Litterarischer Nachlass. Band 1 Zu Homer: (Geschichte der homerische Poesien, erstes und zweites Buch. Nebst Bruchstücken homerischer Studien) [Reprint 2018 ed.] 9783111585208, 9783111211855


183 96 23MB

German Pages 338 [340] Year 1851

Report DMCA / Copyright

DOWNLOAD PDF FILE

Table of contents :
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Erstes Buch. Die Ueberlieferung des Alterthums von Homer
Zweites Buch. Der Ursprung der homerischen Gedichte
Recommend Papers

Litterarischer Nachlass. Band 1 Zu Homer: (Geschichte der homerische Poesien, erstes und zweites Buch. Nebst Bruchstücken homerischer Studien) [Reprint 2018 ed.]
 9783111585208, 9783111211855

  • 0 0 0
  • Like this paper and download? You can publish your own PDF file online for free in a few minutes! Sign Up
File loading please wait...
Citation preview

Geschichte der homerischen Poesie von

J u l i a s F r a n z Lauer.

Erstes und zweites Buch.

Nebst Bruchstücken

Berlin,

homerischer

Studien.

1851.

Druck und Verlag von G. R e i m e r .

Litterarischer Nachlas» von

Julius F r a n s Lauer.

Erster Band.

Zu Homer.

Herausgegeben von

Theodor Beccard und Martin Hertz.

Berlin,

1851.

Druck und Verlag von G. R e i m e r .

V o r w o r t .

D i e litterarische Hinterlassenschaft eines in der Blüte seiner Jahre verstorbenen Gelehrten ist es, deren ersten Band wir hierdurch dem Publikum übergeben. Er iimfasst die erste Hälfte eines grösseren Werkes, einer Geschichte der homerischen Poesie, von welcher bei dem Tode des Verfassers bereits zwölf Bogen gedruckt wa ren, und einige auf Homer bezügliche Aufsätze: der zweite Band, dessen Herausgabe sich ein anderer Freund des Verewigten unterzogen hat, wird Hefte und Abhandlungen zur Mythologie enthalten. Nicht ohne tiefe Wehmnth schicken wir uns an einige einleitende Worte den Werken des dahingeschiedenen Freundes voranzustellen: denn noch kein Jahr war seit seinem Tode verflossen, als vor wenigen Wochen an zwei hintereinanderfolgenden Tagen die beiden hochverehrten Lehrer und Freunde L a u e r s starben, die, wie sie seinen Studien die Bahn angewiesen und die Richtung gegeben hatten, so auch jetzt ihnen den Stempel der Anerkennung aufdrücken wollten: denn L a c h m a n n hatte

VI

die Vorrede zu diesem,

Stuhr

die Vorrede zu dem

zweiten Bande zu schreiben unternommen.

Jetzt müs-

sen wir darauf verzichten, den Arbeiten unseres Freundes schon durch den Namen der Bevorwortenden Empfang und Willkommen bereitet zu sehen:

sie müssen

nun durch ihren wissenschaftlichen Werth allein Interesse erwecken

und Bedeutung

erringen.

Wir wollen

und dürfen nichts Anderes, als in schlichten Worten Theilnehmenden kurz berichten über den Verfasser, über seine Arbeiten und Plane, über die Herausgabe dieser Studien. J u l i u s F r a n z L a u e r gehörte die

durch

Kraft

des

Willens

und

zu

den

Tiefe

Naturen, des

sittli-

chen Ernste* den Kampf mit einem von Natur schwachen und bestandig kränkelnden Körper zu überwinden wissen

und die jedem anderen Genüsse entsagen, um

sich den Genuss wissenschaftlicher Forschung und Arbeit möglich zu machen. Geboren am 2ü. Julius zu Anklam,

wo

sein

Vater

noch

als

ein

1819

geachteter

Kaufmann lebt, war er schon während seiner Jugend, die er als Schüler auf dem Gymnasium zu Neu-Ruppin zubrachte, zu längeren Versäumnissen des Schulbesuchs genöthigt. Ebenso mussten seine Universitätsstudien, die er im Herbste 1 8 3 8

begann,

mehrfach durch

Reisen

und längeren Aufenthalt im älterlichen Hause und

auf

dem Lande unterbrochen werden, um neue Kräfte zur Fortsetzung der wissenschaftlichen Laufbahn zu g e w i n nen.

Die Erfassung des klassischen Alterthums hatte er

sich zum Lebensberufe bestimmt: hieselbst und in L e i p zig lag er dem Studium desselben mit Ernst

und

mit

TU

Eifer ob: an letzterem Orte während des Jahres 1840— 1841 unter der Leitung des ehrwürdigeu G o t t f r i e d H e r m a n n und Moriz H a u p t s , so wie des der Wissenschaft auch zu früh entrissenen W i l h e l m A d o l p h B e c k e r . In Berlin schloss er sich den philologischen Meislern B ö c k h und L a c h m a n n an, trieb aber neben den philologischen Studien auch geschichtliche und philosophische; S t u h r s Vorträge und der Umgang mit dem geistreichen und anregenden Lehrer gewannen ihn zugleich' für Erforschung der Mythologie.

Besonders

war es die griechische Sage, die den Mittelpunkt seiner wissenschaftlichen Thatigkeit bildete, und im Zusammenhange damit stand seine beständige und eindringende Beschäftigung mit der homerischen Poesie. Die Frucht dieser Studien war seine 1S43 erschienene Abhandlung: „Quaestiones Homericae. Quaestio prima: de undeeimi Odvsseae libri forma germana et patria", die ihm mit ehrenvoller Auszeichnung den Doctorgrad von der philosophischen Facullat der hiesigen Universität erwarb. Sie legte Zeugniss ab von der selbstständigen Forschung und Auffassung L a u e r s ,

der

darin

ebenso

geistreich, als mit gründlicher Gelehrsamkeit den Be^ weis zu führen versuchte, dass die Nexvia

einst ein

gesondertes Lied gewesen, dessen Heimath in Böotien zu suchen sei.

Im April des Jahres 1846 habililirte

er sich hier als l'matdocent durch eine Antrittsvorlesung über die Bedeutung des mythologischen Studiums, mit besonderem Bezüge auf die wissenschaftlichen Forderungen der Gegenwart, nachdem er sich der Facultät

VIII

durch Einreichung einer Abhandlung „Untersuchungen über die Bedeutung und Geschichte der Odysseussage" und durch eine Vorlesung „über die augeblichen Spuren einer Kenntniss von dem nördlichen Europa im Homer" vorgestellt und empfohlen hatte.

Griechische

Mythologie und Einleitung in die epische Poesie der Griechen und hier wieder namentlich Einführung in die homerischen Gesänge und Erläuterung derselben bildeten den Kreis seiner Vorträge: denselben auf Vorlesungen

über griechische Privatalterthümer, über die

Ethik der Griechen und über ihre dramatische Poesie zu erweitern, beabsichtigte er und halle reiche Sammlungen

und Vorarbeiten dazu gemacht.

Aber

stete

Kränklichkeit, auf einem unheilbaren Herzleiden beruhend, hemmte diese Ausdehnung seiner akademischen Thätigkeit.

Auch die sorgsamste Pflege, die ihm seine

nur wenige Monate mit ihm verbundene Gattin in liebevoller Treue widmete, vermochte keinen Einhalt zu thun: seine Kraft schwand zusehends.

Er suchte Er-

holung und Stärkung in der Heimat; aber schon wenige Tage nach seiner Ankunft, am 22. März 1850, rief ein sanfter Tod ihn ab.

Ein ehrendes Andenken bei

Allen, denen er näher getreten, sichern ihm seine edle und liebenswürdige Persönlichkeit, sein wahrhaft sittlicher Charakter, sein unablässiges und ernstes wissenschaftliches Streben.

Die Studirenden wusste er nicht

mir durch Tiefe und Ausdehnung des Wissens

und

durch die treffliche und sorgfältig gefeilte Form seiner Vorträge zu fesseln, sondern auf einen engeren Kreis,

IX

der ihm näfeer trat, übte er durch das Eingehen Mf die Studien 'und Interessen der Einzelnen aoch auiserhalb des akademischen Verkehrs einen fördernden and bildenden Einfluss. Für den Gebrauch seiner Zuhörer zunächst hatte er auch einen Grundriss zu einem System der griechischen Mythologie bestimmt, von dem im Laufe des Wintersemesters 1819—50 fast zwei Bogen als Manuscript gedruckt sind. Auf der letzten Seite des zweiten Bogens bricht der Satz ab: zunehmende Schwäche gestattete dem Hinwelkenden nicht, auch nur so viel Manuscript in die Druckerei zu liefern, als zur Ausfüllung der leeren halben Seite nothwendig war. Auch das Werk, das die Hauptresultate seiner vieljährigen homerischen Forschungen umfassen sollte, seine Geschichte der homerischen Poesie, war ihm nicht gestattet abzuschliessen, ebenso wenig die Sammlung homerischer Aufsätze, der er den Titel „Homerische Studien" bestimmt hatte. Von beiden Schriften wird gleich eingehender zu reden sein. Zur Ausführung anderer umfassender Plane finden sich in seinen Papieren nur Andeutungen und Sammlungen. Vieles hatte er zu unternehmen sich vorgesetzt; ein Zettel von seiner Hand geschrieben giebt Auskunft über den Gang, den er seinen ferneren Studien vorgezeichnet hatte und die Werke, die er im Verfolge derselben zu bearbeiten gedachte; danach hatte er zu schreiben sich vorgesetzt: Pallas Athene. Eine mythologische Untersuchung; Ansichten über einige Punkte aus der Urgeschichte der Menschheil; die griechische Ethik; ein System der griechischen

X

Mythologie: diese hatte er auf vier, die Eltak auf zwei Bände berechnet; daran sollte sich ein dreibändiges Werk „der Untergang des Heidenthums und sein Fortleben im Christenthum" reihen (Uber seine Auflassung dieses Stoffes finden sich andeutende Winke im Eingange zu der gleich zu erwähnenden Recension des S o mm e r sehen Büchleins Uber Theophilus), endlich eine Physiologie der Sage, und zwar aller Sage nicht bloss der griechischen.

In stillem, geräuschlosem, stetigem

Fortarbeiten würde er diese Plane auch durchgeführt haben, wenn das Schicksal ihm längeres Leben vergönnt hätte: jetzt hat er ausser den genannten, sämmtlieh unvollendeten Schriften (denn auch von den Quaestiones Homericae ist ja nur ein erstes Stück erschienen) nur einzelne Aufsätze publicirt, namentlich eine Reihe von Anzeigen in den Jahrbüchern ftir wissenschaftliche Kritik: sie betreffen die Schrift von Z e l l über die Utas und das Nibelungenlied (184-3 II. November. Nr. 88 fg. S.7(M — 711), den ersten Band von H o f f m a n n s Quaestiones Homericae (1843 II. Decbr. Nr. 11 3 fg. S.900— 907), des gleichfalls in der Blüte seiner Jahre vor Vollendung seiner umfassenden litterarischen Pläne da~ hingeschiedenen trefflichen und hoffnungsreichen Freundes S o m m e r Abhandlung de Theophili cum diabolo foedere (1844 II. Novbr. Nr. 9 3 — 95. S. 741 —756), endlich E c k e r m a n n s Lehrbuch der Religionsgeschichte und Mythologie (1845 II. Novbr, Nr. 81—83. S.640— 664); eine Abhandlung

mythologisch-archäologischen

Inhalts „Athene mit dem Widder" findet sich in G e r -

XI

h a r d s Denkmälern und Forschungen Nr. 3. 1849 Mörz S. 22—27. Ueberall Keime, Ansätze, Biiiten — gezeitigter Frucht wenig.

Denn L a u e r producirte zögernd

und sorgfältig: mit emsiger Beharrlichkeit sammelte er gelehrtes Material, mit Sauberkeit und Genauigkeit verarbeitete er es, mit Aengstlichkeit fast feilte er das Geschriebene: alles Unfertige, Unschöne stiess ihn zurück: er beklagte es (Jahrbb. f. wisssch. Kr. 1845. II. S. 643), dass die Kunst des Stils jetzt immer seltener würde; j e d e r schreibt nach seinem eignen Gutdünken nicht blos was, sondern auch wie es ihm iu den Mund kommt und tischt sein gedrucktes Ragout dem Publikum auf." Seine eigenen Darbietungen sollten auch in der Form vollendet sein. Die Rücksicht auf L a u e r s Ansichten in diesem Punkte mussle für uns bei der Herausgabe seines Nachlasses maassgebend sein. Nur das auch äusserlich zum Abschlüsse Gediehene durften wir zur Veröffentlichung auswählen. Was zunächst die Fortsetzung der Geschichte der homerischen Poesie anlangt, so mussten wir auf die Mittheilung des dritten und vierten Buches derselben verzichten, die nur in andeutungsweiser Bearbeitung für den akademischen Vortrag vorlagen: jenes „Der epische Kyklos" sollte in der beabsichtigten Ausführung nach dem vorliegenden Plane L a u e r s zwei Kapitel enthalten, deren erstes Begriff and Umfang des epischen Kyklos und das Verhältniss. der Kunstdichtung zur Volksdichtung abhandeln sollte, während das zweite „die Gedichte des epischen Kyklos" der

Betrachtung

XII

unterzogen

halte; dieses w a r für die „Geschichte der

homerischen Dichtungen" bestimmt. L a u e r wollte dieselbe nach fünf P e r i o d e n gliedern;

die erste P e r i o d e

sollte die Zeit von den Horaeriden bis Peisislratos

um-

fassen (850 — 530), die zweite von Peisislratos bis auf Zenodot reichen ( 5 3 0 — 2 8 0 ) , bis zum Untergänge v. Chr. —

des

4 7 6 n.Chr.),

die dritte \ o n

weströmischen

Zenodot

Reichs

;280

die vierte von dahin bis zum

Untergange d e s byzantinischen Reichs (476—-1453;, die fünfte endlieh vom W i e d e r a u f l e b e n der Wissenschaften bis auf u n s e r e Zeit. Diese hatte er w i e d e r in drei Abschnitte getheilt:

die Zeit

der Drucke,

die Zeit

der

ästhetischen und exegetischen Behandlung, die Zeit d e r Kritik. Das zweite Buch d a g e g e n , bereits im Drucke begonnen, konnten wir

zum Abschlüsse

bringen:

ausser

einigen Blättern druckfertigen Manuscripts stand uns zu diesem Z w e c k e die o b e n e r w ä h n t e Habilitationsschrift und ein Aufsatz „Homer welche L a u e r

und

die Kreophylier" zu

selbst bereits

Gebote,

zum Theit in sein Werk

verarbeitet hatte und w e i t e r in dasselbe verarbeitet haben w ü r d e .

Das N ä h e r e

über

die Benutzung

dieser

Hilfsmittel haben wir an seinem Orte ; S . I L L ANM. HIN. gesagt. Wir selbst h a b e n w e d e r V e r ä n d e r u n g e n \ orgenomuien noch Lücken z u g e d e c k t : u n s e r Beruf w a r nui für die Treue d e r W i e d e r g a b e zu s o r g e n , nicht unizu schmelzen o d e r gar anzufügen. Den Rest

dieses Bandes

bilden

Fragmente

\ii

L a u e r * bereits o b e n e r w ä h n t e n homerischen ^tudoT.

XIII

die nach der Absicht des Verfassers folgende Aufsätze umfassen sollten: 1. Ueber den Ursprung der Sagen und die Darstellung der homerischen. II. Ueber die Bekanntschaft Homers mit dem nördlichen Europa. III. Odvsseus und der heilige Rock zu Trier. IV. Die homerische Thierwelt.

V. Bezog sich des Achaios Satyrdrama A'i&cov

wirklich auf Odysseus? VI. Ueber Horn. Od. 1, 328 bis 384-,

VII. Der Charakter des Odysseus bei den griechi-

schen Tragikern.

VIII. Ueber den siebenjährigen Aufent-

halt des Odysseus auf Ogygia. IX, Die Träume bei Homer. X. Kreuzfahrt des Grafen Raimond du Bosquet oder Kenntniss der Odyssee im südlichen Frankreich gegen Ende des X. Jahrhunderts.

Zu diesen Aufsätzen allen

fand sich in L a u e r s weitschichtigen Collectaneen mehr oder minder vollständiges Material, hie und da war die Ausführung begonnen: druckfertig erschien nur der zweite in Form der im Jahre 1846 vor der Facultät gehaltenen Vorlesung und ein Bruchstück des siebenten, das den Odysseus bei Sophokles zum Gegenstande hat.

In

Bezug auf den ersteren aber halten wir für Pflicht zu erinnern, dass er in seiner jetzigen Gestalt vier Jahre vor L a u e r s Tode niedergeschrieben ist und dass derselbe, wie wir vermuthen, in einem oder dem andern Punkte wohl später seine Ansicht geändert hat. Mit diesen Aufsätzen haben wir unter demselben I'itel zwei andere vereinigt, die zwar Bruchstücke eines Collegienheftes über die Odysseussage, aber von so eigentümlicher Auffassung sind, dass wir ihren Abdruck glaubten verantworten zu dürfen, während wir andere

XIV

minder originelle und gefeilte Partien auch dieses Heftes zurückhalten.

Die hier mitgetheilten Abschnitte be-

handeln die Volkssage vom Odysseus und den homerischen Charakter desselben. Umfassender wird derselbe Stoff in Verbindung mit einer die im Wesentlichen

dem

allgemeinen Einleitung,

ersten Kapitel

des zweiten

Buchs der Geschichte der homerischen Poesie entspricht, und mit der Betrachtung der troischen Sage in einem andern Manuscript behandelt, das gleichfalls dem Forscher manchen eigenthümlichen Gedanken, manche willkommene Noliz bietet, aber nicht ausgeführt genug ist, um vor das Publikum treten zu können. Ausserdem bildet den Nachlass eine Reihe von Heften, Aufsätzen, Excerpten

und Collectaneen

über fast

alle Punkte

der

homerischen Frage, namentlich ein überaus reiches und sorgfältiges Verzeichniss der homerischen Litteratur, das die gänzliche Unzulänglichkeit des N e t t o sehen Versuches auf den ersten Blick erkennen lässt.

Alle diese

Papiere sind von den Hinterlasseneu L a u e r s der hiesigen Universitäts-Bibliothek geschenkt worden und so ist wenigstens dafür gesorgt, dass den Mit- uud Nachforschern die Früchte der Thätigkeit unseres entschlafenen Freundes zu Gute kommen.

Möchten geschickte

Hände diesen Schatz heben, möchte vor Allem der Geschichte der homerischen Poesie ein gleich fähiger und gleich eifriger Fortsetzer erstehen. B e r l i n , am 12. April

1851.

Theodor Beceard. JtKartln Hertz,

Inhaltsverzeichnis^

I.

Geschichte der homerischen Poesie. zweites Buch.

Erstes und

Kiinleitung. Seite 1—68. Erstes Blich: Die Ueberlieferung des Alterthums von Homer. S. 69—130. Erster Abschnitt: Die Quellen und Hülfsmittel. S. 69 — 84. Zweiter Abschnitt: Das Vaterland des Homer. S. 84—114. Dritter Abschnitt: Das Zeitalter des Homer. S. 115 — 130. Zweites Buch: Der Ursprung der homerischen Gedichte. S. 131 bis 244. Krster Abschnitt: Der Ursprung des Stoffes. S. 131 —180. Kap. 1. Das objective Element der Sage. S. 131 —174. Kap. 2. Das subjective Element der Sage. S. 174—180. Zweiter Abschnitt: Der Ursprang der Form. S. 180 — 244. Kap. 1. Die qualitative Form. S. 180—188. §. 1. Die Wahl de« Stoffes. S. 180 — 185. §. 2. Die Umwandlung des Stoffes. S. 185 — 188. Kap. 2. Die quantitative Form. S. 188 — 244. §. 1. Ursachen. S. 188 — 190. § . 2 . Mittel. S. 190 —194. § . 3 . Gestalt. S. 194—198. § . 4 . Urheber. S. 198 —244.

Einleitung. E s ist nach so vielen abmahnenden Versuchen gewiss eine schwierige und gewagte, aber freilich gerade deshalb auch um so anziehendere Aufgabe, dem Ursprünge und der Entwicklung der homerischen Poesie nach zu spüren, sie auf ihrem Wege von den ersten Keimen an, wenn es möglich wäre, bis auf unsre Zeit zu verfolgen. Länger schon als zwei Jahrtausende sind die beiden grossen Dichtungen, welche den Namen Homers zu einem so erhabenen gemacht, Gegenstand eifrigen wissenschaftlichen Forschens gewesen und doch bis jetzt fast nur geblieben was sie waren: zwei ungelöste Räthsel. Eine solche Erfahrung scheint allein hinreichend, um Muth und Selbstvertrauen sinken zu machen und von einem Unternehmen zurückzuschrecken, welches so wenig Aussicht auf Erfolg gewährt Oder sollte es die Zuversicht in unsre Kraft nicht schwächen, wenn wir sehen, dass das Alterthum selbst, dem ungleich ergiebigere Quellen, als uns, für diese ganze Untersuchung geflossen haben müssen, zu keinem festen und in sich übereinstimmenden Resultate weder über den Verfasser der Ilias und Odyssee, noch über die älteste Geschichte dieser Epen zu gelangen vermochte? Nur eines oberflächlichen Blickes auf Lauer Gesch. d. bomer. Poesie.

1

2 die homerischen Studien des Alterthums bedarf es, um sich hiervon zu überzeugen.

Obgleich den Alten vieles zu Ge-

bote stand, dessen wir entrathen, haben sie dennoch sicheres nicht ermittelt. Wisssen.

Reich an Stoff blieben sie arm an

Es wusste das Alterthum nichts von Homer, wie

viel es auch wusste. Von den Bestrebungen der neuern Zeit ist wenig ermuthigenderes zu sagen.

Statt die Frage nach dem Ur-

sprünge der homerischen Gedichte über den Standpunkt, auf welchem das Alterthum sie uns hinterliess, hinauszuführen, hat man sie entweder um nichts gefördert — indem man sich begnügte die Angaben und Meinungen der alten Schriftsteller darüber zu sammeln, höchstens mit sehr unerheblichen Bemerkungen zu begleiten — , oder geradezu noch mehr verwirrt — indem man sie in einer Weise beantwortete, welche gleich sehr der Ueberlieferung wie dem gesunden Urlheile widerspricht.

Es Jag in beiden Füllen

die Schuld vornemlich an der falschen Stellung, welche man der Tradition des Alterthums von Homer gegeben oder zu ihr eingenommen hatte.

Erst F. A. W o l f s ewig grosse

Prolegomenen haben die Untersuchung einen beträchtlichen Schritt weiter geführt, ihr neue Bahnen eröffnet.

Indem

Wolfs vorzugsweise negative Kritik dem Ansehn der Ueberlieferung, welche bisher einen ungemessenen und darum schädlichen Einfluss auf die Forschung ausgeübt hatte, vielleicht mit all zu grosser Strenge entgegentrat, richtete sie den Blick auf die homerischen Gedichte selbst als auf die zuverlässigsten Quellen, aus denen man Kunde von ihrem Ursprünge und ihrer ältesten Geschichte schöpfen müsse. Was seitdem über Homer geschrieben ist hat zumeist die von Wolf eingeschlagene Richtung weiter verfolgt

oder

näher bestimmt, ohne jedoch bis zu einem einheitlichen Ergebnisse gelangt zu sein.

