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German Pages 437 [440] Year 2003
Frühe Neuzeit Band 85 Studien und Dokumente zur deutschen Literatur und Kultur im europäischen Kontext In Verbindung mit der Forschungsstelle „Literatur der Frühen Neuzeit" an der Universität Osnabrück Herausgegeben von Achim Aurnhammer, Klaus Garber, Wilhelm Kühlmann, Jan-Dirk Müller und Friedrich Vollhardt
Jacob Balde SJ
Urania Victrix - Die Siegreiche Urania Liber I—II - Erstes und zweites Buch
In Zusammenarbeit mit Joachim Huber und Werner Straube eingeleitet, herausgegeben, übersetzt und kommentiert von Lutz Ciaren, Wilhelm Kühlmann, Wolfgang Schibel, Robert Seidel und Hermann Wiegand
Max Niemeyer Verlag Tübingen 2003
Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISBN 3-484-36585-4
ISSN 0934-5531
© Max Niemeyer Verlag GmbH, Tübingen 2003 http://www.niemeyer.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Printed in Germany. Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier. Satz: Julian Paulus, Heidelberg Druck: AZ Druck und Datentechnik GmbH, Kempten Einband: Buchbinderei Geiger, Ammerbuch
Inhalt Einleitung
IX
Editorische Hinweise
XLIV
Zur Entstehung des Bandes
XLVI
Urania Victrix: Lateinisch und deutsch
1
Widmungsschreiben an Papst Alexander VII. - Isagoge . . . .
2
Liberi.: Sensus I. Visus
54
1. Visus Uraniae 2. Urania Visui 3. Symphorianus Cinna Pictor Uraniae 4. Urania Symphoriano Cinnae Pictori 5. Allonius Phisco Mathematicus Uraniae 6. Urania Allonio Phisconi Mathematico
56 64 76 88 102 118
Liber Π.: Sensus Π. Auditus
132
1. Auditus Uraniae 2. Urania Auditui 3. Pamphilus Sarga Musicus Uraniae 4. Urania Pamphilo Sargae Musico 5. Th. Ropertus Gambara Poeta Laureatus Uraniae 6. Urania Th. Roperto Gambarae Poetae Laureato
134 142 152 162 180 190
Kommentar
205
Literaturverzeichnis
373
Index nominum
385
Sicut haberi a quibusdam quaestio solet huiusmodi, utrumnam velut duae animae in nobis dicendae sunt, una quaedam divinior et caelestis et alia inferior. Orígenes, De principiis 3,4,1 (lat. Version des Rufinus)
Dieser innere Krieg der Vernunft gegen die Leidenschaften hat bewirkt, daß die, welche den Frieden wollen, sich in zwei Sekten geteilt haben. Die einen haben den Leidenschaften entsagen und Götter werden wollen; die anderen haben der Vernunft entsagen und Tiere werden wollen. Aber sie haben es nicht vermocht. Pascal, Pensées (Nr. 136, nach der Zählung und deutschen Übersetzung von Wolfgang Rüttenauer = Brunschvicq Nr. 413)
Einleitung I Aus der Feder von Cornelius Jansen (1585-1638), dem Löwener Theologen und Bischof von Ypern, erschien zu Löwen (1640), bald darauf auch in Paris und Rouen (1641 bzw. 1643) eine dreibändige Augustinus-Monographie, die zur Grundurkunde des sog. Jansenismus werden sollte. Jansens Rückgriff auf Augustinus prägte jenen weitläufigen, schließlich das ganze katholische Europa ergreifenden und nur mit staatlicher Gewalt unterdrückten Streit, der vor allem in der antijesuitischen Polemik des großen Mathematikers und Theologen Blaise Pascal (1623-1662) eine bis heute andauernde Zelebrität gewann. Namhafte Historiker wie Bernhard Groethuysen1 haben die fernen Wirkungsdimensionen dieses Streits innerhalb des staatskirchlichen Absolutismus, ja bis in die Epoche der französischen Revolution hinein diskutiert. Darüber ist hier nicht weiter zu reden, zumal nicht über die kirchenpolitischen Implikationen der jansenistischen Theologie und Frömmigkeitspraxis oder über die mit Pascal hadernden Oberhäupter des späteren aufklärerischen Rationalismus. Sehr wohl aber verdient die Tatsache besondere Beachtung, daß die theologischen Spitzfindigkeiten des jansenistischen Augustinismus nichts anderes umkreisten als eine, wenn nicht die epochensignifikante anthropologische Frage: die Frage nämlich, ob und inwieweit die innerweltliche, durchaus problematische Handlungsfreiheit des Menschen, seine sinnenfreudige Weltzugewandtheit und das Verflochtensein in die Bedingtheiten des irdischen, des sozialen Lebens zugunsten jener »gratia victrix« abzulehnen, ja zu verwerfen seien, die allein menschliches Heil vor und durch Gott 1
Vgl. Bernhard Groethuysen: Die Entstehung der bürgerlichen Welt- und Lebensanschauung in Frankreich. 2 Bde. Halle 1927-1930 (=Philosophie und Geisteswissenschaften, Buchreihe, Bd. 4 und 5), bes. Bd. 1, S. 172-183, und Bd. 2, S. 43-53; zum Jansenismus s. die Artikel (mit Literaturhinweisen) in den gängigen theologischen Lexika, bes. TRE 16 (1987), S. 502-509 (Charles H. O'Brien), sowie Paul Honigsheim: Die Staats- und Soziallehren der französischen Jansenisten im 17. Jahrhundert (1914), Nachdruck Darmstadt 1969; Erwin Iserloh u. a.: Handbuch der Kirchengeschichte. Bd. 4: Reformation. Katholische Reform und Gegenreformation. Freiburg usw. 1967; Peter F. Barton: Jesuiten, Jansenisten, Josephiner. Eine Fallstudie zur frühen Toleranzzeit: Der Fall des Innocentius Feßler. 1. Teil. Wien usw. 1978; außerdem - für die deutsche Literaturgeschichte des 17. Jahrhunderts wichtig und hier dankbar benutzt - Frömmigkeit in der Frühen Neuzeit. Studien zur religiösen Literatur des 17. Jahrhunderts in Deutschland, hg. von Dieter Breuer. Amsterdam 1984 (=Chloe, Bd. 2).
Vili
verwirklichen könne. Die französischen Jansenisten vertraten die Gewißheit, daß ohne diese den Menschen ergreifende »Gnade« die humane Natur unentrinnbar der »libido sentiendi, sciendi, excellendi« ausgeliefert sei, mithin der natürlichen »Concupiscenz« verfalle und nicht die heilsnotwendige wahre Liebe zu Gott, die »himmlische Liebe«, entwickeln könne. In Worten Groethuysens (Bd. 1, S. 180): »Es geht ums Ganze. Die ganze alte Welt gegen die neue Welt: so fassen es die Jansenisten auf. Das ist ihre Grundeinstellung. Zu der neuen Welt gehören für sie alle anderen: die Jesuiten, die meisten kirchlichen Würdenträger, die Mehrzahl der Gebildeten von einer gewissen Zeit an, die Philosophen. [...] Ob es sich nun um die >neuen Theolog e n oder um Philosophen handelt oder um den einfach indifferenten Bürger der Neuzeit: ihnen allen ist dies gemeinsam, wie es die Jansenisten betonen, daß das religiöse Erlebnis seine zentrale Bedeutung für den Menschen verloren hat. Weder den Gott der Jesuiten noch den der Philosophen kann man von ganzem Herzen lieben. Er herrscht nicht mehr allein in der menschlichen Seele. Meist führt er nur noch ein peripherisches Dasein.« Mit seinem großangelegten Alterswerk Urania victrix (München 1663),2 das hier in seinen beiden ersten, den konzeptionell aufschlußreichen und programmatisch wichtigsten Büchern vorgelegt, übersetzt und kommentiert wird, bewegte sich Jacob Balde SJ (1604-1668), der bedeutendste lateinische Dichter des katholischen Deutschland,3 auf einem theologischen Schauplatz, 2
Baldes Urania wurde in den einschlägigen Monographien lediglich kursorisch charakterisiert: Georg Westermayer: Jacobus Balde (1604—1668). Sein Leben und seine Werke. München 1868, neu hg. von Hans Pörnbacher und Wilfried Stroh. Amsterdam und Maarssen 1998 ( = Geistliche Literatur der Barockzeit, Sonderband 3), S. 224—228; Josef Bach: Jakob Balde. Ein religiös-patriotischer Dichter aus dem Elsaß. Freiburg i. Brg. 1904 ( = Straßburger Theologische Studien, Bd. 6), S. 103-106. Neuere Ansätze, jedoch nur in punktueller Berührung mit den vorliegenden Ausführungen, bietet Andrée Thill: Jacob Balde. Dix ans de recherche. Paris 1991 (=Travaux et Recherches des Universités Rhénanes, Bd. 7), hier die Aufsätze S. 11-22 (»Un élégiaque néolatin«), S. 195-206 (»La Muse Uranie chez les poètes baroques«) und S. 207-216 (»Jacob Balde und der Humanismus: Praxis und Hassliebe«). Frau Thill veröffentlichte auch Kostproben aus dem Urania-Zyklus mit französischer Übersetzung: Jacob Balde. Urania Victrix. Choix de textes traduits et annotés par A.T., Introduction de Marc Israel. Ensisheim 1989. - Die in den älteren Bibliographien, auch bei Westermayer, angeführte deutsche Übersetzung aus der Feder eines Anonymus (Urania, die Siegerin. Nürnberg 1679) war von uns - auch durch Fernleihe- nicht aufzufinden.
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Zu Balde insgesamt einführend der Artikel von W. Kühlmann (sub verbo), in: Literaturlexikon, hg. von Walther Killy. Bd. 1. Gütersloh und München 1988, S. 296-298, ferner die Einleitung zum Neudruck der Opera poetica omnia (abgekürzt: ΟΡΟ). Bd. 1-8. München 1729; Nachdruck, hg. und eingeleitet von Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand. Frankfurt am Main 1990 (=Texte der Frühen Neuzeit, Bd. 1), mit beigegebener Bibliographie, nun ergänzt durch ein Verzeichnis der Balde-Drucke und der Übersetzungen sowie weitergeführt durch die Bibliographie im Neudruck der BaldeMonographie von Westermayer (wie Anm. 2); Facetten des Gesamtwerks beleuchtet der Sammelband: Jacob Balde und seine Zeit. Akten des Ensisheimer Kolloquiums 15.-16. Oktober 1982, hg. von Jean-Marie Valentin. Bern usw. 1986 (=Jahrbuch für Internationale Germanistik, Reihe A, Bd. 16).
IX der, wenn auch wohl noch nicht vom bald aufkommenden Jansenismus-Streit bestimmt, so doch die in diesem Streit umkämpften Antithesen erkennen läßt. Der theologisch und anthropologisch aktuellste Diskurs der frühen Moderne, mutatis mutandis auch in den Auseinandersetzungen um den protestantischen Fundamentalismus, Puritanismus und Pietismus von Bedeutung, wird von Balde in einem anspruchsvollen poetischen Elegienzyklus sinnfällig gemacht, ästhetisch nobilitiert, in einen rhetorischen Agon überführt und argumentativ wie affektiv verdichtet - mag auch der wörtliche Anklang des Titels Urania victrix an die jansenistische Parole der »gratia victrix« nur als Zufall anzusehen sein. Dem Augustinismus zuneigend in der skeptischen Sicht menschlicher Concupiscenz und schließlich im literarischen, rollenhaften Plädoyer zugunsten asketischer Weltverneinung und brautmystischer >Himmelsliebe< mit zahlreichen geistlichen Autoren grundsätzlich übereinstimmend, artikulierte Balde doch jeweils vor der Stimme frommer Protreptik mit spektakulärer Hingabe den latent rinascimentalen Grundzug jesuitischer Rationalität. Denn die geforderte Weltabsage vollzieht sich nicht im sprachlosen Raptus der begnadeten Devotion, sondern in der Helle einer Punkt für Punkt entfalteten, ja fast pedantisch wirkenden Reflexionsanstrengung. Dabei wird die Entscheidungs- und Handlungskompetenz des Menschen in seiner zwiespältigen Veranlagung nicht nur vorausgesetzt, sondern geradezu literarisch inszeniert. Baldes Repliken in der Sprachrolle einer dem Himmel zugewandten »Seele« haben Mühe, sich den von ihm vorab gefeierten - im Genre der frühneuzeitlichen Erbauungsliteratur wohl nirgendwo sonst so virtuos verfochtenen - Freuden und Lüsten der menschlichen Lebenswelt entgegenzustemmen. Es geht nicht um fromme Primärerfahrungen, sondern um >Reaktionen< auf die jeweils zuerst mit psychagogischem Nachdruck ernstgenommene und mit einer manchmal scheinbar unwiderleglichen Evidenz zur Sprache gebrachte, von frommen Rigoristen verdammte Glorie der »libido sentiendi, sciendi, excellendi«. Wohlerprobte Argumente christlicher Erbaulichkeit und Kasteiung waren so zwar poetisch zu revitalisieren, doch alle Appelle zu christlichheilsnotwendiger Bewährung und asketischer Disziplinierung der Sinnlichkeit bildeten nur die eine Aussagedimension einer hintersinnigen Dichtung, in der sich ein überkommenes religionspädagogisches Konfliktschema zu einem geradezu enzyklopädischen Panorama >barocker< Wissens- und Verhaltenskultur ausweitete. Indem Balde zur Weltabkehr aufforderte, zeichnete er im selben Federzug ein - manchmal freilich mit kritischem Sarkasmus unterlegtes - Bild der zeitgenössischen Bewußtseinslagen und Problemzonen: von der nicht nur astronomischen - Naturkunde und den optischen Curiosa über die Malerei, Musik und Literatur ausgreifend bis hin zu farbigen Facetten des Militär- und Jagdwesens oder der Kosmetik und Kochkunst. Mit der Anknüpfung an die im Jansenismus-Streit sichtbare anthropologische Brisanz des von Balde so ehrgeizig bearbeiteten Themas ist ein Ausgangspunkt für die folgende literaturhistorische, auch entstehungs-
χ geschichtliche Charakterisierung des sprachlich oft ungemein sperrigen, oft ausgesprochen >concettistischen< Werkes gewonnen, das in den Kommentaren weiter philologisch wie diskursgeschichtlich erläutert wird. Dabei wird deutlicher, als bisher geschehen, zu beachten sein, daß der uns vorliegende Text den markanten Einfluß der Ordenszensur voraussetzt und daß die diesbezüglichen Gutachten - in Auszügen unten zitiert - zu den aufschlußreichsten Dokumenten der einschlägigen, machtgestützten >Literaturkritik< gehören. Es schließen sich in Kap. Π traditionsgeschichtliche und topologische Bemerkungen zum ersten Briefpaar (über Visus, den Gesichtssinn) an, gefolgt schließlich in Kap. III von einer Inhaltsskizze, die im besonderen die hier herausgegebenen und kommentierten zwei ersten Bücher der Urania, aber auch Grundzüge und Akzentuierungen der restlichen drei Bücher vorstellt. Nachdem Balde in den vierziger Jahren mit den Lyricorum Libri IV et Epodon Liber I (zuerst 1643), gefolgt von den zuletzt auf neun Bücher erweiterten Sylvae lyricae (1646), seinen weitleuchtenden Ruhm als »deutscher Horaz« erworben hatte,4 wandte er sich - immer noch im Horazischen Formenradius - vor allem der satirischen Hexameterdichtung zu, die thematisch allerdings schon in seiner Odendichtung der Kriegsjahre mit mancherlei zeit- und sozialkritischen Präliminarien5 vorbereitet war. Der Zyklus der zweiundzwanzig Medizinersatiren (Medicinae gloria, 1649)6 mit der Würdigung des flämischen Anatomen Andreas Vesalius (1514—1564) oder auch die poetische Polemik gegen die von der Sonnenfinsternis des Jahres 1654 ausgelösten Ängste (De eclipsi solari, 1662) warf wie vorher schon viele Oden Schlaglichter auch auf Baldes kultur- und wissenschaftsgeschichtliche Interessen. Indem Balde (Satire 12) sich Vesals anatomischen Erkenntnissen (De humani corporis fabrica libri Septem, 1543) in einer Meditation über das menschliche Skelett zuwandte, holte er bezeichnenderweise aus zu einem weiten anthropologischdogmatischen Exkurs über die psycho-physische Komplexität des Menschen im Kontrast seiner irdischen Verfassung und gleichzeitig himmlischen Bestimmung wie geistigen Würde. Passagen der Vesal-Satire lesen sich wie ein Vor4
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Auch auf die internationale Balde-Rezeption eingehend W. Kühlmann: »Ornamenta Germaniae« - Zur Bedeutung des Neulateinischen für die ausländische Rezeption der deutschen Barockliteratur, in: Studien zur europäischen Rezeption deutscher Barockliteratur, hg. von Leonard Forster. Wiesbaden 1983 (=Wolfenbütteler Arbeiten zur Barockforschung, Bd. 11), S. 13-36. Dazu zählt etwa die reichs- und kulturpatriotische Alamode-Kritik des dritten SylvenBuches, wozu neuerdings W. Kühlmann: Alamode-Satire, Kultursemiotik und jesuitischer Reichspatriotismus - Zu einem Gedichtzyklus in den Sylvae (1643) des Elsässers Jacob Balde SJ, in: Simpliciana. Schriften der Grimmelshausen-Gesellschaft 22 (2000), S. 201-227. Dazu zuletzt (mit der älteren Literatur) Hermann Wiegand: »Ad vestras, Medici, supplex prosternitur aras...« - Zu Jacob Baldes Medizinersatiren, in: Heilkunde und Krankheitserfahrung in der Frühen Neuzeit. Studien am Grenzrain von Literaturgeschichte und Medizingeschichte, hg. von Udo Benzenhöfer und W. Kühlmann. Tübingen 1992 ( = Frühe Neuzeit, Bd. 10), S.247-269.
