; vgl. Digruber, Die Freimaurer und ihr Ritual, S. 176. Prichard, Masonry Dissected, S. 21; In anderen Darstellungen bedeutete der entsetzte Ausruf, dass das Fleisch sich bereits von den Knochen löse. Auch der Ruf „Adonai Elohim“, also „O Herr, mein Gott!“, fand teils an dieser Stelle Verwendung. Vgl. Digruber, Die Freimaurer und ihr Ritual, S. 175; Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 64. Prichard, Masonry Dissected, S. 21. Vgl. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 64. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 64. Prichard, Masonry Dissected, S. 20; Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 183.
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Ihre Herkunft sowie die des Rituals des Meistergrads konnten bislang nicht abschließend geklärt werden. In der ersten Auflage von Andersons Constitutions war ein dritter Grad noch nicht vorgesehen. Erst ab 1724/1725 taucht zum ersten Mal ein dritter Grad auf, der sich in den Logen aber nur sehr langsam durchsetzte.⁸⁹ Unklar ist bis heute, ob der Gesellen- oder der Meistergrad hinzukam. Die Londoner Großloge war nicht Urheberin dieser Neuerung und erkannte den dritten Grad erst 1730 offiziell an. Da die Neuerung sich ohne Zutun der Großloge verbreitete, kann nur informelle Weitergabe – sprich: Verrat – Grundlage der Verbreitung gewesen sein.⁹⁰ In der zweiten Auflage der Alten Pflichten von 1738 wird die Einführung des dritten Grads nicht thematisiert. Stattdessen erscheint er wie eine schon immer existierende Institution.⁹¹ Damit wurde ein Faktum im Nachhinein legitimiert und die Freimaurerei bewies ihre Anpassungsfähigkeit, indem nachträglich die Sehnsüchte weiter Teile der Gruppierung anerkannt wurden und diese sich so nicht abspalten mussten oder neue Sozietätsformen gründeten. Mit der zweiten Auflage wurde der dritte Grad Voraussetzung um die Ämter des Meisters vom Stuhl oder des ersten beziehungsweise zweiten Aufsehers übernehmen zu können.⁹² Ab diesem Zeitpunkt muss von einer raschen Ausbreitung der dreigradigen Maurerei ausgegangen werden, auch wenn noch 1746 – also kurz bevor die erste Göttinger Loge Friedrich gegründet wurde – Logen existierten, die nur zwei Grade bearbeiteten.⁹³ Die drei Johannisgrade und die Hiramslegende verbanden also alle Spielarten der Freimaurerei. In der Hochgradmaurerei wurde die ursprüngliche Herkunftsgeschichte der Freimaurerei weiterentwickelt.⁹⁴ Die Hiramslegende und die Herleitung der Freimaurerei aus biblischen Zeiten genügten nicht mehr, denn mehr als drei Grade wurden bearbeitet. Das System der Strikten Observanz entwickelte die bereits
Über die Jahre entwickelte sich die Legende – so wie die ganze Freimaurerei – weiter. Eine spätere Fassung findet sich bei Gérard Gayot, Die französische Freimaurerei des 18. Jahrhunderts, in: Hans Erich Bödecker, Etienne François (Hrsg.), Aufklärung/lumières und Politik – Zur politischen Kultur der deutschen und französischen Aufklärung, Deutsch-Französische Kulturbibliothek, 5. Band, Leipzig 1996, S. 241 ff. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 62; Dührsen, Über die Entstehung der Hiramslegende, S. 161 ff. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 63. Anderson, Constitutions (1738), S. 152 ff. Vgl. auch Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 62 Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 63. Vierhaus, Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, S. 116 ff; Vgl. Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 62. Vgl. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 17.
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angesprochene Ursprungslegende, nach der sie vom mittelalterlichen Templerorden abstammte. Aufbauend auf die drei ursprünglichen Johannisgrade wurden vier weiterführende Grade eingeführt: der Schotte (Schottische Meister), der Novize, der Ritter und ab 1770 als siebter Grad der eques professus, das heißt der Ritter des großen Gelübdes. Eine deutlich an die gesellschaftliche Hierarchie angelehnte Entwicklung, in der sich innerhalb der Hochgradmaurerei, so Hardtwig, eine Art „neue, die Funktion des bisherigen Adels imitierende Elite“ bildete, die sich aus Bürgern und Adeligen zusammensetzte und sich selbst als über anderen Freimaurern stehend ansah.⁹⁵ Im Folgenden werden die Rituale der drei Johannisgrade und des Schottengrads basierend auf den Schriften Péraus und Prichards, sowie auf den Arbeiten Hasselmanns, Maurices, le Forestiers und Feddersens dargestellt.⁹⁶ Kenner der Legende Hirams werden rasch feststellen, dass sich die verwendeten Begriffe und praktizierten Abläufe eng an die Erzählung anlehnen.
Die Rezeption Das Ritual der Logeneröffnung lief in allen Graden gleich ab. Der Meister vom Stuhl fragte den ersten Vorsteher welche Zeit es sei. Dieser antwortete, dass es „Hochmittag“ sei. Daraufhin wandte sich der Meister vom Stuhl an den zweiten Vorsteher und fragte diesen, was seine Pflicht sei. Seine Pflicht, so der zweite Vorsteher, sei es zu überprüfen, ob die Türen zum Tempel geschlossen und keine Profanen anwesend seien.⁹⁷ Daraufhin wies der Meister vom Stuhl ihn an, sein Amt zu verrichten. Der zweite Vorsteher zog seinen Degen und kontrollierte mit gezogener Waffe, ob die Türen des Tempels verschlossen waren. Dann erstattete er Bericht: Die Türen seien geschlossen und keine „Profanen“ anwesend. Daraufhin schlug der Meister vom Stuhl mit dem Hammer auf das Altartischchen und zog seinen Degen, den er quer über den Tisch legte. Die anwesenden Brüder zogen ebenfalls ihre Degen und richteten diese auf den Boden, dann nahmen sie ihre Plätze ein.⁹⁸ Die rituellen Arbeiten konnten beginnen.
Vgl. Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 68 f. Feddersens Arbeit ist eine Quellensammlung aus Akten aus dem Bestand des Dänischen Freimaurerordens aus dem Jahr 1764. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 9.f. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 56 f., 60. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 43 f.
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Bevor es zur Aufnahme eines neuen Lehrlings kam, wurde der Kandidat der Loge bekannt gemacht. Ein Bekannter oder Freund, manchmal auch der Meister vom Stuhl, schlug ihn im Rahmen der Lehrlingsloge zur Aufnahme vor.⁹⁹ In der Hochgradmaurerei der Strikten Observanz wurde jeder Interessent erst von den Mitgliedern der Hochgrade überprüft. Erst wenn sie ihre Zustimmung gaben, wurde der Interessent in der Lehrlingsloge der allgemeinen Logenversammlung vorgestellt. Dort wurde in Gegenwart aller Mitglieder der Loge verkündet, dass sich ein Suchender an die Loge gewandt habe, der um Aufnahme bitte. Die Loge begann Informationen über den Charakter des Anwärters einzuziehen. Aufgenommen wurden nur freie Männer – d. h. Männer, die die Freiheit hatten, über sich selbst zu entscheiden – von untadeligem Ruf.¹⁰⁰ Die vorgeschriebene Zeit der Überprüfung dauerte mehrere Wochen, meist einen Monat.¹⁰¹ Fand sich kein Einwand und wurde kein Einspruch gegen die Aufnahme eingelegt, kam es zur Abstimmung über die Aufnahme. War diese letzte Hürde passiert, wurde ein Tag zur Aufnahme angesetzt. Während seiner Aufnahme zum Lehrling partizipierte der Anwärter zum ersten Mal an einem freimaurerischen Ritual. Insofern er keine der bereits erwähnten Verräterschriften gelesen und alle seine zukünftigen Brüder über das, was ihm bevorstand, geschwiegen hatten, wusste er im Voraus nicht, was ihn während seiner Aufnahme erwarten – und beeindrucken! – würde. Am Tag seiner Aufnahme wurde der Anwärter zum Ort der Versammlung bestellt. Ein Mitglied der Loge nahm den Anwärter in Empfang, dann kam der Bekannte hinzu, der den Anwärter vorgeschlagen hatte, und führte diesen in die Dunkle Kammer. Der Anwärter wurde angewiesen, sich zu setzen und zu warten.¹⁰² Der Bekannte übernahm in der Regel die Patenschaft für den Anwärter, das heißt, er wurde zu dessen erstem Ansprechpartner und Vertrautem in der Loge,
Dies stellt bereits die erste Hürde auf dem Weg in die Loge dar, weil sich mindestens einer finden muss, der, indem er vorschlägt, bereits für diesen Kandidaten bürgt. Selbst wenn in der damaligen Zeit ein Kandidat als Nachbar oder wenigstens als Mitbürger der gesamten Versammlung bekannt gewesen sein dürfte, stellt dieser formelle Vorschlag einen bedeutenden Schritt dar. Vgl. Kap. 4. Zum freimaurerischen Freiheitsbegriff vgl. Walter Hess, Freiheit, in: Reinalter (Hrsg.), Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe, S. 104– 113; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 621. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 621; Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 160; Lennhoff, Die Freimaurer, S. 171. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 163 ff.
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war aber auch für das Verhalten seines Schützlings verantwortlich.¹⁰³ Bei der Dunklen Kammer handelte es sich um einen abgedunkelten Raum.¹⁰⁴ Der französische Kulturanthropologe Arnold van Gennep charakterisiert den Eintritt in die Dunkle Kammer als „rite de séperation“, mittels welchem der Anwärter aus der ihm gewohnten Lebenswirklichkeit herausgelöst wird.¹⁰⁵ Bei der Rezeption handelt es sich also nicht nur um ein Ritual, das den Initianden zum Teil einer Gemeinschaft werden lässt, sondern es grenzt ihn auch von allen nichtFreimaurern dauerhaft ab.¹⁰⁶ Der Name der Dunklen Kammer leitet sich aus dem freimaurerischen Selbstverständnis als einer Gruppe von Wissenden ab: „Darkness has, in all the systems of initiation, been deemed a symbol of ignorance, and so opposed to light, which is the symbol of knowledge. Hence the rule, that the eye should not see until the heart has conceived the true nature of those beauties which constitute the mysteries of the Order. In the Ancient Mysteries, the aspirant was always shrouded in darkness, as a preparatory step to the reception of the full light of knowledge. The time of this confinement in darkness and solitude varied in the different mysteries.“ ¹⁰⁷ Licht bedeutete Wissen, Dunkelheit symbolisierte Unwissenheit. Der Kontrast zwischen dem Innenraum der Loge und dem Außenraum wird damit betont und der Weg zum Licht zieht sich symbolisch durch das ganze folgende Ritual und Selbstverständnis der Freimaurerei, das sich gleichsam als Drama der Wanderung von der dunklen Unwissenheit zum Licht der Erkenntnis darstellt. Der Anwärter musste alle Gegenstände aus Metall ablegen.¹⁰⁸ Auf einem kleinen Tisch stand eine Lampe, neben der ein Totenschädel und eine im Johannesevangelium aufgeschlagene Bibel lagen.¹⁰⁹ Abgeschiedenheit und Stille sollten dem Anwärter verdeutlichen, dass er sich nicht mehr in der alltäglichen
Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 129, Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 224; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 182. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 35 f. Vgl. auch Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 164 ff. Arnold van Gennep, Übergangsriten, aus dem Französischen übersetzt von Klaus Schomburg und Sylvia M. Schomburg-Scherff, Frankfurt a. M. und New York 1986, S. 20 ff. Vgl. auch Victor Turner, Vom Ritual zum Theater – Der Ernst des menschlichen Spiels, Frankfurt a. M. und New York 1989, S. 35; Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 130 ff. sowie Kraffert, Ritualistik, Initiation, S. 37 f. Zum Abgrenzungsaspekt des Rituals vgl. auch Pierre Bourdieu, Was heißt sprechen? – Zur Ökonomie des sprachlichen Tausches, Wien 1990, S. 111 ff. Albert G. Mackey, An encyclopedia of Freemasonry and it’s Kindred Sciences, New York und London 1914, S. 196. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 36; Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 129 Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S.224. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 164.
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Welt befand, sondern einen abgeschlossenen, exklusiven Raum betreten hatte. Ziel war, den Anwärter durch Immersion in eine Stimmung zu versetzen, die das Erleben des Rituals intensivierte.¹¹⁰ Nichts war daher fataler, als eine plötzliche Störung oder Unterbrechung des Rituals aufgrund äußerer Einflüsse.¹¹¹ Eigene Logenhäuser dienten demnach nicht nur dazu, das geheime Innere der Loge vor den Augen der Öffentlichkeit zu verbergen, sondern erleichterten die Schaffung von Räumlichkeiten, in denen das Geheimnis im Ritual seine Wirkung optimal entfalten konnte. Für den weiteren Ablauf des Rituals war von großer Bedeutung, dass der Anwärter wirklich Mitglied der Loge werden wollte. Mit seiner Aufnahme stimmte der Anwärter den Regeln der Loge zu, aber ohne diese zuvor gekannt zu haben. Nachdem der Anwärter eine Zeit in Begleitung seines Paten in der Dunklen Kammer verbracht hatte, wurde er von einem Mitglied der Loge aufgesucht. Dabei handelte es sich um den einführenden Bruder, der wegen seiner Vermummung teils auch fürchterlicher Bruder genannt wurde.¹¹² Es folgte eine erste Befragung des Anwärters: Name, Alter, Stand, Herkunft und weitere persönliche Daten wurden abgefragt und protokolliert.¹¹³ Häufig wurde der Anwärter auch nach seinen Erwartungen an die Freimaurerei befragt.¹¹⁴ Wichtig war auch eine Versicherung des Anwärters, dass er, falls die Aufnahme im letzten Moment scheitern sollte, seine innerhalb der Loge gemachten Beobachtungen geheim halten würde.¹¹⁵ Erfüllten die Antworten die Ansprüche der Loge, begann die eigentliche Vorbereitung auf die Aufnahme mit der ritualisierten Entkleidung des Anwärters. Alle Kleidungsstücke bis auf Hosen und Hemd mussten abgelegt werden, die linke Schulter, die linke Seite des Oberkörpers sowie ein Knie wurden entblößt.¹¹⁶ Hut und Degen als Symbole des freien Mannes wurden ihm abgenommen.. Der linke Schuh wurde – einem Pantoffel ähnlich – mit herab getretener Ferse wieder angezogen.¹¹⁷ Der Rezipient sollte heruntergekommen, sogar etwas verwahrlost oder
Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 19; Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 61. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 165. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 224. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 35 f., Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 45; Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 167; Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 19. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 129. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 45 f. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 36. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 19.
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verwirrt aussehen.¹¹⁸ Damit war das äußere Erscheinungsbild des Anwärters für seinen ersten Eintritt in die Loge vorbereitet, dann verband der einführende Bruder dem Anwärter die Augen.¹¹⁹ So hergerichtet wartete der Anwärter etwa eine Stunde auf den Beginn der Aufnahmezeremonie. In absoluter Dunkelheit und Stille war nur sein Pate schweigend an seiner Seite – Zeit noch einmal tief in sich zu gehen.¹²⁰ Während der Vorbereitung des Anwärters gingen die Mitglieder der Loge den Katechismus des Lehrlingsgrads durch und bereiteten den Versammlungsraum auf das Aufnahmeritual vor.¹²¹ Auf dem Boden wurde ein Teppich ausgelegt. Ursprünglich entwickelt hatte sich der Teppich aus einfachen Kreidezeichen, die von einem Bruder auf den Boden gezeichnet wurden. Dies erwies sich allerdings als äußerst unpraktisch, weshalb man zur Benutzung von Stoffteppichen überging.¹²² Dargestellt waren zwei Säulen namens Jachin und Boas, zwischen denen hindurch Stufen in einen imaginären Raum führten. Innerhalb des Raumes dargestellt waren verschiedene Symbole. Die Grenzen des Raums bilden Beschreibungen der Himmelsrichtungen. Die anwesenden Logenmitglieder versammelten sich um die Zeichnung beziehungsweise den Teppich. Sie stellte das Zentrum des folgenden Rituals dar. Am Kopfende nahm der Meister vom Stuhl seinen Platz hinter einem kleinen Tischchen, dem Altar, ein. Um den Teppich brannten drei Kerzen auf im Dreieck angeordneten Ständern. bzw. Säulen¹²³ Der Pate führte den Anwärter aus der Dunklen Kammer vor die Tür des Versammlungsraums und bat durch dreimaliges Klopfen um Einlass.¹²⁴ Stellvertretend für den Anwärter beantwortete er die an diesen gestellten Fragen und stellte ihn der Versammlung noch einmal vor. Der Meister vom Stuhl gab anschließend die Erlaubnis den Anwärter in den Versammlungsraum zu führen.¹²⁵ Nach von Gennep begann nun der „rite de marge“, das heißt der Schwellenzustand.¹²⁶ Der Anwärter gehört demnach nicht mehr der profanen Welt an, ist aber auch noch kein Mitglied der Gemeinschaft.
Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 167. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 129. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 167. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 46. Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurerlexikon, S. 836. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 167 ff. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 36 f., Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 19. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 47 f. Van Gennep, Übergangsriten, S. 21.
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Verbundenen Auges wurde der Anwärter um den Teppich geführt. Die Zahl der Umrundungen konnte dabei von System zu System variieren.¹²⁷ In manchen Spielarten der Freimaurerei war es Sitte, dass Mitglieder der Loge beispielsweise durch Knalleffekte, lautes Klirren von Ketten oder die Behauptung, dass sich vor dem Anwärter eine tiefe Stufe befände, versuchten ihn aus der Fassung zu bringen.¹²⁸ Die Reisen endeten am westlichen Fußende des Teppichs. Mit drei Schritten stieg der Anwärter über den Teppich nach Osten.¹²⁹ Vor den Altar des Meisters vom Stuhl geführt, richtete dieser das Wort an ihn: Ob es sein freier Wunsch sei der Loge beizutreten? Ob ihm bewusst sei, dass er als Lehrling nicht sofort in die tieferen Geheimnisse des Ordens eingeweiht würde?¹³⁰ Der Anwärter bejahte. Nach einer letzten Nachfrage und dem Hinweis, dass er noch immer gehen könnte, kam es zum Ablegen des Eids.¹³¹ Es begann der „rite d’ agrégation“, in dem die Ehre des Anwärters wieder hergestellt wurde und die Brüder ihn als neues Mitglied in ihre Gemeinschaft aufnahmen.¹³² Dem Anwärter wurde befohlen vor dem Altar niederzuknien, wobei sein rechtes Knie entblößt auf einem kleinen Hocker auflag.¹³³ Mit der linken Hand musste er eine Zirkelspitze gegen seine Brust drücken, die rechte Hand lag zum Schwur auf einer geöffneten Bibel. Der Anwärter sprach den Lehrlingseid nach.¹³⁴ Schon Pérau weist an dieser Stelle auf Abweichungen hin: „Man führet den Aufzunehmenden um den mitten in der Kammer beschriebenen Raum herum, und läßt ihn diesen Weg dreymal thun. Es giebt Logen, wo dieser Marsch dreymal dreymal geschiehet, dieß heißt, daß man den gedachten Umgang neunmal thut’“. In den Entwürfen für die Grade des Illumninatenordens sind auch die Rituale der Johannismaurerei enthalten. Hier wird geschildert, dass der Reisende in der Lehrlingsloge den Teppich einmal, in der Gesellenloge zweimal und in der Meisterloge dreimal umschreiten musste. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 37 f.; Schwedenkiste, 8. Band, Dokumente 12 bis 14. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 37 f., Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 129. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 169. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 38, Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 49. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 48 f. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 169 Vgl. Van Gennep, Übergangsriten, S.21. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 40 f.; vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 19 f. „Ich N.N. schwöre zu Gott, dem allmächtigen Baumeister aller Welten, einen wahren und körperlichen Eid, daß ich niemals die Geheimnisse der Freymaurer entdecken, mithin keiner Weibs- noch Mannesperson und überhaupt niemand nicht das Geringste offenbaren will, was ich sehen, hören und empfinden werde in der ehrwürdigsten Versammlung der Freymaurer, wenn ich nicht denselben zuvor genugsam geprüft, ob es ein wahrer Bruder sey. Ich verspreche, schwöre und gelobe, daß ich niemals etwas davon schreiben, bauen, graben, drucken, stechen oder zulassen will, daß etwas geschrieben, gebauen, gegraben, gedruckt oder gestochen werde, oder wie
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Grausame Strafen wurden demjenigen angedroht, der den Schwur brach.¹³⁵ Die Bewahrung des Geheimnisses genoss oberste Priorität und diente als Rechtfertigung für die Einschüchterung des Anwärters.¹³⁶ Seinen Eid besiegelte der Anwärter mit einem Kuss der geöffneten Bibel.¹³⁷ Für einen kurzen Moment nahm der zweite Vorsteher dem Anwärter die Augen-
es sonst Namen haben mag, weder auf Papier, Metall, Sand, Erde, noch überhaupt auf nichts, was den Eindruck einer Figur oder Buchstabens leidet, es mag beweglich oder unbeweglich, fest oder fließend seyn. Ich schwöre und gelobe meiner höchsten Landesobrigkeit und den Gesetzen des Staats, worinnen ich lebe, treu, hold und gewärtig zu seyn; überdieses dieser Loge und allen andern, wo ich mich aufhalten werde, getreu zu seyn, ihr Bestes zu suchen, Schaden und Nachtheil aber nach meinem besten Gewissen zu verhüten. Und so ich etwas dergleichen entdecken sollte, es sogleich meinen Vorgesezten anzuzeigen. Gegen alle Menschen mich mitleidig zu bezeigen, und gegen jedermann, besonders aber gegen meine Brüder, mich großmüthig und gefällig zu erweisen, und ihnen nach Möglichkeit in allen vorfallenden Gelegenheiten beizustehen, ausgenommen, wenn es den guten Sitten und meiner Ehre, welche ich sorgfältig zu bewahren verspreche, zuwider wäre. Wenn ich einem von diesen Stücken zuwider handelte, so will ich, daß mir meine Gurgel abgeschnitten, meine Zunge aus dem Halse gerissen, mein Herz durchstochen, mein Bauch aufgeschnitten, meine Eingeweide heraus gezogen, mein also verstümmelter Körper auf den Sand des Meeres geworfen, da wo Ebbe und Flut zweimal in 24 Stunden darüber geht, meine blutigen Ueberbleibsel aber verbrennt, und die Asche in die freye Luft gestreut werde, damit kein Gedächtniß von mir übrig bleibe, nicht allein unter den Freymaurern und andern ehrliebenden Menschen, sondern auf der ganzen Oberfläche des Erdkreises. So wahr mir Gott helfe!“ Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 51 f. Der von Feddersen wiedergegebene Eid stammt aus dem Rezeptionszeremoniell der Strikten Observanz von 1764. Die rituellen Texte befinden sich heute im Archiv des Dänischen Freimaurer-Ordens in Kopenhagen. Für andere Versionen des Eids vgl. Prichard, Masonry Dissected, S. 8. sowie Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 41 f. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 226. Allerdings stellten bereits Zeitgenossen fest, dass der Eid zur Verschwiegenheit oft gebrochen wurde. Im Rahmen von Reformen des Eklektischen Bundes forderte Franz Friedrich von Ditfurth 1783 gar die Abschaffung des Eids, denn „… dass der Eid nach vieljähriger Erfahrung das zu erzielende Stillschweigen nicht bewirke, der Orden also den Vorwurf auf sich lade, mit schuld an den Meineiden schlechter Brüder zu sein. Eine bessere Wahl (bei Aufnahmen) werde künftig mehr als der Eid ausrichten, und wer sich aus seinem Ehrenwort nichts mache, sei ein so schlechter Kerl, dass er auch den Eid nicht achte; die Drohungen aber wären unmoralisch, ja abscheulich und im Grunde lächerlich.“ Ditfurth hielt Eide für grundsätzlich ungeeignet um den Innenraum der Gemeinschaften zu schützen.Vielmehr solle man sich auf die bessere Auswahl der Anwärter konzentrieren. Vgl. Karl Paul, Annalen des Eklektischen Freimaurerbundes zu Frankfurt am Main 1766 – 1883. Festgabe zur Saecularfeier am 18. März 1883, Frankfurt a. M. 1883, S. 31. Vgl. auch Kap. 7. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 42, vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 170.
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binde ab.¹³⁸ Noch geblendet vom Licht erkannte er, dass eine Reihe von Degen auf ihn gerichtet waren; die Brüder umringten ihn mit gezogenen Waffen.¹³⁹ Noch einmal wurde ihm – bei wieder verbundenen Augen – klar gemacht, welche Strafe auf den Eidbruch stand.¹⁴⁰ Nun wurde dem Anwärter die Augenbinde endgültig abgenommen, die sogenannte „Lichterteilung“.¹⁴¹ Um den Lichtschein noch zu verstärken wurde manchmal ein brennbares Pulver in die Flammen geblasen.¹⁴² Damit galt die Aufnahme als abgeschlossen. Der Meister vom Stuhl umarmte den Neuaufgenommenen, richtete das Wort an ihn und hieß ihn als Bruder willkommen, dann trat der neue Lehrling als vollwertiger Bruder rechts neben ihn und erhielt Handschuhe, Schürze und Bijou, die zeremonielle Kleidung der Freimaurer.¹⁴³ Als nächstes folgte die Einweihung in das geheime Wissen des Lehrlingsgrads.¹⁴⁴ Zuerst erklärte man dem Lehrling die Erkennungszeichen. Dabei handelte es sich um Handgriff, Wort und Zeichen, an denen sich Freimaurer verschiedener Logen untereinander als Brüder identifizieren konnten.¹⁴⁵ Der Meister vom Stuhl führte dem neuen Lehrling das Zeichen des Lehrlingsgrades vor. Es hatte Bezug zum zuvor abgelegten Schwur der Verschwiegenheit. Die flache Hand wurde senkrecht an die Kehle gehalten, wobei der Daumen senkrecht nach oben abzuspreizen war. Der Ellbogen des Arms musste vom Körper weg zeigen. Die Hand wurde anschließend von links nach rechts über die Kehle gezogen und anschließend fallen gelassen (Kehlzeichen). Nachdem der Lehrling das Zeichen seines Grads erfolgreich nachgemacht hatte ergriff der Meister vom Stuhl seine Hände. Beim Händedruck berührte er mit dem Daumen das erste Glied am Zeigefinger des Lehrlings. Dies war der Handgriff, mit dem sich Maurer untereinander als solche identifizierten.¹⁴⁶ Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 38 f., vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 53. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 38 f., Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 169 f. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 53 f. Hasselmanns und Maurices Darstellungen unterscheiden sich an diesem Punkt. Laut Hasselmann wurde dem Anwärter die Augenbinde bereits vor dem Schwur abgenommen, laut Maurice erst danach. Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 19. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 169 ff.; Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 275. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 54. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 52; Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 55; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 227. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 43, Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 171. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 20. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 55 f. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 43 f.; Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 172.
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Wie zu Beginn des Rituals vom Meister vom Stuhl klargestellt, wurde der Lehrling noch nicht in das gesamte Wissen eingeweiht. Er erfuhr jedoch, dass die Symbolik Salomons Tempel nachempfunden war. Der Bau ruhte auf drei Säulen, die Weisheit, Stärke und Schönheit symbolisierten.¹⁴⁷ Eine Wendeltreppe führte in den Tempel. Diese Treppe war zu erklimmen, bevor man mit drei Schritten zum Meister vortreten durfte. Das Lehrlingswort „Jakin“ leitet sich von einer der beiden Säulen ab, die der Legende zufolge am Eingang des salomonischen Tempels standen.¹⁴⁸ Dort empfingen die Lehrlinge ihren Lohn, zu dessen Erhalt sie sich mit Zeichen, Griff und Wort ausweisen mussten.¹⁴⁹ Mit Abschluss der Einweihung war die Aufnahme beendet. Die versammelten Brüder umarmten das neue Mitglied und hießen es in der Loge willkommen. Der Lehrling verließ die Loge, kleidete sich wieder an, und nahm anschließend den ihm zugewiesenen Platz unter seinen Brüdern ein.¹⁵⁰ An die Logenarbeiten schloss häufig noch eine Tafelloge an, bei der gemeinsam gespeist und auf den neuen Lehrling getrunken wurde. Nach Isolation in der Dunklen Kammer und Dunkelheit während der Aufnahme bildete das gemeinsame Tafeln mit den neugewonnenen Brüdern für den jungen Lehrling einen willkommenen Kontrast und die Gelegenheit zur Kontaktaufnahme.¹⁵¹ Die Plätze an der Tafel wurden den Brüdern vom Zeremonienmeister zugewiesen; der Neuaufgenommene saß zur rechten des Meisters vom Stuhl.¹⁵²
Die Weiterführung in den Gesellengrad Von den drei Ritualen der Johannisgrade ist das Ritual anlässlich der Weiterführung zum Gesellen das kürzeste. Es verfügte über keine eigene Eröffnungszeremonie, die Bodenzeichnung beziehungsweise der Teppich war derselbe wie in der Lehrlinsloge und auch die Symbole unterschieden sich nicht.¹⁵³ Vermittelt wurde allerdings ein neuer Handgriff, das Gesellenzeichen und das Erkennungswort des Gesellengrads: „Boaz“.
Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 43 f.; Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 171, Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurerlexikon, S. 892. Die Bibel, 1. Buch der Könige, 7, 21. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 172. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 130. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 20. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 61. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 172. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 177.
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Nach der Eröffnung am Hochmittag machte der Meister vom Stuhl der Gesellenloge bekannt, dass ein Lehrling den Wunsch geäußert habe, zum Gesellen weitergeführt zu werden. Wenn kein Einspruch gegen die Weiterführung erhoben wurde, begann das Ritual. Der Lehrling klopfte an die Tür der Loge. Der erste Aufseher meldete, dass es sich um einen Lehrling handelte. Im Wechselspiel mit dem Meister vom Stuhl vollzog er anschließend die Befragung des Lehrlings. Schließlich beauftragte der Meister vom Stuhl den zweiten Aufseher damit, den Lehrling in die Loge zu führen und ihm Hut und Degen abzunehmen.¹⁵⁴ Der zweite Aufseher drückte dem Lehrling die Spitze seines Degens auf die Brust und führte ihn um den Teppich der ersten beiden Grade, was die fortgesetzte Suche nach verlorenem Wissen symbolisierte. Nachdem er die rituellen Reisen beendet hatte, stand der Lehrling am unteren Ende des Teppichs zwischen beiden Aufsehern. Vom Meister erging nun der Befehl, dass der Lehrling die auf dem Teppich abgebildeten sieben Stufen des Tempels ersteigen und sich dem Altar darauf in drei Schritten nähern sollte.¹⁵⁵ Dabei sollten seine Füße stets im rechten Winkel zueinander stehen. Vor dem Altar angekommen erinnerte der Meister vom Stuhl den Lehrling an den bei seiner Rezeption abgelegten Eid. Was er nun in dieser Gesellenloge sehe, solle er keinem Lehrling verraten. Daraufhin weihte ihn der Meister vom Stuhl in Griff, Wort und Zeichen des zweiten Grads ein: „Man belehret den Aufzunehmenden, seine Hand solcher gestalt auf die Brust zu legen, daß sie ein Winkelmaas machet.“ ¹⁵⁶ Man überreichte den Schurz des Gesellen, den sich dieser selbst anlegte. Zusammen mit den beiden Vorstehern übte der neue Geselle nun noch einmal die Erkennungszeichen seines neuen Grads, grüßte dann alle Anwesenden Brüder mit Hilfe des neuen Wissens.¹⁵⁷ Der Meister überreichte ihm seinen Hut und Degen, dann wurden ihm die bislang unverständlichen restlichen Symbole auf dem Teppich erklärt.¹⁵⁸ Der Katechismus des Gesellengrads bezog sich auf Wissenschaft, Geometrie und die innere Unterteilung des salomonischen Tempels.¹⁵⁹ Die Weiterführung zum Gesellen war damit beendet und die Loge wurde um Hochmitternacht geschlossen.
Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 75 f. In der Strikten Observanz wurde der Lehrling zweimal um den Teppich der Gesellenloge geführt. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 76 f. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 47. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 47., Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 77 f. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 78. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 177; Vgl. Lobkowicz, Die Legende der Freimaurer, S. 67 f.
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Die Weiterführung in den Meistergrad Das Ritual zur Aufnahme in den Meistergrad unterschied sich erheblich von den Ritualen der beiden vorausgegangenen Grade. Anders als bei seiner Aufnahme zum Lehrling besaß der zum Meister weiterzuführende Geselle bereits umfangreiches Vorwissen über Rituale und Abläufe innerhalb der Loge.¹⁶⁰ Während der Weiterführung zum Meister wurde Hirams Ermordung und die Bergung seines Leichnams symbolisch nachvollzogen.¹⁶¹ Das Ritual gipfelte dabei in einer Art von Wiedergeburt.¹⁶² Nach der rituellen Eröffnung der Meisterloge machte der Meister vom Stuhl der Versammlung bekannt, dass sich ein Geselle gemeldet habe, der zum Meister weitergeführt zu werden wünschte.¹⁶³ Wenn keiner der Anwesenden etwas einzuwenden hatte, begann die Zeremonie. Einer der Brüder, häufig der Zeremonienmeister, wurde zu dem wartenden Gesellen gesandt, um diesen vorzubereiten.¹⁶⁴ Die Vorbereitung bestand vor allem in einer Befragung des Gesellen. Ob er seine maurerischen Pflichten erfüllt habe und weiterhin zum Gehorsam bereit sei? Würde er auch in Zukunft etwaige Strafen ertragen? Beantwortete der Geselle alle Fragen zufriedenstellend, kehrte der vorbereitende Bruder zurück in die Loge und erstattete Bericht.¹⁶⁵ Nach einer Weile klopfte der Geselle dreimal an die Tür der Loge.¹⁶⁶ Wie schon im Gesellengrad begann der rituelle Wortwechsel zwischen dem Meister vom Stuhl und dem zweiten Aufseher, der die Tür einen Spalt geöffnet hatte.¹⁶⁷ F: „Was verlangt ihr, Bruder?“ A: „Hier ist ein ausgelernter Maurergeselle, der zum Meister aufgenommen zu werden verlanget.“ F: „Hat er seine Zeit gelernt? Ist sein Meister
Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 176. Digruber, Die Freimaurer und ihr Ritual, S. 177 f. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 20 f. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 183; Le Forstier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert, S. 63; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 228. Vgl. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 73. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 90. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 90 f. Hiram hatte dreimal versucht dem Tempel zu entkommen, der Anwärter auf den Meistergrad versucht dreimal in den Tempel vorgelassen zu werden – der Prozess verläuft somit genau entgegengesetzt. Hirams Weg führte in den Tod, der Weg des Gesellen zur Auferstehung im Meistergrad. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 177 f.; Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 91.
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mit ihm zufrieden?“ A: „Ja, Ehrwürdiger.“¹⁶⁸ Kommunikation fand nur zwischen den Meistern statt, und stets erst nachdem das Meisterzeichen ausgeführt worden war. Der Geselle stand im Mittelpunkt des Rituals, wurde aber noch nicht mit einbezogen, da er nicht als ebenbürtig anerkannt und daher noch von der Kommunikation innerhalb der Meisterloge ausgeschlossen war.¹⁶⁹ Die Türen zum Tempel wurden erneut geschlossen, die Versammlung zog sich scheinbar zu einer Beratung zurück, der Geselle musste warten. Der zweite Aufseher begab sich wieder in den westlichen Teil des Tempels, machte das Meisterzeichen, und sprach nach einer Verbeugung mit dem Meister vom Stuhl. Diesem versicherte er nochmals, dass der Anwärter das für den Meistergrad nötige Wissen erlangt hätte und bei seinem Wunsch nach Weiterführung zum Meister bleibe: „Ehrwürdiger, es ist ein ausgelernter Geselle, welcher zum Meister aufgenommen zu werden verlanget.“ F: „Hat er seine Zeit gelernt? Ist sein Meister mit ihm zufrieden? Haltet ihr ihn für würdig dazu?“ A: „Ja, Ehrwürdiger“ „Lasset ihn also herein kommen.“¹⁷⁰ Der zweite Aufseher begab sich erneut zur Tür des Tempels.¹⁷¹ Dem Gesellen wurde die Tür geöffnet und er musste Hut und Degen abgeben.¹⁷² Wie schon im Ritual der Lehrlingsaufnahme war eine Waffe auf ihn gerichtet. Ihm wurde befohlen die Spitze eines Degens mit der rechten Hand gegen die linke Seite seines Brustkorbs zu pressen, während ihn der zweite Aufseher an der linken Hand in die Meisterloge führte.¹⁷³ Die Meister waren im schwach beleuchteten Tempel um den Teppich des Meistergrades versammelt, auf dem ein Sarg abgebildet war.¹⁷⁴ Auf der Mitte des Sargbildnisses stand das alte Meisterwort „Jehova“ geschrieben, darüber der Akazienzweig, der Hirams Grab markiert hatte. Der Sarg war eingerahmt von Tränen.¹⁷⁵ Dem Meister zugewandt, der am östlichen Ende des Teppichs hinter dem Altartischchen saß, auf dem eine Bibel und ein Hammer lagen, werden auf der Kopfseite des Sarges ein Totenschädel und darunter gekreuzte Knochen dargestellt. Das dem Aspiranten zugewandte Fußende
Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 76 f. Vgl. auch Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 177. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 71. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 179, vgl. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 77. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 73 f., Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 178; Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 69. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 91. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 77, Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 179. Eine besonders detaillierte Abbildung eines Meisterteppichs findet sich bei W. Kirk MacNulty, Die Freimaurer – Das verborgene Wissen, London und München 2006, S. 174. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 74.
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des Sargbildnisses zeigte einen geöffneten Zirkel und ein Winkelmaß, die auf den Aspiranten gerichtet waren.¹⁷⁶ Vom zweiten Aufseher wurde der zu befördernde Geselle mit dem Rücken zur Loge gedreht, und so – bei Pérau dreimal – um den Teppich geführt.¹⁷⁷ Jedes Mal, wenn der Geselle den Meister am östlichen Kopfende der Versammelten passierte, führte er das Gesellenzeichen aus. Die Versammlung antwortete ihm mit dem Meisterzeichen und versinnbildlichte damit, dass der Geselle noch nicht auf einer Stufe mit ihnen stand.¹⁷⁸ „Das Meisterzeichen ist, daß man mit der Hand das Winkelmaas auf die Art machet, wie es bereits etlichemal erklärt worden ist; daß man sie horizontal so hoch als den Kopf erhebet, und die Kuppe des Daumens auf die Stirne setzet; daß man sie nach diesem in ebenderselben Stellung bis unter die Brust runter fahren läßt, und die Daumenkuppe in die Herzgrube setzet.“ ¹⁷⁹ Nachdem die ‚,Reisen“ beendet waren, stand der Geselle zwischen beiden Aufsehern dem Meister gegenüber, den Blick nun wieder zur Loge gerichtet. Der zweite Aufseher klopfte nun dem ersten Aufseher vom Gesellen unbemerkt hinter dessen Rücken auf die Schulter. Die rituellen Fragen, die bereits beim ersten Eintritt des Gesellen in die Loge gestellt worden waren, wurden daraufhin noch einmal zwischen den beiden Aufsehern ausgetauscht. Schließlich wandte sich der zweite Aufseher, das Meisterzeichen ausführend, an den Meister vom Stuhl.¹⁸⁰ Der ausgelernte Geselle sei nun bereit, zum Meister aufgenommen zu werden, worauf der Meister vom Stuhl sein Einverständnis gab. Es folgte die Einweisung: Zuerst führte der erste Vorsteher die Meisterschritte vor.¹⁸¹ Die Füße standen dabei so, dass sie sich zunächst an den Fersen berührten, und mit den Zehen auf die Spitzen des geöffneten Winkelmaßes am Fußende des Sargs zeigten. So standen die Füße im rechten Winkel zueinander.¹⁸² Mit zwei großen Schritten, bei denen der neu aufgenommene Meister darauf achtete, dass seine Füße im rechten Winkel blieben, schritt er in drei Schritten nun über den Sarg hinweg auf den Meister zu. Dabei war ein Fuß stets nachzuziehen, ein Verweis auf den angeschlagenen Hiram.¹⁸³ Am Kopfende blieb er an dem Symbol des
Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 179. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 77 f.; Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 69; Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 179. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 78; Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 179. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 113. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 180. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 92. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 180. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 92.
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geöffneten Zirkels stehen, auch hier berührten sich seine Fersen wieder, die Fußspitzen waren auf die geöffneten Enden des Zirkels ausgerichtet.¹⁸⁴ Während er den Sarg überschritt, erhielt der neue Meister von seinen Mitbrüdern an der Seite des Teppichs drei Schläge mit Papierrollen auf die Schulter; die Brüder nahmen also die Rolle der drei Verschwörer ein.¹⁸⁵ Vor dem Meister vom Stuhl angekommen, musste der Neuaufgenommene einen weiteren Eid ablegen. Dabei legte er seine Hände auf Totenschädel und Bibel.¹⁸⁶ Er versprach, die Geheimnisse des Meistergrades zu bewahren und gegen äußere Einflüsse sowie gegen neugierige Lehrlinge und aufrührerische Gesellen zu verteidigen.¹⁸⁷ Ein Bezug zur Hiramslegende und der alten Zunftordnung der Bauhütten: Das Wissen der Meister sollte keinesfalls in die Hände der Lehrlinge und Gesellen gelangen. Nach dem Schwur trat der Meister vom Stuhl um das Altartischchen herum und stellte sich vor den Gesellen. Er begann, die Hiramslegende zu erzählen, und schlug schließlich mit dem kleinen Hammer dreimal gegen die Stirn des Gesellen – die rituelle Ermordung des Baumeisters und Architekten.¹⁸⁸ Beim dritten Schlag zwangen die Aufseher ihn bestimmt, aber vorsichtig, sich auf den Sarg niederzulegen und bedeckten sein Gesicht mit einem scheinbar blutbesudelten Tuch.¹⁸⁹ Der Meister vom Stuhl klatschte nun dreimal in die Hände. Daraufhin zogen die um den am Boden Liegenden stehenden Meister ihre Degen und richteten die Spitzen auf ihn. Sie verharrten nun eine Weile in dieser Position, bevor der Meister vom Stuhl erneut dreimal klatschte. Die Waffen wurden weggesteckt. Der zweite Vorsteher kniete nieder und griff nach dem Zeigefinger des am Boden Liegenden.¹⁹⁰ Ein leichtes Ziehen, doch der Finger entglitt ihm. Der zweite Vorsteher sprach dabei das Wort „Jakin“ aus. Der erste rituelle Versuch der Widerbelebung mit Hilfe des Lehrlingsgriffs scheiterte.¹⁹¹ Der zweite Versuch lief gleich dem ersten ab, nur dass diesmal der Mittelfinger des am Boden Liegenden ergriffen wurde. Auch der Griff des zweiten Vorstehers rutschte ab, er sprach dabei das Gesellenwort „Boaz“ aus. Auch mit dem Wort des Gesellen gelang die Wie-
Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 180. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 80. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 93. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 181. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 93. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 21; vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 94 f. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 80 f.; Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 181; Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 69 f. Vgl. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 81. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 81, Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 181, 185. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 96 f.
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derauferstehung nicht.¹⁹² Nun ergriff der Meister vom Stuhl die ganze Hand des am Boden Liegenden, dabei war sein Zeigefinger ausgestreckt und berührte das Handgelenk des Wiederzubelebenden, sein Daumen befand sich zwischen Daumen und Zeigefinger des Liegenden. Der Liegende wurde aufgefordert sein rechtes Bein zu beugen und an den Körper heranzuziehen und mit dem Fuß Halt zu suchen, den Rest des Körpers sollte er gerade und angespannt halten.¹⁹³ Der Meister vom Stuhl stellte sein rechtes Bein gegen das angewinkelte Bein des Liegenden. Dabei berührten sich die Innenseiten beider Knie. Der Liegende wurde angewiesen seinen linken Arm um den Hals des zu ihm herabgebeugten Meisters zu legen. Der Meister wiederum legte seinen linken Arm um den Hals des Liegenden. Nun zog er ihn zu sich herauf in den Stand.¹⁹⁴ Dabei flüsterte er dem Gesellen das Meisterwort ins Ohr.¹⁹⁵ Der rituelle Meistergriff, in dem die fünf Meisterpunkte, an denen Hiram aus dem Grab gehoben wurde, berührt wurden, zeigte so den gewünschten Erfolg und erhob den neuen Meister.¹⁹⁶ Das Tuch wurde dem neuen Meister vom Gesicht genommen und mit der Erzählung der Hiramslegende fortgefahren.¹⁹⁷ Damit erst erschloss sich dem Kandidaten die Herkunft der an ihm vorgenommenen rituellen Handlungen und seine eigene zentrale Rolle. Er war von seinen Brüdern, die den Platz der in der Legende treuen Gesellen eingenommen hatten, wiederbelebt worden und nun wie sie einer der rechtmäßigen Nachfolger und Erben Hirams.¹⁹⁸ Der Redner erklärte die Motive auf dem Teppich des Meistergrads.¹⁹⁹ Damit war die Aufnahme beendet und die Loge wurde um Hochmitternacht geschlossen.
Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 81; Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 181 ff. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 81 f.; Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 181 ff. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 181; Biedermann, Das verlorene Meisterwort, S. 82 f. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 82. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 72; Biedermann, Das verlorene Meisterwort, S. 82 f. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 97 f. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 185 ff.; Zur weiteren Interpretation des Rituals des Meistergrads vgl. Neugebauer-Wölk, Leitbegriffe in der esoterischen Gesellschaftsbewegung, S. 196 f. Pérau, Der verrathene Orden der Freymaurer, S. 82, Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 98.
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Weiterführung in den vierten Grad der Strikten Observanz In der Augusta wurde der vierte Grad der Strikten Observanz bis etwa 1783 bearbeitet.²⁰⁰ Nach 1783 wurden zu organisatorischen Zwecken jedoch weiterhin Versammlungen des vierten Grads abgehalten.²⁰¹ Seit dem Wilhelmsbader Konvent wandte sich auch die hannoversche Loge Zum weißen Pferde zusammen mit der altschottischen Loge Carl zum Purpurmantel vom System der Strikten Observanz ab. In der eng an Hannover gebundenen Göttinger Loge hat es sich wohl ähnlich verhalten. Unter dem Vorsitz Richters nahm die Augusta am siebten November 1787 das von Ernst Friedrich Hektor Falcke (1751– 1809) ausgearbeitete Ritual der neuen Provinzialloge von Hannover an.²⁰² Diese war aus der Altschottischen Loge Carl zum Purpurmantel entstanden, der die Augusta bis dahin unterstellt gewesen war.²⁰³ In den erhaltenen Dokumenten der Augusta findet sich ein Eintrag vom besagten siebten November, aus dem hervor geht, dass die Lehrlingsloge von Richter „mit den Cerem[onien] des neuen von Hannover erhaltenen Ritual“ eröffnet wurde.²⁰⁴ Einen detaillierten Bericht über die Veränderungen in Falckes Ritual enthält das Protokoll nicht. Da nur wenige Protokolle der Versammlungen des vierten Grads in Göttingen erhalten sind, kann er in dieser Arbeit nur eine untergeordnete Rolle spielen. Auch im Ritual zur Weiterführung in den Schottengrad spielte die Legende vom Baumeister Hiram eine zentrale Rolle. Die Loge wurde in Vorbereitung der Aufnahme grün ausgekleidet, weil Grün als Farbe der Hoffnung verstanden wurde.²⁰⁵ Mitglieder der Schottenloge trugen Schurze, die mit grünem Samt gefüttert waren. Der Teppich des vierten Grads war eine weiße Zeichnung auf grünem Grund, die, wie auch im dritten Grad, einen Sarg darstellte. Über dem Sarg war ein achteckiger Stern abgebildet, der mit dem hebräischen Wort für Gott, Jehova (eigentlich: JHWE), beschriftet war. Auf den vier Ecken des Teppichs waren Tiere abgebildet: Löwe, Fuchs, Affe und Sperber.
Die Zusammenkünfte der höheren Grade fanden in eigens zu diesem Zweck errichteten Kapiteln statt. Protokolle der Grade fünf bis sieben sind daher nicht vorhanden.Vgl. Lennhoff, Die Freimaurer, S. 122. Vgl. vor allem die Versammlungen der älteren Brüder rund um den „Fall Spittler“ in Kap. 8.4. Ab 1801 nahm die hannoversche Loge die von Friedrich Ludwig Schröder (1744– 1816) entworfene Lehrart an. Vgl. Voigts, Geschichte der g. u. v. Freimaurerloge Friedrich zum weißen Pferde im Orient von Hanover, S. 79 ff. Vgl. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 18. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. November 1787, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 24, S. 1. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 119.
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Wie in den niederen Graden auch wurde die Loge vom Meister vom Stuhl am Hochmittag eröffnet, nachdem der zweite Vorsteher versichert hatte, dass die Türen ordnungsgemäß verschlossen waren. Der Meister vom Stuhl macht der Versammlung bekannt, dass ein Meister in den Schottengrad aufgenommen werden sollte, und fragte nach, ob einer der Anwesenden dagegen Einwände vorzubringen habe. Der weiterzuführende Meister wurde währenddessen bereits außerhalb des Logenraums von einem der Schottischen Brüder auf das Ritual vorbereitet. Schließlich trat der Meister an die Tür des Tempels und klopfte an. Der erste Vorsteher begab sich zur Tür, öffnete diese einen Spalt weit und fragte, wer Einlass begehre. Der Anwärter äußerte ein letztes Mal seinen Wunsch, zum Schottischen Meister aufgenommen zu werden. Auf Befehl des Meisters vom Stuhl wurde die Tür geöffnet und dem Anwärter bei seinem Eintritt Hut und Degen abgenommen. Ab diesem Punkt unterscheidet sich das Ritual erheblich von dem der niederen Grade. Nach seinem Eintritt nahmen die beiden Aufseher den Anwärter zwischen sich und richteten ihre Degen auf ihn. Die anderen Anwesenden folgten diesem Beispiel, dann sprach der Meister vom Stuhl den Anwärter an. Er sei geprüft und für schuldig befunden worden, nun solle er gerichtet werden. Der zweite Vorsteher drehte den Anwärter herum, befahl ihm sich auf einen Schemel zu setzen, und fesselte dann seine Hände auf den Rücken. Dann legte er ihm einen Strick um den Hals und führte ihn rechts am Teppich vorbei vor das Altartischchen am Kopfende.²⁰⁶ Am Altar begrüßte ihn der Meister vom Stuhl mit dem Zeichen des Schottengrads. Obwohl er Hiram erschlagen habe, wolle man ihm vergeben. Dem zweiten Aufseher befahl er, dem Anwärter die Fesseln abzunehmen. Der Meister vom Stuhl ermahnte den Anwärter zur Einhaltung des folgenden Eids und betonte die Pflicht zur Verschwiegenheit. Dabei bezog er sich erneut auf die im Lehrlingseid genannten Strafen. Beim Schwur legte der Anwärter seine linke Hand auf die Bibel, mit der Rechten versprach er per Handschlag, die Geheimnisse des Ordens zu hüten. Nach Ablegen des Eids trat der frisch Weitergeführte neben den Meister vom Stuhl. Dieser demonstrierte ihm den Griff des vierten Grads. Dabei wurde die rechte Hand unter den Ellbogen des neben ihm Stehenden gelegt und dann Fuß an Fuß und Knie an Knie gestellt. Anschließend legte man die linke Hand auf die rechte Schulter des Anderen. Das Meisterwort des vierten Grads lautete „Jehova“. Nachdem der neue Schottische Meister Wort und Griff erfahren hatte, wurden ihm der neue Schurz sowie Hut und Degen ausgehändigt. Es folgte die Erklärung des Teppichs, in der auch die Bedeutung des Rituals zur Aufnahme in den vierten Grad erläutert wurde. Im Ritual zur Aufnahme in den Meistergrad
Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 112 f.
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habe der neue Meister, so die Erklärung des Meisters vom Stuhl, den erschlagenen Hiram im Grab zurück gelassen. Nun jedoch sei Hiram wieder am Leben und benötige die Unterstützung der Brüder, um aus seinem Sarg zu steigen. Im Gegenzug sei Hiram bereit, sein geheimes Wissen zu teilen.²⁰⁷ Hier wurde besonders deutlich, dass der höchste Johannisgrad nach dem Verständnis der Strikten Observanz nicht das finale freimaurerische Wissen beinhaltete. Mitglieder des Schottengrads, so die weitere Ausführung des Meisters vom Stuhl, unterschieden sich in ihrem Verhalten von Inhabern des dritten Grads. Er müsse unerschrocken, großmütig und standhaft sein wie ein Löwe, klug wie ein Fuchs, an Neuem interessiert wie ein Affe und schwungvoll wie ein Sperber. Nur so könne er die Aufgaben der Ordensoberen schnell erfüllen. Erwartet wurde vollkommenes Verhalten, und der neue Schotte sollte sich vor den negativen Eigenschaften der Tiere, wie beispielsweise der Arglist des Fuchses, hüten. Nachdem der Katechismus durchgegangen worden war, in dem die vier tierischen Sinnbilder noch einmal erläutert wurden, war die Aufnahme in den vierten Grad beendet.²⁰⁸ Zum Ende wandte sich der Meister vom Stuhl an den ersten Vorsteher und fragte, welche Zeit es sei. Der erste Vorsteher antwortete, dass es „Hochmitternacht“ sei.²⁰⁹ Auch der zweite Vorsteher bestätigte, dass es Zeit sei die Loge zu schließen. Nun erkundigte sich der Meister vom Stuhl bei den Versammelten, ob noch etwas vorzutragen sei. War dies nicht der Fall, steckte er den Degen ein und erklärte die Loge mit einem Hammerschlag auf den Altar für geschlossen. Die Anwesenden steckten ebenfalls ihre Degen ein und verabschiedeten sich mit dem Zeichen des jeweiligen Grads.²¹⁰
4.1 Rezeption und Weiterführung in Göttingen Die frühesten erhaltenen Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel aus den Jahren 1773 und 1774 enthalten keine Hinweise auf den Ablauf der Rituale; die Aufnahme oder Weiterführung eines Mitglieds wurde – ganz Ergebnisprotokoll – lediglich kurz vermerkt. Am detailliertesten protokollierten beide Logen zwischen 1779 und 1785/1786. Ab Mitte der 1780er Jahre nahmen vor allem in der Loge Augusta Umfang und Qualität der Protokollführung ab. Trotz der fragmentarischen Aufzeichnung der Rituale lässt sich den Protokollen der Ablauf von Rezeption und Weiterführung beider Göttinger Logen entnehmen. Die erhaltenen Dokumente
Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 115 f. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 117 ff. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 162 ff. Vgl. Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 56 f.
4.2 Rezeption und Weiterführung in der Augusta
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enthalten Dutzende derartiger Beschreibungen, die sich wegen ihrer starken Formalisierung häufig kaum voneinander unterscheiden. Die Rekonstruktion der Umrisse der abgehaltenen Rituale ist daher nur unter Verwendung mehrerer verschiedener Protokolle möglich. Dies führt zur Frage, ob sich die Rituale nicht im Laufe der Zeit veränderten und ob eine Rekonstruktion mit Hilfe verschiedener Protokolle deshalb überhaupt statthaft ist und zu einer verbindlichen Rekonstruktion führen kann. In den Protokollen werden Veränderungen der Rituale selten thematisiert. Unter dem Vorsitz Koppes führte die Loge Augusta 1781 eine Befragung der Anwärter innerhalb der Dunklen Kammer ein. Jahre später wurde Spittler durch die Mitglieder des vierten Grads vorgeworfen, dass er gemeinsam mit dem Redner Feder Rituale verändert habe.²¹¹
4.2 Rezeption und Weiterführung in der Augusta Aufnahmen in die Loge Augusta begannen damit, dass sich ein an der Mitgliedschaft Interessierter bei einem Mitglied der Loge meldete; persönliche Bekanntschaft war für die Aufnahme in die Loge von großer Bedeutung.²¹² Der Bekannte leitete den Wunsch an den Meister vom Stuhl weiter, der wiederum die Schottischen Brüder informierte. Mit Zustimmung der Mitglieder des vierten Grads hatte der Anwärter die erste Hürde genommen und sein Wunsch wurde den versammelten Mitgliedern in der Lehrlingsloge bekannt gemacht.²¹³ Dabei wurden die bereits über den Anwärter bekannten Informationen verbreitetet und Bekannte oder Freunde konnten als Fürsprecher auftreten und versuchen zu verdeutlichen, warum sie ihn für ein würdiges Mitglied hielten. Anschließend forderte der Meister vom Stuhl die Brüder auf bis zur nächsten Versammlung der Loge nähere Informationen über den Adepten zu sammeln und den Beamten zukommen zu lassen, damit man sich ein Urteil bilden könne. Im Spätsommer 1780 verkündete Koppe der Loge den Wunsch zweier Akademiker nach Aufnahme:
Vgl. Kap. 8.4. Der Redner war einer der Beamten der Loge. Zu seinen Aufgaben gehörte vor allem, die bei den Arbeiten erforderlichen Vorträge zu halten und – zusammen mit den vorbereitenden Brüdern und Aufsehern – der Unterricht der jüngeren Logenmitglieder. Vgl. Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurer Lexikon, S. 694. Vgl. Kap. 5. Im Bestand sind nur wenige Protokolle des vierten Grads erhalten, so dass diese Prozedur sich nur aus den Kompetenzstreitigkeiten nach dem Rücktritt Spittlers als Meister vom Stuhl der drei symbolischen Grade ableiten lässt. Vgl. Kap. 8.4.
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… wären abermahls zwey würdige Adep[ten] zu proponieren. Der erste sey der hiesige Biblio[thecs] Sec[retair] Fleischmann. Der zweyte der Stud[ent] Medicine Olbers aus Bremen. Den ersten habe Hr. Hofrath Heyne, dem er sich anvertrauet, recht sehr empfohlen, welcher bekanntlich so viele Achtung für den Orden bezeigte und habe auch der Br[uder] Dietz ihn auf geschehene Nachfrage empfohlen. Den zweytn habe der Br[uder] Richter recht sehr empfohlen und sey ein bekanntr würdiger Mensch. Der ehrw[würdige] Meister empfahl denen Br[üdern] die genaue Beobachtung dieser Adep[ten] und wenn in 14 Tagen nichts besonderes gegen die Aufnahme vorgebracht werden sollte, so gedechte er diese Adep[ten] in 8br [Oktober] Loge zu recipieren …²¹⁴
Bemerkenswert sind die Namen der beiden hochangesehenen Fürsprecher, Heyne und Richter. Christian Gottlob Heyne war kein Freimaurer. Wohl wegen seiner herausragenden Stellung unter den Göttinger Gelehrten wurde er aber im selben Satz genannt wie der freimaurerische Fürsprecher Johann Andreas Dieze (Diez).²¹⁵ Dieser arbeitete als Professor und Bibliothekar in Göttingen, war Mitglied der ortsansässigen Akademie der Wissenschaften und bewegte sich somit im selben Umfeld wie Johann Christian Fleischmann und Heyne.²¹⁶ Nach Ablauf der Frist, die üblicherweise zwischen zwei und sechs Wochen dauerte, kam es zur Abstimmung über die Aufnahme des Anwärters, sofern keiner der Brüder einen Einwand vorbrachte, der eine Mitgliedschaft kategorisch ausschloss. Bis 1783 hatten die Brüder Gelegenheit bei einer Nachfrage durch die beiden Vorsteher unmittelbar vor der Abstimmung ihre Einwände vorzutragen: Der S[ehr] E[hrwürdige] Mstr. zeigte an, daß der in lezter Loge vom 2ten Febr. d[es] J[ahres] vorgeschlagene Aspirant der Studiosus iuris Jäger, wenn nach geschehener Umfrage auch heute nichts erhebliches von den Br[üdern] eingewandt würde, recipiert werden sollte.²¹⁷
Diese wenig förmliche Art, die Meinung der Logenversammlung nachzufragen, wurde Anfang 1783 durch das Abstimmungsverfahren der Ballotage (dt. Kuge-
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. September 1780, Lehrlingsloge, Bl. 28, S. 2. Zu Heyne vgl. Balbina Bäbler und Heinz-Günther Nesselrath (Hrsg.), Christian Gottlob Heyne – Werk und Leistung nach zweihundert Jahren, Göttingen 2014; Ulrich Schindel, Christian Gottlob Heyne, in: Karl Arndt, Gerhard Gottschalk und Rudolf Smend (Hrsg.), Göttinger Gelehrte – Die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen in Bildnissen und Würdigungen 1751 – 2001, 1. Band, Göttingen 2001, S. 28. Vgl. Holger Krahnke, Die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen 1751 – 2001, Göttingen 2001, S. 68. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. März 1780, Lehrlingsloge, Bl. 12, Seite 2. Daniel Jäger war unter der Matrikelnummer 10762 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 227.
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lung) ersetzt.²¹⁸ Die Zustimmung der Mitglieder der drei symbolischen Grade zu erlangen, bildete die zweite Hürde, die ein Anwärter überwinden musste. Im Fall des Anwärters Jäger kam es gleich nach zustimmender Befragung der versammelten Mitglieder zur Aufnahme: Da sich keine Bedenklichkeit gegen den Asp[iranten] fand, so wurde derselbe vom Br[uder] Moll in der dunklen Kammer auf die gewöhnliche Art empfangen.²¹⁹
Der vorbereitende Bruder oder der Zeremonienmeister empfing den Adepten in der dunklen Kammer; beide nehmen in den Protokollen an dieser Stelle dieselbe Funktion ein. Wie lange der Anwärter in der dunklen Kammer der Loge Augusta warten musste, geht aus den Protokollen nicht hervor. Während dieser Phase wurde er mehrfach von dem ihn vorbereitenden Bruder besucht und befragt. Der Anwärter musste einen Revers unterzeichnen: … ward dem Br[uder] Redner aufgetragen ward, den Adep[ten] Olbers zu erst vorzubereiten und den Reverss zeichnen zu lassen und derselbe sande auch den Reverss durch den d[en] Br[uder] Limbrecht unterschrieben zurück.²²⁰
Heinrich Wilhelm Olbers (1758 – 1840) wurde später ein berühmter Astronom. Seine Forschung konzentrierte sich auf Kometen und die Berechnung ihrer Bahnen. Darüber hinaus entdeckte er mehrere Asteroiden bzw. Kleinstplaneten (Vesta und Pallas).²²¹ Durch den Revers bekam die Aufnahme einen scheinbar rechtlich bindenden Charakter, der durch die Zahlung einer Rezeptionsgebühr in Höhe von 25 Reichstalern noch verstärkt wurde: Der Br[uder] Redner stattete hierauf Bericht am Stuhl und versicherte den Adep[ten] gehörig vorbereitet zu haben, derselbe sich sehr empfehlend geäussert und verhalten und sich allen Gebreuchen unterwürfe und als herschende Leidenschaft den Ehrgeiz angezeigt und gab die Zeichen der Unterwürfigkeit am Stuhl ab, nebst dem gezeichneten Reverss, verfügte sich so
Vgl. Kap. 6. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. März 1780, Lehrlingsloge, Bl. 12, Seite 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 29, S. 1. Vgl. Günther Oestmann, „Olbers, Wilhelm“, in: Neue Deutsche Biographie, 19. Band, Berlin 1999, S. 499 f.
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dann wieder zum Adep[ten] um die Receptions Gebühren zu heben und ich empfing die 25Rt [Reichstaler] Gold und die Nebenkosten der Br[uder] 1ster Vor[steher] …²²²
Neben der Zahlung von 25 Talern weist der Auszug auf den wichtigen, auch in der Sekundärliteratur beschriebenen Aspekt der Selbstreflexion hin. Der vorbereitende Bruder befragte deshalb den jeweiligen Anwärter nach seinen herrschenden Leidenschaften: … der Br[uder] Praeparateur ward gemeldet und trat mit der Versicherung in Loge zurück, daß er den Adep[ten] gehörig vorbereitet habe und auf die Frage, welche Leidenschaft ihn behersche, habe derselbe ihm bekannt, wie auffahrende Hitze ihn behersche, bemühe sich also solche zu unterdrücken und wäre auch solche nicht anhaltent. Der Adep[t] wäre zur Aufnahme bereit und unterwürfe sich allen Gebräuchen.²²³
Kritische Selbstbetrachtung und Reflektion über den Wunsch, der Loge beizutreten, waren die Ziele der Isolation des Anwärters in der Dunklen Kammer. Dabei ging es der Loge nicht nur darum, etwa halbherzig an der Logenmitgliedschaft interessierte Anwärter abzuschrecken, sondern man wollte vor allem Informationen über den wahren Charakter der Anwärter sammeln. Zusammen mit seiner Unterschrift unter dem Revers konnten intime Informationen der Loge, falls es je zum Streit kommen sollte, auch als Faustpfand dienen. Im Dezember 1781 wurde das Aufnahmeritual der Loge an dieser Stelle reformiert. Der seit etwa zwei Jahren den Vorsitz innehabende Meister vom Stuhl Koppe verkündete die Änderung im Rahmen einer Lehrlingsloge, bei der insgesamt drei Anwärter aufgenommen wurden: … der Br[uder] C[eremonien] Meister empfing den Auftrag den Adep[ten] Riedel zu erst ins Vor-Zimmer zu führen und ihm daselbst zu eröffnen, daß er 3. Fragen vor sich finden würde, 1 welche er in Stunde zu beantworten habe und das fernre zu erwarten. Der ehrw[ürdige] 4 Meister bemerkte hierbey, daß dieses neu sey und er sey bewogen worden auch dieses hier einzuführen, weil es einen besonderen guten Eindruck auf einen Adep[ten] machen würde und bemerkte auch, daß die Loge zu Strasburg diesen Gebrauch eingeführt habe und verlaß die ordentlige Beantwortung dieser Fragen, welche so gleich der würdige Br[uder] Schweighauser als Adep[t] beantwortet habe …²²⁴
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 49, Seite 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 29, Seite 1 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. Dezember 1781, Lehrlingsloge, Bl. 54, S. 2. In der von Gläshner erstellten Mitgliederliste der Augusta findet sich kein Mitglied mit
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Die Formulierung deutet darauf hin, dass die Abänderung des Rituals für die meisten Logenmitglieder anscheinend überraschend vorgenommen worden war. Der Anwärter hatte 15 Minuten, um die an ihn gestellten Fragen zu beantworten. Obwohl aus dem Eintrag klar hervor geht, dass es Richtlinien für akzeptierte Antworteten gegeben hat, wird diese „ordentlige Beantwortung“ im Protokoll genau so wenig wiedergegeben wie der Wortlaut der Fragen. In Moritz Heynes Mitteilungen zur Vorgeschichte der Loge Augusta zum goldenen Zirkel in Göttingen sind die drei Fragen erhalten – offenbar hatte Heyne noch Zugriff auf Dokumente, die in der Zwischenzeit verloren gegangen sind. Da die protokollierten Antworten zu den bei Heyne angegebenen Fragen passen, ist davon auszugehen, dass die Fragen tatsächlich so, oder im Wortlaut zumindest sehr ähnlich, formuliert waren: Glauben Sie an einen Gott als den Schöpfer der ganzen Welt, an Unsterblichkeit ihrer Seele und die daraus entstehenden Pflichten? Was für Begriffe machen Sie sich von der Tugend? Wie glauben Sie sich Ihren Nebenmenschen am nützlichsten zu beweisen?²²⁵
Nachdem die Anwärter die Fragen bearbeitet hatten, wurden ihre Antworten vor der Loge verlesen. Es handelte sich demnach um eine Art Test im Vorfeld der Rezeption.²²⁶ Das Potential der Fragen wurde jedoch kaum ausgeschöpft, denn häufig antworteten die scheinbar mit der Situation überforderten Anwärter nur mit Ja oder Nein. Nur einige wenige detaillierte Antworten erlauben Einblicke in die Denkweise der Anwärter. Die erste, Goethes berühmter Gretchenfrage gleichende Frage, beantwortete der Göttinger Privatlehrer und Kandidat der Medizin Johann Friedrich Benjamin Lauer im Mai 1784²²⁷: Ja, mit völliger Ueberzeugung glaub ich einen Gott. Alles um mich herum in der ganzen jetzt wieder auflebenden Schöpfung beweisst mir, daß ein Gott ist. Denn wie hätte diese so herrl[iche] Schöpfung sonst entstehen können, wenn Gott nicht wäre. Unsterblichkeit der
Namen Schweighauser. Im Protokoll wurde der Name nachgetragen, so dass es sich möglicherweise um einen Fehler in der Protokollierung handelt. Heyne, Mitteilungen zur Vorgeschichte der Loge Augusta zum goldenen Zirkel in Göttingen aus dem 18. Jahrhundert, S. 7. Hinter den Fragen könnte auch der Versuch stecken, sich gegen die Aufnahme radikalaufklärerischer Geister abzusichern. In diesem Falle würde es sich um eine Maßnahme gehandelt haben, die Loge vor Verfolgung durch die Obrigkeit zu schützen, zumal die Legalität der LogenTätigkeit ohnehin immer in einem gewissen Zweifel stand. Goethe, Faust – Der Tragödie erster Teil, Vers 3415.
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Seele glaube ich und bin auch davon überzeugt. Was würde ich doch für ein Wesen seyn, wenn mein Geist nicht unsterblich wäre, und nichts in jenem Leben zu hoffen hätte.²²⁸
Selbstverständlich erwartete die Loge ein eindeutiges Bekenntnis zur christlichen Religion.²²⁹ Der Kandidat gab damit zu erkennen, zu welcher aufklärerischen Schule er sich zählt und wie staatstragend oder radikal er sich selbst einschätzt, wenn er sich nicht gleich auf den höheren Grund der gesellschaftlich akzeptierten Floskeln zurückzog. Zur zweiten Frage schrieb Lauer: Die Tugend ist für mich und alle Menschen das muthigste Stück in der Welt. Sie ist das eifrigste Bestreben und die beste Bemühung recht zu handeln. Die Tugend ist unser Glück, Laster hingegen ist unser Elend.²³⁰
Zur dritten Frage fiel dem katholischen Jurastudent Engelbert Joseph Floret folgendes ein:²³¹ Auch diese Frage kann ich, ihrer Allgemeinheit wegen nicht genau antworten, ich glaube indessen wenn ich stets den Grundsaz Liebe deinen Nächsten wie dich selbst vor Augen habe und in jedem Fall mich an die Stelle des anderen sezze, so habe ich den sichersten Maaßstab, nach welchem ich bey jedem Individuo womit ich in Verhältniß komme, die vorgelegten Fragen bestimmen kann.²³²
Floret kritisierte nicht nur die Fragestellung, sondern bediente sich in seiner Antwort mit der „Goldenen Regel“ einer eindeutig christlichen geprägten Ausdrucksweise. Mit der Verkündung der Antworten und der Bereitschaft des Anwärters sich allen Gebräuchen zu unterwerfen endete die Vorbereitung. Der Meister vom Stuhl gab den Befehl mit dem Aufnahmeritual fortzufahren:
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. Mai 1784, Lehrlingsloge, Bl. 105, S. 2. Als scharfer Beobachter seiner Zeitgenossen betitelte Lichtenberg die Freimaurer deshalb auch als „Schurzfellchristen“. Vgl. Ulrich Joost und Albrecht Schöne (Hrsg.), Georg Christoph Lichtenberg – Briefwechsel, Bd. 2., München 1985, Nr. 925, S. 357. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. Mai 1784, Lehrlingsloge, Bl. 106, S. 1. Floret war unter der Matrikelnummer 12778 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 266. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1783, Lehrlingsloge, Bl. 101, S. 1 f.
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Der ehrw[ürdige] Meister gab hierauf den Befehl den Adep[ten] gehörig zu kleiden und dann an die Loge zu führen und der Br[uder] 2. Vor[steher] verfügte sich zum Adep[ten] um die Recep[tions] Gelder zu heben …²³³
„gehörig zu kleiden“ bezieht sich in diesem Fall darauf, dass der Adept seiner Rolle und seiner Position gemäß gekleidet wurde. Hierauf ward der Br[uder] Cerem[onien] Mstr. abgelassen um ihn zu entkleiden und vor das Logen Zimmer zu führen …²³⁴ Nachdem das Derangieren der Kleidung durch den Zeremonienmeister abgeschlossen war, führte dieser den Anwärter vor die Tür der Loge. Dort beantwortete der Anwärter die Fragen zu seiner Person: Der vom Br[uder] Ceremonienmeister vor die Loge geführte Asp[irant] gab auf die gewöhnlichen Fragen zur Antwort: Sein Name sey Daniel Jäger, sey gebohren im Jahr 1750 d[en] 28. März zu Ottersberg im Bremischen, lutherischer Religion, studiere in Göttingen Jura.²³⁵
Zu den beim erstmaligen Betreten der Loge gemachten Angaben gehörten der vollständige Name, der Geburtstag sowie die Herkunft und der Beruf. Anhand von Name und Beruf konnte der Stand einer Person ermittelt werden. Auch für die Konfessionszugehörigkeit interessierte sich die Loge, denn nur Angehörige christlicher Konfessionen wurden aufgenommen. Mit dem Eintrag persönlicher Informationen in das Mitgliederverzeichnis ließ sich seitens der Loge später beweisen, dass eine Person Mitglied der Loge war. Verwechslungen, aber auch einer möglichen späteren Leugnung der Mitgliedschaft, sollte so vorgebeugt werden. Die Angaben zur Person schloss der Adept mit einer formalisierten Versicherung. Er … wolle sich alles gefallen lassen was nach den Ordens-Regeln mit ihm vorgenommen werden müßte und der Führer stand für gehörige Kleidung.²³⁶
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 29, S.2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1787, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 23, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. März 1780, Lehrlingsloge, Bl. 13, S.1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 29, S. 2.
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Der zweiten Bereitschaftsbekundung, sich allen nötigen Ritualen zu unterwerfen, folgte die Versicherung des Redners, dass der Adept für den Eintritt in den Tempel ordnungsgemäß gekleidet sei. Nachdem die persönlichen Daten, das erneute Versprechen der Unterwerfung und der Bericht des Redners, dass der Anwärter ordnungsgemäß hergerichtet sei, der Loge überbracht worden waren, gestattete der Meister vom Stuhl, den Anwärter in die Loge zu führen: Nachdem der Candid[at] die ihm vorgelegten Fragen beantwortet, den Reverss unterschrieben, seine Leidenschaften, die Ursachen warum er in den Orden aufgenommen zu werden wünschte, entdeckt, und zum Zeichen seines Gehorsams den Huth und Degen abgeliefert, so wurde er von dem Br[uder] Cerem[onien] Mstr. vorgeführt.²³⁷
Dass Anwärter sich die Spitze eines Degens gegen die Brust pressen mussten, lässt sich anhand der Protokolle der Augusta nicht nachvollziehen. Es folgten der Eintritt in die Loge: Der Adsp[irant] ward sodann herumgeführt, vernahm die Anrede, und nachdem er die Fragn wiederhohlt u[nd] den Mau[rer] Eid feyerlich abgelegt, dem Rituale gemäß recipiert.²³⁸
Der Begriff „herumgeführt“ bezeichnet hier vermutlich die rituellen Reise(n) um den Teppich: wie oft der Anwärter den Teppich umrunden musste geht aus den Protokollen der Lehrlingslogen nicht hervor. Nachdem der Adept den Lehrlingsteppich unter Anleitung des Zeremonienmeisters umrundet hatte, richtete der Meister vom Stuhl das Wort an ihn: … nachdem derselbe die besondere Vorbereitung des ehrw[ürdigen] M[eisters] vernommen hatte und darauf beharrte recipiert zu werden, so ward derselbe zu Ablegung des MaurerEides herzugeführet. Er gab denselben standhaft ab ….²³⁹
Bevor der Anwärter den Eid ablegte, wurde er ein letztes Mal gefragt, ob er wirklich aufgenommen werden wollte. In den Protokollen der Augusta findet sich
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. September 1783, Lehrlingsloge, Bl. 95, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 17. Juli 1782, Lehrlingsloge, Bl. 66, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 30, S. 1.
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kein Fall, in dem ein Anwärter so kurz vor dem Ziel zurückschreckte und auf seine Aufnahme verzichtete.²⁴⁰ Mit abgelegtem Eid am Altar galt der Anwärter als rezipiert und war nun ein Lehrling und Mitglied der Loge. Bevor er jedoch an den maurerischen Arbeiten teilnehmen konnte, musste der neuaufgenommene Lehrling erst ordnungsgemäß gekleidet werden. Dazu verließ er noch einmal den Tempel. Nach seiner Rückkehr trat der Lehrling erneut vor den Altar: Nachdem nun der neu aufgenommene Br[uder] gekleidet war und in Loge zurück trat so redete der ehrw[ürdige] Meister v[om] Stuhl denselben mit einer kurzen besonderen Ermahnungsrede an und trug demnach dem Br[uder] erster Vorsteher, die Erklärung des Teppichs auf und nahm hierauf den Catechismus vor.²⁴¹
Der Bearbeitung des Katechismus maß man einen besonderen Stellenwert bei, wie eine Ermahnung Koppes aus dem Oktober 1780 belegt: Denen neu aufgenommenen Br[üdern] zeigte der ehrw[ürdige] Meister an, daß die Fragen des Catechismus jetzt vorgenommen werden würden und empfahl die Aufmerksamkeit.²⁴²
Neben den Bildern des Teppichs erläuterte man dem Neuaufgenommenen nun auch die freimaurerischen Erkennungszeichen: Dem neu aufgenommenen Bruder wurden Zeichen, Worte und Griffe erklärt, und durch den Bruder Schäfer die Bedeutung des Teppichs vorgelesen.²⁴³
Außerdem erhielt er das Zeichen der Loge: Der neu aufgenommene Br[uder] trat gekleidet ein und empfing das Logen Zeichen und der Br[uder] Redner erklährte den Teppig.²⁴⁴
Die Frage erscheint als rein rhetorisch. Neben möglicherweise aus Verräterschriften bezogenen Informationen ist natürlich auch möglich, dass Fürsprecher bzw. Paten ihre Schützlinge im Voraus – wenigstens schemenhaft – auf das vorbereiteten, was sie während des Aufnahmerituals erwartete. Das Zurückschrecken eines Anwärters zu so einem späten Zeitpunkt hätte aus Sicht der Gemeinschaft ernsthafte Zweifel an der Urteilskraft des Fürsprechers wecken müssen. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. Februar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 11, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 31, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 26. August 1782, Lehrlingsloge, Bl. 70, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. September 1780, Lehrlingsloge, Bl. 28, S. 1.
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Mit der Erklärung galt die Aufnahme als abgeschlossen.
Weiterführung in den zweiten Grad der Augusta Mit Hilfe der Protokolle ist es zwar möglich, den Ablauf der Zeremonie anlässlich der Weiterführung eines Lehrlings zum Gesellen nachzuzeichnen, Details des Zeremoniells werden aber kaum beschrieben. Insgesamt lässt sich festhalten, dass die Weiterführung zum Gesellen ähnlich der Aufnahme zum Lehrling ablief. Wollte ein Lehrling der Augusta zum Gesellen befördert werden, trat er mit seinem Wunsch an den Meister vom Stuhl oder einen der Beamten heran. Diese entschieden – vermutlich gemeinsam mit den Schottischen Rittern – darüber, ob der Lehrling die Voraussetzungen erfüllte. Der Ablauf dieser Entscheidungsfindung wird in den Protokollen nicht geschildert. Vorausgesetzt wurden angemessenes Betragen inner- und außerhalb der Loge ebenso wie das ,Stehen‘ im Lehrlingsgrad für einen ausreichenden Zeitraum, wie ein Beispiel aus dem August 1780 zeigt: Mit aller Freyde eröffnete der ehrw[ürdige] Meister vom Stuhl eine Loge vom 2ten Grad und zeigte der Versammlung an, daß die Absicht der heutigen Versammlung sey, den Br[uder] Körber aufzunehmen, indem er seyne Zeit als Lehrling aus gehalten habe und sein Verhalten von der Art gewesen, daß er ihn zur Aufnahme in diesen Grad als einen würdigen Bruder empfehlen könne, wie auch viele der Brbr ein gleiches bezeugen könnten.²⁴⁵
Der aus Hannover stammende Jurastudent Justus Körber war zum Zeitpunkt seiner Weiterführung in den zweiten Grad 20 Jahre alt. Im Protokollauszug ist der Hinweis auf Körbers ausreichende Zeit im Lehrlingsgrad deutlich erkennbar. Laut Gläshners Mitgliederliste war er am vierten August 1779, also genau ein Jahr zuvor, in die Loge aufgenommen worden. Weitere Details zur Entscheidungsfindung anlässlich der Weiterführung zum Gesellen lassen sich in einem Protokolleintrag aus dem Jahr 1781 finden: Mit aller Feyer eröffnete der ehrw[ürdige] Meister v[om] St[uhl] eine Loge vom 2ten Gr[ad] und zeigte der Versammlung an, daß unser würdiger Br[uder] von Schlaff den sehnlichen Wunsch geäussert in diesen Gr[ad] geführt zu werden. Er und die Brbr. Beamten hätten dagegen nichts zu erinnern, zumahl da dieser würdige Br[uder] uns bald verlassen wird, und
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. August 1780, Gesellenloge, Bl. 8, S. 1.
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mithin die Aufnahme beschlossen, wenn die Versammlung dagegen nichts zu erinnern haben würde.²⁴⁶
Johann Jacob Carl von Schlaff studierte ebenfalls in Göttingen.²⁴⁷ Seine im Protokoll angesprochene demnächst stattfindende Abreise war entweder nicht dauerhaft, oder sie fand erst Wochen später statt, denn am elften April des Jahres wurde er bereits in den dritten Grad weitergeführt.²⁴⁸ Die Entscheidung über die Weiterführung des Lehrlings wurde nicht in zwei Instanzen, zuerst von den Beamten und dann von den versammelten Gesellen und Meistern, getroffen, sondern allein von den Beamten. Die Logenversammlung stimmte anschließend lediglich über den Beschluss der Beamten ab. Ein negatives Votum der Versammlung wandte sich damit nicht nur gegen den Lehrling, sondern auch gegen die Entscheidung der Beamten. Entsprechend finden sich in den Protokollen keine Hinweise darauf, dass die Entscheidungen je in Frage gestellt worden wären. Bei der Abstimmung über den Entschluss der Beamten scheint nicht die Ballotage benutzt worden zu sein. Stattdessen wurde offenbar eine einfache Abstimmung abgehalten, wie das Beispiel der Weiterführung Arnold Hermann Ludwig Heerens von 1789 zeigt: Am heutigen Joh[annis] Feste eröffnete der S[ehr] E[hrwürdige] Mstr. v[om] St[uhl] die Gesel[len] Loge mit den gewöhnl[ichen] Feyerlichkeiten, und zeigte den gegenwärtigen Brüdern an, daß die Absicht dieser Versammlung geschehe, den Br[uder] Lehrl[ing] Heeren in diesen Grad aufzunehmen, wenn Niemand etwas dagegen zu erinnern habe, und die Brbr. Vorsteher frugen in ihren Colonnen darum nach, wo dann auch nichts dagegen erinnert wurde …²⁴⁹
Diese offene, nicht anonyme Abstimmung erhöhte den Druck auf die Mitglieder der Gesellenloge zusätzlich.²⁵⁰ Nachdem die Vorsteher ihr Amt ausgeübt hatten und die versammelten Gesellen und Meister ihre Zustimmung zur Weiterführung
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. März 1781, Gesellenloge, Bl. 12, S. 1. Der aus Wismar stammende von Schlaff war unter der Matrikelnummer 9926 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 211. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 11. April 1781, Meisterloge, unpag. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1789, Gesellenloge, Bl. 38, S. 2. Vgl. Kap. 6.
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4 Rituale und ihre Geschichte
gegeben hatten, begann die eigentliche Zeremonie der Weiterführung aus dem ersten in den zweiten Grad. Der Zeremonienmeister wurde zum Lehrling gesandt, um ihm mitzuteilen, dass seine Weiterführung bewilligt worden war und sogleich die Rezeptionsgebühren von ihm zu erheben. Diese betrugen 20 Reichstaler und waren damit etwas niedriger als bei der Aufnahme zum Lehrling. Danach wurde der Lehrling vom Zeremonienmeister auf die Aufnahme vorbereitet: Der ehrw[ürdige] Meister trug hierauf den Br[uder] Ruhlender als demahligen Ceremonien Meister auf, den Adep[ten] den Beschluß der Loge bekannt zu machen und zugleich zu dem Schritt vorzubereiten ….²⁵¹
In einem Vorraum des Tempels bereitete der Zeremonienmeister – manchmal übernahm auch der Redner dieses Amt – den Lehrling auf seine Weiterführung vor. Über die Art dieser Vorbereitung geben die Protokolle keine Auskunft. Die Zeit während der Vorbereitung des Lehrlings durch Zeremonienmeister oder Redner wurde vom Meister vom Stuhl dazu genutzt, den Katechismus zu wiederholen. Dass es sich dabei um den Katechismus des Gesellengrads handelte, zeigt sich in einem Protokoll aus dem Jahr 1785: Der Br[uder] Redner verfügte sich also zum Adspiranten um ihn zu präparieren. Unter währender Zeit wurde von dem S[ehr] E[hrwürdigen] Mstr. v[om] St[uhl] der Gesellen Cathechismus verlesen.²⁵²
In einigen Fällen wurden anstatt des Katechismus eingegangene Schreiben von auswärtigen Logen bekannt gemacht – anstehende Arbeiten wurden also in den Rahmen des Rituals eingebettet. Nachdem die Präparation des Lehrlings abgeschlossen war, kehrte der vorbereitende Bruder in die Loge zurück: … der Br[uder] Praeparateur trat mit der Versicherung und Anzeige in Loge zurück, daß er den Adep[ten] gehörig vorzubereiten nicht verfehlt habe und gab die Zeichen der Unterwürfigkeit am Stuhl ab.²⁵³
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. August 1780, Gesellenloge, Bl. 8, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 4. Mai 1785, Gesellenloge, Bl. 33, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. September 1780, Gesellenloge, Bl. 9, S. 1.
4.2 Rezeption und Weiterführung in der Augusta
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Die Zeichen der Unterwürfigkeit waren wie bei der Aufnahme zum Lehrling auch das Aushändigen von Hut und Degen, wie ein Eintrag aus dem Dezember 1791 deutlich macht: Bei seiner Zurückkunft versicherte er den Suchenden vorbereitet gefunden zu haben und überreichte dessen Huth und Degen als Pfände des Gehorsams.²⁵⁴
Deutlich wird die Bedeutung von Hut und Degen als symbolischem Faustpfand, aber auch als Verzicht auf gesellschaftliche Rechte und Standesbewusstsein innerhalb der Versammlung.²⁵⁵ Nach Abschluss der Vorbereitung des Weiterzuführenden wurde dieser an die Loge geführt, meldete sich an und wurde vom Zeremonienmeister eingeführt: Es ward derselbe also auf die gewöhnliche Weise zur Loge geführt, vollendete seine maurerischen Reisen, näherte sich gehörig dem Altar und versicherte mit einem Handschlage auch die Pflichten dieses neuen Grades zu erfüllen, und dessen Geheimnisse jedem zu verschweigen, worauf er dann vom ehrwürdigen Meister vom Stuhl in der Erkennungsart dieses Grades unterrichtet wurde.²⁵⁶
Auch bei der Weiterführung zum Gesellen waren die symbolischen Reisen um den Teppich ein zentrales Element; wie oft der Teppich umrundet werden musste, wird jedoch nicht beschrieben. Nachdem die Reisen abgeschlossen waren, gelangte der Weiterzuführende vor dem Altar an, wo er den Gesellenschwur ablegte. Der Protokolleintrag gibt einen kleinen Einblick in die Inhalte des Schwurs: Pflichterfüllung und Geheimhaltung waren – wie beim Lehrlingseid – zentrale Elemente. Der „Handschlag“ zeigt deutlich, dass der Weiterzuführende nicht mehr als „Suchender“, sondern als Bruder angesehen wurde. Mit abgelegtem Schwur galt die Weiterführung als abgeschlossen. Der Teppich des Gesellengrads wurde erläutert: Nachdem sie unseren Gebräuchen gemäß … in den Gesellengrad aufgenommen, und mit den Pflichten desselben bekannt gemacht worden, erklärte ihnen der Bruder Redner die Hieroglyphen des Teppichs.²⁵⁷
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Dezember 1791, Gesellenloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 49, S. 1. Vgl. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 129 ff. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Dezember 1791, Gesellenloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 49, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 16. April 1783, Gesellenloge, Bl. 25, S. 1.
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4 Rituale und ihre Geschichte
Nach der Erklärung des Teppichs wurde durch den Meister vom Stuhl häufig der Katechismus des Gesellengrads vorgetragen. Mit der Vermittlung des Wissens des Gesellengrads galt die Weiterführung in den zweiten Grad als abgeschlossen.
Weiterführung in den dritten Grad der Augusta Wie Lehrlinge mussten sich auch Gesellen entweder beim Meister vom Stuhl oder einem der Beamten melden und dabei den Wunsch nach ihrer Weiterführung mitteilen: Eine Meisterloge eröffnete der ehrwürdige Meister mit aller Feierlichkeit und zeigte an, dass der Bruder Panse den Apotecer zu Nörten der bereits vor einiger Zeit, sich zur Aufnahme in diesen Grad gemeldet, den der Bruder Borkenstein besonders empfohlen, aber ihm und die Beamten der Loge bewogen, ihn heute zu recipieren …²⁵⁸
Johan Carl Panse hatte sich selbst bei den Beamten der Loge gemeldet. Diese schienen seinem Wunsch zunächst skeptisch gegenüber gestanden zu haben, ließen sich jedoch durch die Fürsprache Levin Heinrich Leopold Borckensteins dazu bewegen, den Apotheker doch in den dritten Grad aufzunehmen. Der Nörtener Amtmann war Panses Schwager – familiäre Beziehungen waren demnach auch beim Aufstieg innerhalb der Logenhierarchie hilfreich. Unter den erhaltenen Protokollen des Meistergrads der Loge Augusta findet sich eine besonders detailliert beschriebene Weiterführung in den dritten Grad: Ende September 1785 wurde der aus Osnabrück stammende Jurastudent Albert Schilgen wenige Tage vor seinem 22. Geburtstag in den dritten Grad weitergeführt.²⁵⁹ Die Ähnlichkeit des Rituals zu denen bei der Lehrlingsrezeption und der Weiterführung zum Gesellen lassen Rückschlüsse auf den Ablauf der Rituale in den niederen Graden ziehen. Nachdem die Beamten eine Weiterführung zum Meister gestattet hatten, holten sie die Zustimmung der Logenversammlung ein: … und preponierte den Brüdern den Bruder Schilgen in diesen Grad unseres Ordens aufzunehmen, womit sämtliche anwesenden Brüder nach geschehener Umfrage zufrieden waren.²⁶⁰
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. Mai 1782, Meisterloge, unpag. Schilgen war unter der Matrikelnummer 13310 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 276. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 28. September 1785, Meisterloge, unpag.
4.2 Rezeption und Weiterführung in der Augusta
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Diese „Umfrage“ wurde – wie in der Gesellenloge auch – durch die beiden Vorsteher durchgeführt.²⁶¹ Nach eingeholter Zustimmung der Logenversammlung konnte das eigentliche Ritual beginnen. Der Redner wurde abgesandt, um den Gesellen auf die Zeremonie vorzubereiten: Es wurde dahero der Bruder Schönn, Redner, abgesandt, ihn dazu vorzubereiten, worauf, nachdem dieser zurück gekommen und als Pfründe seines Gehorsams, Hut und Degen überbracht hatte, der Bruder Schilgen herumgeführt ….²⁶²
Nachdem der Geselle mit Abgabe von Hut und Degen für alle sichtbar seine Bereitschaft angezeigt hatte, sich dem Zeremoniell zu unterwerfen, wurde er an die Loge geführt. Auf die bei der Aufnahme in die Loge an dieser Stelle an den Anwärter gestellten Fragen nach seiner Person wurde anscheinend verzichtet. Die rituellen Fragen zwischen zweitem Aufseher und Meister vom Stuhl, während der Geselle vor der Tür wartete, sind in den Protokollen nicht beschrieben. Nachdem der Geselle die Meisterloge betreten hatte, folgten die rituellen Reisen: Er machte die dreimalige Reise, und wurde hierauf vor den sehr ehrwürdigen Meister vom Stuhl gelassen, der ihm den Eid vorlas, den der Bruder zu halten versprach.²⁶³
Nach der dreimaligen Umrundung des Teppichs wurde der Adept über den Teppich vor den Altar geführt. Hier fuhr der Meister vom Stuhl mit der Zeremonie fort. Er verlas den Eid, den der Weiterzuführende leistete und den er zu befolgen versprach. Hierauf erzählte ihm der sehr ehrwürdige Meister die traurige Geschichte des Ordens, und weckte ihn durch die Kraft des Wortes Cassia.²⁶⁴
Der Begriff der „traurigen Geschichte des Ordens“ bezieht sich vermutlich auf die Hiramslegende, das Wiedererwecken auf das Aufrichten des Niedergeschlagenen mit dem Meistergriff. Die Augusta scheint den Begriff „Cassia“ als Meisterwort verwendet zu haben, nicht „Mach-Benak“. ²⁶⁵ Im Ritual des Meistergrads der
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1789, Meisterloge, unpag. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 28. September 1785, Meisterloge, unpag. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 28. September 1785, Meisterloge, unpag. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 28. September 1785, Meisterloge, unpag. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 185.
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4 Rituale und ihre Geschichte
Strikten Observanz symbolisierte die Kassie (Cassia), die Süße Akazie, Leben und Fortbestand der Freimaurerei nach der Ermordung Hirams.²⁶⁶ Mit der Weitergabe des geheimen Worts galt der Adept als Meister, es folgte die zeremonielle Weitergabe des Wissens des Meistergrades: Der sehr ehrwürdige Meister vom Stuhl nahm ihn zum Meister an, und wurden ihm nach vorheriger Entdeckung des Wortes und der Zeichen des dritten Grades und deren Wiederholung an die beiden Brüder Vorsteher, der Teppich von dem Bruder Redner erklärt, und hierauf von dem selben der Meister Katechismus vorgelesen, sodann, nachdem auf geschehener Anfrage keiner der Brüder etwas vorzutragen hatte, die Loge von den sehr ehrwürdigen Meister vom Stuhl geschlossen.²⁶⁷
Die beiden Vorsteher demonstrierten nunmehr die weiteren Zeichen des Meistergrads. Dazu gehörten neben dem bereits vermittelten Wort auch Griff und Zeichen. Der Redner erklärte den Teppich und verlas den Katechismus des Meistergrades, womit die Aufnahmezeremonie abgeschlossen war.
Weiterführung in den vierten Grad Protokolle zu Versammlungen der Schottenloge der Augusta sind für die Jahre 1779 bis 1785 erhalten. Die erhaltenen Dokumente deuten darauf hin, dass die Versammlung des vierten Grads in diesen Jahren sehr unregelmäßig zusammenkam: Zwischen den einzelnen Treffen vergingen teils mehrere Monate, manchmal aber auch nur wenige Tage. Die Zusammenkünfte wurden demnach wahrscheinlich nach Bedarf einberufen, wenn einem Mitglied der vierte Grad erteilte werden sollte oder organisatorische Entscheidungen anstanden. Die Weiterführung eines Meisters der Johannisgrade in den vierten Grad stellte ein wichtiges, wenn auch seltenes Ereignis dar. Basierend auf Gläshners Mitgliederliste lassen sich seit 1765 fünfzig Mitglieder des vierten Grads nachweisen. Dies führt dazu, dass sich der Verlauf des Weiterführungsrituals der Schottenloge nur aus wenigen Dokumenten ableiten lässt. Anfang Oktober 1780 wurde der ursprünglich aus Sachsen stammende Hofarzt August Gottlieb Richter in den vierten Grad weitergeführt: Der S[ehr] E[hrwürdige] Meister v[om] Stuhl eröfnete um zwey Uhr eine gerechte und vollkommene Schottische Loge mit allen Feyerlichkeiten der Maurerey, und that den anwesen-
Feddersen, Rituale des Hohen Ordens vom heiligen Tempel zu Jerusalem, S. 28. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 28. September 1785, Meisterloge, unpag.
4.2 Rezeption und Weiterführung in der Augusta
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den Brbr. kund, daß sie zur weiter Fortführung des S[ehr] E[hrwürdigen] Br[uder] Leibmedicus Richter angestellt sey, wogegen keiner von den anwesenden Brbr. etwas zu erinnern hatte.²⁶⁸
Koppe betonte in seiner Ansprache anlässlich der Eröffnung der Loge, dass diese eigens zur Weiterführung Richters einberufen worden war, was die These, dass Versammlungen des vierten Grads vergleichsweise selten stattfanden, stützt. Wie in den drei Johannisgraden, hatten auch die Schottischen Ritter Gelegenheit, gegen die Weiterführung eines Anwärters in ihren Grad Einspruch zu erheben. Eine derartige Befragung ist anlässlich der Weiterführung Johann Carl Gottlieb Hentzes nachweisbar, zu der sich neben Koppe und den beiden Aufsehern sechs weitere Mitglieder des vierten Grads versammelt hatten: … dieser würdige Br[uder] habe auch darum nachgesucht und heute würde dieser Br[uder] aufgenommen werden, wenn gegen diese Aufnahme nichts zu erinnern sey. Die Brbr. Vorsteher wurden erinnert herum zu fragen und zeigten an, daß die Aufnahme algemein beliebt sey.²⁶⁹
Zurück zur Weiterführung Richters. Nachdem die Brüder ihre Zustimmung gegeben hatten, wurde einem Bruder die Vorbereitung des Adepten aufgetragen: Dem S[ehr] E[hrwürdigen] Br[uder] Dietz wurde die Praeparation aufgetragen, und stattete den S[ehr] E[hrwürdige] Meister den Bericht ab, daß der Br[uder] Richter sich allen ihm auferlegten Pflichten ergäbe, und bereit wäre das zu vernehmen, was der Orden über ihn beschloßen hätte.²⁷⁰
Während der Vorbereitungszeit zahlte der Weiterzuführende die Rezeptionsgebühren. Hinweise auf das Ablegen von Hut und Degen finden sich anlässlich der Weiterführung zum Schottischen Meister nicht. Der Protokollausschnitt zeigt in der Formulierung „… bereit wäre das zu vernehmen, was der Orden über ihn beschlossen hätte …“ deutlich, dass die Unterwerfung auch zentrales Element des Rituals der Weiterführung in den vierten Grad war. Möglicherweise handelt es sich hier auf einen Hinweis auf den in der Literatur beschriebenen Urteilsspruch über den Anwärter.
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. Oktober 1780, Schottenloge, Bl. 10, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Dezember 1779, Schottenloge, Bl. 5, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. Oktober 1780, Schottenloge, Bl. 10, S. 1.
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4 Rituale und ihre Geschichte
Der Meister wurde nun in die Loge geführt. Im Juni 1779 legte der Rotenkirchener Amtmann Ludwig Anton Hüpeden den Eid des Schottischen Ritters ab: … so wart der Asp[irant] eingeführt und nach angehörtem Eyde, empfing der Asp[irant] nach dem neuen Rituale am Stuhl den Schottischen Meister-Grad.²⁷¹
Die Fesselung oder die Andeutung des Hängens des Angeklagten werden nicht beschrieben. Mit Ablegen des Eids galt die Weiterführung als abgeschlossen. Dem neuen schottischen Meister wurden nun die Geheimnisse des vierten Grades enthüllt: Der S[ehr] E[hrwürdige] Meister ertheilte frommen Unterricht der Bezihung auf die Erklährung des Teppichs hatte und trug den Br[uder] von Floriancourt die Erklährung desselben auf. Die Fragen des Catechismus wurden hierauf vorgenommen …²⁷²
Als Bekleidung erhielt der neue Schottische Meister den Schurz des vierten Grads; Handschuhe werden in den erhaltenen Protokollen nicht erwähnt.²⁷³ Auch im vierten Grad wurde nach Abschluss des Rituals der Katechismus bearbeitet. Die letzte anhand der Protokollbücher nachweisbare Loge des vierten Grads fand am 24. Juni 1783, also an einem Johannistag, statt. Aus den darauf folgenden Jahren finden sich im Nachlass der Augusta nur noch einzelne Protokolle zu Versammlungen des vierten Grads, die im Zusammenhang mit Streitigkeiten stehen, die im Herbst 1785 um den Vorsitz über die Loge ausbrachen.²⁷⁴ Auch in Göttingen kamen die ohnehin seltenen Arbeiten des vierten Grads nach dem Wilhelmsbader Konvent anscheinend rasch zum Erliegen. Wie in der Loge Zum weißen Pferde blieb die ehemalige Versammlung des vierten Grads jedoch als das die Loge führende Gremium erhalten.²⁷⁵
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1779, Schottenloge, Bl. 1, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. Oktober 1780, Schottenloge, Bl. 10, S. 1. Vgl. die Aufnahme Johann Heinrich von Scheithers in den vierten Grad in Kap. 4. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge, Bl. 7, S. 1 f. Näheren Einblick in die Geschehnisse in und um die Versammlungen des vierten Grads nach 1783 erlaubt die Rekonstruktion des „Fall Spittler“ in Kapitel 8.4. Voigts, Geschichte der g. u. v. Freimaurerloge Friedrich zum weißen Pferde im Orient von Hanover, S. 80.
4.3 Rezeption und Weiterführung im Goldenen Zirkel
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4.3 Rezeption und Weiterführung im Goldenen Zirkel Anders als die Augusta bearbeitete die jüngere Göttinger Loge nur die drei Johannisgrade. Die Protokolle der Loge enthalten keinerlei Hinweise zu den Andreasgraden des Zinnendorf’schen Systems.²⁷⁶ War eine Person an der Mitgliedschaft in der Loge Zum goldenen Zirkel interessiert, bestanden im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, diesen Wunsch zu kommunizieren. Entweder der Interessent trat direkt an einen der Beamten heran, der seinen Wunsch dann dem Meister vom Stuhl mitteilte, welcher dieses Ansinnen seinerseits dann wiederum in der Lehrlingsloge verkündete.²⁷⁷ Oder, was häufiger der Fall war, der Interessierte sprach einen Freund oder Bekannten an, der bereits Mitglied der Loge war und den Wunsch entsprechend weiterleitete. Es finden sich allerdings auch Fälle, in denen anscheinend Anwärter direkt von ihren Bekannten der Loge vorgestellt wurden, ohne vorher die Beamten informiert zu haben. Dass dieses selbstbewusste Auftreten respektiert wurde, könnte auf ein hohes Ansehen des Anwärters und seines Fürsprechers hindeuten. Im Herbst 1783 kam es während einer Lehrlingsloge zur Proposition von gleich drei Anwärtern auf die Logenmitgliedschaft: Der hochw[ürdige] Großmeister schlug darauf nahmens des Bruders Meisners den Herrn Ostmann aus dem hannoverschen und H[errn] Wächter aus Hamburg zur Aufnahme vor. Der w[ürdige] Br[uder] Schmalz schlug den Herrn Marcard aus Stade, welcher bei dem w[ürdigen] Br[uder] Bartels logiere zur Aufnahme vor.²⁷⁸
Im Auftrag des Mitglieds Georg Ludwig Carl Meisner schlug der Meister vom Stuhl die Anwärter Ostmann und Georg Philipp Ludwig Leonhardt Wächter vor.²⁷⁹ Theodor Heinrich Anton Schmalz (1760 – 1831) wandte sich bei seiner Proposition dagegen direkt an die Loge, und wies darauf hin, dass er und der Bruder Bartels den Anwärter bereits kennen würden. Der Hinweis Schmalz’ darauf, dass Marcard bei Bartels wohne, zeigt hier eine Möglichkeit, wie Freimaurer und Nicht-Maurer
Vgl. Kap. 3. Geschah dies, war es ein Hinweis auf mangelnde Verschwiegenheit. Ein Außenstehender sollte eigentlich nicht wissen, wer Mitglied der Loge, geschweige denn Beamter war. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 28. November 1783, Lehrlingsloge, Bl. 119, S.1. Der aus Uelzen stammende Wächter war unter der Matrikelnummer 13073 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Meisner wurde unter der Matrikelnummer 12716 aufgeführt. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 265 und 272.
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4 Rituale und ihre Geschichte
gerade in Universitätsstädten außerhalb der Loge in Kontakt kamen und dies schließlich zur Rezeption in die Loge führen konnte.²⁸⁰ Zwischen der Bekanntmachung eines Beitrittsgesuchs und der Ballotage vergingen in der Regel vier Wochen.²⁸¹ Während dieser Zeit überprüften die Mitglieder der Loge das Verhalten des neu vorgeschlagenen Anwärters: Der hochw[ürdige] deput[ierte] zeigte an daß sich bey hochw[ürdigen] Br[uder] Großmeister Behm der Cornet Marcard ein leiblicher Bruder unseres hier sich aufhaltenden Bruder Marcard sich zur Aufnahme gemeldet, welchen er also der Loge vorschlagen wolle, damit sich die Brüder nach seiner Aufführung erkundigen könnten. Der hochw[ürdige] deput[ierte] schlug ferner zur Aufnahme vor. 1) den Herrn Freikorporal Brunsich der nächstens als Fändrich mit dem ersten Transport Hessen nach Amerika abgehen würde, und 2) den Herrn Betholz welcher bey dem Notarius Behrens logire. Der würdige Bruder Krock schlug Herrn Munnich zur Aufnahme vor. Die Brüder wurden ersucht sich nach allen diesen vorgeschlagenen Herrn sorgfältig zu erkundigen.²⁸²
Die Gemeinschaft sollte sich einen Eindruck von dem vorgeschlagenen Anwärter verschaffen, aber auch der Anwärter hatte noch einmal Gelegenheit, seinen Entschluss zu überdenken, denn die Mitgliedschaft in einer Loge brachte nicht nur Vorteile, sondern auch Verpflichtungen mit sich.²⁸³ Julius Johann Carl Marcard wünschte – wie seine beiden Brüder Matthias Conrad und Adolph Anton Friedrich – Mitglied der Göttinger Loge werden; seine Aufnahme fand fünf Wochen nach der seiner Brüder statt und verdeutlicht, dass innerhalb der Loge familiäre Seilschaften existierten.²⁸⁴ Ebenso interessant ist der Fall des hessischen Soldaten Brunsich. Sein Name taucht in der Mitgliederliste nicht auf, doch nur drei Wochen nach seiner Proposition wurde der hessische Fähnrich Wilhelm Nicolaus Adam von Brunn als Lehrling in die Loge aufgenommen, für den sich aber kein Eintrag über seinen Vorschlag findet.²⁸⁵ Nach von Ein Mitglied namens Bartels lässt sich in der Mitgliederliste des Goldenen Zirkels nicht nachweisen. Möglicherweise liegt hier ein Fehler des Protokollanten vor. Allerdings hatte die Augusta ein Mitglied dieses Namens. Vgl. Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 12. November 1779 und 15. August 1781, Lehrlingslogen, Bl. 12, S. 2. und Bl. 61, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 21. Februar 1781, Lehrlingsloge, Bl. 47, S. 1. Vgl. Kap. 7. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 28. März 1781, Lehrlingsloge, Bl. 50, S. 2. Adolph Anton Marcard war unter der Matrikelnummer 11626, Julius Johann Carl Marcard unter der Matrikelnummer 12144 und Matthias Conrad Marcard unter der Matrikelnummer 10266 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 218, 244 und 254. Vgl. Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel, vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 14. März 1781, Lehrlingsloge, Bl. 49, S. 1.
4.3 Rezeption und Weiterführung im Goldenen Zirkel
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Brunns Aufnahme fällt sein Name in den Protokollen nicht mehr, so dass es sich trotz abweichender Schreibweise vermutlich bei Brunsich und von Brunn um dieselbe Person handelte. Die Sekretäre brachten ihre Notizen nach Gehör zu Papier – und machten entsprechend Fehler.²⁸⁶ Über Wächters Aufnahme wurde am 23. Dezember 1783 ballotiert, also etwa dreieinhalb Wochen nachdem er offiziell zur Aufnahme vorgeschlagen worden war: In der Lehrlingsloge wurden die Umstimmungs Gesetze vorgelesen, und darauf für den den 28ten Novemb[er] vorgeschlagenen H[errn] Wächter die Umstimmung vorgenommen. Es fanden sich die Kugeln insgesamt leuchtend.²⁸⁷
Mit dem einstimmig positiven Votum war der Weg für die Aufnahme des aus Uelzen stammenden Theologiestudenten frei. Zwei Wochen nach der Abstimmung kam es zur Rezeption. Die Loge hatte sich um 17 Uhr versammelt und der Vorsitzende Jäger eröffnete die Versammlung: Der hochw[ürdige] Groß Meister eröffnete die Lehrlingsloge, und machte darauf den Brüdern bekannt, daß heute die Aufnahme des vorgeschlagenen und umstimmten Herrn Wächter vorgenommen werden sollte. Die Brüder von Helmoldt, Althof und Meisner wurden zu Pathen dieses vorgeschlagenen Herrn ernannt.²⁸⁸
Das Amt des ersten Paten wurde üblicherweise von demjenigen Bruder übernommen, der den Anwärter zur Mitgliedschaft vorgeschlagen hatte. Der aus Ihlefeld stammende Meisner aber war zum Zeitpunkt, als er durch den Meister vom Stuhl, Jäger, Wächter zur Mitgliedschaft vorschlagen ließ, selbst noch Geselle.²⁸⁹ Der Pate war Bürge, erste Bezugsperson und Erzieher des neuen Lehrlings in einer Person. Und auch in der Zeremonie der Aufnahme zum Lehrling spielte er eine bedeutende Rolle. Ein wichtiges Amt, das daher nur Mitgliedern des dritten Grads offen stand. Ludwig Christoph Althof war seit dem neunten Dezember 1783 Meister und Hans Carl August von Helmolt hatte bereits seit der Gründungszeit der
Zum Amt des Sekretärs vgl. Johann Joachim Christoph Bode, Nachtrag zu dem Circular-Brief an die S. E. FRMR Logen. Erster Abschnitt. Ideen und Vorschläge zu einigen Gesetzen für die Logen des deutschen Freymaurer-Bundes, 1790, S. 35 ff. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 23. Dezember 1783, Lehrlingsloge, Bl. 122, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Januar 1784, Lehrlingsloge, Bl. 123, S. 2. Das Ihlefeld war eine heute wüst liegende Kleinsiedlung auf dem Kamm des Hainich und gehört heute zur Gemeinde Mülverstedt.
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4 Rituale und ihre Geschichte
Loge 1774 den dritten Grad inne.²⁹⁰ Als „ältester“ Meister übernahm von Helmolt während der Aufnahmezeremonie Wächters daher die Rolle des ersten Paten. Das Ritual zur Aufnahme in den Lehrlingsgrad markiert für den „Suchenden“ die erste Teilnahme an einem freimaurerischen Ritual.²⁹¹ In der „dunklen Kammer“ musste der Suchende einen längeren Zeitraum warten: Der H[och] W[ürdige] eröffnete die Lehrlingsloge, und schickte darauf den Br[uder] Ceremonien Mstr. zum besuchen Br[uder] Capitain Horneburg, ihn zur Loge zu führen, und den hochw[ürdigen] Br[uder] deputierten Mstr. zu dem Suchenden in die dunkle Kammer, ihn zur Aufnahme vorzubereiten.²⁹²
Drei Mal wurde der Suchende in der dunklen Kammer vom einführenden Bruder aufgesucht, der auch als „fürchterlicher Bruder“ bezeichnet wurde. Der Name ist Hinweis auf seine Funktion: Die rituelle Abschreckung des Kandidaten.²⁹³ Die Zeit zwischen den Berichten des einführenden Bruders wurde innerhalb der Loge meist zur Verlesung der in der letzten Zeit eingegangenen Schreiben auswärtiger Logen und Brüder genutzt: Darauf wurde ein Schreiben aus der ehrw[ürdigen] Loge zur Zeder in Hannover verlesen, darin uns die Stiftungsfeier dieser Loge bekannt gemacht wurde. Nachdem wurden die allgemeinen Freimaurer Verordnungen verlesen, und der fürchterliche Bruder stattete von dem Suchenden gehörig Bericht ab.²⁹⁴
Vgl. Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel. Im Protokoll vom August 1780 wird der Anwärter als „Leidender“ bezeichnet, was den Gedanke, dass es sich bei der Aufnahme in die Loge um eine Art von Erlösung handelte, eindrücklich unterstreicht. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. August 1780, Lehrlingsloge, Bl. 31, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 31. Mai 1781, Lehrlingsloge, Bl. 56, S. 1. In den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel findet sich ein einzelner Fall, in dem ein bereits in der Dunklen Kammer wartender Anwärter doch noch vor seiner Rezeption zurückschreckte: „Dieser Suchende Hr. Weber blieb bis dahin daß ihm die Binde vorgemacht werden sollte standhaft. Die Binde brachte ihm Furcht bei, daß er sich einige Minuten Bedenkzeit ausbat, die ihm verstattet wurden, wie diese verflossen, wurde er wieder befragt, ob er noch des Willens sey in den Orden zu treten. Seine Furcht hatte ihn aber noch nicht verlassen, er bat deshalb man möghe ihn noch 4 Wochen erlauben sich zu bedenken, die ihm ebenfalls verstattet wurde, daß er also seinen Abtritt nahm und nichts darüber beschlossen wurde, wie es mit seiner künftigen Aufnahme werden solle.“ Webers Name fällt in den Protokollen danach nicht erneut. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. Januar 1792, Lehrlingsloge, Bl. 124, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Januar 1784, Lehrlingsloge, Bl. 123, S. 2.
4.3 Rezeption und Weiterführung im Goldenen Zirkel
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Die Befragung bestimmte den Takt der Versammlung: Während der einführende Bruder sein Amt beim Anwärter ausübte, erwartete die Loge seinen nächsten Bericht, erstattete der einführende Bruder gerade Bericht, erwartete der Anwärter seine Rückkehr. Im Lauf des Rituals wurde die symbolische Kluft zwischen Loge und Anwärter überwunden und die Gemeinschaft aller Versammelten hergestellt. Beim ersten Besuch wurde der Suchende gefragt, ob er nach wie vor den Wunsch habe der Loge beizutreten. Bejahte der Anwärter dies, stattete der einführende Bruder davon in der Loge Bericht ab: Der Hochw[ürdige] dep[utierte] Meister stattete als fürchterlicher Bruder der ehrw[ürdigen] Loge von dem Suchenden zum erstenmal Bericht ab.²⁹⁵
Nach Abgabe des Berichts, dass der Anwärter weiterhin wünsche aufgenommen zu werden, begab sich der einführende Bruder erneut in die dunkle Kammer. Nach dem zweiten Besuch informierte er die Versammlung erneut darüber, dass der Anwärter weiterhin den Wunsch hätte, Freimaurer zu werden und der Loge beizutreten: Der fürchterliche Bruder berichtete zum 2ten Mahl die Standhaftigkeit des Suchenden.²⁹⁶
Der Meister vom Stuhl sandte den einführenden Bruder nun ein letztes Mal zum Anwärter, damit er diesen auf seinen bevorstehenden Eintritt in die Loge vorbereiten sollte. Zum dritten und letzten Mal erstattete der einführende Bruder der Loge Bericht. Dabei wurde er vom Paten begleitet, der über seine gemeinsam mit dem Anwärter in der Dunklen Kammer verbrachte Zeit berichtete: Der fürchterliche Br[uder] stattete den letzten Bericht vom Suchenden ab, daß er nemlich pprirt sey. Der Br[uder] erster Pathe berichtete, daß d[er] Suchende keine Spur von Neugierde hätte blicken lassen _ u[nd] der fürchterliche Bruder fügte sich zur Einführung desselben wieder zu ihm in die dunkle Kammer.²⁹⁷
Die letzte Vorbereitung durch den einführenden Bruder wird in den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel nicht detailliert beschrieben. Vermutlich hat es sich dabei um das Derangieren der Kleidung und das Verbinden der Augen gehandelt.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 23. Oktober 1781, Lehrlingsloge, Bl. 67, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. März 1780, Lehrlingsloge, Bl. 23, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 30. August 1780, Lehrlingsloge, Bl. 32, S. 2.
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4 Rituale und ihre Geschichte
Nachdem der einführende Bruder den Anwärter vorbereitet hatte, folgte die Einführung des „Suchenden“. Das Anklopfen des Anwärters wird in den Protokollen nicht geschildert. Dass es vermutlich stattgefunden hat, lässt sich daraus schließen, dass die bei Hasselmann und Maurice beschriebene Vorstellung des Anwärters an diesem Punkt stattfand.²⁹⁸ Im Protokoll wurden an chronologisch passender Stelle die persönlichen Daten des Anwärters notiert: Taufname, Familienname, der Name seines Vaters, sein Alter, Geburtstag, die konfessionelle Zugehörigkeit, der Beruf, die Herkunft sowie der Geburtsort.²⁹⁹ Neben den persönlichen Daten legte man großen Wert darauf, dass der Anwärter der Loge freiwillig beitrat. Daher wurde im Protokoll das rituelle Bekenntnis des Anwärters festgehalten. Dieser musste bejahen, dass er: … nie in einem bekannten oder unbekannten Orden gewesen den ein wahrer Eifer zu uns geführt hat, und keine nichtige Neugierde, der auch von Niemandem gereitzt gelockt oder überredet worden …³⁰⁰
Deutlich wird der Versuch der Loge, sich gegenüber anderen Sozietäten abzugrenzen. Dieses Vorgehen richtete sich primär gegen die unter den Studierenden so populären Orden und Landsmannschaften.³⁰¹ Daneben sollte aber auch das unwissentliche Abwerben von Mitgliedern anderer Logen verhindert werden, was unweigerlich zu Konflikten geführt hätte.³⁰² In Göttingen war dieser Anspruch schwer durchzusetzen, da viele junge Männer in die Stadt strömten, deren Herkunft wohl nicht immer zweifelsfrei nachgewiesen werden konnte. Es muss davon ausgegangen werden, dass beide Logen – unwissentlich – Mitglieder rezipierten,
Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 19, Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 168. Vgl. hierzu auch die Fragen, die an Anwärter gestellt wurden: „Mein Herr! Wie ist Ihr Taufname? Ihr Geschlechtsname? Ihres Vaters Name? Wie alt sind Sie? An welchem Tag u. in welchem Jahre sind Sie geboren? Welches ist Ihr Geburtsort? Zu welcher Religion bekennen Sie sich? Von welcher Abkunft sind Sie? Was bekleiden Sie für ein Amt? Sind sie je in einem heimlichen oder öffentlichen Orden aufgenommen worden? Hat keine echte Neugierde Teil an Ihrem Entschluss? Es ist also ein fester und wohl überlegter Wille, der Sie zu uns führt? „ GStA PK, Freimaurer, 5.2. B 53 Nr. 1. Transkription von Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 622. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 12. April 1780, Lehrlingsloge, Bl. 26, S. 2. Ende 1792 kam es allerdings zur wissentlichen Aufnahme eines ehemaligen Mitglieds einer studentischen Sozietät. Vgl. Kap. 6. sowie Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Dezember 1792, Lehrlingsloge, Bl. 134, S. 1. Vgl. Kap. 3.
4.3 Rezeption und Weiterführung im Goldenen Zirkel
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die bereits zuvor Mitglieder anderer Sozietäten gewesen waren, ihre Vorgeschichte aber verschwiegen. Es folgten die drei Reisen und das Ablegen des Lehrlingseids: Nachdem nun der Suchende die 3 Reisen als Maurer gemacht hatte und die die 3 gewöhnl[ichen] Schritte sich dem Altar genähert hatte, das Lehrlings-Gelübde abzulegen.³⁰³
Der Zeremonienmeister führte den Anwärter vor den Altar, wobei der Anwärter mit drei Schritten den Teppich überquerte. Vor dem Altar angekommen, wandte sich der Meister vom Stuhl an den Anwärter und sprach ihm den Lehrlingseid vor. Nachdem der Anwärter den Eid abgelegt hatte, nahm man ihm die Augenbinde ab: Und nachdem dieß geschehen war, ward d[er] Neuaufgenommenen die Augen geöffnet und selbiger wurde zum 2ten Mal zum Altar geführt. Und wieder zu den Pforten des Tempels gebracht, und von da ins Ankleidungs-Zimmer.³⁰⁴
Mit dem Ablegen des Eides und der Lichterteilung war der rituelle Teil der Aufnahme vollzogen. Dem neuen Lehrling wurde die Augenbinde abgenommen und er sah zum ersten Mal seine Logenbrüder und den Tempel. Gemeinsam mit dem Neuaufgenommenen begab sich der Zeremonienmeister in das an den Tempel grenzende „Ankleidungs-Zimmer“. Nachdem seine Kleidung gerichtet worden war, wurde der Neuaufgenommene ein zweites Mal an den Altar geführt: Nach geschehener Aufnahme wurde der Neuaufgenommene zum Altar geführt, da ihm der Hochw[ürdige] die Ordenskleidung überreichte, und welche ihm vom Br[uder] Ceremonien Mstr. angelegt wurde.³⁰⁵
Mit dem Anlegen der Lehrlingskleidung war der Neuaufgenommene nun auch sichtbar vollwertiges Mitglied der Loge. Nachdem der Zeremonienmeister dem neuaufgenommenen Lehrling gezeigt hatte, wie er sich ordnungsgemäß zu kleiden hatte, folgte der letzte Schritt seiner Aufnahme: Der Neuaufgenommene Bruder sowohl, als der Bruder Schmidt wurden beide zwischen die Aufseher gebracht, wo ihnen die Erklärung der Zeremonien, welche bei der Aufnahme vorgefallen, vom Br[uder] Redner vorgelesen wurde, ebenfalls las der Br[uder] Redner die Erklärung der Lehrlingstafel. Ferner wurde beiden Brüdern von mir als dem Secretair die
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. Mai 1780, Lehrlingsloge, Bl. 27, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. Mai 1780, Lehrlingsloge, Bl. 27, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 7. November 1781, Lehrlingsloge, Bl. 68, S. 1.
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4 Rituale und ihre Geschichte
Erkennungsart vorgelesen, und die Brüder Aufseher unterrichteten sie in Zeichen, Griff und Wort. Darauf wurden vom hochw[ürdigen] GroßMstr. die Fragen für Freimaurer Ritter und Lehrlinge vorgelesen. Der hochw[ürdige] dep[utierte] Mstr. las die Fragen über die allegorischen Figuren welche auf der Tafel verzeichnet sind, vor.³⁰⁶
Der Neuaufgenommene wurde in all dem Wissen unterrichtet, das er benötigte, um die Symbole und Zeremonien des Lehrlingsgrads zu verstehen.³⁰⁷ Nach den Erläuterungen wurde ihm ein Platz unter den Brüdern zugewiesen: D[er] H[och] W[ürdige] führte darauf den neuaufgenommenen Bruder zum Altar, damit er die Tracht und Zierrath des Ordens annehmen möge kleidete ihn an, und zeigte ihm seinen Platz an.³⁰⁸
Weiterführung zum Gesellen im Goldenen Zirkel Wie im Vorfeld der Aufnahme eines Anwärters zum Lehrling, stimmte die Logenversammlung auch über den Wunsch eines Lehrlings ab, der zum Gesellen weitergeführt werden wollte: Nachdem nun die Lehrlinge abgetreten wurde die Lehrlingsloge in eine Gesellen Loge verwandelt, und vom H[och] W[würdigen] bekannt gemacht, daß die Brüder Lehrlinge 1) Kolb 2) Marcard 3) Hinrichs und 4) Meyer eifrichst wünschten den 2ten Grad unseres ehrw[ürdigen] Ordens zu erhalten welche sämtlich ihre gehörige Zeit gedient ferner wurde noch vom H[och] W[ürdigen] angezeigt daß auch die Brüder Lüders und Caspari eben den Wunsch geäußert hätten, ob sie nun zwar ihre Zeit noch nicht gedient, so könnte man ihnen doch die Umstimmung nicht versagn weil sie beyde Mihelis [Michaelis] abreisten und an Orten kämen wo sie nicht Gelegenheit hätten befördert zu werden.³⁰⁹
Aus dem Ausschnitt geht klar hervor, dass, wer zum Gesellen weitergeführt werden wollte, einen gewissen Zeitraum Lehrling gewesen sein musste. Sowohl Carl David Heinrich Lüders als auch Johann Gottlieb Caspari wurden zu Gesellen weitergeführt, obwohl sie einen kürzeren Zeitraum als die im Protokoll vor ihnen genannten Lehrlinge im ersten Grad „gedient“ hatten. Diese waren bereits seit mindestens neun Monaten Lehrlinge gewesen: Der Kandidat der Theologie Albrecht Kolb war am 18. März 1779 als Lehrling aufgenommen worden,
S. 2. S. 1.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 7. November 1781, Lehrlingsloge, Bl. 68, Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimauer, S. 151. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 7. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 28, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 13. September 1780, Gesellenloge, Bl. 34,
4.3 Rezeption und Weiterführung im Goldenen Zirkel
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der Beflissene der Mathematik Adolph Anton Friedrich Marcard am achten Dezember 1779 sowie der Beflissene der Rechte Johann Christian Hinrichs und der Kanonikus Friedrich Johann Lorenz Meyer beide am 22. Dezember 1779.³¹⁰ Der Beflissene der Rechte Lüders war zum Zeitpunkt der Entscheidung, ihn zum Gesellen weiterzuführen, erst seit drei Monaten Lehrling (siebte Juni 1780), der Justizrat Caspari seit vier Monaten (dritte Mai 1780). Als Argument diente in diesem Fall, dass Lüders und Caspari an ihren neuen Wohnorten keine Weiterführung in höhere Grade erhalten könnten.³¹¹ Drei bis vier Monate im Lehrlingsgrad wurden scheinbar als absolutes Minimum angesehen.³¹² Nachdem der Meister vom Stuhl der Loge den Wunsch der Lehrlings nach Weiterführung bekannt gemacht hatte, kam es zur Abstimmung: Der Hochwürdige berichtete darauf den Brüdern Meistern und Gesellen, daß die w[ürdigen] Bruder Walter und Svenske welche bisher als besuchende Brüder unsere Loge besucht hätten, nicht nur den 2ten Grad unseres Ordens zu besitzen wünschten, sondern auch die Mitgliedschaft unserer Loge, ferner daß sich auch der Bruder Lehrling Nönnchen, der sich bisher als guter Bruder gezeigt den 2ten Grad unseres ehrw[ürdigen] Ordens zu besitzen wünschte. Es wurden daher die Kugeln für diese 3 Lehrlinge einzeln umhergegeben, und sie fanden sich für alle 3 Brüder Lehrlinge insgesamt leuchtend.³¹³
Meist vergingen zwischen Abstimmung und Weiterführung einige Tage oder Wochen, es finden sich aber auch Fälle, in denen die Weiterführungszeremonie sofort nach der erfolgreichen Abstimmung vorgenommen wurde.³¹⁴ Die Weiterführung der Lehrlinge Walter, Svenske und Nönnchen fand fast einen Monat nach der Abstimmung statt.³¹⁵ Am Tag der Weiterführung versammelte sich die Gesellenloge: Nach eröffneter Gesellen Loge wurden der Einführende Bruder zu den Brüder Lehrlinge geschickt sie zu befragen ob sie sich noch den Entschluß hätten, zu Gesellen befördert zu
Vgl. Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel. Hinrichs war unter der Matrikelnummer 11270 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 237. Die Begründung der baldigen Abreise wurde im Zusammenhang mit derart zuvorkommendem Verhalten häufig verwendet. Vgl. Kap. 5. Vgl. Kap. 5. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. Februar 1782, Gesellenloge, Bl. 77, S. 1. Vgl. Kap. 6. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 12. März 1782, Gesellenloge, Bl. 79, S. 1.
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4 Rituale und ihre Geschichte
werden, ihnen zugleich die Ursache ihrer Beförderung bekannt zu machen, und sie dann in den Lehrlingswissenschaften zu prüfen.³¹⁶
Nachdem der einführende Bruder sich versichert hatte, dass der oder die Weiterzuführenden über die Kenntnisse verfügten, um zu Gesellen befördert zu werden, erstattete er der Loge Bericht: Der Introductius Bruder stattete der ehrw[ürdigen] Loge Bericht ab, daß die Lehrlinge die vorgelegten Fragen gehörig beantwortet hätten und daß sie versprächen nach unserm heilgin Gesetze aufs eifrigste zu arbeiten.³¹⁷
Betont wurde manchmal auch der Wunsch der Lehrlinge nach Weiterführung: Der Einführende berichtete daß sämtliche Br[üder] Lehrlinge noch ein sehnliches Verlangen äusserten den 2ten Gtad zu erhalten, auch daß sie versprächen den Gesetzen unseres geheiligten Ordens getreu zu bleiben.³¹⁸
Beide Varianten enthalten einen eindeutigen Verweis auf den von den Weiterzuführenden gewünschten Gehorsam: Wer rezipiert oder weitergeführt werden wollte, musste sich den Gesetzen des Ordens unterwerfen. Sobald der einführende Bruder der Versammlung den anhaltenden Wunsch der Lehrlinge nach Weiterführung und die Bereitschaft zur Unterwerfung versichert hatte, erging an ihn der Auftrag, sich erneut zu den Wartenden zu begeben und sie auf ihren ersten Eintritt in die Gesellenloge vorzubereiten: Es wurde also der einführende Bruder wieder zu diesen Brüdern geschickt sie gehörig zu entkleiden, und sie alsdann zur Loge zu führen.³¹⁹
War die Kleidung der Lehrlinge passend arrangiert, brachte der einführende Bruder die Lehrlinge in die Loge. Das Anklopfen an der Tür der Loge sowie der rituelle Wortwechsel zwischen dem erstem Aufseher und dem Meister vom Stuhl werden in den erhaltenen Protokollen nicht beschrieben.
S. 2. S. 1. S. 2.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 27. September 1780, Gesellenloge, Bl. 35, Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Oktober 1779, Gesellenloge, Bl. 11, Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 23. Juli 1781, Gesellenloge, Bl. 60, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 27. September 1780, Gesellenloge, Bl. 35,
4.3 Rezeption und Weiterführung im Goldenen Zirkel
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In der Gesellenloge folgte nun das eigentliche Ritual zur Aufnahme in den zweiten Grad. Wie schon bei der Aufnahme zum Lehrling mussten die Weiterzuführenden erneut die zeremoniellen Reisen absolvieren: Nachdem nun diese Brüder Lehrlinge die 3 Reise vollbracht hatten, so wurden 1) d[ie] Br[üder] Bulmering 2. Scharnhorst 3. Kühn 4. Schmalz 5. Starck, unter Erinnerung des Lehrlings Eides zum 2ten Grad unseres h[öchst] Ehr. w[ürdigen] Ordens aufgenommen.³²⁰
Bemerkenswert an diesem Protokollauszug vom März 1780 ist die hohe Zahl der während einer Gesellenloge weitergeführten Lehrlinge: Fünf Weiterführungen während einer Versammlung stellten selbst in einer aktiven Gemeinschaft wie der Loge Zum goldenen Zirkel einen Sonderfall dar.³²¹ Die Vorgehensweise bleibt dabei in den Protokollen unklar: Zwar wurde anscheinend jeder Lehrling separat dreimal um den Teppich geführt, wo währenddessen die anderen warteten, wird jedoch nicht näher erläutert. Die Formulierung „und sie alsdann zur Loge zu führen“ kann leicht zur Annahme führen, dass alle Weiterzuführenden gleichzeitig in die Gesellenloge eintraten. In diesem Fall hätten vier Lehrlinge jedoch dem Ritual der Weiterführung als passive Beobachter beigewohnt. Da dies dem Schutz des gradspezifischen Wissens widersprach, muss davon ausgegangen werden, dass sie vor der Tür der Loge warteten und einer nach dem anderen ihre Reisen antraten. Nachdem der letzte Weiterzuführende den Teppich umrundet hatte, legten alle gemeinsam den Eid ab. Mit der Erneuerung des Eids war die Weiterführung zum Gesellen abgeschlossen. Nun war es an der Zeit, die neuaufgenommenen Gesellen ordentlich anzukleiden. Dazu verließen sie in Begleitung des Zeremonienmeisters die Gesellenloge zunächst wieder: Hierauf liessen der H[och] W[ürdige] die neuaufgenommenen Gesellen durch den w[ürdigen] Br[uder] Ceremonien Meister wieder aus der Loge führen, damit sie sich ankleideten. …³²²
Nachdem die derangierte Kleidung wieder gerichtet war, führte der Zeremonienmeister die Gesellen erneut vor die Versammlung: Der w[ürdige] Br[uder] Ceremonien Mstr. brachte die neuaufgenommenen Gesellen nachdem sie sich gekleidet hatten zur Loge, und der H[och] W[ürdige] ließ sie durch denselben zum
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 8. März 1780, Gesellenloge, Bl. 24, S. 2. Die Versammlung am 8. März 1780 dauerte lt. Protokoll von 17 h bis 19:45 h. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Oktober 1779, Gesellenloge, Bl. 11, S. 1.
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4 Rituale und ihre Geschichte
Altar führen wo sie den Gesellen Schmuck erhielten und so gleich von dem Br[uder] Ceremonien Meister als Gesellen gekleidet wurden.³²³
Das erstmalige Anlegen der Gesellentracht, bestehend aus Schurz und Abzeichen, geschah in der Loge vor den Augen der versammelten Meister und Gesellen. Für alle sichtbar wurde der in den zweiten Grad Aufgenommene gleichgestellt. Nach dem Ankleiden folgt als letzter Schritt des Aufnahmerituals die Einweihung des neuen Gesellen in das geheime Wissen des zweiten Grads: Wie dies geschehen, wurden die neuaufgenommenen Gesellen die Aufseher geführt, da ihnen von dem Br[uder] Secretarius die Fragen für Gesellen und die Erkennungs Art vorgelesen wurden.³²⁴
Es folgte, wie schon bei der Aufnahme zum Lehrling, der weitere Unterricht durch die beiden Aufseher: Darauf ließ der H[och] W[ürdige] die neuaufgenommenen Gesellen durch die w[ürdigen] Br[üder] Aufseher in Zeichen Griff und Wort unterrichten, welches die übrigen Brüder untersuchten. Der w[ürdige] Br[uder] Redner musste nach geschehener Untersuchung die Beantwortung desjenigen verlesen was bey ihrer Aufnahme vorgefallen sey, wie auch die Erklärung der Gesellen Tafel. Nach geendigter Vorlesung und die beförderten Br[üder] ihre Plätze eingenommen, laß der hochw[ürdige] Gr[oß] Mstr die besondern und gewöhnliche Fragen für Fr[ei]M[aurer] Mitbrüder und Gesellen selbst vor darauf die Fragen, über die Gesellen Tafel.³²⁵
Weiterführung zum Meister im Goldenen Zirkel Gesellen, die in den dritten Grad weitergeführt werden wollten, mussten sich beim Meister vom Stuhl oder einem der Beamten melden: Der Hochw[ürdige] eröffnete die Meisterloge, und zeigte an daß die Br[üder] Gesellen Amtmann Heinsius, Amtsschreiber Heinsus,Wiese, Frankenberg und der dienende Bruder Proffe
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Oktober 1779, Gesellenloge, Bl. 11, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Oktober 1779, Gesellenloge, Bl. 11, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Oktober 1779, Gesellenloge, Bl. 11, S. 2.
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den Wunsch geäußert hätten, den Meister Grad zu erhalten, da nun gegen dieser Brüder Betragen nichts einzuwenden wäre, so hofte er die Umstimmung vornehmen zu können.³²⁶
Das Betragen spielte eine wichtige Rolle bei der Entscheidung, ob dem Wunsch nach Weiterführung stattgegeben wurde.³²⁷ Der Zeremonien Mstr. mußte also die Kugeln umher geben, bey deren Einsammlung sich dann fand daß sie sowohl für den Br[uder] Marcard als Br[uder] Büchner leuchteten. Der Tag ihrer Aufnahme wurde auf künftigen Sonntag festgesetzt.³²⁸
Nach dem positiven Votum der Versammlung stand der Weiterführung in den zweiten Grad nichts mehr im Weg. Der Jurastudent Adolph Anton Friedrich Marcard und der Juraprofessor Johann Gottfried Sigismund Büchner (1754– 1821) wurden schon vier Tage später befördert.³²⁹ Von der Bekanntgabe des Wunsches nach Weiterführung innerhalb der Loge bis zur Weiterführung vergingen also unter Umständen nur wenige Tage. Anlässlich der Weiterführung von Gesellen in den dritten Grad schmückte man den Tempel: Um 1:30 Uhr nachmittags versammelten sich die Brüder Meister die Aufnahme der Brüder Gesellen Marcard Hinrichs, Meyer und Büchner vorzunehmen, und dieser Aufnahmen wegen, war die Loge in Trauer gekleidet.³³⁰
Dass die Loge „in Trauer gekleidet“ war, nahm Bezug auf das traurige Ereignis der Ermordung Hirams, mittels der die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens verdeutlicht wird.³³¹ Der Meister vom Stuhl eröffnete die Versammlung und sandte
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 27. November 1781, Meisterloge, Bl. 69, S. 2. Offen bleibt bei der Formulierung des Protokolls, ob es dabei nur um das Verhalten innerhalb der Logenbruderschaft ging oder ob auch das Verhalten in der Öffentlichkeit beurteilt wurde. Zweiteres scheint gerade in Göttingen wahrscheinlich, standen doch beide Logen durch die königlichen Edikte unter Druck. Vgl. Kap. 7. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 28. März 1781, Meisterloge, Bl. 51, S. 2. Zu Büchner vgl. Ebel, Catalogus Professorum Gottingensium, S. 63. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. April 1781, Meisterloge, Bl. 52, S. 1. Auch wenn in den Protokollen der Loge Augusta zu den 3 Flammen der Begriff der „in Trauer“ gekleideten Loge nicht fällt, waren Formulierung und Praxis wohl nicht unbekannt. Im 19. Band der Schwedenkiste findet sich im 17. Dokument eine undatierte Handschrift Koppes, in der seine Überlegungen bzw. eine Anrede an die Anwärter auf die drei Johannisgrade erhalten sind. Darin weist Koppe explizit auf die in Trauer drapierte Meisterloge hin: „Die Trauer in welche Sie uns verhüllt sehen; das Todeslager auf dem [sie] gelegen haben, alle die Zeichen der Vergänglichkeit
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4 Rituale und ihre Geschichte
den einführenden Bruder zu den in einem angrenzenden Raum wartenden Gesellen: Nach geschehener Eröfnung wurde der einführende Bruder zu den Brüdern Gesellen geschickt, ihnen die Ursache ihrer Beförderung bekannt zu machen.³³²
Der einführende Bruder begab sich zu den Gesellen, teilte ihnen die Entscheidung der Meisterloge mit und bereitete sie auf das Ritual vor: Dem hochw[ürdigen] dep[utierten] Meister wurde aufgetragen die Brüder Gesellen zur Aufnahme zu präparieren, und sie dann zur Loge zu führen.³³³
Ob und in wieweit die Kleidung des Gesellen verändert wurde, wird in den Protokollen nicht beschrieben. Auch ob eine Befragung der Gesellen nach den Kenntnissen des zweiten Grads stattfand, bleibt unklar. Zunächst erstattete der einführende Bruder von der Vorbereitung ein letztes Mal Bericht in der Loge: … und nachdem er der Loge auf die gehörige Art Bericht abgestattet hatte, wurde von ihm der suchende Br[uder] Gesell Heinrich Albrecht Wiese rücklings zur Loge geführt …³³⁴
Anlässlich des ersten Eintritts in die Meisterloge wurden im Protokoll die persönlichen Daten des Weiterzuführenden detailliert festgehalten und der Anwärter bekundete seinen freien Willen: Der nie Mitglied eines heimlichen oder öffentlichen Ordens gewesen, den ein wahrer Eifer zu uns führt und keine nichtige Neugierde, der auch von Niemanden gereitzt oder gelockt worden, rückwärts zur Meisterloge geführt …³³⁵
Es folgten die rituellen Reisen um den Teppich des Meistergrads: … und nachdem er die 3 Reisen gethan, und die Erneuerung des Lehrlingseides abgelegt, zum Meister Grade aufgenommen.³³⁶
des Menschenlebens, die Sie um sich her erblikken, alles das wir Ihnen vielleicht den Gedanken beybrin[gen] daß das Geheimnis das sie erwarten traurig sey …“. Vgl. Schwedenkiste, 19. Band, Dok. 17. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. April 1781, Meisterloge, Bl. 52, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 26. März 1782, Meisterloge, Bl. 81, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 29. Dezember 1781, Meisterloge, Bl. 72, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 26. März 1782, Meisterloge, Bl. 81, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 26. März 1782, Meisterloge, Bl. 81, S. 2.
4.3 Rezeption und Weiterführung im Goldenen Zirkel
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Im Protokollausschnitt aus dem Jahr 1782 wird das Niederlegen des Anwärters auf dem Sarg und seine „Wiederbelebung“ nicht beschrieben. Hinweise auf den auf dem Teppich des Meistergrads abgebildeten Sarg finden sich in den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel nur an wenigen Stellen, so zum Beispiel im Eintrag zur Weiterführung von Carsten Albrecht Schrödter, Nicolaus Otto von Wickede und Carl Anton Philipp von Zetwitz in den Meistergrad 1780.Wurden in einer Loge mehrere Gesellen gleichzeitig zum Meister weitergeführt, scheint das Ritual mit der Niederlegung des Anwärters am Sarg pausiert zu haben: … der einführende Bruder verfügte sich zum Bruder Gesell Schroedter, um ihn zur Loge zu führen. Als dieser am Sarge niedergelegt war, verfügte sich der einführende Bruder zum Br[uder] Gesell v[on] Wickede, führte ihn zur Loge und wie dieser sich am Sarge niedergelegt hatte, verfügte sich der einführende Bruder zum Br[uder] Gesell von Zetwitz, und wie auch dieser am Sarge gelegt war, verlas der Bruder Introductions Meister die Geschichte vom T____ A_____ E.³³⁷
Während der Zeremonie am 15. März 1780 lagen schließlich drei Gesellen auf dem Teppich, bevor sie mit dem Meistergriff wieder aufgerichtet wurden. Dass es sich dabei um keinen Einzelfall handelte, zeigte sich bereits sechs Monate später: Im September 1780 kam es zu einer weiteren Zeremonie, in deren Rahmen drei Gesellen in den Meistergrad weitergeführt wurden.³³⁸ Nachdem sie den Eid erneuert hatten, wurde den neuen Meistern die Geheimnisse des dritten Grads enthüllt: Die aufgenommenen Brüder wurden nach ihrer Aufnahme zwischen die Aufseher gebracht. Der Bruder Redner mußte ihnen die Erklärung der bey ihrer Aufnahme vorgefallenen Zeremonien und der Lehrlings Tafel vorlesen. Der Bruder Secretair las die Art in eine Mstr Loge zu gehen ihnen vor, und der hochw[ürdige] deputierte Mstr. die Fragen für Freymaurer Mstr. Die Geschichte Adonirams wurde ebenfalls vom hochw[ürdigen] deput[ierten] Mstr. vorgelesen, und so auch die Fragen die einem Gesellen bey seiner Aufnahme als Mstr. geschehen, und auch diejenigen, welche zur Ausdeutung der Meister Tafel dienen.³³⁹
Obwohl in der Bibel mit Hiram und Adoniram verschiedene Personen gemeint sind, wurden in der maurerischen Mythologie beide häufig gleichgesetzt.³⁴⁰ Nach der Belehrung nahm der neue Meister den ihm zugewiesenen Platz zwischen seinen Brüdern ein. Damit war die Weiterführungszeremonie abge-
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 15. März 1780, Meisterloge, Bl. 25, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. September 1780, Meisterloge, Bl. 35, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. April 1781, Meisterloge, Bl. 52, S. 2. Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurerlexikon, S. 51.
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4 Rituale und ihre Geschichte
schlossen. Manchmal fand im Anschluss noch eine Tafelloge statt, bei der auch die Lehrlinge und Gesellen anwesend waren, in anderen Fällen verabschiedeten sich die Logenmitglieder und gingen auseinander.³⁴¹
4.4 Die rituelle Praxis in Göttingen Richard van Dülmens These, dass Aufnahme- und Weiterführungsrituale innerhalb der Logenversammlungen den meisten Raum eingenommen hätten, wird durch die Protokolle der beiden Göttinger Gemeinschaften gestützt.³⁴² Beide Logen legten dabei nicht nur Wert auf die Protokollierung der Aufnahme- und Weiterführungsrituale an sich, sondern ließen auch die dem Ritual vorausgehende Proposition, die Überprüfung des Charakters und das Bekenntnis zum Beitritt aus freiem Willen durch den Protokollanten schriftlich festhalten. Der Ablauf der Rezeptionen wurde in seinem gesamten Umfang für wichtig erachtet, die Protokollierung der einzelnen Aufnahmen und Weiterführungen dehnte sich daher häufig über die Einträge zu mehreren Versammlungen aus und nahm somit noch mehr Platz ein, als van Dülmens These zunächst vermuten lässt. Die Lektüre der Protokolle hat gezeigt, dass sich zahlreiche der in der einschlägigen Literatur beschriebenen Elemente der Rituale der drei Johannisgrade in den Protokollen der beiden Logen wiederfinden, darunter die bereits erwähnte Überprüfung des Charakters, die Vorbereitung des Anwärters in der dunklen Kammer, das rituelle Umrunden des Teppichs, die Vereidigung vor dem Meister vom Stuhl oder die Vermittlung des gradspezifischen Wissens. Nicht immer werden in den Protokollen dieselben Formulierungen verwendet wie in der Literatur. Hier hilft ein chronologischer Abgleich beider Darstellungen. Trotz der starken Fokussierung der Protokolle auf Aufnahmen und Weiterführungen bleibt die Darstellung der Rituale in den Protokollen insgesamt unscharf; viele Details wurden nur unregelmäßig oder gar nicht festgehalten. Obwohl die Protokolle beider Logen stark formalisiert sind, gab es doch nicht die eine, immer eingehaltene Art der Protokollierung. So findet sich zum Beispiel die Abgabe von Hut und Degen nur in den Protokollen der Loge Augusta. Kann daraus geschlossen werden, dass die Loge Zum goldenen Zirkel auf die Abgabe der Symbole des freien Mannes verzichtete? Kaum, denn aus Sicht der Protokollanten
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. September 1780, Meisterloge, Bl. 35, S. 1. Vgl. Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 64.
4.4 Die rituelle Praxis in Göttingen
123
war die detailreiche Protokollierung des Rituals in mehrfacher Hinsicht wohl eher kontraproduktiv: – Das Ritual war den Mitgliedern der Loge beziehungsweise des entsprechenden Grads ohnehin bekannt und deshalb seine wiederholte ausführliche Protokollierung unnötig. – Ein zu detailliertes Protokoll barg immer das Risiko in sich, in falsche Hände zu geraten und so Geheimnisse an Unbefugte zu vermitteln. Aus Lücken in der Protokollführung lassen sich daher kaum Aussagen über die praktische Ausübung einzelner Elemente des Rituals ableiten. Vielmehr ist – ausgehend von den protokollierten Elementen des Rituals – davon auszugehen, dass die Rituale der drei Johannisgrade in Göttingen – ähnlich wie bei Pérau und in der Sekundärliteratur beschrieben – praktiziert wurden. Für eine Untersuchung über etwaige kleine Abweichungen innerhalb des Rituals bedürfte es des Vergleichs der Protokolle mehrerer Logen, die innerhalb desselben Systems arbeiteten. Und selbst in diesem Fall wären lokale Besonderheiten nicht auszuschließen. Eine auf den Protokollen der beiden Göttinger Gemeinschaften basierende Analyse kann der Frage nachgehen, ob sich aus den dokumentierten Elementen des Rituals Rückschlüsse auf den Charakter der jeweiligen Gemeinschaften schließen lassen, und ob es Anhaltspunkte dafür gibt, dass beide Gemeinschaften bei Aufnahmen und Weiterführungen unterschiedliche Schwerpunkte setzten. Die Frage nach dem Selbstverständnis und den Schwerpunkten der beiden Logen wird die Untersuchung auch in den folgenden Kapiteln prägen. Bei der Lektüre der Protokolle beider Logen fällt auf, dass im Zusammenhang mit Aufnahmen und Weiterführungen besonderer Wert auf die Protokollierung der Passagen gelegt wurde, in denen die Eigenverantwortung des Anwärters und die Absicherung der Loge betont wurden: Die Empfehlung durch Fürsprecher und Paten, die rituelle Unterwerfung des Anwärters beim Betreten des Tempels sowie das Ablegen des Eids werden in den Dokumenten immer wieder beschrieben. Durch Verweis auf zentrale Teile der Rituale im Sinne von pars pro toto wurde für mögliche zukünftige Nachfragen dokumentiert, dass bei der Aufnahme beziehungsweise Weiterführung alles nach der Ordnung verlaufen war.
Absicherung und Kontrolle – Fürsprecher und Patenschaft Beide Logen maßen persönlichen Referenzen großen Wert bei, denn schon das Fehlverhalten eines einzelnen Bruders konnte dem Ansehen der Gemeinschaft
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4 Rituale und ihre Geschichte
großen Schaden zufügen.³⁴³ Gleichzeitig bedeutete jedes angesehene Mitglied einen Zuwachs an gesellschaftlichem Prestige, an Kontakten und ökonomischer Absicherung für die Gemeinschaft. Es galt also, wie bei der Werbung neuer Mitglieder, einen Mittelweg zu finden.³⁴⁴ Die Inkulturation des neuaufgenommenen Lehrlings im Sinne der Freimaurerei war Aufgabe des Paten bzw. Fürsprechers. Er kümmerte sich nach Ende der Rezeptionsloge um die weitere Vermittlung nötigen Wissens und die Erklärung der Inhalte – in den Versammlungen und draußen, im Alltagsleben.³⁴⁵ Der Pate
Vgl. Kap. 5. Vgl. Kap. 7. Aus der heutigen Erfahrung mit der zunehmend ins Unverbindliche abgleitenden „Patenschaft“ kann die Bedeutung der Fürsprache oder des Patenamts in den Logen des 18. Jahrhunderts nur schwer nachvollzogen werden. Bei der Patenschaft greift die Freimaurerei auf christliche Symbole und Rituale zurück. In Johann Heinrich Zedlers „Universal-Lexicon“ wird vor allem die Stellung des Paten als Zeuge betont. Im Rahmen der Taufe bezeugten die Paten, dass der Täufling Teil der Gemeinde werden wollte. Nach der Taufe bezeugten sie gegenüber der Gemeinde, dass der Täufling die Taufe empfangen hatte und ermahnten ihn zu einem christlichen Lebenswandel. Diese Funktion lässt sich 1:1 auf die Freimaurerei übertragen. Der Pate begleitete den Rezipienten in der Dunklen Kammer, führte ihn an das Tor des Tempels und übernahm für ihn – ganz als wäre sein Schützling ein Kind – den Dialog. Er versicherte, dass sein Schützling wirklich Freimaurer werden wollte und die notwendigen Kriterien erfüllte. Nach der Rezeption fungierte der Pate (bzw. die Paten) im Zweifelsfall als Zeuge der ordnungsgemäßen Rezeption seines Schützlings, hatte aber auch sein Verhalten zu kontrollieren. Durch christliche Symbole und Rituale konstruiert die Freimaurerei eine Dualität: Einen Verweisungscharakter auf das ursprünglich im Christentum Gemeinte, aber auch eine Neudeutung der ursprünglichen Aussagen. Die Rezeption als Freimaurer und die daraus folgenden Pflichten werden der christlichen Taufe faktisch gleichgestellt – eine Ursache für schon früh auftretende Konflikte mit der Kirche. Es erscheint durchaus konsequent, dass in der Freimaurerei die Taufe ausgelassen wird, die in christlichem Verständnis nicht nur Initiationsritual beim Eintritt in die Glaubensgemeinschaft ist, sondern auch den Eintritt in das christliche Mysterium und die Wiedergeburt als „Neuer Adam“ darstellt – das wäre die sogenannte „Umkehrtaufe“. Die Freimaurer greifen statt dessen auf ein heiliges Drama zurück, bei dem der Weiterzuführende stirbt (Weiterführung in den Meistergrad) und gleich darauf in seine neue Existenz hineingeboren wird – es handelt sich also um einen an die christliche Vorstellung von Auferstehung angelehnten Vorgang. Was vom christlichen Taufritual übrig bleibt, ist das Bedürfnis nach einem Bürgen, der dafür sorgt, dass die Lehre an den Initianten weitergegeben und von diesem vollständig aufgenommen wird. Ähnlich wie bei den „fürbittenden Paten“ verbinden sich auch hier mit diesem Amt „magisch überfremdete“ Vorstellungen, die vor allem und in besonderer Weise auf das gesellschaftliche und wirtschaftliche Fortkommen abzielen, denn Paten hatten für die Ausbildung der ihnen anvertrauten Schützlinge mit aufzukommen. Welche Rolle dieser mystisch-wirtschaftliche Aspekt in christlichen Kreisen spielte, zeigt sich in der Volksreligiosität, wie sie sich etwa in der Volksliteratur, vorzugsweise in den Märchen, spiegelt. Bei den Grimms etwa in „Der Gevatter Tod“ oder „Der Herr Gevatter“, bei Bechstein in „Die Probestücke des Meisterdiebes“. Dass es für diese irrational anmutenden Hoffnungen auf wirt-
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übernahm nicht nur die Funktion eines Lehrers, sondern auch ein Amt institutionalisierter sozialer Kontrolle. Diese Kontrolle aktiv auszuüben lag im Zweifelsfall auch im Interesse des Paten. Weil die Mitgliedschaft in der Loge auch Auswirkungen auf das Privat- und das Berufsleben ihrer Mitglieder hatte, war „Patenschaft“ ein Synonym für private und geschäftliche Bürgschaft. Wer für ein neues Mitglied „gut“-sagte, stellte ihm damit sowohl ein Leumundszeugnis als auch eine Bestätigung seiner wirtschaftlichen Bonität aus. Kam es zu moralischem Fehlverhalten oder zu wirtschaftlichem Betrug, konnte der Pate haftbar gemacht werden.³⁴⁶ Auch der weniger verbindlich aufgetretene Fürsprecher in der Augusta musste in einem solchen Fall mit Konsequenzen aus den Reihen seiner Brüder rechnen. Wer für einen Freund oder Bekannten sprach, konnte dessen Verhalten zumindest abschätzen. Verhielt sich ein Lehrling gut, stieg auch das Ansehen des für seine Rezeption verantwortlichen Fürsprechers. Bei schlechtem Betragen sank es entsprechend. Das außergewöhnliche Beispiel Christian Gottlob Heynes, der 1780 der Augusta den Bibliothekssekretär Fleischmann zur Aufnahme empfahl, eignet sich besonders, um die Abwägungen, die bei der Wahl des Fürsprechers eine Rolle gespielt haben, sowie die Gründe für die sorgfältige Protokollierung derselben, zu veranschaulichen. Obwohl Heyne selbst kein Freimaurer war, wurde seine Empfehlung im Protokoll festgehalten und einem „Profanen“ damit gestattet, die
schaftliche Unterstützung durch mächtige und einflussreiche Instanzen realen Anlass gab, weist David Hackett Fischer in „The Great Wave“ nach: Für die Epoche von den frühen 1730er Jahren bis nach 1800 ist dort eine europaweite wirtschaftliche Rezession mit einer Inflation festgestellt, die dazu führte, dass das Realeinkommen weit hinter den Preissteigerungen für Getreide zurückblieb, was besonders die Armen stark getroffen habe. Dem konnte man mit solchen Märchengeschichten begegnen, die als eine Form von Selbsttherapie verstanden werden können; oder man suchte sich einflussreiche Beschützer, also Paten, die Schutz und Hilfe über die Initiation in die Loge hinaus boten. Vgl. Mircea Eliade, Mythen, Träume und Mysterien, Salzburg 1961, insb. S. 276 ff. sowie Eliade, Rites and Symbols of Initiation, New York 1958, S. 115; Erwin Fahlbusch (Hrsg.), Taschenlexikon Religion und Theologie, 5. Band, Göttingen 1983, S. 147 f.; Friedrich Jaeger (Hrsg.), Enzyklopädie der Neuzeit, 9. Band, Stuttgart 2009, S. 906 ff., David Hackett Fischer, The Great Wave – Price Revolutions and the Rhythm of History, New York und Oxford 1996, S. 132; Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, 26. Band, Halle und Leipzig 1740, S. 1297 ff.; Jacob und Wilhelm Grimm, Der Herr Gevatter, Nr. 42, S. 189 ff. und Der Gevatter Tod, Nr. 44, S. 193 ff. in: Kinder- und Hausmärchen, zwei Bände, 1. Band, Berlin 1812/15; Jacob und Wilhelm Grimm, Der Meisterdieb, Nr. 192, in: Kinder- und Hausmärchen (ab der 5. Auflage), Berlin 1843; Ludwig Bechstein, Die Probestücke des Meisterdiebes, in: Deutsches Märchenbuch, Leipzig 1846, S. 20 – 27. Zur Patenschaft in der Frühen Neuzeit allgemein vgl. insb. Guido Alfani und Vincent Gourdon (Hrsg.), Spiritual Kinship in Europe, 1500 – 1900, Basingstoke 2012. Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurerlexikon, S. 162.
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Entscheidungsfindung der Gemeinschaft zu beeinflussen. Ein Vorgang, der sich so kein zweites Mal in den erhaltenen Protokollen findet und sich wohl nur mit dem großen Ansehen, das Heyne nicht nur an der Universität, sondern auch im gesellschaftlichen Leben Göttingens genoss, erklären lässt.³⁴⁷ Die Logenoberen fühlten sich ganz offensichtlich durch den Kontakt zu Heyne, „… welcher bekanntlich so viele Achtung für den Orden bezeigte …“ geehrt.³⁴⁸ Diese Aussage darf nicht ausschließlich als Zeichen der Freude der Loge über die angebliche Zuneigung Heynes verstanden werden. Es war Heynes – verbunden mit seinem Prestige – angebliche hohe Achtung vor der Freimaurerei, die ihn in den Augen der Loge erst als Referenz qualifizierte.³⁴⁹ Trotzdem war die Empfehlung Heynes allein nicht ausreichend, um Fleischmann den Weg zur Aufnahme zu ebnen, denn da er kein Freimaurer war, konnte der berühmte Altertumswissenschaftler nicht innerhalb der Loge als Fürsprecher auftreten. Hier kam Johann Andreas Dieze ins Spiel. Sein Beruf deutet darauf hin, dass er näheren Umgang mit dem Bibliothekssekretär hatte. Auf Nachfrage empfahl dann vielleicht auch er Fleischmann zur Aufnahme. So ergeben sich zwei Thesen zu Fleischmanns Verhalten und Heynes ungewöhnliche Verwicklung in interne Angelegenheiten der Loge: Erstens: Was zuerst als eine extrem prestigeträchtige Empfehlung durch einen der größten Göttinger Gelehrten erscheint, stellt sich bei genauerer Betrachtung als eine Notlösung Fleischmanns heraus. Dieser verfügte über keine eigenen Kontakte zu einem Mitglied der Loge, denn sonst hätte er sich von vornherein dorthin gewandt. Fleischmann und Dieze kannten sich demzufolge nicht; oder Christoph Martin Wieland empfahl 1785 der Wiener Loge Zur wahren Eintracht Johann Christian Schulz zur Aufnahme. In den Wiener Protokollen ist von „Br. Chr. M.Wieland“ die Rede. Doch der berühmte Schriftsteller war zu diesem Zeitpunkt – anders als in den Protokollen angegeben – noch kein Freimaurer: Er wurde erst 1809 im hohen Alter von 76 Jahren in Weimar rezipiert, nachdem er sich lange beharrlich geweigert hatte einer Loge beizutreten. Mithin stellt sich der Wiener Fall anders dar als die Proposition Fleischmanns durch Heyne: Die Wiener Loge ging davon aus – oder wollte davon ausgehen –, dass ein angesehener auswärtiger Bruder Schulz proponiert hätte, rezipierte diesen aber tatsächlich aufgrund der Empfehlung eines Profanen. Es ist davon auszugehen, dass derartige Missverständnisse häufiger vorkamen. Vgl. Protokoll der Loge Zur wahren Eintracht vom 8. August 1785, in: Irmen, Die Protokolle der Wiener Freimaurerloge „Zur Wahren Eintracht“ (1781 – 1785), S.294 f., Gotthold Deile, Wieland als Freimaurer – Sein Verhalten gegen die „Akademische Loge Sincera Concordia“ in Erfurt und sein Verhältnis zur Freimaurerloge „Amalia“ in Weimar, Erfurt 1910, S. 33 f.; Lennhoff, Die Freimaurer, S. 156 ff. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. September 1780, Lehrlingsloge, Bl. 28, S. 2. Zu Heynes Wirken in Göttingen vgl. Marianne Heidenreich, Christian Gottlob Heyne und die Alte Geschichte, München 2006, S. 92 ff. Davon ausgehend stellt sich die Frage, warum Heyne, wenn er die Freimaurerei doch angeblich so hoch schätzte, selbst kein Mitglied einer Loge war.
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Fleischmann wusste nicht, dass Dieze Mitglied der Loge war. Also trat er, wie im Protokoll beschrieben, an Heyne heran und brachte diesen dazu, seinen Einfluss geltend zu machen. Erst nach dieser unkonventionellen Kontaktaufnahme zog die Loge über Dieze Informationen über Fleischmann ein. Zweitens: Fleischmann wusste, dass Dieze langjähriges Mitglied der Loge war. Dennoch wandte er sich an Heyne und spekulierte darauf, dass die Loge sich an einen Logenbruder, vielleicht sogar Dieze, wenden würde, um den erforderlichen Fürsprecher zu gewinnen. In diesem Fall hätte Fleischmann zwei Fürsprecher auf seiner Seite gehabt. Im Zusammenhang mit dieser Theorie ergibt sich auch die Möglichkeit, dass Fleischmann wusste, dass Dieze nicht viel von ihm hielt. Nachdem er sich aber der Fürsprache des prominenten Heyne sicher war, wollte auch Dieze ihm nicht im Weg stehen. Beide Thesen bringen keine abschließende Klarheit darüber, wie es zur ungewöhnlichen Empfehlung Fleischmanns durch Heyne kam. Fest steht, dass Fleischmann zwei angesehene Gelehrte als Fürsprecher vorweisen konnte – seine Aufnahme in den Lehrlingsgrad fand Anfang Oktober 1780 statt.³⁵⁰ Kontakte zu oder die Bekanntschaft mit Mitgliedern der Loge waren wichtig, denn die Loge konnte sich so schneller ein Bild von dem Anwärter machen. Im Zweifelsfall suchte die Loge in ihren Reihen nach einem Bekannten des Anwärters. Wer über keine prominenten Fürsprecher oder Kontakte in die Loge verfügte, hatte es schwerer. Die Erwähnung des „Profanen“ Heyne als Referenz lässt den Schluss zu, dass die Augusta größten Wert auf das gesellschaftliche Ansehen ihrer Mitglieder legte. Wenn auch allein nicht ausreichend für eine Aufnahme, so war die Empfehlung durch Heyne aufgrund seines hohen Ansehens doch so wichtig, dass sie im Protokoll festgehalten wurde. Sie bezeugte, dass der Anwärter Fleischmann Kontakte bis in die höchsten gesellschaftlichen Schichten Göttingens pflegte und damit für die Gemeinschaft eine besonders wertvolle Akquisition war. Auch in der Loge Zum goldenen Zirkel spielten Kontakte bei der Aufnahme neuer Lehrlinge eine große Rolle. Anders als in den Protokollen der Augusta findet sich aber kein Fall, in dem ein Außenstehender wie Heyne einen Anwärter vorgeschlagen hätte. Als Referenz wurden nur die Empfehlungen von Freimaurern akzeptiert, die üblicherweise als „Paten“ des Rezipienten agierten. Trat ein Anwärter ohne Kontakte mit der Bitte um Aufnahme an die Loge heran, ernannte der Meister vom Stuhl ein Mitglied der Loge zum ersten Paten. Ob und in wieweit im Vorfeld einer solchen Ernennung hinter den Kulissen diskutiert wurde, geht aus den erhaltenen Protokollen nicht hervor. Bedingung war – soweit aus den Pro-
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 30, S. 1.
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tokollen ableitbar –, dass der erste Pate den dritten Grad inne hatte. Erfüllte der Freund oder Bekannte diese Bedingung nicht, übernahm ein erfahrenes Mitglied der Loge die Rolle und der Freund oder Bekannte wurde zweiter bzw. dritter Pate. Zweite und dritte Paten wurden entweder weitere Freunde und Bekannte des Anwärters oder aber andere Mitglieder der Loge. Dass sich nach der Aufnahme drei Paten um den Neuaufgenommenen kümmerten, deutet auf eine im Vergleich zur Augusta breiter gefächerte Verantwortlichkeit innerhalb der Loge Zum goldenen Zirkel hin. Das Ritual zeigte hier neben der Funktion, ein Tun aus der Alltäglichkeit herauszuheben und in seiner überzeitlichen Bedeutung zu betonen, auch das Ziel der Absicherung. Sie muss als ein nach innen und nach außen gerichteter Akt verstanden werden: Nach außen wurde vermittelt, dass man alles getan hatte, um moralisch und juristisch richtig zu handeln. Nach innen ergab sich daraus die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass alles in seiner guten Ordnung blieb, bis dahin, dass der Aufgenommene die Verpflichtung entwickelte, seinem Paten und seiner Loge keine Schande zu machen.
Das Betreten des Tempels Der Gedanke der Verantwortlichkeit setzt sich in den Elementen des eigentlichen Rituals fort. Nach dem Eintritt in die „Dunkle Kammer“ wurde der Anwärter auf seinen ersten Eintritt in die Loge vorbereitet. Durch die genaue Aufzeichnungen der persönlichen Daten unmittelbar vor dem Eintritt versicherte die Gemeinschaft sich seiner Identität. Die Augusta ließ darüber hinaus schriftlich festhalten, dass der Anwärter aus freien Stücken um seine Aufnahme bat – und damit für die Folgen seiner Entscheidung verantwortlich war. Gleichzeitig findet sich in den Protokollen der älteren Göttinger Loge eine starke Betonung des Aspekts der Unterwerfung. Dieser äußert sich bereits während der Wartezeit des Anwärters in der Dunklen Kammer, wo dieser nicht nur Auskunft über ihn prägende negativen Charaktereigenschaften – seine „Leidenschaften“ – geben sollte, sondern ab 1781 auch die beschriebenen drei Fragen zu beantworten hatte. Die rituelle Unterwerfung gipfelte schließlich unmittelbar vor dem ersten Betreten der Loge im Versprechen des Anwärters, dass er der Loge erlaube, mit ihm zu verfahren, wie es nach den Gebräuchen des Ordens nötig sei.³⁵¹ Auf den ersten Blick scheint das Versprechen der Unterwerfung sich nur auf das folgende
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 29, S. 2.
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Ritual zu beziehen, doch kann es, bedingt durch die hohe gesellschaftliche Bedeutung der Logenmitgliedschaft, durchaus auch als auf das gesamte Leben bezogen verstanden werden. Wer sich innerhalb der Loge ungehörig verhielt konnte verstoßen und geächtet werden.³⁵² Zum intensiven Nachforschen der Augusta nach charakterlichen Schwächen und persönlichen Ansichten zu Religion und Tugend findet sich in den Dokumenten der Loge Zum goldenen Zirkel keine Entsprechung. Doch auch hier wurden die Anwärter geprüft und mussten beweisen, dass sie wirklich Mitglied der Loge werden wollten. Die Protokolle der jüngeren Loge schildern, dass der „fürchterliche Bruder“ dreimal dem Meister vom Stuhl von der Vorbereitung des Anwärters Bericht erstattete. Dabei bestätigte er wiederholt die „Standhaftigkeit“ des Anwärters, also dessen festes – und freiwilliges! – Beharren auf Aufnahme in die Gemeinschaft. Auch hier wird deutlich gemacht, dass der Anwärter für die Folgen seines Handelns selbst verantwortlich ist. Die Loge nahm währenddessen eine passive Rolle ein und gab dem Wunsch nach Aufnahme nur nach wiederholter Bitte des Anwärters statt, der dadurch in die Position eines (hartnäckigen) Bittstellers gedrängt wurde. Anders als in der ständisch organisierten Gesellschaft nahm in der Freimaurerei der Einzelne seine Position aus eigener Entscheidung ein, sie war ihm nicht durch die Gesellschaft vorgeschrieben.³⁵³ Auch die Versuche, den Anwärter während der symbolischen Reisen abzuschrecken, waren ein Test der Standhaftigkeit und der Bereitschaft zum eigenverantwortlichen Handeln. Gleichzeitig sollte beim Anwärter der Eindruck entstehen, dass er im Begriff war, eine folgenreiche Entscheidung für sein weiteres Leben zu treffen: Freimaurer war man nur mit ganzem Herzen und die Loge hatte nichts zu verschenken. Dem Anwärter sollte bewusst werden, dass er in der Hierarchie der Loge ganz am Anfang stehen würde und auch den Zugang zum geheimen Wissen erst noch verdienen musste. Während die jüngere Loge in allen drei Graden jeweils drei Reisen praktizieren ließ, lässt sich die Anzahl der Umrundungen des Teppichs in der Augusta für die ersten beiden Grade nicht nachweisen. Einzig für den dritten Grad ist belegbar, dass der Sarg dreimal umrundet wurde. Neben der Versicherung der Gemeinschaft freiwillig beitreten zu wollen, mussten Anwärter auf die Mitgliedschaft in der Loge Zum goldenen Zirkel im Vorfeld der Aufnahme zusätzlich versichern, dass er keinem anderen Orden angehörten oder zuvor angehört hatten.³⁵⁴ Die Popularität der studentischen So Vgl. Kap. 7. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 169. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 12. April 1780, Lehrlingsloge, Bl. 26, S. 1.