Vielmehr stehen sich auch jetzt

3 noch die beiden Parteien, von denen die eine die Tradition, die andere die Gedichte zu ihrem Ausgangspunkte nimmt, so abschliessend gegenüber,

dass die Entscheidung

für

eine derselben eben so gewagt, als eine Vermittelung beider schwerig, ja unmöglich erscheinen muss.

Wenn man

unter solchen Umstünden von einein Vorhaben abliesse, dessen Zweck es ist nicht blos eine historische Uebersicht über das was alte und neue Gelehrte über Homer berichtet g e dacht oder geurtheilt haben, sondern zugleich auf Grundlage der bisherigen Forschungen eine selbständige Darstellung namentlich des Ursprungs und ersten Bestehens der homerischen Gedichte zu geben, so würde das nur zu natürlich sein.

Man hat zu fürchten, dass man irrt wie andre vor

uns, oder dass man, einer Partei den Vorzug gebend, es mit der andern, oder endlich, wenn man beiden gerecht werden will, es mit beiden verdirbt. Dazu kommt dass erst vor kurzem noch einer der kompetentesten Richter

geur-

theilt hat, dass er nicht wisse ob die homerische Frage nicht schon weiter gefördert sein konnte, wenn man, mit minderem Aufwand von Gelehrsamkeit und Theorie, nicht alles auf einmal aus den ersten Gründen zu erforschen versucht hätte, den Ursprung und die Ausbildung der troischen Sagen, die Entstehung von Liedern über die troischen Begebenheiten, und die Entstehung

der

beiden

homerischen

Gedichte. Wenn ich es dennoch trotz so vieler abmahnenden Stimmen wage eine Geschichte der homerischen Poesie von ihren ersten Anfangen bis auf unsre Tage zu schreiben, so geschieht es weder aus Unbckanntschaft mit ihren Schwierigkeiten noch aus Ueberschätzung der eigenen Kraft. Aber der Reiz, die Anziehungskraft eines solchen Unternehmens ist grösser, als die Gefahr dabei.

Gerade weil sein Gegen-

stand ein so dunkler und bisher so wenig aufgehellter ist, 1*

4 hat es etwas unendlich verführerisches und fordert, wie oft man sich verzweifelnd von ihm wende, immer von neuem unsem Muth heraus.

Zu ergründen woran das Alterthum

vergeblich sich abmühte und womit man auch in neuerer Zeit unausgesetzt, aber in widersprechendster Weise beschäftigt gewesen ist, darf wohl für eine bei allen Schwierigkeiten allen Gefahren anziehende und lohnende Aufgabe gelten; und dies um so mehr als die homerischen Gesänge die ältesten Denkmale der ganzen griechischen Litteratur sind.

Aus einer dunklen unbekannten Vergangenheit, von

der nur einige sagenhafte Töne zu uns herüberklingen, treten uns mit einem Male jene dichterischen Schöpfungen entgegen, die in der ganzen nachfolgenden Zeit des griechischen Lebens nicht ihres Gleichen gefunden haben, viel weniger noch über troffen worden sind. Wie entstanden sie? welche Einflüsse, welche Begünstigungen haben an ihrer Hervorbringung mitgewirkt? wann und wo wurden sie gedichtet? wer war der grosse Geist, der sie verfasste? das sind Fragen, die sich uns wieder und wieder aufdrängen, deren Beantwortung wir mit ganzer Seele wünschen.

Je

mehr sich aber der Dichter und seiner Gesänge Ursprung unsem Augen entzieht, je mehr ihn das Zwielicht verblichener Erinnerungen umschlei ert, um so mehr fühlen wir uns gereizt es zu erhellen, mit unserem Blicke die Dunkelheiten zu durchdringen, die uns den Gegenstand unserer Wünsche verdecken. Dieses Verlangen wird wesentlich erhöht durch die Wahrnehmung, dass wir fast keinen Theil des ganzen hellenischen Lebens betrachten können, ohne auf Homer zurückgeführt zu werden: ein so bedeutendes Element in demselben machte er aus.

Werfen wir einen Blick auf diese

Stellung, welche Homer einnahm, und auf den Einfluss, den er dadurch ausgeübt hat.

5 Seit den frühesten Zeiten und von Anfang an waren die homerischen Gesänge dem Volke gesungen, in den Städten, in den Häusern der Fürsten und an den Götterfesten vorgetragen worden').

Einige Jahrhunderte später finden

wir sie als G e g e n s t a n d d e s U n t e r r i c h t s in d e n S c h u len.

Sollten auch jene Sagen, denen zufolge Phemios und

Homeros als Schulmeister sich ihren Unterhalt verdienten, einer zu jungen Zeit angehören, um dafür zu zeugen, so scheint doch der bekannte Vers des Xenophanes aus Kolophon

X*is

'O/jrjQüf ènei

fiepaihjxaoi

näyieg *)

kaum auf etwas anderes bezogen werden zu können, als auf einen Unterricht der Jugend im Homer').

Bestimmter ist

ein solcher nachweisbar für die Blüthezeit Athens, in welcher nicht blos Sophisten und Rhapsoden junge Leute im Homer unterrichteten, sondern dasselbe auch in den Schulen stattfand 4 ).

Aus Xenophons Gastmahl (cp. 3, 5 sq.) er-

fahren wir, dass Nikeratos, damit er ein tüchtiger Mann würde, von seinem Vater gezwungen worden war, den ganzen Homer auswendig zu lernen, so dass er ihn hersagen konnte, und dnss er dem Stesimbrotos und Anaximandros und Andern viel Geld gegeben hatte für ihre allegorische Erklärung des Homer.

Von Alkibiades wird erzählt'), dass

er einen Schulmeister, bei welchem er vergeblich nach einem Exemplar des Dichters gefragt hatte, mit einer Ohrfeige gestraft und einem andern, der sich rühmte einen von ihm verbesserten Homer zu besitzen, entgegnet habe : warum ') S. unten B. IV. Abschnitt I. Erate Periode. ') Bei Herodian. ntpi iii/p. [>. 366 Lehr«. (296 Cram.). Draco Strat. de metr. p. 33. 3 ) W e l c k e r der epische Cycliu. Bonn 1835. 8. p. 186. 4 ) Vgl. F. C r a m e r Geschichte der Erziehung and de» Unterrichts im Alterthume. Bd. 1. Elberfeld 1833. 8. p. 282 sq. s ) Plutarch. Alcib. cp. 7. Apophtheg. p. 186 E. Aelian. V. H. XIII, 38.

6 lehrst Du denn die Fibel und unterrichtest nicht lieber Erwachsene, wenn Du doch den Homer zu verbessern im Stande bist?

So sagt denn auch Isokrates'): ich glaube,

dass die homerischen Gesänge einen um so grösseren Ruhm erlangt haben, weil sie so schön die gegen die Barbaren Kämpfenden verherrlichen, und dass deshalb unsre Vorfahren diesen Dichtungen eine so ehrenvolle Stellung sowohl bei den musischen Wettkämpfen als auch bei der Unterweisung der Kinder haben geben wollen, damit wir, die wir so vielfach diese Lieder hören, Hass gegen die Barbaren daraus lernen und den Tugenden der vor Troia Kämpfenden nacheifern möchten."

Plato, dem von seinem philosophischen

Standpunkte aus diese Bedeutung Homers bei dem Unterrichte und der Erziehung der Jugend missfallen musste 7 ), 6

) Panegyr. 139. ) Ueber Piatos ungünstiges Urtheil über Homer hatte Ailios Serapion geschrieben (l tfixctiuts rD.it.jiav "OfitiQov anintfiipe zrj( 710X1reias (Suid. s. v.), Dio Chrysostoinos vnin 'Ofxrjnov 7rpof W.ujiova (T (Suid.). Des Maximus aus Tyrus Diss. XXIII. betrifft gleichfalls die F r a g e tl xal.tüi IO.i'aoiv "Oftijnov rrj( noimiai nttQtiT^aetjo. Vgl. G. P a q u e l i n Apologeme pour le grand Homere contre la reprehension du divin Piaton sur aucuns passages de celui. Lyon 1377. 4. C o u t u r e Sentiment de Piaton sur la poesie (Hist. de l'Acad. d. lnsrr. Tom. I. p. 215—219 ed. 4.). A. M. R i c c i u s de Piatone Homerum e republica dimittente (Dissertatt. Homericae. Tom. I. F l o rent. 1740. 4. no. V ; ed. Born. Lips. 1784. 8. p. 42—49). D. B e c k Examen cansarum cur studia liberalium artium imprimisque poeseos a philosophis veteribus aut neglecta aut impugnata fuerint. Lips. 1785. 4. — F . A. W i e d e b u r g Ueber die Vorwürfe die Plato den Dichtern macht. Heimst. 1789. 4. — C. L. P ö r s c h k e de Piatonis sententia poetas e republica bene constituta expellendos. Regimont. 1803. 4. — R. S c h r a m m Plato poetarum exagitator s. Piatonis de poesi poetisque judicia. Vratislav. 1830. 8. — Auf der andern Seite fehlt es nicht an Vergleichungspunkten zwischen Homer und Plato, wie schon die Alten selbst bemerkt haben, z. B. Dionys. Halic. ad Pomp. 1,13. Longin. de sublim. XIII, 3. Hierauf bezogen sich auch wohl die Schriften des Grammatikers Telephos (mqI z/js 'O/uijgov xni ID.ujüjyoi ovfKfiavtag, Suid. TtjA.) und des Peripatetikers Aristokles aus Messina ( N Ö R C Q O V ONOVTFTTWTIQO; 'OFIRIQO; TJ IIWCTIDV, Snid. ^ p . ) . 7

7 vermochte dennoch nicht ihn davon zu verdrängen. Homer behielt diese seine Stellung die ganze Dauer des Griechenthums hindurch 9 ), wovon wir gerade aus derZeit der Zerstörung Korinths, mit welchem Ereignisse man die Selbständigkeit der Griechen als beendigt anzusehen pflegt, ein eben so schönes als treffendes Beispiel haben.

Als der rö-

mische Feldherr Mummius siegreich in die eroberte Stadt eingezogen war, befahl er denjenigen von den gefangenen Knaben, welche des Schreibens kundig waren, unter seinen Augen einen Vers aufzuschreiben. Worte des klagenden Odysseus vaoi

xai

reigaxtg,

(e,

ot %6% okovto

Gin Knabe schrieb die 306):

VQiOfiaxctQsg

und bewirkte

Ja-

dadurch,

dass Mummius zu Thriinen gerührt ihm und allen seinen Verwandten die Freiheit schenkte"). — Diese Beispiele des Gebrauchs der homerischen Gedichte in den Schulen, die sich leicht vermehren Hessen ,0 ), mögen genügen um die hohe Stelle, die man dein Homer für die geistige Ausbildung der Jugend einräumte und die er auch in dem römischen 1 ') und christlichen") Alterthum sich zu verschaffen gewusst hat, zu bezeichnen. vgl. noch Maxim. Tyr. XXXII, 3 p. 120 sqq. Reisk. (der ü b r i g e n s des Dio Chrysost. Or. LV kopiert hat) und T h e m i s t . Or. XV p . 189 H a r d . Von den Neuern behandeln diesen G e g e n s t a n d G. M a s s i e u P a r a l l è l e d'Hom. et de Piaton (Mem. de l'Ac. d. lnscr. T o m . I I . p. 1—16). J. J. G a r n i e r Observ. s u r le p a r a l l è l e d ' H o m . et de P i a ton (Hist. de l'Ac. d. Inscr. Tom. XLII. p. 11 sqq.). M o r g e n s t e r n Commenti. III de republ. Plat. Hai 1794. 8. p. 256 sqq. u. A. — N o r der Auszeichnung wegen nennt P a n a i t i o s (Cic. T u s c . I. 32, 79) den Plato Homerum philosophorum, w i e Aisop dem Julian Or. VII. p. 207 C. Spanh. rwy fivdtov "Of*t]Qo; heisst. 8 ) Vgl. z. B. Stat. Silv. V. 3, 148 sqq. Dio Chrys. Or. XI. p . 308 Reisk. Heraclit. Alleg. Horn. cp. I. ,J ) Plutarcli. Q. Symp. IX. 1, 2. p. 737 A. '") S. einiges noch weiterhin. " ) Davon später B. IV. Absch. I. D r i t t e P e r i o d e . " ) Dies beweist unter andern d i e R e d e Basilios des G r o s s e n ,

8 Dass aber d i e B e s c h ä f t i g u n g m i t H o m e r in d e n Schulen zugleich eine ausserordentlich vertraute gewesen

und

für

das s p ä t e r e

Leben

geblieben

sein müsse, würde, wenn nichts anderes, so doch schon die ungemeine Bekanntschaft mit diesem Dichter lehren, der wir nicht blos in den Schriften, sondern auch in dem Leben der Griechen begegnen.

Es

giebt verhältnissmässig

sehr

wenige Schriftsteller, die sich nicht in irgend einem Punkte auf Homer als Gewährsmann

beriefen

oder eines seiner

Aussprüche zur Ausschmückung ihres Vortrags oder sonstwie in geistreicher Anwendung bedienten. ziehen sich vor dem Volke auf ihn

Die Redner be-

und in einer Weise,

dass man sieht, welch eine genaue Bekanntschaft mit ihm sie voraussetzten und voraussetzen durften " ) .

Eine Menge

vortrefflicher Antworten und Bemerkungen, die mit homerischen Versen oder Ausdrücken gegeben wurden, sind uns erhalten 14 ) und zeigen ebenso die geistreiche Schlagfertigkeit der Hellenen als ihre intime Kenntniss des „Dichters", wie sie ihn schlechtweg zu benennen pflegen und von dem sie nicht weniges in sprichwörtlichen Gebrauch nahmen l s ).

der von 351—379 Bischof von Caesarea in Kappadocien war, ÜQog

tovs vtovg tlniu; tip t£ 'ElXtivixtöv ¿if thoivio Xoymv (Opp. Omn. ed. Garnier. T o n . II. Paris 1722. fol. p. 173 sqq.). Vgl. was Julian. Misop. p. 351 C. (Opp. Omn. ed. Spanheim. Tom. I. Lips. 1696. fol.) von seinem Lehrer Mardonios erzählt. " ) Lycurg. adv. Leoer. §. 102. Aeschin. adv. Tim. 133. 141. 142 sqq. adv. Ctesiph. 231. Demosth. Epitaph. 29. Erot. 25. Vgl. Isoer. ad Nie. 48. adv. Sopli. 2.' '*) Bei Diogenes Laertins, Plntarch, Athenaios u. A. Ganz besonders treffend ist die Antwort, welche Xenokrates, der Schüler Piatons, dem Könige Antipatros von Macedonien gab, Diog. Laert. IV. 2, 9. " ) Macrob. Saturn. V, 16 p. 536 sq. Zean. Homerns omnem poesira suam ita sententiis farsit, ut singula eius unoifSiy/xaja vice proverbiorom in omnium ore fungantur. Vgl. Zenob. III, 64. Reiches

9 Diese grosse Bekanntschaft der Griechen mit Homer wurde nicht wenig gefördert durch eine Sitte, welche wir seit ziemlich alter Zeit unter ihnen verbreitet finden, die Sitte nemlich aus H o m e r in d e r v e r s c h i e d e n s t e n W e i s e den Stoff f ü r g e s e l l i g e U n t e r h a l t u n g zu e n t l e h n e n . Als durch die Sophisten und Rhetoren unmittelbar oder durch die von ihnen ausgehende Bildung die homerischen Gedichte anfingen Gegenstand sprachlicher und sachlicher Untersuchung zu werden, begegnete man manchen dunklen unverständlichen Wörtern, doppeldeutigen oder einander widersprechenden Stellen; man verlangte Aufklärung über Dinge, welche im Dichter nur angedeutet oder ganz unerwähnt gelassen waren; man fand dies und jenes auffallend, wohl gar unpassend und suchte für alle Zweifel, alle Dunkelheiten und Skrupel, die einem aufstiessen, um so eifriger Belehrung, als es einen Dichter betraf, den man von Jugend auf lieb und werth gehalten hatte. So entstand theils eine Lilteratur, welche solche homerischen Fragen und Probleine behandelte "), theils die Sitte über dergleichen einer Erörterung bedürftige Punkte der homerischen Gedichte sich in geselligem Kreise zur Belehrung und zum Zeitvertreib zu unterhalten. Diese Sitte hörte mit den genaueren wissenschaftlichen Untersuchungen über Homer, wie sie späterhin zu Alexandrien betrieben wurden, nicht auf, war vielmehr auch dort und verbreitete sich zugleich mit der Wissenschaft von Hellas nach Rom, so dass sie erst mit dem Alterthuine selbst scheint untergegangen zu sein "). M a t e r i a l giebt J a c o b D u p o r t Homeri g n o m o l o g i a . Cantabrig. 1660. 4., obgleich es wenig übersichtlich a n g e o r d n e t ist. " ) S. weiterhin B. IV. Abscli. I. Z w e i t e P e r i o d e . 1T ) L e h r 9 De Aristarchi studiis h o m e r i c i s . Regim. 1833. 8. p. 210 sq. Der gelehrte Verfasser b e h a n d e l t d e n ganzen in R e d e stehenden Gegenstand so gründlich, dass ich nichts besseres t h u n k o n n t e , als ihm folgen.

10 Den vorzüglicheren Grammatikern freilich sagte sie wohl nicht eben zu, weil sie für ein gründlicheres Verständniss Homers wenig abwerfen mochte und dieselben in ihrer ausmerzenden und verbessernden Kritik ein sehr geeignetes Mittel besassen über die meisten Skrupel hinweg zu kommen, welche für Andre vorhanden waren, die von einer solchen Kritik keine Notiz nahmen oder nehmen wollten. Aber die unbedeutenderen Grammatiker hielten gerade auf sich widersprechende oder sonst schwierige und anstössige Stellen, weil sie die verbessernde Kritik verschmähten und es vorzogen, was auch heutiges Tags viele thun, mit allerlei Erklärungen derartigen Stellen zu helfen, oder weil ihnen ganz besonders solche Schwierigkeiten des homerischen Textes Gelegenheit darboten, ihre Gelehrsamkeit zu zeigen. In Alexandrien war hierfür auch äusserlich gesorgt, indem in dein Museum daselbst eine Promenade und Halle (ne(¡incnog

xai

¿¡¡¿dga

Strab. XVI, 793) sich befanden, die zu

solchen gelehrten Conversationen sehr geeignet waren, und man ausserdem, im Falle man ihrer bedurfte, die Bücher der Bibliothek zur Hand hatte l9).

Ja, dein Porphyrios zu-

folge befand sich hier ein eigenes Buch, in welches die vorgelegten Fragen nebst den Antworten eingetragen wurden ").

Anfänglich mag diese Art gelehrter Unterhaltung

noch einen ziemlich achtbaren Charakter gehabt haben, aber es lag in der Natur derselben, dass das Moment des Belehrens allmälig ganz in den Hintergrund, das des Prahlens mit einer iin übrigen unbrauchbaren

Gelehrsamkeit

dagegen

" ) L e h r s p. 213. " ) P o r p h y r , b e i m Sch. V e n . I, 6 8 4 : Iv rm ftovaiiip rn> xata 'AXi£av3(>t(nv rouoq rjv 7iQoßaXXea9-tti C^rrj/ia xa\ jov; ytvo/xivtti Xvaeis i'o'rtyQiitfeaihti. W o l f P r o l e g g . p. C X C V ( f a c i e b a n t q u a s i q u o s d a m c o m m e n t a r i o s s o d a l i c i i , i n s p i c i e n d o s forsan P t o l e m a e i s , c u m c o n c o q u e r e n t ) . L e h r s p. 227.

11 hervortrat, so dass zur Kaiserzeit das Gewicht eines Grammatikers sich fast nur noch nach der Leichtigkeit bestimmte, mit der er jede an ihn gerichtete Frage zu beantworten wusste.

Dass die Grammatiker hieran grösstentheils selbst

schuld waren, ist nicht zu leugnen, und es geschah jenem, der sich zu Rhodos im Theater mit seiner Kunst hören lassen wollte und die Anwesenden aufforderte, ihm e b e n Vers zu nennen, über welchen er sprechen könne, ganz recht als einer ihm den Vers der Odyssee aufgab (t, 72): Weg mit Dir von der Insel, Elendester

der Mensche»*").

Auf der

andern Seite dagegen scheint, wie in andern Dingen, so auch hierin der Einfluss der Fürsten, in deren Nähe man sich sowohl zu Alexandrien als zu Rom befand, demoralisierend gewirkt zu haben, da sich dieselben an derartigen Unterhaltungen betheiligten, ohne doch das rechte Interesse dafür zu besitzen.

Dies darf man eben sowohl von Ptole-

maios Philadelphos und Hadrian behaupten, die sich mit den alexandrinischen Gelehrten über solche spitzfindige Fragen unterhielten "), als von Tibcrius, welcher den Grammatikern *

— qiiod genus hominum praeeipue

appetebat

— mit aller-

lei Fragen zusetzte: wer die Mutter der Hecuba gewesen? welchen Namen Achill unter den Töchtern des Lykomedes geführt? was die Sirenen zu singen gepflegt?")

'") Plutarcli. Q. Symp. IX. 1, 4. p. 737. Doch lässt sich hier auch an einen von den Homeristen denken, von denen B. IV. Abschnitt I. Zweite Periode die Rede sein wird. " ) Athen. XI, 493 F . Spartian. H a d r . cp. 20. " ) Sueton. Tiber, cp. 70. — A n d e r e Fragen, welche man discatierte, führt Gellius N. A. XIV, C a n : weshalb Telemach den P e i s i stratos mit dem F u s s c und nicht mit der Hand geweckt habe (o, 4 5 ) ? wie die von der Skylla verschlungenen Gefährten des Odyssens g e lieissen? ob von den fünf Metalllagen, aus denen der Schild des Achill bestand, die goldene die letzte oder mittelste g e w e s e n ? Tgl. Senec. Ep. 88.

12 Weit mehr als diese ursprünglich mehr gelehrte, dann in alberne Gelehrtenprahlerei ausartende Unterhaltung über Homer trug zur Verbreitung der Kenntniss dieses Dichters eine andre bei, die man in fröhlicher Gesellschaft anstellte. Wenn man nach beendigtem Mahle noch heiter gestimmt bei einem Becher Weins beisammen war, erging man sich gern in allerlei Plaudereien, die ohne anstrengend zu sein Witz und Scharfsinn in reichem Maasse zu zeigen gestatteten").

Sie mussten Gegenstände betreffen, die für alle

interessant und allen bekannt waren, weil nur so der Zweck der Unterhaltung aller, den man damit verfolgte, erreicht wurde").

Hierzu eignete sich Homer nun ganz vorzüglich,

weil nicht blos die Theilnahme für ihn, sondern auch die Bekanntschaft mit ihm eine allgemeine war und er den reichlichsten Stoff zu Gesprächen

gedachter Art

darbot.

Eine Vorstellung von der Art und Weise derselben gewinnen wir

aus den Plutarchischen

Tischgesprächen,

einer

Schrift, die nach andern Vorbildern gleicher Gattung in Form eines gelehrten Werkes nur den Gebrauch des gewöhnlichen Lebens wiederspiegelt.