XI spiel der Urania-Dichtung,
zumal wenn Balde gegen areligiöse Skeptiker die
menschliche Seele rühmt. Ein rascher, den lateinischen Text hier ausnahmsw e i s e vermeidender Blick in die kommentierte Prosaübersetzung der Medizinersatiren von Johannes Neubig (2 Bände, München 1833), ein bemerkenswertes Rezeptionsdokument, kann diese These illustrieren (Bd. 1, S. 1 2 3 - 1 2 6 ) : [...] Nur allein der Mensch hat sich durch ungefähren Zuwachs fest zu lebendigem Chaosklumpen gestaltet? Aber sein anmuthedeles Antlitz, aber die ehrfurchtheischende Wölbung der hohen Stime, aber der herrliche Nacken mit anderen Theilen, in majestätischer Harmonie ein Ganzes, sie schreien laut gen solche Verrücktheit. [... ] Wir berühren nur mit dem kleinsten Theile von uns den Boden, und mißt der Mensch mit erhobenem Antlitz still in gedankenvolle Betrachung versunken den Sternenhimmel, dann blinken und winken liebwonnigäugelnd durch Ritzchen die funkelnden Sternlein. Welch ein ungeheures Saatfeld! Und doch die gesammte Ernte so vieler sichtlicher Dinge mit allen Sternen schließet in sich der einzige Augenstern. Pförtner ist der Gehörsinn, sooft der Luft melodige Schwingungen klingen an's Ohr, die süßen Töne herein durch den offenen Eingang. Aber so wunderbar ist nichts, als das Wunder, die Seele. [...] Sie ist ein himmlisches Gasttheilchen [portio caelestis], vom Hauche Gottes ein Ausfluß. Endlos faßt sie das Endlose, ewig das Ewige, Unermeßliche, ist unzugängig dem Tod. Es ruhen die müden Glieder auf nächtlichem Lager. Doch sie durchwandert im Schlafe schlaflos und in schweifendem Fluge die Berge, Wälder, Meere, Flüsse, Haine, steigt in finstere Höhlen und Tiefen, und eilet schneller als Lanzen und Pfeile, dem raschesten Bogen enttrieben. Den ganzen Körper regt und bewegt sie nur allein, ist ganz im ganzen Körper und leitet ihm alle die Glieder, wie jede Saite beherrschet ein Harfner. Die unbewegte, sie beweget die Glieder. Wohl kannst du erkennen ihr Daseyn. Aber die Art ihres Daseyns bleibt dir ein ewigverborgenes Räthsel. Willst du sie zählen in ihren Theilen? Sie ist nur Eine geschlossene Einheit. [...] Drum kann sie nicht zernichtet, nicht umgewandelt werden. Und wie einst, nach zerschlagenen Krügen, Gedeon's Flammen heller strahlend das feindliche Lager verjagten, so glänzt der reine Geist [animus purus], sobald zerbrochen sein sterblicher Kerker, heller empor und schwingt sich, ein Sieger, auf freien Flügeln über Wolken und Sterne wie eine Kugel und lacht des Gaukelwerkes seiner irdischen Schale [...]. Verstreute Indizien, darunter Baldes H i n w e i s e in d e m an keinen Geringeren als Papst Alexander VII. (seit 1655; bürgerlich Fabio Chigi, 1 5 9 9 - 1 6 6 7 ) gerichteten Widmungsschreiben deuten darauf hin, daß die Arbeiten am Zyklus der Urania bis in die fünfziger Jahre zurückreichen, ja eine erste, ebenfalls wohl d e m Papst übersandte Fassung schon 1657 fertiggestellt war. D a ß Balde sein Werk gerade Chigi widmete, zeugte von Selbstbewußtsein, hatte aber auch zu tun mit einer länger zurückreichenden Bekanntschaft. Darüber hinaus konnte Balde bei Chigi ästhetisches Sensorium, den »amor litterarum«, voraussetzen, lagen doch unter d e m Pseudonymen Titel Philomathi
Musae Iuveniles
(zuerst
Köln 1645, später auch Antwerpen 1 6 5 4 u . ö . ) Chigis lateinische Dichtungen vor. 7 Jeder literarische Kenner wußte, daß Chigi in der Nachfolge des BarberiniPapstes Urban VIII. die mäzenatischen Traditionen der Renaissance erneuern 7
Vgl. die große zweisprachige Faksimile-Ausgabe von Hermann Hugenroth: Philomathi Musae Iuveniles. 2 Bde. Köln-Weimar-Wien 1999. Das Werk wurde seinerzeit von Wilhelm bzw. Ferdinand von Fürstenberg herausgegeben. Eine zweisprachige und hübsch illustrierte Ausgabe der Westfalen betreffenden Gedichte Chigis erschien 1997 in Münster (Verlag Regensberg) unter dem Titel: Münster und Westfalen zur Zeit des Westfälischen Friedens geschildert durch den päpstlichen Gesandten Fabio Chigi. Zu Chigis
χπ wollte und um sich einen Poetenzirkel scharte, den man »alexandrinische Pléiade« nannte. Während Chigi als päpstlicher Gesandter bei den Münsterschen Friedensverhandlungen die Interessen der Kurie vertrat, schloß er eine bald engere Bekanntschaft mit Ferdinand von Fürstenberg (1626-1683), damals noch Student, später Fürstbischof von Paderborn und päpstlicher Kammerherr, der wiederum seit Januar 1649 einen Briefaustausch mit Balde unterhielt.8 Ferdinand, selbst poetisch produktiv und bald ein weltberühmter Mäzen vieler deutscher, französischer und flämischer Neulateiner,9 bestärkte Baldes Bekanntschaft mit Chigi durch den Austausch von Nachrichten und Grüßen, nicht zuletzt durch die Präsentation von Baldes Werken im Vatikan.10 Die gedruckte Widmungs vorrede der Urania erinnert überdies an eine lange zurückliegende Begegnung (wohl schon des Jahres 1639) in München, als Chigi, der apostolische Nuntius, auf der Reise von Ferrara nach Münster in München Station machte und von Balde mit einer festlichen Ansprache begrüßt wurde. Auch die 1643 an Chigi gerichtete Ode (Silv. 9,17) ist nicht vergessen. Was sich in römischen Archiven an handschriftlichen Dokumenten, d. h. an direkten oder über Fürstenberg vermittelten Zusendungen (Gedichte und Briefe) Baldes an Chigi finden läßt, bedürfte genauer Recherchen >vor Ortaemulatio< anreizende Modelle der Gattungstradition benannt. Baldes Wendung zur Elegie, speziell zur Sonderform der fiktiven Briefelegie, der Wechsel also von Horaz zu Ovid als >duces< der Gattungen, stellt sich so zwar als hochbewußter Akt der Schreibstrategie dar, bedeutete aber nicht eigentlich einen Schritt in unbekanntes literarisches Gelände. Die im Anhang des fünften Bandes der Gesamtausgabe (1729) aus Baldes Hinterlassenschaft gesammelten dreiunddreißig Elegien (Elegiae variae) enthalten zum Teil wohl Frühwerke, darunter Heiligen- und Passionsdichtungen, aber auch historisierende Versfiktionen um Elisabeth Stuart, die Gattin des pfälzischen Winterkönigs. Die dazu gehörende Epistola Friderici Electoris Palatini ad Conjugem, post amissam Bohemiae Coronam in Angliam redeuntem (Elegie 31, S.324—331)16 nimmt im Blick auf Baldes Urania ebenso das Genus der elegischen Heroide vorweg wie Baldes Epistola Dianae ad Veneremde morte Adonidis (Elegie 29, S. 318-322), die - so wohl mit Recht Peter L. Schmidt17 - noch aus Baldes Innsbrucker Zeit (1629/30) stammt. Wolfgang Schibel hat diese Elegie neu herausgegeben, übersetzt und in seiner Analyse bemerkenswerte Entsprechungen zum Brief des Königlichen Jägers Hippolytus Scarabaza an Urania (Urania 4,1) nachgewiesen: »Diese teilweise Überlappung der beiden Gedichte legt die Vermutung nahe, daß es sich bei der Epistola Dianae um einen Seitentrieb von Buch 4 der Urania Victrix
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der Rekatholisierung der besetzten pfälzischen Gebiete beauftragt wurde, also nicht nur in den Niederlanden wirkte (persönliches Auftreten unter anderem in Bad Kreuznach), wirft Schlaglichter auf die historische Wirklichkeit und könnte dem vertriebenen Elsässer Jacob Balde sehr wohl bekannt geworden sein. Vgl. dazu mit der Auswertung von Briefen und Dokumenten (nicht erwähnt im biographischen Teil des Nachworts von Schilling, s.o.) Anna Egler: Die Spanier in der linksrheinischen Pfalz 1620-1632. Invasion, Verwaltung, Rekatholisierung. Mainz 1971 (=Quellen und Abhandlungen zur mittelrheinischen Kirchengeschichte, Bd. 13), bes. S. 136-138. Von Vincart erschienen zuerst Sacrarum Heroidum Epistolae (Tornaci 1640), seit 1652 in mehreren Auflagen auch in München nachgedruckt. Aus der üppigen Heinsius-Forschung sei nur erwähnt die Monographie von Barbara Becker-Cantarino: Daniel Heinsius. Boston 1978 (=Twayne's world authors series 477), hier bes. S.781Î. ausführlich zu den Elegien. Abgedruckt, übersetzt und kommentiert von Hermann Wiegand, in: Parnassus Palatinus. Humanistische Dichtung in Heidelberg und der alten Kurpfalz, hg. von Wilhelm Kühlmann und Hermann Wiegand. Heidelberg 1989, S. 212-227, 259-263. Peter Lebrecht Schmidt: Bemerkungen zu Biographie und Text im Werk des Jesuiten Jakob Balde, in: Acta Conventus Neo-latini Hafniensis, ed. by Ann Moss [et aliis]. Binghampton, N.Y. 1994 (=Medieval & Renaissance Texts and Studies, vol. 120), S. 97-121, hier S. 104 mit Anm. in Verweis auf Balde: ΟΡΟ, Bd. 7, (aus: De Vantiate Mundi), S. 197: »perque Tyrolenses flevit Adonis agros«. Jetzt auch in P. L. Schmidt: Traditio Latinitatis. Studien zur Rezeption und Überlieferung der lateinischen Literatur, hg. von Joachim Fugmann, Martin Hose und Bernhard Zimmermann. Stuttgart 2000, S. 320-339.
XV handelt.«18 Ist aber von einer frühen Datierung der Adonis-Elegie auszugehen, müßte Schibels Vermutung dahingehend geändert werden, daß Balde vielleicht das alte Gedicht für die Arbeit an der Urania heranzog. Als »Seitentriebe« oder handschriftlich gebliebene Vorarbeiten, teils vielleicht als Bruchstücke der sonst ungedruckten f/rama-Manuskripte sind aber mindestens jene vier Elegien (ΟΡΟ, Bd. 5, S. 243-264) zu Anfang der Elegiae Variae anzusehen, die ihre Zugehörigkeit zum Dichtungskomplex der Urania bereits in ihrem Titel ankündigen. Die Herausgeber, unter ihnen der Münchener Jesuit, Theaterautor und Bühnentheoretiker Franz Lang (1654—1725),19 haben auf den angeblich durch Baldes Tod verursachten Abbruch der Arbeiten verwiesen und auf eine Zuordnung der Fragmente verzichtet (ΟΡΟ, Bd. 5, S. 242): At ille plerasque [die Elegien, W. K.] destinaverat ad secundam, tertiamque, quam meditabatur, Uraniae suae partem, opportune inserendas. Sed cum Opus illud penitus reliquerit imperfectum, virium debilitate, & sancta morte praeoccupatus fragmenta saltern tanquam tabulas è naufragio residues, & dispersas, quales erant, dare maluimus, quam labore Authoris mentem & Ingenium non aequaturo, conniti, ut in unum integrumque aedificium consurgerent.
Diese Bemerkungen führen freilich teilweise in die Irre: Die Entstehungsund Druckgeschichte des ί/rama-Projektes bietet einige Rätsel und deutet auf komplizierte Verwicklungen. Der erste Teil von Baldes Urania erschien 1663 in München - die dieser Edition zugrundeliegende Ausgabe. Balde erhielt aber schon im Herbst 1657 aus Rom eine »goldene Münze«- wahrscheinlich für die Zusendung einer Erstfassung der Urania und identisch mit der in der älteren Literatur vielfach erwähnten »goldenen Denkmünze mit einem Brustbild im Gewicht von 12 Dukaten, die Balde am 24. September 1665« in Neuburg a.d. Donau - Balde wirkte dort seit 1654 als Hofprediger »am Altar der Hl. Maria von Foya aufhing«.20 Jedenfalls waren um 1658 18
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Wolfgang Schibel: Die Metamorphose zum Heroidenbrief. Jacob Baldes Epistola Dianae ad Venerem de morte Adonidis, in: Ovid. Werk und Wirkung. Festgabe für Michael von Albrecht zum 65. Geburtstag, hg. von Werner Schubert. 2 Tle./Bde., Frankfurt/M. usw. 1998 ( = Studien zur Klassischen Philologie, Bd. 100), hier Teil II, S. 977-992, das ZitatS. 992. Zu Lang der Artikel (sub verbo) in: Literaturlexikon, hg. von Walther Killy. Bd. 7. Gütersloh/München 1990, S. 133. Zu dem in München unter der Leitung Langs gesammelten (fragmentarischen) Nachlaß Baldes s. die Ausführungen und Nachweise von P.L. Schmidt (1994, wie Anm. 17), bes. S. 102-105. Das Zitat nach Bach (wie Anm. 2), S. 105; daß Balde die Goldmünze erst nach dem Druck von 1663 erhalten habe, ist damit nicht zu belegen. Der Brief Baldes an Fürstenberg vom 19. September 1657 bestätigt den Erhalt einer Goldmünze. S. den Abdruck bei Kühlmann (wie Anm. 8, S. 145): »Tro[phaea], applausus cum ipso [sac]ro aureo numismate accepi.« In Verbindung mit dem zitierten Brief vom August 1657 deutet diese Stelle auf die schon frühe Fertigstellung des ersten ί/rani'a-Teils, in welchem Zustand auch immer. - Offenbar kurz vor der Drucklegung fügte Balde dem Werk noch einen Anhang, einen »Nachgesang« (Epicitharisma), ein, in dem er der konvertierten Ex-Königin Christina von Schweden bei ihrem Empfang in Neuburg a.d. Donau (21. Mai 1662) huldigte (ΟΡΟ, Bd.5, S.231-240).
XVI schon geplant und in Arbeit ein zweiter und dritter Teil des Alterswerkes. Die Ordenszensur erwies sich allerdings als problematisch. An Pater Christoph Schorer, den Viceprovincial des Ordens, hatte Balde - offenbar nach der Vorlage eines Widmungsentwurfs vor der endgültigen Drucklegung - einen Brief zu schreiben (24. Januar 1663), in dem er sich - mit Verweis auf Hermann Hugos Dedikation der Pia desiderio an Urban VIII. - dafür rechtfertigen mußte, keinen »Panegyricus« auf Alexander VII. verfaßt und in der an den Papst gerichteten Widmungsunterschrift offenbar zunächst nicht die Unterwürfigkeitsformel »humillimus« verwendet zu haben: ein Attribut, das offenbar auf Schorers Intervention hin dann doch im Druck erschien: In Dedicatione componenda ipse quam maxime sollicitas fui. Panegyricum scribere nolui, quum scirem, sanctissimum Dominum his phalerís non delectan. Ergo quid? Ex argumento Operis deduxi aliquid, ut saltern hoc ipsum aliquid diceret. Quae omittenda sint, quae in vicem substituenda, monear; faciam, paratas ad medium folium coarctare: nisi fortasse hoc indecorum videri possit. Humillimum non refugi, quia vocabulum hoc non inciderat. habui ante oculos meos Hermanni Hugonis Dedicationem ad Urbanum Vili, nec ille hoc nomen usurpavit. Sed perinde mihi est. Utamur. Ego in hac re non fiduciam mei, sed directionem al tenus libentius sequar. Ceterum Hermannus Hugo ea dedicationi suae immiscuit, quae ego non praesumerem. Sed Belgis plura licent.21
Es kam noch schlimmer. Teil zwei und drei der Urania hat Balde tatsächlich vor seinem Tode jedenfalls noch bis zu einem nicht mehr genau bestimmbaren Grad der Ausarbeitung vollenden können. Darauf deutet auch der Binnentitel (vor der Isagoge), der ein »Opus tripartitum« ankündigt und vor allem den Inhalt des zweiten Teils genau beschreibt. Jedenfalls lag das Gesamtwerk den Ordenszensoren vor, wie wir seit Luzian Pfleger (1904)22 wissen, dessen erhellender Aufsatz bisher leider selbst in der seriösen Baldeforschung weitgehend ausgeblendet, wenn überhaupt gelesen wurde. Der erste (folgen wir den Briefindizien der Jahre 1657 und 1658), also geraume Zeit nach der primären Niederschrift gedruckte Teil der Urania fand zwar vor allem wegen der ingeniösen Gesamtkonzeption grundsätzlichen Beifall. Doch bei Durchsicht der eingereichten Manuskripte kamen die Zensoren - durchaus scharfsichtig - zu dem Befund, das »heilige Thema« sei teilweise durch subjektive Vorlieben und Spielereien des Dichters korrumpiert worden, die Sprache der 21
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Zit. nach dem Abdruck des Briefes bei Westermayer (wie Anm.2), S. 272-274, hier S.272f. Luzian Pfleger: Unediertes von und über Balde, in: Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins N. F. 19 = Bd. 58 (1904), S. 69-78; die Gutachten zum Urania-Komplex, (aus dem »Münchener allgemeinen Reichsarchiv, Jesuítica in genere«), von Westermayer (wie Anm. 2) nur sehr unvollständig referiert, auszugsweise abgedruckt hier S. 75-77; danach im folgenden die Zitate ohne weitere Nachweise. - Baldes notorische Auseinandersetzungen mit der Zensur seit den Münchener Jahren faßt zusammen Dieter Breuer: Geschichte der literarischen Zensur in Deutschland. Heidelberg 1982 ( = Uni-Taschenbücher, 1208), S. 58-64, sowie ders.: Katholische Konfessionalisierung und poetische Freiheit, in: Die katholische Konfessionalisierung [...], hg. von Wolfgang Reinhard und Heinz Schilling. Gütersloh 1995 (=Schriften des Vereins für Reformationsgeschichte, Bd. 198), S. 166-184, bes. S. 180-182.
χνπ irdischen, der unkeuschen Liebe dränge sich allzusehr in den Vordergrund, auch sei es nicht von der Hand zu weisen, daß die an sich glänzende Rede des Venantius Afer, eines »Miles Gloriosus« (also Urania 5,5), wahrhaft »teuflischen« Hintersinn verrate und jungen Leuten nicht ohne interpretatorische Vorwarnungen in die Hände gelangen sollte. Mancherlei »Schlüpfriges« sei entweder ganz wegzulassen - und sei es auf Kosten der literarischen Eleganz - oder noch einmal zu überarbeiten. Balde solle gerade in der Vorrede Rechenschaft darüber geben und zeigen, wie Mißverständnisse zu vermeiden seien. Viel spricht also dafür, daß die Überladung der Isagoge - in der Druckfassung der Erstausgabe - mit ausführlichen Zitaten vor allem aus aszetischen Werken des Augustinus und Bernhard von Clairvaux dieser deutlichen Aufforderung zur Markierung der spirituellen Dogmatik und erbaulichen Auslegungsdirektive zu verdanken ist! Die Herausgeber der späten Gesamtausgabe von 1729 haben diese üppigen Allegationen weggelassen: aus einem richtigen Instinkt heraus, aus Geschmacksgründen, vielleicht doch aufgrund von Indizien im Wissen darum, daß diese Allegationen unter dem Druck der Zensoren von Balde eingefügt waren? Wir wissen es nicht, wissen nicht, wie Balde zwischen 1657 und 1663 im einzelnen auf die Vorhaltungen der Ordensbrüder reagierte und auf welche Weise sich im endlich publizierten Text die zensorischen Beschwerden niedergeschlagen haben. In der noch ungeschriebenen Geschichte der literarischen Ordenszensur (auch ein wichtiger, ganz vernachlässigter Sektor einer Geschichte der Literaturkritik!) gehören die von Pfleger nur auszugsweise (wohl auch nicht ohne Lesefehler) publizierten Gutachten - weitere Forschungen bzw. Überprüfungen sind dringend erwünscht, können von uns in Heidelberg aber vorläufig nicht geleistet werden - zu den ungemein fesselnden Dokumenten. Zitiert seien - nach Pfleger - zunächst Auszüge, vor allem die oben paraphrasierten kritischen Teile, der den ersten Teil der Urania betreffenden Urteile und Mónita: Est opus elegans, ingeniosum, eruditum, utile ac pium, plenum iuxta festivi leporis et elegantiae in quo solum fortassis peccavit auctor, quod ingenio suo indulgens sacram materiam iocis vernilibus et a gravitate argumenti alienis corruperit, quod tarnen satis verecunde, nec nimis intemperanter factum. [...] Inventio opens rara et exquisita, deductaque per continuas et admirabiles allegorias, delectationem magnam parit cum pari utilitate coniunctam. Tantum dolendum, quod propter lubricitatem argumenti vix aliquando potuerint vitari sensus molliores et a religiosi scriptoris calamo verecundius tractandi, quam subinde ferisse videatur poeta noster. Ñeque enim negari potest, quin pluribus in locis non magnum appareat discrimen inter Veneris amasios et inter hos castissimae Uraniae procos. Iisdem subinde verbis grassantur utrique in amorem et affectus amatae. Qua in re licet verum sit, quod castis sint omnia casta, certum tarnen est, non omnes qui haec lecturi sunt, fore castos. [...] Certe penultima elegia, qua nihil divinius, sub persona Venantii Afri, hoc est diaboli scripta, habet sensus vere diabolicos, nec nisi praemunito adversus venena pectore ab adolescentibus legendos. Quod ut fiat, curae erit auctori. Etenim his omnibus incommodis ex bona parte medebitur auctor duobus modis; quorum prior est, ut, quae sunt alicubi apertius dieta, circumcidat, ut castius profluant, [...] Alterum, ut in alloquio preliminari reddat facti sui rationem doceatque,
χνιπ quo pacto per has illecebras caste transeundum. Sed pluris facerem [so die Lesung Pflegers; fälschlich für »faceret«?] ad medelam, si subinde quaedam lubrica aut penitus omitterentur, licet cum damno venustatis et elegantiae, aut certe lima mordaciore castigarentur ea, quae videntur innocentibus offensionem, aut corruptis nequitiae materiem praebitura, cuiusmodi aliquid notavi; sed plura fortassis inveniet ipse auctor, si curae aliquid emaculando velit impendere [...]