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zietäten führte oft zu Zusammenstößen zwischen Studierenden und der Obrigkeit und war einer der Hauptgründe für den Erlass von vier Edikten gewesen, in denen Studenten und Professoren wiederholt die Mitgliedschaft in außeruniversitären Gemeinschaften verboten wurde.³⁵⁵ Daher versuchte man, jegliche Verbindung zu den ungeliebten studentischen Sozietäten im Vorfeld zu verhindern. Die seit ihrer Gründung stark studentisch geprägte Loge thematisierte die Problematik während des Rituals intensiver als die ältere Augusta: Der Versuch der Abgrenzung von den studentischen Sozietäten findet sich in ihren Protokollen nicht formalisiert im Rahmen des Aufnahmerituals, sondern nur in einzelnen Aussagen Koppes, der befürchtete, Außenstehenden als Vorsitzender der verbotenen Sozietät bekannt zu werden.³⁵⁶
Eid und Wissensvermittlung Wie die starke Betonung der Eigenverantwortlichkeit, hatte auch der Eid die Absicherung der Logen zum Ziel. Dem Eidbrecher drohte der sofortige Ausschluss aus der Gemeinschaft und damit schlimmstenfalls der Abbruch sämtlicher Kontakte zu seinen ehemaligen Brüdern, denn die Namen von Verrätern zirkulierten zwischen befreundeten Logen und wurden teils sogar mit Gemeinschaften ausgetauscht, die andere Systeme der Freimaurerei bearbeiteten.³⁵⁷ So entstand eine überregionale soziale Ächtung, die sich über den Innenraum der Logen hinaus bis weit in den gesellschaftlichen Umgang auswirken konnte, denn die Bedeutung der Logenmitgliedschaft nahm stetig zu. Was für die Anfangszeit der Freimaurerei als Absicherung der Rahmenbedingungen des eigentlichen Gemeinschaftslebens beschrieben werden kann, entwickelte sich im Laufe der Zeit zu einem wesentlichen Teil der gesellschaftlichen Existenz, indem die Logenzugehörigkeit im profanen Leben viel größeres Gewicht bekam als im Rahmen der Zusammenkünfte und der eigenen intellektuellen und moralischen Weiterentwicklung. In dem Maße, in dem freimaurerische Mitgliedschaft sich zur Empfehlung im beruflichen oder geschäftlichen Umfeld entwickelt, wurden Aufnahme und Weiterführung zur Ware. In den Protokollen der beiden Göttinger Logen finden sich Beispiele, in denen es zur bevorzugten Behandlung einzelner Personen aufgrund von Ansehen und Einfluss gekommen ist. Dies konnte der angestrebten – hierarchisch gegliederten – Brü Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 228 ff. sowie Kap. 7. Vgl. Kap. 5. Vgl. Kap. 7.
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derlichkeit unter dem Schutz des von allen Mitgliedern geteilten Geheimnisses und Eids nicht zuträglich sein. Mit dem Eid schloss also nicht nur der transformative Teil des Aufnahmerituals, sondern er besiegelte eine Verpflichtung für das weitere Leben. Es folgte die Einweihung des Vereidigten in das geheime Wissen des entsprechenden Grads. Dabei kam es in den beiden Göttinger Logen wiederholt zu Unregelmäßigkeiten: In den Protokollen der Augusta berichten mehrere Einträge davon, dass im Anschluss an Aufnahmen und Weiterführungen die Erklärung der auf dem Teppich befindlichen Symbole ausblieb. So etwa bei der Aufnahme Johann Heinrich Fischers im Juni 1781: Nachdem nun der Adep[t] eingeführt worden und den Maurer Eyd friedlich und stanthaft abgelecht hatte, ward derselbe dem Rituale gemeß am Stuhl recipiert, aber die Erklährung des Teppichs ward wegen Zeitmangel ausgesezt …³⁵⁸
Dass das Argument des Zeitmangels tatsächlich zutreffen konnte, zeigt der Protokolleintrag anlässlich der Aufnahme von drei Anwärtern im Juli 1782. Johann Heinrich Wiese, Jacob Manditz und Samuel Carl Christoph Haller wurden in einer Lehrlingsloge rezipiert, am Ende wurde aber die Zeit knapp: Wegen Mangel der Zeit ward zwar der Teppich nicht erklärt, aber der Catech[ismus] herum gefragt, und da nach geschehener Nachfrage nichts weiter vorzutragen war, ward die Allmosensammlung verrichtet, die Kette geschloßen u[nd] die Loge um 9 3/4 Uhr geendigt.³⁵⁹
Der Begriff der „geschloßenen Kette“ bezieht sich auf die sogenannte Bruderkette. Die rituellen Arbeiten endeten damit, dass sich die Mitglieder der Loge im Kreis an den Händen griffen und so zu einem symbolischen Freundschaftsband verbanden.³⁶⁰ Die Versammlung endete spät abends, verursacht vermutlich durch die langwierigen Aufnahmerituale. Die vorgeschriebene Wissensvermittlung wurde somit ein Opfer der hohen Aktivität der Loge. In der Regel scheint sich die Loge allerdings um Kompensation in Form eines später erteilten Unterrichts bemüht zu
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Juni 1781, Lehrlingsloge, Bl. 47, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 17. Juli 1782, Lehrlingsloge, Bl. 67, S. 1. Rainer Hubert, Brüderlichkeit, in: Reinalter (Hrsg.), Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe, S. 86 f.
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haben. Am siebten Juni 1780 wurde der Gefreite Ludwig Hasselbrinck als Dienender Bruder rezipiert.³⁶¹ Dienende Brüder wurden in einem abgekürzten Ritual aufgenommen, eine eigene Wissensvermittlung scheint nicht stattgefunden zu haben. Hasselbrinck wurde zusammen mit dem neuaufgenommenen Lehrling Johann Heinrich Christian Erxleben (1753 – 1811) am 24. Juni – dem Johannistag – unterwiesen:³⁶² Die Erklärung des Teppichs geschah durch den Br[uder] Redner und der neulich recipierte dienende Br[uder] Hasselbrinck mußte auch hinzutreten.³⁶³
In der Loge Zum goldenen Zirkel kam es zu ähnlichen Vorgängen. Als die Brüder Alexei und Nikitta Taticheff im August 1781 in den dritten Grad weitergeführt worden waren, wurde auf die anschließende Wissensvermittlung innerhalb der Loge verzichtet: Die Erklärung welche den Meistern gegeben zu werden pflege konnte den neuaufgenommenen nicht gegeben werden weil die Zeit dazu zu kurz war; es wurde aber dem deputierten Meister aufgetragen nach geendigter Loge daß Geschäft zu über nehmen.³⁶⁴
Auch hier behinderten durch das Ritual bedingte lange Logenarbeiten den Tagesablauf. Allerdings ging die Loge nicht erst am späten Abend auseinander, sondern morgens: Der 31. August 1781 war ein Freitag – um 9 Uhr mussten die Brüder also ihr Tagwerk beginnen. Ähnliches ereignete sich nach der Rezeption Johann Conrad Friedrich Vordanks und Johann Caspar Friedrich Rettbergs. Anfang 1782 wurden die beiden Studenten in einer Versammlung aufgenommen, die um 17 Uhr begonnen hatte: Den neuaufgenommenen Brüdern wurde, weil es die Zeit nicht erlaubte, weiter nichts vorgelesen als die Erklärung der Ceremonien und die Erkennungsart, auch wurden sie in Zei-
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 19, S. 1 f. Über Hasselbrinck ist nur wenig bekannt, in Gläshners Mitgliederliste ist er ursprünglich nicht verzeichnet. Der Gefreite war vermutlich Bedienter eines Adeligen im Regiment von Scheither. Das Johannisfest am 24. Juni war dem Schutzpatron der Freimaurer, Johannes dem Täufer, gewidmet. In manchen Logen wurde es mit großem Aufwand und Aufsehen begangen, in Göttingen jedoch anscheinend eher dezent. Vgl. hierzu Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 212. Zu Erxleben vgl. auch Kap. 7. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 31. August 1781, Meisterloge, Bl. 63, S. 1 f.
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chen, Griff und Wort unterrichtet. Das übrige sollte ihnen bey nächsten Introductionsloge vorgelesen werden.³⁶⁵
Die Loge schloss um 19:15 h. Im Anschluss fand ab 20 Uhr eine Tafelloge statt, was das Argument des Zeitmangels relativiert. Die Versammelten hatten scheinbar ein größeres Interesse an Geselligkeit als an der eigentlich anstehenden Wissensvermittlung. Für die weitere Untersuchung bleibt also festzuhalten, dass beide Logen nicht immer auf der Vermittlung des gradspezifischen Wissens unmittelbar nach der Aufnahme bestanden, obwohl dies die eigentlich übliche Vorgehensweise war. Manchmal scheint Nachlässigkeit die Ursache dieses Verhaltens gewesen zu sein, teils war anscheinend wirklich keine Zeit vorhanden. Ob die Wissensvermittlung immer nachgeholt wurde, lässt sich – wie der Fall der Brüder Taticheff belegt – kaum nachprüfen. Es ist anzunehmen, dass in einzelnen Fällen die nachträgliche Wissensvermittlung nicht stattfand, und vom Neuaufgenommenen beziehungsweise Weitergeführten das entsprechende Wissen während der von ihm besuchten Versammlungen „aufgeschnappt“ werden musste. Da Aufnahmen und Weiterführungen sehr häufig stattfanden, stellte dies wohl kein Problem dar – solang der Neuaufgenommene regelmäßig und über einen längeren Zeitraum an den Arbeiten der gradspezifischen Versammlungen teilnahm. Es stellt sich die Frage, in wie weit den esoterischen Inhalten tatsächlich eine Bedeutung bei der Erzeugung eines Gemeinschaftsgefühls zugesprochen werden kann, wenn ihre Vermittlung im Alltag häufig zu einem Randaspekt degradiert wurde. Natürlich können Rituale und Symbole durch die performative Praxis mit Bedeutung versehen werden – Glaube kann konstruiert werden. Doch interessierten sich die Mitglieder der beiden Logen überhaupt für die freimaurerischen Mythen? Wie wurden die Geschichten von Hiram und dem langen Herkommen der Bruderschaft aufgenommen? Wurden die Mythen also solche wahrgenommen und lediglich als schmückendes Beiwerk geselliger Zusammenkünfte verstanden? Die Protokolle liefern hier keine Antworten. Deutlich wird, dass den „profanen“ Elementen wie Freiwilligkeit, Absicherung und Ansehen gerade bei der Rezeption neuer Mitglieder mehr Beachtung geschenkt wurde als den eigentlichen Inhalten der Freimaurerei. Offenbar lag das Augenmerk der Protokollierung auf den Beziehungen der Mitglieder untereinander und innerhalb der Gesellschaft. Maurice’ These von der zentralen Bedeutung der greifbaren Vorteile der Logenmitglied-
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 30. Januar 1782, Lehrlingsloge, Bl. 75, S. 2.
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schaft scheint sich zu bewahrheiten.³⁶⁶ Die Frage nach der Bedeutung von Prestige und Nepotismus wird auch die folgenden Kapitel prägen.
Vgl. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 274.
Egalität und Bevorzugung
5 Gunstbeweis und Privileg „Betrachten Sie die FreyMaurerey fürs Erste als ein Mittel, welches Ihnen manchen Anlaß geben kann und wird, Ihnen eine nähere Bekanntschaft mit würdigen edlen Menschen zu erleichtern.“ ¹
Am Beispiel der Empfehlung des Anwärters Fleischmann durch Christian Gottlob Heyne wurde nachvollziehbar, dass die Loge Augusta bei der Aufnahme neuer Mitglieder auch dem sozialen Umfeld der Anwärter abseits der Freimaurerei große Beachtung schenkte. Dieser offen praktizierte Nepotismus ist eng mit den Ursprüngen des Sozietätswesens verbunden. Schon in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts ebneten wohlhabenden Bürgern Ansehen, Kontakte oder finanzielle Zuwendungen den Weg in die Bauhütten der „operativen“ Freimaurerei Englands, zu denen ihnen der Zutritt sonst versagt geblieben wäre.² Adelige traten den ersten Logen im frühen 18. Jahrhundert bei, nachdem der Wandel von der dem Handwerk nahestehenden „operativen“ zur „spekulativen“ Freimaurerei weitgehend abgeschlossen war. Von Anfang an war die „spekulative“ Freimaurerei auch eine Ware, die konsumiert wurde. Dies unterstreicht die große Anziehungskraft der frühen Bauhütten und nimmt eine Entwicklung vorweg, die hundert Jahre später in ganz Europa zu finden ist. Anders als in England prägte im deutschsprachigen Raum der Adel die frühen Sozietäten. Erste Formen organisierter Geselligkeit wie etwa die Fruchtbringende Gesellschaft entstanden im Umfeld der Höfe des 17. Jahrhunderts.³ Diese Zusammenschlüsse waren noch fast ausschließlich dem (Hoch‐)Adel vorbehalten und praktizierten überwiegend zu Repräsentationszwecken, stellten also eine Erweiterung des Hofzeremoniells dar. Die Mitgliedschaft hing direkt vom Zugang zum Herrscher beziehungsweise Fürsten ab: Wer in seiner Gunst stand, konnte auf die Mitgliedschaft in den elitären Gemeinschaften hoffen, musste aber stets darauf
Johann Joachim Christoph Bode als geheimer Oberer „Basilius“ in einer Reproche an Friedrich Heinrich Adolph Schlichtegroll in Göttingen, September 1786. Schwedenkiste, 12. Band, Dok. 266. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 52 f. Lars-Thade Ulrichs, Vernünftige Konversation, empfindsames Gespräch, heilloser Klatsch – Formen der Geselligkeit im 18. Jahrhundert, in: Sebastian Görtz, Ute Pott und Cornelia Zimmermann (Hrsg.), Geselligkeiten im 18. Jahrhundert – Kulturgeschichtliche Überlieferung in Museen und Archiven Sachsen-Anhalts, Halle 2012, S. 13; Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 128. Eine besonders anschauliche Beschreibung des Strebens nach Anerkennung innerhalb des Hochadels findet sich beispielsweise im Tagebuch von Emmanuel, Herzog von Croÿ. Vgl. Hans Pleschinski (Hrsg.), Nie war es herrlicher zu leben – Das geheime Tagebuch des Herzogs von Croÿ, München 2011. Zur Geselligkeit im 17. Jahrhundert vgl. Wolfgang Adam (Hrsg.), Geselligkeit und Gesellschaft im Barockzeitalter, zwei Bände, Wiesbaden 1997. https://doi.org/10.1515/9783110621723-005
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5 Gunstbeweis und Privileg
bedacht sein, die Gunst des Herrschenden nicht zu verlieren. Ein Ausscheiden aus der an die Person des Herrschenden gebundenen Sozietät bedeutete automatisch einen sozialen Abstieg. Auf das durch den Fürstenstaat geprägte 17. Jahrhundert folgte eine Zeit gesellschaftlicher Veränderungen, die zu einer immer differenzierteren Wahrnehmung des Menschen als einem von der Gesellschaft unabhängigen Individuum führten.⁴ Der Mensch wurde nicht mehr als ein durch seinen Stand einer Funktion zugehöriges Subjekt angesehen, sondern galt nun als Individuum mit einem Bedürfnis nach Soziabilität.⁵ Dementsprechend begann man sich auch jenseits der Höfe in Sozietäten zu organisieren, denn die Aufklärungsgesellschaften boten ihren Mitgliedern zumindest ein Gefühl von Anteilnahme an gesellschaftlichen Prozessen.⁶ Zahlreiche neue Formen der Geselligkeit entwickelten sich, die häufig – ganz im Geist der Zeit – zum Wohl der Menschheit beitragen sollten, damit aber die hergebrachte Ordnung mehr und mehr in Frage stellten.⁷ Vor dem Hintergrund dieser gesellschaftlichen Entwicklungen verlief die Geschichte der deutschen Freimaurerei seit Gründung der ersten Loge in Hamburg 1738.⁸ Aus der englischen Freimaurerei, vor allem aber aus den frühen deutschen Sozietäten, wurde das Prestigedenken übernommen. Gleichzeitig waren bereits die Logen der 1730er und 1740er Jahre von Adel und Bürgertum geprägt – die deutsche Freimaurerei war von Anfang an „spekulativ“.⁹ Ulrich Im Hof schreibt: „Erfaßt wurden Ober- und Mittelschichten. … hoher und niederer Adel, viele Gelehrte
Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 122 f. Ulrichs, Vernünftige Konversation, empfindsames Gespräch, heilloser Klatsch, S. 11. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 123. Zaunstöck, Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen, S. 4 f. Vgl. auch Gefarth, Meumann, Taatz-Jacobi und Zaunstöck, Collegia, Logen, Salons, S. 218 ff. In Deutschland werden bereits existierende Formen der Freizeitgestaltung – etwa das Theater – von Unterhaltungs- zum Bildungs- oder Erziehungsmedium. Man denke an das bürgerliche Trauerspiel (etwa bei Lessing) oder an Schillers Aufsatz über das Theater als Erziehungseinrichtung. Dies hat auch damit zu tun, dass unter dem Einfluss der Aufklärung die vorher propagierte Befolgung der religiösen Gebote (seit dem 16. Jhd. durch Luthers Kleinen Katechismus) in den gebildeten Kreisen durch eine selbst verantwortete Auseinandersetzung mit ethischen Fragen ersetzt wurde. Es folgte eine deutliche Auseinanderentwicklung zwischen den positional geprägten niederen Ständen und den zunehmend personal geprägten höheren Ständen. Vgl. hierzu auch Mary Douglas, Ritual, Tabu und Symbolik, Frankfurt a. M. 1986, S. 41 ff. Sie modifiziert hier den Ansatz von Basil Bernstein, Social Class, Speech Systems and Psych-Therapy, in: British Journal of Sociology, 1. Band, London 1964, S. 54– 64. Vgl. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 207 f. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 55; Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 66; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 222 f.
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und Geistliche … schlossen sich an.“ ¹⁰ Grund für die von Anfang an aktive Beteiligung Adeliger war der schwindende gesellschaftliche Einfluss der ehemaligen gesellschaftlichen Elite, vor allem des Landadels. Die Ständegesellschaft wurde den gesellschaftlichen Veränderungen nicht mehr gerecht; weiten Teilen des Adels bot der durch eine mehrteilig bürgerliche Beamtenschicht organisierte absolutistische Staat kaum noch Platz zur Entfaltung in Form von Posten oder Privilegien, während das Bürgertum nach wie vor keine politischen Rechte hatte.¹¹ Zur Teilhabe an einer Gesellschaft gehört das Recht, ihre Regeln mitzugestalten. Da dies aber nicht möglich war, legten sich die Sozietäten – geradezu in einer Form von Ersatzhandlung – teils ausufernde Regelwerke zu: Ämter, Titel, Rituale, Tracht und Abzeichen wurden durch in vielen Fällen kleinteiligste Bestimmungen vergeben und geregelt, worin der ausdifferenzierte absolutistische Hof teils imitiert wurde.¹² In den Logen konnte erreicht werden, was in der Gesellschaft versagt war. Die Regulierungsfreude der Logen, auch wenn sie zunächst Ersatzhandlung gewesen sein sollte, kann im weiteren Verlauf als Vorübung für die Ausarbeitung bürgerlich-demokratischer Verfahrensregeln gelten. Die Maurerei ist damit neben der Selbstverwaltung der protestantischen Gemeinden – man denke beispielsweise an die Niederhessische Kastenordnung oder die Ziegenhainer Kirchenzuchtordnung – eine der Quellen, eines der gesellschaftlichen Experimentierfelder für moderne demokratische Verfassungsentwürfe.¹³ In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts war die Zugehörigkeit zu einer Loge fester Bestandteil im Leben zahlreicher Adeliger und Bürger geworden.¹⁴ Es waren letztlich ähnliche Gründe, welche die beiden Gruppen in die Logen zogen: Der Wunsch nach Anerkennung und einem Raum der persönlichen Entfaltung. Die Diskussion darüber, ob die Logen für den einzelnen eher einen Rückzugsraum darstellten, um sich für Stunden von den Zwängen und Frustrationen der ständischen Ordnung zu befreien, oder ob die Freimaurerei als gelebte gesellschaft-
Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 167. Vgl. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 209 f. Vgl. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 278 f.; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 209 f. Gerhard Krause und Gerhard Müller (Hrsg.), Theologische Realenzyklopädie, 19. Band, Berlin 1977, S. 437 ff.; Michael Hederich, Um die Freiheit der Kirche – Geschichte der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Kassel 1977, S.27 f.; Ordnung der Christlichen Kirchenzucht (sog. Ziegenhainer Kirchen-Zuchtordnung) von 1539, Neudruck hrsg. von der Landessynode, Kassel 1989, insb. S.7 f. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 206 ff.; Angelika Beck, Der Bund ist ewig! – Zur Physiognomie einer Lebensform im 18. Jahrhundert, Erlangen 1982, S. 142.
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liche Utopie verstanden wurde, ist nicht abgeschlossen. Als zutreffend muss Helmut Reinalters Einschätzung angesehen werden, dass die Freimaurerei maßgeblich die neu entstehende spezifisch bürgerlichen Kultur geprägt hat.¹⁵ Innerhalb der Logen entwickelte sich eine neue Gesellschaftsschicht, in der sich die alte Elite mit der Spitze des erstarkenden Bürgertums austauschte und neue Ansprüche entwickelte.¹⁶
Abgrenzung und Potential Trotz ihrer weiten Verbreitung handelte es sich bei der Freimaurerei nicht um eine Bewegung, die zum Ziel hatte, breite Schichten der Bevölkerung zu erfassen. Allen gesellschaftlichen Fortschritt scheinbar ignorierend, fanden die Zusammenkünfte hinter Türen statt, die der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung verschlossenen blieben.¹⁷ Dies war kein Zufall: In ihrem Verhalten folgte die Freimaurerei – eigentlich ein Widerspruch in sich selbst – den Prinzipien der längst im Niedergang begriffenen ständischen Gesellschaft. Gegenüber den niederen Gesellschaftsschichten schottete man sich mittels einer Zentrierung auf die Städte, durch die hohen Anforderungen an die Schriftlichkeit der Mitglieder und teure Rezeptionsgebühren genauso gezielt ab wie gegenüber Juden und Frauen – was nicht ohne Protest hingenommen wurde.¹⁸ So kommt es, dass Handwerker oder Bauern nur äußerst selten in den Mitgliederlisten auftauchen, und wenn, dann häufig als Dienende Brüder, die sich ihre Mitgliedschaft durch zusätzliche Dienste innerhalb und im Umfeld der Logen verdienen mussten, da die Mitgliedschaft für Helmut Reinalter, Freimaurerei und Demokratie im 18. Jahrhundert, in: Helmut Reinalter (Hrsg.), Aufklärung und Geheimgesellschaften – Zur politischen Funktion und Sozialstruktur der Freimaurerlogen im 18. Jahrhundert, München 1989, S. 42. Hoffmann, Die Politik der Geselligkeit, S. 33 ff. Hoffmann, Die Politik der Geselligkeit, S. 43. Im ländlichen Raum existierten nur wenige Logen; das enorme Bildungsgefälle zwischen Stadt und Land setzte Grenzen. Die Große Landesloge war eine christliche Gemeinschaft, die keine Juden duldete.Vgl. Gérard Gayot, War die französische Freimaurerei des 18. Jahrhunderts eine Schule der Gleichheit?, in: Hans Erich Bödecker und Etienne François (Hrsg.), Aufklärung/Lumières und Politik – Zur politischen Kultur der deutschen und französischen Aufklärung, Leipzig 1996, S. 235 – 248, hier S. 237; Jacobs, The Origins of Freemasonry, S. 76 f. Zur Rolle der Frau in der Geschichte der Freimaurerei vgl.Walter Hess, Die Freimaurer und die Frauen, in: Reinalter (Hrsg.), Handbuch der freimaurerischen Grundbegriffe, S. 148 – 157; Margaret C. Jacob, Women’s Freemasonry in the Age of Enlightenment – Stereotypes on the Right and the Left, in: Andrew Pink, Cecile Revauger und Jeffrey Tyssens (Hrsg.), Journal for Research into Freemasonry and Fraternalism, 4. Band, Sheffield 2013, S. 11– 23 sowie Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 624.
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sie andernfalls kaum erschwinglich war.¹⁹ Noch 1796 attestierte Spittler dem dritten Stand, dass dieser abseits von Beamten und Akademikern unaufgeklärt und auch nicht aufzuklären sei.²⁰ Die adelig-bürgerliche Klientel der Logen fand sich hauptsächlich innerhalb der männlichen Elite der sich rasant entwickelnden Städte des ausgehenden 18. Jahrhunderts, zu denen dank der Universität auch Göttingen gehörte – ohne Universität hätte sich in Göttingen kein vergleichbares Sozietätsleben entwickeln können.²¹ Zwar schrieb Ignaz von Born 1784 über die Freimaurerei als einen Bund, der nur für „… böse, schwache oder unzuverlässige Menschen…“ nicht zugänglich sei, doch die Selbstwahrnehmung der Logenmitglieder war häufig durchaus elitär.²² Borns Zeitgenossen gaben diesen Anspruch seit den späten 1780er Jahren zunehmend der Lächerlichkeit preis, denn die Diskrepanz zwischen sittlich-moralischem Anspruch und dem egoistischen Erfolgsstreben innerhalb des gerade erstarkenden Bürgertums war den Zeitgenossen durchaus geläufig und Gegenstand der Diskussion.²³ Doch die weitgehende Abgrenzung gegenüber den niederen gesellschaftlichen Schichten durch „neue Grenzen“, so eine von Hoffman vertretene These, war der Schild, durch den die vertraute Begegnung von Adel und
Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 77. Lothar Gall, Vom alten zum neuen Bürgertum – Die mitteleuropäische Stadt im Umbruch 1780 – 1820, in: Gall (Hrsg.), Vom alten zum neuen Bürgertum, S. 1 f. Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 5. Vgl. Ignaz von Born, Vorerinnerungen über die Veranlaßung, den Zweck und die eigentliche Bestimmung dieses Journals, in: Journal für Freimaurer, 1. Jahrgang, Wien 1784, S. 3 – 14, hier S. 3 ff.; Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 68 ff.; Gayot, War die französische Freimaurerei des 18. Jahrhunderts eine Schule der Gleichheit?, S. 237. Als Zeitzeuge kann der Mystiker, Autor und – wenigstens zeitweilige – Illuminat und Bayrische Hofrat Karl von Eckartshausen (1752– 1803) dienen. In seiner Schrift „Uiber Religion, Freydenkerey und Aufklärung“ ist ausdrücklich von der Feststellung der Widersprüche in der Gesellschaft und einer Suche nach Abhilfe die Rede. Der Egoismus wird als Ursache benannt: „Jeder sucht andere zu verbessern, und vergißt auf sich selbst.“ Besser wäre es, „durch … eigene Selbstverbesserung seinem Nebenbruder den Werth der Frömmigkeit zu zeigen.“ Jeder kenne aus eigener Erfahrung als Bürger, Gatte und Vater „die Gefühle der Freundschaft und Liebe: Sein Eigennutz ist mit dem eurigen verwebt.“ Eckartshausen entwickelt aus dieser Erkenntnis die Forderung, „Privateigentum und die Selbstliebe mit dem Interesse und der Liebe der ganzen Menschheit“ zu vereinen, denn das „trägt bei zum Wohl der Gesellschaft … und also Näherung zum Licht und zur Aufklärung.“ Zeitgenossen konnten das durchaus als Anleitung verstehen, sich mit privaten und gesellschaftlichen Anliegen gleichermaßen in einer Loge zu engagieren. Dass Eckartshausen diese Problematik gerade während der heraufziehenden Französischen Revolution öffentlich anspricht und als zeitweiliger Illuminat nun zur religiös motivierten Nächstenliebe tendiert, gibt dem eine besondere Brisanz. Vgl. Karl von Eckartshausen, Uiber Religion, Freydenkerey und Aufklärung, Brünn 1789, S. 8 f., 12, 16.
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gehobenem Bürgertum überhaupt erst ermöglicht wurde.²⁴ Das freimaurerische Geheimnis verpflichtete unter Eid jedes Mitglied, über die Vorgänge innerhalb der Loge Stillschweigen zu bewahren. Mittels „gleichberechtigter Partizipation“ unter dem Schutz des Geheimnisses, so Monika Neugebauer-Wölk, sei es – in Anlehnung an Lessings berühmtes Zitat – zur Entwicklung von „Keimzellen der modernen Bürgerlichen Gesellschaft“ innerhalb der ständischen Ordnung gekommen.²⁵ Gayot steht dem gesellschaftlichen Entwicklungspotential der Logen dagegen skeptisch gegenüber und lehnt die These, dass es sich bei der Freimaurerei um eine Sozietät handelte, die eine egalitär-demokratische Form der Geselligkeit praktizierte, ab. Er geht davon aus, dass es selbst innerhalb der sich in den Logen versammelnden Elite zu Ab- und Ausgrenzungen kam – nicht alle Mitglieder der Logen seien gleich gewesen, und auch innerhalb der Logen hätten sich Gruppierungen und Schichten gebildet, die an die ständische Gesellschaft angelehnt waren.²⁶
Anziehungskraft Unabhängig davon, ob die Logen Keimzellen der Bürgerlichen Gesellschaft waren oder nur in kleinem Rahmen die Praktiken der ständischen Gesellschaft fortführten, ist ihre große Anziehungskraft unbestritten.²⁷ Gerade wegen ihrer Exklusivität konnten die Logen als Orte der Begegnung großes gesellschaftspolitisches Potential entfalten. In einer Zeit, in der Beziehungen und Gefälligkeiten den Weg zum Erfolg bestimmten, waren Kontakte die gängige Währung, in der für die Bausteine des Erfolgs bezahlt wurde. Die Mitgliedschaft in einer Loge eröffnete privilegierten Zugang zu lokal und überregional einflussreichen Persönlichkeiten – selbst wenn man als bürgerliches Mitglied vielleicht nicht in den Genuss
Hoffmann, Die Politik der Geselligkeit, S. 35 f., 43. Neugebauer-Wölk, Esoterische Bünde und Bürgerliche Gesellschaft, S. 7. Gayot, War die französische Freimaurerei des 18. Jahrhunderts eine Schule der Gleichheit?, S. 237. Maurice charakterisiert treffend, was diese Attraktivität ausmachte: „Die Loge war so eine kleine Welt in der Welt. Sie war getrennt von der Außenwelt und anders geordnet als diese, aber ihr doch ähnlich und konnte daher das bieten, was man in der Welt – vergeblich – zu erhalten suchte, und das aufnehmen, was in der Welt keinen Platz fand. Sie schloß in ihrem Selbstverständnis die Außenwelt aus, aber nicht um sie zu bestreiten, sondern um sie zu ergänzen.“ Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 278.
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kam, tatsächlich brüderlich gleichgestellt zu sein.²⁸ Aus Sicht eines angehenden Akademikers beispielsweise war es eine für die weitere Karriere strategisch kluge Entscheidung, mit berühmten und einflussreichen Männern enger bekannt zu werden und ihnen – zumindest formal – vertraulich zu begegnen.²⁹ Es verwundert deshalb nicht, dass häufig zur Gründung neuer Logen geschritten wurde, wenn vor Ort noch keine vorhanden war.³⁰ Durch den Einsatz von Zeit und Geld ließen sich Ansehen und Rang innerhalb der Loge steigern: Gesellen oder gar Meister fanden leichter Gehör bei den einflussreichen oder adeligen Logenmitgliedern, und jeder höhere Grad wurde nicht nur als Zeichen eines ausgeprägten freimaurerischen Engagements interpretiert, sondern auch als Hinweis auf weltlichen Einfluss und Wohlstand.³¹ Da die Logen sich in teils sehr repräsentativen Häusern versammelten, prunkvolle Feste feierten und karitativ tätig waren, färbte das innerhalb der Loge erworbene Ansehen auch auf den gesellschaftlichen Stand ab und konnte diesen sogar überstrahlen.³² Wer einen hohen Grad inne hatte, wurde in gewissem Maße allein schon durch die erfolgte Verleihung zur Persönlichkeit, wenn er dies nicht schon war. Im Idealfall musste
Vgl. Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 167. Besonders deutlich wird diese Motivation auch in einem Schreiben Goethes an Jakob Friedrich von Fritsch vom 13. Februar 1780. Goethe nannte dort ausdrücklich seine Hoffnung neue Kontakte zu knüpfen als Grund für seinen Wunsch der Weimarer Loge Amalia beizutreten. Schon im Oktober des Jahres berichtete er von Fritsch in einem weiteren Schreiben, dass er bereits die Vorteile seiner Logenmitgliedschaft fühle. Vgl. Schreiben Goethes an Jakob Friedrich von Fritsch vom 13. Februar und 1. Oktober 1780; Zu Goethes Beweggründen für der Eintritt in die Freimaurerei vgl. auch Bauer und Müller, Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben, S. 102 ff., 121. Vgl. Gefarth, Meumann, Taatz-Jacobi und Zaunstöck, Collegia, Logen, Salons, S. 223 f. So entstand wohl auch die Augusta: Der erste Meister vom Stuhl Wacker war Gastwirt und Weinhändler. Jahrelang versammelte sich die Loge in seiner Gaststätte – für Wacker stellte die Freimaurerei eine Möglichkeit dar, Kontakte zu zahlungskräftigen Kunden und zum Bildungsbürgertum zu knüpfen. Der Vorsitz des Schankwirts Wacker erscheint aus heutiger Perspektive als Hemmnis für die Entwicklung der Loge, den Wacker gehörte nicht zum Kreis aus Adeligen und Gelehrten, der sich im Umfeld der noch jungen Göttinger Universität gebildet hatte. Erst nachdem Wacker den Vorsitz über die Loge abgegeben hatte, gelangte die Loge unter der Führung angesehener Professoren wie Koppe, Spittler und Feder in der Zeit von 1780 bis 1784 zu ihrer höchsten Blüte. Nun traten auch viele Studenten bei, deren eigentliches Interesse vermutlich nicht die Ausrichtung der Freizeit nach den Regeln der Freimaurerei war. Interessante Freizeitgestaltung war ohne Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge billiger und weniger reguliert zu haben, und mehrfach sah sich Koppe dazu genötigt, die studentischen Brüder zu einem Freimaurer angemessenem Verhalten in der Öffentlichkeit anzuhalten. Vgl. Kap. 7. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 4. Die Logen waren eben keine Geheimgesellschaften, sondern geheime Gesellschaften. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 278 f.
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ein angesehener Maurer kaum noch selbst neue Kontakte anbahnen, sondern konnte es sich leisten zu warten, bis man an ihn herantrat. Der repräsentative Charakter der Freimaurerei weist auf den wichtigen Aspekt der Kommunikation hin: Logenmitglieder hatten Zugriff auf exklusive Kommunikationskanäle und kommunizierten intensiver als Außenstehende.³³ In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts waren selbst Tageszeitungen noch selten; der (rasche) Zugang zu Informationen war ein wertvolles Privileg, dessen Bedeutung im Zeitalter der Massenmedien kaum nachvollziehbar ist. Die Logen erhielten von Besuchern und über das die Logen verbindende Netzwerk von Korrespondenzen Neuigkeiten und wichtige Informationen. Regelmäßig wurden Mitgliederlisten, Briefe und Schriften zu den unterschiedlichsten Themen zwischen den verschiedenen Gemeinschaften ausgetauscht, die teils brisanten Inhalts waren.³⁴ Hinzu kam die mündliche und schriftliche Kommunikation der Brüder untereinander, die mit Hilfe der Protokolle nicht nachvollzogen werden kann, von der die erhaltenen Korrespondenzen aus dem 18. Jahrhundert jedoch Zeugnis ablegen. Die Mitgliedschaft in einer Loge verschaffte also nicht nur ein höheres gesellschaftliches Ansehen, sondern erweiterte den Horizont des aktiv an der Kommunikation Teilnehmenden. Dies wiederum unterstützte einen Wandel in der Selbstwahrnehmung: Der Freimaurer sah sich nicht nur als bürgerliches oder adeliges Mitglied der Ständegesellschaft, sondern auch als Individuum und Weltbürger, der aktiv am Austausch von Ideen teilnahm, Neues lernte und manchmal sogar Impulse gab.³⁵ Sogar frühe Vorläufer heutiger Versicherungen entwickelten sich zwischen den Mitgliedern: Die Logen hielten ihre Mitglieder dazu an, sich bei finanziellen Schwierigkeiten, im Krankheits- oder Todesfall gegenseitig zu unterstützen. Diese Hilfe schloss im Zweifelsfall sogar Hinterbliebene mit ein.³⁶ Da es im 18. Jahrhundert kaum staatliche Versorgungseinrichtungen und kaum Versicherungen gab, stellte die Mitgliedschaft in einer Loge häufig die einzige Möglichkeit dar, über die Schranken der eigenen Familie hinaus Unterstützung zu erhalten.³⁷ Schon im Ritual des Meistergrads wurde dem „erschlagenen“ Gesellen von seinen Brüdern wieder auf die Beine geholfen und er
Vgl. Kap. 8. In gewissem Umfang erscheint die Logen-Mitgliedschaft als durchaus vergleichbar mit der heutigen Teilnahme an Interaktionen in sozialen Medien – Risiken mit einbegriffen. Hoffmann, Die Politik der Geselligkeit, S. 42 f. Jacobs, The Origins of Freemasonry, S. 72 f.; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 220. Vgl. Kap. 8.
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damit in ihren Kreis aufgenommen.³⁸ Die Mitgliedschaft in einer Loge diente nicht nur dem gesellschaftlichen Aufstieg, sondern konnte auch vor dem tiefen Fall in den Ruin schützen.³⁹ Innerhalb der Logen wurde also nicht nur Gleichheit innerhalb eines elitären Zirkels vorgelebt, sondern auch eine Absicherung geboten, die im Notfall für einen gleichbleibenden gesellschaftlichen Stand sorgen sollte.⁴⁰ Für zahlreiche Interessierte rechtfertigte dies die Investition von Zeit, Kontakten und Geld in die „Ware“ Freimaurerei. Auch in diesem Zusammenhang waren die innerhalb der Loge geknüpften Kontakte von größter Bedeutung, denn die Gemeinschaften konnten zwar Druck auf ihre Mitglieder ausüben, sie aber nicht zu Hilfsleistungen zwingen. Man muss annehmen, dass dem langjährigen Logenmitglied in einer Notlage in größerem Umfang beigestanden wurde als dem erst vor wenigen Wochen aufgenommenen Lehrling. Die vorherige Pflege von Kontakten und aktive Beteiligung am Logenleben zahlte sich in solchen Fällen spürbar aus. Die Gründe, aus denen der Wunsch entstand, einer Loge beizutreten oder in die höheren Grade weitergeführt zu werden, waren also sehr unterschiedlich. Eines hatten alle Mitglieder der Logen gemeinsam, egal ob sie länger in Göttingen blieben oder die Stadt nach wenigen Jahren wieder verließen: Sie hofften, von ihrer Mitgliedschaft zu profitieren, und sahen die in der Loge verbrachte Zeit und die damit verbundenen finanziellen Belastungen als Investition an.⁴¹ Der Profit – man könnte von einem Preis-Leistungsverhältnis sprechen – war dann am größten, wenn es gelang, möglichst günstig möglichst schnell aufzusteigen. Die Logen wussten um ihre Anziehungskraft und standen den auf sie projizierten Erwartungen keineswegs passiv gegenüber. Sie verdienten gut an den Aufnahmen und Weiterführungen und waren zweifellos – wie jede andere Sozietät und jeder heutige Verein auch – daran interessiert, Mitglieder zu gewinnen, um so den Fortbestand der Gemeinschaft zu sichern.⁴² Aus finanzieller Sicht und um die Basis zu stärken, wäre es konsequent gewesen, die Aufnahmekriterien abzu-
Vgl. Kap. 4. Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 278 f.; Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 5.; Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 165. Man denke auch an die 1736 von dem Freimaurer Benjamin Franklin in Philadelphia gegründete Union Fire Company, einer Mischung aus freiwilliger Feuerwehr und Brandversicherung.Vgl. Page Talbott, Benjamin Franklin – In search of a better world, New Haven 2005, S. 105 ff. Jacobs, The Origins of Freemasonry, S. 72 f. Vgl. Ulrichs, Vernünftige Konversation, empfindsames Gespräch, heilloser Klatsch, S. 12. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 5. Es ist zumindest fraglich, ob ein Projekt wie die Eröffnung eines Krankenhauses durch die Augusta finanzierbar gewesen wäre, wenn die Loge nicht über eine breite und solvente Mitgliederbasis verfügt hätte. Vgl. Kap. 8.
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schwächen, um so möglichst viele Anwärter rezipieren zu können. Doch diesen Weg wählte man nicht. Die Aufnahme zahlreicher neuer Mitglieder in kurzer Zeit hätte zwangsläufig dem mit der Aura des Exklusiven behafteten Prestige der Gemeinschaft geschadet – eine Sozietät, die jeden aufnimmt, erscheint als wenig attraktiv. Etablierte Logen bemühten sich um eine Balance zwischen den Wünschen nach Aufnahme und Weiterführung auf der einen und der Wahrung von Exklusivität auf der anderen Seite. Die naheliegende Lösung war die bevorzugte Aufnahme von prestigeträchtigen Personen, die über Rang und Namen verfügten. Adelige und Gelehrte wurden von den Logen daher stets gerne aufgenommen und besetzten häufig die höchsten Ämter. Ihre Aufnahme zog keinen der befürchteten negativen Effekte nach sich, sondern wirkte sich positiv aus.⁴³ Gelang es einem Mitglied der Loge, eine solche Persönlichkeit zum Beitritt zu überreden, steigerte dies nicht nur das Ansehen der Gemeinschaft, sondern auch das des anwerbenden Bruders, der die Ehre hatte, als Fürsprecher oder Pate des Aufzunehmenden aufzutreten und bei dieser Gelegenheit gegenüber seinen versammelten Brüdern die Nähe zu einer angesehenen Persönlichkeit zu demonstrieren. Logen, die über hochkarätige Mitglieder verfügten, erschienen als exklusiver, waren angesehener, konnten höhere Ansprüche stellen, höhere Gebühren verlangen und waren als Korrespondenzpartner besonders gefragt. Obwohl die Logen also theoretisch jedem Interessierten offen standen, der die Aufnahmekriterien erfüllte, zielte ihre Politik darauf ab, die einflussreichsten und angesehensten Persönlichkeiten für sich zu gewinnen, denen man deshalb weit entgegen kam. Dies galt auch für Göttingen. Der Blick in die Protokolle der Logen Augusta zu den 3 Flammen und Zum goldenen Zirkel zeigt, welche Begründungen verwendet wurden, um eine bevorzugte Behandlung zu erreichen, und in welchem Umfang Kontakte zu Logenmitgliedern bei der Aufnahme und Weiterführung in der Loge Vorteile verschaffen konnten. Alle Fälle von Bevorzugung definieren sich durch den Umstand, dass die Logen eine oder mehrere übliche Verfahrensweisen nicht einhielten. Innerhalb dieser allgemeinen Definition lassen sich verschiedene, vielleicht sogar abge-
Der Vorsitz eines Adeligen versprach der Loge Schutz vor Verfolgung, weshalb beispielsweise die Aufnahme Kronprinz Friedrich II. 1738 enthusiastisch begrüßt wurde. Nachdem die Große Landesloge sich die Anerkennung der Großloge von England gesichert hatte, suchte sie auch um den Schutz des Staates nach. Ein Zwischenfall beim im Bögerschen Garten gefeierten Johannisfest des Jahres 1774 bot den gesuchten Anlass. Es war zu Rangeleien mit Offizieren gekommen, die das Fest störten. Eine Beschwerde bei Friedrich II. ließ diesen das gewünschte Protektorium am 11. August ausstellen. Vgl. Hoffmann, Die Politik der Geselligkeit, S. 33; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 613 f.
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stufte Arten der Bevorzugung identifizieren. Die rasche Rezeption eines Anwärters vor seiner Abreise aus Göttingen unterscheidet sich beispielsweise deutlich von der beschleunigten Weiterführung eines zunächst langjährigen Lehrlings in den Meistergrad. Und auch innerhalb der verschiedenen Arten von Bevorzugung finden sich graduelle Abstufungen. Für die weitere Untersuchung wurde eine Unterteilung der verschiedenen Fälle in drei Kategorien vorgenommen: Die erste Art von Bevorzugung ist die Verkürzung beziehungsweise der Wegfall der zwischen der Proposition und Abstimmung über den Wunsch eines Anwärters nach Rezeption vorgesehenen Wartezeit.Während der Wartezeit sollten die Mitglieder der Logen die Anwärter beobachten und Informationen über sie einholen, um zu klären, ob sich die Anwärter angemessen verhielten und ihre Aufnahme für die Loge somit kein unkalkulierbares Risiko darstellte. Zeitgleich sollte der Anwärter seinen Wunsch, der Loge beizutreten, noch einmal überdenken und sich über die Bedeutung des folgenreichen Schrittes klar werden. Beide Göttinger Logen verkürzten die vorgesehene Wartezeit häufig erheblich. Der Nachweis dieser Form der Bevorzugung ist anhand der Protokolle und Mitgliederlisten nicht immer sicher zu führen. Es finden sich eindeutige Fälle, in denen keine oder eine nur wenige Tage dauernde Wartezeit zwischen der Vorstellung eines Anwärters und seiner Aufnahme vergingen. In anderen Fällen lässt sich aufgrund der Dokumentenlage keine sichere Aussage treffen. Wurde etwa ein Anwärter vorgeschlagen und sollte in der nächsten Monatsloge rezipiert werden, so kann bei einer Vorverlegung der nächsten Versammlung um wenige Tage kaum von einer bewussten Bevorzugung gesprochen werden, insofern es nicht ausdrücklich belegbar ist, dass die Vorverlegung wegen dieser Rezeption vorgenommen wurde. Die zweite Art von Bevorzugung lässt sich anlässlich der Weiterführung in die höheren Grade beobachten und kommt am häufigsten vor. Den hohen Anforderungen an den Lebenswandel, die schon bei den Anwärtern angelegt wurden, mussten sich alle Mitglieder der Loge unterwerfen. Neben untadeligem Verhalten inner- und außerhalb der Loge sollten Lehrlinge und Gesellen außerdem die Kenntnisse ihres jeweiligen Grads verinnerlicht haben. Dazu gehörte das Wissen um Symbole und Rituale sowie der freimaurerische Katechismus. Damit dieses gradspezifische Wissen vermittelt werden konnte, sollten Logenmitglieder eine gewisse Zeit in ihrem Grad „stehen“ (bzw. „dienen“), bevor die Weiterführung in den nächsthöheren Grad möglich war. In Logen der Strikten Observanz betrug diese Wartezeit üblicherweise ein Jahr.⁴⁴ Für die Loge Zum goldenen Zirkel ist die vorgeschriebene Wartezeit nicht eindeutig belegt; in Gemeinschaften, die mit der
Vgl. Bauer und Müller, Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben, S. 107.
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Großen Landesloge assoziiert waren, variieren die Wartezeiten.⁴⁵ Um 1805 gab der Theaterdirektor und Schauspieler Friedrich Ludwig Schröder die Gesetze und Statuten des Ordens der Freymaurer heraus. Darin enthalten sind auch in der Großen Landesloge um 1780 übliche Regelungen. Demnach hatte ein Lehrling nach seiner Rezeption drei Monate in seinem Grad zu stehen, bevor er zum Gesellen weitergeführt werden konnte. Ein Geselle sollte sieben Monate auf seine Weiterführung zum Meister warten. Und der Meister konnte nach neun Monaten Teil der Andreasloge werden. Voraussetzung war jeweils, dass er „… sich in dieser Zeit fleißig zur Arbeit, eifrig für das Beste des Ordens beweisen und ein ehrbares Leben führen“ solle.⁴⁶ Bei Lektüre der Protokolle der wird indes schnell klar, dass die zur Wissensvermittlung gedachte Wartezeit in beiden Gemeinschaften häufig deutlich kürzer ausfiel. Der Ausnahmefall wurde zur Gewohnheit. Am deutlichsten wird die Motivation, aus der die Logen Bevorzugungen zustimmten, natürlich an den außergewöhnlichsten Beispielen von Bevorzugung. Die Fälle der dritten Kategorie gehen über die Bevorzugung der ersten beiden Gattungen hinaus, indem Rezipienten von den Logenoberen überaus freundlich und zuvorkommend behandelt wurden. Unterschiede zu den ersten beiden Kategorien sind meist in der Art der Protokollierung erkennbar: Sprach der Vorsitzende etwa anlässlich einer Rezeption von einer „besonderen Freude“ für die Loge, war der Rezipient überdurchschnittlich angesehen. Und nicht immer blieb es bei Floskeln. Konkret konnte die Dankbarkeit in solch außergewöhnlichen Fällen dazu führen, dass die Loge auf die Zahlung der hohen Rezeptionsgebühren verzichtete. Außergewöhnlich prestigeträchtigen Anwärtern wurde also eine Behandlung zu teil, auf die selbst angesehene Männer nicht hoffen konnten.
5.1 Hofieren und Rezipieren Der Hinweis auf die baldige Abreise des Anwärters lässt sich in der Augusta häufig im Zusammenhang mit Fällen der ersten Kategorie beobachten. Unter Zeitdruck verzichtete die Loge teils nicht nur auf die mehrwöchige Wartezeit zwischen Proposition und Abstimmung, sondern hielt mitunter sogar eine außerplanmäßige Zusammenkunft eigens zur Rezeption des Anwärters ab.
Für die Information geht mein Dank an Karlheinz Gerlach. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts weist das Gesetzbuch der Großen Landesloge von 1914 eine Wartezeit von neun Monaten in den drei Johannisgraden aus. Vgl. Gesetzbuch der Großen Landesloge der Freimaurer von Deutschland, zweite Ausgabe, genehmigt durch die Hauptversammlung vom 8. April 1925, Berlin 1925, S. 99. Gesetze und Statuten des Ordens der Freymaurer, in: Friedrich Ludwig Schröder (Hrsg.), Ritualsammlung, 14. Band, [Kennzeichnung Vorsatzblatt] 13 AI, Rudolstadt um 1805, S. 61.
5.1 Hofieren und Rezipieren
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Im Sommer 1780 versammelte sich die Lehrlingsloge in einer außerplanmäßigen Zusammenkunft, um ein neues Mitglied aufzunehmen. Koppe: … zeigte der Versammlung an; daß der heutige Zwek unserer Zusammenkunft sey, einen Adep[ten], den Amtsschreiber Reinhard von Elbingerode zu recipieren. Dieser Adep[t] sey bereits vor einigen Jahren durch den Br[uder] Wacker während seines Meister Amtes proponiert worden, seine Geschefte und Entfernung hätten ihm zeither abgehalten und nicht verstattet anher zu kommen, aber heute reise er gerade hindurch und befinde sich hier und hätte um die Recep. nachgesucht und die höchstw[ürdigen] Bbr. Amtmann Böse und Dr. Neyron, welcher lezten zu Northeim sey, hätten den Adep[t] besonders schriftlich empfohlen und stünden für seinen Character und überhaupt völlig für ihn. Er der ehrw[ürdige] Meister kenne den Adep[t] gar nicht, die Empfehlung der ehrw[ürdigen] Br[üder] bewöge ihn aber den Wunsch des Adep[ten] zu erfüllen …⁴⁷
Die Ereignisse bei der Rezeption Friedrich Heinrich Reinhards stellen im Vergleich mit anderen Fällen, in denen die Loge neue Mitglieder aufnahm oder kurz vor ihrer Abreise weiterführte, eine Besonderheit dar. Der 31jährige Amtsschreiber aus Elbingerode – gemeint ist hier vermutlich das kleine Dorf bei Herzberg am Harz – kam auf einer Reise durch Göttingen, war aber Wacker und einigen anderen Logenmitgliedern bekannt. Reinhard scheint bereits zuvor von Wacker vorgeschlagen worden zu sein, dass die Sache danach nicht weiter vorangetrieben wurde, wird mit seinen Geschäften begründet. Die dem zwölften Juli vorausgehenden Eintragungen enthalten keinen Hinweis auf Reinhard. Mit ziemlicher Sicherheit ist deshalb davon auszugehen, dass der Amtsschreiber nicht erneut in der Lehrlingsloge vorgestellt wurde, sondern spontan auf der Durchreise – en passant – rezipiert werden sollte.⁴⁸ Man kann sich des Eindrucks kaum erwehren, dass der Amtsschreiber die Vorteile der Logenmitgliedschaft für Reisende erkannt hatte und nun alte Kontakte reaktivierte, um möglichst rasch der Loge beizutreten. Dem Vorsitzenden Koppe war die Problematik offenbar bewusst; und so erscheint sein Hinweis auf die Dringlichkeit der Aufnahme, vor allem aber auf die Empfehlungsschreiben der langjährigen Logenmitglieder Johann Philipp Böse (seit 1771 Mitglied des vierten Grads) und Peter Joseph Neyron (seit 1774 im vierten Grad) als ein Versuch, die Zustimmung der versammelten Logenmitglieder zu gewinnen, indem die fehlende Informati-
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Juli 1780, Lehrlingsloge, Bl. 24, S. 2. Reinhard war zwar laut Protokoll einige Jahre zuvor ordentlich proponiert worden, doch war seitdem viel Zeit vergangen. Da in den Logen ein stetes Kommen und Gehen von Mitgliedern herrschte, hätte man den Amtsschreiber eigentlich erneut vorstellen müssen, um seitdem dazugekommene Mitglieder über den Anwärter zu informieren.
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onsbeschaffung während der Wartezeit durch zwei hochgradige Empfehlungsschreiben kompensiert wurde.⁴⁹ Alle neunzehn neben Koppe zusammengekommenen Mitglieder der Loge stimmten der Rezeption Reinhards zu: Der zweyte Br[uder] Vor[steher] Neyron hat übrigens auch in seinem empfehlungs Schr[eiben] angezeigt, daß er für Zahlung einstehe und solche von den sgehrt:. Br[uder] Böse in empfang nehmen würde, an welchen der Adsp[irant] Zahlung geleistet habe, daher den Adsp[irant] auch keine Zahlung abgefordert worden ….⁵⁰
Das weist darauf hin, dass Böse offenbar von Reinhard bereits die Gebühren erhalten hat, womit der Handel also bereits im Vorfeld komplett abgeschlossen war: Empfehlungsschreiben und Gebühreninkasso schufen vollendete Tatsachen. Unklar bleibt, welches Interesse Neyron und Böse an der Aufnahme Reinhards hatten, welchen Vorteil sie daraus zogen und warum Neyron das Einfordern der Rezeptionsgebühr in Höhe von 25 Reichstalern übernahm.⁵¹ Böse war von Beruf Amtmann, so dass er wahrscheinlich durch seine Arbeit die Bekanntschaft Reinhards gemacht hatte. Neyron, so das Protokoll, hielt sich zur Zeit der Aufnahme Reinhards in Elbingerode auf, und scheint dort dessen Bekanntschaft gemacht zu haben. Wie kurz Reinhards Aufenthalt in Göttingen tatsächlich war, wird im weiteren Verlauf der Aufzeichnung deutlich: Der ehrw[ürdige] Meister bemerkte hiernächst, zur Wissenschaft des aufgenommenen Bruders, an daß da ihm bekannt sey, daß er nächst baldigst wieder abzureisen, er daher die Vorlesung der Policey-Gesetze, die sonst verlesen werden müßen, vor diesmahls unterlassen wolle, um seine Abreise nicht zu behindern; inzwischen aber die Fragen des Catechismus
Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Juli 1780, Lehrlingsloge, Bl. 25, S. 1. Die bei Rezeption und Weiterführung anfallenden Gebühren waren nicht unerheblich. Das Jahresgehalt eines Tagelöhners betrug etwa 60 bis 70 Reichstaler, ein Handwerksgeselle erhielt 80 bis 90, gebildete Stadtschreiber verdienten um die 150 Taler im Jahr, und selbst der erste Bürgermeister verdiente „nur“ 700. Ein Professor mit Hofratstitel verdiente im Jahr etwa 600 Reichstaler, die meisten Gelehrten mussten wohl mit erheblich weniger auskommen. Man muss daher davon ausgehen, dass in weniger einträglichen Berufen beschäftigte Mitglieder der beiden Göttinger Logen für Rezeption oder Weiterführung ein knappes Monatsgehalt veranschlagen mussten. In jedem Fall war die Freimaurerei eine teure, und somit exklusive Freizeitbeschäftigung. Neyrons Übernahme der Rezeptionsgebühren war also äußerst großzügig, und deutet auf eine sehr enge Beziehung zu Reinhard hin.Vgl. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 132, 151.
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vornahm und den neu aufgenommenen Br[uder] die Aufmerksamkeit empfahl und äuserte zugleich den Wunsch daß er recht oft unseren Arbeiten beywohnen möge.⁵²
Koppe setzte die Verlesung der Ordensregeln mit dem bereits diskutierten Verweis auf die baldige Abreise aus; anscheinend hatte Reinhard geplant, Göttingen noch am Abend zu verlassen.⁵³ Die Hoffnung Koppes auf eine regelmäßige Teilnahme Reinhards an den Versammlungen der Loge erscheint unter den genannten Umständen als pure Rhetorik und hat sich wohl nicht erfüllt: Zumindest in der Augusta wurde der Amtsschreiber nicht in höhere Grade weitergeführt, sein weiterer freimaurerischer Werdegang geht aus den Dokumenten der Augusta nicht hervor. Ähnlich dem Fall Reinhards wurde zwei Jahre später in einer von 40 Mitgliedern besuchten Lehrlingsloge ein Kaufmann aus Nörten aufgenommen: Eine Lehrlings Loge ward von dem S[ehr] E[ehrwürdigen] Meister mit allen Feyerlichkeiten eröfnet. Er stellte vor, den in einer der vorhergegangenen Logen vorgeschlagenen Aspiranten von Blume, so nun auch den vom Br[uder] Borkenstein proponierten Aspiranten Panse, der als Kaufmann nach Ostende gehen wird, in den Lehrlings Grad heute aufzunehmen. Der letztere hat wegen seiner so baldigen Abreise zwar nicht in der Loge vorher proponiert werden können, aber der Br[uder] Borkenstein trat als Bürge für ihn ein, daß er einen solchen Character besitze der hoffen ließe, er werde ein würdiges Mitglied des Ordens seyn. Es wurde daher beyder Aspiranten Aufnahme beschlossen, und dem Br[uder] Borkenstein die Präparation aufgetragen …⁵⁴
Den in Straßburg geborenen 21jährigen Jurastudenten Wilhelm Georg Friedrich von Blume führte sein weiterer Lebensweg später nach Celle; in der Augusta kam er über den Lehrlingsgrad nicht hinaus. Georg Heinrich Panse war laut Mitgliederliste zum Zeitpunkt seiner Aufnahme etwa 27 Jahre alt. Der Loge war bewusst, dass – anders als bei Reinhard – in Panses Fall keine Aussicht bestand, dass er in Zukunft an den Arbeiten teilnehmen würde. Hier wurde also kein zukünftiges Mitglied der Loge aufgenommen, sondern ein reisender Kaufmann in die Freimaurerei eingeführt – der Verdacht, dass der Beitritt zur Freimaurerei auch hier aus geschäftlichen und gesellschaftlichen Erwägungen vollzogen wurde, liegt nahe. Wie im Fall Reinhards führten auch bei Panse dessen gute Beziehungen zu einem einflussreichen Logenmitglied
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Juli 1780, Lehrlingsloge, Bl. 25, S. 1 f. Einige Jahre später führte ähnliches Verhalten des neuen Meisters vom Stuhl Ludwig Timotheus Spittler beinahe zum Auseinanderbrechen der Loge. Vgl. Kap. 8.4. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. August 1782, Lehrlingsloge, Bl. 68, S. 1.
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dazu, dass seinem Wunsch stattgegeben wurde. In der von Gläshner erstellten Mitgliederliste der Augusta finden sich zwei weitere Personen, die den Nachnamen Panse tragen. Johann Carl Panse wird als Bruder des Kaufmanns bezeichnet, und beide waren verschwägert mit dem Nörtener Amtmann Borckenstein. Seine Bürgschaft – er war Mitglied des vierten Grads seit 1778 – ebnete dem reisenden Kaufmann den Weg zur Rezeption, und zeigt besonders anschaulich den engen Zusammenhang zwischen Bevorzugung und guten Kontakten, die durchaus auch familiär sein durften, ohne als unanständig zu gelten. Auch Studenten baten vor ihrer Abreise aus Göttingen um rasche Rezeption. Thomas Christian Tychsens (1758 – 1834) Wunsch nach Aufnahme wurde 1783 am selben Tag in der Loge verkündet wie der des späteren Bürgermeisters von Danzig, Gottlieb Hufeland (1760 – 1817): In der Zwischenzeit proponierte der Mstr. v[om] St[uhl] folgende. Adsp[iranten]: 1. Den Stud[ent] Hufeland, ein Br[uder] unseres Br[uder] Hufeland. 2. Den Stud[ent] Tychsen. Lezterer würde in 14 Tagen abreisen, dessen Aufnahme mithin zu beschleunigen wäre, vorzügl[ich] weil man äusserst viel Gutes von diesem Adsp[irant] sich verspräche. Bemerkte auch, daß er eine grosse Reise zu unternehmen im Begriff sey, und es eine Aquisition für den Orden wäre.⁵⁵
Für Hufeland sprach sein jüngerer (!) Bruder Christoph Wilhelm (1762– 1836), für Tychsen sein guter Ruf. Doch der Anschein, dass Tychsen keine Fürsprecher in der Loge hatte, trügt.⁵⁶ Sein Fürsprecher war der Meister vom Stuhl persönlich, der wohl in seiner Eigenschaft als Professor auf den vielversprechenden Theologiestudenten aufmerksam geworden war und diesen nun nach Kräften förderte.⁵⁷ Die Ankündigung, dass Tychsen innerhalb von 14 Tagen abreisen würde, scheint sich nicht bewahrheitet zu haben, was die Frage aufwirft, ob sich zwischenzeitlich Änderungen in den Plänen Tychsens auftaten oder ob Koppe mit seinem Hinweis
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1783, Lehrlingsloge, Bl. 92, S. 2. Bei dem erwähnten Bruder handelte es sich um Christoph Wilhelm Hufeland, einen einige Jahre später berühmten Mediziner und – wie Gottlieb – ab 1784 Mitglied des Illuminatenordens. Hufeland war Schüler August Gottlieb Richters und Begründer der Makrobiotik. Als berühmter Arzt praktizierte er in Weimar; Goethe, Schiller, Herder und Wieland gehörten zu seinen Patienten Vgl. Markwart Michler, „Hufeland, Christoph Wilhelm“, in: Neue Deutsche Biographie, 10. Band, Berlin 1974, S. 1 ff. Tychsen war unter der Matrikelnummer 11733 an der Göttinger Universität immatrikuliert.Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 246. Nach Koppes Tod 1791 führte Tychsen Koppes Arbeiten an dessen Werk Novum Testamentum Graece: perpetua annotatione illustratum fort.
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die Rezeption seines Schülers lediglich beschleunigen wollte. Die Rezeption des jungen Theologen fand drei Wochen später in einer außerordentlichen Loge statt: Zeigte darauf an, daß heute der Adsp[irant] Tychsen recip[irt] werden solle, worüber bereits von der Loge ballottirt sey und unanimia Vota erfolgt wären, ließ den Br[uder] Cerem[onien] Mstr. ab, den Adsp[irant] die Fragen zur Beantwortung vorzulegen. Hierauf verfügte sich der Br[uder] Feder zu dem Adsp[irant] um ihn vorzubereiten: trat mit der Nachricht in die Loge zurück, daß er den Adsp[irant] gehörig vorbereitet habe, derselbe auch die Fragen und den Reverss unterzeichnet, daß er in Betref seiner herschenden Leidenschaften sich dahin ausgelassen, daß Hang zur Wollust und Ehrgeiz bey ihm bemerklich geworden, daß er aber vorzügl[ich] Erstere zu unterdrücken sich äuserst bemüht habe, und wegen der lezteren sich so verhalten werde, daß er hoffe der Orden solle davon keine Schande haben, unterwürfe sich allen Gebräuchen, zu welchem Ende er dann auch die Zeichen der Unterwürfigkeit am Stuhl abgab.⁵⁸
Neben dem Protokolleintrag zur Rezeption Tychsens findet sich eine Anmerkung des Kassierers Ulrich, in welcher dieser die Zahlung der Rezeptionsgebühr in Höhe von 25 Reichstalern bestätigte. Unter Verwendung der vorhandenen Dokumente lässt sich nicht klären, ob Tychsens Abreise nicht so unmittelbar bevorstand, wie zuerst von Koppe behauptet, oder ob der junge Theologe den Zeitpunkt seiner Abreise kurzfristig hinausschob, damit er doch noch aufgenommen werden konnte, weil es der Loge unmöglich war, früher eine Zusammenkunft abzuhalten. Tychsens Aufnahme spielte sich so im Grenzbereich der ersten Kategorie ab: Der Zeitraum zwischen Proposition und Rezeption fiel mit drei Wochen zwar kurz aus, war aber nicht extrem verkürzt. Die außerplanmäßige Versammlung nutzte man geschickt, um gegenüber den beiden Besuchern mittels Tychsens Rezeption die Attraktivität und Aktivität der Gemeinschaft zu demonstrieren. Tychsen wurde auch nach den Kriterien der zweiten Kategorie bevorzugt behandelt. Fünf Tage nachdem er rezipiert worden war, versammelten sich die Gesellenloge: Den 19. Jul[i] 1783 eröffnete der S[ehr] E[hrwürdige] Meister v[om] Stuhl die Loge 2ten Grades um 5 Uhr 30 Minuten, und da keiner von den anwesenden Brüdern bey der Fortführung des Bruder Tychsen, aus Holstein, etwas zu erinnern hatte, so ist er mit den gewöhnlichen Feyerlichkeiten in den 2ten Grade geführt worden.⁵⁹
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 14. Juli 1783, Lehrlingsloge, Bl. 93, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 19. Juli 1783, Gesellenloge, Bl. 27, S. 1.
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Eine Erklärung für Tychsens länger als ursprünglich prognostizierten Aufenthalt in Göttingen liefert auch der knappe Eintrag in den Protokollen der Gesellenlogen nicht, doch um zum Gesellen weitergeführt zu werden scheint der Theologe seine Abreise noch einmal aufgeschoben zu haben. Auffällig ist eine nachträgliche Notiz am Rand des Protokolls: „Die Recep[tions] Gelder ist der Br[uder] Tychsen schuldig geblieben. Die Nebenkosten sind entrichtet mit 4P[fennig] Cassen M[ünze] welche auch an die Behörde abgel[iefert] Ulrich Cassierer“⁶⁰
Im Protokoll findet sich kein Vermerk darüber, dass Tychsen die Rezeptionsgebühren erlassen worden wären. Kurz nachdem die Gesellenloge geschlossen worden war, versammelten sich die Mitglieder des dritten und vierten Grads in einer Meisterloge. Anlass war auch hier die Weiterführung Tychsens: Den 19. Juli 1783 eröffnete der sehr ehrwürdige Meister vom Stuhl die Loge dritten Grads um 6 Uhr. Bruder Tychsen, der an eben diesem Tage in den zweiten Grad geführt wurde, ward auch heute, weil er seine Abreise von hier nach Frankreich und Syrien beschleunigen musste, als Meister in den dritten Grad in unserer ehrwürdigen Loge aufgenommen. Wegen starkem Gewitter erklärte man den Teppich nicht.⁶¹
Auch neben dem Protokoll der Meisterloge findet sich eine Anmerkung darüber, dass Tychsen zwar die Nebenkosten, nicht aber die Rezeptionsgebühr bezahlt hätte. Ob ein einflussreicher Fürsprecher die Bezahlung übernahm, bleibt unklar. Warum bezahlte Tychsen die Gebühren der Lehrlingsrezeption, aber nicht der Weiterführungen zu Geselle und Meister? Und warum ließ die Loge sich darauf ein? Koppes Äußerung, dass man „… äusserst viel Gutes von diesem Adsp[irant] sich verspräche …“, verdeutlicht nicht nur die persönliche Wertschätzung des Professors für seinen begabten Studenten, sondern weist weiter, als es auf den ersten Blick scheint. Denkbar, dass Tychsen mangels Kapital ursprünglich nur seine Rezeption zum Lehrling plante. Reisen war teuer, weitgereiste Personen jedoch gefragte Gesprächspartner. Auf Koppes Drängen hin beschlossen die Logenoberen deshalb möglicherweise, Tychsen über dessen ursprünglichen Wunsch hinaus entgegenzukommen und ihn bis in den Meistergrad zu führen, um ihm so auf seinen Reisen weitere Türen zu öffnen und nach seiner Rückkehr noch stärker von seinem gestiegenen Ansehen profitieren zu können. Nach seiner Reise durch
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 19. Juli 1783, Gesellenloge, Bl. 27, S. 1 Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 19. Juli 1783, Meisterloge, unpag.
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Abbildung 1: Thomas Christian Tychsen blieb bei seiner Weiterführung in den zweiten Grad die Rezeptionsgebühren schuldig. Protokoll der Loge „Augusta zu den 3 Flammen“, Eintrag vom 19. Juli 1783, Gesellenloge (GStA PK, FM, 5.2. G31, Nr. 85, Bl. 27, S.1) © GStA PK.
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Südeuropa nahm Tychsen 1784 eine Stelle als außerordentlicher Professor für Theologie an der Georgia-Augusta an. Später brachte er es zum ordentlichen Professor und wurde in die Göttinger Akademie der Wissenschaften aufgenommen.⁶² Unklar bleibt, ob Tychsen jemals die Gebühren für die rasche Weiterführung in die höheren Grade der Freimaurerei erstattete. Der Fall des jungen Theologen veranschaulicht, dass die baldige Abreise nicht nur bei der bevorzugten Rezeption in die Loge, sondern auch beim Wunsch nach zügiger Weiterführung eine übliche Begründung war. Ein Eintrag im Protokoll der Gesellenlogen der Augusta aus dem Jahr 1781 enthält weitere Hinweise darauf, welche Überlegungen darüber entschieden, ob eine bevorzugte Weiterführung genehmigt wurde: Hierauf zeigte der ehrw[ürdige] Meister an, daß heute zwey Adep[ten] nehmlich der Br[uder] Hofrath Hase und der dienende Br[uder] Hasselbrinck recipiert werden würden, wenn die Ver[sammlung] dagegen nichts vorzutragen haben würde. Der erste Br[uder] sey zwahr noch ein junger Br[uder] der auf die Fortführung noch nicht Anspruch machen könnte, so wie auch der zweyte; inzwischen wär der Br[uder] Hase in Begriff uns zu verlassen und ein würdiger Br[uder] und der 2te Adep[t] würde durch die guten Empfehlungen der ehrw[ürdigen] Brbr. General Lieut[enant] v[on] Scheither und Lieutenant Richers proponiert.⁶³
August Wilhelm Hase war angesehen; Koppe selbst bezeichnete ihn als „würdigen Bruder“. Er arbeitete als Hofmeister und Hofrat für einen in Göttingen studierenden Stolberger Fürsten, der in den Dokumenten der Augusta nicht näher benannt wird. Überlegungen der Logenoberen, über Hase das Wohlwollen des Adeligen zu gewinnen, könnten bei dem Entgegenkommen eine Rolle gespielt haben. Zudem war Heinrich Christian Boie (1744– 1806), den Jahre zuvor eine enge Freundschaft mit den Grafen Christian (1748 – 1821) und Friedrich-Leopold zu Stolberg-Stolberg (1750 – 1819) im Hainbund verband, während seiner aktiven Hainbundzeiten Mitglied der Augusta gewesen.⁶⁴
Carsten Erich Carstens, „Tychsen, Thomas Christian“, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 39. Band, Leipzig 1895, S. 51. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 4. April 1781, Gesellenloge, Bl. 12, S. 2. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Anders als von Axel Pohlmann angegeben versammelten sich nicht alle dem Hainbund Nahestehenden, insofern sie einer Loge beitraten, in Logen des Zinnendorfschen Systems. Vgl. Pohlmann, Der Hain und die Loge, S. 131, 138. Zu den beiden Stolberger Grafen vgl. auch Peter Volk, Stolberg, Christian Graf zu und ders., Stolberg, Friedrich Leopold Graf zu, in: Reinalter (Hrsg.), Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa, S. 152 ff. sowie Kurt Böttcher (Hrsg.), Sturm und Drang – Erläuterungen zur deutschen Literatur, Berlin 1988, S. 247 ff.
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Koppe sprach drei Faktoren an, die bei den Überlegungen zur Bevorzugung mit einbezogen wurden: Das Alter, das Verhalten und die Kontakte beziehungsweise Fürsprecher des Bittstellers. Der Begriff des Alters in Koppes Ausführung darf nicht mit dem biologischen Alter einer Person verwechselt werden.⁶⁵ In seiner Äußerung vom „jungen Bruder“ bezog sich der Meister vom Stuhl auf das „freimaurerische Alter“ des Adepten, also auf die Zeit der Mitgliedschaft: Hase war erst am zwölften Januar 1781 als Lehrling in die Loge aufgenommen worden; zum Zeitpunkt seiner Weiterführung in den Gesellengrad also erst seit etwa elf Wochen Freimaurer.⁶⁶ Hasselbrinck war dagegen seit zehn Monaten Freimaurer. Sein freimaurerisches „Alter“ lag damit zwar unter der eigentlich vorgesehenen Zeit von einem Jahr, aber nicht so weit, als dass die Verkürzung allein als Begründung für Koppes Hinweis als ausreichend erscheint. Hasselbrinck war kein gewöhnlicher Lehrling, sondern ein dienender Bruder – er musste sich seine Logenmitgliedschaft über Hilfsdienste verdienen.⁶⁷ 10 Monate waren aus Koppes Sicht wohl nicht genug. Doch auch im Fall des dienenden Bruders entschieden sich die Logenoberen zur Weiterführung, denn Hasselbrinck verfügte über Beziehungen: Als Gefreiter diente er im Regiment von Scheither in Hedemünden und war Diener des dortigen Leutnants Joachim Nicolaus Richers.⁶⁸ Beide, Scheither und Richers, waren zum Zeitpunkt seiner Weiterführung in den Gesellengrad Mitglieder des vierten Grads der Loge. Koppe sprach die „guten Empfehlungen“, die der Weiterführung Hasselbrincks den Weg ebneten, offen an. Die Weiterführung des Gefreiten auf Empfehlung seiner Vorgesetzten erscheint damit als Beispiel für den gesellschaftlichen Aufstieg durch Beziehungen innerhalb der Freimaurerei. Auch bei der Weiterführung August Mehls vom September 1780 lässt sich ein Hinweis auf das Verhalten des Bittstellers beobachten: Dieser Br[uder] habe bekanntlich bereits ein Jahr in der Verbindung gestanden, sein Verhalten sey ohne Tadel gewesen und er suche um die Fortführung auch um des Willen nach, weil er von hier gehen würde …⁶⁹
Sowohl August Wilhelm Hase als auch Ludwig Hasselbrinck waren zum Zeitpunkt, an dem über ihre Weiterführung zum Gesellen beratschlagt wurde, bereits über 25; die Loge nahm Mitglieder ab 18 Jahren auf, so dass das biologische Alter in diesem Fall nicht gemeint war. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1781, Lehrlingsloge, Bl. 36, S. 2. Lennhof, Posner, Binder, Internationales Freimaurerlexikon, S. 228. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. September 1780, Gesellenloge, Bl. 9, S. 1.
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Der Student der Rechtswissenschaften war zehn Monate zuvor in die Loge aufgenommen worden – die einjährige Wartezeit wurde also auch hier nicht ganz eingehalten.⁷⁰ Die Formulierung des Protokolleintrags deutet dennoch darauf hin, dass Mehl aus Sicht der Logenoberen überdurchschnittlich lang Lehrling gewesen war. Damit deutet sich an, dass die formale Wartezeit von einem Jahr von den Logenoberen als äußerst lang und unüblich wahrgenommen wurde – außer im Fall des dienenden Bruders Hasselbrinck. Seit seiner Aufnahme in die Göttinger Loge am dritten November 1779 hatte Mehl laut Protokoll keine Versammlung der Lehrlingsloge versäumt. Mit mangelndem Interesse seinerseits für die Freimaurerei kann die lange Zeit zwischen Aufnahme und Weiterführung also nicht erklärt werden. Der Vergleich mit Hases oder Panzers schneller „Maurerkarriere“ führt zu der Frage, warum sich August Mehl so viel Zeit mit seiner Weiterführung ließ. Nach Gläshners Mitgliederliste war Mehl nach Abschluss seines Studiums erst Doktorand und schließlich als Hofmeister eines Herrn von Pilow angestellt. Eine Stellung als Hofmeister, also Hauslehrer und Erzieher, wurde häufig angenommen, wenn ein junger Akademiker im Anschluss an sein Studium nicht sofort eine feste Anstellung fand. Aus Mehls schlechter finanzieller Situation wiederum ließe sich sein langes Verbleiben im Lehrlingsgrad erklären: Möglicherweise konnte oder wollte er die mit der Weiterführung zum Gesellen verbundenen Rezeptionsgebühren nicht bezahlen. Als sich seine Zeit in Göttingen dem Ende entgegen neigte, beschloss Mehl dann möglicherweise doch noch, sich in den zweiten Grad weiterführen zu lassen, um so an anderem Ort leichter neue Kontakte knüpfen zu können. Die Formulierungen vom „würdigen Br[uder]“, der „ohne Tadel“ sei, deuten darauf hin, dass die Logenoberen ihre Entscheidung darüber, ob eine Bevorzugung bewilligt wurde, neben den Kontakten maßgeblich vom Charakter des Weiterzuführenden abhängig machten. Eine genauere Definition des untadeligen beziehungsweise würdigen Verhaltens erlaubt der Protokolleintrag zur Weiterführung des aus Reval stammenden Fabian Wilhelm von Schilling (1761– 1831) in den Gesellengrad 1780.⁷¹ Der Meister vom Stuhl Koppe
Mehl war unter der Matrikelnummer 9911 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 211. Zur Freimaurerei in Estland vgl. Henning von Wistinghausen, Freimaurer in Estland – Ihre Sozialstruktur am Beispiel der Revaler Loge „Isis“ 1773 – 1820, in: Quatuor Coronati, 42. Band, Bayreuth 2005, S. 287– 305. Von Schilling trat später in die Revaler Loge Isis ein. Vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 1. Band, S. 348.
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… zeigte der Versammlung an; daß ob zwar gleich unser würdiger Br[uder] v[on] Schilling erst vor Kurzem in den ersten Grad unseres ehrw[ürdigen] Ord[ens] getreten sey und überdem seine Jahre auch in Betracht kehmen, so habe dennoch ihn der ehrw[ürdige] Meister und die Brbr. Beamten der Loge, in Rücksicht seinen dem ehrw[ürdigen] M[eister] speciel bekannten noblen Characters, seiner schleunige eingetretenen Abreise wegen und auch vorzüglich die angenehme Betrachtung, daß dieser junge Br[uder] unter der weisen Führung des würdigen Br[uder] Hoffmann; den er liebe und hochachte, ferner bleibe, diese Bewegungs Gründe bewogen, den eifrigen Wunsch dieses würdigen Br[uder] von Schilling Gehör zu geben und ihm daher vor seiner Abreise in den 2ten Grad aufzunehmen beschlossen …⁷²
Koppe führte zwei Gründe an, die gegen eine Weiterführung von Schillings in den Gesellengrad sprachen: Der Student der Rechtswissenschaften war erst knapp zwei Monate zuvor als Lehrling rezipiert worden.⁷³ Gleichzeitig verweist die Formulierung in Bezug auf „seine Jahre“ in diesem Fall tatsächlich auf von Schillings biologisches Alter: Das Protokoll seiner Rezeption dokumentiert, dass der junge Student erst am 22. Dezember 1779 sein 18. Lebensjahr vollendet hatte.⁷⁴ Von Schilling war damit einer der jüngsten Anwärter, die je von der Loge rezipiert wurden.⁷⁵ Nun stand seine Weiterführung zum Gesellen zur Diskussion. Eine positive Entscheidung der Logenoberen barg in sich das Risiko, vor allem von älteren Lehrlingen abgelehnt zu werden. Koppe war dies bewusst, weshalb er in seinen Ausführungen auf mögliche Einwände gegen eine Weiterführung von Schillings einging und so versuchte, Streitigkeiten vorzubeugen. Anschließend begründete er die positive Entscheidung mit dem „noblen Charakter“ des Lehrlings, der weiterhin unter der Aufsicht „des würdigen Br[uder] Hoffmann“ stehen würde. In Gläshners Mitgliederliste findet sich ein Mitglied namens Karl Andreas Hoffmann, das bereits 1774 in die Göttinger Loge aufgenommen worden war. Hoffmann wird als Hofmeister von Schillings bezeichnet, so dass der Geselle von Schilling in doppelter Hinsicht unter der Aufsicht Hoffmanns blieb: Der des Hofmeisters und der des maurerischen Paten. Gerade der zweite Punkt dürfte bei
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 29. März 1780, Gesellenloge, Bl. 6, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. Februar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 11, S. 1 f. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. Februar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 11, S. 1 f. Von Schilling war unter der Matrikelnummer 11292 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 238. Zum Leben Fabian Wilhelm von Schillings vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 3. Band, S. 272 ff.
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vielen Mitgliedern der Loge für eine Akzeptanz der Entscheidung der Logenoberen gesorgt haben.⁷⁶ Nach über fünf Jahren im ersten Grad war Hoffmann erst am dritten November 1779 in den Gesellengrad weitergeführt worden.⁷⁷ In Folge der Weiterführung August Mehls stellt sich die Frage, warum Hoffmann so lange im Lehrlingsgrad verharrte. Die Protokolle zu Hoffmanns Aufnahme und seiner Weiterführung in den Gesellengrad sind nicht erhalten und in Gläshners Liste findet sich kein Hinweis auf seinen Beruf und seine wirtschaftliche Situation – die Gründe für Hoffmanns außergewöhnlich lange Lehrlingszeit lassen sich somit nicht mehr nachvollziehen. Die Vermutung, dass es einem Hofmeister finanziell kaum möglich war, rasch innerhalb der Freimaurerei aufzusteigen, liegt nahe. Im Rahmen der Logenkarriere seines Schützlings kam Hoffmann eine Schlüsselposition zu. Da von Schilling weiterhin unter Beobachtung durch den älteren Gesellen stehen würde, blieb die Hierarchie der Loge gewahrt. Die weitere Erziehung von Schillings im Sinne der Freimaurerei war so, zumindest theoretisch, sichergestellt. Besonders ältere Logenmitglieder wurden so beruhigt und auch die übrigen Lehrlinge fühlten sich weniger übervorteilt, denn von Schillings rasche Weiterführung bekam durch Hoffmanns Begleitung weniger den Anschein einer Bevorzugung, sondern vielmehr den einer vorgezogenen Notwendigkeit. In der Fremde würde der junge Adelige unter Umständen für längere Zeit keine Gelegenheit haben, sich zum Gesellen weiterführen zu lassen. Unter Hoffmanns Aufsicht würde er seinen Grad nachträglich verdienen, so dass sich seine Bevorzugung in Grenzen hielt. Hoffmanns Abgang zusammen mit von Schilling war aber mehr als nur eine Ausrede, mit deren Hilfe die Oberen der Loge gegenüber ihre Entscheidung begründen konnten. Der Verbleib des „frischgebackenen“’ Gesellen unter der Aufsicht des von ihm „geliebten und hochgeachteten“ Hofmeisters und Logenbruders Hoffmann war ausschlaggebend dafür, dass die Beamten seiner Weiterführung zustimmten. Der chronologische Ablauf der Weiterführung Hoffmanns zum Gesellen sowie der Rezeption und Weiterführung seines Schützlings deuten darauf hin, dass Hoffmann instruiert wurde, für Rezeption und Fortkommen seines Schützlings zu sorgen. Möglicherweise wurde dem Hofmeister im Gegenzug bei der Begleichung der Rezeptionsgebühren geholfen. Seit seiner Aufnahme hatte von Schilling lediglich an einer Sitzung der Lehrlingsloge teilnehmen können; kaum Zeit genug, sich im Sinne der Freimau-
Zu Karl Andreas Hoffmann (1751/52– 1817) vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 3. Band., S. 125 f. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen.
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rerei zu entwickeln und so die Voraussetzungen für die Weiterführung zum Gesellen tatsächlich zu erfüllen.⁷⁸ Auch der junge Adelige selbst war sich dessen bewusst.Während seiner Vorbereitung auf den Eintritt in die Gesellenloge wandte er sich daher an den vorbereitenden Bruder von Floriancourt (auch de Florencourt). Als dieser von der Vorbereitung in der Loge Bericht erstattete, erklärte er, … daß er den Adsp[irant] gehörig vorbereitet und derselbe die baldige Weiterführung, als eine neue Triebfeder und Befleißigung der Ausübung M[aurerischen] Pflichten verehre und das besondere Vertrauen, welches man ihm würdige durch tätigen Eyfer, Rechtschaffenheit und Ausübung der ihm obliegenden Pflichten, zu erwidern sich bestreben werde.⁷⁹
Von Schilling wollte die Loge anscheinend noch einmal in ihrem Beschluss bestärken und seinem Dank Ausdruck verleihen, indem er versprach, sich besonders vorbildlich zu verhalten. An von Schillings Versicherung im Zuge seiner Weiterführung in den zweiten Grad wird sichtbar, was zum „würdigen“ Verhalten aus Sicht der Loge gehörte: Pflichterfüllung, rechtes Handeln und Fleiß – bürgerliche Tugenden, die im nächsten Jahrhundert ihre volle Entfaltung erleben sollten.⁸⁰ Nicht alle innerhalb der Augusta durchgeführten bevorzugten Rezeptionen und Weiterführungen hingen mit einer bald anstehenden Abreise zusammen. Wenn besonders einflussreiche Persönlichkeiten Interesse an der Mitgliedschaft zeigten, ging die Bevorzugung über das in den bislang beschriebenen Fällen erwiesene Entgegenkommen noch hinaus. Diese Fälle sind der dritten Kategorie zugeordnet. 1782 besuchte der Freiherr Ernst Heinrich Ludwig von Schlotheim (1736 – 1797) in Begleitung seines Sohnes die Göttinger Versammlung: Hierauf bemerkte der S[ehr]E[hr]W[ürdige] Mstr daß die heutige Versammlung sehr schäzbar für uns sey, indem er das Vergnügen hätte, einen alten würdigen Mr. in der Person des Ob[er] Amt Haupt[manns] v[on] Schlotheim vorzustellen und mit dessen herzlich Wunsch bekannt zu machen, seinen Sohn in seiner Gegenwart recip[irt] zu sehen und da darüber bereits Beschluß genommen, redete der S[ehr] E[hrwürdige] Mstr diesen würd[igen] Br[uder] mit der Versicherung an, daß ob es gleich ein besonderer Fall sey, ohne Prüfung einen Adsp[irant] zu recip[iren] so sollte jedoch sein herzl[icher] Wunsch in der Rücksicht erfület werden, weil
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. März 1780, Lehrlingsloge, Bl. 12, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 29. März 1780, Gesellenloge, Bl. 7, S. 1. Einblicke in die Entwicklung der bürgerlichen Tugenden zwischen 1500 und 1800 bietet Paul Münch (Hrsg.), Ordnung, Fleiß und Sparsamkeit – Texte und Dokumente zur Entstehung der „bürgerlichen Tugenden“, Nördlingen 1984.
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5 Gunstbeweis und Privileg
seine Empfehlung so viel geltend für die Beamten der Loge gewesen, schmeichle sich auch daß die Versammlung wegen dieser Reception nichts besonderes zu bemerken habe.⁸¹
Auch in diesem Fall fand Koppe Worte, mit denen er die Missachtung der formalen Anforderungen geschickt überspielte. Aber erst am Fall Ernst Friedrich von Schlotheims (1764– 1832) zeigt sich der volle Umfang, in dem Beziehungen die Aufnahme oder Weiterführung innerhalb der Loge beeinflussen konnten, denn für von Schlotheim ließ kein einfacher Geselle seinen Einfluss wirken, sondern ein „alter würdiger Maurer“ – sein Vater, der aus einer alten thüringischen Adelsfamilie stammte.⁸² Da die Aufnahme in einer eigens einberufenen außerordentlichen Loge stattfand, war von Schlotheims Wunsch den Mitgliedern der Loge vermutlich schon im Voraus bekannt. In den vorangehenden Protokollen wird eine in nächster Zeit stattfindende außerordentliche Loge zwar nicht erwähnt, doch auch wenn dies vermuten lässt, dass die Entscheidung zur Aufnahme sehr spontan gefallen sein muss, war doch wahrscheinlich spätestens bei Einladung zu der außerordentlichen Zusammenkunft die Ursache den Mitgliedern bekannt. Die Oberen der Loge hatten dem Wunsch von Schlotheims zu diesem Zeitpunkt bereits statt gegeben. Die einfachen Mitglieder der Loge wurden erst während der zur Rezeption einberufenen Versammlung durch die beiden Vorsteher befragt: Und da die Brbr. angefragt und versichert, daß keiner etwas zu erinnern, so ward die Recept[ion] einmüthig b[eschlossen] und der Br[uder] C[ere]m[onien] Mstr. abgelassen den Ad[spirant] v[on] Schlotheim an die Behörde zu führen und ihm die Fragen zur Beantwortung vorzulegen.⁸³
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 26. Oktober 1782, Lehrlingsloge, Bl. 73, S. 2. Ernst Ludwig von Schlotheim war schon seit 1761 in der Jenaer Freimaurerei aktiv gewesen und hatte dort Versammlungen der Clermont-Rosaischen-Observanz, einer Vorläuferin der Strikten Observanz, besucht. Die Jenaer Freimaurer taten sich von 1760 bis 1763 besonders durch ihre Förderung von armen und verwaisten Kindern in der ortsansässigen Wirtschafts- und Industrieschule hervor, der nach der Loge Zu den 3 Rosen benannten „Rosenschule“ Vgl. Bauer und Müller, Jena, Johnssen, Altenberga, S. 34 ff. Vgl. Karl Hermann Funkhänel, Über die Herren von Schlotheim als ehemalige Erbtruchsesse der Landgrafen von Thüringen, in: Zeitschrift des Vereins für thüringische Geschichte und Alterthumskunde, 3. Band, Heft 1., Jena 1859, S. 1– 20. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 26. Oktober 1782, Lehrlingsloge, Bl. 74, S. 1.
5.1 Hofieren und Rezipieren
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Wie von den Beamten der Loge erwartet, stimmten die Mitglieder der Loge der Aufnahme Ernst Friedrich von Schlotheims zu.⁸⁴ Von einer in freier Wahl getroffenen Entscheidung kann keine Rede sein, denn die Anwesenheit des Oberamthauptmanns setzte die Wahlfreiheit de facto außer Kraft.⁸⁵ Eventuelle Kritiker hätten kaum gewagt, sich in seiner Gegenwart gegen die Aufnahme seines Sohnes auszusprechen. Eine Ablehnung des Sohnes hätte sowohl Koppe wie auch die Beamten der Loge und den Vater des Rezipienten bloßgestellt und in der Folge dessen zu schweren Verstimmungen führen können. Trotz des solchermaßen auf den Mitgliedern der Loge lastenden Drucks muss bedacht werden, dass das Wohlwollen und die Aufnahme einflussreicher Männer für die Loge einen großen Gewinn darstellte. Ein positives Abstimmungsergebnis lag deshalb – jenseits etwaiger moderner demokratischer Erwägungen – im Interesse aller Mitglieder.⁸⁶ Die Abstimmung in Anwesenheit des Vaters war nicht das einzige Privileg, das Ernst Friedrich von Schlotheim genoss. Obwohl Wilhelm von Schilling von der Beziehung zu seinem Hofmeister profitierte, betonte Koppe während seiner Aufnahme, dass er einen „noblen Character“ habe – eine Anmerkung, die sowohl auf den Charakter als auf die adelige Herkunft des Anwärters hinwies. Von Schilling ließ der Loge durch den vorbereitenden Bruder von Floriancourt zusätzlich das Versprechen übermitteln, sich auch nach seiner Abreise eines Maurers würdig zu verhalten. So stellt sich der Eindruck ein, dass sich von Schilling der Loge gegenüber nicht in einer Position der Stärke befand.
Von Schlotheim war unter der Matrikelnummer 12913 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 269. Die Abstimmung wurde vermutlich mittels Nachfragen durch die beiden Aufseher abgehalten. Ein nicht-anonymes Verfahren, das zusätzlich Druck auf die Mitglieder der Loge ausübte. Vgl. Kap. 6. Pierre Bourdieu beschreibt den Bemühungen von Vater und Sohn von Schlotheim ähnliche Verhaltensweisen treffend folgendermaßen: „Für die Reproduktion von Sozialkapital [also Ansehen. d. Verf.] ist eine unaufhörliche Beziehungsarbeit in Form von ständigen Austauschakten erforderlich, durch die sich die gegenseitige Anerkennung immer wieder neu bestätigt.“ Und weiter: „Ein solcher Einsatz ist nur rentabel, ja er ist überhaupt nur denkbar, wenn eine besondere Kompetenz – nämlich die Kenntnis genealogischer Zusammenhänge und reeller Beziehungen sowie die Kunst, sie zu nutzen – in sie investiert wird.“ Daher folgert Bourdieu: „Deshalb sind die Träger eines berühmten Familiennamens, der auf ein ererbtes Sozialkapital deutet, in der Lage, alle ihre Gelegenheitsbekanntschaften in dauernde Beziehungen umzuwandeln: Wegen ihres Sozialkapitals sind sie besonders gefragt. Weil sie bekannt sind, lohnt es sich, sie zu kennen. Sie haben es nicht nötig, sich allen ihren „Bekannten“ selbst bekanntzumachen, denn es gibt mehr Leute, denen sie bekannt sind, als sie selber kennen. Wenn sie überhaupt einmal Beziehungsarbeit leisten, so ist deren Ertrag deshalb sehr hoch.“ Pierre Bourdieu, Die verborgenen Mechanismen der Macht, Cloppenburg 1992, unv. Nachdruck 1997, S. 67.
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5 Gunstbeweis und Privileg
Im Protokolleintrag zur Aufnahme von Schlotheims fehlt ein vergleichbarer Hinweis auf den Charakter des Aufzunehmenden; seine Eignung wurde scheinbar nicht hinterfragt. Anders als von Schilling verfügte Ernst Friedrich von Schlotheim über keinen dezidierten Fürsprecher innerhalb der Loge. Auf den ersten Blick hätte er daher mehr Anlass gehabt, eine Beteuerung abzugeben, sich vorbildlich verhalten zu wollen. Dass es nicht dazu kam, lässt vermuten, dass der junge Mann sich seiner privilegierten Position bewusst war. Sein Schlüssel waren seine Abstammung, verkörpert durch seinen Vater. Die Frage nach dem Charakter von Schlotheims lenkt den Blick auf einen weiteren Unterschied zwischen seiner Aufnahme und der Aufnahme anderer Anwärter.Wie beschrieben, achtete die Loge bei Aufnahme und Weiterführung auf den Charakter der Lehrlinge und Gesellen. Normalerweise wurden zwischen der Erstvorstellung des Anwärters und der Abstimmung über seine Aufnahme Erkundigungen über seine charakterliche Eignung eingezogen. Auch dieser Prozess wurde bei der Aufnahme von Schlotheims ausgelassen, was Koppe mit dem Hinweis auf die besonderen Umstände erklärte. Die Loge verließ sich einzig auf die Versicherung des Vaters, dass es sich bei seinem Sohn um einen würdigen Rezipienten handelte. Schon im Fall von Schillings hatte sich Koppe erklärend an die Loge gewandt und so versucht eventuellen Beschwerden über die Bevorzugung zuvorzukommen. Die Aufnahme Ernst Friedrich von Schlotheims hatte wegen seines Alters und der fehlenden Überprüfung des Charakters ein wesentlich größeres Potential, innerhalb der Loge im Nachhinein zu Streitigkeiten zu führen, als dies bei von Schilling der Fall gewesen war. Von Schilling war bei seiner Weiterführung zum Gesellen zwar erst eine kurze Zeit Mitglied der Loge gewesen, aber immerhin kein Unbekannter. Aus dieser Situation konnte leicht Missgunst entstehen. Koppe fügte seiner Eröffnungsansprache und Begrüßung, in der er bereits auf mehrere Kritikpunkt an der Aufnahme von Schlotheims eingegangen war, deshalb noch eine Ermahnung hinzu. Obwohl seine Rede scheinbar nur an den gerade rezipierten jungen Adeligen gerichtet war, galt sie ebenso den versammelten Brüdern: Der verehr[ungs] W[ürdige] Mstr hielt hierauf eine kurze Anrede vor dem neuaufgenommen Br[uder] daß er sich glückl[ich] schäzzen könne, so früh und unter den Umständen recip[irt] zu werden, daß nur bloß die Bürgschaft seines würd[igen] Vaters, den er nun auch als Br[uder] verehren könnte, dieses Glück zu danken habe, er fügte eine Ermahnung hinzu.⁸⁷
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 26. Oktober 1782, Lehrlingsloge, Bl. 74, S. 2.
5.1 Hofieren und Rezipieren
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Wie anlässlich der Weiterführung Wilhelm von Schillings, versuchte Koppe auch hier Konflikten vorzubeugen. Indem er dem jungen Mann gegenüber erklärte, dass er nichts Besonderes sei und nur dank seines Vaters aufgenommen worden wäre, machte er ihm klar, dass er zwar ein besonderes Privileg genossen habe, sich aber erst noch beweisen musste. Ernst Friedrich von Schlotheim war nicht lange in der Göttinger Loge aktiv. Bereits am sechsten August 1783, etwa 10 Monate nach seiner Aufnahme, wurde der junge Student der Natur-, Rechts- und Kameralwissenschaften in den Gesellengrad befördert.⁸⁸ 1784 kehrte er nach Gräfentonna bei Gotha zurück, so dass seine Göttinger Rezeption als eine durch seinen Vater unterstützte Einführung in die höhere Gesellschaft der Leinestadt erscheint. Dieser Eindruck wird durch Ernst Friedrichs weiteren Werdegang gestützt: 1786 bat sein Vater in der Gothaer Loge Ernst zum Kompaß um Aufnahme seines Sohns.⁸⁹ In Gotha erreichte dieser den Meistergrad und kam in Kontakt mit dem vor Ort nach wie vor aktiven Illuminatenorden. Später machte er sich als sachsen-coburg-gothaischer Oberhofmarschall und Paläoontologe einen Namen.⁹⁰ Große Hoffnungen seitens der Loge scheinen auch bei der raschen Rezeption eines jungen Grafen ein wichtiger Faktor gewesen zu sein, der Anfang September 1783 zur Aufnahme proponiert wurde, und dessen Name in diesem Zusammenhang in den Protokollen zum ersten Mal fiel: Nächstdem wurde der hier studierende Graf Fritz von Moltke vorgeschlagen, und fals alle Stimmen für ihn wären, sollte der künftige Sonnabend zu dessen Aufnahme bestimmt seyn.⁹¹
Nach dieser Ankündigung schließt das Protokoll mit dem üblichen Bericht über die Bearbeitung des Katechismus und der abschließenden Almosensammlung,
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. August 1783, Gesellenloge, Bl. 27, S. 2. Bei seiner Aufnahme sollte der junge Adelige gleichzeitig, so der Wunsch des Vaters, in den Meistergrad weitergeführt werden. Dem Wunsch wurde entsprochen. Vgl. Protokoll der Loge Zum Kompaß, Eintrag vom 14. November 1786. Als einer der ersten Forscher verglich E.F. von Schlotheim später Fossilien mit lebenden Arten und erkannte evolutionäre Zusammenhänge. Er tauschte sich unter anderem mit Alexander von Humboldt und Johann Wolfgang von Goethe aus. 1787 war er Mitglied des Illuminatenordens unter dem Decknamen „Xenophon“ – auch hier zusammen und auf Betreiben seines Vaters. Vgl. Gottfried Zirnstein, „Schlotheim, Ernst Friedrich von“, in: Neue Deutsche Biographie, 23. Band, Berlin 2007, S. 109 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. September 1783, Lehrlingsloge, Bl. 96, S. 1.
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5 Gunstbeweis und Privileg
die angekündigte Abstimmung über die Rezeption des jungen Grafen wird nicht beschrieben. Bereits drei Tage später versammelte sich die Loge zur Aufnahme von Moltkes. Eine Überprüfung seines Charakters – und damit seiner Tauglichkeit zum Freimaurer – fand auch in diesem Fall nicht statt: Das Geschäft der heutigen Versammlung sollte nach dem Vortrag des S[ehr]E[hr]W[ürdigen] M[eisters] v[om] St[uhl] die Aufnahme des jüngeren Grafen Fr[itz] v[on] Moltke seyn. Der Tag war um so feyerlicher, da der Cammerh[err] von Plessen, Stiefvater des Adspiranten, als besuchender Br[uder] selbst zugegen war, und der algemeine bekannte liebenswürdige Character des Grafen machte uns nicht nur auf die künftige Verbindung mit ihm begierig, sondern auch auf die Geschichte des Augenblicks seiner Reception. Alle nach den Gesezzen vorgeschriebenen Gebräuche wurden bey der Reception beobachtet. Bey den vorgelegten Fragen erklärte der Adspirant, daß er zu Coppenhagen den … ten 1760 geboren sey, und sich zur lutherischen Religion bekenne, seit einem Jahr sich hier aufhielte um die Rechte zu studieren. Sein Grund bey verlangter Aufnahme war, wie wir ihn alle wünschen _ mit zu würken an dem großen Guten, daß er für die Absicht des Ordens hielt, dessen Mannigfaltigkeit er auch bey der Unvollkommenheit vieler politischer Einrichtungen sehr leicht vermuthen zu können glaubte. Der Br[uder] Feder erklärte den Teppich.⁹²
Auch im Eintrag zur Rezeption von Moltkes findet sich kein Hinweis darauf, dass eine Abstimmung über seine Aufnahme abgehalten worden wäre. Angesichts der offenkundigen Freude über den Beitritt des Jurastudenten scheint fraglich, ob die Abstimmung überhaupt vorgenommen wurde. Betont wird dagegen die Anwesenheit seines Schwiegervaters von Plessen – ein expliziter Hinweis darauf, dass es sich bei der raschen Rezeption um eine Gefälligkeit handelte, fehlt jedoch ebenso wie jener auf eine durch den Meister vom Stuhl vorgenommene Ermahnung des Neuaufgenommenen. Aufschlussreich ist der Hinweis auf den Glauben des Rezipienten an die politische Wirkungskraft der Loge, der ausdrücklich begrüßt wurde. Hier scheint der von Vierhaus charakterisierte Anspruch „auf Mitwirkung am öffentlichen Leben“ nahezu im Wortlaut protokolliert worden zu sein.⁹³ Anscheinend wurde die Aufnahme von Moltkes, mehr noch als jene Ernst Friedrich von Schlotheims, als Gewinn angesehen. Ein besonders ausdrucksstarker Fall außergewöhnlicher Bevorzugung ereignete sich im Sommer 1780. Die Aufnahme und gleichzeitige Weiterführung Johann Heinrich von Scheithers in den vierten Grad scheint von den Logenoberen regelrecht zelebriert worden zu sein: Der entsprechende Protokolleintrag ist unge Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. September 1783, Lehrlingsloge, Bl. 96, S. 2. Die Fehlstellen sind Teil des Protokolls, hier wurde durch den Protokollanten vergessen, die Angaben nachträglich einzufügen. Vgl. Rudolf Vierhaus, Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, S. 26 f.
5.1 Hofieren und Rezipieren
167
wöhnlich detailliert, erstreckt sich über mehrere Seiten und ist die längste erhaltene Dokumentation einer einzelnen Aufnahme in den Protokollen der Augusta. Als Sekretär und Protokollant der Loge hielt Johann Friedrich Schroeder die Ereignisse bei der Aufnahme von Scheithers fest. Auch in diesem Fall sprach Koppe zur Versammlung: Hiernächst zeigte derselbe an, daß die heutige Zusammen Berufung dieser schottischen Loge eine für die Aug[usta] sehr schetzbahre und angenehme Veranlassung habe, indem ein 70 jähriger Greiß und langjähriger würdiger Maurer Meister der ehrw[ürdige] Br[uder] General Lieutenant von Scheither, schon vielfältig den Wunsch und das Verlangen eifrigst geäusert, diese unsere Aug[usta] zu besuchen und zugleich auch durch die Aufnahme in den schottischen Grad sich zum würkligen Mitglied der Aug[usta] zu bekennen und aufgenommen zu sein verlangt. Dieser würdige Br[uder] bezeigte als 70 jähriger Greiß, noch so vielen Eyfer und Verehrung für den Orden, daß ihm sein Verlangen und eifriger Wunsch noch in dem hohen Alter recipiert zu werden, nicht versagt werden möge, zumahl er diesen Besuch und Aufnahme für die jüngeren Brbr. eine schetzbahre Begebenheit sey und zur Ehre der Aug[usta] gereiche.⁹⁴
Koppes Ausdrucksweise demonstriert anschaulich, warum er von Scheithers Aufnahme als für so wichtig für die Loge verstand: Scheithers Aufnahme in den vierten Grad sollte der Gemeinschaft „zur Ehre“ gereichen, also ihr Ansehen steigern. Der greise Generalleutnant übertrug im Gegenzug sein Prestige auf die Loge als Ganzes und – in begrenztem Umfang – auch auf jedes einzelne Mitglied: Sie konnten den berühmten Mann nun als Bruder bezeichnen. Scheithers für damalige Verhältnisse hohes Alter brachte allerdings ganz eigene Probleme mit sich: Er der ehrw[ürdige] Meister habe auch von den hohen Ordens Oberen die Erlaubnis erhalten, daß in dem Fall der Br[uder] General Lieutenant von Scheither in der Absicht sich in der Aug[usta] recipieren zu lassen, hier eintreffen würde, in Rücksicht seines hohen Alters und Stands, denselben völlig von allen Gebräuchen zu Dispensieren.⁹⁵
Damit der „Greiß“ am Ritual des Schottengrads teilhaben konnte – ohne angesichts seines fortgeschrittenen Alters die Handlungen selbst vollziehen zu müssen –, gestattete ihm der Dispens der Ordensoberen, das Ritual zu beobachten und so die gradspezifischen Kenntnisse passiv zu erwerben. Der weitere Protokolleintrag beschreibt die vorgenommen Abänderungen am Ritual.
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge, Bl. 7, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge, Bl. 7, S. 1.
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Dieser ehrw[ürdige] Greiß sey dann heute in der noblen guten Absicht anher gekommen, sich wirklich recipieren zu lassen und befinde sich in dieser Absicht im Logen Hause, als woselbst ihn die Brbr. Dietz und von Adelebsen empfangen hätten und würde daher den einfrigen Wunsch dieses würdigen Greises und Br[uders] heute erfüllt werden können.⁹⁶
Mit dem Empfang durch gleich zwei Brüder des vierten Grads bezeugte die Loge größte Hochachtung. Da es nun also erforderlich, daß diesem Adsp[irant] die gantze Kenntniß des SchottischenGrades gegeben werde und mithin eine Reception mit allen Gebräuchen nothwendig würde, welche sich bey solchen Fällen der geringste schottische Br[uder] sonst gefallen lassen müßte, der Br[uder] Dr. Weiss sich aber onlengst um die Weiterführung nachgesucht habe, auch die bestimte Zeit in der Verbindung gestanden, also ihne Bedenken zu recipieren sey, wenn dagegen nichts besonderes vorgetragen würde, so sey von den Beamten der Loge beschlossen worden, diesen Br[uder] heute nachdem der Br[uder] General Lieutenant von Scheither aufgenommen sey, damit dieser ehrw[ürdige] Br[uder] die völlige Reception vernehmen möge und die ganze Kenntniß erlange, zu recipieren. Gegen die Aufnahme des ehrw[ürdigen] Br[uder] von Scheither würde nun zwar und hoffentlich kein Wiederspruch zu erwarten seyn, wie der ehrw[ürdige] Meister hoffe, inzwischen würden die Brbr. Vorsteher, der Ordnung wegen erinnert, über die Aufnahme beyder Adep[ten] die Meynung der Versammlung zu holen.⁹⁷
Die Weiterführung des Doktors der Medizin Friedrich Wilhelm Weiss war eigens auf denselben Tag gelegt worden, damit sie als Beispiel dienen konnte.⁹⁸ Die Ablehnung der Rezeption von Scheithers hätte zu massiven logeninternen Konflikten führen können, die Formulierung „der Ordnung wegen“ zeigt jedoch deutlich, dass die Abstimmung als reine Formalität wahrgenommen wurde, und die Führung der Loge keinesfalls damit rechnete, dass es gegen die Aufnahme des „würdigen Maurer Meisters“ Einwände geben könnte. Immerhin war das ge-
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge, Bl. 7, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge, Bl. 7, S. 2. Dieses Entgegenkommen gegenüber älteren Anwärtern war keine Göttinger Besonderheit und lässt sich auch andernorts beobachten. Als etwa der 76jährige Christoph Martin Wieland im April 1809 in der Weimarer Loge Anna Amalia zu den 3 Rosen rezipiert wurde, geschah dies in Rücksicht auf den Anwärter in einer stillen Loge, d. h. nur in Gegenwart des Meisters vom Stuhl Friedrich Justin Bertuch und der Beamten. Wieland selbst hatte die Dispensation von körperlich anspruchsvollen Ritualen in einem Schreiben an Bertuch vom 9. März des Jahres ausdrücklich zur Bedingung für seine Aufnahme gemacht.Vgl. Deile, Wieland als Freimaurer, S. 33 f.; Lennhoff, Die Freimaurer, S. 156 ff.
5.1 Hofieren und Rezipieren
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wünschte Ergebnis deutlich kommuniziert worden.⁹⁹ Von einer freien Entscheidung kann auch in diesem Fall keine Rede sein: Die Brbr.Vorsteher verrichteten ihr Amt und erstatteten Raport, daß keiner der ehrw[ürdigen] Brbr. gegen die Reception beyder Adsp[iranten] etwas bemerkt habe und daher die Aufnahme beschlossen wurde und dem Br[uder] von Floriancourt trug der ehrw[ürdige] Meister auf, den Br[uder] General Lieutenant von Scheither vorzubereiten und gab ihm dazu den nötigen Unterricht.¹⁰⁰
Nun begann das eigentliche, in den Protokollen der Augusta einmalige passive Rezeptionsritual: Der Br[uder] Praeparateur stattete von seinem Auftrage Raport und der ehrw[ürdige] Br[uder] von Scheither ward durch die ihm zugegebenen Brbr. feyerlichst eingeführt und zur Rechten des ehrw[ürdigen] Meisters auf einem Sessel platziert, wo selbst ihn der ehrw[ürdige] Meister mit einer kurzen Anrede empfing, die feyerlich und rührend war, gab ihm die Versicherung, daß er von allen Gebräuchen dispensiert sey, bezeigte ihm die Freude der Aug[usta] über seine Anwesenheit und bereitete ihn zugleich zur Aufnahme, dagestalt, daß er den Adsp[irant] von Scheither, den Eyd des Schottischen-Grades vorlas und den Handschlag feyerlich von ihm annahm, welche Anrede und Ausführung der Adsp[irant] in einer sehr verbindligen Anworth voll von maurerischem Gefühl und lebhaftester Freude über die Erfüllung seines seenligen Wunsches, erwiederte und versicherte, daß er bis zu seinem seeligen Hintrit in die Ewigkeit, stets der einfrige treue Maurer, der seine Pflichten kenne, verbleiben werden und empfahl sich der Liebe und Freundschaft der Brbr. aufs rührendste.¹⁰¹
Bemerkenswert ist der Ablauf der beiden an diesem Tag praktizierten Rezeptionen in den vierten Grad: Nachdem nun dieses geschehen war, zeigte der ehrw[ürdige] Meister dem neu aufgenommenen Br[uder] v[on] Scheither an, daß da er von allen Gebräuchen dispensiert sey, man ihm auch die Freude machen würde, eine vollkommene Reception an sehen zu können wo dann auch zugleich die Erklährung des Teppichs geschehen würde, nahm ihm den Meister Schurz ab und bekleidete ihn mit der Kleidung eines Schottischen Meisters und führte ihn auf einen Sessel zur Linken, als die ehren Stelle, die ihm jetzt als schottischen Meister Br[uder] zugestehe. Dem Br[uder] von Floriancourt trug der ehrw[ürdige] Meister nun auch auf den Adsp[irant] Br[uder] Dr. Weiss vorzubereiten und ihm dazu den Unterricht ertheilte. Dieser Br[uder] trat hiernächst mit der Versicherung in Loge zurück, daß er den Auftrag ausgerichtet
Vgl. Kap. 6. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge, Bl. 7, S. 2 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge, Bl. 8, S. 1.
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5 Gunstbeweis und Privileg
habe, daß der Adsp[irant] sich so erklährt habe, wie es zu wünschen, er denselben daher zur Aufnahme pflichtschuldigst empfohlen haben wollen.¹⁰²
Für von Scheither wurde die vorgesehene Abfolge des Rituals umgekehrt: Er legte zuerst den Eid ab und erhielt die Kleidung des Schottengrads, bevor er anschließend durch das Ritual – wenn auch nur als passiver Beobachter – die Transformation zum Schottischen Meister erfuhr. Auch finanziell kam die Loge von Scheither entgegen. Als Meister vom Stuhl beschränkte Koppe sich üblicherweise darauf, die Protokolle als Zeichen der Kenntnisnahme zu unterzeichnen. Am Rand des Protokolls zur Aufnahme von Scheithers findet sich dagegen eine von Koppe eigenhändige verfasste Anmerkung: In Rücksicht auf das hohe Alter dieses S[ehr] E[hrwürdigen] Bruders, dessen großen Verdiensten, und Ehre, die durch seine Teilnehmung an unseren Arbeiten unserer Augusta heute wiederfuhr, habe ich, der Meister v[om] Stuhl mit Zuziehung der Br[üder] Beamten, es für billig gehalten, zum Beweise unserer Ehrfurcht und Dankbarkeit für seinen uns bewiesenen maurerischen Eifer, die sonst gewöhnlichen Receptions-Gelder von ihm nicht anzunehmen; auch dasselbe dem Br[uder] 2ter Vorsteher ausdrücklig aufgetragen, jenes gegen Ihn gar nicht zu gedenken, sondern nur die Nebenkosten sich entrichten zu lassen. J[ohann] B[enjamin] Koppe.¹⁰³
Die Rezeptionsgebühr bei der Aufnahme in den Schottengrad betrug 30 Taler, die Nebenkosten 7 Taler (!). Koppe sah von Scheithers Mitgliedschaft als einen derartig großen Gewinn für die Loge an, dass er dem zweiten Aufseher Peter Joseph Neyron einschärfte, keinesfalls die Rezeptionsgebühren einzufordern. Der Ehrbeweis des Verzichts auf Gebühren wurde nur ausgewählten Rezipienten zuteil; selbst Ernst Friedrich von Schlotheim und Fritz von Moltke mussten zahlen: Am Rand beider Protokolle finden sich Anmerkung des dienenden Bruders und Kassierers Ulrich, der den ordnungsgemäßen Eingang von Rezeptionsgebühr und Nebenkosten bestätigte.¹⁰⁴ Die Aufnahme Ernst Friedrich von Schlotheims, vor allem aber die Bevorzugung Johann Heinrich von Scheithers, blieben in ihrem Umfang und detaillierter
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge, Bl. 8, S. 1 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge, Bl. 8, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 26. Oktober 1782 und 6. September 1783, Lehrlingsloge, Bl. 73, S. 2 und 96, S. 2
5.1 Hofieren und Rezipieren
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Beschreibung in den Protokollen einzigartig. Aber auch wenn keine weiteren Rezipienten in den Genuss von so viel Entgegenkommen seitens der Augusta kamen, lohnt sich abschließend der Blick auf weitere Fälle, in denen die Loge einflussreichen Persönlichkeit auffällig weit entgegen kam. Im Herbst 1783 rezipierte die Loge Heinrich Philipp Sextroh (auch Sextro, 1746 – 1838). Der Prediger der Göttinger Albanikirche durchlief die drei Johannisgrade in nur acht Wochen. Der Protokolleintrag, in dem seine Rezeption zum Lehrling festgehalten wurde, weist noch keine Besonderheiten auf: Alle gegenwärtigen Brüder willigten durch Aufhebung ihrer Hände ein in die Aufnahme Heinrich Philip Sextroh, geb[oren] zu Bissendorf bey Osnabrück den 28. Merz 1746. Eva[ngelisch] Luth[erischer] Prediger von der St. Albani Kirche in Göttingen.¹⁰⁵
Im Oktober 1783 hätte über die Aufnahme des Predigers eigentlich ballotiert werden müssen, nachdem das Verfahren zu Beginn des Jahres eingeführt worden war. Der Verzicht auf das durch die Logenoberen nur schwer kontrollierbare Wahlverfahren stellt mutmaßlich eine Bevorzugung dar und ist ein Indiz dafür, dass den Logenoberen die Aufnahme Sextrohs besonders wichtig war.¹⁰⁶ Weiter festgehalten wurden seine Antworten auf die drei Fragen und die ihn beherrschenden Leidenschaften.¹⁰⁷ Auffällig wird der Protokolleintrag durch eine später vom Kassierer der Loge hinzugefügte Bemerkung am Außenrand: Die Recept[ions] Kosten sind erlaßen. Die Nebenkosten aber mit 8P[fennig] Caßen M[ünze] entrichtet, und nebst der Allmosensamlung an die Behörde abgeliefert. Ulrich.¹⁰⁸
Genau wie Johann Heinrich von Scheither musste auch der Prediger der Albanikirche nur die Nebenkosten entrichten. Bereits acht Wochen später wurde Sextroh Ende des Jahres 1783 in den Gesellengrad befördert. Der Eintrag hierzu fiel noch kompakter aus als anlässlich seiner Aufnahme:
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 23. Oktober 1783, Lehrlingsloge, Bl. 97, S. 2. Auch bei Lennhoff findet sich ein ähnlich beschriebener Fall. Friedrich Ludwig Schröder, Begründer des „Schröderschen Systems“, wurde 1774 in der Loge Emanuel zur Maienblume rezipiert. Dabei verzichtete die Loge auf die sonst übliche Ballotage, was angesichts von Schröders damaligem niedrigen sozialen Stand – er war Schauspieler – als ungewöhnlich erscheint. Lennhof erklärt das ungewöhnliche Verhalten der Loge mit Schröders starker Persönlichkeit, also mit einem Interesse der Loge an Schröders Mitgliedschaft. Vgl. Lennhoff, Die Freimaurer, S. 164. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 23. Oktober 1783, Lehrlingsloge, Bl. 98, S. 1 sowie Kap. 4. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 23. Oktober 1783, Lehrlingsloge, Bl. 98, S. 1.
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5 Gunstbeweis und Privileg
Abbildung 2: Johann Benjamin Koppe weist an, dass Johann Heinrich von Scheither für seine Aufnahme in den vierten Grad keine Rezeptionsgebühren zu entrichten habe. Protokoll der Loge „Augusta zu den 3 Flammen“, Eintrag vom 7. Juni 1780, Schottenloge (GStA PK, FM, 5.2. G31, Nr. 86, Bl. 8, S. 2) © GStA PK.
5.1 Hofieren und Rezipieren
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Der Zweck dieser Versamlung war, Br[uder] Sextroh in den 2ten Grade einzuführen, welches auch mit den gewöhnlichen Feyerlichkeiten und mit Einwilligung der anwesenden Brüder nach vorher geschehener Vorbereitung geschah.¹⁰⁹
Diese Zusammenkunft begann laut Protokoll um 17 Uhr und dauerte nur dreißig Minuten. Mit der Weiterführung in den zweiten Grad war Sextrohs Pensum an diesem Tag noch nicht beendet: Br[uder] Sextroh, Prediger bey der Kirche zu Albani, bekam mit Einwilligung der gegenwärtigen Brüder und nach geschehener Vorbereitung zu diesem Schritt, die 3te Weysung. Der Teppich wurde vom Br[uder] Redner erklärt, der Cathechismus gefragt und weil keiner von den gegenwärtigen Brüdern einiges zu erinnern hatte, die Loge um 6 Uhr geschlossen.¹¹⁰
Innerhalb einer Stunde wurde so aus dem Lehrling Sextroh ein Meister – die Protokollierung fiel entsprechend kompakt aus. Der Protokolleintrag zu Sextrohs beiden Weiterführungen verwirrt mit dem Verweis auf den Johannistag, also den 24. Juni eines jeden Jahres.¹¹¹ Datiert ist der Eintrag aber vom 27. Dezember 1783.¹¹² Dem Eintrag voran geht das Protokoll vom 29. Oktober 1783, es folgt der Eintrag vom 31. März 1784 – auch chronologisch macht der Johannistag an dieser Stelle also keinen Sinn. Gläshner datierte in seiner Mitgliederliste beide Weiterführungen Sextrohs auf den 27. Dezember 1783. Damit wäre Sextroh an einem Tag vom Lehrling zum Meister befördert worden – eine Bevorzugung, wie sie sich so eindeutig nur selten in den Protokollen und Mitgliederlisten findet. Wie schon im Protokoll anlässlich Sextrohs Aufnahme, finden sich auch am Rand der Einträge zu seinen Weiterführungen in den zweiten und dritten Grad Anmerkungen des Kassierers Ulrich. Demnach wurde Sextroh auch in diesen Fällen „gratis“ weitergeführt und musste nur die Nebenkosten zahlen. Diese Parallele zur Aufnahme und Weiterführung Johann Heinrich von Scheithers ist neben der erstaunlichen Weiterführung in den Gesellen- und Meistergrad an einem Tag der zweite deutliche Hinweis auf das besondere Entgegenkommen der Loge. Sextroh war nicht nur Prediger an der Albanikirche, sondern stand auch in Kontakt mit der theologischen Fakultät der Universität. 1784 nahm er dort eine
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1783, Gesellenloge, Bl. 29, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1783, Meisterloge, unpag. Das maurerische Jahr begann am 24. Juni, dem Gründungsdatum der ersten englischen Großloge im Jahr 1717. Vgl. Hasselmann, Identität – Verwandlung – Darstellung, S. 56. Das Kürzel „Xbr“ steht für „december“
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5 Gunstbeweis und Privileg
außerordentliche Professur an, vier Jahre später wechselte er als ordentlicher Professor für Theologie nach Helmstedt.¹¹³ Daneben war er ab circa 1783 Mitglied des Illuminatenordens.¹¹⁴ Seine beruflichen und sozietätsbezogenen Aktivitäten belegen eine enge Bekanntschaft mit dem Theologen und Universitätsprediger Koppe und anderen gelehrten Logenmitgliedern. Sextrohs Rezeption Ende 1783 war nicht das erste Mal, dass Koppe einem Bekannten zum schnellen Fortkommen innerhalb der Freimaurerei verholfen hatte. Ein knappes Jahr zuvor hatte die Loge Ludwig Timotheus Spittler als Lehrling rezipiert.¹¹⁵ Im Protokolleintrag festgehalten ist Koppes Freude über das Ereignis: Nun eröffnete der S[ehr] E[hr] W[ürdige] Mstr auch die frohe Nachricht, daß auch der Professor Spittler sich entschlossen heute sich hier öffentlich recip[iren] zu lassen. Er wäre lebhaft überzeugt, daß keiner unter den Brüdern sich befinden würde der nicht von innerer Freude belebt sey, über den rühmlichen Entschluss dieses Mannes …¹¹⁶
Spittler wurde – wie Sextroh – gratis rezipiert.¹¹⁷ Auch für seine auffällig zeitnahe Weiterführung zum Gesellen und Meister innerhalb der folgenden sechzehn Tage erhob die Loge, wie aus Notizen am Rand der Protokolle hervorgeht, keinerlei Gebühren.¹¹⁸ Diese Anmerkungen stammen allerdings nicht aus der Feder Koppes. Die Großzügigkeit, mit der Koppe Bekannte gratis in die Gemeinschaft rezipierte und in die höheren Grade aufsteigen ließ, führte der Loge nicht nur angesehene Männer zu und sorgte so für einen Prestigegewinn, sondern sorgte auch dafür, dass der Loge erhebliche Einnahmen entgingen. Koppes eigenmächtiges, seinen Machtanspruch selbstbewusst wahrnehmendes Verhalten könnte zu Verstimmungen bei den Mitgliedern des vierten Grads gesorgt haben, wenn sie die Ursachen der Bevorzugung nicht nachvollziehen konnten. Im Fall Feders und Spittlers war die geheime Mitgliedschaft der beiden Professoren im Illuminate-
Vgl. Karl-Friedrich Oppermann, Heinrich Philipp Sextro, in: Stadtlexikon Hannover, S. 563 ff. Die Mitgliedschaft Sextrohs im Illuminatenorden sowie sein Ordensname „Oenomaus“ sind belegt durch einen sog, „Präfekturbericht“ Koppes vom März 1784 an Georg Ernst Rüling, den „Provinzial“ von „Aeolien“ (Niedersachsen). Vgl. Schwedenkiste, 15. Band, Dok. 378. Vgl. Kap. 6. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 78, S. 2. Am selben Tag trat auch Johann Georg Heinrich Feder der Loge bei. Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 8. Januar 1783 und 12. Januar 1783, Gesellenloge, Bl. 21, S. 2 und Meisterloge, unpag.
5.2 Hofmeister und Reisende
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norden eine wichtige Triebfeder hinter dem entgegenkommendem Verhalten des Vorsitzenden, dem Großteil der Logenmitglieder aber war dieser Umstand wohl nicht bekannt. Kapitel 8.4. zeigt, dass Koppes Amtsführung nicht unumstritten war und von Teilen der älteren Logenmitglieder als selbstherrlich und anmaßend wahrgenommen wurde.
5.2 Hofmeister und Reisende Die auf die Freimaurerlogen projizierten Sehnsüchte und Erwartungen schlugen sich in Form drängender Aufnahmegesuche auch in den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel nieder. Anders als in den Unterlagen der Augusta finden sich in den Dokumenten der jüngeren Göttinger Loge aber nur wenige Beispiele dafür, dass Anwärter wegen ihrer baldigen Abreise besonders rasch aufgenommen worden wären. Einer dieser seltenen Fälle wurde im Herbst 1779 besonders aufschlussreich festgehalten. Der 28jährige Johann Jacob Wahnschaft stand im Begriff, Göttingen zu verlassen, wollte allerdings vorher noch rezipiert werden. Der Meister vom Stuhl Behm macht der Versammlung den Wunsch des ursprünglich aus Güstrow stammenden Musikers bekannt: … zeigte der H[och] W[ürdige] Bruder an, daß H[err] Wahnschaft, Hofmusicus der Mecklenburgischen Grafen angesucht hätte, als Fr[eimaurer] angenommen zu werden, daß er aber nicht länger als bis künftige Woche noch hierbleiben könnte, und ersuchte daher ob er nicht bald aufgenommen werden könnte.¹¹⁹
Mit seiner Ankündigung, spätestens in der nächsten Woche abreisen zu müssen, setzt Wahnschaft der Loge eine kurze Frist. Der Vorsitzende Behm versuchte deshalb, die Aufmerksamkeit der Versammlung auf die Besonderheiten des Falls zu lenken: Der H[och] W[ürdige] stellte desfals den Brüdern vor, daß obgleich bey einem vorgeschlagen Bruder 4 Wochen Zeit zu gehörten, ohne nun denselben umstimmt werden bräuchte, demnach aber hier eine Ausnahme gemacht werden müsste und könnte, zu dem da die w[ürdigen] Brüder Kühn, Haaken und Ordelin ihn kannten und das beste Zeugnis abgelegt hätten, und allenfals für ihn hafteten. Daher wurde vom w[ürdigen] Br[uder] Ceremonien Mstr. die Kugeln umhergegeben, und die Kugeln leuchteten zusammen.¹²⁰
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 12. November 1779, Lehrlingsloge, Bl. 12, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 12. November 1779, Lehrlingsloge, Bl. 12, S. 2.
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5 Gunstbeweis und Privileg
Explizit verwies der Vorsitzende hier auf die eigentlich übliche vierwöchige Wartezeit zwischen Proposition und Abstimmung, auf die man anhand von drei Fürsprechern aber verzichten könne. Johann Carl Haken, Johann Friedrich Ordelin und Carl Diedrich Otto Kühn legten „das beste Zeugnis“ ab. Alle drei Paten waren zwischen 22 und 23 Jahren alt, Wahnschaft selbst war 28. Möglich, dass sie mit Wahnschaft einen gemeinsamen Bekannten, möglicherweise einen Freund, unterstützten. Erster Pate und einziger der drei, der bereits den Meistergrad erreicht hatte, war Haken; er trug damit den größten Teil der Verantwortung. Ohne die Fürsprache der drei ist ein Zustandekommen von Wahnschafts Aufnahme kaum vorstellbar. Bevorzugte Behandlung und persönliche Kontakte hingen auch in der Loge Zum goldenen Zirkel eng zusammen. Wahnschafts Rezeption ging im Vergleich zu anderen Bevorzugungen äußerst schnell vonstatten: Bereits fünf Tage nach seiner Proposition versammelte sich die Loge zu seiner Rezeption.¹²¹ Der Musiker verließ Göttingen wenige Tage später als Lehrling; weder die Protokolle noch die Mitgliederliste thematisieren seinen weiteren Verbleib. Die Aussicht, mittels der Logenmitgliedschaft Kontakte zu knüpfen, hat möglicherweise auch zwei weitgereiste junge Männer dazu bewogen, Mitglieder des Goldenen Zirkel zu werden. Ernst Friedrich Siegmund Klinge schlug die beiden Adeligen Ende November 1780 zur Rezeption vor.¹²² Die Aufnahme der aus Moskau stammenden Russen erfolgte im Januar 1781. Die Gemeinschaft versammelte sich … zur Aufnahme der am 20ten Dec[ember] 1780 umstimmten Herrn von Tatischeff, um 5 Uhr. Der H[och] W[ürdige] eröffnete die Loge. D[er] Br[uder] Ceremonienmeister ging zum Besuchenden Br[uder] v[on] Borckenstein, ihn herein zu führen und der fürchterliche Bruder zum Suchenden. D[er] H[och] W[ürdige] las ein Schreiben von der Loge aus Gotha vor, die uns ihren Stiftungs[tag] meldeten.¹²³
Der Protokolleintrag erscheint, abgesehen von dem Besuch eines Mitglieds der Augusta, zunächst nicht als ungewöhnlich. Zwischen Proposition und Abstimmung über die Aufnahme der jungen Russen war beinahe exakt ein Monat vergangen, und demnach auf den ersten Blick keine Bevorzugung praktiziert worden. Außergewöhnlich wird die Rezeption der beiden jungen Militärs durch ihre Vorgeschichte, die eng mit der Person des Proponenten Klinge verbunden ist: Dieser
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 17. November 1779, Lehrlingsloge, Bl. 13, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 22. November 1780, Lehrlingsloge, Bl. 39, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 10. Januar 1781, Lehrlingsloge, Bl. 42, S. 1 f.
5.2 Hofmeister und Reisende
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war der Hofmeister der Brüder. Sein Name fällt in den Protokollen erstmals in einem Eintrag vom ersten November 1780: D[er] H[och] W[ürdige] zeigte der Loge an, daß 2 besuchende Br[üder] der Br[uder] Ernst aus Rinteln, und Hr. Klinge unsrer Logen arbeiten bey zuwohnen wünschte; letzterer aber, da er nie in e[iner] gesetzmäßigen Loge sonst gewesen, müßte doch wohl erst den Lehrlings Eid ablegen. D[er] Br[uder] Meyer entschuldigte den Br[uder] Hinrichs bis zur Tafel-Loge. Der Besuchende Ernst aus Rinteln wurde zur Loge, und zu seinem Platz geführt. Hierauf wurde der besuchende Br[uder] Klinge zur Loge geführt. … Der Br[uder] Klinge wurde zum Altar geführt, und ihm der Eid vorgelesen, welchen er zu halten versprach, und sich maurerisch kleidete.¹²⁴
Bevor Klinge den Arbeiten beiwohnen durfte, musste er den Lehrlingseid ablegen, obwohl er als „Bruder“ und somit als Freimaurer anerkannt wurde. Den entscheidenden Hinweis liefert der Verweis darauf, dass Klinge „… nie in e[iner] gesetzmäßigen Loge sonst gewesen …“, also ursprünglich kein Mitglied einer mit der Großen Landesloge assoziierten Gemeinschaft war. Der Protokolleintrag zu Klinges erstem Eintritt in die Göttinger Loge beschreibt demnach vermutlich seinen Übertritt von einem anderen freimaurerischen System. Schon drei Wochen später kam es zur beschriebenen Proposition der beiden jungen Russen durch Klinge. Der Verdacht liegt nahe, dass Klinge sich bei der Loge mittels der Zuführung der beiden Adeligen entweder für die zuvorkommende Behandlung erkenntlich zeigen wollte oder dass – was sehr viel plausibler erscheint – sein Übertritt von Beginn an darauf abzielte, seinen Schützlingen den Weg zur Rezeption zu ebnen. Das Geben und Nehmen zwischen Klinge und der Loge scheint mit der Proposition der beiden jungen Adeligen noch nicht zu Ende gewesen zu sein. Zum Zeitpunkt der Proposition war Klinge Mitglied des ersten Grads und hätte somit nicht Pate der beiden Brüder werden können. Hier kam ihm die Loge entgegen: Nur fünf Wochen nachdem er den Lehrlingseid abgelegt hatte, wurde Klinge im Rahmen der Versammlung am sechsten Dezember 1780 erst zum Gesellen, und während der anschließenden Meisterloge in den dritten Grad weitergeführt.¹²⁵ Für einen Hofmeister ist dies ein bemerkenswert rascher Aufstieg durch die Grade und eine eindeutig bevorzugte Behandlung. Am 20. Dezember stimmte die Versammlung über die Rezeption der Brüder von Tatischeff ab:
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. November 1780, Lehrlingsloge, Bl. 38, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Dezember 1780, Gesellen- und Meisterloge, Bl. 39, S. 2. Nur Klinges Weiterführung in den dritten Grad am 6. Dezember 1780 wurde in der Mitgliederliste der Loge vermerkt.
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5 Gunstbeweis und Privileg
Der H[och] W[ürdige] ließ die Umstimmungs-Acten vorlesen, weil wieder d[ie] Herrn v[on] Taischeff sowenig als vor Herrn Steinholz üble Nachrichtn eingelaufn waren. Zuerst wurden d[ie] Kugeln für d[en] Herr Alexi von Tatischeff herumgegeben; die insgesamt leuchteten. Nun für d[en] Herrn Nekitta von Taischeff; und die Kugeln leuchteten insgesamt. Auch für d[en] Herrn Steinholz wurde d[ie] Kugeln herumgegeben u[nd] sie leuchteten insgesamt.¹²⁶
Kaum überraschend stimmte die Logen für die Rezeption der beiden Adeligen und übertrug Klinge, nun ein Meister, das Amt des ersten Paten.¹²⁷
Weiterführung vor der Abreise Wie andere Mitglieder der Loge auch, wurden die Brüder Tatischeff – oberflächlich betrachtet – von einem Bekannten zur Mitgliedschaft vorgeschlagen. Es ist möglich, dass es sich bei Klinges Empfehlung um einen Freundschaftsdienst handelte. Dennoch kann man aufgrund des Verhältnisses der beiden Adeligen zu Klinge von einer bevorzugten Aufnahme ausgehen – zu ungewöhnlich ist es, dass ein Hofmeister so offensichtlich unmittelbar vor „seinen“ Schützlingen rezipiert und weitergeführt wurde. Hatten die beiden Brüder ihren Hofmeister also beauftragt, sie zur Mitgliedschaft in der Loge vorzuschlagen? Und wie gut war es um die Deutsch- und Französischkenntnisse der beiden jungen Russen bestellt? Konnten sie eigenständig am sozialen Leben der Universitätsstadt teilnehmen oder bedurften sie Klinges Hilfe, um Zugang zur gehobenen Gesellschaft zu erlangen? Fragen, die sich anhand der Protokolle nicht klären lassen. Deutlich wird anhand der raschen Aufnahme und Weiterführung aber, dass der Loge an der Mitgliedschaft der Brüder gelegen war – ihre Mitgliedschaft brachte einen Hauch von Weltläufigkeit mit sich.¹²⁸ Dieser hielt allerdings nicht lange an, denn bereits im Sommer 1781 verließen beide die Leinestadt wieder. Zuvor wollten auch die beiden jungen Russen in die höheren Grade weitergeführt werden. Behm verkündete Mitte Juli, … daß einige Br[üder] Lehrlinge zu Gesellen wünschten befördert zu werden, wogegen die Br[üder] Meister und Gesellen nichts einzuwenden hatten.¹²⁹
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Dezember 1780, Lehrlingsloge, Bl. 40, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Dezember 1780, Eintrag vom 20. Dezember 1780, Lehrlingsloge, Bl. 40, S. 2 f. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 22 November 1780, Lehrlingsloge, Bl. 39, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 17. Juli 1781, Gesellenloge, Bl. 59, S. 1 f.
5.2 Hofmeister und Reisende
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Da sich das Protokoll an dieser Stelle auf eine größere Gruppe von Lehrlingen bezieht, geht aus dem Eintrag nicht klar hervor, ob die Brüder sich nach sechsmonatiger Logenmitgliedschaft selbst an die Beamten gewandt hatten, oder ob sie ihren Hofmeister vorschickten. Die Weiterführung in den zweiten Grad fand am 23. Juli statt: … dem einführenden Br[uder] wurde aufgetragen die Br[üder] Lehrlinge welche heute zum 2ten Grade befördert werden sollten, in ihren Kenntnissen zu unterrichten, und sie zu befragen, ob sie noch befördert zu werden verlangten.¹³⁰
Zeitgleich mit den Brüdern wurden fünf weitere Lehrlinge zu Gesellen weitergeführt: Es wurden daher die Brüder Lehrlinge Wiese, Frankenberg, Alexei von Tatischeff, Nikitta von Tatischeff, Marcard, Amtmann Heinsius, dessen Sohn der Amtsschreiber Heinsius zur Loge geführt, und nach festgesetzter Art zu Gesellen und auch in die Zahl derjenigen aufgenommen, welche den 2ten Grad unseres ehrw[ürdigen] Ordens besitzen.¹³¹
Da seit der Aufnahme der beiden Brüder gut sechs Monate vergangen waren, kann nicht von einer Bevorzugung gesprochen werden. Fünf Wochen später nahte der Tag der Abreise. Während einer Meisterloge wandte sich der Großmeister an die versammelten Brüder: In derselben trug der hochw[ürdige] Großmeister den Brüdern vor, daß die beyden Brüder von Tatischeff den Wunsch zum Meister befördert zu werden geäußert hätten, und daß selbige Brüder künftigen Sonnabend von hier reisten. Der Hochw[ürdige] ließ daher die Kugeln für den ältesten Br[uder] von Tatischeff Alexei wie auch für dessen Bruder Nikitta umhergeben, bey der Einsammlung fand sich, daß die Kugeln für beide Brüder leuchteten. 1 Wegen der geschwinden Abreise dieser Brüder, wurde die Aufnahme auf Morgen früh, um 7 2 ¹³² Uhr festgesetzt.
Da beide Brüder zum Zeitpunkt der Weiterführung in den Meistergrad erst seit fünf Wochen Gesellen waren, ist die Zustimmung der Logenversammlung eindeutig als Bevorzugung zu werten, was noch dadurch unterstrichen wird, dass eine außerplanmäßige Zusammenkunft einberufen wurde. Die Abreise der beiden Brüder im Laufe des nächsten Tages würde erklären, warum man sich für den ungewöhnlichen Zeitpunkt entschied. Obwohl die am folgenden Morgen abge-
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 23. Juli 1781, Gesellenloge, Bl. 60, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 23. Juli 1781, Gesellenloge, Bl. 60, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 30. August 1781, Meisterloge, Bl. 61, S. 2.
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5 Gunstbeweis und Privileg
haltene Zusammenkunft des dritten Grads etwa 90 Minuten dauerte, scheint gegen Ende der Versammlung die Zeit knapp geworden zu sein: Die Erklärung welche den Meistern gegeben zu werden pflegte konnte den neuaufgenommenen nicht gegeben werden weil die Zeit dazu zu kurz war; es wurde aber dem deputirten Meister aufgetragen nach geendigter Loge daß Geschäft zu über nehmen.¹³³
Deutlich wird, dass grundsätzlich Wert darauf gelegt wurde, beiden frisch beförderten Meistern vor ihrer Abreise elementare Kenntnisse ihres neuen Grads zu vermitteln. Doch warum wurde das gradspezifische Wissen nicht innerhalb der Versammlung vermittelt? Die Abreise der beiden Brüder kann nicht der Grund gewesen sein, denn in diesem Fall hätte sich auch nach der Loge nicht genug Zeit für diese Belehrung gefunden. Die wahrscheinlichste Erklärung findet sich wohl in Datum und Uhrzeit der Versammlung. Der 31. August 1781 war ein Freitag – die Mitglieder der Loge mussten sich ihrem Tagwerk zuwenden. Auch junge Akademiker äußerten häufig den Wunsch nach Weiterführung vor der Abreise. Manche ließen sich nur in den zweiten Grad weiterführen, andere versuchten innerhalb kürzester Zeit bis in den dritten Grad aufzusteigen. So auch Carl Magnus Schörbing.¹³⁴ Der 29jährige Schwede hatte in Göttingen Kameralwissenschaften studiert und als Hofmeister gearbeitet. Anfang Dezember 1784 rezipiert, wurde er bereits in einer Gesellenloge Anfang März 1785 weitergeführt – keine Bevorzugung, aber Schörbing verweilte nur sehr kurz im ersten Grad.¹³⁵ Unmittelbar nach der Weiterführung des Schweden wandelte der Vorsitzende die Versammlung in eine Meisterloge um: In selbiger schlug der hochw[ürdige] Großmeister den heute zum Gesellen beförderten Bruder Schörbing zur Aufnahme des 3ten Grades vor, weil er wünschte noch vor seiner Abreise, die Ostern vor sich gehe, diesen Grad zu erhalten. Gegenwärtige Brüder gaben durch die leuchtenden Kugeln ihre Einwilligung zu dieser Aufnahme.¹³⁶
Schörbing hatte dem Vorsitzenden Jäger anscheinend schon vor seiner Weiterführung in den zweiten Grad klargemacht, dass sein eigentliches Ziel der dritte Grad war. Auch einen mehrwöchigen Zeitrahmen gab er vor, was auf ein ungewöhnlich forderndes Auftreten des Lehrlings gegenüber der Loge hindeutet. So
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 31. August 1781, Meisterloge, Bl. 63, S. 1 f. Schörbing war unter der Matrikelnummer 13209 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 275. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 7. Dezember 1784 und 4. März 1785, Lehrlings- und Gesellenloge, Bl. 142, S. 1 und 4, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. März 1785, Meisterloge, Bl. 5, S. 1.
5.2 Hofmeister und Reisende
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stellt sich der Eindruck ein, dass Schörbing nicht wie ein Bittsteller auftrat, sondern selbstbewusst und mit Erfolg sein Begehren einforderte – dies wiederum deutet auf ein hohes Ansehen hin. Drei Wochen nach seiner Weiterführung zum Gesellen wurde ihm der Meistergrad verliehen – eine eindeutig bevorzugte Behandlung.¹³⁷ Später machte Schörbing als schwedischer Charge d’ Affaires in Regensburg Karriere.¹³⁸ Sein freimaurerisches Engagement dürfte ihm bei seinem Umgang mit Adel und gebildetem Bürgertum auf dem diplomatischen Parkett dienlich gewesen sein.
Aufnahme und Weiterführung aufgrund von Ansehen und Kontakten Anders als die Bestände der Augusta enthalten die Dokumente des Goldenen Zirkels auch Protokolle aus der Gründungszeit beziehungsweise Frühzeit der Loge. An ihnen lassen sich die durch Kontakte und Fürsprache gebildeten Verflechtungen innerhalb der Mitgliedschaft der Loge besonders deutlich sichtbar machen, denn die Gemeinschaft war noch relativ kompakt, gleichzeitig aber hochaktiv. In der Gründungszeit wurde auf das vierwöchige Einholen von Informationen über Anwärter ganz verzichtet. Die Empfehlung eines Fürsprechers gewann dadurch immens an Wert, war sie doch im Zweifelsfall für die Logenversammlung die einzige Informationsquelle über einen Anwärter. Auch ist zweifelhaft, ob es in diesen ersten Monaten nach der Gründung überhaupt eine Regelung bzw. Übereinkunft gab, wie lange Lehrlinge und Gesellen vor ihrer Weiterführung im jeweiligen Grad „stehen“ sollten. Entwicklung und Wachstum der Loge hatten Vorrang, zudem war man noch nicht mit einer Großloge assoziiert und hatte noch keine Konstitutionsurkunde erhalten.¹³⁹ Am Johannistag 1773 nahm die Loge den ersten Lehrling auf: An eben diese Tage wurde H[err] Friedrich. Christoph Polchau aus Alfeld im Hildesheimischen gebürtig, alt 23 Jahr, lutherischer Religion zum Bruder im ersten Grade aufgenommen.¹⁴⁰
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. März 1785, Meisterloge, Bl. 5, S. 2. Vgl. Reichstags-Almanach für das Jahr 1797 – Handbuch zur Kenntniß der teutschen Reichsversammlung und ihrer Geschäfte ingleichen der Kreisversammlungen und Reichsgerichte, 3. Band, Nürnberg 1797, S. 129. Vgl. auch Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel. Vgl. Kap. 3. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 24. Juni 1773, Lehrlingsloge, Bl. 3, S. 1.
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5 Gunstbeweis und Privileg
Obwohl sich Polchaus Name nicht in der Mitgliederliste der Loge findet, kann seine Mitgliedschaft durch den Protokolleintrag als gesichert gelten. Polchaus Rezeption legte das Fundament für eine ganze Reihe von weiteren Aufnahmen, denn er führte der Loge mehrere neue Mitglieder zu. Bereits in der nächsten Logenversammlung – seit seiner Rezeption waren erst zwölf Tage vergangen – schlug Polchau selbst einen Anwärter vor: Der Bruder Polchau schlug Herrn Compen als Asperanten vor. Desgleichen schlug der S[ehr] Ehrwürdige den Herrn Rouby vor. Es wurde über ballottirt, und da dieselbigen durchgingen, so wurde der 11.7. zu ihrer Aufnahme als Lehrlinge angesetzt.¹⁴¹
Bedenkt man, wie kurz Polchau erst Mitglied der Loge war und dass zwischen seiner Aufnahme am 24. Juni und dem Vorschlag Compes am achten Juli keine weitere Loge gehalten wurde, kann Polchau Compe eigentlich nicht mit der Begründung vorgeschlagen haben, dass dieser den freimaurerischen Ansprüchen der Loge gemäß ein lohnendes Mitglied darstellen würde. Der Grund war ein anderer: Anhand der bei ihren Aufnahmen eingetragenen Daten ergibt sich die Vermutung, dass Polchau und Compe Freunde waren. Beide waren in etwa gleich alt, stammten aus Hildesheim beziehungsweise dem „Hannoverschen“. ¹⁴² Anders als im Protokoll vorgesehen, wurde der 23jährige Friedrich Wilhelm Compe bereits zwei Tage später, am zehnten Juli, in die Loge aufgenommen.¹⁴³ Die Versammlung der Loge war nicht eigens für die Aufnahme Compes angesetzt worden, sondern diente auch der Weiterführung Polchaus zum Gesellen. Johann Jacob Rouby dagegen musste länger auf seine Aufnahme warten; seine Rezeption erfolgte dem ursprünglichen Plan entsprechend erst am folgenden Tag. Compe verdankte seine Bevorzugung gegenüber Rouby also zumindest zum Teil dem Wunsch der Loge, Polchau schnell zu befördern. Bekanntschaft oder Freundschaft der beiden könnte die Beamten dazu bewogen haben, sie gemeinsam an einem Tag aufzunehmen beziehungsweise weiterzuführen. Genau wie Polchau stieg auch Compe schnell innerhalb der Loge auf – die Gemeinschaft benötigte Mitglieder des dritten Grades, um die vakanten Ämter zu besetzen.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 8. Juli 1773, Lehrlingsloge, Bl. 3, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 10. Juli 1773.Weder Compes Name, noch der des vom Meister vom Stuhl vorgeschlagenen Herrn Rouby finden sich im Mitgliederverzeichnis. Obwohl dieses über die eingetragenen Mitglieder der Loge eine Vielzahl von Informationen liefert, scheint es, gerade was die Gründungszeit der Loge betrifft, einige Lücken zu haben. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 10. Juli 1773, Lehrlingsloge, Bl. 4, S. 1.
5.2 Hofmeister und Reisende
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Schon neun Tage nach seiner Aufnahme schlug Compe einen ersten Anwärter zur Aufnahme vor; auch in diesem Fall hat die Eignung des Anwärters im Sinne der Freimaurerei also vermutlich eine untergeordnete Rolle gespielt: Der Bruder Compe schlug darauf Herrn Weckenesel als Asperanten vor. Es wurde darüber ballottirt, und da die Brüder in dessen Aufnahme einwilligten, so wurde dieselbe auf den 23.7. fest gesetzt.¹⁴⁴
Georg Justus Rudolf Weckenesel wurde am festgesetzten Datum als Lehrling aufgenommen. Er ist der Erste aus der Reihe mit Polchau und Compe, der sich in der erhaltenen Mitgliederliste der Loge findet. Eingetragen ist dort allerdings nicht seine Aufnahme zum Lehrling oder Weiterführung zum Gesellen, sondern seine Aufnahme in den dritten Grad am 18. Oktober 1773 im Alter von 23 Jahren. Das Alter ist auch in seinem Fall ein Hinweis darauf, dass ihn mit Compe und eventuell auch Polchau eine Freundschaft oder engere Bekanntschaft verband.¹⁴⁵ In der Gründungszeit der Loge konnte die Abreise eines Mitglieds des dritten Grads zu organisatorischen Problemen führen, denn die ohnehin kleine Gruppe potentieller Funktionsträger wurde dadurch zusätzlich ausgedünnt. In einem Fall führte dies dazu, dass nicht der Abreisende selbst, sondern ein Geselle zum Meister weitergeführt wurde, so dass es bei dieser Weiterführung um Abwendung eines personellen Notstands ging: Der S[ehr] E[hr] W[ürdige] Meister vom Stuhl eröffnete die Meister Loge und die Brüder Gesellen Fekete von Frits und Wackenesell wurden in den Meister Grad erhoben, ersterer auch hier zum Mitglied gemacht, und Letzterer zugleich zum Secretair ernannt; weil der bisherige Sekretair Bruder Polchau von hier in etlichen Tagen abreisen würde.¹⁴⁶
Wackenesel profitierte von der Abreise seines maurerischen „Großvaters“ Polchau, der nicht nur der erste von der Loge rezipierte Lehrling war, sondern auch das erste Logenmitglied, dessen Abgang in den Protokollen erwähnt wird. Neben dem Meistergrad verlieh die Loge Wackenesel das Amt des Sekretärs. Die damit verbundene zusätzliche Belastung war ihm bereits bekannt, denn schon länger
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Juli 1773, Lehrlingsloge, Bl. 5, S. 2. Das Weckenesels Aufnahme nicht während einer extra zu diesem Zweck abgehaltenen Rezeptionsloge vollzogen wurde, deutet erneut darauf hin, dass Compes vorgezogene Aufnahme weniger eine Bevorzugung gegenüber Rouby war, sondern er das Glück hatte, dass die Loge seine Aufnahme mit Polchaus Weiterführung zusammenlegte. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. September 1773, Meisterloge, Bl. 9, S. 1.
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5 Gunstbeweis und Privileg
protokollierte er die Versammlungen der Loge als „Interims Secretair“. ¹⁴⁷ Sowohl die Weiterführung als auch die Verleihung des Amtes scheinen erfolgt zu sein, ohne dass Wackenesel darum gebeten hätte. Dies unterstreicht erneut, dass in der Gründungszeit der Loge schnelle Weiterführungen üblich waren und scheinbar keine Regeln gültig waren, die etwaige Wartezeiten vorschrieben.¹⁴⁸ Kurz nach ihrer Gründung versuchte die Loge, durch zahlreiche Aufnahmen und Weiterführungen eine stabile Mitgliederbasis aufzubauen; die in späteren Jahren – wenn auch nachlässig – praktizierten Regeln mussten gegenüber diesem Ziel in den Hintergrund treten. Dennoch handelte es sich bei den Aufnahmen und Weiterführungen nicht um reine Gefälligkeiten aufgrund von guten Kontakten: Wie in späteren Jahren auch, orientierte sich das Vorgehen der Beamten an den Bedürfnissen der Loge. In den frühen Jahren bedeutete dies, die Kontakte der Mitgliederbasis im Sinn einer primär wachstumsorientierten Politik einzusetzen. Nachdem die Loge etabliert war, versuchte man durch die Rezeption prestigeträchtiger Anwärter aus dem Umkreis der eigenen Mitgliederbasis oder über die Rezeption angesehener Persönlichkeiten das die Loge umgebende Netz sozialer Kontakte gezielt zu erweitern. Ein eindrucksvolles Beispiel für dieses Vorgehen ereignete sich Ende 1782 als Folge eines aus Hildesheim eingetroffenen Schreibens: Der hochw[ürdige] Groß Meister las darauf ein Schreiben vom hochw[ürdigen] Groß Meister Köppe in der Loge zu Hildesheim, und Syndicus zu Osterode den Brüdern vor, worin der H[err] Rector Wolf in Osterode zur Aufnahme vorgeschlagen und sehr gebeten wurde daß er künftigen Monat aufgenommen werden möge, weil derselbe wegen Entfernung des Orts nicht immer abkönnte, und gegen sein Beitragen nicht das geringste einzuwenden wäre, daher er auf Maurer Treue bürgte.¹⁴⁹
Ein mit derartigem Renommee versehener Brief reichte aus, um die Mitglieder bei der anschließenden Ballotage ihre Zustimmung zur Aufnahme Friedrich August
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 7. September 1773 und 14. September 1773, Lehrlingslogen, Bl. 8, S. 1 und 8, S. 2. Zu ähnlichen Fällen kam es auch in anderen Gemeinschaften, zum Beispiel in der Loge Ferdinand zur gekrönten Säule. Auch diese junge Loge litt unter chronischem „Personalmangel“. Gegen die Zahlung von „Dispensationsgeldern“ wurde der Zeitraum, den man im ersten Grad stehen musste, abgekürzt. Zwei Jahre lang hatten die vor ihrer Zeit Beförderten aber jeweils einen Taler im Jahr an die Loge zu zahlen.Vgl. Menge, Geschichte der Freimaurerloge Pforte zum Tempel des Lichts in Hildesheim und der vor ihr daselbst bestandenen Logen, S. 103. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 26. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 98, S. 1.
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Wolfs ausdrücken zu lassen.¹⁵⁰ Unter dem Eindruck von Köppes Bürgschaft verzichtete man auf die sonst üblichen Nachfragen zu Wolfs Charakter, obwohl der Anwärter der Loge anscheinend vollkommen unbekannt war.¹⁵¹ Als Paten wurden ihm Köppe selbst sowie die Göttinger Brüder Johann Heinrich Jäger und Philipp Georg Frankenberg bestellt. Köppes Anwesenheit während der Rezeption war somit erforderlich.¹⁵² Nach Eröffnung der Gesellenloge machte Behm den anwesenden Meistern und Gesellen einen weiteren Wunsch Köppes bekannt: Der Hochw[ürdige] öffnete die Gesellen Loge, und machte den Brüdern bekannt daß der hochw[ürdige] Logenmeister Köppe ferner nachsuchte dem H[err] Rector Wolf auch gleich den 2ten Grad zu ertheilen, weil er sehr darum nachgesucht, und als ein würdiger Mann es verdiene, übrigens käme es lediglich auf die Brüder an, ob sie hierin ihre Einwilligung geben wollten.¹⁵³
Auch dem zweiten Wunsch Köppes wurde in der folgenden Ballotage stattgegeben – eine eindeutige Bevorzugung. Mitte Januar 1783 kam es zur Rezeption Wolfs. Dabei behinderte die anstehende Weiterführung in den zweiten Grad anscheinend die Vermittlung elementaren Wissens des ersten Grades: Nachdem der neuaufgenommene Bruder gekleidet, und die Ordenskleidung erhalten, sollte demselben zwischen den Aufsehern die Erklärung der Ceremonien bei der Aufnahme, und die der Tafel zwar vorgelesen werden, allein wegen der folgenden Arbeiten konnte es nicht geschehen und wurde dem besuchenden hochw[ürdigen] Br[uder] Köpp der Auftrag gegeben, diesen Bruder Wolf in dem zu unterrichten was der Ordnung des ehrw[ürdigen] Ordens angemessen.¹⁵⁴
In Hildesheim arbeitete die Loge Friedrich zum Tempel, die wie die Göttinger Gemeinschaft mit der Hamburger Provinzialloge von Niedersachsen und der Großen Landesloge assoziiert war. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 35. Der Nachweis eines Meisters vom Stuhl namens Köppe gestaltet sich schwierig, da die Dokumente der Loge vermutlich bei einem Brand im Jahr 1822 vernichtet wurden. Vgl. Menge, Geschichte der Freimaurerloge Pforte zum Tempel des Lichts in Hildesheim und der vor ihr daselbst bestandenen Logen, S. 139. Friedrich August Wolf wurde später ein bekannter Altphilologe und Altertumsforscher, nach Auflösung der Loge Zum goldenen Zirkel war er ab 1793 in der halleschen Loge Zu den drei Degen aktiv. Vgl. A. Baumeister, „Wolf, Friedrich August“, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 43. Band, Leipzig 1898, S. 737 ff. Vgl. Kap. 6. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 26. Dezember 1782, Gesellenloge, Bl. 98, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 14. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 99, S. 1.
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Das Übertragen von rituellen Aufgaben an Besucher war eine übliche Form der Ehrerbietung und Vertrauensbekundung, die normalerweise innerhalb der Versammlung stattfand, damit die Anwesenden Zeugen des feierlichen Vorgangs wurden. Die Bitte an Köppe, Wolf das Wissen außerhalb des rituellen Rahmens zu vermitteln, grenzt den Fall so von den bereits beschriebenen Fällen nachlässiger Wissensvermittlung ab. Die nun „folgenden Arbeiten“ schlossen die Verkündung des Ergebnisses der letzten Meisterwahl mit ein. Im Beisein des Hildesheimer Meisters vom Stuhl war Behm gezwungen sein Amt aufzugeben – eine große Demütigung für den offenkundig von seiner Abwahl überraschten langjährigen Vorsitzenden.¹⁵⁵ Nachdem der ernüchterte Behm die Logenversammlung überstürzt verlassen hatte, gingen die rituellen Arbeiten weiter: Der hochw[ürdige] Großmeister Jäger verwandelte darauf die Lehrlingsloge in eine Gesellenloge. Der fürchterliche Bruder erhielt den Auftrag die Brüder Lehrlinge in ihrer Wissenschaft zu erforschen, derselbe stattete den Bericht ab, daß er die Brüder Pezold, Berntheuffel, Vordanck, Wolf und der dienende Bruder Öhlmann welche Gesellen zu werden wünschten, die gehörige Kenntniss besäßen, und versprächen unseren geheiligten Gesetzen getreu zu bleiben.¹⁵⁶
Entgegen der Versicherung des „fürchterlichen Bruders“, dass alle Lehrlinge über die notwendigen gradspezifischen Kenntnisse verfügen würden, zeigt das Beispiel sehr deutlich, dass eine ordnungsgemäße Wissensvermittlung im Falle Wolfs nicht stattgefunden haben kann. Durch die veränderte Ämtervergabe gewann der Rektor mit Jäger den neuen Meister vom Stuhl der Göttinger Loge zum zweiten Paten. Neben der Kraft, die eine Empfehlung durch wichtige Persönlichkeiten wie Köppe entfalten konnte, zeigt die Rezeption Wolfs deutlich, dass Protokollvermerke über die den Lehrlingen abgefragten Kenntnisse keinerlei Aussagekraft über ihr tatsächliches Wissen besitzen. Nicht immer war es Paten möglich, ihre Aufgabe so pflichtbewusst wahrzunehmen, wie der eigens aus Hildesheim angereiste Meister vom Stuhl es getan hatte. Der Fall der verschleppten Aufnahme eines Lehrlings während des Sommers und Herbstes 1779 zeigt, dass die Fürsprache eines Bekannten eine Rezeption auch verlangsamen konnte. Der aus Hannover stammende zwanzigjährige Philologe Theodor Anton Schmalz wurde der Versammlung von einem Mitglied der Loge proponiert:
Vgl. Kap. 6. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 14. Januar 1783, Gesellenloge, Bl. 99, S. 2 f.
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Der S[ehr] W[ürdige] zeigte ferner an daß der w[ürdige] Br[uder] Scharnhorst den H[errn] Schmaltz als einen würdigen Candidatus vorgeschlagen, und empfahl diesen H[errn] Schmaltz der weiteren Nachforschung der Br[üder]¹⁵⁷
Die Abstimmung über Schmalz‘ Aufnahme fand vorschriftsmäßig etwa einen Monat nach seiner Proposition durch Gerhard Johann David Scharnhorst statt.¹⁵⁸ Die Logenversammlung stimmte der Aufnahme Schmalz‘ zu, als seine Paten wurden Scharnhorst, Johann Tobias Mayer und Adolph Ludwig Carl von Schevé (auch Schäve) bestimmt.¹⁵⁹ Scharnhorst war zum Zeitpunkt der Abstimmung über die Aufnahme Schmalz‘ selbst erst seit etwa drei Monaten Freimaurer und stand noch im ersten Grad.¹⁶⁰ Damit war er für die Position des ersten Paten eigentlich ungeeignet. Mit Mayer übernahm ein langjähriges Mitglied der Loge die Stellen des zweiten Paten. Von Schevé dagegen war ebenfalls erst seit Anfang 1778 Mitglied der Loge, verließ diese Anfang 1780 wieder und trat zur Strikten Observanz über.¹⁶¹ Schmalz‘ Rezeption war für Anfang September angesetzt, musste jedoch verschoben werden: Der S[ehr] W[ürdige] machte bekannt daß wegen Abreise des w[würdigen] Br[uder] von Scharnhorst die Aufnahme des H[errn] Schmaltz nicht hat vorgenommen werden können.¹⁶²
Zwischen der Ballotage über Schmalz‘ Rezeption und deren Vollzug lagen etwa sechs Wochen. Wäre Scharnhorsts Reise langfristig geplant gewesen, hätte ein anderer Termin angesetzt werden können. Auch die Bekanntmachung durch den
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 24. Juni 1779, Lehrlingsloge, Protokollnr 5, S. 1. Bemerkenswert, dass der junge Scharnhorst sich die Mitgliedschaft in der Loge leisten konnte, denn in seinen Briefen aus jener Zeit wird seine angespannte finanzielle Lage deutlich. Die teure Logenmitgliedschaft erwähnte der junge Mann in den Schreiben an seine Familie und Verwandte, in denen er immer wieder um Geld bat, wohlweislich nicht. Vgl. Jürgen Kloosterhuis und Dieter Heckmann (Hrsg.), Gerhard von Scharnhorst – Private und dienstliche Schriften, 1. Band, Köln u. a. 2002, S. 38 ff. Scharnhorsts Name wurde im Protokoll der Loge vom 8. September 1779, Lehrlingsloge, Bl. 8, S. 1 mit Adelsprädikat eingetragen, obwohl man ihn erst 1804 adelte. Die Loge erkannte anscheinend die Herkunft seiner Mutter aus dem hannoverschen Landadel an, auch wenn sein Vater nicht adelig war. In der Mitgliederliste fehlt das Adelsprädikat. Vgl. Johannes Kunisch, „Scharnhorst, Gerhard Johann David von“, in: Neue Deutsche Biographie, 22. Band, Berlin 2005, S. 574 f. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 28. Juli 1779, Lehrlingsloge, Bl. 7, S. 1. Theodor Heinrich Anton Schmalz war Jahrzehnte später Meister vom Stuhl der Berliner Loge Zum Pegasus. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 2. Band, S. 669. Vgl. Kap. 7. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 8. September 1779, Lehrlingsloge, Bl. 8, S. 1.
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Meister vom Stuhl, dass die geplante Aufnahme ausfallen müsse, zeugt vom spontanen Charakter der Abreise des Fähnrichs. Scharnhorst scheint länger abwesend gewesen zu sein; erst nach seiner Rückkehr wurde der spätere Juraprofessor Mitte November rezipiert.¹⁶³ Schmalz‘ etwas unglücklicher Fall einer Verschiebung der Rezeption wegen Abwesenheit des ersten Paten ist einzigartig in den Protokollen und veranschaulicht die Bedeutung des Amts.
Weiterführung Besuchender Brüder Die Protokolle berichten nur selten von den Reisen Göttinger Brüder. Anhand des Umgangs mit Besuchern von auswärtigen Logen in Göttingen lässt sich aber vermuten, wie Göttinger Brüdern auf Reisen aufgenommen und behandelt wurden. Eine Vielzahl von Gründen konnte dazu führen, dass sich ein Mitglied der Loge vor seiner Abreise nicht weiterführen ließ. Das Beispiel Wahnschafts hat verdeutlicht, wie kurzfristig sich manchmal Interessenten um die Mitgliedschaft in einer Loge bemühten oder vor ihrer Abreise weitergeführt werden wollten. Den Logen war es kaum möglich, jedem Wunsch kurzfristig zu entsprechen, und sicher bestand auch kein Interesse, für jeden beliebigen Bruder an einem Freitagmorgen eine Loge abzuhalten wie etwa für die Gebrüder von Tatischeff. Fälle, in denen einem bald abreisenden Bruder aus dem einen oder anderen Grund der Wunsch abgeschlagen wurde, finden sich nicht in den Protokollen, da es nicht zur offiziellen Bekanntmachung durch den Vorsitzenden kam. War absehbar, dass Reise oder Aufenthalt zeitlich begrenzt waren, bestand die Möglichkeit, sich auch als Besucher in einer befreundeten Loge weiterführen zu lassen, ohne dafür in die gastgebende Gemeinschaft übertreten zu müssen. Für diesen Weg entschied sich der aus Greifswald stammende Jurastudent Gustav Möller.¹⁶⁴ 1791 besuchte er eine Zeit lang die Göttinger Loge und wünschte zum Meister weitergeführt zu werden: Nachdem die Meisterloge gesetzmäßig eröffnet worden, so ward der auf Empfehlung der Loge z[u] den 3 Greifen in Greifswalde der hiesige besuchende Br[uder] Möller, seinem
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 17. November 1779, Lehrlingsloge, Bl. 13, S. 2 f. Möller war unter der Matrikelnummer 15535 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 322.
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Verlangen gemäß umstimmt, und nachdem alle Kugeln leuchtend befunden wurden, …, zum Br[uder] Meister aufgenommen.¹⁶⁵
Der Protokolleintrag weist auf eine formale Eigenart bei der Weiterführung Besuchender Brüder hin: Möller hatte seinen Wunsch zunächst seiner Mutterloge Zu den 3 Greifen in Greifswald mitgeteilt, welche daraufhin ihre Erlaubnis erteilte und ein entsprechendes Schreiben nach Göttingen sandte. Das Empfehlungsschreiben allein sicherte Möllers Weiterführung in den dritten Grad noch nicht. Genau wie bei eigenen Lehrlingen oder Gesellen entschied die Göttinger Loge durch die Ballotage, ob sie den Bewerber für geeignet hielt. Ein negatives Votum war also theoretisch möglich, hätte aber nicht nur den Anwärter, sondern auch seine Mutterloge brüskiert, denn das Schreiben stellte natürlich auch eine Art von Bürgschaft dar. Der sich auf Reisen befindende Maurer musste also theoretisch den Ansprüchen gleich zweier Logen genügen. Zieht man außerdem in Betracht, wie mühsam und langwierig es sich gestalten konnte, die schriftliche Erlaubnis der Mutterloge über eine längere Distanz einzuholen, wird ein weiterer Grund klar, weshalb sich so viele Freimaurer vor Antritt einer Reise weiterführen ließen. Die Schwierigkeiten, die der Status des Besuchenden Bruders bereitete, ließen ihn nur für kurze Aufenthalte geeignet erscheinen. Freimaurer, die sich über einen längeren Zeitraum in der Fremde aufhielten, traten in der Regel in eine ortsansässige, möglichst mit dem System der eigenen Mutterloge assoziierte Gemeinschaft, über.¹⁶⁶ Zwei Beispiele aus den Protokollen des Goldenen Zirkels eignen sich besonders, um den Prozess solcher Übertritte zu veranschaulichen. Zu Beginn der 1790er Jahre wünschte ein Bruder aus Halle in die Loge aufgenommen zu werden und im Rahmen seines Übertritts zum Gesellen befördert zu werden. In der Gesellenloge verkündete der Vorsitzende, … daß vermöge eines Schreibens aus der Loge zu den 3 Degen in Halle der Lehrling Georg Wilhelm Dietrichs auf sein Verlangen der dortigen Logenpflichten entlassen u[nd] ihm freygestellt worden sich in unserer Loge aufzunehmen u[nd] den 2ten Grad conferiren zu lassen. Es wurde daher zu dessen Ballottierung geschritten u[nd] alle Kugeln leuchtend befunden.¹⁶⁷
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Dezember 1791, Meisterloge, Bl. 123, S. 2. Vgl. Kap. 7. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. September 1791, Gesellenloge, Bl. 121, S. 2.
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Knapp zwei Wochen später kam es zum Übertritt des Lehrlings: In der heutigen Loge, die besonders dazu bestimmt den in der letzten Monats Loge vorgeschlagenen Lehrlingen den Gesellen-Grade zu verleihen, wurde von dem hochwürdigen Großmeister zuerst der Brief aus der Loge zu den 3 Degen in Halle verlesen, worin der Lehrling Georg Wilhelm Dietrich der dortigen Logen-Pflichten erlassen u[nd] die Erlaubniß sich in unserer Loge weiter befördern zu lassen ertheilt wurde.¹⁶⁸
Nachdem das Schriftstück verlesen war, wurde Dietrichs zusammen mit zwei anderen Lehrlingen weitergeführt. In der Mitgliederliste der Loge findet sich aber kein am 17. September 1791 in den Gesellengrad aufgenommener Georg Wilhelm Dietrich.¹⁶⁹ Stattdessen ist ein Friedrich Gottlieb Carl Diederichs aufgelistet, der am besagten Tag als Geselle aufgenommen wurde und ehemaliges Mitglied der Loge Zu den 3 Degen war. Wie es zur Verwechslung zwischen Georg Wilhelm Dieterich, 18 Jahre zuvor einer der Gründer der Loge, und Friedrich Dietrich kam, bleibt unklar. Das Beispiel zeigt jedoch anschaulich, dass für den Übertritt in eine andere Loge die schriftliche Erlaubnis der Mutterloge benötigt wurde.¹⁷⁰ In der Göttinger Loge wurde diese Erlaubnis von der Logenversammlung bewilligt, wie ein Beispiel aus dem Herbst 1784 zeigt: Es wurde ferner ein Schreiben des abgegangenen Br[uder] Kleemans vorgelesen, der um die Entlassung der Mitgliedschaft ersuchte, um in die ehrw[ürdige] gesezmäßige constituierte Loge zu den drey Kleeblättern in Aschersleben als Mitgliede aufgenommen werden, welches die Brüder durch Ausstreckung der Hände bewilligt.¹⁷¹
In ähnlicher Form wurde mutmaßlich auch Dietrichs Wunsch nach Entlassung entsprochen. In einem anderen Beispiel von Übertritt und Weiterführung sind die weiteren maurerischen Aktivitäten des Besuchenden Bruders besser nachvollziehbar. 1779 nahm die Göttinger Gemeinschaft Nicolaus Otto von Wickede (auch Wiekede) auf, der ursprünglich in der Lübecker Loge Zum Füllhorn rezipiert worden war: … der e[hr]w[ürdige] besuchende Br[uder] v[on] Wickede gewünscht ein Mitglied der Loge zu werden und den zweiten Grad unseres sehr ehrwürdigen Ordens zu erhalten. Nachdem alle
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 17. September 1791, Gesellenloge, Bl. 122, S.1. Hier kam es mutmaßlich zur Verwechslung Dietrichs mit Georg Wilhelm Dieterich. Vgl. die Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 623. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Oktober 1784, Lehrlingsloge, Bl. 139, S. 1.