Sie enthält ausser un-

zähligen Anspielungen auf Homer und Anwendungen seiner Worte im Verlauf der Rede allerlei ganz unterhaltende Erörterungen über Themata aus diesem Dichter.

Es wird da

(I, 9), mit Rücksicht auf Nausikaa, die Frage aufgeworfen warum es besser sei mit weichem Wasser zu waschen, als mit Meerwasser? weshalb Homer in der Beschreibung von L e h r s p. 214 sqq. Die Abhandlung G e d o y n ' s des plaisirs de la table cliez les Grecs (Hist. de l'Acad. des Inscr. T o m . II. p. 75—78 ed. 8.) enthält nichts hierher Gehöriges. — Ueber Veranlassung solcher Gastmähler s. W. A. B e c k e r Charikles. Leipzig 1840. Bd. I, 418 sqq. " ) Wer Unpassendes vorbrachte (Gell. N. A. I, 2) war eben so wenig gern gesehen, als wer nicht mitsprach (Plutarch. Q. Symp. III prooem. p. 644 U.).

13 Wettkämpfen immer zuerst den Faustkampf, dann den Ringkampf, in letzter Stelle den Wettlauf nenne (II, 5)? was das Homerische Zto^öztQov de xfyaiQe bedeute (V, 4)? warum Homer den Apfel ayhx6xaQTtos (V, 8), das Salz (V, 10), andre Flüssigkeiten mit besondem Beiwörtern, das Oel allein vyqov (VI, 9) nenne? an welcher Hand Diomedes die Aphrodite verwundet habe (IX, 4 ) ? und endlich werden (IX, 13) einige rechtliche Fragen beim Zweikampfe des P a ris und Menelaos erörtert.

Natürlich musste, wer sich bei

dem Gesprächc über solchc homerischen Gegenstände betheiligen wollte, in dem Dichter sehr bewandert sein und hatte somit diese Sitte der avunooiaxa

nqoßXrifxata auch

wieder rückwirkend eine grössere Beschäftigung mit Homer zur Folge. Wenn so die allgemeine Bekanntschaft der Hellenen mit Homer einerseits in der schon in den Schulen begonnenen und sputer fortgesetzten Beschäftigung mit ihm zu suchen ist, so andrerseits in dem daneben nach wie vor f o r t b e s t e h e n d e n mündlichen V o r t r a g e der h o m e rischen Lieder durch Rhapsoden.

Aus dem Anfange

des platonischen Gespräches Jon, so wie aus andern Stellen des Piaton und Aristoteles n ) ersehen wir, dass zur Zeit dieser beiden Männer die Rhapsoden noch in grosser Blüthe standen.

Noch damals trugen sie, wie es vor zweihundert

Jahren durch Solon eingeführt worden war, an den Panathenaien die homerischen Gesänge vor " )

und wanderten

von Stadt zu Stadt, von Fest zu Fest, um mit ihrer Kunst Ruhm und Unterhalt zu erwerben.

Dass zu seiner Zeit

das Rhapsodieren des Homer ganz gewöhnlich war, bezeugt

" ) Plat. Legg. II, 658 D. Ps. Hipparch. p . M 9 B . u. a. Ariitot. Poet. cp. 26. Lycurg. ad?. Leoer. §. 102. Isocrat. Paneg. 159. (». n o t 6).

14 auch Aischines ,7 ).

Wann es aufgehört habe ist mit Sicher-

heit nicht anzugeben; vermuthlich aber hat es, obschon mit minderem Ansehn, während des ganzen hellenischen Lebens bestanden*8). Bei dieser von Homer im Alterthum

eingenommenen

Stellung ist es leicht begreiflich, wie sein Einfluss fast auf alle Verhältnisse ein so bedeutender sein konnte, als wir finden dass er wirklich gewesen ist. Es ist ein bekanntes und viel besprochenes Wort des H e r o d o t " ) , dass Homer und Hesiod den Hellenen ihre G ö t t e r w e l t gedichtet, den Göttern ihre Namen gegeben, Ehren und Geschäfte zugetheilt, ihre Gestalten bezeichnet haben.

Wie man auch über diese Ansicht des Herodot ur-

theilen und ein wörtliches Verständniss zurückweisen mag, so viel ist gewiss dass hauptsächlich jene beiden Dichter, und vorzugsweise wiederum Homer, zu jener reichen Gliederung und Ausbildung der griechischen Götterwelt beige-

" ) aiuo>if(t(Ç xal

attjvQixijç

S/À« xal

sagt T z e t z e s NFQI TITAYOQAI 7ro/ijrcôj> 9 i (Schol. in Aristoph. Paris. 1842. 4. p. XXIV.) auf seine eigne Verantwortung hin. " ) J. L . L e B e a u Sur le Margite d'Homère modèle de la C o médie (Hist, d e l'Acad. d. Inscr. Tom. XXIX, 49 — 57.). " ) W e l a n d a. a. O. p. 29 sq. " ) M e i n e k e F r a g m . comic. Graec. ed. min. Berol. 1847. 8. p. 650. 581 sq. 418. '") M e i n e k e hist. crit. p. 392. vermuthet, dies Stück habe sich auf das Bad des Odysseus durch Kurykleia bezogen. Man könnte an das Bad denken bei Gelegenheit der Zusammenkunft mit N a u s i k a a , was pikanter zu sein scheint. " ) M e i n e k e frgm. p. 728 sq. Vielleicht spielte diese Komödie bei der K i r k e oder Kalypso, wo dann Odysseus etwa in derselben Rolle e r s c l r e n , wie einst Herakles bei der Omphale. >0 °) B e r g k de reliquiis comoed. Attic, antq. L i p s . 1838. 8. p. 141 sqq. M e i n e k e frgm. p. 32 sqq. W e l c k e r Kl. Schriften. Bd. I. Bonn 1844. 8. p. 321 sqq. " " ) Epicharmi frgm. ed. P a I m a n - K r u s e m a n . H a r l e m . 1834. 8. p. 61. G r y s a r de Doriens. comoed. P . 1. Colon. 1828. 8. p . 2 9 0 s q q . W e l c k e r Kl. Sehr. Bd. I, 297 sq. YTPSCAÇ

rça-

35 Nicht uneben mag die Navoutaa des Eubulos und PkUyllioa10*) und die IbjveXonT} des Theopomp"*) gewesen sein oder die Ktf>xt) des Anaxilas und Ephippot"") oder die i0i KaXvxpa des Anaxilas ). Was die Komödie des Metagenes "OfflQos rj 'Aoxrjiai behandelt habe lässt sich aus den wenigen Fragmenten10e) nicht bestimmen. Allen aber diente Homer um so besser als komischer Stoff, als die Bekanntschaft mit ihm eine allgemeine war; die von den Komikern geschaffenen Gegensätze mussten um so wirksamer sein, je bekannter das Original war, dessen ins Lächerliche gezogene Abbilder sie vorführten. — Was hier von der Komödie bemerkt ist findet gleiche Anwendung auch auf das S a t y r d r a m a , dessen Verhältniss zu Homer ganz dasselbe war. Ich erinnere nur an den KvxXwip des Euripides lor ), das einzige uns erhaltene Satyrdrama, und an die Kiqxrj des Aischylos109). Weiter erkennen wir einen Einfluss Homers auf die B e r e d s a m k e i t . Es hat bei den Alten nicht an solchen gefehlt, die Homer selbst für den ersten und grössten Redner erklärten109) und schon in ihm den nachmals gebrauch-

,0,

J M e i n e k e frgm. p. 611. 473. "' 3 ) M e i n e k e frgm. p. 450 sq. "") M e i n e k e frgm. p. 668 sq. 661. ,os ) M e i n e k e frgm. p. 668. ,os ) M e i n e k e frgm. p. 425 sq. >07 ) Einen KvxXuiijj hatte auch Ariitiai ( F r i e b e l Frgm. satyrograph. Berol. 1837. 8. p. 64 sq.) geschrieben. ,0 ") A h r e n s Aeschyl. frgm. Paris. 1842. 4. p. 252. '"') Quinti!. X, 1, 46 sgq. 81. Ps. Plutarch. V i t Horn. cp. 161. Hermog. de form. orat. Tom. III. p. 374 sq. ed. Walz. Tgl. Strab. I, 16 sqq. P a r e n s e l o q u e n t i a e d e u s M a e o n i u s , Colameli. R. R. I. Praef. Dio Chrys. neol ióyov àax^atus ( Or. XVIII. p. 478 Reisk.). Ceber die Beredsamkeit bei Homer ygl. ausser W e s t e r n i n n Gesch. der gr. Beredsamkeit. Leipzig 1833. 8. $ . 1 3 — 1 6 .

3*

36 liehen dreifachen Unterschied

des Stils

durch Menelaos,

Nestor und Odysseus repräsentiert zu linden glaubten "*). Lassen wir dies auf sich beruhen, so steht wenigstens das fest, dass die Rhetoren und Sophisten, die Lehrer der Beredsamkeit, grossen Fleiss auf Homer verwandten, wovon ihre Schriften über ihn zeugten, und dass sie besonders gern aus ihm den StofT zu ihren Deklamationen entlehnten, in welchen sie, weil Scharfsinn und Gewandtheit zu zeigen ihr Bestreben war, das zu tadeln pflegten, was Horner gelobt, zu loben was er getadelt hatte '").

Von solchen Schau-

reden besitzen wir unter dem Namen des Gorgias111) *Ano\oyia IlaXafi^dovs des Alkidamus113)

zwei,

und 'Eyxiöfuov 'Ekevjjg, unter dem

hierher gehörig eine, 5 Odvooevg r} xara

D . C h r . S e y b o l d de eloquentia Homeri. Jen. 1771. 4. F . F . D r ü c k de eloquentia Homeri. Stuttg. 1779. 4. — P. E e k e r m a n n de N e s t o r e a eloquentia. Upsal. 1753. 4. D a n . H a l l e n k r e u t z Specinien eloquentiae Ulysseae ex Homero erutum. U p sal. 1762. 4. " " ) Quintil. II. 17, 8. Gell. N. A. VII, 14. Auson. profess. XXI, 16 sqq. B e r n h a r d y Geschichte il. griechischen Litt. II, 41. Von dem G r a m m a t i k e r T e l e p h o s aus P e r g a m o n werden e r w ä h n t Tlipl TÖiv TtaQ 'OfiriQiii a/rjUtirtov (irjTOQixiüv ßtßXiu ß' ( S u i d . ) , wovon vielleicht die Schrift nt(>i irj; zu!*' "Our)nov (irjtonixij; (Said.) nicht verschieden ist. vgl. S p e n g e l Artt. scriptores. Stuttg. 1823. 8. P- 211, 3' " ) Gell. N. A. XVII, 12. W e s t e r m a n n a. a. O. §. 64. not. 4. H o m e r Vater der Sophisten genannt von Hippodromos b e i P h i l o s t r . Vit. Soph. II. cp. 27. "*) Das L e b e n des Gorgias aus Leontinoi füllte beinahe das g a n z e V. Jahrli. vor Chr. a u s ; im J a h r e 428 kam er nach A t h e n , s. ü b e r ihn W e s t e r m a n n §. 29 sqq. p. 38 sqq. und die dort n a c h g e w i e s e n e n Schriften. F o s s e r k l ä r t beide Reden f ü r unecht, S c h ö n b o r n beide f ü r echt, G e e l (p. 31 sq.) wenigstens die erste. ' " ) Eines S c h ü l e r s des Gorgias, aus Elaia in Aiolis g e b ü r t i g , d e r zwischen Ol. 8 7 / 9 2 (432/409) in Athen lebte. Die D n e c h t h e i t d e r R e d e b e h a u p t e t F o s s de G o r g i a Leontino p. 81 sqq. mit Z u s t i m m u n g von W e s t e r m a n n § . 3 3 . not. 3, leugnet S p e n g e l a. a . O. p . 173. J e d e n f a l l s hatte Alkidamas eine R e d e unter obigem T i t e l

37 Ilaiafi^Sovs

die freilich alle drei nicht minder,

itQodoolag,

unecht zu sein scheinen, als zwei andre, uüag aevg,

welche den Namen des Antisthenes )

und

*Odvo-

an der Spitze

114

tragen, gleichwohl aber immer alt genug sind, um die Wahl homerischer Stoffe für solche Zwecke zu beweisen und uns eine Vorstellung von der Art und Weise zu geben, wie man dieselben behandelte. dialoyog

des Hippia*

Anderer Art war der

Tgaixog

aus Elis, den der Verfasser in La-

kedaimon vortrug und worin Nestor

und

Neoptolemos

nach der Zerstörung Trojas ein Zwiegespräch hielten über die Studien mit denen müsse U5 ).

ein junger

Mann sich befassen

Der bekannteste aber und zugleich übelberüch-

tigtste aller mit homerischen Studien beschäftigten Rhetoren ist Zoilos

aus Amphipolis"6), dem die Kunst, welche die

geschrieben, Ha Pluto ihn mit Bezug darauf H a l a f t ^ i i j i nennt P h a e d r . p. 261 D. Quintil. III. 1, 10. — Aus einer R e d e des Alkidamag f ä h r t Aristot. Rhet. II. 23, 11 an, dass die Chier den Homer in grossen E h r e n hielten, obgleich er nicht ihr Landsmann sei. Tgl. oben not. 35. "*) Der bekannte Stifter der cynischen Schule, f r ü h e r gleichfalls Schüler des Gorgias, in vorgerückterem Alter der treue Anhänger des Sokrates, W e s t e r m a n n § . 3 3 . p. 46. Unter den zehn Bänden seiner Schriften, von denen Diog. L a e r t . VI, 15 sqq. ein Verzeichniss giebt, standen die beiden Reden Alat und 'Oävoaevs im ersten, gehörten also wahrscheinlich zu den Jugendarbeiten aus der Zeit seines Verkehrs mit Gorgias. Auf seine Beschäftigung mit Homer lassen noch folgende Titel schliessen : Bd. VIII: nfpl 'Ofiijpou, TTfpl Kulycmoi. Bd. I X : nipl 'Oövooeias, negl tiji QaßSov ( d e r Kirke?), fj 71 iqI Tijiefid/ov, jiipl 'Eltvrji xal IIr)vtk6nr)t, nepl IlQmims, Kvxi.to\p !j nipl 'Oävaoto¡, TKQI olvov /pr/auus ij jitffl ») ntpl 70v Kvx).7 ) Jene erwähnt Suidas, diese Schol. Plat. Hipparch. p. 240 B. Tgl. Porphyr, beim Sch. K, 274. •") Suid. Vit. Arat. 4 p. 60, 9 Westerm. Diese Schrift führte nach L e h r s Arist. p. 210 not. den Titel 'OfuigofiiioTit. (?). " ' ) Sch. A, 129. E, 4. 20. AT, 274. P, 204. Z, 22. X, 208. V, 100. i, 60 (Kustath. p. 1614, 49). vgl. Heraclit. Alleg. Horn. cp. 14. '"') Der erste, welcher gegen Zoilos schrieb, war nach Eaphranor in der Vit. Arat. 3 p. 57, 4 West. (vgl. Vit. 4 p. 60, 8) Athenodorot, der Bruder des Dichters Aratos. ' " ) P f u n d de Isoer. Tita etscript. Berol. 1833. p. 19. — S p e n -

40 während andre hier zu nennende: KXvtmuvqozQas lyxufiioy, nrjveXSrrrjs iyxüfiiov und NeomAlepos verloren gegangen sind. — Was so durch die ältesten' Rhetoren Sitte geworden war, zu ihren Vorträgen Stoffe aus Homer zu nehmen, das blieb auch, so lange es überhaupt Rhetoren und Sophisten gab, und zeigen die Schriften des Ahoposixt), Bio Ckrytosfomos'"), SarapioniU), Aeliut Aristides "•), Maximua aus Tyros t "), des jungem Philostratos'"), Li-

g e l a . a . O . p. 75 meint dies 'JE. ' £ . sei g e g e n das des Pohjkrate», welches anter den Deklamationen des Gorgias stehe, gerichtet. — Kin 'EMVIJ: lyxiuftiov wird auch von Lykurgot erwähnt, ist aber wohl schwerlich von dem Redner, s. W e s t e r m a n n Gesch. d. griecli. B e reds. §. 55. not. 14. ' " ) Am Hofe des Mithririates; er schrieb niq\ 'EX(vr)$. s. H e sych. Miles. p. 14 Orell. Suid. s. y. ' " ) Aus Prusa in Bithynien, unter Trajan. Ausser seinen schon früher (not. 7. 35. 49.) genannten R e d e n g e h ö r e n hierher: Or. XI (Tpwixoff vnlQ TOÜ fhov fitj nltuvcii), LV ( m q \ 'OfiqQOV xnl Smxgarovi), LVI (Ayaftfftvmv n THQ\ ßctodifas), LVII (JV/anüp), LVIII ( A x i l l t v s ) , LIX («i'iioxrijTijf), L X I (Xpvffij/'(). Verloren ist die Rede Mifivj)' di o KvvtiiOoi XTo;, o; xal rtüv imyQatf O[j(i'tov 'Our\nov noirj/uttjoiv tnv tfs *Ano).).tovu yfyQufifiivov vuvov Mytjtu jienotqxtyat. OVTOS OVV dt}Oe tk Ourjoou t7i)i' /;. 763, 9.

85 Sitten und Gebräuche bei dem Dichter ein Paradoxon in glanzvoller scharfsinniger Rede hinzustellen.

Ingleichen be-

ruht die Folgerung, dass Homer ein S y r e r gewesen, weil bei ihm keine Fische gegessen werden 44 ), auf einer unrichtigen und ganz unzulässigen Voraussetzung.

Auch mit dem

ä g y p t i s c h e n , l y d i s c h e n , l u k a n i s c h e n Homer hat die Wissenschaft nichts zu thun. Mehrere Lokale z. B. A r g o s (Mykene), K e n c h r e a i , Knosos, Pylos,

Thessalien

sind wohl nur deshalb in die Concurrenz getreten, weil es schien, als könnten die jenen Lokalen angehörigen Sagen nur einem daher entstammenden Sänger bekannt und interessant sein, nur einem solchen ihre dichterische Form verdanken.

Inwieweit man darin nicht ganz Unrecht hatte,

möge man aus dem gleich nachher über Kymes Ansprüche Bemerkten und weiterhin aus ß . IV. Abschn. 2. Kap. 2. §. 4. ersehen.

Dort wird auch von G r y n e i a und I t h a k a die

Rede sein.

R h o d o s ist durch Welckers Erklärung 44 ) be-

seitigt. V o n K y p r o s ( S a l a m i s ) ist es wahrscheinlich, dass seine Ansprüche sich auf das dem Homer beigelegte Gedicht der Kyprien, welches jener Insel angehört, gründeten 46 ), obgleich die Angaben über den kyprischen Homer einer Sage ähnlicher sehn, als einer Coinbination.

Athens

Beziehungen zu Homer hat man mit Recht durch die Behauptung beseitigt 47 ), dass der Anspruch dieser Stadt sich nur auf die Theilnahme gründe, welche die Athener an der Colonisation Smyrnas hatten, wie dies in einem Epigramm auf Peisistratos geradezu ausgesprochen ist 49 ). **) Meleagros aus Gadara bei Athen. IV, 157 B. L e o A l l a t i u s cp. III. p. 34— 43 giebt sich die unnöthige Mühe einer weitläufigen Widerlegung. 4S ) Kp. Cycl. p. 195. 416. " ) N i t z s c h Melet. II, 68. 94 sq. W e l c k e r p. 182 sqq. ,T ) N i t z s c h Melet. II, 89. O. M ü l l e r I, 68 sq. *') Vit. D. ti. E. Wenn Aristarch u. Dionysios Thrax (Vit E, 6.

86 Haben wir so den grössten Theil der um Homer streitenden Lokale beseitigt, so bleiben nur fünf übrig, deren Anrechte an den Dichter wir genauer prüfen müssen. Wollten wir uns dabei von Auctoritiiten bestimmen lassen, würden wir uns in grosser Verlegenheit befinden, da gewichtige Männer für jeden der fünf Orte ihre Stimme abgegeben haben.

Denn es erklärten sich für

Kyme:

Ephoros, Hip-

pias u. a.; für los: Bakchylides (fr. 59 B g k ) und Aristoteles; für

Kolophon:

Antimachos und Nikandros; für

Ckios:

Simonides, Pindar (fr. 242 Bgk.), Damastes (Vit. F. 1. vgl. C, 17), Anaximenes (Vit. F, 1) u. a.; für (fr. 242 Bgk.) und Stesimbrotos (Vit. F, 7).

Smyrna:

Pindar

Versuchen wir,

ob die Ansprüche dieser fünf Bewerber um Homer nicht gegen einander abzuwägen und daraus ein festes, sicheres Ergebniss zu gewinnen sei. KYME.

Ephoros war aus Kymc gebürtig.

Es wäre

nicht zu verwundern, wenn er für seine Behauptung, H o m e r sei ein Kymaier, keinen andern Grund gehabt hätte als seine Vaterlandsliebe. gewesen

zu sein.

Dooli scheint dies nicht der Fall

Wenigstens, wenn der kymäische U r -

sprung Homers eine blosse Fiction wäre, erdichtet um den anderweitig berühmten Dichter sich zu vindicieren, ist Epho-

B. II. cp. 2) H o m e r einen Athener nannten, so braucht dies nicht auf A n n a h m e der G e b u r t zu Athen bezogen 7.11 werden, zumal die C i t a t e d e r Viten in diesem P u n k t e nicht zuverlässig sind. Kine A b s t a m m u n g H o m e r s aber aus einer athenischen Colonie konnten sie r e c h t g u t auch durch Eigenheiten der homerischen Sprache u n t e r s t ü t z e n , Sch. Ven. JV, 197. Ii, 371. N i t z s c l i indag. interpol. i>. 40. not. 42. W e l c k e r p. 193. not. 295. Sonstige Angaben wissen j a ebenfalls n u r von Homers Besuch in Athen und seiner gastlichen A u f n a h m e b e i K ö n i g Medon (Vit. H, 75), von seinem L e h r e r P r o n a p i d e s aus Athen (Dionysios bei Diodor. II, 00. W e l c k e r p. 193), von s e i n e r B e s t r a f u n g durch die Athener (Herakleides bei Diog. L a e r t . II, 43. vgl. Dio Chrys. XLVII. p. 524 Mor.). Vgl. W e l c k e r p. 192 sq. B. T h i e r s c h p. 248 sq.

87 ros nicht der Urheber davon.

Denn es wird für Kyme noch

ein Hippias angeführt, der entweder derselbe ist mit dem Sophisten *'), von welchem wir wissen, dass er sich viel mit Homer beschäftigte, oder mit dem Hippias aus Thasos 50 ), dessen als eines Erklärers Homers schon Aristoteles (Poet cp. 25) erwähnt. sich Vita E.

Auf Ephoros und die Historiker beruft

Also stand Ephoros weder allein mit seiner

Ansicht noch hatte er sie aufgebracht. 51

rion aber berichtete er folgendes ).

In seinem EpichoApelles, Maion und

Dios waren Brüder und aus Kyme gebürtig.

Dios zog

Schulden halber nach Askra in Boiotien, wo er mit der Pykimede den Hesiod erzeugte.