- und am Ende nach »einer langen Liste vorzunehmender Korrekturen« (Pfleger): »Vivat Urania! Sed castigata, sed paulo verecundius ornata, detracto scilicet meretricio cultu et laeciniis [so!] non necessariis.« Noch zu Lebzeiten Baldes lag den Zensoren mindestens der komplette zweite Teil der Urania vor. Das Urteil aus der Feder des Ordensbruders Georg Heser fiel, so darf man wohl sagen, vernichtend aus. Das Werk entspreche nicht der Qualität des ersten Teils - weder in der Kreativität der Erfindung (»acumen ingenii«) noch in der stilistischen Gestaltung (»venustas carminis«). Überdies sei der teilweise nichtswürdige Inhalt (»argumenta sordida«) eines Geistlichen unwürdig. Kein Wunder, da Balde viele Werke ganz verschiedener Provenienz geschrieben habe, was sich dann auch auf die Qualität auswirke: »Acumen ingenii deficere, quid mirum, in tam multis et variis opusculis?« Das den Zensoren vorliegende Manuskript wurde unterdrückt und gelangte ebenso wie der dritte Teil nicht in den Nachlaß, was die Herausgeber des Jahres 1729 offenbar nicht wußten. Daran änderte auch eine erneute kritisch-zensorische Überprüfung beider unterdrückter Teile der Urania nach Baldes Tod nichts mehr. Die Einwände der ersten Zensoren seien begründet, das ganze Werk dem Inhalt und der ästhetischen Faktur nach immer wieder der geistlichen »Zurückhaltung« unwürdig: »Reiectus iam semel a censoribus hic liber vivente autore notandumque est, lituras quas primi censores quandoque addiderunt, non abs re additas, cum quandoque materia aut modus proponendi religiosae verecundiae videatur repugnare.« Es war nicht das erste Mal, daß Baldes Dichtungen von den Zensoren zurückgehalten wurden, doch in anderen Fällen kam wenigstens ein postumer Druck - ggf. schließlich in der Gesamtausgabe von 1729 - zustande. Ungeachtet dieser ordensspezifischen Maßnahmen und trotz der nicht mehr zu überprüfenden Korrekturen vor der Drucklegung des ersten Urania-Teils (also in den Jahren 1657 bis 1663), stellt sich dieser als in sich geschlossener, eindeutig und gleichsam more geometrico konzipierter Elegienzyklus dar. Mit dem Titelbegriff >Urania< konnte der Leser Bekanntes assoziieren. Denn bereits in älterer oder zeitgenössischer geistlicher Dichtung wies der Name auf Bedeutungs- oder Darstellungsmomente zumeist eines christianisierten Piatonismus23 und überformte so die Musenfigur der in überirdische Sphären führenden astro23
Man denke etwa an du Bartas'(1544-1590) Uranie, 1641 von Tobias Hübner unter dem Titel Uranie Oder Himmlische Muse ins Deutsche übersetzt, auch an Miltons Paradise Lost 7,Iff. Vgl. die Hinweise in dem zitierten Aufsatz von A. Thill (La Muse Uranie, wie Anm.2); zu denken ist auch an das 1659 in Wien uraufgeführte Konstantindrama des Ordensbruders Nicolaus Avancini (1611-1686) mit dem Titel »Pietas Victrix«.
XIX nomisch-kosmologischen Lehrdichtung.24 Wie Baldes Isagoge erläutert, fungiert Urania - auch in Antithese zu dem damals in französischer Literatur vordringenden Kult der amourösen »Venus Uranie« (Madeleine de Scudéry u. a.) - als allegorische Sprecherinstanz und weibliche Verkörperung der auf ihre himmlische Bestimmung verwiesenen Seele des Menschen. Sie hat sich - letzthin »siegreich« - gegen Zudringlichkeiten der um ihre Gunst werbenden fünf Sinne zu wehren. Jeder dieser Sinne (visus, auditus, odoratus, gustus, tactus) wird in drei Liebesbriefen vorgestellt, die jeweils von Urania argumentativ aufgegriffen und ablehnend beantwortet werden. Was die Sinne jeweils in der Alltagswelt, im Zusammenhang sozialen Handelns oder auch in der explorativen Neugier von Wissenschaften und Erkenntnisvorgängen bedeuten25 und was sie an möglichen Reizen und Erfahrungen allererst ermöglichen, läßt Balde immer wieder nicht nur von einer abstrakten, einer blassen Sprecherstimme artikulieren, sondern auch in der appellativen Selbstdarstellung typologisch charakterisierter Figuren zu Wort kommen. So wenn etwa im Dienste des Visus der Maler Cinna ( 1,3) und ein Mathematicus ( 1,5), im Dienste des Auditus ein Musicus (2,3) oder für das Anliegen des Gustus sogar Rumpoldus Caracalla, Coquus Palatinus (4,3), zur Feder greifen. Mit Darstellungselementen der Ständerevue verleiht Balde den verlockenden Stimmen der sinnlichen Versuchung soziale Glaubwürdigkeit und unterstreicht damit ein immer neu ansetzendes Plädoyer für die von christlicher Weltflucht unbeeindruckte Rehabilitation, ja Attraktion der natürlichen, der spontanen und von selbstverständlicher Subjektivität gesteuerten Sinnesvermögen und Sinnesleistungen. Vielleicht mit größerer Wirkung, als es Baldes symmetrischer Konzeption der Briefkontroverse ursprünglich entsprach, zeichnet die eine Seite des epistolarischen Dialogs jene 24
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Wegweisend Giovanni Poníanos Lehrgedicht Urania, sive de stellis, in ders.: Opera. Venedig 1506; dazu Thill, wie Anm.2, vor allem aber Peter Godman: The Search for Urania. Cosmological Myth in Bemhardus Silvestris and Pontano, in: Innovation und Originalität, hg. von Walter Haug und Burghart Wachinger. Tübingen 1993 ( = Fortuna Vitrea, Bd. 9), S. 70-97. - Zum folgenden Hinweis auf den Kult der »Venus Uranie« bei den französischen >Preziösen< vgl. Renate Biiff: Preziose Liebes- und Ehekonzeptionen und ihre Hintergründe. Heidelberg 1979, bes. S. 144-149. Die Behandlung der fünf Sinne (sensus exteriores) gehörte generell zum anthropologischen und psychologischen Lehrpensum der Artistenfakultät (unter dem Lemma De anima)·, vgl. exemplarisch Daniel Sennert(us): Epitome Naturalis Scientiae. Editio Tertia. Wittenberg 1633; dort Liber Vîl, S. 551-593, das Deklamationsthema De quinqué sensibus, verbunden mit dem Lob der septem artes liberales. Zur Baccalaureatsprüfung gehörte der Gegenstand ebenfalls, vgl. Nicodemus Frischlin: Orationes Jnsigniores Aliquot. Operâ & studio M. Georgii Pfluegeri. Straßburg 1605, S. 192-231. Zur kulturpsychologischen Dimension des Themas im historischen Querschnitt s. Marielene Putscher (Hg.): Die fünf Sinne. Beiträge zu einer medizinischen Psychologie. München 1987; die Aktualität in der frühneuzeitlichen Bildkunst belegt Sylvia Ferino-Pagden (Hg.): I cinque sensi nell'arte. Immagini del sentire. Venedig 1996, sowie der Motivkatalog in A. Pigler: Barockthemen. 3 Bde. Budapest 21974, spez. Bd. II (»Eine Auswahl von Verzeichnissen zur Ikonographie des 17. und 18. Jahrhunderts«), S. 483-485; s. ferner Carl Nordenfalk: The Five Senses in Late Medieval and Renaissance Art, in: Journal of the Warburg and Courtauld Institutes 48 (1985), S. 1-22; vgl. auch die in Anm.49 angegebene Literatur.
XX »Totalmannigfaltigkeit« (Helmuth Plessner) der Sinne, in der sich der Mensch zugleich seiner Leiblichkeit und seiner Lebenswirklichkeit26 genießend versichert. Oft nur mit einiger Mühe und im Wechsel der thematischen Schwerpunkte gelingt es Urania, Leitfigur programmatischer Erlösungsbedürftigkeit und Weltflucht, den Primat christlicher Heilssorge zu behaupten und den Blick auf Phänomene der historisch wie anthropologisch bedingten Sündhaftigkeit zu lenken, als deren Reizmittel, als deren Instrument und gleichsam Einfallstor die Sinnesausstattung des Menschen betrachtet werden soll. Baldes erbauliches Schreibprogramm wird demgemäß beinahe gesprengt durch die Überzeugungsgewalt, mit der sich die Sinne in profaner Kontrafaktur der Bernhardinischen Hohe-Lied-Mystik ihrer störrischen Seelenbraut empfehlen. Indem auf der Folie eines allegorischen Sprachmodells agonaler Rhetorizität eigentlich nichts anderes als die ungestörte Autonomie des neuzeitlichen Ichs ins diskursive Zentrum rückt, traf Balde nicht nur die mentalen Spannungen seiner Epoche, sondern - dafür sprechen manche Züge seines Gesamtwerkes - auch Erwägungen, Anfechtungen und Beobachtungen, die ihn als Jesuiten, Dichter, auch als Privatperson bewegten. Gerade die Aktualität des mit so großem Ehrgeiz ästhetisch organisierten Antagonismus läßt es nicht verwunderlich erscheinen, daß Balde in der Leservorrede (Isagoge) alle Register zieht, um das neue Werk in einem autoritativ abgesicherten Horizont geistlicher Rede, damit auch im Kontext der gerade im 17. Jahrhundert verbreiteten Bernhard-Rezeption27 zu verankern. 26
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Anregend Hans Peter Thum: Der Mensch im Alltag. Grundrisse einer Anthropologie des Alltagslebens. Stuttgart 1980, hier S.49-60 (»Die Sinne im Alltag«). Berufungen auf Werke Bernhards oder Pseudo-Bemhards durchziehen fast die gesamte deutsche und lateinische Erbauungsliteratur des Jahrhunderts; eine zusammenfassende Darstellung fehlt; Zugänge bietet der Sammelband von Kaspar Elm (Hg.): Bernhard von Clairvaux. Rezeption im Mittelalter und in der Neuzeit. Wiesbaden 1994 (=WoIfenbütteler Mittelalter-Studien, 6). Einen hervorragenden, doch überaus einschüchternden Überblick über die Bernhard-Ausgaben, Übersetzungen, auch die poetischen Paraphrasen und Meditationen bietet P. Leopoldus Janauschek (Bearb.): Bibliographia Bemhardina. Vindobonae 1891 (=Xenia Bernhardina, Pars Quarta), hier S. 175-249 die Drucke der Jahre 1600-1670; auffallig und Baldes Präferenzen entsprechend ist die Tatsache, daß sich die Kombination Augustinischer und Bernardinischer Texte, von den üblichen Väter->Catenen< ganz abgesehen, einiger Beliebtheit erfreute, etwa in Ausgaben des Jesuiten Henricus Sommalius (1621ff.); vgl. etwaNr.914,921,968,979,982,1053 u.ö. Dazu hatte Balde gewiß die großen Gesamtausgaben Bernhards zur Verfügung (Paris 1632 u.ö., oder Köln 1641, Nr. 1002). Wer sich allerdings etwa nur anhand dieser oder jener großer Namen zu kühnen Behauptungen über die katholische Erbauungsliteratur des 17. Jahrhunderts aufschwingen möchte, sollte vorab die hervorragende Bibliographie von Birgit Boge konsultieren (mehr als 300 Drucke nur einer Kölner Offizin): Literatur für das »Catholische Teutschland«. Das Sortiment der Kölner OfHzin Wilhelm Friessem im Zeitraum 1638-1668. Tübingen 1993 (=Frühe Neuzeit, Bd. 16). - Zur Bernhardinischen Hoheliedexegese, im Rückgriff auch auf Orígenes, s. die zusammenfassende Darstellung von Peter Dinzelbacher (mit umfassender Bernhard-Bibliographie): Bernhard von Clairvaux. Leben und Werk des berühmten Zisterziensers. Darmstadt 1998, bes. S. 175-186. - Zur Verbreitung der Sponsa-Topik immer noch sehr nützlich Marie-Luise Wolfskehl: Die Jesusminne in der Lyrik des Barock. Gießen 1934 (=Gießener Beiträge zur Deutschen Philologie, 34 ).
XXI Dabei geht es ihm jedoch vorab um die >novitas< des Themas und die Originalität der poetischen >inventioQuerelle des anciens et des modernesGottseligkeitUrania< nicht im Sinne eines ketzerischen, etwa origenistischen, bereits von Augustinus bekämpften Piatonismus mißverstanden wird. Die menschliche Seele ist nicht losgelöst vom Körper als eine Substanz aus »himmlischer Materie« zu denken, die im menschlichen Körper eingekerkert ist. Mit der Vorstellung der Seele als »Spiraculum vitae« (S. 18) insistiert Balde vielmehr auf einem anthropologischen Modell, wonach der mit einem freien Willen (»liberum arbitrium«) ausgestattete Mensch, wenn er will, sich die ganze Welt unterwerfen kann und seinen Leib und seine Sinnlichkeit dienstbar zu machen weiß.38 Mit solcher Interpretation ist der Weg frei für die theologische Fundierung des Gedichtzyklus in der durch ausgedehnte Einzelzitate bzw. Zitatketten gekennzeichneten Verschränkung einer von Augustinus und von Bernhard von Clairvaux bestimmten geistlichen Psychologie - jene zulaufend auf den Dualismus und Antagonismus von animus und corpus, von res spiritualis und corporea creatura, diese in wechselnden Schattierungen der Hohe-Lied-Exegese das Verhältnis von Christus und Anima als Liebes- und Ehebund begreifend. Dadurch ergibt sich eine Antithetik der Briefstrategien - auf der einen Seite der werbende, preisende, liebende, die eigenen Vorzüge herausstreichende Ton der Freier-Episteln, in denen sich die Sinne jeweils als künftiger Bräutigam anpreisen, auf der anderen Seite die selbstgewisse, oft sarkastisch denunzierende und bisweilen satirisch tingierte Rhetorik, mit der Urania, ihres Abstands und Ranges gewiß, Denkfiguren umsetzt, die Balde 37
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Zitiert nach Hieremias Drexelius e Societate Iesu: Opera Omnia in duos Tomos nunc distributa. Mainz 1645, Bd.I, S.532 (Exemplar der UB Mannheim). Isagoge, S. 16: »Nos [...] Animam producimus Reginam sui, & si velit, totius Mundi: dotibus à Deo concessis, & in primis Libero arbitrio, nobilem; membrisque insuper ad omnem usum habilibus cinctam.«
XXV wiederum in üppigen Augustinus-Allegationen exponiert und offenkundig absichert: »Über die Herrschaft der Seele über ihre fünf Sinne«, »Über den Kampf der streitenden Seele mit ihren Sinnen«, »Über den Ruhm der siegreichen Seele, die unter dem Namen Urania ihre fünf Sinne bezähmt«. Kontrastiv wird dazu nach Bernhard die »Misere« einer Seele geschildert, die von ihrer Sinnlichkeit unteijocht wird.39 Der poetische Briefwechsel, als Genre weiterhin geadelt vom klassischen Vorbild Ovids, mutiert nach dem Schema der geistlichen Parabel Jacopones da Todi zu einer Sammlung kontroverser Diskurse und schließt sich so locker an die seit der christlichen Spätantike geläufigen Exempel allegorischer >Psychomachie< an.40 Freilich weiß Balde in Berufung auf Augustinus, daß der Mensch, d. h. die menschliche Geistseele erst durch die Sinne alles, was >Welt< ist, wahrnimmt und daß sich in den Sinnen jene Ursünde der curiositas ankündigt, die nur durch strenge Degradierung der Sinne zu geistlicher Dienstbarkeit vermieden werden kann (S. 36): »[...] Anima per sensus suos totum quodammodo Mundum peragrat: omnia lustrat beneficio Ministrorum, quamvis non raro infidelium: & vaga curiositate se pascit, saepiùs noxiä.« Was curiositas bedeutet, Unbotmäßigkeit sinnlicher Welterfahrung, Widerstand gegen das Ansinnen totaler geistlicher Herrschaft über die Regungen der Natur, führt Balde in drastischer Detailfreude vor, realistisch und zugleich mit warnender Wegweisung des Lesers (S.36): »Hoc pactum nuncij sensus non semel nequissimè intervertunt: & dum fallaciter blandiuntur, à primo Amore Increato, sed omnium rectè amantium ultimo fine, hoc est, legitimo spensi sui thalamo per summum nefas distrahunt.« Solche Skepsis ergeht sich nicht in Gemeinplätzen. Sie entdeckt in der Verderbnis des eigenen Jahrhunderts, namentlich in den Verwüstungen des Krieges, das Gegenbild frommer Gottessehnsucht und mystischer, moralisch verbindlicher Seelenfreundschaft mit Christus (S.36): »Respice seculi nostri connubia.« Baldes poetische Verschmelzung von klassizistischer Verskunst und frommer Allegorese entpuppt sich so, wie sich in vielen Einzelzügen bestätigt, auch als ein Kunstgriff des versierten Satirikers, als Medium schonungsloser Zeitkritik, als ästhetische Möglichkeit, jene Welt in ihrer eigenen Logik und im Licht ihres eigenen neuzeitlichen Selbstruhms zur Sprache zu bringen, von der sich der Dichter aber offensichtlich nicht abkehren will, ohne sie dem Leser in farbigsten Schilderungen und in gefährlicher Suggestion vorgestellt zu haben. Zu den Adressaten, an die Balde den Urania-Band des Jahres 1663 sandte, gehörte auch Sigmund von Birken (1626-1681) in Nürnberg, renommierter Dichter und Mittelpunkt der Sprachgesellschaft der »Pegnitzschäfer«, deren 39
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Vorwort, S.22-34; hier wie auch sonst u.a. zitiert »De conversione ad Clericos«, der »Liber de Conscientia« und die Predigten zum Hohen Lied. Das Schema war auch dem Lyriker Balde geläufig, wie etwa die 16. Epode (ΟΡΟ, wie Anm. 3, Bd. 1, S. 292f.) illustriert: Dialogus Voluptatis et Continentiae, mit Verweis auf Horaz, epod. 12 und Augustinus, conf. 8,11.