5.3 Fürsprache und Kalkül
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versammelten Br[üder] durch Ausstreckung der Hände die Erfüllung des Wunsches dem Suchenden zu verstatten; so ließen der S[ehr] W[ürdige] um gedachtr e[hr]w[ürdigen] Br[uder] Lehrl[ing] von Wickede ballottieren, wobey dem alle Kugeln leuchtend sich befanden.¹⁷²
Anders als Dietrich stieg von Wickede bis in den dritten Grad auf.¹⁷³ In der Mitgliederliste findet sich ein Vermerk, dass er 1786 wieder in seine ursprüngliche Loge in Lübeck eintrat, nachdem ein mehrjähriger Aufenthalt in Göttingen zu Ende gegangen war. Mindestens ein Mitglied der Göttinger Loge hat ebenfalls zweimal die Loge gewechselt. Es handelt sich dabei um Johann Conrad Bansa. Aufgenommen im Juni 1778, hatte er offenbar Göttingen eine kurze Zeit später verlassen.¹⁷⁴ Im Herbst 1779 kehrte er in die Loge zurück und wurde mit offenen Armen empfangen: Der H[och] W[ürdige] zeigt an daß der w[ürdige] Br[uder] Bansa der ehemals ein Mitglied dieser Loge gewesen wieder zurück gekommen und abermals den Wunsch geäußert ein Mitglied zu werden.¹⁷⁵
Im Rahmen seiner Wiederaufnahme wurde Bansa in den zweiten Grad weitergeführt. Der mehrmalige Wechsel der Mitgliedschaft zwischen zwei Logen war demnach möglich und wurde auch praktiziert, was auf eine hohe Mobilität zwischen den Logen eines Systems schließen lässt.
5.3 Fürsprache und Kalkül Basierend auf den Protokollen der beiden Göttinger Logen lässt sich feststellen, dass sie den Wünschen von Anwärtern und um Weiterführung nachsuchenden Brüdern gerne entgegen kamen. Die Bevorzugung im Rahmen von Rezeption und Weiterführung in die höheren Grade war Teil des Logenalltags. Besonders häufig verwendete Begründung für den Wunsch nach rascher Rezeption war die baldige Abreise. Der auf den ersten Blick paradoxe Wunsch nach Aufnahme in eine Loge, die man bald hinter sich lassen würde, lässt sich mit den Vorteilen erklären, welche die überregionale Gemeinschaft der Freimaurer
S. 2. S. 1.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 8. Mai 1779, Gesellenloge, Bl. 2, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 15. März 1780, Meisterloge, Bl. 25, Vgl. Kap. 6. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. November 1779, Gesellenloge, Bl. 12,
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ihren Mitgliedern auf Reisen bot: Höheres Ansehen, leichtere Kontaktaufnahme und Anlaufstellen in der Fremde. Aus den untersuchten Dokumenten der Augusta wurden die Fälle des Amtsschreibers Reinhard und des Kaufmanns Panse besprochen. Reinhard befand sich auf der Durchreise durch Göttingen, Panse wollte die Stadt Richtung Ostende verlassen. Beide hatten Kontakt zu Mitgliedern der Loge, bei Panse handelte es sich um Reinhards Schwager Borckenstein. Dies deutet darauf hin, dass die Rezeption von Anwärtern, von denen nicht zu erwarten war, dass sie je aktiv am Logenleben teilnehmen würden, gestattet wurde, insofern sie enge Kontakte zu Mitgliedern der Loge unterhielten. Auch bei der bevorzugten Rezeption von Anwärtern, die länger in Göttingen bleiben wollten, spielten Kontakte eine große Rolle. Der erst achtzehnjährige Ernst Friedrich von Schlotheim wurde gar ohne die übliche Wartezeit zwischen Proposition und Rezeption sofort aufgenommen – eine Überprüfung seines Charakters fand nicht statt, da man mit seiner Rezeption seinem Vater eine Gefälligkeit erweisen wollte. Ganz nebenbei wurde durch die Anwesenheit des Vaters eine ergebnisoffene Abstimmung verhindert.¹⁷⁶ Ähnlich der Aufnahme Ernst Friedrich von Schlotheims verlief die Rezeption Fritz von Moltkes: Drei Tage nach seiner Proposition wurde er in Anwesenheit seines Stiefvaters rezipiert. Auch im Fall des jungen Grafen ebnete der Einfluss eines adeligen Verwandten den Weg zu einer raschen Rezeption ohne die lästige Überprüfung der charakterlichen Eignung. Vergleichbare Strategien ließen sich auch im Rahmen der Weiterführung in die höheren Grade beobachten. Als Mittel zum Zweck dienten auch hier gute Kontakte zu einflussreichen Logenmitgliedern oder die baldige Abreise aus der Leinestadt. Der aus dem Baltikum stammende Wilhelm von Schilling wurde kaum
Im Protokoll wird Ernst Friedrich von Schlotheims Geburtsdatum mit dem 2. April 1765 angegeben, in der Literatur ist er ein Jahr älter. Stimmte der Eintrag im Protokoll, wäre er der einzige Göttinger Rezipient gewesen, der bei seiner Aufnahme jünger als 18 Jahre war, denn weder in den Protokollen, noch der Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel wurde ein vergleichbarer Fall festgehalten. Insgesamt finden sich dort vier bei ihrer Aufnahme Achtzehnjährige, jedoch keine jüngeren Logenmitglieder. Da die auf den Aufzeichnungen Gläshners basierende Mitgliederliste der Augusta zu den 3 Flammen in der Regel keine Auskunft über das Alter der Logenmitglieder gibt, bleibt unklar, ob die Loge noch weitere Mitglieder so jung aufnahmen. Die Formulierung von Koppes Hinweis, „… daß er sich glückl[ich] schäzzen könne, so früh und unter den Umständen recip[iert] zu werden …“ weist darauf hin, dass von Schlotheim außergewöhnlich jung gewesen sein muss. Dem Rezipienten sollte nicht nur klar gemacht werden, dass er seine Ausnahme einzig dem Einfluss seines Vaters verdankte, sondern vor allem, dass die Loge mit seiner Aufnahme weit über das übliche Maß der Bevorzugung hinausging. Doch die Frage, ob er tatsächlich 17 Jahre alt war, oder es sich in den Protokollen nur um eine falsche Eintragung gehandelt hat, lässt sich an dieser Stelle nicht auflösen. Vgl. Zirnstein, „Schlotheim, Ernst Friedrich von“, S. 109 f.
5.3 Fürsprache und Kalkül
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zwei Monate nach seiner Rezeption bereits in den zweiten Grad weitergeführt. Möglich gemacht wurde dieser rasche Aufstieg durch seinen Hofmeister Hoffmann, der auch nach der Abreise aus Göttingen weiterhin das Verhalten des jungen Adeligen im Sinne der Freimaurerei lenken sollte. Vermutlich damit er der Rolle des freimaurerischen Mentors gerecht werden konnte, hatte die Loge Hoffmann, der fünf Jahre (!) Lehrling gewesen war, wenige Wochen zuvor in den zweiten Grad weitergeführt. In diesem Falle wäre der „Doppelfall HoffmannSchilling“ als ein ebenso langfristig geplanter wie außergewöhnlicher Fall von Bevorzugung zu werten. Auffallend detailliert beschreiben die Protokolle die Aufnahme Johann Heinrich von Scheithers. Aufgrund seines hohen gesellschaftlichen Ansehens kam der siebzigjährige Generalleutnant mit Einverständnis der hannoverschen Ordensoberen in den Genuss einer – modern gesprochen – seniorengerechten Variante des Rituals und wurde während seiner Aufnahme in die Loge gratis in den vierten Grad weitergeführt. Wie Hoffmann profitierte auch der Dienende Bruder Hasselbrinck vom Einfluss eines Adeligen: Früher als vorgesehen wurde er in den zweiten Grad weitergeführt, weil zwei Offiziere – darunter der im Jahr zuvor aufgenommene von Scheither – ihm der Gemeinschaft gegenüber ein gutes Zeugnis ausstellten. Der Prediger Sextroh profitierte mutmaßlich von seiner gesellschaftlichen Bedeutung innerhalb Göttingens und seiner Bekanntschaft mit Koppe – er wurde gratis rezipiert. Der in stolbergischen Diensten stehende Hofmeister August Wilhelm Hase wurde knapp drei Monate nach seiner Rezeption zum Gesellen weitergeführt – ob es sich hierbei um einen gescheiterten Versuch handelte, auch den Stolberger Fürsten für die Loge zu gewinnen, bleibt unklar. Die Untersuchung der Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel unterstreicht die Bedeutung von Kontakten im Zusammenhang mit Rezeption und Weiterführung. Die zügige Rezeption Johan Jacob Wahnschafts kam nur zu Stande, weil der Musiker mit den Brüdern „Kühn, Haaken und Ordelin“ auf gleich drei Fürsprecher verweisen konnte. Gleichzeitig setzte die Ankündigung seiner baldigen Abreise die Loge unter Druck – man musste sich entscheiden zwischen der ordnungsgemäßen Wartezeit zwischen Proposition und Rezeption auf der einen, und einer Gefälligkeit für den Bekannten dreier Brüder auf der anderen Seite. Exzellente Kontakte ermöglichten auch dem der Loge bis dahin scheinbar vollkommen unbekannten Rektor Friedrich August Wolf die zügige Rezeption und Weiterführung: Innerhalb eines Tages wurde er aufgenommen und in den zweiten Grad weitergeführt – eine deutliche Bevorzugung, die durch seine Bekanntschaft mit dem Vorsitzenden der Hildesheimer Loge, Köppe, ermöglicht wurde. Ähnlich dem Fall Wilhelm von Schillings innerhalb der Augusta spielte auch bei der raschen Weiterführung der Brüder von Tatischeff deren Hofmeister eine
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wichtige Rolle. Ernst Friedrich Siegmund Klinge war Ende 1780 in die Loge aufgenommen worden, kurze Zeit später schlug er die Brüder von Tatischeff zur Aufnahme vor, was darauf hindeutet, dass auch hier wieder – wie bei Hoffmann und von Schilling – gezielt ein Fürsprecher in der Loge „installiert“ wurde, welcher der Rezeption seiner adeligen Schützlinge den Weg bereiten sollte. Wie üblich wurde Klinge erster Pate der Brüder.¹⁷⁷ Die beiden Russen waren nach ihrer Rezeption nur für etwas über ein halbes Jahr in der Loge aktiv. Kurz vor ihrer Abreise wurden sie im Sommer 1781 erst zu Gesellen, und fünf Wochen später in einer eigens zu diesem Zweck einberufenen Meisterloge in den dritten Grad weitergeführt. Zumindest die Weiterführung in den dritten Grad muss in diesem Fall als bevorzugte Behandlung angesehen werden. Der aus Schweden stammende Student Carl Magnus Schörbing trat der Loge im Dezember 1784 bei. Im März 1785 ließ er sich innerhalb von drei Wochen zum Gesellen und schließlich zum Meister weiterführen, bevor er Göttingen endgültig verließ. Im Rahmen der Protokollierung seines Begehrens fanden sich jedoch keine Hinweise auf etwaige Fürsprecher – anscheinend forderte Schörbing allein, aber selbstbewusst, seine zügige Weiterführung bis in den Meistergrad ein. Weshalb die Loge auf Schörbings Wünsche einging, bleibt unklar, doch wird deutlich, dass für den raschen Aufstieg nicht immer Fürsprecher nötig waren. Schörbings spätere Karriere als Charges d’Affaires im diplomatischen Dienst lenkt den Blick auf eventuelle Hoffnungen der Loge auf eine Verbesserung der internationalen Kontakte durch den jungen Schweden. Die Beispiele Polchaus, Compes und Wackenesels aus der Gründungszeit der Loge stützen die These, dass die Gemeinschaft mit den zügigen Rezeptionen und Weiterführungen auch eigene Interessen verfolgte.
Gemeinsamkeiten Die Frage nach dem Nutzen (cui bono?) verbindet die in den Dokumenten beider Logen erhaltenen Fälle. Sie lassen sich nicht nur – wie oben geschehen – nach Anlass und Art der Bevorzugung kategorisieren, sondern auch im Kontext der Ereignisse innerhalb und im Umfeld der Gemeinschaft, etwa nach „Bevorzugung als Antwort auf dringende Umstände“ (Vorwegnahme von an anderem Ort kaum durchführbarer Weiterführungen vor der Abreise aus Göttingen), „Bevorzugung Womit sich zum Zweck der bevorzugten Behandlung die ständische Rollenverteilung de facto umkehrte. Damit Adelige ihre Angestellten als Wegbereiter nutzen konnten, mussten sie sie – den Regeln der Logen gemäß – im Innenraum der Gemeinschaft als höhergestellt akzeptieren.
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als Teil der Erziehung“ (d. h. der Hofmeister tritt ein und wird Bürge bzw. Pate und freimaurerischer Erzieher seiner Zögling) oder „rasche Rezeption herausragender Persönlichkeiten“. Bei der ersten Gattung zunächst die Bittsteller, erst später können sie – wenn überhaupt – aus guten Positionen ihren Dank abstatten und der Loge als exzellente Kontakte dienen; bei der zweiten Gattung schon eher ein Geschäft auf Gegenseitigkeit, in dem Protegé und Hofmeister gleichermaßen profitierten; bei der dritten eindeutig ein Nutzen für die Loge (Prestige und Macht). Fürsprache bzw. Patenschaft waren in beiden Gemeinschaften wichtige Instrumente zum Knüpfen verbindlicher Kontakte, indem der Fürsprecher bzw. Pate als eine Art Bürge für den von ihm Empfohlenen einstand. Beide Gemeinschaften waren vor allem dann bereit, rasche Aufnahmen durchzuführen, wenn Anwärter über aus Sicht der Loge vertrauenswürdige oder hochkarätige Fürsprecher verfügten. Dies konnten adelige Vorgesetzte oder angesehene Gelehrte sein, häufiger aber Familienangehörige, Freunde und Bekannte des Anwärters. Sie galten als besonders geeignete Referenz, denn ihnen war der Anwärter aus langer Erfahrung bekannt. Bekanntschaften und Verwandtschaftsverhältnisse müssen demnach einen großen Einfluss darauf gehabt haben, welcher Loge ein an der Freimaurerei Interessierter letztlich beitrat. Dabei ging es nicht nur um die gemeinsame Freizeitgestaltung, sondern um handfeste Vergünstigungen und schnelleres Vorankommen, also den mit dem Fortkommen innerhalb der Loge assoziierten gesellschaftlichen Aufstieg. Die Mitgliederlisten von Freimaurerlogen erlauben daher – in begrenztem Rahmen – Rückschlüsse auf soziale Kontakte wie beispielsweise Studienfreundschaften, die aus dem Abstand von über 200 Jahren sonst kaum noch rekonstruierbar sind. Kam die Empfehlung zur Aufnahme von außerhalb der eigenen Gemeinschaft, musste der Fürsprecher neben der Mitgliedschaft in einer anerkannten, d. h. aus Sicht der eigenen Systems regulären Loge über einen hohen gesellschaftlichen Stand verfügen.¹⁷⁸ Bei der Bevorzugung bei Rezeption und Weiterführung kann daher in beiden Logen nicht von einer rein auf den Adel beschränkten Praxis gesprochen werden. Adelige verfügten über dieses Ansehen ebenso wie hochrangige Staatsbedienstete, Geistliche, Offiziere oder Gelehrte – hier sei noch einmal an den außergewöhnlichen Fall Heynes erinnert.¹⁷⁹ Teils halfen Adelige ihren bürgerlichen Bekannten und Protegés beim Fortkommen innerhalb der Freimaurerei. Dass es sich dabei nicht nur um Akte der Selbstlosigkeit handelte, sondern teilweise auch um kalkulierte Abläufe, die im Endeffekt
Empfehlungen durch Logen anderer Systeme finden sich in den Protokollen beider Logen nicht. Vgl. Kap. 4.
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5 Gunstbeweis und Privileg
von den Adeligen selbst für ihr eigenes Fortkommen inszeniert wurden, haben die Fälle der Hofmeister Hoffmann und Klinge veranschaulicht. Die bevorzugte Aufnahme von Personen, die weitreichende gesellschaftliche Kontakte nachweisen konnten, zielte primär darauf ab, das Prestige der Loge zu stärken und die Zahl der ihr zur Verfügung stehenden Kontaktpersonen und Kommunikationskanäle zu festigen und auszubauen. Empfehlungen durch „einfache“ auswärtige Logenmitglieder fanden sich dagegen in den Protokollen der beiden Göttinger Gemeinschaften genau so wenig wie Hinweise auf Referenzen durch Handwerker oder einfache Studenten. Ihr gesellschaftlicher Stand wurde scheinbar als zu niedrig angesehen. Die Loge gewann durch die Verbindung zu ihnen kaum; im Gegenteil hätte eine Öffnung hin zu derartigen Empfehlungen die Loge den niederen Schichten leichter zugänglich gemacht und als Folge ihr Ansehen innerhalb von Göttingens akademisch geprägter gesellschaftlicher Elite gemindert. Das Denken in den Kategorien der Ständegesellschaft erweist sich so als stark ausgeprägt, obwohl beide Logen Räume waren, innerhalb derer Adel und Bürgertum sich teils gegenseitig beim Erreichen ihrer Ziele unterstützten. Von den Kontakten ihrer Mitglieder zu einflussreichen Persönlichkeiten oder der Mitgliedschaft angesehener Männer an sich konnten die Logen natürlich am meisten profitieren, wenn diese sich in Göttingen oder der Umgebung aufhielten. Trotzdem galt das baldige Verlassen der Leinestadt in beiden Gemeinschaften als akzeptable Begründung für den Wunsch nach rascher Rezeption oder Weiterführung. Auch der Nutzen, den die Logen – abgesehen von den erhobenen Gebühren – aus unmittelbar vor der Abreise vorgenommenen Aufnahmen und Weiterführungen zogen, lässt sich mittels der Kommunikations- und Gesellschaftsstrukturen des 18. Jahrhunderts erklären. Freimaurer konnten auf Reisen auf eine Anzahl von Erleichterungen zurückgreifen. An den Beispielen verschiedener Besucher hat sich anschaulich gezeigt, dass Reisende in den Logen rasch Kontakte knüpften und so in die ortsansässige Gesellschaft aufgenommen wurden. Reisende Brüder prägten das die Logen verbindende Netzwerk maßgeblich, indem sie neue Verbindungen herstellten, Nachrichten oder Neuigkeiten übermittelten und den mit ihnen assoziierten Gemeinschaften so einen weltläufigen Ruf verschafften. Ehemalige Mitglieder blieben eine potentielle Informationsquelle und Anlaufstelle in der Fremde, Reisende wurden nach Kräften unterstützt. Dies traf besonders auf Logen in Universitätsstädten zu, wo so viele studentische Brüder sich nach Ablauf ihres Studiums verabschiedeten. Dabei gilt auch hier die Regel, dass ein höherer Grad die Kontaktaufnahme erleichterte, denn er zeichnete den Besucher als angesehenen Mann aus, dessen Besuch die gastgebende Loge ehrte. Der Besuch eines Meisters wurde dementsprechend mehr zelebriert als der eines einfachen Lehr-
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lings. Mit einigem Recht kann man die Grade der Freimaurerei als den auch für Bürger erreichbaren Ersatz für Adelstitel in der Welt des 18. Jahrhunderts bezeichnen, während Adelige – und gerade weitgehend bedeutungslose Landadelige – durch den raschen Aufstieg durch die Grade in ihrem traditionellen Selbstverständnis bestärkt wurden.
Differenzen Prinzipiell konnten sich alle Anwärter und Logenmitglieder Hoffnung auf zuvorkommende Behandlung machen, insofern ein guter Grund beziehungsweise respektable Fürsprecher das Anliegen stützten. Dennoch wurden nicht alle um Bevorzugung Bittenden gleich behandelt. Trotz aller Gemeinsamkeiten beim Wunsch nach rascher Rezeption und Weiterführung zeigten sich im Umgang mit Adeligen Differenzen im Verhalten der beiden Logen. Zwischen der bevorzugten Behandlung der großen Mehrheit und der Bevorzugung einiger weniger bestand vor allem in der Augusta eine große Kluft. Die eindrucksvollsten Fälle von Bevorzugung ereigneten sich während Rezeptionen, von denen die Loge sich weitreichende Vorteile versprach, die über die Einnahme von Gebühren oder das Absenden eines weiteren „Botschafters“ in die Fremde hinausging: Die Gemeinschaft verzichtete sowohl bei der Aufnahme von Scheithers, als auch den Rezeptionen Sextrohs und Spittlers auf die Rezeptionsgebühren.¹⁸⁰ In den Protokolleinträgen zur Aufnahme von Scheithers und zur Rezeption und Weiterführungen Spittlers wird deutlich gemacht, dass ihnen die Gebühren erlassen wurden, weil ihr Eintritt in die Loge eine große Ehre für die Gemeinschaft war.¹⁸¹ Etwas anders stellte sich der Fall Ernst Friedrich von Schlotheims dar. Hier ermahnte Koppe den jungen Adeligen, dass er die Bevorzugung der Bürgschaft seines „alten würdigen“ Vaters zu verdanken habe. Der Gewinn für die Loge lag in der Dankbarkeit und dem engen Kontakt zu seinem Vater, Ernst Heinrich Ludwig von Schlotheim. Die Fälle außergewöhnlichen Entgegenkommens vereint, dass ein Handel zwischen Loge und Bittsteller stattfand: Gegen Übertragung ihres Prestiges konnten angesehene Persönlichkeiten für sich selbst oder Angehörige die Mit-
Im Fall Tychsens lässt sich nicht mehr klären, ob er die Zahlung verweigerte, vergaß oder ob er erst nach seiner Rückkehr nach Göttingen seine Schulden bei der Loge beglich. Sextroh wurde aufgrund seiner guten Beziehungen zu Koppe und seiner Mitgliedschaft im Illuminatenorden bevorzugt. Vgl. Kap. 6. Ein weiterer Grund war wohl die Mitgliedschaft Sextrohs und Spittlers im Illuminatenorden. Vgl. Kap. 8.4.
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gliedschaft in der Loge sozusagen erwerben, teils sogar, ohne dass dafür Geld geflossen wäre. Darüber hinaus wurden sie sichtbar zuvorkommend behandelt und so spürbar vom Gros der Brüder differenziert. Diese Abgrenzung war auch Ziel der anlässlich der Aufnahme von bedeutenden Persönlichkeit häufig gehaltenen Laudatio, die den Empfänger der höchsten Ehren von den übrigen Logenmitgliedern expressis verbis abgegrenzte. Diese byzantinistisch anmutende Praxis half gerade einflussreichen Adeligen bei der Konstruktion einer ihrem gesellschaftlichen Stand entsprechenden freimaurerischen Identität – ein Bruder zwar, aber ein angesehenerer und einflussreicherer. Aus dem „Suchenden“, der sich erst als würdig erweisen musste, wurde so geradezu ein „Gesuchter“ – und damit der Grundgedanke der brüderlichen Egalität auf den Kopf gestellt. Für die Praxis des Verzichts auf Rezeptionsgebühren findet sich in den erhaltenen Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel kein Hinweis – selbst der Rektor Wolf und die Brüder von Tatischeff mussten zahlen.¹⁸² Carl Magnus Schörbing wurde zwar rasch vom Gesellen zum Meister weitergeführt, aber auch er musste die Gebühren entrichten.¹⁸³ Auffällig ist darüber hinaus, dass sich in den Protokollen keine Hinweise auf an die angesehenen Rezipienten gerichtete Reden finden. Anlässlich des Besuchs angesehener auswärtiger Brüder wurden dagegen lobende Anreden protokolliert, was es unwahrscheinlich macht, dass die Diskrepanz aus der Protokollführung resultiert.¹⁸⁴
In anderen der Großen Landesloge zugehörigen Gemeinschaften sind derlei Fälle allerdings bekannt. So wurden 1777 in der Berliner Loge Zur Beständigkeit dem Hofmeister Karl Friedrich Wilhelm Deterding die Rezeptionsgebühren erlassen, weil seine „Vermögensumstände“ die Zahlung nicht erlaubten, man ihn jedoch für einen Mann hielt, von dessen Mitgliedschaft die Loge profitieren würde. Der Vorsitzende Brandes holte sich die Erlaubnis der Großen Landesloge ein, auf die Zahlung zu verzichten. Dies wurde gestattet. Dennoch musste die Berliner Loge das fällige Drittel der Rezeptionsgebühren an die Große Landesloge abführen. Protokolle der Loge Zur Beständigkeit, Einträge vom 11. März 1777 und 17. März 1777. GStA PK, Freimaurer, 5.1.3. Nr. 5404 Bl.; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen, 1. Band, S. 623. Zur Loge Zur Beständigkeit vgl. auch Kap. 8. Die Fälle aus der Gründungszeit der Loge Zum goldenen Zirkel können nicht in Relation zur Behandlung von Scheithers, Sextrohs oder Spittlers gesetzt werden, da sie sich unter für die Loge besonderen Umständen ereigneten. Die Annahme, dass auch die Augusta in ihren Gründungsjahren in einem kurzen Zeitraum viele neue Mitglieder aufnahm und in die höheren Grad weiterführte, ist – angesichts der Tatsache, dass jede neue Sozietät eine stabile Mitgliederbasis benötigt – plausibel. Als Beispiel sei hier ein Protokollauszug von 1781 angeführt, in dem einem Besucher angeboten wird, die Versammlung zu leiten: „Der H[och] W[ürdige] eröffnete die Lehrlingsloge, und schickte darauf den Br[uder] Ceremonien Mstr. zu besuchen Br[uder] Capitain Horneburg, ihn zur Loge zu führen, und den hochw[ürdigen] Br[uder] deputierten Mstr. zu dem Suchenden in die dunkle Kammer, ihr zur Aufnahme vorzubereiten. Der Br[uder] Ceremon[ien] Meister führte
5.3 Fürsprache und Kalkül
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Die Ursache dieser auffälligen Diskrepanz ist in der unterschiedlichen Prosopographie der beiden Gemeinschaften gegründet. Die ältere Augusta war seit ihrer Gründung durch den Schankwirt Wacker ein Treffpunkt gutsituierter Bürger und Gelehrter. Erst ab 1779 setzte eine verstärkte „Akademisierung“ ein, nachdem mit Koppe ein kaum dreißigjähriger, aber bereits bekannter Professor den Vorsitz übernommen hatte, der bewusst vor allem Studenten in die Loge zog.¹⁸⁵ Ihm folgten mit Spittler und Richter Vorsitzende, die als Gelehrte ebenfalls überregionales Ansehen genossen. Zahlreiche weitere Professoren unter den Mitgliedern der Loge sorgten dafür, dass Ssymank bereits 1935 auf das große Ansehen hinwies, welches die Loge nicht nur Studenten als überaus attraktiv erscheinen ließ.¹⁸⁶ Die Loge Zum goldenen Zirkel nahm eine andere Entwicklung. 1773 gegründet von jungen Militärs und Studenten, war die Gemeinschaft von Beginn an geprägt durch Studenten und junge Offiziere. Die beiden langjährigen Meister vom Stuhl der Loge Zum goldenen Zirkel, Arnold Heinrich Nicolaus Behm und Johann Heinrich Jäger, waren weniger bekannt als ihre Pendants in der Augusta und strahlten keine vergleichbare Anziehungskraft aus. Da das Prestige einer Gemeinschaft sich aus ihrer Mitgliederstruktur herleitete, war die Mitgliedschaft in der Augusta mit einem höheren Prestigegewinn verbunden. Dies führt zu der Vermutung, dass mehr Personen an der Mitgliedschaft in der Augusta interessiert gewesen sein müssen als an einer Mitgliedschaft im Goldenen Zirkel. In der Folge fiel die Wahl besonders einflussreicher und bedeutender Personen wohl regelmäßig auf die Augusta – und diese konnte es sich leisten, an ihre Anwärter höhere Ansprüche zu stellen.¹⁸⁷ Daraus resultierte ein weiterer Anstieg des Prestiges. Die Frage, warum sich keine den Rezeptionen von Scheithers,von Schlotheims oder Spittlers vergleichbaren Fälle in den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel finden, lässt sich darum mit folgender These beantworten: Es hat sie mangels entsprechender Anwärter nicht gegeben. So kristallisiert sich das Bild zweier Gemeinschaften heraus, die zwar – im Universitätsviertel – innerhalb eines verhältnismäßig kleinen gesellschaftlichen Umfelds
darauf den besuchenden Bruder zur Loge, und der hochw[ürdige] Groß Mstr. trug demselben den Hammer an um die heutige Loge zu regieren allein der hochw[ürdige] Br[uder] von Horneburg schlug diese Ehre aus, der hochw[ürdige] dep[utierte] Mstr. stattete von dem Suchenden zum ersten male Bericht ab.“ Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 31. Mai 1781, Lehrlingsloge, Bl. 56, S. 1. Vgl. hierzu auch die Schilderung der Streitigkeiten zwischen Spittler und den älteren Brüdern in Kap. 8.4. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 13 f. Wie zum Beispiel in der Beantwortung der drei Fragen durch Anwärter oder Koppes Appelle an der Verhalten der jüngeren, meist studentischen Brüder. Vgl. Kap. 4. und 7.
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parallel zueinander existierten, dabei aber jeweils eine eigenständige Signatur entwickelten. Die jeweiligen Besonderheiten resultierten dabei nicht so sehr aus den verschiedenen Systemen, sondern den Ansprüchen, Befindlichkeiten und der Herkunft der jeweiligen Mitglieder.
Entscheidungsfindung
6 Abstimmungsprozesse „… wurde eine Aenderung mit den Stimmen des Meisters vom Stuhl, des dep Mstrs. und der Officianten zu machen um so mehr Bedenken getragen, als zu besorgen stehe, daß die Mitglieder der Loge, so keine Illuminaten wären, dadurch zu einer Mehrheit der Stimmen gelangen, und letztere dadurch außer Stand gesetzt würden, in der Mag[istrats] Versammlung genommene und von den Obern gebilligte Beschließungen zum Besten der Loge, oder sonst nöthige Verfügungen durchzusetzen.“ ¹
Ein wesentliches Moment bei Formierung der ersten „spekulativen“ Logen im Schottland und England des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts war der Versuch, sie als von alters her bestehend erscheinen zu lassen. Nicht von ungefähr nimmt die Geschichte der Freimaurerei mehr als die Hälfte des Umfangs der von James Anderson verfassten Konstitutionen ein und reicht zurück bis zur Erschaffung des Menschen, den biblischen König- und Kaiserreichen der Antike. Hinter dem scheinbar altehrwürdigen Herkommen verbarg sich im 18. Jahrhundert eine moderne Gemeinschaft; der revolutionäre Impetus verschleierte sich – auch zum Selbstschutz – nach außen hinter dem Verweis auf das Alter. Der Verlust der profanen Selbstbestimmungsrechte im Zeitalter der Restauration machte dieses Erbe noch kostbarer. Dem einzelnen Mitglied wurde suggeriert, es gehöre einer in der Geschichte gewachsenen Körperschaft an, die sich aufgrund ihres langen Bestehens bereits bewährt habe. Jacobs schildert die Wahrnehmung der ersten Nicht-Werkmaurer beim Eintritt in die Logen des späten 17. Jahrhunderts wie folgt: „… the gentlemen … willingly accepted this honorary membership in an ’ancient’ society that possessed distinctive intellectual traditions and a vast body of lore, not to mention a mythological history.“ ² Die Langlebigkeit wurde umgedeutet in ein Indiz für hohe Qualität. Das Selbstverständnis einer althergebrachten Gemeinschaft drückte sich besonders anschaulich im Rahmen der Entscheidungsfindungen innerhalb der Logen aus. Passend zu ihrem angeblich biblisch-antiken Herkommen praktizierten zahlreiche Logen altertümlich anmutende Abstimmungsverfahren.³ Das bekannteste der verwendeten Verfahren war die sogenannte „Ballotage“. Unter dem im deutschsprachigen Raum auch als „Kugelung“ bekannten Abstimmungsver-
Aus dem Protokoll der Magistratsversammlung der Gothaer Minervalkirche vom 24. Januar 1787. Protokolliert vom Sekretär der Gothaer Minervalkirche, Schack Hermann Ewald. Schwedenkiste, 15. Band, Dok. 126. Zu Ewald vgl. Horst Schröpfer, Schack Hermann Ewald (1745 – 1822) – Ein Kantianer in der thüringischen Residenzstadt Gotha, Köln 2014. Jacobs, The Radical Enlightenment, S. 85. Vgl. Reinalter, Geschichte, S. 11. https://doi.org/10.1515/9783110621723-006
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fahren sind alle Prozesse zusammengefasst, bei denen verschiedenfarbige oder unterschiedlich gekennzeichnete Kugeln von den Abstimmenden in ein Gefäß geworfen und anschließend ausgezählt werden. In Ovids „Metamorphosen“ findet sich eine ihrer frühesten Beschreibungen: … Brauch von alters bestand, den Beklagten mit schneeigen Steinchen Freizusprechen von Schuld, mit schwarzen jedoch zu verdammen.⁴
Ovids Wortwahl verdeutlicht, dass die Ursprünge der Ballotage sich schon für den Menschen der Antike im Nebel der Vergangenheit verloren. Besonders bekannt wurde die in den griechischen Stadtstaaten praktizierte Abwandlung der Ballotage, das Scherbengericht.⁵ Im Mittelalter und der frühen Neuzeit fand die Ballotage in verschiedenen Variationen vor allem bei kirchlichen Entscheidungen und Ratswahlen Verwendung – und tut es teils bis heute.⁶ Im von Johann Christian Gädicke 1818 veröffentlichten „Freimaurer-Lexicon“ wird die Ballotage folgendermaßen beschrieben: „Diese findet bei mehreren Gelegenheiten statt, besonders bei der Aufnahme eines Aspiranten. Hierbei kann nur die Mehrheit der Stimmen, oder eine vollkommene Übereinstimmung gelten, oder auch eine oder drei verneinende Stimmen ausschließen. Nach den Lokalverhältnissen kann das verschieden seyn. Aber immer muß die Ballotage frei vom Einfluß der Oberen seyn, und man muß bedenken, daß Männer ballotiren, welchen eine freie und ungezwungene Denkungsart wohlanständig ist. In den alten Ordensstatuten ist nichts über die Art der Ballotage festgesezt.“ ⁷ Der Einwurf einer im Vorfeld festgelegten Anzahl ablehnender, meist schwarzer Kugeln (oder Steine) führt zum negativen
Ovid, Metamorphosen, 15. Buch, Zeile 14. Beim „Ostrakismos“ (ὁ ὀστρακισμός) ritzten die Bürger der Stadt den Namen eines unbeliebten oder in ihren Augen zu mächtigen Mitbürgers auf eine Tonscherbe. Als Ergebnis der Mehrheitsentscheidung wurde ein Bürger für 10 Jahre aus der Stadt verbannt. So sollte verhindert werden, dass sich eine vorzugsweise auf Königsherrschaft beruhende Gewaltherrschaft, die Tyrannis (τύραννις) entwickeln könnte. Vgl. Martin Dreher: Verbannung ohne Vergehen – der Ostrakismos (das Scherbengericht), in: Leonhard Burckhardt, Jürgen von Ungern-Sternberg (Hrsg.), Große Prozesse im antiken Athen, München 2000, S. 66 ff. Dass Kugeln auch zum positiven Verlosen von für die Gesellschaft wichtigen Funktionen verwendet wurde, spricht Goethe in seinen Lebenserinnerungen, Dichtung und Wahrheit, an. Sein Großvater wird durch „Kugelung“ Schulze in Frankfurt. Vgl. Johann Wolfgang von Goethe, Aus meinem Leben – Dichtung und Wahrheit, 1. Band, Tübingen 1811, S. 75 ff. Zur Ratswahl in Mittelalter und Früher Neuzeit vgl. auch Dietrich W. Poeck, Rituale der Ratswahl in westfälischen Städten, in: Barbara Stollberg-Rilinger (Hrsg.), Vormoderne politische Verfahren, Berlin 2001, S. 207– 262. Johann Christian Gödicke (Hrsg.), Freimaurer-Lexicon. Nach vieljährigen Erfahrungen und den besten Hülfsmitteln ausgearbeitet, Berlin 1818, S. 43.
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Ausgang der Abstimmung.⁸ Aufgrund der vom Ansehen der einzelnen Abstimmenden unbeeinflussten Abstimmung kann man von einem auf symmetrischer Interaktion beruhenden Verfahren sprechen.⁹ Trotz ihrer antiken Ursprünge wurde diese Form der Entscheidungsfindung im Zeitalter der hierarchisch organisierten absoluten Fürstenstaaten als überaus fortschrittlich empfunden. Bis es jedoch praktikabel war, musste das Verfahren in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts an die Bedürfnisse der Freimaurerlogen angepasst werden. Gädickes Lexikon beschreibt das Produkt einer Entwicklung, die hundert Jahre zuvor von Anderson angestoßen worden war. Der schottische Prediger sah in internen Streitigkeiten, die als Folge der Nichtbeachtung und Unterdrückung einzelner Mitglieder oder Gruppen innerhalb der Gemeinschaft entstanden, eine Gefahr für den Zusammenhalt der Logen. Um derartigen negativen Tendenzen vorzubeugen, betonte er den Wert „einstimmiger“, im Englischen aber „einmütiger“ Wahlergebnisse. Die Mitglieder der Logen seien am besten geeignet, zu entscheiden, wer rezipiert werden solle, denn: „… if a fractious member should be imposed on them, it might spoil their harmony, or hinder their freedom; or even break and disperse the Lodge …“ ¹⁰ Die Teilnahme an der Wahl sollte deshalb für anwesende und stimmberechtigte Mitglieder verpflichtend sein, um so Entscheidungen auf ein möglichst breites Fundament zu stellen – über den Ablauf der eigentlichen Wahl sagt Anderson dagegen, wie im „Freimaurer-Lexicon“ korrekt angemerkt, nichts. Nach der Wahl waren Diskussionen über das Abstimmungsverhalten nicht gestattet – eine Fraktionsbildung unter den Mitgliedern der Loge wollte Anderson unbedingt vermeiden.¹¹ Für den Prediger stellte die Ballotage das ideale Instrument dar, um die logeninterne Harmonie zu stärken und zu schützen. In den Logen wurde die gemeinschaftliche Wahl zu einer festen Institution und stand – zumindest oberflächlich – sinnbildlich für die egalitären Grundsätze der Freimaurerei. Anderson hatte zwar erkannt, dass die symmetrische Partizipation aller Logenmitglieder den Abstimmungen Legitimation verlieh, die Folgen seiner hohen Ansprüche jedoch anscheinend nicht bedacht.¹² Im Logenalltag erwies sich gerade das Beharren auf einstimmigen Entscheidungen als nicht praktikabel, denn einzelne Mitglieder konnten mit Hilfe der strikten Regelung Entscheidungen
Im angelsächsischen Raum ist dieses Verfahren daher auch als „Blackballing“ bekannt. Vgl. Paul Watzlawick et al., Menschliche Kommunikation – Formen, Störungen, Paradoxien, Bern u. a. 1971, S. 68 ff. Anderson, Constitutions (1723), S. 59 f. Mackey, Encyclopedia, S. 94 f. Vgl. Niklas Luhmann, Legitimation durch Verfahren, Neuwied am Rhein und Berlin 1969, S. 27 ff.
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blockieren.¹³ Viele Logen wendeten sich von Andersons Grundsätzen ab; schon vor 1738 gab es also die eine, wahre Freimaurerei nicht mehr. Einige Logen begegneten den Komplikationen, indem man versuchte, die geforderte Einstimmigkeit durch mehr oder minder sanften Druck auf die Abstimmenden herbeizuführen, was sicher nicht im Sinn Andersons (oder Gädickes) gewesen wäre. Dabei ging es nicht so sehr darum, dass das Verfahrens- bzw. Wahlrecht eingehalten wurde, sondern dass die Entscheidung gemeinsam getroffen und von allen Beteiligten auch im Nachhinein akzeptiert wurde. Die Wahl musste also von hierarchischer Kommunikation (sprich: Erläuterungen und Empfehlungen durch die Logenoberen) begleitet werden. Niklas Luhmann spricht bei vergleichbarem Verhalten von der „Umstrukturierung des Erwartens“. ¹⁴ Das gewünschte Ergebnis wurde also im Voraus kommuniziert. In der zweiten Fassung der Constitutions wurden die Anforderungen abgeschwächt:¹⁵ „But it was found inconvenient to insist upon Unanimity in several Cases: And therefore the Grand Masters have allow’d the Lodges to admit a Member, if not above 3 Ballots are against him; though some Lodges desire no such Allowance.“ ¹⁶ Andersons Werk wurde schon früh nicht mehr als bindend angesehen, sondern stellte lediglich einen Leitfaden dar, dem man mehr oder weniger zu folgen versuchte. Vor allem die in Kapitel Vier beschriebenen Hochgradsysteme der zweiten Jahrhunderthälfte entwickelten ganz eigene Interpretationen der Freimaurerei. Die Forderung nach Einheit und Brüderlichkeit blieb für die verschiedenen Spielarten der Freimaurerei jedoch prägend. Während es Anderson um die Sicherung des Bestands der Gemeinschaften, also um logeninterne Angelegenheiten ging, attestieren Helmut Reinalter und Richard van Dülmen der eingeforderten Gleichrangigkeit auch eine politische Komponente. In freimaurerischen Logensatzungen fand Reinalter Hinweise darauf, dass die Überwindung von trennenden Charakteristika wie Konfession, Nationalität, Ethnie oder Stand häufig schriftlich festgelegter Zweck der Gemeinschaften war. Deshalb, so Reinalter, hätten die Statuten der meisten Logen festgelegt, dass wichtige Entscheidungen von allen Mitgliedern gemeinsam getroffen werden mussten. So habe „die herrschaftsfreie Kommunikation und die Gleichrangigkeit aller Mitglieder“ gesichert werden sollen.¹⁷ Ein Ansatz, den der
Vgl. Jacobs, The Radical Enlightenment, S. 86. Reinalter, Freimaurerei und Geheimgesellschaften, S. 88.; Reinalter, Die Rolle der Freimaurerei und Geheimgesellschaften im 18. Jahrhundert, S. 74 f.; Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 36 f. Vgl. Mackey, Encyclopedia, S. 95. Anderson, Constitutions (1738), S. 155. Reinalter, Freimaurerei und Geheimgesellschaften, S. 88.
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österreichische Historiker für umso bemerkenswerter hält, weil die absolutistische Gesellschaft keine vergleichbaren Neigungen demonstriert habe.¹⁸ Ganz ähnlich wies auch Richard van Dülmen darauf hin, dass in den öffentlichen Sozietäten erstmals „schriftlich fixierte demokratische Regeln“ erlebbar wurden, die in scharfem Kontrast zu den althergebrachten hierarchischen Strukturen der Gesellschaft standen, die nach wie vor den Alltag der Menschen prägten. Van Dülmen wies allerdings auch darauf hin, dass Geheimgesellschaften trotz ihrer umfangreichen Regelwerke durchaus hierarchisch, und nur wenig demokratisch organisiert waren.¹⁹ Obwohl die Freimaurerei keine Geheimgesellschaft war, weist van Dülmens Beobachtung den Weg zu einer kritischen Überprüfung der angeblichen Egalität der Logenmitglieder, denn auch die Logen waren hierarchisch organisiert. Die in Kapitel Fünf im Zusammenhang mit Rezeption und Weiterführung beobachteten nepotistischen Verhaltensweisen haben deutlich gezeigt, dass die Logen zwar standesübergreifende Orte der Zusammenkunft waren, ihre Mitglieder aber selbst innerhalb der einzelnen Grade nicht gleich behandelt wurden. Die regelmäßige Repetition der Abstimmungsprozesse – in aktiven Logen kam es in beinahe jeder Versammlung dazu – verstärkte nicht nur das Gemeinschaftsgefühl, sondern diente immer wieder auch zur Betonung der Ausnahmestellung einzelner Persönlichkeiten gegenüber den einfachen Mitgliedern, indem man absichtlich von den Mitgliedern vertrauten Mustern abwich, und so den Ausnahmefall für alle Anwesenden erlebbar werden ließ.²⁰ Besonders Adelige wie Johann Heinrich von Scheither oder Ernst Friedrich von Schlotheim wurden im Rahmen ihrer Rezeption zuvorkommend behandelt, denn ihr so noch einmal zusätzlich gesteigertes Prestige übertrug sich mit der Rezeption auf die Loge.²¹ Dies wiederum zog neue Anwärter an, die auf Kontakt, vielleicht sogar vertrauten Umgang mit den pres-
Helmut Reinalter, Freimaurerei und Demokratie im 18. Jahrhundert, S. 45 ff. Reinalter bezieht sich hier auf die Satzung der Pressburger Loge Sokrates in Pressburg. Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 130. Während allerdings die so wichtigen Aufnahme- und Weiterführungsrituale zumindest rudimentär protokolliert wurden, wird der Wahlakt an sich in den Protokollen der beiden Göttinger Logen kaum beschrieben. Ganz im Sinne der ergebnisorientierten Protokollierung wurde lediglich vermerkt, dass abgestimmt worden war und zu welcher Entscheidung man gelangt war. Auf eine detaillierte Untersuchung über formelle Details der Ballotage in den beiden Göttinger Logen wird daher an dieser Stelle verzichtet. Eine detaillierte Darstellung des Ablaufs der Ballotage findet sich bei Albert G. Mackey, An Encyclopedia of Freemasonry and it’s kindred Sciences, New York und London 1914, 1. Band, S. 94. Die im Vorfeld der Rezeptionen von Scheithers und von Schlotheims gehaltenen Lobreden kann man durchaus als Teil der von Luhmann beschriebenen „Umstrukturierung des Erwartens“ ansehen. Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 36 f.
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tigeträchtigen Mitgliedern spekulierten. Die Logen waren ein Basar des Ansehens; das gemeinsame generieren von „Sozialkapital“ wirkte sich für all jene spürbar positiv auf den gesellschaftlichen Status aus, die sich eine Teilnahme an diesem elitären Spiel leisten konnten.²² Vor diesem Hintergrund liegt die Vermutung nahe, dass die von Anderson initiierten, und von Reinalter und van Dülmen durchaus treffend beobachteten Versuche, brüderliche Egalität innerhalb der Logen mittels ausgefeilter Statuten zu konstruieren, dem Prestigekalkül untergeordnet wurden: Je populärer die Freimaurerei wurde, desto weniger haben Andersons Vorstellungen wohl der Lebenswirklichkeit zahlreicher Logen entsprochen. Aus dem Zweifel, ob in einem Umfeld, das derart vom Handel mit der „Ware“ Prestige geprägt war, freie Wahlen überhaupt vorstellbar sind, ergeben sich weiterführende Fragen: Lassen sich Unterschiede im Abstimmungsprozess oder dem Verhalten der Anwesenden feststellen, je nachdem, ob über einen einflussreichen oder einen einfachen Anwärter abgestimmt wurde? Wurde durch den Vorsitzenden oder die Beamten das Wahlverhalten der Mitglieder gelenkt, damit gewünschte Ergebnisse erreicht wurden? Wie wurde dieser Führungsanspruch im Zweifelsfall durchgesetzt? Wurde auf alle Mitglieder im selben Maß Einfluss genommen; oder zeigen sich Unterschiede zwischen den verschiedenen Graden? Zur Klärung dieser und weiterer Fragen können die in den erhaltenen Protokollen der beiden Göttinger Logen befindlichen Beispiele beitragen, die – meist kurz – auf die Abstimmung der Mitglieder zu verschiedensten Anlässen eingehen. Zur gemeinschaftlichen Entscheidung kam es meist über den Zugang von Besuchern zur Loge und im Vorfeld von Rezeptionen und Weiterführungen. In den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel finden sich darüber hinaus mehrere Einträge, in denen die Wahl beziehungsweise Wiederwahl des Vorsitzenden ausführlich beschrieben wird. Speziell diese Einträge erlauben einen tiefen Einblick nicht nur in den Ablauf der Abstimmungen, sondern auch in Kalkül und Denkweise der Partizipierenden.
6.1 Vorgabe und Reform Bevor die Augusta 1783 die Ballotage einführte, wurden sämtliche Abstimmungen per Handzeichen oder Befragung der Mitglieder durch die beiden Vorsteher durchgeführt. Dabei ging es um die Rezeption von Anwärtern, den Zugang zur Loge für Besuchende Brüder oder auch die Weiterführung in höhere Grade.
Vgl. Bourdieu, Die verborgenen Mechanismen der Macht, S. 67 sowie Kap. 5. und 9.
6.1 Vorgabe und Reform
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Abstimmung durch Nachfrage Anfang 1780 wurde der in der Versammlung vom Dezember 1779 vorgeschlagene August Führing in die Loge rezipiert.²³ Bevor das Aufnahmeritual begann, wies Koppe die beiden Vorsteher an, unter den anwesenden Brüdern nachzufragen, ob es in letzter Minute gegen Führings Aufnahme Einwände gebe: … mithin zu bemerken sey, daß der ehrw[ürdigen] Versammlung noch der lezten Beschluß vom 15. Xbr. [Dezember] A[nnum] p[riori] noch erinnerlich seyn würde, wie da hiesiger künftiger Schazeinnehmer Führing zur Proposition gekommen und daß bereits die Aufnahme beliebt sey und da er der Meister v[om] Stuhl nun auch noch verschiedene erwünschte Empfehlungen von diesem Adep[ten] vernommen, auch kein Br[uder] was erinnert habe und folglich kein Bedenken fände diesen Adep[ten] heute zu rezipieren: Inzwischen wurden die Br[üder] Vorsteher erinnert herum zu fragen und berichteten, daß keiner gegen die Aufnahme dieses Adep[ten] etwas erinnert habe und ward mithin, die Aufnahme nochmahls einmütig beschloßen und dem Br[uder] v[on] Floriancourt die Vorbereitung aufgetragen, welcher davon Bericht erstattete.²⁴
Der genaue Ablauf des Verfahrens kann anhand der Protokolle nicht rekonstruiert werden: Gingen die beiden Aufseher reihum und fragten jedes einzelne Mitglied mit leiser Stimme nach seiner Zustimmung? Oder machten sie einmal die Runde, darauf wartend, dass ihnen Einwände zugerufen wurden? Beide Verfahren sind nicht anonym. Das erste Szenario ist plausibler, da es würdiger und dem Rahmen als angemessener erscheint und nicht gegen die von Anderson geforderte Diskretion der Mitglieder untereinander verstoßen hätte (Vorbeugen der Fraktionsbildung).²⁵ Die Aussage, dass Führings Aufnahme „beliebt sey“, bezieht sich vermutlich auf die Zustimmung der Beamten beziehungsweise der Mitglieder des vierten Grads, die ihre Zustimmung zu jeder Aufnahme geben mussten, bevor die „einfachen“ Brüder befragt wurden. Koppe erwähnte zudem einige – im Protokoll leider nicht genauer beschriebene – Empfehlungen durch Mitglieder der Loge.
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Dezember 1779, Lehrlingsloge, Bl. 8, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 9, S. 2 f. Beim Urteil über die hier dargestellten Vorkommnisse ist Vorsicht geboten, weil diese Erklärungen sowohl Mittel der Disziplinierung sein konnten, wenn sie auf eine öffentliche Rechtfertigung des negativ Abstimmenden hinaus liefen, sollte damit aber nur sicher gestellt werden, dass sich hinter der negativen Stimme ein begründeter Anlass fand, dann war die Befragung eigentlich nur eine Hilfe, um den Informationsstand der Brüder auf einem einheitlichen Niveau zu halten.
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Daraus lässt sich schließen, dass auch bei Führings Aufnahme in die Loge Fürsprachen eine bedeutende Rolle gespielt haben. Die Befragung durch die beiden Vorsteher lässt sich auch bei der Aufnahme bedeutender Anwärter beobachten. Ernst Friedrich von Schlotheim war nicht der einzige junge Mann, der auf Wunsch und durch Einflussnahme seines Vaters in die Loge aufgenommen wurde.²⁶ Bereits zwei Jahre vor seiner Rezeption ereignete sich ein ähnlicher Fall, bei dem der Hofrat Heinrich Ludwig von Pape seinen Einfluss geltend machte, um seinem Sohn Georg Wilhelm August zur Rezeption zu verhelfen.²⁷ Koppe … zeigte der Versammlung an, daß es eine sehr angenehme Gelegenheit veranlaßte die Loge pro 8br [Oktober] heute zu eröffnen in dem der höchstw[ürdige] Br[uder] Ober Postcommissarius von Pape, welchen er der Loge zugleich vorstellte, uns mit seiner Gegenwart beehrte und zugleich den angenehmen Wunsch geäußert habe, seinen hirher auf die Academie geführten Sohn in seiner Gegenwart recipiert zu sehen. Es sey allerdings ein außerordentlicher Fall daß einer, ohne vorher proponiert zu seyn und adspirit zu haben und ohne alle fernere Prüfung zu recipieren; allein der hochstwür[dige] Vater, ein immer hoher Ordens_Br[uder] bürge für diesen seinen würdigen Sohn und habe versichert, daß er von seinen guten Gesinnungen völlig überzeugt sey und daher nichts mehr wünsche, als uns sein Kind anzuvertrauen, daher er der ehrw[ürdige] Meister den auch keine Bedenken getragen habe, den sehnlichen Wunsch des würdigen Vaters für seinen guten Sohn zu erfüllen und hoffte zu gleich daß die ver[sammelten] Br[üder] gegen diesen Vorsatz, zu welchen Ende heute die Loge zusammen berufen sey, etwas zu erinnern haben dürfte, wolle jedoch die ver[sammelten] Br[üder] Vorsteher erinnert haben herumzufragen, ob auch noch ein oder andre, gegen die Reception was zu bemerken habe.²⁸
Eine auffällige Parallele zur Aufnahme von Schlotheims und von Moltkes stellt der – von Koppe auch in diesem Fall angesprochene – Verzicht auf die Untersu-
Im vierten Band der Schwedenkiste ist ein an Koppe adressiertes Schreiben Karl August von Hardenberg-Reventlows vom 18. Oktober 1781 erhalten, aus dem der Gedanke der persönlichen Fürsorge und Verbindlichkeit deutlich hervorgeht: „Erlauben Sie daß ich meinen jüngsten Bruder, der heute nach Göttingen abgeht, Ihrer besonderen Fürsorge angelegentlichst empfehle und von Ihrer brüderlichen Freundschaft und Ihrer ganzen Denkungsart hoffe ich: Sie werden sich seiner bestens annehmen. Unser lieber Bruder Neyron wird dieswegen weitlauffiger mit Ihnen reden.“ Carl Augusts jüngster Bruder Georg Adolf Gottlieb war zum Zeitpunkt des Schreibens 16 Jahre alt und scheint kein Mitglied der Augusta gewesen zu sein.Vgl. Schwedenkiste, 4. Band, Dok. 199.Vgl. auch Kap. 5. Von Pape war ab 1784 Meister vom Stuhl der hannoverschen Loge Zum weißen Pferde und sollte bei den Streitigkeiten zwischen Spittler und Teilen der Mitglieder des vierten Grads eine zentrale Rolle spielen. Vgl. Kap. 8.4. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 29. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 31, S. 2.
6.1 Vorgabe und Reform
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chung der charakterlichen Eignung des Anwärters dar.²⁹ Bedingt durch das hohe Ansehen des Vaters wurde dessen Urteil über seinen Sohn als ausreichend angesehen; dass er seinen Sohn in die Obhut der Loge gab, wurde als Zeichen des vertrauten Verhältnisses zwischen der Loge und dem angesehenen Mann wahrgenommen und stellte somit einen Ehrbeweis dar. Wie auch anhand der Aufnahme Ernst Friedrich von Schlotheims wird deutlich, dass die Loge teils den Charakter einer Bildungsanstalt und eines Aufsichtsorgans einnahm und von den Eltern junger Männer zu diesem Zweck gezielt angesprochen wurde. Die Formulierung des Eintrags deutet darüber hinaus darauf hin, dass Koppe die Nachfrage durch die beiden Vorsteher als eine Formalität ansah, deren Ausgang keineswegs offen war und mithin nicht negativ ausfallen durfte. Indem er die Hoffnung äußerte, dass die Abstimmung positiv ausfallen werde, stellte er sich hinter den väterlichen Wunsch und deutete der Versammlung den gewünscht einstimmig positiven Wahlausgang an – so sah Luhmanns „Umstrukturierung des Erwartens“ in der Praxis aus.³⁰ Ein negatives Votum hätte somit nicht nur Heinrich Ludwig von Pape düpiert, sondern die Mitglieder der Loge gegen eine Entscheidung der Beamten gestellt. Von einer freien Wahl kann deshalb nicht gesprochen werden. Das Nachfragen der Vorsteher führte zum erwarteten Ergebnis: Die Bbr.Vor[steher] zeigten an, daß keiner etwas gegen die Reception des Adep[ten] von Pape etwas bemerkte, daher den die Aufnahme, dieses auserordentlichen Adep[ten] völlig beschloßen und gebilligt ward. Den höchstwür. Br[uder] von Pape, redete der ehrw[ürdige] Meister hierauf besonders an, und bezeigte ihm seine Freude, daß er seine Wünsche für seinen Sohn erfüllen könte und nahm die Bürgschaft von ihm an welche er bereits versichert hatte.³¹
So vorhersehbar der Ausgang der Befragung auch war, lag der Fehler hier nicht im verwendeten Wahlverfahren. Die Ballotage ermöglichte dem Einzelnen zwar, sich ohne persönlichen Nachteil gegen die Logenoberen zu positionieren, die negativen Folgen für die Loge wären jedoch vom verwendeten Wahlverfahren unabhängig identisch gewesen: Der Verlust eines angesehenen Anwärters, ein Konflikt mit dessen Vater und schließlich auch Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaft. Bei aller Kritik an den Erwartungshaltungen, denen die Mitglieder der Loge entsprechen sollten, darf nicht vergessen werden, dass auch sie ein Interesse an der Aufnahme einflussreicher Mitglieder hatten.
Vgl. Kap. 5. Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 36 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 29. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Protokollnr, 31, S. 2.
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6 Abstimmungsprozesse
Auch bei der Weiterführung in die höheren Grade wurden bis 1783 die Mitglieder durch die beiden Vorsteher befragt. Ende 1779 schlug der neugewählte Meister vom Stuhl Koppe der Gesellenloge zwei Lehrlinge zur Weiterführung in den zweiten Grad vor: Hierauf proponirte der S[ehr] E[hrwürdige] M[eister] v[om] St[stuhl] zwey Adspiranten zum 2ten Grad: 1. Den Br[uder] von Hardenberg 2. Den Br[uder] Panse zu Nörten Der S[ehr] E[hrwürdige] M[eister] v[om] St[stuhl] zeigte zugleich der Versammlung an, daß wenn die Brbr. gegen die Aufnahme nichts zu erinnern hätten, solche in der nächsten monatlichen Conferenz Loge aufgenommen werden sollten. Die Brbr. Vorsteher verrichteten ihr Amt und frugen herum, ob die Versammlung gegen die Aufnahme dieser Asp[iranten] etwas zu erinnern hätten. Sie erstatteten Bericht, daß kein Br[uder] gegen die Aufnahme was erinnert habe und wart daher beschlossen, in der nächsten Conferenz Loge die Asp[iranten] zu recipieren.³²
Georg Ulrich von Hardenbergs und Johann Carl Panses Weiterführung wurde von den versammelten Mitgliedern der höheren Grade gebilligt und sollte am zwölften Januar 1780 vollzogen werden. An diesem Tag war der aus Nörten stammende Apotheker Panse jedoch krank, so dass seine Weiterführung am zweiten Februar nachgeholt wurde.³³ Protokolleinträge zur Weiterführung in den Meistergrad wurden ähnlich verfasst. Auch hier wurde vor Beginn des Rituals ein letztes Mal eine Befragung der anwesenden Mitglieder des dritten und vierten Grads durchgeführt. Anfang März 1780 stand die Weiterführung zweier Gesellen an: Hierauf zeigte dann der ehrwürdige Meister an, das heute unser Hauptgescheft sei, zwey Bbr. Gesellen in den 3te. Meister Grad zu führen, nehmlich die ehrw[ürdigen] Bbr. von Gemming und Überson. Die Bbr. Beamte verrichteten ihr Vorsteher Amt und frugen herum, ob auch noch jezt gegen die Reception der erwehnten beyden ehrw[ürdigen] Bbr. etwas zu erinnern sey und erstatteten am Stuhl Raport, daß dagegen die Bbr. nichts erinnert hätten und mithin die Aufnahme nochmahls beschloßen ward und der Bbr. 1ster Vor[steher] übernahm die Vorbereitung und stattete Raport ab.³⁴
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Dezember 1779, Gesellenloge, Bl. 4, S. 1. Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 12. Januar und 2. Februar 1780, Gesellenlogen, Bl. 5, S. 1 und 6, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. März 1780, Meisterloge, unpag.
6.1 Vorgabe und Reform
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Der Vorname des aus Schwaben stammenden Studenten von Gemmingen, Ernst, geht aus der Mitgliederliste Gläshners hervor.³⁵ Johann Christian Überson (auch Uberson geschrieben) stammte aus Danzig. Der weitere freimaurerische Werdegang der beiden wird in den Dokumenten nicht beschrieben.³⁶
Abstimmung durch Handzeichen Die Universität zog viele Reisende in die Leinestadt. Besuchende Brüder mussten einige Anforderungen erfüllen, bevor ihnen der Zugang zur Loge gestattet wurde. In der Regel erstattete der Meister vom Stuhl zu Beginn einer Versammlung über auf Einlass wartende Besucher Bericht. Bereits zuvor hatten die Beamten sich die Zertifikate (bzw. den Logenpass) und eventuelle weitere Empfehlungsschreiben der Besucher zeigen lassen, mit denen der Nachweis erbracht wurde, Mitglied einer anerkannten Loge zu sein.³⁷ So sollten Geheimnis und Logeninnenraum geschützt werden. War der Besucher außerstande, sich zu legitimieren, konnte es vorkommen, dass er den Lehrlingseid, in dem die Verschwiegenheit drastisch eingefordert wurde, vor der Versammlung wiederholen musste.³⁸ Auch eine Prüfung seines maurerischen Wissens war möglich. Im Zweifelsfall konnte es zur Verweigerung des Zugangs kommen. Im Dezember 1780 wünschte ein aus Sachsen stammender Bruder namens Becker, die Loge zu besuchen. Der Meister vom Stuhl … eröffnete der Ver[sammlung] zuförderst, daß sich ein fremder Br[uder] im Logen Hause befinde, der da wünsche einzutreten und nenne sich Becker und sey aus Sachsen. Gegen ihn habe er sich zwar bereits legitimiert der ein Br[uder] von unserem Sistem sey, da er aber das
Vermutlich hat Gläshner den Vornamen des jungen Adeligen der Matrikelliste der Universität entnommen. Der aus Württemberg stammende Ernst von Gemmingen war unter der Matrikelnummer 10759 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Allerdings wird er dort als Student der Theologie gelistet. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 227. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen. In der Zertifikaten wurden häufig die Daten der Rezeption sowie der bereits absolvierten Weiterführungen des Inhabers beurkundet. Ein Beispiel eines Zertifikats findet sich bei Gerlach. Darin beurkundete die Berliner Loge Zur Beständigkeit ihrem Mitglied Karl Philipp Moritz, dass dieser von ihr rezipiert und bis zum Meister weitergeführt worden sei und empfiehlt ihn allen „gesetzmäßigen“ (!) Brüdern. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S.644. Vgl. auch MacNulty, Die Freimaurer – Das verborgene Wissen, insb. S. 164 f. sowie 118, 176 f. Vgl. Kap. 4.
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Certificat nicht bey sich gehabt, so würde es der Vorsicht wegen erforderlich sein, daß dieser Besuchende vor dem Eintrit nochmahlem geprüfet würde …³⁹
Becker konnte nicht schriftlich nachweisen, Mitglied einer Loge zu sein, weshalb man aus Sicherheitsgründen auf einer Prüfung bestand. Die Überprüfung übernahm der Zeremonienmeister, ihr Ablauf wird aber nicht beschrieben. Vermutlich musste der Besucher freimaurerisches Geheimwissen wie Katechismen, Handgriffe oder Erkennungszeichen nachweisen – eben jene Elemente, die bei der Rezeption gelehrt wurden.⁴⁰ Zum Schutz des Geheimnisses bediente man sich also des Geheimnisses selbst – die Probleme, die deshalb aus einem Verrat entstandenen, sind offensichtlich.⁴¹ Nach der Rückkehr des Zeremonienmeisters in die Loge bescheinigte dieser Becker, die Prüfung bestanden zu haben, woraufhin Koppe ihn in die Loge führen ließ und ihn feierlich begrüßte.⁴² Ende 1780 äußerte der aus Bremen stammende Student Schumacher gegenüber Koppe den Wunsch, seine freimaurerische Aktivität in Göttingen fortzusetzen, womit er vom Besucher de facto zum Anwärter auf die Logenmitgliedschaft wurde. Einen Monat später informierte Koppe die Gemeinschaft über die Wünsche des Norddeutschen und führte aus, … daß er den ehrw[ürdigen] Br[uder] den Studiosus Schumacher aus Bremen der jetzt unser Br[uder] sey und daselbst von seinem Br[uder] recipiert worden und Theil an unseren Arbeiten zu nehmen wünsche vorzustellen gedachte, befohr er also dieses tuhen könnte, müßte er bemerken, daß das bekannte Verhalten dieses nun mehrigen Br[uder] ihm wiedrige Eindrücke gemacht und gerechte Bedenklichkeiten erregt ihm den Zutritt zu uns zu verstatten, habe ihm auch alle Hoffnung wegen seines Verhaltens dazu benommen wie er sich bey ihm gemeldet habe.⁴³
Hätte Schumacher sich nur wenige Tage in Göttingen aufgehalten, wäre ihm möglicherweise der Zugang gestattet worden, denn für einen nur kurz in der Stadt weilenden auswärtigen Bruder trug die jeweilige Mutterloge die Verantwortung. Da Schumacher aber für eine längere Zeit an den Arbeiten der Augusta teilnehmen wollte, musste er ihren Ansprüchen genügen. Koppe betitelte Schumacher als
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Dezember 1780, Gesellenloge, Bl. 9, S. 2. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 171 f. sowie Kap. 4. Vgl. Kap. 7. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Dezember 1780, Gesellenloge, Bl. 9, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Dezember 1780, , Lehrlingsloge, Bl. 33, S. 1.
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„unseren Bruder“, begründete dann aber seine Entscheidung, ihm den Zutritt zur Loge dennoch zu verwehren, mit dem schlechten Betragen des Studenten, mit dem man nicht in Verbindung gebracht werden wollte. Worin das schlechte Verhalten bestand, bleibt unklar. Es muss aus Sicht Koppes gravierend gewesen sein, was auf eine entsprechende Außenwirkung schließen lässt.⁴⁴ In seiner weiteren Ausführung zeigte der Meister vom Stuhl sich davon überzeugt, dass seine Worte bei dem jungen Mann bleibenden Eindruck hinterlassen hätten: Diese Erklärung habe diesen Br[uder] innigst gerührt und Scham und Reue über seine schlechte Übereilung, die er ihm zu Gemüthe geführt habe, sey bey ihm so lebhaft gewesen, daß sie aufrichtig zu sein gescheine und habe ihm den ehrw[würdigen] Meister bewogen seinen Versicherungen Gehör zu geben, daß er durch besseres Verhalten, sich bemühen würde, alle die widrigen Eindrücke die er sich seinen Betragens wegen zugezogen, in Vergeßenheit zu bringen. Ein Monat lang habe er ihn gerührt und er könne die ehrw[ürdigen] Br[üder] versichern, daß dieser Br[uder] sich völlig geendert habe und so verhalten, daß er glaube ihn jetzt der Achtung und Liebe der Br[üder] zu empfehlen zu können und der Meynung sey, daß man ihm nun den Zutritt zu uns gestatten könne.⁴⁵
Die Ankündigung, als anerkanntes Mitglied einer befreundeten Loge nicht an den Arbeiten der Göttinger Gemeinschaft teilnehmen zu dürfen, stellte eine erhebliche Blamage für Schumacher dar. Es kam nicht oft vor, dass Besuchern der Zutritt zur Loge verweigert wurde. Die Konsequenzen einer dauerhaften Ablehnung hätten den so Gemaßregelten womöglich noch lange verfolgt – vor allem, wenn die Nachricht nach Bremen gelangt wäre, wo seine Mutterloge im Zusammenhang mit seinem Verhalten in der Fremde sicher unangenehme Fragen gestellt hätte. Der Widerstand des Vorsitzenden gegen Schumachers Zugang weist auf ein Problem hin, zahlreiche studentische Mitglieder der Loge beschäftigt haben dürfte: Durch Koppe und die weiteren Professoren unter den Brüdern standen sie auch an der Universität permanent unter einer über das übliche Maß hinausgehenden Beobachtung. Besonders im universitären Umfeld dürfte es der Loge so gelungen sein, ihre Erwartungshaltung in den öffentlichen Raum zu tragen und einzufordern, während die studentischen Mitglieder sich immer wieder bis ins Privatleben mit ihrem Fehlverhalten konfrontiert sahen. Keine guten Aussichten für junge Männer, weshalb Koppes Beschreibung von Schumachers Reue plau-
Es existieren verschiedene Protokolleinträge, in denen Koppe Mitglieder der Loge zu besserem Verhalten anhielt, beispielsweise anlässlich der bevorstehenden Silvesterfeierlichkeiten, bei denen sich die jungen Brüder anständig verhalten sollten (vgl. Kap. 7.). Im Fall Schumachers ist ähnliches Fehlverhalten vorstellbar. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Dezember 1780, Lehrlingsloge, Bl. 33, S. 1.
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sibel erscheint.⁴⁶ Mit seiner Entscheidung, Schumacher einen Monat warten zu lassen, zeigte Koppe, trotz aller Härte, dem Besucher gegenüber auch Mitgefühl und pädagogisches Geschick. Er ersparte es dem jungen Mann, möglicherweise durch die Logenversammlung abgelehnt und somit von der „Türschwelle“ verwiesen zu werden. Nach einer solchen Demütigung hätte sich kaum mehr ein Weg gefunden, ein gutes Verhältnis zwischen der Loge und dem Studenten herzustellen. Koppes Weg gab ihm dagegen Raum, sein Verhalten zu reflektieren und sich zu ändern. Der verstrichene Zeitraum von vier Wochen („…einen Monat lang habe er ihn gerührt…“) war sicher nicht zufällig derselbe, den Anwärter auf die Logenmitgliedschaft vor der Abstimmung abwarten mussten – Schumacher durchlebte mithin ein zweites Mal die Überprüfung seines Charakters, wenn auch nur durch den Meister vom Stuhl. Nach den Ausführungen Koppes über Schumachers charakterlichen Wandel hatten die Mitglieder der Loge Gelegenheit, ihrer Meinung in einer Abstimmung Ausdruck zu verleihen: Wenn nun die ehrw[ürdigen] Br[üder] dabey keine Bedenklichkeiten fänden, so erwartete er der ehrw[ürdige] Meister die Genehmigung der ehrw[ürdigen] durch das Zeichen der Anhebung der Hände. Semtliche ehrw[ürdigen] Br[üder] haben durch dieses Zeichen ihre Einwilligung und der ehrw[ürdige] Meister befahl dem Br[uder] Ceremonien-Meister den Br[uder] Schumacher in die Loge zu führen.⁴⁷
Neben Koppes Erklärung bezüglich der Situation des Bremer Studenten bewog die Loge sicher noch ein weiterer, wichtiger Faktor dazu, Schumacher letztendlich doch Zugang zur Loge zu gewähren: Die Sorge um die guten Beziehungen nach Bremen. Der Bremer Student war, so wie jeder andere Freimaurer auf Reisen, immer auch Botschafter seiner Mutterloge. Die Göttinger Loge konnte kein Interesse daran haben, ihre Bremer Brüder vor den Kopf zu stoßen, indem sie Schumacher permanent ausschlossen und so die Qualität seiner bisherigen freimaurerischen Erziehung anzuzweifeln. Mit der einmonatigen Wartezeit wählte Koppe geschickt einen Mittelweg: Es war eine – verglichen mit der Disziplinierung eigener Mitglieder – außergewöhnlich harte Verwarnung des Studenten, die aber – und darauf kam es wohl an – ohne langfristige Konsequenzen blieb. Allen Beteiligten wurde so ermöglicht, ihr Ansehen zu wahren. In der Folge stand Schumacher in der Schuld der Augusta und vor allem Koppes, weil dieser nachsichtig gehandelt hatte. Göttinger Brüder auf Reisen konnten ihrerseits in Bremen Genau dies war aber wohl von jenen Vätern gewollt, die der Loge und Koppe ihre Söhne anvertrauten. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Dezember 1780, Lehrlingsloge, Bl. 33, S. 1.
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auch weiterhin mit einer guten Behandlung rechnen. Verbindlichkeiten und Prestigedenken lenkten auch hier die Vorgehensweise. Nachdem Schumacher in die Loge geführt worden war, richtete Koppe noch einmal vor den versammelten Brüdern das Wort an ihn: … wante sich der ehrw[ürdige] Meister in einer sehr belehrenden Ermahnungs-Rede an ihn und versicherte ihm am Schluß derselben, im Nahmen der Aug[usta] Achtung und Br[uder] Liebe, wenn er bey seinem jetzigen Verhalten und rühmliger Bestimmung verharren würde.⁴⁸
Die Rede war nicht allein an Schumacher gerichtet, sondern sollte wohl alle jüngeren Mitglieder ansprechen. Koppe nutzte den Studenten als Exempel, um die Hierarchie der Gemeinschaft in Erinnerung zu bringen: „Achtung und Br[uder] Liebe“ konnte nur erwarten, wer sich den Anforderungen der Loge, also den Wünschen der Beamten und älteren Mitgliedern gemäß verhielt. Schumacher war bewusst, dass er ohne die einmonatige Wartezeit und Koppes Fürsprache bei der Abstimmung über seinen Zugang zur Loge wohl abgewiesen worden wäre. Grund genug, sich demonstrativ den Regeln zu unterwerfen und am eigenen Ruf zu arbeiten: Der Br[uder] Schumacher erbath sich hierauf das Worth und bezeigte gerührt, seinen innigsten Dank für dieses Merkmahl der Br[uder] Liebe und versicherte öffentlich, daß er sich bemühen würde der frommen Achtung und Liebe der ehrw[ürdigen] Br[üder] sich würdig zu machen und empfahl sich der Loge bestens, worauf ihm ein Platz angewiesen ward …⁴⁹
Der junge Mann aus Bremen bekundete mit diesem öffentlichen Eingeständnis seine Bereitschaft, sich in die Hierarchie der Loge einzufügen und die Gesetze der Freimaurerei von nun an genauer zu befolgen. Für einen Moment nahm er damit eine Vorbildfunktion ein, indem er Akzeptanz und Gehorsam zeigte.⁵⁰ Gegenüber einem profanen Anwärter, der neu in die Loge und als Freimaurer rezipiert werden wollte, war Schumacher trotz aller Kritik im Vorteil. Die Tatsachte, dass er bereits
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Dezember 1780, Lehrlingsloge, Bl. 33, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Dezember 1780. Hier wird auch ein Schlaglicht auf die enge soziale Verflechtung der Studenten mit ihrer damals aufgeklärtesten, modernsten Universität Europas deutlich: Was wohl für alle Studenten galt, nämlich die sehr eindringliche Erziehung der Studenten im Sinne der aufgeklärten Professoren, galt wohl ganz besonders für die Fälle, in denen die Dozenten und ihre Studenten durch die Logenmitgliedschaft verbunden waren. Und die Erziehung dürfte sich auf alle Bereiche – vom Verhalten bis zum wissenschaftlichen Denken und Arbeiten – erstreckt haben.
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in Bremen rezipiert worden war, kann in seinem Fall als Vorteil verstanden werden: Hätte er sich in Göttingen um die Aufnahme in die Loge beworben, wäre diese Bitte wohl rundweg abgeschlagen worden. Der Wille, die Verbindung zwischen den Göttinger und den Bremer Brüdern nicht zu belasten, führte im Falle Schuhmachers wahrscheinlich zu einem milderen Vorgehen. Die aus dem Prestigedenken abgeleitete Handlungsmaxime, dass Persönlichkeiten mit guten Kontakten entgegenkommend behandelt wurden, galt also auch beim Besuch auswärtiger Brüder – selbst wenn diese zunächst einen schlechten Ruf hatten.⁵¹ Als einer der letzten Anwärter vor Einführung der Ballotage wurde Ende 1782 Ludwig Timotheus Spittler als Lehrling rezipiert – eine vorherige Bekanntmachung seines Wunsches und die daran anschließende Zeit der Überprüfung sind anhand der Protokolle nicht nachweisbar.⁵² Bei diesem Anlass wich die Loge von der sonst üblichen Nachfrage durch die beiden Aufseher ab, denn Koppe verlangte, … daß die Brüder ihre Zufriedenheit öffentlich durch Aufhebung ihrer Hände zu erkennen geben möchten welches dann auch von ein jeden geschah, und sodann der Br[uder] Redner zu dem Adsp[iranten] abgelassen wurde, um ihn zu dem Schritt vorzubereiten …⁵³
Die Abstimmung über die Aufnahme Spittlers durch Handzeichen stellte einen außergewöhnlichen Fall dar, der sich ähnlich bei der Aufnahme Heinrich Philip Sextrohs im Oktober 1783 noch einmal wiederholte – und das neun Monate nach Einführung der Ballotage: Alle gegenwärtigen Brüder willigten durch Aufhebung ihrer Hände ein in die Aufnahme Heinrich Philip Sextroh, geb[oren] zu Bissendorf bey Osnabrück den 28. Merz 1746. Eva[ngelisch] Luth[erischer] Prediger von der St. Albani Kirche in Göttingen.⁵⁴
Dass die Verwendung eines unüblichen Abstimmungsverfahrens kein Zufall war, wird aus den weiteren Umständen seines Beitritts deutlich: Vor seiner Aufnahme taucht der Name Sextrohs nicht in den Protokollen auf; es scheint keine mehr-
Die Logen waren dazu verpflichtet ihre Gäste zuvorkommend zu behandeln; im Zweifelsfall mussten ihnen sogar die für die Teilnahme an den Arbeiten nötigen rituellen Kleidungsstücke gestellt werden. Vgl. Mackey, Encyclopedia, S. 830. Vgl. Kap. 5. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 78, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 23. Oktober 1783, Lehrlingsloge, Bl. 97, S. 2. Vgl. auch Kap. 5.
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wöchige Wartezeit samt der Prüfung seines Charakters stattgefunden zu haben. Die Abstimmung durch Handzeichen neun Monate nach Einführung der Ballotage ist damit ein auffälliger Hinweis auf eine Bevorzugung, wie sie Spittler offenkundig gewährt wurde. Sextroh und Spittler waren enge Vertraute Koppes – der Vorsitzende scheint den Logenmitgliedern deutlich signalisiert zu haben, dass er erwartete, dass seine Bekannten rezipiert würden.⁵⁵
Einführung der Ballotage Nachdem zuvor Abstimmungen über Rezeption, Weiterführung und den Zugang von Besuchern per Nachfragen und Handzeichen durchgeführt wurde, stellte die Einführung der vergleichsweise streng formalisierten Ballotage eine entscheidende Neuerung dar und wertete den so praktizierten Abstimmungsprozess in der Wahrnehmung der Partizipierenden mutmaßlich deutlich auf. Erstmals angekündigt wurde die Neuerung durch Koppe in einer Konferenzloge des vierten Grads Mitte Januar 1783: Hierauf zeigte der selbe auch in dieser Conferenz an, daß beschlossen sey hinführ das Ballottiren bey uns einzuführen, bemerkte darüber etwas, und versprach in der Gesellen Loge nähere Nachricht zu ertheilen, und damit war diese Conferenz geschlossen.⁵⁶
Unter den erhaltenen Dokumenten zu Versammlungen der Gesellenloge findet sich kein Protokoll vom zwölften Januar 1783. Erhalten sind Schriftstücke zum achten Januar 1783 und dem fünften Februar des Jahres, in denen die neue Regelung aber nicht erwähnt wird. Trotzdem sind ausführliche Erläuterungen Koppes zur Einführung des neuen Abstimmungsverfahrens vorhanden, denn in der am zwölften Januar abgehaltenen Lehrlingsloge informierte er deren Mitglieder ausführlich. Vermutlich handelt es sich bei dem Bezug auf die Gesellenloge um einen Fehler des Protokollanten, denn eine Bekanntmachung der Änderung innerhalb der Versammlung des zweiten Grads – unter Ausschluss der Lehrlinge – hätte wenig Sinn gemacht:
Wie Koppe war auch Sextroh Mitglied des Illuminatenordens. Er trug den Ordensnamen „Oenomaus“ und trat dem Geheimbund vermutlich 1783 bei. Vgl. Präfekturbericht Koppes vom 6. März 1784. Schwedenkiste, 15. Band, Dok. 378. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1783, Schottenloge, Bl. 13, S. 1.
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Zunächst zeigte der Mstr an, daß … des Ballottiren eingeführt werden sollte, um zu verhüten, daß sich kein unwürdiges Mitglied einschleiche …⁵⁷
Diese Aussage Koppes entspricht auf den ersten Blick dem eingangs erwähnten Anspruch Andersons. Da aber in der Augusta die Beamten und Schottischen Brüder im Voraus darüber entschieden, welche an der Logenmitgliedschaft Interessierten überhaupt zur Abstimmung zugelassen wurden, hatten die Mitglieder der Loge zwar durch die Ballotage das letzte Wort bei der Aufnahme von Anwärtern, letztendlich entschieden sie aber nur über Anwärter, die den Logenoberen genehm waren. Streng genommen mussten alle Anwärter also zwei Entscheidungsschritte absolvieren. Koppes Begründung lässt die Vermischung der Prinzipien der – ständisch-zünftigen – Willkür und der geheimen – demokratischbürgerlichen – Abstimmung erkennen. Als eine wesentliche Neuerung brachte die Ballotage die Anonymisierung der Stimmabgabe mit sich. In dem aufschlussreichen Protokolleintrag erläuterte Koppe die Grundlagen des für die Loge Augusta neuen Verfahrens: Die Kugeln bedeuteten Ja, die glatten eckigten Nein.⁵⁸
Außerdem sollte der Abstimmungsprozess in zwei Klassen erfolgen: Wenn nun einer sich zur Reception meldete, so würde er, falls er von den Beamten gebilligt wird, in die Loge proponirt, und der Absicht, daß seinetwegen ballottirt werden solle. Das Ballottirn geschehe auf folgende Weise: 1) Classe die Brbr Mstr u[nd] Schott[ischen] Mstr 2) Classe die __ Gesel[len] u[nd] Brbr Lehrl[inge] Die 1ten Classen ballotiren zuerst, und zwar vermittelst Herumgebung einer Kugel welche ja, u[nd] eines glatten Steins, welcher Nein bedeute. Es müße durchgehendt lauter beyahende Stimmen eingelegt seyn, sonst könne der Adspir[ant] nicht angenommen werden. Sollte daher in der 1ten Classe ein glatter Stein erfolgen, so fiele die Recept[ion] weg, jedoch können wenn die Beamten glaubten, daß der sich gemeldete Adspirant ein würdiges Subject vor dem O[rden] sey, mit Vorstellung der Gründe warum nun die Aufnahme desselben erwünscht, zum 2ten mahl seines wegen ballottiert werden. Fielen alsdenn aber nochmahle ein oder mehrere verneinende Stimmen vor, so würde der Adsp[irant] schlechterdings abzuweisen seyn.⁵⁹
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 81, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 81, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 81, S. 1 f. Wie genau die Stimmen (bzw. Kugeln) eingesammelt wurden, wird nicht beschrieben.
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Das Abstimmungsverfahren war darauf ausgelegt, den Willen der Logenoberen durchzusetzen – und lehnt sich damit eng an die Strukturen der ständischen Gesellschaft an: In der ersten Klasse setzten die Beamten auf Mediation; es bestand also ein Interesse daran, dass die Entscheidung von den älteren und erfahrenen Mitgliedern mitgetragen wurde. Diese Regelung scheint besonders auf solche Anwärter abgezielt zu haben, deren Mitgliedschaft das Prestige der Loge zu steigern versprach. Wenn allerdings bei der zweiten Abstimmung der Meister erneut ein „glatter Stein“ eingeworfen wurde, hatte der Anwärter als endgültig abgelehnt zu gelten. Erst nachdem ein Anwärter von den Brüdern der beiden Meistergrade angenommen worden war, sollte es zur Abstimmung unter den Lehrlingen und Gesellen kommen: Würde in der 1ten Classe ein Adsp[irant] durchgehen, so stimmten auch die 2te der Brbr. Gesellen und Lehrl[inge]. Auch hier müssten aber unanimia vota seyn, so daß eine einzige verneinende Stimme die Aufnahme eines Adsp[iranten] unmögl[ich] machen würde.⁶⁰
Auf den ersten Blick scheinen die Brüder der zweiten Klasse gegenüber den Mitgliedern der ersten nicht benachteiligt worden zu sein, schließlich konnten auch sie die Aufnahme jedes Anwärters verhindern. Dass es sich bei der Trennung zwischen den beiden Klassen nicht nur um eine organisatorische Formalität, sondern tatsächlich um die Einführung eines Zweiklassenwahlrechts handelte, zeigt sich in Koppes weiterer Ansprache: Wenn aber die Beamten vermuteten daß ein Br[uder] der verneinend gestimmt sich geirrt haben könne, so sind diejenigen Brbr, welche negation gestimmt haben, schuldig, dem Mstr v[om] St[uhl] binnen 14 Tagen anzuzeigen, warum sie nein gesagt haben. Bleiben aber die Brbr mit der Ursache zurück, so würde dieses Schweigen angesehen, als wenn der negativ votierte Br[uder] seine Stimme verbessert und das Nein in ein ja umwandeln wolle.⁶¹
An der Fähigkeit der Lehrlinge und Gesellen, immer zum Besten der Loge – das heißt: im Sinne der Logenoberen – zu entscheiden, scheinen Zweifel bestanden
Einen Einblick hierzu erlaubt ein Protokoll der Gothaer Loge Zum Kompaß (GStA PK, 5.2. G39, Nr. 78) vom 13. Dezember 1791. Dort heißt es: „Auch wurde bey dieser Gelegenheit beschlossen; daß künftig, um die Wahl Ballotagen desto freyer zu machen, die Kugeln in 2 Beuteln eingesammelt werden sollten.“ Demnach ist davon auszugehen, dass die beiden Aufseher herum gingen und die Stimmen der Brüder einsammelten – ganz ähnlich, wie es beim Nachfragen in der Augusta Praxis war. Alternativ ist auch die Abgabe in einer Kiste vorstellbar. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 81, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 81, S. 2.
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Abbildung 3: Einführung der „Ballotage“ in der Loge „Augusta zu den 3 Flammen“, Protokoll vom 12. Januar 1783, Lehrlingsloge (GStA PK, FM, 5.2. G31, Nr. 84, Bl. 81, S. 1) © GStA PK.
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zu haben. Im Unterschied zu den Brüdern der Meistergrade setzten die Beamten analog zu den Entscheidungen der Handwerksmeister nicht auf Mediation, sondern auf Belehrung und Leitung, wenn es sein musste auch auf Einschüchterung. Auch stellt sich die Frage, ob es nicht auch darum ging, die niederen Grade und eventuell sogar Teile des dritten Grads über in der Schottenloge getroffene Beschlüsse im Unklaren zu lassen. Kam der Verdacht auf, dass ein Lehrling oder Geselle eine negative Stimme aufgrund von Fehlinformationen über den Anwärter abgegeben hatte, konnten die Oberen Rechenschaft einfordern. So wurde ein erheblicher Druck auf die niederen Grade aufgebaut, denn schließlich bedeutete jede negative Stimme, sich gegen sämtliche älteren Mitglieder zu stellen – Rechenschaft abzulegen, forderte daher Mut, eine ablehnende Haltung durchzustehen, noch mehr. Es erstaunt mithin nicht, dass sich in den Protokollen mehrere Beispiele finden, in denen der Urheber einer negativen Stimme nicht aus dem Schutz der Anonymität trat und seine Stimme somit zum Irrtum deklariert wurde; ein Lapsus, wie er Lehrlingen, also „Auszubildenden“, schon einmal unterlaufen kann. So jedenfalls suggeriert es das Vorgehen der (Schottischen) Meister. Entscheidungsfindung wird durch Amtsautorität und Willkür ersetzt, wie man sie aus dem Leben der Zünfte kennt. Von freier Entscheidungsfindung unter gleichberechtigten Brüdern, wie von Anderson (und später Gödicke) gefordert, kann keine Rede sein. Am Rand des Protokolleintrags findet sich eine später vom ersten Vorsteher Friedrich Christoph Willich hinzugefügte Anmerkung: Die Br[üder] der 2. Classe sind, wenn sie negativ Stimmen, schuldig ihren Grunde binnen 14 Tagen anzuzeigen, und im Unterbleibungsfall u.s.w.⁶²
Willichs undatierter Zusatz zum Protokoll wertet die Position der niederen Grade noch einmal erheblich ab. Bis dahin hatte ein gewisser Spielraum darin bestanden, ob man bei der abgegebenen negativen Stimme von einem Irrtum ausgehen und so Druck auf den Lehrling oder Gesellen ausüben wollte. Ab dem Zeitpunkt von Willichs Eintrag galt jede Ablehnung eines Anwärters durch die niederen Grade erst einmal als Irrtum, sollte es eine bewusste Entscheidung sein, war diese im Nachgang gegenüber den Beamten zu begründen. Unmittelbar nachdem Koppe der Loge am zwölften Januar 1783 das neue Wahlverfahren erläutert und offiziell eingeführt hatte, ließ er die Lehrlinge und Gesellen zum ersten Mal über die Aufnahme eine Anwärters abstimmen:
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 81, S. 2.
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Hierauf bemerkte der M[eister] v[om] St[uhl] daß heute mit diesem Ballottirn der Anfang gemacht werden solle und prop[onierten] zu dem Ende einen Adsp[iranten] Stud[ent] Med. Donner, zeigte dabey an, daß bereits die Meister über den Adsp[iranten] votirt u[nd] una ni mia vota für ihn erfolgt. Die Steine wurden daher an die Gesellen u[nd] Lehrl[inge] ausgegeben und man fand sich beym nachzählen daß auch vota una ni mia sich funden, daher die Aufnahme dieses Adsp[iranten] auf die nächste Monats Loge beschloßen wurde.⁶³
Der aus Ungarn stammende Medizinstudent Johann Siegmund Donner wurde Anfang Februar in die Loge aufgenommen.⁶⁴ Die Mehrzahl der in den Protokollen der Augusta festgehaltenen Einträge zur Ballotage gleichen jenem zur Abstimmung über seine Rezeption.⁶⁵
Schwarze Kugeln Um den Charakter der Ballotage in der Augusta zu untersuchen, ist daher ein Blick auf jene Fälle sinnvoll, in denen das Abstimmungsverfahren zum Dissens führte. Die Abgabe negativer Stimmen kam aus den bereits diskutierten Gründen nur relativ selten vor: Insgesamt finden sich in den erhaltenen Protokollen der Loge aus dem Zeitraum von 1783 bis 1793 nur sieben Protokolle, in denen die Abgabe schwarzer Kugeln beschrieben wird. In vier Fällen führte die Abgabe zur tatsächlichen Ablehnung der Anwärter, in den anderen Fällen kam es doch noch zur Rezeption. Trotz aller Einschränkungen eröffneten sich durch die Ballotage für die niederen Grade Perspektiven, die das zuvor verwendete Verfahren der Abstimmung durch Handzeichen nicht geboten hatte, denn der Abstimmungsakt an sich blieb anonym. Gerade das Zusammenspiel zwischen gewünschter Einstimmigkeit und dem Ablegen von Rechenschaft eröffnete neue Möglichkeiten. Die Aufnahme eines Anwärters konnte ohne das Risiko einer tatsächlichen Abweisung verzögert werden, indem im ersten Wahlgang eine Schwarze Kugel eingeworfen und so ein zweiter Durchgang erzwungen wurde. Auf diese Weise konnte für alle Mitglieder deutlich dem Missfallen über die Beamten, den Zustand der Loge oder andere
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 81, S. 2 f. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. Februar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 82, S. 2. Donner war unter der Matrikelnummer 11738 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Allerdings wird er dort als Student der Theologie gelistet. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 246. Wie schon im Kapitel zum Ritual wird hier deutlich, dass es bei der Protokollierung nicht darum ging die Abläufe, sondern die Ergebnisse festzuhalten. Vgl. Kap. 2.
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Ärgernisse Ausdruck verliehen werden – vor allem dann, wenn sich der Abweichler nicht bei den Oberen meldete und so die Frage nach seiner Motivation ungeklärt im Raum stehen blieb. Leider lässt sich eine solche taktische Blockade angesichts der anonymen Stimmabgabe nicht definitiv nachweisen. Für die Beamten der Loge wäre sie auf den ersten Blick kaum von einem tatsächlichen Irrtum oder einer Meinungsänderung zu unterscheiden gewesen. Erkennbar wurde die taktische Blockade als solche erst, wenn mehrere Anwärter zeitnah im ersten Wahldurchgang negative Stimmen erhielten, diese im zweiten Durchgang aber wegfielen, ohne dass der oder die Urheber sich offenbart hätten. Je höher angesehen das (zufällige) „Opfer“ dieser Taktik war, desto mächtiger wurde die Blockade als Werkzeug – noch heute wird im politischen Betrieb ganz ähnlich verfahren. Da die Logenoberen negative Stimmen der niederen Grade für ungerechtfertigt erklären konnten, war eine definitive Ablehnung eines Anwärters durch die niederen Grade gegen den Willen der Logenoberen unmöglich. Dieser Umstand dürfte den Ärger der Beamten über derart kalkulierendes Wahlverhalten nur noch gesteigert haben und betonte zusätzlich den Charakter des taktischen Wahlverhaltens als einen Versuch, den Ablauf der Loge zu stören und Entscheidungen zu verschleppen. Die weitere Untersuchung zeigt, dass einige Mitglieder der Loge scheinbar erkannt hatten, wie sie das Abstimmungsverfahren in ihrem Sinne instrumentalisieren konnten, ohne Rechenschaft ablegen zu müssen. Dem Protokolleintrag zur Einführung der Ballotage ist nicht zu entnehmen, ob die Ballotage innerhalb der Lehrlingsloge, aber getrennt nach oberen und niederen Graden, vorgenommen wurde, oder ob die beiden Meistergrade in einer Meisterloge separat von den Lehrlingen und Gesellen abstimmten.⁶⁶ Klarheit bringt das Protokoll einer Meisterloge vom März 1783, also etwa zwei Monate nach Einführung des neuen Verfahrens: Außerdem wurde unter den Mstern noch über die in den lezten Logen vorgeschlagenen Aspiranten Lauth und von Neufville ballottirt, welche einstimmige Vota erhielten; nächstdem auch über den Adspir[ant] Hildebrandt, welcher ausfiel weil er drey negativen gegen sich hatte. Endlich über den Adspir[ant] Panse, der gleichfalls einstimmigen Beyfall erhielt.⁶⁷
Bei drei oder mehr negativen Stimmen scheint kein Versuch der Mediation stattgefunden zu haben. Später wurde die Meisterloge in eine Gesellen-, dann in eine Lehrlingsloge umgewandelt:
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 81, S. 1 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. März 1783, Meisterloge, unpag.
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Es wurde gleich zu Anfang über die drey oben genannten Adspiranten, welche die Einstimmung der Br.Br. Mstr erhalten hatten, von den Br.Br. Gesellen und Lehrlingen, ingleichen denen Meistern welchen bey d[er] Mstr-Loge noch nicht gegenwärtig gewesen waren, balottirt, und es fand sich, daß alle drey, nehmlich Lauth, Neufville, und Panse, einstimmige, aufnehmende Kugeln für sich hatten.⁶⁸
Brüder des dritten Grades, die die Meisterloge verpasst hatten, machten während der Lehrlingsloge von ihrem Stimmrecht Gebrauch – umgekehrt konnten Lehrlinge und Gesellen selbstverständlich nicht in einer Meisterloge votieren. Der aus Frankfurt am Main stammende Medizinstudent Mathias Wilhelm von Neufville und der Doktor der Rechtswissenschaft Johann Friedrich Lauth wurden noch am selben Tag rezipiert.⁶⁹ Hier scheint also bereits im Voraus mit einem positiven Abstimmungsergebnis gerechnet worden sein.⁷⁰ Der Eintrag zeigt deutlich, dass die oberen und niederen Grade getrennt voneinander abstimmten, erklärt aber nicht die Beweggründe für diese Trennung. Denkbar ist, dass die Mitglieder der beiden Meistergrade vor der Abstimmung durch die Beamten in intimere Details aus dem Leben des Anwärters informiert wurden als Lehrlinge und Gesellen. Diese Informationen konnten eventuell brisanter Natur sein oder zumindest dem gesellschaftlichen Ansehen des Anwärters schädlich und ihre Verbreitung in den unteren Graden hätte zu einer weiteren Streuung geführt und letztlich das Risiko erhöht, dass von diesen Informationen auch außerhalb der Loge Gebrauch gemacht, zum Beispiel Gerüchte in Umlauf gesetzt wurden. Die vertraute Diskussion innerhalb der Meisterloge diente demnach auch dem Schutz des Rezipienten, unabhängig davon, ob man sich für oder gegen seine Aufnahme entschied: Der Anwärter Hildebrandt wurde zwar mit drei negativen Stimmen abgelehnt, doch die Gründe dafür waren nur einer vergleichsweise kleinen Gruppe bekannt. Eine Verbreitung von Gerüchten hätte die Loge einerseits in den Augen der Öffentlichkeit mit dem abgelehnten Anwärter
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. März 1783, Lehrlingsloge, Bl. 84, S. 2. Mathias Wilhelm von Neufville war unter der Matrikelnummer 12223 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 255. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. März 1783, Lehrlingsloge, Bl. 85, S. 1. Laut den Protokollen wurde der Anwärter Panse am 7. Mai 1783 aufgenommen, in der von Gläshner erstellten Mitgliederliste findet sich unter den dort verzeichneten Personen mit dem Nachnamen „Panse“ jedoch kein Verweis auf eine Rezeption im Mai 1783.
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negativ assoziiert, andererseits konnte eine Indiskretion über die Person des Aspiranten diesen möglicherweise sogar zum Feind machen.⁷¹ In den Protokollen finden sich weitere Fälle, in denen Anwärter mit drei oder mehr Stimmen eindeutig abgelehnt wurden, wie beispielsweise ein aus Gotha stammender Herr namens Avianus in einer Lehrlingsloge im Jahr 1785: …daß heute wegen der Adspiranten Avianus aus Gotha, der vorhin schon proponirt worden, heute ballottiret, auch der Adspirant Philites als Frey-Maurer aufgenommen werden solle. Nachdem ersteres geschene, und sich 3 verneinenden Stimmen fanden, mithin der Adspirant Avianus abortirt worden …⁷²
Nach der Abstimmung scheint Spittler nicht über die Gründe nachgeforscht zu haben. Avianus gehörte zu der Mehrzahl der Abgelehnten, von denen im Protokoll zwar der Nachname festgehalten wurde, über die der Leser sonst aber nichts erfährt – auch dies ein Hinweis auf den diskreten Umgang mit Anwärtern.⁷³ Ein ebenfalls eindeutiger Fall von Ablehnung ereignete sich während einer Lehrlingsloge Anfang 1786: Nach geschehenem Ballottement fand sich, daß der Studiosus Brüggemann lauter bejahende, der Mathematicus Oppermann hergegen 4 verneinende Stimmen hatte, daher lezterer als unfähig zur Reception angesehen wurde.⁷⁴
Der Jurastudent Benedikt Georg Friedrich Brüggemann stammte aus Hannover.⁷⁵ Der deutliche Verweis darauf, dass die Beamten Oppermann als unfähig zur Rezeption ansahen, deutet darauf hin, dass bei einer größeren Zahl von negativen Stimmen auf ausführliche Begründungen verzichtet wurde – in einer kleinen Stadt wie Göttingen, mit einem noch kleineren universitären Umfeld, hatte man das Ergebnis möglicherweise schon kommen sehen.
Ähnliche Beispiele für Diskretion gegenüber abgelehnten Anwärtern hat Karlheinz Gerlach in den Berliner Logen der Großen Landesloge gefunden. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 623. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. Februar 1785, Bl. 110, S. 2. Johann Wilhelm Adolph Avianus war unter der Matrikelnummer 13289 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 276. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 4. Januar 1786, Lehrlingsloge, Bl. 120, S. 1. Brüggemann war unter der Matrikelnummer 13848 an der Göttinger Universität immatrikuliert. In der Mitgliederliste Gläshners wird sein dritter Vorname (irrtümlich) mit „August“ angegeben. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 287.
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Ein Protokoll aus dem Jahr 1792 lässt sich mangels Hinweisen nur schwer zuordnen, beschreibt aber wahrscheinlich die Ereignisse in einer Versammlung des ersten Grads. Spittler … proponierte sodann den hiesigen Repetenten der theologischen Facultat namens Herrmann aus Danzig zum Ballottement, welches aber, da nach gesammelten Stimmen drei negative gegen ihn waren, seine Reception in den S[ehr] E[hrwürdigen] O[rden] nicht gestattete.⁷⁶
Auch hier findet sich der ausdrückliche Hinweis darauf, dass eine Rezeption nach der Abgabe von drei negativen Stimmen unmöglich war.⁷⁷ Kamen weniger als drei negative Stimmen zusammen, bat der Meister vom Stuhl die jeweiligen Brüder zum persönlichen Gespräch oder aber er ließ gleich ein zweites Mal abstimmen, um das gewünschte positive Ergebnis zu erreichen. So geschehen beispielsweise bei der Abstimmung über zwei Anwärter während einer Lehrlingsloge im Januar 1792: … wurde die Ballotation der H[erren] Adspiranten von Berlepsch und Stromeyer vorgenommen. Beide wurden einstimmig erwählt, doch ist es merkwürdig daß bei beiden eine erinnernde Kugel gegeben ward, welche eine zweite Ballotation nöthig machte.⁷⁸
Dass beide Anwärter unabhängig voneinander im ersten Wahldurchgang negative Stimmen erhielten, könnte auf eine taktische Blockade hinweisen. Natürlich besteht auch die Möglichkeit, dass es sich tatsächlich um Kritik an den beiden Anwärtern handelte. Ein Blick in das Mitgliederverzeichnis lässt dies aber unwahrscheinlich erscheinen, denn von Berlepsch und Stromeyer hatten gänzlich verschiedene Hintergründe: Der neunzehnjährige Friedrich Carl Emilius von Berlepsch war Freiherr und Sohn eines Hofrichters, während der dreißigjährige Christian Friedrich Stromeyer – Sohn des Bibliothekssekretärs Ernst Stromeyer – es später bis zum Leibmedikus brachte.⁷⁹ Die Abstimmung über ihre Mitgliedschaft fand allem Anschein nach rein zufällig am selben Tag statt. Anhand der Protokolle wird ersichtlich, dass die Regeln zur Ballotage von 1783 mit den Jahren immer weniger beachtet wurden. Wie auch bei der Proto-
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. September 1792, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 55, S. 2 f. Carl Gottlob Melchior Herrmann war unter der Matrikelnummer 14768 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 306. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1792, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 50, S. 1. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen.
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kollführung nahm offenbar auch hier der Wille ab, sich mit langwierigen Prozeduren zu belasten. Im Winter 1792/1793 wurde über die Aufnahme eines aus Hessen stammenden Herrn Fink abgestimmt: Hierauf ward über den in voriger Loge vorgeschlagenen Herrn Fink aus dem Hessischen ballotirt, den der S[ehr] E[hrwürdige] M[eister] v[om] St[uhl] als einen zwar feurigen und etwas lauthen jungen Mann beschrieb, zugleich aber bemerkte, daß ihm derselbe viel Empfänglichkeit für das Gute zu haben scheine, weshalb er hoffe, daß der Orden sehr wohlthätig auf ihn würken können werde.⁸⁰
Mindestens einem Lehrling oder Gesellen war der junge Mann bei der Abstimmung aber zu „feurig“: Es wurd hierauf 2 Mahl über den Aspiranten ballotirt, beide Mahl aber befand sich unter den Bällen ein Kiesel. Der S[ehr] E[hrwürdige] M[eister] v[om] St[uhl] forderte daher den Br[uder], der die Negation gegeben, auf, ihm in einem morgenden Besuch seine Bedenklichkeiten gegen den Adspiranten Fink zu eröffnen.⁸¹
Die Ablehnung Finks war ungewöhnlich, denn in der Regel stellte die Abstimmung über die Rezeption kein Problem dar, wenn ein Fürsprecher innerhalb der Loge vorhanden war, erst Recht nicht, wenn der Meister vom Stuhl sich lobend äußerte. Spittlers Verweis auf die perfektiblen Ziele der Freimaurerei – also Anleitung und Hilfe bei der moralischen Selbstverbesserung – verfing nicht, und der Anwärter hätte laut Reglement mit Abgabe einer negativen Stimme im zweiten Wahldurchgang als abgelehnt gelten müssen.⁸² Die von Spittler gesetzte Frist von einem Tag stellte einen weiteren Verstoß gegen die Regeln von 1783 dar; regelkonform hätte dem mit einem Veto stimmenden Bruder eine Frist von 14 Tagen zugestanden, um seine Entscheidung gegenüber den Logenoberen zu begründen. Zweck dieser Fristverkürzung war, den Druck auf den Abweichler zu erhöhen. Ob ein Gespräch zwischen Spittler und dem unbekannten Dissidenten stattgefunden hat, geht nicht aus den Protokollen hervor. Auch über den Grund für die
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 9. Januar 1793, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 60, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 9. Januar 1793, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 60, S. 2. Zum während der Aufklärung im deutschsprachigen Raum vorherrschenden Perfektibilitätsgedanken vgl. Ernst Behler, Unendliche Perfektibilität – Europäische Romantik und Französische Revolution, Paderborn u. a. 1989, S. 86 ff.
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Ablehnung gibt das Protokoll keine Auskunft. Spekulation bleibt auch, ob es sich tatsächlich um Bedenken bezüglich des Charakters des Anwärters Fink handelte, oder ob der unbekannte Bruder nur seiner Unzufriedenheit über die Logenoberen oder einen Missstand Luft machen wollte und deshalb die Konfrontation suchte. Im Protokoll vom Februar 1793 wird der weitere Verlauf der Ereignisse beschrieben. Dabei wird nicht nur die Frage geklärt, wie der Konflikt zwischen dem unbekannten Bruder und dem Meister vom Stuhl Spittler ausging, sondern auch eine mögliche Erklärung des Wahlverhaltens des unbekannten Bruders zeigt sich. Zu Beginn der Zusammenkunft ging Spittler wie üblich auf die Neuaufnahmen und neu vorgeschlagenen Anwärter ein: Nach Vollendung dieser Feierlichkeit ward die Gesellen Loge eröfnet, und drei 1) der Adspirant Finke in den erste Grad aufgenommen 2) die Adspiranten von Bode und Gravenhorst vorgeschlagen⁸³
Laut den Regeln von 1783 musste also der unbekannte Bruder entweder sein Veto zurückgezogen haben oder war dem von Spittler angesetzten Gespräch aus dem Weg gegangen, um die Konfrontation zu vermeiden und seine Anonymität zu wahren. Das weitere Protokoll der Logenversammlung vom Februar 1793 beschreibt die Ballotage über zwei Anwärter namens Mühlenpford und von Bode. Auch hier kam es zur auffälligen Abgabe negativer Stimmen in den ersten Wahldurchgängen: … Über den in der lezten Loge vorgeschlagegen Adspiranten Mühlenpford ballotirt, und nachdem zwei negative Kugeln gegeben waren bei dem zweiten Ballotieren einstimmig die Einführung zugelassen. 4. ward die Ballotation über den Adspiranten von Bode ebenfalls vorgenommen und er erhielt von den Br[üdern] Gesellen und Lehrlingen eine negative Kugel welche bei dem zweiten Ballotieren sich nicht wieder fand.⁸⁴
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Februar 1793, Gesellenloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 61, S. 1. Die Verwechslung von Gesellen- und Lehrlingsloge scheint ein Fehler des Protokollanten zu sein. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Eintrag vom 6. Februar 1793, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 61, S 1. Beim Versuch mehr über die beiden Anwärter heraufzufinden zeigt sich ein Fehler Gläshners. Laut der von ihm erstellten Mitgliederliste wurde am 6. Februar 1793 ein Anwärter von Blum in den zweiten Grad befördert, ein Herr von Bode taucht dagegen in der Liste nicht auf. In den Protokollen findet sich aber kein Hinweis darauf, dass, wie von Gläshner behauptet, am 6. Februar 1793 ein Lehrling zum Gesellen befördert worden wäre; ihm scheint an dieser Stelle ein Fehler bei der Erstellung der Mitgliederliste unterlaufen zu sein, indem er von Bode mit einem Herrn von Blum verwechselte, der am 5. September 1792 in der Loge anwesend war.
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Sowohl bei der Abstimmung über die Aufnahme Mühlenpfords als auch von Bodes scheint es zur taktischen Blockade gekommen zu sein. Am sechsten März 1793 wurde von Bode zum Lehrling rezipiert.⁸⁵ Da Gläshner Existenz und Mitgliedschaft von Bodes scheinbar übersehen hat, enthält seine Mitgliederliste keine Informationen über den Lehrling. Auch der Anwärter Mühlenpford bleibt im Dunklen: Nachdem durch die positive Abstimmung im Februar 1793 der Weg für seine Aufnahme frei war, verliert sich seine Spur. Gläshner führt Mühlenpford als Mitglied der Loge, doch in den erhaltenen Protokollen ist seine Aufnahme, die zeitnah zur Aufnahme von Bodes stattgefunden haben müsste, nicht verzeichnet. Da die Quellenlage keine weiteren Rückschlüsse über beide Anwärter erlaubt, ist nicht nachvollziehbar, ob diese möglicherweise befreundet oder miteinander bekannt waren oder ob es sich bei der Ballotage am selben Tag um einen Zufall handelte. Etwaige Parallelen zu den Ereignissen bei der Abstimmung über die Aufnahme von Berlepschs und Stromeyers bleiben im Dunklen. Hätte sich ein Hinweis auf Freundschaft oder Bekanntschaft der beiden gefunden, beispielsweise eine gemeinsame Herkunft, so wäre dies ein möglicher Anhaltspunkt dafür gewesen, dass sie auch gemeinsame Ablehnung innerhalb der Loge auf sich zogen und deshalb im ersten Wahlgang beide negative Stimmen erhielten. Ohne diese Informationen lässt sich auch ein anderes Bild zeichnen: Betrachtet man sie zusammen mit der einen Monat zuvor erfolgten Abstimmung über den Anwärter Fink, bei der ebenfalls eine negative Stimme abgegeben wurde, darf man auch vermuten, dass ein oder mehrere Mitglieder der Loge im Winter 1792/1793 die Abstimmungen über die Aufnahme neuer Anwärter nutzten, um ihrer Unzufriedenheit mit einem oder mehreren der führenden Logenbrüder Ausdruck zu verleihen. Ursache könnten in beiden Fällen die Umstände der Aufnahme Finks gewesen sein. Unklar bleibt ebenfalls, ob es sich bei den Abstimmungen im Januar und Februar um denselben Bruder handelte oder ob verschiedene Mitglieder der Loge ihrer Verstimmung Ausdruck verleihen wollten. Um dieselbe Person kann es sich eigentlich nur gehandelt haben, wenn im Anschluss an die zweimalige Ablehnung Finks kein Gespräch zwischen Spittler und dem unbekannten Bruder stattgefunden hat. Es ist schwer vorstellbar, dass ein Bruder, der in einem vertraulichen Gespräch mit dem Meister vom Stuhl seine Gründe – und damit auch seine Identität – offenbart hat, im Folgemonat sein taktisches Wahlverhalten fortgesetzt hätte. Deshalb ist davon auszugehen, dass es entweder mehrere Mitglieder der
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. März 1793, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 62, S. 1.
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Loge gab, die mit den Beamten oder dem Meister vom Stuhl unzufrieden waren, oder dass es sich tatsächlich um Bedenken bezüglich der Aufnahme dieser Anwärter handelte. In beiden Fällen müsste das Abstimmungsverhalten taktisch gewesen sein. Zum Schluss wurden die ablehnenden Stimmen im zweiten Durchgang zurückgezogen. Handelte es sich aber um echte Ablehnung den Anwärtern gegenüber, dann war es damit offenbar nicht so weit her, dass man deswegen die Konfrontation mit dem Meister vom Stuhl gesucht hätte, wie es im Vormonat geschehen war. Nicht zum ersten Mal wäre während der Abstimmung über den Anwärter Fink von einzelnen Mitgliedern der Loge der Wahlvorgang genutzt worden, um ihrem Unmut Ausdruck zu verleihen. Doch war dies tatsächlich der Fall? Einige Monate nachdem der südhessische Anwärter Fink um ein Haar abgelehnt worden war, kam es zu einem weiteren Zwischenfall. Darin verwickelt war laut Protokoll erneut ein Mitglied ähnlichen Namens: Nach eröfneter Lehrlings Loge ward weil unbestimmt war ob man schon über den vorgeschlagenen Br[uder] Fink ballotirt hatte ein abermahliges Ballottement vorgeschlagen.
Anscheinend war unklar, ob man bereits über den Bruder Fink abgestimmt hatte oder aber, ob die Abstimmung ordnungsgemäß abgelaufen war. Ehe eine zweite Abstimmung vorgenommen wurde, informierte Spittler die Mitglieder der Loge über den Anwärter: Ehe die Kugeln gesammelt wurden führte der hochw[ürdige] Meister an daß er gehört habe der Adspirant sey Mitglied des Konstantinisten (Unitaten) Ordens gewesen sey, daß Verbindungen mit fremden Orden, jeden zum Eintritt in den ehrw[ürdigen] Maurer Orden unfähig mache, daß er aber glaube, da der Adspirant die feyerliche Versicherung gegeben, sich der Verbindung ganz entsagt zu haben, die auch überhaupt in Göttingen nicht mehr existiere, man ihn nach seiner Überzeugung werde aufnehmen werden können.⁸⁶
Handelte es sich um denselben Bruder Fink, dessen Rezeption auf das regelwidrige Verhalten der Logenoberen zurück ging? Gegen die Annahme, dass es sich in beiden Fällen um dieselbe Person handelte, spricht Gläshners Mitgliederverzeichnis. Dort wird für den 15. Mai 1793 die Aufnahme des Peter Christian von Finck, Sohn eines gleichnamigen Hofrats, angeführt. Die von Gläshner verwendete Schreibweise Fincks weicht von der in den Protokollen ab. In Gläshners Mitgliederliste sind zwei Personen mit dem Namen von Finck angeführt. Peter Christian von Finck und der am dritten Dezember 1789 aufgenommene Leutnant Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Mai 1793, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 64, S. 1.
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Ernst von Finck. Dieser wurde am siebten April 1790 in den Gesellengrad weitergeführt, kann also nicht mit dem Anwärter Fink vom Januar/Februar 1793 identisch sein. Es lässt sich nicht abschließend klären, ob die Personen Fink und Peter Christian von Finck identisch sind. Auf Peter Christian von Finck (Fink) finden sich aber in den Protokollen keine Hinweise.Vermutlich unterlief Gläshner ein Fehler, als er nach näheren Informationen zur Identität des Studenten Fink suchte. Dabei könnte er auf einen Bruder Ernst von Fincks gestoßen sein und ging davon aus, dass dieser ebenfalls der Loge beigetreten war – dass nahe Verwandte, meist Brüder oder Väter und Söhne, Mitglieder in derselben Loge waren, hat sich in Kapitel Fünf gezeigt. Dafür, dass es sich um dieselbe Person handelte, spricht neben der zeitlichen Nähe beider Vorgänge die Schreibweise des Namens Finck in den Protokollen, und dass sich in Gläshners Mitgliederliste nur ein Mitglied namens Finck findet. Dass unter den Mitgliedern der Loge offenbar Uneinigkeit darüber herrschte, ob über den Bruder Fink bereits abgestimmt worden wäre, ist ein weiterer Hinweis darauf, dass es sich um dieselbe Person handelte. Möglich, dass sich in der Zwischenzeit Logenmitglieder über die Vorgänge während der Rezeption Finckes beschwert und eine Wiederholung der Ballotage gefordert hatten. Grund für die (erneute) Abstimmung über die Mitgliedschaft Finckes (oder von Finkes) war, dass er angeblich Mitglied der Konstantinisten, eines Studentenordens, war, der seine Dependance in der Leinestadt, von Jena ausgehend, 1790 gegründet hatte.⁸⁷ Finck scheint seine Mitgliedschaft nicht verheimlicht zu haben, sondern behauptete, dass die Konstantinisten in Göttingen nicht mehr aktiv wären und er mithin kein Mitglied mehr. Diese Schutzbehauptung ist aus zwei Gründen anzuzweifeln. Einerseits hätte eine Auflösung der Konstantinisten in Göttingen kaum bedeutet, dass Fincks Mitgliedschaft erloschen wäre, denn der Orden war auch an anderen Universitäten aktiv.⁸⁸ Darüber hinaus entsprach die Behauptung, dass der Orden in Göttingen nicht mehr aktiv sei, nachweislich nicht der Wahrheit:⁸⁹ Ende 1794 sorgte so ein Duell zwischen einem Konstantinisten und einem Harmonisten für ein erneut schärferes Vorgehen gegen die Orden. Zeitnah wurde vor Gericht eine von 92 Studenten unterschriebene Petition eingereicht, in der gefordert wurde, dass der Konstantinist Erdmann wegen der Benutzung einer Peitsche bei einer Streitigkeit von der Universität verwiesen werden
Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 235, Deneke, Göttinger Studentenorden, S. 82. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 221. Vgl. Deneke, Göttinger Studentenorden, S. 82 ff.
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sollte.⁹⁰ Als Folge der großen Popularität der Orden zog sich der Kampf bis ins frühe 19. Jahrhundert hin.⁹¹ Bei Einführung der Ballotage 1783 wurde auf die Möglichkeit einer erneuten Abstimmung nicht eingegangen. Einmal aufgenommen, galt man als Mitglied der Loge, bis man die Mitgliedschaft aufgab, zu einer anderen Loge übertrat oder aufgrund von Regelverstößen ausgeschlossen wurde. So stellt sich die Frage, was in Fincks Fall im Mai 1793 geschah. Handelte es sich, wie bereits vermutet, um eine nachträgliche Neuabstimmung, weil Regelverstöße seine Aufnahme im Februar in den Augen einiger Logenmitglieder ungültig gemacht hatten? Oder war die nachträgliche Neuabstimmung der eigentliche Regelverstoß, abgehalten, weil Details aus Fincks Vorgeschichte als Mitglied eines Studentenordens erst nach seiner Aufnahme bekannt geworden waren? Die folgende Ballotage würde zeigen, welchen Einfluss die neuen Informationen auf das Abstimmunsergebniss hatten: Bei dem Ballottement waren alle Kugeln leuchtend, und der Br[uder] Arenhold erhielt den Auftrag den Adspiranten vor zu bereiten.⁹²
Die Mitglieder der Loge scheinen die neuen Informationen über Bruder Finck nicht gestört zu haben.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln Die jüngere Loge praktizierte die Ballotage seit ihrer Gründung im Jahr 1773 im Rahmen von Aufnahmen, Weiterführungen und Meisterwahlen.⁹³ Der Begriff der Ballotage fällt erstmals in einem Protokolleintrag vom achten Juli 1773, also weniger als einen Monat nach Gründung der Loge.⁹⁴ Die Quellenlage zur Thematik ist in den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel somit ergiebiger. Neben den Protokolleinträgen zu unauffälligen, das heißt positiv ausgefallenen Abstimmungen über Aufnahmen und Weiterführungen, finden sich aber auch im Be-
Die Zahl der Subskribenten deutet auf eine große Anzahl von Studenten hin, die sich im Umfeld der Orden bewegten. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 237 ff. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Mai 1793, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 64, S. 2. Es finden sich aber auch einige Fälle, in denen per Handzeichen darüber abgestimmt wurde, ob eine Ballotage zu Aufnahme oder Weiterführung überhaupt durchgeführt werden sollte. Dabei handelte es sich allem Anschein nach um Ausnahmen. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 8. Juli 1773, Lehrlingeloge, Bl. 3, S. 2.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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stand der jüngeren Loge mehrere Fälle, in denen Schwarze Kugeln die Wahl scheitern ließen.
Abstimmung per Handzeichen Über alltägliche Anliegen wie den Zugang Besuchender Brüder oder Termine wurde meist durch Handzeichen abgestimmt.⁹⁵ Allerdings finden sich auch Fälle, in denen mittels Handzeichen darüber entschieden wurde, ob etwa überhaupt eine Ballotage über Aufnahme oder Weiterführung durchgeführt werden sollte.⁹⁶ In einigen Fällen nutzte man das Verfahren auch zur Entscheidung, ob einem Besuchenden Bruder der Übertritt in die Göttinger Loge gestattet werden sollte. Mit Handzeichen wurden auch die vom Meister vom Stuhl vorgeschlagenen Beamten bestätigt. Die Abstimmung durch Handzeichen wurde also vor allem bei Abstimmungen zur Geschäftsordnung eingesetzt. Die überwiegende Mehrheit der Protokolleinträge zur Abstimmung über den Zugang von Besuchern ist äußerst kurz gehalten und enthält wenig mehr als den Namen und die Herkunft des Besuchenden Bruders. Exemplarisch sichtbar wird dies an einem Eintrag vom Herbst 1779: Sie machten bekannt daß ein Besuchender namens v[on] Budholtz den Zutritt wünsche. Alle Brüder gaben ihre Einwilligung. Darauf verfügte sich der Br[uder] Ceremonien Meister zum Besuchenden um ihn zur Loge zu führen.⁹⁷
Die Person des Besuchenden Bruders Budholtz wird nicht näher beschrieben. Die Abstimmung wurde vorgenommen, während der Besucher bereits vor der Loge auf seinen Einlass wartete. Es scheint sich also um eine reine Formalität gehandelt zu haben, bei der kein Einspruch erwartet wurde. Dies war nicht immer der Fall. Als 1781 ein Bruder der Strikten Observanz die Loge besuchen wollte, fand die Abstimmung bereits in der vorhergehenden Versammlung statt:
Wie genau das Handzeichen aussah bleibt unklar. Eine Möglichkeit rekonstruierte Karlheinz Gerlach bei seinen Nachforschungen in Dokumenten der Großen Landesloge. Demnach wurden beide Hände gehoben, auf die Schürze fallen gelassen und dann dreimal über den Stoff des Schurzes gestrichen. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 621. Nur in einem einzigen nachweisbaren Fall stimmte die Loge mit den Händen über die Aufnahme eines neuen Lehrlings ab. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. Dezember 1789, Lehrlingsloge, Bl. 89, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. September 1779, Lehrlingsloge, Bl. 8, S. 2
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… als daß der Hochw[ürdige] vortrug daß der H[err] von Berg ein Bruder der Stricten Observanz unsere Loge zu besuchen wünschte, worin die Brüder Meister durch Ausstreckung der Hände willigten, so wurde die Lehrlingsloge um 1 Uhr geschlossen.⁹⁸
Der Protokolleintrag bezieht sich vermutlich auf einen Besuch Jacob Georg von Bergs, damals Mitglied der Loge Augusta. ⁹⁹ Ebenfalls als interessant erscheint, dass anscheinend nur die Mitglieder des dritten Grads über den Besuch eines Mitglieds der Strikten Observanz abstimmten, der Besuch Budholtz’ aber von allen Mitgliedern beurteilt wurde.¹⁰⁰ Wurden die Beziehungen zur Strikten Observanz als so delikat angesehen, dass nur hochgradige Mitglieder darüber entscheiden sollten? Ein anlässlich des Besuchs zweier adeliger Mitglieder der Strikten Observanz Anfang Mai 1781 verfasster Eintrag gibt Hinweise. Der Meister vom Stuhl Behm … öffnete die Lehrlingsloge und berichtete darauf den Brüdern daß ein besuchender Bruder aus der Loge Apollo zu Riga unsere Loge zu besuchen wünschte, und ebenfals auch zwey Brüder von der Stricten Observanz, namlich der Baron von Öttingen und der H[err] von Brangel. Die Brüder gaben durch Ausstreckung ihrer Hände ihre Einwilligung, daß sie sämtlich zur Loge geführt werden könnten.¹⁰¹
Beide Besucher scheinen keine Mitglieder der Augusta gewesen zu sein; in Gläshners Mitgliederliste der Augusta sind sie nicht verzeichnet. Anders als bei der Abstimmung über den Besuch Jacob Georg von Bergs stimmten in diesem Fall anscheinend alle Mitglieder ab – ein Privileg des dritten Grads bei der Abstimmung über den Zugang von Besuchern anderer Systeme scheint demnach nicht bestanden zu haben. Eine mögliche Erklärung für das anlässlich des Besuchs Jacob Georg von Bergs zu beobachtende Verhalten wäre, dass man die Beziehung zur Augusta vorsichtiger handhabte als jene zu anderen, auswärtigen Logen des selben Systems. Ohnehin war der Besuch von Freimaurern, die nicht Mitglied einer mit der Großen Landesloge assoziierten Gemeinschaft waren, nicht vorgesehen und unterlag strengen Regeln.¹⁰² Die Vorgehensweise der Göttinger Loge
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 30. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 61, S. 2. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Von Berg besuchte 1783 die Revaler Loge Isis. Vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 1. Band, S. 348. Der Besuch von Bergs fand etwa einen Monat später statt. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. September 1781, Lehrlingsloge, Bl. 65, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Mai 1781, Lehrlingsloge, Bl. 53, S. 2. Zinnendorf selbst sprach sich ausdrücklich gegen derartige Besuche aus. Auf einen Besuch von Mitgliedern der Strikten Observanz in der Stargader Loge Zum Schild reagierte er 1781 mit
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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erscheint an dieser Stelle als sehr liberal und hätte eine Rüge der Großen Landesloge nach sich ziehen können. Zwei bis dahin Besuchende Brüder ersuchten im Herbst des Jahres 1780 um Erlaubnis, der Loge beitreten zu dürfen. Der Meister vom Stuhl Behm verkündete, … daß sich die bisherigen besuchenden Brüder Melard und Korck zur Mitgliedschaft unserer Loge gemeldet hätten, und von den Brüdern die Einwilligung dazu verlangten, welche sie durch Ausstreckung ihrer Hände gaben.¹⁰³
Die Medizinstudenten Carl Christian Mellart und Johann Friedrich Krock – bei beiden weicht die Schreibweise in Protokoll und Mitgliederliste voneinander ab – wurden am folgenden Tag als Meister von der Loge angenommen.¹⁰⁴ Dass beide zum Zeitpunkt des Übertritts 22 Jahre alt waren und dasselbe Fach belegt hatten, weist auf eine Freundschaft oder Bekanntschaft der beiden hin, so dass sie den Wunsch, der Loge beizutreten, wohl im Voraus untereinander abgesprochen hatten. Auch über Termine entschieden die Mitglieder der Loge durch Handzeichen. Im Frühjahr 1782 wünschte der Einbecker Kaufmann und Lederfabrikant Johann Georg Harter der Loge beizutreten. Sein Wunsch wurde erstmals in der Lehrlingsloge vom 18. Februar 1782 bekannt gemacht.¹⁰⁵ Am sechsten März kam es zur Abstimmung: Hierauf zeigte der hochw[ürdige] Br[uder] an, daß so wenig von dem den 6ten Februar vorgeschlagenen H[err] Gruhlmann als auch in der letzten Loge vorgeschlagenen H[err] Harter, Kaufmann in Einbeck nichts nachtheiliges in Erfahrung gebracht wäre.Wenn also die Brüder ihre Einwilligung zur Umstimmung geben wollten, so sollte die Umstimmung vorgenommen werden, welches die Brüder durch Ausstreckung ihrer Hände thaten.¹⁰⁶
einem Rundschreiben an alle mit der Großen Landesloge assoziierten Gemeinschaften, in dem er vor den vermeintlichen freimaurerischen Irrlehren warnte, die derartige Besucher mit sich brächten. Nur wenn sie unter dem Lehrlingseid der Großen Landesloge versprachen, die Gesetze und Rituale derselben zu achten, war ein Besuch möglich. Auch nach Zinnendorfs Tod wurde diese strikte Haltung von seinem Nachfolger Frédéric de Castillon (1747– 1814) beibehalten und noch 1788 vertreten. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 645 ff. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 27. September 1780, Lehrlingsloge, Bl. 36, S. 1. Mellart war unter der Matrikelnummer 11649 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Krock war unter der Matrikelnummer 12034 eingeschrieben. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 244. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. Februar 1782, Lehrlingsloge, Bl. 76, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. März 1782, Lehrlingsloge, Bl. 78, S. 1.
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6 Abstimmungsprozesse
Die eigentliche Abstimmung per Ballotage erbrachte für beide Anwärter ein positives Ergebnis.¹⁰⁷ Die Genehmigung der Ballotage durch Handzeichen ähnelt dem Vorgehen innerhalb der Augusta, in der die Mitglieder des vierten Grades Anwärter erst zur Abstimmung freigeben mussten. In der jüngeren Loge war dieser Ablauf allerdings nicht die Regel. Harters Ehrgeiz ging über die Aufnahme hinaus: Behm machte der Loge einen weiteren Wunsch des Fabrikanten bekannt: … weil aber der H[err] Harter noch vor Ostern aufgenommen zu werden wünschte, und die Osterferien in den ersten Tage künftigen Monats fielen, so wünschte er daß vor Ostern nochmals Aufnehmungsloge gehalten würde, solches dann sämtliche Brüder durch Ausstreckung ihrer Hände bewilligten.¹⁰⁸
Auch dem Sonderwunsch wurde also entsprochen und Harter Ende März zusammen mit dem Pharmazeuten Johann Conrad Gruhlmann rezipiert.¹⁰⁹ Eine Begründung für Harters Sonderwunsch findet sich nicht.¹¹⁰
Ballotage bei Rezeption und Weiterführung Häufigste Verwendung fand die Ballotage auch in der Loge Zum goldenen Zirkel bei Abstimmung über Aufnahme und Weiterführung. Während der Gründungszeit der Loge lief die Aufnahme zum Lehrling in zwei Schritten ab: Zuerst wurde von einem Mitglied der Loge oder dem Meister vom Stuhl der Logenversammlung ein Anwärter vorgeschlagen – die sogenannte Proposition. Danach fand die Abstimmung über seine Aufnahme statt. Fand die zukünftige Mitgliedschaft die allgemeine Zustimmung der Logenbrüder, wurde anschließend der Termin für die Aufnahme, die eigentliche Rezeption, festgesetzt. Für den beschriebenen Ablauf finden sich mehrere Beispiele in den Protokollen, zum Beispiel in einem Eintrag vom September 1773, also nur wenige Monate nach Gründung der Gemeinschaft:
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. März 1782, Lehrlingsloge, Bl. 78, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. März 1782, Lehrlingsloge, Bl. 78, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. März 1782, Lehrlingsloge, Bl. 80, S. 2. Angesichts des fünfwöchigen Abstands zur erstmaligen Bekanntmachung Harters Wunschs in der Loge, und der Aufnahme zusammen mit dem Arzneikundler Gruhlmann, kann von einer deutlichen Bevorzugung des Fabrikanten keine Rede sein; die Loge kam ihm allenfalls etwas entgegen.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
239
Der Bruder Brandis schlug Herr Schücking als Asperanten vor, es wurde deswegen ballottiert, und weil die Brüder nichts gegen seine Reception zu erinnern hatten, so wurde der 18. 9. zu dessen Aufnahme angesetzt.¹¹¹
Schon vier Tage später wurde Schücking rezipiert. Der Asperant Herr Christoph Bernhard Schücking aus Münster 21 Jahr alt, catholischer Religion wurde als Lehrling und Bruder aufgenommen.¹¹²
Trotz seiner zweifelsfrei belegten Aufnahme findet sich in der sonst gründlich geführten Mitgliederliste kein Hinweis auf Christoph Bernhard Schücking – ein Umstand, der erneut auf die nachlässige Führung des Mitgliederverzeichnisses in der Gründungszeit hinweist.¹¹³ Die letzte im erhaltenen Bestand dokumentierte Aufnahme aus der Frühzeit der Loge beschäftigte sich mit einem bekannten Göttinger Schriftsteller: … Johann Martin Miller, gegen dessen Aufführung die sämtlichen Brüder nichts einzuwenden gehabt hatten, wurde als Lehrling und Bruder aufgenommen. Er ist gebohren zu Ulm, ist lutherischer Religion, studiert Theologie, ist alt 23 Jahr, und ein freyer Mensch.¹¹⁴
Auch Millers Name findet sich nicht in den seiner Aufnahme vorangehenden Protokollen – scheinbar kam es auch hier nicht zu einer mehrwöchigen Wartezeit, in der seine charakterliche Eignung überprüft worden wäre.¹¹⁵ Beide Beispiele zeigen, dass in den ersten Jahren der Loge zwischen Proposition und Aufnahme eines Anwärters anscheinend keine, beziehungsweise kaum Wartezeit verging.¹¹⁶ Bei den ersten Anwärtern hat es sich vermutlich fast ausschließlich um Freunde oder Bekannte von Logenmitgliedern gehandelt. Mit wachsender Größe
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 14. September 1773, Lehrlingsloge, Bl. 8, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. September 1773, Lehrlingsloge, Bl. 9, S. 1. Selbst in einer Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel vom 3. Februar 1776, die sich im 17. Band der Schwedenkiste findet, taucht Schückings Name nicht auf. Vgl. Schwedenkiste, 17. Band, Dok. 14. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 13. September 1774, Lehrlingsloge, Bl. 23, S. 2. Miller war unter der Matrikelnummer 8619 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 185. Der Wunsch, rasch eine möglichst breite Mitgliederbasis aufzubauen, mag hier eine Rolle gespielt haben.
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6 Abstimmungsprozesse
und Bedeutung der Logen änderte sich dies: Die fortgesetzte Praxis der raschen Aufnahme hätte es den Mitgliedern unmöglich gemacht, sich fundierte Urteile über die zahlreichen Anwärter zu bilden. Die Gefahr, dass Logen bei zu großzügiger Auslegung der Aufnahmekriterien zerbrachen, war durchaus gegeben. Diese Problematik führte in den Jahren zwischen 1774 und 1779 zur Einführung des mehrwöchigen Beobachtungszeitraums zwischen der Proposition eines Anwärters in der Loge und der Abstimmung über seine Rezeption.¹¹⁷ Da Protokolle aus dem fraglichen Zeitraum fehlen, ist nicht mehr feststellbar, wann genau diese wichtige Reform des Rezeptionsprozesses vorgenommen wurde. Fest steht, dass mit Einführung der mehrwöchigen Wartezeit die Aussagekraft der Abstimmungsergebnisse deutlich zunahm, denn sie basierten nun – zumindest theoretisch – auf fundierten Beurteilungen der Anwärter. Im Juni des Jahres 1779 hatte sich die gesamte Loge versammelt, um dem durchreisenden Meister vom Stuhl der hannoverschen Loge Zum Schwarzen Bären einen würdigen Empfang zu bereiten: Der hoch würdige deputierte Meister zeigte an daß die Absicht der Zusammenkunft vorzüglich diese gewesen um den S[ehr] würdigen Br[uder] v[on] Osten Meister vom Stuhl der Loge Zum Schwarzen Baeren in Hannover, mit allen Brüdern bekannt zu machen. Er war aber nicht angekommen. … Der w[ürdige] Br[uder] v[on] Schevé machte der Loge bekannt daß der H[err] Kühn den Wunsch geäußert ein Mitglied unseres Ordens zu werden: der S[ehr] W[ürdige] empfahl diesen vorgeschlagenen der weiteren Nachforschung der Brüder.¹¹⁸
Als der geplante Empfang ausfiel, gingen die Anwesenden zur normalen Logenarbeit über.¹¹⁹ Der aus Neustrelitz stammende einundzwanzigjährige Jurastudent Adolph Ludewig Carl von Schevé proponierte den zweiundzwanzigjährigen, aus Schwerin stammenden Beflissenen der Rechte, Carl Dietrich Otto Kühn, zur Aufnahme.¹²⁰ Herkunft, Alter und Studienausrichtung lassen auch hier – wie bei
Die Wartezeiten und das Verfahren, mit dem der Leumund von Aspiranten geklärt werden soll, verdeutlicht, wie sehr man von den beschränkten Kommunikationsmitteln der Zeit abhängig war und wie sehr man sich angesichts fehlender (scheinbar) objektiver Auskunftskriterien – etwa: polizeilicher Führungszeugnisse, Schufa-Auskunft u. ä. – auf Beziehungen verlassen musste. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 13. Juni 1779, Lehrlingsloge, Bl. 4, S. 2. Einige Zeit später gab es unter den führenden Mitgliedern der Zinnendorf’schen Loge Zum Schwarzen Bären Überlegungen, ob man in die Loge Zum weißen Pferde übertreten sollte. Der Plan wurde allerdings nicht umgesetzt, obwohl die Loge der Strikten Observanz die Pläne guthieß.Vgl. Voigts, Geschichte der g. u. v. Freimaurerloge Friedrich zum weißen Pferde im Orient von Hanover, S. 77 f. Von Schevé war unter der Matrikelnummer 10558 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 224.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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Mellart und Krock – auf eine Freundschaft schließen. Nach einem Monat fand die Abstimmung über Kühns Aufnahme statt: Sie liesen hierauf für den vorgeschlagenen H[err] Kühn ballottiren und die Kugeln leuchteten alle. Die Paten dieses neuen Suchenden wurden bestimmt die w[ürdigen] Br[üder] v[on] Schevé Rölfsenn u[nd] Haacken. Die Aufnahme wurde wenn keine wichtige Abhaltung eintreten sollte von heut über 14. Tagen festgesetzt. Der S[ehr] W[ürdige] zeigte an wie man zu verfahren hat wenn man eine Loge errichten will. Sie legten auch selbst den Revers der dabey muß ausgestellt werden vor. Der w[ürdige] besuchende Bruder v[on] Hüppeden zeigte der Loge an, daß der H[err] v[on] Hundelshausen Asesor bei der Regierung zu Cassel den Wunsch geäußert ein Mitglied unseres Ordens zu werden. Der H[och] W[ürdige] empfahl diese vorgeschlagenen den w[ürdigen] Br[üdern] zur weitern Untersuchung.¹²¹
Da er Kühn vorgeschlagen hatte, wurde von Schevé zum ersten Paten ernannt.¹²² Wie festgesetzt, wurde Kühn am 28. Juli aufgenommen und damit der zeitlich dreigeteilte Ablauf von Proposition, Abstimmung und Rezeption eingehalten.¹²³ Daneben weist der Protokolleintrag auf einen durch die Logenoberen erteilten Unterricht in freimaurerischen Abläufen hin. Mitglieder der Loge wurden nicht nur in den Ritualen, Symbolen und Katechismen unterrichtet, sondern auch im ordnungsgemäßen Aufbau einer neuen Gemeinschaft – die Gründung neuer Logen und Expansion der Freimaurerei erscheint somit als ein ausdrücklich gefördertes Ziel. Die Vorgehensweise bei Weiterführungen unterschied sich von der bei Rezeptionen. Hier waren den Mitgliedern der Loge die Anwärter bereits bekannt und eine zeitliche Trennung zwischen Proposition und Abstimmung daher kaum notwendig, um ein fundiertes Urteil zu bilden. Zwischen Proposition und Ballotage war keine Wartezeit vorgeschrieben, wie ein Beispiel aus einer Gesellenloge des Jahres 1779 zeigt: Sie zeigten an daß der w[ürdige] Br[uder] Caspari den zweyten Grad zu erhalten wünscht. Desgleichen daß auch der w[ürdige] Br[uder] Ordelin die Aufnahme in den zweiten Grad des Ordens sucht. Zuerst ward ballottiert um den Br[uder] Caspari und es leuchteten alle Kugeln. Hierauf um den Br[uder] Ordelin auch hier leuchteten die Kugeln insgesamt. Die Gesellen Loge ward vestgesetzt von heute über 8 Tagen.¹²⁴
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 14. Juli 1779, Lehrlingsloge, Bl. 5, S. 2. Kühn (auch Kühm geschrieben) war unter der Matrikelnummer 11054 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 233. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 28. Juli 1779, Lehrlingsloge, Bl. 6, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 13. Oktober 1779, Gesellenloge, Bl. 10, S. 1.
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6 Abstimmungsprozesse
Schon sieben Tage später wurde die Weiterführung vollzogen.¹²⁵ Im April 1783 kam es zur Ballotage bei einem weiteren interessanten Fall von Aufnahme und Weiterführung: … nach Eröffnung der Loge wurde die Ballotirung des jungen H[erren] Schlüters aus Hamburg vorgenommen u[nd] alle Kugeln wurden leuchtend gefunden. Die Pathen werden seyn die Brüder Schlüter, Kellner und Vordank.¹²⁶
Wilhelm Schlüter war erst zwei Wochen zuvor zur Aufnahme vorgeschlagen worden.¹²⁷ Sein erster Pate war sein leiblicher Bruder: Der aus Hamburg stammende David Schlüter war bereits im Herbst 1781 in der Göttinger Loge rezipiert worden und seitdem bis in den dritten Grad aufgestiegen.¹²⁸ Die Aufnahme von Wilhelm Schlüter, wie sein Bruder ein Student der Rechtswissenschaften, fand eine Woche später statt.¹²⁹ Sein Bruder David, der Redner der Loge, nutzte die Gelegenheit und sprach zu den Versammelten: Hierauf hielt der Bruder Redner Schlüter eine Rede, wozu die Aufnahme seines leiblichen Bruders ihm die Hauptgelegenheit gab.¹³⁰
David Schlüter nutzte sein Amt um für den raschen Aufstieg seines Bruders zu werben: Der Hochwürdige verwandelte die Lehrlingsloge in eine Gesellenloge u[nd] schlug den heute aufgenommenen Br[uder] Schlüter zum Gesellen vor. Es wurde ballotirt u[nd] alle Kugeln leuchteten.¹³¹
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Oktober 1779, Gesellenloge, Bl. 11, S. 1 f. In der Mitgliederliste der Loge finden sich zwei Personen mit dem Namen Caspari, die jedoch Monate- beziehungsweise Jahre später in den Gesellengrad weitergeführt wurden. Die Identität des hier auftretenden ersten Mitglieds namens Caspari bleibt im Dunklen, da die Protokolle zwischen 1774 und 1779 fehlen. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. April 1783, Lehrlingsloge, Bl. 107, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. April 1783, Lehrlingsloge, Bl. 104, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 7. November 1781, 19. Juni 1782 und 5. November 1782, Lehrlings-, Gesellen- und Meisterlogen, Bl. 68, S. 1, 85, S. 1 und 94, S. 1 f. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. April 1783, Lehrlingsloge, Bl. 107, S. 2. David Schlüter war unter der Matrikelnummer 11462 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Sein Bruder Wilhelm wurde unter der Nummer 11463 verzeichnet. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 241. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. April 1783, Lehrlingsloge, Bl. 108, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. April 1783, Gesellenloge, Bl. 108, S. 1.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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Ein eindeutiger Fall von Bevorzugung: Wilhelm Schlüter wurde noch am sechsten Mai zusammen mit sechs weiteren Lehrlingen in den Gesellengrad weitergeführt.¹³² Ein dritter Fall, bei dem sich Rezeption, Weiterführung, Ballotage und gleichzeitige Bevorzugung verbanden, ereignete sich 1786. Der aus Reval stammende Wilhelm Ohm (auch „Oom“ geschrieben) war am dritten April des Jahres als Lehrling in die Loge aufgenommen worden.¹³³ Auch dieser erst 21jährige Kandidat der Rechte hatte offenbar großes Interesse am Aufstieg innerhalb der Freimaurerei. Nur einen Monat nach seiner Rezeption fiel sein Name bereits in einer Gesellenloge: … weil aber der H[err] Jungblut, welcher heute aufgenommen werden sollte, noch nicht wieder gegenwärtig war, so beschloß der Hochw[ürdige] die Brüder Lehrlinge Hüpeden, Händler, Häfer und Ohm, welche sich zur Aufnahme des 2ten Grades gemeldet hatten, heute, wenn andere nichts gegen genannte Brüder zu erinnern wäre, aufzunehmen. Es wurden danach die Kugeln umhergegeben, welche sich für alle genannten Lehrlinge leuchtend fanden.¹³⁴
Die Weiterführung Ohms zum Gesellen nach nur vier Wochen deutet darauf hin, dass es dem jungen Rechtswissenschaftler gelungen sein muss, sich unter den Mitgliedern der Loge schnell einen guten Ruf zu erarbeiten. Heute würde man ihn wohl als „Netzwerker“ bezeichnen, denn er hatte bereits im Vorfeld seiner Weiterführung zum Gesellen den nächsten Schritt geplant: Noch während seine Weiterführung vorbereitet wurde, wandte sich Jäger an die anwesenden Mitglieder des dritten Grades: Während dessen zeigte der Hochw[ürdige] an, daß auch der Bruder Lehrling Ohm sich zum 3ten Grade gemeldet hätte, und sehr um die Beförderung zu diesem Grad bäte. Diese Anzeige that der Hochw[ürdige] um deswillen, damit die Brüder Meister nach geendigter Gesellenloge mit mehrerer Überlegung beim Ballottement zu Werke gehen könnten, so geschwind zu befördern.¹³⁵
Dass Angelegenheiten der Meisterloge innerhalb der Gesellenloge besprochen wurden, war ungewöhnlich. Der Eintrag zeigt anschaulich, dass dem Vorsitzen-
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Mai 1783, Gesellenloge, Bl. 108, S. 2. Zu Wilhelm Oom (1764– 1793) vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 3. Band, S. 226 f. Oom trat 1787 der Revaler Loge Isis bei. Vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 1. Band, S. 348. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Mai 1786, Gesellenloge, Bl. 26, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Mai 1786, Gesellenloge, Bl. 26, S. 2.
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6 Abstimmungsprozesse
den Jäger die Bevorzugung Ohms bewusst war – Einspruch wäre vermutlich nicht unerwartet gewesen: Der Hochw[ürdige] schlug darauf den leiblichen Bruder unseres Bruder Ohms zur Aufnahme im Orden vor. Wie dieses geschehen, wurde die Lehrlingsloge, nachdem erst die Br[üder] Gesellen die Loge gedeckt hatten, in eine Meisterloge verwandelt. In selbiger wurde dann die Umstimmung des heute aufgenommenen Br[uder] Gesellen Ohm vorgenommen. Die Kugeln waren miteinander leuchtend. Der Aufnehmungstag konnte heute noch nicht bestimmt werden.¹³⁶
Wilhelm Ohm wurde vier Tage später in den dritten Grad weitergeführt.¹³⁷
Ballotage bei der Aufnahme Besuchender Brüder Neben der Weiterführung eigener Mitglieder wurde die Ballotage auch angewendet, wenn Besuchende Brüder den Wunsch äußerten der Göttinger Loge beizutreten. Dazu kam es vor allem dann, wenn Freimaurer von außerhalb sich für einen längeren Zeitraum in Göttingen aufhielten – in einer Universitätsstadt kam dieses Szenario vergleichsweise häufig vor. Bei Aufnahme und Weiterführungen von Mitgliedern auswärtiger Logen, die ebenfalls der Großen Landesloge unterstanden, verfuhr man sehr ähnlich wie bei der Weiterführung eigener Mitglieder. Ein Eintrag aus dem Herbst 1779 schildert gleich mehrere Übertritte während einer Sitzung. Der erste an diesem Tag vollzogene Übertritt des Mitglieds einer auswärtigen Loge war, streng genommen, eine Wiederaufnahme: Der H[och] W[ürdige] zeigt an daß der w[ürdige] Br[uder] Bansa der ehemals ein Mitglied dieser Loge gewesen wieder zurück gekommen und abermals den Wunsch geäußert ein Mitglied zu werden. Sie fragten die Br[üder] um die Einwilligung und nachdem diese ertheilt worden ward er zum Mitglied aufgenommen.¹³⁸
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Mai 1786, Meisterloge, Bl. 27, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Mai 1786, Meisterloge, Bl. 27, S. 2 f. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. November 1779, Gesellenloge, Bl. 12, S. 1. Der Protokolleintrag ist formuliert, als ob nur ein einziger Bruder um seine Zustimmung gefragt worden wäre. Bansa selbst kann nicht gemeint sein, so dass es sich wohl um einen Schreibfehler handelt, und eigentlich „die Bbr.“ heißen sollte.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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Der aus Frankfurt am Main stammende Johann Conrad Bansa war laut Mitgliederliste ursprünglich am neunten Juni 1778 rezipiert worden.¹³⁹ Laut Protokoll wurde Bansas Wiederaufnahme in einer Gesellenloge beschlossen, im Zusammenhang mit seinem Übertritt wurde er aber nicht in den zweiten Grad befördert. Der Umstand, dass er nunmehr aber als Geselle geführt wurde, deutet darauf hin, dass er andernorts in diesen Grad weitergeführt worden war, doch die Mitgliederliste gibt keine Auskunft über seine maurerischen Aktivitäten außerhalb Göttingens. Der Beschluss zu seiner Wiederaufnahme wurde scheinbar ohne Ballotage getroffen; dieses informelle Vorgehen war sicher seiner vormaligen Logenmitgliedschaft geschuldet. Nachdem Bansas Wiederaufnahme genehmigt worden war, wurden die Arbeiten in der geöffneten Lehrlingsloge fortgeführt: … der H[och] W[ürdige] zeigte an, daß ein besuchender Br[uder] namens Clemann gewünscht ein Mitglied der Loge zu werden. Sie ließen darselbst ballottieren und die Kugeln leuchteten insgesamt. Hierauf ließ der H[och] W[ürdige] den besuchenden Br[uder] zur Loge führen. … Als hierauf der besuchende Br[uder] Cleman zur Loge gekommen und der H[och] W[ürdige] ihn den Beschluß der Brüder bekannt gemacht so verfügten sie den Br[uder] Ceremonien Meister zum w[ürdigen] Br[uder] Brauns um ihn auch zur Loge zu führen. Der H[och] W[ürdige] machten diesem w[ürdigen] Br[uder] Brauns bekannt daß alle Mitglieder seinen Wunsch gewährt und ihn jetzo als Mittglied umarmen.¹⁴⁰
Der ursprünglich aus Walkenried stammende Beflissene der Ökonomie Joh(ann) Ernst Gottfried Kleemann (auch „Clemann“) trat 1782 in die Ascherslebener Loge Zu den 3 Kleeblättern über, und ist damit ein anschauliches Beispiel für die Wanderungen und „Freimaurerkarrieren“ wie sie bei zahlreichen seiner Zeitgenossen zu beobachten sind.¹⁴¹ Unklar bleibt die Person des Herr Brauns. Ein Bruder namens Braun(s) findet sich in der Mitgliederliste der Loge nicht, dafür aber ein Eintrag über die Aufnahme Bansas als Gesellen am fraglichen Tag. Geht man davon aus, dass Bansa wie Kleemann während der Abstimmung über seine Aufnahme in der Gesellenloge nicht anwesend war, ergibt sich aus der Formulierung des Protokolls der Schluss, dass die Person Brauns und Bansas identisch sind, und der Protokollant sich folglich geirrt haben muss. Ein weiteres Beispiel für den Ablauf des Übertritts Besuchender Brüder ereignete sich im Spätsommer des Jahres 1791. Der aus Halle nach Göttingen
Da die Protokolle aus dieser Zeit nicht erhalten sind, ist es kaum möglich festzustellen, wann und warum er die Leinestadt verließ. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. November 1779, Lehrlingsloge, Bl. 12, S. 1. Vgl. Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel. J. E. G. leemann war unter der Matrikelnummer 11793 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 247.
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6 Abstimmungsprozesse
wechselnde Student der Rechte Friedrich Gottlieb Carl Diethrichs äußerte den Wunsch, der Loge beizutreten und gleichzeitig in den Gesellengrad weitergeführt zu werden. Sein Anliegen wurde in einer Gesellenloge diskutiert: … worin der hochwürdige Großmeister vorstellig machte, daß vermöge eines Schreibens aus der Loge zu den 3 Degen in Halle der Lehrling Wilhelm Diethrichs auf sein Verlangen der dortigen Logen Pflichten entlassen u[nd] ihm freygestellt worden sich in unsere Loge aufzunehmen u[nd] den 2ten Grad conferirn zu lassen. Es wurde daher zu dessen Ballottierung geschritten u. alle Kugeln leuchtend befunden.¹⁴²
Unklar bleibt, ob Diethrichs die Göttinger Loge vor seinem Übertritt schon besucht hatte. In den Protokollen fällt sein Name erstmals am Tag seines Übertritts – die Mitglieder willigten deshalb mutmaßlich in die Weiterführung eines ihnen Unbekannten ein. Auch im Fall von Übertritt und Weiterführung von Diethrichs stellt sich die Frage, ob die Göttinger Loge eine andere Wahl gehabt hätte, denn die Verweigerung von Aufnahme und Weiterführung zum Gesellen hätte nicht nur den Lehrling, sondern vor allem seine Mutterloge beleidigt, die ihn schriftlich empfohlen hatte. Mittels der Ballotage bestätigte man in Göttingen daher letztlich eine Entscheidung der Loge Zu den 3 Degen aus Halle.¹⁴³ Die Zustimmung der Logenmitglieder war also immer dann gefragt, wenn Grad oder Logenzugehörigkeit zur Abstimmung standen. Anwärter, die in die Loge aufgenommen werden wollten, mussten die Zustimmung aller drei Grade erhalten, in späteren Jahren auch Nachforschungen über sich ergehen lassen. Wer weitergeführt werden wollte, benötigte die Zustimmung der Brüder des entsprechend höheren Grades. Das Beispiel von Diethrichs Übertritt und gleichzeitiger Weiterführung zeigt, dass Übertritt und Weiterführung nicht getrennt bewertet, sondern als Teil eines Gesamtprozesses behandelt wurden. Dies machte den
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. September 1791, Gesellenloge, Bl. 121, S. 2. Dietherichs (Diederich) Vornamen weichen in Protokoll und Mitgliederliste voneinander ab. Vgl. Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel. Diethrichs Übertritt und Weiterführung wirft neue Fragen zur Wiederaufnahme Bansas auf. Als Mitglied der halleschen Loge hatte Diethrichs deren Freigabe benötigt um Mitglied der Göttinger Loge werden zu können. Im Fall Bansas findet sich kein Hinweis auf eine derartige Erlaubnis. In Diethrichs Eintrag in der Mitgliederliste ist seine vormalige Mitgliedschaft in der halleschen Loge vermerkt, bei Bansa findet sich keine vergleichbare Anmerkung. Wenn Bansa während seiner Abwesenheit aus Göttingen nicht Mitglied einer auswärtigen Loge gewesen war, wie hatte er dann den Gesellengrad erhalten? Oder war die Erlaubnis der auswärtigen Loge nicht nötig, da Bansa zu seiner Mutterloge zurück kehrte? Oder wurde er doch bei seiner Wiederaufnahme zum Gesellen weitergeführt, dies aber nicht im Protokoll festgehalten? Der Fall Bansas bleibt undurchsichtig.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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Übertritt in eine auswärtige Loge vermutlich zu einer guten Gelegenheit, etwas für das eigene Fortkommen in der Freimaurerei zu tun.
Schwarze Kugeln Obwohl die Loge Zum goldenen Zirkel die Ballotage dreißig Jahre lang praktizierte, sind aufgrund der Quellenlange negative Abstimmungsergebnisse nur für das Jahr 1774 sowie den Zeitraum von 1779 bis 1793 nachweisbar. Dennoch sind zahlreiche Beispiele erhalten: In insgesamt 22 Protokollen aus dieser Zeit wird die Abgabe Schwarzer Kugeln thematisiert – es kam also deutlich häufiger als in der Augusta zum Dissens. Als eines der ersten Mitglieder wünschte der Doktorand der Medizin Johann Friedrich Christian Otte 1774 den Meistergrad zu erhalten: … der S[ehr] E[hr] W[ürdige] schlug in der Meister Loge den Bruder und Gesellen Otten zum Meister vor. Es wurde deswegen ballottiert und durch die Mehrheit der Stimmen ihm dieser Grad versagt.¹⁴⁴
Ottes Fall erscheint als ungewöhnlich, weil die bislang beschriebenen Fälle aus der Gründungszeit der Loge anschaulich gezeigt haben, dass in den ersten Jahren rasche Rezeptionen und Weiterführungen die Regel waren.¹⁴⁵ Vor diesem Hintergrund liegt der Verdacht nahe, dass der Mediziner sich im Vorfeld der gescheiterten Weiterführung einen aus Sicht seiner Brüder ernsten Fehltritt erlaubt hatte. Im Mai 1774 wurde Otte zwar doch noch zum Meister befördert, doch schon zwei Jahre später folgte sein Ausschluss aus der Loge wegen „unmaurerischen Betragens“. ¹⁴⁶ Aus dem Beispiel der gescheiterten Weiterführung Ottes geht nicht eindeutig hervor, ob eine einzige negative Stimme ausreichte, um Rezeption oder Weiterführung scheitern zu lassen. Die meisten Einträge sind, was die genaue Anzahl der abgegebenen negativen Stimmen angeht, wenig aufschlussreich, man begnügte sich mit Ergebnisprotokollen, die auf die Angabe der abgegebenen negativen Stimmen verzichteten. Ob es einer Stimmenmehrheit von 50 Prozent + X bedurfte, um eine Abstimmung scheitern zu lassen, oder sich hinter dem Begriff der „Mehrheit der Stimmen“ eine festgelegte Anzahl von negativen Stimmen verbarg, bleibt unklar.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 13. Februar 1774, Meisterloge, Bl. 16, S. 1. Vgl. Kap. 5. Vgl. Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel sowie Kap. 7.
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6 Abstimmungsprozesse
Aufschlussreich sind auch die Ereignisse, die anlässlich der Ballotage über die Rezeption des Medizinstudenten Otto Heinrich Knorre und eines Herrn Brunsig Anfang 1781 protokolliert wurden: Der Br[uder] Zeremonienmeister gab also die Kugeln umher, und es fand sich nach geschehener Einsammlung daß selbige für H[err] Knorre bis auf eine leuchteten. Dieses Umstand wegen bat der Hochw[ürdige] denjenigen Bruder welcher die schwarze Kugel gegeben, solches ehesten Tages dem hochw[ürdigen] Groß. Mstr. zu melden, und die Ursache diesem anzugeben. Es fand sich aber gleich daß der Bruder Frankenberg aus Versehen solche eingeworfen hatte, deshalb war die Umstimmung für den Herrn Knorre gültig.¹⁴⁷
Der Eintrag deutet darauf hin, dass eine einzige Schwarze Kugel die Blockade der Aufnahme Knorres bedeutet hätte, möglicherweise auch ihr Scheitern.¹⁴⁸ Das Festhalten an der einstimmigen Annahme durch die Ballotage bedeutete jedoch nicht, dass der Einwurf von Schwarzen Kugeln und die so zum Ausdruck gebrachte Ablehnung akzeptiert wurden. Wie schon in der Augusta ist auch in der jüngeren Loge zu beobachten, dass die gewünschte Einstimmigkeit herbeigeführt werden sollte. In vielen Protokolleinträgen, in denen die Abgabe negativer Stimmen beschrieben wird, findet sich auch der Verweis auf die Forderung des Meisters vom Stuhl, ihm „die Ursache anzugeben.“ Als typisches Beispiel für die Aufforderung negative Stimmen zu begründen, soll ein bemerkenswerter Fall aus dem August 1781 dienen. Ein angebliches Mitglied der Augusta – sein Name findet sich nicht in ihrer Mitgliederliste – wollte in die jüngere Loge übertreten¹⁴⁹: Der hochw[ürdige] GroßMeister machte darauf den Brüdern bekannt, daß vor 4 Wochen der Professor Frisberg der bisher Mitglied der hiesigen Loge von der strickten Observanz gewesen, nachgeforscht hätte Mitglied unserer Loge zu werden; Er wolle also die Umstimmung vornehmen lassen. Die Kugeln wurden umhergegeben und bey der Einsammlung fanden sich 4 schwarze Kugeln. Den Brüdern welche solche eingelegt wurde angedeutet, daß sie die Ursache warum sie solche eingelegt, dem GroßMstr. nächstens anzeigen mögen.¹⁵⁰
In den dem Protokoll vorausgehenden Einträgen findet sich kein Hinweis darauf, dass Frisbergs Wunsch der Loge bekannt gemacht worden wäre – eine Überprü-
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 7. März 1781, Lehrlingsloge, Bl. 48, S. 2. Knorre war unter der Matrikelnummer 10958 an der Göttinger Universität immatrikuliert.Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 231. Der Name „Frisberg“ ist auch in den Protokollen und der Mitgliederliste der Loge Augusta nicht zu finden. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 15. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 61, S. 1.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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fung seiner Eignung durch die Mitglieder scheint nicht stattgefunden haben. Zu einer Aufnahme Frisbergs kam es nicht – sein Name fällt weder in den Protokollen noch der Mitgliederliste ein weiteres Mal. Es bleibt unklar, ob es zu einem Gespräch zwischen Behm und den vier negativ Votierenden kam. Das völlige Fehlen von Hinweisen auf Frisberg in den Protokollen der Augusta, die eindeutig als seine Herkunftsloge benannt wird, verwundert und führt zu der Vermutung, dass die Ablehnung des angeblichen Professors etwas mit diesen Unregelmäßigkeiten zu tun hatte. Zudem hätte der Wechsel eines Mitglieds von der Augusta zum Goldenen Zirkel das Verhältnis beider Loge stark belasten können. In anderen Fällen wurde im Gespräch zwischen dem Vorsitzenden und negativ Votierenden auf die Einwände eingegangen. Im Dezember 1781 wünschte der Mathematikstudent Caspar Ludewig Wilhelm Heye rezipiert zu werden.¹⁵¹ Nachdem er Anfang November proponiert worden war, kam es vier Wochen später zur Ballotage: Darauf wurde die Umstimmung für den Herrn Heye vorgenommen, bei der Einsammlung der Kugeln fanden sie sich miteinander bis auf 3 schwarze, leuchtend. Dieser schwarzen Kugeln wegen, wurden die Brüder welche solche eingelegt, erinnert, die Ursache dessen, bis zum nächsten Logen Tage bekannt zu machen.¹⁵²
In der Folge scheint es tatsächlich zum Austausch mit den drei Logenmitgliedern gekommen zu sein, denn in der nächsten Versammlung verkündete der die Versammlung leitende deputierte Vorsitzende: Ferner zeigte der hochw[ürdige] dep[utierte] Meister an daß die 3 Schwarzen Kugeln, welche am 5ten December d[es] J[ahres] für den Herrn Heye eingelegt wären, für leuchtend zu erklären wären, weil die eingelauffenden Ursachen, ihn vom unsern Ehrw[ürdigen] Orden nicht ausschliessen könnten, dieser H[err] Heye könne also im Nahmen des gr[oßen] Baumeisters aufgenommen werden.¹⁵³
Einwände, die seitens der Oberen nicht akzeptiert wurden, berücksichtigte man nicht – von tatsächlicher Einstimmigkeit kann bei der Rezeption Heyes also keine Rede sein.¹⁵⁴ Eine weitere Ballotage wurde nicht vorgenommen, was darauf hin Heye war unter der Matrikelnummer 12053 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 252. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 5. Dezember 1781, Lehrlingsloge, Bl. 70, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 19. Dezember 1781, Lehrlingsloge, Bl. 71, S. 2 f. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Januar 1782, Lehrlingsloge, Bl. 74, S. 1 f.
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6 Abstimmungsprozesse
deutet, dass zwischen den negativ Votierenden und den Beamten keine Übereinkunft erzielt wurde. In anderen Fällen wurde dagegen eine zweite Abstimmung vorgenommen. Am vierten November 1788 schlug der Mathematikstudent Heinrich Christian Kellner einen Anwärter zur Aufnahme vor, über den gute drei Wochen später ballotiert wurde:¹⁵⁵ … ließ solcher die Umstimmung des am 4 Novembers vorgeschlagenen Herrn Kaufmann Jordan vornehmen; es fand sich eine schwarze Kugel worauf der Hochwürdige erklärte daß der Bruder so solche eingelegt sich bis zum Sonntag als d[em] 1 Dec[ember] melden und seine Ursache angeben.¹⁵⁶
Offenbar meldete sich der negativ Votierende auch in diesem Fall, denn Anfang Januar stimmte die Loge erneut über die Rezeption des Kaufmanns ab: Alsdenn wurde eine abermahlige Umstimmung für den Herr Jordan vorgenommen, nachdem der hochw[ürdige] Groß-Mster die Ursache der einen bereits eingelegten schwarzen Kugel angab, es wurde ausgemacht daß wenn die meisten Kugeln leuchteten, so sollte die Stimmung für bejahend angenommen werden welches sich den auch ereignete …¹⁵⁷
Anscheinend kam es bei der Abstimmung zu einer temporären Änderung des Wahlrechts: Statt eines einstimmigen Ergebnisses reichte in diesem Fall die einfache Mehrheit. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass es dem Vorsitzenden nicht gelungen war, den negativ Votierenden zu überzeugen. Der Kaufmann trat der Loge Anfang Februar 1789 bei, wurde aber schon im September 1790 wegen betrügerischen Bankrotts wieder ausgeschlossen.¹⁵⁸ An einem Beispiel aus dem Jahr 1786 wird besonders deutlich, dass selbst größere Gruppen von negativ abstimmenden Brüdern Rechenschaft über ihr Wahlverhalten ablegen sollten. Der aus Einbeck stammende Postsekretär Georg Friedrich Schmutzer schlug im Februar 1786 einen Anwärter vor:
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. November 1788. Kellner war unter der Matrikelnummer 10203 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 217. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 28. November 1788, Lehrlingsloge, Bl. 72, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Januar 1789, Lehrlingsloge, Bl. 73, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 3. Februar 1789 und 7. September 1790 sowie Kap. 7.
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Vor Schliessung der Loge wurde indessen noch die Umstimmung des von den Br[uder] Schmutzer vorgeschlagenen Herrn Meine aus Einbeck gebürtig, vorgenommen, und nach geschehenem Ballottement fünf schwarze Kugeln gefunden. Hierbey wurden die Brüder welche solche eingelegt von dem Hochwürdigen erinnert, die hierzu bewegenden Ursachen anzugeben.¹⁵⁹
Meines Name fällt in dem Protokollauszug zum ersten und letzten Mal; eine Proposition in den vorhergehenden Versammlungen ist nicht verzeichnet und eine vorausgehende Meinungsbildung unter den Logenmitgliedern scheint nicht stattgefunden zu haben. Bei der Abstimmung direkt nach der Proposition handelt es sich also um eine Bevorzugung. Dies hat Einfluss auf die Spekulation über die Gründe für die sehr deutliche Ablehnung. Es könnte sich bei Meine um einen Mann schlechten Rufs gehandelt haben, über den mehrere Brüder – trotz ausgelassener Wartezeit – informiert waren. Unter Umständen war auch Schmutzer selbst unbeliebt, und Mitglieder der Loge nutzten die Gelegenheit, ihn zu demütigen. Fünf negative Stimmen für einen Anwärter, der über einen Fürsprecher innerhalb der Loge verfügte, weichen stark von dem in Kapitel Fünf beobachteten Verhalten bei Aufnahme und Weiterführung ab. Schmutzers Ansehen innerhalb der Loge muss durch die deutliche Ablehnung stark gelitten haben – der Postsekretär zog noch im selben Jahr nach Coburg.¹⁶⁰ Als weitere mögliche Erklärung käme auch eine taktische Blockade in Betracht, dies scheint aber unwahrscheinlich, weil kein zweiter Wahldurchgang mit dem Ziel eines positiven Ausgangs angesetzt wurde. Taktische Blockaden sollten den Charakter einer Warnung an die Logenführung haben und nicht Anwärter permanent ausschließen oder ihre Fürsprecher verletzen. „Die Ursache … bekannt zu machen“ bedeutete nicht nur, das eigene Abstimmungsverhalten rechtfertigen zu müssen: Die Loge konnte auf diesem Weg auch neue Informationen gewinnen. In diesem Falle wäre es Aufgabe der Logenoberen gewesen, diesen Erkenntnissen nachzugehen, um Schaden von der Loge abzuwenden. Immerhin war die Ablehnung von Anwärtern in der Außenwirkung ein Akt der Demütigung und bei Nachfragen in der Öffentlichkeit war die Ablehnung aus der Position eines Wissenden einfacher, was nicht heißt, dass die Gründe öffentlich gehandelt werden sollten oder wurden. Ein „Das hat seine Richtigkeit“ hätte schon genügt. Zu einem besonders eindeutigen Fall von Ablehnung kam es Ende Juni 1791:
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 8. Februar 1786, Lehrlingsloge, Bl. 23, S. 1. Vgl. Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel.