Apelles starb daheim mit

Hinterlassung einer Tochter Kritheis, der er seinen Bruder Maion zum Vormund setzte.

Dieser that dem Mädchen,

was er nicht hätte thun sollen, und verheirathete sie dann, weil er von seinen Mitbürgern Strafe fürchtete, an einen Smyrnaier Phemios, der ein Schulmeister war. Kritheis gebar, als sie grade am Flusse Meies sich befand, einen Knaben, der darnach Melesigenes genannt wurde.

Seinen Namen

"Ourjqog empfing er später wegen seiner Blindheit; denn die Kymaier und Ionier nennen, wie Ephoros sagt, die Blinden bfxrjQovg naqa %o 6eta9ai

xwv o/xrjQevoviiüv. Dies erzählte

Ephoros und führte gleichzeitig das Geschlecht Homers auf den Gründer von Kyme Chariphemos zurück SI ). Ich sehe in dieser ganzen Erzählung, mit Ausnahme des Phemios, kymäische Volkssage, nicht gelehrte Combination.

" ) W e l c k e r p. 143. C. M ü l l e r Frgm. hist. graec. Vol. II, 59. ,0 ) N i t z s c h Melet. II, 88. 94. " ) Vit. B. cp. 2. Ephor. frgm. 164 Müll. " ) Vit. F , 4. 5. Ueber die von den Alten aufgestellten Stammtafeln des Homer vgl. Vit. H, 41 sqq. G, 5 sqq. (nach Charax). C, 17 sqq. (nach Hellanikos, Damastes, Pherekydes) nebst der Kritik Ton L o b e c k Aglaoph. p. 323—329. W e l c k e r p. 147 sqq.

88 W a s aber an ihr auffallt ist, dass sie zwar den Homer aus Kyme

abstammen,

daselbst

erzeugt, aber am Meies

S m y m a geboren werden lässt.

bei

Wir ersehen hieraus, dass

zur Zeit ihrer Entstehung der Anspruch Smyrnas, den berühmten Dichter hervorgebracht zu haben, schon sehr bedeutend gewesen sein muss.

Homers Geburt konnte man

nicht mehr sich zueignen; darum nahm man, was noch zu haben war: seine Mutter als eine Kymaierin und seine E r zeugung.

Ehe wir prüfen,

ob man zu diesen Annahmen

berechtigt und durch factische Verhältnisse veranlasst war, ist noch der von Ephoros etwas abweichenden,

aber im

wesentlichen ganz übereinstimmenden Erzählung der Vita B . cp. 1 sqq. zu gedenken. In der neuerbauten aiolischen Kyme kam allerlei Volks zusammen,

aus

Hellas Magnesia und

sonsther, auch Melanopos der Sohn des Ithagenes und E n kel des Krethon.

E r verheirathete sich mit der

des Omyres, welche ihm die Kritheis gebar.

Tochter

Als ihre E l -

tern gestorben waren, kam Kritheis in die Vormundschaft des Argeiers Kleanax.

Heinilich schwanger ward sie dar-

auf von Kleanax dem Boioter Ismenias übergeben, der mit andern nach Smyrna übersiedelte, und gebar dort, nachdem sie nebst andern Frauen bei Gelegenheit

eines Festes an

den Meies gegangen w a r , einen Knaben, den man Melesigenes nannte.

Einige Zeit nachher miethete sie der Schul-

meister Phemios, um ihm die Wolle zu bearbeiten, die er von den Kindern als Schulgeld erhielt, und heirathete sie dann, weil er sah, dass sie eine tüchtige Person war. Nehmen wir vor der Hand an, dass in den eben mitgetheilten Erzählungen historische Wahrheit so werden wir als [dieselbe bezeichnen,

enthalten sei,

dass Homer bei

Smyrna am Meies von einer aus Kyme stammenden Mutter (Kritheis) geboren wurde.

W e r einmal den Sagen im ein-

zelnen Glauben beimisst, der wird diesen Satz als ausge-

89 macht ansehn und es werden ihm zur anderweitigen Bestätigung desselben die Gründe nicht fehlen. folgendermassen argumentieren.

Er wird etwa

Smyrna war ursprünglich

nicht von Kyme sondern von Ephesos oder einem ephesischen Dorfe Smyrna aus gegründet worden (Strab. XIV, 633) und hiess diese Colonie auch die Athenische, weil sich Ionier, der Sage nach unter des Kodros Sohn Androkles, in Ephesos niedergelassen hatten (Strab. XIV, 632). Einige Zeit darauf nahmen Aioler von Kyme Smyrna in Besitz (Vit. A. cp. 2), so dass nunmehr beide Stämme nebeneinander in Smyrna wohnten, Ionier und Aioler.

Die letzteren hatten

offenbar das Uebergewicht — wie denn für die altern Zeiten Smyrna durchaus für eine aiolische Stadt galt — und vertrieben, wir wissen nicht genau wann, die Ionier, welche sich nach Kolophon zurückzogen und mit den dortigen Einwohnern vermischten.

Aber der Verlust Smyrnas ward

nicht verschmerzt, vielmehr gelang es den Kolophoniern — es ist ungewiss zu welcher Zeit, wahrscheinlich aber vor Ol. 20 (Pausan. V. 8, 7) — Smyrna wieder zu erobern und die Aioler daraus zu vertreiben.

Homers Geburt in Smyrna

von kymäischen Eltern würde also nichts auffallendes haben, sondern genau zu den übrigen Angaben passen, wenn man auch kein Gewicht auf die kymäisch-aiolischen Sitten und Gebräuche in den homerischen Gedichten legen will"). Gegen diese Argumentation ist aber viel einzuwenden und sie schwebt, genau besehen, ziemlich in der Luft. Sie nimmt Nachrichten aus Sagen für geschichtliche Thatsachen und sucht nun mit Hülfe dieser angeblich zuverlässigen

Ge-

schichte eine andre Sagennachricht, die an und für sich schon gerade eben so viel oder wenig Glauben verdient, " ) Vgl. Sch. Ven. A, 459. J, 259. Litt. I, 76.

O. M ü l l e r Gesch. d. gr.

90 als jene, gleichfalls als ein historisches Factum zu erweisen, da sie ganz schön in die Voraussetzungen hineinpasst.

Ich

kann nur wiederholen: es ist möglich, dass jene Schlüsse richtig und wahr sind," aber es kann auch anders sein und man darf sich nicht durch den Schein täuschen lassen.

Ja

man wird geneigter noch zum zweifeln an der Richtigkeit jener Kette von Folgerungen durch eine andre S a g e , die mit der kymäischen viele Aehnlichkeit hat, aber gerade deshalb in grellem Widerspruche zu ihr steht. IOS nemlich nahm in gleicher Weise wie Kyine den Ruhm in Anspruch Homers Mutter geboren zu haben, ausserdem aber noch den andern, das Grab des Dichters zu besitzen.

Die Erzählung davon lernen wir aus einer Stelle

des Aristoteles 1 1 ) kennen: Ein Mädchen von los wurde zur Zeit der ionischen Wanderung schwanger von einem der Dämonen,

die mit den Musen den Reigen

tanzen.

Aus

Scham verbarg sie sich an einem Orte, der Aigina hiess. Von hier durch Räuber entführt kam sie nach Smyrna, welches damals die Lyder beherrschten

und ward von dem

Könige derselben Namens Maion, der sie ihrer Schönheit wegen lieb gewann, zur Frau genommen. Während sie nun eines T a g e s am Meies verweilte,

kam sie mit einem Kna-

ben nieder, den Maion wie seinen eigenen erzog.

Kritheis

starb gleich nach der Geburt, nicht lange darauf auch Maion. Als aber die Lyder von den Aiolern bedrängt Smyrna zu verlassen beschlossen und die Führer bekannt machten, dass alle, welche folgen wollten, aus der Stadt gehen möchten, da sagte auch der kleine Sohn der Kritheis, er wolle sich anschliessen {bfXTjQEiv) und ward von da ab "O/urjQog genannt statt Melesigenes.

Herangewachsen

welchen Eltern

" )

(V

und

fragte er das Orakel, von

woher er stamme.

TIP TQ(TU> NOITIRTXIJI

Vit. B.

cp. 3 sq.

Ihm wurde zur

91 Antwort: die kleine Insel los sei die Heimat seiner Mutter ; dort würde er selber einst sterben; inzwischen solle er sich vor dem Räthsel junger Leute in Acht nehmen.

Als

er lange nachher auf dem Wege nach Theben, wohin er zu- dem musischen Wettkampfe am Feste der Kronien zog, zu los landete und auf einem Felsen sitzend Fischer an ihm vorüberkamen, fragte er diese, ob sie etwas aufhätten? Er meinte: ob sie einen guten Fang gethan, den sie nach Hause trügen.

Sie jedoch mit der Doppelsinnigkeit der

Frage spielend antworteten ihm: was wir fingen, haben wir zurückgelassen; aber was wir nicht fingen, das tragen wir. Der alte Homer zerbrach sich den Kopf an diesen r ä t s e l haften Worten, slarl» darüber, ward von den Ieten begraben und durch eine Grabschrift geehrt. An dieser Krziihlung ist das factisch, dass Homers Grab auf los gezeigt wurde und der Ruhm, es zu besitzen, den Ieten niemals streitig gemacht

worden ist ").

Für den

" ) N i t z s c h Melet. I, 127. W e l c k e r p. 159. B o d e Gesch. d. hell. Diclitk. I, 262. not 4. Die Geschichte dieses Grabes gebt bis in die neuste Zeit, im Jahre 1771, während des Krieges z w i schen Russland und der T ü r k e i , v e r b r e i t e t e sich die N a c h r i c h t , dass der Graf P a s c h v a n K r i e n c n , Capitain auf der in den griechischen Gewässern stationierten russischen F l o t t e , auf der Insel los das Grabmal Homers entdeckt habe. Die Sache m a c h t e damals viel Aufsehn (vgl. das not. 42 erwähnte Buch v o n L a m i ) , läuft aber auf eine litterarisclie Täuschung, um nicht zu sagen Betrügerei, hinaas. S. über dieses Grabmal H e y n e Das v e r m e i n t e Grabmal Homers. L e i p z i g 1794. 8. (franz. in L e c l i e v a l i e r Voyage de la Troade. ed. III. Paris 1802. 8. Tom. I, 179 — 209). R o s s Reisen durch die griech. Inseln I, 155 sqq. III, 151 sqq. F r a n z Jahrb. f. wiss. Krit. 1841. Juli. no. 18 p. 140 sqq. E d w . v o n M u r a l t Achilles u. seine Denkmäler ausser Siid-Kussland, zur K r k l ä r u n g des vermeinten Grabmals Homers im Strogonowsclien Garten zu St. Petersburg. Petersb. 1839. 8. H e n r i c l i s e n Beretninger om Homers foregivne Grav paa oen los. Odense 1844. 8. W e l c k e r Zeitsch. f. d. Alterth. 1844. no. 37 — 41 u. 1845. no. 25. O. J a h n Archäol. B e i t r . Berlin 1847. p . 353 sq.

92 übrigen sagenhaften Theif der Erzählung ist folgendes zu bemerken.

Der Anfang stimmt auffallend mit der Sage der

Kymaier von Homers Abstammung überein. Auch hier heisst die Mutter Kritheis, auch hier wird sie heimlich schwanger und kommt deshalb nach Smyma, wo sie zufällig am Flusse Meies den Homer gebiert.

Wie sollen wir uns diese Ueber-

einstimmung erklären? sollen wir bei den, wie es doch scheint,

wirklichen

historischen

Beziehungen

Kymes

zu

Smyrna die Sage von los als ein der kymäischen nachgebildetes Machwerk kleinstädtischer Eitelkeit bezeichnen? Dies werden uns offenbar diejenigen rathen, welche auf alle diese Sagen nichts geben oder pragmatische Geschichte darin suchend ihren Horner gefährdet glauben, wenn man zwei gleichen Sagen neben einander Berechtigung zugesteht, also den Widerspruch sanetioniert.

Ich denke so über die Sa-

gen von Kyme und los. Da beide Sagen Homers Mutter Kritheis nennen, sie nach Smyrna kommen und dort am ¡Meies den Homer gebären lassen, also Smyrna als Heimat des Dichters anerkennen, so ist anzunehmen, dass beide Sngen, wenigstens in der Forin, in welcher sie uns vorliegen, einerseits in der Sage von Smyrna, der zufolge Homer

von Kritheis am

Meies geboren wäre, andrerseits in besondern Verhältnissen von Kyme und los ihren Ursprung haben.

In der smyr-

näischen Sage war offenbar, wie wir zunächst blos aus den beiden andern folgern, das Geschlecht Homers nicht über seine Mutter hinausgeführt; sie begnügte sich, einfach die Abstammung des Dichters von der Mutter Kritheis anzugeben, deren Vorfahren und Abkunft aber als gleichgültig bei Seite zu lassen.

Hierin war für diejenigen Orte, welche

daran Interesse hatten, sich in irgend einer Weise den berühmten Sänger zuzueignen, ein passender Anknüpfungspunkt

93 gegeben für die Sage, welche sie zu ihrem Zwecke zu dichten geneigt waren.

So bei Kyme und los.

Nachdem die homerischen Gesänge und durch sie Homer zu so glänzendem Ruhme gelangt waren; nachdem sie sich, was die Sage von Homers Geburt am Meies andeuten zu wollen scheint, zuerst von Smyrna aus überallhin verbreitet halten: da ward Kyme, eingedenk seiner alten verwandtschaftlichen Verbindungen mit Smyrna, zu jener Sage angeregt, welche die Mutter Homers für eine Kymaierin ausgab.

Gern hätte man gesagt, Homer sei aus Kyme ge-

bürtig.

Das ging nun aber nicht, weil Smyrnas Ruf schon

zu befestigt war.

So liess man den Homer wenigstens in

Kyme gezeugt sein und behauptete, da die Smyrnaier schon einen Vater für Homer hatten 5 '), das sei nicht der rechte. Man motivierte zugleich durch der Kritheis heimliche Schwangerschaft ihre Uebersiedelung von Kyme nach Smyrna. Zu diesen Gründen der kymäischen Sage kam noch ein anderer von grosser Bedeutung.

Die homerischen Gesänge um-

fassen eine Menge Sagen der verschiedensten griechischen Stämme, namentlich auch derer, die bei der aiolischen Wanderung betheiligt waren und ihren Hauptsitz in Kyme hatten.

Kyme selbst war durch Kleuas und Malaos, Nach-

kommen des Agamemnon, gegründet 17 ) und es gab dort noch in spätem Zeiten einen König Agamemnon, dessen Tochter Demodike an den Phryger Midas verheirathet war "). Wenn nun die Kymaier die homerischen Gesänge hörten, so waren das zum grossen Theile ihre Sagen, ihre Lieder, und sie hatten einen Grund zu glauben, dass der Dichter

rs ) Nicht den Pkemios, den erst die u n g e l e h r t e n Gelehrten zum Vater des Dichters gemacht haben. " ) Strab. XIII, 582 D. 621 B. " ) Pollux IX, 83.

94 einer der ihren gewesen und von Kyme nach Smyrna gekommen sei. Dieser Glaube vermittelte sich mit der mutmasslichen Thatsache der ersten Verbreitung Homers von Smyrna aus in der erwähnten Weise. Andre Gründe waren es, wodurch die Sage der Ieten veranlasst wurde.

Diese gingen sichtlich von dem Grabe

Homers aus, welches sie bei sich hotten.

Daneben zeigten

sie auch das Grab seiner Mutter, die sie Klymene nannten ").

Das Grab Homers bildete den Mittelpunkt eines

Kultes, wie wir durch Varro erfahren 60 ), welcher erzählt dass man bei diesem Grabe am Jahrestage des Verstorbenen eine Ziege geopfert habe 01 ).

Um diesen Grabeskult

des Dichters richtig zu vcrstehn, ist es nüthig sich an ähnliche Verhältnisse zu erinnern.

Es ist neinlich eine bei den

Griechen sehr gewöhnliche Erscheinung, dass Dichtergräber da gezeigt wurden, wo Sangesbildung gehegt und gepflegt wurde 6 i ).

„Es brachte dies der Glaube an Heroen und die

Wirkungen, die aus ihrem Grabe herüberreichen, so wie die Gewohnheit, jede Kunst an den Schutz irgend eines Heros zu binden, der aber unmittelbar gegenwärtig nur in seinem Grabe gedacht wurde, ganz natürlich so mit sich."

Man

glaubte den grossen dichterischen Geist des angeblich oder wirklich Verstorbenen sich zu erhalten, wenn man von ihm das festhielt, was man festhalten konnte: seine Gebeine, seine Reliquien.

Das Haupt des Orpheus, den thrazische

Frauen zerrissen hatten, ins Meer geworfen und von den Wellen nach Lesbos hinübergetragen, machte die Lesbier,

59

) P a u s a n . X. 24, 2.

«'•) Bei Gell. N . A. III, I i . " ) Nicht ohne B e d e u t u n g scheint in der obigen E r z ä h l u n g 'Ay.civaiiMOiiv y [fr. 11 St. 31 Müll.], 'Eiiavtxoi iv rrj 'AjiavxCät [fr. 28 St. .")j Müll.] f(.70 tov notqzoü .. (s. n o t . 24). " " ) A u s s e r dem s c h o n g e n a n n t e n KI/IItiithos wird als H o m e r i d e e r w ä h n t Parthcnios Xtos, Inonotoz, vlo; (-Jtaiooof, o; Intxultho Xrlos, 'O/xrjQOv ). Und hatte nun besonders e i n e Form den Beifall des Volkes erlangt, so musste jedem Darsteller, wie dem Volke selbst, welches ihn hörte, daran gelegen sein, gerade diese Form zu geben und zu hören, für deren unverdorbene Festhaltung wiederum der Vers fast die einzige und eine unerlässliche Bedingung war. Das Metrum hindert nicht blos Veränderungen der Form, sondern auch mit diesen Verschlechterung der Sage. Denn durch prosaisches Erzählen werden Sagen dürftig und märchenhaft " ) und büssen so ihren ursprünglichen Charakter und ihren Werth ein 74 ). Ein Theil der eben angeführten Gründe für ursprünglich metrische Darstellung der Sagen spricht auch dafür, " ) Tgl. A, W. S c h l e g e l Krit. Sehr. I, 140. " ) Lachnrann Zu den Nibelungen p. 2. 14 ) Ueber die bestimmte Art der metrischen Form für die griechische Sage, den Hexameter, Tgl. die Citate bei B e r n h a r d ; Grdr. d. gr. Litt. I, 213 sq. und H e r d e r Werke. Bd. X , 247 sq. 293 sq. W. M ü l l e r Horn. Vorsch. p. 14 sqq. ed. II.

1W dass dieselbe in kleineren Liedern geschehen sei.

Es ist

ghrablitfh, dass man eher kleinere Ereignisse, die einzelne That eines Helden,

e i n Abenteuer wird besungen haben,

als einen ganzen Krieg im Zusammenhang oder ein Ereign i s bis in alle Einzelnheilen ausgemalt und zu einer grössern Dichtung

erweitert.

Dies letztere setzt schon eine

grosse Kunst voraus, zu deren Annahme wir in den Zeiten, in welchen Sagen

zu entstehn anfangen, keineswegs be

rechtigt sind, für deren Anwendung'kein Grund, für deren Ausfuhrung kein Mittel Epen hervorbringen,

vorhanden war.

Wozu

grösser

die sich für die Lebensverhältniss

denen sie angehörten, gar nicht schickten?

Indem für das

Volk gedichtet wurde, durfte man nichts anderes dichten und dichtete deshalb auch nichts anderes, als was das Volk gebrauchen konnte.

So wenig man schrieb, damit es ge-

lesen, sondern sang oder sagte, damit es gehört würde, so wenig verfasste man umfangreiche Dichtungen, die ganz zu hören jede Möglichkeit fehlte.

Denn mögen wir uns solche

in metrischer Form dargestellte Sagen vorgetragen denken, wo wir wollen, immer waren nur kleinere Lieder, Einzellieder an ihrer Steile.

Dies ergiebt sich ganz deutlich aus

Homer selbst.

Welcher andern Art, als solcher, konnten

wohl die xlia

aviqiav

sein, welche Achill zur Phorminx

sang (I, 186 sqq.)? oder die Lieder, an denen man sich beim Mahle e r g ö t z t e " ) ?

Wenn Phemios ( a , 325 sqq.) die trau-

rige Heimkehr der Achaier singt und Penelope schmerzlich davon berührt ihn bittet, eins von den vielen andern Liedern, die er noch wisse, vorzutragen; wenn er selbst sagt, dass der Gott ihm mancherlei oXfiag76. 8. P . I. S . 1. ( v o r W ö l l s Ilias. I l a l . 1 7 8 5 . p. L s q . ) . W o l f l ' r o l e g g . p . X C V I I I . H e y n e Horn. II. T o m . V I I I , /(Kl s q q . N i e b ü l l r K ö m . G e s e l l . B d . I, 3 2 8 s q . e d . IV. A. K o r a i s Xncx. « p / . ("4r«xr. 47 gi|. (auch bei W e i c k e r |>. 400).

220 vom Besitze des Palladiums, also die Eroberung der Stadt vom Raube desselben abhing; nach einer andern Sage konnte Ilion nur durch Theilnahme des Achill, nach einer dritten nur durch Neoptolemos, nach einer vierten endlich nur durch den Bogen und die Pfeile des Herakles, in deren Besitz Philoktet war, erobert werden. Weit entfernt, diese nach vier Seiten hin auseinandergehenden Sagenformen für Erfindung der spätem Zeit, der kyklischen Dichter, zu halten, meine ich dass die Homeriden mit Absicht und Geschicklichkeit auf keine einzige Rücksicht genommen und Accent gelegt haben. Sie wählten aus, wo sie konnten und es passte, übergingen wo sie mussten; kleinere Differenzen liessen sie stelm, theils weil auf diese weniger ankam, theils weil dieselben bei der liederweisen Form der Sage nicht bemerkt werden konnten oder wirklich nicht bemerkt wurden. — Fast noch mehr als das Ausgleichen, Vermitteln und Wählen, uiuss das Erweitern der Sage Geschäft der Homeriden gewesen sein. Es bestand dies hauptsächlich in dem Einfügen von solchen Personen, denen ursprünglich die Sage keinen Antheil gegeben hatte. Dies beschränkt sich nicht blos auf solche, wie die Athener Boioter " ' ) , Tlepolemos "") und andre weniger innig mit dem ganzen Gewebe der Sage zusammenhängende Stämme und Helden, die möglicher Weise spätem Interpolationen ihre Stelle verdanken können, sondern es wurden auch solche hineingebracht, die nachher eine sehr bedeutende Rolle in der Sage spielen. Der Grund davon liegt im Verschmelzen verschiedener Sagen und Ereignisse, von denen die troische Sage "*) vgl- L a u e r Q u a e s t t . I i o m e r r . Lterol. 1843. p . 5 3 s q . not. 133. O. M ü l l e r Orcliom. p. 382. ed. II. S c l i ö II Sopli. Aias. Berlin 184?. |i. 60 s q q . B. T h i e i s c h Menestlieus lliadi interpolatus. T r e m o n . 18kl. 4. |». 3 sqq. " J (). A l i i l l e r Orcliom. |>. 387 sqq. "*) ü . M ü l l e r A e g i n e t . p. 41 sqq.