XXVI Mitglieder sich immer wieder, auch als Übersetzer, mit Balde befaßten. Birken (lat. Betulius) stand mit Balde in Briefwechsel. Unter den Birkenschen Manuskripten und seiner Korrespondenz, deren Erschließung und Transkription vor allem Hartmut Laufhütte (Passau) zu verdanken sind, fand sich ein Schreiben Birkens an Balde (offenbar eigenhändige Abschrift, Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Birken-Nachlaß, Signatur PBLO, B.5.0.28, Bl. 23 r-v) vom 20. Oktober 1664. Dieser Brief sei hier in der Transkription von Herrn Laufhütte und mit seiner freundschaftlichen Genehmigung mitgeteilt als bedeutsame Cimelie angesichts der sonst bisher - bis auf die Fürstenberg-Briefe (s. o.) - fast ganz im Dunkeln liegenden, in München und Neuburg jedenfalls auf rätselhafte Weise verschwundenen (mit Absicht nach Baldes Tod vernichteten?) Baldeschen Korrespondenz, zugleich als frühes Rezeptionszeugnis der Urania und als Indiz für Birkens Einschätzung Baldes als eines »Princeps Reipublicae literariae«:41 Jacobo Balde Societatis Jesu Patri Excellentissimo. Plurime Reverende ac Excellentissime Domine, Fautor devenerande. Miraris, scio, Betulium Tuum non ad Te scribere, jam olim trium lineolarum ductu provocatum, jam olim Te T\iaque mirantem, nuper etiam muñere devinctum. Peccavi, fateor: si ex observantia delictum nascitur. Non tu mihi, Princeps imo Reipublicae literariae, more Persarum, sine muñere adeundus eras. Atenim tamdiu parturiens, vel nihil, vel Tuo palato indigna, peperi. En silentij mei causidicum! Caluit equidem sub manu hactenus, jubente Augusto nostro gloriosissimo, Austriaca Historia: sed tamdiu scribitur, excuditur, quia tot patitur intercapedines, quot fere mensium vices. Prodierat nuper quidem, Mausoleum illud Regum Hungariae, cujus Inscriptiones mihi suam debent versionem Germanicam. Sed quum, me longius absente, pensum istud absolveret Typographus, ocyusque publici juris faceret: nolui post festum, quod ajunt, offerre, quae jam ad Tuam Excellentiam pervenisse judicabam. Nunc vero ne nunquam et nusquam compaream, ne semper nihil afferam, secundo DANUbio ad Te excurro, ac exigua haec offero, quia potiora grandiorave pauperculum me hodie destituunt. Tuum vero non mei modo, sed nectar, sed ipsum Coelum, vah quo me mihi ereptum abripit? Vicit me cumprimis Tua Victrix Urania, planè ad votum meum efformata Diva, quam Betulius Expleri mentem nequit ardescitque, legendo.42 Jn memoriam mihi revoco quae quondam retulerat Wülferus noster; quum sciscitanti Excellentissimo Baldo, qua sorte uteretur Betulius? ipse reponeret: mea me contentum vivere; Jllum tanquam ex tripode oraculum prodidisse. Ergo cicada est, rare suo vivit. Nescio sane me, magis hòc, unquam delectatum fuisse aliquo praeconio, adeò in me quadrat totum hoc simile. Et Tibi Apollini nostro, prisco more, offero hanc Cicadam Betulium Tuum: cujus, Tua jussa capessere votum.43 Betulius proprio sibi vivit rore cicada etc. Vide supra. Insectum Ambrosiâ pascere perge Tuum.
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Die Edition, Kommentierung und Übersetzung dieses Briefes im größeren Textverbund wird von Hartmut Laufhütte vorbereitet; die von Joachim Kröll edierten »Tagebücher des Sigmund von Birken« (2 Bde., Würzburg 1971 und 1974) enthalten mehrere Vermerke über Birkens Briefverkehr mit Balde, so auch zu diesem Brief (Bd. 1, S. 139): »Schreiben an H.P. Balde, cum Danubio.« Balde hat bald darauf geantwortet, so jedenfalls Birken in sein Tagebuch am 31. Okober 1664 (Bd. 1, S. 141): »Schreiben von H.P. Balde 150 cum 2. Tractfatis].« Leider fanden sich weder diese Antwort noch - bisher jedenfalls - andere Briefe Baldes in Birkens Hinterlassenschaft. Eine einläßliche Studie über die ungemeine, teils enthusiastische, teils kritische Resonanz, die Baldes Dichtungen bei den Nürnbergern (Harsdörffer, Birken, Klaj und andere) fand, ist noch zu schreiben. Das Zitat in geringfügiger Abwandlung von Vergil, Aen. 1,713.
XXVII II Gerade weil sich der [/rawa-Zyklus mit dem ersten Empfehlungs- und Werbebrief des Visus (1,1) offensichtlich in ein seit der Antike weitverbreitetes Kontinuum des Augenpreises eingliedert, schickt Balde dem ersten Buch eine Vorrede voran, die in Berufung auf das »Oraculum Africanum«, diesmal Augustinus' Confessiones (10,35), die »periculosa familiaritas«, ja die »perniciosa libertas« des vornehmsten Sinnesorgans denunziert. Nach Augustinus offenbart sich in der »concupiscentia oculoram« die sündige Allianz der »concupiscentia carnis« und der »curiosa cupiditas«. Unter den Kautelen solch düsterer Leseempfehlungen, die selbst den Teufel nicht aus dem Spiel lassen (»Sic Auceps capit Aves, procus puellas, Daemon per Sensus Animas«, S. 54), kann sich die Briefrede des »nobilior sensus« unbefangen und eindringlich, mithin in erstaunlichem Kontrast zum auktorialen Paratext, der überkommenen Laudationstopik bedienen. Vor allem die ausgebreiteten Forschungen von Gudrun Schleusener-Eichholz44 haben uns die Dimensionen dieses von der Antike über die Kirchenväter, die mittelalterlichen Enzyklopädien und Fachschriften bis in die Verästelungen der poetischen Adaption und geistlichen Allegorese reichenden Textfeldes vor Augen geführt. Balde jedenfalls befreit die Reden seiner poetischen Sinnesfiguren von jenen theologischen Interpretamenten, die z.B. Catharina Regina von Greiffenberg (1633-1694) dazu veranlaßten, ihren Beschreibungen der Augenanatomie christologische und trinitarische Glaubenswahrheiten zu unterlegen und so naturwissenschaftliche Erkenntnisse in den Gebetsakt frommer Meditation zu integrieren. Es sind die Augen des Jesuskindes, denen die Dichterin huldigt:45 Gebenedeyet seyen nicht weniger die edlen Geistes-Werkzeug/ die lieben Augen/ die Spiegel des Geistes/ die Dolmetschere des Gedächtnis/ und Verrathere des Herzens/ die Sonnen des Leibes/ die Sternen der kleinen Welt/ und Liechter der Natur/ die du/ O ewige Sonne der Gerechtigkeit! O Morgen-Stern des Heils/ und Liecht der Welt! auch in deiner Menschwerdung/ empfangen wollen! 43
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Auch hier spielt Birken auf Vergil an; vgl. Vergil, Aen. 1,77: »mihi iussa capessere fas est.« Gudrun Schleusener-Eichholz: Das Auge im Mittelalter. 2 Bde. München 1985 (=Münstersche Mittelalter-Schriften, 35,1—II); dies.: Poetik und Naturwissenschaft: Augenanatomie in Dichtungen des 17. Jahrhunderts und moderner Dichtung (Pierre de Marbeuf, Phineas Fletcher, Catharina Regina von Greiffenberg, Hannelies Taschau), in: Daphnis 26 (1997), S.437-515 - jeweils ohne Hinweis auf Balde; ferner im weitgespannten Überblick (kaum zu deutschen Autoren) Louise Vinge: The Five Senses. Studies in a Literary Tradition. Lund 1975. Zit. nach Schleusener-Eichholz (wie Anm. 44, 1997), S. 483 mit allen Nachweisen; der zitierte Text stammt aus einer Betrachtung über »Marien-Schwanger-gehen«; zur säkularen, petrarkistisch beeinflußten Augen-Lyrik s. die Studie von Wolfgang Harms: Zur Variabilität der Funktion mittelalterlich geprägter allegorischer Bildlichkeit im Barock. »An ihre Augen« von Hans Assmann von Abschatz (1646-1699), in: Vox, Sermo, Res. [...] Festschrift für Uwe Ruberg, hg. von Wolfgang Haubrichs, Wolfgang Kleiber und Rudolf Voß. Stuttgart/Leipzig 2001, S. 195-205.
XXVIII Baldes Visus hält sich an Motive und Formeln des Augenpreises, wie sie unter den Kirchenvätern besonders im (H)exaemeron des Ambrosius46 oder bei Laktanz47 nachzulesen waren und auch in jene emphatische Huldigung einflössen, die Leonardo da Vinci in seinem Buch Über die Malerei dem Auge als Organ der Künste und der neuen Wissenschaften angedeihen ließ48 und die erst recht im 17. Jahrhundert die Bildkünste zu zahlreichen Darstellungen, auch im Verbund von >Fünf-Sinne-ZyklenLiebe< und >Kostbarkeit< andeutenden Anreden »mea Lux« und »mea Vita« (V. 8).51 Was die antiken Elegiker meist Verliebten in den Mund legten, ist hier 46
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Ambrosius, (H)exaemeron 6,9; s. Migne, PL 14 (1882), Sp. 131-288, spez. 280-283; vgl. die Nachweise und Zitate bei Schleusener-Eichholz (wie Anm.44, 1985), S. 30-32. Bes. Laktanz, opif. 7-9; s. Migne, PL 7 (1844), Sp.9-78, spez. 34-40; dazu auch Schleusener-Eichholz (wie Anm.44,1985), S.32f. S. Lionardo da Vinci: Das Buch von der Malerei. Deutsche Ausgabe nach dem Codex Vaticanus 1270 übersetzt und [...] geordnet von Heinrich Ludwig. Wien 1882 ( = Quellenschriften für Kunstgeschichte und Kunsttechnik des Mittelalters und der Renaissance, 18); s. die ausführlichen Zitate bei Schleusener-Eichholz (wie Anm.44, 1985), S. 34. Vgl. neben der in Anm. 25 angegebenen Literatur E. J. Sluiter: Venus, Visus en Pictura, in: Nederlands Kunsthistorisch Jaarboek 42-43 (1993), S. 337-396; nicht zugänglich war mir die ungedruckte Marburger Habil.-Schrift (1997) von Barbara Welzel: Der Hof als Kosmos sinnlicher Erfahrung. Der Fünf-Sinne-Zyklus von Jan Brueghel d.Ä. und Peter Paul Rubens als Bild der erzherzoglichen Sammlungen Isabellas und Albrechts; als Beispiel entsprechender graphischer Zyklen sei angeführt die Folge von fünf Kupferstichen, zu denen Johann Michael Moscherosch die Subskriptionen lieferte: s. Michael Schilling: Unbekannte Gedichte Moscheroschs zu Kupferstichen Peter Aubrys, in: Euphorion 78 (1984), S. 303-324. Zur Interdependenz von moderner Sinnesphysiologie und bildender Kunst vgl. auch Svetlana Alpers: Kunst als Beschreibung. Holländische Malerei des 17. Jahrhunderts. 2. Aufl. Köln 1998, hier bes. Kap. 2 zu Keplers Modell des Auges. - Selbstverständlich sind die >fünf SinneThesen< und der zugehörigen historischen Exempel eine Folge von Argumentationskomplexen hervorbringt. Sie bilden den gedanklichen Rahmen der wechselnden rhetorischen >AmplifikationGemeinplätzenpolyhistorisches< Wissen zu aktualisieren. Dies gilt nicht nur für die topologische Konzeptionalisierung, sondern oft genug auch für einen auktorialen Habitus, der auf der Darstellungs- wie auf der Inhaltsseite der Texte über alle Register der >argutenConcettismen< als >sinnreicher< Dichter zu profilieren. Zugleich bezeugt er so eindeutig wie kaum ein zweiter deutscher Jesuitenpoet jene markanten Stilverschiebungen des Barockjahrhunderts, die - von der Romania ausgehend - gerade von Ordenstheoretikern wie Jacob Masen (1606-1681), Balthasar Gracián (1601-1658) und Emmanuele Tesauro (1592-1675) kodifiziert wurden.74 Man gewinnt den Eindruck, daß 73
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Vgl. zu den hier charakterisierten Techniken die ausführlichere Darstellung von W. Kühlmann: Gelehrtenrepublik und Fürstenstaat. Entwicklung und Kritik des deutschen Späthumanismus in der Literatur des Barockzeitalters. Tübingen 1982 ( = Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur, Bd. 3), S. 113-118. Dazu im einzelnen die Ausführungen von Kühlmann (wie Anm. 73), S. 220-243.
XXXV die vergleichsweise schlichte Vorbereitung der Versepisteln durch die vorangestellten auktorialen >Paratexte< (Isagoge, Argumentum, Synopsis) auch den Zweck erfüllte, die Differenz zwischen dem erbaulichen Programm und dem poetisch-ästhetischen Anspruch der arguten Kombinationen auf der Wort-, Satz- und Argumentationsebene sichtbar zu machen - ein Verfahren, wodurch mittels der streng gliedernden und geistlich konformen Exposition der Elegienpaare auch jene frommen Leser angesprochen wurden, die mit dem ästhetischen Mehrwert der Versdichtungen und der kaum verhüllten Überlegenheit der >sinnlichen< Gegenpositionen ihre Probleme hatten. Die stilistische Feinstruktur der Verselegien und das Arsenal ihrer >arguten< Kunstgriffe herauszuarbeiten, wäre Aufgabe künftiger Detailanalysen, die hier außer Betracht bleiben müssen. Schon auf den ersten Blick dagegen erweist sich Baldes systematischer Wechsel der Sprecherinstanzen als ebenso einfallsreich wie nützlich. Dem Werbebrief des personifizierten Sinnesvermögens (nebst Antwortbrief Uranias) folgen in Buch 1-3 jeweils Briefpaare, deren erste Teile, also die Plädoyers für sinnenfreudige Weltoffenheit ohne asketisch-heilsgeschichtliche Reservationen, einem standes- oder berufsspezifisch typisierten Sprecher in die fiktive Feder diktiert erscheinen. Buch 4 und 5 verzichten sogar ganz auf die abstrakte Sprecherinstanz zugunsten typisierter sozialer Rollenfiguren. Eben dadurch ist auch gewährleistet, daß sich nicht ein Exercitium religiöser Gedankenbewegungen und spiritueller Affekte konstitutiert, sondern ein weit in die intellektuelle und alltägliche Wirklichkeit ausgreifendes, alle Herausforderungen der Neuzeit thematisierendes poetisches Kompendium mit Affinitäten zur Lehrdichtung und zur Satire. Das zweite Buch, das dem Gehörsinn (Auditus) gewidmet ist, vermißt, wie zu erwarten, die Erfahrungsdimensionen verschiedener Klangwelten und subsumiert unter das gegebene Lemma von Anfang an bemerkenswerte Gedankenfiguren einer quasi akustischen Ästhetik. In manchmal paradoxer Zuspitzung wird am Beispiel Ciceros (2,1, Abschnitt 2) die Kunst der Rhetorik als praktische Oratorie interpretiert, die nicht auf den Leser, sondern auf den Zuhörer wirkt. Bereits der Prosavorspann thematisiert nicht nur die ambivalente, potentiell verführerische Macht der Musik, sondern bereitet auch das abschließende Briefpaar vor, das nach dem Musiker auch den Dichter als musikalischen Wortzauberer und Ideenkünstler in seinem Glanz und seiner Gefährdung vorstellt. Der diesbezügliche Brief (2,5) gehört zu den brillantesten poetologischen Selbstinszenierungen Baldes. Als latent theoriehaltiger Metatext des gesamten i/rama-Zyklus interpretiert, ja realisiert diese Epistel - gleichsam >performativ< - die artistischen Möglichkeiten tiefsinniger Allegorese und erweist sich gerade in einem verwirrenden intellektuellen Spiel mit semantischer Mehrdeutigkeit als Kabinettstück geistlicher Concettistik. Es galt, Erfindungsreichtum zu demonstrieren und den Leser durch unvorhersehbare gedankliche Wendungen zu überraschen. Während beim Lobpreis
XXXVI der Augen antike und altkirchliche Argumentationsmodelle ohne besondere Mühe fortzuschreiben waren, zeigt Balde im Werbebrief des Auditus (2,1), daß eine geschickte Neukombination bekannter Fakten und Phänomene, ja eine manchmal paradoxe, listig einseitige Sophistik die Leistungen des Gehörs denen des Gesichtssinns überlegen erscheinen lassen. Wenn Balde hier, ex negativo argumentierend, zuerst nicht das Sehen und Hören, sondern Taubheit und Blindheit in ihren möglichen Folgen bedichtet, eröffnet er eine überraschende Perspektive, in der Homers Dichtungen geradezu auf das Gehör, nicht aber auf den Gesichtssinn angewiesen sind. Über assoziative, manchmal metonymische Verknüpfungen - vom Nutzen des >Hörens< zum Ohr als körperlichem Organ und zur Palette aller möglichen akustischen Reize - wird der Leser in einen Scherz und Ernst mischenden, die Variationsbreite der Argumente virtuos auskostenden Panegyrikus hineingezogen: Cicero und Homer stehen für die kulturelle Macht der Rede; die Trompete feuert die Soldaten an und läßt sie die Todesangst vergessen; Kommunikation in Rede und Erzählung ist dem Tauben unmöglich; Wissen und die Kunst der Musen erwirbt man durch Hören; allein die Ohren werden durch kostbare Edelsteine geschmückt; magische Gesänge und Spruchformeln setzen das Gehör voraus, und das greinende Kind wird durch Lieder beruhigt; das Rauschen des Laubs und das Plätschern des Wassers beruhigen den müden Wanderer; das Singen von Liedern läßt dem pflügenden Bauern und der spinnenden Magd ihre Arbeit leichter werden; es ist die psychagogische Harmonie der Klänge, die alle Stimmungen und Emotionen zwischen Trauer und Lust erzeugt. Was sich auf diese Weise poetologisch unschwer als Verfahren topologischer inventio erkennen und beschreiben läßt, versammelt de facto hier wie in allen anderen Werbeepisteln der Sinne eine Fülle farbiger Reminiszenzen, witziger Deutungen und realitätsgesättigter Beobachtungen, die sich oft zu kurzen literarischen Genregemälden und angedeuteten Anekdoten, ja zu Einsprengseln szenischen Erzählens (vgl. etwa 2,1, Abschnitt 7) verdichten. Der manchmal fast rabulistischen Sophistik und gewollten Einseitigkeit des die Bücher jeweils einleitenden ersten Werbebriefs kontrastiert der gewichtigere kulturgeschichtliche Gehalt jener Elegien, in denen die Vertreter der Künste und Wissenschaften zu Wort kommen. Der Maler und der in der Optik bewanderte Naturkundler vertreten in Buch 1 Rang und Würde des Gesichtssinns. Buch 2 läßt den Musiker (2,3) und den Dichter (2,5) über ihre Qualitäten und Kenntnisse, ihre Aufgaben und ihre sozialen Rollen sprechen. Der Musiker heißt mit Beinamen »Pamphilus«. Er wähnt sich von allen geliebt (»pamphilus«) und verfügt über starke Argumente. Wie zu erwarten, läßt er nicht nur die großen mythischen Repräsentanten seiner Kunst (König David, Orpheus, Arion, Amphion) aufmarschieren, sondern kann sich mit Berufung auf Augustinus (Abschnitt 3) auch das mathematisch-musikalische, auf Pythagoras zurückweisende Modell der Sphärenharmonie zunutze
χχχνπ machen. Um der abweisenden Antwort Uranias einen griffigen Anhaltspunkt zu geben, verschiebt Balde allerdings im zweiten Briefteil (mit Abschnitt 7) den Akzent der zunächst scheinbar unangreifbaren Selbstdarstellung. Der Musiker rühmt sich seiner hohen sozialen Anerkennung, die sich in üppigen materiellen Gunstbeweisen niederschlägt, ja er präsentiert sich als Sänger eines nächtlichen Liebeswerbens (Abschnitt 7) und als Apologet schwelgerischer Bankettmusik. Urania polemisiert im Gegenzug gegen diese soziale Überhebung und gegen die weltliche, erotisch gefärbte Liedkultur - offenbar mit einigen Seitenhieben (2,4, Abschnitt 11) gegen die aus Italien einströmende, gerade an den Höfen gepflegte Musikpraxis, die auch dem Kastraten seine Sängerrolle zuwies. Der gelehrte Ordensdichter zeichnet nun die Bilder ungeliebter Rivalen: wenig gebildeter, eher schmarotzender umherstreunender »Zigeuner«, die mit den »Musen« - im akademisch-humanistischen Verständnis - nichts zu tun haben. Das emblematisch verfestigte Motiv der >fracta cithara0 meine Augen, ich liebe euch dafür, daß ihr es geduldet habt, euch zu Nacht und Blindheit überreden zu lassen, sooft die Gefahr bestand, Nichtigkeit oder Lüsternheit zu erblicken. Diese Nacht, diese Blindheit warfür mich oft höchst heilsam. O meine Ohren, ich danke euch dafür, daß ihr mit einem improvisierten Kniff taub wurdet für jede unehrenhafte, mißgünstige und
50 haec mihi surditas saepissime fiiit saluti. O Manus meae, vobis memori mente adscribo, quòd delicias et Tactu jucunda potuerim aspernari: vestra mihi ad hoc profuit continentia. O mi olfactus: et tuis beneficijs respondeo, tuae fuit virtutis et odores gratos spernere, et ingratos perferre, Dei caussâ. multum me juvit tua patiens industria. Et ô mi Gustus, tibi quoque me gratum praebeo: tibi acceptas 5 refero victorias plurimas. pars salutis meae maxima in te stetit. potuisti et dapibus carere, et inter dapes esurire. abstinendo et sustinendo promovimus. Igitur ô meum corpus, sine me brevi temporis spacio à te abesse, jungemur iterum, et una fruemur proemio inexplicabili: felicitate non finiendo; Uraniae Victrici debita. F 44:30 Contendimi... nescio] a Lib. Conf. 10. cap. 28. 32 Delectatio... severitate] b Cap 33. 46:7 Ipsa ... interrumpuntur] a Eod. lib. cap. 34. 25 Quoties ... advertimus] a Cap. eodem. 28 Cùm ... assurgati b Cap. 33. 48:27 Remnairat ...finiendo] aNicet. lib. 2. cap. 9. §.5.