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6 Abstimmungsprozesse
Hierauf wurde die Umstimmung für die in lezterer Monatsloge von dem Bruder von Butberg vorgeschlagenen Suchenden, und zwar zu erst für den Herrn von Vittinghof vorgenommen, wo sich alsdenn neun schwarze Kugeln fanden. Hierauf erfolgte die Umstimmung für den vorgeschlagenen Herrn von Schonerth, wobey sich alle Kugeln leuchtend fanden.¹⁶¹
Der Verweis darauf, dass die Gründe für die zahlreichen negativen Stimmen gemeldet werden sollten, fehlt. Eine versehentliche Abgabe negativer Stimmen kann angesichts einer derart hohen Anzahl ausgeschlossen werden. Genau wie der ohne Gegenstimmen angenommene Peter August von Schonert war auch Fromhold Heinrich Baron von Vittinghof (auch „Vietinghof“ geschrieben) von seinem hochadeligen Freund empfohlen worden. Dieser Hintergrund lässt die deutliche Ablehnung eines hochadeligen Anwärters noch außergewöhnlicher erscheinen und deutet zusammen mit der gleichzeitigen Annahme von Schonerts darauf hin, dass sich die Ablehnung der Logenmitglieder tatsächlich auf die Person von Vittinghofs bezog und nicht etwa eine Abneigung gegen von Butberg oder ein Blockadeverhalten den Ausschlag gab. Für die Loge dürfte also als Folge einer derart heftigen Ablehnung die Mitgliedschaft beider Barone auf dem Spiel gestanden haben, denn beide wurden durch den Vorgang massiv in ihrer Ehre angegriffen. Zehn Tage später kam es zu einer erstaunlichen Wendung, der viel Taktieren seitens der Logenleitung vorausgegangen sein dürfte: … nachdem in Rücksicht des von Vittinghof wegen der gefallenen schwarzen Kugeln nicht nur von dem hochwürdigen GroßMeister bezeugt, daß niemand sich gemeldet, welcher etwas gegen ihn einzuwenden gehabt, sondern auch der Ceremonienmeister angezeigt, daß mit den schwarzen Kugeln ein Versehen geschehen; dieselben nicht ausgeschüttet, so wurde einstimmig für dessen Reception erkannt …¹⁶²
Die Erklärung der Abgabe neun Schwarzer Kugeln mittels eines Verfahrensfehlers erlaubte es allen Beteiligten, das Gesicht zu wahren und den drohenden Eklat abzuwenden. Ob tatsächlich eine Nachlässigkeit Ursache des außergewöhnlichen Zwischenfalls war, oder die Beamten hinter den Kulissen ihren Einfluss geltend gemacht hatten, um den drohenden Eklat in letzter Minute abzuwenden, lässt sich nicht mehr feststellen.¹⁶³ Der aus Riga stammende Otto Christoph Baron von
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. Juni 1791, Lehrlingsloge, Bl. 116, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 5. Juli 1791, Lehrlingsloge, Bl. 119, S. 2. Der Verbleib von neun Schwarzen Kugeln im Abstimmungsgefäß vor der Abstimmung hätte aufgrund ihres Gewichts eigentlich auffallen müssen. Zudem waren die Kugeln höchstwahrscheinlich abgezählt. Die vom Zeremonienmeister vorgebrachte Erklärung erscheint daher als wenig glaubwürdig.
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Butberg blieb noch länger in der Loge aktiv; im März 1793 stieg er in den Meistergrad auf.¹⁶⁴
Gründe für die Abgabe Schwarzer Kugeln 1793 kam es während einer Versammlung zu gleich zwei Fällen, anlässlich derer angeblich falsche Informationen und Irrtümer im Nachhinein das Ergebnis der Abstimmung beeinflussten. Der erste Fall ereignete sich bei der Aufnahme von Carl Wilhelm von Brislowiz, einem aus Wien stammenden Jurastudenten: …wurde der in voriger Loge nochmals vorgeschlagene Hr. Brislowiz ballotirt und aufgenommen, inder der hochw[ürdige] GrMstr auch vorher die Br.Br. Mitglieder hatte durch den dienenden Br[uder] Proffe befragen laßen; ob auch jemand noch gegen diese Aufnahme was zu erinnern hätte. Bey der Umstimmung leuchteten die Kugeln alle bis auf eine, die aus Versehen eingeworffen, und sogleich für leuchtend erklärt wurde. Die Pathen für ihn waren die beiden Br.Br. Althof, Kellner und Waagen.¹⁶⁵
Von Brislowiz war dem bereits dargestellten Ablauf von Vorschlag, Abstimmung und Aufnahme gemäß bereits in der vorherigen Loge proponiert worden.¹⁶⁶ Auch bei der zweiten Abstimmung über die Aufnahme eines Anwärters an diesem Tag spielte der Irrtum eine Rolle. Abgestimmt wurde über die Aufnahme des aus Erbach stammenden Jurastudenten Carl Friedrich Weichsel: Zugleich wurde der H[err] Weichsel auf obige Art ballotirt, wobey sich zwey schwarze Kugeln fanden, und zwar aus der Ursache, weil zwey Brüder, die Br.Br. von Vietinghof und v[on] Schwengeln, glaubten, daß er bereits schwarzer Bruder sey, welches aber wiederlegt und die Kugeln gleichfalls für leuchtend erklärt wurden, indem es sich zeigte, daß ein Namensvetter von demselben der vermuthete sey.¹⁶⁷
Studentenorden und Landsmannschaften duldeten keine Freimaurer als Mitglieder und die Freimaurer wiederum wollten nicht mit den studentischen Sozietäten assoziiert werden, da diese von der Obrigkeit besonders kritisch überwacht und verfolgt wurden. Beide Logen versuchten deshalb Doppelmitgliedschaften zu verhin-
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 26. März 1793, Meisterloge, Bl. 139, S. 2. In Riga bestand seit 1750 die Loge Zum Nordstern. Vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 1. Band, S. 33 f.; Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 5. März 1793, Lehrlingsloge, Bl. 138, S. 2. Von Brislowiz war unter der Matrikelnummer 16052 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 332. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 5. März 1793, Lehrlingsloge, Bl. 138, S. 2.
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dern.¹⁶⁸ Angesichts der weiten Verbreitung studentischer Sozietäten schon seit dem 17. Jahrhundert ist allerdings davon auszugehen, dass sich während ihrer Studienzeit auch einige der älteren Mitglieder der Loge Zum goldenen Zirkel in den von der Obrigkeit verfolgten Kreisen bewegt hatten. Von einem der prominentesten Mitglieder der Loge wissen wir es mit Sicherheit: Gottfried August Bürger wurde im Sommer 1767 als Mitglied der „Niedersächsischen Landsmannschaft“ in Halle denunziert.¹⁶⁹ Weichsels Fall verdeutlicht, dass gegen Anwärter votiert wurde, deren Mitgliedschaft man mit den Regeln der Loge als unvereinbar ansah.¹⁷⁰ Bemerkenswert ist, dass der Grund für die Ablehnung scheinbar in der Versammlung diskutiert und widerlegt wurde. 1793 waren die Schwarzen Brüder, auch Harmonisten-Orden genannt, noch immer in Göttingen aktiv. Der ursprünglich aus Jena stammende kleinste der vier bekannteren Studentenorden (Amicisten, Unitisten, Konstantinisten und Harmonisten) hatte laut Deneke seinen Göttinger Ableger Albertine zur Freundschaft erst 1787 eröffnet.¹⁷¹ 1791 wurde der Harmonisten-Orden von Braunschweig aus rektifiziert, indem sich das Gerücht verbreitete, Pythagoras’ System des Ordens der „Literärischen Harmonie“ sei gefunden worden. Zahlreiche Gemeinschaften des Harmonisten-Ordens nahmen ein neues, siebengradiges System an und änderten ihre Namen. So auch in Göttingen. Tatsächlich handelte es sich bei dem neuen System aber um Betrug, die beiden Stifter erbeuteten wohl mehrere hundert Taler.¹⁷² Erst als es 1796 zur Bestrafung von 25 Mitgliedern kam, wurden die Harmonisten in Göttingen wohl endgültig zerschlagen.¹⁷³ Vgl. Zaunstöck, Das Milieu des Verdachts, S. 129, 142. Vgl. Zaunstöck, Das Milieu des Verdachts, S. 28. C. F. Weichsel war unter der Matrikelnummer 16149 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 334. Die Art der Namensgebung verrät bereits eine Nähe zu freimaurerischem Brauchtum. Mitglied des Ordens war auch Philipp Feder, Sohn Johann Georg Heinrich Feders, auf dessen Stammbuch Denekes Nachforschungen zu den Harmonisten basieren. Dem Vater war die Mitgliedschaft des Sohns wahrscheinlich nicht verborgen geblieben. Pikanterweise war 1787 August Gottlieb Richter Prorektor (3. Juli 1787 bis 2. Januar 1788). Feder und Richter waren über den Kurs der Augusta heillos zerstritten, so dass die Mitgliedschaft seines Sohnes in einem der verbotenen Studentenorden Feder zusätzlich belastet haben dürfte. Richter scheint mit den Orden aber relativ liberal umgegangen zu sein. Angesichts der Mitgliedschaft seines Sohnes hat sich wohl auch Richters Nachfolger im Amt des Prorektors (bis 2. Juli 1788) zurückgenommen – es handelte sich um Feder. Deneke, Göttinger Studentenorden, S. 84 f., 87; Ebel, Catalogus Professorum Gottingensium, S. 25: Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jarhundert, S. 220 f., 233 f., 237. Vgl. auch Kap. 8.4. Jeder Grad kostete Geld, die höchsten Grade und die unbekannten Oberen blieben aber unerreichbar. Die Übernahme bestehender Gemeinschaften, der Glaube an unbekannte Obere
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In der Mitgliederliste wird Weichsels Name, anders als im Protokoll, mit zwei „L“ geschrieben. Solche Diskrepanzen zwischen Protokoll und Mitgliederliste sind nicht ungewöhnlich, doch in diesem Fall weist der Schreibfehler auf eine weitere Personalie hin. Neben dem im März 1793 aufgenommenen Carl Friedrich Weichsel findet sich dort auch ein Ferdinand Ernst Weichsel.¹⁷⁴ Nahm die Loge wenige Monate später doch noch den Schwarzen Bruder und Namensvetter Weichsels auf? Wahrscheinlich nicht, denn die Matrikelnummern Carl Friedrichs (16149) und Ferdinand Ernsts (16150) belegen noch heute, dass beide sich gemeinsam an der Universität einschrieben. Dies wiederum lässt auf eine verwandtschaftliche Beziehung der beiden schließen, vermutlich handelte es sich um Brüder oder Cousins.¹⁷⁵ Im Eintrag zur Rezeption Ferdinand Ernst in die Loge ist von einer eventuellen Mitgliedschaft bei den Schwarzen Brüdern denn auch keine Rede.¹⁷⁶ Es wäre falsch, aus der Verwechslung Carl Friedrich Weichsels mit einem Mitglied des studentischen Ordens der Schwarzen Brüder darauf schließen zu wollen, dass die Loge konsequent jeglichen Kontakt mit dem Milieu der studentischen Sozietäten vermieden hätte: Vier Monate vor der Abstimmung über Carl Friedrich Weichsel hatte sich die Loge schon einmal mit einem Anwärter auseinandergesetzt, der ehemaliger Schwarzer Bruder war: … wurde zur Aufnahme des in voriger Loge umstimmten Heinrich Christian Ludwig Gelbcke geschritten, dessen Taufnahme wie bereits gemeldet, Johann Friedrich Gelbckes Sohn, alt 20 Jahr, gebohren d[en] 2ten December seiner Religion lutherisch, bürgerlicher Herkunft, jetzt Freymaurer, gebürtig aus Goslar, beschäftigt mit dem Studio der Medicin, bisher in dem Orden der schwarzen Brüder gewesen, versichert aber auf dem abgelegten Fr[ei] M[aurer] Eid, daß solcher nichts gegen die Religion und Staatsverfaßung enthalte, vielmehr einen guten Zweck habe.¹⁷⁷
und der Mißbrauch von Geldern erinnert sehr an die Strikte Observanz. Vgl. Deneken, Göttinger Studentenorden, S. 88 f. Deneke, Göttinger Studentenorden, S. 92. F. E. Weichsel war unter der Matrikelnummer 16150 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 334. Möglicherweise studierte Carl Friedrich Weichsel Physik unter Lichtenberg. Vgl. Hans-Joachim Heerde, Das Publikum der Physik – Lichtenbergs Hörer, Göttingen 2006, S. 655 f. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. August 1793, Lehrlingsloge, Bl. 143, S. 2 f. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Dezember 1792, Lehrlingsloge, Bl. 134, S. 1.
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Ob es bei der erwähnten Abstimmung über die Aufnahme Gelbckes ebenfalls zur Abgabe negativer Stimmen kam, ist nicht festzustellen.¹⁷⁸ Im erwähnten Protokolleintrag vom sechsten November 1792 werden zwar mehrere Durchgänge von Ballotage erwähnt, Gelbckes Name fällt jedoch nicht. Aufschlussreich ist, dass Gelbcke sich bei seiner Aufnahme nicht ausdrücklich von dem Orden distanzierte, sondern im Gegenteil behauptete, der Studentenorden würde – wie so viele Sozietäten der Zeit – einem guten Zweck dienen. Im Vergleich zur Aufnahme Weichsels verhielt sich die Loge bei der Aufnahme Gelbckes großzügig. Wie die Augusta war also auch die jüngere Göttinger Loge durchaus bereit, ehemalige Mitglieder der Studentenorden aufzunehmen, solange sie unter Eid ihre Mitgliedschaft in den studentischen Sozietäten ausdrücklich für beendet erklärten. Der Fall Weichsel lässt ahnen, warum man sich den studentischen Korporationen gegenüber so ablehnend gab: Sie standen im Ruf, die aufgeklärt-monarchische Staatsform abzulehnen.¹⁷⁹ Weichsel schwor denn auch, nichts mit solchen Gedanken zu tun zu haben. Weichsel profitierte nicht als Einziger vom Meinungsaustausch und Revision der Meinung unter den Mitgliedern. Im Herbst 1783 ersuchte der aus Moringen stammende Friedrich Wilhelm Domeier um Rezeption.¹⁸⁰ Sein Ansinnen wurde mit zwei Schwarzen Kugeln abgelehnt, der Meister vom Stuhl bat darum, ihm den Grund für die Ablehnung anzuzeigen, welcher aber nicht protokolliert wurde. Mehr als ein halbes Jahr findet sich keine weitere Erwähnung Domeiers in den Protokollen, doch der junge Doktor der Medizin hatte seinen Wunsch nicht aufgegeben. Im Juli 1784 versuchte er es erneut, und diesmal schien er im Vorfeld die Unterstützung des Meisters vom Stuhl Jäger gewonnen zu haben: Der hochw[ürdige] Großmeister stellte gegenwärtigen Brüdern nochmals vor, daß der schon vor langer Zeit vorgeschlagene H[err] Domeier aus Moringen, der bei der Umstimmung 2 schwarze Kugeln erhalten, nochmals dringend um die Aufnahme nachgesucht, er glaube daß eine nochmalige Umstimmung vorgenommen werden könne, weil die Ursache welche gegen ihn angeführt nicht so wichtig, daß er gänzlich ausgeschlossen werden könne. Mit der Brüder Genehmigung wurde deshalb die Umstimmung vorgenommen. Die Kugeln leuchteten insgesamt.¹⁸¹
Gelbcke (auch Gelpke geschrieben) war unter der Matrikelnummer 15562 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 322. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 237. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 31. Oktober 1783, Lehrlingsloge, Bl. 117, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Juli 1784, Lehrlingsloge, Bl. 133, S. 2.
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Der Fall veranschaulicht, wie groß teils der Drang war, in eine Loge aufgenommen zu werden: Domeier muss es als Erniedrigung wahrgenommen haben, ein zweites Mal um seine Aufnahme bitten zu müssen. Anderseits scheint das Interesse der Loge groß gewesen zu sein, Honoratioren wie den Arzt Domeier in ihre Reihen aufzunehmen. Jäger argumentiert an dieser Stelle, als hätte seitens Domeiers ein Recht auf Rezeption bestanden, weil sein früheres Vergehen eine dauerhafte Ablehnung nicht rechtfertigte – mit Andersons Harmonieverständnis ist die Argumentation des Vorsitzenden dagegen kaum zu vereinbaren. Dass die Mitglieder der Loge darauf achteten, dass die maurerischen Werte beachtet wurden, zeigte sich auch anlässlich einer Abstimmung über die Weiterführung von drei Lehrlingen in den Gesellengrad im Sommer 1786: In dieser geöffneten Gesellenloge schlug der Hochw[ürdige] die Brüder Pastor Domeier, Kloss und Suther zu Gesellen vor, es wurde deshalb die Umstimmung vorgenommen. Die Kugeln fanden sich für den Br[uder] Domeier leuchtend, für den Bruder Kloss fand sich eine schwarze Kugeln, welche der Bruder Meisner wie er selbst sagte deswegen eingelegt hätte, weil der Bruder Kloss keinen Begriff vom Orden hegte und die Tafelloge für das Beste des Ordens hielte. Der Hochw[ürdige] wollte die Sache in Überlegung ziehen.¹⁸²
Der Einspruch des Jurastudenten Georg Ludwig Carl Meisner führte zur Verschiebung der Weiterführung Gottfried Heinrich Kloss’ um mehrere Monate – der Sekretär des Oberhauptmanns von Hanstein wurde erst im November 1786 zum Gesellen und im Juni 1790 zum Meister befördert.¹⁸³ Über einen eventuellen charakterlichen Wandel Meisners geht aus den Protokollen nichts hervor. Das Prinzip der Einstimmigkeit scheint auch bei der Abstimmung über die Weiterführung gegolten zu haben.¹⁸⁴
Die Meisterwahlen von 1773 und 1774 Im Gegensatz zur Augusta entschieden die Mitglieder Loge Zum goldenen Zirkel jährlich in allgemeiner Wahl, wer ihrer Gemeinschaft vorstehen sollte. Am zwölften Juni 1773 kamen die Gründungsmitglieder der Loge erstmals in der
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Juli 1786, Gesellenloge, Bl. 30, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 7. November 1786 und 25. Juni 1790, Gesellen- und Meisterloge, Bl. 35, S. 2 und 98, S. 1. Der erwähnte Pastor Johann Friedrich Domeier war vermutlich ein Verwandter des bereits erwähnten Friedrich Wilhelm Domeiers. Er war etwa zwölf Jahre älter und stammte ebenfalls aus Moringen.
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Wohnung der Brüder von Hammerstein zusammen.¹⁸⁵ Die offizielle Gründung der Loge am 24. Juni – dem Johannistag – wurde beschlossen, und als erster Meister vom Stuhl der Loge der Rittmeister Georg Gottlieb Maximilian von Hammerstein bestimmt. Hammerstein hatte als einer der aus Halle nach Göttingen wechselnden Studenten die Logengründung mit initiiert. Warum gerade von Hammerstein als Vorsitzender bestimmt wurde, bleibt ungeklärt, doch ein Satz aus dem „Gründungsprotokoll“ ist in diesem Zusammenhang besonders aufschlußreich: §6) Es wurde beschlossen, der ehrwürdige Meister v[om] St[uhl] sollte die Ausgaben der Loge vorstrecken, welches ihm allmählich, so die Loge Geld bekäme abbezahlt werden sollte.¹⁸⁶
Hammersteins Stellung scheint eng mit seiner Finanzkraft zusammengehangen zu haben, zudem traf sich die Loge zuerst in seiner Wohnung.¹⁸⁷ Schon fünf Monate nach Gründung der Loge verkündete von Hammerstein den versammelten Brüdern jedoch: Er hielte es aus wichtigen Ursachen der Loge für zuträglich zu seyn wenn er das Amt, das er bisher bekleidet hätte, niederlegte. Da es aber nothwendig wäre, daß ein neuer Meister vom Stuhl erwählt würde, so schlug er zu diesem Nachfolger den Bruder Meyer vor, und wollte die Brüder ersucht haben, zur Wahl der Candidaten zu schreiten.¹⁸⁸
Das Protokoll verrät nichts über Hammersteins nähere Beweggründe. Als Wunschkandidaten präsentierte der scheidende Vorsitzende Johann Heinrich Christoph Meyer, einen Fähnrich beim Infanterieregiment Sachsen-Gotha, in dem er vermutlich einen Vertrauten sah, der seinen Kurs fortsetzen würde. Die erste protokollierte Meisterwahl fand in zwei Schritten statt: Nachdem die Brüder wegen der Candidaten schriftlich ihre Stimmen gegeben hatten, so fand es sich, daß folgende 3 Brüder durch die mehrsten Stimmen auf die enge Wahl gekommen waren, nemlich die Brüder Dietrichs, Meyer und Compe.¹⁸⁹
Vgl. Kap. 3. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 12. Juni 1773, Gründungsversammlung, Bl. 2, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 12. Juni 1773, Gründungsversammlung, Bl. 2, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. November 1773, Lehrlingsloge, Bl. 10, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. November 1773, Lehrlingsloge, Bl. 10, S. 1.
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Die Wahl durch beschriftete Zettel ist – neben der Abstimmung durch Handzeichen und der Ballotage – das dritte nachweislich durch die Loge verwendete Abstimmungsverfahren. Da nur Mitglieder des Meistergrads wählbar waren, muss es sich Anfang November 1773 um einen noch sehr begrenzten Kreis von Kandidaten gehandelt haben. Nachdem sich drei Meister als besonders aussichtsreich herauskristallisiert hatten, wurde mit Hilfe der Ballotage eine Stichwahl abgehalten: Ueber dieser 3 wurde nun zum Ballottement geschritten, und der Bruder Meyer wurde durch die mehrsten Stimmen zum Meister vom Stuhl erwählt. Der nunmehrige Exmaitre von Hammerstein übergab dem neu erwählten S[ehr] E[hr] W[ürdigen] Meister vom Stuhl die Insignien und alle Brüder huldigten dem S[ehr] E[hr] W[ürdigen].¹⁹⁰
Im Juni 1774 musste sich Meyer zur Wiederwahl stellen, denn seine Amtsübernahme im November bedeutete nicht, dass die jährliche Wahl des Meisters vom Stuhl von nun an im Herbst stattfinden würde; Stichtag blieb vermutlich der zwölfte Juni als Tag der inoffiziellen Logengründung. Der Protokolleintrag ist nicht vollständig datiert; die Versammlung wurde zwischen dem ersten und sechzehnten Juni 1774 abgehalten, denn an diesen Tagen fanden die vorausgehende beziehungsweise folgende protokollierte Versammlung statt.¹⁹¹ Bei der Abstimmung spielte Arnold Heinrich Nicolaus Behm eine zentrale Rolle. Am 13. Februar 1774 wurde Behm als Besuchender Bruder aus der Hamburger Loge Die goldene Kugel in der Göttinger Loge zugelassen und aufgenommen; er war also zum Zeitpunkt der Wahl erst seit kurzem in der Göttinger Gemeinschaft aktiv. Wieder war das Verfahren in einen ersten schriftlichen, und einen zweiten – per Ballotage durchgeführten – Wahldurchgang gegliedert: Es wurden also erstlich, wegen der Wahl des S[ehr] E[hr] W[ürdigen] die schriftlichen Stimmen der sämtlichen anwesenden, Brüder gesamlet, und da fanden sich dann für die Beibehaltung des bisherigen S[ehr] W[ürdigen] 7 Stimmen für den würdigen Bruder Behm 8 __ für den Bruder Wackenessel 3 __ Nachdem also auf diese Art die Wahl auf 3 Brüder fiel, so muste nun vermittelst des Ballottierens ausgemacht werden, welcher von den 3en den Stuhl fürs künftige Jahr erhalten
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. November 1773, Lehrlingsloge, Bl. 10, S. 1 f. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge zum 1. Juni 1774 und 16. Juni 1774, Meister- und Lehrlingslogen, Bl. 20, S. 2 und 22, S. 2
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6 Abstimmungsprozesse
würde. Hierdurch fand sich dann, daß der jetzige S[ehr] E[hr]w[ürdige] auch in der Folge den Stuhl beibehielte.¹⁹²
Es bleibt unklar, ob insgesamt nur 18 Mitglieder der Loge an der Abstimmung teilnahmen oder ob Meyer, Behm und Wackenesel nur die meisten Stimmen auf sich vereinen konnten, und andere Bewerber weniger als drei Stimmen erhalten hatten. Obwohl auf Behm im ersten Wahldurchgang die meisten Stimmen entfallen waren, setzte er sich in der anschließenden Ballotage nicht durch. Wahrscheinlich waren Wähler aus dem Lager Wackenesels gewechselt, und hatten bei der Ballotage den bisherigen Meister vom Stuhl Meyer unterstützt, nachdem klar war, dass Wackenesel die Abstimmung nicht gewinnen würde. Nach der Abstimmung wandte sich der in einem Amt bestätigte Vorsitzende Meyer an die Mitglieder der Loge. Er fragte … die Brüder, ob jemand von ihnen noch etwas gegen die neue Wahl auszusezzen hätte, und da die Brüder durch ihr Stillschweign ihren völligen Beifall zu erkennen gaben, so ermahnete der S[ehr] E[hrwürdige] die sämtlichen Brüder, daß sie doch in der Folge, Freundschaft, Liebe, Einigkeit, und diejenige Verehrung gegen den Stuhl, die sie ihm schuldig sind, beobachten mögten.¹⁹³
Der Appell deutet darauf hin, dass innerhalb der Versammlung eine spürbar angespannte Atmosphäre geherrscht haben muss. Meyer erkannte, dass der knappe Wahlausgang Konfliktpotential mit sich brachte und appellierte deshalb als Vorsitzender an die Einigkeit der Gemeinschaft. Doch Mahnung und Bitte fanden wenig Beachtung. Außerhalb der Loge muss es unter den Unterstützern Behms zur Absprache gekommen sein; ob Behm selbst an dieser Absprache teilnahm, ist nicht bekannt. Schon beim nächsten Treffen am 16. Juni kam es zum offenen Konflikt:
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom Juni 1774, Lehrlingsloge, Bl. 21, S. 1. Als weiteres Beispiel für das Protokoll einer Meisterwahl sei an dieser Stelle auf das Protokoll der Gothaer Loge Zum Kompaß vom 27. Dezember 1791 (GStA PK, 5.2. G39, Nr. 78) verwiesen. Dort heißt es: „Hierauf wurde zur Wahl des Ehrwürdigsten geschritten und der ehrw[ürdige] Br[uder] von Helmold von neuem wieder auf Ein Jahr zum Meister vom Stuhl erwählt. Zum Bestand auf die Fälle, da er abwesend seyen würde ernannte der Ehrwürdigste den Bruder Welker, der alsdann statt seiner den Hammer zu führen; zum Br[uder] 1ster Vorsteher ernannt der Ehrw[ürdige] d[en] Br[uder] Bertuch, u[nd] zum Br[uder] 2ter Aufs[eher] den Br[uder] Madelung. Zum Schatzmeister wurde durch Mehrheit der Stimmen erwählt der Br[uder] Becker ….“ Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom Juni 1774 (während der ersten beiden Juniwochen).
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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In der letzten Versammlung der Brüder wurde durchs Ballottement dem würdigen Brüder Fändr[ich] Meyer der Stuhl zuerkannt. Ob nun gleich diese Wahl nicht umgestossen worden, indes die Brüder durch Aufhebung der Hände ihren Beifall zu erkennen gegeben hatten, so glaubten doch nachher verschiedene Brüder Ursache zu haben diese Wahl nicht für gültig anzusehen, weil in der Wahl theils wegen der Mehrheit der schriftlichen Stimmen dem Bruder Behm der Stuhl gebühre, theils auch weil der würdige Br[uder] Fändr[ich] Meyer für seine eigene Person 2 Kugel hergegeben hätte. Die Brüder glaubten also, weil der Br[uder] Behm schon die meisten schriftlichen Stimmen gehabt hätte, das Ballottement an sich wäre unnötig gewesen, und der Br[uder] Meyer könnte also den Stuhl nicht beybehalten. Ferner glaubten einige Brüder noch andere Ursachen zu haben, wodurch sie sich für berechtigt hielten, eine neue Wahl zu veranstalten.¹⁹⁴
Der Vorwurf, dass Meyer bei der Abstimmung zwei Kugeln für sich selbst eingeworfen habe, lässt sich nicht mehr überprüfen. Angesichts der überschaubaren Menge von Abstimmenden hätte eine überzählige Kugel schon bei der Auszählung auffallen müssen, was den Vorwurf als konstruiert erscheinen lässt. Der Verweis auf die „anderen Ursachen“ als eigentlichen Grund der Opposition scheint somit näher an den tatsächlichen Hintergründen zu liegen. Der eigentliche Grund für die Verstimmung war wahrscheinlich die Durchführung eines zweiten Wahldurchgangs, nachdem Behm den ersten Durchgang gewonnen hatte.
Der Streit entzündete sich also an einem Abstimmungsprozess, der nach dem Rücktritt Hammersteins und der erstmaligen Wahl Meyers einige Monate zuvor noch nicht kritisiert worden war. Vor diesem Hintergrund erscheint der an Meyer gerichtete Vorwurf als Versuch, dem zweiten Wahldurchgang nachträglich die Legitimität abzusprechen. Hätte Behm die Ballotage gewonnen, wären vermutlich keine Betrugsvorwürfe aufgekommen. Die zweifelhaften Vorwürfe gefährdeten die Einheit der Loge, da sie Meyer – und somit auch seine Anhänger – als Betrüger darstellten und in ihrer persönlichen Ehre beschädigten. Der Vorsitzende traf eine wohl unvermeidliche Entscheidung: Da nun hierauf unter den Brüdern verschiedene Uneinigkeiten entstanden, so hielt es der Br[uder] Meyer für gut, sich nicht nur gegen alle ihre genannten Vorwürfe zu vertheidigen, sondern auch, um alle Zwistigkeiten zu vermeiden, den Stuhl, der ihm zukam, zu verlassen, und den Brüdern eine andere Wahl bewerkstelligen zu lassen.¹⁹⁵
Meyer beugte sich dem Druck. Er gab den Vorsitz der Loge auf und verließ sogar den Raum, um allen eventuellen Vorwürfen, er würde auch die zweite Wahl Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. Juni 1774, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. Juni 1774, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 2.
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6 Abstimmungsprozesse
Abbildung 4: Die Wahl des Vorsitzenden in der Loge „Zum goldenen Zirkel“, Eintrag vom Juni 1774, Lehrlingsloge (GStA PK, FM, 5.2. G31, Nr. 81, Bl. 21, S. 1) © GStA PK.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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manipulieren, zuvor zu kommen. Behm dagegen scheint im Raum geblieben zu sein und an der Wahl teilgenommen zu haben. Im Hinblick auf die der Versammlung zweifellos vorausgegangene Absprache ist dieser Einblick erhellend, machte Behms Verhalten doch allen Anwesenden klar, dass er der Meinung war, sich korrekt verhalten zu haben. In Abwesenheit des Vorsitzenden leitete der deputierte Meister Georg Justus Rudolf Wackenesel (auch „Weekenesel“ geschrieben), ein Advokat und Notar, die Wahl: Nun wurden also erstlich die schriftlichen Stimmen der Brüder gefordert, vermöge welchen alsdann die Brüder Behm, Meyer und Müller in Vorschlag kamen. Durchs Ballottement aber erhielt der Br[uder] Behm den Sitz des Stuhls. Da nun durch diese neue Wahl sich die Br[üder] vereinigt und sie weiter nichts mehr vorzutragen hatten, so wurde die Loge geschlossen.¹⁹⁶
War nach der Wahl Meyers die Ballotage noch kritisiert worden, so hatte diesmal das in einer zweistufigen Abstimmung ermittelte Ergebnis Bestand, was erneut darauf hindeutet, dass die Kritik am Ablauf der Wahl Meyers vorgeschoben war. Über den Umweg einer Kritik am Verfahren wurde eine demokratische Entscheidung revidiert: Allein das Ergebnis zählte.¹⁹⁷ Der mutmaßliche Druck, der zum Rücktritt Hammersteins geführt hatte, und die Umstände bei der Abwahl seines Vertrauten Meyer deuten zusammen darauf hin, dass viele Mitglieder der Loge unzufrieden mit der ursprünglichen Führungsriege der Loge waren. Trotz der anfänglichen inneren Konflikte folgte auf Behms Wahl eine lange Phase der Kontinuität: Der neugewählte Meister vom Stuhl sollte das Amt 9 Jahre lang inne haben. Die Protokolle der Zeit zwischen 1775 und 1779 sind nicht erhalten, so dass unklar bleibt, welchen Raum die Meisterwahlen dieser Zeit in den Protokollen eingenommen haben. Die Eintragungen aus den Jahren 1780 und 1781 deuten darauf hin, dass die (Wieder)wahl des Vorsitzenden in der Zwischenzeit zu einer Nebensächlichkeit geworden war, denn sie nimmt in den Protokollen deutlich weniger Raum ein als noch 1774. Der Eintrag aus dem Jahr 1780 belegt dies anschaulich: Darauf trug der H[och] w[ürdige] Br[uder] Behm den Brüdern vor daß da die Stiftungsfeier vorgenommen werden müßte die Receptions Loge geschlossen werden könnte, weil die Zeit sonst zu kurz fallen würde worin die Brüder willigten. Der bestellte Secretair mußte alsdann den Auszug der Wahlzettel vorlesen woraus denn erhellet daß der bisherige h[och] w[ürdige]
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. Juni 1774, Lehrlingsloge, Bl. 23, S. 1. Ein Verhalten, dass dem durch die Logenoberen ausgeübten Druck bei Abstimmungen zu Aufnahme und Weiterführung gleicht.
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6 Abstimmungsprozesse
Br[uder] Behm wieder zum Großmeister, der würd Br[uder] Lieut[enant] Meyer zum deput[irten] Meister, der würd[ige] Br[uder] Printzhausen zum 1ten Aufseher, und der würd[ige] Br[uder] Doctor Jäger zum 2ten Aufseher ernannt war. worin die Brüder willigten. Der Hochw[ürdige] dankte darauf den Brüdern für ihr Zutrauen, übernahm den Hammer und hielt eine Rede.¹⁹⁸
Durch Abgabe von Zetteln hatten die Mitglieder der Loge den Meister vom Stuhl, seinen Stellvertreter und die beiden Vorsteher gewählt. Dabei deutet der Protokolleintrag darauf hin, dass die Wahl nicht mehr in der Loge stattfand, sondern die Stimmzettel bereits im Vorfeld eingesammelt worden waren. Auch der kritisierte zweite Wahldurchgang durch Ballotage scheint entfallen zu sein – hier hatte man scheinbar auf die (vorgeschobene) Kritik, die zur Abwahl Meyers geführt hatte, reagiert. Diese Veränderung des Wahlverfahrens war sehr im Sinne Behms, legitimierte die Reform doch im Nachhinein die während der Abwahl Meyers vorgebrachte Kritik.¹⁹⁹ Während der folgenden Ämtervergabe wird deutlich, dass Behm scheinbar sehr autoritär auftrat: Darauf übertrug der H[och] W[ürdige] die dep[utierte] Stelle dem erwählten Br[uder] Lieutenant Meyer, vorher ließ er sich aber durch ein feierliches Gelübde die Versicherung geben, die Acten nie aus seinen Händen zu geben, oder daraus etwas abzuschreiben, im Fall sie ihm übergeben würden …²⁰⁰
Im folgenden Jahr scheint Behms Machtanspruch weiter gewachsen zu sein. Unmittelbar nach der Verlesung der Beamtenstellen für das Jahr 1781 verkündete er eine wichtige Neuerung: D. H[och] W[ürdige] schritt nach geendigter Rede zur Ernennung der Beamten Stellen. Zum deput[ierten] Meister ___ Jäger Zum Br[uder] 1ter Aufseher Printzhausen Zum Br[uder] 2ter Aufseher Klinge
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Februar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 1. Als weitere zwischen 1774 und 1779 vorgenommene Änderung erscheint der Wahltermin. Hatte in der Gründungszeit der Loge noch das erste Treffen der Logenmitglieder Anfang Juni beziehungsweise die erste Versammlung am Johannistag 1773 als Stiftungstag gegolten, wurde die Wahl nun in einer Versammlung am Anfang des Jahres abgehalten, an der der Stiftungstag gefeiert wurde. Dies hing möglicherweise mit dem Eintreffen der langerwarteten Konstitutionsurkunde Ende 1774 bzw. Anfang 1775 zusammen, lässt sich aber mangels der Protokolle nicht nachprüfen. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Februar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 1.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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Zum Br[uder] Sekretarius Oppermann Zum Br[uder] Redner Bürger Zum Br[uder] Schatzmeister v[on] Klock Zum Br[uder] Ceremonienmeister v[on] Ramdohr D[er] H[och] W[ürdige] las vorher ein §6 der Gesetze vor, wodurch er sich legitimierte, daß er das Recht hätte, selbst d[ie] deputierte Meister Stelle eigenhändig zu vergeben. Nachdem nun der hochw[ürdige] Großmeister die Besetzung der Beamten Stellen vorgenommen, und diese ihre Plätze eingenommen, danke er dem abgegangenen Secretaire Haken für seine treu geleisteten Dienste, welcher sich die Erlaubniß ausbat eine AbschiedsRede zu halten.²⁰¹
Meyer verlor die Position des deputierten Meisters, Behm erkor Johann Heinrich Jäger zu seinem Stellvertreter. Diese Praxis scheint sich 1782 fortgesetzt zu haben, denn Behm forderte die Brüder auf, „… einen neuen Logen Meister, nebst einen Aufseher zu wählen …“ ²⁰² Die Wahl eines deputierten Meisters wurde dagegen nicht erwähnt.
Behms Abwahl 1783 und die Amtszeit Jägers Auch 1783 behielt Behm sich die Auswahl des deputierten Meisters vom Stuhl vor: Den Brüdern wurde ferner angezeigt daß sie die Wahl des Groß Meister 1ten und 2ten Aufsehers auf einen Zettel schreiben mögen, er sollte ihm durch den dienenden Bruder nächstens abgeholt werden.²⁰³
Der Eintrag bringt Klarheit über den Ablauf der Meisterwahl: Die Stimmzettel wurden im Voraus und außerhalb der Versammlung von einem der dienenden Brüder eingesammelt.²⁰⁴ Wer die Auszählung übernahm und wie sichergestellt wurde, dass das Ergebnis in der vergleichsweise langen Zeit zwischen Einsammlung der Zettel und Verkündung des Ergebnisses nicht manipuliert wurde, bleibt unklar. Angesichts der – wenn auch vermutlich nur vorgespielten – Empörung über Meyers vermeintliche Manipulation der Ballotage 1774 ist die Nutzung dieses noch anfälligeren Verfahrens nicht nachvollziehbar.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. Februar 1781, Lehrlingsloge, Bl. 45, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Januar 1782, Lehrlingsloge, Bl. 74, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 26. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 98, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Februar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 1.
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6 Abstimmungsprozesse
Bei der Auszählung der Stimmen erlebte Behm eine Überraschung: … der hochw[ürdige] Bruder machte den Brüdern bekannt, daß bei der Wahl des hochw[ürdigen] Großmeisters die meisten Stimmen auf den hochw[ürdigen] dep[utierten] Meister Jäger gefallen wären, und nahm von sämtlichen Brüdern zärtlichen Abschied. Dem hochw[ürdige] dep[utierte] Meister Jäger übergab der bisherige Logen Meister Behm den Hammer, und bewilkommt denselben im Nahmen der Loge, ebenfalls übergab er ihm das Zeichen des Großmeisters, und bat sich aus alles was Logen Sachen beträfe, nehmlich Acten Aegis u[nd] d[er] gl[eichen] abholen zu lassen. Hierauf bat sich der abgegangene hochw[ürdige] Logen Meister die Erlaubnis aus der Loge auf heute zu decken ….²⁰⁵
Behm reagierte auf das unerwartete Ergebnis erschüttert. Hinzu kam, dass – aufgrund von Rezeption und anschließender Weiterführung des Anwärters Friedrich August Wolf – der Großmeister der Hildesheimer Loge Köppe anwesend war.²⁰⁶ Hätte Behm gewusst, wie die Meisterwahl ausgehen würde, wären die Rezeption beziehungsweise der Besuch Köppes wohl auf einen anderen Tag gelegt worden, um die Demütigung zu vermeiden. Um zu verstehen, wie es nach neun Jahren zur überraschenden Abwahl des Vorsitzenden kam, hilft ein vergleichender Blick auf die Amtszeit Jägers. In der zwei Wochen nach Behms Abwahl stattfindenden Logenversammlung zur Feier des neunten Stiftungstags der Loge wurden die Ämter neu besetzt: Der hochw[ürdige] GroßMeister … fing die Feier mit einer Rede an, und ließ das Lied: Richter freygeschaffener Geister durch den Br[uder] Ehrhardt vorsingen. Nach gehaltener kurzen Rede ließ der hochw[ürdige] Logenmeister die Constitution vorlesen, und die Beamten mußten ihre Beamtenzeichen auf den Altar der Loge legen. Hierauf fuhr der hochw[ürdige] Groß Meister in seiner Rede fort, und schritt darauf zur Besetzung der Beamtenstellen. Den bisherigen Br[uder] 2ten Aufseher Martens schlug der hochw[ürdige] Logen Meister zum deputierten Meister vor, und sämtliche Brüder gaben durch Ausstreckung der Hände ihren Beifall dazu. Ferner schlug der hochw[ürdige] GroßMstr. zum 2ten Aufseher den Bruder Waagen vor, er stellte es aber den Brüdern anhin ob sie ihn dazu haben wollten oder nicht, und ließ zu dem Ende Zettel umhergeben worauf die Brüder den Nahmen desjenigen aufschreiben mußten, den sie zum 2ten Aufseher bestimmten. Bei Eröffnung dieser Wahlzettel fand sich, daß die Stimmen sämtlich auf den Bruder Waagen gefallen waren.²⁰⁷
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 14. Januar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 99, S. 2. Vgl. Kap. 5. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Februar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 100, S. 2. Das Lied „Richter freigeschaffener Geister“ wurde regelmäßig bei den Stiftungsfesten der Loge vorgetragen. Vgl. Maurerische und gesellschaftliche Lieder zum Gebrauch der Großen LandesLoge von Deutschland in Berlin und ihrer Tochter-Logen, Berlin 1817, S. 5.
6.2 Kontinuität und Schwarze Kugeln
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Jäger versuchte die versammelten Logenmitglieder wieder mehr in die Besetzung der Ämter einzubinden. Dabei schlug er die seiner Meinung nach geeigneten Mitglieder zur Wahl vor und die versammelten Brüder segneten seine Vorschläge durch Handzeichen ab; im Fall des zweiten Aufsehers Friedrich Ludwig Heinrich Waagen mit der oben benannten Abstimmung durch Zettel. Dass die Loge dem Vorschlag einstimmig folgte, deutet darauf hin, dass sich die Mitglieder nach neun Jahren unter dem Vorsitz Behms nach einem harmonischen Übergang sehnten. Diskussionen über die Ämtervergabe blieben aus, stattdessen vollzog sich in den meisten Fällen eine Rotation: Der Bruder Waagen, der wegen der Wahl der Loge gedeckt hatte, mußte wieder zur Loge kommen, und wurde ihm nachdem der bisherige Bruder 1ter Aufseher Prinzhausen in seine Stelle wieder eingesetzt, die Stelle des 2ten Aufsehers übertragen. Dem Bruder Leschen wurde aufgetragen die Stelle des Aufsehers zu bekleiden im Fall es sich ereignen sollte, daß einer derselben fehle. Die Führung des Secretairs wurde dem Bruder Droz und die Geschäfte wenn dieser abwesend sollte, dem Bruder Oppermann aufgetragen. Die Stelle des Redners bekam der bisherige Ceremonienmeister von Ramdohr, die des Schatzmeisters der zeitherige Bruder Schatzmeister von Klock und der Bruder Wiese wurde ihm zum Gehilfen gesetzt. Die Stelle des Ceremonienmeisters wurde dem Bruder Amtmann Heinsius, und in dessen Abwesenheit dem Amtsschreiber Heinsius übertragen.²⁰⁸
Auch in den folgenden Jahren setzte Jäger auf Kontinuität. Nachdem er 1783 die Logenmitglieder gefragt hatte, ob ihnen Georg Friedrich Martens als deputierter Meister genehm wäre, bestätigte er denselben in den folgenden Jahren scheinbar ohne die Loge erneut zu befragen. Jägers Amtsführung war somit nicht demokratischer als die unter Behm; er nahm das von Behm eingeforderte Recht, den deputierten Meister ohne allgemeine Wahl selbst ernennen zu dürfen, weiterhin in Anspruch.Wäre das eigenmächtige Ernennen des deputierten Meisters die einzige Ursache für die Abwahl Behms gewesen, so hätte die Loge nun auch Jäger absetzen müssen. Aber dazu kam es nicht. Man schien sich mit Jägers einbindender Amtsführung arrangiert zu haben. Bei den Wahlen 1784 und 1785 wurden der deputierte Meister Martens sowie die beiden Aufseher Printzhausen und Waagen durch Jäger und die Loge in ihren Ämtern bestätigt.²⁰⁹ 1786 ersetzte Hans Carl August von Helmolt den zweiten Aufseher Waagen.²¹⁰ 1787, 1788 und 1789 wurde
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Februar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 100, S. 2 f. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 3. Februar 1784 und 8. Februar 1785, Lehrlingslogen, Bl. 125, S. 1 und 2, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 8. Februar 1786, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 2.
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6 Abstimmungsprozesse
Jäger zusammen mit den Aufsehern Printzhausen und von Helmolt als Großmeister wiedergewählt. Der deputierte Meister Martens wurde durch Jäger in diesen Jahren stets bestätigt.²¹¹ Die Ballotage im Rahmen der Meisterwahl wurde nicht wieder eingeführt. 1790 wurden Jäger und die beiden Aufseher zum siebten Mal wiedergewählt. … verlaß der hochw[ürdige] Gr[oß] Mstr. ein Schreiben von dem bisherigen hochw[ürdigen] dep[utierten] Mstr. Martens, worin derselbe sein bisheriges Logen Amt niederlegte und um Erlaubniß bat seine Besuche einschrenken zu dürfen, worauf dann der bisherige Ceremonien Meister Althof zum deputierten Meister, ich wiederum zum Secretair, der Bruder Redner Bürger wiederum zum Redner, der Bruder Kellner zum Schatzmeister, der Bruder Meisner zum Ceremonien Meister und der Bruder Waagen zum einführenden Bruder ernannt.²¹²
Die Gründe für Martens‘ Ausscheiden waren vermutlich privater Natur; in den Protokollen findet sich kein Hinweis auf Konflikte. Ersetzt wurde er durch den bisherigen Zeremonienmeister Ludwig Christoph Althof.²¹³ Auch 1791 und 1792 änderte sich an der Führung der Loge nichts: Jäger blieb Meister vom Stuhl, Printzhausen und von Helmolt fungierten als Aufseher, Althof blieb der deputierte Meister.²¹⁴ Bei der letzten Wahl 1793 wurde Jäger im Amt bestätigt.²¹⁵
6.3 Oberflächliche Partizipation? Die Durchführung von Abstimmungen in beinahe jeder Versammlung ist ein Beleg für den hohen Grad von Aktivität und Partizipation innerhalb der beiden Göttinger Logen. Die gemeinschaftliche Entscheidungsfindung war Alltag in den Logen der Leinestadt. Die beiden Gemeinschaften verwendeten dabei mehrere Abstimmungsverfahren: Handzeichen, das Nachfragen durch die Vorsteher in der Loge Augusta, die Ballotage und die Einsammlung von mit Namen beschrifteten
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Februar 1787, Lehrlingsloge, Bl. 38, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Februar 1790, Lehrlingsloge, Bl. 90, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Februar 1790, Lehrlingsloge, Bl. 90, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 1. Februar 1791 und vom 7. Februar 1792, Lehrlingslogen, Bl. 107, S. 1 und 126, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 5. Februar 1793, Lehrlingsloge, Bl. 138, S. 1.
6.3 Oberflächliche Partizipation?
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Zetteln bei der jährlichen Wahl des Vorsitzenden im Goldenen Zirkel. Neben der Aufnahme immer neuer Rezipienten spielte die Zustimmung zur Weiterführung der Mitglieder eine maßgebliche Rolle für das Gemeinschaftsleben und zeugt gleichsam von einer hohen Durchlässigkeit des Gradsystems. Die Analyse der in Kapitel Fünf beschriebenen Abläufe hat verdeutlicht, dass bei Aufnahmen und Weiterführungen vor allem solche Personen außergewöhnlich bevorzugt behandelt wurden, die entweder selbst über hohes Ansehen verfügten oder Kontakte zu angesehenen Persönlichkeiten unterhielten.²¹⁶ Vor diesem Hintergrund war nicht davon auszugehen, dass die Entscheidungsträger der Logen für ergebnisoffene Abstimmungen eintraten, denn die Ablehnung eines prestigeträchtigen Anwärters hätte schwerwiegende Konsequenzen für die Gemeinschaft nach sich ziehen können. In Kapitel Fünf wurde aber auch deutlich, dass die Begünstigung einflussreicher Personen durchaus Konfliktpotential enthielt – die Logenoberen mussten folglich einen Ausgleich finden zwischen den Ansprüchen einflussreicher Anwärter und ihren eigenen, es ging aber auch um die höher geordneten Ziele der Loge auf der einen und dem Gerechtigkeitsempfinden der Mitgliederbasis auf der anderen Seite.Vor allem in der Augusta rechtfertigte der Meister vom Stuhl Koppe Innen- und Außenwirkung seiner Amtsführung in kurzen Ansprachen immer wieder, wobei die aus der Bevorzugung Einzelner für die Gemeinschaft entstehenden Vorteile erläutert wurden, um Streitigkeiten vorzubeugen und die Mitglieder der Gemeinschaft auf das gewünschte Ergebnis der Abstimmung einzuschwören – die Ansprachen zielten also auf zwei Effekte ab.²¹⁷ Unter Koppes Vorsitz wurden viele neue, überwiegend studentische Mitglieder aufgenommen; der Anteil junger und ortsfremder Mitglieder stieg an.²¹⁸ Gefahr drohte bei den Abstimmungen aber nicht nur, wie man vielleicht erwarten würde, von renitenten jüngeren Brüdern, die sich gegen die Aufnahme eines weiteren älteren, gutsituierten Mitglieds auflehnten – vielleicht sogar nur, um zu testen, wie weit sie gehen konnten. Die ältere Loge war – auch da sie kurz nach Ende des Siebenjährigen Kriegs gegründet worden war – ursprünglich eng mit der bürgerlichen Gesellschaft Göttingens verbunden; es bestand ein Kern aus lang-
In dem Protokolleintrag zur Rezeption Ernst Friedrich von Schlotheims wurde diese Denkweise deutlich sichtbar.Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 26 Oktober 1782, Lehrlingsloge, Bl. 73, S. 2 f. Hier sei erneut auf die Aufnahme Johann Heinrich von Scheithers verwiesen, von dessen hohem Ansehen die Augusta zu profitieren hoffte. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 18, S. 2 ff. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 16 f.Vgl. auch das unter 3. beschriebene Schreiben Koppes vom 4. März 1781. Schwedenkiste, 18. Band, Dok. 103.
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6 Abstimmungsprozesse
jährigen Mitgliedern. Ein Teil dieser alteingesessenen Mitglieder sah in Koppes Kurs nicht vorrangig eine Stärkung der Mitgliederbasis, sondern eine Gefahr für ihre Deutungshoheit hinsichtlich des zukünftigen Kurses der Loge, weil die langjährigen Mitglieder immer mehr zur Minderheit innerhalb der Gemeinschaft wurden.²¹⁹ Selbst in auf Prestige und Vernetzung basierenden Gemeinschaften, in denen die Bevorzugung hochrangiger Persönlichkeiten Vorteile für alle Mitglieder mit sich brachte, herrschte unter Teilen der Brüder also ein Gefühl der Benachteiligung. Diesen Bedenken musste Rechnung getragen werden, denn aus einer negativen Interpretation der Abläufe konnte sich, egal ob durch junge oder langjährige Mitglieder, eine Haltung entwickeln, die Abstimmungen zu einem Vabanquespiel machte, und so Einheit und Bestand der Loge als Ganzes gefährdete. Um diesem Szenario vorzubeugen, bedurfte es Verfahrens- und Verhaltensweisen, mit deren Hilfe das Wahlverhalten der Logenmitglieder bei Abstimmungen gelenkt werden konnte. Daher ist davon auszugehen, dass die verschiedenen Wahlverfahren nicht zufällig deckungsgleich mit den Interessen der Logenoberen verwendet wurden. In beiden Gemeinschaften wurden Abstimmungen zu verschiedenen Anlässen eine jeweils höhere beziehungsweise niedrigere Bedeutung zugemessen. Besonders anschaulich wird dies auf organisatorisch-technischer Ebene: Über die den sozialen Stand einer Person verändernden Aufnahmen und Weiterführungen wurde in der Regel ballotiert (bzw. nachgefragt), der Zugang von Besuchern dagegen per Handzeichen entschieden. Die unterschiedliche Wertigkeit ist auf den ersten Blick ersichtlich: Über Entscheidungen mit langfristigen Folgen, welche die Struktur der Loge verändern konnten, wurde durch die Ballotage abgestimmt, während kurzfristige Entscheidungen, die keine bleibenden oder nur eine geringe Auswirkungen auf die Logenstruktur hatten, per Handzeichen getroffen wurden. Das Erste verlangt möglichst Konsens, also Einstimmigkeit; das Zweite wird zur Routine. Beide Verfahren müssen über Charakteristika verfügt haben, die sie den Oberen als für den jeweiligen Anlass besonders geeignet erschienen ließen. Ausgehend von der formulierten Prämisse ist zu vermuten, dass der Ablauf der Ballotage besser kontrolliert und gegebenenfalls nachjustiert werden konnte als die Abstimmung durch Handzeichen, beide Verfahren aber durch die Logenoberen gelenkt wurden.²²⁰
Vgl. Kap. 8.4. Da Abstimmungen per Handzeichen und Ballotage von beiden Logen am häufigsten verwendet wurden, wird sich die weitere Untersuchung vorrangig auf sie konzentrieren.
6.3 Oberflächliche Partizipation?
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Handzeichen in der Augusta Charakteristisch für die Abstimmung durch Handzeichen ist die fehlende Anonymität: Jedes Mitglied konnte sich während der Abstimmung ein Bild vom Abstimmungsverhalten seiner Mitbrüder machen. Daraus wiederum resultierte die Möglichkeit, sich in Gruppen zu formieren und gemeinsam Abstimmungen scheitern zu lassen. Gleichzeitig bedeutete die fehlende Anonymität jedoch auch, dass jeder negativ Abstimmende den Logenoberen sofort bekannt war und mit kritischen Nachfragen rechnen musste. Auch deshalb war das Verfahren für schnelle Entscheidungen, wie sie beim Besuch von auswärtigen Brüdern häufig auftraten, ideal: Es war nicht nur unkompliziert, sondern negativ Abstimmende mussten sich sofort äußern – offene Fragen oder Kritik konnten so sofort thematisiert werden. In den erhaltenen Dokumenten der Augusta findet sich kein einziges Protokoll, in dem eine Abstimmung per Handzeichen gescheitert wäre – egal ob es um den Zugang Besuchender Brüder oder die Aufnahme neuer Mitglieder ging. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass Abstimmungen entweder nur dann abgehalten wurden, wenn ihr positiver Ausgang als sicher galt, oder wenn man sich hinreichend sicher glaubte, das gewünschte Ergebnis durch Beeinflussung herbeiführen zu können. Am außergewöhnlichen Beispiel des Bremer Studenten Schumacher wurde dies besonders deutlich. Sein Versuch, Zugang zur Loge zu erhalten, scheiterte zunächst nicht an der Ablehnung durch die Mitglieder der Loge, sondern bereits im Vorfeld an der Intervention Koppes und – wenn in dem Beispiel auch nicht erwähnt – möglicherweise weiterer Mitglieder des vierten Grades. Einerseits wird erneut deutlich, dass grundsätzliche Entscheidungen in der Augusta getroffen wurden, bevor die „einfachen“ Mitglieder überhaupt informiert wurden. Gleichzeitig muss Koppes einmonatiges Warten auf den von ihm angemahnten charakterlichen Wandel Schumachers auch als Versuch gewertet werden, den Bremer Studenten überhaupt erst „abstimmungsfähig“ zu machen. Erst als er Schumacher nach einigen Wochen als präsentabel ansah, machte er den Fall den Mitgliedern der Loge bekannt und stellte ihn zur Diskussion. Das wiederum setzte alle Beteiligten unter Druck, denn nun hätte jede negative Stimme nicht nur bedeutet, sich gegen die Empfehlung der Logenoberen zu stellen, sondern auch dem Erfolg von Koppes persönlichen Bemühungen zu misstrauen. Für die Untersuchung des Abstimmungsverhaltens wäre Schumachers Fall noch interessanter gewesen, wenn er ohne Koppes vorherige Intervention zur Entscheidung gekommen wäre.Wussten die Mitglieder der Loge von Schumachers Verhalten oder erhielten sie ihre Informationen erst von Koppe, als dieser über den charakterlichen Wandel des Studenten dozierte? Wie wäre die Abstimmung
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6 Abstimmungsprozesse
ausgegangen, wenn Koppe Schumachers Wunsch nur bekanntgemacht hätte, im Vorfeld aber nicht auf eine charakterliche Wandlung hinwirkte? Die anlässlich des Übertritts eines bis dahin Besuchenden ungewöhnliche Intervention Koppes lässt darauf schließen, dass Schumacher – hätte Koppe unmittelbar nach dessen Meldung abstimmen lassen – wohl durch die Mitglieder der Loge abgelehnt worden wäre, zumindest wäre das Risiko dafür hoch gewesen. Demzufolge war das öffentliche Auftreten Schumachers zumindest Teilen der Loge vermutlich bekannt – ein deutliches Indiz dafür, wie eng verflochten die Lebensbahnen der Einwohner Göttingens damals waren. Geschickt vermied der Meister vom Stuhl eine Auseinandersetzung mit der Bremer Loge, eine Demütigung des Studenten und vermutlich auch die Ablehnung eines Anwärters, den er vorgestellt hatte – und zu dessen Aufnahme er sich aufgrund der Beziehungen Schumachers nach Bremen wohl auch genötigt sah. Auch im Vorfeld der Rezeptionen Ludwig Timotheus Spittlers und Heinrich Philip Sextrohs wurde per Handzeichen abgestimmt. Im ersten Fall ersetzte man so die Nachfrage durch die Vorsteher, im zweiten die Ballotage.²²¹ Dass Spittler und vermutlich auch Sextroh enge Bekannte Koppes waren, dürfte der Mehrzahl der Logenmitglieder bewusst gewesen sein – ihre gemeinsame Mitgliedschaft im Illuminatenorden dagegen nicht. Deutlich sichtbar wurde die enge Bekanntschaft im Vorfeld der Aufnahme Spittlers, für die Koppe sich deutlich aussprach und die ihm offenbar ein persönliches Anliegen war.²²² Ein weiteres Beispiel für die einleitend angesprochene Theorie Luhmanns von der „Umstrukturierung des Erwartens“. ²²³ Jedem Anwesenden muss klar gewesen sein, wie er abzustimmen hatte. Aufgrund der deutlichen Empfehlung Koppes wurde die Abstimmung über Spittlers Aufnahme von den Logenoberen vermutlich als Formalität angesehen – mit Widerspruch aus den Reihen der Mitglieder rechnete man nicht. So wählte man mit den Handzeichen das schnellste und unkomplizierteste Abstimmungsverfahren. Gleichzeitig übte das Abstimmungsverfahren Druck auf die Mitglieder der Loge aus, indem „öffentlich durch Aufhebung ihrer Hände“ abgestimmt wurde, und jeder negativ Abstimmende sofort allen Logenmitgliedern bekannt gewesen wäre.
Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 27. Dezember 1782 und 23. Oktober 1783, Lehrlingslogen, Bl. 78, S. 2 f. und 97, S. 2 f. Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 78, S. 2 sowie Kap. 8.4. Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 36 f.
6.3 Oberflächliche Partizipation?
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Bei der Verwendung der Wahlverfahren verhielt sich die Augusta also teils ähnlich wie bei der Bevorzugung durch Abkürzung der Wartezeit: Ging es um die Aufnahme einer einflussreichen Persönlichkeit, deren Mitgliedschaft von den Oberen gewollt war, konnte es nicht nur zur Abkürzung der Wartezeit vor der Abstimmung kommen, sondern in manchen Fällen auch zur Verwendung eines unkomplizierten und schnellen Abstimmungsverfahrens.²²⁴ Dies galt scheinbar insbesondere dann, wenn persönliche Interessen der Logenoberen betroffen waren. Bestand Gefahr, dass eine Abstimmung negativ ausfallen könnte, versuchten die Logenoberen bereits im Vorfeld, Einwänden zu begegnen und Ursachen zu beseitigen, denn jede negative Abstimmung war auch ein sichtbares Zeichen dafür, dass die Mitglieder nicht den Empfehlungen ihrer Oberen gefolgt waren.
Handzeichen in der Loge Zum goldenen Zirkel Die Loge Zum goldenen Zirkel verwendete die Abstimmung per Handzeichen meist, um über den Zugang von Besuchern zu entscheiden. Auch in den Dokumenten der jüngeren Loge lässt sich beobachten, dass die Logenoberen davon ausgingen, dass der Wunsch nach Besuch der Loge bewilligt wurde. So wartete der Besucher Budholtz während der Abstimmung bereits vor der Loge.²²⁵ Den bis dahin Besuchenden Brüdern Melard und Korck wurde mittels Handzeichen der Übertritt in die Göttinger Gemeinschaft gestattet.²²⁶ Abweichendes Verhalten ließ sich dagegen im Zusammenhang mit Besuchern der Strikten Observanz beobachten. Zwar wurden auch hier der Baron von Öttingen und der Herr von Brangel unmittelbar nach der Abstimmung in die Loge geführt, doch in anderen Fällen scheint man sich hinsichtlich des Ergebnisses der Abstimmung nicht so sicher gewesen zu sein.²²⁷ Über den Besuch Jacob Georg von Bergs, eines Mitglieds der Loge Augusta, wurde in der Lehrlingsloge – unmittelbar
Weder Spittler noch Sextroh hatten vor ihrer Rezeption eine mehrwöchige Überprüfung ihrer Charakters über sich ergehen lassen müssen – vor ihrer jeweiligen Rezeption finden sich ihre Namen nicht in den Protokollen. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. September 1779, Lehrlingsloge, Bl. 8, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 27. September 1780, Lehrlingsloge, Bl. 36, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Mai 1781, Lehrlingsloge, Bl. 53, S. 2.
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nach einer Meisterloge – durch die Meister abgestimmt.²²⁸ So wären die Folgen eines negativen Abstimmungsergebnisses zumindest soweit abgeschwächt worden, dass der Besucher nicht von der Schwelle der Loge gewiesen worden wäre. Auch hätte man Zeit gehabt, in Gesprächen doch zu einem positiven Ergebnis zu kommen. Anscheinend wurden die Beziehungen zur Augusta vorsichtiger gehandhabt als die zu auswärtigen Logen der Strikten Observanz – man wollte die Verhältnisse zur zweiten Göttinger Loge offenbar nicht dem möglicherweise impulsiven Verhalten junger Brüder überlassen. Ein solcher Fall ereignete sich im Frühjahr 1784, als der Geselle Johann Daniel Scheller einem angekündigten Besucher der Strikten Observanz den Zugang verweigerte.²²⁹ Schellers Gründe waren persönlicher Natur und hatten vermutlich nichts mit dem Besucher an sich zu tun: Laut Protokoll war ihm schon mehrfach der Wunsch nach einem Besuch der Augusta verwehrt worden.²³⁰ In den Protokollen der Augusta findet sich kein Hinweis darauf, dass Scheller um einen Besuch gebeten hätte, so dass sein Zuritt vermutlich – wie zunächst auch im Falle Schumachers – von den Logenoberen schon im Vorfeld abgelehnt wurde, ohne dass die Mehrheit der Brüder überhaupt in Kenntnis gesetzt wurde. Zu welchem Ergebnis Jäger und Scheller in ihrem Gespräch gelangten ist den Protokollen nicht zu entnehmen, doch bereits in der nächsten Versammlung wünschte ein Hofrat namens Geisler – ebenfalls Mitglied der strikten Observanz – die Loge zu besuchen.²³¹ Ein Zufall – oder hatte eine Aussprache zwischen Jäger und Schneller eine Lösung erbracht? Diesmal ließ Jäger die Mitglieder der Loge über den Wunsch mittels der Ballotage entscheiden, und erneut sprach sich ein Mitglied der Loge gegen das Ansinnen aus.²³² Da die Loge Zum goldenen Zirkel die Anwesenheit ihrer Mitglieder nicht im Protokoll festhielt, lässt sich nicht mehr klären, ob Scheller bei dieser Abstimmung anwesend war und somit als Urheber der negativen Stimme in Frage kommt. Die Ablehnung durch Ballotage, wie im Falle Geislers geschehen, ist ungewöhnlich und beweist, dass auch die Loge Zum goldenen Zirkel in Ausnahmesi Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 30. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 61, S. 2. Der Name des Mitglieds der Strikten Observanz wird in dem Eintrag nicht genannt. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. März 1784, Lehrlingsloge, Bl. 126, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. März 1784, Lehrlingsloge, Bl. 126, S. 1. In der Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen finden sich zwei Personen mit dem Namen Geisler, die als um den Besuch Nachsuchende in Frage kommen. Ob Geisler und der um Zutritt Bittende aus dem Vormonat identisch sind, bleibt leider unklar. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. April 1784, Lehrlingsloge, Bl. 126, S. 2.
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Abbildung 5: Der Geselle Johann Daniel Scheller verweigert einem Besuch von Mitgliedern der Strikten Observanz seine Zustimmung. Protokoll der Loge „Zum goldenen Zirkel“, Eintrag vom 16. März 1784, Lehrlingsloge (GStA PK, FM, 5.2. G31, Nr. 82, Bl. 126, S. 1) © GStA PK.
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tuationen von der üblichen Zuordnung ihrer Wahlverfahren zu spezifischen Anlässen abwich. Der Vorsitzende Jäger reagierte, indem er den negativ abstimmenden Bruder zum Gespräch bat. Auch über dieses Gespräch erfährt der Leser der Protokolle nichts, doch lassen die Eintragungen erkennen, dass das Mitglied der Loge wohl auf seiner verneinenden Position beharrte, denn ein Besuch Geislers ist in den Protokollen nicht verzeichnet. Damit scheint gesichert, dass die Zustimmung zum Einlass Besuchender Brüder einstimmig ausfallen musste und manche Mitglieder ihr Vetorecht auch in Anspruch nahmen. Aufschlussreich ist die Beobachtung, dass die Loge Augusta bei den Aufnahmen Spittlers und Sextrohs statt der Nachfrage bzw. der Ballotage das weniger formelle Handzeichen benutzte, die Loge Zum goldenen Zirkel dagegen bei der Entscheidung über den Zugang eines Besuchers statt des Handzeichens die Ballotage verwendete. Die Vermutung drängt sich auf, dass die ältere Loge durch die Verwendung eines simplen Wahlverfahrens wichtige Entscheidungen abwertete, während die jüngere Loge einen weniger wichtigen Anlass aufwertete. Ob die Augusta der Entscheidungsfindung durch ihre Mitglieder tatsächlich weniger Bedeutung zumaß, sollte offen bleiben, denn die Quellen sagen wenig über das Leben außerhalb der Logen. Wir wissen nicht, welches Bild die Antragsteller, über die abgestimmt werden sollte, in der Öffentlichkeit abgaben. Auch das konnte – wie oben gezeigt – durchaus Auswirkungen auf die Abstimmungsverfahren haben. In der jüngeren Göttinger Loge scheint der Umgang mit Abstimmungen durch Handzeichen dagegen demokratischer abgelaufen zu sein. Zwar machte der Fall Budholtz’ deutlich, dass seitens der Oberen normalerweise nicht mit negativen Ergebnissen gerechnet wurde, anderseits fanden sich aber Fälle, in denen Abstimmungen durch Handzeichen scheiterten, so dass Mitglieder auch ohne den Schutz der Anonymität ihrer abweichenden Meinung Ausdruck verliehen. Dies ist ein Indiz dafür, dass die Mitglieder der Loge vergleichsweise frei abstimmen konnten.
Ballotage in der Augusta Aus den bisherigen Beobachtungen zu Anlässen, Geschwindigkeit und „Wertigkeit“ der beiden primär verwendeten Abstimmungsverfahren lässt sich klar ableiten, dass es aus Sicht der Logenoberen von größter Wichtigkeit war, den Ausgang der Ballotage zu beeinflussen. Das bis Anfang 1783 in der Augusta übliche Nachfragen durch die Vorsteher bot aus Sicht der Logenoberen den Vorteil, dass die Mitglieder der Loge in ihrem Abstimmungsverhalten sofort namentlich bekannt waren – eine Parallele zum Handzeichen. Jedes negativ abstimmende
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Mitglied stand somit unter hohem Rechtfertigungsdruck. Die Ballotage garantierte dagegen jedem Abstimmenden zunächst einmal ein gewisses Maß an Anonymität – und damit auch Entscheidungsfreiheit. Der Einzelne konnte sich gegen die Aufnahme oder Weiterführung auch der einflussreichsten Personen auszusprechen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Theoretisch stiegen damit zunächst Einfluss und Macht der Mitgliederbasis – sehr zum Nachteil der unter Umständen ganz anders taktierenden Logenoberen. Diesem Effekt sollten in der Augusta zwei Kontrollmechanismen entgegen wirken: Erstens ein Zweiklassenwahlrecht, das – als noch mittels der Nachfrage abgestimmt wurde – allem Anschein nach nicht üblich war. Es setzte die unteren Grade doppelt unter Druck: Einerseits fand jede Abstimmung der Lehrlinge und Gesellen nun in dem Bewusstsein statt, dass die beiden Meistergrade und die Logenoberen sich bereits für den Anwärter beziehungsweise Weiterzuführenden ausgesprochen hatten. Anderseits bevorzugte das Zweiklassenwahlrecht die beiden Meistergrade: Während ihren Bedenken im Gespräch begegnet werden sollte, setzte man gegenüber Lehrlingen und Gesellen auf Konfrontation und Gruppenzwang. Als zweiten Kontrollmechanismus führte man deshalb wohl auch eine Rechtfertigungspflicht für die unteren Grade ein. Die erste Fassung der in den Protokollen beschriebenen Abstimmungsregeln sprach noch davon, dass der Meister vom Stuhl für negative Stimmen der ersten zwei Grade eine Begründung verlangen konnte. Später galt jede negative Stimme der niederen Grade automatisch als zu begründende Fehlentscheidung, das positive Abstimmungsergebnis wurde so zum Standard erklärt und die aus Sicht der Oberen negativen Aspekte der Ballotage mittels der nun verlangten Begründungen weitgehend neutralisiert. Trotz dieser Vorkehrungen kam es in einigen Fällen dennoch zur Abgabe Schwarzer Kugeln. Insgesamt wurden allerdings nur zwei Anwärter nachweislich abgelehnt; meistens erbrachte der zweite Abstimmungsdurchgang das gewünschte einstimmig positive Ergebnis. Bei diesen Fällen könnte es sich um den Hinweis handeln, dass die Logenoberen die Abstimmung nicht ausreichend vorbereitet hatten, oder aber um taktische Blockaden seitens sich übergangen fühlender Brüder. Anschauliches Beispiel waren die Geschehnisse im Rahmen der Ballotage über die Anwärter Stromeyer und von Berlepsch im Januar 1792, bei denen jeweils eine negative Stimme im ersten Durchgang abgegeben wurde.²³³ Auch im Fall des Herrn Fink aus Hessen kam es zur Abgabe einer negativen Stimme, allerdings in
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1792, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 50, S. 1.
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beiden Durchgängen.²³⁴ Damit hätte sein Wunsch nach Aufnahme, trotz der Fürsprache Spittlers für den „feurigen“ jungen Mann, als abgelehnt gelten müssen. Dafür, dass es trotzdem zu seiner Aufnahme kam, gibt es zwei mögliche Erklärungen: Der negativ votierende Lehrling beziehungsweise Geselle wagte es nicht, seine Haltung gegenüber Spittler zu begründen, oder Spittler setzte sich über die verneinende Stimme einfach hinweg. Dass man es mit den Regeln in den späteren Jahren der Loge nicht mehr so genau nahm, zeigt Spittlers Forderung, dass der negativ Votierende sich innerhalb eines Tages bei ihm zu melden hätte – ein Verstoß gegen die Regelung von 1783, die eine Frist von zwei Wochen vorsah. Auch bei der Ballotage über den nicht weiter bezeichneten Anwärter Mühlenpford kam es im ersten Abstimmungsdurchgang zur Abgabe von zwei Schwarzen Kugeln, bevor er im zweiten Durchgang einstimmig akzeptiert wurde.²³⁵ Auch hier könnte es sich um eine taktische Blockade gehandelt haben, doch wie in den anderen Fällen auch, ist nicht mehr nachvollziehbar, ob die Blockade das Ziel der negativ Abstimmenden war oder ob sie im zweiten Abstimmungsdurchgang, im Bewusstsein, mit ihrer Ansicht weitgehend isoliert dazustehen, den Widerstand aufgaben. Nur die Anwärter Avianus, Oppermann, Hildebrandt und Hermann wurden tatsächlich abgelehnt: Avianus und Hermann erhielten in Lehrlingslogen jeweils drei negative Stimmen, Oppermann vier und Hildebrandt drei in einer Meisterloge.²³⁶ Die vier Beispiele verbindet das Fehlen eines Hinweises darauf, dass im Nachgang durch den Meister vom Stuhl nach den Gründen für die Abgabe der vergleichsweise hohen Anzahl negativer Stimmen gefragt worden wäre. Angesichts von drei oder mehr negativen Stimmen scheint es – der Vergleich zum Fall Mühlenpfords macht dies deutlich –, ohne Nachhaken durch den Vorsitzenden zur Ablehnung des Anwärters gekommen zu sein. Bei den Ergebnissen der Abstimmungen in der Augusta spielte also eine psychologische Komponente eine wichtige Rolle: Wies die Stimmabgabe auf potentiell starken Widerstand hin, verzichteten die Oberen auf Nachfragen oder den Versuch, ein positives Ergebnis durchzusetzen. Im Bewusstsein, Mitglied einer qualifizierten Minderheit zu sein, hätten negativ Abstimmende unter Umständen mehr Rückgrat gegenüber den Wünschen der Logenoberen bewiesen und wären erheblich schwerer umzu-
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 9. Januar 1793, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 60, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Februar 1793, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 61, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 2. Februar 1785, 5. September 1792, 4. Januar 1786 und 5. März 1783, Lehrlingslogen, Bl. 110, S. 2, (Im Protokollbuch des IV. Grad) 56, S. 1, 120, S. 1 und 84, S. 1.
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stimmen gewesen. Trotz der Implementierung einschneidender Regeln im Zusammenhang mit der Einführung der Ballotage, waren der Meister vom Stuhl und die übrigen Oberen nicht allmächtig. Es deutet sich vielmehr an, dass es zu den Führungseigenschaften gehörte, Stimmungen im Bruderbund zu erspüren, zu erkennen und gegebenenfalls vorsichtig lavierend, steuernd zu (be)handeln. Konfrontationen und Eklat sollten vermieden werden.
Negative Voten im Goldenen Zirkel Die im Vergleich zur Augusta größere Anzahl von Protokolleinträgen, die die Abgabe Schwarzer Kugeln beschreiben, lässt die jüngere Loge Zum goldenen Zirkel ein weiteres Mal als die – nach heutigem Verständnis – demokratischere der beiden Gemeinschaft erscheinen. Ein näherer Blick auf die untersuchten Beispiele zeigt darüber hinaus, dass die jüngere Loge ihren Umgang mit Abstimmungen über die Zeit ihres Bestehens aufrecht erhalten hat. Die Untersuchung der Protokolle aus den ersten beiden Jahren verdeutlichte, dass es in der Frühzeit der Loge nach der Proposition eines Anwärters sehr zügig zur Abstimmung kam.²³⁷ Am Beispiel Christoph Bernhard Schückings ließ sich dieser Prozess präzise verfolgen: Unmittelbar nachdem er von Christian Wilhelm Brandis vorgeschlagen worden war, wurde über seine Aufnahme ballotiert.²³⁸ Seine Rezeption erfolgt nur vier Tage später.²³⁹ Eine Überprüfung der Eignung des Anwärters im Sinne der Freimaurerei fand nicht statt; dem Ziel des schnellen Aufbaus einer stabilen Mitgliederbasis mussten sich auch die Ansprüche an die Anwärter unterordnen. Um vakante Stellen besetzen zu können, gab der Vorsitzende von Hammerstein im Protokoll vom Juli 1773 eine klare Linie, basierend auf den Bedürfnissen der Loge, vor.²⁴⁰ Diese Art von Beeinflussung findet sich sonst eher in den Protokollen der Augusta. Und wie in der älteren Loge auch, folgten die Mitglieder der jüngeren Gemeinschaft dem von ihrem Vorsitzenden vorgegebenen Kurs: Trotz zahlreicher rascher Neuaufnahmen ist in den Protokollen der Jahre 1773 und 1774 kein Fall verzeichnet, in dem ein Anwärter durch die Ballotage
Vgl. Kap. 5. Zur Einführung eines Überprüfungszeitraums zwischen Proposition und Abstimmung kam es erst zwischen 1774 und 1779. Vgl. Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 14. und 18. September 1773, Lehrlingslogen, Bl. 8, S. 2 und 9, S. 1. Hieraus erklärt sich, zumindest zum Teil, die rasche Weiterführung der in den ersten Jahren der Loge Rezipierten bis in den Meistergrad. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. Juli 1773, Lehrlingsloge, Bl. 5, S. 1.
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abgelehnt worden wäre. Einzig das Beispiel Johann Friedrich Christian Ottes, dem die Weiterführung in den Meistergrad verweigert wurde, beschreibt ein negatives Abstimmungsergebnis. Insgesamt erscheint somit die Handhabe der Rezeption, und der mit ihr verbundenen Ballotage, in den ersten Jahren als wenig formalisiert und sehr frei. Dies änderte sich, nachdem die Gemeinschaft sich fest etabliert, und die Mitgliederzahl sich erhöht hatte. Mit dem Wachstum änderte sich das Verhalten, man scheint wählerisch geworden zu sein. Im Vorfeld der Weiterführung in die höheren Grade wurde auch nach 1779 unmittelbar nach der Bekanntmachung des Anliegens ballotiert, wie am Beispiel Casparis und Johann Friedrich Ordelins deutlich wurde.²⁴¹ Im Ablauf der Rezeptionen hatte dagegen eine grundlegende Änderung stattgefunden, die aufgrund der fehlenden Protokolle nicht präzise chronologisch verortet werden kann. Nun wurden vor der Ballotage nicht nur Informationen über die Anwärter eingeholt, was die Wertigkeit der Abstimmung immens steigerte, sondern die Mitglieder der Loge verliehen auch häufig ihrer Ablehnung im Rahmen der Abstimmungen Ausdruck – der Druck, eine breit aufgestellte Mitgliederbasis aufzubauen, war verschwunden. Dies ist ein unerwartetes Ergebnis, entwickelte sich die Freimaurerei im deutschsprachigen Raum doch insgesamt von einer anfangs elitären, zu einer von einer breiten bürgerlichen Schicht getragenen Bewegung.²⁴² Hier ist im kleinen eine scheinbar gegenteilige Tendenz zu erkennen – es stellt sich daher die Frage, ob die zahlreichen Neugründungen der zweiten Jahrhunderthälfte – und damit die Verbreitung der Freimaurerei insgesamt – nicht auch unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden müssen, dass sie in Städten mit weniger in Fluktuation befindlicher Sozialstruktur als Göttingen oftmals die einzige Chance für an der Freimaurerei Interessierte boten, überhaupt noch einer Loge beizutreten, da die bereits etablierten sich zu immer elitäreren Gemeinschaften entwickelt hatten.²⁴³ Eine weitere Abweichung zur Augusta wurde im Zusammenhang mit der Aufnahme bzw. dem Übertritt vormals Besuchender Brüder deutlich.Während die ältere Loge an dieser Stelle per Handzeichen entschied, haben die Fälle Joh(ann) Ernst Gottfried Kleemanns und Friedrich Gottlieb Carl Diethrichs anschaulich
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 13. Oktober 1779, Gesellenloge, Bl. 10, S. 1. Vgl. Kap. 3. So riskierten die älteren Brüder in der Augusta im Streit mit dem Vorsitzenden der Johannisgrade wissentlich den Bruch der Loge – man wollte lieber unter sich bleiben als zu viele Studenten aufzunehmen und langsam die Deutungshoheit über den Kurs der Gemeinschaft zu verlieren. Vgl. Kap. 8.4.
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gezeigt, dass die Loge Zum goldenen Zirkel hier die Ballotage verwendete.²⁴⁴ Aus dem Protokolleintrag zur Wiederaufnahme Johann Conrad Bansas ging das verwendete Abstimmungsverfahren nicht hervor, die Formulierung deutet aber darauf hin, dass in diesem ungewöhnlichen Fall ein einfacheres Verfahren wie Handzeichen verwendet worden sein könnte – eben weil Bansa – vergleichbar einem in die höheren Grade Weiterzuführenden – bekannt war.²⁴⁵ Auch für die jüngere Loge gilt also, dass Abstimmungen, in deren Rahmen negative Stimmen abgegeben wurden, für die Untersuchung ihres Charakters besonders aufschlussreich sind. Zwar hat das erste hier beschriebene Beispiel des Johann Friedrich Christian Otte keine Hinweise darauf geliefert, welche Anzahl negativer Stimmen 1774 seine Abstimmung scheitern ließ, doch zeigte es deutlich, dass auch in der Frühzeit der Loge Bedenken zur Verweigerung der Zustimmung führen konnten, und nicht jeder Wunsch nach Aufnahme und Weiterführung nur deshalb erfüllt wurde, weil die Loge dabei war, ihre Mitgliederbasis aufzustocken. Erst das anlässlich der Ballotage über die Rezeption Knorres verfasste Protokoll beschrieb, dass, wie in der Augusta auch, einstimmige Abstimmungsergebnisse erwünscht waren. Ob es sich bei der von Philipp Georg Frankenberg eingeworfenen Schwarzen Kugel tatsächlich um ein Versehen handelte, oder ob er angesichts eines eben nur beinahe einstimmig positiven Ergebnisses seine Meinung revidierte – also den eigenen Wunsch nach Einstimmigkeit höher bewertete als das Ergebnis mit einer Gegenstimme –, lässt sich nicht mehr feststellen.²⁴⁶ Ähnlich gestaltete sich zwölf Jahre später die Rezeption Carl Wilhelm von Brislowiz. Auch hier kam er zur Abgabe einer negativen Stimme, die sich jedoch sofort als angeblicher Irrtum herausstellte – das Prinzip der Einstimmigkeit blieb demnach wohl bis zur Auflösung der Loge bestehen.²⁴⁷ Eine auffällige Differenz zur Augusta stellt das konsequenten Nachfragen bezüglich der Ursachen für negative Stimmen durch den Vorsitzenden dar. Bei bis zu zwei ablehnenden Stimmen war diese Praxis auch in der Augusta üblich, doch nur die jüngere Loge bestand selbst in den Fällen, in denen mehr als zwei negative Stimmen abgegeben worden waren, darauf, dass die negativ Votierenden ihr
Vgl. Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 3. November 1779 und 6. September 1791, Lehrlingslogen, Bl. 12, S. 1 und 121, S. 2 f. Vgl. Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. November 1779, Lehrlingsloge, Bl. 12, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 21. Februar 1781, Lehrlingsloge, Bl. 47, S. 1 f. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 5. März 1793.
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Stimmverhalten gegenüber Vorsitzendem und Beamten begründeten.²⁴⁸ In manchen Fällen scheint es nach der Begründung tatsächlich nicht mehr zur Rezeption gekommen zu sein – die Einwände waren offenbar akzeptiert worden oder es gelang den Logenoberen nicht, die negativ Votierenden umzustimmen. Ein aus den Dokumenten der Augusta nicht näher identifizierbarer Professor Frisberg wurde dort nach Abgabe von vier negativen Stimmen ebenso wenig rezipiert wie der Anwärter Meine, der sogar mit fünf Schwarzen Kugeln abgelehnt wurde.²⁴⁹ In anderen Fällen ordneten die Logenoberen die Rezeption trotz der Bedenken einiger Mitglieder an. Gegen die Rezeption Carl Friedrich Weichsels sprachen sich zwei Logenbrüder aus, die als Begründung seine angebliche Mitgliedschaft im Studentenorden der Schwarzen Brüder vorbrachten. Weichsels Fall ist damit der einzige, bei dem die gegen einen Anwärter geäußerten Bedenken im Protokoll festgehalten sind. Beide Logen gestatteten ihren Mitgliedern keine Mitgliedschaft in den Studentenorden und sahen private Kontakte zu deren Mitgliedern nur ungern.²⁵⁰ Der Einspruch gegen Weichsels Aufnahme wurde mit der Begründung abgelehnt, dass ein Namensvetter Mitglied des Studentenordens gewesen sei – offenbar war man in der Loge sehr gut über die studentischen Sozietäten der Stadt informiert – es müssen also Kontakte bestanden haben.²⁵¹ Auch nach der gescheiterten Abstimmung zur Rezeption Heyes äußerte der Vorsitzende, dass die ihm durch die drei negativ Votierenden mitgeteilten Bedenken nicht ausreichten.²⁵² Unklar bleibt, ob die zuvor negativ Votierenden akzeptierten, dass ihre Einwände nicht berechtigt waren, oder ob der Vorsitzende ihre Einwände überging. Dass auf eine Wiederholung der Ballotage verzichtet wurde, deutet auf Zweiteres hin. Die Formulierung, dass Heye aufgrund der „eingelauffenden Ursachen“ die Mitgliedschaft nicht verwehrt werden könne, macht deutlich, dass die Begründung einer negativen Stimme nicht automatisch zu ihrer Akzeptanz durch die Oberen führte. Aus Sicht der Oberen scheint eine Art Anspruch auf Mitgliedschaft in der Loge bestanden zu haben, wenn keine – als schwerwiegend genug geltenden – Gründe dagegen sprachen. Man war bei allem Streben nach persönlicher Vervollkommnung bereit, Fehler und Schwächen zu
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 5. Dezember 1781 und 8. Februar 1786, Lehrlingsloge, Bl. 138, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 15. August 1781 und 8. Februar 1786, Lehrlingslogen, Bl. 61, S. 1 und 23, S. 1. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 220. Demzufolge muss es Berührungen gegeben haben. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 19. Dezember 1781, Lehrlingsloge, Bl. 71, S. 2 f.
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akzeptieren um neue Brüder zu gewinnen. Abweichende Meinungen mussten sich unterordnen. Dieses Anspruchsdenken wurde im Fall Friedrich Wilhelm Domeiers ein weiteres Mal deutlich. In einem ersten Anlauf lehnte die Loge seinen Wunsch nach Aufnahme mit zwei negativen Stimmen ab, die nach der üblichen Nachfrage durch den Vorsitzenden offenbar zunächst akzeptiert wurden. Dennoch wollte der Mediziner weiterhin in die Loge aufgenommen zu werden.²⁵³ Seine Beharrlichkeit sorgte für einen einzigartigen Fall – in den Dokumenten der Augusta findet sich kein weiteres Beispiel für einen Anwärter, der trotz Ablehnung weiter auf seine Rezeption drang – und sein Ziel sogar erreichte. Denn als Domeier sich erneut bewarb, wurden die von den ursprünglich negativ Votierenden angegebenen Gründe, die damals seine Rezeption verhindert hatten, als „nicht so wichtig“ bezeichnet. Im Gegensatz zum Fall Heyes wurde die einige Monate zuvor gescheiterte Rezeption nun nachgeholt – und damit eine durch die Gemeinschaft getroffene Entscheidung nachträglich missachtet. Ob sich in der Zwischenzeit Domeier oder seine Umstände geändert hatten, bleibt unklar. Die Ereignisse im Vorfeld der Rezeptionen Heyes und Domeiers scheinen dem bereits angesprochenen Punkt, dass die Loge Zum goldenen Zirkel mit der Zeit immer höhere Ansprüche an Anwärter stellte, zu widersprechen. Beide Fälle verbindet, dass der Vorsitzende (und die Beamten) nicht die Argumente einzelner Mitglieder nachvollzogen, welche die Anwärter für ungeeignet hielten. Ein entscheidender Unterschied zwischen den Fällen Heyes und Domeiers könnte der zwischenzeitliche Wechsel des Vorsitzes von Behm zu Jäger sein. Während Heyes Rezeption durch die vergleichsweise grobe Abkanzlung der drei negativ Votierenden in der nächsten Versammlung erreicht wurde, ließ Jäger sich Zeit und stellte sich weniger direkt gegen die erhobenen Einwände. Für beide Fälle gilt, dass die beiden Vorsitzenden das anleitende Gebaren ihres Pendants Koppe übertrafen: Wie der Meister vom Stuhl bei der Augusta gaben sie gewünschte Ergebnisse vor. Während Koppe sich aber außerhalb der Loge mit Einwänden auseinandersetzte, taten Behm und Jäger die Befürchtungen einiger Mitglieder vor der Versammlung als unbegründet ab. So steht Koppes konziliante Amtsführung in der Augusta ein eher öffentlich-konfrontatives Vorgehen im Goldenen Zirkel gegenüber. Auch in der jüngeren Loge war letztendlich die Meinung der Logenoberen ausschlaggebend. Im Vergleich zur Frühzeit der Loge fand gleichwohl eine Auseinandersetzung mit dem Charakter und Fehlern der Anwärter statt: Die An-
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 31. Oktober 1783 und 6. Juli 1784, Lehrlingslogen, Bl. 117, S. 1 und 133, S. 2.
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sprüche an Anwärter waren gestiegen, wurden aber letztlich von den Logenoberen definiert. Auch im Vorfeld der Rezeption des Kaufmanns Johann Heinrich Jordan wurden Einwände durch die Beamten nicht akzeptiert; anders als bei Heye oder Domeier kam es aber anscheinend nicht zur Darstellung der vorgebrachten Bedenken als ungenügend. Stattdessen wurde in einer bemerkenswerten Entscheidung die Bewertung des Wahlausgangs temporär umgewandelt; mittels Mehrheitswahlrecht wurde die Aufnahme des Kaufmanns gegen die Einwände eines einzelnen durchgesetzt.²⁵⁴ Den negativ Abstimmenden hatte man offenbar nicht überzeugen können, was ein einstimmiges Ergebnis unmöglich machte. Warum man derart interessiert an der Aufnahme Jordans war, bleibt unklar. Das Vorgehen war dem Klima innerhalb der Loge sicher nicht förderlich, zumal einige Zeit später die Exklusion Jordans wegen seines schlechten Finanzgebarens die vorgebrachten Bedenken nachträglich gerechtfertigt zu haben scheint.²⁵⁵ Die mit Abstand meisten negativen Stimmen in den Dokumenten der Loge erhielt Fromhold Heinrich Baron von Vittinghof.²⁵⁶ Auch hier deutet sich eine Parallele zum Verhalten der Augusta an. Der beschriebene Verfahrensfehler („nicht ausgeschüttet“) erscheint aus mehreren Gründen wenig glaubwürdig: Am Gewicht und am Geräusch beim Einwurf der ersten Kugeln hätte auffallen müssen, dass das Gefäß zuvor nicht ordnungsgemäß entleert worden war. Angesichts der großen Anzahl Schwarzer Kugeln ist anzunehmen, dass die Ursachenforschung der Verantwortlichen sofort begann. Deshalb stellt sich die Frage, warum der Fehler nicht sofort nach der gescheiterten Abstimmung erkannt, besprochen und ausgeräumt wurde, sondern man erst 10 Tage später diskutierte.²⁵⁷ Durch die verzögerte Reaktion entsteht der Eindruck, dass hinter den Kulissen nach einem Weg gesucht wurde, wie man den aus Prestigegründen katastrophalen Ausgang der Abstimmung annullieren konnte. Eine Ablehnung des jungen Barons hätte einen Eklat auslösen können und wahrscheinlich zum Austritt seines Freundes Otto Christoph von Butberg, ebenfalls ein Baron, geführt. Eine Bevorzugung des adeligen Anwärters deutet sich an. Der möglicherweise vorzubringende Einwurf, dass sich kein Mitglied der Loge gemeldet hatte, um seine negative Haltung zu begründen, trifft an dieser Stelle kaum zu. Zum einen ist nicht verzeichnet, dass
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. Januar 1789, Lehrlingsloge, Bl. 73, S. 2. Vgl. Kap. 7. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. Juni 1791, Lehrlingsloge, Bl. 116, S. 1 f. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 5. Juli 1791, Lehrlingsloge, Bl. 119, S. 2.
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Jäger zur Rechtfertigung aufgerufen hätte. Anderseits wäre nachvollziehbar, dass bei neun negativen Stimmen die Mitglieder nicht davon ausgingen, sich überhaupt noch rechtfertigen zu müssen – die Ablehnung war in ihrer Deutlichkeit einzigartig.
Meisterwahlen Zu der jährlichen Wahl des Vorsitzenden der Loge Zum goldenen Zirkel findet sich in der Augusta keine Entsprechung. In der älteren Loge wurde der Vorsitzende von den Beamten und Mitgliedern des vierten Grades („schottische Konferenzloge“) vorgeschlagen und anschließend von der altschottischen Loge Carl zum Purpurmantel bestätigt, oder – wie Wacker 1779 – abgesetzt.²⁵⁸ In der jüngeren Loge entschieden die Mitglieder gemeinsam, wer die Gemeinschaft im kommenden Jahr führen würde. Die Wahl des ersten Vorsitzenden von Hammerstein wird in den Protokollen nicht beschrieben, der erste Eintrag im Protokollbuch stellt lediglich fest: „§1) Der Bruder von Hammerstein wurde zum Meister vom St[uhl] erwählt“. ²⁵⁹ Der vierte und sechste Paragraph erweisen sich aber als aufschlussreich in Bezug auf von Hammersteins Stellung während des Gründungsprozesses: §4) Die Brüder kamen auf dem Saale des Bruders von Hammerstein zusammen, die Loge wurde eröfnet; man gab derselben den Nahmen Zum güldenen Zirckel.
Und unter Paragraph Sechs: Es wurd beschlossen, der Ehrwürdige Meister v[om] St[uhl] sollte die Ausgaben der Loge vorstrecken, welches ihm allmählich, so wie die Loge Geld bekäme abbezahlt werden sollte.²⁶⁰
Die Vermutung liegt nahe, dass neben von Hammersteins Status als Adeligem ihm der Vorsitz auch angetragen wurde, weil er die Gründung nicht nur finanziell unterstützte, sondern die Versammlungen in seinen Räumlichkeiten stattfanden.
Zu den Konflikten zwischen den älteren Brüder und der hannoverschen Provinzialloge vgl. Kapitel 8.4. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 12. Juni 1773, Gründungsversammlung, Bl. 2, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 12. Juni 1773, Gründungsversammlung, Bl. 2, S. 1.
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Trotz seines Engagements führte der erste Meister vom Stuhl die Loge nur wenige Monate. Bereits im November 1773 trat von Hammerstein von seinem Amt zurück – deutlich wird, dass der Vorsitzende seinen eigenen Vorsitz als für die Loge schädlich ansah.²⁶¹ Eine mögliche Ursache des Rückzugs könnten die Probleme bei der Beschaffung einer Konstitutionsurkunde gewesen sein.²⁶² Anlässlich seines Rücktritts empfahl von Hammerstein seinen Brüdern, den Fähnrich Johann Heinrich Christoph Meyer, wie er ein Gründungsmitglied der Loge, als seinen Nachfolger. Die Mitglieder der Loge scheinen durch Hammersteins Rücktritt und die unmittelbar danach abgehaltene Wahl überrascht worden zu sein; Absprachen und Fraktionsbildung wurden so erschwert.²⁶³ Die Gemeinschaft folgte der Empfehlung des scheidenden Vorsitzenden scheinbar widerspruchslos in einem Wahlprozedere, das heute noch ähnlich bei Stichwahlen angewendet wird: Zuerst werden aus einer Gruppe eine vorher festgelegte Anzahl von Kandidaten ermittelt, bevor anschließend in einem zweiten Wahldurchgang der Kandidat mit den meisten Stimmen bzw. der absoluten Mehrheit gewählt wird. Der von der Loge praktizierte Verlauf erscheint so als modern und fair und wurde anlässlich der Wahl Meyers 1773 anscheinend nicht in Frage gestellt.²⁶⁴ Zweimal, 1774 und 1783, kam es nach der Wahl Meyers noch zum Wechsel an der Spitze der Gemeinschaft. In beiden Fällen wurde der Vorsitzende abgewählt. Die Beschreibung der Meisterwahl 1774 ist eines der auffälligsten Dokumente aus dem Bestand der Loge, vergleichsweise detailliert werden der Ablauf der beiden Wahldurchgänge, die beiden verwendeten Wahlverfahren sowie die den Prozess begleitenden Ränkespiele innerhalb der Gemeinschaft geschildert. Das hier zu beobachtende Verhalten war vollkommen anders als sieben Monate zuvor. Arnold Heinrich Nicolaus Behm muss es in der kurzen Zeit seit seinem Eintritt Anfang 1774 gelungen sein, zahlreiche Kontakte, Bekannt- und Freundschaften in der Loge zu knüpfen. Bei Behms raschem Aufstieg hat seine Zugehörigkeit zum Regiment Sachsen-Gotha mit Sicherheit eine große Rolle gespielt. Vor seiner Ankunft in Göttingen war Behm laut Mitgliederliste in der Hamburger Loge Zur goldenen Kugel aktiv gewesen, in der Leinestadt führte die Mitgliedschaft anderer
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. November 1773, Lehrlingsloge, Bl. 10, S. 1. Vgl. Kap. 3. Der Vorgang weist Ähnlichkeiten zur Abstimmung über die Weiterführung von Lehrlingen und Gesellen in späteren Jahren auf – auch hier folgte die Abstimmung unmittelbar auf den Vorschlag der Weiterführung durch den Meister vom Stuhl. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. November 1773, Lehrlingsloge, Bl. 10, S. 1.
6.3 Oberflächliche Partizipation?
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Regimentsmitglieder in der jüngeren Loge wohl dazu, dass sie ihm als logischer Ort für die Fortsetzung seiner freimaurerischen Aktivitäten erschien. Anhand der Mitgliederliste lassen sich neben Behm und Meyer sieben weitere Angehörige des Regiments identifizieren, die zum Zeitpunkt von Behms Wahl die Loge besuchten. Hinzu kamen mehrere Angehörige anderer Regimenter, so dass man sich die Loge gerade in ihren ersten Jahren als stark militärisch geprägt vorstellen muss.²⁶⁵ Mit von Hammersteins Rücktritt hatte die Loge einen Rittmeister als Vorsitzenden verloren.²⁶⁶ Im Regiment unterstand Meyer Behm, und auch in der Öffentlichkeit genoss ein Fähnrich weniger Ansehen als ein Leutnant. Meyer konnte die Loge – angesichts dieser diametralen Verkehrung seines gesellschaftlichen Status – also nicht mit demselben Prestige repräsentieren wie sein Konkurrent. Der mit einem Vorsitz Behms verbundene Prestigegewinn könnte ein Grund gewesen sein, warum Meyer nach nur sieben Monaten sein Amt aufgeben musste: Gesellschaftlicher Stand und Funktion innerhalb der Bruderschaft waren kaum voneinander zu trennen. Der Ablauf der Abwahl 1774 zeigt anschaulich, dass sich aus den auf den ersten Blick freien Abstimmungen letztlich doch keine demokratische Grundhaltung der Loge oder ihrer Mitglieder ableiten lässt. Behm sammelte seine Fraktion um sich, blieb aber während des Wahlprozesses passiv. Stattdessen ließ er seine Anhänger mit dem vermutlich frei erfundenen Vorwurf, dass Meyer bei der Abstimmung zwei Kugeln für sich eingeworfen habe, diesen zunächst in die Enge und dann aus dem Amt treiben. Auch die Kritik am zweistufigen Wahlsystem, das bei der Wahl Meyers ein halbes Jahr zuvor noch nicht beanstandet worden war, erscheint vorgeschoben. Als Beleg hierfür dient, dass nach der Wahl Behms keine weitere Kritik am Wahlverfahren mehr laut wurde. Am Ende zählte das Ergebnis mehr als die angewandte Methode: Behm rekonstruierte ein Stück weit die Kommandostruktur des Regiments Sachsen-Gotha innerhalb der Loge, verhielt sich dabei aber alles andere als brüderlich. Nach neun Jahren an der Spitze der Loge wurde Behm abgewählt. Der Wahlprozess zur Meisterwahl hatte sich seit 1774 stark verändert: Die Ballotage im Rahmen der Meisterwahl war abgeschafft worden und die Namenszettel wurden nicht mehr in der Loge eingesammelt. Das Protokoll vom Dezember 1782 belegt,
In Northeim waren vier Kompanien des I. Batallions Regiment Sachsen-Gotha stationiert. Vgl. Johann Gottlieb Tielcke, Beytraege zur Kriegs-Kunst und Geschichte des Krieges von 1756 bis 1763, 1. Band, 2. Aufl., Freyberg 1776, S. 17. Von Hammerstein selbst ist nicht in der Mitgliederliste der Loge angeführt. Dies deutet darauf hin, dass er nach seinem Rücktritt die Loge nicht oder kaum mehr besuchte, und seine Engagement in der Göttinger Freimaurerei noch vor dem Eingang der Konstitutionsurkunde beendete. Vgl. auch Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 45 f.
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6 Abstimmungsprozesse
dass Einsammlung und Auszählung der Stimmen schon Tage, eventuell sogar Wochen vor der Verkündung des Ergebnisses durchgeführt wurden.²⁶⁷ Die Auszählung scheint nicht in der Loge stattgefunden zu haben. Ein Mehr an Sicherheit war durch diese Reform sicher nicht entstanden. Dennoch war Behm von seiner Abwahl überrascht, seine Reaktion (er verließ umgehend die Loge) deutet auf eine schwere Kränkung hin. Über die Gründe der Abwahl kann man nur spekulieren, denn in den Protokollen wurde keine Kritik am Vorsitzenden verzeichnet. Der langjährige Meister vom Stuhl hatte die Loge zunehmend autoritär, vielleicht auch selbstgefällig geführt. Hinzu kam, dass die Fraktion der Militärs, der er ursprünglich sein Amt verdankte, kontinuierlich an Einfluss verloren hatte. Die Loge war mehr und mehr studentisch geprägt, obwohl nach 1774 noch weitere fünf Mitglieder des Regiments Sachsen-Gotha in die Loge eintreten sollten. Behms Nachfolger Jäger war Arzt; möglicherweise erschien den Studenten und Gelehrten ein Akademiker an der Spitze der Loge einer Universitätsstadt passender. So wie die ältere Augusta sich unter Koppe von einer primär in der bürgerlichen Oberschicht der Universitätsstadt verankerten Gemeinschaft zu einer studentisch-akademischen wandelte, schüttelte die jüngere Gemeinschaft, die zwar von je her studentisch geprägt war, den Führungsanspruch der Militärs ab.
Zwei Logen mit Charakter Die bereits eingangs angesprochene Frage, ob die Loge Zum goldenen Zirkel sich im Zusammenhang mit den von ihr praktizierten Abstimmungsverfahren demokratischer gab als die Augusta, kann auch am Ende dieses Kapitels nicht eindeutig beantwortet werden, da in ihrem Verhalten zahlreiche Widersprüche festzustellen sind. Bei den alltäglich-geschäftsmäßigen Entscheidungen scheint die jüngere Loge demokratischer gewesen zu sein: Fälle wie die des von Gruhlmann und von Harter beweisen, dass die Durchführung einer Ballotage teils erst durch die Mitglieder per Handzeichen genehmigt wurde.²⁶⁸ In der Loge Augusta lag diese Entscheidung allein bei den Logenoberen. Auch zur Abgabe Schwarzer Kugeln bei Abstimmungen über Rezeptionen kam es in der Loge Zum goldenen Zirkel deutlich häufiger. Ansprachen, eigentlich Lobreden, wie jene, die Koppe anlässlich der
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 26. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 98, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. März 1782, Lehrlingsloge, Bl. 78, S. 1.
6.3 Oberflächliche Partizipation?
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Rezeptionen von Scheithers, von Schlotheims oder Spittlers auf die Anwärter hielt, werden in den Dokumenten der jüngeren Loge nicht erwähnt.²⁶⁹ So blieb den Mitgliedern mehr Raum, um eigene Entscheidungen zu treffen. Die weniger stark ausgeprägte Einflussnahme durch die Oberen leitete sich auch aus deren sozialem Stand ab: Die beiden langjährigen Vorsitzenden Behm und Jäger konnten, obwohl immerhin Leutnant und Arzt, weniger Prestige aus ihrer gesellschaftlichen Stellung ableiten, als ihre Pendants Koppe und Spittler, die beide Akademiker von überregionalem Ruf waren. Für ein Mehr an demokratischer Praxis spricht auf den ersten Blick auch, dass es beim Goldenen Zirkel keinen vierten Grad gab – negative Voten trugen daher nicht zwangsläufig das Odium der Kritik an einer – zumindest ab 1783 – kaum mehr zugänglichen Führungsriege an sich: Die Mitglieder stimmten frei ab, auch über das Amt des Vorsitzenden – Vorgaben oder Druck durch eine in sich geschlossene Gruppe wie die Schottenloge gab es nicht. Die nähere Betrachtung hat allerdings gezeigt, dass die Meisterwahlen kaum als Exempel für demokratische Abläufe im modernen Sinne geeignet sind. Besonders das Beispiel der Abwahl Meyers 1774 demonstriert anschaulich die Einflussnahme einer Fraktion, die selbst vor der Anschuldigung des Vorsitzenden als Wahlbetrüger nicht zurückschreckte. Die nach der Wahl Behms zu beobachtende langjährige Kontinuität resultierte deshalb wohl nicht nur aus dem Wunsch nach Bewahrung der in Mitleidenschaft gezogenen logeninternen Harmonie, sondern basierte auch auf der Einschüchterung und Verunsicherung der Anhänger Meyers beziehungsweise der Gegner Behms. Auch im Umgang mit negativ Votierenden zeigten sich bei näherer Betrachtung Defizite. Ihre Begründungen wurden häufig selbst dann nicht akzeptiert, wenn drei oder mehr Schwarze Kugeln abgegeben worden waren – in der Augusta kam es in solchen Fällen nicht zur Rezeption. Aufschlussreich ist die am Beispiel Domeiers zu beobachtende Ansicht, dass Anwärter einen Anspruch auf Aufnahme hätten, wenn aus Sicht der Logenoberen keine gravierenden Ablehnungsgründe vorlagen. Dem Kaufmann Jordan wurde gar durch zeitlich begrenzte Abänderung des Abstimmungsrechts der Weg in die Loge gebahnt – ohne Rücksicht auf Einwände. Drastischstes Beispiel war der einzigartige Fall der Rezeption des Barons Fromhold Heinrich von Vittinghof trotz neun negativer Stimmen. Die Erklärung, dass eine Panne Ursache des Scheiterns der Abstimmung war, lässt sich zwar nicht widerlegen, erscheint aber kaum glaubhaft. Im Vergleich wäre dann das Ignorieren einer so großen Zahl negativer Stimmen ein Beispiel von solcher
Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 7. Juni 1780, 26. Oktober 1782 und 27. Dezember 1782, Lehrlingslogen, Bl. 18, S. 2 ff., 73, S. 2 ff. und 78, S. 2 ff.
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6 Abstimmungsprozesse
Ausdrucksstärke, wie es sich in den Protokollen der Augusta nicht fand. Die Rezeption des jungen Barons stellt ein besonders anschauliches Beispiel dafür dar, dass auch in der jüngeren Göttinger Loge der Prestigegewinn ein wichtiger Faktor für Entscheidungen war – und über die Meinung der Mitgliederbasis gestellt wurde.²⁷⁰ Die Partizipation aller Mitglieder an den Abstimmungen vermittelt oberflächlich den Eindruck einer Gemeinschaft von Gleichberechtigten, hält einer genaueren Betrachtung dann aber nicht stand. Bei beiden Logen handelte es sich um Sozietäten, in denen zwar demokratischere Abläufe als in der Außenwelt praktiziert wurden, wobei aber die Entscheidungsfindung häufig nicht das eigentliche Ziel war. Gerade den Logenoberen beider Logen waren die Feinheiten von Wahlabläufen bewusst, und sie bemühten sich, das Wahlverhalten der Mitglieder in die gewünschte Richtung zu lenken. Ziel waren Aufbau und Erhalt einer breiten, prestigeträchtigen Mitgliederbasis. Kam es doch einmal zu Differenzen zwischen Mitgliedern und Logenoberen in Form von abgegebenen negativen Stimmen, mussten sich die einfachen Mitglieder gegenüber ihren Oberen erklären. Moderne Wahlen unterliegen dem gleichen Spannungsverhältnis, wenn komplexe Systeme sozialer Abhängigkeiten mit berührt sind.²⁷¹ Die Idee von oneman-one-vote als Demokratiemodell greift nicht. Man wollte zwar einerseits jedes Mitglied hören und an der Willensbildungen beteiligen, aber wie in heutigen Gesellschaften, in denen Familien- und Clan-Verbindlichkeiten diesem Verständnis von Willensbildung entgegenstehen, so gilt das auch für das 18. Jahrhundert mit seinen ständischen Strukturen. In ihrer ungleichen Verteilung von Macht und Befugnissen spiegeln sich in den Logen die nach wie vor geltenden Gesellschaftsverhältnisse des ausgehenden Jahrhunderts wieder, die Jonathan Israel treffend charakterisiert hat: „The last three decades of the eighteenth century were an age of much turmoil, instability, and revolutionary violence. But they were also an age of promise. The emancipation of man via forms of government promoting the ,general good’ and life in a free society that accords protection to all on an equal basis, argued d’Holbach in 1770, is not an impossible dream …“ ²⁷²
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. Juni 1791, Lehrlingsloge, Bl. 116, S. 1 f. Man denke etwa an Abstimmungen bei der Wahl zum Ministerpräsidenten, wo im Vorfeld Testabstimmungen abgehalten werden. Zu den Wahlverfahren in der Bundesrepublik vgl. Wichard Woyke, Stichwort: Wahlen – Ein Ratgeber für Wähler, Wahlhelfer und Kandidaten, 8. Auflage, Opladen 1994. Jonathan Israel, A Revolution of the Mind, Radical Enlightenment and the Intellectual Origins of Modern Democracy, Princeton und Oxford 2010, S. 34 ff.
Fehlverhalten und Disziplin
7 Diskretion und Strafe „Der Fürst, der Unterthan, der Edelmann und Bürger, der Reiche und der Arme, ist einer so gut als der andere, nichts unterscheidet sie von einander und nichts trennet sie. Die Tugend macht sie alle einander gleich.“¹
Die Ständegesellschaft war eine korporativ organisierte Gesellschaft, in der Geburt und Stand das Leben der Menschen und ihren rechtlichen Status weitgehend vorherbestimmten.² Im 18. Jahrhundert änderte sich dies allmählich: Das Subjekt wurde zunehmend nicht mehr als Teil der Gesellschaft, sondern als außer ihr stehendes, somit exklusives Individuum angesehen.³ Das Individuum war nicht mehr automatisch Teil der Gesellschaft sondern musste erst in diese integriert werden.⁴ Es kam, so van Dülmen, zu einer „Kultivierung des Individuellen“, die in neuen Formen organisierter Geselligkeit ihren Ausdruck fand.⁵ Die durch das Naturrecht geprägte gesellschaftliche Elite befriedigte ihr Bedürfnis nach Geselligkeit assoziativ in betont freiwilligen Zusammenschlüssen, zu denen auch arkane Gesellschaften wie die Freimaurerlogen gehörten.⁶ Diese Entwicklung erscheint aus heutiger Sicht als widersprüchlich, doch gerade die Abschottung gegenüber der Gesellschaft half bei der Konstruktion eines Raums, in dem „die Subjektivität des Einzelnen“ Ausdruck finden konnte.⁷
Der sich selbst vertheidigende Freymäurer oder Sammlung unterschiedlicher, wohl verfaßter Schriften, welche einige Mitglieder dieses Ordens selbst zu dessen Vertheidigung herausgegeben, nebst einer vorläufigen historischen Nachricht von dieser vortrefflichen Gesellschaft, Frankfurt und Leipzig 1744, S. 205. Vgl. Winfried Schulze (Hrsg.), Ständische Gesellschaft und soziale Mobilität, München 1988; Marian Füssel, „Gesellschaft, ständische“, in: Manfred Landfester (Hrsg.), Der Neue Pauly. Supplemente 09. Renaissance-Humanismus: Lexikon zur Antikerezeption, Stuttgart und Weimar 2014, S. 401– 409; Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 117. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 122 f.; Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 307 ff. Michael Sonntag, „Das Verborgene des Herzens“ – Zur Geschichte der Individualität, Reinbek bei Hamburg 1999, S. 180. Richard van Dülmen, Freundschaftskult und Kultivierung der Individualität um 1800, in: van Dülmen (Hrsg.), Entdeckung des ICH – Die Geschichte der Individualisierung vom Mittelalter bis zur Gegenwart, Köln 2001, S. 267– 286, hier S. 267. Zur Individualität im 18. Jahrhundert vgl. auch Robert Muchembled, Die Erfindung des modernen Menschen – Gefühlsdifferenzierung und kollektive Verhaltensweisen im Zeitalter des Absolutismus, Reinbek bei Hamburg 1990. Vgl. Koselleck, Kritik und Krise, S. 60 f.; Schindler, Aufklärung und Geheimnis im Illuminatenorden, S. 204 sowie Kap. 1. Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 75. https://doi.org/10.1515/9783110621723-007
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In den Göttinger Logen Augusta und Zum goldenen Zirkel trafen sich Mitglieder unterschiedlichsten Hintergrunds: Alt und Jung, Adelige und Hofmeister, Akademiker und Handwerker, Soldaten, Theologen und Studenten. Derartig heterogene Assoziationen bedurften eines Bindemittels, das die einzelnen Mitglieder zu einem Ganzen verschmolz.⁸ In der Freimaurerei stellte das Geheimnis das entscheidende, für den inneren Zusammenhalt zentrale Element dar, das den Innenraum der Loge von der Öffentlichkeit abgrenzte.⁹ Im Anschluss an Georg Simmel kann das Geheimnis als das entscheidende Kriterium für die Wechselbeziehungen innerhalb von geheimen Gesellschaften, aber auch für ihr Verhalten gegenüber Außenstehenden, angesehen werden.¹⁰ Damit ein Geheimnis innerhalb einer sozialen Organisation identitätsstiftend wirken könne, müsse innerhalb der Gruppe formalisiert kommuniziert werden, das heißt so, dass nur Eingeweihte die kommunizierten Inhalte verstehen können und damit durch die Kommunikation ein Gruppenbewusstsein geschaffen wird.¹¹ Vierhaus stellte bereits fest, dass die Logen nicht allein durch Dialog und Geselligkeit zusammengehalten wurden, sondern – in Anlehnung an Lessing – durch allgemeinverständliche Prinzipien der Weltoffenheit und Humanität, die eben nicht geheim waren.¹² Obwohl Lessing natürlich bewusst war, dass die meisten Freimaurer diesem hohen Anspruch nicht gerecht wurden, trifft seine Aussage zum Geheimnis doch zu: Damit es seine Funktion erfüllen konnte, mussten sich die Mitglieder mit ihm identifizieren können – es musste also auf Prinzipien beruhen, die von jedem Mitglied der Gemeinschaft nachvollziehbar waren. Schindler attestiert dem Geheimnis eine „Janusköpfigkeit“: Durch seine unpolitische und areligiöse Wirkung nach außen habe das Geheimnis die Konstruktion von Räumen gestattet, in der „Konfessions-, Stände- und Ländergrenzen“ überwunden wurden, und so durchaus der bürgerlichen Emanzipation und Aufklärung „Spielraum“ verschafft wurde.¹³ Je heterogener die Gemeinschaft, desto allgemeiner musste das Geheimnis sein oder zumindest ausgelegt werden können. Es kommt damit in seiner Bedeutung einem diffusen Symbol sehr nahe.¹⁴
Vgl. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 117 f. Vgl. Hasselmann, Identität-Verwandlung-Darstellung, S. 12 ff.; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 207 sowie Kap. 1. und 4. Sievers, Geheimnis und Geheimhaltung in sozialen Systemen, S. 12. Vgl. auch Georg Simmel, Soziologie Untersuchungen über die Formen der Vergesellschaftung, Berlin 1908, S. 256 ff. Sievers, Geheimnis und Geheimhaltung in sozialen Systemen, S. 53. Vierhaus, Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, S. 36 f. Schindler, Aufklärung und Geheimnis im Illuminatenorden, S. 208. Vgl. auch Oesterle, Aufklärung und Geheimnis oder die Kunst als Rätsel, S.98. Vgl. Mary Douglas, Ritual, Tabu und Körpersymbolik, Frankfurt 1974, S. 24.
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Dabei bedeutete die Allgemeinheit keinesfalls, dass die Freimaurerei auf althergebrachten Prinzipien beruhte: Im Geist der Aufklärung wollte die Freimaurerei, so van Dülmen, unter dem Schutz des Geheimnisses einen eigenen Moralitätsbegriff etablieren, unabhängig von Staat oder Kirche. Der Freimaurer sollte aus eigenem Antrieb im aufklärerischen Sinne moralisch handeln.¹⁵ Diese Abkehr vom durch Staat und Kirche postulierten Leitanspruch führte schon früh zur Verfolgung und Diffamierung der Freimaurerei.¹⁶
Alltägliche Regeln Damit eine abgeschlossene, von den die Gesellschaft kontrollierenden Kräften kritisch überwachte Gemeinschaft überleben kann, bedarf es strikter Regeln, denen sich jedes Mitglied unterwerfen muss. Linda Simonis stellt hierzu fest: „Wer einer Organisation beitritt, muß bestimmte Auflagen annehmen und sich bestimmten Regeln unterziehen …“. Besondere Kennzeichen dieser Konditionierung seien jedoch nicht nur die expliziten Verhaltensvorgaben gewesen, sondern auch die zuvor gezahlten hohen Rezeptionsgebühren.¹⁷ Wer einmal bezahlt hatte, wollte auch deshalb nicht verstoßen werden. Ihre Anforderungen hielten die Logen in umfangreichen Regelwerken fest, deren Grundlagen auf Anderson selbst zurückgehen. Der Prediger legte großen Wert auf respektvolles Verhalten der Brüder gegenüber den Beamten der Loge. Seperate Zusammenkünfte, Gespräche, lächerliches Auftreten oder Scherzen war während der Logenversammlung untersagt. Stattdessen sollte den Anordnungen der Oberen Folge geleistet werden: „… pay due Reverence to your Master, Wardens, and Fellows, and put them to worship.“ ¹⁸ Der gemeinschaftlich versuchte Schutz des Geheimnisses mag ein stärkeres Gefühl von Zusammengehörigkeit vermittelt haben, als dies die so geschützten Inhalte vielleicht selbst vermochten. Organisierte Gemeinschaften – also auch die
Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 55. Vgl. auch Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 236. José Antonio Ferrer Benimeli, Masonerià, Iglesia e Illustración. Un conflicto ideológico-políticoreligioso, 4 Bde., Bd.1: Las bases de conflicto (1700 – 1739); Bd. 2: Inquisición: Procesos históricos (1739 – 1749); Bd. 3: Institutionalización de conflicto (1750 – 1800); Bd. 4: La otra cara del conflicto (1750 – 1800), Madrid 1976 – 1977. Kurzversion: José Antonio Ferrer Benimeli, Freemasonry and the Catholic Church, in: Handbook of Freemasonry, hrsg. von Henrik Bogdan u. a. (Brill Handbooks on Contemporary Religion 8), Leiden 2014, S. 137– 154. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 119. Anderson, Constitutions (1723), S. 53.
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Freimaurer – definieren sich über Tätigkeiten, die verboten sind (und damit einen gemeinsamen Tabubruch darstellen), genauso wie über gewünschtes Verhalten und gemeinsame Erfahrungen. Die Erziehung zur Diskretion begann dabei häufig schon vor dem eigentlichen Eintritt in die Loge. Nicht wenige Gemeinschaften ließen sich – zum Teil in schriftlicher Form – das Ehrversprechen geben, dass, sollte der Anwärter während der Aufnahme doch noch von seinem Beitritt zurückschrecken, er nichts von dem verraten werde, was er bis dahin vom Ritual bereits erlebt hatte.¹⁹ Die Signifikanz des bevorstehenden Schritts wurde so im
So zum Beispiel die Hildesheimer Loge Ferdinand zur gekrönten Säule. Vgl. Menge, Geschichte der Freimaurerloge Pforte zum Tempel des Lichts in Hildesheim und der vor ihr daselbst bestandenen Logen, S. 105. Ob vergleichbare schriftliche Ehrversprechen in den Göttinger Logen üblich waren bleibt anhand der untersuchten Dokumente unklar. An einigen in der Schwedenkiste erhaltenen Dokumenten wird ersichtlich, dass die Praxis zumindest in der Augusta nicht unbekannt gewesen sein kann. Besonders Koppe erscheint anhand verschiedener Schriftstücke als verschwiegener Mann. Im 18. Band des Konvoluts finden sich unter den Nummern 278 und 279 zwei identische, von Koppe vorformulierte Schreiben: „Daß ich die von Br. Koppe zum Abschreiben für ihn erhaltenen Maurerischen Papiere sorgfältigst aufbewahren, von Ihrem Inhalt ohne dessen ausdrükliche Einwilligung niemals das geringste irgend jemand offenbahren, auch für mich selbst keine Abschrift von denselben machen werde, solches versichere ich hierdurch an Eides statt.“ Beide Schriftstücke datieren vom 18. August 1781 und sind unterschrieben von den aus dem heutigen Tallinn stammenden Jurastudenten Georg Johann von Wrangel („Shakespeare“) und Jacob Georg von Berg („Locke“). Die beiden jungen Adeligen fertigten für Koppe Kopien freimaurerischer Schriftstücke an. Beide waren – wie der Meister vom Stuhl – im Illuminatenorden aktiv. Die Jurastudenten kehrten nach Abschluss ihrer Studien nach Reval zurück. Zu von Wrangel vgl. Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 1. Band, S. 348 und 3. Band, S. 350. Im 19. Band des Dokumentenbestands findet sich unter Dokument 30 ein weiterer vorformulierter Revers aus der Hand Koppes: „Ich Endesunterschriebener verpflichte mich bey meiner Ehre und gutem Namen, mit Verzicht auf allen geheimen Vorbehalt, vom dem mir durch den Prof. Koppe anvertrauten Nahmen, meine Aufnahme in eine gewisse geheime Gesellschaft betreffend gegen Niemand, auch nicht gegen die vertrautesten Freunde noch Anverwandten auf keine irgend mögliche Art weder durch Zeichen Worte Blike noch sonst niemals das geringste zu offenbahren; es mag nun diese meine Aufnahme zu Stande kommen, oder nicht. Dies um so mehr, da man mich vor meiner Aufnahme versichert hat, daß in dieser Gesellschaft nichts wider den Staat, die Religion noch die guten Sitten unternommen werde.“ Derartige schriftliche Verschwiegenheitsversprechen waren im Illuminatenorden – als einer mit der Freimaurerei eng verbundenen Sozietät – weit verbreitet. Weitere Beispiele finden sich im 10. Band der Schwedenkiste. An dieser Stelle zeigt sich eine Dualität innerhalb des Rituals zwischen Symbolik und Praxis: Das in Kapitel Vier beschriebene Verbinden der Augen des Anwärters symbolisierte nicht nur seine Unwissenheit vor der sogenannten „Lichterteilung“, sondern verhinderte auch, dass der noch nicht Rezipierte visuelle Eindrücke im Inneren des Tempels sammeln konnte. Chronologisch ähnlich verlief das Ablegen des Eids: Der Lehrlingseid wurde vor der Erklärung des Teppichs und der Vermittlung von Handgriffen, Erkennungszeichen und dem Losungswort des ersten Grads,
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Voraus betont, gleichzeitig aber auch eine ungeheure Erwartungshaltung bezüglich des bevorstehenden Ereignisses aufgebaut.²⁰ Direkt nachdem der Rezipient den Eid abgelegt und als Freimaurer beziehungsweise seinem neuen Grad entsprechend gekleidet worden war, begann die eigentliche Konditionierung der Neuaufgenommenen mit einer ersten Verlesung des Katechismus.²¹ Bei den von Simonis angesprochenen Verhaltensanforderungen handelte es sich um Regelwerke, in denen zahlreiche Vergehen detailliert einem Strafkatalog zugeordnet wurden – ein Vorgang, der so ähnlich auch in anderen Sozietäten und selbst in heutigen Vereinen anzutreffen ist. Beispiele für in den Logen des 18. Jahrhunderts verwendete Strafkataloge finden sich bei Hasselmann und Friedrich Ludwig Schröder.²² Hasselmann hat detaillierte Tabellen aus Dokumenten der Loge Zu den 3 goldenen Schlüsseln in Berlin ausgewertet, in denen Strafzahlungen alltäglichen Verfehlungen zugeordnet werden. Die Loge war vor allem durch Beamte (~49 %), Angehörige des Militärs (~20 %) und Kaufleute (~23 %) geprägt.²³ Alltägliche, kleine Verstöße wie falsche Kleidung, störende Gespräche oder Fehler bei der Partizipation von Ritualen wurden mit moderaten Strafgeldern geahndet. „Spielerische Verstöße, die bereitwillig abgegolten werden, füllen die Armenkasse und dienen einem wohltäti-
„Jakin“, abgelegt. Dieser Ablauf wurde so auch bei der Weiterführung in die höheren Grade praktiziert – in den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel wird anlässlich der Weiterführungen häufig auch von einer Erneuerung des Lehrlingseids gesprochen. Vgl. Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 7. März 1781, 1. April 1781, 13. März 1782, 26. März 1782, usw. Vgl. dazu Eliade, Rites and Symbols of Initiation, S. XV, wo er bereits in seiner Einleitung das Einführungsritual als prinzipiell religiöses Geschehen auffasst: „In modern terms we could say that initiation puts an end to the natural man and introduces the novice to culture“, was in ihrer Offenheit seine Wertung auch für den profanen, nicht religiösen Zusammenhang, wie etwa den der Logen, interessant macht. Denn die Initiation der Brüder läuft – im profanen Bereich – letztlich auch darauf hinaus, dass sie die Welt nunmehr – zwar nicht mehr „introduced to the sacred history of the world and humanity“, aber doch – als eine andere betrachten. Die Bedeutung des Initiations-Rituals sollte deshalb nicht unterschätzt werden – sie wurde es im 18. Jahrhundert schon deshalb nicht, weil die damaligen Adepten noch stark in einer von Ritualen und Initiationen geprägten Welt lebten. Vgl. Kap. 4. Gesetze und Statuten des Ordens der Freymaurer, in: Friedrich Ludwig Schröder (Hrsg.), Ritualsammlung, 14. Band, S. 62 ff.; Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 227 ff. Die von Hasselmann verwendeten Dokumente stammen aus dem Bestand der Berliner Loge Zu den 3 goldenen Schlüsseln (vermutlich um 1790), und liegen damit zeitlich nah an der untersuchten Göttinger Loge. Zur Prosopographie der Loge Zu den 3 goldenen Schlüsseln vgl. auch Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 2. Band, S. 661 ff. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 2. Band, S. 663.
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gen Zweck, sodass man von einem Gesellschaftsspiel der Oberschicht sprechen kann.“ ²⁴ Und auch Norbert Schindler stellte fest, dass sich die Strafkataloge der Logen „wie Negativbilder der Schwierigkeiten des Erwerbs bürgerlicher Kulturmuster“ lesen würden.²⁵ Bei derartigen Verstößen ist die Grenze zwischen Ungeschick, Nachlässigkeit und Vorsatz fließend, nicht eindeutig feststellbar und immer auch abhängig davon, wie Vorkommnisse interpretiert werden. Eine gewisse Willkür bei der Ahndung war unumgänglich. Die Strafgelder waren den drei Johannisgraden entsprechend gestaffelt – von erfahrenen Mitgliedern erwartete man vorbildliches Verhalten; ihre Erziehung galt als weiter fortgeschritten und Verfehlungen wurden somit härter bestraft. So hatte ein Lehrling, der ohne Erlaubnis in der Loge sprach, einen, der Geselle zwei und der Meister drei Groschen zu zahlen.²⁶ Doch nicht bei allen Vergehen kamen die Mitglieder mit derart niedrigen Strafen davon. Hasselmann weiter: „Anders verhält es sich bei gröberen Regelverstößen: mutwilliges Stören der Aufnahmezeremonien, die Missachtung Gottes oder des vorsitzenden Meisters, Lärmen, Lachen, Umherlaufen oder das Betreten des Ankleidezimmers, werden in der hier zitierten Tabelle mit Strafgeldern in sechsfacher Höhe geahndet. So wird zwischen akzeptablen und inakzeptablen Verstößen unterschieden.“ ²⁷ Trunkenheit in der Loge kostete so, laut Tabelle, den Lehrling sechs, den Gesellen zwölf und einen Meister 18 Groschen. Die große Mehrheit dieser und vergleichbarer alltäglichen Vergehen hat nicht den Weg in die Protokolle der beiden Göttinger Logen gefunden. Findet sich doch ein Hinweis auf sie, dann meist nicht im Rahmen des fortlaufenden Texts, sondern in wenigen, vermutlich im Nachhinein hinzugefügten Worten am Rand des Protokolls. Die schlechte Nachweisbarkeit alltäglichen Fehlverhaltens ist deutlicher Hinweis auf die geringe Signifikanz, die die Logen derartigen Vorkommnissen zumaßen. Ein diskreter Umgang, der – wie sich noch zeigen wird – auch im Interesse der Mitglieder war.
Grobe Vergehen und Verrat Die Verhaltenskonditionierung endete nicht an der Pforte des Tempels – auch außerhalb der Loge sollten sich Freimaurer vorbildlich verhalten. Anderson konkretisiert seine Forderungen unter der Rubrik „Behaviour at Home, and in your
Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 230. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 237. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 230. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 230.
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Neighbourhood“, wo er seine Vorstellungen über den Freimaurer im öffentlichen Raum ausführt: „You are to act as becomes a moral and wise Man; particularly, not to let your Family, Friends, and Neighbours know the Concerns of the Lodge, &c. but wisely to consult your own honour, and that of the Ancient Brotherhood, for reasons not to be mention’d here.“ Weiter sollten die Mitglieder der Logen auf ihre Gesundheit achten, nicht zu spät zu Bett gehen, nicht zu lange außer Haus bleiben, sich nicht betrinken oder Völlerei betreiben, damit sie ihre Pflichten an der Arbeit und gegenüber der Familie nicht vernachlässigten.²⁸ Anderson versuchte einen Verhaltenskodex in Worte zu fassen, der scheinbar selbstverständlich sein sollte, weil jeder ihn aus vernünftiger Überlegung herleiten könnte.²⁹ Sein Kodex wird zudem noch durch die soziale Kontrolle durch Familie und Umfeld gestützt. Es ist dies die bürgerliche Moral, wie sie sich nach dem Dreißigjährigen Krieg auf dem Kontinent und nach dem Englischen Bürgerkrieg auf den britischen Inseln herausbildete.³⁰ Neben maßvollem Verhalten wird ein weiterer Aspekt besonders herausgestellt: Die Diskretion. Selbst Familie, Freunde und Bekannte sollten nichts über die inneren Abläufe der Loge erfahren. Die Bedeutung der Geheimhaltung unterstreichen die weitergehenden Anweisungen: „You shall be cautious in your Words and Carriage, that the most penetrating Stranger shall not be able to discover or find out what is not proper to be intimated; and sometimes you shall divert a discourse, and manage it prudently for the Honour of the worshipful Fraternity.“ ³¹ Andersons zu Beginn des Jahrhunderts niedergeschriebene Ermahnungen nahmen ein Problem vorweg, das bis zu dessen Ende mit der Verbreitung der Freimaurerei wachsen sollte. Die Öffentlichkeit war trotz – oder vielleicht wegen – aller Skepsis und Ablehnung, welche den Logen vor allem gegen Ende des Jahrhunderts entgegen gebracht wurden, begierig darauf, Einblicke in das Innenleben der mysteriösen Gemeinschaften zu erlangen, die so viele berühmte Zeitgenossen zu ihren Mitgliedern zählte.³² Die Fama, dass die Logen sich mit umstürzlerischem Gedankengut beschäftigten, wurde durch die staatlichen Aufsichts- und Verfol-
Anderson, Constitutions (1723), S. 55. Wie von Vierhaus (und Lessing) beschrieben. Vgl. Vierhaus, Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, S. 36 f. Zur Kontrolle im Sinn einer bürgerlichen Moral vgl. auch Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 166 ff. Anderson, Constitutions (1723), S. 55. Zum Misstrauen gegenüber dem Sozietätswesen vgl. Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 210 f.
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gungsmaßnahmen – berechtigt oder unberechtigt – noch gesteigert, ja sogar indirekt bestätigt, und ließen das öffentliche Interesse noch zunehmen.³³ Anderson war bewusst, dass – auch wenn im Eid die schriftliche Weitergabe des Geheimnisses explizit verboten wurde – die eigentliche Gefahr im alltäglichen Gespräch lauerte. Vielen Freimaurern fiel es im gesellschaftlichen Umgang außerhalb der Loge schwer, über ihre Mitgliedschaft und das Innenleben der Logen Stillschweigen zu bewahren, und manchem Bruder mag während einer angeregten Konversation gar nicht bewusst gewesen sein, dass er gerade geheime Interna an Außenstehende verriet. Der strengste Eid nützt nichts, wenn der Eidbruch unabsichtlich, teils sogar vom Eidbrecher unbemerkt, geschieht. Anderson rief daher zur permanenten Wachsamkeit auf, erlaubte es aber auch, Diskussionen bewusst von der Thematik abzubringen. Die freimaurerische Konditionierung umfasste mithin nicht nur moralische Lehren, sondern auch Grundsätze, welche die Grundlagen dieser Moral vor äußeren Einflüssen und Einblicken schützen sollten. Im Göttingen der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts präsentierten sich die Logen anders, als Anderson sie sich wohl Jahrzehnte zuvor vorgestellt hatte. Unter den Brüdern fanden sich nicht nur Professoren und gutsituierte Bürger – Mitglieder wie sie Anderson wohl beim Verfassen seines Texts als Mitglieder vor Augen hatte – sondern auch zahlreiche Studenten und junge Militärs, darunter viele Adelige. Junge Männer waren – damals wie heute – als eine Personen- und Altersgruppe bekannt, die Freude am Regelverstoß empfindet.³⁴ Trotz aller Bemühungen fielen Mitglieder der Göttinger Logen durch Ausschweifungen, Beschimpfungen Fremder, betrügerisches Finanzgebaren oder die Partizipation am Glücksspiel negativ auf. Verhalten, das den Ruf einer Loge in Mitleidenschaft ziehen konnte, galt es als besonders schwere Verfehlung und konnte die Exklusion, den permanenten Ausschluss aus der Loge, nach sich ziehen. Derartige Fälle kamen nicht oft vor, fanden aber ihren Weg in die Protokolle der Logen und wurden von den Oberen – wenigstens teilweise – als Anlässe verstanden, um pädagogisierend einzugreifen oder Exempel zu statuieren. Zwischen den Gemeinschaften zirkulierten War-
Allerdings gab es auch zeitgenössische Kritik am Umgang der Freimaurer mit Geheimnis und Geheimhaltung: Man solle entweder ganz geheim und im Verborgenen agieren, und die Neugier seiner Mitmenschen nicht unnötig anstacheln, oder auf die Geheimhaltung ganz verzichten. Vgl. Wolfgang Hardtwig, Eliteanspruch und Geheimnis in den Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts, S. 72. Vgl. insb. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 249 ff.
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nungen vor Verrätern ebenso wie die Namen permanent ausgeschlossener Mitglieder.³⁵ In ihrer Effektivität erheblich eingeschränkt wurde diese wichtige Maßnahme allerdings durch die anhaltenden Streitigkeiten zwischen den verschiedenen freimaurerischen Systemen. In der Frage, was die eine, wahre Freimaurerei sei, standen sich die verschiedenen Systeme mitunter unversöhnlich gegenüber, weshalb die Kommunikation zwischen ihnen oft – wenn überhaupt – nur stockend verlief. Trotz immer wieder erneuerter Ermahnungen gelang es den Logen nicht, dem Verrat wirkungsvoll vorzubeugen.
7.1 Appell und Diskretion Exemplarisch für alle Stellen, an denen der Eid in den Protokollen erwähnt wird, soll an dieser Stelle ein Eintrag aus dem Dezember 1791 stehen, der anlässlich der Vereidigung von Adolf Johann Gustav Arenhold während seiner Weiterführung in den Gesellengrad verfasst wurde: Es ward derselbe also auf die gewöhnliche Weise zur Loge geführt, vollendete seine maurerischen Reisen, näherte sich gehörig dem Altar und versicherte mit einem Handschlage auch die Pflichten dieses neuen Grades zu erfüllen, und dessen Geheimnisse jedem zu verschweigen, worauf er dann vom ehrwürdigen Meister vom Stuhl in der Erkennungsart dieses Grades unterrichtet wurde.³⁶
Der Sohn eines hannoverschen Advokaten sollte im Verlauf seiner maurerischen Aktivitäten bis in den Meistergrad aufsteigen und schließlich das Amt des Schriftführers der Loge übernehmen. Später wurde er Amtsschreiber in Herzberg.³⁷ Sein Beispiel zeigt deutlich, dass der Eid zur Verschwiegenheit vor Enthüllung der Geheimnisse des jeweiligen Grads abgelegt wurde. Dennoch musste die versprochene Verschwiegenheit in der Augusta immer wieder eingefordert werden. Die Rolle des Ermahnenden übernahm dabei üblicherweise der Meister vom Stuhl, was von der Bedeutung der Thematik zeugt. Gerade in Göttingen war aber nicht nur der Schutz des Rituals wichtig, selbst die eigene Zugehörigkeit oder die eigene Rolle innerhalb der Loge konnten zu einem Problem werden. In einem
Das später in diesem Kapitel näher untersuchte „Schwarze Buch“ aus dem Bestand der Loge Zum goldenen Zirkel gibt einen Einblick in dieses System der Informationsverbreitung und Warnung. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Dezember 1791, Gesellenloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 49, S. 1. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen.
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Edikt hatte die hannoversche Regierung 1748 im Namen des Königs sämtliche studentischen Ordensgesellschaften und geheimen Verbindungen verboten, 1762 und 1772 wurde das Verbot erneuert.³⁸ Auch wenn die Verbote nicht konsequent durchgesetzt wurden, war den Göttinger Freimaurern doch bewusst, dass sie jederzeit zum Ziel von Ermittlung, Repression oder Verfolgung werden konnten. Um sich zusätzlichen Spielraum zu verschaffen, versuchte gerade die Loge Augusta unter dem Vorsitz Johann Benjamin Koppes die Anerkennung der Regierung zu erlangen, indem sie sich besonders durch wohltätige Aktivitäten zu empfehlen suchte.³⁹ Dies gelang in gewissem Umfang, aber dennoch waren die Mitglieder der Göttinger Logen gut beraten, sich in der Öffentlichkeit bedeckt zu halten, denn die Edikte wurden – trotz stillschweigender Duldung –nicht aufgehoben.⁴⁰ Wohl deshalb wandte sich unmittelbar nach Koppes Ernennung zum neuen Meister vom Stuhl der Kommissar der altschottischen Loge Carl zum Purpurmantel persönlich an die Mitglieder der Augusta: Endlich wandte sich der hochw[ürdige] Br[uder] Commissarius mit einer ernstlichen Ermahnung an die ganze Versammlung, über den heutigen Vorgang die strengste Verschwiegenheit pflichtschuldigst zu beobachten, maasten diese erste Pflicht eines Maurers, bey der hiesigen academischen Verfaßung in Hinsicht der Weldlichen Verheltniße und besonderen Lage, worin sich der ver[ehrte] M[eister] v[om] Stuhl hirselbst befende, sehr empfehlen müße.⁴¹
Die von Hardenberg-Reventlow angesprochene „besondere Lage“ des Meisters vom Stuhl sollte diesen während seines Vorsitzes immer wieder beschäftigen. Wiederholt kam es zu Vorfällen, in denen Mitglieder der Loge sich in der Öffentlichkeit unvorsichtig verhielten. Ende 1781 richtete Koppe das Wort an die Loge und … äuserte so dann seine gerechte Unzufriedenheit wegen bemerktem Mangel der maurerischen Verschwigenheit und empfahl ernstlich seynen treuen Pflichten eingedenk zu sein und nicht aus Unvorsichtigkeit sich gegen Adep[ten] zu eröffnen.⁴²
Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 228 ff. Vgl. Kap. 8. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 228 ff. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 10. November 1779, Lehrlingsloge, Bl. 7, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. Dezember 1781, Lehrlingsloge, Bl. 55, S. 2.
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Der Protokollauszug verdeutlicht, dass Logeninterna auch mit Anwärtern nicht diskutiert werden sollten. Erst nach dem Ablegen des Eids galt der Anwärter als aufgenommen und durfte als Mitglied der Loge in Geheimnisse und Angelegenheiten des Lehrlingsgrads eingeweiht werden.⁴³ Der angesichts von Koppes „gerechter Unzufriedenheit“ im Raum stehende Vorwurf des Geheimnisverrats legt den Verdacht nahe, dass ein oder mehrere Mitglieder der Loge versucht haben könnten, neue Mitglieder zu gewinnen, indem sie gegenüber einem Außenstehenden über das Göttinger Logenleben sprachen und so dessen Interesse zu wecken versuchten.⁴⁴ Sie bewegten sich damit in einer Grauzone, denn ohne solche aktive Werbung neuer Mitglieder wäre ein rasantes Wachstum der Logen – sowohl bei ihren Mitgliedern wie auch der Zahl von Logengründungen –, wie es in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu beobachten ist, kaum vorstellbar. Weiter oben wurde bereits dargestellt, dass Bestand und Wachstum der Mitgliederbasis eine der vorrangigsten Interessen der Logenoberen waren.⁴⁵ Koppes Ermahnung vom Dezember 1781 war nicht die letzte; bereits zwei Monate später wandte er sich ein weiteres Mal an seine Brüder: … und bemerkte, daß er sich genothigt sähe, in Absicht auf die Verschwiegenheit eines Maurers verschiedenes zu eröffnen: legte so dann denen Brbr. ans Herz wie unbehutsam ein solches Verhalten sey, wenn Brbr. gegen ihr feyerliches Gelübde handelten, bemerkte, daß verschiedene sich eines solchen Verhalten schuldig gemacht, eröffnete daher darüber das nötige und führte die Folgen an, die eine solche unvortreflige Unvorsichtigkeit zu der Maurerey Nachtheil erbringen dürfte.⁴⁶
Die zweite Ermahnung scheint ausführlicher gewesen zu sein. Aus der Formulierung des Protokolls geht hervor, dass sich mehrere Logenmitglieder des Verrats schuldig gemacht hatten. Ungeklärt bleibt, wie Koppe davon erfuhr – die Identität der Schuldigen wird erneut nicht angegeben. Möglicherweise war ein Außenstehender an Koppe heran getreten und hatte ihm berichtet, was er von Mitgliedern
Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 171 ff. Zwar war die Freimaurerei um 1780 äußerst populär, doch ohne die aktive Werbung neuer Mitglieder ist ein rasantes Wachstum der Logen an Mitgliedern und Zahl, wie es sich in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts ereignete, kaum vorstellbar. Die Frage drängt sich auf, ob Koppe das Verhalten der Logenmitglieder auch getadelt hätte, wenn sie gegenüber einer einflussreichen Persönlichkeit oder einem Adeligen mit Interna geworben hätten. Besonders die Aufnahme von Scheithers kommt hier in den Sinn, und es ist zumindest zweifelhaft, ob Koppe bei Anwerbung einer vergleichbar einflussreichen Persönlichkeit ebenso verärgert gewesen wäre. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 18, S. 1 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Februar 1782, Lehrlingsloge, Bl. 59, S. 2.
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der Loge über die Freimaurerei gehört hätte. Denkbar wäre etwa ein Anwärter auf die Mitgliedschaft der Loge, der von einem Anwerbeversuch durch Mitglieder der Loge berichtete, nicht wissend, dass er damit seine Informanten in Verlegenheit brachte. Auch die Verschwiegenheit von Besuchern war konstanter Grund zur Besorgnis. Einerseits verliehen sie der Gemeinschaft Ansehen, denn sie erweckten einen Anschein von Weltoffenheit und überregionaler Bedeutung. Besuch bot die Gelegenheit zum Austausch von Ideen und Neuigkeiten, zur Pflege und zum Neuknüpfen von Kontakten.⁴⁷ Aber die Gäste erhielten dabei auch Einblick in das Innenleben der Loge und hatten Anteil an Geheimnissen. Jeder Besucher war, wie alle eigenen Mitglieder auch, somit ein potentieller Verräter, den man jedoch nur unzureichend kontrollieren konnte. Ein Abschotten gegenüber Besuchern wäre die logische Konsequenz gewesen, entsprach aber aus den genannten Gründen nicht den Interessen der Loge. Was blieb, war den Zugang zur Loge möglichst streng zu kontrollieren. Auswärtige Besucher mussten einen Nachweis ihrer Mutterloge vorlegen, der sie als Freimaurer auswies und gleichzeitig Auskunft über ihre Zugehörigkeit zu einem bestimmten Grad gab.⁴⁸ Lag ein solches Zertifikat nicht vor, verfuhr man anders. Im August 1781 kündigte Koppe den Besuch zweier auswärtiger Brüder an, die wünschten … heute an unseren Arbeiten theil zu nehmen, sich auch zu dem Ende im Logen Haus befenden, daher er dem Br[uder] C[eremonien] Meister auftrug, diese besuchenden Brbr. zu empfangen und gab ihm dabey den besonderen Auftrag, diese Brbr. durch einen Handschlag versichern zu lassen daß wenn sie etwa eine Verschiedenheit in unseren Arbeiten finden sollten, ihren ehrw[ürdigen] Brbr. nichts davon eröffnen wollten.⁴⁹
Bei den beiden Besuchern handelte es sich um zwei Brüder aus Böhmen namens Meyer und Franckenberg. Der Hinweis auf Abweichungen im Ritual deutet an, dass die Besucher vermutlich einer Loge eines anderen Systems angehörten. Dass man sich mit einem Handschlag als Versicherung der Verschwiegenheit zufrieden gab, zeigt einerseits, wie hoch der persönliche Ehrbegriff angesehen wurde, belegt aber anderseits auch, wie hoch der Druck, weitgereiste Besucher zuzulassen, war – und wie schwach die Kontrolle.
Vgl. Kap. 5. Vgl. das Beispiel des Besuchers Becker in Kap. 6. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 48, S. 2. Das Versprechen auf Ehrenwort und Handschlag, dass man keine Details der Rituale und Symbole verraten würde, war beim Besuch von Brüdern anderer Systeme auch in den der Großen Landesloge zugehörigen Gemeinschaften gängige Praxis. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 623 f.
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Strafen und Fehlverhalten Aus den Protokollen geht nicht hervor, ob Koppes Appell vom Februar 1782 Folgen hatte. Im April des Jahres führte der Verrat von Geheimnissen allerdings zu ersten Konsequenzen für mindestens einen Verräter: Es sey auf heute die Weiterführung eines Br[uder] Lehrlings in den 2ten Grad beschlossen gewesen, wegen eingetroffener Erinnerungen aber von einigen Brüdern, sey sie unterlassen, und man habe beschlossen, den Br[uder] Lehrling demnach eine zeitlang im 1sten Grad stehen zu lassen.Vorbedächtlich eröffne er dieses den in dieser Lehrlings Loge versammelten Brüdern, und warne sie vor der Unvorsichtigkeit die der Br[uder] begangen, nemlich, von verschiedenen maurerischen Angelegenheiten gegen Profane frey zu sprechen.⁵⁰
Es bleibt unklar, ob sich die beiden Ermahnungen Koppes vom Winter 1781/1782 bereits auf das Fehlverhalten des namentlich nicht genannten Lehrlings bezogen, oder ob verschiedene Personen Interna der Loge verbreitet hatten. Wenn es sich um dieselbe Person gehandelt hat, wäre der Protokolleintrag ein Beleg dafür, dass Fehlverhalten innerhalb der Loge Augusta mehrstufig zuerst mit Verwarnung und im Wiederholungsfall mit Strafe geahndet wurde. Falls es nicht dieselbe Person war, wäre die Verweigerung der Weiterführung ein Ausdruck der Frustration angesichts des anhaltend sorglosen Umgangs mit Interna und die ausgesprochene Verweigerung der Versuch, mittels eines abschreckenden Exempels der Problematik endlich Herr zu werden. Die zweite Vermutung ist wahrscheinlicher, da Koppe die Verweigerung der Weiterführung in den Gesellengrad – eine Angelegenheit der Gesellenloge! – innerhalb der Lehrlingsloge verkündete, wodurch sie eine abschreckende Wirkung entfaltete. Auffällig ist, dass die ersten beiden Ermahnungen Koppes sich recht allgemein formuliert an die Loge richteten. Dies kann als Versuch interpretiert werden, die Identität des Beschuldigten zu schützen. Aber nun – wenn auch nach Erinnerung durch Mitbrüder der Loge – wird ein Mitglied gezielt bestraft und damit den anderen namentlich bekannt. Koppe stellte einen Verräter vor der Loge bloß, nachdem seine Ermahnungen keinen Erfolg hatten. Ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Verhalten der Lehrlinge als Risiko für die Unversehrtheit des Logeninnenraums angesehen wurde. Aufschlussreich ist, dass die Namen derjenigen Brüder, die den Lehrling an die Oberen verrieten, nicht genannt werden. Die Förderung von Misstrauen zwischen den Brüdern scheint heute offensichtlich, auch wenn solches Vorgehen kaum mit dem maurerischen Anspruch an brüder-
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 31. April 1782, Gesellenloge, Bl. 62, S. 1.
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liches Verhalten vereinbar zu sein scheint. Allerdings muss auch das Interesse der Gemeinschaft an der Bewahrung ihrer Geheimnisse berücksichtigt werden. In modernen Termini ausgedrückt, geht es um Datensicherheit und um Whistleblower, die aus der Anonymität heraus darauf dringen, diese Daten zu schützen. Die Garantie der Anonymität für diese Aufpasser ist auch als Versprechen für die Zukunft deutbar, dass der Bewahrer von Geheimnissen selbst geschützt bleiben wird. Im April 1782 kam er zu einem Vorfall, der Koppe dazu nötigte, eine Weiterführung in den dritten Grad vor seinen versammelten Brüdern zu begründen. Der aus Hamburg stammende Student des Rechtwissenschaft Johann Joachim Jänisch hatte seit Mai 1780 an den Arbeiten der Göttinger Loge teilgenommen und war am ersten August 1781 auf Wunsch seiner Mutterloge in den Gesellengrad weitergeführt worden.⁵¹ Im April 1782 stand seine Weiterführung in den Meistergrad an, … weil derselbe von hieraus auf Reisen gehen würde, und die Loge in Hamburg bey der er steht, die unsrige um seine Weiterführung ersucht habe. Mit des Br[uder] Jänisch bisherigen maurerischen Betragen habe der sehr ehrwürdige Meister Ursache zu frieden zu seyn, einen Vorfall ausgenommen, worüber er seine Unzufriedenheit bezeigte, nemlich daß der Br[uder] Jänisch vor kurzem an den, von einigen hiesigen Studierenden, einem unglücklichen einfältigen Maurer angethanen Beschimpfung Antheil zu nehmen, sich verleiten lassen.⁵²
Wo und wann der Vorfall stattgefunden hat, wird nicht erwähnt. Der Verweis auf eine Gruppe von Studenten lässt aber vermuten, dass sich der Vorfall im Umfeld der Universität oder eines Wirtshauses ereignete, also außerhalb der freimaurerischen Kreise und coram publico – das Ansehen der Loge war mithin durch das
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Gesellenloge, Bl. 14, S. 1. Jänisch war unter der Matrikelnummer 11090 an der Göttinger Universität immatrikuliert.Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 234. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. April 1782, Meisterloge, unpag. Der Begriff der Einfältigkeit muss hier nicht negativ besetzt sein. In In Johann Heinrich Zedlers Universal-Lexicon heisst es: „Einfältigkeit, oder einfältig seyn, bedeutet in h. Schrift die Aufrichtigkeit des Herzens, da man eines lautern und reinen Herzens ist, und von keiner Falschheit weiß, und wird der Heucheley entgegen gesezt.“ Somit hätte es sich um einen ehrlichen Mann gehandelt. Doch auch im 18. Jahrhundert war bereits eine negative Deutung des Begriffs bekannt: „… endlich bedeutet es eine Alberheit und grosse Unwissenheit, wie etwan kleine Kinder noch alber und einfältig sind, und nichts verstehen. Diese wird der Weisheit entgegen gesetzet.“ Mitglieder der Loge hatten somit einen ehrlichen und/oder dummen Mann drangsaliert. Vgl. Johann Heinrich Zedler, Grosses vollständiges Universal-Lexicon Aller Wissenschaften und Künste, 8. Band, Halle und Leipzig 1734, S. 544.
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beschriebene Verhalten gefährdet worden.⁵³ Dennoch kam Jänisch mit einer Ermahnung davon: Da aber der Br[uder] Jänisch sonst nie etwas zu Schulden kommen lassen, so wurde seine Aufnahme beschlossen. Dem sehr ehrwürdigen Br[uder] Richter wurde daher die Präparation, zugleich aber auch aufgetragen, ihm sein Verfahren nachdrücklich vorzuhalten. Der sehr ehrwürdige Br[uder] Richter referierte: Dem Br[uder] Jänisch gereue sein Versehen innigst, und er verspräche, nie dergleichen, einem Maurer unanständiges sich wieder zu Schulden kommen zu lassen.⁵⁴
In dem Protokolleintrag fällt der Begriff „Maurer“ gleich zwei Mal: Zuerst wird das Opfer der Studierenden so bezeichnet, dann assoziiert Jänisch sich selbst mit dem Begriff, beschreibt sich somit selbst als der Gemeinschaft der Freimaurer zugehörig und bereut dementsprechend sein unangemessenes Verhalten vor seinen Brüdern. Während klar ist, dass Jänisch sein Verhalten als für einen Freimaurer unangemessen bezeichnete, fällt die Charakterisierung des Opfers als „unglücklich“ und „einfältig“ auf. Nur äußerst selten werden in den erhaltenen Dokumenten derart herabwürdigend klingende Adjektive verwendet; es ist kaum vorstellbar, dass im Protokollbuch – einem wichtigen Dokument der Loge – ein Freimaurer mit derartigen Ausdrücken charakterisiert wurde.⁵⁵ Weil von einem „unglücklichen einfältigen Maurer“ die Rede ist, handelte es sich vermutlich um einen Handwerker. „Unglücklich“ stände als Synonym für arm, „einfältig“ für ungebildet. Die Formulierung würde demnach darauf hindeuten, dass die überwiegend gebildeten und wohlhabenden Logenmitglieder von einem weniger Privilegierten aus den Reihen der einfachen Mitbürger berichteten. Spannungen aufgrund von herablassendem Verhalten der Studenten gegenüber Vertretern niedrigerer Stände – vor allem gegenüber Handwerksgesellen –
Die Behandlung des Fehlverhaltens gegenüber gesellschaftlich niedriger stehenden Personen zeigt, dass auch hier die Verhaltensregeln der Freimaurerei griffen. Bei Anderson heißt es über das Auftreten zu Hause und in der Nachbarschaft: „You are to act as becomes a moral and wise Man…“. Gefolgt werden Andersons Verhaltensregeln von einem Schlusswort, in dem er anordnet, dass: „… all Wrangling and Quarreling, all Slander and Backbiting …“ zu vermeiden seien. Ein Freimaurer vergreift sich nicht an „unglücklichen einfältigen“ Leuten, weil das unmoralisch ist, egal aus welchem Stand diese Menschen stammen! Jänisch wäre so Opfer seines eigenen Standesdünkels geworden, der mit dem von einem Freimaurer geforderten Verhalten nicht kompatibel war. Vgl. Anderson, Constitutions (1723), S. 55 ff. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. April 1782, Meisterloge, unpag. Derart beleidigende Ausdrücke finden sich sonst nur bei der Charakterisierung von Verrätern im Schwarzen Buch der Loge Zum goldenen Zirkel.
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waren in Universitätsstädten häufig zu beobachten.⁵⁶ Das Beispiel des acht Jahre später erfolgten „Göttinger Studentenauszugs“ zeigt anschaulich, welche Gefahr bereits in kleinen Scharmützeln zwischen den verschiedenen, in sich abgeschlossenen Ständen innerhalb der Stadt lag, die jeweils über einen eigenen Ehrenkodex verfügten – und diesen auch rigoros durchsetzten.⁵⁷ Diesen Zwängen und Bräuchen der ständischen Gesellschaft musste sich auch die Loge fügen: Wo Professoren sich als Zeichen der Missbilligung die sogenannten „Katzenmusiken“ ihrer Schüler anhören mussten und Studenten Dienstmägde schlugen oder schwängerten, ohne mehr als kleine Summen an Alimenten für deren zerstörte Lebensperspektive zahlen zu müssen, sind Beleidigungen eines Handwerkers schon sehr ernst genommen, wenn eine Ermahnung überhaupt erfolgt.⁵⁸ Angesichts der Bedeutung, die die Universität für die Wirtschaft der Stadt hatte, gingen der Rat der Stadt und auch die Universitätsleitung mit der Verfehlungen der Studenten üblicherweise sehr nachsichtig um – und so hielt es wohl auch die Loge. Ein weiterer Grund für die nachsichtige Behandlung war sicherlich Jänischs baldige Rückkehr nach Hamburg. Mit seinem Abgang sahen die Logenoberen die peinliche Episode vermutlich als abgeschlossen an. Und schwerer noch als das Argument der baldigen Abreise wog vermutlich die Bitte seiner Mutterloge um Weiterführung ihres Bruders. Das Verhältnis zur Hamburger Loge wollte man nicht mit Klagen über die Kindereien eines ihrer Mitglieder belasten. Ein Brief in die Hansestadt hätte die dortige Loge in Verlegenheit gebracht: Wenn ein Bruder in der Fremde durch schlechtes Verhalten auffiel, bedeutete dies immer auch einen Ansehensverlust für die Mutterloge. Und dann war da noch der Name Jänisch selbst, der den jungen Mann wohl vor einer schärferen Bestrafung bewahrt hat. Bei dem Studenten handelte es sich möglicherweise um einen Verwandten des Großmeisters von Hamburg und Niedersachsen, Gottfried Jacob Jänisch (1707– 1781).⁵⁹ Dieser war bereits 1743 der ältesten deutschen Loge Absalom zu den 3 Nesseln beigetreten und damit eines der am meisten respektierten Mitglieder der Hamburger Loge. Jänisch war einer der
Vgl. Karl Gröber, Alte deutsche Zunftherrlichkeit, München 1936, S.16; Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 266 ff.; Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 153 f. Vgl. Stefan Brüdermann, Der Göttinger Studentenauszug – Handwerkerehre und akademische Freiheit, Göttingen 1991, S. 6 ff. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 270 ff.; Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 157 f. Vgl. C. Lenning (Friedrich Mossdorf), Encyclopädie der Freimaurerei, 2. Band, Leipzig 1824, S. 112 f.
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bekanntesten Ärzte der Hansestadt; das Amt des Provinzial-Großmeisters hatte er von 1760 bis zu seinem Tod am 28. März 1781 inne. Ein Jahr später war die Erinnerung an den bedeutenden Freimaurer vermutlich auch in Göttingen noch wach, nicht zuletzt weil sich unter den Göttingern Brüdern zahlreiche angesehene und angehende Mediziner befanden. Teilnahme und Weiterführung eines Mitglieds der Familie Jänisch wäre von der Göttinger Loge deshalb wohl als Ehre aufgefasst worden.⁶⁰
Diskretion Zu den Aufgaben des Meisters vom Stuhl gehörte es, mögliche Gefahren für die Loge im Voraus zu erkennen und so die Loge zu schützen. Schon der Vorsitzende der ersten Göttinger Loge Friedrich geriet in eine schwierige Lage, denn ab Juli 1748 hatte Georg Ludwig Böhmer das Amt des Prorektors der Universität inne.⁶¹ Wichtige Verantwortung dieses Amts war die Durchsetzung der akademischen Gerichtsbarkeit.⁶² Böhmers berufliche Pflichten erschwerten es ihm, das Logenleben aktiv zu gestalten – die Gemeinschaft stellte denn auch ihre Arbeiten bereits nach circa einem Jahr wieder ein. Der Meister vom Stuhl war gezwungen, sich zwischen seiner Karriere als Professor der Rechtswissenschaften und seiner Rolle in der Freimaurerei zu entscheiden. Die Furcht, dass die Aktivitäten der Loge die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen könnten – denn die Existenz der Logen und die Namen der meisten Mitglieder konnten in einem so kleinen Ort wie Göttingen kaum unbekannt bleiben – , trieb gut dreißig Jahre später auch den ersten Vorsitzenden der neuen Loge Augusta, Wacker, um. Als im September 1779 – kurz vor seiner Amtsenthebung – ein Schreiben aus Hannover eintraf, reagierte der Schankwirt nervös: Es ist uns von der Ordens Regierung zu Braunschweig unterm 25. Aug[ust] 1779. der Traurige TodesFall des hochwürdigen Alt Schottischen OberMeisters Ernst von Lestwitz angezeigt worden, da es der allweisen Vorsehung gefallen denselben am 23. Aug[ust] im 70sten Jahr seines Alters aus dieser Zeitlichkeit abzufordern, und Uns einen Unserer würdigsten Ordens
Neben den zwei wahrscheinlichen Gründen gibt es noch einen dritten Faktor, der Koppe zu seinem äußerst nachsichtigen Verhalten bewegt haben könnte. Ein Jahr nach dem unangenehmen Vorfall wurde Jänisch unter dem Ordensnamen „Lockmann“ in den Illuminatenorden aufgenommen. Ob Jänisch schon 1782 im Kontakt mit dem Orden – und damit Koppe – stand, ist nicht bekannt. Ebel, Catalogus Professorum Gottingensium, S. 23 Vgl. Stefan Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, Göttingen 1990, S. 45 ff.
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Brüder zu entreißen. … Die Maurerischen Tugenden dieses verewigten Bruders, erfordern das redlichste Beyleid sämtlicher Brüder; Wir tragen es Ihnen, allerseits vielgeliebte Brüder Beamte, daher auf eine Trauer Loge zum Andenken des Seelig verstorbenen zu veranstalten, und mit Uns den Tod dieses würdigen Bruders zu beklagen.⁶³
Die Anordnung demonstriert das verbindende Element freimaurerischer Rituale: Das feierliche Begehen besonderer Anlässe und das Praktizieren der gleichen Rituale verband die verschiedenen Logen zu einer großen, überregionalen Gemeinschaft.⁶⁴ Die Reaktion Wackers überrascht deshalb: … daß man billig heute eine Trauer Loge wegen des verstorbenen verehrungswürdigen Br[uder] von Lestwitz zu Bronswii halten solle. Da aber die hiesige Verfassung es nicht gestatte ein Aufsehen zu machen, so müßte man den schetzbahren Verlust dieses würdigen Br[uder] herzlich beklagen und habe daher den traurigen Fall nur anzeigen wollen.⁶⁵
Die Formulierung lässt keinen Zweifel daran, dass Wacker das Abhalten der Trauerloge zwar als Verpflichtung ansah, sie aber also Risiko für die Loge wahrnahm. Der Begriff „Aufsehen“ deutet darauf hin, dass dem Vorsitzenden die gesellschaftlichen Umstände Sorge bereiteten. Doch was hatte die negative Einstellung von Obrigkeit und Öffentlichkeit in Bezug auf die Freimaurerei mit einer logeninternen Zeremonie zu tun? Es findet sich kein vergleichbarer Fall, in dem eine reguläre Versammlung der Loge aufgrund von äußeren Umständen abgesagt worden wäre. Es muss sich daher um eine Besonderheit der Trauerlogen gehandelt haben, die offenbar stärker als regulären Versammlungen durch die Öffentlichkeit wahrgenommen werden konnten. Näheres zur öffentlichen Wahrnehmung lässt sich einigen Protokolleinträgen entnehmen, die unter Wackers Nachfolger Koppe verfasst wurden. Als Angehörigem des Lehrkörpers war dem Theologen bewusst, dass die Universität trotz Lehrfreiheit gegen missliebige Professoren und Dozenten durchaus vorging.⁶⁶
Schreiben des Schottischen Obermeisters Karl II. zu Mecklenburg-Strelitz an die Loge Augusta zu den 3 Flammen, 1. September 1779. Die verschiedenen Spielarten der Freimaurerei können als Analogien zu den verschiedenen „Konfessionen“ in der Religion gesehen werden. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Oktober 1779, Lehrlingsloge, Bl. 3, S. 2. Dazu bedurfte es nicht unbedingt der Edikte, welche Freimaurerei und Studentenorden in Göttingen verbat. Zensiert wurden trotz angeblicher Zensurfreiheit auch allzu provokante Schriften und Bücher. So gesehen kann auch das Vorgehen gegen das Sozietätswesen durch Obrigkeit und Universitätsgerichtsbarkeit als eine Art von Zensur angesehen werden. Vgl. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 130 f.
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Unmittelbar nach seinem Amtsantritt wandte Koppe sich daher mit einer Bitte an seine Brüder: Der ehrw[ürdige] M[eister] v[om] St[uhl] zeigte auch hierauf die Ordnung an, mit welcher er wünsche hinfür die Asp[iranten] prop[oniert] werden möchten, damit er wegen seiner weldlichen Verheldnisse als M[eister] v[om] St[uhl] der Aug[usta] den Prof. nicht bekannt werde.⁶⁷
Unklar bleibt auf wen sich hier das Kürzel „Prof.“ bezieht. Obwohl Koppe nicht der einzige Professor war, der Mitglied in einer der beiden Freimaurerlogen oder den anderen zahlreichen Sozietäten der Stadt war, gab es an der Universität sicherlich auch Professoren, denen die Freizeitgestaltung manches Kollegen ein Dorn im Auge war. Es wäre sicher nicht im Interesse Koppes gewesen, wenn sie mit seiner Position als Meister vom Stuhl konfrontiert worden wären. Wahrscheinlicher aber ist, dass „Prof.“ an dieser Stelle für den unter Freimaurern so gebräuchlichen Begriff des „Profanen“ steht, und Koppe somit davor warnte, dass die Anwärter Kenntnis von seinem Doppelleben erlangen könnten.⁶⁸ Indiskretion konnte die gesamte Loge in große Schwierigkeiten bringen.⁶⁹ Der königlichen Regierung blieb die Entwicklung natürlich trotz aller Bemühungen nicht verborgen.⁷⁰ So kam es, dass Koppe sich auch in den folgenden Jahren mit den Problemen beschäftigen musste, die sein Engagement in einer gesellschaftlichen Grauzone mit sich brachte. Ab Juli 1783 bekleidete er für ein Jahr (zwei Amtsperioden) das Amt des Prorektors – die Parallelen zu den Le-
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Dezember 1779, Lehrlingsloge, Bl. 8, S. 2. Ein weiterer Grund war möglicherweise die Belästigung auf offener Straße. Die Freimaurerlogen waren als karitativ tätige Institutionen bekannt. So klagte der Meister vom Stuhl der Gothaer Loge Zum Rautenkrantz über die zunehmende Belästigung durch Bedürftige auf der Straße. Vgl. Protokoll der Loge Zum Rautenkrantz, Eintrag vom 4. März 1783. Auch eine andere berühmte Göttinger Sozietät litt unter der Neugier von Bürgern und Gelehrten: Schon kurz nach der Gründung des Hainbunds ging in der Leinestadt das Gerücht über eine neugegründete „Bardengesellschaft“ herum. Gleichwohl war die Gemeinschaft meist junger Literaten wesentlich kleiner als die Freimaurerlogen und verfügte über keine vergleichbar enge Anbindung an den Lehrkörper. Vgl. Sauder, Bund auf ewig! – Der „Göttinger Hain“, S. 29. Zur Geschichte des Hainbunds vgl. auch Böttcher (Hrsg.), Sturm und Drang, S. 226 ff. sowie Jørgensen, Bohnen und Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur 1740 – 1789, 6. Band, S. 403 ff. Innerhalb des Hannoverschen Herrschaftsgebiets war gerade der in Hannover sitzende Geheimdienst für seine Effizienz bekannt und berüchtigt, in London wurden „während des gesamten 18. Jahrhunderts … Hannoveraner in der Spezialabteilung des britischen Post Office eingesetzt“, um politisch Unliebsame zu überwachen. Vgl. Benjamin Bühring, Die Deutsche Kanzlei in London, S.114.
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bensumständen Böhmers sind offensichtlich.⁷¹ In einem Eintrag vom Sommer 1783 wandte sich der Vorsitzende zeitnah zu seiner Ernennung zum Prorektor explizit an seine studentischen Brüder – hier sah er offenbar das größte Potential für Geschwätzigkeit und unmittelbaren Handlungsbedarf: Die studierenden Brüder feuerte er, durch eine kurze Anrede an Sie, zu einem edlen Betragen an, und gab ihnen einige brüderliche Regale wegen seiner akademischen Lage als Prorector und Verhältniß seiner maurerischen und akademischen Amtspflichten.⁷²
In diesem zweiten Aufruf scheint Koppe nicht nur ermahnt zu haben, sondern begründete und verkündete neue Verhaltensregeln, deren Einhaltung er explizit von den studentischen Mitgliedern einforderte. Koppes Rolle als Prorektor und Meister vom Stuhl drang dennoch nach außen, wie Eintragungen vom zehnten und elften Februar 1784 aus einem Reisebericht des aus Karlsruhe stammenden Christoph Friedrich Rinck (1757– 1821) belegen.⁷³ Der Name des Hof- und Stadtvikarius fällt weder in den Protokollen der Loge, noch ist er in der von Gläshner zusammengestellten Mitgliederliste verzeichnet; nichts deutet auf einen Besuch Rincks in der Loge hin.⁷⁴ Auch in den Unterlagen der Loge Zum goldenen Zirkel findet sich kein Hinweis auf Rinck. Am 26. März 1780 starb Herzog Karl I. von Braunschweig. Die noch offene Frage, warum Wacker Bedenken gegen die Ausrichtung einer Trauerloge hatte, lässt sich anhand der auf Karls Tod folgenden Abläufe innerhalb der Augusta klären. Im Juni berichtete Koppe der Versammlung, … daß von der altschottischen Loge zu Hannover der Auftrag eingegangen sey, wegen des Ableben des durchl[auchten] regierenden Herzog zu Bronswii, weil dieser Fürst dem Orden der Freymaurer im ganzen so viele Wohltaten erzeiget und dessen einfriger Protector in
Ebel, Catalogus Professorum Gottingensium, S. 24. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. August 1783, Lehrlingsloge, Bl. 93, S. 2. Dort heißt es: „Herr D[oktor] theologiae Koppe ist würcklich Prorektor …. Und, unter Bezug auf die Göttinger Freimaurerei: „Hier ist Koppe Meister…“. Vgl. Moritz Geyer (Hrsg.), Christoph Friedrich Rincks Studienreise 1783/84, unternommen im Auftrage des Markgrafen Karl Friedrich von Baden, Altenburg 1897, S. 200. Der Reisende war nach seiner Rückkehr nach Karlsruhe unter dem Ordensnamen „Fénelon“ im Illuminatenorden aktiv. Wann und wo er in den Orden aufgenommen wurde, und ob er während seiner Reise durch Göttingen über Koppe mit dem Orden in Kontakt kam, ist noch unklar. Es besteht zumindest eine Möglichkeit, dass Rinck von Koppe oder anderen Göttinger Illuminaten Informationen über die Verhältnisse in der Leinestadt erhielt, wobei es in diesem Fall unwahrscheinlich wäre, dass Rincks seine Erkenntnisse in seinem Reisebericht festgehalten hätte.