221 der

besondern

Verhältnisse wegen

die

Oberhand

behielt

und in Folge wovon nun die sonst in ganz andern K ä m pfen beschäftigten Helden andrer Sagen init vor Troia streiten mussten.

Ich habe dies schon vorhin a n g e d e u t e t " ' ) .

Bei diesen Anforderungen, welche die Homeriden zu befriedigen hatten, konnten nur sehr wenige der alten Heldenlieder noch geniigen, auch nicht durch einige Veränderungen, Zusätze, Einschaltungen u. s. w. den ganz Verhältnissen angepasst werden. werden

neuen

N e u e mussten geschaffen

und wurden geschalten auf Grundlage der alten,

nicht durch einen einzelnen Dichter sondern durch die Innung.

Dass eine in demselben Geiste wirkende Genossen-

schaft von Sängern einen Cykhts von Liedern verfertigte, die im Allgemeinen zu einem Ganzen streben und sich abschliessen, darf ebenso wenig auffallen, als dass sie es im Einzelnen nicht mehr tliun.

Wie sehr ein solcher einheit-

licher Kunstgeist die Individualitäten sich linterordnet und beherrscht,

dergestalt

dass er in allen Productionen des

Einzelnen und der Einzelnen auf gleiche Weise sich manifestiert, davon liefert die Geschichte der plastischen und dramatischen Kunst der (»riechen

hinreichende

Beispiele.

So wenig ich aber glaube, dass wir in unserer Hins und Odyssee diejenigen alten Heldenlieder haben, deren Entstehung ich schon vor den Wanderungen annahm, ebenso w e nig glaube ich, dass unsre homerischen Gedichte identisch mit den Liedern seien, die in Folge der Ansiedlungen in Asien als erste Umgestaltung der alten aus diesen hervorgingen.

Unmöglich freilich wäre es nicht.

Wenigstens ist

das eine sichere Thatsaclie, dass in unsere Ilias und Odyssee vieles aus den ältesten Liedern unverändert aufgenom-

"') II sq.

S.

S . 214 I - . lind l i e s o n d e r s

W c l c k e r Kp. Cycl. II, 7 sq.

222 inen worden ist.

ich gedenke nur des Schweigens dieser

Gedichte von den Wanderungen und ihren Ursachen, was mir nicht undeutlich dafür zu sprechen scheint, dass man beim Neudichten die alten Lieder nicht radikal umgestaltete, sondern so viel man nur konnte in ursprünglicher Integrität beibehielt.

Dasselbe zeigen die in Horner geschil-

derten Süngerverhältnisse, die nach den Wanderungen, wie ich ausgeführt habe, nicht unwesentlich sich verändert hatten.

Gleichwohl aber bin ich doch auf der andern Seite

überzeugt, dass die Lieder der Hins und Odyssee zwischen den Wanderungen und dem J a h r e 840 etwa, als dein äusserslen Termine

bis zu welchem herab das Entstehn ihrer

heutigen Forin gerückt werden kann, mehrfache Umbildungen erfahren haben. So wissen wir, dass von den Nibelungen Jahrhunderte früher als gegen Ende des zwölften gesungen ist, und doch stammen erst aus dieser Zeit unsre heutigen Lieder.

W e n n ich das Jahr 840 als Abschluss-

punkt der Bildung unsrer homerischen Gesänge habe, so ist das nicht willkürlich geschehen,

bezeichnet

ich will mich

nicht auf Herodot berufen, obgleich dieser seine Gründe wird gehabt h a b e n ,

wenn er sagt dass Homer etwa 400

J a h r e und nicht früher vor ihm gelebt habe; aber aus dem Verhüllnisse, in welchem die Kykliker zu Homer,

nament-

lich zur Uias standen, ist jener Zeitpunkt mit einiger Sicherheit bestimmt.

Denn es ergiebt sich daraus, dass wenig-

stens die Ilias zu Anfang der Olympiaden ganz diejenige Forin hatte, welche sie jetzt hat. merischen Gesänge

vor

Waren demnach die ho-

den Olympiaden zum Abschluss

gediehen, und muss angenommen werden, dass dieser Abschluss nicht urplötzlich geschah, sondern zur Consolidierung dieser letzten Formation und zur Verbreitung dersel ben einige Zeit erforderlich war:

so erscheint der Ansatz

des Jahres 8 1 0 , zwei bis drei Menschenaller vor Stasinos

223 und Arktinos, nicht Mos begründet, sondern sogar n o t wendig. Die Veränderungen, welche die Kolonisation Asiens in den Sängerverhältnissen, dem Inhalte und der Form der homerischen Lieder hervorgebracht hatte, erstreckten sich noch weiter: auf die Zuhörerschaft. Abgesehen nemlich davon, das9 die Sänger nicht mehr wie sonst blos vor Statnmgenossen sangen, konnte eine Genossenschaft von Sängern, wie wir sie in den Hörnenden haben kennen lernen, unmöglich eine solche fixierte Stellung einnehmen, als ehemals die einzelnen Stammsänger gehabt zu haben scheinen. Diese Genossenschaft existierte auf ihre eigne Hand und war deshalb genölhigt ihren Unterhalt zu s u c h e n . Die nächste Gelegenheit dazu boten die Fürstenhäuser, deren es noch eine geraume Zeit nach den Wanderungen in den kleinasiatischen Kolonien gab lt0 ). Nachkommen des Agamemnon herrschten auf Lesbos ' " ) und in Kyme, wo einige Jahrhunderte nach der Gründung, wie es scheint, ein König Agamemnon war, dessen Tochter Demodike den Phryger Midas heiralhete (Pollux IX, 83; vgl. Heraclid. Polit. cp. 11); in Milet herrschten Neliden, Abkömmlinge Nestors m ) , in andern Städten Joniens Nachkommen jenes Glaukos, den die Ilias preist ( Z , 150 sqq.) '"). Wie für diese Fürsten die homerischen Lieder, den Kampf ihrer Vorfahren verherrlichend, von grossem Interesse sein mussten, so ist natürlich, dass die Sätager dieser Lieder sich zunächst an sie werden gewandt haben. Indess boten eben so viele oder

"") O. M ü 11 e r L i t t Gesch. I, 50 sq. C. F r. H e r m a n n Staatealterth. §.87. C. F r . H e r m a n n a. a. O. 76, 4. S c h n e i d e r Comm. a.l Aristot. Polit. V. 8, 13. p. 341. " ' ) [ W a c h s m u t h helleniiche Aiterthnmskumle I. 1. p. 147.] ' " ) HeroHot. I, H 7.

234 noch bessere Gelegenheit die grossen Feslc dar, welche theils jede Stadt für sich theils mehrere zusammen feierten. Hier war den Sängern ein weites Feld gegeben, sich zu zeigen und Ruhm, Ehre und Belohnung in reichem Masse zu erwerben. Was der Hymnus auf den delischen Apoll V. 165 sqq. in dieser Beziehung lehrt, das trage ich kein Bedenken für Jahrhunderte früher anzunehmen, zumal jene Stelle der Ilias (B, 594 sqq.), die bei aller Unächtheit einer sehr frühen Zeit angehört, wandernde Sänger und Sängerwettkämpfe bezeugt '"). Ob aber der Vortrag homerischer Lieder an solchen Festen den Homeriden ausschliesslich zugestanden habe, wage ich nicht zu entscheiden m ) . Lnsre Untersuchungen haben uns, von den allen Heldenliedern und den Sängerverhältnissen der heroischen Zeit ausgehend, zu Resultaten geführt, welche mit dem, was über das Sängergeschlecht auf Chios berichtet wird, und mit den Ergebnissen eines genauem kritischen Studiums der homerischen Gedichte auf das Beste übereinstimmen; sie haben uns gezeigt, wie ein solches Geschlecht entstanden und wie die homerischen Lieder, ohne Dazwischenkunft Eines Dichters, aus jenen alten Romanzen gebildet und zu beidem, zu so viel Widersprüchen und so viel Einheit, gelangt seien. Ich schliessc hieran nun noch weitere Betrachtungen, von denen ich kaum hoffen darf, dass sie die Zustimmung aller erhalten werden. Dennoch haben sie für mich einen hohen Grad subjectiver Gewissheit und ich glaube ihnen wenigstens so viel Wahrscheinlichkeit geben zu können, als auf diesem Gebiete und bei den mangelhaften Nachrichten, die uns darüber erhallen sind, überhaupt möglich ist.

'-'') S. oben not. 9li. S. not. 1 I i .

225 In den Nachrichten über die Hörnenden ist nur ganz allgemein davon die Rede, dass sie die homerische Poesie gesungen hätten; ob aber ihre Thätigkeit gleichmässig der Ilias und Odyssee zugewandt gewesen sei, ob sie sich vielleicht ausserdem noch auf andre Sagenkreise, namentlich auf den Theil der troischen Sage erstreckt habe, welcher vor die Ilias und zwischen diese und die Odyssee fällt, erfahren wir nicht 146). Wollten wir nun hierüber ein Urtheil gewinnen, so ist es wohl keinem Zweifel unterworfen, dass die Partien der Sage, welche nachmals von den Kyklikern behandelt wurden, nicht Gegenstand der homeridischen Beschäftigung waren. Ob andre Sagenkreise, mag für jetzt auf sich beruhn; aber die Frage, ob von den Hörnenden Ilias u n d Odyssee gepflegt worden, ist in mehr als einer Hinsicht interessant und für die Geschichte Homers nicht ohne Bedeutung. Die Frage ist kühn und ich verhehle mir nicht, dass ihre Beantwortung im günstigsten Falle, wie gesagt, nur eine problematische sein kann; sie scheint sogar überflüssig, da, wo von homerischer Poesie die Rede ist, vorzugsweise beide Gedichte zusammen gemeint sind, also auch wohl in der Angabe über die Homeriden. Aber jene Frage drängt sich von andrer Seite bestimmter auf. Dass zwischen den beiden homerischen Gedichten ein Unterschied bestehe, der nicht aus den verschiedenen Objecten der Darstellung, auch nicht durch die Annahme „Homer, nachdem er in der Fülle seiner Jugendkraft die Ilias gesungen, habe in seinein Greisenalter irgend einem eingeweihten Schüler den Plan der Odyssee, der lange schon in seiner Seele gelegen, mitgetheilt und ihm denselben zur Ausführung überlassen" m )> zu erklären ist, haben nicht blos

'•*) Ks ist mehrfach vermutliet s. W e l c k e r Ep. Cycl. II, 62sq. >") O. M ü l l e r Litt, (iesch. I, 107. I.UIUT Gesell, il. llullKT. IVM.-'JU'.

lo

286 Viele der Alten selbst b e m e r k t , t 9 ) ,

sondern auch die mei-

sten der neueren Gelehrten zugestanden ' " ) .

Wie nun dies

Zugeständniss einerseits die Ansicht von Einem Homer ihrer vornehmsten Stütze berauht — obgleich die wenigsten ein Bewusstsein darüber zu haben scheinen — ,

so macht es

uns andrerseits die Untersuchung zur Pflicht, zu erforschen ob die Homeriden

von

beiden Liederganzen die Urheber

und Pfleger gewesen, oder ob, wenn der Abstand zwischen Ilias und Odyssee zu gross ist, als dass sie beide, selbst nach grossen Zwischenräumen,

aus dem Schoosse

einer

Sängerinnung könnten hervorgegangen sein, ein andres Sängergeschlecht entweder die llias o d e r die Odyssee in derselben Weise behandelt habe, wie die Homeriden entweder Odyssee o d e r llias.

Und dadurch dass wir wirklich Nach-

richt von einem zweiten Sängergeschlechte haben,

dessen

Wirksamkeit sicli gleichfalls auf homerische Poesie bezog, wird diese Frage noch dringender

Herakleides Ponlikos

Ul

13

°).

) erzählt, Lykurg sei in Samos

gestorben und habe Trjv 'OftrjQov noirjotv,

wcichc er von

" " ) vgl. Ii o r n Ii a r V ffli/UO»'rtti. Kid 'Oävaoiv! Ovaiti Nvfjif ais eis ,IfXiy änonXil Intöxwpofttvot tri ßovxoXnt, xiti StviZiiid mtQu TToXviivip, liiÜQÖv Tt Xu/ußavti XQUI^qw xcti (nl JOVZO) Tf'c Tuyi T^Oif wriov xiti l1yctfti\6r)V xiti Auyiav. "Entna di 'I&t'txrjV xuianXtuo«; iui vno TaQiaiov (»¡itiiaas TtXel dual«;. Kai fieiu ntvxit elf (-JiairooiTOÜi vtiftxvtirai xul ytifitt KuXXiäCxrfV, ßaaiXiia Ttov StonQWTm'. Entntt noXtfioq ovvCoiaitit iois deonftioiois 71 QÖ; TiQvyovg 'Oävaaito; rjyovuivov. 'Evrtw&a ^Qt)f ravi neql tov 'OSvoaia

XQ^ntTcti.

Kai

IWJÜJ

ti;

fiti/Tjv

'A^TJVII

x«9IAI«ICTI.

TOVTOVS

filv 'AtioXXiov JtctXuei xjX. Wie g u t o d e r w i e s c h l e c h t e i n e R e i s e z u m P o l y x c n o s nach Elis a n g e n o m m e n w a r d , g e n u g E u g a i n m o n e r w ä h n t e i h r e r . P o l y x e n o s w a r a b e r ein E n k e l d e s A u g e a s ( / i , 623 s q . ) , d e r v i e l f a c h in die S a g e n d e r t r i p h y l i s c h e n M i n y e r v e r f l o c h t e n i s t ( O . M ü l l e r Orcli. p. 91 sq. 256. ed. II.), und auf den d i e a l t - m i n y e i s c h e S a g e von T r o p h o n i o s und A g a m e d e s ü b e r g i n g ( O . M ü l l e r |>. 90 s q . ) . S i e k a m als g e w i f s nicht u n b e d e u t e n d e E p i s o d e in d e r T e l e g o n i e vor. Den Krieg der T h e s p r o t e r und Bryger schlichtet Apollon, Kyrenes vornehmster Gott. Dem Odysseus und der P e n e l o p e gab E u g a m m o n a u f s e r T e l e m a c h e i n e n Sohn A r k e s i l a o s ( E u s t a t h . Od. p. 1796, •19), w i e v i e r K ö n i g e von K y r e n e h i e s s e n ( B ö c k h E x p l . P i n d . p. 263 sq.), w ä h r e n d ihn d i e T h e s p r o t i s ( P a u s a n . VIII. 12, 6) P t o l i p o r t h e s n a n n t e .

333 rere andre Namen "*): Parthenia, Dryusa, Anthemusa, Melamphyllos. Asios, selbst Samier, giebt, indem er den Namen seines Vaterlandes genealogisch herleitet, ohne Zweifel die einheimische Sage darüber. Nach ihm ' " ) nun Beugte Phoinix mit der Perimede, des Oineus Tochter, die Astypalaia und Europe. Die erstere gebar von Poseidon den Ankaios, der über die Leleger herrschte. Dieser heirathete die Samia, Tochter des Flusses Maiandros, von der er Vater des Perilaos, Enudos, Samos, Alitherses und einer Tochter Parthenope wurde, die mit Apollon den Lykomedes erzeugte ' " ) . Apoüodor giebt dem Ankaios einen Bruder ' " ) vgl. lntpp. z. Hygin. f b . 14. p . 4 7 S t a v . P a n o f k a Res Samiorum. Berol 1822. 8. §. 4. p. 7 sqq. [ Z u dieser Anm. gehört eine e r s t beg o n n e n e Sammlung von Stellen: N a in © n v o n S ä mos« » i x i x e ITO yaQ nollots oro/uitoi." Seh. Apollon. II, 872. [s. noch S t e p h . Byz. 8. v. Z n p o i . Plin. N. H. V. 31. 130 etc.] a. nag»tv(a Apollon. RJi. II, 872. Callim. Del. 49. ibiq. Spanh. p. 416. „ L a c t a n t . Inst. I , 17. Alexiph. p. 139." — S t r a b . X. p. 457. XIV. i>. 637. Heraclid. cp. 10. b. MeX(iv9fuo( Seil. Apollon. II, 872. c. U v S i f i o v a u Seh. Apollon. II, 872. d. Miläfnt vklo( Strab. X. p. 457. XIV. p . 6 3 7 . e. l i v i h i f x i s S t r a b . X. p. 457. XIV. p. 637. f. >Pv litislamblicli. Vit. Pytli. cp. II. p. 18. Kieisl. g. j Q v o v a t t Heraclid. cp. 10.] ' " ) Asios bei P a u s a n . VII. 4, 1. ( f r . 8. p. 150 Bach. f r . VII. p. 413 Marckscli.). ' " ) Oineus I P e r i m e d e = Phoinix I Poseidon = Astypalaia. Kurope ( ö , 321). . I • Ankaios ') = Samia, T . d. Maiandros. I . Perilaos. Knudos. Samos. Alitherses. P a r t h e n o p e = A p o U t y j t I Lykomedes ').

Kurypylos ') I Clialkiope =

Herakles

Tliessalos oder P h e i d i p p o s und Antiphos ") Pheidippos.

Antiphos

284 Eurypylosj indem er diesen gleichfalls Sohn des

Poseidon

und der Aslypalaia nennt; welcher über die Insel Kos geherrscht habe

und vom Hernkies,

als diesem bei

seiner

Rückkehr von Troia die Koer aus Furcht er sei ein Seeräuber die Landung wehrten, erschlagen sei 1 S ä ).

Deute ich

die Sage von des Ankaios Abstammung recht, so bezeichnet sie ihn als einen Einwanderer; des Poseidon

und

der Aslypalaia.

deshalb heisst er Sohn aber,

Aslypalaia war

wie schon der Name zeigt, eine alte Stadt auf Samos

156

),

die als Tochter des Phoinix und Schwester der Europc auf

') S . . 129. Brandstäter a. a. O. p. 27 sqq. ,,T ) Der Wein spielt j a auch in der Odyssee eine grosse Rolle. Lauer Geich, d. homer. Poeile.

16

243 s t i r b t , M ) . Und 90 wird es ein Zug, der Widerschein alter Stammsage sein, dass Odyssetis zuerst von allen Freiern dem Antinoos einen Pfeil durch die Kehle schiesst in dem Augenblicke, da dieser den goldenen Becher aufhob und ihn schon, um zu trinken in den Händen hielt, an den Tod nicht denkend

l89

).

Ja, Dionysios T h r a x leitete aus dieser Stelle der Odyssee jenes Sprichwort her

Und es ist doch gerade der Kre-

ier Odysseus, der den Antinoos lödtet. Wenn

wir alles zusammenfassen,

die Angaben einer

kephallenischen Kolonie nach Samos und die Uebereinstimmung in der Genealogie und Sage, so werden wir nicht zweifelhaft sein einen wirklichen verwandtschaftlichen Z u sammenhang zwischen jener Insel und dein Theile des westlichen Griechenlands anzuerkennen,

in welchem

der eine

Stamm der odysseischen Sage wurzelt, der andre sich verzweigt , und

demgemäss

die samische Sängerschule

der

Kreophylier, von der wir wissen, dass sie homerische Lieder besass, mit der Sage von Odysseus beschäftigt zu glauben "").

Stesandros von Sanios, der zuerst in Delphoi den

Homer kilharodierle ' " ) , hub mit der Odyssee an ' " ) . Odyss. bei den Kikonen (Od. I \ , i5), beim Polyphem ( O d . I X , 3 i 6 u . fg.), bei d i r Kirke (Od. X, "¿33). [mit Bleistift s p ä t e r z u g e f ü g t e Annikg.] ""') Hier b e m e r k e icli noch F o l g e n d e s : Artemis xitnno/füyos auf Samos v e r e h r t , Suid. xunn. — Kber an samisrhen Scliilfsschnäbeln, Herod. III, 5(1. Phot. Lex. p. 4 9 8 , 10 ( C r a t i n . f r . 11 p. 9 Mein.). — Meleager einen E b e r a b f a n g e n d auf einer samisclien M ü n z e , Kckliel D. N. T o m . II. p. 56. " ' ) z , »»qq"'•) Sch. Od. 9. Z e n o b . V, 71. " ' ) Dazu w ü r d e sich s e h r g u t ihr Name passen (vgl. not. 131), wenn W e l c k e r Rpisch. C j c l . p. 219 sq. ihn richtig durch B r a t e n freund ü b e r s e t z t hat. D i i n t z e r H o m e r n. d. epische Kykl. p. 4 not. halt f ü r die u r s p r ü n g l i c h e F o r m K l w f v l o t (vgl. xte« «i'tfpwi') d. i. S a g e n f r e u n d . K e i l Spec. O n o m a t . Gr. p. 70 l e i t e t den Namen von xpfior

ii.

if vXtj

=

vl(!p/oi.

' " ) Timoinach. bei Athen. XIV. p. 638 A. " " ) Bei d e r B e g r ü n d u n g davon ( Q n a e t t . H o m e r , p. 72sq.) „ N a m

243 Dichtkunst muss seit sehr geblüht haben.

frühen Zeiten

auf Samos

Dies zeigen ausser den Nachrichten

die Kreophylier Asios der Genealoge,

über

Simonides der Iara-

bogroph, Pylhagoras mit seiner musikalischen Bildung. mos war das Vaterland des Kyklographen Dionys

m

)

Sa(der

den Homer zuin Zeitgenossen des thebischen und troischen Krieges machte und wohl nicht allein deshalb, weil es schien dass der Dichter nur als Zeitgenosse die Ereignisse so bestimmt und einzeln habe erfahren richten können

l95

),

und so anschaulich

be-

sondern weil mit dem Alter Homers

das des Kreophylos wuchs) und des Duris, den wir mehrfach in Rücksicht auf die Sage von Odysseus erwähnt

finden.

Iis war ein iibelangewandler Palriolismus, der ihn bewog, das S p r ü c l m o r l über Eurybalos von Eurybales fährten des Odysseus ' " )

abzuleiten

lj;

dein

Ge-

) und die Penelope

zur Mutter des Pan von allen Freiern zu machen "").. " * ) Zu diesem verwandtschaftlichen Interesse, welches die Odysseussnge für die Snmicr halle, kommt noch ein anderes

von nicht geringerein

Belang.

Abgesehen

nämlich

davon, dass die Samier sehr kühne und unternehmende S e e Ulixis fabula propius quam Achillis ad Delphos pertinebat," hätte ich lieher ad Samios schreiben sollen. ' " } Ueber ihn A V e l c k e r l£p. Cycl. |>. 75 sqq. ' " ) W e l c k e r p. 203. 11, 184. i , 2 i 7 . " ' ) (v iT ! « r ntpi 'AyaOoxliu bei Suid. I'.covßtabi (fr. X L H u l l e man). vgl. G . E c k e r t s de Dnride Sainio. Bonn 1842. 8. p. 2 sq. — Ueber das Sprüchwort handeln M a r x zu Kphor. frgm. 100. p. 207. y. L e u t s c h zu Diogen. IV, 76. p. 243 vgl. Kustath. p. 1864, I I sqq. Duris bei Tzetz. Lycoplir. 772. vgl. Sch. Theocrit. VII, 109. Nonni narr, ad Greg, invect. I, 40. p. 141. (bei Westermann Mythogr. p. 381, G.) Quaest. Homer, p. 49. not. 114. " " J [Dieser Scliluss, welcher in der ans einer andern Ueherarbeitung dieses in dein Collegienlieft L a u e r s über die entlehnt worden.