51 schädliche Rede. Diese Taubheit war sehr oft mein Heil. O meine Hände, euch schreibe ich es mit dankbarem Sinn zu, daß ich es fertig brachte, Vergnügungen, die im Reiz der Berührung bestehen, zu verschmähen. Eure Selbstbeherrschung war mir dazu nützlich. O mein Geruchssinn, auch auf deine Wohltaten antworte ich. Dein Verdienst war es, angenehme Gerüche zu mißachten und unangenehme zu ertragen um Gottes willen. Viel hat mir deine beharrliche Geduld geholfen. Und o mein Geschmackssinn, auch dir bin ich dankbar, dir verdanke ich sehr viele der Siege, die ich errang; ein sehr großer Anteil meines Heils beruhte auf dir. Du vermochtest es, Speisen zu entbehren und bei den Speisen hungrig zu bleiben. Durch Enthaltung und Standhalten sind wir vorangekommen. Laß mich dir also, o mein Körper, einen kurzen Zeitraum fernbleiben. Wir werden wieder vereint werden und gemeinsam den unerklärbaren Lohn genießen, die Glückseligkeit, die nicht enden soll, die der siegreichen Urania gebührt.
52 Textkritisches 2:1IACOBI BALDE ... URANIA VICTRIX] A; URANIA VICTRIX, / SIVE / ANIMAE CHRISTIANAE / CERTAMINA / ADVERSUS / ILLECEBRAS ET INSULTOS QUIN- / QUE SENSUUM MINI- / STRORUM/ CORPORIS SUI ELEGAICO (sic!) / CARMINE DESCRIPTA. Β 14 Pontifici Maximo] A; DEDICATO). ... Pontifici nostro. Β 15 suo,] A; suo Β 26 lenones;] A; lenones. Β 31 famulatus], A; famulatos. Β 32 confusa] A; confusa Β 4:3 quadrigarum;] A; quadrigarum, Β formidabiles.] A; formidabiles: Β 5 agantur;] A; agantur? Β 6 incursant,] A; incursant. Β 7 pariter] A; pariter. Β Sensus,] A; Sensus Β 18 Victoria] A; victoria Β 20 persistât,] A; persistât; Β 21 Vraniam, hac prima parte,] A; Uraniam hisce Elegis Β 25 suis,] A; suis. Β 26 Terris] A; terris Β 31 vicisse,] A; vicisse; Β 6:1 solenni] A; solenni: Β adscripsisti.] Β; adscripsisti? A 2 Praesules.] A; Praesules, Β 6 Pietati] A; pietati Β Charitati] A; charitati Β 11 conciliât;] A; conciliât, Β 17 sensi... humanissimum] nur in A 22 habear: Certè] A; habear; certè Β 25 successisse] A; successisse: Β 33 Societ.] A; Soc. Β Vor der Widmung ist in A das päpstliche Wappen (Fabio Chigis, d. h. Papst Alexanders VII.) abgebildet. Dem Text der Widmung folgt in A auf den Seiten [7b]—[8a] die Facultas R. P. Visitatoris et Vice-Provincialis Societatis Jesu per Superiorem Germaniam; am 16. Januar 1663 von Christopherus Schoner in München unterzeichnet. 8:1 VRANIA ... 10:16 spe-/ctacula] Nur in A Mit der Isagoge beginnt in A die von 1 bis 329 durchlaufende Paginierung. 10:19 NO-/ ticiam hujus Scripti] Α; ΝΟΤΓΠΑΜ. DE CAUSA, MATERIA, ET MO-/ DO SCRIBENDI. Β 28 Venusinis] A; venusinis Β 12:9 sepulcra] B; Sepulcra A 31 superesse] A; superesse, Β 35 Fabfula] 3] A; Fab[ula] 7 Β 14:6 Primus,] A; Primus Β alter,] Β alter A tertius,] A; tertius Β 7 ultimus,] A ultimas Β 8 i n k ] unio, A,Β 14 eâdem] Β; eadem A 15 Jovis B] Iovis A 16 Juvenes] Β ; luvenes A 21 Jacoponus] B; lacoponus A Voluntas]A; voluntas Β 22Auditus,] B; AuditusA 23 Gustus] B; Gustatus, A 26 nostri,] A; nostri. Β 21 fragmentis] B;fractis A 28 pupis] A; puppis Β 34 professus.] A; professus? Β 16:11 Argumentum scriptionis.] A; argumentum scriptionis, Β quam ... Pars I] A; quae Β 12 epístolas praesentes] A; Epístolas Β 14 spiritus] Β; Spiritus A haec] A; Haec Β 15 Pars Π. ... 17 consumitur] nur in A 16:20 Titel: Nomine] B; nomine A 21 Pictores:] A; Pictores, Β 28 Nos,] A; Nos Β 29 Animam] A; animam B Animum B 18:1 coelesti] A; caelesti B 3 Spiraculum] A; spiraculum B des Abschnitts >De nomine Uraniae< in B
32Animam]A; 6 Uranie.] Ende
Die Abschnitte De Dignitate Animae Humanae, De Dignitate Animae Humanae ut Christiana est, De Dignitate Animae Humanae ut Sponsa Christi est, DE QUINQUE SENSIBUS CORPORIS HUMANIMINISTRIS VRANIAE Sive Animae Christianae, De Dominato Animae in suos Quinqué Sensus 18-26 nur in A. 24:14 sensus] sensu A 26:37 Non regnet] A; non regnet B 38 isto sonitu] A; iste sonitu B 28:9 minui,] minni, d A; monui, b B In B die Buchstabenverweise a Quantum, c concupiscentiam, b non im Text, aber die Anmerkungen fehlen. 28:9 d Plus] Plus A,B Die Abschnitte Ex S. Bernardo (aus De pugna Animae rixantis cum Sensibus suis), De gloria Animae Victricis sub nomine Uraniae domantis Quinqué Sensus suos, De Miseriâ Animae Huma-
53 nae à Quinqué Sensibus suis victae et sub jugum missae 28-34 nur in A; ein Teil von Cur ad Apologum B[eati] Iacoponi exprimendum Epistolae assumptae 34-38 ist unter dem Titel De stylo Epistolari in Β übernommen. 32:19 ierit. Proinde clamai: b] ierit. b Pronide clamai: A
34:4 ignominiâ.] ignominiâ, A
36:19 Anima] Hier setzt der Text von Β unter der Überschrift >De stylo Epistolari/ Quinqué Sensuum Animam ad procli-/ via solicitantium.< wieder ein. 21 quae audîsti... 34 intervertunt] Nur in A 40 Anima, Mens] A; Anima mens B 38:2 illecebrae] A; Illecebrae B 11 student,] A; student. B 15 chirographum] A; Chirographum B 17 decepere] A; decipere B 18 quòd] B; quod A 20 Conscientiae] A; conscientiae B Die Abschnitte Elenchus Epistolarum, Quomodo Vrania sive Anima Christiana Sensibus consensum eblandiri cupientibus respondeat, Cur Victrix Vrania producitur 38-44 der Isagoge sind in Β gestrichen; dort schließt an den Abschnitt De Stylo Epistolari unmittelbar die Einführung in den Liber primus an. 46:5 Quod] Quòd A
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SENS U S
I.
V I S U S .
Epistolarum LIBER PRIMVS.
TOtum hujus Sensûs officium, munus, obsequium; sed et periculosam familiaritatem, immò et perniciosam libertatem optimè descripsit; et Oculum sub oculos posuit oculatissimus Doctor S[anctus] Augustinus Lib[ro] Confess[ionum] 10. c[apitulo] 35. Hue accedit alia forma tentationis, multipliciùs periculosa. praeter eam enim concupiscentiam carrtis, quae inest in delectatione omnium Sensuum, et voluptatum, cui servientes depereunt: inest Animae, per eosdem Sensus, experiendi per carnem vana et curiosa cupiditas. Oculi sunt ad cognoscendum in Sensibus principes. Concupiscentia oculorum eloquio divino appellata est. Ad Oculos enim propriè videre pertinet. Vtimur autem hoc verbo etiam in caeteris Sensibus, cum eos ad cognoscendum intendimus. Neque enim dieimus, audi, quàm rutilet: aut olfac, quàm niteat: aut gusta, quàm splendeat: autpalpa, quàmfulgeat. Videri autem dicuntur haec o-[42]mnia. Dieimus enim non solum, vide, quid luceat; quod soli Oculi sentire possunt: sed vide etiam, quid sonet: vide, quid oleat: vide, quàm sapiat: vide, quàm durum sit. ideoque generalis experientia Sensuum, concupiscentia Oculorum vocatur: quia videndi officium, in quo primatum Oculi tenent, etiam caeteri Sensus, sibi de similitudine usurpant; cum aliquid cognitionis explorant. Ex hoc autem evidentiùs discernitur; quid voluptatis, quid curiositatis agatur per Sensus: qudd voluptas, pulcra, canora, suavia, sapida, lenia sectatur. Hactenus Africanum Oraculum. Sit ergo ratum. quanto Visus caeteris Sensibus praestantior atque utilior est, si munus suum rectè obeat: tantò nocentiorem experietur Anima; nisi probe coërcitus, Dominae suae non lenocinari, sed tantummodò famulari assuescat. Nullum certè in homine membrum esse, quod ita Cordi satisfaciat atque conspiret, dicere solebat S[ancta] Catharina Senensis, divinitus edocta. Dialogorfum] c[apitulo] 89. Hujus itaque Sensûs blandimenta tentantis Animam, et, si annueret, ad absurda ducturi, sicut et caeterorum Sensuum insidias, in mollia Epistolarum vincula conjecimus. familiaris enim scribendi modus, refert quendam procorum in agendo loquendoque modum: suavi sed tecta atque viscosa facilitate sollicitantium praedam capiendam. Sic Auceps capit Aves, procus puellas, Daemon per Sensus Animas.
5 et] A; fehlt in Β 6 immò et] A; imo Β 8 praeter] A; Praeter Β 14 rutilet:] rutilet A; rutilet, Β 18 quàm sapiat] Β; quod sapiant A ideoque] A; Ideoque Β 23 ratum.] A; ratum, Β 25 Anima;] A; Anima: Β 26 assuescat.] assuescat, A,Β 27 edocta.] A; edocta Β 30 familiaris] A; Familiaris Β 31 suavi] A; suavi, Β 32 Auceps capit Aves] A; auceps capit aves Β
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Der erste Sinn Der Gesichtssinn Das 1. Buch der Briefe Die ganze Tätigkeit, Dienstleistung und gehorsame Unterordnung dieses Sinnes, aber auch seine gefährliche Vertraulichkeit, ja, seine verderbliche Zügellosigkeit hat der heilige Kirchenlehrer Augustin im 10. Buch der Bekenntnisse im 35. Kapitel ausgezeichnet beschrieben und hat als umsichtiger Augenzeuge das Auge vor Augen gestellt: Noch eine andere Art Versuchung, weit gefährlicher als diese, gibt es. Denn neben jener Fleischeslust, die sich im gierigen Genüsse aller Sinne regt und jeden zugrunde richtet, wohnt in der Seele eine andere Gier, zu erspähen, was zur Befriedigung eitlen Vorwitzes dient. Unter allen Sinnen, die der Wahrnehmung dienen, sind die Augen die vornehmsten. Gottes Wort nennt sie >Augen der LustLeibgewand< rühmst, darauf sollst du dir nicht allzuviel einbilden. [50] Wegen dieser >Leibgewänder
Traube< deiner Pupille: Fließt daraus etwa nicht todbringend der Herbst? Als Judith sich zur Schau stellte, lag in ihren Augen eine berauschende Schönheit, die freilich Unglück brachte. Wie von Schwindel trunken war der Fürst von diesem Rauschmittel: trunken war der Sinn des aufgewühlten Holofernes. [60] Von ihrem Gesicht sog er soviel darüber gegossene Schönheit, daß er schwankte, stürzte und seine Seele ausspie. Daß ich in dunkle Worte verschlungene Rätsel rede, das tue ich aus Liebe zu dir, wenn du mir glaubst. Um zu dir nicht zu streng zu sein, halte ich, soweit zulässig, meine Vorwürfe im Verborgenen zurück und verkleinere das Übel, das gang und gäbe ist. Gleichwohl weißt du, daß ich die Wahrheit sage, und daß du es weißt, gibst du zu. Allgemein Bekanntes läßt sich auf keine Weise abstreiten. Auch tadle ich nicht das Naß, das dir eigen ist; ich beklage aber, daß eben dieses oft zum Schiffbruch Grund gegeben hat. [70] Das kristallklare Naß des Auges hat mehr Menschen untergehen lassen als das Meer und der Südwind, wenn dieser in westlichen Gewässern tobte. 7. Aber wie es deinem betrügerischen Wesen entspricht und deiner unbesonnenen Frechheit: du schreibst, am bloßen Blick gehe kein Mädchen zugrunde. Dina jedoch ging zugrunde und ihr wehrloser Liebhaber Sichern, dieser als Opfer seiner Augen und jene als das der ihren. Der Blick einer Dirne brachte Samson um seinen klaren Blick; der Anblick Delilas raubte ihm sein Haar, das solches nicht verdiente. Zugleich verlor der ungemein starke Held auch seine Körperkraft, als er mit der ruchlosen Schere der Buhle, seiner Herrin, geschoren wurde. [80] So, wie ein schlichtes und heiligmäßig keusches Auge ein Gut darstellt, so ist ein mutwilliges und liederlich lüsternes ein Übel. Ein solches Auge durchbohrte auch die Brust des Jessiden mit seinem Geschoß und enthauptete den Führer der Assyrer mit dem Schwert. Es war kein Blinder, der seiner Heimatstadt argivische Feuersbrunst brachte, oder vielmehr: er war gewiß allein von Liebe blind. Doch auch die Buhlerin, die der Priamide raubte und mit nach Pergamon nahm, soll nicht kurzsichtig gewesen sein. »Wie schaute ich, wie war es um mich geschehen!«, klagt der bejammernswerte Verbannte, als man ihm befiehlt, sich zum Gestade des Schwarzen Meeres zu begeben. [90] Auch Narcissus mußte es mit dem Leben büßen, daß er sich an der Quelle betrachtete; so großen Schaden bringt es, auch nur in vorgespiegelte Augen zu schauen. Mit Geschick muß man ein Pferd
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Arte regendus equus: sed non minùs arte regendus Visus; ab indomito nil alienus equo. Palpebra pro freno datur, ut moderamine certo Clausa modò astringat; laxet aperta modò. Hoc uti quoniam neglexit Alipius olim: Fertur in Ausonio penè perisse foro. Cùm furerent saevi, Circensia publica, Ludi: Prodigerètque suas Roma cruenta neces: Sedit, spectavit: mox et clamavit et arsit: Bellua cum visis factus et ipse feris. 8. Si tibi thesaurus lacrymarum est creditus uni: Fortè unus caussas, cur lacrymeris, habes. Ex oculis caedes, incendia, bella, rapinae, Monstraque luxuriae sanguinolenta fluunt. Tarn notum est: animas oculi praedantur amantes; Quàm notum est: oculi sunt in amore ducesì Sint utinam et vitae, qui mortis saepe fuerunt. Unde haustum est virus, profluat inde salus. Noscitur ex vultu plerumque domesticus hospes: Noscitur ex stellis vultus et ipse suis. Ah, niveae quoties inter duo sidera frontis, Stella nocens Veneris currere visa fuit! Ergo per faciem rivi ducantur aquarum. Túrbida laxato flumina fonte ruant. Ite, quis arcebit? quot stant in vertice crines: In pectus scatebris tot fluat unda novis. Idalias alijs flammas restinguite thermis, Quàm quas Baiano littore fundit humus. Salsa placet Superis placandis victima. Salsae, Dulcía quae purgent furta, petantur aquae. Pupillae quoties philtrum fatale biberunt! Egerat hic medicus blanda venena liquor. Quid tarnen egereret? nihil est fallacius imbre, Qui fluit ex oculis: aridiusque nihil. Nam quis iam lacrymae fidat? Simulare docetur: Quodque est deterius; jam simulare docet. niâ nil citiùs medijs arescit in undis. Tantalus has aequè non bene prendat aquas. Conjugis effertur funus, comitante marito; Here putes: ficto risus in ore salit. Luditur alternis vicibus Comoedia fallax. Déplorât fùnctum Fulvia moesta virum. Scissa genas, adaperta sinum, percussa lacertos. Tota madet facies: luctus in ore gemit.