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seinen Staten gewesen und bekanntlich viele Freyheiten gestattet habe, zum Angedenk dieses würdigen Fürsten und Bruders, eine ordentliche Trauer Loge feyerlichst zu veranstallten sey …⁷⁵
Der Zeitraum zwischen dem Tod des Herzogs und Koppes Bekanntmachung erscheint mit 10 Wochen als außergewöhnlich lang. Trotz der zahlreichen Wohltaten des Herzogs hatte die Göttinger Loge nicht geplant, eine Trauerloge abzuhalten: In den erhaltenen Dokumenten findet sich kein Hinweis, dass vor dem Eintreffen des Schreibens Überlegungen in diese Richtungen stattgefunden hätten. Bereits drei Tage nachdem das Schreiben aus Hannover eingegangen war, hielt man die feierliche Zeremonie ab: Zufolge des lezten Beschlußes vom 7n d[es Monats] eröfnete der ehrw[ürdige] Meister vom Stuhl, mit aller Freyde die angezeigte Trauer Loge wegen des seeligen Hintrittes des durchl[auchten] regierenden Herzog von Bronswii., als Beschützer der vereinigten Maurer Logen Teutschlandes und verbundener OrdensBruder.⁷⁶
Vergleicht man den zehnwöchigen Zeitraum zwischen Tod und Trauerloge im Fall Karl I., und der Geschwindigkeit mit der die Loge in der Lage war, beispielsweise eine außerordentliche Lehrlingsloge zur Aufnahme eines Adepten auszurichten, stellt sich natürlich die Frage, warum die Göttinger Loge zuvor keine Anstrengungen unternommen hatte. Einen Hinweis auf die Hintergründe liefert eine ungewöhnliche Bitte Koppes im Vorfeld der Trauerloge: Dabey bemerckte der ehrw[ürdige] Meister auch daß, damit es kein Aufsehen machen möge, wenn die Br[üder] in Trauer Kleidung erschienen, dieselben ein bloß mit einer Flohr um Arm und Degen, in Loge zu erscheinen gestattet würde, welche in derselben erst anzulegen sein würden.⁷⁷
Der Meister vom Stuhl wollte unnötiges Aufsehen vermeiden. Indem man den Trauerflor erst in der Loge anlegte, waren die Mitglieder nicht schon auf der Straße als Teilnehmer einer Trauerveranstaltung erkennbar. Obwohl nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Beschränkung auf den Trauerflor Teil der Anordnung aus Hannover war, muss davon ausgegangen werden, dass es sich um eine An-
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 19, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 10. Juni 1780, Trauerloge, Bl. 21, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 20, S. 1.
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ordnung des Vorsitzenden handelte – zu deutlich weist das Bestreben nach Diskretion auf ihn hin. Koppe wollte jedes Aufsehen vermeiden, das den Blick auf sein freimaurerisches Engagement lenken konnte. Gut möglich also, dass Koppe die Ausrichtung einer Trauerloge, noch dazu kurz nach dem Tod des Herzogs, scheute, und ihre Ausrichtung daher zunächst in der Loge kein Thema war. Der Anweisung aus Hannover konnte er sich offenbar nicht widersetzen – erst wenige Monate zuvor hatte die altschottische Loge Carl zum Purpurmantel ihn als Vorsitzenden eingesetzt.
Exklusion Mit der Exklusion fand die Wahrung der Diskretion ein abruptes Ende. Sie war die härteste Strafe, denn jegliche Bande zwischen dem Ausgeschlossenen und der Gemeinschaft wurden zerschnitten. Wer in den Augen seiner ehemaligen Brüder wieder zum Außenstehenden wurde, musste mit der Verbreitung seines Namens rechnen. Die damit einhergehende Stigmatisierung kann nicht überschätzt werden, wurde die Verbreitung einer solchen Nachricht von den Beteiligten doch wie eine Anprangerung verstanden. Hätte ein so geächteter ehemaliger Maurer versucht, eine Anstellung an der Göttinger Universität zu finden, wären ihm durch die studentischen Brüder, vor allem aber durch Vertreter der Logen im Lehrkörper und Gelehrtenkreis mit großer Wahrscheinlichkeit erhebliche Widerstände entgegen gebracht worden. Und auch in seinem Privatleben hätte er innerhalb der noch ländlich strukturierten, sehr überschaubaren Stadt kaum Kontakte aufrecht erhalten oder gar neu knüpfen können. Der Ruf des Verräters hätte ihn aber auch in beinahe allen größeren Städten Europas früher oder später eingeholt. Der in Kapitel Sechs beschriebene Fall des Studenten Schumacher hat dessen Furcht vor der Exklusion anschaulich gezeigt.⁷⁸ Äußerte ein Betroffener jedoch keine Reue und Willen zur Besserung, galt nach einiger Zeit die Trennung zwischen Loge und Ausgestoßenem als endgültig. Ab diesem Punkt setzte ein Mechanismus ein, der auf der einen Seite anderen Logen Schutz vor nachweislich ungeeigneten Mitgliedern bieten sollte, den man aber auch als einen Prozess der sozialen Ächtung verstehen sollte, weil er darauf abzielte, die Mitglieder der Logen von der Nachahmung abzuschrecken. Auf den finalen Ausschluss folgten Schreiben an befreundete Logen und die jeweilige Landesloge, in der die Entscheidung verkündet und der Name des
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Dezember 1780, Lehrlingsloge, Bl. 33, S. 1 f. sowie Kap. 6.
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Ausgestoßenen publik gemacht wurde. In der Augusta wurde ein solches Schreiben der Lemberger Loge am 15. Dezember 1779 verlesen: Der ehrw[ürdige] M[eister] v[om] St[uhl] redete zuförderst die Versammlung, mit einer vortreflichen kurzen Rede an, welche vorzüglich die Pflichten die ihm als Meister obliegen schilderte und verband damit ernstliche Ermahnungen an die ganze Logen Versammlung. Hierauf sezte der S[ehr] E[hrwürdige] M[eister] v[om] St[uhl] die Arbeit fort und laß ein eingegangenes Schreiben von der Loge Joseph z[um] Ksl: [Kaiserlichen] Adler zu Lemberg im Antheil Sahlms vor, nebst mit eingegangener Logen Liste die aus 94 Mitgliedern bestand. Diese mit uns verbundene Loge hat auch besonders bemerkt, daß ein Br[uder] als Mitglied völlig excludiert worden wie auch die Liste bemerkte und ward dessen Nahme und Character öffentlich bekannt gemacht.⁷⁹
Auf die Exklusion folgte der Versuch, eine Rückkehr des Ausgestoßenen in die Gemeinschaft auch an anderem Ort unmöglich zu machen – unübersehbar sind die Parallelen zu einer gesellschaftlichen Ächtung, wie man sie sonst nur in Folge gerichtlicher Urteile finden kann, zumal hier expressis verbis sein „Character öffentlich bekannt“ gemacht wurde, was weit über die Nennung des eigentlichen Vergehens hinaus ging und den Verstoßenen geradezu als unverbesserlich stigmatisierte. Bereits im nächsten Jahr hatte Koppe erneut die „unangenehme“ Aufgabe ein ähnliches Schreiben zu verlesen, diesmal aus dem hessischen Wetzlar: … welches die völlige Ausstoßung zweyer völlig unwürdiger Mitglieder dieser Loge betreffe, nemlich den königl[ichen] Lieutenant Ludewig von Rodenhausen und Hans Joachim von Bernstorff entlaßener Han[noverscher] Auditor bey der cellischen Canzley dermahlen zu Wien. Der ehrw[ürdige] Meister verlaß den eingegangenen Bericht, welcher die Ursachen ausführlich enthielt worinnen man sich gedrungen gesehen endlich mit aller Härte zu verfahren, zeigte auch an daß er also Pflicht erachtet habe, den Brief der anderen Loge hier zu communizieren und fügte das immerfort zur Warnung und Unterricht hinzu.⁸⁰
Vermutlich hatte das Schreiben seinen Ursprung in der Wetzlarer Loge Joseph zu den drey Helmen. ⁸¹ Bemerkenswert ist, dass Koppe verkündete, es für seine Pflicht
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Dezember 1779, Lehrlingsloge, Bl. 8, S. 1. Zu den in den Logen gehaltenen Reden vgl. Markus Meumann, Logenreden und Übungslogen – Zur Praxis des Sprechens und Schreibens über vorgegebene Themen in der Freimaurerei des 18. Jahrhunderts, in: Aufklärung, 28. Band (2016), Aufsatzpraktiken im 18. Jahrhundert, hrsg. von Markus Meumann u. Olaf Simons, Hamburg 2017, S. 239 – 274. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 9. April 1780, Lehrlingsloge, Bl. 16, S. 2. Die Anfänge der Freimaurerei in Wetzlar rund um die Loge Drey Schlüssel zum Winckelmaas in den frühen 1760er Jahren liegen im Dunklen. Vermutlich ab 1767 arbeitete die zwischenzeitlich
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zu halten, die Exklusion samt der Gründe auch „der anderen Loge hier“ bekannt zu machen. Diese Äußerung kann sich nur auf die Loge Zum goldenen Zirkel beziehen, in deren Dokumenten sich allerdings kein Hinweis darauf findet, dass man eine Warnung aus der Augusta erhalten hätte.⁸² Anfang 1780 stand der Prozess der Annäherung zwischen beiden Göttinger Logen noch am Anfang. Die Formulierung des Protokolls deutet darauf hin, dass Koppe die jüngere Loge bereits vor der Sitzung informiert hatte. Es bleibt somit unklar, ob in der Versammlung der Loge Zum goldenen Zirkel Koppes Warnung nicht weitergegeben wurde und die Kenntnis von der Warnung auf den Kreis der Beamten beschränkt blieb, oder ob die etwaige Verlesung der Warnung nicht protokolliert wurde.⁸³ Sechzehn Monate später traf erneut ein Schreiben aus Wetzlar ein, in dem über den weiteren Verlauf der Geschehnisse informiert wurde. Der Meister vom Stuhl … verlaß zu dem Ende ein von der Loge zu Wetzlar eingelaufenes Schreiben welches bemerklich machte; daß vor einiger Zeit daselbst nach geschehener Anzeige, zwey Brbr. excludiert wurden, nehmlich der v[on] Rodenhausen und v[on] Bernstorff. Ersterer wandele seinen Weg fort, aber letzterer habe mit vollem Ernst Reue über seine begangenen Fehler sich der Loge wieder genähert, die strengste Besserung versprochen und in der Rücksicht wieder zugelassen, jedoch mit der ausführlichen Ermahnung und auf Bedingungen zugelassen, daher die Loge bath ihn hier auch den Zutritt zu gestatten aber nur bis in den 2. Grad.⁸⁴
Der Hinweis, dass von Bernstorff im Fall eines Besuchs nur Zugang bis zum zweiten Grad gestattet werden sollte, ist in den Protokollen einzigartig, und deutet auf eine disziplinarische Maßnahme der Wetzlarer Loge hin. Ist dies so zu verstehen, dass Bernstorff eigentlich einen Meistergrad inne hatte, zeitweise aufgrund seines Verhaltens aber nicht an den Versammlungen der höheren Grade teilnehmen durfte? Wie im Fall Schumachers war auch hier die Exklusion bzw. die Verweigerung des Zugangs zur Versammlung nur temporär gewesen. Wer sich glaubhaft entschuldigte und Besserung versprach, konnte auf Milde hoffen. Al-
neugegründete und von Teilnehmern des Visitationskongressen am ortsansässigen Reichskammergericht besuchte Loge Joseph zu den drey Helmen nach dem System der Strikten Observanz. Wie Vgl. 225 Jahre Freimaurer in Wetzlar: 1761 – 1986, hrsg. von der Loge Wilhelm zu den drei Helmen, Wetzlar 1986, S. 6 ff. Vgl. Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 1. März 1780, 8. März 1780, 15. März 1780 und 12. April 1780, Lehrlings-, Gesellen und Meisterlogen, Bl. 23, S. 1, 24, S. 2 und 25, S. 2. Auch in der Liste suspendierter und ausgetretener Mitglieder sowie dem Schwarzen Buch der Loge Zum goldenen Zirkel sind die Namen Odenhausens und Bernstorffs nicht zu finden. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 49, S. 2.
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lerdings bleibt er offenbar einer erzieherischen Aufsicht durch seine Oberen unterstellt, die man als irgendwo zwischen individueller pädagogischer Bemühung und Willkür angesiedelt sehen muss.
Spielsucht Wie am Beispiel Johann Joachim Jähnischs zu beobachten war, interessierte sich die Loge auch für das private Fehlverhalten ihrer Mitglieder. In den Gaststätten, Wirtshäusern und Clubs der Universitätsstadt verbrachten viele von ihnen ihre Freizeit: Besonders Billard erfreute sich großen Zuspruchs und wurden von verschiedenen Etablissements der Stadt durch spezielle Kredite gefördert – und trug so zur Verschuldung bei.⁸⁵ Für die Studenten war bewusst anstößiges Verhalten wie das Duellieren, die Verführung von Bürgertöchtern oder das Herumtreiben in Wirtshäusern auch Ausdruck ihrer Freiheit und gesellschaftlichen Sonderstellung.⁸⁶ Aus Sicht der durch bürgerliche Moralvorstellungen geprägten Freimaurerei war derartiges Verhalten ein Laster und Ausdruck eines Mangels an Selbstbeherrschung. Denkt man an die Nachforschungen bezüglich der Leidenschaften von Anwärtern wird klar, dass es sich hierbei aus freimaurerischer Sicht um eine charakterliche Schwäche handelte.⁸⁷ Ob die so kritisch überprüften Anwärter tatsächlich im heutigen Sinne spielsüchtig waren, oder einfach nur die durch das Spiel gebotene Unterhaltung schätzten, lässt sich nicht mehr überprüfen. Belegt ist jedoch, dass Göttingen – trotz seines Wachstums in den vorangegangenen Jahrzehnten – im Kern ein Landstädtchen geblieben war, das über vergleichsweise wenig kulturelle Angebote für die Studenten verfügte, dafür aber in vielem (noch) sehr provinziell geprägt war. Durchsetzbar waren die moralischen Ansprüche in der Praxis kaum. Das Verbot des Glücksspiels ließ sich durch die Oberen kaum kontrollieren, denn ihre Freizeit außerhalb der Loge dürften die Logenoberen kaum in denselben Eta-
Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 302 f.; Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 154; Füssel, Akademische Aufklärung, S. 69 f. In einem Göttinger Kaffeehaus standen zwischen ein und drei Billardtische, es gab vier bis fünf Kaffeehäuser. Vgl. Wedemeyer, Aspekte zur frühen Kaffeehauskultur Göttingens im 18. Jahrhundert, S. 53 f. sowie Kap. 3. Joachim Bauer, Andreas Klinger, Alexander Schmidt und Georg Schmidt (Hrsg.), Die Universität Jena in der Frühen Neuzeit, Heidelberg 2008, S. 102. Vgl. Kap. 4.
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blissements verbracht haben wie die jüngeren Brüder.⁸⁸ Wohl auch deshalb findet sich in den Protokollen der Loge kein Bericht darüber, dass ein Mitglied der Loge das Verbot nicht beachtet hätte. Bei Anwärtern sah die Lage etwas anders aus: Im Rahmen mehrerer Rezeptionen wird die Spielsucht als charakterliche Schwäche thematisiert.⁸⁹ Unter diesem Gesichtspunkt erlauben die Protokolle nicht nur einen Einblick in die Selbstwahrnehmung der Loge, sondern enthalten wichtige Hinweise auf Strategien, mit welchen „charakterlich belastete“ Anwärter ihren Weg zur Rezeption zu ebnen suchten. Im Juni 1780 wünschte der Doktor der Rechtswissenschaft Johann Heinrich Christian Erxleben, Bruder des angesehenen Göttinger Physikprofessors Johann Christian Polycarp, der Loge beizutreten.⁹⁰ Nachdem Koppe den Anwärter vorgestellt hatte, bat der Redner Carl Chassot von Floriancourt um das Wort: Der Br[uder] Redner verlangte das Worth und bemerkte, daß ihn die Gesetze und deren Inhalt aufforderten in Betreff des von ihm in Vorschlag gebrachten Adep[ten] zu bemerken: Daß der Adep[t] zwar einige Schulden gehabt, wie er aber glaube bereits bezahlt habe, oder doch davon nicht weit mehr sein dürfte, und in Rücksicht des Spielens, so wäre es warheit, daß der Adep[t] gerne erlaubte Spiele auch hoch gespielt habe, in zwischen glaube er mit Überzeugung bemerklich machen zu können, daß der Adep[t] selbst erkenne daß diese Spiele ihm nachtheilig, mithin sich derselben enthalten werde und sey bloß durch die Gelegenheiten dazu verleitet worden, bemühe sich deren aufzugeben und völlig davon loßzumachen. Der ver[ehrte] Meister bemerkte, daß ihm dieses auch zur Wissenschaft gekommen sey und ein eifriger Wunsch in dem Adep[t] sich durch die maurerische Verbindung völlig vom Spiel und denen zeitherigen Geselschaften zu empfrommen, ruhe.⁹¹
Schon 1754 stellte der Kopenhagener Kammerrat Bärens fest, dass die Studenten ihre Freizeit unter sich, getrennt von anderen Bevölkerungsgruppen, verbrachten.Vgl.Wedemeyer, Aspekte zur frühen Kaffeehauskultur Göttingens im 18. Jahrhundert, S. 54 f.; North, Genuss und Glück des Lebens, S. 200 f. Der Begriff der „Sucht“ wird ohne jede genauere Definition benutzt; es handelt sich also um eine willkürliche Setzung, was der jeweilige Kommentator als Übertretung, Exzess definiert. Aus Sicht der älteren Logenmitglieder waren wohl viele Aktivitäten, mit denen ihre studentischen Mitglieder bevorzugt ihre Freizeit verbrachten, nicht nachvollziehbar. Die Hingabe an durch ältere Brüder abgelehnte Aktivitäten konnte somit mutmaßlich zur Verwendung des Suchtbegriffs führen. Mit modernen Äußerungen zu Suchtverhalten sind die hier angeführten Fälle wohl nicht vergleichbar. J. H. C. Erxleben studierte von 1771 bis 1774 in Göttingen, wurde Advokat und 1778 Doktor der Rechte. 1783 übernahm er eine Stelle als ordentlicher Professor der Rechte in Marburg. Dort war er in der Loge Zum gekrönten Löwen aktiv. Emil Steffenhagen, Erxleben, Johann Heinrich Christian, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 6. Band, Leipzig 1877, S. 335. Zu J.C.P. Erxleben vgl. Ebel, Catalogus Professorum Gottingensium, S. 105. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 20, S. 2. Aus dem Protokollausschnitt geht erneut klar hervor, dass es die Pflicht der Mitglieder war, die Logenoberen über etwaige Schwächen eines Anwärters zu unterrichten.
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Floriancourt, über lange Jahre Redner der Loge, verhielt sich hier vorschriftsmäßig, indem er auf die Schwächen des von ihm Proponierten hinwies, stellte diesen aber sogleich in einem guten Licht dar und betonte seinen Willen zur Besserung – so beugte er etwaigen Angriffen vor. Gute Kontakte waren bei der Aufnahme in die Loge von größter Bedeutung – der Hang zum Glücksspiel konnte durchaus zur Exklusion führen.⁹² Von Floriancouts Einsatz für den von ihn vorgeschlagenen Anwärter führt auch zu der Frage, ob es sich bei der von ihm übermittelten Beteuerung Erxlebens, dass er vom Spiel loskommen wolle, nur um ein Strategie handelte, um die Aussicht auf Aufnahme zu erhöhen. Handelte die Loge dem erzieherischen Anspruch der Freimaurerei gemäß, konnte Erxleben mit Hilfe und Nachsicht rechnen. Eine Ablehnung des Anwärters hätte bedeutet, dass man einem Menschen in Schwierigkeiten die Hilfe verweigerte. Der möglicherweise aufkommende Einwand, dass die Logen auch Nicht-Freimaurern halfen, greift in Erxlebens Fall nicht, denn der Redner hatte den Fokus auf die moralische Vervollkommnung gelenkt. Diese konnte nur innerhalb der Loge geschehen. Die Aufnahme Erxlebens wurde für den 24. Juni 1780 angesetzt; am Tag des Johannisfestes legte Koppe seine Gedanken zur Rezeption Erxlebens dar: … das heutige fromme Gescheft, die Aufnahme des Adep[ten] Dr. Erxleben seyn würde, welchen der ehrw[ürdige] Br[uder] v[on] Floriancourt bekanntlich proponiert habe, bemerkte zugleich, daß dieser Br[uder] nach den lezlich verlesenen Policey-Gesetzen, sich verbunden erachtet, über einige Punckte sich mit dem Adep[ten] näher zu unterhalten, indem ihm bekannt sey, daß er Neigung zum Spiel und auch einige Schulden habe. Der Adep[t] habe sich gegen den Br[uder] v[on] Floriancourt über seine Bemerkungen schriftlich erklähret, ihm den ehrw[ürdigen] Meister, solche Erklärung befriedigt, als womit er vollkommen zufrieden sey und eröffnete über die Aufnehmung des[selben] Adep[ten] seyne Gedanken und glaubte mit vieler Zuverläßigkeit denselben zur Aufnahme empfehlen zu können ….⁹³
Koppe muss sich seiner Empfehlung sehr sicher gewesen sein, denn nachdem das Nachfragen durch die beiden Vorsteher keine Einwände ergab, fand die Rezeption noch am selben Tag statt. Erxleben war bewusst, dass seine Aufnahme durch Koppe und von Floriancourt massiv unterstützt worden war. Um Zweifel an seiner Gesinnung zu zerstreuen, fügte er während der Aufnahmezeremonie den rituellen Antworten ein paar eigene Worte hinzu:
Vgl. Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 168. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 1 f.
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Ich heise Johann Heinrich Christian Erxleben, bin gebohren zu Quedlinburg 1753 d[en] 17 April, bin hier anseßig und Doctor Juris, bekenne mich zur lutherischen Religion und will mich alles gefallen lassen, was mit mir vorgenommen werden muß und bleibe bey meiner Entschloßenheit, weil ich mich nicht aus Übereilung, sondern mit Überzeugung entschlossen habe Maurer zu werden.⁹⁴
Erxleben versuchte deutlich zu machen, dass er sich bewusst für die Freimaurerei – und damit für einen Bruch mit seinem früheren Lebenswandel – entschieden hatte. Es war ungewöhnlich, dass ein Anwärter in das Ritual seiner Aufnahme eingriff, indem er den rituellen Floskeln einige persönliche Worte hinzufügte. Die Protokolle der Augusta verzeichnen an dieser Stelle nur sehr wenige Abweichungen. Für die Bedeutung der Worte spricht die Tatsache, dass sie festgehalten wurden. Möglicherweise auch, um sie ihm im Fall eines Rückfalls in alte Gewohnheiten vorhalten zu können – für einen Rückfall finden sich in den Protokollen allerdings keine Hinweise: Erxleben wurde in der Göttinger Loge bis in den Meistergrad weitergeführt, bevor er 1783 Göttingen verließ. Später war er als Professor an der Marburger Universität tätig und stieg dort bis zum Vizekanzler auf. Seine maurerischen Aktivitäten setzte er in der ortsansässigen Loge Zum gekrönten Löwen fort.⁹⁵ Erxlebens Hang zum Spiel war als charakterlicher Makel kein Einzelfall. Noch während der Johannisloge 1780 wies Koppe darauf hin, dass es einen weiteren Anwärter gebe: Hierauf prop[onierte] der ehrw[ürdige] Meister den sich hier aufhaltenden von Korff als ein empfohlenen Adep[ten] von der Mitauer Loge, und bemerkte, daß er den Adep[ten] etwas kenne, daß er wisse, daß nicht Spielsucht und sonstige Laster ihm anklebten und die Empfehlung erwünscht sey.⁹⁶
Dieser Verweis auf das Laster der Spielsucht war für den anwesenden Erxleben sicher unangenehm, führte er ihm doch seinen Makel erneut vor Augen. Der Student Friedrich Alexander von Korff wurde im August rezipiert und ein knappes
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 2. Vgl. Stefan Redies, Freimaurer, Tempelritter und Rosenkreuzer – Zur Geschichte der Geheimbünde in Marburg im 18. Jahrhundert, Marburg 1998, S. 82. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 23, S. 1.
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Jahr später in den Gesellengrad weitergeführt – eine vergleichsweise langsame Karriere für einen von einer auswärtigen Loge empfohlenen Adeligen.⁹⁷ Der Umgang mit der Spielsucht beschäftigte die Loge auch weiterhin. Im März 1781 stellte Koppe der Loge einen neuen Anwärter vor: Den Kaufmann Gödecke in Duderstadt, welchen der Br[uder] Tribile proponiert habe, und zum Beweise daß er ein würdiger Mann sey, verlaß der ehrw[ürdige] Meister einen von ihm an den Br[uder] Tribile erlassenes Schreiben, welches seiner Denkungs Art Ehre machte.⁹⁸
Wie Erxleben verfügte auch Johann Ferdinand Gödecke über gute Kontakte zu Mitgliedern der Loge, der Kontrast zwischen seiner und Erxlebens Bekanntmachung in der Loge könnte jedoch kaum größer sein. Keiner der anwesenden Brüder stand auf und betrachtete es als seine Pflicht, auf die Schwächen Gödeckes hinzuweisen. Der Meister vom Stuhl stellte gar die vorbildliche „Denkungs Art“ des Anwärters und seine Empfehlung durch einen Bruder Tribile in den Vordergrund.⁹⁹ Im April verkündete er den geplanten Termin zur Aufnahme Gödeckes: … welches also in einer ext[raordinairen] Loge geschehen müsste, weil bei diesem Adep[ten] Hinderungen eintreten, die ihn behinderten im May hier zu seyn.¹⁰⁰
Mitte April versammelte sich die Loge deshalb zu einer außerordentlichen Zusammenkunft: Eine ext[raordinaire] Loge eröffnete der ehrw[ürdige] Meister heute zu dem Ende, um den bereits proponierten Adep[ten] Kaufmann Gödecke aus Duderstadt zu recipieren, wenn dagegen nicht noch etwas eingewand werden würden und bezog sich auf das gute Zeugniß unseres würdigen Br[uders] Tribile und den guten verlesenen Brief des Adep[ten] und bemerkte die Ursache warum der Adep[t] in einer ext[raordinairen] Loge recipiert würde und erinnerte die Brbr. Vorsteher anzufragen ob auch gegen die Reception noch etwas vorzutragen sey und da dieselben anzeigten, daß nichts bemerkt worden, ward die Aufnahme
Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 5. August 1780 und 27. Juni 1781, Lehrlings- und Gesellenlogen, Bl. 26, S. 1 f. und 13, S. 1 f. Zur Freimaurerei in Kurland vgl. Heinz Ischreyt, Streiflichter über die Freimaurerei in Kurland, in: Balász, Hammermeyer, Wagner und Wojtowicz (Hrsg.), Beförderer der Aufklärung in Mittel- und Osteuropa, S. 225 – 256. Von Korff war unter der Matrikelnummer 11632 an der Göttinger Universität immatrikuliert, allerdings ohne Angabe des Adelsprädikats. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 244. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. März 1781, Lehrlingsloge, Bl. 40, S. 1. Dabei handelte es sich vermutlich um den angehenden Prediger Triebel. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 4. April 1781, Lehrlingsloge, Bl. 42, S. 1.
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7 Diskretion und Strafe
beschlossen und der besuchende Br[uder] v[on] Floriancourt übernahm die Vorbereitung und trat mit der Versicherung in Loge zurück, daß er den Adep[ten] gehörig vorbereitet habe, derselbe den Reverss gezeichnet und als seine vormalige herschende Eichenschaft habe er Hanck zum Spiel angegeben, aber dabey auch versichert, daß er diese schädliche Eichenschaft schon längst und von selbst entsacht und nun ein solches Spiel spiele, daß ihm nicht nachtheilig sey. Seine Bewegungs Gründe die ihn bewogen die Verbindung zu suchen wären einzig und allein die, weil er so viele würdige Menschen als Maurer kenne und nichts mehr wünsche als sich durch sie vollkommen zu bilden, unterwürfe sich auch allen Gebreuchen und habe vollkommenen Gehorsam versprochen.¹⁰¹
Erst unmittelbar vor Beginn des eigentlichen Aufnahmerituals wurde Gödeckes Hang zum Spiel erstmals thematisiert – durch den Kaufmann selbst. Dies ist bemerkenswert, da gerade im Vorfeld dieser Rezeption ausgiebig über den Anwärter diskutiert worden war. Gödecke ging offensiv mit seiner Schwäche um und betonte wie Erxleben den erzieherischen Aspekt der Freimaurerei, stellte gleichzeitig aber klar, dass er sich auch weiterhin dem Spiel widmen wolle. Geschickt stellte der Anwärter sich als bereits aktiv an seiner eigenen Verbesserung Arbeitenden (das Ideal eines Freimaurers!) dar, während Erxleben beinahe wie ein reuiger Sünder in die Loge eingetreten war. Was Gödecke unter einem Spiel verstand, welches ihm „nicht nachtheilig“ war, ist nicht überliefert. Das Beispiel zeigt erneut, von welcher Bedeutung Kontakte und ein Fürsprecher unter den Mitgliedern der Loge für Anwärter waren. Obwohl es möglich war, ohne Beziehungen in die Loge aufgenommen zu werden, scheinen vertraute Kontakte zu Logenmitgliedern schon vor der Aufnahme den Stellenwert und sozialen Stand eines Anwärters verbessert zu haben. Mit Unterstützung Triebels gelang es Gödecke, sich trotz seiner charakterlichen Mängel – derer er sich anscheinend nicht schämte – als eine Bereicherung für die Loge darzustellen. Floriancourt scheint seinen Bekannten Erxleben dagegen nicht übermäßig gelobt, sondern realistisch eingeschätzt zu haben. Ob die gelobte Denkungsart Gödeckes wirklich in einem Brief seiner privaten Korrespondenz sichtbar war, oder ob er bewusst einen besonders ausgefeilt formulierten Brief an Triebel geschrieben hat, bevor dieser sein Anliegen in der Logenversammlung vortrug, lässt sich nicht mehr klären – in den erhaltenen Protokollen der Loge findet sich jedoch kein vergleichbarer Fall, in dem ein Fürsprecher eine Schrift als Beleg für die Qualität eines Anwärters vorgelegt hätte. Das die Freimaurerei nicht jedem helfen konnte, verdeutlicht der Fall des aus Schweden stammenden, zeitweise in Göttingen aktiven Bruders von Blumenfeld:
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 17. April 1781, Lehrlingsloge, Bl. 42, S. 2 f.
7.1 Appell und Diskretion
323
Hierauf bemerkte der ehrw[ürdige] Meister, daß er der Versammlung einige Nachricht von dem Schicksal eines schwedischen Br[uder] v[on] Blumenfeld mitzutheilen habe. Dieser v[on] Blumenfeld der auch vor einigen Jahren hier mahl in Loge gewesen und den meisten Brbr. als ein Schelm bekannt gewesen, habe sich in der Maurerey vieles zu schulden kommen lassen, welches ihn schon als Maurer unwürdig gemacht und jetzt sey er im Orden völlig ausgestiegen und abgegangen Staatsverbrechen in Schweden, hätten veranlasst daß endlich das Urtheil über ihn geschehen; allein die Gnade des Königs von Schweden hätte ihn entwischen lassen und wo er jetzt herum und sey seinem Schicksahl überlassen. Inzwischen aber hätten des Königs Magestrat die Loge ersucht, alle auswertigen Logen davon zu benachrichtigen und dafür zu warnen, einen solchen ausgestoßenen Br[uder] als Verbrecher nicht ferner als Br[uder] zu erkennen.¹⁰²
Durch den absolutistischen Machtanspruch Gustav III. ausgelöst, erschütterten seit 1772 schwere innere Konflikte das Königreich Schweden. Die Versuche des Königs den Hochadel weitgehend zu entmachten – de facto ein Staatsstreich durch die Spitze des Staats – gipfelten 1792 in der Ermordung des Königs.¹⁰³ Ob von Blumenfeld in diese Konflikte verwickelt war, und welches Staatsverbrechen er begangen hatte, wird in den Dokumenten nicht berichtet. Auch ob sein Verschwinden aus Schweden eine stillschweigende Begnadigung bedeutete – allerdings verbunden mit der Strafe des öffentlichen Ehrverlusts auch im (europäischen) Ausland, womit schließlich auch öffentliches Aufsehen verbunden war –, oder ob ganz einfach polizeiliches Versagen durch die Ächtung im juristischen Sinne geheilt werden sollte, bleibt offen. Mit bedacht werden muss bei der Bewertung dieses Falles, dass Gustav III. nicht nur schwedischer König war, sondern seit 1780 auch Mitglied der schwedischen Großloge. Der Warnung kommt damit die Funktion eines modernen Steckbriefs zu, das heißt die Kommunikationswege der Logen, wenn nicht sogar die Logen selbst, wurden durch den Monarchen instrumentalisiert. Wahrscheinlich ging Gustav III. davon aus, dass die Nachricht über die Verbindungen der Freimaurerei damals die meisten Personen erreichen würde, für die von Blumenfelds Vergehen tatsächlich relevant war. Gleichzeitig entzog er dem Geflohenen mit seinem Schreiben die wichtige Möglichkeit, über die Freimaurerei in der Fremde Schutz und Unterstützung zu erhalten. Der Vorgang veranschaulicht, wie man versuchte, trotz fehlender internationaler Strukturen in der Polizeiarbeit auf internationaler Ebene Erfolge zu erzielen.
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. Mai 1782, Lehrlingsloge, Bl. 61, S. 1 f. Jörg-Peter Findeisen, Gustav III. von Schweden (1746 – 1792), in: Reinalter (Hrsg.), Freimaurerische Persönlichkeiten in Europa, S. 67 ff.
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7 Diskretion und Strafe
7.2 Respektlose Brüder, Verrat und Betrüger In den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel finden sich keine Abschnitte, in denen explizit der Schutz des Geheimnisses thematisiert wird. Aufgrund der Bedeutung, die das Geheimnis für alle Logen einnahm, muss dennoch davon ausgegangen werden, dass auch den Mitgliedern der jüngeren Göttinger Loge die Bedeutung des Geheimnisses und dessen Schutz immer wieder eingeschärft wurden – ein Eintrag aus dem Jahr 1779 belegt dies: Der hoch. würdige deputierte Meister zeigte an daß die Absicht der Zusammenkunft vorzüglich diese gewesen um den h[och] würdigen Br[uder] v[on] Osten Meister vom Stuhl der Loge Zum Schwarzen Baeren in Hannover, mit allen Brüdern bekannt zu machen. Er war aber nicht angekommen. Der h[och] w[ürdige] deputierte Meister liesen von w[ürdigen] Br[uder] Redner verlesen: Beantwortung auf Fragen die Profanere am Maurer thun können.¹⁰⁴
Behm nutzte hier die Gelegenheit, um seine Logenbrüder auf den Diskurs mit Außenstehenden vorzubereiten – so wie auch heute immer wieder Menschen immer wieder für problematische Gesprächssituationen vorbereitet – modern gesprochen: gebrieft – werden; offenbar existierten bereits Instruktion für Gespräche mit neugierigen Profanen. Der Vergleich zu den Fällen unbeabsichtigten Geheimnisverrats in der Loge Augusta liegt nahe. Die Protokolle der Loge berichten fast ausschließlich im Zusammenhang mit Aufnahmen und Weiterführungen vom Geheimnis. Die Vermittlung des geheimen Wissens war Aufgabe des Redners oder Zeremonienmeisters, der die Abläufe und Symbole den Neuaufgenommenen nach Abschluss der Rezeptionszeremonie erklärte. Bis zu diesem Zeitpunkt galten sie als Außenstehende, als „Profane“, denen die Geheimnisse nicht enthüllt werden durften. Als solche wurden auch Freimaurer angesehen, die nicht dem eigenen System angehörten. Als ab 1780 die Kontakte zur Augusta zunahmen, stand die Loge Zum goldenen Zirkel vor einer schwierigen Entscheidung: Wie sollte man auf Besuchswünsche der Mitglieder der Strikten Observanz reagieren? Am Beispiel Johann Daniel Schellers, dem mehrfach der Wunsch eines Besuchs der Augusta verweigert wurde, wird anschaulich, dass die Spannungen teils bis auf die Ebene der einfachen Mitglieder hinab reichten und persönliche Züge annehmen konnten.¹⁰⁵
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 13. Juni 1779, Lehrlingsloge, Bl. 4, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. März 1784, Lehrlingsloge, Bl. 126, S. 1 sowie Kap. 6.
7.2 Respektlose Brüder, Verrat und Betrüger
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Ein Eintrag aus dem März 1781 verdeutlicht, dass sich auch die Besucher der Probleme bewusst waren: Auch zeigte der hochw[ürdige] dep[utierte] Mstr. an daß 2 Brüder der Strickten Observanz der … Lieut[enant] von Kleine und der Pr[ofessor] von Schlaf um den Besuch unserer Loge nachgesucht hätten, und zugleich heilig versprochen, nichts von dem zu entdecken was sie bey uns erführen. Wenn also die Brüder nichts dagegen hätten, so sollten sie künftigen Mittwoche die Aufnehmungs Loge mit besuchen, welches die Brüder einwilligten.¹⁰⁶
Bei den beiden Besuchern handelte es sich um Mitglieder der Loge Augusta, die sich auch in ihrer Mitgliederliste nachweisen lassen.¹⁰⁷ Dass beide Besucher aus Göttingen stammten, dürfte einer der Gründe dafür gewesen sein, dass die Mitgliederversammlung ihrem Wunsch statt gab, so wie auch bei den Besuchern von Berg, von Öttingen und von Brangel.¹⁰⁸ Die Chance, dass zwei Göttinger Freimaurer vor Ort die Geheimnisse der anderen Göttinger Loge preisgegeben hätten, war gering: Da sich viele Mitglieder der Augusta und des Goldenen Zirkels im Umfeld der Universität bewegten, trafen sie im öffentlichen Raum täglich aufeinander. Der Druck des gemeinsamen Umfelds machte es wahrscheinlich, dass gegebene Versprechen gehalten wurden und ermöglichte einen relativ liberalen Umgang mit den von der Großen Landesloge postulierten Verhaltensleitlinien. Das heilige Versprechen zur Verschwiegenheit gehörte allerdings zu den von der Großen Landesloge gestellten Bedingungen.¹⁰⁹ Die Strafe auf Verrat seitens des Goldenen Zirkels wäre vermutlich der Eintrag ins Schwarze Buch gewesen – kein Maurer wollte seinen Namen dort finden, bedeutete der Eintrag doch eine Art von Beurkundung der eigenen Ehrlosigkeit.¹¹⁰ Gleichzeitig erzeugte das Umfeld aber auch Druck auf die Mitglieder beim Abstimmen: Den Wunsch der beiden Brüder der Strikten Observanz abzulehnen, hätte sie möglicherweise brüskiert, wäre damit doch impliziert worden, dass man ihrem Versprechen keinen Glauben schenkte. Eine solche Respektlosigkeit hätte wiederum das Missfallen der Loge Augusta erregen können.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 7. März 1781, Lehrlingsloge, Bl. 48, S. 2. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Vgl. Kap. 6. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 645 f. Zur Rolle der Schwarzen Bücher vgl. auch Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 219.
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7 Diskretion und Strafe
Vergehen und Strafe in der Loge Zum goldenen Zirkel Respektvoller Umgang untereinander und gegenüber den Beamten war für das Bestehen der Gemeinschaften von existentieller Bedeutung – formalisierte Umgangsformen prägten die ständische Gesellschaft und ohne die Beachtung solcher Formalien wäre die Freimaurerei von den höheren Gesellschaftsschichten nicht akzeptiert worden. Wer aber wiederholt die Ordensstatuten missachtete und sich der Konditionierung widersetzte, für den war kein Platz in der Gemeinschaft. Schon in den Constitutions von 1723 forderte Anderson deshalb, dass über schuldige Brüder von der gesamten Loge gerichtet werden sollte: „…the Brother found guilty shall stand to the Award and Determination of the Lodge, who are the proper and competent Judges of all such Controversies ….“ ¹¹¹ Damit blieb der Prediger seinen Ansichten zur Rezeption neuer Mitglieder treu: So wie die Versammlung der Brüder über die Aufnahme neuer Mitglieder entscheiden sollte, war sie auch für die Beurteilung von Fehlverhalten am besten geeignet. Anderson entwarf allerdings keinen Strafkatalog. So blieb die Entwicklung eines Strafsystems den verschiedenen freimaurerischen Spielarten und Logen überlassen.¹¹² Eine Eintragung aus dem Jahr 1782 belegt, dass auch die Loge Zum goldenen Zirkel einem festen Katalog von Regeln folgte: Der hochw[ürdige] Großmeister verlas noch diejenigen Vergehungen auf welche Strafen gesetzt sind, derselbe benannte dabei, daß er wünschte daß sich keiner selbiger schuldig machen möge.¹¹³
Da der von Behm verlesene Katalog nicht erhalten ist, bleibt nur, sich auf anderem Wege den Vergehen und den jeweiligen Strafen innerhalb der Loge Zum goldenen Zirkel zu nähern, denn bei der Lektüre der Protokolle finden sich immer wieder Passagen, die Rückschlüsse auf verschiedene Arten von alltäglichen Vergehen und deren Ahndung gestatten. Zu Problemen mit dem respektvollen Umgang kam es schon unmittelbar nach Gründung der Loge. Im Juli 1773 wandte sich der erste Vorsteher Dieterich mit einer Beschwerde über das Verhalten der Lehrlinge an die Meisterloge: Der w[ürdige] Bruder erste Vorsteher erkante es noch für wichtig, daß den Brüdern Gesellen und Lehrlingen in der Lehrlings Loge nochmals müsse eingeschärft werden, gegen den S[ehr] Ehrwürdigen und die übrigen Beamten d[en] schuldigen Respect zu beweisen, und bei
Anderson, Constitutions (1723), S. 53 f. Feddersen, Constitutionen – Statuten und Ordensregeln der Freimaurer, S. 11. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. Oktober 1782, Lehrlingsloge, Bl. 93, S. 2.
7.2 Respektlose Brüder, Verrat und Betrüger
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Vermeidung einer gerechten Strafe gegen die Reden und Handlungen derselben weder durch Lachen noch Geringschätzung an den Tag zu legen.¹¹⁴
Was Dieterich unter einer „gerechten Strafe“ verstand, bleibt unklar; basierend auf der eingangs erwähnten Liste der Loge Zu den 3 goldenen Schlüsseln sind Geldstrafen wahrscheinlich.¹¹⁵ Die Beschwerde wurde vom Vorsitzenden aufgenommen und von Hammerstein wandte sich noch am selben Tag an die Mitglieder der beiden niederen Grade: Es wurde den Brüdern nochmals empfohlen dem S[ehr] Ehrwürdigen, und übrigen Beamten der Loge die schuldige Ehrerbietung und Gehorsam zu beweisen, bei Vermeidung einer gerechten und verhältnismäßigen Strafe.¹¹⁶
Auch wenn von Hammerstein sich an alle Brüder wandte, galt seine Ermahnung doch insbesondere den anwesenden Lehrlingen und Gesellen. Wie in Kapitel Fünf beschrieben, verfügte die Loge während ihrer Gründungszeit nur über eine äußerst kleine Mitgliederbasis – selbst die Beamtenstellen mussten von den wenigen Meistern teils doppelt besetzt werden, wie der Vorsitzende erst kurz vor Dieterichs Beschwerde den versammelten Mitgliedern des dritten Grads bekannt gemacht hatte.¹¹⁷ Das Protokoll liefert keinen Hinweis darauf wie viele Lehrlinge und Gesellen versammelt waren, um von Hammersteins Ermahnung zu vernehmen. Zur Klärung trägt ein Blick auf die Chronologie der Protokolle bei. Die erste Versammlung der Loge hatte zum Johannisfest am 24. Juni 1773 stattgefunden. Bei diesem Anlass wurde erstmalig die Aufnahme eines Lehrlings, Friedrich Christoph Polchau, verzeichnet.¹¹⁸ In den dreieinhalb Wochen seit dieser ersten Versammlung hatten drei weitere Logenversammlungen stattgefunden, bei denen laut Protokoll mit Friedrich Wilhelm Compe und Johann Jacob Rouby zwei weitere Lehrlinge hinzu gekommen waren. Polchau wurde am elften Juli zum Meister befördert, was bedeutet, dass er von Dieterichs Kritik schon nicht mehr direkt betroffen war, wohl aber zu ihren Auslösern gehört haben mag. Anhand der Protokolle sind also nur zwei Lehrlinge nachweisbar, auf die sich die Ermahnung von Hammersteins letztendlich bezogen haben kann.
S. 1.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. Juli 1773, Meisterloge, Bl. 5, S. 1. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 227 ff. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. Juli 1773, Lehrlingsloge, Bl. 5, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. Juli 1773, Meisterloge, Bl. 5, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 24. Juni 1773, Lehrlingsloge, Bl. 3,
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Auch die Mitgliederliste der Loge liefert in diesem Fall keine Klärung, denn sie wurde in der Gründungszeit der Loge sehr nachlässig geführt. Personen wie Rouby oder Compe wurden nicht verzeichnet. 28 Personen sind aufgeführt, die zwischen der Gründung der Loge im Sommer 1773 bis zum Eintreffen der Konstitutionsurkunde Ende November 1774 aufgenommen wurden oder zu den Gründungsmitgliedern der Loge gehörten. Bei vielen ist nicht mehr feststellbar wann sie aufgenommen beziehungsweise zum Gesellen befördert wurden, da nur das Datum der Weiterführung zum Meister in die Liste eingetragen wurde.¹¹⁹ Bedenkt man, wie schnell die in der Gründungszeit der Loge Aufgenommenen – man denke an Namen wie Polchau, Compe und Wackenesel – innerhalb kürzester Zeit vom Lehrling zum Meister befördert wurden, kann man im Jahr 1774 zum Meister beförderte Mitglieder der Loge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als am 18. Juli 1773 anwesend ausschließen.¹²⁰ Zieht man auch den Meister vom Stuhl und andere Beamte ab, so bleiben sechs mögliche Lehrlinge und Gesellen, mit Compe und Rouby zusammen also acht. Von Hammersteins Ermahnung hat also nur einer kleinen Gruppe von Personen gegolten. Ein weiteres indirekt nachweisbares Vergehen ist das unentschuldigte Versäumen der Loge. Es bestand Anwesenheitspflicht, es sei denn man entschuldigte sich zuvor bei den Beamten oder bat einen Bruder, das eigene Fernbleiben zu erklären. Häufig verwendete Begründungen für die Abwesenheit waren wichtige Geschäfte, Krankheit oder Reisen. Von den zahlreichen in den Protokollen notierten Entschuldigungen seien an dieser Stelle nur zwei exemplarisch angeführt. Im Jahr 1779 entschuldigte Ernst Christian Friedrich Adam Schleiermacher die Abwesenheit von Ludwig Carl Georg Küster: Der w[ürdige] Bruder Schleiermacher entschuldigte den w[ürdigen] Bruder Küster der Abhaltungen halber nicht gegenwärtig seyn konnte so entschuldigte auch der w[ürdige] Br[uder] 1ter Aufseher den w[ürdigen] Bruder Redner Mayer der wegen der am nemlichen Tage gegebenen Pruonets des Br[uder] Preising aus Gotha nicht gegenwärtig seyn kannte.¹²¹
Auch die Beamten der Loge konnten also der Versammlung fernbleiben, solange ihr Fernbleiben entschuldigt wurde. Dies schloss selbst den Vorsitzenden mit ein – solange der deputierte Meister vom Stuhl ihn vertrat:
Was die Bedeutung des dritten Grads unterstreicht. Anscheinend wurden die ersten beiden Grade in der Gründungszeit der Loge als wenig signifikant angesehen und stellten nur Stationen auf dem Weg zum Meistergrad dar. Vgl. Kap. 5. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 8. Mai 1779, Lehrlingsloge, Bl. 2, S. 1 f. Bei einem „Pruonet“ handelt es sich um ein Konzert.
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Der hochw[ürdige] deputierte Meister Martens … zeigte darauf an, daß da der hochw[ürdige] Großmeister eines Patienten wegen abwesend sey mußte, ihm die heutigen Logen Geschäfte aufgetragen wären.¹²²
Jäger war Arzt – seine Pflichten als Mediziner gingen vor. Ein Beispiel aus dem Jahr 1781 zeigt, dass auch die Beamten sich bei Fehlverhalten verantworten mussten, und – wie Lehrlinge und Gesellen auch – an ihre Pflichten erinnert wurden: Darauf ersuchte der Hochw[ürdige] die besuchenden Brüder die Loge auf einige Augenblicke decken mögten, welches auch geschah. Es wurde darauf den Brüdern bekannt gemacht, wie es mit der Bezahlung der Receptions Kosten gehalten werden müßte, weswegen einige Artikel aus den Acten diese Frage betreffend vorgelesen wurden. Ferner wurden die kassierenden Brüder erinnert ihrer Pflicht inskünftige gemäßer zu handeln und damit sie sich in der Folge nicht entschuldigen könnten, wurde ihnen die den 19ten Februar 1778 von den Brüdern festgesetzte Punkte die die Bezahlung betrafen vorgelesen, und darauf der Zustand der Kasse bekannt gemacht.¹²³
Der Protokolleintrag aus dem Jahr 1778 ist nicht erhalten. Dass Behm die Besucher bat den Raum zu verlassen, macht deutlich, dass finanziellen Angelegenheiten strikt intern gehandhabt wurden.
Das „Schwarze Buch“ Unter den erhaltenen Dokumenten der Loge Zum goldenen Zirkel finden sich zwei umfangreiche Namenslisten. Die erste benennt über 120 zwischen 1777 und 1787 aus befreundeten Logen ausgetretene oder zeitweilig suspendierte Brüder.¹²⁴ Nur wenige Eintragungen beinhalten Schilderungen der begangenen Verfehlungen – wenn es diese überhaupt je gab: Mehr als zwei Drittel der Einträge beschreiben Fälle, in denen Brüder scheinbar freiwillig die Loge „deckten“ oder ihrer Mitgliedschaft „entsagten“. Die Ereignisse, die dem Bruch mit der Gemeinschaft vorausgingen, bleiben meist unklar. Es ist davon auszugehen, dass manchem dieser Austritte Streitigkeiten oder Zwang vorausgingen. Auch ob die Ausgetretenen später erneut in eine Loge eintraten, wird nicht beschrieben. Nur ein knappes Drittel der verzeichneten Fälle bezieht sich auf temporäre Suspendierungen, meist verbunden mit dem Hinweis, dass diese bis zur „Besse-
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. April 1784, Lehrlingsloge, Bl. 126, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 25. Juni 1781, Lehrlingsloge, Bl. 58, S. 1. GStA PK: 5.2. G31 Nr. 20.
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rung“ aufrecht erhalten bleibe. So zum Beispiel Carl Friedrich Schultz, „Auditeur des Inf[anterie] Reg[iments] von Schwartz“, am 24. September 1780: Ist wegen seiner übeln Aufführung im gemeinen Leben, bis auf Besser[ung] ausgeschlossen. S[iehe] die Liste der Loge zur weissen Taube in Neisse …
Eine weitere häufige Begründung lautet, dass man „Bedenken gefunden habe“, den Bruder „in der Matricel und Logenliste ferner anzuführen“. Hier handelt es sich also um Exklusionen, über deren genauer Ursache der Liste jedoch nichts zu entnehmen ist. Da der Liste suspendierter und ausgetretener Mitglieder kaum Informationen über begangenes Fehlverhalten zu entnehmen ist und da in ihr kein einziges Mitglied der Göttinger Gemeinschaft angeführt wird, konzentriert sich die folgende Untersuchung auf die zweite im Bestand der Loge erhaltene Liste.¹²⁵ Einmal jährlich verlas der Vorsitzende der Loge Zum goldenen Zirkel eine besondere Liste: Der Verordnung der Gr[oßen] Landes Loge in Berlin gemäß, las der H[och] W[ürdige] Gr[oß] Meister alle in diesem Jahre, von allen mit uns vereinigten Logen, ausgeschlossenen Brüder vor.¹²⁶
1782 wurde die Namensliste in den erhaltenen Protokollen erstmals als das „Schwarze Buch“ bezeichnet.¹²⁷ Dabei handelte es sich um … das Verzeichnis derjenigen Brüder, welche wegen ihres unmaurerischen Betragens vom Orden ausgeschlossen worden sind ….¹²⁸
Das Buch wurde regelmäßig, basierend auf den Schreiben aus anderen Logen, aktualisiert.¹²⁹ Insgesamt sind von 1771 bis 1787 bei der Loge Zum goldenen Zirkel 135 Personen in deren Schwarzes Buch eingetragen worden, von denen sechs aus der Göttinger Loge selbst stammten. Das Exemplar beginnt mit Eintragungen, die sich auf Fälle aus dem Jahr 1771 beziehen, also noch vor Gründung der Göttinger
GStA PK: 5.2. G31 Nr. 18. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. Februar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 22, S.1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 10. Juli 1782, Lehrlingsloge, Bl. 86, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. Juni 1785, Lehrlingsloge, Bl. 7, S. 2. Karlheinz Gerlach schildert einige Fälle aus den Berliner Gemeinschaften der Großen Landesloge. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 625 f.
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Gemeinschaft. Ob diese zu Beginn der Verwendung des Buchs, der Vollständigkeit halber, nachgetragen wurden, oder ob das Buch im Rahmen der Logengründung 1773 von einem anderen Ort – vermutlich Halle – aus mit nach Göttingen gebracht wurde, bleibt unklar.¹³⁰ Die Eintragungen im Schwarzen Buch informieren über Exklusionen, deren Begründungen sich in drei Kategorien einteilen lassen: 1. Die erste Kategorie informiert über zu einem anderen freimaurerischen Systemen übergetretene ehemalige Brüder, die deshalb exkludiert wurden. Die Wahrscheinlichkeit, dass solch ein ehemaliger Bruder ausgerechnet bei einer ebenfalls mit der Großen Landesloge assoziierten Gemeinschaft um Rezeption nachsuchte, war gering – Ausgeschlossene wussten, dass sich die Logen untereinander austauschten.¹³¹ Die Eintragungen der ersten Kategorie sind deshalb weniger als Warnung zu verstehen, sondern mehr als eine Aktualisierung der Mitgliederlisten, welche sich die Logen anlässlich der Stiftungstage zukommen ließen. Wer in eine Loge eines anderen Systems übertrat, wusste zuvor, dass es kein Zurück geben würde. Trotzdem war man durchaus bereit, ehemalige Mitglieder von Logen anderer Systeme aufzunehmen. Die exzeptionelle Stellung, die das eigene System in der Selbstwahrnehmung einnahm, wird an dieser Stelle besonders anschaulich. 2. Unter die zweite Kategorie fallen Mitglieder, die nach wiederholtem oder schwerem Fehlverhalten permanent ausgeschlossenen wurden. Häufigster Grund für den Ausschluss war „unmaurerisches“ oder „ungebührliches“ Verhalten außerhalb der Loge. Der bereits angesprochene Anspruch dieser Körperschaften, auch auf das gesellschaftliche Auftreten ihrer Mitglieder einzuwirken, wird hier besonders deutlich. Anhaltende Nichtbeachtung der Verhaltensanforderungen oder einmalige Fälle schweren Fehlverhaltens konnten zur Exklusion führen. 3. In der dritten Kategorie finden sich Warnungen vor Betrügern und Verrätern aus dem Umfeld der deutschen und europäischen Freimaurerlogen. Die Eintragungen teilen sich dabei in zwei Unterarten auf: In manchen Fällen wird ein Herkunftsnachweis der Informationen angegeben, häufig aber fehlt dieser Hinweis. Bei den nicht belegten Eintragungen ist davon auszugehen, dass es sich nicht um von anderen Logen erhaltene Hinweise handelt, sondern um protokollierte Gerüchte, Hinweise aus privaten Schreiben oder Ge-
Da das Buch unter Umständen älter als die Göttinger Loge ist, könnten Zweifel aufkommen, ob es tatsächlich in der Göttinger Loge verwendet wurde. Dass diese Zweifel unberechtigt sind, wird sich in der anschließenden Untersuchung der Beispiele zeigen. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 625, 645.
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sprächen. Trotz der diffusen Informationsgrundlage versuchte man die Täter teils detailliert zu beschreiben. In ihrer Konzeption erscheinen die Charakterbeschreibungen so teils als eine frühe Form des Steckbriefs, der den Leser dazu aufforderte, den Betrüger seiner gerechten Strafe zuzuführen.¹³²
Übertritt zu anderen Systemen Von den 135 Eintragungen im Schwarzen Buch handeln vierundzwanzig von permanenten Ausschlüssen, die aufgrund des Übertritts der indizierten Person zu einem anderen freimaurerischen System verhängt wurden. Zwanzigmal fällt dabei der Name des Systems der Strikten Observanz – ein Beleg für die Popularität des konkurrierenden Systems.¹³³ Wie die zur Großen Landesloge gehörenden Gemeinschaften einen Übertritt zur Strikten Observanz wahrnahmen, wird am Beispiel einer Eintragung deutlich, die auf Ereignissen in der Magdeburger Loge Zu den drei Kleeblättern basiert. Dort wurden im Laufe des Jahres 1779 gleich acht Mitglieder verstoßen, die im Streit in eine Loge der Strikten Observanz übergetreten waren: … sind wegen äuserst verbrecherischen Sinnes und gesezwidrigen Betragens in der Maurerey, aufrührischen Ausbrüchen gegen die Logen Regierung und endlich erfolgten eydbrüchigen Abtrünnigkeit und Übergangs zur Str[icten] Observ[anz] auf immer vom Orden ausgeschlossen.¹³⁴
Der Übertritt zu einer Loge der Strikten Observanz wurde als Abtrünnigkeit und Eidbruch angesehen. Die Furcht, dass Geheimnisse des eigenen Systems verraten werden könnten, prägte die Beurteilung des dennoch weitverbreiteten Verhaltens. Auch wenn der Goldene Zirkel das Verhalten seiner ehemaligen Mitglieder tadelte, verfuhr er doch ähnlich: Man war durchaus bereit, ehemalige Mitglieder der Strikten Observanz aufzunehmen, solange sie ein Entlassungsschreiben ihrer vorherigen Loge vorweisen konnten (vgl. den Fall des Professors Frisberg).¹³⁵
Zu Steckbriefen und Personenkontrolle vgl. Valentin Groebner, Der Schein der Person – Steckbrief, Ausweis und Kontrolle im Europa des Mittelalters, München 2004. Vgl. Kap. 4. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 8. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Juli 1786, Lehrlingsloge, Bl. 30, S. 2.
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Angesichts der ihnen vorgeworfenen Vergehen hatten die acht Männer keine Aussicht mehr auf eine weitere Mitgliedschaft in der Loge Zu den drei Kleeblättern oder in einer befreundeten Loge. Der Übertritt zu einem anderen System war damit der einzige Weg, auf dem sie ihre freimaurerischen Aktivitäten fortsetzen konnten – und in dieser unangenehmen Situation waren sie nicht allein.¹³⁶ Im Schwarzen Buch findet sich ein aufschlussreicher Eintrag, der auf eine Warnung durch die Magdeburger Loge Zu den drei Kleeblättern zurückgeht, den ehemaligen Meister der Magdeburger Loge Zur Beständigkeit, Johann Friedrich Klewitz, betreffend: … ehemaliger Meister vom Stuhl der auseinander gegangenen Loge der Stricten Observanz zur Beständigkeit, ist wegen seines schlechten Betragens als Maurer für unwürdig erkannt, und zwar auf immer als Mitglied der Loge aufgenommen zu werden; von allen diesen siehe die Liste der ehrw[ürdigen] Loge zu den drey Kleeblattern in Magdeburg vom 11ten Februar 1779….Nro. 51.¹³⁷
Hintergrund des beschriebenen Ereignisses ist die Spaltung der 1761 gegründeten Magdeburger Loge De la Felicité in eine deutsch- und eine französischsprachige Loge. Erstere trug den Namen Zur Beständigkeit und arbeitete bald nach dem System der Strikten Observanz.¹³⁸ Ähnlich der Warnung vor von Rodenhausen und von Bernstorff aus Wetzlar lässt sich hier demnach eine systemübergreifende Warnung beobachten.¹³⁹ Klewitz’ Ruf innerhalb der Strikten Observanz war offenbar soweit ruiniert, dass auch die der Großen Landesloge unterstehenden Gemeinschaften ihm die Aufnahme und weiteres freimaurerisches Engagement verweigerten. Auch aus der Loge Zum goldenen Zirkel wechselten Mitglieder zu Logen der Strikten Observanz: In zwei Eintragungen finden sich Hinweise auf vier Personen, die wegen ihres Übertritts permanent ausgeschlossen wurden. Es handelte sich dabei um Anton Mattias Sprickmann, Otto Conrad Hahn und Benjamin Friedrich Zoorer sowie in dem zweiten Eintrag um Adolph Ludwig Carl von Schevé:¹⁴⁰
So betrachtet waren die Logen der verschiedenen Systeme gezwungen sich untereinander auszutauschen, damit die Exklusion von ihren Mitgliedern tatsächlich als härteste Strafe angesehen wurde und ein möglichst großes Abschreckungspotential entfaltete. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 8. Vgl. Philipp Lincke, Geschichte der Loge Ferdinand zur Glückseligkeit im Orient zu Magdeburg, und chronologisch geordnetes General-Verzeichniß aller Mitglieder derselben vom 28. September 1778. bis Johannis 1824., Magdeburg 1824, S. XIff. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 9. April 1780, Lehrlingsloge, Protokollnr, 16, S. 2. Zu Sprickmann vgl. auch Pohlmann, Der Hain und die Loge, S. 134.
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… sind sämtlich ausgeschlossen, und ihrer eigenen Aussage nach zur Stricten-Observanz übergetreten, siehe die Liste und Protocoll der ehrw[ürdigen] Loge zum goldenen Zirkel in Göttingen vom 3ten Februar 1779…Nr. 23.¹⁴¹
Zum Weggang von Schevés wurde vermerkt: Ist seiner eigenen Anzeige nach zur Str[icten] Observ[anz] getreten. S[iehe] die Liste der S[ehr] ehrw[ürdigen] Loge zum goldenen Zirkel in Göttingen vom 3ten Februar 1781. Nr. 23.¹⁴²
Alle vier haben offenbar der Göttinger Loge ihren Übertritt selbst mitgeteilt, was zeigt, dass sie in ihrem Verhalten kein Vergehen sahen, genau so wenig wie die Loge(n) der Strikten Observanz, die sie aufnahmen.¹⁴³ Aus der Zeit von Sprickmanns, Hahns und Zoorers Weggang sind die Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel nicht erhalten; und auch im Fall von Schevés findet sich kein Hinweis darauf in den Protokollen, dass er um seine Entlassung gebeten hätte. Dass in anderen Fällen vergleichbare Wünsche durchaus protokolliert wurden, zeigt das Beispiel des Jurastudenten Johann Carl Friedrich Kleeman von 1784:¹⁴⁴ Es wurde ferner ein Schreiben des abgegangenen Br[uder] Kleemans vorgelesen, der nun die Entlassung der Mitgliedschaft ersuchte, und in die ehrw[ürdige] gesezmäßige certificierte Loge zu den drey Kleeblättern in Aschersleben als Mitgliede aufgenommen zu werden, welches die Brüder durch Ausstreckung der Hände bewilligt.¹⁴⁵
Im Unterschied zu den vier Ausgeschlossenen trat Kleeman – vermutlich ein Bruder des in Kap. Sechs erwähnten Johann Ernst Gottfried Kleemann – zu einer Loge über, die ebenfalls der Großen Landesloge unterstand, und nicht zu einer Loge der Strikten Observanz. Der Verdacht liegt deshalb nah, dass Übertritte zu dem weitverbreiteten konkurrierenden System von den Beamten nicht in der Logenversammlung bekannt gemacht wurden, sondern man diese weit verbreitete Art des „Verrats“ sehr diskret behandelte. Zumindest eines der vier zur Strikten Observanz übergetretenen ehemaligen Mitglieder bereute seine Entscheidung im Nachhinein, denn oberhalb des Ein Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 9 Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 11. Sprickmann trat zur Wetzlarer Loge Wilhelm zu den 3 Helmen über. Vgl. Walter Gödden, „Sprickmann, Anton Mathias“, in: Neue Deutsche Biographie, 24. Band, Berlin 2010, S. 754 f. J.C. F. Kleeman war unter der Matrikelnummer 12158 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 254. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 5. Oktober 1784, Lehrlingsloge, Bl. 139, S. 1.
7.2 Respektlose Brüder, Verrat und Betrüger
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trags zu Sprickmann, Hahn und Zoorer hat sich eine von unbekannter Hand hinzugefügte Bemerkung erhalten: dieser hat in der Folge in einem Briefe an den Br[uder] Behm erklähret, daß er unserem System immer treu geblieben.¹⁴⁶
Der kleine Eintrag zu Hahns später Rechtfertigung ist auch von Bedeutung in Hinsicht auf die Herkunft des verwendeten Schwarzen Buchs, belegt er doch, dass es tatsächlich in der Loge Zum goldenen Zirkel verwendet wurde. Neben dem als Strafe gedachten Ausschluss, mit dem auf schwere Verfehlungen reagiert wird, gibt es auch den Ausschluss als letztes Mittel der Selbstbestätigung. Das betrifft die Fälle, in denen Brüder von sich aus zu einem anderen System wechseln und damit die eigene Urteilskraft als gleichwertig gegen die der gesamten bisherigen Bruderschaft stellen. Wer sein gewohntes System verlässt, übt daran fundamentale Kritik; gleichzeitig ist damit auch die Phase einer Auseinandersetzung beendet. Ein von der verlassenen Loge beschlossener Ausschluss wird zur hilflosen Geste, mit der man ein letztes Mal versucht, den bereits Gegangenen noch einmal zu treffen. Dieser hat aber eine solche Reaktion in der Regel bereits einkalkuliert. Das Ertragen eines solchen Aktes wird für ihn also schon lange vor dem tatsächlichen Austritt zum Prüfstein der eigenen Ernsthaftigkeit. Der Fall des Otto Conrad Hahn stellt insofern eine Ausnahme dar, weil er rückgängig machen will, was nicht rückgängig zu machen ist. Gleichzeitig berauben sich seine einstigen Brüder vom Goldenen Zirkel in ihrer Härte der Möglichkeit, tatsächlich die Überlegenheit des eigenen Systems zu zeigen, wie sie sich bei der Wiederaufnahme eines „Apostaten“ manifestiert hätte. Die vertane Chance, Größe zu zeigen, wird damit zum Dokument des eigenen kleinlichen Denkens.
Fehlverhalten außerhalb der Logen Die Mehrzahl der im Schwarzen Buch festgehaltenen Vergehen von Göttinger Logenmitgliedern fällt in den Zeitraum zwischen 1775 und 1778, weshalb in dieser Untersuchung Protokoll und Schwarzes Buch meist nicht verglichen werden können. Der Dokumentenbestand erlaubt jedoch trotz dieser Einschränkung einen Einblick in die verschiedenen Arten von schweren Vergehen. Der erste sich
Vgl. den Eintrag zu „Otto Conrad Hahn“ im Schwarzen Buch der Loge Zum goldenen Zirkel.
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auf die Göttinger Loge beziehende Fall begründet die Exklusion von Johann Friedrich Christian Otte:¹⁴⁷ … weil man mit seinem Betragen nicht zufrieden ist, ferner in der Logen-Liste anzuführen Bedencken gefunden, siehe das Protocoll der ehrw[ürdigen] Loge zum goldenen Zirkel in Göttingen vom 20. Febr. 1776 N:23.¹⁴⁸
Die Formulierung ist äußerst schwammig, findet sich so aber auch in der Mitgliederliste der Loge. Dort heißt es: „3. 2. 1776 wegen seines unmaurischen Betragens excludiert“. ¹⁴⁹ Die Art des Fehlverhaltens bleibt auch an dieser Stelle unklar, deutlich wird aber, dass bei der Exklusion Sorge um das Ansehen der Loge eine Rolle gespielt hat. Dies deutet auf Fehlverhalten im öffentlichen Raum hin. Viele Einträge im Schwarzen Buch – auch solche, die sich auf Fälle aus Aschersleben, Hannover, Berlin und weiteren Orten beziehen – sind ähnlich formuliert. Aufgrund von unangemessenem Verhalten in der Öffentlichkeit wurde 1778 auch Friedrich Wilhelm von Reders aus der Loge Zu den drei goldenen Schlüsseln in Berlin ausgeschlossen. Er wurde … wegen begangener Desertation cassieret, und daher aus der Liste gestrichen worden, siehe die Liste der ehrw[ürdigen] Loge zu den drey goldenen Schlüsseln zu Berlin vom 10ten August 1778….Nro. 2.¹⁵⁰
„Cassieret“ bedeutet in Anlehnung an das französische „casser“ in diesem Zusammenhang wohl, dass Reder degradiert wurde, was nach dem militärischen auch den gesellschaftlichen Ansehensverlust zur Folge hatte. Es ist auffällig, dass in dem Eintrag das Verhalten Reders nicht mit negativen Adjektiven belegt und kritisiert wird. Es drängt sich der Eindruck auf, dass die Berliner Brüder an seinem Verhalten innerhalb der Loge nichts auszusetzen hatten und seine Exklusion allein seiner Desertion geschuldet war – einer schweren Straftat, mit der man nicht assoziiert werden wollte. Sein weiteres Schicksal wird nicht geschildert. Auf einem der Liste lose beiliegenden Zettel findet sich der Eintrag zur Exklusion Johann Heinrich Jordans, der im September 1790 aus der Loge ausgeschlossen wurde:
Vgl. Kap. 6. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 2. Vgl. Mitgliederliste der Loge Zum goldenen Zirkel. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 7.
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Am 7ten Sept[ember] 1790. ist der Kaufmann Johann Heinrich Jordan durch einen Beschlus der Beamten wegen unmaurerischen Betragens und vorsezlich gemachten Banckerot excludiret und solches in der Loge bekannt gemacht. S[iehe] das Protocoll der Loge zum goldenen Zirkel vom obegen dato.¹⁵¹
Im Fall des unter Missachtung des Einstimmigkeitsprinzips aufgenommenen Kaufmanns ist der Eintrag aus dem Protokollbuch erhalten, in dem die Beratschlagungen, die seiner Exklusion vorausgingen, beschrieben werden.¹⁵² Vor Eröffnung der Loge stellte der hochw[ürdige] deput[ierte] Mstr. Althof den sämtlichen Beamten und dem Br[uder] Mstr. Waagen das bekannte schlechte Betragen des Br[uder] Jordan vor und ersuchte die Brüder um ihre Meinung wie man sich von Seiten der Loge gegen diesen unwürdigen Br[uder] zu betragen hätte. Es wurde daher von sämtlichen Beamten der Schluß gefaßt, diesen Br[uder] Jordan aus der Liste zu streichen, ihn in das schwarze Buch zu tragen, und allen Logen solches bekannt zu machen. …¹⁵³
Die Entscheidung zur Exklusion scheint nicht mit Hilfe eines Abstimmungsverfahrens getroffen worden zu sein, sondern von den Beamten innerhalb einer der eigentlichen Zusammenkunft vorausgehenden Diskussion. Jordans Fall wirft ein Licht darauf, wie weit die Befugnisse der Logenoberen reichten. Für die Aufnahme in die Loge war – außer gerade im Fall Jordans! – das Einverständnis aller Brüder notwendig, der Ausschluss dagegen lag in den Händen der Beamten. Der betrügerische Bankrott, um den es hier geht, ist in der damaligen Zeit, in der keine Versicherungen geschäftliche Risiken abmildern, ein häufig die Existenz vieler in Frage stellendes Vergehen.¹⁵⁴ Die Logen übernahmen für Akademiker und Händler häufig Funktionen, die Handwerker und Gewerbetreibende seit jeher in Zusammenschlüssen praktizierten. Für sie kam die Aufnahme in eine derartige Vereinigung einer offiziellen Anerkennung ihrer Ehrbarkeit gleich, und verschaffte bessere Kontakte zu potentiellen Kunden und Warenlieferanten gleichermaßen. Erste ähnliche Vereinigungen von Akademikern entstanden im frühen 18. Jahrhundert, wurden in ihrer Funktion aber seit Mitte des Jahrhunderts häufig von den Logen abgelöst.¹⁵⁵ Nach der bürgerlichen Moral stellt Jordans
Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 16. Vgl. Kap. 6. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 7. September 1790, Beamtenversammlung, Bl. 100, S. 2. Zu ähnlichen Fällen von Bankrott, Diebstahl und Desertation vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 625 f. Robert Beachy stellt in seinen Untersuchungen der Leipziger Freimaurerei fest, dass Akademiker bei ihrer Bewerbung um die Mitgliedschaft in den Logen ihren akademischen Werdegang darstellten und besonders bekannte Professoren und Gelehrte priesen, bei denen sie studiert
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Verhalten die auf Treu und Glauben basierende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung in Frage und brachte gleichzeitig den ehrbaren Ruf der Loge unmittelbar in Gefahr.¹⁵⁶ Die Beamten gingen wohl deshalb von der allgemeinen Zustimmung zur Exklusion aus und kürzten das Verfahren ab.¹⁵⁷ Dass schwerwiegendes Fehlverhalten auch ohne aktive Logenmitgliedschaft zum Eintrag ins Schwarze Buch führen konnte, zeigt der Fall des Kaufmanns Braunewaldt, der sich im Umfeld der Berliner Loge Zu den drei goldenen Schlüsseln abspielte. Sein Wunsch nach Rezeption sei … bey 31 Stimmen mit 15 schwarzen Kugeln verworfen worden, hinfolglich unfähig erklähret, je in einer gesezmäsigen Loge aufgenommen zu werden. Siehe die Liste der ehrw[ürdigen] Loge zu den drey goldenen Schlüsseln zu Berlin vom 20sten August 1776…Nro.2.¹⁵⁸
Der äußerst schlechte Ruf des Anwärters führte nicht nur dazu, dass seine Rezeption von der Hälfte der Votierenden verweigert wurde, sondern man seinen Namen im Schwarzen Buch eintrug – eine „Ehre“, die, wie die Beispiele gezeigt haben, eigentlich ehemaligen Mitgliedern und Betrügern vorbehalten war. Der aufschlussreiche Fall zeigt, dass die Logen sich einer Ordnung verbunden fühlten, nach der die Entscheidung über die Rezeption ordnungsgemäß getroffen werden musste. Hinter dem Eintrag ins Schwarze Buch könnte die Absicht gestanden haben, andere Logen vor der Peinlichkeit weiterer solcher Ballotagen zu bewahren und so die Logen vor dem eindeutig schlecht beleumundeten Braunewaldt zu schützen und ihn davon abzuhalten, weitere Logen um Rezeption anzugehen. Im Schwarzen Buch ist kein zweiter, vergleichbarer Eintrag verzeichnet. Keiner der Anwärter, denen die Loge Zum goldenen Zirkel die Aufnahme verweigerte, wurde ins Schwarze Buch eingetragen.
hatten oder die Mitglieder der Logen waren. Damit schilderten sie, ganz ähnlich einem Handwerker, ihre Lehrjahre und bezeugten so ihre Zugehörigkeit zur „Zunft der Akademiker“. Die freimaurerischen Ideale wurden dagegen kaum als Begründung für den Beitritt angegeben – es ging um den Wunsch der näheren Verbindung mit Gleichgesinnten und Gleichgestellten und um das eigene berufliche und gesellschaftliche Fortkommen. Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 157 f.; 165 f. Beachy, The Soul of Commerce, S. 114 ff., 119; Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 165 ff. Geriet ein Kaufmann dagegen unverschuldet in finanzielle Not, konnte es sogar zur finanziellen Unterstützung durch eine Loge kommen. So geschehen in der Gothaer Loge Zum Rautenkranz im Jahr 1777. Hier wurde am 6. September für den Kaufmann „Reitz“ eine Spende von 23 Reichstalern gesammelt. Vgl. Wolfgang Woelk, Geschichte der St. Johannis Loge „Ernst zum Kompass“ im Orient zu Gotha, Gotha 2002, S. 6.
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Verräter und Betrüger In der dritten Kategorie begegnen dem Leser immer wieder die Motive des Geheimnisverrats und -verkaufs. Darunter fiel auch die Rezeption neuer Maurer und ihrer Einweihung in die Geheimnisse, ohne dazu berechtigt zu sein. 1776 warnte deshalb die Loge Zum schwarzen Bären aus Hannover vor einem Virtuosen mit dem Namen Muderich. Dieser wurde, … weil er wiederrechtlich Freymaurer gemacht, und zwey Personen, in der nachlässigsten und unanständigsten Kleidung, auf die leichtsinnigste Weise, unter dem falschen Titel einer Aufnahme und dem Vorgeben eines Rechts, Maurer aufnehmen zu können, die ErkennungsZeichen und vieles mehr von dem ersten, zweyten und 3ten Grade des Ordens entdecket hat, für einen schändlichen und niederträchtigen Bösewicht, auch unfähig erklähret, je eine Loge zu besuchen. Siehe das Schreiben der ehrw[ürdigen] Loge zum schwarzen Bär in Hannover vom 3ten October 1776 … Nr. 20.¹⁵⁹
Muderichs umfangreiche Kenntnisse der Freimaurerei führen zu der Vermutung, dass er zeitweise Mitglied einer Loge war oder zumindest aus zuverlässiger – sprich freimaurerischer – Quelle Informationen bezogen hatte. Dies machte den Betrüger besonders gefährlich, denn es erlaubte ihm, glaubhaft aufzutreten und so zahlenden Kunden Zugang zu Logen zu ermöglichen. Die Formulierung des Eintrags deutet darauf hin, dass er in Kontakt mit einer der Großen Landesloge unterstehenden Loge gekommen war. Ob es sich dabei um die hannoversche Loge Zum schwarzen Bären selbst gehandelt hat, bleibt unklar. Ebenfalls bemerkenswert ist der Hinweis auf die unpassende Bekleidung, die bei der irregulären Rezeption getragen wurde und als eine Banalisierung empfunden wurde. Muderich wurde also nicht nur als Betrüger dargestellt, sondern als ehrloser Verräter, der keinerlei Respekt vor maurerischen Werten hatte und sie entsprechenden Kunden öffnete.¹⁶⁰ Der Geheimnisverrat ist ebenfalls zentraler Vorwurf eines Falls, den 1777 die Loge Zum Löwen aus Rinteln bekannt machte. Dort hatte man von einem gewissen Johann Theophilus Ahnemann gehört, der die falsche Identität eines „Joh: Heinrich Meyer“ angenommen hatte.¹⁶¹ Die weitere Beschreibung führt dem Leser ei-
Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 3. Es ist bemerkenswert, dass solche Schiebereien, bei denen mit untauglichen Mitteln gearbeitet wurde, überhaupt versucht wurden, weil die gesellschaftlichen Strukturen (kleine Städte und Dörfer, enge Einbindungen in soziale Gefüge, fehlende Anonymität und Privatsphäre) solche Projekte fast immer scheitern ließen. Die Ähnlichkeit des vorgegebenen Namens mit einem der Gründer der Loge Zum goldenen Zirkel – Johann Heinrich Christoph Meyer – ist auffällig, aber wohl zufällig.
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nen Mann vor Augen, der geschickt mit Namen, Titeln und dem Gesetz gespielt zu haben scheint. Dabei ist die Fallbeschreibung deutlich in zwei Abschnitte unterteilt: Der Erste bezieht sich auf begangene profane Vergehen, der zweite auf seine Verfehlungen im Zusammenhang mit der Freimaurerei: … für diesen Menschen wird die Loge gewarnet, indem er sich für einen Conversum Doctorem und Bocuratorem des Benedictiner Klosters zu Maynz ausgegeben, zufolge das 26ten Stückes der hannoverischen Anzeigen vom Jahr 1755 aber evangelischer Prediger gewesen, und wegen einer wieder ihn angestellten Criminal-Untersuchung zu Münster im Jahr 1768 die römisch-catholische Religion, und hiernächst zu Berlin im Jahre 1770 unter dem Nahmen Meyer, die evangelische Religion angenommen…¹⁶²
Ahnemann, so der Tenor des Eintrags, war ein notorischer Betrüger, der je nach Bedürfnis Qualifikationen vorgebe und die Konfession wechsle. Erstmals wird in diesem Eintrag mit den Hannoverischen Anzeigen eine Quelle benannt, mit deren Hilfe man den Titelbetrug nachweisen zu können glaubte. Es folgte eine Aufzählung der Vergehen, die er angeblich gegen die Freimaurerei begangen hatte. Er habe … auch Winkel-Logen gehalten. Zugleich war ersucht, daß man ihm das in Händen habende lateinische Attestat, welches er von einzeln angesehenen Gliedern, zu einer Zeit, da man ihn noch nicht also gekannt, erhalten hat, als erschlichen anzusehen, und wo möglich zurück zu nehmen, im Fall er sich zum Besuch der Loge einfinden sollte, keinen Zutritt zu verstatten, und fremde anwesende Mittglieder für diesen gefährlichen Menschen zu warnen. Siehe das Schreiben der ehrw[ürdigen] Loge zum Löwen in Rinteln vom 15ten April 1777…Nr. 41.¹⁶³
Zahlreiche Logen wurden als Winkellogen, das heißt nicht einer Großloge untergeordnete, Gemeinschaften gegründet, schlossen sich aber bald einer Großloge an und galten von da an als regulär. Das Misstrauen gegenüber Winkellogen war dennoch begründet, denn einige der irregulären Gemeinschaften dienten dazu, ahnungslose, an der Freimaurerei interessierte Personen um ihr Vermögen zu bringen. Gegen Geld wurden sie hier rezipiert und in – teils frei erfundene – Geheimnisse der Freimaurerei eingeweiht – auch Muderich nutze möglicherweise dieses Geschäftsmodell.¹⁶⁴ Manch sich selbst für einen Freimaurer haltender
Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 3 f. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 4. Jede irreguläre Logengründung stellte natürlich eine Konkurrenz zu den bereits etablierten Logen dar, denn sie machte diesen potentielle Mitglieder und Einkünfte streitig. Ein Beispiel: Ludwig Georg Karl von Hessen-Darmstadt gründete im Oktober 1799 in Heilbronn eine Winkelloge unter dem Namen Bund für Rechtschaffenheit. Der Namen war jedoch irreführend, denn das Ziel der Gemeinschaft (die auch Frauen rezipierte) war Einkünfte zu generieren, um Ludwigs alche-
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Reisender musste beim Versuch, eine andere Loge zu besuchen, feststellen, dass seine Zertifikate wertlos waren und er betrogen worden war. Das Motiv des Geheimnisverrats gegen Geld ist damit auch wichtiger Bestandteil der Anschuldigungen gegen Ahnemann. Mithin geht es auch hier wieder, wie schon oben, auch um den Schutz vor wirtschaftlichen Schäden. Im Schwarzen Buch finden sich zwei weitere Beispiele, in denen vor Betrügern gewarnt wird. Beide scheinen nicht nur freimaurerische Geheimnisse verkauft zu haben, sondern auch in ernsthafte Schwierigkeiten mit dem Gesetz geraten zu sein. Besonders deutlich wird der Vorwurf im Eintrag über einen Herrn von Nitsche. Dieser war offenbar zeitweise Mitglied einer Loge, dann aber wegen ungenannter Vergehen verstoßen worden. Es hieß, von Nitsche … giebt sich für einen Baron und polnischen Oberstlieut[enant] aus, hat aber niemahlen irgens Diensten getan. Nachdem er wegen vieler Vergehungen aus dem Orden gestosen worden, hat er an vielen Orten unter dem Vorwande, geheime Wissenschaften in der Frey-
mistische Experimente und seine Zusammenarbeit mit dem Betrüger „Graf Trourouvre“ zu finanzieren. Die chronische Finanzschwäche Karls führte dazu, dass sich die Winkelloge immer breiteren Gesellschaftsschichten öffnete und weit in ihr Umland warb. Die Intervention Herzog Karl Eugens von Württemberg beendete schließlich das Treiben und Ludwig musste den württembergischen Opfern des Betrugs ihre Gebühren erstatten. Vgl. Gustav Lang, Ludwig Georg Karl, Prinz zu Hessen-Darmstadt, in: Herman Haupt (Hrsg.), Hessische Biographien, Darmstadt 1927, Neudruck 1973, S.465 ff. Nicht alle Winkellogen dienten der persönlichen Bereicherung. Manche Gemeinschaft wurde auch abgelehnt, weil sie sich nicht an in der Freimaurerei generell akzeptierte Tabus hielt. So berichtet Friedrich Wilhelm von Schütz 1824 im Bericht über sein freimaurerisches Leben „Freie Bekenntnisse eines Veteranen der Maurerei und anderer geheimen Gesellschaften; zur Beherzigung für die Eingeweihten und zur interessanten Belehrung für Nichtmaurer“ über eine Loge in Hamburg, die auch Juden rezipierte: „Es fanden sich immer mehrere Theilnehmer ein und zwar aus der gebildeten Klasse, die zu ihren Vorträgen bald Moral und bald Geschichte oder philosophische Gegenstände wählten, und auf solche Art wurde wirklich gearbeitet, statt daß andrer Maurer Arbeit blos im Ablesen der Rituelle oder leerem Ceremonienwerke bestand. Daß durch dergleichen dem Geiste der Maurerei entsprechende Einrichtungen die Eifersucht sogenannter echter Logen rege wurde, war sehr natürlich, besonders da deren Kassen einen merklichen Verlust erlitten, denn bei den christlich-jüdischen Brüdern waren Receptions- und Promotionsgelder blos Nebensache. Man hatte hinreichend Fond, um die vorfallenden Ausgaben bestreiten zu können, man zählte zu den Mitgliedern mehrere reiche Kapitalisten, 50 bis 60 Thaler betrug sehr oft die Armensammlung und bei festlichen Gelegenheiten oder besondern Vorfällen noch weit mehr. Die Constitutierten eiferten gewaltig gegen den Besuch dieser Winkelloge, wie sie solche nannten, sie drohten denen, die dem Verbot nicht Gehör geben wollten, mit Suspension, ja sogar mit Exclusion, und doch kam es nie dazu, die Drohungen in Kraft zu setzen.“ Vgl. S. 44 f. Hier erscheint die Winkelloge aus heutiger Sicht nicht als Betrug, sondern als äußerst fortschrittlich.
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Maurerey zu besitzen, die grösten Betrügereyen und Geldschneidereyen ausgeübt, und in München, Franckfurth am Mayn und andern Orten solche Aufnahmen gemacht.¹⁶⁵
Nach seiner Exklusion machte von Nitsche Kasse, indem er sein freimaurerisches Wissen – echtes wie frei erfundenes – an gutgläubige Zeitgenossen, verkaufte. Noch professioneller ging der nächste der Hochstapelei Bezichtigte vor: … für diesen grosen Betrüger, Schuldenmacher und Erzbösewicht ist ernstlich gewarnt worden. Dieser Abentheurer giebt sich an verschiedenen Orten, auch diese verschiedenen Nahmen. Er rühmet sich die aller grösten, geheimsten und wichtigsten Kenntnisse in der Maurerey zu besitzen, und übt dadurch die grösten Geldschneidereyen aus. Auch giebt er vor in Venedig gebohren zu seyn, alwo im Gegentheil aber sobald die Republik sich seiner Person bemächtigen kann, der Galgen schon längstens seiner wartet; siehe das Schreiben der ehrw[ürdigen] Loge Balduin zu Leipzig vom 26ten Junius 1779.¹⁶⁶
Nachträglich wurde von anderer Hand hinzugefügt, dass der Hochstapler 1784 gestorben sei. Hinter den fünf den Eintrag beigestellten Namen „Calliostio Pellegrini, Don Giuseppe Feliciani, Saint Germain, Marquis Bellmar“ und „Friderico Gualdo“ verbargen sich jedoch zwei Personen, die vom Verfasser des zitierten Eintrags vermutlich aus Unwissenheit vermischt wurden. Der Graf von „Saint Germain“ war ein um 1710 geborener Hochstapler, Alchemist, Okkultist und Komponist. Während seines bewegten Lebens gelang es dem sprachgewandten Lebemann, sich in London, Wien und schließlich Versailles die Gunst des europäischen Hochadels zu sichern.¹⁶⁷ Dabei unterhielt er seine Gönner, indem er vorgab Zeuge wichtiger historischer Ereignisse zu sein, über geheimes alchemistisches Wissen (z. B. Jugendelixiere) zu verfügen oder Edelsteine veredeln zu können.¹⁶⁸ Schließlich beauftragte Ludwig XV. ihn sogar mit diplomatischen Aufträgen. Eigenmächtig versuchte der Graf sich bei einem Aufenthalt in den Niederlanden an der Beilegung des Siebenjährigen Kriegs, muss schließlich jedoch aufgrund einer Auseinandersetzung mit dem französischen
Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 6. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 10. Das Leben des angeblichen Grafen war Vorlage für diverse Romane. Vgl. etwa Irene Tetzlaff, Der Graf von Saint Germain – Licht in der Finsternis, Stuttgart 1980. Hartmut Verfürden, Der Graf von St. Germain – Skizzen eines Lebensweges, in: Reimer Witt und Heyo Wulf (Hrsg.), Landgraf Carl von Hessen 1744 – 1836. Vorträge zu einer Ausstellung, Schleswig 1997, S. 139 – 158, hier S. 141 ff.; Franz Wegener, Der Freimaurergarten, Gladbeck 2008, S. 30 f.
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Außenminister Choiseul fliehen.¹⁶⁹ Die nächsten Stationen seines Wegs sind unklar, schließlich trat der Graf jedoch in Deutschland wieder in Erscheinung. Hier trat der umtriebige Hochstapler unter dem Decknamen „Welldone“ als Textilfärber und Unternehmer auf, wurde schließlich enttarnt und musste fliehen – zurück blieben hohe Schulden. Es folgten Aufenthalte in Russland und Italien. Nach seiner Rückkehr gewann er die Gunst des Markgrafen Karl Alexander von Brandenburg-Ansbach und setzte seine Experimente mit Farbstoffen fort.¹⁷⁰ Im deutschsprachigen Raum war Saint-Germain auch in der Freimaurerei aktiv und ein Freund Karls von Hessen-Kassel, dem Statthalter des dänischen Königs in Schleswig. Karl richtete ihm ein Labor ein und gemeinsam gründeten sie in Eckernförde eine Seidenfärberei.¹⁷¹ Der Graf starb am 27. Februar 1784.¹⁷² Bei „Calliostio Pellegrini, Don Giuseppe Feliciani“ und „Friderico Gualdo“ handelte es sich um den Sizilianer Giuseppe Balsamo, der häufig als Allessandro Graf von Cagliostro auftrat und dessen bewegtes Leben Vorlage für diverse Romane war.¹⁷³ 1743 in Palermo geboren, lernte der junge Balsamo als Gehilfe eines Klosterapothekers. Als Hochstapler bewegte er sich in den höchsten Kreisen seiner Heimat, bevor er aus Sizilien fliehen musste.¹⁷⁴ Laut eigenen Angaben bereiste er anschließend den östlichen Mittelmeerraum und ließ sich von einem griechischen Meister in Alchemie unterrichten.¹⁷⁵ In Malta stellte er sich dem Großmeister des Malteserordens als Graf Cagliostro vor, der ihm Empfehlungen schrieb.¹⁷⁶ In Rom heiratete Cagliostro Lorenza Feliciani (deshalb „Don Giuseppe Feliciani“), die ihn auf seinen Reisen begleitete.¹⁷⁷ 1771 reiste Cagliostro nach Paris und London; seinen Lebenswandel finanzierte er durch den schwunghaften Handel mit Elixieren, Mix-
Wegener, Der Freimaurergarten, S. 32; Verfürden, Der Graf von St. Germain – Skizzen eines Lebensweges, S. 148 f. Verfürden, Der Graf von St. Germain – Skizzen eines Lebensweges, S. 150 f. Verfürden, Der Graf von St. Germain – Skizzen eines Lebensweges, S. 155 f. Hartmut Verfürden, „Er tadelte auch Leibnitzen“ – Der Graf von Saint-Germain in Presseberichten aus seinem Sterbejahr 1784, in: Jahrbuch der Heimatgemeinschaft Eckernförde e.V., 70. Band, Eckernförde u. a. 2012, S. 31– 41, hier S. 34. Etwa von Michail A. Kusmin, Das wundersame Leben des Joseph Balsamo Graf Cagliostro, Frankfurt a. M. und Leipzig 1991. Joachim Kalka, Phantome der Aufklärung – Von Geistern, Schwindlern und dem Perpetuum Mobile, Berlin 2006, S. 63. Vgl. Thomas Freller, Cagliostro – Die dunkle Seite der Aufklärung, Erfurt 2001, S. 15. Vgl. Freller, Cagliostro, S. 16 f. Freller, Cagliostro, S. 34 f.
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turen und Pulvern.¹⁷⁸ Als lohnendes Geschäftsfeld entdeckte er in England die immer populärer werdende Freimaurerei.¹⁷⁹ Daneben trägt zu dieser Zeit das geschickt lancierte Gerücht, dass Cagliostro die Zahlen der Lotterie vorhersagen könne, zum Einkommen des betrügerischen Paars bei. Nachdem der Betrug auffliegt, fliehen beide 1777 nach Den Haag. Dort setzt das Paar die Lotteriebetrügereien fort. Um die zahlreichen nach dem tieferen Sinn der Freimaurerei Suchenden anzusprechen, entwickelte Cagliostro den „Ägyptischen Ritus“; ein System, das 90 Grade (!) umfasste. Hierbei stellte sich Cagliostro gerne als Schüler Saint Germains dar. Der Sizilianer war bereit auch Frauen zu rezipieren – für viele seiner Opfer stellte das betrügerische System die einzige Chance dar, an der populären Sozietätsform überhaupt teilnehmen zu können. Ob es in Den Haag zur Gründung einer Loge des neuen Systems kam, ist umstritten.¹⁸⁰ Nachdem auch in den Niederlanden der Lotteriebetrug aufgedeckt wurde, floh das Paar nach Brüssel, Nürnberg, Leipzig und Berlin.¹⁸¹ Ein oft beschriebener Aufenthalt in Venedig ist zu diesem Zeitpunkt dagegen unwahrscheinlich.¹⁸² Von Berlin ging die Reise vermutlich ins Baltikum. 1779 nahm er in Mitau Kontakt zum russischen Adel auf.¹⁸³ Am 29. März des Jahres eröffnete er eine neue Loge, in der erstmals Elemente des Ägyptischen Ritus erprobt wurden.¹⁸⁴ Die Etablierung seines Systems scheiterte dort jedoch ebenso wie später in St. Petersburg und Warschau, wo er sich als „Groß-Koptha“ des ägyptischen Ritus ausgab.¹⁸⁵
Zum Leben Cagliostros vgl. insb. Johann Wolfgang Goethe, Des Joseph Balsamo, genannt Cagliostro, Stammbaum. Mit einigen Nachrichten von seiner in Palermo noch lebenden Familie, 1792, sowie die Zeittafel zu seinem Leben. Beides in: Klaus H. Kiefer (Hrsg.), Cagliostro – Dokumente zu Aufklärung und Okkultismus, München 1991, S. 5 ff., 639 f. Freller, Cagliostro, S. 46 f. Freller, Cagliostro, S. 48 ff. Während dieser Zeit, in der Cagliostro durch das Reich nach Osten reiste, scheint auch der Eintrag im Schwarzen Buch der Göttinger Loge verfasst worden zu sein. Freller, Cagliostro, S. 50. Philippa Faulks und Robert L.D. Cooper, The Masonic Magician – The Life and Death of Count Cagliostro and his Egyptian Rite, London 2008, S. 13 f.; Elisabeth von der Recke, Nachricht von des berüchtigen Cagliostro Aufenthalte in Mitau, im Jahre 1779, und von dessen dortigen magischen Operationen, 1787, in: Kiefer (Hrsg.), Cagliostro – Dokumente zu Aufklärung und Okkultismus, S. 20 ff. Freller, Cagliostro, S. 55 f. Faulks und Cooper, The Masonic Magician, S. 15 f.; Freller, Cagliostro, S. 62 f. Cagliostro war Vorbild für Goethes Lustspiel Der Groß-Cophta, das 1791 uraufgeführt wurde. Inhaltlich lehnt sich das Stück an Cagliostros Leben an und greift Episoden wie die Halsbandaffäre auf. Vgl. hierzu insb. Klaus H. Kiefer, „Die famose Hexen-Epoche“ – Sichtbares und Unsichtbares in der Aufklärung, München 2004, S. 77 ff.
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Abbildung 6: Aus zwei Betrügern wird einer: Der Eintrag zu Cagliostro und dem Graf von Saint Germain vom 26. Juni 1779 (GStA PK, FM, 5.2. G31, Nr. 18, Bl. 10, S. 1) © GStA PK.
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Nach seiner Enttarnung musste der berüchtigte Hochstapler auch Warschau verlassen. Als Wunderheiler und Okkultist begann er ab September 1780 eine kurze Karriere in Straßburg.¹⁸⁶ Nachdem die Geschäfte immer schwerer gingen, reiste das Paar 1783 durch die Schweiz und Südfrankreich. In Bordeaux verfeinerte Cagliostro sein freimaurerisches System.¹⁸⁷ Im Dezember 1784 folgt eine weitere Neugründung in Lyon, wo Cagliostro trotz einflussreicher Kritiker zahlreiche Neugierige um sich scharen kann. 1785 reist das Paar weiter nach Paris, wo Cagliostro erneut als Wunderheiler auftritt und auch zwei weitere Logen seines Systems gründet.¹⁸⁸ Nachdem sein System in Paris bekannt wurde, lud man Cagliostro 1785 auf einen Konvent der Philalethen ein, um es zu präsentieren.¹⁸⁹ Doch der Graf forderte im Vorfeld die offizielle Anerkennung seines Systems als die einzig wahre Freimaurerei. Bald darauf wurde er – diesmal wohl unschuldig – in die Halsbandaffäre verwickelt und in der Bastille inhaftiert.¹⁹⁰ Im folgenden Prozess wurde Cagliostro zwar von den Vorwürfen freigesprochen, aber dennoch im Juni 1786 des Landes verwiesen. Sein Weg führt ihn nach London, wo ihn jedoch schon bald die Anschuldigungen seiner Kritiker aus Frankreich einholen. Es folgt ein monatelanger Schlagabtausch in verschiedenen Medien, bis Cagliostro auch London im März 1787 verlassen muss.¹⁹¹ Neues Ziel ist Basel. Dort kommt es zur Gründung einer weiteren Loge des Ägyptischen Ritus, doch ist die Umgebung zu provinziell, als das das Ehepaar hier lange von seinen Betrügereien leben könnte. Nun führt der Weg in den Norden Italiens, wo dem Paar bereits sein Ruf voraus eilt.¹⁹² 1789 verhaftete ihn die päpstliche Polizei in Rom.¹⁹³ Im folgenden Prozess versuchte er jegliche Verantwortung auf den Illuminatenorden abzuwälzen, dem er nie angehört hatte.¹⁹⁴ Das wegen Häresie, Zauberei
Faulks und Cooper, The Masonic Magician, S. 16 f.; Freller, Cagliostro, S. 64 ff. Freller, Cagliostro, S. 89 ff. Freller, Cagliostro, S. 100 ff. Faulks und Cooper, The Masonic Magician, S. 52 f. Vgl. Kalka, Phantome der Aufklärung, S. 67 f; Freller, S. 101 ff.; Faulks und Cooper, The Masonic Magician, S. 532 ff. Freller, Cagliostro, S. 114 ff. Freller, Cagliostro, S. 123 ff. In Italien war die Freimaurerei nicht so weit verbreitet wie im nördlichen Europa, da Papst Clemens XII. schon 1738 unter Androhung der Exkommunikation Katholiken die Mitgliedschaft in Logen verboten hatte.Vgl. Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 167; Hammermeyer, Zur Geschichte der europäischen Freimaurerei, S. 10 f. Vgl. Giovanni Barberi, Leben und Taten des Joseph Balsamo, sogenannten Grafen Cagliostro. Nebst einigen Nachrichten über die Beschaffenheit und den Zustand der Freimaurersekten. Aus den Akten des 1790 in Rom wider ihn geführten Prozesses gehoben, 1791, in: Kiefer (Hrsg.), Cagliostro – Dokumente zu Aufklärung und Okkultismus, S. 456 ff.
7.3 Bedroht von außen und innen
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und Freimaurerei verhängte Todesurteil wurde 1791 in lebenslange Haft umgewandelt. In Folge zweier Schlaganfälle starb der berühmte Hochstapler 1795.¹⁹⁵
7.3 Bedroht von außen und innen Ein abschließender, vergleichender Blick auf die Bestände gestaltet sich schwierig, da der Fokus der Bestände stark voneinander abweicht. Die Dokumente beider Logen erlauben – auf ihre Weise – Einblicke in den Umgang mit Fragen der Diskretion, des Geheimnisverrats und dem falschen Verhalten von Logenmitgliedern und Rezipienten.
Diskretion Die in den Dokumenten der Augusta festgehaltenen Ereignisse belegen deutlich, dass die Loge versuchte, zwei unterschiedliche Arten von Geheimnis zu bewahren: Neben dem Schutz des identitätsstiftenden Geheimnisses – also der Rituale und Abläufe im Inneren der Gemeinschaft – lag der Gemeinschaft am möglichst unauffälligen Auftreten in der Öffentlichkeit. Ein Grund hierfür waren sicherlich die verschiedenen Dekrete, mit denen studentische Sozietäten in Göttingen seit 1748 mehrfach belegt worden waren.¹⁹⁶ Auch die Politik in den Ländern der Personalunion spielte eine Rolle. Die von der Radikalaufklärung, der Gruppe der religiösen Nonconformists und Dissenters sowie den Unabhängigkeitsbestrebungen in Irland und Schottland ausgehenden Gefahren für die Krone sollten nicht unterschätzt werden – die letzte Schlacht gegen die Schottischen Jacobiten unter Charles Stuart hatte erst 1746 auf Culloden Moor bei Inverness stattgefunden.¹⁹⁷ Auf dem Boden des Hl. Römischen Reiches spielten die den Dissenters ähnelnde religiöse Erweckungsbewegung in den bürgerlichen Kreisen und das allgemeine Erstarken des Bürgertums eine wichtige Rolle. Ein wichtiger Widerspruch für die Britisch-Hannoversche Krone ergab sich daraus, dass der Aufbau der Göttinger Alma Mater gerade den Vertretern solcher kritischer Positionen anvertraut und diese über die ausgesprochen gut ausgestattete Bibliothek und ein für die damalige Zeit sehr gut ausgestattetes Kom Kalka, Phantome der Aufklärung, S. 68 f. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 227 ff. Zum Aufstand der Jakobiten vgl. Stuart Reid, 1745: A Military History of the last Jacobite Uprising, Boston 1996.
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munikationssystem auch noch mit den neuesten kritischen Gedanken versorgt wurden. Die Dekrete belegen das nachgerade, weil sie damals einerseits den Universitätsbetrieb und das Leben in seinem Umfeld beschränken sollten; andererseits wurden sie von der eigenen Polizeimacht locker gehandhabt oder gar ignoriert, um den Fortgang der akademisch-wissenschaftlichen Tätigkeiten nicht zu beeinträchtigen. Die im Folgenden angesprochenen Umstände bei der Trauerloge für Karl I. zeigen das ganz deutlich. Die Dokumente zeigen, dass vor Koppe schon der erste Meister vom Stuhl Wacker auf unauffälliges Auftreten achtete, und sich deshalb außer Stande sah, des verstorbenen Ernst von Lestwitz mittels einer Trauerloge gedenken zu lassen.¹⁹⁸ Wackers Versuch, die Aktivitäten der Loge vor der Öffentlichkeit zu verschleiern, scheint eine Reaktion auf akute Probleme gewesen zu sein, denn Koppe nahm sich des Problems zwei Monate später nach seiner Ernennung zum neuen Vorsitzenden unverzüglich an – anscheinend hielt er mangelnde Diskretion gegenüber „Profanen“ für eines der drängensten Probleme der Gemeinschaft, das ihn in große – auch persönliche – Schwierigkeiten bringen konnte.¹⁹⁹ Genau wie sein Vorgänger versuchte er „Aufsehen“, wie es etwa aus der Versammlung festlich gekleideter Männer anlässlich der Trauerloge für Karl I. entstehen konnte, zu vermeiden.²⁰⁰ Während seines Vorsitzes scheint der Professor eine Gruppe innerhalb der Gemeinschaft als besonders indiskret ausgemacht zu haben: Kurz nach seiner Ernennung zum Prorektor im Juli 1783 richtete sich Koppes zweite Ermahnung vor allem an die studentischen Mitglieder der Loge.²⁰¹ Sie waren mit den Verhältnissen in der Leinestadt weniger vertraut als die älteren und gesellschaftlich etablierten Mitglieder, hatten aber im Fall der Fälle weniger zu verlieren. Gepaart mit jugendlichem Leichtsinn und dem für zahlreiche Studenten so typischen selbstbewussten Auftreten in der Öffentlichkeit ergab sich eine für den Zusammenhalt der Gemeinschaft explosive Mischung. Wenn in den Protokollen also nur die Rede vom Meister vom Stuhl als Ermahnendem ist, sprach Koppe doch wahrscheinlich für den Großteil der gesellschaftlich etablierten Mitglieder, die vom Auftreten so manches Studenten irritiert waren. Das Problem deutet auf ei-
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Oktober 1779, Lehrlingsloge, Bl. 3, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Dezember 1779, Lehrlingsloge, Bl. 8, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 20, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. August 1783, Lehrlingsloge, Bl. 93, S. 2 f. sowie Ebel, Catalogus Professorum Gottingensium, S. 24.
7.3 Bedroht von außen und innen
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nen Generationenkonflikt innerhalb der Augusta hin, der die Gemeinschaft auch in späteren Jahren noch beschäftigen sollte.²⁰² Zur expliziten Ermahnung der studentischen Mitglieder durch den Meister vom Stuhl scheint es in den folgenden Jahren jedoch nicht mehr gekommen zu sein: Aus der Zeit des Prorektorats Richters (vom dritten Juli 1787 bis zweiten Januar 1788) lässt sich anhand der Dokumente kein vergleichbarer Nachweis führen.²⁰³ Dies könnte mit der seit Koppes (und Feders) Weggang rückläufigen Attraktivität der Loge unter den Studierenden erklärt werden, lässt sich aber aufgrund der nachlassenden Qualität der Protokolle nicht abschließend klären. Die immer wieder eingeforderte Diskretion war für die Integrität der Freimaurerei als solcher, konkret aber für den Fortbestand der Gemeinschaft von größter Bedeutung, konnte die durch die Attraktivität des Sozietätswesens verursachten Probleme aber nur zum Teil kompensieren.²⁰⁴ Obwohl Koppe Verrat und Diskretion in den Versammlungen immer wieder thematisierte, stand das von ihm verantwortete Verhalten der Loge in krassem Gegensatz zu den Ermahnungen und Befürchtungen, denn gerade in der ersten Hälfte der 1780er Jahre traten zahlreiche Studenten der Gemeinschaft bei.²⁰⁵ Als Folge des ständigen Kommens und Gehens studentischer Mitglieder und zahlreicher Besucher stieg die Wahrscheinlichkeit, dass Informationen über Praktiken der Loge an die Öffentlichkeit gelangten. Gleichzeitig nahm die Loge – wenigstens aus der Sicht von Außenstehenden – immer mehr den Charakter einer studentischen Sozietät an. Diese Transformation wiederum erhöhte das Risiko der Verfolgung durch die Behörden, stand sie doch in direktem Widerspruch zum Ziel der Edikte: Der Aufhebung studentischer Sozietäten und jeglicher studentischer Selbstorganisation unter Ausschluss des Staates. Man sollte nicht vergessen, dass Göttingen den Ruf hatte, eine der modernsten, wenn nicht gar die fortschrittlichste Hochschule zu sein. Dass das die Universität für unruhige junge Männer interessant machte, versteht sich von selbst.
Vgl. Kap. 8.4. Ebel, Catalogus Professorum Gottingensium, S. 25. Auch andernorts kämpften Logen mit der „Schwätzerey“ ihrer Mitglieder. In der Wiener Loge Zur Wahren Eintracht wurden 1784 harte Strafen für Mitglieder gefordert, die Interna verraten hatten. Der Verrat wurde dadurch jedoch nicht verhindert. Vgl. Irmen, Die Protokolle der Wiener Freimaurerloge „Zur Wahren Eintracht“ (1781 – 1785), S. 214, 227. Zwischen 1780 und 1784 pendelte der prozentuale Anteil junger Akademiker an den neu Rezipierten zwischen etwa 50 und 75 Prozent. Im Spitzenjahr 1781 rezipierte die Augusta 20 Lehrlinge, von denen 15 angehende Akademiker waren. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 17. Vgl. auch Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 220.
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7 Diskretion und Strafe
Angesichts der Probleme, die der hohe Anteil studentischer Mitglieder der Augusta verursachte, verwundert die weitgehende Abwesenheit vergleichbarer Protokolleinträge in den Dokumenten der Loge Zum goldenen Zirkel, denn anders als die ältere Loge war sie bereits seit ihrer Gründung von jungen Militärs und Studenten geprägt. Als Treffpunkt von Studenten und Soldaten nahm die Loge eine Sonderrolle ein, denn traditionell war das Verhältnis zwischen Studenten und Militärs angespannt. Beide Gruppen pflegten einen jeweils eigenen Ehrbegriff und es kam regelmäßig zu Reibereien, da die Studenten die Arbeiten der Garnison wie den Wachdienst immer wieder störten.²⁰⁶ Innerhalb der Loge scheint es somit zur Interaktion zwischen zwei Gruppen gekommen zu sein, die sich eigentlich ablehnend gegenüber standen. Was auf den ersten Blick wie ein Beitrag der Loge zur Verbesserung des Klimas innerhalb der kleinen Universitätsstadt aussieht, kann bei näherer Betrachtung nicht im Sinn der Obrigkeit gewesen sein. Ab 1790 bemühte sich der akademische Senat mehrmals um die Verstärkung der Garnison, da er um die innere Sicherheit der Universitätsstadt fürchtete.²⁰⁷ Eine Fraternisierung zwischen Studenten und Soldaten hätte die Autorität der Obrigkeit massiv untergraben, weshalb davon auszugehen ist, dass die klandestine Organisation der Soldaten durch den Staat ebenso abgelehnt wurde wie die Vermischung von studentischem mit militärischem Milieu. Dass das Verhalten der jüngeren Logenmitglieder zu wünschen übrig ließ, hat sich bereits anhand von Hammersteins Ermahnung zu mehr Respekt gegenüber den Logenoberen aus dem Jahr 1773 gezeigt.²⁰⁸ Auch die Verlesung von Antworten, „… die Profane am Maurer thun könen“ stellt einen deutlichen Hinweis darauf dar, dass auch in der jüngeren Gemeinschaft der – unabsichtliche – Geheimnisverrat ein Problem darstellte.²⁰⁹ Als ab dem Ende der 1780er Jahre der Druck auf die Göttinger Sozietäten erheblich zunahm, begann auch der Goldene Zirkel die Folgen der sich wandelnden öffentlichen Wahrnehmung zu spüren.²¹⁰ Nun setzte man sich in mehreren Versammlungen mit der zunehmenden Verfolgung aus-
Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 277 ff. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhunderts, S. 295. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 18. Juli 1773, Lehrlingsloge, Bl. 5, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 13. Juni 1779, Lehrlingsloge, Bl. 4, S. 2. Zum Verbot der Studentenorden und Freimaurerlogen vgl. Zaunstöck, Das Milieu des Verdachts, S. 293 ff. sowie Karl Härter, Reichstag und Revolution 1789 – 1806, Göttingen 1992, S. 358 ff.
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einander, ohne allerdings an Folgen für die eigene Gemeinschaft zu glauben.²¹¹ So heißt es noch im Protokoll vom ersten Oktober 1793, also wenige Wochen vor Auflösung der Loge: … verlaß der hochwürdige einen Aufsatz über die jetzigen Zeit-Conjuncturen, betreffend die Reichstags-Verhandlungen wegen der Academischen Ordens-Verbindungen, worin gezeigt wird, daß unser sehr ehrwürdiger Ordens keinesweges unter dem Verbote begriffen seyn könne …²¹²
Schließlich sei man kein Studentenorden und arbeite nicht gegen Staat und Religion. Eine Irrtum, der zeigt, wie weit Selbstwahrnehmung und öffentliches Urteil voneinander abweichen konnten.
Der Schutz des Geheimnisses Ähnlich dem Schutz vor Verfolgung durch den Staat versuchte die Augusta auch dem Verrat des freimaurerischen Geheimnisses an Außenstehende vorzubeugen: Man mahnte Stillschweigen an, disziplinierte wenn nötig, aber selten. Mittels Zertifikaten und Befragungen sollte sichergestellt werden, dass Besucher tatsächlich Freimaurer waren und sich nicht nur als solche ausgaben.²¹³ Das Schwarze Buch der jüngeren Loge hat gezeigt, dass es sich hierbei um ein weitverbreitetes Problem handelte. Abschließende Sicherheit gab es nicht; und so unterstreichen die verschiedenen Ansätze die Hilflosigkeit, mit der man dem Problem gegenüber stand. Es überrascht daher nicht, dass in den Protokollen der Augusta mehrfach der Verrat von freimaurerischen Geheimnissen thematisiert wurde. Als häufige Ursache hat sich im Rahmen der hier vorliegenden Untersuchung der Verrat während der Anwerbung potentieller Mitglieder herauskristallisiert. Die Ermahnungen Koppes vom Dezember 1781 und Februar 1782 belegen, dass gerade im Umgang mit Anwärtern die Versuchung, mit den eigenen Kenntnissen zu prahlen und so das eigene Ansehen und die Bedeutung der eigenen Loge zu steigern, groß
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 1. November 1791 und 1. Oktober 1793, Lehrlingslogen, Bl. 123, S. 1 und 146, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. Oktober 1793, Lehrlingsloge, Bl. 146, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 48, S. 2.
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war.²¹⁴ Engagement für die Loge – immerhin war diese stets daran interessiert, die Mitgliederbasis zu festigen – konnte, wenn man im Gespräch unvorsichtig war, zur Rüge durch den Vorsitzenden führen. Ernste Konsequenzen scheinen die Ermahnungen anfangs nicht nach sich gezogen zu haben, was darauf hindeutet, dass man seitens der Oberen die guten Absichten und den Enthusiasmus der Mitglieder durchaus zu schätzen wusste. Erst als die Ermahnungen nicht den erhofften Erfolg hatten, kam es zur Disziplinierung eines Lehrlings.²¹⁵ Die Formulierung „…eröffne er dieses den in dieser Lehrlings Loge versammelten Brüdern, und warne sie vor der Unvorsichtigkeit die der Br[uder] begangen …“ belegt, dass die ungewöhnliche Bekanntmachung einer Angelegenheit des zweiten Grads in der Lehrlingsloge dazu diente, den anwesenden Lehrlingen anhand eines Exempels die Folgen ihres Handelns zu verdeutlichen. Von nun an würde auch aus Leichtsinn begangener Verrat geahndet; das Problem hatte offensichtlich überhandgenommen. Die Schlussfolgerung, dass Koppe – wie bei der Indiskretion auch – den Geheimnisverrat vor allem den jüngeren (studentischen) Mitgliedern anlastete, liegt nahe. Der Name des Verräters wurde nicht festgehalten. Hierfür scheinen zwei Erklärungen plausibel: Einerseits handelte es sich um eine Angelegenheit des Gesellengrads. Um den gewünschten abschreckenden Effekt zu erzielen, war es nicht nötig, den Namen des Sanktionierten bekannt zu machen – schließlich handelte es sich bei den Arbeiten des jeweiligen Grads auch um Interna, die vor den Mitgliedern der niedrigeren Grade zu schützen waren. Der Versuch, ein Exempel zu statuieren, barg in sich die Gefahr, die logeninterne Hierarchie der Geheimhaltung zu verletzen. Anderseits sollte wohl auch die Identität des Sanktionierten geschützt werden, damit sein Ansehen nicht langfristig und über Gebühr litt. In der ständischen Gesellschaft war Diskretion oberstes Gebot. Erst sie ließ die soziale Kontrolle zu einer erträglichen Institution werden; der Adel pflegte selbst bei ernsten Vergehen die Mitglieder des eigenen Standes äußerst zurückhaltend zu sanktionieren.²¹⁶ Ebenso wenig war es im Interesse der Logen, dass die Vergehen einzelner Mitglieder diskutiert oder – noch schlimmer – verbreitet wurden, denn das Ansehen der Logen als Treffpunkte ehrbarer Männer hätte in Mitleidenschaft gezogen werden können. Bei Disziplinierungsmaßnahmen versuchten die Logenoberen also einen Mittelweg zu finden, auf dem einerseits den Tätern un-
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 5. Dezember 1781 und 6. Februar 1782, Lehrlingsloge, Bl. 55, S. 2 und 59, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 31. April 1782, Lehrlingsloge, Bl. 62, S. 1. Die Exklusion bedeutete das Ausscheiden aus dem „Stand“ der Freimaurer, somit bestand kein Grund mehr zur diskreten Zurückhaltung.
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missverständlich ihr Fehlverhalten klargemacht wurde, ohne andererseits ihr Ehrgefühl nachhaltig zu verletzen. Zuviel Nachsicht konnte den Fortbestand der Loge genauso gefährden wie ein zu hartes Durchgreifen. Wie die Indiskretion war auch der Geheimnisverrat in den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel kaum Thema. Hinweise darauf, dass Fälle – unbeabsichtigt – begangenen Verrats mit Strafen geahndet worden wären, finden sich nicht.²¹⁷ Aufgrund des in den Protokollen der Augusta beschriebenen Verhaltens darf das Fehlen vergleichbarer Einträge aber nicht als Hinweis auf im Großen und Ganzen untadeliges Verhalten der Mitglieder dieser jüngeren Loge verstanden werden, sondern es deutet eher darauf hin, dass mit den von Mitgliedern begangenen Vergehen sehr diskret umgegangen wurde. Der Besuch der beiden Mitglieder der Loge Augusta von Kleine und von Schlaf im Jahr 1781 ist eines der wenigen Beispiele, an denen sich die von der Loge praktizierten Maßnahmen zum Schutz des freimaurerischen Geheimnisses anschaulich beobachten lassen.²¹⁸ Trotz des erheblichen Drucks, den das Umfeld auf die Mitglieder beider Logen ausübte, scheint Behm es doch für angebracht gehalten zu haben, den Besuchswunsch von zwei Mitgliedern der Strikten Observanz im Voraus anzukündigen. Darin zeigte sich eine Differenz zum üblichen Ablauf von Besuchen, denn die Visite von Mitgliedern befreundeter Logen wurde in der Regel nicht im Voraus angekündigt.²¹⁹ Der Besuch zweier Mitglieder der Strikten Observanz erscheint so als ungewöhnliches Ereignis, bei dem die Logenoberen im Voraus nicht sicher waren, wie die versammelten Mitglieder auf den Wunsch reagieren würden. Im Vorfeld des Besuchs der Mitglieder der Augusta wies Behm deshalb darauf hin, dass beide versprochen hätten, nichts von dem, was sie innerhalb der Loge beobachten würden, zu verraten. Die Furcht davor, Mitgliedern eines anderen freimaurerischen Systems Einblicke in den identitätsstiftenden Logeninnenraum zu gestatteten, erscheint als wesentliches Hindernis auf dem Weg zur gegenseitigen Anerkennung und Annäherung. Gleichzeitig scheint es, dass der Wunsch nach dem Knüpfen neuer Kontakte so groß war, dass sich ihm der Schutz des Geheimnisses im Zweifelsfall unterordnen musste.
Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 31. April 1782, Lehrlingsloge, Bl. 62, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 7. März 1781, Lehrlingsloge, Bl. 48, S. 2. Vgl. Kap. 6.
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Glücksspiel In der Beurteilung der beiden Anwärter Erxleben und Gödecke drückte sich die Sorge der Logenbrüder um die Wahrnehmung ihrer Gemeinschaft als Korporation ehrbarer Männer aus.²²⁰ Im Bewusstsein, dass trotz wiederholter Appelle zur Diskretion Personalien und Interna nach außen drangen, wollte man doch wenigstens als Versammlung ehrbarer Männer erscheinen.²²¹ Im Rahmen der den beiden Rezeptionen vorausgehenden Diskussionen wurden zwei Strategien sichtbar, mittels derer mit charakterlichen Mängeln belastete Anwärter ihre Chancen auf eine Rezeption deutlich verbessern konnten. Erxleben wählte den Weg der Demut und ließ es zu, dass er primär über seine Schwächen, seine Reue und den daraus resultierenden Wunsch nach Selbstverbesserung definiert wurde. Sein Fürsprecher, von Floriancourt, half ihm, indem er ihn als Mann mit Schwächen vorstellte, der indes ehrlich an sich arbeite. Koppe, dessen Glaube an die pädagogische Wirksamkeit der Maurerei sich bereits im Fall Schumachers deutlich gezeigt hatte, äußerte sich dementsprechend lobend.²²² Die sich abzeichnende Rezeption nahm den Charakter einer wohltätigen erzieherischen Tat an – immerhin konnten öffentlich praktizierte Laster wie das Glücksspiel dem Ansehen der Gemeinschaft schaden. Erxleben selbst war seine Position bewusst: Nachdem er vor der Rezeption – obwohl er sich keines Vergehens innerhalb der Loge oder als Freimaurer schuldig gemacht hatte – nochmals ermahnt worden war, klangen seine Rechtfertigungen und Beteuerungen sehr unterwürfig und entsprachen damit genau dem, was die versammelten Mitglieder der Loge wohl hören wollten. Er hatte erkannt, wie er aus einer Position der Schwäche heraus einen Weg in die Loge finden konnte: Mittels demütigem und bescheidenem Auftreten erkannte er die vermeintliche moralische Wirksamkeit der Freimaurerei an, unterstrich die eigene Rolle eines nach Hilfe Suchenden und appellierte so ausdrücklich an das freimaurerische Selbstverständnis.
Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 7. Juni 1780 und vom 7. März 1781, Lehrlingslogen, Bl. 20, S. 2 und 40, S. 1. Hier sei noch einmal an das Beispiel des Hainbunds erinnert, der kurz nach seiner Gründung Stadtgespräch war. Vgl. Sauder, Bund auf ewig! – Der „Göttinger Hain“, S. 29. Ein ähnlicher Fall wird von Beachy über Leipzig berichtet. Der Juwelier Johann Jacob Stein musste sich 1800 gegenüber der Loge für seinen Hang zum Spiel rechtfertigen. Wie Erxleben verwies auch Stein auf den für seine Entwicklung positiven Einfluss der Freimaurerei. Die Loge schenkte diesen Versicherungen Glauben und stellte die Nachforschungen ein. In anderen Fällen, in denen keine Verbesserung feststellbar war, kam es zur Exklusion. Glücksspiel wurde in einer maßgeblich durch Händler geprägten Gemeinschaft wie der Loge Balduin nicht geduldet. Vgl. Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 168.
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Gödeckes Ansatz hätte kaum unterschiedlicher ausfallen können. Anders als Floriancourt kam sein Fürsprecher Triebel nicht auf die charakterlichen Schwächen des Kaufmanns zu sprechen, sondern pries ihn in dem vorgelegten Schreiben in den höchsten Tönen. In der Folge zeichnet das Protokoll das Bild einer hocherfreuten Loge, die Gödeckes Mitgliedschaft als Gewinn empfand und bereitwillig seinem Wunsch nach einer eigens abgehaltenen Rezeptionsloge entsprach. Erxlebens Fall lässt vermuten, dass man sich weniger entgegenkommend verhalten hätte, wenn Gödeckes Schwächen früher bekannt gewesen wären. Dies führt zu der Frage, warum Triebel – anders als Floriancourt – den großen Makel in Gödeckes Charakter nicht erwähnte. War er dem angehenden Prediger unbekannt oder war die Verheimlichung Teil seiner Strategie? Hatte die Verheimlichung mit Gödeckes sozialem Stand zu tun? Als Kaufmann stand er unter dem Doktor Juris Erxleben, brachte weniger Prestige mit und musste sich deshalb im Vorfeld der Rezeption so positiv als möglich präsentieren. Hatte Triebel Gödecke deshalb dazu geraten, erst nach der Abstimmung seine Schwäche anzusprechen? Wollte Triebel damit auch nachträglich den möglichen Vorwurf, er habe die Loge über den wahren Charakter des von ihm protegierten Anwärters getäuscht, ausräumen? Wenn die Protokolle zur Klärung derartiger Überlegungen auch keine Antworten liefern, wird doch deutlich, welch komplexe Strategien Anwärter und Fürsprecher teils entwickelten. Die große Bedeutung von Kontakten wurde auch am Beispiel Jänischs erneut deutlich. Durch seine Teilhabe an der öffentlichen Verunglimpfung eines Handwerkers hatte er nicht nur die hohen Standards der Freimaurerei verletzt, sondern sich auch nach den bürgerlichen moralischen Normen völlig inakzeptabel verhalten.²²³ Gödecke, und vor allem Erxleben, hatten mit ihrem Hang zum Spiel zwar sich selbst geschadet, andere Personen waren durch ihr Verhalten aber nicht in Mitleidenschaft gezogen worden. Trotzdem dieser auffälligen Diskrepanz kam Jänisch ebenfalls mit einer Ermahnung davon. Dass Jänisch Mitglied einer befreundeten Loge war, vor allem aber seine mutmaßliche Verwandtschaft mit dem verstorbenen Hamburger Provinzial-Großmeister Gottfried Jacob Jänisch, hat den Studenten wohl vor einer strengeren Strafe bewahrt.²²⁴
Nicht nur in Göttingen kam es zu inakzeptablem Auftreten in der Öffentlichkeit. In Leipzig ereigneten sich ähnliche Fälle. Hier kam es nach einem Streit zwischen Logenmitgliedern auf einem öffentlichen Ball beinahe zu Handgreiflichkeiten auf der Straße. Beiden Brüdern wurde die Teilnahme an Versammlungen der Loge für zwei bzw. sechs Monate untersagt – eine Parallele auch zum Fall Schumachers, der einen Monat auf seinen Zugang zur Versammlung warten musste. Vgl. Kap. 6. sowie Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 168. Hans Schröder, Lexikon der hamburgischen Schriftsteller bis zur Gegenwart, 3. Band, Hamburg 1857, Bl. 1786.
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Exklusion Die Exklusion war die schwerste Strafe, denn sie markierte den Beginn eines Abkopplungs- und Strafprozesses: Nach dem Ausschluss versuchte man, dem Verstoßenen all jene Vorteile zu nehmen, die der Eintritt in die Gemeinschaft ursprünglich mit sich gebracht hatte: Gemeinschaft, privilegierte Kommunikation und gesteigertes Prestige. Freundschaften und Bekanntschaften konnten durch diesen Prozess zerbrechen. Auf das Entreißen von Privilegien zielte auch das 1779 in der Loge verlesene Schreiben aus Lemberg ab, das von der Exklusion eines Mitglieds berichtete – der Arm der Logen reichte weit.²²⁵ In den erhaltenen Dokumenten der Augusta lässt sich keine Exklusion eines Göttinger Bruders nachweisen. Allenfalls der Fall des Bremer Studenten Schumacher kann als temporärer Ausschluss, also als Suspendierung, interpretiert werden.²²⁶ Sein für den vergleichsweise drastischen Schritt Koppes ausschlaggebendes Fehlverhalten wird aber nicht beschrieben, so dass sich ein Vergleich mit anderen Fällen von Regelverstößen schwierig gestaltet. Deutlich wurde immerhin, dass Koppe als Theologe auch bei schweren Verfehlungen an zweite Chancen glaubte. Diese Überzeugung spiegelte sich auch während der Verlesung der beiden Schreiben aus Wetzlar wieder. Für den Vorsitzenden stellte das zweite Schreiben, trotz des anhaltend schlechten Betragens des ehemaligen Bruders von Rotenhausen, einen Beweis für die Wirksamkeit der Maurerei in Fragen der Erziehung zur Moralität dar.²²⁷ Im selben Zug wurde zu dem ehemaligen Bruder von Rotenhausen endgültig jeglicher Kontakt abgebrochen. Die Verlesung ließ ihn auch in Göttingen zur persona non grata werden.
Das Schwarze Buch Ähnlich dem Fall Schumachers stellen sich zahlreiche der Fälle in der Liste der suspendierten oder freiwillig ausgetretenen Mitglieder dar: Hinter den Verweisen, dass man sie bis auf „Besserung“ aus der Loge ausschließe, wird deutlich der Versuch der Konditionierung durch Strafe sichtbar. Keiner der knapp vierzig beschriebenen Fälle von Suspendierung bezieht sich aber auf Göttingen, und auch
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Dezember 1779, Lehrlingsloge, Bl. 8., S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Dezember 1780, Lehrlingsloge, Bl. 33, S. 1 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 49, S. 2.
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im Protokoll ist kein derartiges Vorgehen beschrieben. Zur temporären Exklusion von Mitgliedern scheint es im Goldenen Zirkel also nicht gekommen zu sein. Die Furcht vor der Preis- und Aufgabe der freimaurerischen Identität durchdringt als zentrales Element auch die Eintragungen im Schwarzen Buch der Loge. Wenn Diskretion und Geheimnisverrat in den Protokollen nur eine untergeordnete Rolle spielten, wurde anhand des Schwarzen Buches deutlich, dass die Gemeinschaft über ihre Einbindung in das Kommunikationsnetzwerk der Großen Landesloge nicht nur passiv Anteil an den Verfehlungen und Straftaten im Umfeld assoziierter Logen nahm, sondern selbst aktiv gegen Verräter und entsprechendes Fehlverhalten vorging. Anton Mattias Sprickmann, Otto Conrad Hahn und Benjamin Friedrich Zoorer sowie in dem zweiten Eintrag Adolph Ludwig Carl von Schevé wurden wegen ihres Übertritts zur Strikten Observanz auf Dauer ausgeschlossen.²²⁸ Die hohe Anzahl vergleichbarer Fälle aus assoziierten Gemeinschaften belegt eindrücklich, dass der Versuch, wechselwillige Mitglieder durch die Exklusion von ihrem Vorhaben abzuschrecken, wirkungslos blieb – und wirkungslos bleiben musste. Der Wechsel des Wohnorts stellte die Umziehenden häufig vor die Entscheidung, ob sie ihre freimaurerischen Aktivitäten in der einzigen ortsansässigen, aber einem anderen System angehörenden, Loge fortsetzen wollten, oder ob sie ihrem System treu blieben, aber um den Preis, dass sie ihr freimaurerisches Engagement weitgehend einstellen mussten. In dieser Situation wurde das im Schwarzen Buch angeprangerte Vergehen wohl häufig nicht als solches wahrgenommen. Mit der Logenmitgliedschaft erlosch anscheinend häufig auch das Gefühl, sich den unter Eid angenommenen Regeln noch verpflichtet zu fühlen. Dies galt allerdings nicht für alle das System wechselnden Freimaurer: Die Eintragung am Rand, in welchem berichtet wird, dass Hahn später in einem Schreiben an Behm versichert habe, dem System seiner ursprünglichen Mutterloge niemals untreu gewesen zu sein, zeigt, dass einige der das System Wechselnden im Nachhinein entweder ihre Entscheidung hinterfragten, oder die durch das Kommunikationsnetzwerk verbreitete Ächtung Wirkung zeigte, etwa wenn ein weiterer Wechsel des Wohnorts bevor stand.
Ausschluss wegen Fehlverhalten Nur zwei Einträge schildern Fälle, in denen Mitglieder des Goldenen Zirkel wegen ihres Verhaltens ausgeschlossen wurden. Der Eintrag zur Exklusion Johann
Vgl. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. Februar 1781, S. 9.
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7 Diskretion und Strafe
Friedrich Christian Ottes deutete auf schlechtes Betragen innerhalb der Loge hin. Aufschlussreich ist daneben auch der Hinweis, dass man “ ferner [ihn] in der Logen-Liste anzuführen Bedencken gefunden …“. ²²⁹ Otte war scheinbar als Folge seines Fehlverhaltens zu einer Belastung für die Loge geworden; seine Mitgliedschaft stellte ein Risiko für die Gemeinschaft dar. Protokolleinträge aus dem Winter 1775/1776 wären hierzu sicher aufschlussreich gewesen, besonders im Hinblick auf einen möglichen Vergleich mit den von Mitgliedern der Loge Augusta begangenen Vergehen. Einzig Johann Heinrich Jordans Fehlverhalten ist im Schwarzen Buch vergleichsweise detailliert festgehalten worden und kann aufgrund des Protokolleintrags nachvollzogen werden. Der absichtliche finanzielle Bankrott – heute: betrügerischer Banktrott – verstieß gegen das von der Loge gewünschte ehrbare Auftreten. Wäre Jordan dagegen unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geraten, hätte er möglicherweise sogar auf Unterstützung durch seine eigene und mit ihr freundschaftlich verbundene Logen hoffen können, wie der Fall Johann Reinhold Forsters (1729 – 1798) zeigt.²³⁰ Es handelte sich um ein sehr bürgerliches, weil im Bereich von Handel und Wandel angesiedeltes Vergehen. An der Entscheidung zur Exklusion des Kaufmanns wurde deutlich, dass die Mitglieder der Loge zwar über Aufnahmen und Weiterführungen entschieden, die Exklusion aber die Entscheidung der Beamten war – bei der sie sich gleichwohl nach den Interessen der Loge richten mussten.²³¹ Sie entschieden darüber, ob ein Mitglied ehrbar genug war, und entzogen im Zweifelsfall die Mitgliedschaft und die damit verbundenen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Privilegien, um die Loge vor einem Ansehensverlust durch Assoziation zu schützen.²³² Wer einmal wegen Bankrotts oder einem vergleichbaren Vergehen ausgeschlossen worden war, wurde auch von anderen Logen kaum mehr aufgenommen. Die Kommunikation zwischen den Logen – auch mittels der Schwarzen Bücher – funktionierte.²³³
Vgl. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 20. Februar 1776, S. 2. Vgl. Kap. 8. Vgl. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 7. September 1790, Dok. 16. Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 166. Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 159. Beachy führt das Beispiel des Leipziger Kaufmanns Johann Georg Leutsch an, der nach seinem Bankrott 1793 aus der Leipziger Loge Minerva ausgeschlossen wurde. Als er seine Schulden 1802 abbezahlt hatte, bewarb er sich um die Mitgliedschaft in der ebenfalls ortsansässigen Loge Apollo – sein Wunsch wurde abgelehnt. Der Jurist Johann Balthasar Küster wurde dagegen von der Loge Balduin aufgenommen, nachdem die Logenoberen Rücksprache mit der Loge Minerva gehalten hatten, die seine Rezeption Jahre zuvor – irrtümlich – abgelehnt hatte.Vgl. Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 165, 167 f.
7.3 Bedroht von außen und innen
359
Robert Beachy bezeichnet die Logen deshalb treffend als Türhüter der bürgerlichen sozialen Netzwerke.²³⁴ Die Fälle der zweiten Kategorie veranschaulichen, dass die Toleranz der Loge dort ein Ende hatte, wo das Fehlverhalten eines Mitglieds auf die Loge hätte zurückfallen können.²³⁵ Durch Exklusion versuchte man, sich selbst aus der öffentlichen Wahrnehmung – vor allem durch die Behörden – herauszuhalten und so zu schützen. Dies gilt für die Göttinger Logen, bedingt durch die Verbotsedikte der Regierung, in ganz besonderem Maße und zeigt einmal mehr, dass sich hinter den Versuchen, die eigene Ordnung penibel durchzusetzen, das Bewusstsein verbirgt, an einem Brennpunkt der wissenschaftlichen, wirtschaftlichen und politischen Aufklärung unter besonderer staatlicher Beobachtung zu stehen. Der Schutz der Gemeinschaft wurde im Zweifelsfall dem Interesse des Einzelnen übergeordnet.
Verkauf von Geheimnissen Auch die Fälle der dritten Kategorie stehen ganz im Zeichen des Versuchs den Innenraum der Gemeinschaft zu schützen. Das Vergehen des absichtlichen Geheimnisverrats erscheint auf den ersten Blick dem potentiellen Geheimnisverrat der ersten Kategorie ähnlich. Jedoch handelte es sich hier um Personen, die aus Profitgier freimaurerische Geheimnisse verkauften, und damit nicht nur die Identität der Logen gefährdeten, sondern möglicherweise auch ihren Kritikern und Verfolgern – echtes und gefälschtes – Material an die Hand gaben. Dies zumindest war bei Übertritten zu anderen Systemen kaum zu befürchten. Auffällig ist die Auflistung von Personen, die entweder niemals oder nicht mehr Mitglied einer Loge waren. Die Bemerkung Koppes zur Exklusion von Rodenhausens aus der Wetzlarer Loge hat einen Weg aufgezeigt, auf dem ebenfalls Warnungen ihren Weg in das Schwarze Buch finden konnten, ohne von einer befreundeten Loge des eigenen Systems zu stammen: Auch wenn es häufig nicht protokolliert wurde, tauschten sich die Logen verschiedener Systeme unter Hintanstellung aller Differenzen über ausgeschlossene Mitglieder aus. Der Stil der Eintragungen der dritten Kategorie schwankt zwischen Schmähschrift und nüchternem Bericht. Einige Einträge sind gespickt mit Beschimpfungen, die dem Leser die Abscheu über das Verhalten der Beschuldigten
Vgl. Beachy, The Soul of Commerce, S. 119 f. Ähnliche Überlegungen haben wohl auch zum Ausschluss des Deserteurs Friedrich Wilhelm von Reder aus der Berliner Loge Zu den drei goldenen Schlüsseln geführt.
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7 Diskretion und Strafe
auch nach über 200 Jahren noch deutlich vor Augen führen. Anschauliches Beispiel war hier der Virtuose Muderich.²³⁶ Weil er die Freimaurerei verunglimpft hatte, wurde er „für einen schändlichen und niederträchtigen Bösewicht, auch unfähig erklähret, je eine Loge zu besuchen.“.Voller Verachtung wird auch über den „… Betrüger, Schuldenmacher und Erzbösewicht …“ Calliostro Pellegrini berichtet, in dessen fiktiver Figur sich die beiden bedeutenden Hochstapler Saint Germain und Cagliostro zu einer Person vermischten. Zwar nahmen die Logen Warnungen auf und verbreiteten sie zwischen den Gemeinschaften weiter, doch leiteten sich selbst die gut dokumentierten Warnungen häufig aus dem Hörensagen ab und waren entsprechend ungenau. Aus der Vermengung und Konzentration von Gerüchten und Erzählungen entstanden Legenden – es entwickelten sich Feindbilder und Projektionsflächen für die eigene Ablehnung („der Galgen schon längstens seiner wartet“). Am Ende standen Figuren, die in ihrer Weitläufigkeit und ihrem Exzess die realen Vorbilder noch übertrafen, als klare Feindbilder die Konstruktion eines Gruppengefühls aber unterstützten. Relativ sachlich gestaltete sich dagegen der Eintrag zum Betrüger Ahnemann.²³⁷ Dieser hatte mehrfach die Konfession gewechselt und vorgegeben, Titel inne zu haben, die er nie erlangt hatte. Zudem hatte Ahnemann offenbar mehrere Winkellogen abgehalten und damit gegen freimaurerische Regeln verstoßen. Die Kritik der Logen an Ahnemann bezog sich also nicht nur auf seinen Verrat, sondern auch auf seine Verstöße gegen die geltende hierarchische gesellschaftliche Ordnung. Ganz ähnlich stellte sich der Eintrag zum Verräter von Nitsche dar. Dieser war wegen verschiedener Vergehen aus der Freimaurerei ausgeschlossen worden, und machte nach seinem Ausschluss sein Wissen um maurerische Geheimnisse zu Geld. Spätestens hier muss sich die Frage nach Ursache und Wirkung stellen. Wollten die Logen sich durch Exklusionen schützen und die Ausgeschlossenen rächten sich durch Verrat? Oder sah der Ausgeschlossene, weil seine Exklusion entweder aus wirtschaftlichen Gründen erfolgte oder in der Folge wirtschaftliche Nachteile nach sich zog, im Verkauf freimaurerischer Geheimnisse eine Möglichkeit, wirtschaftlich zu überleben? Auch wenn das hier nicht entschieden werden kann, bleibt festzuhalten, dass der hohe Anspruch der Logen an ihre Mitglieder, verbunden mit einer ungleichen Behandlung, ein Verhalten wie das Nitsches gefördert haben könnte.
Vgl. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. Oktober 1776, S. 3. Vgl. Schwarzes Buch der Loge Zum goldenen Zirkel, S. 3.
7.3 Bedroht von außen und innen
361
Obwohl beide Gemeinschaften unterschiedlich vorgingen, hat sich doch gezeigt, dass sich Diskretion und der Schutz des Geheimnisses bei beiden Gemeinschaften als für den eigenen Bestand, aber auch für den Schutz der einzelnen Mitglieder geradezu als conditio sine qua non erwiesen. Bei beiden Logen handelte es sich um Wertegemeinschaften, doch zur Bewahrung ihrer Identität gingen sie trotz lokaler Nähe unterschiedlich vor. Besonders auffällig war die weitgehende Abwesenheit der Thematik des Schutzes vor Indiskretion im Goldenen Zirkel. Über die Ursache dieser auffälligen Diskrepanz der beiden im selben Milieu angesiedelten Logen kann letztlich nur spekuliert werden – wahrscheinlichste Ursache war auch hier die insgesamt angesehenere Mitgliederbasis der Augusta. ²³⁸ Sie sorgte nicht nur für eine höhere Attraktivität der Gemeinschaft gegenüber angesehenen und einflussreichen Interessenten, sondern erlaubte es auch höhere Ansprüche zu stellen – und zur Wahrung des erworbenen Ansehens diese auch stellen zu müssen, denn schwere Verfehlungen hätten zu einem gesellschaftlichen Ansehensverlust aller mit dem Täter Assoziierten führen können und damit das erreichte Prestige zerstört.²³⁹ Die Akzeptanz der hohen Ansprüche beruhte jedoch nicht nur auf der Aussicht auf Teilhabe an einer angesehenen Gemeinschaft. Genauso wichtig war es, einen Mittelweg zwischen freimaurerischem und gesellschaftlichem Verhaltensdiktat zu finden. Insbesondere für Adelige war die Aussicht, innerhalb der Loge vor ihren teils bürgerlichen Brüdern ermahnt oder bestraft zu werden, kaum mit ihrem Selbstverständnis zu vereinbaren – schließlich ging der die Gesellschaft nach wie vor prägende Stand selbst mit schwersten Verfehlungen seiner Standesgenossen sehr diskret um. Auch wären harsche Ermahnung einzelner Mitglieder für deren Fürsprecher, Freunde oder Bekannte äußerst unangenehm gewesen. Mit den Verfehlungen der Mitglieder wurde deshalb diskret umgegangen, die Namen der gegenüber Anwärtern geschwätzigen Brüder nicht protokolliert. Die Loge strafte nur selten und scheint zwischen 1779 und 1793 kein einziges Mitglied ausgeschlossen zu haben. Stattdessen wurde selbst im Fall Schumachers eine zweite Chance gewährt. Während die in den Protokollen der Augusta beschriebenen Fälle von Fehlverhalten darauf hindeuten, dass man die Loge vor allem durch eine zunehmend kritische Obrigkeit und eine ebenso wachsame Öffentlichkeit – also von außen – als gefährdet sah, konzentrierte sich die jüngere Loge auf die inneren Probleme. Man ermahnte Lehrlinge zu mehr Respekt gegenüber den Beamten und schloss über die Jahre sechs Mitglieder aus: Zwei wegen unmaurerischen Verhaltens, vier
Vgl. Kap. 6. Wie im Fall des Studenten Jänisch.
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7 Diskretion und Strafe
wegen ihres Übertritts in Logen der Strikten Observanz. Der Verrat von Geheimnissen an Außenstehende taucht zwar als verbreitetes Problem in und im Umfeld assoziierter Logen auf, nicht aber in den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel. Durch ihr geringeres Prestige stand die Loge Zum goldenen Zirkel weniger im Blickpunkt der öffentlichen Wahrnehmung: Sie war nicht so sehr in der bürgerlichen Gesellschaft der Leinestadt verankert, pflegte keine Briefwechsel mit Fürsten und scheint auch keine Trauerlogen anlässlich des Todes bekannter Persönlichkeiten abgehalten zu haben – selbst nach dem Tod Zinnendorfs findet sich kein entsprechender Hinweis. Dergleichen Faktoren deuten darauf hin, dass die jüngere Gemeinschaft kaum im Zentrum des öffentlichen Interesses stand. Wenn unter Außenstehenden über freimaurerische Aktivitäten in der Stadt gesprochen wurde, assoziierte der mit der Materie kaum vertraute „Profane“ die Begriffe Loge und Freimaurerei vermutlich zunächst mit der Augusta und ihren bekannten Mitgliedern. Die langjährigen Vorsitzenden Behm und Jäger scheinen indiskretes Verhalten ihrer Mitglieder nicht als akutes Problem wahrgenommen zu haben. Zwar kann die regelmäßige Verlesung des Schwarzen Buchs durchaus als ein Versuch der Abschreckung interpretiert werden, doch nur wenige Fälle bezogen sich auf ehemalige Mitglieder der Göttinger Gemeinschaft und keines davon war wegen Verrats an der Gemeinschaft oder deren freimaurerischer Geheimnisse ausgeschlossen worden. Die allenfalls distanzierte Konfrontation der Mitglieder mit der Thematik – Verrat fand andernorts statt! – hat mutmaßlich mit zu einer geringen Sensibilisierung beigetragen. Diese Vermutung wird noch dadurch erhärtet, dass lediglich einmal nachweislich Leitlinien für das Gespräch mit Außenstehenden verlesen wurden und es anscheinend auch keine Überlegungen gab, die Augusta über die im Schwarzen Buch angeführten Fälle von gewerbsmäßigem Verrat zu informieren – in der älteren Loge gab es dagegen derartige Ansätze.²⁴⁰ Zur geringen Sensibilisierung kam in der jüngeren Loge also anscheinend noch ein Verständnis von Freimaurerei hinzu, das andere Systeme ausschloss und nicht verstand, dass der Schutz systemfremder Logen als Teil der Gesamtfreimaurerei durchaus auch im eigenen Interesse lag.
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 9. April 1780, Lehrlingsloge, Bl. 16, S. 2.
Kommunikation
8 Spuren der Korrespondenzkultur „Erw. Durchl. gnädigstes Schreiben vom 15ten dises, ist mir, durch die fahrende Post, erst den 16ten so spät überkommen, daß es mir unmöglich war, mit umgehender Post meinen unterthänigsten Gehorsam durch die befohlne Antwort zu bezeigen.“ ¹
Während heute die Kommunikation zwischen zwei oder mehreren Teilnehmern auch über große Entfernungen allgemein üblich ist, wurden die gesellschaftlichen Entwicklungen des 18. Jahrhundert noch in starkem Maße durch das Gespräch zwischen pyhsisch Anwesenden geprägt. Große Teile des Austauschs fanden neben den privaten Räumen vor allem an den althergebrachten Kommunikationplätzen der Städte statt, öffentlichen Orten wie Marktplätzen, Höfen, Versammlungsorten und Gasthäusern sowie den Einrichtungen der Universitäten. Neu war im Jahrhundert der Aufklärung die weite Verbreitung von Sozietäten, in denen sich Teile von Bürgertum und Adel erstmals staatsfern und in einem halb-privaten Rahmen organisierten.² Besonders in den Freimaurerlogen fand die Formalisierung der „Kommunikation unter Anwesenden“ beziehungsweise der „Anwesenheitsgesellschaft“ ihren Ausdruck.³ Doch auch wenn der unmittelbare physische Kontakt im Zeitalter der Aufklärung noch den gesellschaftlichen Diskurs prägte, nahm die Bedeutung der schriftlichen Kommunikation – auch über größere Distanzen – stetig zu. Seit dem 16. Jahrhundert lässt sich ein Wandel in der Verwendung der Schriftlichkeit beobachten, wobei dieser Schriftlichkeit eine erste große Bedeutung im Zuge der Reformation zukommt. Flugblätter und reisende Gelehrte verbreiteten die Lehren der Reformatoren zwischen den Städten.⁴ Kaufleute und Ratsherren nutzten die Schrift nicht mehr nur als Speichermedium, sondern kommunizierten nun schriftlich und bauten damit vor allem den Fernhandel immer weiter aus.⁵ Ab der Mitte des 17. Jahrhunderts kam es zu einer massiven Verbreitung von Printmedien und des Briefwesens, die hundert Jahre später in
Johann Joachim Christoph Bode an Ernst II. Ludwig von Sachsen-Gotha-Altenburg, 20. Januar 1784. Schwedenkiste, 2. Band, Dok. 185. Vgl. Kap. 4. Rudolf Schlögl, Kommunikation und Vergesellschaftung unter Anwesenden – Formen des Sozialen und ihre Transformation in der Frühen Neuzeit, in: Geschichte und Gesellschaft, 34. Band, Göttingen 2008, S. 155 – 224, hier S. 157; Rudolf Schlögl, Anwesende und Abwesende – Grundriss für eine Gesellschaftsgeschichte der Frühen Neuzeit, Konstanz 2014, S. 31. Vgl. Schlögl, Anwesende und Abwesende, S. 222, 233. Schlögl, Kommunikation und Vergesellschaftung unter Anwesenden, S. 160 ff., Schlögl, Anwesende und Abwesende, S. 160 ff. https://doi.org/10.1515/9783110621723-008
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
einer regelrechten „Kommunikationsrevolution“ mündete. Gestützt wurde dieser Umbruch durch zwei maßgebliche Faktoren: Die zunehmende Alphabetisierung in der Bevölkerung sowie den Ausbau des Postwesens.⁶ Noch 200 Jahre zuvor hatten fast nur Theologen, wohlhabende Bürger und Adelige über die Fähigkeit des Lesens und Schreibens verfügt. Luther selbst hatte mit seiner Schrift An die Ratsherren aller Städte deutschen Landes, daß sie christliche Schulen aufrichten und halten sollen 1524 einen Impuls zum Aufbau eines allgemeinen Schulwesen gegeben. Nun zeigten staatliche Maßnahmen wie das von Friedrich Wilhelm I. 1717 in Preußen zuerst eingeführte Regulativ, das 1763 von seinem Sohn zum allgemeinen Schulwesen verbessert wurde, Wirkung.⁷ Unterstützt wurde die Verbreitung der Schriftlichkeit, so Ulrich Im Hof, von den zunehmend differenzierten Wissenschaften, die den Austausch zwischen den Gelehrten – jenseits der Theologie – gefördert hätten.⁸ Kritiker dieser Entwicklung wiesen auf die Probleme hin, die aus der Partizipation breiter Bevölkerungsschichten am gesellschaftlichen Diskurs entstehen würden.⁹ Die Befürchtungen waren nicht ganz unangebracht. Die Bedeutung der schriftlichen Kommunikation wuchs rasant und das gebildete Bürgertum begann die eigene Moral auch mit Hilfe des Medienkonsums zu vermessen.¹⁰ Es kam zu einer „Moralisierung des Lesens“: Wer anstößige Bücher las, galt als unmoralisch und der Leser gelehrter Werke entsprechend als gebildet.¹¹ Die sich entwickelnde bürgerliche Öffentlichkeit begann sich immer mehr als eigenständiges Publikum wahrzunehmen, entwickelte spezifische Verhaltensformen und kritisierte die gesellschaftlichen Eliten.¹² Der Brief diente innerhalb dieser Entwicklung nicht Heiko Droste, Die missglückte Aufwartung – Zu den Barrieren höfischer Kommunikation im Brief, in: Mark Hengerer (Hrsg.), Abwesenheit beobachten – Zu Kommunikation auf Distanz in der Frühen Neuzeit, Berlin und Zürich 2013, S. 79 – 93, hier S. 79; Carmen Furger, Briefsteller – Das Medium „Brief“ im 17. und frühen 18. Jahrhundert, Köln u. a. 2010, S. 45 ff. Die Bildung der Landbevölkerung rief schon früh Kritiker auf den Plan. Die Bauern selbst benötigten die Hilfe ihrer Kinder auf dem Feld, die adeligen Grundbesitzer hatten kein Interesse an übermäßig gebildeten Untertanen. Vgl. Jørgensen, Bohnen und Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur 1740 – 1789, 6. Band, S. 27 f. Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 201. Droste, Die missglückte Aufwartung – Zu den Barrieren höfischer Kommunikation im Brief, S. 79. Wolfgang Behringer, Thurn und Taxis – Die Geschichte ihrer Post und Unternehmen, München 1990, S. 114; van Dülmen, Freundschaftskult und Kultivierung der Individualität um 1800, S. 267 f.; Sonntag, „Das Verborgene des Herzens“ – Zur Geschichte der Individualität, S. 180 f. Helmut Zedelmeier, Lesetechniken – Die Praktiken der Lektüre der Neuzeit, in: Helmut Zedelmeier und Martin Mulsow (Hrsg.), Die Praktiken der Gelehrsamkeit in der Frühen Neuzeit, Tübingen 2001, S. 25 f. Droste, Die missglückte Aufwartung – Zu den Barrieren höfischer Kommunikation im Brief, S. 79; Norbert Oellers, Der Brief als Mittel privater und öffentlicher Kommunikation in Deutschland im
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nur der Verbreitung der eigenen Ansichten und der Selbstdarstellung, sondern war auch wichtiges Mittel der Selbstreflexion und Ausdruck des neugewonnenen bürgerlichen Selbst- oder Gruppenverständnisses.¹³ Einen freundschaftlichen Briefwechsel zu unterhalten, bedeutete, dass man wenigstens alle 14 Tage ein Schreiben des Anderen erwartete, möglichst häufiger. Mancher Zeitgenosse beklagte die eigene Sucht am Briefeschreiben und ließ dann doch keinen „Posttag“, also keine Gelegenheit zum Aufgeben neuer Schreiben, aus.¹⁴ Wesentliche Verhaltenskonditionierungen der ständischen Gesellschaft konnten jedoch noch nicht überwinden werden. Der Stand bestimmte nach wie vor, wer mit wem wie schriftlich kommunizieren konnte. Die schriftliche Kommunikation unterlag ähnlich strengen Regeln wie ein Gespräch.¹⁵ Wollte ein Bürger beispielsweise ein Hilfsgesuch an einen Adeligen richten, gingen dem eigentlichen Bittschreiben bis zu 20 Freundschaftsschreiben voraus, mit deren Hilfe zuerst eine Art von persönlicher Vertrautheit aufgebaut werden sollte. Höflichkeitsfloskeln bestimmten den Ton und den Postmeistern und (Hof) sekretären musste in separaten Schreiben verdeutlicht werden, warum das Schreiben überhaupt zugestellt beziehungsweise zur Kenntnis genommen werden sollte.¹⁶ Der Aufbau einer Korrespondenz mit hochangesehenen Persönlichkeiten war deshalb mühsam, diente gegenüber Dritten jedoch als Beleg des direkten Kontakts und konnte so das gesellschaftliche Ansehen der sozial niedriger gestellten Person erhöhen. Anreden und Grußworte wie „hochwürdig“, „ehrwürdig“, „unterthänig“ oder „durchlaucht“ durchziehen denn auch in verschiedenen Variationen die freimaurerischen Protokolle und Briefe der Zeit und zeugen noch 18. Jahrhundert, in: Alexandre Dutu (Hrsg.), Brief und Briefwechsel in Mittel- und Osteuropa, Essen 1989, S. 9 – 36, hier S. 17 f.; Zedelmeier, Lesetechniken, S. 26; Droste, Die missglückte Aufwartung – Zu den Barrieren höfischer Kommunikation im Brief, S. 79. Oellers, Der Brief als Mittel privater und öffentlicher Kommunikation in Deutschland im 18. Jahrhundert, S. 18 f. Was heute als „Schreiben für sich selbst“ eine besondere Qualität hat, nimmt damals seinen Anfang. Die „Briefromane“, die im Unterhaltungssektor eine große Rolle spielen – man denke nur an Goethes Die Leiden des jungen Werthers von 1778 – legen beredtes Zeugnis dafür ab. Heinrich von Kleists Essay Über die allmähliche Verfertigung der Gedanken beim Sprechen von 1805 hat hier sein schriftliches Pendant. Behringer, Thurn und Taxis – Die Geschichte ihrer Post und Unternehmen, S. 114 ff. Mark Hengerer, Zur Einführung, in: Hengerer (Hrsg.), Abwesenheit beobachten – Zu Kommunikation auf Distanz in der Frühen Neuzeit, S. 9 – 28, hier S. 9. Droste, Die missglückte Aufwartung – Zu den Barrieren höfischer Kommunikation im Brief, S. 81 f. Zur Kommunikation in der Ständegesellschaft vgl. auch Marian Füssel, Die feinen Unterschiede in der Ständegesellschaft – Der praxeologische Ansatz Pierre Bourdieus, in: Marian Füssel und Thomas Weller (Hrsg.), Soziale Ungleichheit und ständische Gesellschaft – Theorien und Debatten in der Frühneuzeitforschung, Zeitsprünge – Forschungen zur Frühen Neuzeit, 15. Band, Frankfurt a. M. 2011, S. 24– 46, hier S. 36.
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heute vom feinen Austarieren gesellschaftlicher Rangordnungen.¹⁷ Dies galt auch, wenn – wie in der Freimaurerei üblich – Gruppen mit Gruppen oder Gruppen mit Einzelpersonen korrespondierten. Man suchte sich Hilfe bei Schreibmeistern oder kaufte Ratgeber-Bücher, sogenannte „Briefsteller“, die bei ungeübten Schreibern Konjunktur hatten.¹⁸
Brief- und Reisekultur Die als Folge der beschriebenen Entwicklungen entstehende Masse an Schreiben wäre ohne ein hochentwickeltes Postwesen nicht zu bewältigen gewesen – ohne die weitverbreitete Schriftlichkeit und den aus ihr resultierenden Schriftverkehr ist das Zeitalter der Aufklärung kaum vorstellbar.¹⁹ Verkehrte zu Beginn des 18. Jahrhunderts die Post selbst zwischen großen Städten – Göttingen gehörte anfangs keinesfalls dazu – kaum öfter als zweimal die Woche, standen den Korrespondenten am Ende des Jahrhunderts häufig mehrfach wöchentliche, wenn nicht sogar tägliche Verbindungen zur Verfügung.²⁰ Anonyme Kommissare des Reichspostmeisters überprüften das Postwesen und die Geschwindigkeit, mit der Boten und Kutschen auf der Strecke verkehrten.²¹ Die verbesserten Verbindungen
Vgl. Furger, Briefsteller, S. 102 ff. Vgl. Furger, Briefsteller, S. 11 ff., 61 ff. Klaus Gerteis, Das „Postkutschenzeitalter“ – Bedingungen der Kommunikation im 18. Jahrhundert, in: Karl Eibl (Hrsg.), Entwicklungsschwellen im 18. Jahrhundert, Hamburg 1990, S. 56; Wolfgang Behringer, Die Fahrdienste der Reichspost, in: Klaus Beyrer (Hrsg.), Zeit der Postkutschen – Drei Jahrhunderte Reisen 1600 – 1900, Karlsruhe 1992, S. 55 – 66.; Furger, Briefsteller, S. 46 ff. Furger, Briefsteller, S. 51. Auch das das Kapitel einleitende Zitat Bodes legt hiervon Zeugnis ab: 1784 entschuldigte sich der Weimarer Verleger bereits dafür, dass er seine Antwort auf einen Brief, den Ernst II. am Vortag in Gotha an ihn abgeschickte, nicht am Folgetag abgesendet hatte. Wichtige Korrespondenzen scheinen also – insofern die Distanz es zuließ – in einem Takt von 48 Stunden geführt worden zu sein. Der Ausbau der Post darf dabei nicht generell mit einer höheren Geschwindigkeit gleichgesetzt werden. Seit Beginn des Jahrhunderts hatte sich diese kaum erhöht, lediglich die Frequenz der Verbindungen war stark angestiegen. Die Straßen waren nach wie vor in einem überwiegend schlechten Zustand und das Reisen beschwerlich. Wirft man einen Blick auf die Zeiten, die Kutschen benötigten, um von Ort zu Ort zu kommen, wird klar wie stark sich der Begriff von Geschwindigkeit und Reisen seitdem verändert hat: Leipzig nach Berlin: 37 Stunden, Leipzig nach Hamburg: drei Tage. Erst gegen Ende des 18. Jahrhunderts war die Befestigung der größeren Verkehrswege so weit fortgeschritten, dass auch Kutschen spürbar schneller ihr Ziel erreichten. Einem wohlhabenden Reisenden war es nun beispielsweise möglich, innerhalb von etwa 40 Stunden von Wien nach Prag zu gelangen. Als wie schnell das Reisen wahrgenommen wurden, zeigen Beschwerden von Gastwirten und Handwerkern, die um ihr Geschäft mit den Durchrei-
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ermöglichten es einer so großen Zahl von Menschen auf Reisen zu gehen, dass das Reisen „demokratisiert“ wurde, also nicht mehr eine Angelegenheit nur der wohlhabenden Elite war.²² Dennoch entwickelt sich mit der „Grand Tour“ eine spezifische Reiseform für die Söhne wohlhabender Adeliger, die so nicht nur die Höfe und kulturellen Zentren Europas kennenlernen sollten, sondern sich gleichzeitig sichtbar von der großen Masse der Reisenden abhoben und so innerhalb eines die Gesellschaft transformierenden Prozesses die alten Standesprivilegien sichtbar in Erinnerung riefen.²³ Die verbesserten Kommunikations- und Reiserouten sowie das große Interesse am Reisen hinterließen ihre Spuren auch in der Literatur: Noch heute zeugen zahlreiche Reiseberichte von der gegen Ende des 18. Jahrhunderts herrschenden Lust am Reisen um des Reisens und Entdeckens willen.²⁴ Als beliebte Literaturgattung prägten sie die Epoche maßgeblich und beschäftigten sich auch mit Göttingen.²⁵ Neben der berühmten Universität und ihren Professoren wurden vor allem die Facetten des studentischen Lebens von den Reisenden beschrieben, was darauf hindeutet, dass das Landstädtchen abseits des akademischen Betriebs dem Besucher noch nicht viel zu bieten hatte.²⁶ Es war aber genau dieser überregional bedeutsame akademische Betrieb, der den Anschluss Göttingens an das Postwesen begünstigte.²⁷ Die Bedürfnisse des sich immer weiter ausdifferenzierenden absolutistischen Staats mit seiner wachsenden Zahl an Beamten waren neben den Ansprüchen und Interessen des erstarkenden Bürgertums ein weiterer
senden bangten, da diese sich während ihrer Zwischenstopps nur wenige Stunden aufhielten und so keine Geschäfte zu machen waren. Vgl. Gerteis, Das „Postkutschenzeitalter“, S. 60, 63 f.; Behringer, Die Fahrdienste der Reichspost, S. 119, 123. North, Genuss und Glück des Lebens, S. 33 f. Vgl. James Buzard, The Grand Tour and after (1660 – 1840), in: Peter Hulme (Hrsg.), The Cambridge Companion to Travel Writing, Cambridge 2002, S. 37– 52; North, Genuss und Glück des Lebens, S. 33 ff. Berühmtestes Beispiel aus dem deutschsprachigen Raum ist wohl Goethes Italienreise, aus der im frühen 19. Jahrhundert ein Reisebericht hervorging. Vgl. North, Genuss und Glück des Lebens, S. 37 f. Vgl. Schwibbe, Wahrgenommen – Die sinnliche Erfahrung der Stadt, S. 57 ff. Auch der von Christoph Friedrich Rinck im Auftrag des Markgrafen Karl Friedrich von Baden verfasste Bericht oder die Darstellung der Göttinger Universität durch Friedrich Gedike sind derartige Reiseberichte. Vgl. Kap. 3. und 7. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 159 f. In Ausnahmefällen konnte die Universität auf den militärischen „Eilkurierdienst“ zurückgreifen, der Nachrichten zügig zum Geheimen Rat nach Hannover brachte. Innerhalb von 24 Stunden kehrte in diesem Fall ein Bote mit Antwort zurück.Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 69.
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bedeutender Faktor für die Förderung von Post- und Personenverkehr, denn zahlreiche Beamte waren auf Dienstreisen.²⁸ Innerhalb relativ kurzer Zeit gewinnt die sich entwickelnde Universitätsstadt Göttingen an Bedeutung.²⁹ Johann Kaspar Riesebeck widmet ihr in seinen Briefen eines reisenden Franzosen einen bedeutenden Platz.³⁰ Hier wird das Reisen als aufklärerisch-bildende Tätigkeit gesehen, ermöglicht es dem Menschen doch den Vergleich von Verhältnissen an verschiedenen Orten. Auch aus Göttingen selbst brach man zu Bildungs- und Forschungsreisen auf: Johann Beckmann, späteres Mitglied der Augusta, reiste unmittelbar nach seinem Studium nach Braunschweig, Schöppenstedt und Wolfenbüttel, dann – innerhalb eines Monats! – nach Osnabrück, Utrecht, Narden, Rotterdam, Amsterdam, Leiden, Delft, Den Haag, Groningen, Emden, Oldenburg und Bremen. Dabei besichtigte der junge Kameralist neben kulturellen Zielen vor allem die industriellen Zentren der Niederlande. Nach einer nur kurz übernommenen Professur für Mathematik in St. Petersburg folgte Beckmann schon 1766 dem Ruf zurück nach Göttingen, wo er bis 1811 eine Professur für Ökonomie übernahm, daneben aber auch als Verfasser von technologischen und technikhistorischen Schriften bekannt wurde.³¹ Und schon in Kapitel Fünf wurde der Fall des Orientalisten Thomas Christian Tychsen angeschnitten, der unmittelbar nach seiner bevorzugten Weiterführung in den dritten Grad der Augusta eine Forschungsreise in den Mittelmeerraum antrat, bevor er ab 1784 Professor für Theologie an der Göttinger Universität wurde.³² Auf seinen Reisen hat der junge Gelehrte sicher auch Kontakt zu Freimaurern gehabt, denen er von der Göttinger Loge berichtete und, zur Freude seiner Brüder, Neuigkeiten aus der Ferne mit in die Leinestadt brachte. Die Entwicklungen in Wirtschaft, Wissenschaft und Technik erreichten eine solche Geschwindigkeit, dass die Verbreitung von Neuigkeiten mittels des Buchdrucks an ihre Grenzen stieß.War die Reformation im 16. Jahrhundert bereits ein vor allem durch Flugschriften – den Vorgängern der Zeitung – geprägtes Ereignis, entstanden nun eine Vielzahl von periodischen Schriften: Kalender, Almanache und Zeitschriften wurden zu allen denkbaren Gebieten herausgegeben und häufig von Lesezirkeln und -gesellschaften abonniert. In Göttingen erschienen bis zum Siebenjährigen Krieg zahlreiche Moralische Wochenschriften, die häufig nur wenige Ausgaben bestanden: Der Freydencker, der Sammler, der Bürger
Gerteis, Das „Postkutschenzeitalter“, S. 71; North, Genuss und Glück des Lebens, S. 34. Vgl. Gall, Vom alten zum neuen Bürgertum, S. 5. Anonym, zwei Bände, Zürich 1783, Nachdruck Berlin 2013, S. 488 ff. North, Genuss und Glück des Lebens, S. 36 f. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 19. Juli 1783, Meisterloge, unpag.
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oder der Zerstreuer sind nur einige Beispiele für nicht-akademische Periodika, die sich an das bürgerliche Publikum richteten.³³ Wissenschaft bedeutete im 18. Jahrhundert häufig noch die Sammlung,Weiterverbreitung und Neubewertung überlieferten Wissens.³⁴ Die Stadt an der Leine war Erscheinungsort zahlreicher – meist kurzlebiger – Zeitschriften wie des Göttinger Musenalmanach, den Göttingischen Anzeigen von gelehrten Sachen, die Göttingische Bibliothek, die Göttingische gelehrte Nachrichten, die Göttingische Philosophische Bibliothek, die Göttingische Zeitungen von Gelehrten Sachen oder das Göttingische Magazin der Wissenschaften. ³⁵ Zwischen 1787 und 1791 gaben Christoph Meiners und Ludwig Timotheus Spittler das Göttingische Historische Magazin heraus, zwischen 1792 und 1794 folgte das Neue Göttingische Historische Magazin. ³⁶ Die Titel zeugen noch heute vom großen Namen der Leinestadt, der für Gelehrsamkeit und Seriosität stand – mehrere der heute über 120 bekannten Zeitschriften der Aufklärungszeit wurden hier verfasst oder veröffentlicht.³⁷ Sie ließen ihre Leserschaft an neuen Entwicklungen in Europa und Übersee teilhaben und öffneten dem Leser die Tür zu kulturellen und politischen Entwicklungen und zum wissenschaftlichen Diskurs.³⁸ Die zunächst noch eher zufällige Auswahl und Weitergabe von Nachrichten – für Menschen der unteren Stände häufig auf Nachrichten mittels
Martin Gierl und Franz Pröfener, Der „Bürger“ und die „Klapperschlange“ – Die Göttinger Pressegeschichte von den Anfängen bis zur preußischen Zeit, in: Böhme und Vierhaus (Hrsg.), Göttingen – Geschichte einer Universitätsstadt, 2. Band, S. 979 – 1046. North, Genuss und Glück des Lebens, S. 6 f.; Thomas Habel, Gelehrte Journale und Zeitungen der Aufklärung – Zur Entstehung, Entwicklung und Erschließung deutschsprachiger Rezensionszeitschriften des 18. Jahrhunderts, Bremen 2007, S. 13 f.; Martin Gierl, Kompilation und die Produktion von Wissen im 18. Jahrhundert, in: Zedelmeier und Mulsow (Hrsg.), Die Praktiken der Gelehrsamkeit in der Frühen Neuzeit, S. 64 f., 72 ff. Habel, Gelehrte Journale und Zeitungen der Aufklärung, S. 497; Gierl und Pröfener, Die Göttinger Pressegeschichte, S. 982, 1012 ff.; Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 87 f. Rudolf Vierhaus, Die Universität Göttingen und die Anfänge der modernen Geschichtswissenschaft im 18. Jahrhundert, in: Hartmut Boockmann und Hermann Wellenreuther (Hrsg.), Geschichtswissenschaft in Göttingen – Eine Vorlesungsreihe, 2. Band, Göttingen 1987, S. 9 – 29, hier S. 23 f. Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 145 f. Gleichzeitig fungierten die zahlreichen in Göttingen erschienenen Zeitschriften für Zeitgenossen als eine Art von „Neuerwerbungsliste“ der ortsansässigen Bibliothek, denn die allermeisten der in den Zeitschriften rezensierten Bücher waren kurz zuvor von der Bibliothek angeschafft worden. Enderle, „Die Bibliothek der Bibliotheken“ Die Universitätsbibliothek Göttingen im 18. Jahrhundert als erste universale Forschungs- und Gebrauchsbibliothek der Welt, S. 3 ff.Vgl. auch Kap. 3.