Habilitationsschrift fehlt, ist Gegenstandes, wie sie sich Odysseussage findet, von uns Aninerk. d. Herausgeber.]

16*

244 fahrer waren (schon vor der 35. Olympiade, also vor 640 vor Chrisli Geburt kam, wie Herodot IV, 152 erzählt, der Samier Kolaios durch einen Ostwind verschlagen über die Säulen des Herakles hinaus), musste die Odyssee auf Samos wegen der dortigen religiösen Verhältnisse den ungeteiltesten Beifall finden. [Athene (Seefahrt, Gorgyra und Deikterion), Here ( E h e ) Heräen].

Welche Lieder konnten die

Feste der Athene besser verherrlichen als die von der Irrfahrt des Odysseus, des Helden, dem jene Göttin j a wie eine Mutter zugethan w a r ?

Und welche Lieder hätten an

den Heräen auf Samos eine passendere Stelle gefunden, als diejenigen, welche der Penelope Keuschheit und eheliche Treue feiern, in denen wir häusliches, eheliches Glück den Angriffen wilder, üppiger Männer ausgesetzt, aber aus diesen Angriffen, nachdem es eine zwanzigjährige Probe ohne Wanken bestanden hat, siegreich hervorgehen Und thun wir einen kleinen Schritt weiter. gegenüber lag das Vorgebirge Mykale.

sehen? —

Gerade Samos

Hier war es,

wo

um den grossen Tempel des Poseidon Helikonios sich alle lonier zu dein grossen Bundesfeste der Panionia vereinigten und in gemeinsamer Feier das Andenken ihrer gemeinsamen Abstammung wach erhielten.

Ihr ganzes Leben war

auf Schifffahrt begründet, der Gott des Meeres ihrer aller Gott.

Und wo hätte die Macht dieses Gottes, das Gewicht

seines Zornes glänzender sich offenbaren können, als in der Odyssee, die ja auch so lieblich und anziehend alle Schrecken desSeclebens schildert! Odyssee mehr Anklang Mykale?

Ich frage nochmals, wo konnte die finden,

als auf Samos

und

auf

II.

Homerische Studien.

I. Ueber die Volkssage vom Odysseus.

D i e Sage liisst den Odysseus bekanntlich auf Ithaka heimisch sein.

Soweit es uns möglich ist in die so dunklen

Anfange der griechischen Geschichte zurückzugehen, begegnet uns in Ithaka ein alter Volksstamm,

den wir zu den

Urbewohncrn von Hellas zählen müssen.

Es sind die Le~

leger.

Aristoteles bei Strabo VII. p. 322 sagt nämlich, das$

der Aulochthone Lelex im westlichen Akarnanien gewohnt und einen Enkel Teleboas gehabt habe, von welchem die Teleboer stammten.

Als Sohn 1 ) oder Neffe*) oder V a t e r 1 )

dieses Teleboas, was in der Sage auf eins hinauskommt, wird nun Perelaus 4 ) genannt, von dessen 3 Söhnen wiederum die Insel Ithaka, der Berg auf ihr Neriton und der ithake* sische Ort Polyktorion ihren Namen haben sollen (Akusilaos bei Scliol. Od. q, 207.

Acus. fragin. 24. St.).

Diese Leleger sind als ein griechisches (Jrvolk zu betrachten, welches von Hellas aus auf die Inseln des aigaiischen Meeres und weiter auf die kleinasiatische Küste über') Anaximandros bei A t h e n . XI. 498 C . *) Apolloil. II, i, 5. Scliol. Apoll. Rh. I, 747. Sch. Apoll. Rh. I, 747. 4 ) Scliol. Od. 6, 207.

348 ging *). Nach Euboia z. B. kamen sie wahrscheinlich von Boiotien aus, nach Samos von der dem Odysseus u n t e r t ä nigen Insel Same, wie ausdrücklich angegeben wird. Diese Uebersiedelungen müssen lange vor dem troischen Kriege stattgefunden haben, da in demselben schon Leleger auf Seite der Troer kämpfen 6 ) und die Sage von der Unteijochung der Insel-Leleger durch Minos erzählt 7 ). Durch Unterwerfung dieser Leleger und der mit ihnen verbündeten sowie durch gleiche Lebensart verbrüderten Karer soll Minos das Meer von ihren Seeräubereien befreit und jene viel gerühmte Seeherrschaft gewonnen haben 8 ). Als kühne Seefahrer zeigen sich also die Leleger durch ihre Ausbreitung auf den Inseln vom Festlande aus und durch ihren Konflikt mit Minos. Homer erwähnt die Leleger und Taphier, aber nicht die Teleboer. Aber diese sind mit den Taphiern dieselben, da Taphios Bruder des Teleboas heisst 9 ). Diese Taphier offenbaren bei Homer ganz den Charakter, den wir vorher den Lelegern, ihren Verwandten, vindiciert haben. Qeilioi, (a, 181) heissen sie, die über das dunkle Meer zu fremdredenden Männern nach Temese 1 0 ) schiffen, um Kupfer gegen Eisen einzutauschen (a, 180 sqq.). Daneben sind sie Seeräuber und Sklavenhändler. Eumaios halte von ihnen den Mesaulios ( f , 452) und des Eumaios Vater ein phöni-

Vergl. Solclan im R h e i n . Mus. 1833. p. 89 — 127. ' ) Horn. II. K, 429. Y, 96. -/>, 86. 7 ) Soldan 1. I. ") H e r o d . I. 171. T h u c y d . I. i . Soldan I. I. p. 120. ' ) Auch Sohn des P o s e i d o n , Apollod. II. 4, 5 , welcher diesem Volke den Nainen der T e l e b o e r gab. '") Wohl nicht das italische (Strabo I, 6. VI, 255. Sch. Od. «, 184. E u s t a t h . Od. p. 1409, 1. Miliin Mineral. 79 sqq. u . a . ) , sondern das kyprische (Nitzsch Anm. I. p. 36. Kngel Kypros I, 149 sq. vgl. 45 sqq.).

349 zisches Mädchen, welches sie aus Sidon geraubt hatten, gekauft (o, 427 vgl. Strabo VII, p. 321. X, p. 459. Eustath. Od. p. 1396, 2.). Die Taphier wohnten auf den dicht neben Ithaka gelegenen und nach ihnen benannten Inseln, nicht verschieden von den Lelegern und Teleboern, die wir anderweitig als die Bewohner jener Gegenden kennen gelernt haben. Nach allem diesen haben wir uns die Leleger d. h. hier in specie die Bewohner von Ithaka, als eine Art Vikinger zu denken, die in kühnen, unternehmenden Fahrten über die See zogen, bald zum Handel bald zum Raub. Bei einem solchen Leben, glcich dem, welches die Normänner des Mittelalters führten, konnte es nicht an Abenteuern mancherlei Art fehlen; Schiffbruch leiden, heftige Stürme bestehen, verschlagen werden, in unbekannte, entfernte Länder kommen; und diese Abenteuer wiederum von Munde zu Munde getragen, vergrössert, ausgeschmückt und mit anderen zu einem Ganzen verbunden, mussten sich nach und nach zu allerlei unterhaltenden Schiffersagen gestalten, mit denen sich die kühnen Seefahrer, wenn der Winter sie zu Lande hielt, die lange Zeit verkürzten. — In einem solchen Leben, in solchen Verhältnissen haben wir den Ursprung unserer Sage zu suchen. Die Abenteuer des Odysseus sind die Abenteuer des Volkes, dem er angehört; es sind die Schicksale lelegischer Vikinger vergrössert und verschönert durch das Interesse an ihnen und eine reizbare Phantasie. In dieser Hinsicht kann und muss man sagen, dass Odysseus eine historische Person sei, seine Sage auf einer historischen Grundlage beruhe. Ob Odysseus einst wirklich gelebt, König von Ithaka gewesen, eine Frau Penelope und einen Sohn Telemach gehabt habe, das sind für uns Fragen von ganz untergeordneter Bedeutung, deren bejahende oder verneinende Antwort uns völlig gleichgültig sein kann» Die

250 Bedeutung, die Odysseus für uns hat, hat er inwiefern an ihm der Charakter des Volkes, das sein Bild schuf, objectiviert ist, in seinen Leiden und Freuden, seinen Kämpfen und Mühen die äusseren Lebensverhüllnisse und die Seelenempfindungen eben jenes Volkes niedergelegt sind. Ich komme zu einer andern Frage. Die Annahme, dafs Odysseus auf Ithaka heimisch gewesen, kann nur von Bewohnern dieses Landes oder solchen ausgegangen sein, die ein specielles Interesse dabei halten, ihm gerade Ithaka zum Vaterlande anzuweisen.

Hier entsteht nun eben die Frage:

haben die ithakesischen Leleger selbstständig den Odysseus geschaffen oder aber kannten sie ihn schon, als sie sich auf Ithaku nnsicdelten und haben sie ihn dort nur lokalisiert und seine Sage

den veränderten Verhältnissen angepasst?

anderen "Worten: ist Odysseus ein

Mit

ithakesisch-lelegischer,

oder ein allgemein lelegischer, wohl gar allgemein griechischer Heros?

Diese Frage ist sehr wichtig.

Sehen wir

daher zu, ob und w i e wir den Odysseus bei den übrigen Stämmen Gnden. Bei den Eurytanen (in Aitolien) befand sich ein Orakel des Odysseus").

Zu Trampya am Lakmon-Gebirge

wur-

den ihm göttliche Ehren erwiesen. (Tzetz. Lyc. 800.)

In

Lakonien hatte er ein rjqüov (Plut. Q. Gr. 48); desgleichen in Tarent, welches vom Peloponnes aus kolonisiert war"). In Boiotien sollte nach einer Sage Odysseus geboren und bei Alalkomenai von seiner Mutter ausgesetzt worden sein 13 ). Um uns zu überzeugen, dass diese Verhältnisse nicht erst aus der homerischen Dichtung in das Leben übergegangen " ) Aristoteles u. Nikandros bei Tzeti. Lycoplir. 799. " ) Aristot. mirab. ausc. I i i . Lorentz de rebus sacris Tarent.

l>ag. 17. f,

" ) Lycophr. Cass. 783.

786. ibiq. Scholl.

Istros in schol. Venet.

251 sind, wollen mit Odysseus Vater Iknrios gesetzt wird,

wir uns nicht bloss erinnern, dass die innig verbundene Penelope eben sowohl mit ihrem nach Sparta, als nach Akarnanien und Ithaka sondern auch einen Blick nach. Italien werfen.

Hierhin müssen seit den frühesten Zeiten Kolonisationen oder Wanderungen von Griechenland aus stattgefunden haben, worauf schon die Sagen von Oinotros und Peuketios g e h e n u ) . Telebocr werden geradezu als Bewohner von Capreae genannt' ). In der Bucht von Hipponion liegen die ithakesischen Inseln mit der Warte des Odysseus. (Plin. H. N. III, 13.) Fast keine irgend beinerkenswerthe Stadt in Unteritalien ist ohne eine Sage von Odysseus. Es würde zu weit führen, wollte ich hier auf Einzelnheiten eingehen, ich verweise auf K l a u s e n Aen. und die Penaten, Bd. II, S. 1129 —1154 und begnüge mich nur auf den allgemeinen Charakter aufmerksam zu machen, den Odysseus in diesen italischen Lokalen gehabt hat. Er ist ein vorhersehend agrarischer, idyllischer, landlicher, der somit von dem Heldenhaften des homerischen Odysseus bedeutend abweicht. Anzunehmen, dass Odysseus einst in Italien (wo wegen der reichen Weide und Felder die dorthin übergesiedelten Leleger von Krieg und Schifffahrt ab- und zu Viehzucht und Ackerbau hingezogen wurden), diesen agrarischen Charakter gewonnen und sich mit einem in Italien schon vorhandenen, ihm ähnlichen Heroen vermischt und verbreitet habe, würde nur einen Tlieil der in Italien vorhandenen Sagenformationen erklären, keinesweges aber alle, schon deshalb nicht, weil nicht alle hellenischen Bewohner Unteritaliens dem Lelegerstammc angehörten. Vielmehr kommt man bei Berücksichtigung aller Einzelnheiten zu der Ueberzeugung, dass

" ) Pausan. VIH, 3, 5. Strabo VI, 253 sqq. ") Virg. Aen. VII, 734 sq. Tacit. Annal. IV, 67.

952 dem italischen und ithakesischen Charakter

des Odysseus

ein dritter zu Grunde liege, der beide Richtungen in sich vereinigt habe.

Wir haben von einer Sage, in welcher die-

ser vermittelnde Charakter

des Odysseus geherrscht

hat,

keine volle Kenntniss; sie muss in die fernste Urzeit zurückgehen.

Der ithakesische ist in die epische Poesie

nommen

aufge-

und durch dieselbe verklärt; der agrarische ist

theils an Einzelnheiten im Homer, theils in Sagenspuren des westlichen Griechenlands, theils endlich in T r ü m m e r n der italischen Sagen zu erkennen.

Als Kriegs- und Seehelden

steht ihm Athene, als agrarischem Hermes zur Seite.

Ein-

zelne Spuren des agrarischen Odysseus linden sich auch im Homer.

Vor der Hand

geht uns derselbe jcdocli

nichts

weiter an, sondern nur der heldenhafte, ithakesische, von dem ich sagte, dass er in die epische Poesie und namentlich in die homerische aufgenommen worden sei. Aus dem Vorhergehenden ersahen wir also, dass Odysseus kein ausschliesslich ithakesischer Held

gewesen

sei,

sondern ein in Griechenland allgemein gekannter und zwar nicht blos bei den Lelegern. Denn die Leleger waren eben nur ein Volksstamm, von dem sich die übrigen B e w o h n e r Griechenlands z. B. die Pelasger nicht mehr unterschieden als etwa die Sachsen von den Franken.

Sie hatten einerlei

Religion und Sprache bei verschiedener Lebensart.

Leleger

sind vorherrschend Diener des Poseidon, Schiffer; die P e lasger

(neXo),

aqyog)

Bewohner

der

Ebene,

Ackerbauer,

Diener der Götter der Fruchtbarkeit. Demnach musste auch der beiden gemeinsame Odysseus bei jedem von ihnen seinen e i g e n t ü m l i c h e n Charakter haben d. h. bei den Ackerbau treibenden Pelasgern einen agrarischen, bei den seeräuberischen Lelegern einen heldenhaften.

Um es durch ein Bei-

spiel anschaulich zu machen: Pan war bekanntlich der Heerden- und Weidengolt, den vor Allem die pelasgischen Ar-

253 kadier verehrten. Was ging er die auf der See sich tummelnden Leleger an? Die Sage also, nach welcher Pan ein Sohn des Odysseus und der Penelope war, kann nur entweder von den Pelasgern ausgegangen oder erhalten sein, während die Leleger sie gar nicht schaffen konnten oder, wenn sie sie von Alters her kannten, bei ihrer veränderten Lebensart und bei dem dieser gemäss umgebildeten Charakter des Odysseus sie vergessen, wenigstens ganz zur Seite liegen lassen mussten. Es ist möglich, dass, wenn wir diese Richtung, in die uns die Abstammung des Pan von Odysseus und Penelope führte, weiter verfolgten, wir mit Odysseus und Penelope aus dein Bereiche der Heroenwelt in das der Götter gelangten. Aber dergleichen Untersuchungen sind zumal bei so wenig Material ausserordentlich intrikat und namentlich halte ich auch einen sofortigen Schluss aus derartigen gleichen Verhältnissen von Helden auf die ursprüngliche Göttlichkeit dieser Helden für eine Uebereilung, vor der man sich gewaltig hüten muss. So gut mnn das Göttliche ins Heroische und dann ins Menschliche niederschlagen konnte, ebenso gut konnte man Menschliches zuerst ins Heroische und weiter ins Göttliche hinnufheben. Uns geht hier überdies jener pelasgisch - agrarische Odysseus nichts an, sondern nur der Odysseus der lelegischen Vikinger. Und dieser Odysseus ist erst auf Ithnka aus jenem kühnen Seeräuberleben, aus jenen verwegenen Kämpfen mit den Wellen und Stürmen des Meeres hervorgegangen und hat als solcher nichts mehr mit Pan und dein pelasgischen Odysseus zu schaffen. Dass die Ausbildung des primitiven Odysseus zu seinem ithakesischen Charakter, angeregt durch die lelegische Lebensart, nur durch Sänger ausgeführt werden konnte, ist eine Sache, die sich von selbst versteht. Sagen und Sänger gehören zusammen, die einen sind nicht ohne den andern.

364 E s ist d a m i t w i e m i t d e n g r o s s e n K ö n i g e n , die i m m e r i h r e grossen Diener fanden.

S i n d V e r h ü l l n i s s e der A r t , dass sie

S a g e n e r z e u g e n , so b e g e i s t e r n sie a u c h L e u t e , w e l c h e d i e s e ä u g e n in ein Lied bringen. Wenn

also

die i t h a k e s i s c h e S a g e

von Odysseus

mit

N o t w e n d i g k e i t S ä n g e r u n d e i n e D a r s t e l l u n g in L i e d e r n v o r a u s s e t z t , so m u s s sich u n s e r e B e t r a c h t u n g f e r n e r zu f o l g e n den zwei Fragen

wenden:

1) S i n d j e n e ithnkesischen rischen?

Lieder

die H o m e r i s c h e n

hervorgebildet?

und

wenn

w o ist diese Ilcrvoii>ildiint> Die

Home-

oder

2) H a b e n sich

I.

unsere jetzigen

erste

Frage

aus älteren dies

letztere

ithakesischen der

Fall

ist,

geschehen?

w i r d der

mit J a zu

beantwor-

t e n g e n e i g t sein, der a u s d e m S t u d i u m der ä l t e s t e n

griechi-

s c h e n P o e s i e g e l e r n t hat, d a s s in jenen f r ü h e r e n Z e i t e n von den bezüglichen D i c h t e r n , w e n n

a u c h n i c h t ausschliesslich,

d o c h bei w e i t e m in den m e i s t e n F ä l l e n s l n n i m e i g e n l h ü m l i c h e S t o f f e g e w ä h l t w u r d e n , d e r g e s t a l t , d a s s m a n a u s d e m Stolf eines G e d i c h t s mit einiger S i c h e r h e i t auf d a s V a t e r l a n d G e d i c h t e s schlicssen k a n n .

des

W e r , wird mau deshalb fragen,

k o n n t e v e r a n l a s s t w e i d e n die i t h a k e s i s c h e S a g e zu besingen, w e n n nicht ein i t h a k e s i s c h e r D i c h t e r o d e r ein D i c h t e r eines S t a m m e s , d e r mit l l h a k a in i n n i g e r B e z i e h u n g s t a n d ?

Die

Alten s c h e i n e n selbst d e r a r t i g e S c h l ü s s e g e m a c h t zu h a b e n , als H o m e r s V a t e r l a n d

an-

g e b e n u n d ihn z u m S o h n d e s T e l e m a c h ¿ind e n t w e d e r

da sie u n t e r a n d e r n a u c h Ithaka

der

E]>ikaste, N e s t o r s T o c h t e r ,

ge-

oder einer von Phoinikern

r a u b t e n Ilhakesierin m a c h t e n ( H e s i o d . et H o r n . a g . |>. 3 1 4 e d . II. Göttl.).

D e r Dichter H e n n e s i a n a x aus Kolophon gab dieser

M e i n u n g in seinen E l e g i e n

eine sehr anmuthige

Wendung:

,,1ir der erhabne H o m e r , um iler schönen P e n e l o p c willen

Pries er in seinem Gesang Itliakas magres Getild,

255 Vieles erlitt er um l i e und wohnt in dem winzigen Eiland W e i t von des Heimatlislaml stattlichen F l o r e n entfernt. Und um Ikarios Kind nnd Amyklas Volk und nm S p a r t a K l a g e n d , b e r ü h r t sein G e s a n g e i g e n e Leiden n u r s t e t s . "

In neuerer Zeit hat zuerst wieder J a c . B r y a n t (Abhandl. vom troian. Kriege, aus dem Engl. von Nöhden.

Lond. 1794. 4.

Braunschweig 1797. 8.) die Ansicht gellend

gemacht, dass Homer aus Ithaka gewesen und in den Schicksalen des Odysseus seine eignen dargestellt habe, dann auch L e c h e v a l i e r in einer Schrift: Ulysse-Homère ou du véritable auteur de l'Iliade et de l'Odyssée par Const. Koliades. Paris 1S29, von der man aber nicht weiss, ob sie in Scherz oder Ernst gemeint ist. — Kein geringes Gewicht wird bei dieser Untersuchung auf den Umstand gelegt, dass die in der Odysse gegebene Beschreibung von Ithaka durchaus mit dem faktischen, noch jetzt zu erkennenden Zustande dieser Insel übereinstimme. Und dies Argument ist nicht unerheblich.

Wenn

man

auch über

Sir W i l l i a m

Gell

lachen

muss, der auf dem heutigen Ithaka noch die Pfosten vom Bette des Odysseus aufgefunden zu haben meinte, so kann man doch nicht umhin zuzugeben, dass die homerische Beschreibung

von Ithaka überraschend mit der Wirklichkeit

übereinstimmt vergl. Fr. T h i e r s c h Briefe aus Griechenland (Morgenbl. 1832 Octob. No. 242 sq.).

Diese

Erscheinung

setzt nothwendig Bekanntschaft des Dichters mit dem von ihm beschriebenen Lokale voraus.

Aber

es ist eben

die

F r a g e , ob aus diesen beiden Argumenten, Genauigkeit der Beschreibung und stainnithüinlichem Interesse, zu folgern ist, dass der Dichter unserer Odyssee ein Ithakesier und

unsere Odysseuslieder

ithakesische seien?

gewesen Ich

muss

mich dawider erklären, denn 1) kann man die T r e u e der Lokalschilderung sich so erklären, wie die Alten es thalen: Homer sei auf seiner

256 Reise auch nach Ithaka gekommen; oder aber so, dass man sagt, man habe die Lokalbeschreibung getreu aus älteren Liedern in die homerischen hinübergenommen. Man halte keinen Grund sie zu verändern, utn so weniger, da man die Sage mit ihren Lokalen als durchaus auf der Wirklichkeit beruhend ansah; 2) das Stammthümliche an der Odysseussage, welches allerdings bei den Verfassern der Odyssee vorausgesetzt werden muss, darf man doch nicht einseitig auf Bewohner von Ithaka selbst beschränken, sondern muss es auch für diejenigen in Anspruch nehmen, welche mit der Heimat des Odysseus Zusammenhang hatten, von ihr ausgegangen waren und demzufolge auch die Sage mitgenommen hatten. Mehr aber noch als die Unzulänglichkeit der beiden eben widerlegten Argumente spricht wider die Annahme, dass unsere Odysseischen Lieder die alten itliakesischcn seien, folgendes: 1) ist es allgemeine Behauptung des Allerthums, dass unsere Ilias und Odyssee an den Küsten Kleinasiens entstanden seien; 2) ist es wenig wahrscheinlich, dass man bereits in jenem westlichen Theile Griechenlands eine Verknüpfung der Odyssee mit dem Iroischen Kriege sollte vorgenommen haben; eine solche ist dagegen natürlich an der asiatischen Küste, wo durch Verhältnisse, die ich hier nicht näher erörtern mag, sich die Sage vom Iroischen Kriege neugestaltet, verbreitet und grosses Ansehn erworben hatte; 3) kommen in der Odyssee Stoffe und Ansichten vor, die nicht auf Ithaka und nicht auf die Zeit passen, in welche die ithakesischen Lieder zu verlegen sind z. B.