119 thermis,] A; thermis. Β
124 medicus] A; Medicus Β
128 detenus;] A; deterius: Β
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71 lenken, doch nicht weniger muß der Blick mit Geschick gelenkt werden - einem ungezähmten Pferd durchaus nicht unähnlich. Das Lid ist ihm als Zügel gegeben, damit es durch sichere Führung bald sich schließe und ihn hemme, bald sich auftue und ihn freigebe. Weil Alypius es einst versäumte, hiervon Gebrauch zu machen, soll er auf einem ausonischen Markt fast sein Verderben gefunden haben: Als die wilden Vergnügungen, die öffentlichen Zirkusspiele, tobten und das bluttriefende Rom seine Mordorgien feierte, [100] saß er und schaute zu, bald auch schrie er Beifall und begeisterte sich: ein Ungeheuer war er, zusammen mit den wilden Tieren, denen er zuschaute, auch selber geworden. 8. Wenn dir allein der Schatz der Tränen anvertraut ist, so bietest vielleicht du allein Anlaß, beweint zu werden. Von den Augen gehen Mord, Brandschatzung, Krieg, Raub, kurz die bluttriefenden Ungeheuerlichkeiten der Ausschweifung aus. Bekannt ist der Spruch: »Augen erbeuten Seelen, die lieben«; ebenso bekannt ist: »Die Augen sind in der Liebe die Führer. « O mögen sie dies auch zum Leben sein, wie sie es oft zum Tode gewesen sind. Woraus das Gift geschlürft wurde, daraus soll auch das Heil entspringen. [110] Am Gesicht erkennt man zumeist den alten Freund des Hauses, und es sind die Augensterne, an denen man das Gesicht selbst erkennt. Ach, wie oft sah man zwischen den beiden Augensternen an der hellen Stirn den verderblichen Stern Venus ziehen! Darum sollen auch mitten durch das Gesicht die Wasserbäche laufen. Aufgewühlte Ströme sollen aus geöffnetem Quell hervorstürzen. Auf nun, wer wird euch hindern? Wieviele Haare auf dem Kopf stehen, mit sovielen immer neuen Sprudeln soll euch die Tränenflut ins Herz strömen. Löscht die idalischen Flammen mit anderen warmen Quellen als mit denen, welche an der Küste von Baiae der Boden entspringen läßt. [120] Mit Salz bestreut gefällt das Opfer den Göttern, wenn sie besänftigt werden sollen. Nach salzigem Wasser soll man verlangen, um süße Heimlichkeiten abzuwaschen. Wie oft haben die Pupillen vom verderbenbringenden Kelch der Liebe getrunken! Also soll dieses Naß als Arzt das süße Gift austreiben! Dennoch: Was würde es schon austreiben? Nichts ist trügerischer als der Regen, der den Augen entströmt, nichts trocknet schneller. Denn wer könnte jetzt noch einer Träne trauen? Sie lernt zu täuschen, und was noch übler ist: Heute lehrt sie, wie man täuscht. Nichts trocknet schneller als sie, selbst mitten in den Wogen; Tantalos dürfte nach solchen Wassern gleichfalls glücklos haschen. [130] In Begleitung des Gatten wird der Leichnam einer Ehefrau hinausgetragen; man möchte glauben, er weint: übers verstellte Gesicht huscht ein Lächeln. Diese Komödie der Täuschung wird auch mit vertauschten Rollen gespielt: eine betrübte Fulvia beweint ihren dahingeschiedenen Mann, die Wangen zerkratzt, den Busen entblößt, die Arme zerschlagen ihr ganzes Antlitz rinnt vor Tränen, das Stöhnen der Klage erfüllt ihren Mund.
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Et tarnen (ô Manes.) horâ levis uxor eâdem, Qua plangit, dici jam nova nupta potest. Atra priùs, subito candet. nova flammea sumit. Gutta nec est fletûs lugubris ulla super. Qualis anas, stagnum longo tenus abdita collo Immergenda subit, perluiturque caput: Vix egressa vadis, jam toto corpore sicca est: Et laevis nullo penna liquore madet. Revit, et Hypsipylem flendo decepit Jason. In Lemno madidus, Phaside siccus erat. Trojus Oenonae quondam juravit amator Per Paridis lacrymas, per lacrymasque Parin. Idem deceptor ficti post oscula vultûs, Oenonen potuit deseruisse Paris. 9. Nec moveor tantis, quas dotibus ipse recenses: Quamvis his movear; nec tarnen ipsa nego. Multa quidem, parvoque capis spectacula nervo. Sed fugiunt Sensum plura videnda tuum. Tu pecudum ritu tantummodò corpora cernís. Altius Ô quanto M E N S mea lumen habet! Subtilis, velox ego sum: leve simplicis aurae Fulgur: et aeterni próxima imago Dei: Non potes obductum nebulis transcendere Coelum: Fulget ubi FACIES invidiosa nimis. Non potes Aligeras acies, sine labe vagantes, Obtutu GENIOS interiore sequi. Divinas penetrare nequit tua pupula fibras: Intendat sese quamlibet omne jubar. Cogitur, ut nolit, contentus quisque manere Materiâ sphaerae conveniente suae. Sors tua terrestris; nec plenè excedit opacum. Rustica concreto pulvere gemma nites. Sors tua mortalis. quid eris tellure sepultus? Nempe lacertarum denique pastus eris. 10. Ast ego nec Fatis, nec debita tristibus umbris, Post mortem primùm luce micabo mea. Exspectata simul me transformaverit in se GLORIA: quod tempus non procùl esse reor. Aspiciam Numen Summum sine fine Beata: Quale suo Immensum de Mare fonte fluit.
137 tamen] B; tamen. A eâdem] (?) A; eadem Β 147 amator] A; amator. Β 151 tantis,] Β tantis A 153 nervo.] A; nervo Β 156 quanto MENS] A; quanta Mens Β 160 FACIES] A Facies Β 162 GENIOS] A; Genios Β 169 mortalis.] Β; mortalis A 174 GLORIA:] A Gloria Β
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73 Und doch - o ihr Totengeister! Zur selben Stunde, da sie ihn beweint, kann die leichtfertige Gattin bereits wieder als junge Braut bezeichnet werden. Eben noch in Trauergewändern, erscheint sie plötzlich in Weiß und greift zu einem neuen Brautschleier, und es ist kein einziger Tropfen ihrer Tränen für den Toten übrig. [140] Wie die Ente in den Teich taucht, wobei ihr langer Hals verschwindet und ihr Kopf vom Wasser umspült wird, kaum aber aus dem Wasser heraus, schon am ganzen Körper trocken ist, so daß ihre glatte Feder nirgends von einem Tropfen befeuchtet ist - so weinte Jason und täuschte mit seinem Weinen Hypsipyle. In Lemnos noch tränenfeucht, war er in Phasis schon wieder getrocknet. Der troische Liebhaber schwor einst Oinone bei seinen - des Paris - Tränen, und bei den Tränen versprach er sich - Paris - ihr. Derselbe Paris brachte es nach seinen mit verstelltem Antlitz gegebenen Küssen fertig, Oinone zu verlassen, der Betrüger! [150] 9. Im übrigen lasse ich mich von so großen Gaben, wie du selbst sie aufzählst, nicht rühren, wenngleich ich von ihnen doch berührt bin: dies freilich kann ich selbst nicht leugnen. Viel von dem Treiben der Welt allerdings erfaßt du, und zwar mit deinem kleinen Nerv, aber noch viel mehr sehenswerte Dinge entgehen deinem Sinn. Du nimmst nach Art von Tieren bloß Körper wahr. Ach, um wieviel höher steht das Augenlicht, über das mein G E I S T verfugt! Ich bin fein und flüchtig, der jähe Blitz eines reinen Hauches und ganz nahes Ebenbild des ewigen Gottes. Du kannst den von Wolken verhangenen Himmel nicht übersteigen nach dort, wo das über alles ersehnte A N T L I T Z (Gottes) erglänzt. [160] Du kannst nicht den geflügelten Heerscharen, den makellos umherschweifenden G E I S T E R N mit dem inneren Blick folgen. Deine Pupille kann nicht ins Innere Gottes vordringen, mag sich auch all ihre Strahlkraft noch so sehr anstrengen. Jeder ist, auch wenn er nicht will, gezwungen, sich mit dem Gegenstand, der seiner Sphäre zukommt, zufrieden zu geben. Dein Los ist irdisch; es verläßt nie ganz das Dunkel. Du leuchtest als Perle eines Bauern, die aus Staub zusammengebacken ist. Dein Los ist sterblich. Was wirst du sein, wenn du in der Erde bestattet liegst? Zum Schluß wirst du ja doch den Eidechsen zum Fraß. [170] 10. Ich hingegen bin weder dem Verhängnis noch den traurigen Schatten verfallen: nach dem Tode werde ich erstmals in meinem Licht erstrahlen. Sobald die ersehnte G L O R I E Gottes mich in sich umgewandelt hat - und dieser Zeitpunkt ist, glaube ich, nicht ferne - , werde ich selig ohne Ende die höchste Gottheit schauen, wie das unermeßliche Meer sich aus seinem eigenen Ursprung speist. Dann werde
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Tunc veré meritura decus nomenque Videntis URANIE liquidae Filia lucis ero. 11. Ergo cave aequalem Dominae deposcere sortem. Finio, responsi summa sit ista mei. Quos habeo fámulos, dedignor habere mantos. Impar conjugium non bene firmat Hymen. Me penes est Sensus sceptri dominatus in omnes. Haud patiar, servos scribere jura tori. Si tamen admittis leges mentemque Clientis: Non ocultis tantùm; noster OCELLUS eris. Sin aliter sentis; pergisque rebellis, et acer, Et vagus, erronum more, nocere mihi. LUCIA fortis ero; frontemque haustura profundé, Effodiam rapidâ lumina bina manu.
178 URANIE] A; Uranie Β 180 Finio.] A; Finio Β mei.] A; mei Β 186 OCELLUS] A; Ocellus Β 189 LUCIA] A; Lucia Β
184 patiar,] A; patiar. Β
75 ich wahrhaftig den ehrenden Namen einer >Sehenden< verdienen, werde U R A N I A sein, die Tochter des fließenden Lichts. 11. Hüte dich also, eine deiner Herrin gleichwertige Stellung zu fordern; damit schließe ich: dies sei die Quintessenz meiner Antwort. [180] Die ich zu Dienern habe, will ich nicht als Gatten haben. Einer ungleichen Verbindung verleiht Hymen keinen Beistand. Bei mir liegt die rechtmäßige Herrschaft über alle Sinne. Ich werde nicht zulassen, daß Diener Gattenrechte beanspruchen. Wenn du jedoch die Gesetze und Gesinnung eines Schutzbefohlenen für dich gelten läßt, wirst du nicht nur mein Auge, sondern mein A U G A P F E L sein. Wenn du dich allerdings anders entscheidest und weiterhin rebellisch und hitzig und ziellos nach Art von Vagabunden mir lästig fällst, dann werde ich eine tapfere L U C I A sein und tief in meine Stirn greifend mit rascher Hand mir beide Augen ausreißen. [190]
76 S YMPHORIANVS CINNA PICTOR URANIAE. Argumentum EPISTOLAE TERTIAE. POst Visum ab Urania despectum, explosumque procedit eius juratus Minister, Cinna Pictor, in medium, imaginum curiosus artifex; et insatiabilium Oculorum bellus nutritor. Hic enimverò artis suae conscius, Uraniam audacter in Sponsam petit, per Epistolam hanc, potiùs Pictam, quam scriptam. Synopsis. 1. Cinnae Pictoris benevola insinuatici. 2. Artis pingendi inventio digna: Dignitas, antiqua: antiquitas veneranda. [56] 3. Ipsam Naturam pictricem esse. 4. Pictorum Ars liberalis. Academiae celeberrimae. 5. Pictores Itali. 6. Alberti Dureri, Germani, Norimbergensis LVCRETIA, Monachij, Metropoli Bojorum, inter caetera visenda. 7. Christopherus Schvvarzius, Pictor Germanus, Monacensis Bojus. 8. Penicillo quoque triumphante gloriari posse et feminas. 9. Pictorum decora et divitiae. 10. Petri Pauli Rubenij, Belgae laudes, et opes. 11. Pictorum beneficio, mortuos quoque etiamnum vivere. 12. Victuram et Vranien, si infoedus consentiat. S YMPHORI ANUS CINNA PICTOR URANIAE.
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1. C u j u s verba legis tereti signata papyro, A veten clarum ducit Apelle genus. Non sum tam vilem Fato damnatus ad artem, Fortunam ut cogar dissimulare meam. Effigiem Pictoris habes. ne plura requiras; Tantùm non loquitur, nostraque verba facit.
V. 125-168, 185-204 bei A. Thill A 4 Pictam] A; pictam Β
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77 Der Maler Symphorianus Cinna an Urania Inhalt des dritten Briefes Nach dem Gesichtssinn, dem Urania ihr Mißfallen und ihren Widerwillen bekundet hat, tritt dessen vereidigter Bevollmächtigter auf den Plan, der Maler Cinna, ein kundiger Vertreter der Malkunst und gefälliger Lieferant für unersättliche Augen. Dieser freit nun also im Bewußtsein seiner Kunstfertigkeit keck um Urania mit dem folgenden Brief, der mehr gemalt als geschrieben ist. Übersicht 1. Vorteilhafte Selbstvorstellung des Malers Cinna. 2. Die Erfindung der Malkunst war würdig; ihre Würde ist alt, ihr Alter verehrungswürdig. 3. Die Natur selbst sei Malerin. 4. Die Malerei ist eine freie Kunst; ihre Akademien sind weltberühmt. 5. Italienische Maler. 6. Die LUCRETIA des Deutschen Albrecht Dürer aus Nürnberg, eine der Sehenswürdigkeiten der bayerischen Hauptstadt München. 7. Christoph Schwarz, ein deutscher Maler, Bayer aus München. 8. Auch Frauen könnten sich ihrer ebenfalls erfolgreichen Malerei rühmen. 9. Auszeichnungen und Wohlstand von Malern. 10. Ruhm und Reichtum des Flamen Peter Paul Rubens. 11. Dank den Malern lebten auch Tote bis auf den heutigen Tag weiter. 12. So werde auch Urania fortleben, falls sie in eine Verbindung einwillige. Der Maler Symphorianus Cinna an Urania 1. Der, dessen Worte du auf feinem Papier aufgezeichnet liest, leitet seine ruhmvolle Herkunft vom altehrwürdigen Apelles her. Das Schicksal hat mich nicht zu einer so niedrigen Kunst verurteilt, daß ich mich gezwungen sähe, meine Stellung zu verleugnen. Hier hast du das Porträt des Malers vor dir. Verlange nicht mehr. Es fehlt nur noch, daß es spricht und unsere Worte äußert. Wir leben, URANIE, und
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Vivimus, URANIE. potes hac vel in icone vitam, Flabraque pulmonis pené notare mei. Pinximus ad speculum. Quid agat, si quaeris, Imago, Aut desiderium quod patiatur? amat. Dum ne displiceam, quòd nostrani invenerit artem, Pastor, uti perhibent Lydius inter oves. Quippe pedo signans projectam, reddidit umbram Lanigerae pecudis: justaque forma fuit. Non est dedecori mihi pastoralis origo: Nec lucem ex umbris elicuisse pudet. Pastor erat Moses Soceri Raguelis in agro: Quem similem mentis; quem dabis ore virum! Pastor et Obedides: is, qui juvenilibus annis, Prostravit fundâ te, Goliathe, suâ. Pastor et ille fuit; dubiam tres cujus in Ida Iudicio formam supposuere Deae. Aspice roriferis suspensum nubibus Arcum: Occidui pictum nobile Solis opus. Quid sunt graminei, nisi pietà tapetia, campi? Istorum Zephyrus floridus auctor erat. Non ego, ut artifices alij, sum portio vulgi: Nec mea communi digero fata tribu. Respuimus nomen vilis triviale Magistri. Principis hic titulum, qui bene pingit, habet. Discimus exemplo veterum rituque Sophorum. Multaque in hunc finem clara Lycea patent. Floret apud celebres non una Academia Belgas: Floret in Italia, totaque Roma fovet. Conveniunt Itali, statuuntque ante ora Senatum. Gallus, Iber, Scotus, Teuto, Britannus adest. Hîc et Parrhasij rénovant fallacia vela, Pietà tumet botris Ζeuxidis uva novis. Hîc se Nicomachus profert, aliusque Nealces: Et sonipes picto vivus adhinnit equo. Timanthis gladio fossus monstrabitur Aiax: Procumbet passis Iphigenia comis. Alterius genium ductusque examinat alter: Ipsaque censuram Linea Coa subit. Sic tandem excolitur, nomen qui grande mereri Gestit, et aeternum conciliare decus. Ut sileam priscos: nullum non protulit aevum Illustres aliquot conspicuosque viros.
7 URANIE] A; Uraniae Β vel] A; et Β vitam,] A; vitam. Β 9 Imago,] A; Imago. Β 19 Obedides:] A; obedides, Β 22 Iudicio] A; Judicio Β 24 Solis] A; solis Β 34 fovet.] A; fovet, Β 45 nomen] A; nomen, Β
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79 du kannst sogar auf dieser Darstellung Lebendigkeit und fast schon die Atembewegungen meiner Lunge ausmachen. Gemalt haben wir es vor dem Spiegel. Wenn du wissen willst, was das Bildnis tut oder wonach es sucht: es liebt. [10] 2. Wenn ich dir nur nicht mißfalle, weil, wie man erzählt, ein lydischer Hirte unsere Kunst erfunden hat, mitten unter seinen Schafen: Denn da er mit seinem Hirtenstab den Schatten, den ein wolletragendes Tier warf, nachzeichnete, hielt er ihn fest: und die Figur war genau. Diese Herkunft aus dem Hirtenmilieu bedeutet für mich keine Unehre und ich schäme mich auch nicht, Licht aus Schatten hervorzulocken. Hirte war ja Moses auf dem Feld seines Schwiegervaters Reguel. Welchen Mann wirst du mir nennen, der ihm an Verdiensten und an Macht der Rede gleichkommt? Hirte war auch David, der Enkel des Obed, der noch jung an Jahren mit seiner Schleuder dich, Goliath, zur Erde streckte. [20] Hirte war auch der, dem die drei Göttinnen auf dem Ida ihre strittige Schönheit zur Beurteilung darboten. 3. Sieh hin nach dem Bogen, der an regenträchtigen Wolken hängt: ein erhabenes Bildwerk, von der untergehenden Sonne gemalt. Was sind Wiesen anderes als gewirkte Matten? Ihr Schöpfer war der blumenreiche Zephyrus. 4. Ich bin nicht, wie andere Handwerker, Teil der Masse noch teile ich mein Schicksal mit dem gewöhnlichen Volk. Wir weisen den banalen Namen eines einfachen Meisters zurück; den Fürstentitel trägt der, der vorzüglich malt. [30] Wir lernen nach Beispiel und Brauch der alten Weisen, und zahlreiche berühmte Hohe Schulen haben zu diesem Zweck ihre Pforten geöffnet. Es blüht bei den Niederländern, wo alle Maler zusammenströmen, nicht nur eine Akademie; es blüht auch in Italien nicht nur eine einzige und ganz Rom ist der Kunst gewogen. Dort treffen sich die Italiener und bilden öffentlich ein erhabenes Gremium; auch der Franzose, Spanier, Schotte, Deutsche und Brite stellten sich ein. Hier arbeitet man wieder die täuschenden Segel des Parrhasios auf Leinwand nach, und unter neugemalten Trauben prangt des Zeuxis bunte Beere. Hier tritt Nikomachos hervor und ein zweiter Nealkes, und ein lebendiges Roß wiehert einem gemalten Pferd zu. [40] Es wird der vom Schwert durchbohrte Ajas des Timanthes zu sehen sein, und eine Iphigenie wird mit offenen Haaren niederknien. Jeder untersucht die besondere Art und Strichführung eines anderen, und selbst die koische Linie wird einer strengen Prüfung unterzogen. 5. So vollendet schließlich der seine Ausbildung, der sich einen ruhmvollen Namen zu verdienen und ewigen Ruhm zu erwerben wünscht. Um von den Alten ganz zu schweigen: Jedes Jahrhundert hat mehrere berühmte und herausragende Männer hervorgebracht. Deren Asche verehrt auch noch die späte Nachwelt und
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Quorum Posteritas ciñeres quoque sera veretur: Relliquiasque sacri muneris instar habet. Angele tune Michaël famose taceberis Urbi: Cùm perdet linguam Roma diserta suam. Tot poni Raphaël Vrbinas dignus in aris; Quot positas ejus nomine fama canit. Palma·, tuae semper Judittae palma virebit: Dum stabit Veneta Marcus in Urbe Leo. Sécula Bassano similem non multa tulerunt. Majorem, credo, Sécula nulla ferent. Functorum monumenta satis vel muta loquuntur; Quae monumenta tuae sint, Titiane, manûs. Quamvis Zuccatum subduxerit Atropos Orbi: Claras adhuc hominum viva per ora volat. Bellino debet Gonzagae Julia formam: Qua vultus Helenae vincere visa fuit. Quid Caligarettum Tindorettumque sagacem, Cumque Trevisano te, Mutiane loquar? 6. Aetas ALBERTUM DURERUM nulla silebit. Dum Mosa, dum Rhenus, Danubiusque fluent. Noricus hic omnes ilio discrimine vincit: Ars à Natura quo superata latet. Uxoremne tuam vis, Collatine, videre? Urbem, quam MONACHUS nomine monstrat, adi. Aut hodieque potest dici Lucretia viva: Aut tua, cùm nupsit, sic quoque pietà fuit. Ergo etiam pingi vivam potuisse, fatendum est; Sit licèt unius viva coloris ope. Vel certè falsum est, talem vixisse puellam, Libera quae moriens concidit ense suo. Haec si Tarquinio rursus spectanda daretur; Cogeret ad saevum rursus adulterium. Illa videretur mucrone resolvere pectus Velie; probrum castâ forti ter ulta manu. Concolor ex pietà posset Lucretia nasci, Esset Dureri si quis in orbe gener. A sonitu vocis vox ut geminata résultat; Effigiem parerei sic licèt umbra suam. 7. Tu quoque non minor es summis, gemmaque notandus Inter Boiugenas candidiore, NIGER. SCHWARZIUS in paucis felix, ubi Principis Aulae Moenia vicinis Isara plangit aquis.