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
Flugzettel und Bänkelsang reduziert – wurde für die höheren Stände allmählich kanalisiert und zur seriösen Informationsquelle.
Kommunikationsgeschichtliche Bedeutung der Sozietäten Das weite Teile der Gesellschaft erfassende Interesse an Bildung und Kultur prägte auch die aufgeklärten Sozietäten, in denen vor allem die bürgerliche Elite mit Teilen des Adels auf der Suche nach „kommunikationsstiftender Geselligkeit“ zusammen kam.³⁹ Dies gilt besonders für die Lesegesellschaften und die Freimaurerlogen.⁴⁰ Noch wurde das Bedürfnis aber durch die althergebrachten Grenzen der ständischen Gesellschaft eingeschränkt.⁴¹ Zur Überwindung entwickelten sich die aufgeklärten Sozietäten zu Zentren der Kommunikation, die – so Zaunstöck – „Individuen und Räume entweder direkt oder vermittelt verband, die bislang in von einander getrennten gesellschaftlichen Segmenten agiert hatten bzw. plaziert waren.“ ⁴² Analog zum Wunsch Medien zu konsumieren, also Informationen aufzunehmen, brachte das Bedürfnis sich mit anderen überregional auszutauschen, also die eigenen Gedanken auf Reisen zu schicken, die Menschen dazu sich in Gemeinschaften zu organisieren. Mit seinem Beitritt wurde der Einzelne Teil eines kommunizierenden Kollektivs, das je nach Anzahl und Prestige seiner Mitglieder über eine größere „Kommunikationsgravität“ verfügte, d. h. für auswärtige Korrespondenten als Partner attraktiver war als die meisten Menschen es individuell je sein konnten. In der rasanten Ausweitung des Sozietätswesens kanalisierten sich also weitverbreitete Bedürfnisse – es bestand eine regelrechte Gier nach Geselligkeit,
Joachim Bauer, Studentische Organisationen zwischen Geselligkeit und Politik – Gedankenwelten und Selbstwahrnehmungen, in: Holger Zaunstöck und Markus Meumann (Hrsg.), Sozietäten, Netzwerke, Kommunikation – neue Forschungen zur Vergesellschaftung im Jahrhundert der Aufklärung, [Tagung ’Sozietäten, Netzwerke, Kommunikation’ im November 2000 am Interdisziplinären Zentrum für die Erforschung der Europäischen Aufklärung der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg], Tübingen 2003, S. 115 – 126, hier S. 118; Gall, Vom alten zum neuen Bürgertum, S. 13 f.; Jørgensen, Bohnen und Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur 1740 – 1789, 6. Band, S. 43 f. Jørgensen, Bohnen und Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur 1740 – 1789, 6. Band, S. 95 f. Vgl. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 220. Zaunstöck, Zur Einleitung: Neue Wege in der Sozietätsgeschichte, S. 6.
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Information und Korrespondenz.⁴³ Die Sozietäten schlossen – auch laut eigenem Selbstverständnis – Lücken im bestehenden System: Erst in der Wissenschaft, dann in der Gesellschaft.⁴⁴ Eine „Kryptoöffentlichkeit“ entstand, die der Gestaltung einer umfassenderen bürgerlichen Öffentlichkeit den Weg bereitete.⁴⁵ Dabei ging es zunächst nicht um radikale Reformen, sondern um die Konstruktion von Freiräumen, die Suche nach Geselligkeit und ungezwungener Freundschaft.⁴⁶ Mittels des Sozietätswesens, so Zaunstöck, sei nicht nur die Elite aus „Politik, Kultur, Wissenschaft und Wirtschaft“ in die kommunikativen Prozesse eingebunden gewesen, sondern auch weniger wohlhabende oder gebildete Personen wie etwa Studenten oder einfache Lehrer. Zuvor, so Im Hof, hätten Gelehrte miteinander kommuniziert, nun gelehrte Gesellschaften. Das Sozietätswesen habe besonders diesen einfachen, wenig begüterten Menschen überhaupt erst die Teilnahme am gesellschaftlichen Diskurs ermöglicht.⁴⁷
Freimaurerische Schriftlichkeit Ganz ähnlich wurde auch in der durch die Logen praktizierten ständeübergreifenden Geselligkeit und Kommunikation vor allem für die bürgerlichen Mitglieder der eigene Prestigegewinn greifbar.⁴⁸ Wie die Rituale wurden auch die kommunikativen Aspekte des Logenlebens im vor der Öffentlichkeit verborgenen Innenraum zelebriert, was die Logen selbst im Vergleich zu anderen Sozietäten (wie etwa Lesegesellschaften) als besonders elitär erschienen ließ. Diese Abschottung konnte zu einem derartig großen Misstrauen durch Gesellschaft und Obrigkeit führen, dass es zur Verfolgung kam.⁴⁹ Der immer wieder aufkommenden Annahme, dass geheime Bünde wie die Freimaurerlogen deshalb vorwiegend durch die Geselligkeit der Anwesenden geprägt wurden, widerspricht Simonis dennoch ausdrücklich: Trotz der Risiken, die eine ausführliche schriftliche Kommunikation mit sich brachte, seien „gerade die esoterischen Bünde und masonischen Logen
Zaunstöcks Aufruf, endlich kommunikationsgeschichtliche Ansätze auf die Sozietätsforschung anzuwenden, hat hier seinen Ursprung. Vgl. Holger Zaunstöck, Zur Einleitung: Neue Wege in der Sozietätsgeschichte, S. 1 ff. sowie Kap. 1. Im Hof, Das gesellige Jahrhundert, S. 201. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 218 f. Vierhaus, Aufklärung und Freimaurerei in Deutschland, S. 36. Zaunstöck, Zur Einleitung: Neue Wege in der Sozietätsgeschichte, S. 5. Vgl. Kap. 5. Vgl. Kap. 4. und 7.
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(zumindest in der zweiten Jahrhunderthälfte) Orte einer intensiven und vielfältigen Schriftkultur“ gewesen.“ Zwischen den Logen zirkulierten Neuigkeiten aus ganz Europa und bildeten ein der Öffentlichkeit nicht zugängliches Netzwerk, das eigene, ritualisierte Formen des Austauschs entwickelte.⁵⁰ Ursprünglich, so van Dülmen, seien die einzelnen Logen weitgehend autonom gewesen, doch schnell fand zuerst eine regionale Zusammenfassung in Verbänden statt, die sich später wiederum in die verschiedenen freimaurerischen Systeme integrierten. Verbände und Systeme traten in Austausch, verhandelten miteinander und trafen sich zu Konventen.⁵¹ Die in und im Umfeld der Logen verfassten Statuten, Mitgliederverzeichnisse, Protokolle, Tagebücher und Briefe waren ebenfalls Teil des esoterischen Diskurses.⁵² Gleichzeitig, so Simonis weiter, habe es aber auch exoterische masonische Kommunikation gegeben: Zeitschriften, Taschenkalender, Manifeste beziehungsweise Apologien und durch Freimaurer verfasste Verräterschriften zeugen vom Geschäftssinn ihrer Verfasser und wendeten sich an die interessierte Öffentlichkeit.⁵³ Auch Außenstehenden wurde deutlich, daß die Freimaurerei die populärste und am weitesten verbreitete Sozietätsform war – die Mitgliedschaft in einer Loge war entsprechend begehrt und selbst für Mitglieder anderer Sozietäten häufig ein weiter erstrebenswertes Ziel.⁵⁴ Die von Simonis angesprochenen Probleme der schriftlichen Kommunikation waren in Göttingen akut. Angesichts der Edikte, mit denen die Freimaurerei in der Leinestadt belegt war, stellt sich natürlich die Frage nach einer möglichen Überwachung des Postwesens durch den Staat.⁵⁵ Die Geheimpolizei in Hannover war als besonders effektiv bekannt, hielt sich jedoch, wohl auch aus Sorge um das Gedeihen der Universität, zurück.⁵⁶ Eine effektive Zensur hätte nicht nur die Verwicklung zahlreicher einflussreicher Personen aufgedeckt, sondern die Logen
Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 36. Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 61. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 219; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S.644 f. Simonis, Die Kunst des Geheimen, S. 36. Vgl. auch Kap. 4. und 7. In Kap. 7. hat sich bereits gezeigt, dass kritische Informationen auch zwischen den verschiedenen Systemen ausgetauscht wurden. Informationen aus anderen Sozietäten erreichten die Freimaurerlogen über die zahlreichen Doppel- und Mehrfachmitgliedschaften unter ihren Mitgliedern. Zur Zensur vgl. Jørgensen, Bohnen und Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur 1740 – 1789, 6. Band, S. 92 ff. Bühring, Die Deutsche Kanzlei in London, S. 113 f.; Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 146.
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weitgehend isoliert und möglicherweise zu deren Auflösung geführt.⁵⁷ Gefahr drohte dabei nicht nur durch den Staat, sondern auch durch „aufklärerische Kritiker“, das heißt missgünstig eingestellte Konkurrenten aus dem akademischen Bereich, die den Vorwurf von religions- oder staatsgefährdenden Tendenzen nutzten, um Konkurrenten aus dem Weg zu schaffen.⁵⁸ Staatliche Gelder für die Wissenschaft waren damals wie heute knapp bemessen. Obwohl die Post – ausgenommen sind hier größere Metropolen von politischer Bedeutung – weitgehend frei von Überwachung war, trafen die Logen Vorkehrungen.⁵⁹ Wie bereits angesprochen, wurden Schreiben nicht nur mit der Post versandt, sondern man griff wenn möglich auch auf reisende Brüder als Boten zurück. Auch Geheimschriften waren im Jahrhundert der Aufklärung nicht unüblich. Die sich hier andeutende Entwicklung esoterischer Kommunikationskanäle garantierte zumindest ein gewisses Maß an Sicherheit. Wichtige Dokumente wie die Konstitutionsurkunde der Loge Zum goldenen Zirkel wurden teils von hochrangigen Beamten persönlich abgeholt.⁶⁰ Der intensive Austausch zwischen den Logen ließ es allerdings nicht zu, dass jedes Schreiben von einem Boten überbracht oder gar im Rahmen einer mehrtägigen Reise abgeholt wurde – die reguläre Post musste ausgiebig genutzt werden. Hier kam der Freimaurerei – gerade in Göttingen – die angesprochene massive Zunahme schriftlicher Kommunikation zu gute. Auch wenn kein Briefkuvert im Bestand der Logen Augusta und Zum goldenen Zirkel erhalten ist, kann man vermuten, dass die Mehrzahl der an die Göttinger Logen gerichteten Schreiben äußerlich nicht als freimaurerische Schriftstücke erkennbar waren, sondern an Privatpersonen adressiert waren und damit dem äußeren Anschein nach Teil der zahlreichen privaten Korrespondenzen, wie sie bekannte Gelehrte wie Koppe, Feder oder Spittler ohnehin unterhielten, und ohne die an einen universitären Betrieb nicht zu denken war.⁶¹ Ein wesentlicher Teil schriftlicher Kommunikation zwischen Freimaurern fand privat, außerhalb der Logen statt und bezog sich nicht unbedingt auf frei-
Die Verwendung von Geheimschriften war innerhalb des Sozietätswesens deshalb weit verbreitet, lässt sich aber an keinem erhaltenen Dokument der beiden Göttinger Logen nachweisen. Jørgensen, Bohnen und Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur 1740 – 1789, 6. Band, S. 93. Vgl. Christine Haug, „In Frankreich verboten, sehr rar“ – Zu den Distributions- und Vermarktungsstrategien von Geheimliteratur in der Habsburgermonarchie zur Zeit der Aufklärung, in: Johannes Frimmel und Michael Wögerbauer (Hrsg.), Kommunikation und Information im 18. Jahrhundert – Das Beispiel der Habsburgermonarchie, Wiesbaden 2009, S. 227– 244, hier S. 229. Vgl. Kap. 3. Bedenkt man, wie diskret beispielsweise Johann Benjamin Koppe mit seinem Amt als Meister vom Stuhl umging, ist kaum vorstellbar, dass Schreiben erkennbar freimaurerischen Inhalts direkt an ihn oder die Loge adressiert waren. Vgl. Kap. 7.
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maurerische Angelegenheiten. Diese Schreiben von Privatperson zu Privatperson finden in den Protokollen kaum Erwähnung; die meisten Spuren haben die offiziellen Korrespondenzen hinterlassen. Durch ihren Standort und die Mitgliedschaft zahlreicher namhafter und gebildeter Männer stellten beide Göttinger Logen – besonders aber die Augusta – für auswärtige Gemeinschaften attraktive Adressen dar. Wirkte der privilegierte Zugang zu Informationen anziehend auf an der Freimaurerei Interessierte, so erfüllte der gemeinschaftliche Austausch innerhalb der Versammlung eine ähnliche Funktion wie die Rituale oder das gemeinsame Bearbeiten von Katechismen: Die Stärkung des Gemeinschaftsgefühls. Der Vortrag wurde in der Regel vom Meister vom Stuhl oder dem Redner übernommen – ein Beweis für den großen Stellenwert, der dem schriftlichen Austausch im Rahmen der Versammlungen zukam. Neben der privaten und offiziellen Kommunikation standen besonders führende Freimaurer, das heißt die Beamten und Mitglieder besonders hohen Ansehens in Gesellschaft und Freimaurerei, häufig in Korrespondenz über freimaurerische Angelegenheiten, die der Mehrzahl der „einfachen“ Mitglieder verborgen blieben, etwa wenn über Reformen des Rituals oder der Ordensstrukturen debattiert wurde. Im Bestand der Augusta erhielt sich eine Sammlung von Briefen, in denen die Streitigkeiten um die Befugnisse des Meisters vom Stuhl Ludwig Timotheus Spittler aus Sicht der Beteiligten beschrieben werden.⁶² Die Schreiben sind gerade im Vergleich zu den nur knapp beschriebenen offiziellen Schreiben besonders aufschlussreich, weil sie an ein exklusives Publikum gerichtet waren. Dies führte dazu, dass sehr offen und frei geschrieben wurde und die Überlegungen und Motivationen der verschiedenen Protagonisten besonders deutlich werden. Im „Fall Spittler“ kommunizierten Spittler selbst, die Mitglieder des vierten Grads der Loge Augusta und die Ordensoberen in Hannover. Der folgende Abschnitt soll einen Einblick in Umfang und Art der schriftlichen Kommunikation beider Göttinger Gemeinschaften geben. Die empfangenen Schreiben auswärtiger Gemeinschaften und einzelner Brüder sind nicht erhalten – Angaben zu ihrem Inhalt finden sich meist, wenn Schreiben vom formellen Austausch zwischen den Gemeinschaften abweichen und außergewöhnliche Informationen anthalten. Dennoch haben viele Schreiben deutliche Spuren in den Protokollen hinterlassen: Herkunft und Verlesung der Schreiben sind – vor allem in der Loge Zum goldenen Zirkel – über lange Jahre zuverlässig festgehalten worden und erlauben so einen Überblick über die geographische Ausdehnung des die Loge umgebenden Kommunikationsnetzwerks.
Vgl. Kap. 8.4.
8.1 Kontakt und karitatives Engagement
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8.1 Kontakt und karitatives Engagement Die Loge der Strikten Observanz korrespondierte mit zahlreichen auswärtigen Gemeinschaften, der komplette Umfang des die Loge umspannenden Netzwerks lässt sich aufgrund der teils nachlässigen Protokollführung nicht mehr rekonstruieren. Der mangelnde Informationsgehalt der Protokollbücher ist Folge einer meist sehr allgemein gehalten Schriftführung, die exemplarisch anhand eines Eintrags von 1779 deutlich wird: Es war diesmahl nichts besonderes vorzunehmen, der S[ehr] E[ehrwürdige] M[eister] lies also die zeither eingegangenen Briefe und Logenlisten vorlesen, welche der S[ehr] E[ehrwürdige] M[eister] mir zur Beantwortung übergab.⁶³
Die Namen der nach Göttingen schreibenden Gemeinschaften werden meist nicht erwähnt, in anderen Einträgen wird wenigstens der Herkunftsort genannt, so dass sich ein ungefähres Bild des die Loge umspannenden Netzwerks ergibt. Auch wenn sich das die Loge umspannende Korrespondenzgeflecht mit Hilfe der Protokolle nicht mehr vollständig rekonstruieren lässt, erlaubt die Jarte doch detaillierte Einblicke. Die Augusta war vom norddeutschen Raum über das Baltikum bis in das heutige Tschechien hervorragend vernetzt. Schwerpunkte des Austauschs waren Mittelhessen sowie das heutigen Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt, also das von Zaunstöck untersuchte Mitteldeutschland.⁶⁴ Weniger ausgeprägt waren die Kontakte in den süddeutschen Raum beziehungsweise nach Österreich, also in den katholisch geprägten Raum. Korrespondenzen zu südlich der Linie Straßburg – Stuttgart – Wien gelegenen Orte scheinen nicht unterhalten worden zu sein. Schwerpunkte bildeten sich um Mittelpunkte der Bildung und Aufklärung wie etwa Halle-Leipzig, Göttingen oder Marburg, aber auch um Handels- und Wirtschaftszentren wie Bremen, Hamburg, Wismar und Danzig.
Offizielle Schreiben Nicht alle Einträge, die von der Verlesung der Schreiben von auswärtigen Gemeinschaften handeln, sind wenig informativ wie das eingangs gegebene Beispiel von 1779, das immerhin Informationen über die Aufgabenverteilung im Umgang
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. September 1779, Lehrlingsloge, Bl. 3, S. 1. Zaunstöck, Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen, S. 41 ff.
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Karte 1: Das die Loge Augusta umgebende Kommunikationsnetzwerk, basierend auf den erhaltenen Protokollen der Jahre 1779 bis 1793. Europakarte ©Olschewski Medien GmbH
mit den eingehenden Schreiben enthält. Der Vorsitzende Wacker verlas die Schreiben nicht selbst, sondern ließ mutmaßlich den Redner diese Aufgabe übernehmen. Der Verfasser des Protokolleintrags Johann Friedrich Schroeder, Sekretär der Loge zwischen 1779 und 1789, erhielt die Aufgabe die Schreiben zu beantworten. Schroeder war von Beruf Postmeister, so dass er für das Amt des Sekretärs wohl geradezu prädestiniert war.⁶⁵ Er kam seinen Verpflichtungen unter vier verschiedenen Vorsitzenden nach.
Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Zur Funktion des Postmeisters vgl. Droste, Die missglückte Aufwartung – Zu den Barrieren höfischer Kommunikation im Brief, S. 82.
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Als Beispiel für einen ausführlichen Eintrag soll an dieser Stelle die Verlesung mehrerer Schreiben durch Koppe während einer Versammlung im Februar 1782 dienen: Der ehrw[ürdige] Meister zeigte so dann an, daß er einige eingelaufene Briefe vorzulesen habe, erinnerte sich das für uns so schetzbahres Antworts Schreiben, auf die an unseren hochwürdigsten durchl[auchten] Gr[oß] Meister. Herzog Ferdinand, abgelassene Gratulation und verlaß dieses so gnädig als brüderliges Schreiben zu erst und so dann ein Sch[reiben] von der Loge zu Halle und zwey Antworts Sch[reiben] von den Logen zu Danzig und Berlin.⁶⁶
Das Antwortschreiben des Braunschweiger Herzogs Ferdinand auf die ihm übersandten Glückwünsche anlässlich seines Geburtstags wurde zuerst verlesen, denn es bedeutete eine besondere Ehre. Neben einem Schreiben aus Halle waren zwei Antwortschreiben aus Danzig und Berlin angekommen, so dass als gesichert gelten kann, dass seitens der Göttinger mit dort ansässigen Gemeinschaften Korrespondenzen unterhalten wurden. Die Namen der Logen wurden auch hier nicht verzeichnet – sie waren den Versammelten ohnehin bekannt.⁶⁷ Im Februar 1782 stand die Augusta nicht zum ersten Mal mit Herzog Ferdinand in Kontakt.⁶⁸ Die Loge verpasste keine Gelegenheit, dem einflussreichen Großmeister zu huldigen. Anfang 1780 hielt Koppe eine Neujahrsansprache: Hierauf sezte der ehrw[ürdige] Meister die Arbeiten damit fort, daß derselbe eine vortreflige Rede hielt, welche vorzüglich in betreff des Wechsels des Jahres und besonders wegen der Geburts Tages unseres durchl[auchten] Großmeisters Herzog Ferdinand zu Bronswic Beziehung hatte.⁶⁹
Da für die Zeit vor dem Sommer 1779 keine Protokolle erhalten sind, lässt sich nicht überprüfen, ob die Loge schon vor 1780 Gratulationsschreiben an den
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. Februar 1782, Lehrlingsloge, Bl. 59, S. 1. Die im Detail wenig informative Protokollführung deutet darauf hin, dass man sich wenig Gedanken darüber gemacht hat, ob nachfolgende Generationen von Freimaurern die Protokolle jemals als Nachschlagewerk nutzen würden. 1721 geboren trat Ferdinand bereits 1740 der von seinem Schwager Friedrich II. gegründeten Loge Zu den drei Weltkugeln bei. Lange Zeit ruhte später seine freimaurerische Aktivität bevor er sich ihr nach dem Siebenjährigen Krieg wieder aktiv zuwandte. Auf dem Konvent von Kohlo wurde er 1772 zum Großmeister aller Schottischen Logen ernannt, nachdem er erst ein Jahr zuvor dem System der Strikten Observanz beigetreten war. Vgl. Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurer Lexikon, S. 151 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 9, S. 2.
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Herzog sandte oder Reden anlässlich seines Geburtstags gehalten wurden – aufgrund von Ferdinands Ernennung zum Großmeister im Jahr 1772 muss aber davon ausgegangen werden.⁷⁰ Knapp zwei Monate nach Koppes Rede wurde Anfang März die Replik Ferdinands verlesen: Ein Antwortsschreiben unseres durchl[auchten] Großmeisters wurde von dem S[ehr] E[hrwürdigen] Mstr. vorgelesen, worinnen S[eine] durchl[aucht] den Glückwunsch unserer Loge bey höchst deraselben erfreulichen Geburtstagsfeyer in huldreichsten Ausdrücken zu erwiedern die Gnade gehabt.⁷¹
Die Loge hatte dem Herzog mit dem Glückwunschschreiben eine Beschreibung der in der Loge zu seinen Ehren abgehaltenen Feierlichkeiten zukommen lassen. Dieser bedankte sich nicht nur für die zu seinen Ehren abgehaltene Feier, sondern nutzte das Antwortschreiben, um durch einen Bruder namens Falck der Loge ein Edikt bekannt machen zu lassen: Der hochwürdige Br[uder] Falck, nach einer kurzen Rede zur Vorbereitung machte bekannt, er habe auf Befehl u[nseres] durchl[auchten] Großmstrs. Hrzg. Ferdinand, der hiesigen Loge ein Edict zu publicieren, welches das Verhalten eines Br[uder] bey angethaner Ehrenbeleidigung von einem anderen Br[uder] betrift, ein gänzliches Verbot der Duelle auflegt und in solchem Vorfall von den hohen O[rdens] Obern Entscheidung zu suchen anbefiehlt.⁷²
Falck, mutmaßlich handelte es sich trotz der abweichenden Schreibweise um Ernst Friedrich Hektor Falcke (1751– 1809), zeigte sich darüber hinaus zufrieden mit dem bisherigen Verhalten der Loge in Bezug auf Streitigkeiten und Duelle und versicherte, den Oberen gegenüber ein gutes Zeugnis für die Göttinger Loge ausstellen zu wollen.⁷³ Koppe bedankte sich für die der Loge erwiesene Ehre.⁷⁴ Das von Herzog Ferdinand verbreitete Edikt hatte durchaus Berechtigung: Duelle waren gerade unter Mitgliedern der Studentenorden des 18. Jahrhunderts weit
Vgl. Lennhoff, Posner und Binder, Internationales Freimaurer Lexikon, S. 151 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. März 1780, Lehrlingsloge, Bl. 13, S. 2. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. März 1780, Lehrlingsloge, Bl. 13, S. 2 f. Ernst Friedrich Hektor Falcke wurde 1776 zum Geheimen Konsistorialrat, 1777 zum Hofrat ernannt. Der Besucher „Falck“ wird im Protokoll als „Consistorial-Rath“ bezeichnet.Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. März 1780; Ferdinand Frensdorff, „Falcke, Georg Friedrich Freiherr von“, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 6. Band, Leipzig 1877, S. 543 ff. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. März 1780, Lehrlingsloge, Bl. 14, S. 1.
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verbreitet und waren erstmals bereis 1735 – also noch vor der offiziellen Eröffnung der Universität! – strengstens verboten worden.⁷⁵ Dies änderte aber nichts daran, dass gerade unter jungen Adeligen ein im Standesdenken verankerter Ehrbegriff immer wieder zu schweren Auseinandersetzungen führte.⁷⁶ Die bürgerlich geprägte Augusta wollte mit derartigem Verhalten nicht in Verbindung gebracht werden, hätte es doch die Aufmerksamkeit der Obrigkeit auf die Gemeinschaft gelenkt und prestigeträchtige Interessenten abschrecken können.⁷⁷ In den nächsten Jahren fanden Feiern anlässlich des Geburtstags des Großmeisters jeweils in der ersten Loge eines Jahres statt.⁷⁸ Der Herzog antwortete stets mit einem Dankschreiben, den der Meister vom Stuhl – und nicht der Redner – feierlich verlas.⁷⁹ 1783 traf ein Schreiben Ferdinands in Göttingen ein, das außerhalb dieses jährlichen Rhythmus verfasst worden war. Die während der Feier anlässlich seines Geburtstags am zwölften Januar verlesene Nachricht hatte jedoch nichts mit dem jährlichen Ritual zu tun: Der Herzog teilte der Loge seine Anteilnahme am Tod des Bruders von Marschal(k) mit – der Tod des Besuchenden Bruders war einige Wochen zuvor in der Logenversammlung Ende November 1782 verkündet worden.⁸⁰ Marschal(ck) hatte mehrfach als Besuchender Bruder Versammlungen der Göttinger Loge beigewohnt, war aber kein Mitglied. Weder im Protokoll noch in der von Gläshner erstellten Mitgliederliste finden sich weitere Informationen zu seiner Person. Ein Protokoll vom Jahresbeginn 1784 findet sich nicht unter den erhaltenen Dokumenten – dass die Loge auch am Anfang dieses Jahres dem Herzog ihre Glückwünsche übermittelte, beweist aber die Verlesung des Antwortschreibens Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 154. In Göttingen war es einige Jahre vor dem Verlesen des Edikts zu einem Vorfall gekommen, der studentisches Brauchtum in ein denkbar schlechtes Licht rückte. 1766 starb Johann Heinrich Techentin nachdem er während eines in einer Studentenwohnung abgehaltenen Duells einen Stich ins Herz erlitten hatte. Der Täter floh und wurde in Abwesenheit zum Tode verurteilt, das Opfer außerhalb der Friedhofsmauern verscharrt. Für den Besitzer der Wohnung, den berühmten Göttinger Professor für Orientalistik Johann David Michaelis, ein äußerst unangenehmer Vorgang. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 181 f. Vgl. Kap. 7. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 12. Januar 1781, 12. Januar 1782, 12. Januar 1783, 19. Januar 1785, 1. Februar 1786, 12. Januar 1788, 19. Januar 1791 und 12. Januar 1792, Lehrlingslogen, Bl. 36, S. 1, 56, S. 1, 80, S. 2, 109, S. 2, 121, S. 1, 25, S. 2 (Im Protokollbuch des IV. Grad), 42, S. 1 (Im Protokollbuch des IV. Grad) und 50, S. 2 (Im Protokollbuch des IV. Grad). Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 7. Februar 1781, 6. Februar 1782, 5. Februar 1783, 4. Februar 1784, 1. Februar 1786 und 7. Februar 1787, Lehrlingslogen, Bl. 37, S. 2, 59, S. 1, 82, S. 2, 102, S. 1, 121, S. 1 und 17, S. 1 (Im Protokollbuch des IV. Grad). Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. November 1782, Trauerloge, Bl. 77, S. 1.
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im Februar.⁸¹ Für das Jahr 1785 finden sich in den Protokollen keine Hinweise auf ein Antwortschreiben des Herzogs anlässlich irgendwelcher Glückwunschbekundungen. Dass sich ab 1786 die Verlesung der gegenseitigen Schreiben nicht mehr zuverlässig nachweisen lässt, ist dem lückenhaften Bestand der Protokolle, aber auch der zunehmend nachlässigen Protokollierung zuzuschreiben. Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel starb am dritten Juli 1792. Einen Monat nach seinem Tod setzte Spittler der Loge seine Gedanken zu diesem Verlust auseinander: … unterhielt der M[eister] v[om] St[uhl] die Gesellschaft mit verschiedenen Bemerkungen über die Veränderungen welche durch die Vollendung unseres geliebten Bruders Ferdinand von Braunschweig und durch die jetzt herrschende politische Stimmung der Charaktere für den Orden entstehen können …⁸²
Dem Meister vom Stuhl war bewusst, dass die Freimaurerei mit Ferdinand einen mächtigen Beschützer in Zeiten großer sozialer Umbrüche verloren hatte: Ihr standen schwierige Zeiten bevor. Die Französische Revolution befand sich auf dem Höhepunkt, das politische Klima war äußerst angespannt und erst wenige Jahre zuvor war der Illuminatenorden aufgedeckt und verboten worden. Kritiker warfen den Sozietäten – und vor allem der Freimaurerei, die irrtümlicherweise mit dem Illuminatenorden gleichgesetzt wurde – Verbindungen zu Revolutionären und die Unterstützung demokratischer Umtriebe vor.⁸³ Für die Augusta lassen sich derartige Anschuldigungen mit Hilfe der vorliegenden Dokumente nicht nachweisen: Auch nach 1789 finden sich in den Protokollen keine Hinweise darauf, dass revolutionäres Gedankengut den Geist der Gemeinschaft bestimmt hätte. Nur wenige Einträge handeln von gesellschaftlichen oder poltischen Themen, von Büchern oder Schriften, denen die Mitglieder der Loge sich widmeten.⁸⁴ Dennoch war die Gemeinschaft nicht desinteressiert
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 4. Februar 1784, Lehrlingsloge, Bl. 102, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. September 1792, Lehrlingsloge, Bl. 56, S. 1 (Im Protokollbuch des IV. Grad). Reinalter, Freimaurerei und Geheimgesellschaften, S. 92 f. Ganz anders verhielt es sich beispielsweise in der Gothaer Loge Zum Kompaß: In den später 1780er und frühen 1790er Jahren wurde hier in fast jeder Zusammenkunft ein belehrender Aufsatz verlesen und diskutiert. So scheint es, dass der Standort auch in Bezug auf die Schwerpunkte der Zusammenkünfte die Logen prägte: In der Universitätsstadt Göttingen fungierte die Loge als Handelsplatz für Prestige und Kontakte – eine Rolle, die in Gotha Fürst und Hof übernahmen. Die Residenzstadt verfügte dagegen über keine Universität, weshalb die Loge die Rolle einer Lehranstalt übernahm.
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oder unpolitisch. Nachdem Spittler der Versammlung seine Gedanken zum Tod Ferdinands erläutert hatte, ging er unmittelbar zu zwei hochaktuellen Themen über. Er sprach … ferner über die Vorzüge der N[ord]americanischen Logen, und über den 2ten theil von Payne’s Rights of men.⁸⁵
Thomas Paines Rights of Man (1791) scheint Spittler für die damalige Zeit sehr schnell nach der Veröffentlichung und im englischen Original vorgelegen zu haben; ein Hinweis darauf, wie sehr Göttingen an den aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen Anteil hatte und wie eng die Beziehungen über Hannover nach England waren.⁸⁶ Zumindest einige Logenmitglieder nutzten die Vernetzung der Bibliothek um sich mit revolutionären Ideen zu beschäftigen, darunter auch Spittler.⁸⁷ Damit trug allerdings auch er zu jener „politischen Stimmung“ bei, die er zuvor beklagt hatte.⁸⁸
Gesuche und Bittschriften Einen wichtigen Anteil an den eingehenden offiziellen Schreiben hatten Bittschreiben auswärtiger Logen, die auf diesem Wege für ihre Mitglieder die Teilnahme an den Versammlungen der Göttinger Loge erreichen oder ihre Mitglieder in einen höheren Grad weiterführen lassen wollten. Im Protokoll findet sich kein direkter Hinweis darauf, dass die Göttinger Loge ihre Mitglieder ebenfalls mit vergleichbaren Bitt- oder Empfehlungsschreiben unterstützt hätte, die hier untersuchten Schreiben auswärtiger Logen können aber durchaus als Hinweis auf
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. September 1792, Lehrlingsloge, Bl. 56, S. 2 (Im Protokollbuch des IV. Grad). Paines Werk befindet sich noch heute als Ausgabe der zweiten Auflage von 1791 im Besitz der Göttinger Staats- und Universitätsbibliothek. Die Eintragung im alten Bandkatalog, der seit der Einrichtung der Universität geführt wurde, lässt darauf schließen, dass diese Ausgabe unmittelbar nach der Veröffentlichung für die Bibliothek beschafft wurde. Benjamin Bühring weist darauf hin, wie intensiv das deutsche Büro in London für die Göttinger Universität Bücher beschaffte. Gut möglich, dass auch die Loge Augusta auf die deshalb hervorragend sortierte Bibliothek zurückgriff. Vgl. Bühring, Die Deutsche Kanzlei in London, S. 111. Zu Paine und anderen Radikalaufklärern vgl. Jonathan I. Israel und Martin Mulsow, Was ist Radikalaufklärung? – Eine aktuelle Debatte, in: Israel und Mulsow (Hrsg.), Radikalaufklärung, Berlin 2014, S. 7– 19. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. September 1792, Lehrlingsloge, Bl. 56, S. 2 (Im Protokollbuch des IV. Grad).
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das Verhalten der Göttinger Loge dienen, die sich ähnlich für ihre Mitglieder an anderen Orten eingesetzt haben dürfte. Im Oktober 1781 verkündete Koppe, dass ein Mitglied der Bremer Loge in Göttingen eingetroffen sei: … bemerkte so dann, daß der Br[uder] Heinecke ihm einen Zeugen Br[uder] Schöne von der Bremer Loge, nebst einem Empfehlungs Schreiben, zugeführt, und habe ihm dieser Br[uder] den Wunsch geäussert, daß so lange er bey uns hier verweilen würde die Loge zu besuchen und der Br[uder] C[eremonien] Meister führte auch diesen besuchenden Br[uder] ein und der ehrw[ürdige] Meister empfing ihn und wande sich in einer kurzen Rede an ihn und fügte die gnädigen Ermahnungen hinzu, die diesen jungen neuen Br[uder] zu Erfüllung seiner Pflichten heilsam waren.⁸⁹
Heinecke wünschte während seines Aufenthalts in Göttingen an den Arbeiten der Loge teilzunehmen, hatte aber zunächst kein Empfehlungsschreiben vorlegen können. Erst als ein Bruder namens Schöne aus Bremen für ihn bürgte, ließ Koppe seine Teilnahme zu. Christian Hermann Schöne (1763 – 1822) nahm vom Winter 1781/1782 bis mindestens Ende 1784 an den Arbeiten der Göttinger Loge teil.⁹⁰ Später wurde er Bremer Bürgermeister.⁹¹ Sein Bruder Diethard Schöne war einige Jahre später ebenfalls in der Göttinger Loge aktiv.⁹² Auch wenn die Göttinger Loge sich bereit erklärt hatte einem Besucher Zugang zu ihren Versammlungen zu gewähren, verlor dessen Mutterloge nicht ihre Zuständigkeit. Wollte ein Besuchender Bruder befördert werden, benötigte er dafür deren Erlaubnis und Empfehlung. Im besprochenen Beispiel ließ sich Schöne während seiner Göttinger Zeit zum Gesellen und Meister weiterführen – in beiden Fällen geschah dies auf Wunsch seiner Bremer Mutterloge: … stellte den Hochw[ürdigen] Br[uder] Drost von Hardenberg der Loge als ein ehemaliges Mitglied unserer Aug[usta] vor, er ersuchte ihn zugl[eich] heute das Amt eines Br[uder] Praeparateur zu übernehmen, zeigte sodann an, daß heute zwey zu Bremen recip[ierte] Brbr. Schöne u[nd] Wilkens auf Req[uisition] der Bremer Loge recip[iert] werden sollten, wenn nichts dagegen erinnert würde, bemerkte das Gute von diesen beiden Adsp[iranten] u[nd] trug denen Brbr. Vors[tehern] auf die gewöhnl[iche] Anfrage zu thun, welche denn auch
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1781, Lehrlingsloge, Bl. 51, S. 1. C. H. Schöne war unter der Matrikelnummer 12449 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 260. Nicola Wurthmann, Senatoren, Freunde und Familien – Herrschaftsstrukturen und Selbstverständnis der Bremer Elite zwischen Tradition und Moderne 1813 – 1848, hrsg. vom Staatsarchiv Bremen, Bremen 2009, S. 503 f. D. Schöne war unter der Matrikelnummer 13475 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 280.
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anzeigten daß keiner etwas dagegen bemerkte, worauf dann der h[ochwürdige] Br[uder] v[on] Hardenberg zur Vorbereitung abgelassen wurde.⁹³
Die Rezeptionsgebühren zahlten die neuen Gesellen nach Bremen, die Nebenkosten behielt die Göttinger Loge ein. Der Wunsch der Bremer Loge wird ausdrücklich als Grund für die Weiterführung angegeben. Als Besuchender Brüder benötigten Schöne und der ebenfalls aus Bremen stammende Jurastudent Johann Wilkens (auch Wilckens geschrieben) die schriftliche Empfehlung ihrer Mutterloge.⁹⁴ Schönes Weiterführung zum Meister fand, erneut zusammen mit der Wilkens, im Oktober 1784 statt.⁹⁵ August von Hardenberg war laut Gläshners Mitgliederliste ursprünglich am vierten November 1778 als Lehrling in die Loge aufgenommen worden.⁹⁶ An seinem Beispiel wird deutlich, dass es sich um eine Geste der Ehrerbietung handelte, einem Bruder anlässlich seines Besuchs eine Aufgabe zu übertragen. Dies trifft besonders in diesem Fall zu, an dem Brüder aus Bremen, Göttingen und Hannover beteiligt waren, und so durch die gemeinsame rituelle Praxis die Bande zwischen den drei Logen gestärkt wurden. Neben Schöne und Wilkens ließen sich mehrere Besuchende Brüder während ihres Aufenthalts in Göttingen in höhere Grade weiterführen.Wenige Monate nach der Erhöhung der beiden Bremer Studenten erwartete ein aus Danzig stammender Lehrling seine Weiterführung: In der auf heute angesezten Gesellen Loge wurde von dem S[ehr] E[ehrwürdigen] Mstr. v[om] St[uhl] ein Brief von der S[ehr] E[hr] W[ürdigen] Loge in Dantzig verlesen, Inhaltsmaßen die hiesige Loge requirierrt worden, den Br[uder] Lehrling Schnaase in den Gesellen Grad aufzunehmen.⁹⁷
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. Oktober 1782, Gesellenloge, Bl. 20, S. 2 f. Wilckens war unter der Matrikelnummer 12506 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 261. vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 19. Oktober 1784, Meisterloge, unpag. Eine Weiterführung von Hardenbergs zum Gesellen wird in Gläshners Mitgliederverzeichnis nicht erwähnt, so dass von Hardenberg wahrscheinlich zwischenzeitlich zu einer anderen Loge übergetreten war, und dort in den zweiten Grad weitergeführt wurde. Andernfalls hätte er nicht als Besuchender Bruder an den Arbeiten des Gesellengrads teilnehmen können. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. März 1784, Gesellenloge, Bl. 30, S. 1.
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Dem Wunsch wurde entsprochen und Schnaase zum Gesellen befördert. Wie über Schöne und Wilkens erfährt der Leser der Protokolle auch über Paul Schnaase nur wenig: Beruf und Alter bleiben ebenso unklar wie der Name der Danziger Loge.⁹⁸ Der Charakter der Protokolle als Nachschlagewerk für Logenmitglieder, die natürlich wussten, auf welche Loge sich die Protokolle bezogen, wenn von „der Dantziger Loge“ die Rede war, wird erneut deutlich.⁹⁹ Aus der Stadt an der Ostsee erreichten Göttingen nicht nur Bitt- und Empfehlungsschreiben, sondern auch Warnungen vor Brüdern, die sich nicht den Anforderungen der Freimaurerei gemäß verhalten hatten: Der S[ehr] E[hrwürdige] Mstr. v[om] St[uhl] theilte einen Brief aus Dantzig von der Loge … mit, worinnen von einem Br[uder] der sich sehr vergangen und darauf aus unserem Orden ausgeschlossen worden ist, Nachricht gegeben wird.¹⁰⁰
Der Protokolleintrag ist unvollständig, denn anstelle des Namens der Danziger Loge findet sich eine Leerstelle, in welche der Sekretär Ulrich den Namen der Loge nachzutragen versäumte.¹⁰¹ Ob es sich in den Fällen von Schnaase und dem Schreiben betreffend der Exklusion eines Bruder um die selbe Danziger Loge handelte bleibt unklar. Der Zweck dieser Schreiben, die Warnung vor ausgeschlossenen Mitgliedern zwischen den Logen, wurde bereits anhand der Beispiele aus Lemberg und Wetzlar näher beschrieben.¹⁰² Während der sechzehn Monate später stattfindenden Versammlung am ersten August 1781, in der das zweite Schreiben aus Wetzlar verlesen worden war, waren auch zwei Besuchende Brüder namens Meyer und Franckenberg anwesend, deren Herkunft in den Protokollen als die „böhmische Loge“ angegeben wird.¹⁰³ Koppe
Erst die Recherche in den Matrikeln der Universität enthüllt den Vornamen und die Beschäftigung des Jurastudenten. Der aus Danzig stammende Paul Schnaase war ab 1783 unter der Matrikelnummer 13148 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 273. Es zeigt sich hier wie an anderen Stellen, dass die Welt damals sehr viel übersichtlicher war: Die Bevölkerungszahl war deutlich geringer, die Zahl derer, die in die hier untersuchten gesellschaftlichen Stände gehören, ebenfalls, so dass man auch über weitere Distanzen genau wusste, wer wohin gehörte; man denke nur an Briefe, deren Adressen sich damals auf Name, Stand und Ort beschränkten und dennoch zugestellt wurden. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. Oktober 1783, Lehrlingsloge, Bl. 97, S. 1 f. Dies zeigt, wie stark formalisiert die Protokollführung war. Vgl. Kap. 7. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 48, S. 2.
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nutzte ihre Anwesenheit, um die neu erhaltenen Informationen aus Wetzlar weiter zu verbreiten, denn offenbar hatte er die Loge in Böhmen auch schon über den Inhalt des ersten Schreibens aus Hessen informiert: Der ehrw[ürdige] Meister wandte sich so dann zu dem besuchenden Br[uder] Canonicus Meyer und bath denselben, seinem Logen Meister, den er das eingegangene Schreiben demahle zugesant auch dieses von der Loge zu Wetzlar eingelaufenen zu communicieren.¹⁰⁴
Wie die Loge Zum goldenen Zirkel nutzte auch die Augusta reisende Brüder als Boten. Die Kommunikation zwischen den Logen war aber weit entfernt von einer geschäftsmäßigen Struktur; Informationen wurden bewusst gestreut. Es lag im Ermessen der Vorsitzenden, welche Informationen auf welchem Weg weitergegeben wurden. Hinzu kommt die informelle Information, die als Erzählung oder Gerücht mit jedem Reisenden unterwegs war. Dies hatte mutmaßlich zur Folge, dass dieselbe Information die Logen häufig über verschiedene Wege, unterschiedlich genau und zeitversetzt erreichen konnte.¹⁰⁵
Halboffizielle Schreiben Wie sich bereits an den Beispielen Gödeckes, Triebels und des Hildesheimer Meisters vom Stuhl Köppe gezeigt hat, konnten Empfehlungsschreiben die Entscheidungsfindung der Loge entscheidend beeinflussen.¹⁰⁶ Eine andere Art von Empfehlungsschreiben wird im Protokoll Anfang 1780 während der feierlichen Loge zu Jahresbeginn und zu Ehren Herzog Ferdinands erwähnt: … der ehrw[ürdige] Meister zeigte der Versammlung an, daß der Br[uder] v[on] Floriancourt die Versammlung mit einer Rede für den heutigen feyerlichen Tag unterhalten würde und empfahl die Aufmerksamkeit. Dieser ehrw[ürdige] Br[uder] hielt diese artige Rede mit Beyfall ab, welchen ihm der ehrw[ürdige] Meister bezeigte und bemerkte, daß er in den abgehenden Schreiben an den durchl[auchten] Großmeister solcher eingedenk sein würde.¹⁰⁷
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 49, S. 2. Ein Umstand, der am Eintrag im Schwarzen Buch zu Cagliostro deutlich wurde. Vgl. Kap. 7. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. März 1781, Lehrlingsloge, Bl. 40, S. 1. Vgl. auch Kap. 5. und 7. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 12. Januar 1780, Lehrlingsloge, Bl. 10, S. 2.
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Am Rand des Protokolleintrags findet sich ein nachträglich hinzugefügter Hinweis darauf, dass Floriancourts Rede als Anlage beigefügt worden sei. Das Lob und die Empfehlung von Floriancourts an höchster Stelle sind in den Protokollen einzigartig, was auf eine spontane Entscheidung Koppes hindeutet. Der Kammerrat hatte sich nicht nur durch die Rede, sondern auch durch sein großes Engagement als zweiter Vorsteher und Redner hervorgetan. Möglicherweise wollte Koppe nach der Absetzung Wackers – und nachdem er sein Amt als Meister vom Stuhl erst kurz zuvor angetreten hatte – ein Zeichen setzen, dass fortdauernder Einsatz und aktives Engagement für die Loge unter seinem Vorsitz belohnt werden würden.
Geschäftliche Schreiben Neben den Schreiben, in denen einzelne Brüder der Loge Informationen zukommen ließen oder Freunde und Bekannte zu Aufnahme oder Weiterführung empfahlen, finden sich in den Protokollen der Augusta auch Hinweise auf mehrere halboffizielle Schreiben, die einen geschäftlichen Hintergrund hatten. Zahlreiche Freimaurer waren haupt- oder nebenberuflich als Schriftsteller und Autoren tätig, und die Logen bildeten einen idealen Markt für ihre Veröffentlichungen. Was lag näher, als das die Logen verbindende Netzwerk für Werbung in eigener Sache zu nutzen? Manche Logen unterstützten denn auch ihre schriftstellerisch tätigen Mitglieder, indem sie Werbung für deren Schriften den Briefen an andere Logen beifügten.¹⁰⁸ Andere Freimaurer versandten unabhängig von ihrer eigentlichen Logenpost solche Werbung, was natürlich kostspieliger war. In den erhaltenen Protokollen der Augusta finden sich drei Einträge, in denen der Erhalt solcher Werbeschriften näher beschrieben wird. Im Herbst 1781 verlas Koppe … so dann eines von der Loge zu Sachsenhausen eingegangenes Schr[eiben] samt Logen Liste und auch ein Advertisement in Betref der Ausgabe versch[iedener] Gedichte. Der ehrw[ürdige] Meister stellte der Vers[ammlung] es anhinn ob ein oder andere darauf praenumerierend 1Rt [Reichstaler] an ihn zahlen wolle, bemerkte aber dabey daß keiner dazu verbunden sey, sein Wunsch wäre also daß doch einige B[eispiele] hier genommen würden
Diese Art der Werbung sollte man nicht mit der sog. „Geschäftsmaurerei“ verwechseln, bei der die Kontakte in der Loge genutzt werden, um öffentliche Aufträge anzubahnen und geschäftlichen Erfolg zu erreichen. Vgl. Giese, Die Freimauerer – Eine Einführung, S.19 ff.
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und daher die Brbr. die das wünschten die Praenumeration zu leisten, sich bey ihm melden möchten …¹⁰⁹
Ob das „Advertisement“ dem Schreiben der Sachsenhäuser Loge beilag oder nur zufällig am selben Tag in der Loge verlesen wurde, lässt sich dem Protokolleintrag nicht zweifelsfrei entnehmen. Koppes Aussage, dass einige der beworbenen Gedichte freiwillig vorbestellt werden sollten, entsprang wohl dem Wunsch, einen auswärtigen Bruder finanziell zu unterstützen und überregionale Verbundenheit zu demonstrieren. Die eigene Gemeinschaft sollte nicht kleinlich oder geizig erscheinen; viele Druckvorhaben waren von Vorbestellungen – den Subskriptionen – abhängig, die nur selten 2000 oder mehr Exemplare betrugen.¹¹⁰ Entsprechend wurden die Subskribenten, denen man schließlich die Drucklegung verdankte, gerne in den so ermöglichten Büchern namentlich genannt. War dem Werk später Erfolg beschienen, konnte sich der namentlich genannte Unterstützer des Projekts geehrt fühlen, denn er hatte nachweislich zur weiteren Verbreitung von Bildung und Wissen beigetragen und war somit ein – wenn auch kleines – Rad im Getriebe der Aufklärung. Auch hier war der Prestigegewinn also ein mögliches Motiv der Gönner. Ein eindeutig von einem Privatmann abgesandtes Werbeschreiben erreichte die Loge 1783: Der S[ehr] E[ehr] W[ürdige] Mstr. v[om] St[uhl] laß einen Brief vor, den der Ehrw[ürdige] Br[uder] Kuhls, Commissarius in Einbeck, für Brüder als Anhang zur Beantwortung der Preisfragen wegen der vortheilhaftesten Arbeiten für Werck und Zuchthäuser hat drucken lassen, theilte ein Advertisement von einer neuen Auflage obigen Briefs mit und empfahl den Br[uder] für Praenumeranten desselben Sorge zu tragen.¹¹¹
Die Formulierung des Protokolleintrags deutet darauf hin, dass ein Einbecker Bruder ein Werk veröffentlicht hatte, das bei der Beantwortung einer „Preisfrage“
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 4. September 1781, Lehrlingsloge, Bl. 50, S. 2. Selbst der berühmteste Dichter der Zeit, Friedrich Gottlieb Klopstock, erreichte mit seiner „Gelehrtenrepublik“ nur 3600 Abnehmer. Von den Einnahmen aus dem Verkauf seiner Werke konnte er nicht leben. Eine Schwierigkeit der Zeit war, dass das Publikum der Schriftsteller noch dabei war sich selbst zu finden und auszuformen. Es war daher sehr schwierig, den Geschmack der Zeitgenossen zu treffen. Vgl. Jørgensen, Bohnen und Øhrgaard, Geschichte der deutschen Literatur 1740 – 1789, 6. Band, S. 96 ff. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Dezember 1783, Lehrlingsloge, Bl. 99, S. 2.
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helfen sollte. Anscheinend war seine Schrift gefragt und erschien daher in einer weiteren Auflage. Bei den „Preisfragen“ handelte es sich üblicherweise um Aufrufe von Akademien oder Aufklärungsgesellschaften, mittels derer innovative Antworten auf meist gesellschaftliche Probleme gesucht wurden – die Fragestellung zielt also üblicherweise darauf ab, dem „Bonum commune“, dem Allgemeinwohl, zu dienen.¹¹² Es wurden allerdings auch Fragen zu naturwissenschaftlichen Themen gestellt. Die Göttinger Akademie der Wissenschaften veröffentlichte ihre Preisfragen üblicherweise in den einleitend angesprochenen Göttingischen Anzeigen von den gelehrten Sachen. ¹¹³ Die Antworten wurden als Aufsätze eingereicht. Dem Sieger winkte neben dem ausgelobten, meist bescheidenen Preisgeld vor allem Anerkennung in Form der Veröffentlichung des Beitrags durch eine angesehene Institution wie etwa eine Akademie der Wissenschaften.¹¹⁴ Manchmal war gar ein Stellenangebot bei den zuständigen Ämtern oder Ministerien denkbar. Im konkreten Fall ging es um die „vorteilhaftesten“ Arbeiten, mit denen die Insassen von Werk- und Zuchthäusern beschäftigt werden sollten, die dort ihre Schuld gegenüber der Gesellschaft abarbeiteten. Ob „vorteilhaft“ sich an dieser Stelle auf die wirtschaftliche Rentabilität der Arbeiten oder ihren rehabilitativen Wert bezieht, wird nicht näher ausgeführt. Geschäftstüchtige Mitglieder der Logen versuchten nicht nur, Schriften über die Freimaurerei, Gedichte oder Hilfsbücher zu vertreiben, sondern auch Werke über das aktuelle Zeitgeschehen. Während Spittler Ende 1782 auf seine Rezeption vorbereitet wurde, trug Koppe den versammelten Brüdern einen Brief aus Hamburg vor, in dem solch ein Schreiben erwähnt wurde: In der Zwischenzeit verlaß der Mstr. einen Brief von der Hamburger Loge worin angezeigt wurde, daß die Brbr auf verschiedenen Werke praenummeriren könnten, welche die Belagerung von Gibraltar und Minorca beträffen, und hätten die Brbr sich bey dem Br[uder] Ulrich zu melden.¹¹⁵
Zu den Preisfragen vgl. Hedwig Röckelein, Wissenschaftliche Preisfragen und Nachwuchsförderung, in: Christian Starck und Kurt Schönhammer (Hrsg.), Die Geschichte der Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, 1. Band, Berlin u. a. 2013, S. 77– 110, hier S. 78. Röckelein, Wissenschaftliche Preisfragen und Nachwuchsförderung, S. 89. Röckelein, Wissenschaftliche Preisfragen und Nachwuchsförderung, S. 78 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 79, S. 1.
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Leider fehlt eine klare Aussage darüber, wer genau die Verfasser der beworbenen Schriften waren.¹¹⁶ An der Grenze zwischen geschäftlichem und wohltätigem Hintergrund bewegte sich ein Schreiben, das im Sommer 1781 von Koppe verlesen wurde: … verlaß der ehrw[ürdige] Meister ein eingelaufenes Schreiben von der Loge zu Meynungen und der Inhalt betraf die Anzeige, wegen eines Institutes, welches diese Loge errichtet und zwar bestehend in ein Schulmeister Seminarium und um dieses Inst[itut] zu unterstützen, die Loge Absicht habe, Luthers Biebel auflegen zu lassen und wünschte daß sich Bbr. finden möchten, darauf zu praenumeriren, zu welchem Ende dann auch praenumerations-Scheine beygelecht wären, welche die ver[sammelten] Brbr. beliebig bey dem ehrw[ürdigen] Meister empfangen könten …¹¹⁷
Ob und wie viele Bibeln von den Göttinger Brüdern gekauft wurden, bleibt unklar. Dessen ungeachtet zeigt der Eintrag exemplarisch, wie eine Loge versuchte, mittels überregionaler Kontakte im Netzwerk der Freimaurerei ein wohltätiges Projekt zu finanzieren. Neben der Unterstützung von in der Ausbildung befindlichen Lehrern erfüllte das Schreiben einen weiteren Zweck: Es informierte über das Engagement der Loge und erhöhte so ihr Prestige.¹¹⁸ Die überregionalen Aufrufe zu karitativer Tätigkeit waren Werbung für die eigene Gemeinschaft, mit dem Ziel, sich als fortschrittlich, weltgewandt und humanitär zu präsentieren und so das eigene Ansehen zu steigern. Diesen Weg konnten natürlich vor allem solche Gemeinschaften einschlagen, die über eine breite und wohlhabende Mitgliederbasis verfügten. Angesichts des kostspieligen Aufbaus und Unterhalts der chirurgischen Klinik in Göttingen stellt sich die Frage, ob die Augusta nicht ebenfalls ähnliche Briefe versandte, in denen sie um Unterstützung für ihr Prestigeprojekt warb.¹¹⁹ Hinweise darauf finden sich in den untersuchten Dokumenten zwar nicht, doch die Göttinger Loge profitierte nachweislich von den Berichten Dritter über ihr
Die Belagerung Gibraltars durch spanische und französische Truppen war eine Episode des Amerikanischen Unabhängigkeitskriegs und endete erst mit dem Frieden von Paris am 3. Februar 1783. Minorca fiel an Spanien, Gibraltar blieb unter britischer Kontrolle. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 48, S. 2 f. Der Gedanke der „Erziehbarkeit“ des Menschen ist charakteristisch für die Aufklärung und aufklärerische Sozietäten.Vgl. Zaunstöck, Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen, S. 4 f. und 38 f. Zur Geschichte der Krankenversorgung in Göttingen vgl. Elisabeth Beierle, Die Krankenversorgung und der Beginn der Krankenpflege im Göttingen des 18. und 19. Jahrhunderts, in: Göttinger Jahrbuch, 45. Band, Göttingen 1997, S. 123 – 144.
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Vorhaben. Im Herbst 1780 erstattete Koppe seinen versammelten Brüdern über die Fortschritte beim Aufbau des Krankenhauses Bericht: … habe er das Vergnügen der Ver[sammlung] anzuzeigen, daß unsere Veranstaltung in Betracht des zu errichteten Kranken-Hauses, nun in Richtigkeit kommen werden, indem königl[iche] Regierung nun durch ihre Vorkehrungen den Kosten Aufwand bestreiten könne, die zur ersten Einrichtung erforderlich wären. Die gute Sache sey zeither dadurch behindert, aber nun alles berichtigt und zur abermahligen Genehmigung nach London abgegangen, daß mithin in Kurzem das Krankenhaus zur Ehre der Aug[usta] etabliert werden dürfte.¹²⁰
Wie bereits in Kapitel Sieben ausgeführt, war die Freimaurerei in Göttingen schon seit 1748 durch mehrere Dekrete verboten. Die Formulierung, dass das Krankenhaus „zur Ehre“ der Loge eröffnet würde, verdeutlicht den Wunsch gesellschaftliche und staatliche Anerkennung zu gewinnen. Die Gründung des Krankenhauses machte die Freimaurerei in und um Göttingen für ihr soziales Engagement bekannt.¹²¹ Die Urheberschaft der neuen Einrichtung war der Bevölkerung zwar bekannt, aber ob der einfache Göttinger wusste, welche der beiden Göttinger Logen Trägerin der Klinik war, kann bezweifelt werden.¹²² Gut möglich also, dass auch die Loge Zum goldenen Zirkel vom Engagement der konkurrierenden Gemeinschaft profitierte. Im Oktober 1780 unterrichtete Koppe die Loge darüber, … daß nunmehr die Angelegenheiten des Krankenhauses völlig berichtigt und hohen Ortes genehmigt worden. … wie königl[iche] Regierung unter königl[ich] hoher Genehmigung, die Errichtung eines Krankenhauses nun völlig ratificiert habe und zeigte die diesenfallen eingegangene hohe Regierungs Resolution vor und bemerkte dabey, das königl[iche] Regierung dadurch der Maurerey unter den Nahmen einer woltätigen Gesellschaft und die Annahme eines jährigen Beytrages zur Unterhaltung des Kranken-Hauses, ihren besonderen Schutz versichert habe.¹²³
Die Regierung zahlte fortan die Pacht in Höhe von 80 Reichstalern jährlich.¹²⁴ Aus der Duldung der Loge wurde ein bemerkenswerter Wandel zur Unterstützung
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 6. September 1780, Lehrlingsloge, Bl. 28, S. 1 f. Ein Bild des von der Loge Augusta zu den 3 Flammen betriebenen Spitals findet sich bei Oberdiek, Göttinger Universitätsbauten, S. 24. Möglicherweise profitierte auch die Loge Zum goldenen Zirkel vom gesteigerten öffentlichen Ansehen. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 19, S. 1 f. Saathoff, Geschichte der Stadt Göttingen seit der Gründung der Universität, S. 92.
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ihrer karitativen Tätigkeit. Die Loge selbst beteiligte sich mit einer Zahlung von jährlich 250 Reichstalern an den laufenden Kosten des Klinikums, das 1781 seinen Betrieb aufnahm.¹²⁵ Koppes Freude über die Anerkennung der Loge als „woltätige Gesellschaft“ ist im Duktus deutlich zu spüren. Wohl auch, weil sein doppeltes Spiel als Professor und Vorsitzender einer eigentlich per Edikt verbotenen Sozietät nicht mehr ganz so riskant war.¹²⁶ Nicht ohne Stolz verlas Koppe im Sommer 1782 das Schreiben eines unbekannten Verfassers: … laß der S[ehr] E[hrwürdige] Meister einen rührenden Brief vor, den ein ungenannter edelgesinnter Mann, mit Einschluß eines Louisd’or ihm zugeschickt, und darin bittet, dieses Geschenk an würdige Arme zu vertheilen.¹²⁷
Einige Monate vor Eingang der Spende war bereits ein Beitrag in einer im Protokoll nicht näher genannten Zeitschrift erschienen, in dem ein durch Göttingen kommender Reisender das Krankenhaus der Loge gelobt hatte. Der ehrw[ürdige] Meister bemerkte hierauf, daß er nicht unterlassen könne sein Vergnügen darüber zu rühren, daß er in einer Monats Schrift eine Nachricht von ein Durchreisenden das Hospital betreffend gefunden, die uns zur Ehr gereiche und verlaß dieselbe und äusserte den Wunsch den Fremden zu kennen oder doch wenigstens seinen Nahmen zu wissen.¹²⁸
Sowohl die Anerkennung durch die Regierung als auch die positive Resonanz in den Medien der Zeit haben wohl dazu geführt, dass der unbekannte Spender sein Geld der Loge anvertraute, damit diese es bestmöglich anlegte. Die zeitliche Nähe zwischen Erwähnung des Artikels und der Spende in den Protokollen ist ein deutlicher Hinweis auf die Zusammenhänge. Der Eintrag belegt somit ein weiteres Mal, dass die Eröffnung des Klinikums eine überregionale Resonanz erfuhr und die Loge der Bevölkerung als karitative Gemeinschaft erscheinen ließ, der man sogar – ganz wie bei karitativen Organisationen heute – Spenden zukommen
Ulrich Tröhler, 250 Jahre Göttinger Medizin. Begründung – Folgen – Folgerungen, in: HansHeinrich Voigt (Hrsg.), Naturwissenschaften in Göttingen – Eine Vortragsreihe, 13. Band, Göttingen 1988, S. 9 – 36, hier S. 20; Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 142; Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 40. Vgl. Kap. 3. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. August 1782, Lehrlingsloge, Bl. 68, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1782, Lehrlingsloge, Bl. 63, S. 1.
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lassen konnte.¹²⁹ In der Öffentlichkeit scheint die Loge somit, zumindest teilweise, als vertrauenswürdige Instanz gegolten zu haben. Im Frühjahr 1780 informierte Koppe die Loge über eine weitreichende karitative Initiative innerhalb der europäischen Freimaurerei: … auch verschiedene französische Logen einen betrechtligen Beytrag dem Directorio zugehen lassen, um den unglückligen Br[uder] Forster Sen[ior] zu London zu unterstützen und aus seiner unangenehmen Lage zu setzen, welches gleichfalls eine gute Vorbedingung und ein Schritt zur ehrw[ürde] sey.¹³⁰
Johann Reinhold Forster war in England in finanzielle Schwierigkeiten geraten, nachdem ihm überraschend der Auftrag zur Verfassung des offiziellen Reiseberichts zu James Cooks zweiter Reise, an der er mit seinem Sohn Georg (1754– 1794) teilgenommen hatte, entzogen worden war.¹³¹ Herzog Ferdinand veranstaltete unter den deutschen Freimaurerlogen eine Sammlung, durch die es schließlich gelang, Forster und seine Familie aus den Schulden zu befreien und nach Deutschland zurück zu holen, wo Forster in Halle eine Professur übernahm.¹³² Auch in den Protokollen der Gothaer Loge Zum Rautenkranz findet sich ein Hinweis auf die in zahlreichen Logen abgehaltene Sammlung.¹³³ Der Göttinger Protokolleintrag weist darauf hin, dass nicht nur deutsche Logen für Forster spen-
Die Freude des Vorsitzenden über die Erwähnung beruhte sicherlich auch darauf, dass das Publikum von Zeitschriften vor allem aus gebildeten und einflussreichen Bürgern bestand: Genau jener Zielgruppe also, welche die Logen als Mitglieder zu gewinnen suchten. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 9. April 1780, Lehrlingsloge, Bl. 16, S. 2. In England konnten unbezahlte Schulden zum gesellschaftlichen Ruin führen, weil die Gläubiger auf Verbringung ins Schuldgefängnis drängen konnten. Bei wirklich Zahlungsunfähigen führte das auf lange Zeit, unter Umständen sogar auf Dauer zum Leben in Haft. Der englische Karikaturist William Hogarth (1697– 1764) hat diesem Sturz in seiner Bilderserie A Rake’s Progress ein Denkmal gesetzt. Hogarths Arbeiten waren im deutschsprachigen Raum durch die von Georg Christoph Lichtenberg herausgegebenen Beschreibungen der Arbeiten des sozialkritischen Grafikers bekannt. Vgl. Christian Scholl, William Hogarth in Göttingen: Wendungen eines Kultur- und Medientransfers, in: Reitemeier (Hrsg.), Kommunikation & Kulturtransfer im Zeitalter der Personalunion, S. 161– 177. Gerhard Steiner, „Forster, Johann Reinhold“, in: Neue Deutsche Biographie, 5. Band, Berlin 1961, S. 301 f.; Ludwig Uhlig, Georg Forster, Göttingen 2004, S. 137; Menge, Geschichte der Freimaurerloge Pforte zum Tempel des Lichts in Hildesheim und der vor ihr daselbst bestandenen Logen, S. 116. Um Forster bei der Begleichung seiner Schulden von 1000 Reichstalern zu helfen, spendete die Gothaer Loge am 28. Juli 1780 vier Louis d’or. Vgl. Woelk, Geschichte der St. Johannis Loge „Ernst zum Kompass“ im Orient zu Gotha, S. 10.
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deten, und zeugt somit von Forsters Ruf als Forscher ebenso wie von der Bedeutung Ferdinands innerhalb der Freimaurerei. Ein in den Protokollen relativ gut dokumentierter Briefwechsel mit wohltätigem Hintergrund findet sich im Frühjahr 1780. Koppe wandte sich in einer Rede an die versammelten Logenmitglieder und berichtete, … daß die Loge Aug[usta] die Gelegenheit gehabt, die bekanten Ungelückligen Einwohner zu Goslar und auch die in Laubachischen Dorfe Utzele, welche durch Feuersbrünsten verunglückt zu unterstützen und die Loge zu Giesen auch Laubach hätten sich für lezteren verwand und um Beystand gebeten.¹³⁴
Zwei Brände hatten sich in einem Dorf nahe des hessischen Städtchens Laubach und in Goslar ereignet. Die Logen aus Laubach und dem nahe gelegenen Gießen hatten um Unterstützung für das Dorf gebeten.¹³⁵ Interessant ist an dieser Stelle die im Protokoll verwendete Formulierung. In Bezug auf die Brände hielt Koppe eine „passende Rede“, in welcher er die Hilfe für die als eine „Gelegenheit“ bezeichnete, und nicht etwa als eine finanzielle Belastung oder unangenehme Pflicht den Logen in Laubach, Gießen oder Goslar gegenüber. Im Gegenteil versucht Koppe hier, die Mitglieder der Loge zur Zahlung von Spendengeldern zu bewegen, was angesichts seines Hinweises auf die „Ungelückligen Einwohner“ deutlich macht, dass es sich um eine größere Summe handelte. Ähnliche Sammlungen wurden auch in anderen Logen veranstaltet.¹³⁶ In Göttingen bestand weniger Anlass Brandopfern zu helfen, denn schon 1750 hatte sich eine Feuerversicherung etabliert.¹³⁷
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Mai 1780, Lehrlingsloge, Bl. 17, S. 2. Die Prager Loge Zu den 3 gekrönten Säulen half in ähnlicher Manier den Opfern einer Überschwemmung.Vgl.Wolf, Die Protokolle der Prager Freimaurerloge „Zu den 3 gekrönten Säulen“ (1783 – 1785), S. 16 ff. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 56. In Göttingen selbst gab es ab 1750 eine Brand-Assecurations-Societaet. Diese Feuerversicherung der Fürstentümer Calenberg-Göttingen und Grubenhagen wurde von Georg Ebel, dem Abt zu Loccum, dem Schatzkollegium der Landschaft vorgeschlagen. In Brandenburg, Sachsen und anderen deutschsprachigen Ländern gab es bereits vergleichbare Zusammenschlüsse, die als Vorbild dienten. Im Geist der Zeit verfolgte man mit dem Aufbau einer Feuerversicherung nicht nur das Ziel, die Opfer von Bränden vor dem finanziellen Ruin zu bewahren, sondern wollte – ganz kameralistisch – die Kapital- und Risikoabsicherung von Besitztümern im eigenen Land stärken. Ab April 1749 begann der Göttinger Rat den gesamten Baubestand der Stadt zu erfassen. Insgesamt für über 800 Häuser wurde so ihre Lage, Zustand und Wert registriert. Nur wenige Bürger verweigerten sich dieser Bestandsaufnahme. Im Mai 1750 wurde schließlich bekanntgemacht, dass die Bürger ihren Besitz in beliebiger Höhe nun in das Kataster der Sozietät eintragen
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
Wie ernst es Koppe damit war diese Gelegenheit zu ergreifen, geht aus dem weiteren Protokolleintrag hervor. Koppe … verlaß die eingegeangenen Briefe von Giesen und Laubach und bemerkte, daß sobald die Antworten von Gosslar und Giesen, nebst Bescheinigung, daß an die ersten Einwohner = 16 Pist[olen] der würdigen Br[uder] Giesecke zu gehendigt, und an die Loge zu Giesen zur Verwendung für Utzele 8 Pistolen abgelassen, eingegangen, davon Nachricht ferner ertheilt werden würde.¹³⁸
Zum Zeitpunkt, an dem die Göttinger Brüder von ihrem Meister vom Stuhl über das wohltätige Engagement ihrer Loge informiert wurden, waren offenbar bereits acht „Pistolen“ nach Gießen und 16 nach Goslar übersandt worden. Die verwendete Formulierung von „Gelegenheit gehabt“ stützt diese These. Koppes Rede war also nicht nur der Versuch, die Loge auf seine Linie zu bringen, sondern auch eine nachträgliche Begründung seines Einsatzes. Der Wunsch nach gestalterischer Teilhabe an gesellschaftlichen Transformationsprozessen war einer der Gründe für die Popularität des Sozietätswesens insgesamt.¹³⁹ Durch die staatlichen Repressionen gehemmt, wurde man daher vor allem dort tätig, wo man sich mit unverfänglichem Engagement einen guten Namen machen und etwas bewegen konnte – gegen die Unterstützung von Brandopfern konnten selbst größte Kritiker kaum etwas einwenden. Deshalb handelte es sich bei den Schreiben aus Gießen, Laubach und Goslar nicht nur um Bitten um Unterstützung, sondern auch um Einladungen zur Teilhabe an öffentlichkeitswirksamen Aktionen.¹⁴⁰
lassen könnten. Doch zunächst fand sich kein einziger Bürger, der das Angebot nutzen wollte. Die Skepsis der Bürgerschaft resultierte aus einer tiefsitzenden Angst vor weiteren Abgaben – Sinn und Organisation einer Versicherung waren noch unbekannt. Erst weitere Aufklärung durch die Obrigkeit überzeugt die Göttinger. 1753 waren bereits 521 Privathäuser in das Kataster eingetragen. Vgl. Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt, S. 270 ff. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Mai 1780, Lehrlingsloge, Bl. 17, S. 2. Der Begriff „Pistole“ bezeichnete gegen Ende des 18. und Anfang des 19. Jahrhunderts umgangssprachlich ein goldenes Fünftalerstück oder Friedrich d’or. Vgl. Heinrich Halke, Handwörterbuch der Münzkunde und ihrer Hilfswissenschaften, Berlin 1909, S. 286 f. Vgl. Kap. 1. Durch das verbesserte Post- und Nachrichtenwesen war es möglich geworden, am Schicksal von Standesgenossen in weiter entfernten Regionen Anteil zu nehmen und damit möglicherweise existenzbedrohende Schicksalsschläge abzumildern. Hier kam die bürgerlich-christliche Moral mit der zunehmend verbesserten sozio-ökonomischen Infrastruktur zusammen: Das aufstrebende Bürgertum brauchte dringend eine Absicherung seines Besitzes. Wohltätige Sammlungen sind damit nicht mehr ein frommes christliches Werk sondern Vorläufer der späteren Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit. Vgl. Maurice, Esoterische Traditionen in der Freimaurerei?, S. 279.
8.1 Kontakt und karitatives Engagement
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Einen Monat nach Koppes Rede wurde die Rückmeldung der Goslarer Loge verlesen, in der die Verteilung der aus Göttingen erhaltenen Spendengelder gemeldet wurde: Der ehrw[ürdige] Meister … verlaß auch die von Goslar eingegangene Nachricht, wegen Vertheilung der dahin gesanden Milden Gabe für die unglückligen abgebranten Einwohner und übergab mir dem Logen Sec[retair] die Briefe zur Beantwortung.¹⁴¹
Was Schroeder als Antwort nach Goslar schrieb, bleibt unklar. Auf das sieben Wochen nach Koppes Rede verlesene Schreiben aus Gießen antwortete die Göttinger Loge: … der ehrw[ürdige] Meister … verlaß zunächst auch ein Schreiben von der Loge zu Giesen samt Liste, welches auch zugleich den richtigen Empfang des dahin gesandten milden Beytrages wegen Utzele versicherte, und übergab mir dem Logen Sec[retair] solches zur Beantwortung.¹⁴²
Auch hier erfährt der Leser nichts über den Inhalt des Antwortschreibens. Was bleibt, ist der Eindruck, dass eine Offenlegung stattfand, wie sie heute jede Spendenorganisation als Zeichen transparenten Wirtschaftens ihren Unterstützern zur Verfügung stellen muss. Freimaurerisches karitatives Engagement konnte auch sehr individuelle Formen annehmen, wie ein Schreiben zeigt, das Koppe während jener Versammlung verlas, in der er seine Unterstützung für die Brandopfer bekannt machte: … so zeigte der ehrw[ürdige] Meister an, daß die Loge zu Wetzlar, ein Studiosus nahmes Ackermann, als ein würdiges aber armes Subject empfohlen habe, welches viele Hoffnung von sich gebe und daher einer Unterstützung würdig sey, wozu auch die Loge zu Wetzlar einen Beytrag gegeben habe, verlaß auch das Logen Schreiben und ersuchte die Versammlung bey der heutigen Sammlung für diesen guten Menschen, ein jeder nach seinen Kreften, ein übriges ein zu legen und hoffte, es würden die ehrw[ürdigen] Br[üder] um so weniger beschwerlich fallen, weil die betrechtlige Ausgabe nach Goslar und Giesen keinem beschwerlich gefallen sey, sondern aus der Logen Casse bestritten worden.¹⁴³
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 19, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 22, S. 1. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Mai 1780, Lehrlingsloge, Bl. 17, S. 2 f.
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
In den Matrikeln der Göttinger Universität wurde 1780 die Immatrikulation des aus Wetzlar stammenden „Joannes Ackermann“ verzeichnet, der auf Empfehlung des berühmten Rechtsgelehrten Johann Stephan Pütter gratis angenommen wurde.¹⁴⁴ Die Wetzlarer Loge war nicht die einzige, die sich die Finanzierung der Ausbildung eines jungen Menschen zum Ziel gemacht hatte. Ähnliche Fälle lassen sich beispielsweise in der Gothaer Loge Zum Kompaß beobachten, die sich besonders um die Erziehung von Waisen bemühte.¹⁴⁵ Auch hier ermöglichte sich den Logen die Möglichkeit, in die Gesellschaft hinein zu wirken, allerdings mit weniger öffentlicher Wirkung als etwa durch den Bau einer Klinik. Von der Göttinger Klinik profitierte nicht nur die Bevölkerung, sondern auch die medizinische Fakultät, deren Mitglieder hier unter besonders guten Bedingungen forschen konnten – mithin ein Projekt, das neben altruistischen auch egoistische Bestrebungen der Mediziner unter den Mitgliedern der Loge befriedigen konnte.¹⁴⁶ Die Formulierung des Protokolls lässt darauf schließen, dass Koppe die Bitte der Wetzlarer Brüder unterstützt hat. Zum einen wird darauf hingewiesen, dass die Wetzlarer Loge bereits für den „Studiosus Ackermann“ gesammelt habe. Damit war auch für die Göttinger sichergestellt, dass es sich tatsächlich um ein „würdiges Subject“ handelte. Auch wollte man gegenüber den hessischen Brüdern kaum zurückstehen oder als geizig wahrgenommen werden. Und Koppe wies zusätzlich darauf hin, dass die Logenkasse die Unterstützung der Brandopfer in Goslar und Gießen bestritten hätte. Koppe erwartete von seinen Brüdern also einen großzügigen Beitrag: Es ward daher gesammelt für diesen empfohlenen Stud[ent] Ackermann und kam, erst = 14Rt [Reichstaler] 27mgl [Mariengroschen] 4P[fennig] C[ourant] G[eld] und danach noch 2Rt 30gr C[ourant] G[eld] ein, wozu einige Br[üder] noch zuzuschießen versprachen und empfing der ehrw[ürdige] Meister diese 17Rt 21gr 4P[fennig] C[ourant] G[eld] um solche dem Stud[iosus] Ackermann nach und nach zu reichen.¹⁴⁷
Koppes Appell hatte die gewünschte Wirkung – die eingesammelte Summe war so groß, dass sie dem Studenten über einen nicht näher definierten Zeitraum ge-
Ackermann war unter der Matrikelnummer 11909 an der Göttinger Universität immatrikuliert. Vgl. Selle (Hrsg.), Matrikel, S. 249. Zu Pütter vgl. Frensdorff, „Pütter, Johann Stephan“, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 26. Band, Leipzig 1888, S. 749 ff.; Ebel, Catalogus Professorum Gottingensium, S. 49. Vgl. Protokoll der Loge Zum Kompaß, Einträge vom 27. Juli 1779 und 19. Dezember 1783. Tröhler, 250 Jahre Göttinger Medizin, S. 19 f. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Mai 1780, Lehrlingsloge, Bl. 17, S. 2 f.
8.1 Kontakt und karitatives Engagement
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stückelt ausbezahlt werden sollte.¹⁴⁸ Es bleibt also auch hier bei der pädagogischen Haltung: Sparsamkeit sollte durch die Einteilung des Geldes vermittelt werden, das so die Form eines befristeten Stipendiums annahm. Drei Monate nach der Sammlung wurde das Dankschreiben der Wetzlarer Loge verlesen. Koppe … verlaß auch ein Danksagungs Schreiben von der Loge zu Wetzlar, wegen der Milden Gabe, welche dem empfohlenen Studiosus Ackermann gereicht worden.¹⁴⁹
Ungewöhnlich ist die Verlesung des Dankschreibens während einer Gesellenloge, denn das Schreiben scheint keine sensiblen Informationen enthalten zu haben, die es erforderlich gemacht hätten, es in einer Versammlung des zweiten Grads zu verlesen. Von den 15 in der Versammlung anwesenden Brüdern waren drei Besucher: Jordt ein fremder Br[uder] von der Loge zu Husum in Schlesign … Hofrath Kühling besuch[ender] Br[uder] von der alt:. Schottischen Loge zu Hannover … Professor Forster von der casselschen Loge.¹⁵⁰
Mit Georg Forster, der in Göttingen auch Therese Heyne (1764– 1829) kennen lernte, besuchte einer der später bekanntesten Radikal-Aufklärer die Göttinger Loge, der nur wenige Monate zuvor von der Spendenaktion für seinen Vater profitiert hatte. Der Besuch mag auch der Danksagung gedient haben. Ob und in welchem Umfang es zum Austausch von aufklärerischen Gedanken kam, bleibt unklar.¹⁵¹
Die Unterstützung begabter Schüler ist als bürgerliche Tradition seit dem Mittelalter nachweisbar. Auch zahlreiche Freimaurerlogen machten es sich zur Aufgabe, begabte, aber arme Schüler zu fördern. Sichtbar zum Beispiel an der Unterstützung der Gothaer Loge Zum Rautenkrantz. Mehreren aus armen Verhältnissen stammenden, teils verwaisten Jungen wurde Kost und/oder Erziehung bezahlt. Dies traf auf Wunsch auch auf die Kinder dienender Brüder zu. Vgl. Protokolle der Loge Zum Rautenkrantz (ab 1784: Zum Kompaß), Einträge vom 27. Juli 1779, 26. April 1781, 19. Dezember 1783, 23. Juli 1784, 9. Dezember 1788 und 18. Dezember 1791. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. August 1780, Gesellenloge, Bl. 8, S. 1 Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. August 1780, Gesellenloge, Bl. 8, S. 1. In diesem Zusammenhang muss vor allem der Name Georg Wilhelm Böhmers (1761– 1839) fallen. Der Sohn des Meisters vom Stuhl der ersten Göttinger Loge Friedrich, Georg Ludwig Böhmer, war zwar allem Anschein nach kein Mitglied der Augusta, könnte jedoch über seinen Vater oder seinen Bruder Johann Franz Wilhelm, die wie Forster Freimaurer waren, in Kontakt mit dem berühmten Weltreisenden gekommen sein. Später gehörte Georg Wilhelm zu den Initiatoren
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
Laut den Protokollen fand zwei Stunden nach der Gesellenloge am selben Tag eine Loge des ersten Grades statt, in der mit 25 Anwesenden die Beteiligung wesentlich größer war. Dieselben drei Besucher waren zugegen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass das Schreiben an diesem Tag bei erstmöglicher Gelegenheit verlesen wurde, weil Besucher anwesend waren, die so über das wohltätige Engagement ihrer Gastgeber informiert wurden. In der Lehrlingsloge kam es zu keiner zweiten Verlesung. Die Mitglieder des ersten Grads bekamen die Information vermutlich im Gespräch mit ihren Brüdern informell übermittelt – in der Hierarchie der Loge mussten sie sich also im Zweifelsfall mit Informationen aus zweiter Hand begnügen.
8.2 Von der Armenhilfe bis zur Werbung Auch in der Loge Zum goldenen Zirkel genoss die gemeinschaftliche schriftliche Kommunikation einen hohen Stellenwert. Während beinahe jeder Zusammenkunft kam es zur Verlesung eingegangener Schreiben durch den Meister vom Stuhl, Sekretär oder Redner. Anders als in den Protokollen der Augusta wurden in den Dokumenten der zweiten Göttinger Loge die verlesenen Schreiben, ihre Absender und Herkunft beinahe 20 Jahre lang detailliert festgehalten. Dies ermöglicht eine vergleichsweise präzise geographische Verortung des die Loge umgebenden Kommunikationsnetzwerks sowie Einblicke in die Quantität, mit der Kontakt zu bestimmten Orten gehalten wurde. Die Loge war insbesondere mit anderen Gemeinschaften im heutigen Thüringen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern hervorragend vernetzt. Nach Niedersachsen und Schlesien sowie ins Baltikum wurden intensive Kontakte unterhalten, darüber hinaus auch nach Österreich. Auffällig ist der deutliche Schnitt an der Linie Emden – Kassel – Dresden bis Neisse: Im Südwesten des Reichs wurden nur wenige Kontakte unterhalten, wobei besonders Kaufbeuren und das Saarland, hier repräsentiert durch Saarlouis, herausstechen. Die mit der Großen Landesloge verbundene Gemeinschaft scheint ihre Kommunikation vor allem auf Gebiete im Norden der deutschsprachigen Gebiete konzentriert zu haben. Berlin, Sitz der Landesloge, liegt im Zentrum. Da die Protokolle mit wenigen Ausnahmen Auskunft über den Absender der Briefe geben, sind Korrespondenzen zu bestimmten Orten zumindest in ihrer
des Mainzer Jakobinerclubs, Johann Franz Wilhelm war ab 1784 Mitglied des Illuminatenordens. Vgl. Schwedenkiste, 2. Band, Dok. 89. In der Versammlung am 5. August 1780 war allerdings kein Mitglied der Familie Böhmer anwesend.
8.2 Von der Armenhilfe bis zur Werbung
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Karte 2: Das die Loge Zum goldenen Zirkel umgebende Kommunikationsnetzwerk, basierend auf den erhaltenen Protokollen das Jahre 1773, 1774 und 1779 bis 1793. Europakarte ©Olschewski Medien GmbH
Quantität nachvollziehbar. Die Namen der beiden großen Zentren der deutschen Freimaurerei des 18. Jahrhunderts, Berlin und Hamburg, fallen besonders häufig. Sie waren Sitz der für die Göttinger Loge zuständigen Landes- beziehungsweise Provinziallogen, sowie Heimat zahlreicher weiterer Gemeinschaften. Die Ausdehnung des Korrespondenznetzwerks verdeutlichen Schreiben aus Riga, Königsberg, Wien oder London. Aus dem näheren Umfeld Göttingens unterhielt die Loge Kontakte nach Gotha, Hannover oder Nordhausen. Ganz ähnlich den Dokumenten der Augusta wird auch in den Protokollen der jüngeren Göttinger Gemeinschaft der Inhalt der ausgehenden Schreiben nur in Ausnahmefällen erwähnt: Wenn überhaupt, dann im Zusammenhang mit län-
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
100 80 60 40 20 0
Herkunft der in der Loge „Zum goldenen Zirkel“ zwischen 1773 und 1793 verlesenen Schreiben auswärtiger Logen. Daten für die die Jahre 1775 bis 1778 liegen nicht vor.
geren Briefwechseln mit der Landes- oder Provinzialloge, in denen die Logenversammlung gemeinsam den Inhalt der Antwortschreiben festlegte. Antworten auf die Briefe auswärtiger Logen, die von Stiftungsfesten oder aktuellen Geschehnissen berichteten, wurden nicht protokolliert – über den Grad der Aktivität, mit dem die Göttinger Loge an den Briefwechseln teilnahm, lässt sich daher keine sichere Angabe machen. Angesichts der eingangs beschriebenen Erwartungen, die Zeitgenossen an ihr Gegenüber in privaten Korrespondenzen stellten, muss davon ausgegangen werden, dass die meisten eingehenden Schreiben beantwortet wurden. Die Grafik veranschaulicht die Anzahl der in der Loge verlesenen Schreiben laut Protokoll: 50 40 30 20 10 0 1773 1774
1779 1780 1781 1782 1783 1784 1785 1786 1787 1788 1789 1790 1791 1792 1793
Anzahl der in der Loge „Zum goldenen Zirkel“ zwischen 1773 und 1793 verlesenen Schreiben auswärtiger Logen. Daten für die Jahre 1775 bis 1778 liegen nicht vor.
In den Jahren 1783 und 1793 kamen mehr Briefe in Göttingen an als in der Grafik angegeben – in den Protokollen der entsprechenden Jahrgänge wurde mehrfach vermerkt, dass „verschiedene Briefe“ oder Schreiben verlesen wurden,
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ihre Herkunft und Anzahl wurden aber nicht protokolliert. In der Grafik sind diese Eintragungen nicht berücksichtigt, die tatsächliche Zahl war also höher als in der Grafik dargestellt und es kam nicht, wie vielleicht auf den ersten Blick angenommen, zu einem Einbruch der Kommunikation kurz vor Auflösung der Loge.¹⁵² In der Chronologie der Versammlung fand die Verlesung von Briefen, Schreiben und Mitgliederlisten meist während der Vorbereitung der Anwärter auf ihre Rezeption, Weiterführung oder aber gegen Ende der Zusammenkunft statt. Die Verlesung der Schreiben während sich aus dem zeremoniellen Ablauf ergebender Wartezeiten lässt den offiziellen Schriftverkehr innerhalb der Agenda beinahe als eine Art Lückenfüller erscheinen, der immer dann aufgerufen wurde, wenn sich sonst eine Wartezeit ergeben hätte. Aus diesem Umstand sollten jedoch keine Rückschlüsse auf die Wertschätzung gezogen werden, die man der schriftlichen Kommunikation zustand, sondern dies vielmehr als Indiz eines ökonomischen Umgangs mit der Zeit verstehen. Schon die Menge der eingehenden Schriftstücke zeigt deutlich, dass zur Aufrechterhaltung der zahlreichen Korrespondenzen ein beträchtlicher Arbeitsaufwand absolviert wurde, den die Beamten der Loge – allen voran der Sekretär – abseits der Versammlungen zu bewältigen hatten. Bevor auf ein weitreichendes Kommunikationsnetzwerk zugegriffen werden konnte, mussten erst Korrespondenzen initiiert werden. Die erste Korrespondenz einer Loge fand in der Regel während des Gründungsprozesses mit der jeweiligen Großloge und der zuständigen Provinzialloge statt. Die Annahme der Loge und die Ausstellung der Konstitutionsurkunde musste beantragt werden, denn erst mit Erhalt der Konstitutionsurkunde galt eine Loge als regulär.¹⁵³ Bei Gründung der
Über die Ursache für die nachlässige Protokollierung der Spätzeit der Loge lässt sich nur spekulieren. Hatte der Enthusiasmus für die Freimaurerei in Göttingen nachgelassen und die Ämter, auch das des Sekretärs, wurden nur noch lustlos geführt? Oder ahnte man, dass bald schwere Zeiten für die Göttinger Freimaurerei anbrechen würden und wollte möglichst wenige Spuren in den Protokollen hinterlassen? In den Dokumenten finden sich keine Hinweis darauf, dass die Loge ihre eigene Existenz als bedroht angesehen hätte. Im Gegenteil: Noch Anfang November 1793 wurde der aus Hamburg stammende Kandidat der Theologie und Lehrling Johann John in den Gesellengrad weitergeführt. Dies war nicht das Verhalten einer Gemeinschaft, die ihr Bestehen als gefährdet ansah. Das Verbot scheint die Loge also überrascht zu haben. Beide Göttinger Logen waren davon ausgegangen, dass das drohende Verbot nur die zu dieser Zeit äußerst populären Studentenorden treffen würde. Auf Nachfrage bestätigte sich aber, dass auch die Freimaurerei unter den Bann fiel. Die Logen lösten sich auf, die Studentenorden jedoch trotzten dem Verbot noch jahrelang. Vgl. Protokolle der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 1. Oktober 1793 und 5. November 1793; Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 237 f. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S.620 ff.
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
Loge Zum goldenen Zirkel 1773 verlief dieser Prozess nicht reibungslos und wurde erst nach über einem Jahr unter dem dritten Meister vom Stuhl, Behm, abgeschlossen.¹⁵⁴ Als es endlich so weit war, erfuhren die Göttinger erst mit erheblicher Verzögerung von der Annahme ihrer Loge, nachdem sie mehrere Monate vergeblich auf die Konstitutionsurkunde gewartet hatten: Nach geendigter Loge legte der S[ehr] E[hrwürdige] Großmeister Br[uder] Behm einen Brief vor, den ein in der Berliner Loge aufgenommener Lehrling von da mitgebracht hatte. Er wurde in Gegenwart der sämtlichen anwesenden Brüder aufgebrochen, und von dem Secretair vorgelesen. Es war darinnen die Verfügung enthalten, daß daß unsere Loge Zum goldenen Zirkel bereits als eine gesetzmäßige Loge unter der Nummer 23 recipiert worden sein, daß die Große Landesloge wegen vieler Logen Geschäfte die Constitution selbst noch nicht hätte ausfertigen können.¹⁵⁵
Auch hier begegnet dem Leser wieder der reisende Freimaurer als Bote. Für einen Lehrling bedeutete der Transport wichtiger Dokumente eine große Verantwortung und damit auch einen Vertrauensbeweis, der ihm auf seiner Reise manche Tür geöffnet haben mag und sicherlich auch zum raschen weiteren Aufstieg durch die Grade beitrug. Aber nicht immer stand ein Bruder bereit, der auf seinen Reisen Briefe austragen konnte. Als Ende September 1774 der Brief der Großen Landesloge in Berlin eintraf, war klar, dass es sich nur um ein Schreiben handeln konnte, das in Bezug zur sehnlichst erwarteten Konstitutionsurkunde stand. Der Vorsitzende Behm ließ das Siegel in Gegenwart der versammelten Brüder aufbrechen und den Brief durch den Sekretär verlesen.¹⁵⁶ In den Protokollen der Loge ist dies der einzige Eintrag, in dem die Versiegelung eines Schreibens explizit erwähnt wird.¹⁵⁷ Die Loge Zum goldenen Zirkel erhielt schließlich doch noch ihre Konstitutionsurkunde. In dem betreffenden Schreiben wurde erklärt, dass die Urkunde bis Ende des Monats ausgestellt werden sollte und dann von der Großen Landesloge
Vgl. Kap. 3. Auf die teils langen Wartezeiten zwischen Gründung, und offizieller Anerkennung einer Sozietät, geht Markus Meumann in seinem Aufsatz zu Verhaltensregeln und Hierarchien in der Aufklärung ein. Vgl. Markus Meumann, Zur Poetologie von Verhaltensregeln und Hierarchien in der Aufklärung – Konstitutionsschriften von Gesellschaften, Logen und Geheimbünden des späten 18. Jahrhunderts, in: Zaunstöck und Meumann (Hrsg.), Sozietäten, Netzwerke, Kommunikation – Neue Forschungen zur Vergesellschaftung im Jahrhundert der Aufklärung, S. 128. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 22. September 1774, Meisterloge, Bl. 24, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 22. September 1774, Meisterloge, Bl. 24, S. 1. Trotzdem ist davon auszugehen, dass viele der Schreiben versiegelt waren, denn es handelte sich auch bei weniger formellen Schreiben um freimaurerische Interna.
8.2 Von der Armenhilfe bis zur Werbung
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in Berlin zur Provinzialloge nach Hamburg übersandt werden würde. Dort läge sie dann für einen Vertreter der Göttinger Loge zur Abholung bereit. Behm selbst übernahm diese Aufgabe.¹⁵⁸ Auch wenn es eine mehrtägige Reise nach Hamburg bedeutete, handelte es sich doch auch um eine gute Gelegenheit für den Vorsitzenden, sich bei der Provinzialloge bekannt zu machen.
Aufnahme eines Briefwechsels Die Protokolle geben keine Auskunft darüber, auf welche Art der Austausch mit fremden Logen initiierte wurde. Es ist davon auszugehen, dass nach Annahme und Ausstellung der Konstitutionsurkunde die Göttinger Gemeinschaft andere ebenfalls mit der Großen Landesloge verbundene Gemeinschaften anschrieb, um mit ihnen in Korrespondenz zu treten. Da die ausgehenden Schreiben jedoch nur selten erwähnt werden, lässt sich dieses Verhalten nur indirekt belegen. In den Protokollen sind jedoch mehrere Einträge erhalten, in denen beschrieben wird, dass auswärtige Logen mit dem Wunsch eine Korrespondenz zu initiieren an die Göttinger Brüder herantraten. Der Protokolleintrag zur Verlesung eines Schreibens aus Libau aus dem Sommer 1781 illustriert, wie neugegründete Gemeinschaften sofort auf ihre Einbindung in das kommunikative Netzwerk hinarbeiteten: Der hochw[ürdige] Gr[oß] Mstr. verlas ein Schreiben aus der neu errichteten Loge Irene zu Libau, welche vom Br[uder] Graf Ketler eröffnet worden.¹⁵⁹
Ob die Göttinger Gemeinschaft auf das Schreiben aus dem heutigen Lettland antwortete, bleibt unklar. Dass die Beantwortung eingehender Schreiben im Normalfall selbstverständlich war, zeigt sich an einer 1791 verfassten Eintragung deutlich: … verlaß der Hochwürdige einige Briefe u[nd] zwar 1) aus der Loge zu den 3 Palmen in Leipzig 2) von der Loge zum silbernen Schlüssel in Bremen, welche beyde Logen hiermit eine Correspondez mit unserer ehrwürdigen Loge eröffnet haben, 3) von der Loge zum goldenen Hirsche in Oldenburg.¹⁶⁰
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 22. September 1774, Meisterloge, Bl. 24, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 15. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 60, S. 2. Libau bezieht sich vermutlich auf das heutige Liepāja in Lettland. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. September 1791, Lehrlingsloge, Bl. 121, S. 1.
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
Ein eingehendes Schreiben aus einer bislang nicht in Kontakt mit den Göttinger Brüdern stehenden Loge bedeutete offenbar automatisch die Eröffnung einer neuen Korrespondenz – im Umkehrschluss folgte daraus aber auch, dass bei ausbleibender Antwort Korrespondenzen schnell abbrechen konnten. Der Goldene Zirkel beschränkte seine Korrespondenzen nicht auf Logen, die ebenfalls der Großen Landesloge unterstellt waren. Aus Magdeburg erreichte Ende 1789 ein Schreiben Göttingen, das sich in dieser Hinsicht von anderen Schriftstücken unterschied: … verlaß der hochw[ürdige] Gr[oß] Mstr. ein Schreiben aus der Loge Ferdinand zur Glückseligkeit in Magdeburg von der Strickten Observanz, die mit unserer Loge einen besonderen Briefwechsel zu haben wünschte.¹⁶¹
Weitere Schreiben aus der Stadt an der Elbe wurden im September 1790 und im August 1792 verlesen.¹⁶² Eine – wenn auch nicht besonders rege – Korrespondenz wurde also gepflegt. Dass ein solcher Austausch mit Logen anderer Systeme dennoch keinesfalls eine Selbstverständlichkeit war, zeigt ein Beispiel aus dem Frühjahr 1785. Der Meister vom Stuhl, Jäger, verlas während einer Zusammenkunft Anfang Februar dieses Jahres gleich fünf eingegangene Schreiben, von denen besonders das dritte bemerkenswert ist: Es wurden hierauf 3 Schreiben, das erste aus der Loge zu den 3 Kleeblättern in Aschersleben, das 2te aus der Loge zum Pilgrim in Berlin und das 3te aus der Grossen Loge der Stricten Observanz Gottfried zu den 7 Sternen in Hamburg vorgelesen. Die beiden ersten betrafen die jährlichen Veränderungen dieser Logen, das 3te aber eine Einladung zum Briefwechsel der auch ein Verzeichnis von 3 Logen dieser Observanz in Hamburg beigefügt war.¹⁶³
Bei dem Schreiben aus Hamburg handelt es sich um den Versuch einer ehemaligen Loge der Strikten Observanz, mit dem Goldenen Zirkel in Korrespondenz zu treten.¹⁶⁴ Die Hamburger Loge hatte sich nach dem Wilhelmsbader Konvent von der Strikten Observanz abgewandt und wollte ein auf den drei Johannisgraden
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. Dezember 1789, Lehrlingsloge, Bl. 89, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 7. September 1790 und 7. August 1792, Lehrlingslogen, Bl. 100, S. 2 und 130, S. 2. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 8. Februar 1785, Lehrlingsloge, Bl. 2, S. 1. Zu Geschichte und Prosopographie der Berliner Loge Zum Pilgrim vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 2. Band, S. 679 ff. Zur Trennung der Loge Gottfried zu den 7 Sternen von der Strikten Observanz als Folge des Wilhelmsbader Freimaurerkonvents vgl. Hammermeyer, Der Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent von 1782, S. 78.
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basierendes System einführen.¹⁶⁵ Auf diese Weise hoffte die Hamburger Loge von den Streitigkeiten zwischen den verschiedenen Systemen verschont zu bleiben. Die Tore der Loge standen Besuchern aller Spielarten offen.¹⁶⁶ Anders als bei den Schreiben aus Leipzig und Bremen kam es nicht zur Aufnahme einer Korrespondenz. In Göttingen scheinen Bedenken dagegen geherrscht zu haben, denn drei Monate nach der Verlesung des Schreibens wurde die Frage, ob mit der Loge Gottfried zu den 7 Sternen eine Korrespondenz aufgenommen werden sollte, in einer Versammlung des dritten Grads erneut diskutiert: Nachdem die Br[üder] Meister versammelt waren, befrug der hochw[ürdige] Großmeister gegenwärtige Meister wie er in Ansehung des Briefwechsels zwischen der so genannten Großen Logen Loge in Hamburg, welche sich von der Stricten Observanz getrennt, und der unseren in der Folge gehalten werden sollte.¹⁶⁷
Die ausschließliche Befragung der Meister ist ein bemerkenswerter Unterschied zum Umgang mit dem Besuch von Mitgliedern der Strikten Observanz, denn über den Zugang von Besuchern stimmte die Lehrlingsloge ab.¹⁶⁸ 1785 ließ die Loge bereits seit Jahren Besuchende Brüder der strikten Observanz an Versammlungen der Loge teilnehmen. Für die schriftliche Korrespondenz scheinen demnach strengere Regeln gegolten zu haben als für den persönlichen Besuch. Dafür gab es gute Gründe: Ein Gespräch ist relativ leicht zu kontrollieren, der weitere Umgang mit Schriftstücken für den Absender aber nicht mehr nachvollziehbar – weder hinsichtlich des Zeitpunktes, zu dem ein Dokument wieder hervorgeholt werden, noch hinsichtlich des Umfeldes, in dem das geschehen könnte. Auf der Suche nach einer Lösung des Problems entschied man sich bei befreundeten Logen in Hamburg nachzufragen: Die Brüder Meister beschlossen, daß er wohl rathsamer wäre, sich vorläufig bei irgend einem Bruder in Hamburg zu erkundigen, in welchem Vernehmen die verbesserten Logen mit dieser Loge ständen, bevor die Corespondenz angefangen würde, damit wir bei der hochw[ürdigen] Gr[oßen] Landesloge nichts zu verantworten hätten, welches dann auch vom hochw[ürdigen] Großmeister genehmigt wurde.¹⁶⁹
Hammermeyer, Der Wilhelmsbader Freimaurer-Konvent von 1782, S. 78. Vgl. Journal für Freymaurer – Als Manuskript gedruckt für Brüder und Meister des Ordens. Herausgegeben von den Brüdern der Loge zur wahren Eintracht im Orient von Wien, 2. Band, Wien 1785, S. 249. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. Mai 1785, Meisterloge, Bl. 6, S. 2. Vgl. Kap. 6. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. Mai 1785, Meisterloge, Bl. 6, S. 2.
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Grundsätzlich scheint auf Seiten der Göttinger Brüder Interesse an der Aufnahme einer neuen Korrespondenz bestanden zu haben. Aus Bedenken die Große Landesloge zu verärgern, entschied man sich zur Rücksprache mit anderen Hamburger Logen. Damit endet die Schilderung des Falls in den Protokollen. Ob und wenn ja, an welche Hamburger Logen man sich wandte, wurde eben so wenig verzeichnet wie weitere eingehende Schreiben der Loge Gottfried zu den 7 Sternen – es scheint keine Korrespondenz aufgenommen worden zu sein.
Offizielle Schreiben Bereits besprochen wurde ein offizielles Schreiben der Großen Landesloge, welches die Göttinger Loge über die bereits erfolgte Ausstellung der Konstitutionsurkunde informierte. 16 Jahre später wurde im Protokoll erneut ein Briefwechsel mit der Großen Landesloge festgehalten. Zwischen der Landesloge und der Göttinger Gemeinschaft war ein Streit über die Höhe der an die Landesloge zu zahlenden Abgaben entbrannt. Im März 1790 diskutierten die Loge, wie sie auf eine aus Berlin eingegangene Zahlungsaufforderung reagieren sollten: Hierauf verlaß der hochw[ürdige] Großmeister ein Schreiben aus der großen Landesloge in Berlin, darin wir an die Abtragung der seit 1783 zurückgehaltenen Drittel erinnert wurden, wie auch die Antwort darauf von Seiten unserer Loge, die die Ursache dieser Nichtabtragung und Vorschläge enthielt, wie wir uns künftig gegen die Berliner Loge in Rücksicht der Abgaben verhalten könnten. Die Vorschläge waren diese: jährlich statt der Drittel ein Capital von 1000Th[aler] zu 5 pr[o] C[ent] zu verzinsen, oder eines für alles 300Th[aler] Capital so gleich zu erlegen e e .¹⁷⁰
Vor Ausstellung der Konstitutionsurkunde musste jede Loge, die sich der Großen Landesloge anschließen wollte, eine schriftliche Verpflichtung unterschreiben. Darin wurden die Verpflichtungen gegenüber der Großen Landesloge genau geregelt. Ab dem Zeitpunkt der Konstituierung war vierteljährlich von allen Rezeptions- und Weiterführungsgebühren ein Drittel an die Kasse der Großen Landesloge abzuführen. Außerdem war vierteljährlich ein Louisd’or an die Allgemeine Armenkasse der Landesloge abzuführen.¹⁷¹ Immer wieder musste die Große Landesloge jedoch säumige Logen an ihre Verpflichtungen erinnern.¹⁷²
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. März 1790, Lehrlingsloge, Bl. 91, S. 1. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 620 f., 629 f. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 630 f.
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Der Mahnung zu folgen und das ausstehende Drittel zu zahlen, kam scheinbar nicht in Frage; der Lösungsansatz wurde offenbar nicht diskutiert. Das Protokoll ist so zu verstehen, dass entweder 1000 Taler zu fünf Prozent pro Jahr zugunsten der Landesloge angelegt oder die Erledigung der Verbindlichkeit durch eine Einmalzahlung von 300 Talern an diese erreicht werden sollte. Die beiden Lösungen wurden zur Diskussion gestellt, von den anwesenden Logenmitgliedern angenommen und der Landesloge übermittelt.¹⁷³ Zwei Monate später kam die Antwort aus Berlin. Der Vorsitzende Jäger: … verlaß … ein Antwort Schreiben der großen Landesloge in Berlin, auch die selbige von Seiten unserer gethanen Vorschläge, in Betracht der oekonomischen Ungelegenheiten, mit Bekanntmachung des von Seiten der Beamten der Loge darüber genommenen Entschlusses, und den Bedanken an sämtliche gegenwärtigen Brüder, ihre etwaige Einwendungen dagegen binnen zwey Tagen bey dem Hochwürdigen anzuzeigen.¹⁷⁴
Diese Antwort der Großloge deutet darauf hin, dass die Göttinger eine angespannte finanzielle Situation angeführt hatten, um so die nach Berlin abzuführenden Zahlungen zu reduzieren. Aus der Eintragung geht nicht hervor, ob die Landesloge sich auf einen Vorschlag der Göttinger Brüder einließ, aber offenbar akzeptierte sie das Argument der „oekonomischen Ungelegenheiten“. Die Protokolleinträge rund um die finanziellen Auseinandersetzungen stellen innerhalb der erhaltenen Dokumente der Loge Zum goldenen Zirkel eine Ausnahme dar, denn meist besteht der Inhalt offizieller Schreiben aus stets wiederkehrenden standardisierten Formulierungen (man würde heute von Textbausteinen sprechen), was mit stets wiederkehrenden Kommunikationsanlässen zusammenhängt: Am häufigsten verwendet wurden die Formulierungen, die sich auf die Bekanntmachung des Stiftungstags oder auf Veränderungen in der Loge beziehen. Die Häufigkeit, mit der Schreiben verlesen wurden, die auswärtige Logen anlässlich ihres Stiftungstags versandten, deutet darauf hin, dass auch in Göttingen der nahende Stiftungstag eine Zeit der Erstellung zahlreicher solcher Schreiben einläutete. Als Beispiele dafür, wie im Protokoll die meisten der zahlreichen Schreiben, die auswärtige Logen anlässlich ihrer Stiftungstage nach Göttingen schickten, protokolliert wurden, sollen an dieser Stelle zwei Einträge aus den Jahren 1781 und 1784 dienen. Im ersten Beispiel verlas der Vorsitzende Behm ein Schreiben aus Wien:
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 2. März 1790, Lehrlingsloge, Bl. 91, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Mai 1790, Lehrlingsloge, Bl. 94, S. 2.
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Der hochw[ürdige] Groß Meister verlas ein Schreiben aus der Loge zu gekrönten Hoffnung zu Wien, worin sie ihren Stiftungstag meldeten, und die Nahmen der Mitglieder bekannt machten.¹⁷⁵
Im zweiten Beispiel verlas Behm ein aus Berlin eingetroffenes Schreiben: Vom Hochw[ürdigen] wurde ein 2tes Schreiben aus der Loge zur Beständigkeit in Berlin verlesen, darin die Feier ihres 7ten Stiftungstages angezeigt wurde, und daß der bisherige Logen Meister seines Amtes entsetzt sey.¹⁷⁶
Der Hinweis auf den Wechsel an der Spitze einer anderen Loge ist in den erhaltenen Protokollen einzigartig. Vermutlich handelte es sich nicht – wie die Formulierung anzudeuten scheint – um eine Absetzung. Der Vorsitzende der Loge, August Michael Brandes (1737– 1783), musste krankheitsbedingt zurücktreten.¹⁷⁷ Natürlich konnte aus Platzgründen nicht jede Neuaufnahme oder Abgang von Mitgliedern befreundeter Logen protokolliert werden. Wichtige personelle Veränderungen fanden dagegen durchaus ihren Weg in die Protokolle. Dies galt nicht nur für die Abwahl von Vorsitzenden, sondern auch im Fall des Todes von besonders einflussreichen Freimaurern, wie ein Beispiel aus dem Jahr 1784 zeigt: Der hochw[ürdige] G[roß] M[eister] verlas ein Schreiben aus der Ehrw[ürdigen] Loge zu den 3 Rosen in Hamburg, der Inhalt desselben betraf die 14te Stiftungsfeier und Veränderungen dieser Loge. Es wurde auch darin angezeigt daß der hochw[ürdige] prov[inzial] Groß Meister Charles Hambary in London gestorben sey.¹⁷⁸
Der Begriff der Veränderungen bezieht sich auch hier vermutlich auf die personalia, also auf die abgegangenen und zugekommenen Mitglieder während des letzten Jahres. Zusätzlich informierte die Hamburger Loge über den Tod des Londoner Großmeisters.¹⁷⁹
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 31. Mai 1781, Lehrlingsloge, Bl. 56, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 27. November 1781, Lehrlingsloge, Bl. 69, S. 1. Zu Geschichte und Prosopographie der Berliner Loge Zur Beständigkeit vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 2. Band, S. 671 ff. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 2. Band, S. 673, 754. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 11. Mai 1784, Lehrlingsloge, Bl. 129, S. 1 Der am 9. August 1750 geborene Charles Hanbury (im Göttinger Protokoll falsch geschrieben) war einer der sogenannten „Stabilitores“, der 12. Gründer der Hamburger Loge Zu den 3 Rosen. Zum Zeitpunkt der Gründung war der junge englische Kaufmann, der in Hamburg geboren war, 20 Jahre alt. Sein Vater, John Hanbury der Jüngere, war 1716 noch in London geboren worden, dort zum Freimaurer aufgenommen worden und starb 1785 in Hamburg. Charles Hanburg war Teilhaber des von seinem Vater gegründeten Handelsunternehmens „Halsey and Hanbury“. Häufig
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Die Information über den Tod einflussreicher Freimaurer war seltener, aber wichtiger Bestandteil der offiziellen Schreiben, denn ihr Tod konnte – wie am Beispiel Herzog Ferdinands beschrieben – große Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der Freimaurerei haben. Auch als 1782 Johann Wilhelm Kellner von Zinnendorf verstarb, erreichte die Nachricht Göttingen in Form eines Schreibens: Der hochw[ürdige] Großmeister verlas darauf ein Schreiben aus der ehrw[ürdigen] Loge zu den drei goldenen Schlüsseln in Berlin, darin derselben Loge 14ter Stiftungstag bekannt gemacht und zugleich angezeigt wurde, daß der bisherige hochwürdige Großmeister v[on] Zinnendorf durch den Todt ihnen entrissen wäre.¹⁸⁰
Zinnendorf verstarb während einer Logenarbeit – bis zu seinem Tod hatte er das Amt des Landes-Großmeisters inne gehabt.¹⁸¹ In den weiteren erhaltenen Protokollen spielen er oder sein Nachfolger Frédéric de Castillon keine Rolle.¹⁸² Nur wenige offizielle Schreiben handeln von Todesfällen und der Absetzungen von Logenmeistern.¹⁸³ Meistens wurden alltägliche Geschehnisse, Formali-
hielt er sich in London auf, pflegte dort exzellente Verbindungen und nahm auch an Arbeiten der Schottengrade teil. Am 30. November 1773 gelang es ihm, einen Freundschaftsvertrag zwischen der Großloge von London und der Großen Landesloge zu Berlin abzuschließen. Ab 1777 war er Provinzial-Großaufseher und von 1779 bis 1783 Provinzial-Großmeister der Provinzialloge von Niedersachsen. 1781 wurde er Generalkonsul Großbritanniens in Hamburg. Charles Hanbury starb am 12. November 1783 in Hamburg; ein weiterer Fehler im Protokoll des Goldenen Zirkels. Die Loge Zu den 3 Rosen gedachte dem Verstorbenen am 20. Dezember 1783 mit einer Trauerloge und anschließender Tafel. Für die Informationen zu Hanbury danke ich Gernot Riebenstein, Alt-Logenmeister der Loge Zu den 3 Rosen. Vgl. auch Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 606 f. sowie die Festschrift 225 Jahre Johannisloge Zu den 3 Rosen, Hamburg 1995. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. Oktober 1782, Lehrlingsloge, Bl. 93, S. 1. Sein Nachfolger wurde Frédéric de Castillon, ein seit 1763 in Berlin lebender Gelehrter, der ab 1787 eine Professur für Philosophie an der Militär- und Artillerieakademie annehmen sollte und seit 1786 Mitglied der Preußischen Akademie der Wissenschaften war. Vgl. Christian Thiel: Castillon, Friedrich Adolf Maximilian Gustav von, in: Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie, herausgegeben von Jürgen Mittelstraß. Zweite Auflage, 2. Band, Stuttgart 2005, S. 30. Zu Castillon vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 2. Band, S. 680. In der Weimarer Loge der Strikten Observanz Amalia scheint der Tod des Landesgroßmeisters eines konkurrierenden freimaurerischen Systems mit dazu beigetragen zu haben, die im Wilhelmsbader Konvent aufgetretenen Streitigkeiten über die Fortführung des Systems der Strikten Observanz auch innerhalb der Loge voll zu entfachen. Vgl. Bauer, Müller, Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben, S. 114 ff. Bedenkt man, wie tief getroffen Behm auf seine Abwahl im Januar 1783 reagierte, erscheint ein Rundschreiben wie dieses als für den Betroffenen noch zusätzlich unangenehm. Vgl. Kap. 6.
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täten und Veränderungen in dem von Zinnendorf begründeten System thematisiert. 1786 traf ein Brief aus dem Baltikum in Göttingen ein: Der Hochw[ürdige] verlas … ein Schreiben aus der Loge Apollo in Riga, darin angezeigt wurde, daß sie der Berliner Verbindung entsagt und sich zur Petersburger Provinzialloge gewand hätten.¹⁸⁴
Mit der Loge Apollo verband die Göttinger Gemeinschaft ein mehrjähriger Briefwechsel, der sich anhand der Protokolle seit 1779 nachvollziehen lässt. Nach 1786 wurden keine weiteren Schreiben der Loge Apollo verlesen – die Korrespondenz kam offenbar als Folge des Lossagens von der Großen Landesloge zum Erliegen.¹⁸⁵ Zwar erreichten weiterhin Briefe der Logen Castor und Zur kleinen Welt aus Riga Göttingen, aber eine regelmäßige Korrespondenz wie mit der Loge Apollo scheint mit diesen Gemeinschaften nicht unterhalten worden zu sein.¹⁸⁶ Die Göttinger verloren so ihre wichtigste Informationsquelle im Baltikum.¹⁸⁷ Neben wichtigen Personalia informierten die offiziellen Schreiben also auch über Veränderungen innerhalb der Organisation der Logen innerhalb der verschiedenen Systeme und den Einfluss der verschiedenen Groß- und Provinziallogen. Im Herbst 1783 verlas der Vorsitzende Jäger einen Brief aus der Loge Zur Linde in Leipzig: Auch wurde ein Schreiben aus der ehrw[ürdigen] Loge zur Linde in Leipzig verlesen, es wurde uns darin berichtet, daß jetzt die Loge diesen Nahmen erhalten, nachdem durch die
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Juli 1786, Lehrlingsloge, Bl. 30, S. 1. Ein Vergleich mit dem abwartenden, ablehnenden Verhaltens gegenüber der Hamburger Loge Gottfried zu den 7 Sternen liegt nahe. Vgl Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 6. März 1782, 6. März 1787 und 1. Oktober 1793, Lehrlingslogen, Bl. 77, S. 2, 39, S. 2 und 146, S. 2. Dieser Verlust kann sehr schwer wiegen, wenn man bedenkt, dass zunächst im Mittelalter durch die Hanse und in der Neuzeit durch die von Norddeutschland ausgehende lutherische Reformation über die wirtschaftlichen Interessen hinaus ein bedeutender kultureller Austausch mit dem Baltikum bestand. Zu den kulturellen Klammern gehörte zweifelsohne auch die Freimaurerei. Die zahlreichen Studenten, die aus dem Baltikum nach Göttingen kamen belegen den kulturellen Austausch noch einmal in besonderer Weise, zumal auch der Großteil der als Russen geführten Personen als eigentlich von baltischen Familien abstammend gesehen werden müssen; mit Ausnahme allenfalls derer, die der orthodoxen Konfession angehörten, aber auch das ist kein verlässliches Indiz, weil zahlreiche Balten in russische Familien einheirateten und zur Orthodoxie konvertierten, man denke an Katharina die Große.Vgl. Claus Scharf, Katharina II. von Russland – Aufgeklärter Absolutismus und Großmachtpolitik, in: Susan Tipton und Sven Lüken, Katharina die Große, Ausstellungskatalog hrsg. vom Museum Fridericianum Kassel, 13. Dezember 1997 bis 8. März 1998, Kassel 1997, S. 18. Zu den Logen Castor, Apollo und Zur kleinen Welt vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 1. Band, S. 195 ff., 209.
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hochw[ürdige] Große Landesloge die Streitigkeiten, die schon in der Loge Balduin geführt, beigelegt.¹⁸⁸
Eine Korrespondenz mit der Loge Balduin lässt sich im Protokoll seit Herbst 1779 nachweisen.¹⁸⁹ Worin der Streit, der zur Umbenennung der Leipziger Loge führte, bestand, geht aus dem Eintrag nicht hervor. Heute arbeitet in Leipzig die Loge Balduin zur Linde als Nachfolgerin der beiden Logen des 18. Jahrhunderts. Die Loge Zum goldenen Zirkel stand bis zu ihrer Auflösung 1793 weiter im Austausch mit den Brüdern der bedeutenden Messestadt. Eine langjährige Korrespondenz verband die Göttinger Gemeinschaft auch mit der Loge Zu den 3 Reisbrettern in Altenburg. In den erhaltenen Protokollen finden sich Hinweise auf neun Schreiben, die zwischen 1781 und 1792 aus der ehemaligen thüringischen Residenzstadt eingingen. Die Mehrzahl der Eintragungen zu diesen Schreiben ist in der Form der beiden eingangs beschriebenen Beispiele gehalten, drei Schreiben wurden aber genauer protokolliert. Am Rand eines Protokolleintrags aus dem Sommer 1781 findet sich eine nachträglich hinzugefügte Anmerkung, die sich auf die vier an diesem Tag in der Loge verlesenen Schreiben bezieht. Eines davon stammte aus Altenburg, „… welches die Beförderung des Delicts wegen der Gedichte betraf …“ ¹⁹⁰ Welches Delikt hier gemeint ist, und in welchem Bezug es mit den Gedichten stand, wird nicht näher erläutert. Ein Jahr später wandten sich die Thüringer erneut an die Göttinger Brüder, diesmal um Unterstützung für die Witwe eines verstorbenen Bruders zu erbitten: Der hochw[ürdige] Groß Meister verlas ein Schreiben aus der ehrw[ürdigen] Loge zu den 3 Reisbrettern zu Altenburg, dessen Inhalt die Abnahme der Gedichte des verstorbenen Bruders Lenz betraf. Es wurde sehr darum nachgesucht, daß man die noch vorräthigen Exemplare abnehmen möge, weil es zur Unterstützung der Witwe des verstorbenen Bruders geschehen sollte. Der hochw[ürdige] Groß Meister bat daher daß diejenigen Brüder welche Exemplare haben wollten, ihre Namen bei mir aufschreiben mögen.¹⁹¹
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. November 1783, Lehrlingsloge, Bl. 118, S. 1. Zur Geschichte der Leipziger Freimaurerei vgl. Beachy, Club Culture and Social Authority, S. 162 ff. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 17. Juli 1781, Lehrlingsloge, Bl. 59, S. 1. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. September 1782, Lehrlingsloge, Bl. 89, S. 2.
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Der Protokolleintrag anlässlich des Schreibens aus Altenburg zeigt anschaulich, dass auch die Loge Zum goldenen Zirkel Ziel von Schreiben war, in denen um wohltätige Unterstützung gebeten wurde.¹⁹² Dabei beschränkte man sich nicht auf Brüder in Not, sondern half auch Hinterbliebenen. Bei dem Verstorbenen handelte es sich um Ludwig Friedrich Lenz (1717– 1780), einen aus Altenburg stammenden Hofrat, der bereits 1746 Freimaurerlieder verfasst hatte. Nach seinem Tod wurde sein Werk in einem Sammelband herausgegeben.¹⁹³
Halboffizielle Schreiben Im Vergleich zu den offiziellen Schreiben machen halboffizielle Schreiben nur einen kleinen Teil der bekannten Korrespondenzen aus. Der Übergang zwischen offiziellen und halboffiziellen Schreiben ist dabei fließend; vor allem bei von einzelnen Personen im Auftrag einer größeren Gruppierung verfassten Briefen fällt eine Kategorisierung schwer. So beispielsweise im Juni 1780, als der Repräsentant der Loge Zum goldenen Zirkel bei der Hamburger Provinzialloge, Johann Christian Printzhausen, sein Amt niederlegte.¹⁹⁴ Als Fähnrich beim InfanterieRegiment Sachsen-Gotha war er Jahre zuvor an der Gründung der Göttinger Loge beteiligt gewesen. Zu seinem Nachfolger schlug er Gerhard Philipp Heinrich Norrmann vor, der nun an seiner Stelle die Brüder in Göttingen über Neuigkeiten aus Hamburg informieren sollte.¹⁹⁵ Die Göttinger Loge stimmte Printzhausens Vorschlag zu und stellte Norrmann die entsprechende Vollmacht aus. Im August 1780 verlas Behm ein Schreiben der Hamburger Provinzialloge und ein weiteres vom neuernannten Repräsentanten Norrmann: D[er] H[och] W[ürdige] ließ ein Schreiben v[on] d[er] ehrw[ürdigen] Provinzial Loge verlesen, u[nd] lasen selbst ein Schreiben von dem H[och] W[ürdigen] Br[uder] Norrmann aus Ham-
Bei Gerlach finden sich Beispiele ähnlicher Werbung für freimaurerische Schriften aus den Protokollen der Berliner Gemeinschaften der Großen Landesloge. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S.645. Lenz, Ludwig Friedrich, in: Allgemeine Deutsche Biographie, 18. Band, Leipzig 1883, S. 278. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 24. Juni 1780, Lehrlingsloge, Bl. 30, S. 2. Der ursprünglich aus Hamburg stammende Norrmann war laut Mitgliederliste am 10. Januar 1776 in Göttingen als Lehrling aufgenommen worden. Während seines Studiums beschäftigte er sich mit Kameralwissenschaften und stieg bis zum Meister auf. Nach seinem Studium verließ er Göttingen wieder in Richtung seiner Heimatstadt. Dort wurde er am 4. Mai 1778 in die Loge Zum goldenen Anker aufgenommen.
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burg vor, der uns für die Representanten Stelle, die wir ihm aufgetragen hatten, dankte und alle mögliche Sorgfalt für unsere Loge anzuwenden versprach.¹⁹⁶
Norrmann stand in der Folge mit seiner ehemaligen Mutterloge in Austausch und berichtete über wichtige Ereignisse in und um die Provinzialloge und trat in Hamburg für ihre Interessen ein. In zwei weiteren Eintragungen des Protokollbuchs werden Schreiben Norrmanns thematisiert. Im ersten berichtet der Repräsentant, dass in Hamburg die Groß- und Provinzialbeamten wiedergewählt worden seien, im anderen über den Tod Zinnendorfs. Sein Schreiben diesbezüglich wurde am selben Tag verlesen wie das bereits erwähnte offizielle Schreiben aus Berlin.¹⁹⁷ Der Brief belegt erneut den schon zuvor angesprochenen, nicht zielgerichteten Informationsaustausch zwischen (befreundeten) Logen, der dazu führte, dass dieselben Nachrichten mitunter aus mehreren Quellen und Richtungen eintrafen.¹⁹⁸ Norrmann befand sich mit seinen Schreiben nicht allein in der Grauzone zwischen offiziellem und halboffiziellem Schreiben. In den Protokollen finden sich mehrere Hinweise auf Briefe, in denen einzelne Personen Bekannte oder Freunde zur Aufnahme oder Weiterführung empfahlen, wie ein Eintrag aus dem Jahr 1781 illustriert: Der hochw[ürdige] dep[utierte] Mstr. verlas noch ein Schreiben von dem hochw[ürdigen] dep[utierten] Meister Müller aus der Loge zu den 3 goldenen Schlüsseln in Berlin, darin der hochw[ürdige] Br[uder] Müller einen Herrn nahmens Spener aus Berlin unserer ehrw[ürdigen] Loge zur Aufnahme vorschlug. Es wurde daher sämtlichen Brüdern aufgetragen, sich nach diesem Herrn Spener auch sorgfältig zu erkundigen.¹⁹⁹
Bei einem Schreiben, das von einem deputierten Meister stammt, muss spekuliert werden, in wie weit es als halboffiziell anzusehen ist. Behms Betonung von Müllers Amt deutet darauf hin, dass das Schreiben in Göttingen primär als offizielle Empfehlung aufgefasst wurde. Christian Friedrich Speners Aufnahme in die Göttinger Loge fand Anfang März 1782 statt.²⁰⁰
Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. August 1780, Lehrlingsloge, Bl. 31, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Einträge vom 15. August 1781 und 1. Oktober 1782, Lehrlingslogen, Bl. 60, S. 1 und 93, S. 1. Vgl. Kap. 7. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 19. Dezember 1781, Lehrlingsloge, Bl. 71, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. März 1782, Lehrlingsloge, Bl. 77, S. 2.
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In anderen Schreiben, die irgendwo zwischen offizieller und privater Kommunikation zu verorten sind, baten Mitglieder der Göttinger Loge um die Aufhebung ihrer Mitgliedschaft. Um regulär einer anderen Loge beitreten zu können, musste diese Erlaubnis selbst dann eingeholt werden, wenn die neue Loge sich noch im Aufbau befand: Zuvor verlaß der hochw[ürdige] Gr[oß] Mstr. ein Schreiben des Br[uder] Keferstein, der um Entlassung der Mitgliedschaft nachsuchte, und zugleich anzeigte, daß er mit verschiedenen anderen Brüdern in Nordhausen des Willens wäre, selbst eine Loge zu errichten, deshalb sie auch schon die große Landesloge in Berlin um die Constitution ersucht hätten.²⁰¹
Der ursprünglich aus Ihlfeld stammende Papierfabrikant Christian Ernst Keferstein war 1785 auf Empfehlung des aus dem selben Ort stammenden Jurastudenten Georg Ludwig Carl Meisner im Goldenen Zirkel aufgenommen worden. In seinen fünf Jahren maurerischer Aktivität in Göttingen war Keferstein bis in den Meistergrad aufgestiegen. Der von ihm unterstützten Neugründung in Nordhausen war Erfolg beschienen: Bereits im Februar 1791 verlas Jäger ein eingegangenes Schreiben der neuen Loge Zur gekrönten Hoffnung in Nordhausen, in dem diese ihren Stiftungstag meldete und eine Liste sämtlicher Mitglieder übersandte – der Beginn einer neuen Korrespondenz mit alten Freunden.²⁰² Dass Keferstein gut daran getan hatte, um seine Entlassung zu ersuchen, zeigt sich nicht nur an den im Schwarzen Buch beschriebenen Fällen des nicht genehmigten Übertritts in andere Logen, sondern auch anhand eines 1780 verlesenen Briefs, der Göttingen aus Berlin erreicht hatte:²⁰³ D[er] H[och] W[ürdige] Br[uder] las einen Brief von der ehrw[ürdigen] Loge Zum Pilgrim in Berlin vor, die uns meldete, daß wir ihren ehemahligen Ceremonienmeister Schoeneborn, der zu einer anderen Loge ohne ihren Consens gegangen, nicht ihn als besuchenden in unserer Loge aufnehmen möchten, bis er um die Entledigung der Mitgliedschaft bey ihrer Loge angehaltn, und ihm erlassn wäre.²⁰⁴
Ob Schoeneborn nachträglich die Zustimmung seiner ehemaligen Loge einholte, ist nicht überliefert – im Schwarzen Buch taucht sein Name nicht auf.
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. August 1790, Lehrlingsloge, Bl. 99, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 1. Februar 1791, Lehrlingsloge, Bl. 106, S. 1 Vgl. Kap. 7. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 16. August 1780, Lehrlingsloge, Bl. 31, S. 2.
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Die Unterstützung wohltätiger Aktivitäten spielte – wie sich am Beispiel der Schreiben aus Altenburg bereits gezeigt hat – auch in der Loge Zum goldenen Zirkel eine Rolle. Im Mai 1784 erreichte ein Schreiben aus Harburg die Loge, dessen Absender um Hilfe bat: Bruder Schmalz verlas einen Aufsatz des Bruder Hill aus Harburg vor. Der Inhalt betraf die Geschichte einer Familie eines Predigers bei Bremen, und ersuchte um Unterstützung dieser Familie der es sehr an Mitteln fehle.²⁰⁵
Mit der Harburger Loge Zum Krokodil verbanden die Göttinger Brüder eine lange Korrespondenz und gegenseitige Besuche, die sich in den Protokollen für die Zeit zwischen 1779 und 1789 nachweisen lassen – Hill wandte sich also nicht an Fremde. In welchem Umfang er Hilfe erhielt, wird im Protokoll nicht beschrieben. Der Hofmeister Theodor Heinrich Anton Schmalz agierte als Verbreiter des Schreibens. Die Bitte Hills war kein offizieller Aufruf, dass das Schreiben verlesen wurde, zeigt jedoch, dass man auch privaten Hilfsgesuchen von Brüdern grundsätzlich wohlwollend gegenüber stand.²⁰⁶ Hinweise auf Werbeschreiben sind in den erhaltenen Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel kaum zu finden. Das Schreiben der Altenburger Loge, in dem um den Kauf des Lenz’schen Gedichtbands gebeten wurde, kann als ein solcher Versuch gewertet werden.²⁰⁷ Ein eindeutiges Werbeschreiben erreichte die Loge 1783 aus Gotha, in dem ein Bruder namens Reichard ein von ihm veröffentlichtes Journal bewarb:
Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Mai 1784, Lehrlingsloge, Bl. 128, S. 2. In den Protokollen der Loge Zum goldenen Zirkel finden sich keine Anzeichen dafür, dass sich „Profane“ mit der Bitte um Unterstützung an die Loge gewandt hätten. Ganz anders etwa in Gotha: Hier wird durch die ebenfalls der Großen Landesloge angehörende Loge Zum Rautenkranz am 6. September 1777 – auf sein Gesuch hin – einem in finanzielle Schwierigkeiten geratenen Kaufmann geholfen. Daneben finden sich mehrere Hinweise darauf, dass den Armen der Stadt mit (Sach)spenden und Brennholzlieferungen geholfen wurde. Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass die Gothaer Loge wesentlich mehr karitatives Engagement zeigte als die Göttinger Loge Zum goldenen Zirkel, und bei den Sammlungen in Gotha auch höhere Beträge gespendet wurden. Die Ursache hierfür ist wahrscheinlich in der bürgerlich, stark an den Fürstenhof angelehnten Sozialstruktur der Gemeinschaft zu suchen, während die Göttinger Loge zahlreiche studentische und dem Militär angehörende Mitglieder hatte. Vgl. Woelk, Geschichte der St. Johannis Loge „Ernst zum Kompass“ im Orient zu Gotha, S. 2 ff. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. September 1782, Lehrlingsloge, Bl. 89, S. 2.
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Darauf las der hochw[ürdige] Großmeister einen Brief von dem Bruder Reichard aus Gotha, der die Empfehlung seines Journal de Lectures betraf.²⁰⁸
Mit einem Brief an eine auswärtige Loge ließen sich Dutzende Interessenten kostengünstig erreichen – heute würde man Heinrich August Ottokar Reichards (1751– 1828) Schreiben als „zielgruppengerechtes Marketing“ bezeichnen.²⁰⁹ Auch in diesem Fall lässt sich nicht mehr klären, ob Reichards Werbeversuch auf Resonanz stieß.
8.3 Vernetzt mit Europa Bereits die Kapitel Fünf und Sieben haben deutlich gezeigt, dass die Augusta im Vergleich zur jüngeren Gemeinschaft Zum goldenen Zirkel von Zeitgenossen als die bedeutendere der beiden Göttinger Logen wahrgenommen wurde. Ob sich diese hohe Attraktivität auch in einer gegenüber dem Goldenen Zirkel intensiveren schriftlichen Kommunikation niederschlug, lässt sich anhand der Protokolle nicht eindeutig klären, da weder geographische Ausdehnung noch Quantität der in der Augusta verlesenen Schreiben nachvollzogen werden kann. Doch auch die erhaltenen Informationen zeigen dem Leser das Bild zweier Logen, die Korrespondenzen zu auswärtigen Gemeinschaften im gesamten deutschsprachigen Raum unterhielten: Ortsnamen wie Riga, Königsberg, Wien, London oder Linz belegen, dass beide Gemeinschaften in Mitteleuropa weitreichend vernetzt waren – jedoch kaum mit dem englisch- oder französischsprachigen Raum. Mitglieder der Göttinger Logen konnten also mit der Verlesung von Neuigkeiten in beinahe jeder Versammlung rechnen. Da die Protokollanten der Augusta aber die verlesenen Schreiben nicht sorgfältig auflisteten, erwies sich ein detaillierter Vergleich der Ausdehnung der die Logen jeweils umspannenden Kommunikationsnetzwerke als nur bedingt durchführbar. Die Untersuchung der Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Februar 1783, Lehrlingsloge, Bl. 101, S. 1. Ein ganz ähnliches Schreiben Reichards findet sich im 12. Band der Schwedenkiste unter der Nummer 750. Hier ersucht Reichard die Ordensoberen darum, dass sie ein von ihm herausgegebenes Journal innerhalb des Ordens bekannt machen sollen. Vgl. Schwedenkiste, 12. Band, Dok. 750. Gleichzeitig wird damit auch deutlich, wie wenig gegliedert das Informationswesen der damaligen Zeit ist: Zeitungen und Zeitschriften sind noch in einer Anfangsphase, persönliche Empfehlung vermag u.U. neue Interessenten schneller zu erreichen als Hinweise in den Printmedien. Hinzu kommt, dass nicht alle Titel und Publikationen überall erhältlich sind; vieles muss direkt an Abonnenten oder Subsribenden verschickt werden. Die Loge stellt sich damit einmal mehr als Forum zur Multiplikation von Informationen dar.
8.3 Vernetzt mit Europa
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im Zusammenhang mit der Verlesung von Schreiben protokollierten Herkunftsorte deutet jedoch darauf hin, dass die jüngere Gemeinschaft besonders stark mit anderen Logen im Nordosten Deutschlands, dem Baltikum und Schlesien in Austausch stand, während die ältere Augusta auch Kontakte nach Süddeutschland und Hessen unterhielt und insgesamt im näheren Umfeld der Leinestadt besser vernetzt gewesen zu sein scheint.
Frühzeit Anhand der Dokumente aus der Gründungszeit der Loge Zum goldenen Zirkel ließ sich ein Einblick in erste Kommunikationsbestrebungen einer Göttinger Loge gewinnen, die von dem Versuch geprägt waren, eine Konstitutionsurkunde zu erhalten. Auf das Verlesen von Schreiben anderer Logen findet sich in den Protokolleinträgen aus den Jahren 1773 und 1774 kein Hinweis. Zusammen mit dem zurückhaltenden Verhalten, wie es die Loge mehr als zehn Jahre später beim Versuch erkennen ließ, mit der Loge Gottfried zu den 7 Sternen eine Korrespondenz zu initiieren, ergibt sich der Eindruck, dass die junge, konstitutionslose Loge Zum goldenen Zirkel 1774 für auswärtige Gemeinschaften selbst noch als ein suspekter Kommunikationspartner erschien und deshalb letztendlich auch nicht angeschrieben wurde. Ohne Konstitutionsurkunde kann man die junge Gemeinschaft zwischen 1773 und 1774 durchaus als Winkelloge bezeichnen.²¹⁰ Insgesamt ergeben die Protokolle aus den ersten beiden Jahren unter dem Aspekt der schriftlichen Kommunikation das Bild einer Gemeinschaft, die zwar bereits korrespondierte, überwiegend aber noch mit der Ausformung ihrer eigenen Strukturen – hier sei besonders an die beiden Meisterwahlen Meyers und Behms erinnert – beschäftigt war.²¹¹ Das Fehlen von Protokollen aus der Frühzeit der Loge Augusta verhindert eine Untersuchung des Kommunikationsverhaltens dieser Jahre. Auch die ältere Gemeinschaft muss in ihren Gründungsjahren unter dem Vorsitz Wackers mit der altschottischen Loge Carl zum Purpurmantel korrespondiert haben. Ausgehend von der Prämisse, dass die Mitgliedschaft angesehener Persönlichkeiten sich auch auf die Entwicklung der Korrespondenzen auswirkte, ist davon ausgehen, dass die Loge unter den bekannten Professoren Koppe und Spittler mit höherer Frequenz kommunizierte als bis 1779 unter dem Vorsitz eines Schankwirts. Das vollständige
Zur Definition von gesetzmäßigen Logen im Sinne der Großen Landesloge vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 645. Vgl. Kap. 6.
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
Fehlen von Protokolleinträgen, aus denen sich ableiten ließe, wie neue Korrespondenzen zwischen der Augusta und auswärtigen Logen aufgenommen wurden, könnte verwundern, lässt sich aber mit der generell unbefriedigenden Protokollführung im Zusammenhang mit der schriftlichen Kommunikation erklären.
Gute Kontakte Die Bedeutung guter (schriftlicher) Kontakte zu den Einflussreichen und Mächtigen scheint besonders Johann Benjamin Koppe bewusst gewesen zu sein: Ein starker Hinweis auf die intensive Pflege von Kontakten zu hochgestellten Persönlichkeiten ist der langjährige Briefwechsel mit Herzog Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel, dessen Geburtstag am zwölften Januar von der Loge alljährlich festlich zelebriert wurde. Das Dankschreiben des Herzogs wurde jeweils einige Wochen später feierlich verlesen; der Formulierung der Protokolle ist der Stolz über die vom Herzog an die Loge gerichteten Worte – oftmals sehr deutlich – zu entnehmen. Die Schreiben der Loge an Herzog Ferdinand scheinen von diesem mit aufrichtigem Interesse gelesen worden zu sein. Dass die Verbundenheit zwischen der Loge und ihm keine einseitige Angelegenheit war, zeigte sich auch in Ferdinands Anteilnahme anlässlich des Todes des Besuchenden Bruders von Marschal. Ferdinand scheint die im sozialen Umfeld der Göttinger Logen auftretenden Probleme und deren Ursachen klar erkannt zu haben. Das von Falcke 1780 überbrachte herzogliche Edikt untersagte nicht nur das Duellieren, sondern enthielt auch Regelungen, wie die sogenannten „Ehrbeleidigungen“ zukünftig zivilisiert beigelegt werden sollten.²¹² Erkennbar wurde die Absicht, die Gemeinschaft vor Mitgliedern zu schützen, die durch ihr öffentliches Auftreten dem Ansehen der Loge großen Schaden zufügen könnten. In Kapitel Sieben hat sich deutlich gezeigt, dass es sich hierbei in Göttingen vor allem um Studenten gehandelt hat, die in Reibereien mit Handwerksgesellen und Angehörigen der Garnison gerieten. Es überrascht nicht, dass Spittler nach dem Tod des Herzogs eine Lobrede auf den Verstorbenen hielt – dem Historiker und angehenden Landespolitiker war die Bedeutung von Ferdinands Patronage für die Freimaurerei bewusst; er ahnte wohl, dass die Situation der Logen nach dem Tod des einflussreichen Gönners schwieriger werden würde.
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. März 1780, Lehrlingsloge, Bl. 13, S. 2 f.
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Offizieller Schriftverkehr Große Ähnlichkeiten haben sich im offiziellen Schriftverkehr der beiden Gemeinschaften gezeigt. In den Protokollen der beiden Logen werden die von Göttingen ausgehenden Schreiben ebenfalls nur selten thematisiert. Daher muss sich auch diese Untersuchung – unter der Prämisse, dass eingehende Schreiben normalerweise beantwortet wurden – auch hier auf die eingehenden Schreiben beschränken. Die überwiegende Zahl der in Göttingen eintreffenden Schreiben wurde von auswärtigen Gemeinschaften anlässlich ihrer Stiftungstage verfasst. In den Schreiben wurden die in letzter Zeit vorgefallenen Geschehnisse rekapituliert. Häufig wurde auch eine aktuelle Mitgliederliste beigelegt, der im Gegensatz zu dem Schreiben eine praktische Bedeutung zukam, denn die Liste half bei der Verifikation von Besuchern und der Kontaktaufnahme in der Fremde. Es ergibt sich damit das Bild einer weitgehend standardisierten Form der Kommunikation zwischen den Logen, die dem Zweck diente, den einzelnen Gemeinschaften ein einigermaßen präzises Abbild des gegenwärtigen Zustandes der Freimaurerei zukommen zu lassen. Die Schreiben anlässlich der Stiftungstage sind also weniger Festschriften denn Jahres(abschluss)berichte. Wurde dieser Jahresbericht mit Hilfe einer zuverlässigen Protokoll- und Schriftführung erstellt, ermöglichte er den teilnehmenden Gemeinschaften auch, die eigene Stellung innerhalb des Netzwerks der Logen zu verorten. Daneben half die Verbreitung aktualisierter Mitgliederlisten, den Status der einzelnen Mitglieder auch auf überregionaler Ebene bekanntzumachen und so zu etablieren. Dies war üblicherweise bei Reisen und Umzügen von besonderer Relevanz, aber auch schweres Fehlverhalten konnte eine Kommunikation des Status einzelner Mitglieder an andere Logen nötig machen.²¹³ Kefersteins Bitte um seine Entlassung aus der Mitgliedschaft in der Loge Zum goldenen Zirkel ist ein ähnlicher Fall, auch wenn es hier nicht um den Zugang oder Übertritt zu einer anderen Gemeinschaft, sondern um die Neugründung einer Loge in Nordhausen ging.²¹⁴ Der Papierfabrikant benötigte einen Beleg seiner Mutterloge, um gegenüber Provinzial- und Großer Landesloge nachweisen zu können, dass die Neugründung abgesprochen und mit Einverständnis seiner Mutterloge erfolgt war. Hielt sich ein Besuchender Bruder länger an einem anderen Ort auf und wollte in einen
In Kapitel Sieben hat das Beispiel der Wetzlarer Loge gezeigt, wie mit von Bernstorff ein auffällig gewordener Bruder auch überregional diszipliniert werden sollte.Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 1. August 1781, Lehrlingsloge, Bl. 49, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 3. August 1790, Lehrlingsloge, Bl. 99, S. 2.
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höheren Grad weitergeführt werden, benötigte er dafür ebenfalls Zustimmung und Empfehlung seiner Mutterloge.²¹⁵ Dass die Prämisse, nach der eingehende Schreiben für gewöhnlich beantwortet wurden, meist zutrifft, verdeutlichte der Eintrag vom September 1791, in dem der Meister vom Stuhl Jäger den Beginn einer Korrespondenz mit zwei Logen aus Bremen und Leipzig erklärt, nachdem diese erstmals an die Göttinger Gemeinschaft geschrieben hatten.²¹⁶ Aus der Bremer Loge Zum silbernen Schlüssel erreicht im Sommer 1792 ein weiteres Schreiben Göttingen.²¹⁷ Diese auf den ersten Blick simple Methode der Korrespondenzeröffnung war gleichwohl an Bedingungen geknüpft. Am Beispiel des Schreibens der Hamburger Loge Gottfried zu den 7 Sternen hat sich gezeigt, dass die Bereitschaft zur Aufnahme einer Korrespondenz an den Status der anfragenden Loge geknüpft war.²¹⁸ Dass die Loge Gottfried einst der Strikten Observanz angehört hatte, war dabei wohl nicht die Ursache der Ablehnung im Jahre 1785, denn zu diesem Zeitpunkt gestattete man schon seit einigen Jahren Besuchern, die der Strikten Observanz angehörten, den Zugang zu den Versammlungen; und einige Jahre später gelang es der Magdeburger Loge Ferdinand zur Glückseligkeit problemlos, eine Korrespondenz mit der Göttinger Gemeinschaft zu eröffnen. Eher geht aus den Protokollen der Göttinger Loge hervor, dass man Probleme hatte, den Status der Loge Gottfried im Netzwerk der Freimaurerei zu verorten. Die Hamburger Loge scheint deshalb mit ihrem Bemühen, eine Korrespondenz mit der jüngeren Göttinger Loge aufzunehmen, gescheitert zu sein. Auch einzelne Freimaurer wandten sich in halboffiziellen Schreiben an die Göttinger Gemeinschaften. Der Übergang vom offiziellen zum halboffiziellen Briefverkehr war fließend: Die Augusta erhielt von ihrem Repräsentanten Norrmann Informationen aus Hamburg, während die Loge Zum goldenen Zirkel vom Meister vom Stuhl der Berliner Loge Zu den 3 goldenen Schlüsseln, Müller, um die Aufnahme Christian Friedrich Speners gebeten wurde oder Keferstein um seine
Vgl. Kap. 5. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 6. September 1791, Lehrlingsloge, Bl. 121, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 7. August 1792, Lehrlingsloge, Bl. 130, S. 2. Zur frühen Geschichte der Loge Zum silbernen Schlüssel vgl. August Christian Wilmanns, Zur fünf unf zwanzigsten Stiftungsfeyer der Loge zum silbernen Schlüssel, Bremen 1792. Zur Geschichte der Freimaurerei in Hamburg vgl. Christian Polscher, 275 Jahre Freimaurer in Hamburg – Toleranz, Brüderlichkeit, Humanität: Die Freimaurer-Ausstellung in der Diele des Hamburger Rathauses im September 2012, hrsg. von der Distriktsloge Hamburg und der Provinzialloge von Niedersachsen, Hamburg 2013.
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Entlassung bat. Offizielle und private Inhalte sind in diesen Fällen kaum zu trennen, wie ja auch die behandelten Anliegen oft in beide Sphären gehören.
Geschäftliche und karitative Schreiben Zwischen den Logen zirkulierte also nicht nur der offizielle Schriftverkehr, auch zahlreiche Einzelpersonen versuchten parallel ihre privaten Anliegen zu befördern. Teil einer Gruppe zu sein, mit ihr ähnliche Interessen und Vorlieben zu teilen, zumal wenn sie überwiegend aus wohlhabenden, einflussreichen Männern bestand, war auch aus geschäftlicher Sicht interessant, und mag bei so manchem Eintritt in eine Loge maßgeblicher – aber natürlich ungenannter – Grund gewesen sein. Die vergleichsweise größere Attraktivität der Augusta zeigte sich auch anhand der verschiedenen Werbeschreiben, die in den Protokollen erwähnt wurden: Der Einbecker Bruder Kuhls pries 1783 seine Lösungshilfe an, einen Schlüssel, der bei der Beantwortung von Preisfragen, einem damals populären Wettbewerb der Gebildeten, helfen sollte. In einem Brief aus Hamburg wurden verschiedene Arbeiten beworben, die sich – als Hintergrundinformation zur Tagespolitik – mit der Belagerung Gibraltars und Minorcas beschäftigen.²¹⁹ Die Belagerung Gibraltars endete am siebten Februar 1783 mit einem Sieg der britischen Verteidiger, war also zum Zeitpunkt, an dem in der Augusta Schriften zum Thema beworben wurden, noch im Gange.²²⁰ In den folgenden Jahren erschienen mehrere Werke über die erfolglose Kampagne. Die Mitglieder der Augusta hatten durch das Korrespondenznetzwerk Kontakt nach Hannover und Hamburg, dem unumstrittenen Tor nach Großbritannien, und somit als potentielle Pränumeranten Zugriff auf aktuellste Berichte aus einem Imperium im Umbruch.²²¹ Die Sachsenhäuser Loge stellte einen Gedichtband vor und in der Bitte der Meinunger Loge um Unterstützung zum Aufbau eines Seminars für Lehrer vermischten sich karitatives Anliegen, die Wahrnehmung bildungspolitischer Desiderate und geschäftlicher Instinkt. Anhaltspunkte dafür, dass vergleichbare „Advertisements“ auch im Goldenen Zirkel verlesen worden wären, sind in den Protokollen kaum zu finden. Einzig
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 79, S. 1. Zur Belagerung von Gibralter vgl. James Falkner, Fire over the Rock – The Great Siege of Gibraltar, 1779 – 1783, Barnsley 2009. Vgl. Nachrichten von Gibraltar in Auszügen aus Original-Briefen eines hannoverischen Offiziers aus Gibraltar, vor und während der letzten Belagerung. Nebst einer Charte. Frankfurt und Leipzig 1784.
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Heinrich August Ottokar Reichard aus Gotha bewarb – laut Protokoll – ein von ihm herausgegebenes Journal und hoffte, in der Universitätsstadt weitere Leser zu erreichen. Reichard war Direktor des Gothaer Hoftheaters, Bibliothekar und Herausgeber verschiedener Zeitschriften.²²² Dazu gehörten der Nouveau Mercure de France, die Cahiers de Lecture und auch das anfangs im Selbstverlag veröffentlichte Journal de Lecture. ²²³ In den Protokollen des Goldenen Zirkels spielen karitative Aktivitäten kaum eine Rolle; auch in der schriftlichen Kommunikation sind sie im Vergleich zur Augusta kaum präsent. Ähnlichkeiten zu den halboffiziellen Werbeschriften zeigte das Schreiben der Altenburger Loge Zu den 3 Reisbrettern, das für den Kauf eines Gedichtbandes zur Unterstützung der Witwe eines verstorbenen Bruders warb.²²⁴ Mit den Altenburger Brüdern unterhielt die Göttinger Gemeinschaft eine langjährige Korrespondenz. Auf die Bitte aus der thüringischen Residenzstadt reagierten die Göttinger dennoch reserviert; der Meister vom Stuhl Jäger überließ es den Mitgliedern, ob sie durch die Bestellung des Gedichtbands die Hinterbliebene unterstützen wollten. In der Bitte des Bruders Hill aus Harburg, eine Bremer Predigerfamilie zu unterstützen, begegnet dem Leser der wohltätige Gedanke ein zweites Mal.²²⁵ Mehrere in der Loge Augusta verlesene Schreiben befassten sich mit karitativen Themen. Neben dem Aufbau des Krankenhauses wurden andere Logen unterstützt, die um Unterstützung bei der Versorgung Bedürftiger in ihrem Umfeld baten. In Wetzlar unterstützte man so zum Beispiel den armen Studenten Ackermann und die Opfer von Bränden in Goslar und Utzele.²²⁶ Schließlich gelang es der Loge offenbar, auch außerhalb des freimaurerischen Milieus den Ruf einer besonders wohltätigen Gemeinschaft zu erlangen, wie der Eingang anonymer Spendengelder zeigte.²²⁷
Vgl. Elisabeth Dobritzsch, „Da ich mit den meisten dieser Künstler auf vertrautem Fuße stand…“ – Reichards Wirken am Gothaer Hoftheater, in: „Unter die Preße und ins Publikum“ – Der Schriftsteller, Publizist, Theaterintendant und Bibliothekar Heinrich August Ottokar Reichard, Tagungsband des Museums für Regionalgeschichte und Volkskunde Gotha, Gotha 2009, S. 171– 191. Annett Volmer, Presse und Frankophonie im 18. Jahrhundert – Studien zur französischsprachigen Presse in Thüringen, Kursachsen und Rußland, Leipzig 2000, S. 147. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. September 1782, Lehrlingsloge, Bl. 89, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Zum goldenen Zirkel, Eintrag vom 4. Mai 1784, Lehrlingsloge, Bl. 128, S. 2. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Mai 1780, Lehrlingsloge, Bl. 17, S. 2 f. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 7. August 1782, Lehrlingsloge, Bl. 68, S. 1.
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Es scheint also, dass der karitative Gedanke in der älteren Loge eine größere Rolle gespielt hat. Dieser Unterschied lässt sich nicht nur durch die Attraktivität oder die breitere Mitgliederbasis der älteren Loge erklären, die Briefwechsel und Kontakt mit der Göttinger Gemeinschaft für auswärtige Logen äußerst interessant machten, sondern ist vor allem ein Verdienst des Meisters vom Stuhl Koppe: Seine offenkundige Freude über die gesellschaftliche Anerkennung lässt sich am besten mit seiner Sorge über die Auswirkungen seines freimaurerischen Engagements erklären, das im Umfeld der Universität einem Balanceakt gleichkam.²²⁸ Eine durch die Obrigkeit lediglich geduldete Sozietät konnte positive Publicity gut gebrauchen; die Bedeutung des gesellschaftlichen Engagements für das Ansehen der Gemeinschaft war dem Theologen bewusst. Koppe sprach deshalb im Zusammenhang mit der Bitte um Unterstützung der Brandopfern von einer „Gelegenheit“ – und nicht etwa weil in Göttingen bereits eine Feuerversicherung etabliert war –, und scheint nicht gezögert zu haben, Unterstützung aus der Logenkasse zu leisten, ohne zuvor die Mitglieder der Loge um ihre Meinung zu bitten.²²⁹ Koppe erscheint so als äußerst machtbewusster, eigenständiger Vorsitzender. Erst nachdem die Zahlung nach Gießen bereits in die Wege geleitet war, informierte er die Mitglieder. Kurze Zeit später bat eine Loge aus Wetzlar um Unterstützung für den verarmten Studenten Ackermann. In seiner Funktion als Professor lag Koppe dieses Anliegen sicher am Herzen, aber weil die Logenkasse erst kurz zuvor durch die Zahlung nach Gießen strapaziert worden war, appellierte er in diesem Fall an die Hilfsbereitschaft der Mitglieder. Als drei Monate später ein Dankschreiben aus Wetzlar eintraf, in dem der Erhalt der für Ackermann gesammelten Summe bestätigt wurde, nutzte Koppe die Chance und ließ das Schreiben in einer Gesellenloge verlesen. Das ist ein ungewöhnlicher Vorgang, denn das Schreiben scheint keine sensiblen Themen behandelt zu haben, so dass es den Lehrlingen der Loge nicht hätte vorenthalten werden müssen. Eine plausible Erklärung könnte sein, dass Koppe die Gegenwart von mehreren Besuchern in der Gesellenversammlung als Gelegenheit verstand, bei der er durch das Verlesen des Dankschreibens das Ansehen der Augusta weiter steigern konnte. Obwohl die Gemeinschaft ab etwa 1780 durch den Aufbau und den späteren Unterhalt des von ihr initiierten Krankenhauses bereits stark beansprucht war, ergriff Koppe die sich bietenden Gelegenheiten, überregional karitativ tätig zu werden, engagiert. Der Meister vom Stuhl hatte verstanden, dass die schriftlichen Spendenaufrufe auswärtiger Logen keineswegs nur eine Belastung der Logen-
Vgl. Kap. 8.4. Vgl. Winnige, Krise und Aufschwung einer frühneuzeitlichen Stadt, S. 270 ff.
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kasse darstellten. Vielmehr handelte es sich um Möglichkeiten, die Beziehungen zu auswärtigen Logen zu stärken sowie das Ansehen der eigenen Loge innerhalb des freimaurerischen Netzwerks – vor allem aber in der Öffentlichkeit – zu steigern. Zusätzlich war das Engagement auch sehr dazu geeignet, das Zusammengehörigkeitsgefühl innerhalb der Gemeinschaft zu steigern, indem man gemeinsam zielgerichtet tätig wurde. Erfolge ließen sich vergleichsweise schnell erzielen; zwischen eingehendem Aufruf zur Spende und dem folgenden Dankesschreiben vergingen gewöhnlich nur wenige Wochen, der Zusammenhang zwischen gemeinschaftlicher Handlung und eingehendem Dank wurde so unmittelbar spürbar. Koppes auffälliges Gespür für Außenwirkung und Prestige der Loge ist bereits an anderer Stelle angesprochen worden.²³⁰ So zeigte er sich nicht nur besorgt über das öffentliche Auftreten einiger – vor allem studentischer – Logenmitglieder in der Öffentlichkeit, sondern bat auch darum, bezüglich seiner Position als Meister vom Stuhl gegenüber Außenstehenden Diskretion zu wahren.²³¹ Der hier angesprochene zielgerichtete Einsatz Koppes für das wohltätige Engagement der Loge steht dazu in deutlichem Widerspruch. Man kann mit Berechtigung sagen, dass in Koppes Person einer der großen Widersprüche des fortschrittlich denkenden Bürgers der Aufklärung zu beobachten ist: Obwohl seine Anstrengungen auf die Verbesserung der Verwaltung, der Lebensumstände und der Wissenschaften abzielten, war es selbst für angesehene Bürger nicht ohne Risiko, sich an der so häufig durch Sozietäten organisierten Neugestaltung von öffentlichem Raum und Staatswesen zu beteiligen. Abschließend muss die eingangs gestellte Frage, ob die Augusta intensiver und diversifizierter kommunizierte als die jüngere Göttinger Gemeinschaft, basierend auf den untersuchten Dokumenten, positiv beantwortet werden. Geschäftliche Schreiben, der Austausch mit dem Braunschweiger Herzog oder die Steigerung des eigenen Prestiges durch karitatives Engagement finden sich nahezu ausschließlich in den Protokollen der älteren Gemeinschaft. Die Möglichkeiten, die die schriftliche Kommunikation neben dem reinen Austausch von Informationen mit sich bringt, scheinen in der älteren Loge besser verstanden und ausgenutzt worden zu sein. Die langjährige und konstante Führung durch prominente Männer wie Koppe und Spittler zog einflussreiche und finanzstarke Mitglieder an und ermöglichte es so überhaupt erst, ein langjähriges Projekt wie den Aufbau und den Betrieb eines Krankenhauses in Angriff zu nehmen. Dabei gelang den beiden Professoren die Angliederung des Klinikums an die Universi-
Vgl. insb. Kap. 5. Vgl. Kap. 7.
8.4 Der „Fall Spittler“
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tät, die sie unter der Leitung August Gottlieb Richters als Ausbildungsort für junge Mediziner nutzte.²³² Beim Goldenen Zirkel herrschte zwar ebenfalls Kontinuität an der Spitze, doch Behm und Jäger genossen kein Ansehen, das dem Koppes oder Spittlers entsprach. Die Loge war stark studentisch geprägt und der Altersdurchschnitt lag vermutlich einige Jahre unter dem der Augusta – selbst dann noch, als die ältere Loge ab circa 1780 ebenfalls immer mehr Studierende aufnahm. Die höhere Frequenz des Kommens und Gehens der Mitglieder sowie die mutmaßlich geringere Finanzkraft ließen den Aufbau eines Krankenhauses oder vergleichbare Unternehmungen wohl kaum zu.²³³ Neben der Armensammlung am Ende jeder Versammlung fanden sich in den Protokollen kaum Hinweise auf karitatives Engagement.²³⁴ Auch als Ziel von Werbeschreiben oder Bitten um Spenden scheint die Gemeinschaft weniger attraktiv gewesen zu sein.²³⁵ Insgesamt lässt sich also festhalten, dass sich die Augusta aktiver und thematisch vielfältiger mit auswärtigen Logen austauschte. Die integrative Bedeutung des Austausches mit auswärtigen Logen und Einzelpersonen war aber beiden Göttinger Logen bewusst. Kommunikation basiert auf aktiver Teilnahme; und die Göttinger Freimaurer begriffen sich als Teil eines Netzwerks, das seinen Mitgliedern Einfluss, Gestaltungsmöglichkeiten und Teilhabe verhieß – und das gerade zu einer Zeit, in der ein neues, auf Gedanken- und Informationsaustausch ausgerichtetes Zeitalter begann. Die Göttinger Logen boten den Mitgliedern folglich nichts weniger als die Teilhabe an der modernen Welt – weit über die Grenzen der Leinestadt hinaus.
8.4 Der „Fall Spittler“ Im Umfeld der Göttinger Universität waren Streitigkeiten zwischen Gelehrten keine Seltenheit. Teils drehten sie sich um verschiedene Auffassungen und
Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 40 ff. Die unterschiedliche Kapitalisierung der beiden Gemeinschaften wurde auch im Zuge ihrer Auflösungen deutlich. Nach ihrer Auflösung 1793 spendete die Augusta 5000 Taler an die hannoversche Regierung zum weiteren Erhalt des Krankenhauses, die Loge Zum goldenen Zirkel 1400 Reichstaler an die Industrieschule und 500 an die städtische Armenkasse. Vgl. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 52. Das karitative Engagement der Berlinger Gemeinschaften der Großen Landesloge scheint größer gewesen zu sein. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S.629 ff. Wolf, 250 Jahre Freimaurer in Göttingen, S. 49.
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Theorien, um Gehälter oder Posten, und wurden mittels Schmähschriften, Polemiken und übler Nachrede mehr oder weniger öffentlich ausgetragen. Als Folge der Berufung Ludwig Timotheus Spittlers zum Meister vom Stuhl kam es im Herbst des Jahres 1785 zu einem tiefen Zerwürfnis zwischen mehreren einflussreichen Mitgliedern der Augusta. Das innerhalb der Loge ausgefochtene Zerwürfnis unterscheidet sich vom üblichen „Gelehrtengezänk“ jedoch, da es für die Öffentlichkeit vermutlich nicht bekannt wurde.²³⁶ Auch im Streitfall scheint die Geheimhaltung gewahrt worden zu sein, hätte ein Bekanntwerden der Streitigkeiten doch nicht nur die Existenz der Loge, sondern auch die Reputation der Zerstrittenen ernsthaft beschädigen können. Während Feder bei seiner Aufnahme in die Loge am 27. Dezember 1782 schon Freimaurer war, wurde Spittler am selben Tag als Lehrling rezipiert – zum Zeitpunkt von Koppes Weggang nach Gotha im Sommer 1784 war er also erst seit etwas über zwei Jahren Freimaurer.²³⁷ Seit Januar 1783 war Spittler Mitglied des dritten Grades gewesen, aber – trotz seiner engen Bekanntschaft mit Koppe – nicht in die Reihen der Schottischen Brüder aufgenommen worden.Warum Koppe nicht für eine Weiterführung in den vierten Grad gesorgt hatte, bleibt unklar. Auch wenn der vierte Grad nach 1782 kaum noch bearbeitet wurde, war er für den Vorsitzenden der Loge anscheinend noch von großer Bedeutung. Wahrscheinlich hielt Koppe die Verleihung der höheren Grade für überflüssig, da die drei Johannisgrade der Freimaurerei ohnehin in das weitaus umfangreichere Gradsystem des Illuminatenordens eingebunden war.²³⁸ Dass Spittler nur den Meistergrad inne hatte, sollte zur Ursache eines Streits werden, in dessen Folge es beinahe zur Spaltung der Loge kam. Die Ursachen, der Beginn und die Fraktionsbildung während des Konflikts, der in den Logenprotokollen keinen Wiederhall findet – und wohl vor den Mitgliedern der drei Johannisgrade geheim gehalten wurde – sind anhand von circa 200 Seiten handschriftlicher Korrespondenz nachvollziehbar, die neben den Protokollbüchern im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz aufbewahrt werden. Innerhalb des erhaltenen Quellenbestands der Loge stellen diese zahlreichen Briefe und Stellungnahmen eine einzigartige Sammlung dar. Im Vergleich zu den bislang untersuchten Protokollen gewähren Briefe einen persönlicheren Einblick in Beziehungen zwischen Mitgliedern der Loge Augusta zu den 3 Flammen im Jahre
Vgl. Joost, Göttinger Gelehrtengezänk, S. 45 ff. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 78, S. 2 f. Vgl. hierzu einen Brief Koppes an Friedrich Franz Joseph Greven (Cadmus) vom 19. April 1782. Vgl. Reinhard Markner, Monika Neugebauer-Wölk und Hermann Schüttler (Hrsg.), Die Korrespondenz des Illuminatenordens, 2. Band, Berlin und Boston 2013, S. 93.
8.4 Der „Fall Spittler“
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1785, denn gerade in einem solchen Streitfall werden Interessengruppen sichtbar, die dem Leser der Protokolle verborgen bleiben. Anders als diese erzählt der Quellenkomplex zum Streit zwischen Spittler und den Schottischen Brüdern eine zusammenhängende Geschichte, die eine Chronologie der Ereignisse ermöglicht. Der in den Briefen verwendete Tonfall unterscheidet sich stark von dem der formalisierten Sprache in den Protokollen: Er schwankt zwischen direkter Anschuldigung und Beleidigung auf der einen und einer schmeichelhaft höflichen Unterwürfigkeit auf der anderen Seite. Der Konflikt zog sich durch den gesamten Herbst 1785 bis in den Winter; Anfang Dezember bricht der Quellenbestand dann unvermittelt ab, da sich Fronten verhärtet und keine schnelle Lösung in Aussicht war. Der endgültige Ausgang der Streitigkeiten lässt sich daher nur mittels weiterführender Literatur rekonstruieren. Dennoch ergibt sich ein detailreicher und erhellender Einblick in das Denken einiger der bekanntesten und angesehensten Mitglieder der Loge.²³⁹
Koppes Gang nach Gotha 1784 verließ Johann Benjamin Koppe Göttingen, um in Gotha eine Stelle als Generalsuperintendent anzutreten. Der Meister vom Stuhl bereitete seinen Wechsel langfristig vor und besuchte mehrmals die kleine Residenzstadt – der sich anbahnende Abschied aus Göttingen war allgemein bekannt.²⁴⁰ In Gotha scheint Koppe seine freimaurerischen Aktivitäten aber nicht fortgesetzt zu haben. Auch die sehr aktive Gothaer Minervalkirche des Illuminatenordens besuchte der bekannte Theologe nicht, obwohl mittlerweile feststeht, dass Koppe während seines Aufenthalts in der Residenzstadt im Orden durchaus aktiv war.²⁴¹ Die Gründe für dieses ungewöhnliche Verhalten sind noch nicht
Damit die beim Verfassen der Texte mitschwingende Stimmung möglichst unverfälscht transportiert wird, werden im Folgenden längere Passagen am Stück zitiert. Tonfall und Formulierung sprechen für sich und verdeutlichen Motivation und Verfassung der Autoren besser, als jede Erläuterung es könnte. So lädt Herzog Ernst II. in einem Schreiben vom 30. Mai 1784 Johann Joachim Christoph Bode für den nächsten Morgen zum Kaffee. Gleichzeitig äußert er seine Absicht, Bode mit Koppe bekannt zu machen, der zuvor eine Predigt am Hof gehalten habe. Vgl. Schwedenkiste, 1. Band, Dok. 76. Der schon in Kapitel 7. erwähnte Christoph Friedrich Rinck notierte am 10. Februar 1784 über Koppe: „Er ist nach Gotha als General Superintendent und Hoff-Prediger berufen, er geht gern, besonders da er mit Michaelis viel Verdruß hatte…“ Vgl. Geyer (Hrsg.), Christoph Friedrich Rincks Studienreise 1783/84, S. 200. Koppe führte beispielsweise eine rege Korrespondenz mit Herzog Ernst II. über innere Angelegenheiten des Ordens wie dessen Aufdeckung in Bayern, die Verfolgung Adam Weishaupts
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abschließend untersucht, erneut muss aber an dieser Stelle auf den vorsichtigen Charakter Koppes verwiesen werden.²⁴² Den erhaltenen Protokollen zufolge leitete Koppe die Versammlung der Göttinger Loge ein letztes Mal Ende August 1784 anlässlich einer außerordentlichen Trauerloge für den verstorbenen Samuel Christian Gotthold Osann.²⁴³ Es folgte eine Zeit des Übergangs, in welcher der erste Vorsteher Friedrich Christoph Willich als deputierter Meister vom Stuhl der Gemeinschaft vorstand. Unter seiner Leitung scheinen nur selten Versammlungen stattgefunden zu haben: Für den Zeitraum zwischen dem Weggang Koppes und der Amtsübernahme durch Spittler sind – entgegen der sonst zuverlässigen Protokollierung – keine Versammlungen der Lehrlingsloge dokumentiert. Die sich eventuell ergebende Vermutung, dass Koppe die Loge unvorbereitet zurück gelassen hätte, ist irreführend: Vor seinem Weggang hatte er den Wunsch geäußert, dass Spittler das Amt des Vorsitzenden übertragen werden sollte. Unter den Mitgliedern des vierten Grads bevorzugten viele den amtierenden deputierten Meister Willich als neuen Meister vom Stuhl.²⁴⁴ Dieser war bereits seit 1768 Mitglied der Loge und seit 1771 Mitglied des vierten Grades.²⁴⁵ Willich hatte seinen gesamten freimaurerischen Werdegang in der Göttinger Loge verbracht, jedoch – vermutlich durch Koppes offene Präferenz für Spittler gekränkt – erklärt, dass er sich dem Amt des Vorsitzenden nicht gewachsen fühle. Warum also gerade Spittler? Wie Koppe und Feder war auch Spittler unter dem Ordensnamen „Bayle“ Mitglied des Illuminatenordens.²⁴⁶ In einem Bericht an den Vorsitzenden der Ordensprovinz „Aeolien“ (Niedersachsen), Georg Ernst Rüling („William Pen“), umriss Koppe Anfang März 1784 sein Verständnis der ihm unterstellten Loge:
oder die Überarbeitung der gradspezifischen Texte mit Hilfe von Christoph Meiners. Die Schreiben aus den Jahren 1784 bis 1786 sind in den ersten beiden Bänden der Schwedenkiste erhalten. Vgl. Kap. 7.1. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. August 1784, Trauerloge, Bl. 108, S. 2. In den Protokollen taucht die Versammlung der Schottischen Brüder nur selten auf, denn sie agierte meist im Hintergrund und für die Brüder der niederen Grade unsichtbar. Trotzdem hatte sie auf die Abläufe innerhalb der Loge einen nicht zu unterschätzenden Einfluss: Sie wachte über die Einhaltung der Rituale und die finanziellen Angelegenheiten der Loge ebenso wie über die Eignung der Anwärter. Ohne die Zustimmung der Schottischen Brüder konnte keine Abstimmung über die Rezeption neuer Mitglieder stattfinden. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Die aktuellste Liste der Mitglieder des Illuminatenordens findet sich im Internet. Hier hat Hermann Schüttler die Ergebnisse seiner aktuellen Forschungen in die Gothaer Datenbank zum Illuminatenorden eingetragen.