257 Spuren einer Kenntniss des nördlichen Europa

[vgl.

den Aufsatz darüber S . 2 9 3 fgg.]; 4) zeigt unsere Odyssee in allen ihren Verhältnissen einen durchgehend civilisierlen und zwar ionischen Charakter, wie er bei den westgriechischen Seeleuten nimmermehr kann angenommen

werden,

sondern nur

bei

Ioniern der asiatischen Küste. IL

Hieraus folgt nun weiter als Antwort auf den er-

sten Theil der zweiten Frage, dass unsere homerischen Lieder sich aus altern ithakesischen hervorgebildet haben. Auch über das „ W i e " habe ich schon einiges angedeutet und es bleibt uns nur zu betrachten übrig,

wo diese Fortbildung

der älteren Lieder zu den homerischen staltgefunden habe. Diese Frage erhält von zwei Seiten her ihre Beantwortung 1) von der Geschichte der homerischen Poesie

überhaupt

und 2 ) von der Geschichte der Odysseussage. Jedermann weiss, dass wir weder über den Verfasser, noch über das Vaterland, noch über das Zeitalter der homerischen Gedichte genauer unterrichtet sind.

Aus der fast

erdrückenden Masse dessen, was hierüber überliefert wird, steht jedoch folgendes als historisch fest: 1) dass die homerischen Gedichte an Kleinasiens Küste entstanden, mündlich zuerst durch Siinger, dann durch Rhapsoden (Snger) fortgepflanzt und nach Hellas übersiedelt wurden; 2) dass diese Gedichte nicht von

einem,

sondern

von

mehreren Verfassern herrühren und zwar solchen Dichtern, die unter sich zu gemeinschaftlicher Kunstübung als Dichter und Sänger in eine durch einen gemeinsamen Kult vereinigle Innung verbunden waren. Wir

kennen

mit Sicherheit zwei solcher Sängerinnungen,

von welchen beiden wir wissen, dass d e mit homerischer Lauer Gesell, li. liomer. Poesie.

17

2S6 Poesie beschäftigt waren, also dieselbe dichtend und vortragend.

Es sind dies die beiden Sängergeschlechter der

Homeriden auf Chios und der Kreophylier auf Samos").

" ) [Es schliessen sich in dem Manuscript liier di«Betrachtungen über die Homeriden und Kreophylier an, wie sie bereits in der Geschichte der homerischen Poesie Seite 216 bis Seite 244 enthalten sind.] Anm. d. Herausg.

II. Der homerische Charakter des Odysseus.

E s ist bereits im vorigen Abschnitt bemerkt worden, dass die ölten ithakesischen Lieder zu unsern homerischen umgebildet seien.

Neue Verhältnisse hatten sich nach den

grossen Wanderungen an der kleinasiatischen Küste*gebildet; die Sitten waren andere, in dem mannigfaltigen Zufluss von ¡Menschen und dein durch Handel und Gewerbe bald entstehenden Reichthum civilisierter geworden; kein solches Seeräuberleben,

wie es vordem die alten

kepliallenischen

Vikinger geführt hatten, fand in dem neu organisierten Leben eine Stelle.

Es bildete sich vielmehr jenes ionische Lig^en

a u s , welches an Leichtigkeit und Ammilh, und Heiz so günstig und ungünstig vor

Beweglichkeit

dem der übrigen

griechischen Stämme sich auszeichnet und auch in unserer Odyssee sich abspiegelt. Diesem Leben, seinen Vorstellungen, Ideen, Empfindungen, seinem Hingen und Streben mussten die alten Odysseuslieder konform gemacht werden und vor allen Dingen ihr Held selbst. Wir können uns wohl ein gewisses Bild von dem alten Odysseus machen, aber sicheres ist über ihn wenig, fast nichts zu sagen.

Der homerische dagegen liegt uns vor;

suchen wir ihn in wenigen Umrissen zu zeichnen. 17*

260 Odysseus ist in seiner W e i s e Ideal eines griechischen Charakters.

Wie

uns

in Achill

die jugendlich s p r ü h e n d e

T h a l k r a f t , die J u g e n d mit all ihren Vorzügen und F e h l e r n in wundervoller Persönlichkeit entgegentritt, so in Odysseus das Bild eines M a n n e s ,

der eben nach allen Seiten hin ein

vollendeter Mann ist nach griechischen Begriffen. Achill ist das jugendlich-körperliche Ideal; der schönste aller Achaier, die vor Troja zogen;

Odysseus

ist das

männlich-geistige

Ideal, der klügste aller Achaier. Natürlich kann beides nicht einseitig

gedacht

werden.

Wie

die

Griechen

sich

keine

geistige Vollkommenheit denken konnten ohne eine e n t s p r e chende körperliche, so erscheint O d y s s e u s auch in B e z u g auf körperliche Vorzüge bei H o m e r

als einer der

besten.

Er ist kleiner als Agamemnon, aber breiter an Schultern und ßrusl.

Als er die Reihen der Männer m u s t e r t ,

vergleicht

Priamos ihn mit einem dickwolligen Widder, der die grosse Heerde durchwandelt.

Stehend ü b e r r a g t ihn Menelaos mit

seinen mächtigen S c h u l l e r n ; aber sitzend ist Odysseus g r ö s ser r, 191 sqq.

Man sieht Brust und Kopf ist bei ihm vor-

wiegend ausgebildet, die Fiisse sind kurz. die bildende Kunst dargestellt. züglich

geschickt

zum

Ringen

So hat ihn a u c h

Dieser Bau macht ihn vorund

Laufen.

Von

K u n s t im Ringen e r w ä h n t Homer zwei Beispiele: wie er auf Lesbos den Philoineleides gewaltig

seiner einmal

niederwarf

(d, 341 sqq.) dass alle Achaier sich freuten, alsdann bei d e m Leichenspiele des Patroklos. Telamonier Aias.

Hier r a n g er mit dem grossen

Mit den Armen sich umfassend standen

sie wie zwei D a c h s p a r r e n , der Rücken knirscht,

Schweiss

troff herab, blulrothe Striemen liefen an Seite und S c h u l t e r n herab, beide Helden n a c h dem Siege begierig, doch keiner im S t a n d e

den andern

niederzuwerfen.

Da

inachte

Aias

den Vorschlag, sie wollten einander a u f h e b e n und hob den Odysseus in die H ö h e , aber dieser schlug ihn in die Knie*

361 kehle, dass er niederstürzte, Odysseus auf ihn. Odysseus den Aias emporzuheben versuchte,

Als

nun

bewegte

er

diesen Koloss nur ein wenig von der E r d e ; dafür aber stellte er ihm ein Bein, dass sie beide neben einander hinfielen und voll Staubes wurden.

Achill endigte den Kampf, indem er

beiden den Sieg zuschrieb und gleiche Preise gab ( f , 708 sqqfj. — Von seiner Fertigkeit im Laufen legte Odysseus gleich nach seinem Ringkampf mit dem Telamonier Aias die Probe ab. Er läuft uiit dem andern Aias, Sohn des Oileus, und dem jungen Antilochos, Nestors Sohn.

Aias war. berühmt und

vor allen ausgezeichnet wegen seines Laufens; aber bei dieser Probe stand Odysseus ihm nicht nach, dem voranlaufenden Aias folgte er so dicht, dass er in dessen Fussstapfen trat, noch che der aufgewirbelte Staub in sie zurückgefallen war, und dass sein Alhem die Schulter des Aias berührte. Alle Achaier jauchzten

dem siegbegierigen

Odysseus zu.

Bei

der letzten Biegung flehte er zur Athene, dass sie ihm helfe. Und sie machte ihm seine Glieder, Füsse und Hände leicht, den Aias aber liess sie kurz vor dem Ziele ausgleiten, so dass Odysseus ihm zuvorkam

und den Sieg davon

trug.

„Wahrlich, sagte da Aias, mir hat die (¡ötlin die Füsse verstrickt, die auch zuvor wie eine Mutter dem Odysseus beistand und half." — Wie Odysseus im Ringkampfe mit Kraft die Klugheit verbindet, so im Wettlaufe mit seiner Schnelligkeit die Frömmigkeit.

Dies sind äusserlich die drei Haupt-

züge des odysseischen Charakters.

Eine grosse körperliche

Kraft und Tüchtigkeit, die er erhöht durch seine Klugheit, seine geistige Gewandtheit, die er noch weiter erhöht durch seine Frömmigkeit, versichert.

welche ihn des Beistandes der

Götter

Iin Besitze dieser drei Eigenschaften ist er denn

auch im Stande alles zu besiegen, ist er mächtiger als Aias, als der riesige Polyphein, vermag er mehr als Achill o d e r irgend ein Anderer, setzt er alles durch, erobert Troja, er-

262 duldet und besiegt die Leiden und Gefahren einer zehnjährigen Irrfahrt, erobert er sich Weib und Haus aus den Händen so vieler übermiithiger Freier wieder. Aus diesem Kampfe mit den Freiern, wo er mit jedem Bogenschuss ßjnen niederstreckt, zeigt sich auch, dass er zu den Phaieken die Wahrheil geredet, als er sagte: den Philoktet ausgenommen sei er von allen jetzt lebenden Menschen der beste Bogenschütze. Man hört wohl dem Odysseus den Vorwurf geringen Muthcs machch, weil man ihn mehrmals fliehen sieht. Indess nicht bloss nach griechischen Begriffen, sondern auch nach denen der allgemeinen gesunden Vernunft, wie J a n i b l i c h Vit. Pylh. cp. 30 ganz recht bemerkt, ist das die wahre Tapferkeit, dass man wisse, wann und wo man fliehen und wann und wo man ausdnuern soll. Das hat noch niemals für einen bewundcrnswerlhen Muth gegolten, sich einer Gefahr entgegenzustellen, die »othwendig und ohne allen Nutzen unsern unvermeidlichen Untergang herbeiführen muss. Sagt doch Agamemnon selbst (S, SO. 81.). Niclit j a T a d e l v e r d i e n t ' s d e r G e f a h r zu e n t r i n n e n , a u c h N a c h t ' s n i c h t , B e s s e r w e r f l i e h e n d e n t g i n g d e r G e f a h r , als w e n sie e r e i l e t .

Ich habe dies blos beiläufig bemerken wollen, weil ich weiss, dass Viele unrichtige Vorstellungen, die sie sich nach einigen Vorgängen der Ilias gebildet haben, in die Odyssee hineintragen, die doch mehr als ausreichende Beläge von dein unverwüstlichen Muthe des Odysseus giebt. Aber ich lnusste einen möglichen Vorwurf zurückweisen, weil er gegen die homerische Schilderung und Odysseus auch in Bezug auf seine Tapferkeit und seinen Muth Ideal ist. Nur freilich ist diese Tapferkeit, dieser Muth ganz andrer Art, als in Achill und Aias. Achill treibt, ich möchte sagen, mit einer gewissen Genialität, mit jugendlicher Kraft und Energie alles vor sich her, was ihm zu widerstehen wagt. Kr ist der

209 Unwiderstehliche. Aias ist der Widerstehende. Wo er einmal steht, da bleibt er stehen. Er ist nicht hitzig zum Angriff, zum Vordringen. Mit der Wucht und riesigen Kraft seines Körpers leistet er gewaltigen Widerstand, wie ein Thurm, und drängt ihn die (Jebermacht dennoch zum Rückzüge, so weicht er nicht eilenden Schrittes, sondern langsam wie ein Esel, den die Knaben aus dem Kornfelde treiben. Aias ist ein alter Haudegen, dem die körperliche Kraft für das Höchste gilt und ihre eiserne Handhabung für die höchste Tapferkeit. — Odysseus nun hat eine ganz andere Tapferkeit, die weder das Unwiderstehliche des Achill, noch den mauerartigen Widerstand des Aias besitzt. Des Odysseus Muth ist ein bewusster, er weiss wie weit seine Kraft reicht und wird diese so lange anwenden bis er sieht, dass sie zu schwach ist; dann aber flieht er, nicht etwa weil sein Muth zu Ende wäre — er würde sterben, wenn es darauf ankäme —, sondern weil er sieht, dass hier nichts mehr zu erreichen ist, er aber an anderer Stelle dafür zwiefach siegen kann. Der Muth des Odysseus hat einen hohen Grad von Zähigkeit, von Elasticitiit; er giebt in diesem Augenblicke nach, uin im nächsten mit verstärkter Kraft zurückzuschnellen. Dieser Charakter seines Muthcs stellt ihn dem Achill auch weit näher als dem Aias. Was ihn aber Über beide stellt, das ist die Klugheit, die geistige Gewandtheit, mit deren Hilfe er seine geringere Kraft weit ifber die des Achill und Aias hinaus steigert. Hierin hat er seines Gleichen nicht. Um dieser Klugheit die gehörige Wirkung zu verschaffen, sind drei Dinge nöthig, die Odysseus alle drei besitzt: 1) B e r e d s a m k e i t , um den klügsten von ihm gefassten Plan und Vorschlag den Andern auch als einen solchen darzustellen. Antenor beschreibt uns (F, 216 sqq.) den Odysseus als Redner: „nachdem er sich erhoben

204 Stand er und schaute xor E r d e hinab mit gehefteten Augen Auch den Stab, so wenig zur.iickbewegeml wie vorwärts, Hielt er steif in der Hand, ein Unerfalirner von Anselm, Dass Du leicht für tückisch ihn achtetest oder für sinnlos. Aber sobald er der Brust die gewaltigen Töne entsandte Und ein Gedräng der Worte, gleich schneeigen Flocken im Winter, Dann wetteiferte traun kein Sterblicher sonst mit Odysseus.

2) B e s o n n e n h e i t , um nicht durch Uebereilung zu vereiteln und den Blick für richtige Beurtheilung der Verhältnisse frei zu halten. Diese Besonnenheit, den Griechen eine der höchsten Tugenden, hat Odysseus durchaus. Er lässt durch keine Rücksicht, durch keine Regung des Heizens sich dieselbe rauben. Er ist in jedem Augenblick seiner Herr, klar sich selbst bewusst. Dies giebt ihm oft den Anschein von Härte und Gefühllosigkeit, aber auch nur den Anschein. Das hohe Ziel im Auge haltend, das zu erstreben ist und erreicht werden muss, ist Odysseus auch entschlossen es zu erreichen und deshalb alle Mittel anzuwenden, die ihm dazu verhelfen und alle die Rücksichten bei Seite zu lassen, die ihm hinderlich sind. Nirgends aber sind die von ihm angewandten Mittel unerlaubte, schlechte. Ein schönes Beispiel seiner Besonnenheit giebt er im Hades. Kirke hatte ihm streng befohlen keinen annahenden Schalten eher von dem Blute der geopferten Thiere trinken zu lassen, als bis Teiresias getrunken haben würde. Nun naht sich der Schatten seiner verstorbenen Mutter früher als Teiresias. Als er vor Troia gezogen, war sie noch am Leben gewesen; hier findet er sie unerwartet unter den Todten wieder. Er bricht in Thränen aus und das Herz wird ihm weich und wohl wäre es verzeihlich gewesen, wenn er des Befehls der Kirke vergessend, seine Mutter hätte dem Blute nahen lassen. Allein, wie sehr ihn auch die Erscheinung seiner Mutter bewegt, so doch nicht zu einer unüberlegten That. Er bewahrt auch hier seine Besonnenheit und vollführt das, was

265 diese ihm gebietet, wenngleich mit widerstrebendem Herzen (nwtirov neq ojjeiW, X, 88). — 3) B e h a r r l i c h k e i t zeigt Odysseus in der unablässigen Verfolgung des Ziels, die deshalb auch die Ursache ist, dass er alle Hindernisse, welche der Erreichung dieses Zieles sich entgegenstellen und dieselbe zu vereiteln drohen, mit allem ihm zu Gebote stehenden Muthe, mit aller Klugheit, Beredsamkeit, Energie beseitigt. Nachdem er sich einmal an dem troischen Kriege betheiligt hat, ist er die eigentliche Seele desselben. Er zieht mit Nestor umher in Griechenland und wirbt Bundesgenossen (A, 765sqq.), redet den Achaiern, wenn sie an llions Eroberung verzagen und heimkehren wollen, Muth ein (B, 164 sqq. S, 82sqq.), betreibt die Opferung der Iphigenie, weil nur durch diese Artemis versöhnt werden kann, reinigt den Achill vom Morde des Thersites, der auf dem Heere lastet, holt den Philoktet aus Lemnos und den Neoptolemos aus Skyros, weil nur mit ihrer Hilfe Troia gewonnen werden kann u. s. w. Ueberall, wo Vermiltelung nöthig ist, da sehen wir den Odysseus thätig. Vor Ausbruch der Feindseligkeiten ist er mit Menelaos als Gesandter in Ilion, um die Helena zurückzufordern. Mit diesen mehr politischen Tugenden des Odyaseus ist eine Menge anderer verbunden, die man private nennen kann. Den Uebergang zu diesen macht am besten seine Frömmigkeit. Schon die fortgesetzte Fürsorge der jungfräulichen, ja der frevlen, ruchlosen Gesinnung abholden Athene zeugt für den frommen, den Göttern vertrauenden Sinn des Odysseus. Und ausser den vielen Fällen, wo wir denselben erkennen, bezeugt ihn ausdrücklich Zeus selbst a, 65 sqq., indem er auf die Vorwürfe der Athene, den Odysseus vergessen zu haben, antwortet:

266 Wie doch sollt' ich vergessen des göttergleichen Odyüsens Der Tor den Sterblichen r a g e t an Geist und vor allen mit Opfern Stets den Unsterblichen naht, di'- den weiten Himmel bewohnen. A l s er die Freier e r s c h l a g e n halle

und die

alle

Eury-

kleia in l a u t e F r e u d e d a r ü b e r ausbricht, e n t g e g n e t ihr G d y s s e u s (x, 4 1 0 s q q . ) : M o t t e r iin Geiste seid f r o h , doch enthaltet euch alles G e j u b e l s , S ü n d e j a ist's lautauf um erschlagene Männer zu j a u c h z e n . Diese b e z w a n g der G ö t t e r Gericht und eigene Bosheit. Mit

dieser

Frömmigkeit

hangt

genau

zusammen

die

m i l d e s a n f t e G e s i n n u n g g e g e n s e i n e U n t e r g e b e n e n , ß, 2 3 0 s q q . sagt

Mentor:

Nim liier hinfort sei gütig und sanft und freundlichen Herzens Kin b e z e p t e r t e r König, nicht liecht und Uilligkcit achtend ; Sondern er f e i stets heftig gesinnt und frevel'* grausam Weil kein e i n z ' g e r g e d e n k t des göttergleiclien Odysseus; Nicht das Volk, wo er herrschte und freundlich war wie ein Vater. u n d ö, 6 8 7 s q q .

Penelope:

Habt ihr denn niemals E u e r e Väter erzählen g e h ö r t , da ihr Kinder noch wäret, Welch ein Mann Odysseus gelebt mit eueren V ä t e r n ? Niemanden j e durch T h a t e n beleidigend oder durch Worte Nicht das V o l k ? was sonst der Gebrauch ist erhabener H e r r s c h e r . Einige liasst man wohl von den Sterblichen, andere liebt m a n ; Aber noch nie hat j e n e r iin Ueberinuth einen gekränket. D i e s e l b e n G e s i n n u n g e n o f f e n b a r t er in s e i n e n h ä u s l i c h e n Verhältnissen. gramvoll

ein

Es

ist

rührend

zu

ordentliches Lager

hören,

wie

v e r s c h m ä h t , auf

sein der

l i e g t u n d s e i n e s S o h n e s G e s c h i c k b e k l a g e n d sicli die m i t g r o s s e m K u m m e r erfüllt.

Vater Erde Seele

U n d w i e s e i n e Mutter z u i h m

s e l b e r i m H a d e s s a g t : (Ä, 2 0 2 . ) N u r diu Sehnsucht nach Dir und die Sorge um Dich hat, Odysseus, Und Dein f r e u n d l i c h e r Sinn mein süsses Leben geraubet. Als O d y s s e u s nach seiner Rückkehr zu

erkennen

Herz («, 347,

gegeben 348.)

hat,

erzittern

dem

sich seinem Greise Knie

Vater und

267 Schnell den geliebten Solln umarmte er, aber e» hielt ihn, Wie er in Ohnmacht sank, der herrliche Dulder Oilysseus.

S o grosser Kindesliebe entspricht des Odysseus Elternliebe.

Seine ayavofQoavvTj,

sein kindlich treuer, freundli-

cher Sinn, wie die Mutter ihn rühmt ( l , 203.). Noch weniger als von der Liebe zu seinen Eltern ist von der zu Penelope und seinem Sohne zu sprechen; um so weniger als wir bei der Lektüre der Odyssee vielfach Gelegenheit haben werden dieselbe zu erkennen'). N u r eines will ich schon hier hervorheben, weil es bisher gänzlich übersehen und doch fiir das Verständniss des Charakters des Odysseus von grosser Bedeutung ist.

Das-

jenige an der Penelope, um dessentwillen sie von dem ganzen Alterlhume

init u n g e t e i l t e r

Bewunderung

gepriesen

wird, ist ihre Keuschheit, ihre eheliche T r e u e .

Die Sage

nun würde sehr unverständig sein diese Tugend eine einseitige sein zu lassen, vielmehr erfordert sie ein Korrelat in der Tugend des Mannes. Xöneia,

Nicht blos die neqitpqiov

Ilrjve-

die besonnene, kluge Penelope, ist die Frau des

besonnenen, klugen Odysseus, sondern die keusche

Frau

Penelope hat einen treuen, keuschen Odysseus zum Manne. Man ist vielleicht geneigt nach den Vorstellungen, die von den sittlichen Verhältnissen

des griechischen Lebens

um-

gehen, den Begriff männlicher Keuschheit den Hellenen abzusprechen und allerdings, wenn mau diesen Begriff so fasst, wie er in unsenn Leben gefasst wird, muss man sagen, dass der griechische Begriff von diesem nicht wenig verschieden war.

Indess würde man doch auch gewaltig irren,

wenn

man glaubte, die Griechen hätten sich blos zu der Vorstellung weiblicher Keuschheit erheben können, nicht zu der

') [Dieser Aufsatz bildete einen Theil der Einleitung zu den der Erläuterung der Odyssee gewidmeten Vorträgen Lauers.] A. d. H.

268 einer männlichen Keuschheit.