60 Titiane,] A; Titiane Β 67 ALBERTUM DURERUM] A; Albertum Durerum Β 72 MONACHUS] A; Monachus Β 84 Dureri] B; Duieri A 88 NIGER] A; Niger Β 89 SCHWARZIUS] A; Schwarzius Β
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81 betrachtet ihr Erbe als heilige Verpflichtung. [50] Ruhmvoller Michelangelo, von dir wird Rom erst dann schweigen, wenn die redegewandte Stadt ihre Sprache verliert. Raffael aus Urbino verdient an so vielen Altären verehrt zu werden, wie solche unter seiner Leitung - sein Ruhm verkündet es - errichtet wurden. Palma: die Palme deiner Judith wird immer grünen, solange in Venedig der Markuslöwe steht. Nicht viele Jahrhunderte haben einen Bassano ebenbürtigen Maler hervorgebracht; einen größeren wird kein Jahrhundert hervorbringen, wie ich glaube. Die Denkmäler Verstorbener sprechen, obwohl stumm, genug, wenn sie von deiner Hand sind, Tizian. [60] Obgleich Atropos den Zuccate dieser Welt entzogen hat, lebt er doch als Berühmtheit in aller Munde. Dem Bellini verdankt die Julia des Gonzaga ihre Schönheit, mit der sie die Gesichtszüge der Helena zu übertreffen schien. Was soll ich dich nennen, Caliari, sowie den feinsinnigen Tintoretto, und zusammen mit Trevisani dich, Muzianol 6. Kein Jahrhundert wird von A L B R E C H T D Ü R E R schweigen, solange Maas, Rhein und Donau noch fließen. Dieser Mann aus Nürnberg überragt alle anderen in dem Punkt, daß seine Kunstfertigkeit von der Natürlichkeit seiner Darstellung noch übertroffen und gleichsam unsichtbar gemacht wird. [70] Möchtest du, Collatinus, deine Gattin sehen? Geh hin zu der Stadt, die den M Ö N C H im Namen führt. Entweder kann man Lukretia auch heute noch als lebendig bezeichnen, oder deine Frau gab auch damals, als sie sich dir vermählte, ein solches Bild ab. Es ist also zuzugeben, daß sie lebendig dargestellt werden konnte, mag sie auch allein kraft der Farbe lebendig sein. Es sei denn, es wäre gelogen, daß ein solches Mädchen gelebt hat, das sich mit dem Schwert in freier Entscheidung den Tod gab. Würde sie den Blicken des Tarquinius noch einmal dargeboten, so würde er sie noch einmal zu schändlichem Ehebruch zwingen, [80] und man sähe sie noch einmal, wie sie mit dem Dolch die Brust durchbohren will, tapfer mit züchtiger Hand die Schmach rächend. Aus der gemalten Lukretia könnte eine gleich lebendige hervorgehen, hätte Dürer irgendeinen Schwiegersohn auf der Welt. Wie vom Klang der Stimme das Echo widerhallt, so ist es möglich, daß der Schatten sein Urbild erzeugt. 7. Auch du bist nicht geringer als die größten und bist es wert, unter den Bayern mit einem hervorstrahlenden Edelstein ausgezeichnet zu werden, S C H W A R Z ; S C H W A R Z - erfolgreich wie nur wenige dort, wo die Isar nachbarlich die Mauern des Fürstenhofes mit ihren Wogen umrauscht. [90] Aus der ganzen Schar der
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Pictorum potuit, Nasarenae Virginis ora, Suaviùs ex omni ducere nemo choro. Tanquam si praesens coelo delapsa sereno, Ora propinâsset, sidereasque genas: Ac si sedisset. poirexissetque tabella, Et frontem, et Pueri basia vesca Dei. Omne tulit punctum N I G E R hic, dixêre periti. Inter censores, C A N D I D U S ipse fuit. Contulerant alios; non aequavere vel ipsi Qui superant alios! tarn lepor omnis inest. Aspice: sunt hujus veri, non hujus, ocelli! Haec facies viva est: ista cadaver olet. Cura dolorque procul. D I V I N U S P U S I O veré Ridet et halanti subsilit ore rosa. V I R G O , tamen Virgo est, et vultu M A T E R eodem. Ex ilio scires non sterilem esse Deum. Sed nil matris habet luctum redolentis, et Evam: Nec tamen et vacuum Virginis über habet. Miscet utrumque color, genitrix et virgo resultant. Haec peperit Numen: nescijt ista virum. 8. Janine vides, Artis quae sit praestantia nostrae. Nec decus artificis vilius esse scias. Quin et feminei fuerit non ultima sexûs Gloria: cui laudi pingere posse datur, Peniculo, vel acu: sicco madidoque colore. Inferior tamen est pensa trahentis honos. Marcia Varronis, Miconis Timareta, Cratonis Irene, títulos hinc habuêre suos. 9. Sed ñeque opes desunt: nec quae commixta colores Temperet, auriflui deficit unda Tagi. Unus saepe Puer pharetratus et aliger, aere Immenso stabit; Tyndareumue caput. Augetur pretium censendo: exaggerat Auctor, Laetior hac vita est! ditior esse potest! 10. Exemplum nostri sit Belga R U B E N I U S aevi, Ingenio felix, divitiisque potens. Antè suas Scaldis revocabit corniger undas In caput, et retro fluminis agmen aget: Quàm damnet tenebris, et adhuc memorabile nomen Rubigo tanti deleat ulla viri.
97 NIGER] A; Niger Β alios; Β
98 CANDIDUS] A; Candidus Β
103 DIVINUS PUSIO] A ; Divinus Pusio Β
99 alios;] Β; alios? A 104 rosa.] rosa Α , Β
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ι io
lis
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100alios!]A; 105 VIRGO] A;
Virgo Β MATER] A; Mater Β 106Deum]DenmB;DeamA 115 Peniculo] A; Penniculo Β 119 quae] A; quam Β (trotz Korrektur im Druckfehlerverzeichnis von A)
83 Maler verstand es keiner, das Antlitz der Jungfrau aus Nazareth lieblicher darzustellen; als wäre sie huldreich vom heiteren Himmel herabgestiegen und hätte ihr Antlitz und ihre himmlischen Wangen geneigt, hätte Platz genommen und Lippen und Stirn dargeboten und die zarten Küsse für ihren göttlichen Sohn. Dieser SCHWARZ hat das Entscheidende getroffen, sagten die Kenner. Unter diesen Kunstrichtern war sogar CANDID. Man hatte andere mit ihm verglichen; aber nicht einmal die, die andere Ubertrumpften, kamen ihm gleich, in solchem Maße verfügt er über jegliche Anmut. [100] Sieh: echt sind die Äuglein von dieser hier, nicht die von jener. Dieses Gesicht ist lebendig, jenes riecht nach Leichnam. Kummer und Schmerz sind fern. Das GÖTTLICHE K N Ä B L E I N lacht wahrhaftig und springt mit rosenduftendem Mund empor. Die J U N G F R A U ist M U T T E R und dennoch im selben Gesichtsausdruck Jungfrau; daraus kann man entnehmen, daß Gott nicht unfruchtbar ist. Doch hat sie nichts von einer Mutter, die den Schmerz der Eva erkennen läßt - und hat doch auch nicht die leere Brust einer Jungfrau. Die Farbe vereint beides, und darin werden Mutter und Jungfrau sichtbar: Diese hat Gott geboren, jene keinen Mann erkannt. [110] 8. Siehst du nunmehr, was der hohe Rang unserer Kunst ist? Du sollst aber wissen, daß auch das Ansehen des Künstlers nicht weniger wert ist. Ja, es ist keineswegs der geringste Ruhmestitel des weiblichen Geschlechts, daß es ihm hoch angerechnet wird, malen zu können mit dem Pinsel oder mit der Nadel - mit trockener wie mit feuchter Farbe; allerdings wird der Frau, die mit Wolle arbeitet, weniger Ehre zuteil. Die Marcia des Varrò, Mikons Timareta und Kratons Irene hatten daher ihren Ruhm. 9. Auch fehlt es den Malern weder an Vermögen noch versiegt das Wasser des goldführenden Tajo, das, den Farben beigemischt, ihnen Glanz verleiht. [120] Oft wird ein einziger köchertragender und geflügelter Knabe oder ein Bild der Helena unendlich viel Geld kosten. Der Preis steigt beim Bieten, der Künstler übertreibt. Bei diesem Leben hebt sich seine Stimmung: Er kann reicher werden. 10. Ein Beispiel aus unserer Zeit sei der Flame RUBENS, reich an Begabung und gewaltig an Vermögen. Eher wird der gehörnte Scheidestrom seine Wogen zur Quelle zurückrufen und die Strömung rückwärts lenken, als daß der Rost der Zeit ihn zum Dunkel verdammt und den noch immer denkwürdigen Ruhm eines so bedeutenden Mannes tilgt. [130] Wie aus Jupiters fruchtbarem Haupt Pallas Tri-
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Ut Jovis ex almo Cerebro Tritonia Pallas Prosilijt, solo Filia nata Patre: Sic varias proprio formas è vertice fudit, Et quasi progenuit corpora Mente sua. Eminet ex tabulis, et anhelat truncus, et Icon Clamat, se natam Deucalione novo. Scilicet hic lapides projecit, et iste colores: Refert in jactu, ponè vel antè, nihil. Consurgunt utrinque homines, animan tur, et extant. Membra lacertosos posse movere pûtes. Atque hic est Pictor, qui testamenta reliquit Regia: cui census Persica gaza fuit. Pransus in argento, laticem sumebat in auro, Sed de communi non erat ille latex. Massicus influxit, seu pressus vite Falerna: Vel minimùm praelis, Rhene jocose, tuis. Ecce: vehebatur latè per compita curra: Si non Hesperij terga premebat equi. Finge novem Musis operatum: finge secutum Nomen, et armati castra fuisse Ducis: Transque peregrinos tractus sulcâsse carinis Aequora: non tantas accumulâsset opes. 11. Si ritè expendas; (Manes et fuñera testor, Et Dea, cum Parcis te, Libitina, tribus:) Terrigenûm debent nobis tot millia lucem, Quae jam perpetuâ nocte sepulta forent. Saepe patrem gnatus nunquam vidisset ademptum Posthumus; aut matrem filia rapta suam. Pictor adest: quaque arte valet, succurrere gaudens Naufraga Lethaeis eripit ora vadis. Per nos Heroum spirat sub cespite virtus: Sparsa licèt multo sanguine terra premat. Tillius occubuit: sed enim post nobile vulnus Vivit in effigie non minùs ille sua. Gustavum positâ Suecum Mors abstulit hasta: Pugnantem gladio pietà tabella refert. Sic tenuit ferrum: Sic arma ferebat Adolphus. Nimirum nostra sic tulit arma manu. Quae Lycius rapuit campus, nos reddimus illi. Arduus in nostro Fata triumphat equo. Mulceat in primis teñeras pictura puellas: Nam formae fragili subvenit ilia bono. Destruit hanc penitùs Lachesis, vel deterit aetas. Nostra resistendo frangit utramque manus.
139 homines,] Β; homines A
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85 tonia hervorsprang, die Tochter, die bloß eines Vaters Kind ist, so brachte Rubens unterschiedliche Gestalten aus seinem eigenen Kopf hervor und zeugte gleichsam kraft seines Verstandes pralle Körper. Eine Figur tritt aus dem Gemälde hervor und keucht, noch nicht vollständig ausgebildet, und ruft, sie sei das Kind eines neuen Deukalion. Dieser hatte nämlich Steine geworfen und jener Farben, und des macht keinen Unterschied beim Wurf, ob hinter sich oder vor sich hin. In beiden Fällen erheben sich Menschen, sie werden belebt und existieren; man möchte meinen, kraftvoll könnten sie ihre Glieder regen. [140] Und wirklich: dies ist ein Maler, der ein Testament wie ein König hinterließ; sein Vermögen war ein orientalischer Märchenschatz. Er frühstückte auf Silber, Getränke genoß er aus Goldgefäßen, doch waren es nicht Getränke gewöhnlicher Art: Massiker floß oder aus Falernertraube gepreßter Wein oder zum wenigsten einer aus deinen Keltern, fröhlicher Rhein. Denk nur, er fuhr weite Strecken mit der Kutsche, wenn er nicht gar ein spanisches Pferd ritt. Stell dir vor, er hätte den neun Musen gedient; stell dir vor, er wäre dem Namen und Feldlager eines Kriegsherrn gefolgt [150] und hätte das Meer mit dem Kiel nach fremden Landstrichen hin durchfurcht: damit hätte er so viel Reichtum nicht angehäuft. 11. Wenn du es richtig bedenkst - ich rufe zu Zeugen die Seelen und Körper der Toten und dich, Göttin Libitina, zusammen mit den drei Parzen: so viele Tausende von Erdensöhnen verdanken uns das Licht des Lebens, die schon längst in ewiger Nacht begraben lägen. Oftmals hätte ein nachgeborener Sohn seinen dahingerafften Vater niemals zu Gesicht bekommen oder die dem Leib der sterbenden Gebärerin entrissene Tochter ihre Mutter. Dafür ist der Maler zur Stelle: Er freut sich, mittels seiner Kunst, in der er tüchtig ist, einzuspringen, und entreißt die versinkenden Gesichter dem Lethestrom. [160] Durch uns lebt die Tapferkeit von Helden auch noch unterm Rasen, mag auch mit viel Blut getränkte Erde sie decken. Tilly fiel: Und dennoch lebt er nach seiner rühmlichen Verwundung nichtsdestoweniger in seinem Bildnis fort. Gustav Adolf von Schweden hat der Tod hinweggerafft, es entsank ihm die Lanze: Das Gemälde zeigt ihn mit dem Schwert beim Kampf; so hielt er den Stahl, so trug Gustav Adolf immer seine Waffen. Ja, gewiß: Durch unsere Hand trug er so seine Waffen ! Was ihm das Schlachtfeld von Lützen raubte, geben wir ihm wieder; bei uns triumphiert er hoch zu Roß über das Schicksal. [170] Die Malerei kann insbesondere zarte Mädchen bezaubern, denn so kommt sie dem vergänglichen Gut der Schönheit zu Hilfe. Die nämlich zerstört Lachesis gänzlich oder das Alter zermürbt sie. Unsere Hand macht beide wirkungslos durch
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En, haec Eugenia est Isabella, virilis Amazon: Demisit faciles cui Leo Belga jubas. Ista Palatini Constantia Principis Anna: Haec Ducis Alberti Clara Renata fuit. Eheu! Caeciliam fixit Mors Sarmata telo. Perdideras oculum tunc Marianna tuum. Quam Leopoldinam lugebat Caesaris Aula, Si cupis in primo flore videre, potes. Sic Jovis Austriaci fulsit pulcherrima Juno: Purpureum petijt cùm generosa torum. 12. Et tua, si nostrani non aspernabere concham, Effigies dabitur conspicienda foro. Est aliquid, digito monstrari in imagine posse, Desuper adscripto carmine: Talis erat. Cum Fama multas ibis spectanda per urbes: Credenda à populo praetereunte Dea. Sive Themis digressa Polo: sive una sororum, Quam putet applaudens esse Thalia suam. Sive aliqua illarum, quae aversae terga renident, Altera in alterius mutua nexa manus. Tu potior pingi: tu dignior omnibus illis. URANIE Charis est, pro tribus una triplex. Non Clytie Phoebi, non te Babylonia Thisbe, Pulcrior in terris non Atalanta fuit. Hippomenes si te videat, Schoeneida temnet. Hippomenes oculos non tarnen unus habet. O nova Schoeneis, veré Schoeneia Virgo. Nomine quo pulcras Gens Alemanna vocat. Per te, perque tuum, Schoeneia Nympha, decorem. Qua forma gaudes, utere: CINNA rogat.
185 concham,] A; concham. Β
191 sororum,] sororum. A,Β
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87 ihr Entgegenwirken. Sieh, dies ist Eugenia Isabella, die mannhafte Amazone, vor der der flämische Löwe zahm die Mähne gesenkt hält. Dies da ist Constanze Anna von Pfalz-Neuburg, und das war Herzog Alberts prächtige Renata. Ach, der Tod aus Sarmatien durchbohrte Caecilia mit seinem Geschoß, und damit hattest du, Marianna, deinen Augapfel verloren. [180] Leopoldina, die der kaiserliche Hof betrauerte, kannst du, falls du wünschst, in ihrer ersten Blüte betrachten: so strahlte die herrliche Juno des österreichischen Jupiter, als die edle zum purpurnen Ehebett schritt. 12. Auch dein Bildnis wird, wenn du unsere Malerpalette nicht verschmähst, der Öffentlichkeit zur Betrachtung freistehen. Es ist schon etwas, wenn man auf einem Bild mit dem Finger vorgezeigt werden kann und darüber in Versform beigeschrieben steht: »So sah sie aus.« Durch viele Städte hin wirst du als gerühmte Sehenswürdigkeit schreiten und dabei dem vorüberziehenden Volk als Göttin gelten müssen, [190] als Themis, die den Himmel verlassen hat, oder als der Schwestern eine, welche Thalia mit Beifall als die ihre ansehen könnte, oder auch als eine von denen, die, noch wenn sie sich abwenden, erglänzen, während sie sich gegenseitig an den Händen fassen. Du bist vorzüglicher als all jene und würdiger, gemalt zu werden. U R A N I A ist eine Grazie, statt deren drei eine dreifache. Nicht die Clytie des Phoibos, nicht die babylonische Thisbe und auch nicht Atalante war auf Erden schöner als du. Falls Hippomenes dich sähe, so würde er wohl eine Schoeneis verachten - freilich hat nicht allein Hippomenes Augen. [200] O neue Schoeneis, du wahrhaft >schönes< Mädchen - ein Wort, mit dem das deutsche Volk prachtvolle Frauen bezeichnet: Bei dir und deiner Schönheit, schöne Nymphe: bediene dich deiner Schönheit, deren du dich erfreust. Darum bittet C I N N A .