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Noch leben wir hier ganz im Verborgenen, unentdekt von Freymaurern so wohl als Profanen. Diese Verborgenheit müssen wir auch, besonders um der erstern willen, noch eine Zeitlang zu erhalten suchen. … Meine hiesige Loge ist auf gewisse Weise MinervalKirche ohne den Namen zu führen. Sie besteht gröstentheils aus jungen Leuten, die sich unsrer Bildung anver[trauen]. Wir beobachten sie, richten ihr Studieren ein, lassen sie unsers Umgangs geniessen, fordern daß sie arbeiten, und lassen sie ihre beiden Aufsäzze in der Loge vorlesen. Nur die vorzüglichsten [von] ihnen machen wir dann, wenn wir sie lange geprüft haben, zu Illuminaten.²⁴⁷
Koppe betrachtete die Loge als eine Art von Ausbildungsstätte für zukünftige Mitglieder des Illuminatenordens. Demnach wäre verständlich, dass er auch nach seinem Weggang unbedingt einen Ordensbruder an der Spitze der Gemeinschaft sehen wollte, der unbemerkt von den Freimaurern die Geschicke der Loge im Sinne des Ordens lenkte. Der von Spittler zu diesem Zeitpunkt noch nicht erreichte vierte Grad war jedoch Voraussetzung um Meister vom Stuhl der vier Grade oder Aufseher zu werden, und so kam es zu einem Kompromiss:²⁴⁸ Willich sollte der Schottenloge vorstehen, während Spittler den Vorsitz über die drei Johannisgrade übernahm – und so die Koppe so wichtige Aufsicht und Ausbildung der jungem Männer in der Hand eines Gleichgesinnten blieb. An die Stelle des alleinigen Vorsitzenden Koppe sollte also eine Doppelspitze treten. Nachdem dieser Konsens erzielt worden war, informierte die Augusta die Altschottischen Ordensoberen in der Loge Carl zum Purpurmantel zu Hannover. Dieses nicht erhaltene Schreiben enthielt vermutlich auch Überlegungen dazu, welche Befugnisse und Rechte der Meister vom Stuhl der drei Johannisgrade, Spittler, zukünftig gegenüber der Loge des vierten Grad haben sollte. Für den weiteren Verlauf des Konflikts hatte der Entwurf immense Bedeutung. In Hannover stieß der Göttinger Vorschlag zunächst auf Wohlwollen. Erst wenige Jahre zuvor hatten die Ordensoberen Koppe als Vorsitzenden der Göttinger Loge eingesetzt, nachdem Johann Ludwig Wacker wegen der Vermischung von Logen- und Privatvermögen zur Aufgabe seines Amts gezwungen gewesen war. Seitdem war die Loge gewachsen, hatte sich als karitative Institution einen Namen gemacht und genoss überregionales Ansehen, das sich in ihren teils überregional bekannten und angesehenen Mitgliedern wiederspiegelte.²⁴⁹ Mit der Ernennung
Präfekturbericht Koppes an Rüling, 6. März 1784. Schwedenkiste, 15. Band, Dok. 378. So war bereits Ende 1779 der Doktor der Medizin Johann Carl Gottlieb Hentze in den höchsten der in Göttingen praktizierten Grade weitergeführt worden, damit er in der Folge das Amt des zweiten Aufsehers übernehmen konnte. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 15. Dezember 1779, Schottenloge, Bl. 5, S. 1 f. Vgl. Kap. 5. und 8.
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Spittlers hoffte die altschottische Loge auf Fortführung der erfolgreichen Arbeit Koppes. Die Mitglieder des vierten Grads erinnerten sich dagegen scheinbar eher an die Gründe, die Wacker zur Abdankung gezwungen hatten: Auch sechs Jahre nach den Vorfällen wachten sie noch argwöhnisch über die finanziellen Angelegenheiten der Loge und fürchteten die Konzentration von Befugnissen in den Händen eines Vorsitzenden, der nicht aus ihren Reihen stammte.²⁵⁰ Am 16. September 1784 verfasste Heinrich Ludwig von Pape, Meister vom Stuhl der hannoverschen Loge Zum weißen Pferde ein Schreiben, das – unter Bezug auf das aus Göttingen nach Hannover gesandte Schreiben – die Rechte und Zuständigkeiten zwischen den beiden künftigen Vorsitzenden Spittler und Willich regeln sollte.²⁵¹ Dabei scheinen der ursprünglich nach Hannover gesandte Vorschlag der Mitglieder der Göttinger Schottenloge und die von Pape in der „Konstitutionsurkunde“ dargelegten Vorstellungen der Ordensoberen stark voneinander abgewichen zu sein. Für den weiteren Verlauf der Streitigkeiten sollten sich besonders drei Punkte des Schreibens aus Hannover als entscheidend erweisen: Nach dem Acten und Constitutionsmäßig begründeten Dafürhalten der hier anwesenden Bbr. Capitularen, will in dem eingesandten Gränz Regulierungs Entwurfe zwischen dem Mstr. v[om] St[uhl] des 4ten Grades und dem der 3. symbol[ische]n Grade in Göttingen, dem ersteren mehr und dem zweeten weniger Autoritaet und Ansehn eingeräumt und beygeleget werden, als selbst der AltSchott[ische] Obermeister samt dem ᛭. dem einen zu geben und dem andern zu nehmen Macht und Gewalt hat; Und sind die Bbr. Capitularen ferner auch der Meynung, daß der mit den beiden Meistern v[om] St[uhl] zu treffende Verein auf folgende wenige Punkte füglich beschränkt werden könne: 1) Daß beide Meister v[om] St[uhl] sich versichern, keine verseentliche Abweichungen von den Ritualen, von den Gesetzen und von den bisherigen Oeconomischen Einrichtungen ohne respective Vorwissen und Genehmigung des ᛭. und ohne Zuziehung der Beamten, der Bbr. des J.O. und des 4ten Grades eigenmächtiger weise vorzunehmen; nochweniger aber das ganze maurerische System umzuschmelzen. 2) Daß dem Mstr. v[om] St[uhl] und den Beamten der Symbol[ische]n Loge Sitz und StimmRecht in den Schott[ische]n Conferenzen zugestanden werde, wenn darinn dieser Loge besonderer Angelegenheiten und das Rechnungswesen behandelt werden.
So scheint Koppes spontane Spende für die Brandopfer in Goslar und Utzele im Jahr 1780, die er scheinbar ohne Rücksprache tätigte, nicht im Sinne der Schottischen Brüder gewesen zu sein. Vgl. Kap. 8. Von Pape war Hardenberg-Reventlows Nachfolger als Meister vom Stuhl der Loge Zum weißen Pferde. An dieser Stelle muss an die enge Verbundenheit zwischen Koppe und von Pape erinnert werden, die sich in Kap. 6. bei der bevorzugten Rezeption des Sohns des Hofrats und Oberpostkommissars gezeigt hat. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 29. Oktober 1780, Lehrlingsloge, Bl. 31, S. 2. Der Name des Schreibens leitete sich von den „Capitularen“ her, den Angehörigen des Ordenskapitels.
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3) Daß der Mstr. v[om] St[uhl] der symbol[ische]n. Loge über die über die Adspiranten zum O[rden] ehe und bevor solche in der Loge proponiert werden, mit den Bbrn. des J.O. und des 4. Gr[ades} entweder in einer Conferenz oder privatim Rücksprache zu nehmen habe, es wäre dann, daß ein oder anderer Adspirant von der Art sey, und in solchem übelen Rufe stehe, daß der Mstr. v[om] St[uhl] solchen gleich von der Hand zu Weisen befüegt ist. Bey welcher Rücksprache jedoch nur mit guten Gründen unterbaute Einwendungsart gegen die Logen Propositiones statt finden können; und ist übrigens diese Rücksprache in der Maaße in dem System der vereinigten Logen allgemein vorgeschrieben, wird auch hier nach jetzt, wie von jeher beobachtet.²⁵²
Das Schreiben von Papes stellte, wie der weitere Verlauf des Konflikts zeigt, eine deutliche Absage an den ursprünglichen Entwurf der Schottenloge dar und hätte Spittler mehr Rechte zugestanden, als die älteren Brüder ihm zu gewähren bereit waren. In einem Schreiben vom 24. September antworteten die schottischen Brüder – Willichs Unterschrift findet sich allerdings nicht unter dem Dokument – mit einem zweiten Entwurf auf die aus Hannover eingegangene Konstitutionsurkunde: Wenn die Beamten der symbol[ischen] Loge Sitz und Stimmen in denen Schottischen o. Conferenzen haben wollen, so müßen sie entweder Bbr. des 4ten Grads seyn, oder der Mstr. vom Stuhl darf ohne Einwilligung der Bbr. des J.O. und des 4ten Gr. keine Beamten ernennen, so wie sich von selbst versteht, daß SchatzMeister und Deputirte in den Schottischen Conferenzen durch Mehrheit der Stimmen gewählt werden. Die Rechungen werden vom SchatzMeister und Deputirten dem Schottischen Mstr. eingeliefert, und in einer Schottischen O. Conferenz dazu der Mstr. der Symbol[ischen] Loge mit seinem Beamten zugezogen wird, abgenommen. In Ansehung der Armen Casse können die beyden meisters durchreisenden Bbr. und andern nothleidenden für sich Beyhülfe geben, über die Überschüsse können sie aber ohne Zuziehung der Schottischen Conferenz nicht disponiren. Übrigens muß eine jede Logen Conferenz im 4ten Grade vorher zihen, die einmahl festgesetzten Logen Tage dürfen ohne Noth nicht veändert werden, und falls solches geschehen müste, muß denen auswärtigen Bbr. davon Nachricht gegeben werden. Würden nun die Bbr. Willich und Spittler unter diesem und denen vom hochwürdigen ᛭ in Hannover gemachten Bedingungen den Hammer annehmen; so versichern wir hierdurch, daß wir uns Ihrer Führung gern und willig überlaßen. Göttingen den 24. Septbr. 1784.²⁵³
Besonders der erste Punkt des Schreibens aus Göttingen ist entscheidend: Zwar war man bereit, den Meister vom Stuhl der drei Johannisgrade und die beiden Pro Memoria von Papes, 16. September 1784. Das „᛭“ steht für das hannoversche Ordenskapitel. Korrespondenzen, Dok. 25. Schreiben der Schottischen Konferenzloge an Heinrich Ludwig von Pape, 24. September 1784, Korrespondenzen, Dok. 27.
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Vorsteher an den Versammlungen des vierten Grads teilnehmen zu lassen, über ein Stimmrecht sollten aber nur die Mitglieder des dritten Grads verfügen. Auch wollten die älteren Brüder sich das Vetorecht bei allen Ernennungen von Beamten vorbehalten, der Schatzmeister und sein Stellvertreter sollten gar exklusiv von den älteren Brüdern gewählt werden – die Angst, die Kontrolle über die Logenfinanzen erneut zu verlieren, findet hier ihren Ausdruck. Eine Reaktion seitens der Ordensoberen auf den zweiten Entwurf findet sich in den Protokollen nicht und es hat sie, wie die weitere Entwicklung zeigt, wohl auch nicht gegeben. Es ist hier besonders zu beachten, dass der Widerspruch der Schottischen Meister gegen Anordnungen der Ordensoberen sehr ungewöhnlich war: Einwände gegen die Führung wurden im autoritär organisierten System der Strikten Observanz äußerst ungern gesehen und vielleicht gerade deshalb von den Oberen nicht ernstgenommen.²⁵⁴ Eine weitere Diskussion oder eine Mediation zwischen den Interessengruppen scheint es nicht gegeben zu haben; beide Seiten nahmen wohl stillschweigend an, ihre Sicht der Dinge durchgesetzt zu haben. Anfang Dezember trafen zwei Schreiben in Göttingen ein, in denen die hannoversche Loge dem Geheimen Justizrat Böhmer die Vollmacht verlieh, Spittler als Meister vom Stuhl der drei Johannisgrade, und Willich als Meister vom Stuhl der Schottenloge, einzusetzen. Da beide Schreiben sich in ihrer Wortwahl sehr gleichen, soll an dieser Stelle nur das Schreiben an Böhmer wiedergegeben werden: Wir Alt Schottischer Ober Meister und Beschützer aller vereinigten Logen in den chur braunschweigischen, herzogl[ich] Mecklenburgischen, fürstlich Münsterischen, Waldeckischen und Hildesheimischen Landen; und Wir alhier anwesenden Mitglieder der Alt Schottischen Loge Carl zum Purpurmantel Urkunden und bekennen hiermit; daß Wir Unsern geliebtesten O[rden]s Bruder Geheimen Justitz Rath Böhmer zu Göttingen ersuchet haben, den von der Loge Augusta zu den 3. Flammen, mit Unserer Genehmigung, erwählten, nunmehr auch förmlich von Uns bestätigten Meister vom Stuhl der 3. Symbolischen Grade den Sehr ehrwürdigen O[rden]s Bruder Professoren ordinar[ius] Spittler zu introduciren; gestaten Wir dann, demselben hirmit Vollmacht ertheilen, in einer nach Gefallen zu construirenden Lehrlings Loge, jetzt benannten Meister vom Stuhl der Symbolischen Grade als solchen vorzustellen, und, nach geschehener Ermahnung der Brüder zur Liebe und Folgsamkeit gegen denselben, Hammer und Insignien ihm zu übergeben.²⁵⁵
Bauer, Müller, Des Maurers Wandeln, es gleicht dem Leben, S. 26. In Abwesenheit des Altschottischen Obermeisters, Karl II. zu Mecklenburg-Strelitz, ausgestelltes Schreiben an Georg Ludwig Böhmer, 2. Dezember 1784. Herzog Karl II. war Altschottischer Obermeister der vereinigten Logen von Kur-Hannover, der Herzoglich Mecklenburgischen Lande und des Westfälischen Kreises. Korrespondenzen, Dok. 12.7.
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Versehen mit dieser Vollmacht schritt Böhmer zur Tat. Die offizielle Ernennung Spittlers zum Meister vom Stuhl der drei Johannisgrade am zweiten Dezember 1784 sollte für die Loge Augusta das Ende einer Phase des Übergangs markieren: Unter dem heutigen dato kamen die benannten Brüder der 3 ersten Grade in dem Logen Hause zusammen. Der hochw[ürdige] Br[uder] Willich eröffnete die Lehrlingsloge, und übergab nach einer kurzen Vorbereitungsanrede, dem anwesenden hochw[ürdigen] Br[uder] Böhmer den Hammer und die Meisterinsignien dieser Loge. Dieser hochw[ürdige] Bruder, welcher als Commissarius des hochw[ürdigen] calenb[ergischen] Kapitels erschien, nahm den Plaz des Mstrs. und hielt an die anwesenden Brüder eine angemessene Rede. Darauf ließ er durch den Br[uder] Secretair, die Vollmacht verlesen, Kraft welcher er den S[ehr] E[hrwürdigen] Br[uder] Spittler zum Mstr. v[om] Stuhl in den 3 symbol[ischen] Graden installieren sollte. Sodann übergab er besagtem Br[uder] den Hammer und die Meisterinsignien: die er dann annahm, und seine Empfindung in einer aufrechten Rede, der Loge mittheilte, und den Br[uder] Richter zum 1ten, den Br[uder] Reuss zum 2ten Vorsteher ernannte. Nachher bat Br[uder] Feder ums Wort, und dankte erst im Namen der Brbr. dem M[eister] v[om] St[uhl] daß er dieses beschwerl[iche] Amt übernommen habe, und darauf wandte er sich an die sämtl[ichen] Brüder, und redete vom Einfluß der Maurerey auf den Ehrtrieb der Brüder.²⁵⁶
Während der festlichen Versammlung anlässlich seiner Ernennung zum Meister vom Stuhl zeigte sich die enge Verbundenheit zwischen Feder und Spittler. Beide waren auf Koppes Wunsch der Loge beigetreten und darüber hinaus durch ihre Mitgliedschaft im Illuminatenorden verbunden.²⁵⁷ Als Redner – das Amt verdankte Feder Koppe – gehörte es zu Feders Pflichten, eine dem Festtag würdige Ansprache zu halten. Die Themenwahl erweckt den Anschein, als hätte der Redner das kommende Zerwürfnis vorausgeahnt. Auf den ersten Blick scheint nach der Ernennung der Doppelspitze alles seinen gewohnten Gang gegangen zu sein: In den Protokollen dieser Zeit finden sich keine Hinweise darauf, dass interne Streitigkeiten den Logenalltag beeinflusst hätten. Oberflächlich schien es Ende 1784 so, als ob die Verhältnisse und Zuständigkeiten innerhalb der Loge geklärt waren. Unter der Oberfläche verbargen sich jedoch grundsätzlich verschiedene Auffassungen darüber, wie eine Loge zu führen war und welche Rechte einem Vorsitzenden zustanden.
Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. Dezember 1784, Lehrlingsloge, Bl. 108, S. 3. Vgl. Kap. 5.
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Der Konflikt Im Herbst 1785 entlud sich schließlich der lang schwelende Konflikt. In einem Brief vom 19. September beklagte Spittler sich über das Verhalten Willichs seit seiner Amtsübernahme: … traurig war mir mancher unbrüderlicher Streit mit älteren Brüdern und bes[onders] mit meinem guten Schott[ischen] Mstr. Willich. Er ist auf die unbedeutensten Vorzüge eiffersüchtig, er glaubt sich in Fällen beleidigt, die jeder andere fest als Unachtsamkeit ansehen würde, und er hält für Unachtsamkeit, was andere nicht einmal bemerken würden. Ihn allein allmälig zu gewinnen und durch ausdauernde Arbeith nach und nach sich selbst so zu bilden, daß man mit einem so wunderbar eiffersüchtigen Mann beßer zusammenpaße _ würde vielleicht das Werk einiger Jahre seyn, und selbst die Arbeith einiger Jahre würde ich nicht scheuen, wenn ich nur mir dieses mein Ziel zu erreichen gewiß hoffen dürfte. Aber an den guten W[illich] schließen sich mehrere an, die in ihrer ganzen maurerischen Denkart gar zu weit von mir entfernt sind, als daß ich mir mit der Hoffnung schmeicheln dürffte, sie zu gewinnen. Bei der lezten Rechnungs Abhör hatten wir einen Streit mit einander, der mein ganzes Nachdenken aufs neue reg machte, ob ich nicht den Hammer niederlegen sollte, denn ich darf bei so verschiedenen Ansinnungen nie mit vollkommener Zufriedenheit Vorsitz führen können.²⁵⁸
In der weiteren Schilderung beschuldigte Spittler die Schottischen Brüder, ihn aus der Konferenzloge, in der sie die ökonomischen Angelegenheiten der Loge besprachen, ausgeschlossen zu haben.²⁵⁹ Dies hätte Punkt Zwei der Kapitulationsurkunde widersprochen, der zufolge Spittler Sitz und Stimme in den Beratschlagungen zustand. Als Spittler um Erklärung bat, warum er als Meister vom Stuhl der Johannisgrade nicht das Recht hätte an den Beratungen teil zu nehmen, erhielt er angeblich zuerst keine Antwort: Als ich um weitere Aufklärung bat in wie fern denn der ᛭ nicht berechtigt gewesen sein solle, eine solche Capitulation zu bestimmen, so erhielt ich nichts als Klagen über Vorfälle, in welchen sich W[illich] beleidigt glaubte, deren Hauptsumme aber darauf hinauskam, daß mancher ohne W[illichs] vorläufige Einwilligung fortgeführt worden sei, ein Fall der ohne meine Schuld geschah, so oft er etwa auch geschehen sein mag.²⁶⁰
Schreiben Spittlers and den Altschottischen Obermeister, 19. September 1785, Korrespondenzen, Dok. 2. Vgl. Schreiben Spittlers and den Altschottischen Obermeister, 19. September 1785, Korrespondenzen, Dok. 2. Schreiben Spittlers and den Altschottischen Obermeister, 19. September 1785, Korrespondenzen, Dok. 2.
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Willich, so Spittler, habe die Legitimität der Entscheidung der Ordensoberen, vor der er glaubte, dass sie seine Rechte unzulässig einschränke, angezweifelt. Da die Oberen in Hannover aber nicht das Recht hätten, derartig weit in die Souveränität der Augusta einzugreifen, habe man Spittler nicht an der Sitzung teilnehmen lassen. Darüber hinaus habe Willich ihm vorgeworfen, über seine Kompetenzen hinausgehende Entscheidungen getroffen zu haben. Gegen diesen Vorwurf verteidigte sich der Meister vom Stuhl, indem er gegenüber den Ordensoberen beteuerte, nie Entscheidungen ohne Rücksprache mit den Schottischen Meistern getroffen zu haben: Ich habe die Angewohnheit jedem Adspiranten zu sagen, daß er vor allem übrigen den Schott[ischen] Mstr. besuchen sollte, und wenn ich von keinem der Beamten eine Protestation erhalte, so sehe ich dieses als Einwilligung an, besonders da ich diejenige der Beamten, welche zur Loge kommen, gewöhnlich frage, ob sie von diesem und jenem besucht worden seien, und ob sie nichts gegen ihn hätten.²⁶¹
Spittler nimmt hier Bezug auf den dritten Punkt von Papes Schrift, demzufolge er jeden Anwärter auf die Mitgliedschaft in der Loge zuerst durch die älteren Brüder absegnen lassen musste, bevor er ihn in der Lehrlingsloge der Mitgliederversammlung vorschlagen konnte. Den Streit um die finanziellen Kompetenzen erläuterte Spittler nicht weiter. Das Schreiben schließt mit einem Versprechen an Karl II.: … ich betheuere Ihnen, verehrungswürdigster OrdensOberer, bei m[aurerischer] OrdensPflicht, daß mir nie eingefallen ist, in dieser Sache irgend etwas zu thun, was die Rechte der Schott[ischen] Mstr. beeinträchtigen könnte.²⁶²
Spittler kündigte daher einen radikalen Schritt an: So ist nun die ganze Lage der Sache. Ich bin entschloßen, den Hammer niederzulegen, weil ich daran verzweifle, jemals so ganz verschieden gesinnte Brüder zu gewinnen. Ich will den Fehler … ganz gewiß theilen, und einen Theil der zu verschiedenen Gesinnung auch auf meine Rechnung schreiben, aber ich sehe voraus, bei jedem möglichen Versuch einer völligen Vereinigung, den ich machen werde, wird immer noch eine solche Kluft übrig bleiben, die zwischen Brüdern nicht sein solle.²⁶³
Schreiben Spittlers and den Altschottischen Obermeister, 19. September 1785, Korrespondenzen, Dok. 2. Schreiben Spittlers and den Altschottischen Obermeister, 19. September 1785, Korrespondenzen, Dok. 2. Schreiben Spittlers and den Altschottischen Obermeister, 19. September 1785, Korrespondenzen, Dok. 2.
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Auf die drohende Amtsniederlegung Spittlers reagierte der Altschottische Obermeister, indem Heinrich Carl Bernhard Compe, Gerichtsschultze in Göttingen und vormaliges Mitglied der hannoverschen Loge Zum Weißen Pferde,Vollmacht erteilt wurde, den Streit zwischen Spittler und den Schottischen Meistern zu schlichten – die Ordensoberen übertrugen das Schlichtungsgeschäft also einem Bekannten. Im Schreiben dazu heißt es: Dem S[ehr] W[ürdigen] Br[uder] GerichtsSchultzen Compe in Göttingen wird hiermit Vollmacht und Auftrag ertheilet, die zwischen den beiden Mstrn. v[om] St[uhl] unserer vielgeliebten Schwester Loge Aug[usta] zu den 3 Flammen, aus bloßem Misverständniß neuerdings entstandenen Irrungen, nach Maaßgabe der hier angeschloßenen Acten-Stände, wieder auszugleichen, so daß zum besten der Maurerey in Gantzen, und der Loge Aug[usta] insbesondere, alles in dem Stande bleiben und erhalten werden, worinn es von daher zu meiner des Alt. S[chottischen] OberMStrs und der gesammten Alt Schott-Loge großer Zufriedenheit, mit derzeitigen, nachdem Zeugniße der Acten vollkommene Übereinstimmung der vorhin benannten beiden Mstr. v[om] St[uhl] der Loge Aug[usta] durch die hiesigen AltSchott[ischen] Brbr: v[on] Pape und Suhling gebracht worden ist.²⁶⁴
Compe machte sich sofort an die Arbeit und versuchte, zwischen den zerstrittenen Parteien zu vermitteln. Die Schottischen Brüder hatten ebenfalls nicht damit gerechnet, dass Spittler sein Amt niederlegen würde. Nachdem sie von Compe über Spittlers Sicht der Dinge informiert worden waren, berieten sie sich in einer Konferenzloge. Der Sekretär Johann Friedrich Schroeder schrieb über den Verlauf dieser Versammlung an von Pape: Wie ich hin kam, hatte man bereits einen Beschluß genommen und den Br[uder] h[ochwürdigen] Richter als Deputierten zu dem Br[uder] Spittler gesand mit folgendem Auftrage: Die Bbr. erkenten gefehlet zu haben, könnten dagegen aber auch nicht luegen zu eröffnen, daß der Br[uder] Spittler zuerst verfohlen, böthen daher einen Br[üderlichen] Vergleich dar und ersuchten ihn den Hammer wieder aufzunehmen und zu führen; gleichwohl also hielten sie die Stelle des Br[uder] Redner für erledigt, weil der Br[uder] Feder sich beleidigent öffentlich darüber erklährt habe.²⁶⁵
Ein von Willich eingebrachter Vorschlag, nach dem die Logenarbeiten bis auf weiteres ausgesetzt werden sollten, wurde von der Versammlung abgelehnt –
Schreiben des Altschottischen Obermeisters an Compe, 20. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 6. Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 24. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 7.
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auch ohne Spittler sollten die Arbeiten fortgeführt und dem Vorsitzenden der Johannisgrade damit gezeigt werden, dass seine Amtsniederlegung als Druckmittel wirkungslos blieb.²⁶⁶ Noch während der Versammlung kehrte Richter von seiner diplomatischen Mission zurück: Der Br[uder] Richter kahm so dann von seiner Ambassade zurück und versicherte, daß er alles nur möglige angewand den Br[uder] Spittler zu bereden, den Hammer wieder aufzunehmen. Allein er habe sich völlig aus eben den Gründen geweigert, die der Br[uder] Compe bereits eröfnet hat und sich glatterdings zu nichts verstehen wollen.²⁶⁷
Spittlers kategorische Weigerung kam für die Versammelten unerwartet. Die Suche nach einem Ausweg aus der verfahrenen Situation konzentrierte sich nun auf die Person Richters: Es ward also nochmahlen beliebt und beschloßen, daß der Br[uder] Richter die nächste Loge abhalten möge und dieser angegangen, den Hammer völlig zu übernehmen; allein er weigerte sich aus vielen Gründen und bestand darauf, daß man sich wegen der Vereinigung mehr bemühen möge, gleichwohl aber verlangte er, daß der Br[uder] Feder nicht wieder als Br[uder] Redner zugelaßen werden möge …²⁶⁸
Die schottischen Meister beschlossen, über den Verlauf der Konferenzloge Bericht nach Hannover zu erstatten. Richter hoffte nach wie vor auf eine gütliche Lösung, gab sich hier aber auch als entschiedener Gegner Feders zu erkennen. Der Bericht Schroeders endete mit einer persönlichen Einschätzung: Ich habe ihm von allem was vorgegangen Nachricht gegeben und gerathen, weil der Br[uder] Richter sich so in der Converenz wegen der Lage der Sache benommen, daß ich hoffe dürfte er werde zu der wider Vereinigung am meisten Wirksam sein, erst mit diesem zu reden und so dann gemeinschaftlich den Br[uder] Spittler zu vermögen so mahl den Hammer als auch den 4. Gr[ad] anzunehmen, welcher ihm auch Gratis angetragen ist, um in der Folge alle Irrungen vorzubeugen. Der Br[uder] Compe wird Morgen seine Versuche zum Vergleich vornehmen …²⁶⁹
Den Versammlungen der Meisterloge im Winter 1785/86 saß am 8. Dezember und 1. März Richter vor – häufig versammelte sich die Meisterloge also nicht.Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 8. Dezember 1785 und 1. März 1786 Meisterlogen, unpag. Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 24. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 7. Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 24. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 7. Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 24. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 7.
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Compe befolgte Schroeders Rat und versuchte, sich den Einfluss Richters zu Nutze zu machen, um so Spittler zur Rücknahme seiner Ankündigung zu bewegen. Zehn Tage nach der Konferenzloge berichtete Schroeder nach Hannover: Der Br[uder] Compe hatte mit dem Br[uder] Richter die Verabredung getroffen in seiner Geselschaft zu Spitt[ler] zu gehen und die Stunde war am Montage bestimmt; allein er fand ihn nicht zu Haus und aus der Suche ward nichts; dagegen aber gehet der Br[uder] Richter, der den Anschein nach gerne M[eister] v[om] St[uhl] werden will und worauf der Br[uder] Willich Veto stimmt u.s.f. zu den Br[uder] Spittler zu zweyen mahlen, und will ihn zu Annahme des Hammers bringen. So wie er uns vor der Loge versicherte, habe er das erstemahl Hoffnung gemacht, ihm demnach aber das Billete wieder abgeschlagen, welches er mir gab und welches ich B[ruder] Compen zu stach; er sey so dann nochmahlen zu ihm gegangen, er habe sich gleichsam erniedrigt dennoch ihm nicht unter Bedrinngen beugen können, so freundschaftlich er ihm auch begegnet habe. Dieses habe veranlaßt, daß er ihm da entlich gesagt, da ihn dieses ales nicht bewöge, er nun ganz dagegen sein müste, daß er den Hammer wieder erhielte und würde Loge halten.²⁷⁰
Als aufmerksamer Beobachter unterstellte der Sekretär bereits kurz nach Ausbruch des Konflikts Richter ein Interesse, selbst den Vorsitz über die Loge zu übernehmen. Auch beobachtete er scharfsinnig, dass es unter den Schottischen Meistern bereits früh zu einem Bruch kam: Sie standen zwar gemeinsam gegen Spittler, waren aber über die weitere Vorgehensweise uneins. Dies unterstreicht erneut die Vermutung, dass sie von Spittlers Rückzug überrascht wurden. Der zurückgetretene Vorsitzende der Johannisgrade verfasste am fünften November 1785 zwei Briefe an Compe, in denen er seine Sicht der Dinge erläuterte. Das erste, kürzere Schreiben stellte ein Begleitschreiben zu den ausführlichen Ausführungen im zweiten Brief dar. Schon vor Ausbruch der Streitigkeiten seien Mitglieder der Loge an ihn mit dem Vorschlag herangetreten, dass die Anwärter der Loge zukünftig in weiße Umhänge gekleidet werden sollten, die Meister in schwarze.²⁷¹ Laut dem ersten Punkt der Schrift von Papes stand den Schottischen Brüdern das Recht zu, über Änderungen des Rituals zu entscheiden. Spittler reichte daher laut eigener Aussage diesen Wunsch an die Schottischen Brüder weiter, woraufhin der Zeremonienmeister Schwartz den Vorschlag geprüft hätte. Richter, selbst Mediziner, habe die Idee der weißen Umhänge für Anwärter befürwortet, damit diese sich nicht während der Zeremonie erkälteten.²⁷² Die Versammlung der Schottischen Brüder habe den Vorschlag dennoch in Teilen ab-
Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 3. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 8. Rechtfertigungsschreiben Spittlers an Compe, 5. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 9. Richters Sorge galt dem derangierten Anwärter während der Rezeption. Vgl. Kap. 4.
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gelehnt. Die weißen Umhänge für Anwärter wurden bewilligt, die schwarzen für Meister nicht.²⁷³ Über die Ursachen dieser Ablehnung spekulierte der scheidende Meister vom Stuhl: Sie wißen, daß ich von Reformatorssucht vielleicht nur zu viel frei bin, aber meine Schuldigkeit schien mir bei dem Mantelvorschlage zu erfordern, diese sodann des Br[uder] Schwartz zur Prüfung vorlegen zu laßen, und unter uns gesagt mir war halblustig vorauszusehen, wie eifrig hir und da einer dagegen votieren werde, weil er glaubte, der Vorschlag sei des neuen Meisters v[om] St[uhl] der gleich reformieren wolle, den man auch gleich bei dem ersten Reformationsversuch in Schranken halten müße.²⁷⁴
Spittler scheint das Verhältnis zu den Schottischen Brüdern schon kurz nach Übernahme des Vorsitzes Ende 1784 als belastet empfunden haben. Schon zu Beginn des zweiten Schreibens verwies Spittler darauf, dass er sich zum Zeitpunkt, an dem er von Koppe als Nachfolger vorgeschlagen und die Verteilung der Kompetenzen besprochen wurde, auf einer Reise nach Stuttgart befunden habe. Er fuhr fort: Ich kam zurück, traff alles schon entschieden und geordnet an, und mir ahnte gar nicht, daß meine Theilnehmung an den oekonomischen Berathschlagungen der Loge inneren Observanz Schwierigkeiten des O. unterworfen sei.Wenn ich in der That vorläufig nur das geringste vermuthet hätte, so würde ich mit Vergnügen vorläuffig den Schritt gethan haben, der künfftigen Irrungen vorkommen könnte, und hätte um meine Aufnahme in den vierten Grad gebethen. Nach den Einsichten aber, welche ich bei meinem ersten Eintritt in die Sache hatte schien mir die Bitte um den vierten Grad etwas gefährliches zu haben, weil es scheinen könnte, als ob ich dem Schottischen Mstr in seine höher Sphäre nachdringen wollte, bis ich aus einigen Reden des Br[uders] Richter vernahm, daß es gegen bisherige Ordensobservanz sei, einen Meister der drei symbolischen Grade, der nicht in den vierten Grad eingeweiht ist, an den oekonomischen Berathschlagungen theilnehmen zu laßen. Auf Maurers Ehre versichere ich Sie, daß mich alle die Nachrichten, welche ich aus den Unterredungen des Br[uders] Richter schöpfte, bereits bestimmt hatten, um die Aufnahme in den 4ten Grad zu bitten, so bald mir ein einzigmahl Schottischoekonomische Conferenz gewesen sein würde, so bald ich also nur einmahl des Recht genoßen haben würde, das mir das hochwürdige ᛭ bewilligt hatte, denn einen so nahem Sturm der sich mit Bescheinigung meiner Bitte hätte abwenden laßen, konnte ich nicht vorher sehen. Die erste schottischökonomische Conferentz bei Abhörung der Rechnungen wurde gehalten, und ich nicht dazu geruffen.²⁷⁵
Spittler griff hier erneut das unterschwellige Thema seines Briefes vom 19. September auf, in dem er die von den Ansichten der Ordensoberen abweichende
Rechtfertigungsschreiben Spittlers an Compe, 5. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 9. Rechtfertigungsschreiben Spittlers an Compe, 5. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 9. Rechtfertigungsschreiben Spittlers an Compe, 5. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 10.
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Meinung der älteren Göttinger Brüder und die Missgunst Willichs im speziellen erwähnt hatte. Er habe sich nicht bemüht, den vierten Grad zu erhalten, weil dies als Angriff auf die Autorität Willichs hätte verstanden werden können – die Doppelspitze war nur entstanden, weil Spittler kein Mitglied des vierten Grads war, die Loge aber Koppes Wunsch nach Einsetzung Spittlers erfüllen wollte. Seine prinzipiell nachsichtige Haltung habe er erst revidiert, so Spittler weiter, als er von Richter erfuhr, dass die älteren Brüder ihm sein Recht, an den ökonomischen Beratschlagungen teilzunehmen, nicht zugestehen wollten. Aber gemäß dem zweiten Punkt stand ihm als Meister vom Stuhl der drei Johannisgrade das Recht zu, an den ökonomischen Beratschlagungen teilzunehmen. Den vierten Grad hätte er angenommen, sobald dem ihm zugestandenen Recht einmal Genüge getan worden wäre, womit nach Spittlers Auffassung die älteren Brüder symbolisch ihre Anerkennung gegenüber der Autorität der hannoverschen Ordensoberen erwiesen hätten. Die Streitigkeiten, welche aus der gewünschten Wahrnehmung seiner Rechte entstanden, habe er nicht vorhersehen können. Spittler fährt fort: Nach einer Unterredung mit Br[uder] Richter, dem ich auch hierin wie in so vielen andern Fällen sehr vielen gütigen Rath verdanke, wandte ich mich an den hochw[ürdigen] Schott[ischen] Mstr., und bat mir von ihm Aufklärung aus, warum ich den Capitulationspunkten gerade zuwider von der dißmaligen Rechnungsabhör ausgeschloßen worden sei. Br[uder] Willich versicherte mich, daß diese vom hochw[ürdigen] ᛭ entworfene Capitulation von keinem der ältern Brüder anerkannt werde, und falls sie es verlangen kann ich sein Original Billet beilegen …²⁷⁶
Laut eigener Aussage sprach Spittler in der Folge mehrfach mit Willich und erläuterte diesem seine Sichtweise: Wenn die Schottischen Brüder sich weiter weigern würden, ihn an den ökonomischen Beratschlagungen innerhalb der Konferenzloge des vierten Grads teilnehmen zu lassen, müsse er dies als Anzweiflung der Konstitutionsurkunde und damit als Zweifel an der Legitimität seines Vorsitzes verstehen. Er habe deshalb Willich gegenüber deutlich gemacht, dass er bis zur endgültigen Klärung, ob er rechtmäßig den Vorsitz der Loge führte, die Logenarbeiten einstellen wolle. Erst auf diese Ankündigung hin hätten die Schottischen Brüder reagiert: Endlich hatte Br[uder] Willich die Güte mir mitzutheilen, was die älterern Brüder auf seine zweimalige Anfrage, wie er mich versicherte, erklärt hatten. Er that mir erstlich kund, daß die Altschottischen Brüder auf meine Frage wegen der Gültigkeit jener Capitulation niemand Antwort zu geben sich schuldig glaubten als allein dem ᛭, daß aber die Schottischen
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Br[üder] einstimmig auf ihrem mich völlig ausschließendem Recht der ökonomischen Verwaltung beständen.²⁷⁷
Es war diese definitive Ablehnung der älteren Brüder, die Spittler laut eigener Aussage letztendlich dazu brachte, seiner Ankündigung Taten folgen zu lassen und den Vorsitz über die Johannisgrade der Augusta niederzulegen. Leicht fiel ihm diese Entscheidung nicht: … diesen lezten Schritt that ich doch auch so zaudernd, wie jeder Maurer einen Schritt thun wird, der auch im groserem Publikum Aufsehen und Aerger veranlaßen müßte. Länger als eine Woche vorher erklärte ich mehrmalen gegen Br[uder] Willich, daß ich diesen Schritt thun müßte, ich bat ihn den ältern Br[üdern] Nachricht davon zu geben, und selbst meine wiederholte Bitte bewieß, daß ich es gar nicht als eine Drohung erklärte, mit welcher ich etwas erzwingen wollte, sondern daß ich bloß zeigen wollte, wie viel mir daran liege, nicht in dem Lichte eines höchst albernen Menschen zu erscheinen, der auf eine Capitulation hin, die nie gültig existirt haben solle, den Hammer annahm und fortführte.²⁷⁸
Danach, so Spittler, habe er nach Hannover geschrieben und um seine Entlassung aus dem Amt des Meisters vom Stuhl der drei Johannisgrade gebeten. Erst nachdem er seinen Entschluss tatsächlich wahr gemacht habe, seien die älteren Brüder durch Richter auf ihn zugekommen: Mit vielem Dank erinnere ich mich, daß die älteren Brüder bei der ersten Conferentz, welche sie nach Br[uder] Richters Rückkunft hielten, durch lezteren das Anerbieten mir thun ließen, zu Hebung aller weitern Irrungen mir den vierten Grad zu ertheilen, und in jeder andern Loge, als meine damalige war, hätte ich ein so brüderlich gütiges Anerbieten mir so gleich zu nutz gemacht. Da aber in diesem Schritt, den ich thun sollte, eine eigene stillschweigende Anerkennung meiner nie gültig existirenden Capitulation lag, so konnte ich unter diesen Umständen dasjenige unmöglich thun, was ich kurz vorher durch eine Bitte zu erhalten suchen wollte, vollends da mir die ganze Frage wegen der Capitulations Gültigkeit mehr Angelegenheit der ᛭ in Hannover als meine Sache zu sein schien.²⁷⁹
Spittler sah in dem von Richter überbrachten Angebot einen Versuch der älteren Brüder, die Streitigkeiten ohne weiteres Aufsehen in ihrem Sinne beizulegen. Er selbst strebte die endgültige Klärung und Bestätigung seiner Position durch die Ordensoberen an. Daher gab Spittler dem Bitten Richters nicht nach: War in der That je ein Augenblich, in welchem mein Herz mit dem Verstand hinwegeilen und meine Empfindungen mich überwältigen wollten, daß ich meine Sache vergeßen und an die
Rechtfertigungsschreiben Spittlers an Compe, 5. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 10. Rechtfertigungsschreiben Spittlers an Compe, 5. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 10. Rechtfertigungsschreiben Spittlers an Compe, 5. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 10.
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gantze Capitulations Acte gar nicht mehr gedenken wollte, so waren es vor ungefähr acht Tagen die Stunden einer Unterredung mit Richter, da mich dieser in seinem Nahmen bat, den vierten Grad sogleich zu nehmen, und jenen so streitigen Punkt der Capitulation auf diese Art aufzugeben.²⁸⁰
Spittler blieb hart, bereute gleichzeitig aber – dem von ihm sehr geschätzten – Richter gegenüber zu einem so unnachgiebigen Verhalten gezwungen worden zu sein. Im weiteren Verlauf des Schreibens ging Spittler auch auf den Vorwurf ein, dass er eigenmächtig das Ritual geändert habe: Daß ich einmahl in der Loge den Eyd gantz verlaß, und nicht Wort für Wort nachsprechen ließ, darüber mag ich mich nicht einmahl rechtfertigen; denn es war an jenem Tage in der Loge so schwül, daß jeder Augenblick von Abkürzung ein Rethungsmittel war, dem wir alle entgegenschmachteten.²⁸¹
Davon abgesehen habe er das Ritual nicht ohne Rücksprache mit den Schottischen Brüdern abgeändert, und Änderungen habe es bereits unter Koppe gegeben.²⁸² Mit resignierten Worten schloss Spittler seine Ausführungen: Ich mag nicht weiter schreiben, denn wozu das viele Schreiben? Meine einzige Bitte an Sie ist, diesen Aufsaz, wenn Sie es gut fänden, an das hochwürdige ᛭ in Hannover zu schiken. Ich kenne aus jenem Kreiße zu viele Männer, denen ich nicht in einem falschen Lichte erscheinen möchte, weil meine Hochachtung für Sie den Wunsch von ihnen nicht mißgekannt zu werden mir wichtig macht.²⁸³
Spittler ging es mithin darum, seine Position durchzusetzen. Er wollte keinesfalls alle Brücken hinter sich abbrechen. Compe fasste in einem Schreiben vom siebten November den Stand der Dinge für die hannoverschen Ordensoberen zusammen. Dabei ging er besonders auf die Standpunkte der zentralen Personen Spittler, Richter und Willich sowie die von Schroeder beschriebene Konferenzloge vom 24. Oktober ein: An eben dem Tage, wie ich von meiner nach Hannover gemachten Reise, hiro wieder eintraf, sind die älteren Brüder in einer Conferentz versammelt gewesen. In derselben ist nach dem Vortrage des Br[uder] Willich vorausgesetzt daß dem Br[uder] Spittler kein Sitz und Stimme in den oeconomischen Beratschlagungen zustehe, und daher bschlosen worden, dem letz-
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tren den Hammer unter der Bedingung wieder anzutragen, wenn er den 4. Gr[ad], den man ihm unentgeltlich zu ertheilen bereit sey, annehmen wolle, welchen Antrag der Br[uder] Spittler von sich abgelehnt hatte. In dieser Lage fand ich bey meiner Hirkunft die Sache.²⁸⁴
Compe beklagte darüber hinaus, dass sowohl Richter als auch Spittler von der Teilnahme an einem vermittelnden Gespräch abgehalten worden waren. Richter sei daher später allein zu Spittler gegangen, der aber das Angebot der Schottischen Meister abgelehnt habe. Bey einem anderweitigen Besuch des Br[uder] Richter fand ich denselben hirüber so sehr aufgebracht, daß er sich schlechterdings alle weitere Unterhandlung verbath, und sich gerade zu für einen Gegner des Spittler erklährte und declarirte, wie er nunmehr nicht abgeneigt sey den Hammer, den er vorhin von der Hand gewiesen, selbst anzunehmen, um zu zeigen daß man an den Br[uder] Spittler nicht gebunden sey.“²⁸⁵ Compe weiter: „Des Br[uders] Richter Eifer ging soweit daß er auf mein Bitten nicht einmahl die von dem Br[uder] Bodecker concipirten und an R[ichter] und andere ältere Brüder unterschriebenen Capitulations-Punkte nicht mahl lesen wollte. Ohnehin wurde jetzt die Sprache auf einmahl verändert. Man glaubte nemlich die Capitulations-Punkte, sie mögten auch beschaffen seyn wie sie wollten, nicht weiter zu halten schuldig zu seyn, weil der Br[uder] Spittler sie seiner seits nicht erfüllt.²⁸⁶
Richter verweigerte laut Compe jede weitere konstruktive Mithilfe. Stattdessen verstand er Spittlers Haltung, den vierten Grad nicht anzunehmen, um Willichs Autorität nicht in Frage zu stellen und eine Entscheidung durch die Ordensoberen zu erzwingen, als eine Weigerung desselben, konstruktiv an der Lösung der Krise mitzuarbeiten. Daraus leitete er ab, dass Spittler der Loge bewusst schaden wollte und somit keine Legitimität mehr besäße, diese zu leiten. Vor seinem Besuch bei Richter hatte Compe bereits mit Willich gesprochen, der ebenfalls jegliche Hoffnung auf eine Übereinkunft mit Spittler aufgegeben zu haben schien: Der Br[uder] Willich, mit dem ich vorher der Sache wegen ebenfals gesprochen, glaubte daß eine brüderl[iche] Freundschaft mit Spittler nie zu erwarten sey, verwies mich indes mit
Rechtfertigungsschreiben Compes an von Pape, 7. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 14. Rechtfertigungsschreiben Compes an von Pape, 7. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 14. Rechtfertigungsschreiben Compes an von Pape, 7. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 14.
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meinem Vermittlungs-Geschäfte an R[ichter], und doch wollte dieser zuletzt von der Sache nichts weiter hören.²⁸⁷
Weiter geht Compe auf die Meinungen einiger der anderen älteren Brüder ein. Zwar habe er noch keine Gelegenheit gehabt, mit Böhmer zu sprechen, Johann Friedrich Bernhard Bodecker habe ihm gegenüber aber erklärt, dass ihm und einigen anderen Brüdern die von den Ordensoberen an Spittler verliehenen Rechte nicht bekannt seien. Alles was sie darüber wüssten, hätte ihnen Willich gesagt und sie hätten dessen Aussagen geglaubt. Compe konfrontierte auf diese Aussage hin Bodecker mit der Kapitulationsurkunde, die dieser unterschrieben hatte. Angesichts seiner eigenen Unterschrift scheint Bodecker sich äußerst defensiv verhalten zu haben, bewies sie doch, dass die Kapitulationsurkunde akzeptiert worden war. Compe legt weiter dar, dass bereits ein Tag für die Wahl eines neuen Meister vom Stuhl am Ende des Monats festgesetzt worden sei und er derzeit keine Möglichkeit sehe, wie er weiter seinem Amt als Unterhändler gerecht werden könnte. Die Situation sei zu verfahren. Auch die Fraktion der Schottischen Brüder blieb mit den Ordensoberen in Kontakt. Am zehnten November verfassten der den Hammer führende Willich und die beiden Vorsteher Richter und Johann Hermann Ruhlender ein Schreiben, in dem sie ihre Sicht der Dinge darlegten: E[hrwürdigen] Durchlauchten und Hochwürden ist hinlänglich bekannt, was für laute Klagen die älteren Brbr. der Augusta, schon zu den Zeiten, als der Hochw[ürdige] Br[uder] Koppe derselben als Mstr. vorstand, geführt haben, daß nemlich dieser und einige der jüngeren Brbr. Profeßoren sich eine Superiorität anmasten, die schlechterdings den Regeln des Ordens zuwieder ist. Ebenfalls wird erinnerlich seyn, daß einige der älteren Brbr. bey der Wahl des Br[uder] Spittler als Mstr. der symbolischen Grade, die Besorgniß geäußert haben, daß wenn nicht Ziel und Maaße gesezt würde, die Lust zu herrschen und alles nach eigenen Einsichten ohne Rücksicht auf Gesezze und Observanz zu formen, gewiß neues Mißvergnügen veranlaßen und dieses über kurz oder lang ausbrechen würde.²⁸⁸
Das Schreiben schließt sich also an Richters zuletzt vertretene Argumentation an. Die älteren Brüder hätten dies bemängelt, doch
Rechtfertigungsschreiben Compes an von Pape, 7. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 14. Schreiben Willichs, Richters und Ruhlenders an das Ordenskapitel, 10. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 15.
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… es ist damahlen auf die Erinnerungen, so wichtig sie auch waren, nicht Rücksicht genommen, vielmehr wurde Br[uder] Spittler durch den Betrieb des Hochw[ürdigen] Br[uder] von Pape als Commißarii zum symbol[ischen] Mstr. erwählt und dagenächst eingeführet.²⁸⁹
Eine Spitze gegen von Pape, in welcher die Vorwürfe der Gleichgültigkeit und Inkompetenz mitschwingen; von den Verfassern unerwähnt bleibt dabei der Umstand, dass Spittler auch auf Vorschlag der Göttinger Brüder des vierten Grads vom Kapitel als Vorsitzender der Johannisgrade eingesetzt worden war.²⁹⁰ Weiter habe Spittler deutlich gemacht, dass er die Beamten der Loge für überflüssig halte und sich die Brüder des vierten Grades nicht in die Angelegenheiten der drei symbolischen Grade einzumischen hätten. Eigenmächtig und ohne Rücksprache mit den älteren Brüdern habe Spittler Veränderungen an den Aufnahmeritualen vorgenommen, Aspiranten in der Loge vorgeschlagen und Besuchende Brüder zu den rituellen Arbeiten zugelassen. Der Redner Feder habe dabei stets auf Spittlers Seite gestanden. Auch finanzielle Entscheidungen habe Spittler eigenmächtig – und ohne Rücksprache mit den Brüdern des vierten Grads – getroffen. Um diesen Quell der Streitigkeiten zu beseitigen, hätte man angeboten, ihn gratis in den vierten Grad zu befördern, wenn Feder sich für einige Zeit von der Loge fernhalten würde und Spittler einige seiner in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen zurücknähme. Spittler aber habe dieses Angebot ausgeschlagen. Auf die Sicht Spittlers, der seine Legitimation an die Ordensoberen band, ging Willich nicht ein. Im Fall des Abgangs Spittlers scheint man eine Teilung der Loge befürchtet zu haben: Als eine Folge der Spaltung erwarteten wir nun zwar, daß ein nicht geringer Theil der jüngern Brbr. unsere Versammlungen verlaßen würde, inzwischen der Erfolg hat diese Vermuthung nicht bestätigt; sollte es aber ja noch in Zukunft geschehen, so sind wir dagegen versichert, daß unsere Loge dabey nicht viel verliehret, indem bey weitem der größte Theil der jüngeren in neuern Zeiten aufgenommenen Brbr. uns den ältern ganz unbekannt sind, da sie sich blos an die Brüder Feder und Spittler gehalten haben. Bey Verminderung der Anzahl unserer ohnehin an Mitgliedern zahlreichen Loge, wird hingegen die brüderliche Eintracht und Freundschaft, die zeither als nicht zum O[rden] gehörig betrachtet werden wollen, beträchtlich gewinnen.²⁹¹
Schreiben Willichs, Richters und Ruhlenders an das Ordenskapitel, 10. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 15. Vgl. das in Abwesenheit des Altschottischen Obermeisters, Karl II. zu Mecklenburg-Strelitz, ausgestellte Schreiben an Georg Ludwig Böhmer, 2. Dezember 1784, Korrespondenzen, Dok. 12.7. Schreiben Willichs, Richters und Ruhlenders an das Ordenskapitel, 10. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 15.
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Diese Passage ist besonders aufschlussreich, zeigt sie doch deutlich, dass Willich und die älteren Brüder sich als den maßgeblichen Kern der Loge verstanden, der auf die jüngeren Brüder nicht angewiesen sei. Im Gegenteil: Willich beschreibt deutlich, dass eine Spaltung der Loge in seinen Augen auch positive Auswirkung gehabt hätte, denn die jüngeren Brüder kenne man sowieso nicht, und ohne sie würde – ein geradezu nostalgisch anmutender Gedanke, den man in Vereinen und anderen Körperschaften immer wieder findet, wenn sich ein Generationswechsel ankündigt – eine brüderlichere Atmosphäre herrschen. In Bezug auf die bald anstehende Meisterwahl versuchte man Fakten zu schaffen: Da indeßen das Mstr. Amt der 3 symbol[ischen] Grade, durch die Resignation des Br[uder] Spittlers erledigt ist, und nicht lange unbesezt bleiben darff, so werden wir drauf bedacht seyn, eine neue Mstr-Wahl zu veranstalten, von deren Ausfall wir schuldigen und brüderlichen Bericht abzustatten, nicht ermangeln werden.²⁹²
Das Rundschreiben Seit seinem im Schreiben vom siebten November dargestellten Gespräch mit Bodecker war Compe klar geworden, dass viele der Schottischen Brüder sich nicht die Mühe gemacht hatten, sich über die Inhalte der hannoverschen Schriften richtig zu informieren, und möglicherweise deshalb der Argumentation Willichs gefolgt waren. Er schrieb daher am zehnten November – also zeitgleich mit Willich, Richter und Ruhlender – an Heinrich Ludwig von Pape: Da ich indes wahrnehme, daß die wenigsten der ältern Brüder von der eigentlichen Lage der Sache, dem Verhältniß der beyden Meister gegen einander hinreichend unterrichtet sind, so bin ich unter vorherschender hoher Genehmigung auf die Entschließung gekommen das copiya angelegte Circulare mit den darin angezogenen Anlagen umlauffen zu laßen, und sodann zu erwarten, was solches für einen Eindruck auf die Gemüther der unbefangenen Brüder machen wird. Denn bey einigen wird es, wie ich voraus sehe, nicht viel fruchten. Es schafft dann doch wenigstens soviel Antheil daß der gute Bruder Spittler nicht bey allen Brüdern in einem falschen Lichte erscheinet.²⁹³
Compe ergriff mit diesem Schreiben offen Partei für Spittler und verdeutlichte seinen Plan, die Fraktion der Schottischen Brüder aufzubrechen. Bei dem von Compe erwähnten „Circulare“ handelt es sich um eine Sammlung der Ansichten der Schottischen Brüder aus dem Zeitraum von Anfang bis
Schreiben Willichs, Richters und Ruhlenders an das Ordenskapitel, 10. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 15. Compe an Heinrich Ludwig von Pape, 10. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 16.
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Mitte November 1785. Das Rundschreiben ging deshalb an Böhmer, Willich, Richter, Ruhlaender, Wacker, von Adelebsen und Schroeder, dann zurück an Compe. Danach zirkulierte es an Bodecker, Hüpeden, Böse und Borckenstein. Schließlich erhielt Compe es zurück und sandte es nach Hannover. Compes in der Theorie guter Einfall hatte allerdings einen gravierenden Nachteil: Das Herumreichen der Stellungnahmen in einem langen Dokument ermöglichte es, dass Gleichgesinnte ihre Stellungnahmen abgleichen konnten. Als erstes kam der älteste aktive Freimaurer Göttingens zu Wort. In seinem kurzen Eintrag äußerte Böhmer die Hoffnung, dass die Streitigkeiten bald abgeschlossen sein würden: Bei der im Jahr 1784 getrofenen brüderlichen Vereinigung ist der Aufsaz fal D, als ungezweifelt zum Grund gelegt worden: er beruhet auch für sich auf der grösten Billigkeit und ist der Verfaßung angemeßen.Wie sehr wünschte ich, daß er bei einer zutrefenden Vermittlungs Geschafte einen Grund der neuen so heilsamen und zu erbetenden Vereinigung abgeben möge.²⁹⁴
Böhmer erkannte die Entscheidung der Ordensoberen als rechtmäßig an und war einer der wenigen Schottischen Brüder, die nach wie vor zu Spittler standen. Der zweite, undatierte Eintrag im Rundschreiben stammt von Richter. Dessen Gemüt schien sich nach seinem enttäuschend verlaufenen Besuch bei Spittler wieder etwas abgekühlt zu haben: Wie sehr ich gewünscht, und was ich gethan habe, eine brüderliche Vereinigung zu stiften, das werden sämtliche Sch[ottischen] Brüder, und der Bruder Spittler selbst vorzüglich bezeugen. Ich habe mehr gethan, als mir zu kommt, mehr als irgend jemand in meiner Lage thun würd, ich habe den Br[uder] Spittler gebeten, dringend, und zu wiederhohlthem malen gebeten, den Hammer wieder anzunehmen, weil ich noch immer glaubte, eine brüderliche dauerhafte Vereinigung sey noch möglich. Umsonst; dreymal empfing ich abschlägige Antwort. Nun bin ich müde, und ich gestehe, daß ich jezt auch von der Lage der Sachen ganz anders urtheile, als anfangs. Ich glaube nicht, daß eine wahre, brüderliche dauerhafte Vereinigung mehr möglich ist. Von der einen Seite so viel Abneigung, Widerstand, Unnachgiebigkeit; wie kann man auf der andern Seite Zutrauen brüderliche Zuneigung, und Nachgiebigkeit erwarten. Die Kur würde eine Palliativkur seyn, der Stachel bleibt stecken, und das Geschwür bricht in Kurzem wieder auf. Vorzüglich thut es mir leid, daß ihn der Br[uder] Spittler neuerdings noch tiefer einstecket.Wie kann ein Schottischer Bruder völliges herzliches Zutrauen zu ihm haben, wenn er in seinem Aufsaze an den Br[uder] Compe sagt; eine Bitte um den vierten Grad scheine mir etwas gefährliches zu haben, weil es scheinen könnte, als ob ich den Schottischen Meister in seine höhere Sphäre nachdringen wollte. – dergleichen Eindrücke bleiben, und machen brüderliche Zuneigung, ohne welche eine dauerhafte Vereinigung nicht statt findet unmöglich. Auch weis ich nicht, ob es noch res
Böhmer im Rundschreiben, 1. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22.
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integra ist, da die Sch[ottischen] Brüder bereits nach Hanover berichtet, und die Wahl eines neuen Meisters veransteltet haben.²⁹⁵
Trotz seiner resignierten Haltung blieb Richter unnachgiebig gegenüber der Position Spittlers. Dessen Verhalten bewertete er als stur, das der Schottischen Brüder dagegen als entgegenkommend und brüderlich. Spittlers in dem Schreiben an Compe vom fünften November geäußerte Befürchtung, dass Willich seine Weiterführung und Teilnahme an den Versammlungen des vierten Grads als Angriff auf seine Autorität interpretieren würde, scheint Richter nicht nachvollzogen zu haben. Er verstand Spittlers Aussagen als Beweis für dessen mangelndes Vertrauen in die brüderliche Zuneigung der Schottischen Brüder und fühlte sich deshalb in seiner Ehre gekränkt. Willich dagegen scheint den Streit weniger als einen Konflikt um Kompetenzen zwischen Spittler, den Ordensoberen und den Schottischen Brüdern verstanden zu haben, sondern als einen Angriff des Meisters der Johannisgrade auf seine Person: Zuerst ist es mir herzlich leid, aus der Anlage E vom S[ehr] E[hrwürdigen] Br[uder] Spittler, wahrzunehmen, daß derselbe besonders gegen mich, eine Animosität blicken läßt, die ich nicht zu verdienen glaube. Vielleicht war auch jene beynahe vergessene Begegnung in der Loge ersten Grs. [Grades] denen er selbst am Ende annähme, eine Folge davon, ob ich gleich bisher geneigt gewesen bin, sie für Uebereilung zu halten. denn gemäß, was ich nun weiß, kann ich nur einigermaassen erklären, warum man besonders mit mir am wenigsten zufrieden ist. Als Schott[ischer] Mstr. war es ja meine Pflicht, die Anfrage des Br[uder] Sp[ittler] als Mstr. der symb[olischen] Grade an die älteren BBr. zu bringen und deren Antworten dem Br[uder] Sp[ittler] zu eröfnen. Fielen diese nicht nach Wunsch aus, so waren sie ja nicht meine, sondern der ganzen Schott[ischen] Loge Antworten. Warum soll ich dann den Haß alleine haben?²⁹⁶
Willich versuchte seine eigene Position innerhalb der Streitigkeiten herunterzuspielen: Er habe in seinem Amt als Meister vom Stuhl der Schottenloge für die Schottischen Brüder gesprochen, die Entscheidungen jedoch nicht alleine getroffen. Daher sei er nicht der Hauptschuldige, sondern als Meister vom Stuhl der Schottenloge nur Sprecher einer Gruppe. So gern er Spittler den Hammer auch wieder zukommen lassen würde, sei die Angelegenheit zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen. Spittler habe den ihm zusammen mit dem vierten Grad angebotenen Hammer mehrmals ausgeschlagen:
Richter im Rundschreiben, Anfang November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22. Willich im Rundschreiben, 11. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22.
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Selbst jeder einzelne, auch nicht Schott[ische] Br[uder] muß es fühlen, daß eine ganze Schott]ische] Loge, gegen ein einzelnes Mitglied, sich nicht wegwerfen kann, wie man zu sagen pflegt. Die ältern Bbr. haben das Mstr. Amt. in den 3 symb[olischen] Gr[aden] einmahl für erledigt erkannt und den Tag zur neuen Wahl angesetzet. Nur sehr wichtige Gründe können die Bbr. veranlassen, von diesem einmahl gefasten Beschluß wieder abzugehen.²⁹⁷
Willichs Behauptung, dass die Causa Spittler eigentlich bereits abgeschlossen sei, wirkt, als wäre sie zwischen ihm und Richter abgesprochen gewesen. Im Übrigen habe sich Spittler durch seine abwertenden Äußerungen über „höhere Sphären“ des vierten Grads selbst für das Amt des Meisters vom Stuhl disqualifiziert.²⁹⁸ Eine Aufnahme Spittlers in den vierten Grad, dem dieser ja offenbar misstraue, würde unter diesen Voraussetzungen kaum für Ruhe und Frieden sorgen. Auch die Befürchtung, dass es bei erneuter Übernahme des Vorsitzes durch Spittler bald zu erneuten Streitigkeiten kommen würde, scheint wie mit Richter abgesprochen. Willich beendete seine Einschätzung mit einem positiven Ausblick: Mit Zuversicht glaube ich vielmehr hoffen zu können, daß die hohe AltSchott[ische] Loge in H[annover] der die Zufriedenheit ihrer hiesigen AltSchott[ischen] und Schott[ischen] Bbr. nicht gleichgültig seyn kann …²⁹⁹
Der Meister vom Stuhl der Schottenloge sollte Recht behalten: Den Ordensoberen in Hannover war die Lage in den angesehenen Göttinger Loge alles andere als gleichgültig. Johann Hermann Ruhlender revidierte im „Circulare“ seine Meinung: Bey der neulichen Conferentz, worin Br[uder] Spittler der 4te Grad angetragen wurde, kahm vor daß dem Br[uder] Spittler nur die Einsicht der Rechnung gestattet. Jetzt sehe ich aber daß ihm Sitz und Stimme in der Schott[ischen] Conferentz. bewilliget, und halte ich dafür ein Maurer müste sein Wort halten. Dieses ist meine jetzige Meinung, und überlaße ich den übrigen Br[üdern] die die Capitulation mit unterschrieben und beßer als ich von der Sache unter richtet sind das weitere.³⁰⁰
Ruhlender revidierte zwar seine Meinung und gestand Spittler nun das Recht zur Teilnahme an den Beratschlagungen innerhalb der Konferenzlogen des vierten
Willich im Rundschreiben, 11. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22. Auch hier scheint Willich Richters Verständnis von Spittlers Aussagen zu teilen, die als Angriff auf die den vierten Grad und das Verhalten der Schottischen Brüder verstanden werden. Willich im Rundschreiben, 11. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22. Ruhlender im Rundschreiben, 12. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22.
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Grads zu, zog sich im selben Moment aber aus dem Konflikt zurück – scheinbar scheute er die Konfrontation mit Richter und Willich. Johann Friedrich Bernhard Bodecker änderte nach der Konfrontation mit Compe seine Meinung dahingehend, dass man Spittler Unrecht getan habe: Häte man uns damahls wie vor dem Andringen des Br[uder] Feder die Rede war, die sämtlichen Acten Stücke vorgelegt, so hätten wir den Schluß nicht gefast, sondern vielleicht den Mstr. und seine Vorsteher nicht aber den Br[uder] Redner zur Rechnungs Abnahme eingeladen. Allein unsere Übereilung wurde ja dadurch völlig gut gemacht, daß wir in einer am 22. 8br gehaltenen Schottischen O. Conferenz beschloßen, den Br[uder] Spittler nochmahls um Wieder-Annahme des Hammers zu ersuchen. Br[uder] Richter erklert sich, solches auszurichten, referirte aber nachher, daß Br[uder] Spittler unsere Bitte völlig abgeschlagen habe, ohngeachtet er ihm versichert, daß wir unsere Übereilung erkannten, und in der Folge die gröste Freundschaft und Bruderliebe unter uns herrschn solle.³⁰¹
Bodecker gestand Fehler der Schottischen Brüder ein, die jedoch aus einer unzureichenden Information entstanden seien.³⁰² Auch sah er das Angebot, Spittler gratis in den vierten Grad weiterzuführen, als eine adäquate Wiedergutmachung an. Da Spittler das Angebot aber abgelehnt habe, hätte man keine andere Wahl gehabt, als den Sitz des Meisters vom Stuhl für vakant zu erklären. Auch Heinrich Leopold Borckenstein bezog seine Aussage auf die Urkunde D, die ihm zuvor nicht bekannt gewesen sei. Borckenstein war laut eigener Aussage an dem Tag, an dem der hannoversche Entwurf als Grundlage für Spittlers Vorsitz verkündet wurde, krank. Gedachte original Anlage welche von denen mehresten Brüdern unterschrieben und als geltend anzusehen ist, saget mit dürren Worten, daß der Meister der simbolischen Loge mit seinen Beamten bey Abnahme der Rechnungen zugezogen und solche in deren Gegenward abgenommen werden sollen. Mithin ist augenfällig, daß Bruder Spittler zu der nicht Mitberufung der Conferenz bey Abnahme der Rechnung, beleidiget und seine Jura gekränket seyn. Ich bin also des Bruder Rulender Meynung, welche ich gleich von Anfang von mir gegeben hätte, wenn mir der Inhalt der Anlage D bekannt gewesen wäre.³⁰³
Borckensteins Behauptung, er sei erst spät über den Inhalt der Schrift informiert worden, gleicht den Aussagen Bodeckers und Ruhlenders und stellt im Rahmen des Zirkulars keinen Beweis dafür dar, dass ihnen „Anlage D“ tatsächlich nicht vorgelegt worden war. Er teilte zwar Ruhlenders Meinung, dass Spittler Unrecht getan worden wäre, erkannte in dem, was dem Vorsitzenden der Johannisgrade
Bodecker im Rundschreiben, 15. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22. Erneut zeigt sich, dass die Schottischen Brüder eine tiefe Abneigung gegen Feder hegten. Borckenstein im Rundschreiben, 15. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22.
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wiederfahren war, aber darüber hinaus eine Ehrbeleidigung.³⁰⁴ Deswegen sei Spittlers Forderung – auf zumindest einmalige Teilnahme an der Konferenzloge, bevor er den vierten Grad annehmen wolle – angemessen. Auch Johann Philipp Böse vertrat – nachdem er die Beiträge Compes und der anderen Brüder im Rundschreiben gelesen hatte – die Ansicht, dass man Spittler wohl Unrecht getan hatte: Wenn Acten Stücke ausser Zusammenhang vorgelegt werden, so entsteht oft der Fall, daß unrichtig geurtheilt wird. Dies mag denn auch der Fall gewesen seyn, bey Gelegenheit der Frage: ob dem Br[uder] Spittler, als Mstr der symbolischen Grade und Br[uder] 3ten Grades, ingleichen dem Br[uder] Feder, als Redner der 3 symbolischen Grade und Br[uder] 3ten Grades, in oeconomicis ein Stimmrecht zustehe? Indem damals, bey der Umfrage, eine von den ältern Brbr. dagegen eingewandte Protestation, und eine darauf, ohne Rücksicht auf diese, aus der AltSchott[ischen] Loge ergangene Verfügung, im Original, ohne die gegenwertig eingefügte Anlage D., angelegt war, und könnte jetzt der Fall seyn, da blos die Anlage D., ohne jene beyden Stücke, angeschlossen ist. Ist jene Protestation jünger, wie der Aufsatz D., so mögte |: weil zu Vorlegung des Acten Stückes, worunter die Protestation befindlich, doch Gründe vorhanden gewesen seyn müssen :| dieser, durch jene, entkräftet, und nachher nicht gantz widrig votirt seyn. Ich überlasse es daher dem Ermessen des S[ehr] E[hrwürdigen] Br[uder] Compe, dem ich wegen des übernommenen Vermittlungs Geschäfts hierdurch meinen wärmsten Dank bezeuge, ob ehe diese beyden Acten Stücke vom Br[uder] Willich einfordern und zur Aufklärung und näherer Beurtheilung der Sache, dem Bericht an die hohen Obern, in Abschrift beyzufügen für gut findet.³⁰⁵
Gleichwohl, so Böse weiter, sei auch Spittler nicht schuldlos am Konflikt. Er habe eigenmächtig die Logenarbeiten aussetzen wollen und die älteren Brüder auch nicht über ihre Fehlentscheidung aufgeklärt. Auch habe er andere Lösungen wie die Annahme des vierten Grads und die Wiederaufnahme des Meisterhammers abgelehnt, also nicht konstruktiv zur Lösung der Krise beigetragen. Dies führte Böse zu einer negativen Prognose: Ich für meinen theil bin sehr der Meinung des Br[uders] Richter, daß die Cur nur eine Palliativkur seyn werde, und, so sehr und sehnlich ich auch gewünscht, daß die Irrungen nie entstanden wären, auch der mir sehr schetzbahre Br[uder] Spittler nie den Entschlus gefaßt hätte, in der geschehenen Maaße, den Hammer niederzulegen – und beyde Meister sich besser einverstanden, auch über Kleinigkeiten, die sehr oft zu grossen Misfelligkeiten, wie denen gerade hier der Fall ist, die Veranlassung geben, sich brüderlicher einverstanden
Unter dem Ordensnamen „Sartorius“ war Borckenstein schon vor 1784 Mitglied des Illuminatenordens. Möglicherweise liegt hier die Ursache, warum er entschiedener als die anderen Schottischen Brüder Partei für Spittler ergriff und die Forderungen seines Ordensbruders akzeptierte. Böse im Rundschreiben, 16. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22.
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hätten; so halte ich es doch in der gegenwärtigen Laage, zum Wohl der Augusta im Gantzen, mit den übrigen Brbr für zuträglicher, wenn dem Br[uder] Spittler der von ihm de facto ohne weitere Erklärung abgegebene Meister Hammer nicht wieder übertragen werde.³⁰⁶
Böse gestand zwar ein, dass Spittler keine Schuld an der ursprünglichen Entstehung des Streits hatte, doch habe er auch keinen Willen zur Deeskalation. Daher sei – hier folgt Böse der Argumentation Willichs und Richters – eine erneute Übernahme des Hammers durch Spittler nicht im Interesse der Loge. Der Sekretär Schroeder vertrat ebenfalls die Ansicht, dass den Beamten der drei symbolischen Grade großes Unrecht getan wurde, indem man ihnen ein ordnungsgemäßes Recht nicht zugestanden habe. Schroeder zählt sich selbst ausdrücklich zu jenen, die Unrecht getan hatten, und begründet seine fehlerhafte Entscheidung folgendermaßen: … man hat mir vorher und in der Coferenz versichert, daß dieses rechtmäßig sey, weil gegen diesen Punckt in der Capitulation vom 16. Xbr. [Dezember] 1784 nachher förmlich protestiert und mir eine Mitwißerschaft von Meister und Beamten der Schott[ischen] Loge zugestanden sey und die AltSchott[ische] Loge habe kein Recht der Aug[usta] darüber Gesetze vorzuschreiben und da dieses allgemeine Meinung der Bbr. zu sein schien und der Vortrag dahin leitete, der Meynung beyzutreten. So trat ich da des hochw[ürdigen] Br[uders] Richters schriftl[ichem] Voto demnach mit bey, gleichwohl finde ich jezt bey den vorgelegten Acten, zu meiner nicht geringen Verwunderung, nicht eine Silbe in Betreff der versicherten Protestation, erinnere mir sogar mich nicht einmahl, in dem ich mir alles wieder in nähre Erinnerung bringe, daß dergleichen Widersprüche in dem vorausgegangenen Conferenzen und besondern Unterredungen, bey mir, mit dem höcstw. Br[uder] v[on] Pape und auch mit dem höchstw[ürdigen] Br[uder] v[on] Küling, nie als ein streitiger Punkt zur Beredung gekommen ist.³⁰⁷
Und da auch von den anderen Brüdern nie ein offizieller Protest gegen die Urkunde eingereicht worden sei, schwenkt auch Schroeder auf den Kurs Spittlers ein: Ich nehme daher meine Vota hiermit zurück, weil ich mir augenfällig, durch die Acte von meinem mit begangenen offenbahren Unrecht, um so mehr überzeugt worden bin und mich darüber betreten finde; staune zugleich bey Acten Einsicht, wie die höchstw[ürdigen] Schottischen Bbr. der Aug[usta] die Acten in Händen haben, instande wahren, ein selbst mit zugestandenes Recht, durch Genehmigung und Unterschrift, wieder besser Wißen, streitig machen können.³⁰⁸
Böse im Rundschreiben, 16. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22. Schroeder im Rundschreiben, 13. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22. Schroeder im Rundschreiben, 13. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22.
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Dieses Verhalten bezeichnet Schroeder in der Folge als eines Maurers unwürdig und wird damit zum stärksten Kritiker Willichs und Richters. Das Verhalten sei so unwürdig, dass es besser wäre, es vor den Brüdern der niedrigen Grade zu verheimlichen – eine Ansicht, die andere offenbar teilten, denn in den Protokollen findet sich kein einziger Hinweis auf den gleichzeitig ausgetragenen Streit. Ludwig Anton Hüpeden sah die ursächliche Schuld für den Streit nun ebenfalls auf Seiten der Schottischen Brüder, wusste aber keinen Weg das geschehene Unrecht wieder zu beheben: Ob ich gleich der Meinung des Br[uder] Schröder, und Ruhlander darin, daß wir dem Br[uder] Spittler Unrecht gethan haben, und daß ein Maurer sein Wort halten müse, beytrete, so sehe ich doch nicht ab, wie jenes Unrecht gegenwärtig zu redressiren seyen wolle, da ich es aus dann von dem Br[uder] Böhme angeführten Gründen, worunter die sub. Nr. 2.3 J7 mir die wichtigsten scheinen, keineswegs gerathen finde, dem Br[uder] Spittler den Hammer wieder zu übertragen.³⁰⁹
Wie schon Bodecker und Böse erkannte auch Hüpeden zwar an, dass man Spittler falsch behandelt habe, eine Einigung hielt er jedoch nicht mehr für möglich. Am Abend des 17. November 1785 fragte Compe auf der Suche nach der von Böse erwähnten Einspruchsschrift bei Willich nach. Dieser behauptete, sich nicht an eine derartige Schrift erinnern zu können. Zusammenfassend vertraten die meisten Schottischen Brüder die Meinung, dass, wenn sie von Anfang an korrekt über den Inhalt der Konstitutionsurkunde informiert gewesen wären, sie Spittlers Teilnahme an den Beratungen in der Konferenzloge zugestimmt hätten. Gleichzeitig findet sich aber auch häufig der Hinweis darauf, dass der Streit nicht weiter eskaliert wäre, wenn Spittler die ihm angebotene Weiterführung in den vierten Grad angenommen hätte. Einzig Willich und Richter beharrten weiter darauf, dass vor allem Spittler für den Ausbruch der Streitigkeiten verantwortlich gewesen sei. Willich hatte mit seinem Amt am meisten zu verlieren, während Richter weiterhin auf Spittlers angebliche Sturheit verwies und scheinbar als einziger Schottischer Bruder den Konflikt mit Hannover nicht scheute. Hier mag das große Ansehen, das der berühmte Mediziner genoss, eine Rolle gespielt haben. Hinter dem Streit kommen Probleme zum Vorschein, die sich aus ständischem, positionalem Denken ergeben: Jede Seite beharrt darauf, sich richtig und korrekt verhalten zu haben, keiner stellt seinen eigenen Wissensstand in Frage oder bringt genug Empathie auf, um die Probleme auch vom Standpunkt der anderen Seite zu betrachten; trotz aller Beteuerungen der Brüderlichkeit.
Hüpeden im Rundschreiben, 17. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 22.
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Was aus Hannover als Ordnungsmaßnahme folgte, bestätigt diesen Eindruck. Am 13. November 1785 – noch bevor das Rundschreiben aus Göttingen die Landeshauptstadt erreichte – versammelten sich die Ordensoberen. Von Pape verlas verschiedene aus Göttingen erhaltene Stellungnahmen, dann traf die Versammlung einen Beschluss: Der Loge Aug[usta] zu Göttingen mittelst Schreibens, wie man sich ledig auf die Capitulation, so nach Erwählung des Br[uder] Spittlers zum Mstr. v[om] St[uhl] der drey Symbol[ischen] Grade vollzogen worden, beziehe, davon in keinem Punkte abzuweichen gesonnen sich zu erkennen zu geben. Daß man demnach sofort die Ansetzung einer Schott[ischen] Conferentz verlange, in welcher nicht allein den Schott[ischen] Bbr. dieser Enschluß kund zu machen, sondern auch der Br[uder] Spittler in den Besitz aller ihm in vorbesagter, untern 30. Nov. 1784 von der altS[chottischen] Loge confirmirten Capitulation zugestandenen Gerechtsame Actualiter gesetzet werde. Wie man aus diesem richtigen Gesichtspuncte die angebl[ichen] in dem Berichte vom 10ten. Nov[ember] 1785 enthaltene Beschwerden nicht anders als gän[zlich] unerhebl[ich] ansehen könne; so habe man auch mit Misfallen erfahren, wie der Sch[ottische] Mstr. v[om] St[uhl] eine bloße auf die Vergeßenheits Unkunde der Schott[ischen] Bbr. von dem Inhalte der Capitulation sich gründende Zustimmung sich zu verschaffen gewußt haben, welches Betragen nicht allein als der brüderl[ichen] Gesinnung des Ordens, sondern auch dem Verhältniß der dortigen Loge gegen die hiesige AltSch[ottische] Loge wiederstreitend, und in solchen Maaße anzusehen sey, daß man sich, auch deßen etwa fortdauernde Gesinnung der Art, dieserhalb auch dem hochwohldurchl[auchten] Großmeister zu beschweren keinen Umgang werde nehmen können.³¹⁰
Am 17. November erging an Schroeder der von Herzog Karl II. unterzeichnete Befehl, unverzüglich eine schottische Konferenzloge einzuberufen und in dieser ein Schreiben der Ordensoberen bekannt zu machen.³¹¹ Schroeder verfasste am 19. des Monats ein Schreiben an die Schottischen Brüder der Loge, in dem er den Eingang des Schreibens des Obermeisters bekannt machte und sie zur Bekanntgabe desselben am 23. zusammenrief. Über den Inhalt des Schreibens ließ Schroeder nichts verlauten, aber er deutete bereits an, dass er sich auf die angekündigte Meisterwahl beziehen würde. Am Tag vor der Konferenz schrieb Schroeder an von Pape und bezog sich dabei auf das einige Tage zuvor von Compe nach Hannover übermittelte „Circulare“: Sie höchstw[ürdiger] Br[uder] werden aus den noch mit der fahrenden Post eingegangenen Votii ersehen haben, welche Gesinnung die schott[ischen] Bbr. sind, und des Br[uders]
Extrakt eines Protokolls der Altschottischen Konferenzloge zu Hannover, 13. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 17. Befehl der altschottischen Loge „Carl zum Purpurmantel“ an Schroeder, 17. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 34.
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Willich und auch des Br[uder] Richters Vota bestätigen nun mehren was wir von ihrem Benehmen urtheilen müssen.³¹²
Schroeder beschrieb weiter das zwischen ihm und Compe abgesprochene weitere Vorgehen: Fals nun des Br[uders] Compe lezter Versuch nicht unsern Wünschen gemäß ausfallen sollte, daß nehmlich die Bbr. ihr Unrecht erkennen, und den Br[uder] Spittler selbst in integren restituiren; vielmehr zu einer M[eister] Wahl schreiten wollen, so werde meinen Auftrag von dem höchstw[ürdigen] ᛭ bestens ausrichten und wo möglich suche ich den Br[uder] Compe mit in die Conferenz zu ziehen.³¹³
Dem Sekretär war klar, dass er sich in der Konferenzloge alleine nicht gegen Willich und Richter würde durchsetzen können. Er fuhr fort: Des Br[uder] Spittler leztre von dem Br[uder] Compe eingesandte Beantwortung des Br[uder] Böse bemerkter Punkte, stellte das Benehmen des Br[uder] Willich in ein noch helleres Licht und hatte alle meine Erwartungen übertroffen, und man siehet darauf wohin eigentlich seine wahre Absicht gehet, und wozu ihre Meister-Wahl vorbereitet hat. Wie er sich aus der Sache mit einigem Anstand noch ziehen wird und ob er ferner gehorsam sein wird, das höchstw. ᛭ nicht anzuerkennen, hierauf bin ich mit Br[uder] Compe sehr neugierig …³¹⁴
Schroeder verdächtigte Willich offenbar, bewusst falsche Informationen über die Rechte Spittlers verbreitet zu haben, um diesen so auszubooten und als alleiniger Meister vom Stuhl die Loge zu führen. In der Konferenzloge vom 23. November waren Willich, Wacker, Schroeder, Böse, Bodecker, Rulaender und Borckenstein anwesend. Compe durfte ausnahmsweise teilnehem, Richter war aus Zeitgründen nicht anwesend, hatte jedoch im Voraus ein Papier mit fünf Punkten verfasst, in dem er seine Sichtweise der Dinge deutlich darlegte, und das Compe nach der Versammlung wie folgt zusammenfasste: In der heutigen von dem Br[uder] Schroeder ausgeschriebenen Conferentz gab der Br[uder] Richter zu vernehmen, wie er die Ankunft einiger noch fehlender ältren Bbr und den Schluß der Conferentz nicht abwarten könne, indes folgende 5. Punkte ad Protocollum anzeigen wolle. 1. halte er dafür daß man von beyden Seiten gefehlet, daß aber Br[uder] Spittler die Capitulation zuerst gebrochen.
Schroeder an Heinrich Ludwig von Pape, 21. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 40. Schroeder an Heinrich Ludwig von Pape, 21. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 40. Schroeder an Heinrich Ludwig von Pape, 21. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 40.
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2. Dadurch daß man den Br[uder] Spittler bey Abnahme der Rechnungen nicht zugezogen, habe man dießeits nur quoad für male gefehlet, da man ihm das Material nemlich die Einsicht der Rechnung zugestanden. 3. Das Verhältniß des ᛭ in Hannover gegen die hiesigen schott[ischen] Bbr. sey nicht von der Art daß man sich abseitem des ersten einer Meisterwahl widersetzen könne. 4. Ob das ᛭ das beste der hiesigen Loge so gut wie die hiesigen Bbr. beurtheilen könne? Dießeits halte man dafür daß durch Beybehaltung des Br[uder] Spittler wir kaum eine Vereinigung, noch weniger aber wahre Bruderliebe und wechselseitiges Vertrauen bewürkt werden. 5. Habe Br[uder] Spittler ihm geradezu erklärt, den Hammer nie wieder annehmen zu wollen, und dabey bezeuget daß er froh sey, von dieser beschwerlichen Arbeit sich loßmachen zu können.³¹⁵
Dass auch dieser letzte Versuch des Vermittlers scheiterte, verwundert nicht, denn schon in den Punkten Drei und Vier von Richters Argumentation wird eine Abneigung gegenüber den hannoverschen Oberen deutlich. Auch einige andere Schottische Brüder zogen sich auf die von Richter vertretenen Positionen zurück und beharrten darauf, dass Spittler keinesfalls erneut den Vorsitz übernehmen dürfe. Richter wurde, nachdem er anfangs den Vermittler und Diplomaten zu geben versucht hatte, immer mehr zum Wortführer der Kritiker Spittlers. Als Schroeder während der Versammlung erkannte, dass auch Compes letzter Vermittlungsversuch scheitern würde, führte er den aus Hannover erhaltenen Geheimauftrag aus: Hic praemissis eröffnete der hochwürdige Bruder Schroeder, wie er den Auftrag von dem hochwürdigen Capitel aus Hannover erhalten, gegen eine neue Meister-Wahl zu protestieren, und selbige für null und nichtig zu erklären …³¹⁶
Schroeder bezieht sich auf ein Schreiben Herzogs Karl II. zu Mecklenburg-Strelitz, das wenige Tage zuvor in Hannover verfasst worden war.³¹⁷ Böse ergriff das Wort und erwiderte, dass man den Ordensoberen zwar für die Bemühungen zur Beilegung des Streits dankbar sei, die Vorkommnisse innerhalb der Loge aber doch besser einschätzen könne – eine Position Richters, der es trotz seiner Abwesenheit verstand, die Anwesenden zu beeinflussen. Somit wurden nur bereits vorge-
Zusammenfassung von Richters Position durch Compe, 23. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 42. Protokoll der Konferenzloge des Schottengrads der Loge Augusta zu den 3 Flammen, 23. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 41. Vgl. Schreiben Herzog Karls II. von Mecklenburg-Strelitz an Schroeder, 17. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 34.
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brachte Argumente wiederholt: Spittler sei selbst schuld, dass er den Hammer voreilig niedergelegt habe. Man gestehe ein, dass man durch das Fehlen der Protestation in den Unterlagen ihm zu nahe getreten sei. Im Übrigen hätten sich in der Zwischenzeit die meisten schottischen Brüder dahin geäußert, dass ein neuer Meister vom Stuhl gewählt werden sollte: … und da die hiesige Loge sich nun verbunden erachte die Wahl des neuen Meisters der altschottischen Loge in Hannover anzuzeigen: so würde jener es nicht verübelt werden können, wenn gegen die gemachte Protestation hiermit reprotestieret würde.³¹⁸
Dennoch kam es nicht zur Wahl eines neuen Meisters vom Stuhl, denn Schroeder legte sein Veto ein mit der Begründung, dass er die Dokumente, die Spittlers Sicht der Dinge stützten, in den Händen gehalten habe. Die Versammlung ging ergebnislos auseinander. Compe schätzte den Verlauf der Konferenzloge am nächsten Tag in spöttischem Tonfall ein: An dem gestrigen in Absicht der bewussten Differenzien wichtigen Tage wurde von 4 Uhr des Nachmittags bis 7 Uhr Abends mächtig geschwatzet, gezanket und disputiert.³¹⁹
Willich und seine Anhänger hätten zwar eingesehen, dass sie Spittler Unrecht getan hätten, wüssten aber nicht wie sie es wieder gut machen sollten. Böse erklärte laut Compe: Hin und wieder wurde zwar noch behauptet, daß man Recht habe, der Br[uder] Böse aber erklährte endlich wie er sich nunmehr überzeuget, daß man dem Br[uder] Spittler Unrecht gethan, und man schuldig sey, ihm Reperation od Hammer zu geben nur wüßte er nicht, wie solches bey jetziger Lage der Sache anzufangen sey, indem einmahl zwischen ihm und Br[uder] Willich eine Abneigung od gewißermaßen eine Erbitterung entstanden sey, unter beyden also kein Vertrag zu hoffen stehe, und es jetzt also darauf ankomme daß einer von ihnen Platz machen müste.³²⁰
Böse nahm den Streit weiterhin als einen Konflikt zwischen Willich und Spittler wahr. Compe war einen Schritt weiter und meldete erneut die aus seiner Sicht Schuldigen nach Hannover, denen er mittlerweile unterstellte, Spittler aus Machtgelüsten heraus kaltstellen zu wollen:
Protokoll der Konferenzloge des Schottengrads der Loge Augusta zu den 3 Flammen, 23. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 41. Compe an Heinrich Ludwig von Pape, 24. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 45. Compe an Heinrich Ludwig von Pape, 24. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 45.
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Br[uder] Richter, der den Hammer schon zu gewiß in seinen Händen zu seyn geglaubt, d[er] Br[uder] Willich, der noch immer glaubt daß zwischen ihm und Br[uder] Spittler eine Versöhnung, u[nd] Vertrauen nicht statt finden kann |: ob ich mir gleich die Erlaubniß nahm, dergl[eichen] Gesinnungen in ihrem wahren Lichte vorzustellen :| sind die Steine des Anstoßes und die Felsen der Aergerniß.³²¹
Damit war eine neue Stufe der Eskalation erreicht. Ebenfalls am 24. November erhielt Schroeder Besuch von Richter, der ihn darüber informierte, dass er sich dem Votum Willichs, Böses, Bodeckers und Wackers anschließen wolle. Obwohl er die Wahl eines neuen Meisters vom Stuhl verhindern konnte, zog Schroeder nach Richters Besuch ein ernüchterndes Resümee, das dem Compes sehr ähnelt: Gestern sollte zwar ein entscheidender Tag sein, allein es wahr nur ein zänkischer, gerade noch nichts entscheidender Tag.³²²
Auch in den folgenden Tagen blieb die Situation verfahren. In zwei Schreiben vom 28. November und ersten Dezember meldete Compe nach Hannover, dass Willich, Richter und Bodecker nach wie vor der Meinung seien, dass man Spittler weit genug entgegen gekommen wäre. Man sei nach wie vor bereit, ihm den vierten Grad gratis zu verleihen, den Hammer wollte man ihn aber auf keinen Fall wieder übernehmen lassen. Auch ein eingebrachter Kompromissvorschlag Compes, Schroeders und Borckensteins, dass man Spittler den Hammer bis zum nächsten Johannisfest – und einer dann stattfindenden Neuwahl – anbieten könne, wurde abgelehnt.³²³ Bis Anfang Dezember sollte sich an der Situation nichts ändern.³²⁴ Am achten Dezember sandte Schroeder ein weiteres Schreiben nach Hannover. Es ist das letzte Dokument im Quellenbestand und beschreibt aus Sicht Schroeders die einzige Möglichkeit der Ordensoberen, die Streitigkeiten in Göttingen zu beenden. Dazu entwarf der Sekretär vier Punkte: 1. daß der höchstw[ürdige] ᛭ nun mehr zwar durchgreifen müße und den Br[uder] Spittler in Int[erim] vorerst bis nach ausgemachter Sache zu restituiren habe, wenn Ansehen und Würde behaupttet werden will; folglich dadurch seine Capitulation, weil deren Gültigkeit von den Schott[ischen] M[eistern] bezweifelt ist, auch besonders durch eine Instruction bestätiget werden müße.
Compe an Heinrich Ludwig von Pape, 24. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 45. Schroeder an Heinrich Ludwig von Pape, 24. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 44. Compe an Heinrich Ludwig von Pape, 28. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 46. Compe an Heinrich Ludwig von Pape, 1. Dezember 1785, Korrespondenzen, Dok. 47.
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2. daß da der Br[uder] G[eheime] J[ustiz] Rath Böhmer den symbol]ischen] M[eister] instalieret, demselben daher auch aufzutragen nötig werden dürfte und vielen Eindruck machen wird, dem Br[uder] Sp[ittler] in seiner Würde anderweit zu bestätigen und zwar nur bloß in Gegenward der Schott[ischen] Brbr., bey welcher Gelegenheit der Br[uder] Sp[ittler] dann um den 4. Gr[ad] nachzusuchen haben würde. 3. den schott[ischen] M[eister] aber nicht ehende zu disp[ensieren] bis der höchstw[ürdige] ᛭ gedrungen werde, wegen seiner ehernen Wiedersetzlichkeit dergestalt mit Strenge gegen ihn zu verfahren, zumahlen er es angekündigt eine besondere Verteidigung einzureichen. 4. Um nun auch die öffentliche Widersetzlichkeit möglichst zu vermeiden, dem hochw[ürdigen] Br[uder] Böhmer aufzugeben, den schott[ischen] M[eister] erst durch Vorstellung unter vier Augen, den Weg der Güthe noch einmahlen einzuschlagen und zu versuchen, und dabey den Auftrag zu geben neml[ich] x. zu declariren, daß auf den Fall die Sch[ottischen] Bbr. sich ferner wider billig und Gerechtigkeit obstruirten und die Verfügungen des hochstw[ürdigen] X. nicht anzuerkennen sich garnicht fünden, das er speciellen Auftrag habe den symb[olischen] Meister in seine Rechte wieder einzusetzen.³²⁵
Schroeder fuhr voller Respekt für Böhmer fort: Ich verspreche mir viel von der Bemühung des würdigen Br[uder] Böhmer und vielleicht wird eine greslige Spaltung und Trennung der ält[eren] Bbr. von der Aug[usta] noch vermieden. Fals nun aber der Sch[ottische] M[eister] gegen Verfügung des hochstw[ürdigen] X. protestiren solte, und so dann auch mehrere Bbr. mit beystimten; so müste meines dafür halten, der höchstw[ürdige] Br[uder] B[öhmer] auf diesem Fall die Mitglieder der Aug[usta] vom 3. Gr[ad] zusammen berufen, in Loge eröffnen, so kurz als möchlich von der Lage der Sache etwas zu vernehmen geben, wenigstens Generalite die Ursache bemühen warum der symbol[ische] M[eister] den Hammer zeither nicht geführet habe; als aber nun solche gefalen, durch die Vermittlung des höchstw[ürdigen] X ihm aufgetragen sey den symbol[ischen] M[eister] den Hammer von neuem zu übergeben und in seine Würde für jezt und die Folge zu bestätigen.³²⁶
Schroeder sprach sich weiter dafür aus, dass Böhmer die für den Auftrag erforderlichen Unterlagen direkt zugesandt werden sollten, da Willich und seine Anhänger ihm selbst auf Anordnung aus Hannover die erforderlichen Akten wohl nicht aushändigen würden. Um Böhmers Position zu stärken, könne man zuvor noch versuchen Böse zum Seitenwechsel zu bewegen.³²⁷ An dieser Stelle bricht der Bestand ab.
Schroeder an Heinrich Ludwig von Pape, 8. Dezember 1785, Korrespondenzen, Dok. 49. Das Schreiben ist mit dem 8. und 9. Dezember datiert. Schroeder an Heinrich Ludwig von Pape, 8. Dezember 1785, Korrespondenzen, Dok. 49. Schroeder an Heinrich Ludwig von Pape, 8. Dezember 1785, Korrespondenzen, Dok. 49.
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Verlauf und Ausgang des Konflikts nach 1785 Wie die Oberen auf den letzten Vorschlag Schroeders reagierten bleibt unklar. Die weiteren Entwicklungen lassen sich nur schemenhaft anhand der aus der Folgezeit erhaltenen Protokolle rekonstruieren, die jedoch nicht direkt auf den Konflikt eingehen – dieser wurde in den Versammlungen der drei Johannisgrade nicht offen diskutiert. Alle Bemühungen zur Einigung scheinen zunächst erfolglos verlaufen zu sein, denn ab Ende 1785 übernahm August Gottlieb Richter die vakante Position des Meisters vom Stuhl, nachdem bereits im September Willich eine Versammlung geleitet hatte.³²⁸ Spittler scheint seiner Androhung treu geblieben zu sein und nahm während Richters Vorsitz an keinen Versammlungen teil. Eine Ausnahme konnte der Göttinger Freimaurer Harry Gläshner in den frühen 1930er Jahren belegen: Mit Hilfe der Rezeptionsdaten der Anwesenden konnte er anhand einer Teilnehmerliste nachweisen, dass neben 42 anderen auch Spittler und Feder dem Johannisfest 1786 beiwohnten. Wie Spittler blieb auch Feder während Richters Vorsitz den Versammlungen fern, was angesichts der persönlichen Angriffe beider Seiten nicht verwundert. Nur anlässlich des höchsten freimaurerischen Festes zeigte die mit den Logenältesten zerstrittene Fraktion Flagge. Richter konnte sich nur zwei Jahre an der Spitze der Loge halten, leitete in dieser Zeit jedoch zahlreiche Zusammenkünfte. Die Teilnehmerzahl der Johannisfestfeierlichkeit 1786 belegt eindrucksvoll, dass die Loge auch während dieser turbulenten Jahre gut besucht war und keinerlei Auflösungserscheinungen zeigte. Der Vorsitz durch den berühmten Mediziner wurde von den Mitgliedern offensichtlich nicht als Notlösung wahrgenommen. Spätestens 1787 muss es zur Wiederannäherung zwischen Hannover und Göttingen gekommen sein, denn als die altschottische Loge Carl zum Purpurmantel in der neuen Provinzialloge von Hannover aufging, folgte die Augusta und übernahm ebenfalls das von Falcke ausgearbeitete Ritual.³²⁹ Die anlässlich von Spittlers Ernennung zum Meister vom Stuhl geschaffene Doppelspitze blieb anscheinend bestehen: Obwohl Richter seit 1780 den vierten Grad inne hatte, wurde er bei einer Unpässlichkeit von Willich und nicht von einem der ebenfalls anwesenden Aufseher vertreten.³³⁰ Willich wurde bei diesem Anlass im Protokoll explizit als „S. Mstr.“, also als Schottischer Meister und Vor-
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 28. September 1785 und 7. Dezember 1785, Lehrlingslogen, Bl. 118, S. 2 und 119, S. 1. Vgl. Kap. 4. und Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 18. Zur Weiterführung Richters in den vierten Grad vgl. Kap. 4.
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sitzender der Schottenloge bezeichnet.³³¹ Somit scheint es das Amt des Meisters der Schottenloge auch nach Spittlers Abgang weiter gegeben zu haben, was auf einen deutlich ausgeübten Machtanspruch Willichs hinweist – immerhin war eine Doppelspitze mit einem Vorsitzenden Richter, der den vierten Grad inne hatte, eigentlich obsolet geworden. Auch zwischen Richter und Willich mögen demnach Spannungen bestanden haben. Ohne dass in den Protokollen eine Vorankündigung nachweisbar ist, führte Spittler am ersten April 1789 in einer Gesellenloge erneut den Hammer.³³² Ab diesem Zeitpunkt nahm Richter bis zur Auflösung der Loge 1793 nicht mehr an den Versammlungen teil, Willich nur noch ab und an. Zu einer Aussöhnung zwischen Spittler und Richter scheint es demnach nicht gekommen zu sein, vielmehr war es wohl Druck aus Hannover, der zur Wiedereinsetzung Spittlers führte, diesen in seinen Rechten stärkte und Richter endgültig aus der Loge trieb. War Spittler einmal verhindert, übernahm nicht Willich den Vorsitz (was ein Zeichen der Versöhnung gewesen wäre), sondern – weil der erste Aufseher Compe ebenfalls abwesend war –, der zweite Aufseher Strohmeyer. Von einem Sieg Spittlers kann man dennoch nicht sprechen, denn sein enger Vertrauter Feder nahm seine freimaurerischen Aktivitäten nicht wieder mit derselben Intensität auf. Nur noch sporadisch besuchte er in den folgenden Jahren die Loge.³³³ Der Keil, den die Streitigkeiten zwischen die hochgradigen Mitglieder der Loge getrieben hatten, blieb also bis zuletzt bestehen.
8.4.1 Ein Generationenkonflikt Trotz der zahlreichen schriftlichen Quellen über den Beginn der Streitigkeiten im September 1785 blieb die Vorgeschichte des Konflikts – ebenso wie sein genauer Ausgang – diffus. Die Protokolle des zweiten Halbjahrs 1784 sowie des Jahrs 1785 enthalten keine Hinweise darauf, dass Spittlers Amtsführung das Missfallen der Schottischen Brüder erregt hätte. Sein Schreiben an Karl II. vom 19. September 1785 markiert deshalb nicht nur den (offiziellen) Beginn der Streitigkeiten, son-
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. Mai 1787, Lehrlingsloge (Im Protokollbuch des IV. Grad), Bl. 20, S. 1. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 1. April 1789, Gesellenlogen, Bl. 38, S. 1 und Bl. 29, S. 1 f. (Im Protokollbuch des IV. Grad). Die Versammlung der Gesellenloge an diesem Tag wurde in zwei der erhaltenen Protokollbücher festgehalten. Vgl. Protokolle der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Einträge vom 3. Dezember 1789, Lehrlingsloge, Bl. 36, S. 1, 24. Juni 1791, Lehrlingsloge, Bl. 44, S. 1., 10. Oktober 1791, Gesellenloge, Bl. 47, S. 1 und 6. Februar 1793, Gesellenloge, Bl. 61, S. 1 (sämtl. im Protokollbuch des IV. Grad).
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dern ist auch eines der wenigen Dokumente, anhand derer deutlich wird, dass es zwischen Spittler und Mitgliedern der Schottenloge schon seit seiner Amtsübernahme zu Auseinandersetzungen gekommen sein muss, und sich der Vorsitzende der Johannisgrade innerhalb der Führungsschicht der Loge weitgehend isoliert sah.³³⁴ Nur in Feder, der am selben Tag der Loge beigetreten war, scheint Spittler einen Vertrauten gehabt zu haben, der sich in ähnlicher Situation befand.³³⁵ Den älteren Brüdern entging das enge Vertrauensverhältnis zwischen Koppe, Feder und Spittler nicht. Dass gerade die beiden dem ehemaligen Meister vom Stuhl nahestehenden Professoren Ziel des Unmuts von Teilen der Schottenloge war, deutet darauf hin, dass Spittler nicht der Verursacher der Streitigkeiten war, sondern einen bereits schwelenden Konflikt „erbte“. Wenn die Ursachen des Konflikts aber früher anzusetzen sind, muss die Beziehung Koppes und Feders zur Schottenloge untersucht werden. Der Vorwurf von Teilen der Schottenloge, dass Koppe und „einige der jüngeren Brbr. Profeßoren“ – gemeint waren Spittler und Feder – schon vor Spittlers Amtsantritt ein unangemessen autoritäres Verhalten gezeigt hätten, findet sich schon in einem der frühen Schreiben des erhaltenen Korrespondenzbestands.
Koppe und die Vorgeschichte der Streitigkeiten Die Fraktion der Schottischen Brüder klagte am zehnten November, dass … schon zu den Zeiten, als der Hochw[ürdige] Br[uder] Koppe derselben als Mstr. vorstand, … daß nemlich dieser und einige der jüngeren Brbr. Profeßoren sich eine Superiorität anmasten, die schlechterdings den Regeln des Ordens zuwieder ist. Ebenfalls wird erinnerlich seyn, daß einige der älteren Brbr. bey der Wahl des Br[uder] Spittler als Mstr. der symbolischen Grade, die Besorgniß geäußert haben, daß wenn nicht Ziel und Maaße gesezt würde, die Lust zu herrschen und alles nach eigenen Einsichten ohne Rücksicht auf Gesezze und Observanz zu formen, gewiß neues Mißvergnügen veranlaßen und dieses über kurz oder lang ausbrechen würde.³³⁶
Zweifellos kam es seit dem Beitritt von Feder und Spittler zu einer Bündelung von Befugnissen zwischen den drei Professoren: Zuerst zwischen Koppe und Feder, Vgl. Schreiben Spittlers and den Altschottischen Obermeister, 19. September 1785, Korrespondenzen, Dok. 2. Johann Georg Heinrich Feder, Leben, Natur und Grundsätze – Zur Belehrung und Ermunterung seiner lieben Nachkommen, auch Anderer die Nutzbares daraus aufzunehmen geneigt sind, Leipzig 1825, S. 141 ff.; Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 27. Dezember 1782, Lehrlingsloge, Bl. 78, S. 1 f. Schreiben Willichs, Richters und Ruhlenders an das Ordenskapitel, 10. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 15.
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später zwischen Spittler und Feder. Die Anschuldigung, dass Koppe, Spittler und Feder sich eine unangemessene „Superiorität“ angemaßt hätten, lässt sich mangels konkreter Begründungen dieser Vorwürfe kaum überprüfen und bleibt unpräzise. Hier scheint auf emotionaler Ebene argumentiert worden zu sein. Eines der wenigen erhaltenen Protokolle der Schottenloge macht allerdings deutlich, dass Koppe wichtige Entscheidungen durchaus in Rücksprache mit der Schottenloge traf: Als im Sommer 1783 darüber entschieden wurde, ob die Versammlungen der Gemeinschaft in Zukunft in einem Haus Willichs stattfinden sollten, ließ Koppe in der Schottenloge abstimmen.³³⁷ Willichs Angebot, das Koppe ablehnte, wurde mit der Mehrheit der Stimmen ausgeschlagen – die Mitglieder des vierten Grads standen also nicht immer gegen Koppe. Angesichts des selbstbewussten Auftreten Willichs und Richters im Konflikt mit Spittler und der altschottischen Loge Carl zum Purpurmantel kaum vorstellbar, dass beide sich wenige Jahre zuvor einer autoritären Führung Koppes untergeordnet hätten. Für einen bekannten und angesehenen Mediziner wie Richter wäre dies wohl ohnehin mit dem eigenen Selbstverständnis nicht vereinbar gewesen.³³⁸ Ein einzelnes Beispiel gemeinschaftlicher Entscheidungsfindung beweist selbstredend nicht, dass Koppe wichtige Entscheidungen immer in Rücksprache mit den Schottischen Brüdern traf; es finden sich durchaus auch Beispiele für eigenmächtiges Verhalten des Meisters vom Stuhl. Hier muss an die scheinbar eigenmächtig veranlasste Spende von 24 „Pistolen“ an die Opfer einer Brandkatastrophe erinnert werden.³³⁹ Nur ein halbes Jahr nachdem Wacker wegen des Missbrauchs von Logenvermögen abgesetzt worden war, mag manchem älteren Bruder so viel karitatives Engagement unter Rückgriff auf das Logenvermögen missfallen haben.³⁴⁰ Hinweise auf offene Kritik an der Spende finden sich in den Protokollen jedoch nicht; sie hätte dem Ansehen der Gemeinschaft geschadet und Koppes zweifellos erfolgreiches Bestreben nach Prestigegewinn konterkariert. Es scheint daher wahrscheinlicher, dass Koppe zwar einige eigenmächtige Ent-
Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 24. Juni 1783, Schottenloge, Bl. 14, S. 1. Das hohe Ansehen Richters wird auch in Friedrich Gedikes Bericht über die Göttinger Universität von 1789 deutlich: „Die medicinische Fakultät hat mehrere vortreffliche Docenten. Den größten Beifall unter allen hat der Hofrath Richter. Professoren und Studenten rühmen einstimmig seinen Vortrag als ausgezeichnet und vortrefflich. Mehrere Professoren erklären ihn geradezu unter allen Göttingischen Lehrern von allen Fakultäten für den vorzüglichsten Docenten.“ Mehr als irgend eine andere in Deutschland bekannt – Die Göttinger Universität im Bericht des „Universitätsbereisers“ Friedrich Gedike aus dem Jahre 1789, S. 17. Vgl. Kap. 8. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 3. Mai 1780, Lehrlingsloge, Bl. 17, S. 2.
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scheidungen traf, insgesamt aber eher eine langsame und schleichende Entwicklung das Unbehagen der älteren Brüder erregte. Unstrittig ist, dass sich die Loge unter Koppes Führung nachhaltig wandelte. Als wesentliche Reformen erscheinen die Einführung von Ballotage und den drei Fragen an Anwärter.³⁴¹ Auch gelang dem Meister vom Stuhl die Vollendung des bereits von Wacker angestoßenen Projekts der Errichtung eines Krankenhauses, in diesem Zusammenhang erlangte die Loge sogar staatliche Anerkennung.³⁴² Vor allem entwickelte sich die Gemeinschaft jedoch immer mehr zu einer studentischen Sozietät. Was von Ssymank 1935 als Verdienst Koppes beschrieben wurde, hat vermutlich nicht allen älteren Brüdern gefallen.³⁴³ Sie sahen sich durch den prosopographischen Wandel mehr und mehr an den Rand gedrängt und fühlten sich in der von ihnen aufgebauten Loge zunehmend als Randgruppe beziehungsweise Außenseiter. Die wahre Ursache der Streitigkeiten wird anhand des beinahe trotzig klingenden Schreibens Willichs, Richters und Ruhlenders vom zehnten November deutlich, in dem behauptet wurde, dass man ohne Teile der jüngeren Brüder wieder besser arbeiten könne, da zu diesen ohnehin kein brüderliches Verhältnis
Vor der Einführung der drei Fragen Ende 1781 hatten Anwärter während der Aufnahmezeremonie Angaben zu ihrer Person machen müssen, die im Protokollbuch verzeichnet wurden (vgl. Kapitel 4.). Im Dezember 1781 wurde das Aufnahmeritual der Augusta an dieser Stelle reformiert. Der seit etwa zwei Jahren den Vorsitz innehabende Meister vom Stuhl Koppe verkündete die Änderung im Rahmen einer Lehrlingsloge: „… der Br. C. Meister empfing den Auftrag den Adep: Riedel zu erst ins Vor-Zimmer zu führen und ihm daselbst zu eröffnen, daß er 3. Fragen vor sich finden würde, welche er in viertel Stunde zu beantworten habe und das ferner zu erwarten. Der ehrw[ürdige] Meister bemerkte hierbey, daß dieses neu sey und er sey bewogen worden auch dieses hier einzuführen, weil es einen besonderen guten Eindruck auf einen Adep: machen würde und bemerkte auch, daß die Loge zu Strasburg diesen Gebrauch eingeführt habe und verlaß die ordentlige Beantwortung dieser Fragen …“ Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 5. Dezember 1781, Lehrlingsloge, Bl. 54, S. 2. Dem Anwärter wurden 15 Minuten gegeben um die drei an ihn gestellten Fragen zu beantworten. Die Formulierung des Protokolls an dieser Stelle führt zu der Vermutung, dass die Abänderung des Rituals anscheinend für die meisten Logenmitglieder überraschend vorgenommen worden war. Der Name der Straßburger Loge wurde, wie leider so oft in den Protokollen der Augusta, nicht festgehalten. Eine andere Erklärung zur Herkunft der drei Fragen kann in Koppes Mitgliedschaft im Illuminatenorden gesehen werden. In den Protokollen der Rudolstädter Minervalkirche beispielsweise finden sich Hinweise auf sieben Fragen, die jeder Novize vor seiner Aufnahme zum Minerval beantworten musste. Die Beispiele stammen allerdings aus dem Jahr 1784, so dass unklar bleibt, ob dass Koppe von ähnlichem Verhalten anderer Minervalkirchen inspiriert wurde.Vgl. Schwedenkiste, 15. Band, Dokumente 186, 195, 199, etc. Vgl. Kapitel 8. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 16 f.
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Abbildung 7: Namentliche Abstimmung über den künftigen Versammlungsort der „Augusta“. Protokoll der Loge „Augusta zu den 3 Flammen“, Eintrag vom 24. Juni 1783, Schottenloge (GStA PK, FM, 5.2. G31, Nr. 86, Bl. 14, S. 1) © GStA PK.
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herrsche, weil sie sich nur an Spittler und Feder hielten.³⁴⁴ In den Köpfen einiger älterer Brüder bestand ein Bruch, der sich nicht nur zwischen „jüngeren Brbr. Profeßoren“ und Teilen der Schottenloge gebildet hatte, sondern zwischen den älteren und jüngeren Mitgliedern der Loge. Das gesellschaftliche Ansehen Koppes, Feders und Spittlers scheint so groß gewesen zu sein, dass sie beinahe allein das für Wachstum und Bestand der Loge so wichtige Prestige ausstrahlten, während den – ihrem eigenen Selbstverständnis zufolge – maßgeblichen Mitgliedern der Schottenloge zunehmend die Deutungshoheit verloren ging. Der an Spittler und Feder gerichtete Vorwurf, dass sie sich eine zu große „Superiorität“ anmaßten, entstand wahrscheinlich aus der unangenehmen Erkenntnis, dass das eigene Ansehen von dem der drei Professoren in einem solchen Maße überstrahlt wurde, dass neben ihnen die übrigen alteingesessenen Mitglieder beinahe bedeutungslos wurden. Koppes Versuch, mit der Nominierung Spittlers als Amtsnachfolger den weiteren Kurs der Loge auch für die Zeit nach seinem Weggang nach Gotha zu prägen, musste bei Teilen der älteren Brüder deshalb für Unbehagen sorgen und wurde wohl als weiterer Beweis für das eigenmächtige Handeln des scheidenden Vorsitzenden angesehen.
Feder Aus der Perspektive Koppes wäre Feder die logische Wahl gewesen. Dieser hatte zwar ebenfalls nicht den vierten Grad erreicht, aber er war älter als Spittler und bereits länger Freimaurer. Koppes auf den ersten Blick kaum nachvollziehbare Entscheidung für Spittler wird erst mit einem näheren Blick auf die Stellung Feders innerhalb der Loge nachvollziehbar. Da Feder ein enger Vertrauter Koppes war, traf Kritik an Koppe auch Feder. Während ihrer gemeinsamen anderthalb Jahre in der Augusta stand Feder an der Seite Koppes.³⁴⁵ Am vierten Juni 1783 folgte Feder auf Richter als Redner der Loge, nachdem dieser das Amt zweieinhalb Jahre lang ausgeübt hatte.³⁴⁶ Ob Richter sein Amt freiwillig aufgab oder Koppe es lieber mit einem Vertrauten besetzte, bleibt unklar. Feder hatte das Amt bis zum dritten August 1785 inne.³⁴⁷
Vgl. Schreiben Willichs, Richters und Ruhlenders an das Ordenskapitel, 10. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 15. Hier sei an Feders Danksagung anlässlich der Bestellung Spittlers zum Vorsitzenden der Johannisgrade erinnert. Vgl. Protokoll der Loge Augusta zu den 3 Flammen, Eintrag vom 2. Dezember 1784, Lehrlingsloge, Bl. 108, S. 3. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen. Vgl. Mitgliederliste der Loge Augusta zu den 3 Flammen.
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Dass Feder sein Amt so kurz vor Ausbruch der Streitigkeiten aufgab, war sicher kein Zufall.³⁴⁸ Teile der Schottenloge forderten bereits kurz nach Ausbruch des Konflikts, dass Feder keinesfalls das Amt des Redners weiterführen dürfe, denn er habe sich über das Amt „beleidigent“ geäußert.³⁴⁹ Beim ebenfalls vorgebrachten Vorwurf, dass Feder sich „öffentlich“ über die logeninternen Streitigkeiten geäußert habe, schwingt die Anklage der Indiskretion und des Geheimnisverrats mit.³⁵⁰ Ein Kompromiss, wie man ihn zu diesem Zeitpunkt Spittler noch anbot, wurde bereits zu diesem Zeitpunkt kategorisch ausgeschlossen. Beide Vorwürfe deuten auf ein schon seit geraumer Zeit gestörtes Verhältnis Feders – und Koppes!– zur Schottenloge hin. Dem scheidenden Meister vom Stuhl Koppe, der sein Amt an einen Vertrauten übergeben wollte, erschienen Spittler als potentieller Nachfolger deshalb wohl als „unverbrauchter“ als der bereits in die internen Konfilkte der Loge involvierte Feder. So kam es, dass Koppe begann, Spittler als Alternative zu sehen, obwohl dieser weder ein Amt bekleidet hatte noch Mitglied der Schottenloge war.³⁵¹
Spittler und der Streit im Herbst 1785 Die gegen Koppe und Feder eingestellten Mitglieder der Schottenloge sahen den Kandidaten Spittler jedoch gerade deshalb kritisch, weil er ein Vertrauter Koppes und Feders war – und stimmten aus Rücksicht auf Koppes Befindlichkeiten seiner
Möglicherweise drängten Mitglieder der Schottenloge Feder aus dem Amt und brachten so auch Spittler dazu in Frustration sein Amt aufzugeben. Da die Logenprotokolle zur Amtsaufgabe bzw. Absetzung Feders keine Hinweise liefern, kann hier nur spekuliert werden. Auffällig ist jedoch, dass nach der Amtsaufgabe Feders zunächst kein neuer Redner bestimmt wurde, sondern das Amt von verschiedenen Brüdern in Vertretung ausgeübt wurde. Es scheint, als wäre man über Feders weitere Intentionen im Unklaren gewesen. Vgl. Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 24. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 7. Im weiteren Verlauf der Streitigkeiten wurde dieser Punkt nicht mehr konkretisiert, denn der Korrespondenzbestand enthält keine Schreiben aus der Hand des berühmten Philosophieprofessors – selbst in dem Zirkular, in das sich sogar Mitglieder der Schottenloge einbrachten die sonst nicht im Zentrum der Auseinandersetzung standen, findet sich kein Eintrag des direkt durch Willich und Richter angegriffenen Feder. Es scheint den älteren Brüdern tatsächlich gelungen zu sein, ihn aus den Streitigkeiten zu drängen und somit Spittler die Unterstützung seines engen Vertrauten zu entziehen. Bei der Ernennung Spittlers könnte es sich allerdings auch um einen Versuch Koppes gehandelt haben, eine Abkehr von den Traditionen der Strikten Observanz voranzutreiben, indem der neue Meister vom Stuhl ganz bewusst kein Mitglied des Vierten Grads war. In diesem Fall wäre der folgende Konflikt aus der Kollision von Reformern und Traditionalisten entstanden.
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Ernennung dennoch zu.³⁵² Um der Weiterfühung von Koppes (und Feders) Kurs entgegenzuwirken, übermittelten sie – zusammen mit dem Vorschlag, Spittler zum Meister vom Stuhl zu ernennen, – den Entwurf einer die Rechte des Meisters vom Stuhl der Johannisgrade stark einschränkenden Logenverfassung nach Hannover.³⁵³ Mittels erweiterter Befugnisse des Vorsitzenden der Schottenloge sollte diese wieder die Deutungshoheit über die Entwicklung der Loge erlangen. In Hannover kam man zu dem Schluss, dass der Entwurf eine mit den Ordensstatuten nicht zu vereinbarende Einschränkung der Befugnisse des Meisters vom Stuhl der Johannisgrade und gleichzeitige Häufung von Einfluss in den Händen des Meisters vom Stuhl der Schottenloge bedeutet hätte. Vor allem die Frage, ob Spittler als Mitglied des dritten Grads mit einer Ausnahmegenehmigung an den ökonomischen Beratungen der Schottenloge teilnehmen dürfte und dort auch das Stimmrecht besitzen sollte, war strittig. Im Antwortschreiben vom 16. September 1784 – also fast genau ein Jahr bevor er den Vorsitz über die Johannisgrade aufgab – wurde Spittler von den Kapitularen dieses Recht ausdrücklich zugesprochen, die älteren Brüder widersprachen dieser Entscheidung einige Tage später.³⁵⁴ Danach scheint es zu keiner weiteren Diskussion und Auflösung der Problematik gekommen zu sein, so dass die Kollision der zwei unterschiedlichen Rechtsauffassungen unausweichlich war. Die Vorgeschichte des Konflikts schlug sich unmittelbar nach dem offenen Ausbruch der Streitigkeiten in Spittlers Wortwahl und Strategie nieder. Seine Verweise auf „unbrüderlichen Streit mit älteren Brüdern“ sowie seine Klage, dass es sich bei Willich um einen „eiffersüchtigen Mann“ handle, der in seiner „maurerischen Denkart“ gänzlich verschieden sei, zeigen deutlich, dass der Vorsitzende der Johannisgrade seit seinem Amtsantritt Probleme mit Teilen der Schottenloge, insbesondere mit Willich, hatte.³⁵⁵ Spittler nahm Willich als einen Mann wahr, der mit seiner Rolle in der Loge haderte und die Kompetenzen des Meisters vom Stuhl
Anhand der drei gratis vorgenommenen Rezeptionen Spittlers im Dezember 1782 bzw. Januar 1783 stellt sich die berechtigte Frage, ob Koppe versucht hat, in Spittler neben Feder gezielt einen vertrauenswürdigen zweiten Helfer innerhalb der Loge aufzubauen. Die Protokolle liefern keine Hinweise zur Motivation hinter Spittlers raschem Aufstieg, doch ähnliche Überlegungen dürften seit Koppes Abschied auch Teile der Schottenloge beschäftigt haben. Vgl. Kap. 5. Dass Empfehlungsschreiben und neue Kompetenzverteilung gleichzeitig abgesandt wurden, deutet darauf hin, dass die Frage der Machtbalance schon länger unter den Mitgliedern des vierten Grads diskutiert worden war, und sie der Weggang Koppes nicht unvorbereitet traf. Vgl. Pro Memoria von Papes, 16. September 1784, Korrespondenzen, Dok. 25; Schreiben der Schottischen Konferenzloge an Heinrich Ludwig von Pape, 24. September 1784, Korrespondenzen, Dok. 27. Vgl. Schreiben Spittlers and den Altschottischen Obermeister, 19. September 1785, Korrespondenzen, Dok. 2.
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der drei symbolischen Grade für sich wollte.³⁵⁶ Sich selbst stellte Spittler dagegen als unschuldig in Bedrängnis geraten dar: Er sei sicher nicht fehlerlos, habe aber stets das Beste der Loge im Sinn gehabt und werde nun ungerechterweise kritisiert. Den Vorwurf der Selbstherrlichkeit und Anmaßung von Befugnissen wies Spittler zurück und betonte, dass nicht Willich allein ihm Probleme bereite, sondern dass sich um den Meister vom Stuhl der Schottenloge eine Fraktion gesammelt habe. Ruft man sich Spittler als Wunschkandidaten Koppes in Erinnerung, wird deutlich, dass er bereits unmittelbar nach Ausbruch der Streitigkeiten sich selbst als einer Fraktion gegenüberstehend verstand, die er als unbrüderlich, unkooperativ und einer der Ordensdoktrin zuwiderlaufenden Denkart verpflichtet beschrieb, und somit als Gegner der hannoverschen Ordensoberen.³⁵⁷ Mit seinem Rücktritt zwang er die Ordensoberen, in dem bis dahin innerhalb der Führungsschicht der Loge schwelenden Konflikt Stellung zu beziehen, und präsentierte sich als Vertreter ihrer Interessen. Hannover reagierte erst einen Monat später und setzte Heinrich Carl Bernhard Compe als Vermittler ein.³⁵⁸ Auf Desinteresse kann diese auffällige Verzögerung kaum zurückgehen, denn die Augusta war mit ihrem Standort in Göttingen sicher eine der bedeutenderen Logen nicht nur in der Region, sondern im ganzen nördlichen deutschsprachigen Raum. Zahlreiche Mitglieder der Schottenloge, aber auch Spittler und Feder, waren Professoren. Die Streitigkeiten drohten somit auch die Bedingungen innerhalb der höchsten Kreise des Lehrkörpers zu beeinträchtigen. Für die Kritiker der Freimaurerei wäre dies geradezu ein Geschenk In Zedlers Universal-Lexicon wird der Eifersüchtige folgendermaßen charakterisiert: „Er hasset den andern als einen Dieb, der ihm dasjenige nehmen will, welches ihm nach der Einbildung seines Geistes alleine zustehet.“ Vgl. Zedler, Universal-Lexicon, 8. Band, Halle und Leipzig 1734, S. 507. Ähnlich in der Allgemeinen deutschen Real-Encyclopädie von 1820, dem „Brockhaus“:“Eifersucht ist der lebhafteste Haß und Verdruß über fremde Vorzüge, welche uns in der Bestrebung oder Erlangung und Behauptung eies Gutes hindern und in Gefahr bringen.“ Vgl. Friedrich Arnold Brockhaus (Hrsg.), Allgemeine deutsche Real-Encyclopädie für die gebildeten Stände. (Conversations-Lexicon), fünfte Auflage, 3. Band, Leipzig 1820, S. 364. In der Deutschen Encyclopädie oder Allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften wird Eifersucht dagegen nur als eine Beziehung zweier Menschen belastende Emotion diskutiert; die Eifersucht als Neid auf materiellen Besitz, Stellung oder Ansehen fehlt. Vgl. Ludwig Julius Friedrich Höpfner und Heinrich Martin Gottfried Köster (Hrsg.), Deutsche Encyclopädie oder Allgemeines Real-Wörterbuch aller Künste und Wissenschaften von einer Gesellschaft Gelehrten, 8. Band, Frankfurt a. M. 1783, S. 20 ff. Vgl. Schreiben Spittlers and den Altschottischen Obermeister, 19. September 1785, Korrespondenzen, Dok. 2. Vgl. Schreiben des Altschottischen Obermeisters an Compe, 20. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 6.
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gewesen. So ist anzunehmen, dass die Ordensoberen die Streitigkeiten als äußerst delikate Angelegenheit handhabten und über die weitere Vorgehensweise ausgiebig beratschlagten. Compe machte den älteren Brüdern den Inhalt von Spittlers Schreiben bekannt, woraufhin sie zwar zugaben, sich dem Vorsitzenden der Johannisgrade gegenüber ungerecht verhalten zu haben, doch habe auch dieser Fehler gemacht. Konkretisiert wurden die Vorwürfe gegen Spittler zu diesem Zeitpunkt noch nicht.³⁵⁹ Der Vorschlag Willichs, dass man bis auf weiteres alle Versammlungen aussetzen solle, wurde abgelehnt, da dies ein Nachgeben gegenüber Spittler bedeutet hätte.³⁶⁰ Bereits zu diesem Zeitpunkt scheint Willich nicht der uneingeschränkte Führer der sich um ihn gruppierenden Fraktion gewesen zu sein, was Spittlers Einschätzung der Situation widerspricht. Der Meister vom Stuhl der Johannisgrade war anscheinend (noch) nicht so isoliert, wie er selbst dachte. Um den angerichteten Schaden zu begrenzen, beauftrage die Schottenloge Richter damit, sich zu Spittler zu begeben, um ihm die unentgeltliche Rezeption in den vierten Grad und die anschließende Wiederaufnahme seines Amts anzubieten. Aus ihrer Perspektive kamen die Schottischen Brüder Spittler damit weit entgegen: Seit der Weiterführung Osanns am 24. Juni 1783 war kein Mitglied der Loge mehr in den vierten Grad aufgenommen worden, was den Eindruck von der Schottenloge als einer elitären Schicht innerhalb der Loge verstärkt. ³⁶¹ Umso mehr löste Spittlers Ablehnung des Angebots – das aus seiner Sicht vergiftet war – vor allem bei Richter Unverständnis und ein starkes Gefühl der Beleidigung aus. Hatten Teile der älteren Brüder schon bislang das Gefühl gehabt, dass die „jüngeren Brbr. Profeßoren“ sich als die maßgeblichen Mitglieder der Loge ansahen, schien Spittlers Ablehnung diese Wahrnehmung nun endgültig zu bestätigen. Dennoch gab Richter den Bitten der anderen Schottischen Brüder, dass
Vgl. Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 24. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 7. Vgl. Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 24. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 7. Von den 587 Personen, die in Gläshners Mitgliederliste verzeichnet sind, liegen zu 365 Daten zum Zeitpunkt von Rezeption und/oder Weiterführung(en) vor. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle dieser Personen in Göttingen erstmals in eine Loge aufgenommen wurden. Neunzehn Personen kamen von außerhalb und erhielten in Göttingen auf Wunsch ihrer Mutterloge den zweiten, dritten oder vierten Grad oder stiegen weiter auch, nachdem sie ganz nach Göttingen gewechselt waren. Insgesamt durchliefen nur ca. 30 Personen zwischen 1765 und 1783 die Grade Eins bis Vier innerhalb der Loge Augusta, die in der Liste gemachten Angaben sind allerdings nur schwer zu verifizieren. Zu Ernst Otto von Grote fehlt dabei die Angabe des Zeitpunkts der Aufnahme in den IV. Grad. Am 24. Juni 1783 wurde an Samuel Christian Gotthold Osann die letzte nachweisbare Weiterführung in den vierten Grad vorgenommen.
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er doch nun das vakante Amt übernehmen solle, nicht nach und forderte stattdessen mehr Einsatz zur Rettung der Einheit der Loge.³⁶² Da noch keine Einigung in Sicht war, beschlossen die Anwesenden, einen Bericht über ihre Anstrengungen nach Hannover zu senden. So sollte den Oberen gezeigt werden, dass die gewünschte Einigung nicht an der Schottenloge scheiterte, sonder allein an Spittler. Auch der Versuch Compes, seine Bemühungen mit denen Richters zu bündeln, scheiterte.³⁶³ Als kurz darauf Spittler und Richter erneut zusammen kamen und der Zurückgetretene sich Richters Wünschen weiterhin verweigerte, wandelte sich der Mediziner zu einem energischen Gegner Spittlers und zum Wortführer der sich vormals um Willich scharenden Partei.³⁶⁴ Den Ärger Richters bekam Compe zu spüren, als er ihn Anfang November besuchte. Der von Richter bei diesem Anlass vorgebrachte Vorwurf, dass Spittler sich selbst widerrechtlich verhalten habe, erscheint als Versuch, seine aus einer tiefen Kränkung resultierende Haltung vor sich selbst zu legitimieren und jegliche Verantwortung seitens der Schottischen Brüder auszublenden. Richter bekräftigte seine Ankündigung, dass er jede weitere Verhandlung mit Spittler ablehne und nun selbst das Amt des Meisters vom Stuhl übernehmen wolle.³⁶⁵ Obwohl ihm klar war, dass er Richter gekränkt hatte, war Spittler vermutlich nicht bewusst, dass er ihn mit seinem Verhalten dazu gebracht hatte, die Seiten zu wechseln. In seinen Überlegungen, den Vorsitz der Loge selbst zu übernehmen, wird Richters Verständnis der Streitigkeiten deutlich. Während Spittler selbst die Kompetenzstreitigkeiten zwischen Hannover und den älteren Brüdern in Göttingen als Hauptursache ausmachte, verstand Richter zwar Spittlers Überlegungen, erwartete von diesem jedoch mehr Großmut im Sinne der Einheit der Gemeinschaft. Dass Spittler als einer der – aus der Sicht Richters – Mitverursacher der Streitigkeiten das großzügige Angebot ablehnte, empfand der Mediziner als Beleidigung. In seinen Schreiben vom fünften November versuchte Spittler, diese konsequente Haltung zu rechtfertigen, und stellte den Streit erneut als einen Konflikt dar, der eigentlich zwischen den altschottischen Ordensoberen in Hannover und
Vgl. Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 24. Oktober 1785, Korrespondenzen, Dok. 7. Vgl. Schreiben Schroeders an Heinrich Ludwig von Pape, 3. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 8. Vgl. Rechtfertigungsschreiben Compes an von Pape, 7. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 14. Vgl. Rechtfertigungsschreiben Compes an von Pape, 7. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 14.
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den schottischen Brüdern in Göttingen bestehe. Er betonte, dass er an den Verhandlungen über seine zukünftigen Kompetenzen nicht beteiligt gewesen sei. Dennoch unterstrich er wiederum, dass er die Kapitulationsurkunde als alleinige Quelle seiner Autorität ansah und es nicht zulassen konnte, dass die älteren Brüder einige Punkte nicht akzeptierten und damit die Oberhoheit der Ordensoberen angriffen.³⁶⁶ Er selbst sei prinzipiell schon vor Ausbruch der Streitigkeiten bereit gewesen den vierten Grad anzunehmen, befürchtete aber, Willich zu nahe zu treten, da dieser in einer regelmäßigen Teilnahme des zweiten Meisters vom Stuhl an den Versammlungen des vierten Grads einen Angriff auf seine eigene Position hätte sehen können. Diese Argumentation Spittlers ist nachvollziehbar, denn wäre Spittler im August 1784 Mitglied des vierten Grads gewesen, wäre es kaum zur Einrichtung einer Doppelspitze gekommen. Auch eine späte Annahme des vierten Grads durch Spittler hätte Willichs Amt obsolet gemacht. Ob der Streit durch einen Beitritt Spittlers in den vierten Grad hätte vermieden oder doch wenigstens gelöst werden können, ist angesichts des Misstrauens, das Koppe, Feder und Spittler entgegen gebracht wurde, äußerst zweifelhaft. Auch der zweite von Spittler angeführte Punkt ist nachvollziehbar: Mit seiner Annahme hätte er indirekt eingestanden, dass sein Beharren auf die ihm urkundlich verliehenen Rechte ein Irrtum war, und damit die Sichtweise der älteren Brüder im Nachhinein sanktioniert. Deshalb, so Spittler, habe er Richters Angebot, ihn gratis in den vierten Grad weiterzuführen, nicht annehmen können, auch wenn er es aus Mitgefühl mit Richter beinahe getan hätte. In dem Schreiben vom zehnten November legten Willich, Richter und Ruhlender ihre Sicht der Dinge dar. Grund für den Streit sei nicht etwa, dass Spittler ohne den vierten Grad keinen Zugang zu den ökonomischen Beratschlagungen gewährt worden sei, sondern sein widerstrebendes Verhalten. Gegenüber Compe hatte Richter noch einige Tage zuvor Spittler als stur beschrieben. Nun warf man ihm und Feder zusätzlich Herrschsucht, Ignoranz sowie Fahrlässigkeit hinsichtlich der Statuten, Rituale und Geheimhaltung vor, wie sie zuvor auch Koppe an den Tag gelegt habe. Es folgte eine deutliche Spitze gegen die Ordensoberen, denen ja die Beschwerden der älteren Brüder seit langem bekannt gewesen seien. Die nun zu erwartende Spaltung der Loge sei demnach die Schuld Koppes, Feders, Spittlers und der Ordensoberen. Als Konsequenz kündigte die Fraktion der älteren Brüder an, dass sie einen neuen Meister vom Stuhl wählen würde.³⁶⁷ Damit wurde Vgl. Rechtfertigungsschreiben Spittlers an Compe, 5. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 10. Vgl. Schreiben Willichs, Richters und Ruhlenders an das Ordenskapitel, 10. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 15.
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nicht nur der – angeblich – pflichtvergessene Spittler unterschwellig kritisiert, sondern auch die Ordensoberen in Hannover, denen hier vorgeworfen wurde, zum Nachteil der Loge an Spittler festgehalten zu haben. Gleichzeitig wurde den Ordensoberen aber auch ein Weg aufgezeigt, auf dem sie ihre falschen Entscheidungen wieder gutmachen konnten: Mit der Bestätigung des von der Schottenloge gewählten Meisters vom Stuhl. Die von den älteren Brüdern angesetzte Meisterwahl hätte eine Rückkehr Spittlers sehr erschwert und damit die Entscheidung der Ordensoberen, ihm den Vorsitz über die Loge Augusta zu verleihen, faktisch aufgehoben. Wollten die Ordensoberen die Kapitulationsurkunde – und damit ihren Führungsanspruch – durchsetzen, musste die angesetzte Meisterwahl verhindert werden. Hannover beharrte ganz folgerichtig weiter auf der Gültigkeit der Konstitutionsurkunde und reagierte auf die Ankündigung der Meisterwahl dann auch vergleichsweise aggressiv. Außerdem kündigte die Oberen an, dass Willichs Verhalten dem Großmeister des Ordens – Herzog Ferdinand von Braunschweig – gemeldet werden sollte.³⁶⁸ Letzteres war eine eindeutige Warnung an die älteren Brüder in Göttingen, dass weiterer Ungehorsam nicht geduldet werden würde.³⁶⁹ Trotz dieser Drohkulisse zeigte sich Schroeder wenig zuversichtlich, dass sich Willich und Richter Argumenten und Befehlen beugen würden.³⁷⁰ Während der von Schroeder einberufenen Konferenzloge versuchte Compe, die älteren Brüder – hier vor allem Willich – endlich dazu zu bringen, Spittler die Teilnahme an den ökonomischen Beratschlagungen zu gewähren. Doch auch dieser letzte Versuch einer gütlichen Einigung scheiterte: Die von Richter eingereichten fünf Punkte bildeten die Blaupause für die Argumentation der anderen älteren Brüder.³⁷¹ Compe entging dies nicht, weshalb er Richter unterstellte, selbst Meister vom Stuhl aller vier Grade werden zu wollen.³⁷² Als Schroeder erkannte, dass keine Lösung gefunden werden würde, führte er seinen Auftrag aus: Im Namen der Ordensoberen legte er ein Veto gegen die Neuwahl eines Meisters vom Stuhl ein, die daraufhin tatsächlich nicht abgehalten wurde; den Bruch mit der Loge Carl zum Purpurmantel wollten die Schottischen Brüder dann doch nicht riskieren. In ihren Schreiben an von Pape vom nächsten Tag zogen sowohl
Damit hatte der Streit sich zu dem entwickelt, als was Spittler ihn von Beginn an wahrgenommen hatte: Eine Kompetenzstreitigkeit zwischen den Schottischen Brüdern der Göttinger Loge und den Ordensoberen in Hannover. Einige der Schottischen Brüder hatten also gute Gründe sich durch die jährlichen Geburtstagsgrüße beim Herzog beliebt machen zu wollen. Vgl. Kap. 8. Vgl. Schroeder an Heinrich Ludwig von Pape, 22. November 1785. Vgl. die Zusammenfassung von Richters Position durch Compe, 23. November 1785. Vgl. Compe an Heinrich Ludwig von Pape, 24. November 1785.
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8 Spuren der Korrespondenzkultur
Schroeder als auch Compe äußerst negative Resümees der Konferenzloge und unterstellten Willich und Richter nun persönliche Motive.³⁷³ Ersterer hege eine persönliche Abneigung gegen Spittler, der zweite wolle das Amt des Meisters vom Stuhl für sich selbst. Bevor der erhaltene Korrespondenzbestand abreißt, scheint sich die Situation nicht mehr geändert zu haben.³⁷⁴ Im letzten erhaltenen Schreiben schlug Schroeder Böhmer als Vermittler vor, da dieser von allen Beteiligten gleichermaßen respektiert werde und sich ganz dem Wohl der Loge verschrieben habe.³⁷⁵ Dieser sollte noch einmal auf Spittler einwirken und ihn zur Annahme des vierten Grads und Wiederaufnahme des Hammers bereden. Wie die Oberen auf diesen letzten erhaltenen Vorschlag Schroeders reagierten, ist nicht überliefert.
Was bleibt? Die Untersuchung der Positionen Koppes, Feders und Spittlers haben, zusammen mit den von Willich und Richter geäußerten Stellungnahmen, gezeigt, dass die Führungsebene der Augusta schon während Koppes Amtszeit als Vorsitzender zerstritten gewesen sein muss. Die Kritik an seinem Führungsstil durch Mitglieder der Schottenloge kann Koppe nicht entgangen sein, weshalb seine Entscheidung, einen eigenen Kandidaten für die Nachfolge zu präsentieren, nur als ungeschickt bezeichnet werden kann, auch wenn er auf die Nominierung Feders verzichtete, um seinen Kritikern entgegen zu kommen. Als enger Vertrauter Koppes genoss auch Spittler nicht das Vertrauen der älteren Brüder. Sein Alter und die kurze – aus Sicht der Schottenloge wohl unvollendete – freimaurerische Laufbahn taten ihr übriges. Aus dieser von Anfang an schwachen Position heraus scheint es Spittler nicht gelungen zu sein, sich innerhalb der Loge zu etablieren. Während seines Vorsitzes über die drei Johannisgrade scheint der junge Professor von einigen der älteren Brüder gegängelt worden zu sein. Vorausschauendes Verhalten Koppes, etwa in Form eines mit der Schottenloge gemeinsam nominierten Nachfolgers, hätte den Konflikt wohl vermieden. Die Ursachen der Streitigkeiten lagen aber nicht nur in einem eigensinnigen Entschluss Koppes, sondern auch im Starrsinn der älteren Brüder und Spittlers. Nach Ausbruch der Streitigkeiten verfestigten sich die Positionen schnell: Von Anfang an nahm Spittler eine defensive Position ein und erzwang das Eingreifen Vgl. Schroeder an Heinrich Ludwig von Pape, 24. November 1785; Compe an Heinrich Ludwig von Pape, 24. November 1785. Vgl. Compe an Heinrich Ludwig von Pape, 28. November 1785. Vgl. Schroeder an von Pape, 8. Dezember 1785.
8.4 Der „Fall Spittler“
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der Ordensoberen. Die älteren Brüder unternahmen durch Richter einen halbherzigen Versuch, Spittler zur Rücknahme seines Rücktritts zu überreden, ohne jedoch die Kapitulationsurkunde anerkennen zu wollen. Auf beiden Seiten verhinderten verletzter Stolz und positionelles Denken eine konstruktive Lösung. Teile der Schottenloge sahen ihre Autorität gefährdet, den Ordensoberen schien die Kontrolle über die Göttinger Loge zu entgleiten und Spittler fühlte sich für einen nicht von ihm verursachten Konflikt verantwortlich gemacht. Die Bemühungen Compes und Schroeders blieben zunächst vergeblich, da sich Anfang Dezember 1785 noch keine Änderungen der Lage abzeichnete. Alle Bemühungen zur Einigung scheinen erfolglos verlaufen zu sein, denn von 1786 bis 1788 übernahm August Gottlieb Richter die vakante Stelle des Meisters vom Stuhl. Aufgrund des Verlaufs des Streits im Herbst 1785 ist davon auszugehen, dass mit Richters Amtsübernahme 1786 die Beziehung nach Hannover deutlich abkühlte. Offenbar kam es erst 1789 zu einer Einigung, denn Spittler übernahm erneut den Vorsitz der Loge – also erst, nachdem sich die Gemüter etwas beruhigt hatten.
Schlussbetrachtung
9 Das verbindende Element Die Transformation des Fürsten- oder Ständestaats vollzog sich nicht linear und reibungslos, sondern als eine die Individuen in hohem Maße irritierende historische Periode, handelte es sich doch um eine Zeit großer Umbrüche, in der das Neue noch nicht fertig ausgeformt war, während gewachsene Sozialstrukturen zunehmend in Frage gestellt wurden und viele Menschen in ihrem Umfeld neue, verbindliche Beziehungen aufzubauen versuchten. Im gesamten Alten Reich entstanden verschiedene Arten von Sozietäten, breiteten sich aus und wurden – besonders die Freimaurerei – als „Staat im Staate“ durch die Obrigkeit verfolgt und verboten.¹ Universitätsstädte wie Halle, Jena oder Göttingen waren Brennpunkte dieser Entwicklung.² Hier umgab die Universitäten ein im Verhältnis zur restlichen Bevölkerung umfangreiches Milieu von Akademikern und Studenten, das die bürgerliche Elite der Stadt prägte, ja definierte. Gleichzeitig ist die Leinestadt als Beispiel für die hier skizzierten Entwicklungen der Aufklärungszeit nur bedingt geeignet, weil hier die Universität nicht vom Mittelalter her gewachsener Teil des städtischen Gemeinwesens war, sondern erst in der bereits vorangeschrittenen Epoche der Aufklärung in diese Ackerbürgerstadt „implantiert“ wurde. Noch dazu waren viele der Dozenten Vertreter aufklärerischen Denkens und obendrein Mitbegründer oder Mitglieder freimaurerischer Zirkel. Die von der europäischen Außenwelt zu erwartenden aufklärerischen Erschütterungen wurden in diesem Milieu gleichsam verstärkt und verändert, weil Impulse von außen in den universitären Kreisen ganz anders aufgenommen wurden als in der alteingesessenen Bevölkerung. Da viele Göttinger Gelehrte in den Logen aktiv waren, stellen die erhalten gebliebenen Protokolle den Spiegel eines gesellschaftlichen Lebens dar, der nur bedingt und in Ausschnitten als zeittypisch gelten kann. Die im Vorwort geäußerte Erwartung, dass die Auswertung der Dokumente aus dem Nachlass der Logen Augusta zu den 3 Flammen und Zum goldenen Zirkel erstmals einen detaillierten und vielfältigen Einblick in die beiden Göttinger Logen und das freimaurerische Leben in der Leinestadt liefern würde, hat sich mit dieser Einschränkung als zutreffend erwiesen. Das von Flo-
Winfried Dotzauer beschreibt in Freimaurergesellschaften am Rhein anschaulich die Ausbreitung und Verfolgung der Freimaurerei im Rheinland und den angrenzenden Gebieten. Vgl. Dotzauer, Freimaurergesellschaften am Rhein, S. 33 ff., insb. S. 39 f. sowie Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 76 ff. Vgl. Kap. 3. https://doi.org/10.1515/9783110621723-009
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rian Maurice treffend erkannte Desiderat hinsichtlich der Erforschung des freimaurerischen Alltags wird – und kann – nicht vollkommen aufgelöst werden.³ Für die vorliegende Arbeit wurden über 1600 Seiten handschriftlicher Protokolle, Mitgliederlisten, Briefe und das Schwarze Buch aus dem im Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz erfassten Nachlass der beiden Göttinger Logen ausgewertet. Hinzu kommen diverse in der „Schwedenkiste“ aufgefundene Dokumente aus dem Umfeld der beiden Gemeinschaften, die zuvor noch nicht wissenschaftlich erfasst worden waren.⁴ Dem Leser treten als Resultat eine Vielzahl an Beziehungen von Göttinger Professoren, Doktoren und Studenten der Aufklärungszeit gegenüber. Zusammen mit Angehörigen verschiedener Regimenter, meist jungen Offizieren, versammelten sie sich zur gemeinsamen Logenarbeit und tafelten in vertrauter Runde. Besucher aus assoziierten und fremden Logen wurden freudig begrüßt und verbreiteten Neuigkeiten aus allen Teilen des Alten Reichs und darüber hinaus. Nach dem Siebenjährigen Krieg war ein geschäftstüchtiger Gastwirt der Wiederbegründer der Freimaurerei in der Leinestadt, wurde für sein Engagement von der Regierung getadelt und stolperte schließlich über seinen Umgang mit den Finanzen der von ihm geführten Gemeinschaft.⁵ Die Abkehr vom System der Strikten Observanz, der Verlust von Einfluss der Mitglieder des vierten Grads und ein vom Meister vom Stuhl aktiv betriebener demographischer Wandel haben die Augusta beinahe zerrissen. In dem der Großen Landesloge angehörenden Goldenen Zirkel kam es zum Eklat zwischen zwei Fraktionen, als ein Vorsitzender mittels des scheinbar frei erfundenen Vorwurfs des Wahlbetrugs aus dem Amt gedrängt wurde. Junge Adelige wurden bevorzugt behandelt. Der absichtliche und unbeabsichtigte Verrat von Geheimnissen beschäftigte beide Logen: Immer wieder mussten Mitglieder der Augusta zur Diskretion ermahnt werden; im Schwarzen Buch sammelte der Goldene Zirkel die Namen der geächteten professionellen Verräter und Betrüger.⁶ Über beiden Logen schwebte das Damoklesschwert der königlichen Verbotsedikte, und doch gelang er der Augusta die Anerkennung als wohltätige Gesellschaft zu erlangen. Die zwei Gemeinschaften suchten ihr Ansehen zu mehren, warben um adelige Anwärter und kamen einflussreichen und angesehenen Re-
Maurice, Die Mysterien der Aufklärung, S. 278. Vgl. auch Kap. 1. Im Besitz der Loge Augusta zum goldenen Zirkel befindet sich noch ein Ordner voller Abrechnungen und Mitgliederlisten, die zuletzt von H. Gläshner (1932) und W. Lange (2011) ausgewertet beziehungsweise gesichtet wurden. So sind die Erkenntnisse aus den Mitgliederlisten in dieser Arbeit bereits enthalten, doch es ließe sich noch eine Arbeit zur Ökonomie der älteren Augusta schreiben, die Einblicke in den die Logen umgebenden Geldverkehr liefern würde. Vgl. Kap. 3. Vgl. Kap. 7.
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zipienten weit entgegen, indem außerplanmäßige Rezeptionslogen abgehalten wurden oder man auf Gebühren verzichtete.⁷ In beiden Logen zusammen bewegten sich über den Zeitraum ihres Bestehens weit über 800 Personen, knüpften Kontakte, tauschten Neuigkeiten aus, unterstützten sich gegenseitig oder solidarisierten sich mit fremden Brüdern wie Johann Reinhold Forster.⁸ Soziale Konstellationen werden in den Dokumenten sichtbar, Freund- und Feindschaften deuten sich an und bislang unbekannte Charakterzüge berühmter Göttinger Gelehrter werden erkennbar. Mit Recht kann man die beiden Freimaurerlogen – neben der Universität – als Zentren des gesellschaftlichen Lebens im Göttingen des ausgehenden 18. Jahrhunderts bezeichnen. Ihre Erforschung bereichert deshalb auch die Stadtgeschichte um bislang unbekannte Facetten.
Die Göttinger Freimaurerei Schon vor über dreißig Jahren hat Norbert Schindler darauf hingewiesen, dass man sich „die Logenpraxis … trotz ihrer labyrinthischen Symbolik nicht zu anspruchsvoll oder gar intellektuell“ vorstellen solle.⁹ Die Auswertung der Protokolle hat diese Aussage insofern gestützt, als dass die Wiedergabe von Reden oder Diskussionen sich nicht als zentrales Anliegen der Protokollanten gezeigt hat – der Leser erfährt nur wenig über die nicht-formalisierten, das heißt unvorhersehbaren Geschehnisse des Logenalltags. Auch die Vermittlung der freimaurerischen Lehren scheint kein zentrales Anliegen gewesen zu sein.¹⁰ Ziel der Protokollführung war die Feststellung, dass die freimaurerischen Arbeiten ordnungsgemäß durchgeführt worden waren.¹¹ Besonderer Wert wurde darauf gelegt, dass die persönlichen Verbindungen hinter den Rezeptionen und Weiterführungen festgehalten wurden – für den Stand innerhalb der Loge waren sie genau so wichtig wie der Grad: – Wer war anwesend und wer führte welches Amt aus? – Wer wurde rezipiert bzw. weitergeführt?
Vgl. Kap. 5. Vgl. Kap. 8. Schindler, Freimauerkultur im 18. Jahrhundert, S. 232. Vgl. auch Van Dülmen, Die Gesellschaft der Aufklärer, S. 64. Vgl. Kap. 4. Vgl. Kap. 2. So verwiesen die Reverse, mit denen Freimaurer auf Reisen ihre Zugehörigkeit und Grad nachwiesen, ausdrücklich auf die Protokollbücher ihrer Mutterloge. Ein Beispiel eines solchen Zertifikats hat sich in der Schwedenkiste erhalten.Vgl. Schwedenkiste, 10. Band, Dok. 181.
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Welche Motivation stand hinter dem Beitrittsgesuch? Wer hatte den Rezipienten vorgeschlagen bzw. der Loge zugeführt? Wie hatte sich der um Weiterführung Bittende bislang verhalten? Welches Ergebnis brachten die Abstimmungen? Gab es Einwände und von wem? Welche Logen oder Einzelpersonen hatten mit der Loge Kontakt aufgenommen? Welche Besuchenden Brüder wurden begrüßt? Woher stammten sie?
Es handelt sich keineswegs um „Vereinsmeierei“. Im Streitfall konnten die Protokolle gegenüber dem Ordenskapitel bzw. der Provinzial- oder Landesloge als Beleg für ordnungsgemäßes Arbeiten dienen oder bei der Rekonstruktion der Vorgeschichte eines Konflikts helfen.¹² Eine nachlässige Buch- und Protokollführung war nicht im Interesse der Logen und könnte bei zukünftigen Forschungsvorhaben als Hinweis auf erodierende Organisationsstrukturen dienen. Vor dem Hintergrund der beschriebenen Eigenarten der freimaurerischen Schriftführung stellt sich die Frage, ob es Sinn gemacht hätte, nach dem Vorbild Holger Zaunstöcks eine prosopographische Arbeit zu verfassen, die sich etwa auf die Frequenz der Rezeptionen, Weiterführungen und Briefwechsel konzentriert, und damit die quantitativen Elemente des Quellenbestands noch stärker in den Mittelpunkt gerückt hätte.¹³ Neben dem Einwand, dass die prosopographische Untersuchung von zwei Logen kaum Erkenntnisse befördern würde, die jenseits der Leinestadt aussagekräftig wären, hätte eine rein prosopographische Herangehensweise kaum zu einem Ergebnis geführt, das der Komplexität der Göttinger Freimaurerei des 18. Jahrhunderts gerecht würde. Trotz ihrer Fokussierung auf organisatorische Fragen und Inhalte spiegeln die Dokumente auch das reiche gesellschaftliche Leben in der Leinestadt im ausgehenden 18. Jahrhundert: Die angesprochenen Freund- und Feindschaften und Charakterzüge zeigen sich immer dann, wenn die Sekretäre von den Kernthemen der Protokollführung abwichen und Ereignisse beschrieben, die ihnen außergewöhnlich oder merkwürdig im eigentlichen Sinne des Worts vorkamen. Mittels der Analyse von Mitgliederstrukturen sind auffällige Verhaltensweisen einzelner Protagonisten, Abhängigkeiten und kausale Zusam-
Das in Kapitel 8. untersuchte Kommunikationsnetzwerk diente nicht nur der Korrespondenz in Form des Austauschs von Neuigkeiten, sondern stellt den Versuch dar, eine dezentralisierte Chronik des eigenen freimaurerischen Systems zu erstellen. Bei Vertagung oder Auflösung einer Loge wurden die schriftlichen Unterlagen üblicherweise an die Provinzial- oder Großloge eingesandt und somit ein letztes Mal in das kollektive „Gedächtnis“ des Systems eingespeist. Zaunstöck, Sozietätslandschaft und Mitgliederstrukturen.
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menhänge jedoch kaum zu erfassen. Obwohl die Prosopographie ein wichtiges Instrument zur weiteren Erforschung des Sozietätswesens ist, bedürfen die Protokolle und Dokumente, die uns die verschiedenen Gemeinschaften hinterlassen haben, einer genaueren Betrachtung, um unser Bild vom Menschen der Aufklärung in seinem Alltag zu schärfen. Denn dieses Bild hat – mindestens teilweise – wenig mit dem zu tun, was man sich landläufig unter Aufklärung vorstellt. Der Zusammenschluss der bürgerlich-adeligen Eliten in Sozietäten ist für das 18. Jahrhundert typisch.¹⁴ Doch anders als in Großstädten wie Wien oder Berlin, deren Erscheinungsbild Maurice so anschaulich beschrieben hat, hätte es in Göttingen ohne die Universitätsgründung kaum eine Basis für die Entstehung eines ausdifferenzierten Sozietätswesens gegeben.¹⁵ Allgemein gilt die von Hardtwig, Maurice und anderen gestützte These, nach der die Sozietätsgeschichte immer eng mit der Lokalgeschichte und den die Örtlichkeiten gestaltenden Menschen verbunden ist.¹⁶ In Gotha, der unter Herzog Ernst II. äußerst „freimaurerfreundlichen“ mitteldeutschen Residenzstadt, setzte sich die Loge primär aus Hofbeamten und Bildungsbürgern zusammen.¹⁷ Die Logen der Hafenstadt Hamburg waren geprägt durch Kaufleute aus verschiedenen Ländern während in der Wiener Loge Zur Wahren Eintracht das katholisch geprägte Bildungsbürgertum in Form von Beamten und Gelehrten sowie das Militär den Ton angaben.¹⁸ In den Berliner Logen versammelten sich zahlreiche Angehörige des preußischen Beamtenapparats und Militärs.¹⁹ Zugleich bestanden in der Hauptstadt Preußens durch den Adel geprägte Logen, nicht unähnlich der ersten Göttinger Loge Friedrich. ²⁰ Die typische Freimaurerloge hat es also nicht gegeben – wie sich das Logenleben in anderen Städten darstellt muss deshalb Gegenstand entsprechend
Vgl. u. a. Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 306. Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 123 ff., 167. Vgl. Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 306; Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 4; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 42. Vgl. das Verzeichniß der Mitglieder von der gerechten und vollkommen verbeßerten FreymaurerLoge, genant zum Rautenkrantz in Gotha, den 2.ten Decbr: 1775, Verzeichnis der Mitglieder der gerechten und vollkommenen verbesserten Freymäurer-Loge, zum Rautenkranz in Gotha den Isten December 1783 und das Verzeichniß der gerechten und vollkommenen Freymaurer Loge zum Compaß zu Gotha, verfertigt im Monat August 1785, Schwedenkiste, 10. Band, Dokumente 199, 200 und 201. Vgl. Irmen, Die Protokolle der Wiener Freimaurerloge „Zur Wahren Eintracht“ (1781 – 1785), S. 13. Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 4; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, zwei Bände, S. 42, 153 ff., 663 ff. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, zwei Bände, S. 163 f., 667 sowie Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 168. Vgl. auch Kap. 3.
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ortsbezogener Forschung sein. Das in den Dokumenten der beiden Logen beobachtete Verhalten darf deshalb nicht als prototypisch für das Verhalten von Gelehrten, Bürgern und Adeligen im ausgehenden 18. Jahrhundert verstanden werden, sondern ist genuine Folge der in Kapitel Drei geschilderten außergewöhnlichen Entwicklung der Leinestadt seit Beginn des 18. Jahrhunderts. Bis die Göttinger Freimaurerei ihre immense Bedeutung erlangt hatte, vergingen Jahrzehnte, in denen sich die Struktur und das soziale Leben der zuvor ausschließlich ländlich geprägten Stadt grundlegend wandelten.²¹ Durch Gründung der Universität entstand innerhalb der „Ackerbürgerstadt“ ein Zentrum der Wissenschaft. Die als Reformuniversität konzipierte Alma Mater setzte auf Zensurund Lehrfreiheit und sollte neue Maßstäbe in den Geistes- und Naturwissenschaften setzen. Namen wie Haller, Heyne oder Lichtenberg sind bis heute untrennbar mit der Universität verwoben und mehrten schon damals ihr Ansehen. Wie in Leipzig, Halle oder Jena fasste das Sozietätswesen auch in Göttingen im personellen Umfeld der Universität Fuß. Aus Leipzig kam 1738 mit Johann Christoph Gottsched die Deutsche Gesellschaft, aus Halle importierten Studenten 1747 die Freimaurerei, nachdem zwei Jahre zuvor auch in Jena eine erste Loge ihre Arbeiten aufgenommen hatte.²² Göttingen erscheint daher als westlichster Ausleger der von Zaunstöck untersuchten mitteldeutschen Sozietätslandschaft. 1751 gründete Georg II. die Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, die andernorts bereits etablierten Studentenorden bauten Ableger auf. 1772 entstand der Hainbund, der trotz seines kurzen Bestehens eine prägende Wirkung auf die deutsche Literaturlandschaft hatte. Gegen Ende eines abwechslungs- und spannungsreichen Jahrhunderts, in dem die Leinestadt Gelehrte und Sozietäten hatte kommen und gehen sehen, war mit dem Illuminatenorden auch die wohl berühmteste Geheimgesellschaft Europas in der Stadt aktiv, deren Umfang und Wirken noch immer nicht vollständig erfasst und erforscht sind. Aus allen genannten anderen Sozietäten waren stets auch Mitglieder in den Göttinger Freimaurerlogen aktiv, die so einen integrierenden Charakter erhielten. Die „Implantierung“ einer Schicht aus gebildeten Adeligen und bürgerlichen Gelehrten trug dazu bei, dass in Göttingen die Trennung zwischen den eingesessenen Anwohnern – also den Kleinbürgern, Bauern, Handwerkern und dem Gesinde – und dem universitärem Umfeld, das sich im neu errichteten Universitätsviertel bewegte, lange bestehen blieb.²³ Die Mehrheit der Bevölkerung scheint – wenn überhaupt – jenseits der (lebens)notwenigen Geschäfte nur we-
Vgl. Kap. 3. Bauer und Riederer, Zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit, S. 16 ff. Vgl. auch Kap. 3. Vgl. Kap. 3.
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nige, oberflächliche Beziehung zu den von Gelehrten, Militärs und Adeligen geprägten gesellschaftlichen Zirkeln und Gemeinschaften gehabt zu haben, die in einer ihnen weitgehend unbekannten Welt lebten, sowohl was die Gestaltung des Alltags als auch was die geistige Sphäre anging. Gestützt und gefördert wurde diese Trennung noch zusätzlich durch die administrative Abgrenzung, für alle sichtbar in der von Brüdermann untersuchten Rechtsprechung: Universitätsangehörige und einheimische Bevölkerung unterlagen nicht denselben Gesetzen, teilweise noch nicht einmal derselben Jurisdiktion, was die bei den weniger privilegierten, ursprünglichen Einwohnern der Stadt verbreitete Missgunst noch steigerte. Diese Trennlinien, verstärkt durch die der Ständegesellschaft, reichten bis ins Privatleben. Der Umgang mit den ursprünglichen Bewohnern der Stadt war zwar nicht verboten, doch ungewöhnlich.²⁴ Unter den Mitgliedern der ersten Göttinger Loge Friedrich fand sich nur ein einziger Bürger der Leinestadt ohne Bezug zur Universität: Johann Heinrich Grätzel gehörte bereits zu einem zukünftigen bürgerlichen Unternehmertum, das sich gerade im Entstehen befand und gerne als „Geldadel“ apostrophiert wurde.²⁵ In den nach dem Siebenjährigen Krieg gegründeten Logen Augusta zu den 3 Flammen und Zum goldenen Zirkel war die Abgrenzung zu den Bürgern der Stadt nicht mehr ganz so strikt wie noch in der Loge Friedrich, doch auch unter ihren Mitgliedern waren vergleichsweise wenige Ortsansässige vertreten, die zudem noch in einem fast ausnahmslos unmittelbaren Bezug zur Universität standen. Zwar fanden sich auch einzelne Handwerker und Kaufleute, doch die überwältigende Mehrheit der Mitglieder waren – wie auch in anderen kleineren Universitätsstädten – Professoren und Studenten.²⁶ Daneben traten noch einige Angehörige der ortsansässigen Garnison bzw. von in der Nähe stationierten Regimentern bei. Während also Militärs in der zweiten Jahrhunderthälfte ganz selbstverständlich die Logen besuchten und lange Jahre sogar den Vorsitzenden des Goldenen Zirkel stellten, sucht man etwa Bäcker, Metzger, Schuhmacher, Färber oder den eingangs erwähnten Ackerbürger vergeblich in den Mitgliederverzeichnissen. Angesichts der immensen Popularität der Freimaurerei stellt sich
Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 249 ff.; Römling, Göttingen – Geschichte einer Stadt, S. 126 Vgl. Kap. 3. Vgl. Bauer u. a. (Hrsg.), Die Universität Jena in der Frühen Neuzeit, S. 138; Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 306. In Reval (Tallinn), das über keine Universität verfügte, besuchten hauptsächlich Juristen, Theologen, Lehrer, Ärzte und Beamte die Loge Isis. In der Hafenstadt besuchten zwar einige Kaufleute die Loge, jedoch nur ein Handwerker. Vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 1. Band, S. 369 f.
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natürlich die Frage, ob sich nicht mehr ortsansässige Bürger um die Mitgliedschaft in einer der Logen bemüht haben, als die Dokumente belegen. Die Rezeptionsgebühren stellten eine hohe, für wohlhabende Händler und Handwerker aber keinesfalls unüberwindbare Hürde dar.²⁷ Besonders Kapitel Fünf hat gezeigt, dass man durchaus bereit war, Anwärtern in der Frage der Gebühren entgegen zu kommen wenn ihr Ansehen der Gemeinschaft einen Prestigegewinn versprach. Dass sich dennoch kaum Vertreter des ortsansässigen Kleinbürgertums unter den Mitgliedern der beiden Gemeinschaften finden, deutet auf zweierlei hin: Auf die schon angesprochene Distanz zwischen den verschiedenen Gruppen innerhalb der Stadt sowie auf den Umstand, dass diese Distanz nicht nur auf Gesetzen, sondern vor allen auf den überkommenen gesellschaftlichen Leitlinien und Gefühlen der Ständegesellschaft beruhte, was mit den ständischen Ordnungen ebenso zusammen hängt wie mit religiösen und profanen Vorstellungen, die nach heutiger Auffassung vielleicht hätten überwunden werden können, es oft aber eben nicht wurden. Diese Trennung war gewollt, und so finden sich in den Protokollen der beiden Göttinger Loge auch keine Hinweise darauf, dass man sich bemüht hätte Mitglieder aus dem „großen Haufen“ der Bauern, Handwerker oder Kleinbürger zu gewinnen. Hardtwig spricht treffend von einer „Egalisierung nach oben“, das heißt einem Versuch des wohlhabenden und gebildeten Bürgertums, sich auf eine Stufe mit dem Adel zu stellen und gegenüber dem Kleinbürgertum abzugrenzen.²⁸ Das Ziel war nicht die Überwindung der Ständegesellschaft sondern die Verschiebung ihrer Grenzen. Im ausgehenden 18. Jahrhundert war die städtische Gesellschaft Göttingens also nicht mehr entlang der Trennlinie zwischen Adel und Bürgertum geteilt: Die bürgerlichen Bewohner der Stadt bildeten selbst keine homogene Gruppe mehr, und spalteten sich bereits entlang der neuen, vom aufgeklärten Denken und Handeln bestimmten Trennlinien in neue Gruppen. Besonders deutlich wurde dies rund um den Göttinger Studentenauszug von 1790, der Befürworter und Kritiker der akademischen Freiheiten entzweite.²⁹ Die vielleicht deutlichsten Spuren innerhalb der untersuchten Protokolle könnten die Rezeption von Hofmeistern (Rezeption der Gebr. Tatischeff) und der Fall des durch Johann Joachim
In Göttingen kostete das Erreichen des Meistergrads ca. 80 Taler. Ein Tarif, der auch in Berlin üblich war. Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 171. Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 309. Auch Maurice beschreibt die Erosion von Standesgrenzen in Alltag und den Ruf der neuen bürgerlichen Elite nach Gesetzen, welche die neue Elite nach unten abgrenzen sollten. Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 126 f., 167. Vgl. Brüdermann, Der Göttinger Studentenauszug – Handwerkerehre und akademische Freiheit, S. 7 ff.
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Jänisch belästigten „einfältigen Maurers“ in der Augusta sein; die Rezeption von Hofmeistern bedeutet die Aufnahme von qualifiziertem Dienstpersonal (Hauslehrer), beim „einfältigen Maurer“ bleibt ungeklärt, ob es sich um einen Übergriff gegenüber einem ortsansässigen Handwerker handelt.³⁰
Die Logen als Marktplatz für Prestige Abgesehen von der angesprochenen „Implantierung“ steht die weitgehende Abkapselung der Freimaurerei vom ländlich geprägten Teil Göttingens im Zusammenhang mit einer Verhaltensweise, die sich in sämtlichen fünf Hauptkapiteln beobachten ließ und die mithin als die maßgebliche die Göttinger Freimaurerei prägende Handlungsmaxime angesehen werden muss.³¹ Der Wunsch, das eigene Ansehen zu vergrößern, war das maßgebliche Motiv hinter zahlreichen Bitten um Aufnahme und Weiterführung.³² Der französische Soziologe Pierre Bourdieu bezeichnet dieses Verhalten als die „Reproduktion von Sozialkapital“. ³³ Durch den ständigen Austausch von Anerkennung („Beziehungsarbeit“) werde das Sozialkapital immer wieder gegenseitig bestätigt. Die Investition von Kapital, Zeit und Beziehungen vermehrt dabei das Ansehen einer Person. Personen mit großem Sozialkapital (z. B. renommierte Gelehrte) oder Träger von ererbtem Sozialkapital (Adelige, Menschen mit berühmten Vorfahren, Assoziation mit erfolgreichen Geschäftsleuten, etc.) profitierten in besonderen Maße von dieser Beziehungsarbeit, da „… der Ertrag der für die Akkumulation und Unterhaltung von Sozialkapital erforderlichen Arbeit umso größer ist, je größer dieses Kapital selber ist.“ Wer bekannt sei, den lohne es sich zu kennen. Der Bekannte sei mehr Menschen ein Begriff als er selbst tatsächlich kenne – und habe es auch nicht nötig sich mit jedem bekanntzumachen.³⁴ Am meisten Ansehen gewannen also der Meister vom Stuhl, die Beamten und die gesellschaftlich angesehensten Mitglieder der Loge. Ihre Namen waren Außenstehenden und befreundeten Gemeinschaften ein Begriff und wurden zuerst mit
Vgl. Kap. 5. und 7. Vgl. Kap. 3. Vgl. insb. Kap. 5. Thomas Weller schreibt unter Bezug auf Max Weber von „der Ehre als Medium ständischer Inbzw. Exklusion“.Vgl. Thomas Weller, Soziale Ungleichheit und ständische Gesellschaft – Stand und Perspektiven der Forschung, in: Füssel und Weller (Hrsg.), Soziale Ungleichheit und ständische Gesellschaft – Theorien und Debatten in der Frühneuzeitforschung, S. 7. Bourdieu, Die verborgenen Mechanismen der Macht, S. 67.
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der Rezeption von hochstehenden Persönlichkeiten assoziiert. In den ersten beiden Graden stehende Logenmitglieder, die nicht überregional bekannt waren, steigerten demnach ihr Sozialkapital in einem geringeren Maße. Logische Konsequenz war – neben einem allgemeinen Streben nach höheren Graden –, dass gerade die Logenmitglieder, die bereits über das höchste Sozialkapital verfügten, das größte Interesse an der Aufnahme weiterer angesehener Mitglieder hatten.³⁵ Wer Geld, Kontakte und seine Bekanntheit in eine Mitgliedschaft einbrachte, wünschte im Gegenzug eine Steigerung des eigenen Sozialkapitals. Auch nach dem Beitritt sollte sich dieser eigene Wert natürlich weiter erhöhen, indem das Ansehen der Gemeinschaft – gleich dem Aktienkurs eines Unternehmens, an dem man Anteile hält – wuchs. Nützlich war dabei eine ausgedehnte Vernetzung der Loge. In Kapitel Acht wurde sichtbar, dass beide Göttinger Logen über weitreichende Kontakte verfügten, sich aber in der geographischen Positionierung ihrer Kontakte unterschieden. Während der Goldene Zirkel vor allem im Nordosten des Alten Reichs in das engmaschige Netzwerk der Großen Landesloge eingebunden war, unterhielt die Augusta Korrespondenzen in beinahe alle Winkel des Alten Reichs.³⁶ Im Korrespondenznetzwerk der Logen verhielten sich die Gemeinschaften zueinander ähnlich wie ihre Mitglieder untereinander in den Versammlungen. Der Fokus auf „Sozialkapital“ bedeutet im Umkehrschluss aber auch, dass durch die Aufnahme von Kleinbürgern, Ungebildeten oder gar gesellschaftlich Geächteten das Ansehen einer Loge und ihrer Mitglieder – auch überregional – sinken konnte. Hatten die angesehenen Mitglieder das Gefühl, dass die Gemeinschaft zu trivial wurde oder gar der persönliche Ruf der Mitglieder durch eine Assoziation Schaden nehmen konnte, waren Austritte möglich. Der Beginn einer Abwärtsspirale war absehbar, an deren Ende im schlimmsten Fall die Vertagung oder Auflösung der Gemeinschaft stehen konnte, meist jedoch schlicht die gesellschaftliche Bedeutungslosigkeit.³⁷ Eine der wichtigsten Aufgaben der Logenoberen war deshalb, einen Ausgleich zwischen den von außen und innen an die Gemeinschaft gerichteten Er-
Der Wunsch nach der Erteilung der höheren Grade ist auch in den Protokollen der Revaler Loge Isis zu beobachten. Vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, S. 339 ff. Vgl. Kap. 8. So wie in Göttingen dem Goldenen Zirkel nicht der Anschluss an die höchsten Kreise der Gesellschaft gelang, attestiert von Wistinghausen der Revaler Loge Die Hoffnung der Unschuld das „Bild eines Personenkreises von gesellschaftlich eher marginaler Relevanz“. Vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 1. Band, S. 415 f.