Beides hängt so genau zu-

sammen, dass die eine von der anderen nicht zu trennen ist, mag die eine auch strenger als die andere gefasst und beurtheilt worden sein. Ich will nicht allzu grosses Gewicht auf den Umstand legen, dass von Odysseus keiner Beischläferin vor Troia, von der Kirke und der Kalypso doch keines Kindes erwähnt wird, aber gewiss ist bedeutsam, dass und in welchen Worten er die Tödtung der ßuhlerinnen der Freier befiehlt (x, 443 sqq.) Mit geschliffenem S c h w e r t e r m o r d e t sie, bis dass icli Aller Seelen hinweggetilgt und ganz sie vergessen der W o l l u s t , Die mit dem F r e i e r s c h w a r m sie g e ü b t in heimlicher Buhlschaft.

Fiissen wir d;is Bild von dem homerischen Charakter des Odysseus, welches wir bisher in seinen einzelnen Zügen betrachtet haben, kurz zu einem Ganzen zusammen.

Kör-

perlich stark und geschickt zeigt sich uns Odysseus als der Mann, der alle Gefahren und Mühen des Lebens zu ertragen nicht blos die Kraft und den Mutli besitzt, sondern auch sie zu besiegen die Klugheit, Besonnenheit und Beharrlichkeit. W a s immer ihm begegnen mag, nichts ist im Stande ihn in sich selbst ungewiss zu machen.

Er weiss in jedem Augenblicke

w a s er will und weiss zugleich, was die besten Mittel sind, um seinen Zweck zu erreichen. aus den Augen.

von zurückgebracht, des Gefühls.

Sein Ziel verliert er nie

Weder durch Schwierigkeiten wird er danoch

durch übelangcbrachte

Regung

Wie sehr ihm auch diese momentane Hinten-

ansetzung des Gefühls nicht selten den Schein von Härte geben mag, es ist eben nur ein Schein.

Denn wo nicht

höhere Rücksichten ihm gebieterisch die Verleugnung seines weichen Herzens,

milder und w a r m e r Regung auferlegen,

da lässt er die Sanftheit, die edle Empfindsamkeit

seiner

Seele ohne Scheu und ohne Hemmniss walten; (so namentlich bei den Phaiaken, bei Kalypso). — Als er eben die

269 Freier dahin gemordet hat und noch auf dem Tummelplätze verweilt, wird er von den treuen Mägden" mit freudigem Grusse umringt und herzlich in seiner Behausung begrüsst und er, sagt der Dichter, voll inniger Wehmuth (g, 501) Weint' und schlachtete laut; er erkannt 1 im Herzen noch Alle.

Jede der Eigenschaften, welche wir an Odysseus kennen gelernt haben, besitzt er vollkommen, er ist Ideal darin. Aber in der Totalität dieser Eigenschaften erhebt sich dieses Ideal. Welche Fülle von entgegengesetzten Eigenschaften besitzt Odysseus! Neben seiner Kraft welche Klugheit, neben seinem Mutli welche Besonnenheit, neben seiner rücksichtslosen Beharrlichkeit welchc Milde und Innigkeit des Gemülhs, neben seiner Schlauheit welche Redlichkeit und Frömmigkeit, neben seiner Aufopferung für das allgemeine Wohl welche treu bewahrte Sehnsucht nach Heimat, Weib und Kind. Wer findet in dem Odysseus, der beim Anblick seines sterbenden und ihn wiedererkennenden Hundes eine schmerzliche Thräne der Rührung vergiesst, den Odysseus wieder, der vor Troia ohne Erbarmen die Feinde abschlachtet? Diese Universalität in dem Charakter des Odysseus und die Vollkommenheit jeder einzelnen seiner Tugenden ist es, welche ihn nicht blos zum Ideal machen, sondern für die Griechen zum Ideal gemacht haben. Während ihnen in dem Achill das Ideal eines jungen, edlen, hochherzigen Helden, dem an Schönheit, Kraft und Mutli keiner gleich, zur Anschauung kam, trat ihnen im Odysseus ein anderes Ideal entgegen, das Ideal eines Helden, der an Klugheit und Verstand, an unverwüstlicher Ausdauer und Besonnenheit, an Unerschöpflichkeit im Auffinden von Mitteln, welche ihn aus jedweder Gefahr und Noth, aus Elend und Verlassenheit stets siegreich hervorgehen lassen, an Frömmigkeit, an Treue und Aufopferung für seine Freunde, und an zärtlicher Liebe

270 gegen Weib und Kind und sehnsüchtigem Heimweh nach seinem Vaterlaride

allen

Andern

voransieht.

kommt in der Odyssee zur Erscheinung.

Alles

dies

Die Odyssee ist

nichts weiter als Inkarnation dieses eben geschilderten Charakters.

Sie zeigt uns wie Odysseus in die verschiedensten

Lagen und Verhältnisse, in Noth und Gefahr jeglicher Art gcräth und aus allen durch j e n e an ihm betrachteten Eigenschaften sich glücklich und

siegreich

heraushilft.

Nichts

Anderes ist die Idee und Bedeutung der Odyssee als das allfertige zur Erscheinung Bringen jenes idealen Charakters eines vollendeten Mannes. Wie gewöhnlich sucht man die Wahrheit immer seilen, so auch in der Odyssee.

ab-

Uneingedenk jenes auch

für die Poesie richtigen Satzes, den G o e t h e für die Natur ausspricht,

indem

er sagt: „sie habe weder

Kern

noch

Schale, alles sei sie mit einem Male", begnügte man sich nicht den Sinn der homerischen Dichtung konkret mit ihrer unmittelbarsten Erscheinung zu nehmen, sondern suchte den Sinn hinter derselben: und doch

halte schon

der Rheloi

Alkidamas (Aristot. Rhet. III, 3) so treffend die Odyssee einen schönen Spiegel des männlichen Lebens genannt. Ich will einige von diesen angeblichen Deutungen der Odysseussage hier erwähnen, um zu zeigen, was in.nn Alles aus der Odyssee, oder vielmehr in dieselbe hinein, gemacht hat. Von alten Deutungen schweige ich. Aus dem vierzehnten Jahrhundert haben wir eine moralische Deutung der Irrfahrt ü b r i g , die dem Byzantiner N i c e p h o r u s G r e g o r a s

zuge-

schrieben wird, (abgedruckt in Westermanns Mythogr. Gr.) Diese moralische Deutung (auch bei N a t a l i s C o in e s Mythologiae libri X. Venet. 1568) hängt mit der damals beliebten Mythendeutimg zusammen, zu der Zeil als sich die Theologen derselben bemächtigt halten.

Damit hängt weiter noch

zusammen, dass man die Mythe für Entstellungen der Er-

271 zSMungen des alten Testaments erklärte ifbd folglich auch die Sagen.

Bemgemäss behauptete G e r h . C r o e s e

(Pre-

diger zu Dortrecht in seinem "O^i^og 'Eßnaiog seu historia Hebraeorum ab Hoinero Hebraicis noininibus ac sententiis couscripta in Odyssea et Iliade. Dordr. 1704. 8.) die Uias beschreibe die Unterwerfung Kanaans durch die Israeliten von Josua; die Odyssee dagegen die verschiedenen Begegnisse (varios casus et eventus) der Patriarchen und Israeliten vom Auszuge des Lot aus Sodom bis zum Tode des Moses auf dem BergeNebo. (Ithaka=Mesopotamien, Scheria=Idumaea). Noch unsinniger hatte schon etwas vor Croese ein belgischer Kanonikus J a c o b

Hugo

(Vera historia

Rom. 1655. 4.) den Homer gedeutet.

Romana.

Nach ihm ist Homer

prophetisch in Bezug auf das Volk und Reich Gottes, die Zerstörung Troias gleich der Zerstörung Jerusalems; er ineint „Iliadem Servatoris nostri vitam,res gestas, mortem continere;" Romulus und Remus sind=Paulus undPetrus; in den Harpyien sind die Niederländer gemeint, die Räuber der katholischen Kirchengüter, Lotophagen gleich Lutheranern. etwa im Scherz wird dies behauptet.

Und nicht

Zu einer Zeit, wo

man die wunderlichsten Sätze in der Bibel finden konnte und mit zähestem Glauben an denselben hing; wo man im alten Testament prototypisch nicht allein das neue, sondern die ganze Geschichte vorgezeichnet fand, in einer solchen Zeit darf es uns nicht Wunder nehmen, wenn wir heidnische Schriftsteller auf dieselbe Weise behandelt sehen, als die Bibel.

Uns ist das lächerlich, das. eine so wie das andere.

Aber ebenso bewundernswürdig ernst als man

die Bibel

misshandelte, sind auch mit gleichem Ernste die Profanschriftsteller gemisshandelt worden. Eine physische Deutung der Odyssee gab: J o Ii. B a p t. P e r s o n a aus Bergamo.

(Noctes solilariae seu de iis quae

372 scientifice scripta sunt ab Homero in Odyssea. Venet 1613. 4.) Ebenso in unserer Zeit: K l a u s e n : Die Abenteuer des Odysseus aus Hesiod erklärt. Bonn 1834. 8. — P. VV. F o r c h h a m m e r Hellenika. Berlin 1837. 8. — A l t e n b u r g in Progr. d. Gymn. zu Schleusingen 1835 — 1842 (abgedr. in J a h n s Archiv). Man vergleiche C r e uz er, Br. über Homer und Hesiod. Heidelberg 1819. — B a u r , Symbolik und Mythol. Stultg. 1825. Th. I. p. 50. — W e l c k e r die homerischen Phäaken und die Inseln der Seligen. (Rhein. Mus. 1832. I, 219 fgg. Kl. Sehr. II, 1 fgg.).

III.

Odysseus bei Sophokles.

D a s Alterlhuni giebt dein SophoLles das Zeugniss, dass er ein grosser Freund Homers gewesen s e i ' ) .

und des epischen

Kykios

Die Titel einer Menge verlorener

Tragö-

dien, der Aias und der Philoklet, so wie der ganze Charakter der sophokleischen Darstellung bestätigen dasselbe.

Schon

hiernach wäre cinigermassen vorauszusetzen, dass Sophokles in seinen Charakteren den homerischen Typus beibehalten haben werde, so lange nicht andre Gründe ihn zu einer Abweichung zwangen.

Hierzu kommt,

dass Odysseus in

seinen homerischen Konturen ein so fein gezeichneter Charakter ist, dass er als solcher gerade dem Sophokles besonders zusagen inusste.

Sophokles liebt, wenn ich mich so

ausdrücken darf, keine diagonalen Charaktere, wie die des Euripides fast alle sind. Dergleichen zu schildern ist leicht; man braucht den Einen nur das Gegentheil von dem An-

' ) [In der Handschrift findet sich hier das Zeichen, durch welches L a u e r eine vorzunehmende Aenrierung anzudeuten pflegte; wir haben deshalb sowohl hier als auch später noch einige Mal den Wortlaut einer andern Bearbeitung desselben Themas ans den Vorlesungen über Homers Odyssee aufgenommen. Anmerk. d. Heransgeber.] I.nuer Geich, d. homfr Poesif.

18

274 der» denken, sagen und Ihun zu lassen. Aber uulcr Sich verschiedene und doch edle, feindliche und dbch nchlbnre, sich einander bekämpfende, aussehBfessende und doch ehrliche, rechtliche Charaktere mit einander zu verketten und im Konflikte uns vorzuführen, das ist Sache des Sophokles. Ein deutliches Beispiel haben wir gleich im Aias und Pliiloklet. In der Nacht, welche auf den Tag folgte, an dein die Entscheidung über die hinterlassenen Waffen des Achill zu Gunsten des Odysseys lind gegen Aias ausgefallen war, war alles Beutevieh mit den Wächtern umgebracht worden; der Verdacht einer solchen That fiel auf Aias und um Gewissheit darüber zu erlangen, sehen wir zu Anfang der Tragödie den Odysseus vorsichtig uinherspähen. Kann in diesem Spähen etwas Schimpfliches liegen? Kann diese Vorsicht der Schein der Feigheit treffen? Wenn Aias jene Thal vollbrachte, so liess sich daraus auf seinen ungeuiessenen Zorn wegen der Achilleischen Waffen schliessen, den er auch vorher schon in seiner wilden Art wird zu erkennen gegeben haben. Es war für die Sicherheit des ganzen Heeres n ö t h i g zu wissen, ob Aias und in welcher Absicht Urheber jenes Mordes gewesen war. Dies auszukundschaften übernimmt Odysseus, nicht weil kein andrer sich dazu verstehen will, sondern weil e r allein dazu taugt. Und wiederum konnte Odysseus nur durch Spähen, „wie ein spartanischer Jagdhund" sagt Sophokles, die Wahrheit erforschen. Es wäre nicht blos kein Muth, sondern sogar thöricht gewesen, sich der ungemessenen Wuth des Aias ohne Weiteres auszusetzen. Ja dass, als Athene den furchtbaren Aias aus seinem Zelte hervorruft, ihn in seiner Nichtigkeit zeigt und den Odysseus das Zagen von sich zu thun ermulhigt, dieser sich selbst da noch vor der Wuth des ihm stets feindlich gesinnten Mannes fürchtet, dem er doch, so lange derselbe

275 seiner Sinne mächtig war, nie auswich: dies ist etwas so natürliches, dass das Gegentheil psychologisch unwahr sein, gegen alle Vernunft Verstössen würde. Auch dürfen wir nicht vergessen, dass die Furcht, in welcher Odysseus erscheint, weniger diesen selbst, als vielmehr den Aias in seiner ganzen Wuth und Furchtbarkeit charakterisieren solL Man hat den Homer besonders gelobt, dass er die Schönheit der Helena nicht mit Worten, sondern durch ihre Wirkungen*) zeichne; man wird für Sophokles dasselbe in Bezug auf den s c h r e c k l i c h e n Aias annehmen müssen. Wie schrecklich musste er sein, wenn ein Odysseus sich vor ihm fürchtet, sich so vor ihm fürchtet, dass selbst die Gegenwart der Göttin, deren Macht und Gewogenheit er wie sonst, so eben jetzt an der Verwirrung der rachesinnenden Gedanken des Aias erfahren hatte, ihn nicht ganz zu beruhigen im Stande war. Um wie viel höher müssen wir dann die Sorge für das allgemeine Wohl anschlagen, die er freiwillig9) auf sich nahm? Aber man sagt, schon dass Odysseus sich zu dieser Kundschaft hergab, ist eines Helden unwürdig, und Achilleus würde sich einem solchen Auftrage nicht unterzogen haben. Das kann man zugeben, ohne den Odysseus herabzusetzen. Darf denn die Grösse und der Werth eines Helden nur nach der Aehnlichkeit bestimmt werden, die er mit dem Achill hat, oder wen man sonst als Norm setzen will ? Odysseus ist eben so gut Ideal eines Helden als Achill. Nicht das Verlangen, den Gegner in seiner Schmach zu entdecken, nicht die Lust, sich an der Ohnmacht und dem Wahnsinn seines Feindes zu weiden, nicht Schadenfreude, führt ihn in die Nähe desselben. Er ist frei davon; als die

•') r, 141 s/, K|. /., 2i>. 132. 760. •T, 3t>9 ii. a.

295 ser von tf>, 318 3 ) Lamos für eine Person hielt, wie auch Cicero 4 ), Ovid'), Horaz6) und Silius Italicus 7 ), desgleichen die Scholien, wenn sie den Lamos zum Sohn des Poseidon machen'), so scheint auch das unmittelbar Folgende schicklicher den Namen als den Beinamen einer Stadt zu erklären; weshalb ich vorziehe für denselben Telepylos in Anspruch zu nehmen'). Als nähere Beschreibung der Stadt wird nämlich v. 82 g e s a g t : o&i notfiera rcoi/ujj* 'Hnvet

iiaelaatr,

o di t ¿¿je-

laatp vnaxovei. — Das Vcrständniss dieser Worte knüpft sich an noifttjv und ¿¡TIVEIV. notfirjv braucht Homer fünfmal 10 ) vom Schäfer, wie itoifiaivto stets d . h . viermal") vom Weiden der Schafe. An andern Stellen wird notfirj* ohne nähere Bezeichnung der Heerde von einem Hirten gfe. sagt, der im Gebirge (r, 11. J , 455), der bei Nacht hiitet 559), der einen Löwen nicht abwehren kann (S, 162); eben 60 f , 835, wo es von einem Diskos heisst, er sei so gross gewesen, dass er auf 5 Jahre einem noiftqv Eisen Tür seinen Gebrauch geliefert haben würde. Wie wir nun noi3

) j)vit, nQoaayoQtvtt bei S c h . Q. E u s t a t h . p. 1G18, 30. 54. Apollon. L e x . p. 102. E t y m . M. p. 434, 37. vgl. A l b e r t i zu Uesych. T o m . I. p. 1017. not. I I . 1 9 ) I , 4 8 5 . n, 10. ö , 4 (wo die S c h o l . fälschlich mCOioSat stelin. s. S p i t z n e r ) . vgl. Eustath. p. 1490, 10.

;i. A.

ver-

" ) H. Steplianus, llochart, A. D a c i e r , Iioivin, liaudclot, Kicvius Heyne (s. Wolf i l i e s . Tli 718).

398 b/xoiStrjta rov "Oaaov t t y i y w p s ßoyoctg, wie die Scholien sagen Wir hätten demnach in dem mit i angeschlossenen Relativsatze eine etymologisierende Epexegese zu TTJXenvXov, wie schon die Alten sahen und auch N i t i s c h 11 bemerkt ), der TrjXinvXog von einer sich lang und schmal hinziehenden Stadt versteht. „Stellt man sich, sagt er, im Geist auf die Strasse einer solchen Stadt — da sieht man durch die lange Strasse hin an beiden Enden ein Thor")."

Eine interessante Bestätigung gewinnt diese auf das R u f e n Accent legende Erklärung von anderer Seite. Der Verfasser einer Abhandlung im Cambridger philol. Museum „Ueber die Namen der vorhellenischen Bevölkerung Griechenlands" 13 ), leitet den Namen der Laistrygonen von dein epitaktischen Aa und igv^ta, rqltio ab, d i e L a u t s c h w i r r e r , S t a r k b r u m m e r , A a f x o g vom Stamme A c t a , worin sich in dem Begriffe der OefTnung, %ai ¿$oxqv des Mundes, die von e s s e n und s c h r e i e n ( X d x t a , laaxto) begegnen und wovon auch die gespenstische stafiia benannt ist, die die Kinder frisst* 4 ): A a f w g S c h r e i h a l s , der eben so zum 50

) Sei). B. Q. z. 82. Kustatli. p. 1649, 20. — O. r. y. ß. stein f, 400. {, 294. i, 473. fi, 181. " ) Antn. Bd. III. p. 100. " ) Respondentes directa in compita portas, wie Auson. clar. urb. XIV, 16. p. 259 Toll, von Burdigala sagt. " ) J. K. On the Naines of tlie Antehellenic Inhabitants of Greecc. l'liilol. Mus. Cambr. Vol. I. (1832.) p. 609—627; über die Laistrygonen p. 619 sqq. (s. not. 27). " ) Merkwürdig genug kommt sie ums Leben durch einen Solin des Kuphemos, Antonin. Liber. cp. 8. aus Nikandros. vgl. C r e u z e r Symbol. Bd. III. p. 740 sq. ed. III. Callimach. Dian. 66 sqq.: ULI' MrjXtjQ

ort

XOVQÜWV f x i y Kvxltojtas

TIS ajiaMa f>] tnl

ftr{i((TI nnttil

ilvj(OI xahoiQti.

¿•«pdjiij»', wozu man vergl. 8 p a n h e i m Tom. II. p.214sq. Rrn. der auch den Zusammenhang zwischen Lamos u. Lamia bemerkt. Dio Chrys. LV. p. 285 R e i s k . r « j £xiilias xal TOVT, "Aqyriv

fj

Kvxltanui,

ois

li't

)yovpev«i

ncdJiti,

txeiyo;

txrjJ.it

iovi

u)v

.i«fitai>.

th'tti0&i]i0Vi,



oianiQ

iti

jiiOi'.i

299 Sohn des Poseidon und Bruder des Polyphetn des g e w a l tigen Schreiers*5)

passt,

als König Antiphales") der

G e g e n r u f e r (v. 106. 114) in offenbarer Beziehung steht zu den W o r t e n o&i

aoipeva

" ) E u p h e m o s S . d. Poseidon. l e r Orcli. 258.

noifitjv

u. &. w . " ) .

P i n d . P y t h . IV, 4 4 sq.

O. M ü l -

" ) D i c t y s Cret VI, 5. macht s o g a r Polyphera und Antipliates zu B r ü d e r n , vgl. Malelas p. 145 sqq. " ) D e n Namen der Laistrygonen l e i t e t B o c h a r t a u s dem H e b r ä i s c h e n a b , s . unten not. 4 0 ; K l a u s e n a. a. O . p . 2 0 von aigüCtiv, TQvietv und dem Xai, welches in XniXnifi, i « i j ( ) 0 f , v i e l l e i c h t a u c h in XaßQos e r s c h e i n e , F r e c h m u r r e r , F r e c h s c h w i r r e r , Frechbrauser. U e b r i g e n s hat K l . seine E t y m o l o g i e von dem E n g l ä n d e r ( n o t . 2 3 ) , den e r a b e r nicht n e n n t — F i s c h e r A n t i q u a e A g r i g e n t i norum h i s t o r i a e prooemiutn. B e r o l . 1837. 8. p. I G : Quin ipsum L a e s t r y g o n u m nomen nihil aliud significare v i d e t u r , nisi popnlum s a x a f o d i e n t e m a t q u e in antris habitantem. — AtuaiQuytov f o r t a s s e a Utas (unde Xtuvos) saxum, et T(>VÜ) vel IQTOYM ( a TPAil vel • T P E S l , undo etiam T(tu/to et jQuyXr]) t e r e r e , p e r f o d e r e . " J . K . 1. 1.: T h e jiaiOTQvyöres o f H o m e r , the b a r b a r o u s i n h a b i tants o f S i c i l y or Italy, alionl us a n o t h e r , h i t h e r t o I b e l i e v e u n s u s p e c t e d , example o f a similar principle o f n o m e n c l a t u r e . T h e first s y l l a b l e Xaig is a form of the i.a hnraxrixov (lai'dmai, ßovnait Hes y c h . ) , t h e second is derived from TQvtio or r f t i « " ) which a r e t h e s a m e w o r d s . Had a fabulist to invent a name for a p e o p l e who, l i k e the G a r a m a n t e s „ s t r i d e n t magis quam l o q u u n t u r " [ M e l a , I, 8 von den T r o g l o d j t e n ] , I do not know how h e coold d e v i s e a b e t t e r than A a t a r g v y o v n - It is curious to s e e how the whole f a b l e b e t r a y s the t r a c e s o f its origin, though already altered by passing t h r o u g h many h a n d s , before it reached those o f H o m e r , Atiftos t h e son o f N e p t u n e ( t h e father also o f the loud-voiced IloXuqii)pios) has derived his name from X. 462) hat unter anderem anch dies nicht gewusst. 3 ) f, 383 (xiUv»a mit Cod. Harl. vgl. N i t z sc Ii III. p. 93). *, 20. S, 17. O, 620, immer mit aviptav* Das Beiwort kaii/'lp« an den beiden letzten Stellen bestätigt noch mehr die Bedeutung des G e h e n s , S t r e b e n s . — Die erstere Bedeutung ( W e g , P f a d ) dagegen ist für vyQu xti.iv!>« y, 71. i, 252. . 36. O e r t e l de chronologia Homérica. Coinin. II. Misen. 1845. i. p. 3s