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wartungen zu finden. Bereits im Vorfeld einer möglichen Rezeption musste sich deshalb jeder Anwärter den Anforderungen der Loge unterwerfen. Um festzustellen, ob der Anwärter überhaupt zur Aufnahme geeignet war und seine Mitgliedschaft nicht das Ansehen der Loge mindern würde, sollte jeder Anwärter vor der Abstimmung über seine Aufnahme auf charakterliche Schwächen und weltliches Fehlverhalten überprüft werden.³⁸ Bei besonders angesehenen bzw. einflussreichen Anwärtern konnte es an dieser Stelle zu Zugeständnissen kommen, da durch ihren Beitritt beziehungsweise die engere Assoziation mit ihnen das Ansehen der Loge fraglos gesteigert wurde.³⁹ Bourdieus Thesen finden sich im Verhalten beider Göttinger Logen wieder, schon in Kapitel Fünf wurde indes das größere Ansehen der Augusta deutlich.⁴⁰ Der Effekt von Fürsprache ließ sich während der Rezeption Ludwig Timotheus Spittlers beobachten. Unmittelbar nachdem Johann Georg Heinrich Feder überraschend der Augusta beigetreten war, bezog der Vorsitzende Koppe Partei und sprach sich sehr deutlich für die Aufnahme Spittlers aus und gab somit das gewünschte Abstimmungsergebnis bereits vor.⁴¹ Spittlers Rezeption war zuvor nicht angekündigt worden. Anziehungskraft und die Wirkung hohen Ansehens (Träger von ererbtem „Sozialkapital“) wurden auch in den Rezeptionen mehrerer, teils adeliger Persönlichkeiten deutlich, darunter die von Vätern oder Verwandten initiierten Aufnahmen Georg Wilhelm August von Papes, Fritz von Moltkes und besonders Ernst Friedrich von Schlotheims.⁴² Die Selbstverständlichkeit, mit der Ernst Heinrich Ludwig von Schlotheim bei der Rezeption seines Sohns den Rechtsbruch einforderte, spricht Bände. Der junge Adelige wurde ohne charakterliche Überprüfung im Beisein seines Vaters rezipiert, nachdem dieser für ihn gebürgt und Koppe in einer Rede verkündet hatte, dass die Aufnahme als Ehrerbietung gegenüber dem Vater zu verstehen sei. Triebfeder hinter der bevorzugten Behandlung war nicht der Kontakt zu dem kaum achtzehnjährigen Studenten, sondern zu seinem Vater.⁴³ Beide Fälle zeigen, dass die freie Meinungsbildung unter den Mitgliedern der Gemeinschaft im Zweifelsfall als Partikularinteresse
Vgl. Kap. 4. Vgl. Kap. 5. Hermann Schüttler hat auf den großen Anteil Adeliger an den Mitgliedern der Strikten Observanz hingewiesen. Karl Gotthelf von Hund und Altengrotkau wollte ursprünglich sogar nur Adelige in das erfolgreiche Hochgradsystem aufnehmen. Vgl. Hermann Schüttler, Zwei freimaurerische Geheimgesellschaften des 18. Jahrhunderts im Vergleich: Strikte Observanz und Illuminatenorden, in: Donnert (Hrsg.), Europa in der Frühen Neuzeit, S. 535. Vgl. Kap. 5. Vgl. Kap. 5. und 6. Vgl. Kap. 5.
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hinter dem Gewinn von Sozialkapital zurückstehen musste; beim Aufbau von Kontakten zu oder der Rezeption von angesehenen und einflussreichen Personen wurde kein Risiko eingegangen.⁴⁴ Es kam zur in Kapitel Fünf angesprochenen Beeinflussung der Mitglieder, zur „Umstrukturierung des Erwartens“. ⁴⁵ Obwohl ein „Funktionsverlust der adelsständischen Eliten“ stattfand, bestand nach wie vor eine Trennung zwischen Adel und Bürgertum.⁴⁶ Indem man Verhaltensformen des Adels übernahm und im bürgerlich geprägten Umfeld der Freimaurerei nutzte, wurde der Eintritt in eine Loge auch für Adelige im Sinn der Steigerung ihres Sozialkapitals interessant.⁴⁷ Schindler attestiert der Freimaurerei deshalb eine „sozialintegrative“ Funktion zwischen den höheren Schichten der Ständegesellschaft.⁴⁸ In den beschriebenen Fällen werden die von Hardtwig beschriebenen Versuche des Bürgertums deutlich, sich an den Adel anzubiedern, ihn zum Vertreter der Gemeinschaft zu machen und so den eigenen sozialen Stand zu erhöhen.⁴⁹ Der Aufbau von Sozialkapital und der Zusammenhalt einer Gemeinschaft bedingen sich gegenseitig.⁵⁰ Den Mitgliedern der Augusta war bewusst, dass Kritik an der Aufnahme jeweils auch den Fürsprecher beziehungsweise die Paten in Zweifel gezogen hätte; eine Kränkung, die der Anbahnung des neuen Kontakts wohl ein jähes Ende gesetzt oder in der Folge zu Streitigkeiten innerhalb der Gemeinschaft geführt hätte. Gleichwohl wurden die Verhaltensformen der ständischen Gesellschaft nicht mehr ungefragt hingenommen. Die vom Vorsitzenden Koppe unmittelbar nach der Rezeption Ernst Friedrichs gehaltene Ansprache belegt, dass die Beugung des Rechts – ein in der ständischen Gesellschaft selbstverständliches Privileg des Adels – innerhalb der Loge ohne Rechtfertigung nicht mehr ohne weiteres akzeptiert wurden.⁵¹ Die von Hardtwig angesprochene „bürgerliche Logenkritik“ findet hier ihren Ausdruck.⁵² Für den inneren Frieden der Loge und die Steigerung des „Sozialkapitals“ war unabdingbar, dass derartige Bevorzugungen von den Brüdern akzeptiert wur-
Vgl. Kap. 6. Vgl. Luhmann, Legitimation durch Verfahren, S. 27 ff., insb. S. 36 f. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 223. Vgl. Füssel, Die feinen Unterschiede in der Ständegesellschaft, S. 36. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 223. Vgl. Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 306 ff.; Bourdieu, Die verborgenen Mechanismen der Macht, S. 69 f. Ursprünglich vertrat der Adeligen als Individuum seine Leibeigenen, seine Untertanen und seinen umfangreichen weltlichen Besitz. Die Logen versuchten diese Assoziation auf sich zu übertragen. Wer z. B. an das Adelsgeschlecht von Schlotheim dachte, der sollte auch an die Loge denken. Vgl. Bourdieu, Die verborgenen Mechanismen der Macht, S. 64 f. Vgl. Kap. 5. Vgl. Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 310.
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den – auch wenn nicht alle Brüder gleichermaßen profitierten. Koppes unmittelbar nach der Rezeption Ernst Friedrich von Schlotheims gehaltene Ansprache stellt deshalb bei genauer Betrachtung ein Appell an Geschlossenheit und Eintracht der Gemeinschaft dar.⁵³ Durch Zureden und mit Hilfe symbolischer Praktiken wie den Rezeptionsritualen oder der Ballotage wurde „den verschiedenen sozialen Zuschreibungen und Geltungsansprüchen die nötige Legitimität“ verliehen und somit die ungleichen Verhältnisse bewahrt.⁵⁴ Als Anfang 1783 die Ballotage auch in der Augusta eingeführt wurde, passte man die Regeln so an, dass Mitglieder der unteren beiden Grade kaum noch Einfluss auf die Entscheidungen nehmen konnten. Und im Goldenen Zirkel hatte die Meisterwahl 1774 ein Nachspiel, als das Ergebnis von einer einflussreichen Fraktion nicht akzeptiert wurde.⁵⁵ Für einflussreiche und gesellschaftlich aufstrebende Männer war ein niederer Freimaurergrad auf Dauer unattraktiv, für Adelige vom Standpunkt des Standesbewusstseins nicht tragbar. Zwar bezeichnete schon der Lehrling alle Mitglieder der Gemeinschaft als „Brüder“ und hatte somit – zumindest potentiell – vertrauteren Kontakt zu ihnen als die meisten Außenstehenden, doch haben die Erteilung des vierten Grads an Johann Carl Gottlieb Hentze in der Augusta und die alljährliche Ämtervergabe im Goldenen Zirkel deutlich gemacht, dass der jeweils höchste Grad Voraussetzung für die Verleihung der Logenämter war.⁵⁶ Diese wiederum hoben den Inhaber zusätzlich von den einfachen Logenmitgliedern ab, mehrten sein Sozialkapital und verliehen adelsähnliche Privilegien.⁵⁷ Die Streitigkeiten im „Fall Spittler“, welche die Augusta an den Rand des Zusammenbruchs brachten, drehten sich letztendlich um Rang und Hierarchie.⁵⁸ Die Ungleichheit der Mitglieder war gerade im System der Strikte Observanz besonders ausgeprägt. Nur an die Mitglieder der höheren Grade wurden Ritternamen vergeben, es bestand folglich eine deutliche Distinktion zu den normalen Mitgliedern. Vgl. Hardtwig, Genossenschaft, Sekte, Verein in Deutschland, S. 310. Vgl. Füssel, Der feine Unterschied in der Ständegesellschaft, S. 33. Vgl. Kap. 6. In beiden Göttinger Logen war die „Personaldecke“ zeitweise so dünn, dass Mitglieder in den Meistergrad weitergeführt wurden, damit sie Ämter übernehmen konnten. Nicht immer war die Verleihung eines Amts also Folge großen Ansehens. Ähnliche Probleme beschäftigten auch andere Logen, zum Beispiel die Revaler Loge Isis und die Berliner Loge Zum Widder. Vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, 1. Band, S. 275; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 2. Band, S. 690. Vgl. Füssel, Der feine Unterschied in der Ständegesellschaft, S. 36. Vgl. auch Kap. 6. und 8.4. Selbst die meisten Angehörigen des Meistergrads wussten von dem Konflikt zwischen des Ordensoberen, Spittler und Angehörigen des vierten Grads wohl nichts. Der Konflikt hinterließ keinerlei Spuren in den Protokollen – auch dies ein Argument gegen eine rein prosopographische Herangehensweise.
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Gerade für Bürger waren die freimaurerischen Ämter häufig die einzig erreichbaren Stellen, die einen – wenn auch eingeschränkten – gesellschaftlichen Einfluss mit sich brachten. Häufig wurden die Ämter entsprechend den beruflichen Fähigkeiten der Mitglieder vergeben.⁵⁹ Zu der in anderen Logen beobachteten Vergabe der Ämter, besonders des Vorsitzes, an Adelige kam es in Göttingen nicht.⁶⁰ Die Leinestadt war keine Residenzstadt, die meisten adeligen Mitglieder der Logen junge Studenten. Ihr Alter und der meist nur wenige Jahre dauernde Aufenthalt in Göttingen scheinen sie in den Augen der älteren Brüder nicht für höhere Aufgaben qualifiziert zu haben. Die höheren Grade grenzten den Träger auch von all jenen Mitgliedern ab, welche die Kosten, die mit einem Aufstieg in höhere Grade verbunden waren, nicht aufbringen konnten. Dem steht nicht entgegen, dass sich in der Augusta die Erteilung der Grade zwei bis vier ohne Erhebung von Rezeptionsgeldern beobachten ließ, denn es handelte sich keinesfalls um Mildtätigkeit. Vielmehr zeigte die „gratis“ erteilte Rezeption oder Weiterführung, dass der Beitritt beziehungsweise die Mitgliedschaft einer außergewöhnlichen Persönlichkeit der Loge einen derart großen Gewinn an Sozialkapital brachte, dass man großzügig auf die Gebühren verzichtete. Es handelte sich dabei um eine Ehre, die einer Einladung gleichzusetzen wäre. Der so Geehrte hätte eine Gebührenhebung folglich leicht gar als Beleidigung empfinden können. Diese exklusivste Form des Gunstbeweises war kein Privileg des Adels: Mit Spittler und Heinrich Philipp Sextroh wurden auch zwei bürgerliche Anwärter ohne vorherige Überprüfung ihres Charakters gratis rezipiert und weitergeführt. Grund war ihre enge Bekanntschaft mit dem Meister vom Stuhl.⁶¹ Der Verzicht auf die Gebühren wurde zum Ausdruck der Ehrerbietung und zeichnete den Empfänger vor anderen prestigeträchtigen Rezipienten aus.
Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 10 f. Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 5; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 42. Der tatsächliche Grund für Koppes entgegenkommendes Verhalten, die Mitgliedschaft des Professors und des Predigers im Illuminatenorden, war den meisten Mitgliedern nicht bekannt und konnte daher vom Vorsitzenden nicht als Begründung verwendet werden. Stattdessen verwies der Vorsitzende vor allem im Fall Spittlers auf dessen Renommee als Gelehrter. Die Ursachen für das in den Protokollen beobachtete Verhalten lassen sich nicht immer vollständig aus den Dokumenten herleiten: Ohne das heute verfügbare Wissen über den Illuminatenorden und seine Mitglieder lägen Grundlagen der freimaurerischen Karrieren von „Bayle“ und „Oenomaus“ – so ihre Tarnnamen im Orden – noch immer im Dunklen. Die Entwicklung der – in Ansätzen – demokratischen Gemeinschaften wurde also teils von Faktoren beeinflusst, die der Mehrheit ihrer Mitglieder unbekannt waren. Vgl. Kap. 5. und 8.4.
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Diskretion und Strafe Die Fokussierung auf das „Sozialkapital“ als Handlungsmotiv hinterließ ihre Spuren auch hinsichtlich der Geheimhaltung. Die von Koppe so stolz präsentierte Geldspende von einem Louisd’or und Reiseberichte wie jener von Christoph Friedrich Rinck zeigen, dass die Existenz der Logen weithin bekannt war.⁶² Geheimhaltung bedeutete, dass die Vorgänge im Inneren der Logen vor den Augen der Öffentlichkeit geschützt wurden und sich die Gemeinschaft so sicht- und fühlbar vom Gros der Bevölkerung abgrenzte.⁶³ Nur in solchen Gemeinschaften, so Schindler, konnte die „Idee des bürgerlichen Lebens“ erprobt werden.⁶⁴ Gerade jüngere Mitglieder der Göttinger Logen, zumeist wohl Studenten, scheinen durch ihre Prahlerei diese fragile Struktur immer wieder gefährdet zu haben. Intensiv wurde vor allem in der Augusta die Auseinandersetzung mit dem indiskreten Verhalten einiger Brüder geführt.⁶⁵ Mehr als der Goldenen Zirkel muss die ältere Loge als Treffpunkt der gesellschaftlichen Elite Göttingens angesehen werden. Unter ihren Mitgliedern fanden sich die angesehensten örtlichen Freimaurer; die Mehrzahl der besprochenen Beispiele von außergewöhnlichen Gunstbeweisen ereignete sich denn auch innerhalb dieser Loge der Strikten Observanz. Gerade für die prestigeträchtigen Mitglieder war die Kontrolle über jegliche Information, die aus dem Innenraum der Loge nach außen drang, von elementarer Bedeutung, denn der Ansehensgewinn, der aus einer Logenmitgliedschaft erwuchs, war real, aber nicht universell: Was in den höheren Schichten der Gesellschaft für Anerkennung sorgen konnte, stieß im Kleinbürgertum, bei Handwerkern und Bauern mitunter auf Neugier und Unverständnis, Spott oder Neid, teils gar auf offene Ablehnung.⁶⁶ Für Professoren oder Staatsbedienstete konnte gar ihre Stellung auf dem Spiel stehen.⁶⁷ Von einem solchen Rückschlag bedroht waren vor allem jene Mitglieder der Logen, die über Einfluss und Ansehen verfügten, sich langfristig in Göttingen aufhielten, eine Stelle an der Universität inne
Vgl. Kap. 7. und 8. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 1 f., 10 f. Vgl. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 244 f. Vgl. Kap. 7. Vgl. Kap. 4. Auch in anderen Logen kam es zum Verrat von Interna oder Personalien. So wird etwa in den Protokollen der Wiener Loge Zur Wahren Eintracht ein Fall aus dem Jahr 1784 beschrieben, in dem ein Mitglied einer anderen ortsansässigen Loge einen Bruder der Eintracht gegenüber der Kirche als Freimaurer enttarnt hatte. Vgl. Irmen, Die Protokolle der Wiener Freimaurerloge „Zur Wahren Eintracht“ (1781 – 1785), S. 227.
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hatten oder einer anderweitigen ortsgebundenen Beschäftigung nachgingen und sich deshalb aufkommenden Gerüchten nicht durch einen Ortswechsel entziehen konnten. Weniger zu fürchten hatten dagegen Mitglieder, die einen geringer ausgeprägten Bezug zur Leinestadt hatten. Die seit 1748 immer wieder erneuerten Verbotsedikte wurden zwar von Seiten der Obrigkeit nicht konsequent durchgesetzt, sorgten aber dafür, dass den Mitgliedern der beiden Gemeinschaften ihre fragile Stellung präsent blieb. Als nach dem Tod von Ernst von Lestwitz eine Trauerloge abgehalten werden sollte, verweigerte der Meister vom Stuhl Wacker die Totenfeier mit dem Verweis auf die in Göttingen herrschenden Verhältnisse. Ähnlich handelte auch Koppe, der nach dem Tod Herzog Karl I. von Braunschweig auf Druck aus Hannover zwar eine Trauerloge abhalten ließ, seine Brüder aber ermahnte, den Trauerflor nicht auf der Straße zu tragen und so eine für jedermann sichtbare Verbindung zwischen der Freimaurerei und dem Verstorbenen herzustellen.⁶⁸ Freimaurerische Feste wurden in Göttingen stets diskret begangen, die Protokolle enthalten keine Hinweise auf die andernorts üblichen repräsentativen Feiern, die mit großem Interesse von den Zeitgenossen verfolgt wurden.⁶⁹ Während der Zusammenkunft, die anlässlich von Koppes Amtsübernahme abgehalten wurde, ergriff der Abgesandte des hannoverschen Ordenskapitels, Karl August von Hardenberg-Reventlow, das Wort und bat die Versammelten in einer „ernstlichen Ermahnung“, dass die internen Abläufe der Loge und Koppe als Vorsitzender Außenstehenden nicht bekannt werden sollten.⁷⁰ Koppe selbst wiederholte den Appell nach seiner Übernahme des Amts des Prorektors – für den Meister vom Stuhl bedeutete das Jahr seines Prorektorats eine Gradwanderung. Immer wieder versuchte Koppe die Brüder durch Ermahnungen zur Diskretion zu erziehen. Die von Schindler festgestellte „Internalisierung der Verhaltenszwänge“ findet sich hier ebenso wie in den sich stets wiederholenden Ritualen und Arbeiten am Katechismus.⁷¹ Diskretion herrschte auch im Umgang mit den Verfehlungen eigener und der Mitglieder befreundeter Logen. Geahndet wurden „profane“ wie logeninterne Vergehen mit Strafen, die von der diskreten (sprich: anonymen – oder unter vier Augen vorgenommenen) Rüge vor Beginn der eigentlichen Versammlung (das Ansehen von Brüdern sollte nicht dauerhaft geschädigt werden) bis zur selten angewandten Exklusion reichten. Einmal ausgestoßen gab es keinen Weg zurück,
Vgl. Kap. 7. Vgl. Maurice, Freimaurerei um 1800, S. 5; Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 211 ff. Vgl. Kap. 7. Vgl. Schindler, Freimaurerkultur im 18. Jahrhundert, S. 237 f.
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denn die Namen der Exkludierten wurden befreundeten Logen zusammen mit dem offiziellen Schriftverkehr zugestellt.⁷² Vor dem Hintergrund der von Stefan Brüdermann beschriebenen häufigen Reibereien zwischen Studenten und Stadtbevölkerung fällt auf, dass in den Protokollen kaum Fehltritte von Logenmitgliedern festgehalten wurden.⁷³ Dabei ist unstrittig, dass sich Mitglieder der beiden Logen nicht immer von ihrer besten Seite präsentierten; die Existenz von logeninternen Strafkatalogen geht aus den Protokollen klar hervor. Ihr Inhalt blieb zwar unklar, doch bei Hasselmann findet sich eine detaillierte Darstellung des Katalogs der Berliner Loge Zu den 3 goldenen Schlüsseln. ⁷⁴ Dennoch bleiben die Schilderung von Fällen wie der öffentlichen Demütigung eines „einfältigen Maurers“ oder des vorsätzlichen Bankrotts des Kaufmanns Jordan die Ausnahme.⁷⁵ Der kommerzielle Verrat von freimaurerischem Geheimwissen scheint in den beiden Logen kein akutes Thema gewesen zu sein. Besonders das Schwarze Buch aus dem Bestand des Goldenen Zirkel hat aber deutlich gezeigt, dass der kommerzielle Verrat internen Wissens die mit der Großen Landesloge verbundenen Gemeinschaften vor schwere Probleme stellte und auch in Göttingen diskutiert wurde. Auch wenn die Augusta keine vergleichbare Namensliste führte, weist der in Kapitel Sieben diskutierte Ausspruch Koppes, dass er „der anderen Loge hier“ die Warnung vor zwei „völlig unwürdigen“ Wetzlarer Brüdern weiterleiten wolle, auf Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen freimaurerischen Systemen hin.⁷⁶ Die Anbiederung an einflussreiche und angesehene Persönlichkeiten fand hier ihre negative Entsprechung.⁷⁷ So wie der Beitritt einer angesehenen und einflussreichen Persönlichkeit das Sozialkapital der Gemeinschaft mehrte, konnte die Assoziation mit einem gesellschaftlich Geächteten das Ansehen mindern.⁷⁸ Die Eintragung ins Schwarze Buch beurkundete die Ehrlosigkeit des Betroffenen und stellte einen erheblichen Ansehensverlust dar, dem er sich auch durch einen Ortswechsel nicht entziehen können sollte. Zahlreiche Logen führten Schwarze Bücher, die Informationen wurden untereinander ausgetauscht.⁷⁹ Vgl. Kap. 7. und 8. Vgl. Brüdermann, Göttinger Studenten und akademische Gerichtsbarkeit im 18. Jahrhundert, S. 521 ff. Vgl. Hasselmann, Die Rituale der Freimaurer, S. 227 ff. Vgl. Kap. 7. Vgl. Kap. 7. Vgl. insb. das Schwarze Buch der Loge Zum goldenen Zirkel in Kap. 7. So wurde zum Beispiel von der Berliner Loge Zum Pegasus ein zwei Wochen zuvor rezipierter Anwärter wieder ausgeschlossen, weil sein Ansehen einen weiteren Verbleib im Bruderbund unmöglich machte. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 2. Band, S. 669. Vgl. Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 178.
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Die verschiedenen Appelle an die Diskretion der Logenmitglieder stellten den Versuch dar, einen Filter zu etablieren, durch den nur jene Informationen nach außen dringen konnten, von denen die Gemeinschaften und das Sozialkapital ihrer Mitglieder profitierte. Zwar ließ sich die Existenz der Gemeinschaft als solcher kaum verheimlichen, doch die Rolle des einzelnen innerhalb der Freimaurerei sollte nach Möglichkeit nicht öffentlich bekannt werden. Das Reisetagebuch Christoph Friedrich Rincks hat allerdings eindrücklich demonstriert, dass selbst ortsfremden Reisenden Koppes Stellung als Prorektor und gleichzeitiger Meister vom Stuhl der Augusta bekannt war.⁸⁰ Der Vorsitzende trug eine Mitschuld daran, dass die Aufrufe zur Diskretion letztlich erfolglos blieben. In seinem Handeln werden bei genauer Betrachtung Widersprüche sichtbar, die sich zur Belastung des so wichtigen logeninternen Klimas entwickelten und sich letztendlich in den Streitigkeiten um die Befugnisse seines Nachfolgers Spittler entluden.⁸¹
Widersprüche In Übereinstimmung mit der Handlungsmaxime von der Maximierung des Sozialkapitals ließ der Theologe keine Möglichkeit aus, das Ansehen der ihm unterstellten Loge zu mehren und neue Kontakte zu knüpfen. So sorgte er für die beschriebenen Aufnahmen von Scheithers, von Schlotheims, von Moltkes, von Papes und für seinen größten „Coup“: Die zuvor in den Protokollen nicht angekündigte Aufnahme von Johann Georg Heinrich Feder und Ludwig Timotheus Spittler am 27. Dezember 1782. Der Beitritt der beiden angesehenen Professoren wurde von den bürgerlichen und adeligen Brüdern ebenso begrüßt wie von den studentischen Mitgliedern, die auf einen vertrauten Zugang zu den angesehenen Gelehrten hoffen konnten. Neben der Rezeption hochkarätiger Persönlichkeiten hat sich das karitative Engagement als wichtiges Instrument zum Vergrößern des Ansehens und der Akzeptanz der Freimaurerei in der Öffentlichkeit herausgestellt. In beiden Logen wurde am Ende jeder Zusammenkunft die typische Sammlung für die Armen abgehalten, bedürftige Brüder in nah und fern wurden unterstützt. Die in Gotha, Reval oder in Preußen übliche Unterstützung einzelner Bedürftiger, die nicht Mitglied einer Loge waren, findet sich in Göttingen eben so wenig wie die Un-
Vgl. Kap. 7. Vgl. Kap. 8.4.
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terstützung armer oder mittelloser Schüler und Auszubildender.⁸² Der Goldene Zirkel war regelmäßig Ziel von Schreiben, in denen die Schriften auswärtiger Brüder zum Kauf angeboten wurden, teils um damit die Hinterbliebenen zu unterstützen. Dieser kommerzielle Aspekt freimaurerischer Kommunikation fehlt in den Dokumenten der älteren Loge beinahe völlig, lediglich in einem Beispiel wurde für die Pränumeration zeitgenössischer Schriften geworben.⁸³ Die eindrücklichsten Beispiele für die Steigerung des Prestiges durch wohltätiges Engagement finden sich in den Unterlagen der Augusta. Als aus Wetzlar und Gießen Briefe eintrafen, in denen um die Unterstützung von Brandopfern gebeten wurde, verstand Koppe die Bitte um Spenden als „Gelegenheit“. Scheinbar ohne zu zögern gab er – ohne seine Brüder zuvor zu konsultieren – einen größeren Betrag.⁸⁴ Unter seiner Führung konnte denn auch das zeitgemäße Projekt des Aufbaus und Betriebs eines Krankenhauses zum Abschluss gebracht werden.⁸⁵ Damit erlangte die Loge nicht nur die Anerkennung als wohltätige Gesellschaft: Die vom Vorsitzenden voller Stolz verlesenen Schreiben und Zeitungsartikel belegen, dass die Augusta auch von Außenstehenden überregional als Gemeinschaft philanthropisch gesinnter Männer wahrgenommen wurde.⁸⁶ Dies bedeutet im Umkehrschluss natürlich auch, dass Existenz und Wirken der Gemeinschaft überregional bekannt waren und von immer mehr Menschen zur Kenntnis genommen wurden. Das Streben nach öffentlicher Anerkennung ließ sich mit dem propagierten diskreten Verhalten nur schwer in Einklang bringen. Auf der Suche nach gesellschaftlicher Anerkennung setzte Koppe die für die Loge erzielten Prestigegewinne aufs Spiel. Besonders deutlich wurde dieser Widerspruch anhand der Rolle studentischer Mitglieder in der Augusta. Unmittelbar nach seiner Amtsübernahme Ende 1779 begann der junge Meister vom Stuhl zahlreiche Studierende aufzunehmen. Neben den beschriebenen prestigegeladenen Rezeptionen machen sie die überwiegende Mehrheit der Rezipierten in den Jahren 1780 bis 1784 aus: In manchen Jahren waren 75 Prozent der Neuauf-
Vgl. von Wistinghausen, Freimaurer und Aufklärung im Russischen Reich – Die Revaler Logen 1773 – 1820, S. 282 f., 403; Woelk, Geschichte der St. Johannis Loge „Ernst zum Kompass“ im Orient zu Gotha, S. 2 ff., 6; Gerlach, Die Freimaurer im Alten Preußen 1738 – 1806, 1. Band, S. 54 f., 193 ff. Vgl. Kap. 8. Vgl. Kap. 8. Auch in Jena öffnete in dieser Zeit eine neue Klinik. Die verbesserte Krankenversorgung entsprach dem Zeitgeist, da man in einer wachsenden Bevölkerung eine Grundlage des Wohlstands sah. Vgl. Bauer u. a. (Hrsg.), Die Universität Jena in der Frühen Neuzeit, S. 114 f. Vgl. Kap. 8.
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genommenen Studenten, die meisten weder adelig noch außergewöhnlich angesehen.⁸⁷ Die Sorge um den Ruf der Logen als Treffpunkt ehrbarer Männer und die Edikte sorgten dafür, dass beide Logen keine aktiven Mitglieder der studentischen Orden (sprich: Doppelmitgliedschaften) in ihren Reihen duldeten.⁸⁸ Dies geschah nicht nur um eine – aus Sicht der Obrigkeit – möglichst geringe Angriffsfläche zu bieten, sondern auch, um Rituale und logeninterne Angelegenheiten nicht der Verunglimpfung durch Mitglieder der studentischen Sozietäten Preis zu geben. Die Abschottung gegenüber dem studentischen Brauchtum sowie die – meistens – vorgenommene Überprüfung des Charakters vor der Aufnahme erwiesen sich insofern als erfolgreich, als dass sich in den Protokollen beider Göttinger Logen nur wenige Beispiele fanden, in denen unangebrachtes Auftreten in der Öffentlichkeit zu logeninternen Konsequenzen führte. Aus der Augusta sei hier an den Fall des Bremer Studenten Schumacher und die oben schon erwähnte Beschimpfung eines „einfältigen Maurers“ erinnert. Die wenigen Fälle, in denen Mitglieder der Augusta in der Öffentlichkeit so unpassend auftraten, dass die Logenoberen sich zum Einschreiten genötigt sahen, scheinen dem Ansehen der Loge nicht geschadet zu haben. Immer wieder übernahm Koppe auf den expliziten Wunsch von Angehörigen hin für junge Studierende die Rolle des Aufpassers und Erziehers. Dazu gehören zum einen die beschriebenen Fällen, in denen sich Väter als Besucher in der Loge einfanden, um die Rezeption ihrer Söhne zu erleben. Aber auch Karl August von Hardenberg-Reventlow bat Koppe in einem Schreiben, dass er sich um seinen jüngsten Bruder kümmern möge – der zu jung war, um der Augusta schon beitreten zu können.⁸⁹ Vermutlich hat es noch mehr solcher Schreiben oder auch mündlich an Koppe herangetragene Bitten gegeben, auf die hin der Professor – auch unabhängig von der Loge – ein Betreuungsverhältnis einging. Der Theologe hatte anscheinend den Ruf eines zuverlässigen Mentors, dem man junge Männer in einer kritischen Phase ihres Lebens anvertrauen konnte. So gelang es Koppe, ein eigenes Netzwerk von Kontakten aufzubauen. Mit Übernahme des Vorsitzes über die Augusta weitete er sein Verhalten auf die Loge aus. Dies soll nicht bedeuten, dass Koppe die Loge instrumentalisierte – verschiedene Einträge in den Protokollen der Augusta deuten an, dass Koppe die Freimaurerei tatsächlich als ein pädagogisches Instrument ansah, mit dessen Hilfe charakterliche Mängel wie der Hang zum Glücksspiel bekämpft werden
Vgl. Ssymank, Die Geschichte der Freimaurerei in Göttingen 1747 – 1935, S. 17 sowie Kap. 7. Vgl. Kap. 6. und 7. Vgl. Kap. 5. und 6.
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konnten.⁹⁰ Ähnlich verhielt sich wohl auch seine Sicht auf den Illuminatenorden: Dokumente aus der Schwedenkiste belegen, dass er die Loge als Erziehungsinstitut verstand, das mit dem Goldenen Zirkel um die vorbildlichsten Studenten konkurrierte. Seit seinem Beitritt in den Orden (Mai 1781) versuchte Koppe, die studentischen Mitglieder der Loge im Sinne des Geheimordens zu erziehen.⁹¹ Mit seinem Abschied in Richtung Gotha endete Koppes Rolle als Mentor – in der Residenzstadt trat er weder in der ortsansässigen Loge Zum Compaß noch in den Zusammenkünften der Illuminaten in Erscheinung.⁹² Nach 1784 finden sich in den Dokumenten der Augusta keine Fälle mehr, in denen Väter der Loge ihre Söhne anvertrauten. Koppes Abschied scheint einen erheblichen Prestigeverlust nach sich gezogen zu haben, den der neue Meister vom Stuhl der drei Johannisgrade, Spittler, nicht kompensieren konnte. Ungeachtet der beschriebenen positiven Folgen bedeutete die Mitgliedschaft der zahlreichen Studenten für die Augusta in erster Linie dann doch eine Belastung – und das nicht nur, weil die von der Obrigkeit gefürchtete staatsferne Organisation von Lehrkörper und zukünftigen Funktionsträgern so tatsächlich zu Stande kam. Als eigenständiges Problem hat sich besonders die durch – jugendliches – Geltungsbedürfnis ausgelöste Geschwätzigkeit herauskristallisiert. Wiederholt kam es zur Verbreitung von Interna durch unvorsichtige Mitglieder, auf die Koppe jeweils – pädagogisch – mit Ermahnungen zu mehr Diskretion reagierte. Schließlich mündete der Konflikte in der Verweigerung der Weiterführung eines ungenannten Bruders in den zweiten Grad.⁹³ Ob diese nachsichtige Strafe, die in den erhaltenen Dokumenten der Augusta trotzdem einzigartig ist, den gewünschten konditionierenden Effekt erzielt hat, bleibt zweifelhaft. In den Protokollen des Goldenen Zirkel fehlt ein vergleichbares Dringen auf Diskretion völlig.⁹⁴ Nun ist kaum anzunehmen, dass die Mitglieder des Goldenen Zirkel verschwiegener waren als jene der Augusta, denn die jüngere Loge war von Anfang an vor allem durch Studenten und junge Militärs geprägt – eben jene Gruppe, deren Freude am Regelverstoß bekannt war, und die, bedingt durch meist kurze Aufenthalte in der Leinestadt, Konsequenzen weniger zu fürchten hatten als vor Ort fest etablierte Mitglieder. Aller Wahrscheinlichkeit nach kam es also auch im Goldenen Zirkel zum Verrat von Logeninterna. Warum diese Fälle nicht, wie es
Vgl. Kap. 7. Vgl. Kap. 8.4. Vgl. die Protokolle der Magistrats- und Minervalversammlungen der Minervalkirche Gotha sowie die Protokolle der Loge Zum Compaß. Schwedenkiste, 15. Band sowie Woelk, Geschichte der St. Johannis Loge „Ernst zum Kompass“ im Orient zu Gotha. Vgl. Kap. 7. Vgl. Kap. 7.
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etwa die gerade besprochene Verweigerung der Weiterführung für die Augusta belegt, zum Anlass genommen wurden, um die Logenmitglieder mit Nachdruck zur mehr Diskretion zu ermahnen, lässt sich durch einen vergleichenden Blick auf das Prestige der beiden Logen erklären. Bedingt durch ihre insgesamt weniger angesehene Mitgliederbasis stand die Loge des Zinnendorf’schen Systems vermutlich im Schatten der Augusta – und damit weniger unter öffentlicher Beobachtung. Sie führte kein Krankenhaus, sammelte nicht für Brandopfer und es fanden sich in den erhaltenen Dokumenten auch keine Hinweise darauf, dass angesehene Persönlichkeiten ihre Söhne der Loge anvertraut hätten. Die Andreasgrade wurden in Göttingen nicht bearbeitet – die Loge verfügte über keine elitäre, nahezu unerreichbare Führungsschicht. Bei Abstimmungen kam es deutlich öfter zum Dissens.⁹⁵ Als weniger angesehene der beiden Gemeinschaften, die zudem noch seit Ende 1779 von der Augusta beim Werben neuer Mitglieder immer stärker bedrängt wurde, konnte der Goldene Zirkel mutmaßlich keine vergleichbar hohen Ansprüche wie etwa die Beantwortung der drei Fragen an seine Anwärter und Mitglieder stellen – die Loge hatte schließlich weniger zu bieten.⁹⁶ Das lag auch an den Vorsitzenden. Der Mittdreißiger und langjährige Meister vom Stuhl Arnold Heinrich Nicolaus Behm, aufgrund seines Alters kein typisches Mitglied der Loge, entmachtete mit Unterstützung einer bei der Meisterwahl offen auftretenden Fraktion von Unterstützern bereits 1774 die Gründergeneration der Loge, übernahm den Vorsitz und führte anschließend fast 10 Jahre die Gemeinschaft.⁹⁷ Dann wurde der Leutnant beim Infanterie-Regiment Sachsen-Gotha selbst überraschend durch den Arzt Johann Heinrich Jäger abgelöst. Bei dieser Abwahl hat ein zunehmend machtbewusstes Auftreten des langjährigen Vorsitzenden wohl eine entscheidende Rolle gespielt. Es scheint, dass in der jüngeren Gemeinschaft auch die jährlich abgehaltene Meisterwahl mit der folgenden Neuvergabe der Ämter die Etablierung einer logeninternen Elite behindert hat – zugleich ein Faktor, der mit dafür gesorgt hat, dass das gesellschaftliche Ansehen der Mitglieder im Goldenen Zirkel im Durchschnitt wohl niedriger, dafür aber innerhalb der Gemeinschaft gleichmäßiger verteilt war als in der Augusta.
Vgl. Kap. 6. Zu den drei Fragen vgl. Kap. 4. Vgl. Kap. 6.
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Die Spaltung der Augusta Viel stärker als im Goldenen Zirkel konzentrierte sich das Prestige innerhalb der Augusta an der Spitze der Gemeinschaft. Meister- oder Beamtenwahlen, die diese „Verkrustung“ hätten aufbrechen können, fanden nicht statt. Stattdessen sorgte die Einführung der Ballotage Anfang 1783 dafür, dass Lehrlinge und Gesellen auf Rezeptionen und Weiterführungen kaum noch Einfluss nehmen konnten – anscheinend vertrat Koppe selbst ebenfalls die Meinung, dass der Einfluss der von ihm rezipierten Studenten eingedämmt werden musste. Die Schottischen Meister, die bei wichtigen Entscheidungen eigene Beratungen abhielten, wachten eifersüchtig über ihre Privilegien und nahmen sich selbst als den eigentlichen Kern der Gemeinschaft wahr – eine Stellung, die sie durch die von Koppe angestoßenen Veränderungen als gefährdet ansahen.⁹⁸ Der Theologe, ebenfalls ein Mitglied des vierten Grads, initiierte als Meister vom Stuhl ab 1779 einen Transformationsprozess, der nicht von allen langjährigen Mitgliedern mitgetragen wurde. Zwar vergrößerte der Wunschkandidat des Ordenskapitels mit prestigeträchtigen Rezeptionen und geschicktem karitativen Engagement das Ansehen der Gemeinschaft. Doch fast alle Entscheidungen Koppes bargen aus Sicht der älteren Brüder große Risiken. Die Aufnahme zahlreicher Studenten erhöhte die Gefahr der Indiskretion und staatlicher Sanktionen. Beides hätte die ortsgebundenen und langjährigen Logenmitglieder schwerer getroffen als die studentischen Brüder, die sich meist nur wenige Monate oder Jahre in der Stadt aufhielten. Zudem dürfte sich auch der gesellige Umgang innerhalb der Gemeinschaften erheblich verändert haben – und dies nicht unbedingt im Sinn der älteren Mitglieder, die an Beständigkeit gewöhnt waren, langjährige Freund- und Bekanntschaften pflegten und studentischem Brauchtum wohl – wie die meisten Bürger der Stadt – ablehnend gegenüber standen. Ein Gefühl der Entfremdung von „ihrer“ Loge breitete sich unter den älteren Mitgliedern aus.⁹⁹ Die Schuld sahen sie bei Koppe. Der Theologe genoss gesellschaftlich hohes Ansehen. Persönliche Bitten wie jene von Karl August von Hardenberg-Reventlow, der um die Betreuung seines jüngsten Bruders bat, veranschaulichen, dass der Vorsitzende zum Aushängeschild der Loge wurde, dessen Ansehen selbst das der anderen angesehenen und einflussreichen Mitglieder in den Schatten stellte. Die Mitglieder des vierten Grads empfanden sich selbst durch diese Entwicklung wohl zunehmend marginalisiert. Der Gewinn an Sozialkapital ließ sich kaum genießen, wenn dem einzelnen
Vgl. Kap. 6. und 8.4. Vgl. Kap. 8.4.
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schmerzlich bewusst wurde, dass sein eigenes Ansehen für die weitere Entwicklung der Loge kaum noch ins Gewicht fiel. Da half es auch nicht, dass Ende 1782 mit Feder und Spittler zwei Vertraute Koppes Mitglieder der Loge wurden. Das enge Vertrauensverhältnis zwischen den drei Professoren muss schon vor ihrem Beitritt bekannt gewesen sein: Somit war klar, dass die Neuaufgenommenen den Einfluss des Vorsitzenden stützen würden. Ein Einspruch gegen die Aufnahme Feders und Spittlers hätte nicht nur einen erheblichen Ansehensverlust für die Loge als Ganzes bedeutet, sondern zum offenen Konflikt zwischen Koppe und Teilen der Schottischen Meister geführt. Als sich Mitglieder des vierten Grads beim hannoverschen Ordenskapitel über Koppes Amtsführung beschwerten, wurde ihnen anscheinend keine Beachtung geschenkt. Trotz ihrer Machtfülle schafften die unzufriedenen Brüder um Willich und Richter es nicht, sich gegen den populären Vorsitzenden zu behaupten. Spittler gelang dies nicht mehr. Der ebenfalls im Illuminatenorden aktive Historiker war jünger, bei Amtsantritt nicht einmal zwei Jahre Freimaurer und – wie Feder auch – kein Mitglied des vierten Grads.¹⁰⁰ Mit Koppes Abgang verlor das „Triumvirat“ somit seinen einzigen Zugang zu den Versammlungen der Schottischen Meister und den Großteil an Ansehen und Einfluss. Als Spittler – wie von Koppe beabsichtigt – weiter zahlreiche Studenten rezipierte, ließen die Kritiker es zum Eklat kommen. Besonders im Ausspruch Willichs, dass, wenn zahlreiche der zuletzt aufgenommenen Brüder die Loge verlassen würden, wieder „brüderliche Eintracht und Freundschaft“ einkehren würden, zeigt, wie gespalten die Loge war, als Koppe sie verließ.¹⁰¹ Es sollte Jahre dauern, bis der Konflikt beigelegt war. Prestigeträchtige Unternehmungen und Rezeptionen, wie sie Koppe gelungen waren, fanden in den späteren Jahren nicht mehr statt. Der Tod des ehemaligen Vorsitzenden wurde in den Protokollen nicht einmal mehr vermerkt.
Nach dem Edikt von 1793 Was bleibt 225 Jahre nach Auflösung der beiden Logen Augusta zu den 3 Flammen und Zum goldenen Zirkel von der Göttinger Freimaurerei des 18. Jahrhunderts? Die vielleicht augenfälligste Beobachtung dürfte sein, dass die Augusta als die „politische“ der beiden Logen gelten muss. Diese Beobachtung leitet sich nicht so sehr aus der – seltenen – Verlesung politischer Schriften oder der Unterstützung
Vgl. Kap. 5. und 8.4. Vgl. Schreiben Willichs, Richters und Ruhlenders an das Ordenskapitel, 10. November 1785, Korrespondenzen, Dok. 15.
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radikalaufklärerischer Zeitgenossen ab.¹⁰² Nur in der Augusta, so erscheint es jedenfalls anhand der Protokolle, gab es einen Kurs, auf den sich zahlreiche Entscheidungen zurückführen lassen. Johann Benjamin Koppe verfolgte nach seiner Amtsübernahme eine klare „Logenpolitik“, indem er die Zusammenkünfte als Ort der charakterlichen Bildung ansah, wo junge Männer – und hier wird der Einfluss des Illuminatenordens wichtig – im Sinn der Aufklärung geformt werden sollten. Zwar wurde dieses Ziel nicht von allen Mitgliedern geteilt – ein Konflikt zwischen den Anhängern des pädagogischen und des prestigefokussierten Konzepts war letztlich wohl unvermeidlich –, doch der Meister vom Stuhl setzte zwischen 1779 und 1784 ganz eindeutig seine Agenda durch und bestimmte die Entwicklung der Gemeinschaft. Im Goldenen Zirkel fehlen Hinweise auf ein Konzept, anhand dessen das Verhalten der Loge bestimmt worden wäre, völlig. Man scheint eher reagiert denn agiert zu haben, Hinweise auf durch die Logenoberen verfolgte Konzepte werden nicht sichtbar. Es bleibt unklar, für welche Inhalte die Vorsitzenden Behm und Jäger überhaupt standen. Die Versammlung trat zusammen, nahm neue Mitglieder auf, vollzog Weiterführungen, begrüßte Besucher, pflegte die Korrespondenz, tafelte und ging wieder auseinander. Scheinbar beschränkte man sich auf die geselligen Zusammenkünfte. Überhaupt finden sich in den Protokollen zu den meisten Aspekten die eindrücklichsten Beispiele in den Unterlagen der Augusta: Die Aufnahme ohne vorherige Überprüfung des Charakters, gebührenfreie Rezeption und Weiterführung, schmeichelhafte Anreden adeliger Besucher, die Einführung der Ballotage, der Aufbau eines Krankenhauses, der Briefwechsel mit Herzog Ferdinand oder die Streitigkeiten um den „Fall Spittler“. Die Augusta erscheint, trotz des höheren Durchschnittsalters ihrer Mitglieder, als die lebendigere Loge und der aktivere Umschlagsplatz für Sozialkapital. So bleibt festzuhalten, dass die Logen – bei allem Streben nach brüderlicher Einheit – in ihren Strukturen, Zielen und Verfahren unterschiedlich waren, weil jede von ihnen durch ihre Mitglieder und den Charakter der Logenoberen geprägt war. Unterschiedliche und unterschiedlich starke Einflüsse von außen taten ein Übriges. Hinzu kommt, dass die Ideale, denen sich alle – vom Lehrling bis zum Meister vom Stuhl – verpflichtet fühlten, nicht eindeutig definiert waren; schließlich fällt die hohe Zeit der Logen mit den Konflikten und Umwälzungen zusammen, welche die Erosion des Ständestaats prägten. Die Kleinstadt Göttingen blieb davon nicht nur nicht verschont, sie lag in mancher Hinsicht an einem Brennpunkt dieser Entwicklung: Vieles, was an-
Vgl. Kap. 7. und 8.
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dernorts verdeckt blieb, trat hier mit größerer Schärfe hervor, denn der Motor der Neuerungen – die Universität – wurde in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts geradezu implantiert und hatte mit ihren Studenten und ihrem Personal lange Zeit nach innen mit sich selbst zu tun und musste sich nach außen, im städtischen Umfeld, erst noch etablieren und arrangieren.
Anhang
Abkürzungsverzeichnis – Schlüssel zur freimaurerischen Schriftführung ᛭ 8br a. p. Adep. Asp./Adsp. Aug. Bbr./Brbr./Br.Br. bes. Br. Br. Bsp. C. G. Cassen M. Catech: cath. Cm. bzw. C. Meister d Dec. dep./deput. Dr. durchl. erw./ehrw. ev./eva./evangl. ext. Fändr. Fr. Mr. geb. Ges. glückl. Gr. Mstr. H./Hr. H.W. Hrzg. Inf. ksl. Lehr./Lehrl. Lieut. luth. M_y Mr. Mstr. N.N. O.
= (Ordens)kapitel (Strikte Observanz) = Oktober = annum priori = Adept(en) = Aspirant(en) = Augusta = Brüder = Besuchender Bruder = Bruder = Beispiel(e) = Courant Geld = Cassen Münze = Katechismus = katholisch = Zeremonienmeister = der, die, das = Dezember = deputierte = Doktor = durchlaucht(igst) = ehrwürdig(er) = evangelisch = extraordinär = Fähnrich = Frei Maurer = geboren = Geselle(n) = glücklich = Groß Meister = Herr = Hoch Würdig(e) = Herzog = Infanterie = kaiserlich = Lehrling(e) = Leutnant = lutherisch = Maurerei = (Frei)maurer = Meister = Platzhalter für Vor- und Nachname = Orden
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P./Pf. Pist. Pr. Prof. Recep. Gelder recip. Reg./Regts. Rt. S. E.W. schott. Sec. Sen. sgehrt. St. Stud. u./u v. Ver./Vers. Vor./Vorst. vorzügl. w. Br. würd. Xbr z/z.
Abkürzungsverzeichnis – Schlüssel zur freimaurerischen Schriftführung
= Pfennig = Pistole (Geldeinheit) = Professor = Profan(er) = Rezeptionsgebühren = rezipieren = Regiment = Reichstaler = Sehr ehrwürdiger = schottisch(en) = Sekretär = Senior = sehr geehrter/n = Stuhl = Studiosus (Student) = und = von/vom = Versammlung = Vorsteher = vorzüglich = würdiger Bruder = würdig(er) = Dezember = zu, zum
m und n wurden in den Transkriptionen zu mm bzw. nn aufgelöst. Die in der freimaurerischen Protokollführung übliche Verwendung von □ bzw. für „Loge“ bzw. „Logen“ wurde bei Transkription der Protokolle aufgelöst.
als Symbole
Quellen- und Literaturverzeichnis Archivalische Quellen Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz Berlin Konstitutionsurkunde der Loge „Zum goldenen Zirkel“ in Göttingen vom 30. November 1774 (GStA PK, Freimaurerlogen und freimaurerähnliche Vereinigungen, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 1) Gründung und erste Tätigkeit der Loge „Zum goldenen Zirkel“ (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 2) Streitigkeiten der Loge „Augusta zu den 3 Flammen“ in Göttingen (Strikte Observanz) mit der Präfektur Calenberg (Hannover) (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 9) Verzeichnis von Mitgliedern, die die Loge „Zum goldenen Zirkel“ in Göttingen und auch fremde Logen gedeckt haben oder ausgeschlossen wurden (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 18) Mitgliederverzeichnis der Loge „Le Compas d’or“ oder „Der goldenen Zirkel“ in Göttingen von der Stiftung am dritten Februar 1775 an (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 19) Nachweis über vorläufig ausgeschlossene Mitglieder der Loge „Zum goldenen Zirkel“ in Göttingen und anderer Logen (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 20) Mitgliederverzeichnisse der Loge „Augusta zu den 3 Flammen“ (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 21) Mitgliederverzeichnisse um 1800 (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 22) Protokollbuch I-III der Loge „Zum goldenen Zirkel“ in Göttingen (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 81) Protokollbuch I der Loge „Zum goldenen Zirkel“ in Göttingen (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 82) Protokollbuch II und III der Loge „Zum goldenen Zirkel“ in Göttingen (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 83) Protokolle der Lehrlings- und Konferenzlogen der alten Göttinger Loge „Augusta zu den 3 Flammen“ (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 84) Protokollbuch II der Loge „Auguste zu den 3 Flammen“ (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 85) Protokollbuch IV der Loge „Augusta zu den 3 Flammen“ (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 86) Protokolle (GStA PK, FM, 5.2. G 31 JL. „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen, Nr. 87) Schwedenkiste, 1. Band: Fürstenbriefe 1776 – 1778 (GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 100) Schwedenkiste, 2. Band: Briefe an Herzog Ernst II von Sachsen Gotha und Altenburg GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 101)
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Quellen- und Literaturverzeichnis
Schwedenkiste, 4. Band: Briefe an Bode (GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 103) Schwedenkiste, 8. Band: Rituale (GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 107) Schwedenkiste, 12. Band: Quibus Licet T-Z und Reprochen (GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 110) Schwedenkiste, 14. Band: Reden und Gedichte, 1775 – 1787 (GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 112) Schwedenkiste, 15. Band: Protokolle und Berichte (GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 113) Schwedenkiste, 17. Band: Listen, Händel und Gerichte (GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 115) Schwedenkiste, 18. Band: Ordenskorrespondenz und Rechnungen (GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 116) Schwedenkiste, 19. Band: Rituelles und Vermischtes (GStA PK, FM, 5.2. G 39 JL. „Ernst zum Kompaß“, Gotha, Nr. 117)
Zentrum zur Aufbewahrung historisch-dokumentarischer Sammlungen, Moskau (Российский государственный военный архив (РГВА)) Schwedenkiste, 10. Band: Reverse, Lebensläufe und Tabellen
Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen Johannisloge „Augusta zum goldenen Zirkel Göttingen“ Archiv, Göttingen 1935 (4_Cod_Ms_hist_lit_223_f)
Im Besitz der Loge „Augusta zum goldenen Zirkel“, Göttingen Protokollbuch der Meisterlogen der Loge „Augusta zu den 3 Flammen“, 1779 – 1790
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Die Mitglieder der „Augusta“ (nach H. Gläshner, editiert. 586, inkl. der dienenden Brüder und mutmaßlichen Besucher)
https://doi.org/10.1515/9783110621723-012
Amtsschreiber in Herzberg
War Stud. Med.
Balck
Stud. Theol.
Bartels, Johann Heinrich
Hamburg
Amtsschreiber in Catlenburg – nach Pro- Bremervörde . . tokoll in II v. . . in Münden wohn- haft
Coburg
Lüneburg
Hannover
Banse (oder Bansen), Johann Ludolph
Bannemann, Tho- Von Candidatus Juris. Auf Reisen mas
Stallmeister in Göttingen
Ayrer, Johann Henrich
Arnhold
Herkunft und Geburtsdatum
War Regierungsassessor in Hildes- heim
Beruf
Arnemann, Justus Dr. med in Göttingen, Professor in Göttingen
Arenhold (Arenholt), Adolf Johann Gustav
Althof
Albrecht, Carl
Albanns
Name
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . .
I. . . II. . .
War . im I. Grad
War im IV. Grad
I.
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
531
War Dr. Juris
Dr. med. in Göttingen
Behrmann, Johann
Berendt (Behrend), Nathanael
Organist in der Universitätskirche Göttingen
War Advokat in Hannover
Bernhard
Biester, Johann Adolph Hiob
Berensbach
Hoya
Professor in Göttingen, Hofrat
Beckmann, Johann
Danzig
Hamburg
Aus Curland
Herkunft und Geburtsdatum
Stud. Theol
Beruf
Beckmann
Becker
Basler
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Konf.
I. . .
. . auf einer Reise nach Magdeburg aufgenommen
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . . II. . . III. . .
Aufgenommen vor Gründung der Loge, in Leiden in der Loge L’ Age d’Or in die höheren Grade aufgenommen
III. . . Auf Verlangen der Halleschen Loge aufgenommen
III. . .
Rezeptionen
532 Die Mitglieder der „Augusta“
Böhme, Franz Stud. Jur. Heinrich Reinhard
Hannover . . Luth.
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
Amtmann, war hannoverscher Justiz Amtmann in Adelebsen
Bodecker, Joh. Fried. Bernhard
Luth.
I. . .
Fähndrich
I. . .
Bodecker jun. L
Kopenhagen . .
II. . .
Stud. Cam.
Luth.
I. . . II. .. III. . .
Bodecker
Bluhme, Johann Barthold
Block
Weimar . .
Luth.
I. . . II. . .
Gräfl. Werningerodischer Sekretär, auch als Sekretär d. Geh. Rat von Hardenberg
Stuttgart
Rezeptionen
Bischoff, Joh. Nicolaus
Stud. Jur.
Bilfinger, Wenzel
Konf.
I. . .
Aus Schweden
Bildt
Herkunft und Geburtsdatum
Binder
Beruf
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
533
Amtmann in Nörten
Kaufmann
Auditor in Göttingen, war später Amtmann in Northeim
Borckenstein, Levin Heinrich Leopold
Bornemann, jun., Joh. Günther
Böse, Johann Philipp
Göttingen . . Luth.
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I.. . II. . .
I.. . II. . . III. . . IV. . .
I. . .
Goslar . .
Borchers
I. . . II. . . III. . . IV. . .
. . in die Gö. Loge Friedrich aufgenommen
I. . . II. . . III. . .
Luth.
Luth.
Rezeptionen
Boie (Boje), Hein- War Hofmeister von einem Englän- Meldorp . . Luth. rich Christian der in Göttingen, später Stabs-Sekretair in Hannover
Dr. med.
Böhmer, Franz Wilhelm
Halle (Saale) . .
Konf.
I. . .
Dr. Geh. Justizrath, Prof. Juris a. d. Uni. Gö. –
Böhmer sen., Georg Ludwig
Herkunft und Geburtsdatum
Bohn
Beruf
Name
Fortsetzung
534 Die Mitglieder der „Augusta“
Brown
aus England
Bröckel (Broekel), War Dr. Juris und Professor in Kiel Dietrich Georg
Bröcking
Mannheim . .
Brentano, Stephan
War Licentiatus juris auf Reisen
Amtmann in Polle
Brauns
Hildesheim . .
Brennemann, Thomas
Stud. Jur., Doctorand
Brandis, Johann Friedrich
Rüdigershagen in Hannover . .
Aus dem Bückeburgischen
Bauconduckteur in Herzberg a. H.
Bötticher (Böttiger), Friedrich Wilhelm
Herkunft und Geburtsdatum
Bremer, Johann Conrad
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Kathol.
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . .
War im I. Grad
Im Archiv ist ein Logenausweis der Loge zum weissen Pferde in Hannover v. . . , der bezeugt, dass er dort aufgenommen und bis zum . Grad befördert wurde
I. . .
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
535
Stud.
Amtsschreiber in Celle
Burmester
Bütemeister
Chappüzeau (der ältere), Wilhelm Johann Friedrich
Cassius
Callin
Stud. Jur.
Hauptmann , Hofmeister bei dem hier studierenden Graf v. Brenner
Bürdelle, Johann Mathias
Bütner
Professor der Philosophie in Göttingen
Buhle, Johann Gottlieb
Hannover . .
Hamburg
Freiburg
Braunschweig . .
War Advocat in Oldenburg
Brünings, Carl Wilhelm
Herkunft und Geburtsdatum Celle
Beruf
Brüggemann, Be- Stud. Jur. nedict Georg Friedrich (August)
Name
Fortsetzung
Kath.
Ref.
Luth.
Konf.
I. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
Rezeptionen
536 Die Mitglieder der „Augusta“
Goslar
Barsinghausen . . Gest. . .
Amtsauditor in Weende, Amtsschreiber, später Amtmann in Salzderhalden
War Kammer Auditor in Hannover (lt. Kassenabrechnung /), später bis Hofrat, Besitzer von Döhren und Rieda bei Verden
Churhannov. Gerichtsschulze in Göttingen
Clemens, Joh. Christoph Heinrich
Cleve, Carl Heinrich Ahrenhold
Cleve, Richard Joh. Friedr.
Compe, Heinrich Carl Bernhard
Braunschweig . . Gest. . . in Verden an der Aller
Clauder, sen., Carl Studiosus juris Göttingen Johann Heinrich
Luth. Luth.
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
I. . .
War Stud. Jur. in Göttingen
I. . .
Rezeptionen
Clauder, jun., Friedrich Wilhelm
Hannover . .
Konf.
I. . . II. . . III. . .
Stud. Theol.
Chappüzeau (der jüngere), Georg Eberhard Anton
Herkunft und Geburtsdatum
Christlieb
Beruf
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
537
Beruf
Stud. Jur.
Stud. Jur.
Professor in Göttingen, und Bibliothekarius
Stud. Med.
Diede, Philip Wilhelm
Diercksen, Carl Wilhelm
Dieze (Dietz), Johann Andreas
Donner, Johann Siegmund
Dengel
De Lonvai (oder Lonney)
Dauter, Nathanael Dr. med.
Dammers
Cunon
Cuhn
Corthenius
Cornides
Name
Fortsetzung
Luth.
Ref.
Ref.
Luth.
Konf.
Edimburg in Ungarn, Luth. . .
Danzig . .
Cassel
Danzig
Herkunft und Geburtsdatum
I. . . II. . .
IV. war er
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
Rezeptionen
538 Die Mitglieder der „Augusta“
Stud. Cam.
Döring
Erb, Joh. Ludwig
Emperius
Eisendecker, Joh. Christoph Wilh.
Eichhorn
Ehrmann
War Hofmeister
Pastor in Parensen
Hannover
Aus Holstein
Eggers
Ehladin
Luth.
Luth.
Konf.
Ref.
Luth.
Münster, März Kath.
München
Stud.
Stud. Med.
Mitau, . .
Danzig
Herkunft und Geburtsdatum
Eckhardt (Eckard)
Dyrsen
Drussel, Franz
Drake
Dörper, Christoph War cöllnischer Legationssekretär Luther Secretair
Beruf
Name
Fortsetzung
I. . .
I. . .
II. . . III. . .
II. . . III. . .
II. . . III. . .
I. . .
III. . . War im IV. Gr.
I. . .
III. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
539
Kaufmann
Dr. jur., Professor in Marburg
Erichhausen
Erxleben, Joh. Heinr. Christian
Quedlinburg, . .
Holzminden
Herkunft und Geburtsdatum
Hamburg
Fiorillo, Johann Dominik
Hamburg . .
Aus dem Hessischen
Aufseher der Sammlungen, Kunsthistoriker, seit in Gö.
Stud. Jur.
Fink
Feuerstein
Feuerbach
Feil, Georg Heinrich
Feder, Johann Ge- Hofrat, seit als Prof. der Philosophie Schornweissach in org Heinrich in Gö. Bayern
Falck, Friedrich War Kanzleiassessor in Hannover, Ernst Hektor (auch später Consistorial-Rath in Hannover, Falcke) auch Bürgermeister in Hannover
Faber
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
III. . . auf Wunsch der Mutterloge in HH
I. . .
I. . . II. . . III.. . IV. . .
I. . . II. . . III. . .
II. . . III.. .
Rezeptionen
540 Die Mitglieder der „Augusta“
Lieut. im Drag. Reg. Von Estorff
Stud. Med.
Bibliotheks Secretair in Göttingen
Stud. Jur.
Auditor, dann Amtmann bei Wolfenbüttel
Fischer, Joh. Chr. Diedr.
Fischer, Johann Heinrich
Fleischmann, Johann Christian
Floret, Engelbert Joseph
Floto, Heinrich Wilhelm
Friede
Franckenberg
Forster
Formey
Fölger
Obrist Lieutenant
Professor
Dr., . Professor
Fischer
Flugge
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Konf.
Varel (od. Wörll od. Kath. Warle), im Herzogtum Westfalen, Febr.
Meiningen . .
Koburg . .
Winsen an der Aller,
Herkunft und Geburtsdatum
I. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . .
I. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
541
Gervinus, Friedrich
War Candidatus Juris auf Reisen
Aus Leipzig
Geisler
Geisler (od. Geissler)
Leipzig, . .
Stud. Jur.
Gehler, Joh. August Otto
War Rechnungs Probator bei der Hessischen Bergstube in Kassel
Fulda, Dietrich Heinrich
Büllinckhausen in Waldeck, . .
Funck, Carl Friedr. War gräfl. Lippischer Canzley Rath und Amtmann in Lippe Albertissen
Gerichtsverwalter und Schatzeinnehmer in Waake, später in Harste
Führing, August
Fromann
War Hofmeister bei dem Herrn Bür- germeister von Wiedam in Riga
Friedemann, Joh. Gottlieb
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
Ref.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . .
II. . . III. . . Auf Requisition der Loge in Leipzig
I. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
III. war im . Grad
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Rezeptionen
542 Die Mitglieder der „Augusta“
Graf von Bassegli
Graf Colonna
Gotter, Johann Friedrich Wilhelm
War Geh. Canzley Secretaire in Go- tha
Goppel, Frantz Di- War Candidatus Juris in Stolberg entrich Zedern
Kaufmann in Duderstadt
Gödecke, Johann Ferdinand
Duderstadt, . .
Bibliotheks Sekretair in Göttingen, später Heilbronn nach Rector in Heilbronn
Glandorff, Eberhard Gottlieb
Herkunft und Geburtsdatum
Stud. Med., Geh. Hofrat, Dr. in Gö. St. Gallen
Beruf
Girtanner, Christoph
Girard
Giesecke, Joh. Aug. Steph.
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
II. war im . Grad
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
543
Aus Ungarn
Gudary
Hagemann, Chris- War Candidatus Juris in Göttingen tian Ludwig
Hacke
Hase (Haase), Au- Hofrat in Stolbergschen Diensten, als Eltze, . . gust Wilhelm Hofmeister des hier studierenden Fürsten von Stollberg
Tuellum in Curland, . .
Groschke, Johann Cand. Med. Gottlieb
Gröning
Greve, Samuel
Luth.
Luth.
Luth.
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Braunschweig
Gravenhorst, Joh. Wilh. Christoph
Rezeptionen
I. . . II. . . III. . .
Konf.
Grantoff
Herkunft und Geburtsdatum I. II. . . III. . .
Beruf
Graf von Degenfels (Degenfeld)
Name
Fortsetzung
544 Die Mitglieder der „Augusta“
Stud. Jur.
Bedienter, Gefreiter im Rgt. des GenralLieut. von Scheither?
Pächter des früheren Wackerschen Gartens
Hasselberg, Gabriel Peter
Hasselbrinck, Ludwig
Haussmann
Haussmann, Ernst Stud. Jur. Friedrich
Kaufmann
Harbort
Hanck
Haller von Haller- Stud. stein, Samuel Carl Christoph
Braunschweig, . .
Hameln, . .
Greifswald, . .
Hamburg
Nürnberg,
Stralsund, . .
Stud. Jur.
Hagemeister, Ludwig Ernst
Herkunft und Geburtsdatum Im Blankenburgischen . .
Beruf
Hagemann, Theo- Dr. jur., ging dann nach Celle, Prodor fessor
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . .
III. . .
I. . . II. . . III. . . Dienender Bruder
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . . Auf Verlangen der Nürnberger Loge
I. . .
I. . . II. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
545
Magister, Prof. Historiker gest. . . Arbergen bei Brein Göttingen men, . .
Lieutenant
Heeren, Arnold Hermann Ludwig
Heinecke
Ref.
Konf.
Hilmer
Hildebrand
Heun
Henze, Johann Carl Gottlieb
Henderichs
Heisch
Heinichen
Dr. med.
Lieut. in Einbeck, Hauptmann
Luth.
Heineken, Johann Stud. Med., Dr. med. ab , Arzt, Prof. Bremen . . Ref. der Anatomie u. Experimentalphysik, + . . Stadtsyndikus in Bremen
, Göttingen
Friseur und Perückenmeister
Heberling, Joh. Georg
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
War im II. Grad III. . . IV. . .
I. . . II. . . später in der Loge „Zum Ölzweig“
III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . Dienender Bruder
Rezeptionen
546 Die Mitglieder der „Augusta“
Amtmann in Jühnde
Amtmann in Rotenkirchen
Hüpeden jun., Johann Heinrich
Hüpeden, sen., Ludwig Anton
Icke
Aus Bremen?
Hüpeden
Luth.
Luth.
Danzig, . . Luth.
Hufeland, Gottlieb Stud. Jur.
Luth.
Langensalza, . .
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
Hufeland, Christof Cand. Med., später Prof. d. Medizin Wilhelm
Stud. Theol.
Hamburg
/ –
Hudtwalcker
Hofmeister des Herrn von Schilling
Hoffmann, Karl Andreas
Lilienthal, . .
Stud. Jur. Amtsauditor in Stade, dann Consistorial-Sekretair in Stade
Hintze, Georg Hermann Ernst
Herkunft und Geburtsdatum
Hofmann, Christi- War Candidatus Theologiae in Nean Casius dern
Beruf
Name
Fortsetzung
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . .
War im I. Grad
I. . . II. . . auf Requisition der Berliner Loge
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
547
Rezeptionen
Just, Wilhelm August
Jungblut
Jordt
Jordan
Kath.
Luth.
Luth.
Ottersberg im BreLuth. mischen . .
War Hof Gerichts Assessor in Dres- den
Stud. Jur.
Jänisch, Johann Joachim
Jensen
Stud. Jur.
Jäger, Daniel
Jagemann, Micha- Dr. med und Land-Physikus in Duderstadt el August
Jacobi
I. . .
I. . . II. . . III. . .
II. . . III. . . Auf Requisition der Hamburger Loge
I. . .
I. . . II. . . III. . .
War im IV. Grad
War Hessen Casselscher Reg. Rath , später Meister Ref. in Cassel vom Stuhl in Cassel
Konf.
Ihring, Dietrich Christoph
Herkunft und Geburtsdatum Dienender Bruder
Beruf
Idahl
Name
Fortsetzung
548 Die Mitglieder der „Augusta“
Königl. Stabs Chirurgus
Amtsschreiber in Harste
Klint
Koch
I.. . II. . .
I. . .
Luth.
Klingsöhr, Johann Fähndrich im . Han. Ostindischen ReGeorg Heinrich giment, jetzt in Hameln
Parensen bei Hannover . .
I. . .
I. . .
Klenz, Gotthilf Friedr. Clemens
Kirchner
Luth.
Kirchbach (Kirbach), Franz Carl
Candidatus Juris in Preuss. Minden
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
Nerva in Kurland, . .
Luth.
Konf.
Kiölberg (auch Ki- Stud. Jur. öhlbergh), Johann Christoph
Herkunft und Geburtsdatum
I. . .
Kaufmann in Strassburg
Beruf
Kiedt
Kels
Kellner, Heinrich Christian (auch Keller)
Kaempfer
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
549
Stud. Med.
Köhler, Georg Ludewig
Hofmeister
Professor in Göttingen, Pastor der reform Gemeinde in Göttingen Grade I.-III. in der Loge „Zum weissen Pferde“
Kulenkamp (auch Kuhlenkamp), Joh. Friedrich
Quedlinburg, . .
Kuhn
Krause, Joh. Repetent der theol. Fakultät Christian Heinrich
Hannover, . .
Körber, Justus
Stud. Jur.
Reval
Körber
Danzig, geb. . . , gest.
Ref.
Luth.
Luth.
Professor der Theologie in Göttingen
Koppe, Johann Benjamin
Luth.
Konf.
Stud. Jur., dann Dr. jur. Advokat in Bremen Döhrum bei Bremen, Ref. . .
Göttingen
Herkunft und Geburtsdatum
Könen (Köhnen), Carl Johann Wilhelm
Koken
Beruf
Name
Fortsetzung
I. . . II. . . III. . . IV. . .
II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . . IV. Grad anwesend
I. . .
I. . .
Rezeptionen
550 Die Mitglieder der „Augusta“
Herkunft und Geburtsdatum
Strassburg
Dr. der Rechte
Stud. Med.
Dr. phil. und Ingenieur an der Saline
Lauth, Joh. Friedrich
Le Bruin, Haie
Lentin, August Gottfried Ludwig
Denneberg, . . Am . . nach Osnabrück abgegangen
Ostfriesland . .
Göttingen . .
Lauer, Joh. Friedr. Cand. math. und Privatlehrer Benjamin
Danzig
Lanckau, Georg Alexander
Stud. Jur.
Bremen . .
Dr., war Licentiatus Juris in Hamburg
Beruf
Lampe, Heinrich
Lambrecht, Johann Heinrich
Kyber
Kurz
Name
Fortsetzung
Ref.
Luth.
Luth.
Ref.
Luth.
Konf.
Gestrichen wegen nicht erfüllter Verbindlichkeiten
I. . .
I. . . II. . .
I. . .
. .
. .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
551
Lüdemann
I. . .
Lowth (oder Lauth)
Licentiat
II.
I. . . II. . . III.. .
Loss, sen.
luth
War im . Grad
I. . .
II. . .
War Dr. med. in Gö. evtl. Professor
Lohr/Loder, Joh. Friedr.
Luth.
Ref.
Loss, jun.
Studiosus Juris Göttingen
Arnstein in Hessen
Loch
Link, Anton Fried- Stud. Jur. rich
Linde
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
Linck
Hamburg, . . Luth.
Konf.
Dienender Bruder
Stud. Jur.
Lienau, Hermann Johann
Herkunft und Geburtsdatum
Limbrecht, Joh. Günther
Beruf
Name
Fortsetzung
552 Die Mitglieder der „Augusta“
Amtsschreiber in Göttingen
Lüder, Carl Wilhelm
Stud. Chemie
Universitäts Prediger
Manthey
Marezoll, Johann Gottlob
Plauen, . .
Glückstadt, . .
Kopenhagen, . .
Stud. Cam.
Manditz, Jacob
Aus Curland
Karlsruhe, etwa
War Hofmeister bey Br. von Nolde Göttingen.
Herzberg am Harz, . .
Herkunft und Geburtsdatum
Macklot, Georg Ludw Friedrich Sam.
Mackenthun
Mackebrang, Jacob
Luttringhausen
Ludewig, Friedrich War Amtsauditor in Haarburg Lorenz
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
War im . Grad
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
553
Domherr von Hamburg
Stud. Jur.
Meier
Meier, Heinr. Rudolph
Mercan
Mejer, Christ. Died.
Meissner
Meinhard
Totz in SchwedischPommern, . .
Stud. Jur., Doktorand, Hofmeister des Herrn von Pilow
Mehl, August
Hattem bei Oldenburg,
Luth.
Matthieu, HeinWar Mahler in Göttingen rich Friedrich Leopold
I. . .
I. . .
I. . . II. . .
War im . Grad
I. . . II. . .
Ref.
Rezeptionen
Martin, Christoph Advokat und Notar in Göttingen, Dr. Bovenden bei GötReinhard Dietrich jur. Gö. tingen . .
Konf. I. . .
Cand. Med.
Markwart, Joachim Dietrich
Herkunft und Geburtsdatum Neustadt in Mecklenburg-Schwerin, . .
Beruf
Name
Fortsetzung
554 Die Mitglieder der „Augusta“
Geheim Rath
Syndicus in Göttingen
Kaufmann, in Frankfurt am Main
Prof. Medicine in Göttingen
Cand. Juris zu Northeim
Messerer
Meyenberg, Christian
Meyer, Friedrich Erich.
Meyer, Georg Anton
Meyer, Georg Heinrich
Moll, Joh. Wilhelm Stud. Med.
Moldenhauer
Mielart
Michaelis, Christian Friedrich
Professor der Theologie zu Kiel
Lieutnant im Rat v. General Mayor v. Estorff in Northeim
Mertens, Philip
Meywerth
Beruf
Name
Fortsetzung
Köln
Göttingen,
Herkunft und Geburtsdatum
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . . III. . .
III. . . auf Requisition der Kieler Loge
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . .
War im IV. Grad
IV. . .
II. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
555
Hannover
Stud.
War Doctor Juris und Legens in Göttingen
Münter, Georg Henrich
Musaeus, Joh. Daniel Heinrich
Koppenhagen
Münter
Luth.
Luth.
Schaffhausen Ref. (Schweiz), . .
Stud. theol.
Ref.
Müller, Johann Georg
Rinteln Heidelberg
Prediger in Banteln
Ref.
Luth.
Konf.
Müller, Johann Conrad
Müller, Friedrich August
Mühlenpford
Riga, . .
Muethelff, Johann Stud. Cam. Ludewig
Bonn
Stud. Jur.
Motz, Johann Her- War Dänischer Capitain und Adjumann dant bey Prinz Carl in Dänemark
Mostiaux
Mosdorff
War Auditor und Regiments Quarti- ermeister in Preussen bei Embden
Möller, Dietrich Arnold
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
I. . . II. . .
I. . .
I. . .
I. II. . .
I. . .
III. . .
I. . .
Rezeptionen
556 Die Mitglieder der „Augusta“
Stud. Jur.
Niemann, Conrad Ludolph Wilhelm
Professor
Olivarius
Oom
Dr. med, Arzt und berühmter Astronom
Olbers, Heinrich Wilhelm Mathias
Nolting
Nissen
Nieper
Niemeyer
War Hofmeister bei dem H. v. Ucht- ritz aus Gotha, später Prof. Dr. jur.
Neyron, Peter Joseph
Arbergen bei Bremen, . .
Hannover, . .
Bederkesa im Herzogth. Bremen,
Fähnrich im Regt. Sachsen-Gotha in Northeim, Lieutenant in Göttingen
Nanne, Wilhelm Friedrich
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Ref.
Luth.
Konf.
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . . II. . . III. . .
III. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
557
Kaufmann
Collobrator de Pr. Minden
Stud. Jur.
Panse, Georg Heinrich
Panse, sen., Johann Friedrich
Panzer, Johann Georg
Pape, Philip
Advocat in Northeim
Pape (auch PaStud. med. Später Dr., fürstl. Waldeckipen), Georg Fried- scher Leibarzt und Physicus des Gerich sundbrunnens zu Pyrmont
Apotheker in Nörten
Panse jun., Joh. Carl
Göttingen
Fichtelberg in der Oberpfalz, . .
Luth.
Stud.
Ostermeyer
Nörten,
Luth. Dr. med. in Göttingen, wurde Hospitalarzt Krautheim, . . + Juli in Eisenach
Konf.
Osann, Samuel Christian Gotthold
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
IV. . . in der Loge Friedrich zu den Quellen in Pyrmont
Grad bis , in der Loge Jonathan in Braunschweig. IV. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
Rezeptionen
558 Die Mitglieder der „Augusta“
Schichtmeister in Clausthal
Rakvitz, Carl
Stud. theol.
Kapitain im Reg. Pr. Friedrich in Einbeck
Quensel, Carl
Quistgaard
Repetent der Theol., dann Professor auf Nettelrode bei der Univ. Helmstedt, seit in Göttin- Hann., . . gen
Pott, David Julius
Pressburg in Ungarn, . .
Lauterberg, . .
War russischer Obrist Lieut., war damals in hess. Diensten
Aus Epireus,
Pistor, Joh. Jacob
Pierer
Philites, Sylvester Stud. Med. Constantin
Peschan
Penther
Aus Siebenbürgen
Penther
Nienburg, . .
Stud. Jur.
Pape, Wilhelm Ludwig Erhart
Herkunft und Geburtsdatum
Pauli (Pauly), Carl Großbrit. Exercitienmeister in Göttingen
Beruf
Name
Fortsetzung
AugsburgRelig.
Luth.
Luth.
Ref.
Griech. Relig.
Luth.
Konf.
I. . .
I. . .
I. . . II. . .
War im III. Gr.
I. . .
III. . .
I. . .
War im IV. Grad
I. . . II. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
559
War Hofrath in Durlach in Carlsruhe
Rheinhard, Maximilian
Stud. Jur.
Hamburg
Luth.
Luth.
Riedel, Cornelius Joh. Rudolph
Dessau
Hofrat in Göttingen
Richter
I. . . II. . . III. . .
I. . .
IV. . .
Leibmedicus
Richter, August Gottlieb
Aus Sachsen
II. . . III.. . IV. . .
Lieutentant v. Regt. v. Scheither in Hedemünden
Richers, Joachim Nicolaus
Luth.
I. . .
War im I. Grad
II. . . III. . .
I. . .
Dienender Bruder
Rezeptionen
Reinhardt
Luth.
Luth.
Rendsburg,
Professor in Göttingen
Reuss, Jeremias David
Konf.
Luth.
Herkunft und Geburtsdatum
Chur. Han. Amtsschreiber in Elbingerode Elbingerode, . .
Beruf
Reinhard, Friedrich Heinrich
Reil
Ramsahl, J.
Ralffs
Name
Fortsetzung
560 Die Mitglieder der „Augusta“
War Candidatus Juris in Elbingen
Aus Liefland
Riedt, Alexander Jacob
Riesemann
Regiments-Chirurgus
Sander
I. . .
War im . Grad.
War Hof Mstr. bey Baron von Stein in Göttingen
Saltzmann (Salzmann)
Luth.
I. . . II. . .
Rodliebrode in der Luth. Grafschaft Stollberg, . .
I. . . II. . . III.. .
Hofmeister bey der Familie des Hann Reichs Hofrath von Hugo in Göttingen
Luth.
I. . . II. . . III. . . IV. . .
War im . Grad
Rezeptionen
Rupstein, Georg Friedrich
Ev. Luth.
Luth.
Konf.
I. . .
War Canzley Auditor in Hann.
Rühling, Georg Ernst
Petersburg
Herkunft und Geburtsdatum
Rump
Weinhändler in Göttingen
Ruhlender (auch Ruhländer), Johann Hermann
Rosermann
Rosegarten
Robert
Beruf
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
561
War Hütteninspektor zu Königs Hütten im Harz
Amtmann
Schäfer (auch Schäffer), Carl Christian
Scharff
Luth. Kath.
Geb Osnabrück, . .
Kammerdiener des Herrn v. Busche
Stud. jur.
Schild, Heinrich Justus
Schilgen, Albert
Luth.
Luth.
Konf.
Mitau in Curland, . .
aus Ungarn
im Hannoverschen
Cassel, . .
Herkunft und Geburtsdatum
Schiemann, Fried- Stud. Jur. rich Wilhelm
Scheele, Christoph Heinrich
Scharwary
Berghandlungs-Cassierer in Hannover
Bibliotheks-Secretair in Göttingen, Professor in Göttingen
Sartorius, Georg
Scharff, Conrad August
Beruf
Name
Fortsetzung
I. . . II. . . III. . .
War im . Grad Dienender Bruder
I. . .
II. . .
I. . . auf Requisition seiner Mutterloge in Bremen
II. . . auf Requisition der Bremer Loge III. . .
War im . Grad.
I. . .
II. . . III. . .
Rezeptionen
562 Die Mitglieder der „Augusta“
II. . . III. . . Auf Wunsch der Bremer Loge
. .
Schöne sen., Christian Hermann
Stud. Jur. Kand. Jur. in Gö. Dr. jur. in Wetzlar Prof. der Rechte in Bremen Vize-Syndikus Kanzleidirektor
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
Bremen, . . Ref.
Luth.
II. . . auf Requisition der Danziger Loge
I. . .
Schöne jun., Diet- Stud. Jur., hard Dr. jur.
Schöller
War Gräfl. Stollbergscher Reg. Rath in Wien
Schnetter, Friedrich Ernst
Danzig
Stud. jur.
Schnaase, Paul
Schmutz
Luth.
Danzig, . .
Schmidt, Michael Christoph
Stud. Cam.
I. . . II. . .
Rezeptionen
Hainholz,
Luth.
Konf.
Schmid (oder Stud. med. Schmidt), Gerhard Andreas Rudorff
Herkunft und Geburtsdatum
II. . .
Beruf
Schmalz
Schleuszner
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
563
Stud. Jur.
Schwartz
Schwarzkopf
Amtsschreiber
Schuster
Schunther, Caesar Stud. Jur. Ludwig Zacharias
Ref.
Luth.
Konf.
Luth.
Nürnberg, . . Luth.
Bremen
Schumacher
Stud.
Bremen
Schulz (oder Schultze)
Herkunft und Geburtsdatum
Bremen
Postmeister, später Oberpostmeister in Göttingen
Präses des Handelsgerichts Bürgermeister
Beruf
Schroeder, Peter
Schroeder, Johann Friedrich
Schrage
Name
Fortsetzung
II.. . III. . .
II. . . III. . . auf Requisition der Braunschweiger Loge
IV. . .
I. . .
II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
Rezeptionen
564 Die Mitglieder der „Augusta“
Strelitz
Dr.
Seybert
Spittler, Ludwig Timotheus
Soemmering
Hofrat, Prof. d. Philos. in Göttingen
Seyffer (Sayfer od. Professor von Seyffert), M. Carl Felix
Prediger in der Albani Kirche in Gö.
Sextroh (od. Sextro), Heinrich Philip
Seippel, Joh. Phil- Archivrath in Strelitz ipp
Luth.
Luth
Konf.
Stuttgart, . .
Eisfeld, . .
Luth.
Bissendorf bey Os- Luth. nabrück, . .
Seip (auch Seipp) War Cammer Secretair in Hannover Ratzeburg,
Seip (auch Seipp)
War Oberamtmann im Württember- gischen Lauffeld
Seiffert, Joh. Friedrich
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . .
War im IV. Grad
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
565
Dr. med. und Physikus zu Einbeck
Stoffregen, Johann Conrad
Strohmeier
Professor
Stud. Med.
Stoffregen, Conrad Christian
Strahlenheim
War Advocat in Borken in Hessen
Stippius, Johann Heinrich
Luth.
Ref.
Luth.
Luth.
Konf.
Northeim, . . Luth.
Nienburg, . .
Magdeburg, . .
Geb.
Herkunft und Geburtsdatum
Stieghan, Wilhelm Bibliotheks-Secretair in Göttingen
Stender
Stechmann
Stechauer
Stud. med.
War Organist
Stange, Georg Ludwig
Stärcke
Beruf
Name
Fortsetzung
II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . .
Dienender Bruder
Rezeptionen
566 Die Mitglieder der „Augusta“
Tobiessen, Ludolph Hermann
Tekusch
Tauder
Tannenberg
Taberger
Szombathy (auch Szombfthai), Samuel Csset (auch Csete)
Sturzbach, Georg Heinrich
Strube
Stud. theol.
Pr. Lieutenant
Aus Holstein, Sept
Kommor n in Ungarn, . .
Hannover, . .
Leibmedicus in Göttingen
Stromeyer, Christian Friedrich
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Hofgerichts Assessor, Justitzrath und Stromeyer (oder Strohmeyer), Joh. Syndikus in Celle, später Stadt-Secretair Friedrich oder Joh. in Göttingen Andreas
Name
Fortsetzung
Christl.
Ref.
Konf.
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
567
Predigt-Amts-Cand. Hofmeister des Herrn Aus dem Eichsfeldvon Winsingerode, schen später Pastor in Einbeck
Triebel
Stud. theol.
Überson, Johann Christian
Varenius, August
Valentin
Capitain beym churbraunschw. Inf Regt Sachsen Gotha,
Ulrich, Joh. Chris- Postsekretär toph Gottlieb
Uden (oder Uhden)
Horsbyll in Schleswig, . .
Stud. theol., später Prof.
Tychsen, Thomas Christian Danzig
Horn bey Bremen, . .
Tump, Heinrich
War Dr. juris in Leipzig
Trenckmann, Gottlieb Henrich
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Ref.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . .
Dienender Bruder
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . .
Rezeptionen
568 Die Mitglieder der „Augusta“
Stud.
Voigt
Obrist Lieutenant.
Stud. Jur.
Von Adelebsen sen.
Von Arnswaldt, Carl
Von Barthling, Daniel Carl Friedrich
War braunschweigischer Capitain
Von Barckhausen, Stud. jur. genannt von Wiesenhuber, Carl
Von Bar
Lieutenant
Von Adelebsen jun.
Volger
Völckel
Beruf
Name
Fortsetzung
Frankfurt a. M. . .
Hannover
Salzkommendorff
Mitau aus Curland
Herkunft und Geburtsdatum
Luth.
Luth.
Konf.
war im III. Grad
I. . .
I. . .
IV. . .
I. . . ? II. . .
I. II. . .
II. . . auf Requisition der Mitauer Loge
III. . . IV. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
569
War hannoverscher Regierungsrat in Ratzeburg
Jagdjunker
Von Berlepsch, Friedrich Ludwig
Von Birkenfeld
Luth.
Luth.
I. . .
Von Blume, WilStud. Jur. helm Georg Friedrich
Von Bocholz
Von Blumenfeld
II. . .
I. . .
I. . . II. . . III.
I. . .
Von Blum Straßburg . . Luth.
. .
Von Berlepsch, Friedrich Carl Emilius Freiherr
Reval in Estland . .
War im IV Grade
I. . . II. . . III. . .
Stud. Jur.
Reform.
Rezeptionen
Von Berg, Jacob Georg
Konf.
II. . . III. . . Auf Verlangen der Mutterloge
War Iustitz Rath in Kassel
Von Baumbach, Carl
Herkunft und Geburtsdatum
Von Berawiczky
Beruf
Name
Fortsetzung
570 Die Mitglieder der „Augusta“
War Cavalier, jetzo in Breslau
Von Bressler, Gottlieb Wilhelm
War hess. Lieut. in Kassel
Stud.
Von Bülow, August
Von Bülow, August Friedrich
Von Brüning
Boresheim
War Maynzischer Cammerherr in Maynz
Von Breidenbach (oder Bridenbach), Friedrich Carl
Von Böhnen, sen., War Herr von sich in Berge im CelFriedrich Rudolph lischen
Luth.
Luth.
Luth.
Cathol.
I. . . II. . .
I... II. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . .
War im III. Grad
Von Böhnen jun., Wilhelm Giesberth
War Kammerherr in Cöllen
I. . .
Luth.
Rezeptionen
aus Curland
Konf.
Von Bohlschwing War Cavalier, war Herr auf (Bolschwingk), Jo- Grüteken und Wolgand hann Christian Ernst
Herkunft und Geburtsdatum I. . .
Beruf
Von Bode
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
571
War Regierungsrat in Hanau
Von Buttler (auch Buttlar), Georg Friedrich
Von dem Busche, Clamor Dietrich Gerhard Ernst
Osnabrück . .
Luth.
War dän. Rittmeister und Kammerjunker, evlt. selbe Person wie von Osten
Von de Osten, Massow
Cath.
Ref.
Luth.
Konf.
. . Rinteln Luth.
Herkunft und Geburtsdatum
Von Dalwigk, Carl Stud. jur. Friedrich August Philip
Von Dahlberg, Georg Heribert
Von Colon (oder Colomb)
Von Christensen
War oberpfälzischer Kammerherr und Regierungsrat in Mannheim
War gothaischer Reg Rat
Von Bülow, Heinrich Ulrich
Von Carmer
Beruf
Name
Fortsetzung
I. . .
War im . Grad
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
III. . .
IV. . .
War im . Grad
Rezeptionen
572 Die Mitglieder der „Augusta“
Lieutenant im hann. Drag. Reg. v.d. Bussche
Lieutenant im Hannöv. Dragoner Regiment v.d. Bussche
Stud. Jur.
War münsterscher Kammerherr in Münster
Stud. Jur.
Von Dewitz
Von Diwitz
Von Doering, Georg Heinrich
Von Droste, Carl Friedrich
Von Duve, Joh. Fried. Wilh.
Von Engelbrechten, Georg Ludwig Friedrich
Von Eck, Georg Jacob Heinrich
Stud. Jur.
War Stallmeister in Hannover
Von dem Busche, Friedrich August
Von Ebener
Beruf
Name
Fortsetzung
Bissendorf, . .
Sichen in Nassau, . .
Ramelsloh
Hannover . .
Herkunft und Geburtsdatum
Luth.
Cathol.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . .
II. . .
II. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
573
Aus Schwaben
Nürnberg
Von Gendert, Carl Stud. Jur. Ludewig
Niedesheim am Oberrhein,
Von Gemming (od. Stud. Jur. Gemmingen), Ernst
Von Gagern, Baron Friedrich Carl
Stud. Jur.
Kammerrath
Von Floriancourt (de Florencourt), Carl Chassot
Von Föns
Waldegahle/ Kurland, . .
War Cavalier
Preuß. Minden
Von Fircks, Carl Ernst
Stud., Lieutentant des hann. Garde du Corps
Von Finck, Ernst
Stack im Bremischen
War Cornet
Von Essen, Alexander
Herkunft und Geburtsdatum
Von Finck, Peter Christian
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Ref.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . .
I. . . II. . .
War im . Grad
Rezeptionen
574 Die Mitglieder der „Augusta“
War Regierungs Assessor in Hannover
Von Haacke (Hacke), Ernst Frantz
War Cavalier, jetzt in Curland, Erb- Postenden, . . herr von Postenden und Kaliken (Kurland) , Kurland
Von Hahn, Friedrich Carl Philipp
I. . . II. . . III.
III. . .
Preuss. Lieut.
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
Von Hagen
Luth.
Luth.
Luth.
I. . . II. . . III. . . War im IV. Gr.
I. . . II. . .
Rezeptionen
I.. . II. . . III.
Neuwied
Luth.
Luth.
Konf.
Von Hagen
Von Hagen
Capit.
War Garde Capitain in Hannover, jetzt auf Reisen
Von Grothaus(s), Friedrich Wilhelm
Von Hachenberg
In Braunschw. Kammerherr und Landrat, war Cammerherr in Hannover, jetzt auf Reisen
Von Grote (Grothe), Ernst Otto (August Otto)
War Licentiatus Juris in Hamburg
Von Graffen, Friedrich
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
575
War Student in Göttingen
Von Heinberg, Ernst Georg
Von Heinen
Fähnrich in Pr. Minden
Von Hattorf
Stud. Jur.
Von Harlesem
Luth.
Luth.
I. . . II. . .
III. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
Geheimrat, später Staatskanzler und Fürst
Von HardenbergReventlow, Fürst Carl August
Luth.
II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
II. . . III.
Rezeptionen
Capt. in hannov. Diensten
Luth.
Konf.
Von Hardenberg, Georg Ulrich Essenroda, . .
Esquardt
Herkunft und Geburtsdatum
I. . .
Lieutenant, als Capit.
Beruf
Von Hardenberg, August (Drost)
Von Hardenberg jun., Ernst
Von Hardenberg, Friedrich Ludwig
Von Hammerstein
Name
Fortsetzung
576 Die Mitglieder der „Augusta“
Von Lehsten, Carl August Wilhelm
Von Korff, Friedrich Alexander
Von Klein
Von Kemeny (auch Kemmy)
Zellerfeld, . .
Mitau in Curland, . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . .
Von Hugo, Georg Albrecht
I. . .
Rezeptionen
I. . . II. . .
Ref.
Konf.
Von Hugo Hannover
Rotterdam
Herkunft und Geburtsdatum
I. . .
Stud.
Stud. Jur.
Beruf
Von Horn
Von Holzschuher
Von Hogendorf, Wilhelm
Von Hinüber
Von Heyden
Von Helmoldt
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
577
Bonn am Rhein,
Von Marenholz, War Ober Amtsauditor in Grohnde Friedrich Heinrich an der Weser
Kammerjunker in Kopenhagen
Von Mahtiaux (Mastiaux), Max Friedrich
Von Lütze
Von Lüde
War Regierungs Assessor in Kiel
Von Lotzow, Christoph Hardwig
Wien,
Zellerfeld, . .
Herkunft und Geburtsdatum
Stud. Jur.
Beruf
Von Loew, Johann War Cornet bey Ziethens Husaren, Hugo Wilhelm Berlin
Von Lichnowsky
Von Lestwitz
Von Leschen, Carl August Wilhelm
Von Lenardt (Lenart)
Name
Fortsetzung
Luth.
Kath.
Luth.
Luth.
Kath.
Konf.
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I.
Rezeptionen
578 Die Mitglieder der „Augusta“
Aus Curland
War Cavalier in Göttingen
Von Nolde, Joh. Christoph
Frankfurt a. M.
Koppenhagen
Herkunft und Geburtsdatum
, aus Curland
Stud. Med.
Stud. Jur.
Beruf
Von Nolde (Nolte), War Cavalier in Curland Dietrich Casimir
Von Neufville, Mathias Wilhelm
Von Nassau-Saarbrücken, Erbprinz
Von Münchhausen
Von Moltke, Graf. Fritz
Von Mirbach
Von Mengden
Von Melin, Graf
Von Marschalk (auch Marschall)
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Ref.
Luth.
Konf.
War im . Grad.
I. . .
I. . .
I. . .
IV. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
579
Evtl. selbe Person wie von de Osten
Von Osten
Von Prangen
Von Plessen
Von Petersdorff
Königl. Dän. Kammerherr und Ritter vom weissen Bande
Stud. Jur.
Von Pape, Georg Wilhelm August
Von Persch (oder Petsch)
Stud. Mil., Fähnrich im Regiment von Alfeld in hann. Diensten
Von Pape, Friedrich Ludwig Hannover, . .
Hannover, . .
War Capitain in Holland
Von Oldershausen, Ernst Wilhelm
Von Ottinger (oder Oettingen)
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
III. . . IV. . .
I. . . II. . .
Rezeptionen
580 Die Mitglieder der „Augusta“
Reval in Liefland,
Von Rennenkampf, Peter
Luth.
Von Scheele
Von Schad
Lieutenant
I. . . II. Joh.
I. . .
, aus Curland
Von Rummel, Friedrich Christoph
I.
IV. . .
I. . . II. . .
War im IV. Grad
I. . . II. . . III. . . IV. . .
Rezeptionen
I. . . II. . . III. . .
War Stud. in Göttingen
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
Von Rotenhahn
Von Rössing
Tuhren in Kurland, . .
Von Rönne, Gustav Friedrich
War Cavalier in Curland, Erbherr
Von Risch (Riesch) War Cavalier in Wien
Stud. Jur.
Von Reden, Fried- War Candidatus Juris in Göttingen rich Wilhelm
Herkunft und Geburtsdatum –
Beruf
Von Reden, Claus Geh. Kammerrat, Berghauptmann in Friedrich Clausthal
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
581
I. . .
Luth.
Von Schroeder, Stud. Jur. Christian Gottlieb
Danzig, . .
II. . . III. . .
I. . . II. . .
Von Schreeb
Allenshausen im Luth. Schwarzburgischen, . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Stud.
Luth.
Von Schönburg, Graf Karl Heinrich
Von Schlotheim, Ernst Friedrich Der Vater ist wahrscheinlich auch Mtgl. gewesen
Von Schloisnig
Wismar, . .
Referendar beim Hofgericht in Pommern
Von Schlaff, Johann Jacob Carl
Luth.
I. . . II. . .
Reval in Oestland, . . –
Rezeptionen
Stud. jur.
Konf.
Von Schilling, Fabian Wilhelm
Herkunft und Geburtsdatum IV. . .
Beruf
Von Scheither, Jo- General-Lieutenant, Kommandant in Han. hann Heinrich Münden
Name
Fortsetzung
582 Die Mitglieder der „Augusta“
War Fähndrich vom Hann. Rgt. v. Scheither in Münden
Lieut.
Von Schroeder, Johann Christoph
Von Schule
War fürstl. Bernburgscher Geh. Rath und Cammerjunker in Bernburg
War churcölln. Camme Herr in Göt- tingen
Von Sonnenberg, Johann Friedrich
Von Spiegel, Franz Wilhelm
Von Sievers III
Aus dem Holsteinischen
Von Sievers II, jun. Stud. Jur.
Kath.
Luth.
I. . . II. . . III. . .
War im . Grad
III. . . auf Requisition der Loge zu Kiel
III. . . auf Requisition der Loge zu Kiel
Aus dem Holsteinischen
Von Sievers I, sen. Stud. Jur. Luth.
II. . . auf Requisition seiner Mutterloge
I. . . II. Joh. III. . .
War im II Gr III. . .
Rezeptionen
Von Seriver Luth.
Luth.
Konf.
II. . .
Herkunft und Geburtsdatum
Von Seblaky (oder Soblaky)
Von Schweinichen
Von Schulte
Beruf
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
583
Aus Liefland
Aus Liefland
War Student in Göttingen
Von Stackelberg, jun.
Von Stackelberg, sen.
Von Steinberg, Ernst Georg
Von Uslar
Von Usedom
Von Töns
Von Szirmay
Von Stosch
Doctorandus jur.
War Dragoner Lieutenant jetzt in London
Von Spörken, Adolph Friedrich
Von Stetten
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Konf.
Von der Insel Rügen Luth.
Herkunft und Geburtsdatum
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . .
Rezeptionen
584 Die Mitglieder der „Augusta“
War Meyningscher Regierungs Assessor, jetzt in Narwa
Stud. jur.
Von Wolff (Wolf), Sigismund Adam
Von Wrangel, Georg Johann
Reval in Estland, . .
Celle, . .
Rittmeister im Garde du Corps, Hannover
Von Willich, Ernst Stud. jur. Friedrich
Von Werlhoff
Von Wagner
Von Wackerbart, Georg Ludewig
Münster in Westphalen, . .
Von Vincke, Ernst Jobst Victor, Friedrich August Wilhelm
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Von Veldheim (od. War Studiosus Juris Göttingen Veltheim), Carl Christian
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . .
II. . . III. . . Auf Requisition seiner Mutterloge in Nürnberg
IV. . .
I. . . II. . .
War im . Grad
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
585
Voss, Johann Jacob
Voss, Johann Eberhard
Fr. Sprachmeister in Göttingen
Von Zwirlein (Zwi- War Regierungs Rath in Bamberg erlein), Friedrich
Dorpat, . .
War Regierungs Auditor in Stade im Hanoverischen
Von Zesterfleth, Dietrich Christian Arnold
War Licent Commissarius in Hannover
Von Zerssen
Von Zaritzka
Von Wurmser, Graf
War hessischer Obrist in Cassel
Von Wurmb, Friedrich
Heidelberg, . . Northeim
Stud. jur.
Von Wrede, Franz Joseph
Herkunft und Geburtsdatum
Von Wurmb, Adolph Wilhelm August
Beruf
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
luth
Kath.
Konf.
I. . .
III. . .
War im III. Grad
I. . . II. s. . III. . .
I. . .
War im IV. Grad
I. . .
I. . .
Rezeptionen
586 Die Mitglieder der „Augusta“
Kath.
Weiss (auch Veis), Dr. medicinae, Hofmedikus des Landgra- Friedrich Wilhelm fen von Hessen-Rothenburg
Weidmann (oder Veidmann)
Luth.
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Heidelberg, . .
Wedekind, Carl Ignaz
I. . .
I. . .
Advocat aus Hannover
Dr.
Braunschweig
IV. . .
Weber
Warmers
Walter
Waldeck
Walch
Waidlich
Ref.
Weinhändler und Hof-Factor in Göttingen Kassel, . . (zuvor in Rinteln) Starb August
Wacker, Johann Ludewig
War im IV. Grad
Ref.
Rezeptionen
Cammer-Secretair in Berlin
Konf.
Wacker, Gottfried Heinrich Adam
Herkunft und Geburtsdatum Luth. I. . . (evtl. ref.) II. . . III. . .
Beruf
Wacker jun., Bereiter in Göttingen Bernhard Ludewig
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder der „Augusta“
587
Stud. med.
Stud. jur.
Wieland, Johann Heinrich
Basel, . .
Stud. med, Bremen, . . Dr. med Arzt Prof. für Arzneigelehrsamkeit in Bremen Ab Provinzialmedikus in Petersburg Cabinetsmedikus und Collegienassessor – in Moskau Abschied aus kais. russ. Diensten
Einbeck,
Ebstorff,
Wichelhausen, Engelbert
Wernher, Joh. Carl Stud. jur. Gottfr.
Werner, Joachim Bechtold
Wernecke (oder Warncke)
Welge
War hessicher Kriegsrath in Cassel
Weitz (Waiz) von Eschen, Friedrich Sigmund
Herkunft und Geburtsdatum
Beruf
Name
Fortsetzung
Ref.
Ref.
Luth.
Luth.
Luth.
Konf.
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
War im IV. Grad
IV. . .
Rezeptionen
588 Die Mitglieder der „Augusta“
Hofmeister des Grafen v.d. Nat.
Wiese, Johann Heinrich
Wund, Carl Casimir
War Kirchen Rath und Professor in Heidelberg
Andreasberg
Woge, Heinr. Nicl.
Wittekopf
Hofmeister des Herrn Von Westphalen
Stud. theol.
Willich jun., Joh. Carl
Göttingen, . .
Dr. jur. und Secretair bei der Academie Göttingen, Vize-Syndicus in Göttingen
Willich (Willig), sen., Friedrich Christoph
Bremen
Bereiter, später Oberbereiter, Rittmeister
Winckler
Konf.
Ref.
Luth.
Luth.
Luth.
Uetersen in Holstein, Luth.
Herkunft und Geburtsdatum
Willich
Wilkens (auch Stud. jur. Wilckens), Johann
Beruf
Name
Fortsetzung
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . . IV. . .
I. . . II. . .
II. . . III. . . Auf Requisition der Loge in Bremen
I. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder der „Augusta“
589
Hamburg, Schleswig
Zimmermann, Pe- Stud. Med. ter Joh. Martin
Zorge (oder Zoega), Jacob Fr.
Scharnebeck bei Lüneburg
War im IV. Grad
Rezeptionen
I. . .
I. . .
I. . .
Stud. theol.
Konf.
Ziegler, Werner Carl Ludewig
Herkunft und Geburtsdatum
IV. . .
Beruf
Zernicke
Name
Fortsetzung
590 Die Mitglieder der „Augusta“
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“ 318, ediert. … = unleserlich * = Gründungsmitglieder ! = Fehler, die den Protokollanten unterliefen
https://doi.org/10.1515/9783110621723-013
Vorname
Johann Martin
Justus Heinrich
Gottfried Philipp
Ludewig Christoph
Friedrich
Anton
Friedrich Wilhelm
Johann Conrad
Johann Daniel
Johann Anton
Name
Abelé
Ahlborn
Alsser
Althoff
Anjou
Aubert
Aufmkolck
Bansa
Bauermeister
Bauermeister
Münden
Münden
Frankfurt a. Main
Hildesheim
Genf
Moskau
Detmold
Clausthal
Bovenden
Darmstadt
Herkunft
Luth.
Ref.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Kath.
Ref.
Ref.
! Luth.
Alt. Konf.
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
Kaufmann
Kaufmann in Münden
Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener
Das Studium der Medizin Das Studium der Medizin Doktorand der Medizin
Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte
Studiert Medizin Studiert Medizin
Das Studium der Medizin Das Studium der Medizin Dr. med.
Das Studium der Rechte
Registerschreiber zu Polle
Kandidat der Rechte Doktor der Rechte Doktor der Rechte
Tätigkeit
592 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Arnold Heinrich Nico- Brunstorf (Lauenlaus burg)
Johann Wilhelm Julius
Johann Friedrich
Carl Friedrich
Johann Andreas
Johann Georg Christian
Ludewig
Behm *
Berensbach
Berner
Berntheufel
Bethge
Bierwirth
Bilfinger
Stuttgart
Göttingen
Göttingen
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Mietau in Curland
Mietau (Curland)
Salzgitter
Hamburg
Joachim Philipp
Behm
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Student der Rechte Doktor der Rechte Doktor der Rechte
Tätigkeit
Arzneiwissenschaft
Schneidermeister in Gö.
Das Studium der Medizin Das Studium der Medizin Dr. med.
Stud. jur.
I. . . Regimentszureiter u. Cornet, II. . . Rechtsbetreuter beim hann. Leibregiment III. . . Cornet und Zureiter beim Hann. Leib – Regiment
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . Das Studium der Rechte II. . . Das Studium der Rechte III. . . Das Studium der Rechte
In der Loge zur Leutnant beim Inf. Regt. SachsenGoldenen Ku- Gotha gel in Hamburg
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
593
Johann Friedrich Valentin/ Valentin Friedrich
Ernst Christoph
Christ. Rudolph Georg Friedrich
Philipp Ernst
Ludewig
Gottlieb Carl Friedrich
Wilhelm August
Johann Gottfried Sigismund Albrecht
Böhme (zum Mitgliede)
Bohne
Bolte
Bornemann
Bötticher
Brandes
Bremer
Büchner
Bulmerincq (Bulmering) Johann Valentin ist in der Loge ‘‘Apollo“ in Riga zum Lehrling aufgenommen
Vorname
Name
Fortsetzung
Riga
Frankfurt a. Main
Hannover
Nauen (Mecklenburg)
Haarburg
Werningerode
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Neuhoff (Meck lenburg Schwerin)
Nordhausen
Riga Tretlow Liefland
Herkunft
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . .
II. . . III. . .
Rezeptionen
Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener
Doktor der Rechte Doktor der Rechte Doktor und Professor der Rechte
Der Arzneikunst Beflissener
Kandidat der Arzneiwissenschaft
Stud. Theol. Stud. Theol. Studiert Theologie
Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte Stud. jur.
Studiert die Rechte Studiert die Rechte
Das Studium der Theologie Kandidat der Theologie
Doktorand der Medizin Doktor der Medizin
Tätigkeit
594 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Vorname
Gottfried August
Christoph Bartholt Clement
Johann Gottlieb
Philipp Heinrich
Friedrich Wilhelm
Friedrich Heinrich
Ferdinand
Johann Peter
Jacob Friedrich
Johann Christian
Name
Bürger
Büttner
Caspari
Caspari
Compe
Conring
Cordes
Cournon
Crusen *
Culemann
Fortsetzung
Baumholt
Celle
Berlin
Detersdorf (Oldenburg)
Blekede (Lüneburg)
Bovenden im Schaum-burgischen
Corden (Schaumburg)
Jorck im Bremischen
Morvens-wende bei Halberstadt
Herkunft
Ref.
Luth.
Ref.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Gottesgelahrtheit Befl. Das Studium der Theologie Kandidat der Theologie
Stud. Jur. Das Studium der Rechte
Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte
Studiert Arzneiwissenschaft
Justizrat Justizrat von Bückeburg
Stud. Jur.
Amtmann im Amt Gleichen Amtmann im Amt Gleichen Amtmann im Gericht Gleichen
Tätigkeit
I. . .
Stud. Med.
I. . . Fähn. b. Inf.Rgt.Sachs.Goth. II. . . Leut. b. Inf.Rgt.Sachs.Goth. III. . . Capit. b. Inf.Rgt.Sachs.Goth.
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
595
Carl Friedrich
Johann Heinrich Christoph
Johann Georg
Conrad Friedrich
Friedrich Gottlieb Hamburg Carl (aus der □ ‘‘Zu den Degen“ in Halle)
Georg Wilhelm
Johann Christ. Wilhelm
Johann Friedrich
Wilhelm Friedrich/ Friedrich Wilhelm
Dehn
Deichmann
Denicke
Diederichs
Diederichs
Diederichs *
Diedrichs
Domeyer
Domeyer (Domeier)
Moringen
Moringen
Pyrmont
Clausthal
Pyrmont
Leveste (Hann.)
Meistien
Göttingen
Philipp Bernhard
Degen
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
I. . . II. … .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
II. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . .
I. . .
I. . .
Rezeptionen
Doktor der Medizin Dr. med. in Hannover
Prediger zu Imshausen Prediger zu Imshausen Pastor zu Imshausen
Professor in Königsberg
Das Studium der Rechte
Brunnen Kassierer zu Pyrmont (geht schuldenhalber seinen Dienst als Brunneneinnehm. verlustig)
Das Studium der Math. Studiert die Mathematik
Stud. theol
Stud. jur.
Die Jurisprudenz
Tätigkeit
596 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Abraham Ludewig
Joachim Christian
Johann Heinrich
Heinrich Johann Jacob
Johann Carl Heinrich
Joh. Wiegand Christi- Nordenham (Olan denburg)
Georg Daniel
Carl Georg Friedrich
Droz (Mitglied) (Doppelter Eintrag am . . )
Dugge
Ehrhard
Elderhorst
Emmi(n)ghausen
Erdmann
Ernst
Erxleben
Parensen
Einbeck
Erfurt
Celle
Augstädt
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Dr. med. in Hannover
Tätigkeit
I. . . II. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . .
III. . .
Das Studium der Medizin Das Studium der Medizin
Kand. der Rechte und Hofmeister
Studiert die Rechte
Kaufmann Kaufmann in Münden
Amtssch. in Radolphshausen Amtssch. in Radolphshausen Amtsvorsteher zu Bissendorf im Cellischen
Das Studium der Theologie Der Theologie Beflissener
Kandidat der Rechte
Stud. Jur.
I. . . Stud. jur. II. . . Stud. Jur. III. . . Dr. jur.
III. . .
Rezeptionen
Alt. Konf.
Brühl im Mecklen- burgi-schen
Neuschattel
Hamburg
Vincent
Dresky
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
597
Vorname
Johann
Johann Heinrich Christian
Martin Jacob
Johann Christoph
Franz Heinrich
Heinrich Albrecht
Johann Georg
Carl Gottfried
Johann Gottfried
Carl Jacob
Philipp Georg
Name
Eulers
Eulhard
Faber
Fahner
Fauth
Finck
Finck
Fleckeisen
Fortmann *
Förtsch
Frankenberg
Fortsetzung
Schweinfurth
Göttingen
Hannover
Rosswien in Sachsen
Göttingen
Göttingen
Mühlheim
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Ref.
Ref.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Budstadt Gest. . Jan.
Hamburg
Nordhausen
Bardenfleth (Oldenburg)
Herkunft Die Arzneiwissenschaft
Tätigkeit
I. . . II. . . III. . .
I. . .
III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
I. . .
I. . .
Kand. Jur. Das Studium der Rechte Procurator im hess. Rotenburg
Arzneiwissenschaft
Stud. jur. (Amtsschreiber zu Halle )
Buchhändler Buchhändler Buchhändler
Das Studium der Rechte
Kandidat der Medizin
Studiert die Rechte
Dr. med. und Stadtphysicus in Northeim
I. . . Stud. Jur. II. . . Dr. jur.
I. . . Stud. Theol. II. . . Stud. Theol.
I. . .
Rezeptionen
598 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Vorname
Georg
Adam Christian
Heinrich Christian Ludewig
August Ludewig
Johann Friderich (auch zum Mitglied)
Ernst Conrad
Johann Conrad
Johann Wilhelm
Joachim Ludolph
Name
Friedrichs *
Gastpary
Gelbcke
Greve
Greve
Greve
Gruhlmann
Gruner
Grupe
Fortsetzung
Celle
Coburg
Barver, in der Grafschaft Diepholtz
Osterode
Osterode
Osterode
Goslar
Schleusingen
Göttingen
Herkunft
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Der Arzneikunst Beflissener Doktor der Arzneikunde
Kandidat der Gottesgel. Das Studium der Gottesgelahrtheit Kandidat und Hofmeister
Kaufmann und Fabrikant Kaufmann und Fabrikant
Kaufmann und Fabrikant Kaufmann und Fabrikant Kaufmann und Fabrikant
Das Studium der Medizin
Der Gottesgelahrsamkeit Beflissener Der Theologie Kandidat
Leutnant beym Regt. Prinz-Wallis
Tätigkeit
I. . . II. . .
Das Studium der Theologie Das Studium der Theologie
I. . . Studiert die Rechte II. . . Studiert die Rechte III. . . Kandidat der Rechte
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
II.. .
I. . .
III. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
599
Caspar Heinrich
Clemens Wilhelm Adolph
Johann Matthias
Johann Georg
Harcksen
Hardung
Harfe
Harter
Einbeck
Hamburg
Hardenberg im Bergischen
Absersicht (Oldenburg)
Nürnberg
Gießen
Zacharias
Johann Friedrich
Hahn*
Medingen (Lüneburg(
Händler
Otto Conrad
Hahn
Hamburg
Stralsund
Johann Arnold
Günther
Herkunft
Haken, den . . in der Loge Johann Carl ‘‘Zum goldenen Pflug“ in Berlin zum Lehrling aufgenommen
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Kath.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf. Stud. Jur. Studiert die Rechte Der Rechte Beflissener
Tätigkeit
Kand. theo.
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
Kaufmann und Lederfabrikant
Das Studium der Rechte
Studiert die Rechte Kandidat der Rechte Kandidat der Rechte
Studiert die Rechte Studiert die Rechte Studiert die Rechte
I. . . Kaufmann in Münden II. /. . Kaufmann in Münden III. . . Kaufmann in Münden
II. . . Stud. med. III. . . Der Medizin Beflissener
III. . .
I. . . Stud. Jur. II. . . Stud. Jur.
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
600 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Carl August
Andreas Heinrich
Georg Christoph
Georg August Gabriel Wintzenburg (Hildesheim)
Johann August
Friedrich Carl Heinrich
Johann Andreas
Caspar Ludewig Wilhelm
Heim
Heine *
Heinsius
Heinsius
Herdtmann
Hesse (zum Mitgliede)
Heydelbach (Heidelbach)
Heye
Quakenbrück
Göttingen
Erfurt
Braunschweig
Radolphshausen
Göttingen
Straßburg
Hannover
Georg Friedrich Ludewig
Haucke
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Bauinspektor im Hessischen Rothenburg
Studiert die Rechte
Königlich vice Hofbuchschreiber Königl. Vize Hof Küchenschreiber Vice Hof-Küchenschreiber
Kaufmann und Lederfabrikant
Tätigkeit
I. . .
I. . . II. . . III. . .
III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
Das Studium der Mathematik
Kaufmann Kaufmann Kaufmann
Kandidat der Rechte
Studiert die Rechte
Amtsschreiber zu Münden Amtsschreiber zu Münden Amtsschreiber zu Münden
I. . . Amtmann zu Radolphshausen II. . . Amtmann zu Radolphshausen III. . . Amtmann zu Radolphshausen
III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
II. . .
Rezeptionen
Alt. Konf.
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
601
Vorname
Johann Christian
Christian Heinrich
Carl Friedrich
Christian Gottfried August
Carl Gottfried
Johann Jürgen
Johann Gottlieb Friedrich
Johann Heinrich
Johann
Name
Hinrichs
Hoffmeister (zum Mitgliede)
Huefer
Hüpeden
Huschke
Idahl * (Dienender Bruder)
Jacobi
Jäger
John
Fortsetzung
Hamburg
Göttingen
Einbeck
Nienover (Hannover)
Greußen (Thüringen)
Northausen
Celle
Agatenburg
Hamburg
Herkunft
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Kaufmann in Münden Kaufmann in Münden
Student der Rechte Studiert die Rechte
Das Studium der Rechte Studiert die Rechte
Studiert Medizin
Das Studium der Rechte Der Rechte Beflissener Das Studium der Rechte
Tätigkeit
II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Kandidat der Theologie Kand. Theol.
Dr. med. Dr. med. Dr. med.
Studiert die Rechte
I. . . Corp. beim Inf. Rgt. Sachsen-Gotha II. . . Corporal beim Inf. Regt. SachsenGotha III. . . Corporal beim Regt. Sachsen-Gotha
I. . . II. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . .
III. . .
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
602 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Johann Conrad Rudolph
Johann Friedrich
Christian Ernst
Johann Justus
Heinrich Christian
Arnold Heinrich
Johann Carl Friedrich Walckenried
Joh. Ernst Gottfried
Johann August
Heinrich Ferdinand
Jungblut
Kaufmann
Keferstein
Kellner
Kellner
Kemper
Kleemann
Kleemann
Kleemann *
Klettwig
Göttingen
Walckenried
Walckenried
Osnabrück
Göttingen
Göttingen
Crellwitz (Halle)
Ratzeburg
Garten Gemeinde bei Hannover
Hildesheim
Johann Heinrich
Jordan
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth. !
Alt. Konf.
I. . .
. .
I. . . II. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Rezeptionen
Die Handlung
Stud. jur.
Der Ökonomie Beflissener
Studium der Rechte Stud. Jur.
Die Jurisprudenz
Studiert Mathematik Mathematik
Weinhändler Weinhändler Weinhändler
Papierfabrikant Papierfabrikant Papierfabrikant zu Hefeld
Stud. Jur. Stud. Jur.
Studiert die Gottesgelahrtheit
Kaufmann in Göttingen
Tätigkeit
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
603
Georg Ludewig
Gottfried Heinrich
Otto Heinrich
Carl Ludewig
Albrecht
Carl Anton
Ludewig Heinrich
Johann Friederich Reval (auch zum Mitgliede)
Joseph
Klippe
Kloss
Knorre
Koken
Kolb
König
Köpp (zum Mitgliede)
Körber
Krause
Mildenburg
Stadt Bückeburg
Ulm (Schwaben)
Hildesheim
Hamburg
Luth.
Kath.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth. !
I. . .
II. . . III. . .
III. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
III. . .
I. . .
Luth.
I. . .
III. . .
Luth.
Luth.
Rezeptionen
II. . .
Alt. Konf.
Erbsen aus d. Ge- richt Adelebsen
Bremervörde
Göttingen
Ernst Friedrich Siegmund
Klinge (Mitgliede)
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Student die Rechte
Stud. Med. Stud. Med.
Syndicus und Wachenherr in Osterode
Secretarius bei dem Bückeburger Regt.
Der Theologie Beflissener Der Theologie Kandidat
Studiert die Rechte Das Studium der Rechte Der Rechte Beflissener
Stud. Med.
Sekretär beim Oberhauptmann von Hanstein in Münden Sekretär beim Oberhauptmann von Hanstein in Müden Sekretär beim Herrn Oberhauptmann von Hanstein in Münden
Stud. jur.
Hofmeister Herr von Tatischeff
Tätigkeit
604 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Vorname
Johann Friedrich
Johann Jacob
Carl Diedrich Otto
Bernhard Christoph
Ludewig Carl Georg
Paul Daniel
Adolph Gottfried
Ernst Carl Joseph
Johann Georg
Adolph
Name
Krock (zum Mitgliede)
Kuhls
Kühn (auch Kühm)
Kümmel
Küster
Lamprecht
Lauprecht
Leonhardt *
Leschen
Levin
Fortsetzung
Stockholm
Bartelfelde am Harz
Niedeck (Hann.)
Mühlhausen (Thü- ringen)
Lübeck
Darmstadt
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Grossen Körner im Gothaischen
Schwerin
Celle
St. Petersburg
Herkunft Stud. med.
Tätigkeit
Rektor in Hedemünden
Der Rechte Beflissener Kandidat der Rechte
I. . . II.
I. . . II. . . III. . .
III. . .
I. . .
Cornet bei der schwed. Leib-Garde Cornet bei der schwed.
Hann. Pens. Leutnant Hann. Leutnant Hann. Leutnant
Kand. jur.
Studiert die Rechte
I. . . Stud. Jur. II. . . Das Studium der Rechte III. . . Das Studium der Rechte
I. . . Das Studium der Rechte II. . . Studiert die Rechte III. . . Der Rechte Beflissener
I. . .
I. . . II. . .
I. . . Das Studium der Medizin II. . . Stud. Med.
III. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
605
Vorname
Georg
Christian Gottfried
Carl David Heinrich
Matthias Conrad Friedrich
Adolph Anton Friedrich
Julius Johann Carl
Georg Friedrich
Johann Tobias
Georg Ludewig Carl
Name
Loofs
Loss (auch zum Mitgliede)
Lüders
Marcard
Marcard
Marcard
Martens
Mayer *
Meisner (Meissner)
Fortsetzung
Ihlefeld
Göttingen
Hamburg
Walsrode (Celle)
Walsrode (Celle)
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Kath.
Luth.
Walsrode bei Celle
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Malchin (Meck.)
Hamburg
Kassel
Herkunft
Cornet in hann. Diensten Cornet beim Regt. jung Bremer
Der Mathematik Befl. Der Mathematik Befl. Stud. Math.
Stud. Jur. Stud. Jur. Das Studium der Rechte
Das Studium der Rechte Der Rechte Beflissener
Studiert die Rechte
Das Studium der Rechte
Leib-Garde Cornet bei der schwed. Leib-Garde
Tätigkeit
Magister Philosoph I. . . Das Studium der Rechte II. . . Stud. Jur. III. . . Stud. Jur.
III. . .
I. . . Studiert die Rechte II. . . Studiert die Rechte III. . . Stud. Jur.
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
III. . .
I. . .
III. . .
Rezeptionen
606 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Carl Christian
Friedrich Ludewig Wilhelm
Friedrich Johann Lorenz
Johann Heinrich Christoph
Georg August
Georg Friederich
Johann Matthias (!)
Gustaph
Johann Friedrich
Mellart (zum Mitgliede)
Meyer
Meyer
Meyer *
Meywerth
Michälis
Miller *
Möller
Moritz
Worms
Greifswald
Ulm (Schwaben)
Celle
Göttingen
Hannover
Hamburg
Haarburg
Wieburg in Rußland
Ernst Georg Christian Hefeld Wilhelm
Meisner
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Stud. med.
Architekt
Tätigkeit
I. . . II. . .
III. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
III. . .
III. . .
I. . . II. . .
Studium der Rechte Das Studium der Rechte
Das Studium der Rechte
Kand. Theol.
Stud. jur. Stud. Jur.
Kandidat der Rechte Kandidat der Rechte Dr. der Rechte und Privatlehrer
Fähnrich beim Inf. Regt. SachsenGotha
Das Studium der Rechte Der Rechte Beflissener und Canonicus Desgleichen auch Canonicus
I. . . Der Rechte Beflissener II. . . Der Rechte Beflissener III. . . Der Rechte Beflissener
III. . .
I. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
607
Carl Franz Lambert Joseph
Jacob Eleazar
Christian Gottlieb Daniel
Burchard Friedrich
Johann Wilhelm
Johann Carl Friedrich Rellinghausen bei Einbeck
Bernhard Jakob Daniel
Gottfried Heinrich August
Johann Wilhelm
Mouvillon (gestorben d. . . … als Obristleutnant)
Müller *
Münch
Münderloh
Nanne *
Neumann
Neumann
Nissen
Hamburg
Estorff bei Nienburg
Güstrow
Bremen
Clötze (Cell.)
Göttingen
Leipzig
Meppen (Münster)
Morrien
Worms
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth. / Ref.
Kath.
Luth.
Der Rechte Beflissener
Tätigkeit
Stud. Med.
Ingenieur Offizier
Professor in Kassel Professor in Kassel Professor in Kassel
Rechtsgelehrter
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . .
III. . .
Der Rechte Beflissener
Der Theologie Beflissener Kand. Theol.
Stud. Jur. Mecklenburgischer Hofrat
Stud. jur.
I. . . Der Theologie Kandidat II. . . Kandidat der Theologie
I. . .
III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . . Das Studium der Rechte II. . . Das Studium der Rechte III. . . Kandidat der Rechte
III. . .
Johann Anton
Rezeptionen
Alt. Konf.
Moritz
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
608 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Vorname
Georg Heinrich
Johann Lorenz
Gerhard Philipp Heinrich
Johann Georg (Dienender Bruder)
Georg Heinrich
Johann Friedrich
Wilhelm
Name
Nöden
Nönchen
Norrmann
Oehlmann
Oesterley
Oom
Oom
Fortsetzung
Reval
Reval/Riga !
Göttingen
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener Studiert die Rechte
Das Studium der Philosophie
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
II. . . III. . .
I. . .
Kandidat der Rechte Kandidat der Rechte Kandidat der Rechte
Studiert die Rechtswissenschaft Studiert die Rechtswissenschaft Das Studium der Rechte
Das Studium der Rechte
Musketier beim Regt. SachsenGotha Corp. beim Regt. Sachsen-Gotha Corp. im . Regt. Sachsen-Gotha
Stud. der Cammeral- und ommerzialwissenschaft II. . . Stud. der Cammeral-Commerzwissenschaften III. . . Stud. der Cammeral- und Commerz Wissenschaft
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
II. . . Der Rechte Beflissener
Tätigkeit
Rezeptionen
Alt. Konf.
Harste (Hannover)
Hamburg
Hamburg
Göttingen
Herkunft
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
609
Vorname
Heinrich
Heinrich Jacob
Johann Friedrich
Johann Friedrich Christian
Christian Adolph
Heinrich Christian
Johann Michael
Josua Friedrich
Johann
Name
Oppermann
Oppermann
Ordelin
Otte *
Overbeck
Pagenstecher
Palmié
Passow
Paumé
Fortsetzung
Laugsen
Hagenow in Mecklenburg Schwerin
Berlin
Osnabrück
Lübeck
Gronau (Hildesheim)
Neubrandenburg (Mecklenburg)
Hedemünden
Göttingen
Herkunft
Tätigkeit
Studiert Gottesgelahrtheit
III. . .
I. . .
I. . .
III. . .
I. . .
I. . .
III. . .
Sprachmeister, Lehrer in der Stadtschule und Vorsteher der kath. Gemeinde hierselbst Sprachmeister, Lehrer in der Stadtschule und Vorsteher der kath. Gemeinde
Stud. Theol.
Kandidat der Theologie
Die Gottesgelahrtheit
Stud. Jur.
Doktorand Medizin
I. . . Der Rechte Beflissener II. . . Der Rechte Beflissener III. . . Der Rechte Beflissener
I. . .
I. . . Kand. der Mathematik II. . . Kand. Math, III. . . Kandidat der Mathematik
II. . .
Kath.
Luth.
Ref.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Kath.
Rezeptionen
Alt. Konf.
610 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Vorname
Gottlieb Conrad August
Christian Gottlieb
Heinrich Ludwig
Johann Ernst August
Gottlieb Conrad August
Dieterich Christoph Andreas
Johann Christian
Johann Christoph (Dienender Bruder)
Johann Christian Elias
Name
Peffel
Perschke
Petersen
Petzold
Pfeffel
Pick
Printzhausen *
Proffe
Quensell
Fortsetzung
Sollinger Unterhütte bey Uslar
Hameln
Geismar (Gött.)
Nordhausen
Colmar
Wiedensahl im Stifte Loccum
Bergzabern
Insterburg
Collmar
Herkunft
Luth.
I. . .
Beim Hüttenwesen angesezt
Fourier beim Inf. Rgt. Sachsen Gotha II. . . Fourier beim Inf. Rgt. Sachsen Gotha III. . . Sergeant im Regt. Sachs. Gotha I. . .
Luth.
Fähnrich beim Inf. Regt. SachsenGotha
Das Studium der Theologie Kand. Theol.
Das Studium der Rechte
Das Studium der Medizin Das Studium der Medizin Dr. med.
Stud. Jur.
Stud. theol
Studiert Jura
Französischer Sprachmeister
Tätigkeit
III. . .
I. . . II. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
I. . .
Rezeptionen
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
611
Hermann Gottlieb
Johann Eberhard
Felix
Johann Caspar Fried- Goslar rich
Arnold Gottfried
Wilhelm Michael
Christoph Heinrch
August Carl Ernst
Rall
Reddersen
Reisinger
Rettberg
Reyger
Richter
Riesemann (zum Mitglied)
Rieth
Dannenberg
Reval
Moskau
Danzig
Jesnitz in Österreich
Northeim
Carlshafen (Hessen)
Münden
Georg Friedrich
Quentin
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Kath.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf. Advocat Advocat in Münden
Tätigkeit
I. . . II. . .
III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
II. . .
I. . .
Das Studium der Theologie Das Studium der Theologie
Sekretär bei der Kaiserl. Russ. Statthalterschafts Regierung Reval
Dr. med. Dr. med.
Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte
Der Rechte Beflissener
Leibchirurg beim Kurf. zu Trier (Korrespondent der französischen Akademie in Paris)
Fähnrich beim Regiment SachsenGotha Fähnrich im . Inf. Regt. SachsenGotha
I. .. Kaufmann in Bovenden II. . . Kaufmann in Bovenden
I. . . II. . .
Rezeptionen
612 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Vorname
Hermann
Johann Heinrich
Johann Joachim
Wilhelm Ludewig
Hans Gottfried
Georg Christian
Gerhard
Name
Rodde
Röhrs(en)
Rolfsen
Ruhmann *
Rüter
Santheim
Scharnhorst
Fortsetzung
Bordenau im Amte Neustadt
Münden
Hamburg
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Kath.
Alt. Konf.
Calenberg in Han- nov.
Riga
Grossen-mun(t) zel
Lübeck
Herkunft
II. . .
I. . .
I. . .
I. . .
III. . .
I. . . II. . . III. . .
III. . .
II. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
Fähnrich beim Drag. Regt. von Estorf Fähnrich beim Dragoner Regt. von Estorf
Advocat
Das Studium der Rechte
Advocat
Stud. theol. Der Gottesgelahrtheit Beflissener Der Rechte Beflissener, jetzt Advokat und Sekretär beim Rigischen u … Gerichte
Administrator im König von Preußen Administrator im Gasthofe ‘‘Zum König von Preußen„ Aubergist im Gasthof Zum König von Preußen
Das Studium der Rechte Doktorand Jur. Doktorand Jur.
Tätigkeit
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
613
Ernst Christian Fried- Alsfeld(t) rich Adam
Georg Ludewig Hermann
David
Wilhelm
Theodor Heinrich An- Hannover ton
Johann Heinrich
Schleiermacher
Schlemm *
Schlüter
Schlüter
Schmalz
Schmidt
Celle
Hamburg
Hamburg
Hoya
Verden
Johann Daniel
Scheller
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
! Luth.
Alt. Konf.
Tätigkeit
Der Rechte Beflissener Studiert die Rechte Der Rechte Beflissener
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
Das Studium der Theologie Das Studium der Theologie
Der Philologie Beflissener Kandidat der Philologie Hofmeister bei dem Herrn von Döring
Das Studium der Rechte Doktor der Rechte
Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener Das Studium der Rechte
III. . . Stud. jur.
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Studiert Medizin und ist Prosector auf der Anatomie II. . . Kand. med. und Prosector auf der Anatomie III. . . Lehrer des Accouchier Hospitals in Celle, nachmals D. und Professor daselbst
Rezeptionen
614 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Uslar (Hannover)
Bergedorf (Hamburg)
Daniel
Carl Magnus
Rudolph Heinrich
Schnell
Schörbing
Schrader
Schrödter, Carsten Albrecht den . . in der Loge ‘‘Zu den Rosen“ in Hamburg zum Lehrling aufgenommen
Georg Conrad Wilhelm
Johann Christoph
Schuster
Schwartz
Riga
Clausthal
Johann Carl Friedrich Clausthal
Schuster
Uldawalla in Bakur (Bahus)in Schweden
Schwerin
Coburg
Georg Friderich
Schmutzer, zum Mitgliede aufgenommen
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte
Der Medizin Beflissener Der Medizin Beflissener
Fähnrich beim hann. Reg. „Prinz Friedrich“ Fähnrich beim Regiment „Prinz Friedrich“
Studiert Kammeralwissenschaft Studiert Kammeralwissenschaft, auch Hofmeister Hofmeister und Mitglied des hiesigen Instituts der Wissenschaften
Der Rechte Beflissener
Billetschreiber und Postsekretär in Einbeck
Kand. Theol.
Tätigkeit
I. . .
Die Rechte Beflissener
I. . . Das Studium der Rechte II. . . Amtsauditor zu Blumenau
I. . . II. . .
II. . . III. . .
II. . .
I. . .
III. . .
I. . . II. . .
I. . .
III. . .
III. . .
Rezeptionen
Alt. Konf.
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
615
Johann Georg Friedrich
Johann Hermann
Christian Friedrich
Anton Matthias
Christian Gotthilf
Heinrich Christian (Dienender Bruder)
August Wilhelm
Christian Friederich
Heinrich Christian
Anton Ulrich Ludewig Hildesheim
Seidler
Seyde
Spener
Sprickmann
Starck
Steffens
Steinholtz
Stighan
Suffert *
Süstermann
Einbeck
Magdeburg
Plön
Hamburg
Freiberg in Sachsen
Münster
Berlin
Hamburg
Nordhausen
Riga
Johann Bernhard
Schwartz
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Kath.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Das Studium der Kammeralwissenschaft
Das Studium der Theologie Das Studium der Theologie
Student der Rechte
Die Rechte Beflissener
Tätigkeit
I. . .
III. . .
I. . . II. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
Studiert Theologie
Regimentschirurg beim Inf. Reg. Sachsen-Gotha
Referendarius in Magdeburg Referendarius in Magdeburg
Das Studium der Rechte
Bediensteter bei dem Br. Kann. Meyer
Perückenmacher und Friseur Perückenmacher und Friseur Perückenmacher und Friseur
I. . . Rat und Referendarius II. . . Rat und Referendarius III. . . Rat und Referendarius
I. . .
I. . . II. . .
I. . .
I. . .
Rezeptionen
616 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Vorname
Johann Rudolph
Arvid Theodor
Johann Lorenz
Gottfried Wilhelm
Christian Julius
Johann Albert
Johann Georg
Johann Philipp
Name
Suter
Svenske
Taberger (gest. den . . als Ober Hospital Arzt in Hannover)
Tannenberg
Thorspecken
Tiecke
Tralles
Trefurt
Fortsetzung
Dannenberg
Hamburg
Hamburg
Bremen
Moskau
Hannover
St. Johannis in Livland
Zofingen im Canton Bern
Herkunft
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Ref.
Alt. Konf.
Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener
Studium der Rechte Doktor der Rechte
Studiert Medizin Studiert Medizin Studiert Medizin
Studium der Arzneiwissenschaft Kandidat der Arzneiwissenschaft
Das Studium der Medizin Doktorand Medizin
Leutnant in schweizerischen Diensten Leutnant in schweiz. Diensten Leutnant in schweiz. Diensten
Tätigkeit
I. . . II. . . III. . .
Kandidat der Theologie Kand. Theol. Kandidat der Theologie.
I. . . Das Studium der Mathematik II. . . Kand. Math. III. . . Professor für experimental Physik in Bern
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
II. . . III. . .
II. . . III. . .
II. . . III. . .
I. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
617
Vorname
Nathanael Gottlieb
Conrad Julius Hieronimus
Hermann Wilhelm Franz
Carl Friedrich
Johann Ludewig
Stephanus
Johannes
Georg
Wilhelm
Name
Treuge
Tuckermann
Uelzen
Uterhardt
Voigt
Von Baselewiky
Von Baselewiky
Von Behr
Von Bocholtz (Baron)
Fortsetzung
Hildesheim
Appenrode (Holstein)
Ostapie (Russland)
Ostapie (Russland)
Coburg
Friedland (Meck.)
Celle
Grunde am Harz
Danzig
Herkunft
Kath.
Luth.
Grie.
Grie.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
II. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Rezeptionen
Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte
Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte
Stud. Phil. und math.
Stud. Phil. und math.
Hofmeister bey Herrn von Berg Hofmeister Lehrer bei dem Erziehungs Institut zu Lübeck
Stud. Jur.
Das Studium der Theologie verbunden mit der Philologie Kand. theol.
Doktor der Rechte Doktor der Rechte und priv. Lehrer Doktor der Rechte und privat Lehrer
Das Studium der Rechte
Tätigkeit
618 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Vorname
Christian Wilhelm
Carl Wilhelm
Wilhelm Nicolaus Adam
Otto Christoph
Hans Casper
Carl August Wilhelm
Joh. Friedrich Wilhelm zum Mitgliede
Gerhard Wilhelm
Wilhelm Friedrich
Name
Von Brandis (Freiherr)
Von Brislowiz
Von Brunn
Von Butberg (Baron)
Von Bülow
Von Closen
Von Duve
Von Eicken
Von Elerdt
Fortsetzung
Elekesen (Curlandt)
Langenberg im Herzogtum Bergen
Rethem an der Al- ler
Esslingen
Gudow (Mecklenburg)
Riga
Luth.
Ref.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Kath.
Kath.
Das Studium des Staatsrechts Studiert das Staatsrecht
Fähnrich in hessischen Diensten
Rechtswissenschaft
Fähnrich beim hann. Rgt. SachsenGotha
Das Studium der Rechte
Tätigkeit
I. . . II. . .
I. . .
I. . .
Curländischer Offizier Curländischer Offizier
Studiert Medizin
Studiert die Rechte
I. . . Stud. Jur. II. . . Stud. Jur. III. . . Kand. Jur.
I. . . Der Rechte Beflissener II. . . Der Rechte Beflissener III. . . Studiert die Rechte
II. . . III. . .
I. . .
I. . .
I. . .
III. . .
Rezeptionen
Alt. Konf.
Niennover (Hann.)
Wien
Hildesheim
Herkunft
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
619
Vorname
Samuel
Georg Friedrich
Frantz Feckete
Nicolaus
Friedrich Carl
Hans Carl August
Wilhelm Heinrich Friedrich Christian Philipp Albrecht
Jürgen Melchior
Conrad
Name
Von Fludyer
Von Fölckersahm
Von Fritz * (Baron)
Von Graffen
Von Guttenberg (Baron)
Von Helmolt *
Von Hundelshausen
Von Issendorf
Von Klock
Fortsetzung
Hamburg
Poggenmuhle (Hann.)
Harmuthsachsen
Bilzingsleben (Thüringen)
Würzburg
Hamburg
Siebenbürgen
Steinensee Landgut in Curland
London
Herkunft
Curländischer Offizier
Tätigkeit
Luth.
Luth.
Ref.
Luth.
Kath.
Luth.
Luth.
Luth.
Studiert Kammeralwissenschaft
III. . .
I. . .
I. . .
III. . .
I. . . II. . .
Policey …
Fähnrich beim Regt. von Estorf
Regierungs Assessor in Kassel
Leutnant beim Inf. Regt. SachsenGotha
Studiert die Rechte Kandidat der Rechte
I. . . Das Studium der Rechte II. . . Das Studium der Rechte III. . . Der Rechte Beflissener
III. . . Kand. Jur.
I. . .
Angl.(Ref) I. . . Der schönen Wissenschaften II. . . Der schönen Wissenschaften Beflissener III. . . Der schönen Wissenschaften Beflissener
III. . .
Rezeptionen
Alt. Konf.
620 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Vorname
Johann Julius
Christian Otto Ludewig
Otto Christoph
Georg Wilhelm
Peter Wilhelm
August Wilhelm
Siemon Hermann
Alexander (Baron)
Georg Johan Christian
Name
Von Koenemann *
Von Marenholtz
Von Marschalk
Von Maydell*
Von Nummers
Von Oldershausen (zum Mitgliede)
Von Post
Von Prönay
Von Ramdohr
Fortsetzung
Celle
Alsoha in Ungarn
Bremen
Oldershausen
Riga
Lüneburg
III. . .
I. . .
II. . .
I. . . II. . .
III. . .
I. . .
II. . .
Luth.
Luth.
Ref.
Luth.
Luth.
III. . .
I. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
II. . .
Luth.
Luth.
Tätigkeit
Amtsschreiber auf dem Amte Niedeck Amtsschreiber auf dem Amt von Niedeck Amtsschreiber zu Niedeck
Studiosus der Kammeralwissenschaft
Doktorand Jura Doktorand Jura
Oberst Lieutenant
königl. poln. Kapitän
Leutnant beim Inf.Regt. SachsenGotha Leutnant beim Inf. Regt. SachsenGotha Leutnant im Regt. Sachsen-Gotha
Stud. Jur.
Studiert die Rechte Stud. Jur. Stud. Jur.
III. . . Stud. jur.
Rezeptionen
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Großenschwülper bei Celle
Klötze (Hann.)
Herkunft
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
621
Vorname
Heinrich Christian
Johann Friedrich
Johann Friedrich Theodor
Johann
Adolph Ludewig Carl
Peter August
Peter Jacob
Eduard
Name
Von Reimers
Von Rhoden *
Von Röbern (Jungschultz)
Von Rokohowsky
Von Schevé (Schäve)
Von Schonert
Von Schwengeln
Von Sheldon
Fortsetzung
Weston in England
Reval
Reval
Kath.
Luth.
Luth.
Luth.
Grie.
Ref.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Neustrelitz (Meck- lenburg)
Moskau
Danzig
Osnabrück
Reval
Herkunft
II. . .
I. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
III. . .
II. . .
I. . .
Rezeptionen
Leutnant beim Dragonerregiment von dem Bussche Lieut. Beim Drag. Regt. von Bussche
Studiert Kammeralwissenschaft Studium der Kammeralwissenschaft
Studiert die Rechte Studiert die Rechte
Das Studium der Rechte Der Rechte Beflissener Das Studium der Rechte
Russ. kaiserlicher Offizier Russ. Kaiserlicher Offizier
Der Rechte Beflissener Stud. Juris Der Rechte Beflissener
Stud. jur.
Die Rechts- und Kammeralwissenschaft Kandidat der Rechte
Tätigkeit
622 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Joseph
Alexei
Nikitta
Wasilei
Fromhold Heinrich
Johann Justus Ludewig
Joachim Diedrich
Von Stichaner
Von Tatischeff
Von Tatischeff
Von Tatischeff
Von Vittinghof (Vietinghof) (Baron)
Von Voigt
Von Wackerbardh
Von Wickede (Wiekede), in der Δ Nicolaus Otto ‘‘Zum Füllhorn“ in Lübeck zum Lehrling aufg.
Vorname
Name
Fortsetzung
Steten (Mecklenburg bei Schwerin)
Tessin (Mecklenburg-Schwerin)
Einbeck
Reval
Moskau
Moskau
Moskau
Waldsassen in Bayern
Herkunft
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Grie.
Grie.
Grie.
Luth. !
Alt. Konf.
II. . . III. . .
II. . .
I. . . II. . . III. . .
III. . .
I. . . II. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . . III. . .
Rezeptionen
Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener
Der Rechte Beflissener
Student der Rechte Studiert die Rechte Kammer Assessor in Hanau
Studiert Kammeralwissenschaft Studium der Kammeralwissenschaft Cammeral Wissenschaft
Russ. kaiserlicher Leutnant
Russischer Offizier Russ. Kaiserlicher Capitaine Russ. Kaiserl. Capitaine
Russischer Offizier Russ. Kaiserlicher Capitaine Stud. Jur. Russ. Kaiserl. Capitaine
Studiert die Gottesgelahrtheit Studiert die Rechte Das Studium der Rechte
Tätigkeit
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
623
Johann Conrad Fried- Osterode rich
Wilhelm Ludewig
Friedrich Ludwig Heinrich
Georg Philipp Ludewig Leonhardt
Christian Jacob
Johann Jacob
Johann Peter
Carl Friedrich
Johann(es)
Vordank (Vordanck)
Waagen
Waagen *
Wächter
Wagenseil
Wahnschaft
Waldeck (zum Mitgliede)
Walter
Warmers
Lüneburg
Riga
Kassel
Güstrow
Kaufbeuren
Uelzen
Göttingen
Göttingen
Sorg in der Herrschaft Asch
Carl Anton Philipp
Von Zetwitz (Zedtwitz)
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Ref.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Maler und Baumeister
Das Studium der Rechte Das Studium der Rechte Kandidat der Rechte
Stud. Med. Stud. Med.
Rittmeister
Tätigkeit
Das Studium der Theologie Das Studium der Theologie
Professor und Doktor der Rechte
Sänger am Mecklenburgischen Hofe
Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener
I. . . Stud. Theol. II. . . Stud. Theol.
II. . . III. . .
III. . .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . . Stud. Theol. II. . . Kand. Theol. III. . . Kand. Theol.
I. . . II. . . III. . .
I. . . II. . .
II. . .
Rezeptionen
624 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Georg Andreas Otto
Georg Heinrich Gust- Eldagsen aph
Georg Justus Rudolf
Ferdinand Ernst
Carl Friedrich
Johann Christian
Johann Joseph
Alexander Barthold
Friedrich
Heinrich Albrecht
Wedemeyer
Wedemeyer
Wackenesel (Weekenesel)*
Weichsel
Weichsell
Weltzien
Westenhoff * (Dienender Bruder)
Wiechers
Wiel
Wiese
Celle
Petersburg
Danzig
Arnshausen/ Eichsfeld
Riga
Erbach
Schönberg
Münden, Hannover
Göttingen
Stuttgart
Carl Friedrich
Weckherlin
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Studiert Medizin Studiert Medizin
Studiert die Rechte Der Rechte Beflissener Der Rechte Beflissener
Musket. beim Inf. Rgt. Sachsen Gotha
Doktorand der Medizin
Das Studium der Rechte
Kandidat der Rechte
Advocat und Notar
Studiert die Rechte
Kaufmann zu Göttingen Kaufmann in Göttingen Kaufmann
Der Rechte Beflissener
Tätigkeit
I. . . Kaufmann in Göttingen II. . . Kaufmann III. . . Kaufmann
I. . . II. . .
I. . . II. . . III. . .
. .
I. . .
I. . .
I. . .
. .
I. . .
I. . . II. . . III. . .
I. . .
Rezeptionen
Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
625
Christian Friedrich
Peter Heinrich
Friedrich August
Carl Gustav Friedrich Uslar
Philipp
Benjamin Friedrich
Witting
Wölber
Wolff
Wyncken
Ziegler
Zoorer
Stuttgart
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Luth.
Alt. Konf.
Arensburg auf der Insel Oesell
Nordhausen
Altenbruch bei Hannover
Alfeldt
Riga
Johann Jacob
Windhorst, . . in der Loge ‘‘Zu den goldenen Schlüsseln“ zu Berlin als Lehrling aufgenommen
Herkunft
Vorname
Name
Fortsetzung Tätigkeit
D. Medic und Landphysikus in Eschwege
I. . .
I. . .
I. . .
II. . .
I. . .
Stud. Jur.
Das Studium der Rechte
Kandidat der Rechte
Rector in Osterode (ist Professor in Halle) Rektor in Osterode
I. . . Das Studium der Rechte II. . . Der Rechte Beflissener
I. . .
II. . . Stud. jur.
Rezeptionen
626 Die Mitglieder des „Goldenen Zirkel“
Personenregister Ackermann, Joannes 397 – 399, 424, 425 Ahnemann, Johann Theophilius 339, 340, 341, 360 Althof, Ludwig Christoph 109, 253, 268, 337, 592 Anderson, James 59, 60, 68, 70, 203, 205, 206, 208, 209, 220, 223, 257, 295, 298 – 300, 307, 326 Arenhold, Adolf Johann Gustav 234, 301, 531 Avianus 227, 278 Bansa, Johann Conrad 191, 244 – 246, 281, 592 Bartels, Johann Heinrich 107, 108, 531 Becker (aus Sachsen) 213, 214, 304 Beckmann, Johann 370, 532 Behm, Arnold Heinrich Nicolaus 50, 108, 175, 178, 185, 186, 199, 236 – 238, 249, 259, 260, 261, 263 – 267, 283, 286 – 289, 324, 326, 329, 335, 353, 357, 362, 404, 405, 409, 410, 411, 414, 415, 419, 427, 502, 505, 593 Berntheuf(f)el, Carl Friedrich 186, 593 Betholz 108 Bode, Johann Joachim Christoph 55, 67, 109, 137, 365, 367, 429 Bodecker, Johann Friedrich Bernhard 445, 446, 448, 449, 452, 455, 457, 460, 533 Böhmer, Georg Ludwig 43 – 45, 309, 312, 399, 434, 435, 446, 447, 449, 461, 476, 534 Böhmer, Johann Franz Wilhelm 48, 400, 534 Böhmer, Georg Wilhelm 399, 400 Boie, Heinrich Christian 156, 534 Bor(c)kenstein, Levin Heinrich Leopold 102, 151, 152, 176, 192, 449, 452, 453, 457, 460, 534 Böse, Johann Philipp 149, 150, 449, 453 – 455, 457 – 461, 534 Brandes, August Michael 410 Brandes, Ernst 42 https://doi.org/10.1515/9783110621723-014
Brandes (Berlin) 198 Braunewaldt (Berlin) 338 Brüggemann, Benedikt Georg Friedrich 227, 536 Büchner, Johann Gottfried Sigismund Albrecht 119, 594 Bulmering (Bulmerincq), Johann Valentin 117, 594 Bürger, Gottfried August 3, 50, 51, 254, 265, 268, 595 Caspari, Johann Gottlieb 114, 115, 241, 242, 280, 595 Clemens XII. 44, 346 Compe, Friedrich Wilhelm 182, 183, 194, 258, 327, 328, 595 Compe, Heinrich Carl Bernhard 438 – 446, 448 – 450, 452, 453, 455 – 460, 463, 471 – 477, 537 de Choiseul-Praslin, César Gabriel 343 Diederichs (Diethrichs), Friedrich Gottlieb Carl 190, 246, 280, 596 Dieterich (Diederichs, Dietrichs), Georg Wilhelm 190, 326, 327, 596 Dieze (Dietz), Johann Andreas 90, 105, 126, 127, 168, 538 Domeier, Friedrich Wilhelm 256, 257, 283, 284, 289, 596 Domeier, Johann Friedrich 257 Donner, Johann Siegmund 224, 538 Droz 267, 597 Ehrhardt 266 Erdmann 233 Erxleben, Johann Christian Polycarp 318 Erxleben, Johann Heinrich Christian 132, 318, 319, 320, 321, 322, 354, 355, 540 Falcke, Ernst Friedrich Hektor 86, 380, 420, 462 Feder, Johann Georg Heinrich 3, 89, 143, 153, 166, 174, 254, 349, 375, 428, 430,
628
Personenregister
435, 438, 439, 447, 452, 453, 462 – 465, 468 – 471, 474, 476, 491, 498, 504, 540 Feder, Philipp 254 Feliciani, Lorenza 343 Fink (Hessen) 229 – 233, 277, 540 Fischer, Johann Heinrich 131, 541 Fleischmann, Johann Christian 90, 125 – 127, 137, 541 Floret, Engelbert Joseph 94, 541 Forster, Georg 394, 399, 541 Forster, Johann Reinhold 358, 394, 395, 483 Franckenberg (aus Böhmen) 304, 386 Frankenberg, Philipp Georg 118, 179, 185, 248, 281, 598 Friedrich Wilhelm I. 366 Frisberg 248, 249, 282, 332 Führing, August 209, 210, 542 Gädicke, Johann Christian 204 – 206 Gedicke, Friedrich 40 Gelbcke, Heinrich Christian Ludwig 255, 256, 599 Georg II. 30, 31, 486 Georg III. 36 Gesner, Johann Matthias 34 Giesecke, Johann August Stephan 396, 543 Gödecke, Johann Ferdinand 321, 322, 354, 355, 387, 543 Goethe, Johann Wolfgang von 36, 56, 93, 143, 152, 165, 204, 344, 367, 369 Gottsched, Johann Christoph 486 Grätzel, Johann Heinrich 29, 43, 487 Gravenhorst, Johann Wilhelm Christoph 230, 544 Gruber, Johann Daniel 30 – 32 Gruhlmann, Johann Conrad 237, 238, 288, 599 Gustav III. (Schweden) 323 Ha(a)(c)ken, Johann Carl Häfer 243 Hahn, Johann Friedrich 51 Hahn, Otto Conrad 333 – 335, 357, 600 Haller von Hallerstein, Samuel Carl Christoph 131, 545 Hanbury, Charles 50, 410, 411
Hanbury, John 410 Händler, Zacharias 243, 600 Harter, Johann Georg 237, 238, 288, 600 Hase (Haase), August Wilhelm 156 – 158, 193, 544 Hasselbrinck, Ludwig 132, 156, 157, 158, 193, 545 Heeren, Arnold Hermann Ludwig 99, 546 Heinecke 384, 546 Heinsius, Georg August Gabriel 118, 179, 267, 601 Heinsius, Georg Christoph 118, 179, 267, 601 Henze, Johann Carl Gottlieb 105, 431, 493, 546 Herrmann, Carl Gottlob Melchior 228 Heye, Caspar Ludewig Wilhelm 249, 282, 283, 284, 601 Heyne, Christian Gottlob 37, 51, 90, 125 – 127, 137, 195, 486 Heyne, Therese 399 Hildebrandt 225 Hill (Harburg) 417, 424 Hinrichs, Johann Christian 114, 115, 119, 177, 602 Hoffmann, Karl Andreas 159, 160, 192, 193, 195, 547 Hollmann, Samuel Christian 32 Hölty, Ludwig Christoph Heinrich 51 Hufeland, Christoph Wilhelm 152, 547 Hufeland, Gottlieb 152, 547 Hume, David 33 Hüpeden, Christian Gottfried August 243, 602 Hüpeden, Ludwig Anton 106, 449, 455, 547 Jäger, Daniel 90, 91, 95, 548 Jäger, Johann Heinrich 51, 109, 180, 185, 186, 199, 243, 244, 256, 257, 264 – 268, 274, 276, 283, 285, 288, 289, 329, 362, 406, 409, 412, 416, 422, 424, 427, 502, 505, 602 Jänisch, Gottfried Jacob 308, 309 Jänisch, Johann Joachim 306 – 309, 355, 361, 489, 548
Personenregister
629
Jordan, Johann Heinrich 250, 284, 289, 336, 337, 358, 497, 603 Jordt (Husum) 399, 548
Locke, John 33 Lüders, Carl David Heinrich Ludwig XV. 342
Keferstein, Christian Ernst 416, 421, 422, 603 Kellner, Heinrich Christian 250, 253, 549 Kellner, Johann Justus 242, 268, 603 Kleemann, Johann Carl Friedrich 334, 603 Kleemann, Johann Ernst Gottfried 245, 280, 334, 603 Klewitz, Johann Friedrich 333 Klinge, Ernst Friedrich Siegmund 176 – 178, 193 – 195, 264, 604 Kloss, Gottfried Heinrich 257, 604 Knorre, Otto Heinrich 248, 281, 604 Kolb, Albrecht 114, 604 Koppe, Johann Benjamin 3, 25, 27, 46 – 48, 89, 92, 97, 105, 119, 130, 143, 149 – 154, 156 – 159, 162 – 165, 167, 170, 172, 174, 175, 192, 193, 197, 199, 209 – 212, 214 – 221, 223, 269 – 272, 283, 288, 289, 296, 302 – 306, 309 – 316, 318 – 321, 348, 349, 351 – 354, 356, 359, 375, 379, 380, 384, 386 – 399, 419, 420, 425 – 432, 435, 441, 442, 444, 446, 464 – 466, 468 – 471, 474, 476, 491 – 501, 503 – 505, 550 Köpp(e), Ludwig Heinrich 184 – 186, 266, 604 Körber, Justus 98, 550 Krock, Johann Friedrich 108, 237, 241, 605 Kühling 399 Kuhls (Einbeck) 389, 423 Kühn, Carl Dietrich Otto 117, 175, 176, 193, 240, 241, 605 Küster, Ludwig Carl Georg 328, 605
Manditz, Jacob 131, 553 Marcard, Adolph Anton Friedrich 108, 114, 115, 119, 606 Marcard, Julius Johann Carl 107, 108, 179, 606 Marcard, Matthias Conrad Friedrich 108, 606 Marschall (Marschalck) 381, 420, 579 Martens, Georg Friedrich 266 – 268, 329, 606 Mauvillon, Jakob 64, 65, Mayer, Johann Tobias 187, 328, 606 Mehl, August 157, 158, 160, 554 Meine (Einbeck) 251, 282 Meiners, Christoph 31, 40, 371, 430 Meisner, Georg Ludwig Carl 107, 109, 257, 268, 416, 606 Mellart, Carl Christian 237, 241, 607 Meyer, Friedrich Johann Lorenz 114, 115, 119, 607 Meyer, Johann Heinrich Christoph 50, 177, 258 – 260, 261, 263 – 265, 286, 287, 289, 419, 607 Meyer (Böhmen) 304, 386, 387 Michaelis, Johann David 35, 36, 39, 381, 429 Miller, Johann Martin 50, 239, 607 Möller, Gustav 188, 189, 607 Muderich 339, 340, 360 Mühlenpford 230, 231, 278, 556 Müller, Christian Gottlieb Daniel 263, 608 Müller (Berlin) 415, 422
Lauer, Johann Friedrich Benjamin 93, 94, 551 Lauth, Johann Friedrich 225, 226, 551 Lenz, Ludwig Friedrich, 413, 414, 417 Leschen, Johann Georg 267, 605 Lessing, Gotthold Ephraim 3, 4, 5, 7, 8, 58, 138, 142, 294, 299 Lichtenberg, Georg Christoph 34, 40, 94, 255, 394, 486
114, 115, 606
Neyron, Peter Joseph 149, 150, 170, 210, 557 Nön(n)chen 115, 609 Norrmann, Gerhard Philipp Heinrich 414, 415, 422, 609 Öhlmann (Oehlmann) 186, 609 Ohm (Oom), Wilhelm 243, 244, 609 Olbers, Heinrich Wilhelm Mathias 46 – 48, 90, 91, 557
630
Personenregister
Oppermann, Heinrich 265, 267, 610 Oppermann (Mathematiker) 227, 278 Ordelin, Johann Friedrich 175, 176, 193, 241, 280, 610 Osann, Samuel Christian Gotthold 430, 472, 558 Ostmann (Hannover) 107 Otte, Johann Friedrich Christian 247, 280, 281, 336, 358, 610 Overbeck, Christian Adolph 50, 610 Paine, Thomas 383 Panse, Georg Heinrich 151, 225?, 226?, 558 Panse, Johann Carl 102, 152, 191, 192, 212, 225?, 226?, 558 Pellegrini, Calliostio (fiktive Person) 342, 343, 360 Pérau, Gabriel Louis Calabre 64, 71, 76, 83, 123 Pe(t)zold, Johann Ernst August 186, 611 Polchau, Friedrich Christoph 181 – 183, 194, 327, 328 Prichard, Samuel 64, 68, 69, 71, 77 Prin(t)zhausen, Johann Christian 264, 267, 268, 414, 611 Proffe, Johann Christoph 118, 253, 611 Pütter, Johann Stephan 39, 43, 398 Reichard, Heinrich August Ottokar 417, 418, 424 Reinhard, Friedrich Heinrich 149 – 151, 191, 192, 560 Rettberg, Johann Caspar Friedrich 132, 612 Richers, Joachim Nicolaus 156, 157, 560 Richter, August Gottlieb 3, 48, 86, 90, 104, 105, 152, 199, 254, 307, 349, 427, 435, 438 – 455, 457, 458, 460, 46 – 466, 468, 469, 472 – 477, 504, 560 Riesebeck, Johann Kaspar 370 Rinck, Christoph Friedrich 312, 369, 429, 495, 498 Rölfsen (Rolfsen), Johann Joachim 241, 613 Rosa, Philipp Samuel 61, 62 Rouby, Johann Jacob 182, 183, 327, 328 Ruhlender, Johann Hermann 100, 446 – 448, 451, 452, 464, 466, 468, 474, 504, 561
Rulfs (Einbeck) 47 Rü(h)ling, Georg Ernst
174, 430, 431, 561
Saint Germain, Der Graf von 342 – 345, 360 Scheller, Johann Daniel 274, 275, 324, 614 Schleiermacher, Ernst Christian Friedrich Adam 328, 614 Schlüter, David 242, 614 Schlüter, Wilhelm 242, 243, 614 Schmalz, Theodor Heinrich Anton 107, 117, 186 – 188, 417, 614 Schmutzer, Georg Friedrich 250, 251, 615 Schnaase, Paul 385, 386, 563 Schoeneborn 416 Schöne, Christian Hermann 384 – 386, 563 Schöne, Diethard 384, 563 Schörbing, Carl Magnus 180, 181, 194, 198, 615 Schröder, Friedrich Ludwig 86, 148, 171, 297 Schroeder (Schröder), Johann Friedrich 167, 378, 397, 438 – 440, 444, 449, 454 – 462, 469, 472, 473, 475 – 477, 564 Schroedter (Schrödter), Carsten Albrecht 121, 615 Schubarth, Johann Christian 45 Schücking, Christoph Bernhard 239, 279 Schultz, Carl Friedrich 330 Schumacher (Bremen) 214 – 217, 271, 272, 274, 314, 316, 354 – 356, 361, 500, 564 Schwartz 440, 441 Sextroh, Heinrich Philipp 171, 173, 174, 193, 197, 198, 218, 219, 272, 273, 276, 494, 565 Spener, Christian Friedrich 415, 422, 616 Spittler, Ludwig Timotheus 3, 27, 40, 48, 86, 89, 106, 141, 143, 151, 174, 197, 198, 199, 210, 218, 219, 227 – 232, 272, 273, 276, 278, 289, 371, 375, 376, 382, 383, 390, 419, 420, 426 – 460, 462 – 465, 468, 470 – 477, 491, 493, 494, 498, 501, 504, 505, 565 Sprickmann, Anton Matthias 51, 333 – 335, 357, 616 Starck, Christian Gotthilf 117, 616 Steinhol(t)z, August Wilhelm 178, 616
Personenregister
Stromeyer, Christian Friedrich 228, 231, 277, 567 Stromeyer, Ernst 228 Stuart, Charles Eduard 61, 347 Suther 257 Svenske, Arvid Theodor 115, 617 Tribile (Triebel) 321, 322, 355, 387, 568 Tychsen, Thomas Christian 152 – 156, 197, 370, 568 Überson, Johann Christian 212, 213, 568 Ulrich, Johann Christoph Gottlieb 153, 154, 170, 171, 173, 386, 390, 568 Vandenhoek, Abraham 37 von Adelebsen 168, 449, 569 von Baden, Friedrich Markgraf 312, 369 von Berg, Jacob Georg 236, 273, 296, 325, 570 von Berlepsch, Friedrich Carl Emilius Freiherr 228, 231, 277, 570 von Bernstorff, Hans Joachim 315, 316, 333, 421 von Bieberstein 61 von Blume, Wilhelm Georg Friedrich 151, 570 von Blumenfeld 322, 323, 570 von Bode 230, 231, 571 von Born, Ignaz 141 von Brandenburg-Ansbach, Karl Alexander Markgraf 343 von Brandis, Christian Wilhelm 239, 279, 619 von Brangel 236, 273, 325 von Braunschweig, Herzog Ferdinand 62, 379, 380, 381, 382, 383, 387, 394, 395, 411, 420, 475, 505 von Braunschweig, Herzog Karl I. 312, 313, 348, 496 von Brislowiz, Carl Wilhelm 253, 281, 619 von Brunn, Wilhelm Nicolaus Adam 108, 109, 619 von Butberg, Otto Christoph Baron 252, 253, 284, 619 von Closen, Carl August Wilhelm 50, 619 von Finck, Ernst 233, 234, 574
631
von Finck, Peter Christian 232, 233, 234, 574 von Floriancourt, Carl Chassot (Florancurt od. de Florencourt) 106, 161, 163, 169, 209, 318, 319, 322, 354, 355, 387, 388, 574 von Gemming(en), Ernst 212, 213, 574 von Haller, Albrecht 34, 486 von Hammerstein, Georg Gottlieb Maximilian 50, 258, 259, 261, 263, 279, 285 – 287, 327, 328, 350 von Hardenberg, August 384, 385, 576 von Hardenberg, Georg Ulrich 212, 576 von Hardenberg-Reventlow, Karl August Fürst 47, 210, 302, 432, 496, 500, 503, 576 von Helmolt, Hans Carl August 109, 110, 267, 268, 620 von Helmolt, Christian Georg 67 von Hessen-Kassel, Karl 343 von Hund und Altengrotkau, Karl Gotthelf 45, 61, 491 von Hundelshausen, Wilhelm Heinrich Friedrich Christian Philipp Albrecht 241, 620 von Johnson-Fünen, Georg Friedrich (Leucht, Johann Samuel) 61, 62, 63 von Klein(e) 325, 353, 577 von Klock, Conrad 265, 267, 620 von Knigge, Philipp Carl Freiherr 43 von Korff, Friedrich Alexander 320, 321, 577 von Lestwitz, Ernst 309, 310, 348, 496 von Mecklenburg-Strelitz, Herzog Karl II. 47, 310, 434, 437, 447, 456, 458, 463 von Mithof, Balthasar Friedrich 43 von Moltke, Graf Fritz 165, 166, 170, 192, 210, 491, 498, 579 von Mosheim, Johann Lorenz 34, 36 von Münchhausen, Gerlach Adolph Freiherr 31 – 34, 36 von Neufville, Mathias Wilhelm 225, 226, 579 von Nitsche 341, 342, 360 von Öttingen 236, 273, 325 von Pape, Georg Wilhelm August 210, 211, 580
632
Personenregister
von Pape, Heinrich Ludwig 210, 211, 432, 433, 437 – 440, 445 – 448, 456, 457, 459 – 461, 469, 470, 472, 473, 475, 476, 491, 498 von Pilow 158 von Ramdohr, Georg Johan Christian 265, 267, 621 von Reders, Friedrich Wilhelm 336 von Rodenhausen, Ludewig 315, 316, 333, 359 von Sachsen-Gotha-Altenburg, Ernst II. Ludwig 365, 368, 429, 485 von Scharnhorst, Gerhard David 51, 117, 187, 188, 613 von Scheither, Johann Heinrich 166 – 173, 193, 197 – 199, 207, 269, 289, 303, 498, 582 von Schevé, Adolph Ludwig Carl 187, 240, 241, 333, 334, 357, 622 von Schilling, Fabian Wilhelm 158 – 161, 163 – 165, 192, 193, 582 von Schlaf(f), Johann Jacob Carl 98, 99, 325, 353, 582 von Schlotheim, Ernst Friedrich 161 – 166, 170, 192, 197, 199, 207, 210, 211, 269, 289, 491 – 493, 498, 582 von Schlotheim, Freiherr Ernst Heinrich Ludwig 161 – 163, 165, 192, 210, 492 von Schlözer, August Ludwig 34, 42 von Segner, Johann Andreas 34 von Tatischeff, Alexei 176 – 179, 188, 193, 198, 488, 623 von Tatischeff, Nikitta 176 – 179, 188, 193, 198, 488, 623 von Vittinghof (Vietinghof), Fromhold Heinrich Baron 252, 253, 284, 289, 623 von Wickede (Wiekede), Nicolaus Otto 121, 190, 191, 623 von Württemberg, Karl Eugen Herzog 341 von Zetwitz (Zedtwitz), Carl Anton Philipp 121
von Zinnendorf, Johann Wilhelm Kellner 49, 50, 236, 237, 362, 411, 412, 415 Vordank (Vordanck), Johann Conrad Friedrich 132, 186, 242, 624 Waagen, Friedrich Ludwig Heinrich 253, 266 – 268, 337, 624 Wächter, Georg Philipp Ludwig Leonhardt 107, 109, 110, 624 Wackenesel (Weekenesel), Georg Justus Rudolf 183, 184, 194, 260, 263, 328, 625 Wacker, Johann Ludwig 36, 44 – 47, 143, 149, 198, 285, 309, 310, 312, 348, 378, 388, 419, 431, 432, 449, 457, 460, 465, 466, 496, 587 Wahnschaft, Johann Jacob 175, 176, 188, 193, 624 Walter, Carl Friedrich 115, 624 Weichsel, Ferdinand Ernst 255, 625 Weichsel(l), Carl Friedrich 253 – 256, 282, 625 Weiss (Weiß), Friedrich Wilhelm 168, 169, 587 Wichelhausen, Engelbert 46, 588 Wiese, Heinrich Albrecht 118, 120, 179, 267, 625 Wiese, Johann Heinrich 131, 589 Wilkens, Johann 384 – 386, 589 Willich, Friedrich Christoph 223, 430 – 438, 440, 442 – 455, 457, 459 – 466, 468 – 476, 504, 589 Wolf(f), Friedrich August 41, 184 – 186, 193, 198, 266, 626 Zoorer, Benjamin Friedrich 333 – 335, 357, 626 zu Mecklenburg-Strelitz, Herzog Karl II. 47, 310, 434, 447, 458, zu Stolberg-Stolberg, Graf Christian 156, 193 zu Stolberg-Stolberg, Graf Friedrich-Leopold 156, 193