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V R Α Ν I A SYMPHORIANO CINNAE PICTORI. Argumentum EPISTOLAE QUARTAE.
URania non multis cunctatur: sed rotundè abnegat petitum conjugium. Denique vitia plerisque Pictoribus communia in medium profert, et sugillat. quibus vel solis prudenter expensis, nubere meritò detrectet. Synopsis. 1. Vranie prima blandimento Cinnae Pictoris irridet. 2. Simio Naturae nubere detrectat. 3. Quidenim PRINCEPS COLORAÍUS, vanumArtis vocabulum? 4. Vraniam non moveri praeconioformae: quod adulatoria vanitate dedisset. Se nec Atalantam, nec Schoeneiam esse. Nomina Teutonum invidiosa refitgere, in aucupium pudicitiae proposita. [64] 5. Symphorianum Cinnam jactâsse quidem Italos, Germanosque artifices: quos inter tamen ipse nondum ponatur. quo vero posito, frustra nihilominùs sollicitari Virginem, jam majori Domino desponsam. 6. Insuper constare vulgo pictorum plurium paupertatem minimè coloratam: cujus famae discrimine nupturae meritò terreantur. 7. Ipsum CHRISTOPHORVM SCHWARZIVM, quem tantopere commendâsset, Pictorem eximium, pauperem ad extrema deductum, in extremis obijsse. 8. Paucos dari RVBENIOS Belgas; ingeniosos, gnavos, indus trios, sobrios, divites. plerosque vino, aleae, otio deditos, artem suam in tabernis consumere. 9. An Pictorum ACADEMIAE, suum nomen tueantur? 10. Multos quidem vitâfunctos, beneficio artificum in oculis hominum vivere: sed et eorundem maleficio, verum Deum, ex hominum memoria propemodum sublatum esse, unde Idololatria originem duxerit, patere ex lib[ro] Sap[ientiae] c[apitulo] 14. et 15. [65] 11. Caeterùm Apellaeis ingenijs atque Lyceis plerumque nihil esse lascivius. 12. Haec pudoris damna, non satis compensan paucitate imaginum, Castitati famulantium. 13. Parceret proinde ejfigiem Vraniae collocare in publico, nullam Virginem prostare. V. 49-82, 215-236 bei Thill VRANIA] In A VRANIA. über Zierleiste im Kopf der Seite; URANIA Β A 2 quibus] A; Quibus Β S 5 quo] A; Quo Β S 8 plerosque] A; Plerosque Β S 10 unde] unde n. A; Unde Β nullam] A; Nullam Β
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89 Urania an den Maler Symphorianus Cinna Inhalt des vierten Briefs Urania zögert nicht lange, sondern lehnt die erbetene Ehe in wohlgesetzten Worten ab. Schließlich führt sie die Fehler, die den meisten Malern eigen sind, an und verhöhnt ihn damit. Wenn sie allein diese sorgfältig erwäge, dürfte sie die Heirat wohl zu Recht ablehnen. Übersicht 1. Urania verspottet die am Anfang stehenden schönen Worte des Malers Cinna. 2. Sie lehnt es ab, einen Nachäffer der Natur zu heiraten. 3. Was bedeutet denn ein FARBENFÜRST, dieses leere Wort der Künstlergilde? 4. Urania lasse sich durch das Lob ihrer Schönheit nicht rühren, das er ihr in eitler Schmeichelei gezollt habe: sie sei keine Atalante und keine Schoeneia. Sie scheue vor den neiderregenden deutschen Benennungen zurück, die er ihrer Jungfräulichkeit wie Vogelleim ausgelegt habe. 5. Symphorianus Cinna habe mit italienischen und deutschen Künstlern geprahlt, unter die er selbst jedoch noch nicht gerechnet werde; aber selbst nachdem das gegeben sei, werde eine Jungfrau, die bereits einem größeren Herrn versprochen ist, genauso vergeblich umworben werden. 6. Darüber hinaus sei allenthalben die keineswegs malerische Armut der Mehrzahl der Maler bekannt; durch diesen gefährlichen Ruf ließen sich die heiratswilligen Mädchen zu Recht abschrecken. 7. CHRISTOPH SCHWARZ selbst, den er so sehr empfohlen habe, ein außerordentlicher Maler, sei in äußerste Armut geraten und so gestorben. 8. Nur wenige Maler wie der Flame RUBENS seien anzuführen, die genial, tätig, fleißig, nüchtern und reich seien. Die meisten seien dem Wein, dem Spiel und dem Nichtstun ergeben und vertäten den Lohn ihrer Kunst in Schenken. 9. Könnten etwa die AKADEMIEN der Maler ihren Ruf wahren? 10. Zwar stünden viele Verstorbene dank der Tat der Künstler den Menschen noch lebendig vor Augen; andererseits aber sei auch dank ihrer Untat der wahre Gott beinahe aus der Erinnerung der Menschen verdrängt. Woher die Idololatrie stamme, gehe aus dem Buch Weisheit Salomos, Kap. 14 und 15, hervor. 11. Übrigens gebe es zumeist nichts Zügelloseres als Begabungen wie Apelles und als die Akademien. 12. Diese Verletzung der Schamhaftigkeit werde durch die wenigen Bilder, die der Keuschheit dienten, nicht ausgeglichen. 13. Er solle also davon absehen, Uranias Bild öffentlich auszustellen. Keine Jungfrau gebe sich öffentlich preis.
90 14. Et vero collocari qui possit? Animarti Pictorum colorìbus non esse obnoxiam. 15. Denique Cinnam non aliter placiturum, quàm si pingat Sponsum sanguinum. Exod[us\ 4. 25. cui ipsa nupsisset. URANIA SYMPHORIANO CINNAE PICTORI.
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NUncia secreti venit mihi Iittera voti, Ausa colore meam sollicitare fidem. 1. Miror: et effigiem transmissam, nescio, cujus Esse putem: varij Proteos, anne proci? Improbe, quid sibi vult hinc sparsus et inde character? Qualibus Aegyptus mystica sensa notât. Scimus, quò spectent emblemata: dextera dextrae Consita; cumque suo compare turtur: amas. Hoc sanè liceat: dum me tamen oderis unam; Quamlibet ex alijs insipienter ames. 2. Simia missa quoque est, et cercopithecus, et aies Discolor, Eoae psittacus erro plagae. Muneribus visis, quibus exaequanda rependam! Agnovi genij symbola certa tui. Scilicet humanos mores imitantur ut illi; Et risum, mimo subsiliente, créant: Sic tu Naturae dum callidus exprimís ora; Ejusdem dici simia vera potes. 3. Haud equidem invideo, quòd Princeps lege recepta Diceris. haec artis gloria prima tuae est. Si tamen admittis, nomen tibi dignius edam. Majus adhuc virtus conciliare potest. Disce priùs castis tua pingere moribus ora: Disce priùs placitis non inhiare bonis. Non tantùm modicus Princeps, sed major Ibero Rex eris. hunc titulum, qui bene vivit, habet. At nondum appares sceptris regalibus aptus. Qui servit vitijs, quomodo liber homo est? Cui Puer insultat Paphius: quem verberat arcu, Collaque captivi sub pede pressa tenet. Nam quibus illecebris incautam fallere leno Niteris, et blandís illaqueare dolis?
URANIA ... PICTORI] A; fehlt in Β nach der Synopsis hier ebenso wie Entsprechendes vor allen weiteren Episteln. 15 imitantur] A; imitantur, Β 16 créant:] A; créant. Β 20 haec] A; Haec Β 26 hunc] A; Hunc Β
91 14. Und wie könne es denn überhaupt ausgestellt werden? Die Seele hänge nicht von den Farben des Malers ab. 15. Schließlich könne Cinna nicht anders Gefallen erregen, als wenn er den Blutbräutigam male (Ex. 4,25), den sie selbst geheiratet habe. Urania an den Maler Symphorianus Cinna Als Bote eines heimlichen Wunsches kam dein Brief und wagte es, mit farbigen Worten um mein Vertrauen zu werben. 1. Ich wundere mich und weiß nicht, wen das übersandte Bild darstellen soll: einen veränderlichen Proteus oder einen Freier? Du Arger, was bedeuten die hier und da verteilten Zeichen von der Art, wie Ägypten geheimen Sinn verschlüsselt? Wir wissen, worauf die Embleme >Zwei ineinander gefugte Hände< und >Ein Taubenpaar< zielen: du liebst. Das mag dir meinetwegen freistehen! Wenn du nur mich wenigstens verschmähst, magst du jede andere wahnsinnig lieben. [10] 2. Auch ein Affe wurde mir übersandt, eine Meerkatze und ein bunter Vogel, ein flatterhafter Papagei aus dem Morgenland. Die Geschenke habe ich betrachtet - wie soll ich sie gleichwertig erwidern? Ich habe in ihnen Wahrzeichen deines Wesens erkannt. Wie nämlich jene menschliches Verhalten nachahmen und Lachen erregen, wenn der Possenreißer springt, so kannst du, wenn du die Züge der Natur kunstvoll nachbildest, ihr wahrer Affe heißen. 3. Ich mißgönne es dir gewiß nicht, daß du nach eingeführtem Brauch Fürst genannt wirst: Das ist der höchste Ruhm deiner Kunst. [20] Wenn du es aber erlaubst, will ich dir einen würdigeren Namen nennen; die Tugend nämlich vermag einen noch größeren zu verschaffen. Lerne zuerst, dein Gesicht mit reinen Sitten zu schmücken, lerne zuerst, nicht nach erwünschten Gütern zu gieren, dann wirst du nicht nur ein gewöhnlicher Fürst sein, sondern ein König, größer als der König von Spanien. Diesen Titel besitzt, wer rechtschaffen lebt. Aber noch scheinst du für das königliche Szepter nicht reif zu sein; wer dem Laster dient, wie kann der ein freier Mensch sein? Wie der, dessen der Knabe von Paphos spottet, den er mit seinem Bogen trifft und dessen Nacken er wie den eines Gefangenen mit seinem Fuß niedergedrückt hält? [30] Denn mit welchen Verlockungen, du Verführer, bemühst du dich, mich, wenn ich mich nicht in acht nehme, zu täuschen und mit schmeichlerischem Trug zu umgarnen?
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4. In me tanta quidem spargis praeconia formae; Posset ut auditis ipsa Diana rapi. Jam sum Schoeneis·, jam sum Schoeneia Virgo: Jam neque Teutoniae pulcrior ulla Dea est. Quae tam dura silex istis impulsibus obstet? Nec mihi stat rigido cornea fibra gelu. Ambiguos sensi concusso pectore motus. Immeritas etiam laus violenta trahit. Et cur reijciam, quod donat idoneus auctor? Si sum, cur faveam non Atalanta mihi? Sed, qui sic laudat, mercan velie videtur: Ac pretium linguae me petit esse suae. Ergo tibi videor deludi posse puella, Cyprigenae pomis, te jaciente, datis! Curras, stes, sedeas: pingas, fingasue, licebit. Nec meus Hippomenes, nec paranymphus eris. 5. Commendas alios, atque inclyta nomina profers: Seimus, et Ausonijs civibus illa patent. Bellini, Palmae, Titiani, pagina fiunt: Romanus Michael cum Raphaële suo. Ultima, mi bone vir, de te fit quaestio, quales Exprimís auctores? quos imitaris avos? Laudato DURERUS. ego quoque laudo, quid ultra est? Scilicet ut simus, Symphoriane, pares. Fortibus ut factis aequemus fortia verba. Nullum majorem laus aliena facit. Tu quoque Judittam Gonzagiadesque venustas Pone sub aspectus: ANGELUS alter eris. Quid te DURERI Lucretia clara per Orbem; Quid Caligaretti glauca Minerva juvat? Si pro Cassandra Xanthippen pingis anilem: Quam neque Censores, Socratis esse putent. Amphora si calamo Signatur, et urceus exit. Proque lupo vulpes, proque leone canis. Si nescis aliud, quàm vel simulare cupressum: Vel pavidum leporem, setigerumque suem. Die: quoties de te, Fecit, Faciebat, in Urbe Cantato? quota fert nomen imago tuum? Cujus in aulaeis, cujus monstraris in aula? Quis dicit: Tantum Cinna peregit opus. Sed nihil infirmo, neque enim quia nescio multa, Compertum est ideò, te quoque scire paràm.
49 profers:] Β; profers A 53 fit] A, Β; sit Thill quales] A; Quales Β 55 ego] A; Ego Β simus,] simus A,Β 67 cupressum:] A; cupressum1. Β 73 neque] A; Neque Β
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93 4. Auf meine Schönheit verschwendest du solche Lobeshymnen, daß selbst Diana, bekäme sie sie zu hören, sich hinreißen ließe. Bald bin ich die Tochter des Schoeneus, bald die > schöne< Jungfrau, bald ist keine Göttin Deutschlands schöner. Welcher Stein ist so hart, daß er diesen Stößen widerstände? Auch ich habe kein von rauher Kälte starres Herz. Mein Herz klopfte und ich empfand verdächtige Regungen; auch wer es nicht verdient hat, den reißt gewaltiges Lob hin. [40] Und warum sollte ich zurückweisen, was ein geeigneter Geber mir spendet? Bin ich es wirklich, warum soll ich als Atalante mir nicht gefallen? Aber wer so lobt, will offenbar für sich erhandeln und verlangt, daß ich der Preis seines Lobes sei. Du glaubst also mit mir Mädchen dein Spiel treiben zu können, indem du mir die Äpfel zuwirfst, die von der zyprischen Göttin stammen! Magst du laufen, stehen oder sitzen, malen oder dichten - du wirst nicht mein Hippomenes, auch nicht mein Brautführer sein. 5. Du preist andere und nennst berühmte Namen; wir kennen sie und auch den Bürgern Italiens sind sie bekannt. [50] Maler wie Bellini, Palma und Tizian werden in Büchern verewigt, der Römer Michelangelo und sein Raffael. Du aber, mein Guter, bist der letzte, nach dem man fragt. Welchen Meistern folgst du, welche älteren Vorbilder ahmst du nach? D Ü R E R lobt man, und auch ich tue es. Und was weiter? Natürlich, daß wir, Symphorianus, ihm gleichkommen und daß wir entschiedenen Worten entschiedene Taten folgen lassen: Keinen macht fremder Ruhm bedeutender. Stell' auch du uns eine Judith oder die anmutigen Töchter Gonzagas vor Augen, dann wirst du ein zweiter M I C H E L A N G E L O sein. [60] Was hilft dir D Ü R E R S weltberühmte Lucretia, was Caligaris helläugige Minerva, wenn du statt einer Kassandra eine greise Xanthippe malst, in der auch die Kritiker nicht die Frau des Sokrates sehen können? Wenn eine Amphore gezeichnet wird und ein Wasserkrug herauskommt, statt eines Wolfs ein Fuchs und statt eines Löwen ein Hund, wenn du nichts verstehst, als eine Zypresse abzubilden, einen ängstlichen Hasen oder eine borstige Sau? Sag, wie oft rühmt man von dir in der Stadt Rom er schuf es, hat es geschaffen ? Wieviele Bilder stammen von dir? [70] In wessen Sälen, an wessen Hof zeigt man dich? Wer stellt fest: Ein so bedeutendes Werk hat Cinna ausgeführt! Doch ich bestreite nichts; denn weil ich vieles nicht weiß, ist noch nicht ausgemacht, daß auch du wenig weißt. Setz mich doch in Kenntnis und
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Fac modò me gnaram, tabulasque ostende: favebo Laudibus ante alios quoslibet ipsa tuis. Jamque tibi faveo. plura ac majora requins? Esse utinam posses, Symphoriane, meus. At meus esse nequis. voto est aliena voluntas; Promissamque sibi me tuus alter habet. Ditior hoc non es, promas licet omne metallum; Quantum Pactoli ripa Tagique vomit. 6. Pace tua dicam: modica est opulentia vestrae Artis; et innumeri, qui celebrantur, egent. Vidi pannosum quandoque incedere Apellem; Pro lauta vacuum qui dape sumpsit olus. Quamvis penderei pictis onerata canistris, Artificis mensam pauperis ante Ceres, Vidi corrosum gnatis apponere panem. Mandebant farris mucida frusta nigri. Plorabant pulii: mater miserabilis unà. Nil facit ad stomachum vanus inopsque color. 7. SCHWARZIUS ipse tuus, famâ usque ad sidera notus; Qualem laudâsti, Cinna diserte, mihi: Irò pauperior tandem decessit. in area Dicitur argenti vix habuisse scobem. Fertur adhuc hodie naulum debere Charonti. Defecit miserum nummulus iste, triens. Pené, quod ad pheretrum lacrymas excussit inanes, Exequijs caruit flebilis umbra suis. I nunc, et jacta centum sestertia. frustra Ad Scaldim caussam magnaque dicta crepas. 8. Nam quotus est isto labente RUBENIUS aevo? Aut quis, qui micas colligat huius, erit? Rara avis irt terris, peregrini veris hirundo Tempora praeveniens, hic, puto, Belga fuit. Ele quidem méritos opibus cumulavit honores. Quae poterant Hominem nobilitare Novum. Sed magno ex numero primus monstratur et unus. Squallet, et in trivio caetera turba jacet. Hìc quoque, non cuivis contingit adire Corinthum, Esse rear verum, quod Venusinus ait. Vive Midae Craesique bonis dignissime pasci. Possideas omnes Pygmalionis opes. Sed madidos vita fratres, quia cuncta veremur. Vitanda est socijs crebra popina tuis.
79 voto] A; Voto Β 93 notus;] A; notus. Β 95 in] A; In Β 101 frustra] A; Frustra Β 105 peregrini] A; Peregrini Β 111 quoque,] A; quoque; Β 112 Venusinus] A; Venusinus, Β
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95 zeig mir deine Bilder, dann will ich mich persönlich für dein Lob vor dem aller anderen einsetzen. Schon bin ich dir gewogen. Verlangst du mehr und Größeres? Ja, Symphorianus, könntest du nur mein sein! Aber das kannst du nicht, diesem Wunsch steht mein Wille entgegen, und durch mein Versprechen besitzt mich ein anderer als du. [80] Reicher als er bist du nicht, magst du auch alles Gold hervorholen, das die Ufer des Pactolus und Tajo hergeben. 6. Ohne dich zu verletzen will ich's sagen: bescheiden ist der Reichtum eurer Kunst, und viele, die berühmt sind, darben. Ich sah schon gelegentlich einen Apelles in Lumpen daherkommen, der statt einer feinen Mahlzeit nur Kohl zu sich nahm, obwohl eine mit gemalten Körben überladene Ceres vor dem Tisch des armen Künstlers hing. Ich sah, wie er seinen Kindern angenagtes Brot reichte; sie mußten Stücke von schimmligem Schwarzbrot essen; [90] die Kleinen weinten und mit ihnen die unglückliche Mutter. Nicht füllt den Magen die eitle und ärmliche Farbe. 7. Dein S C H W A R Z selbst, dessen Ruhm bis zu den Sternen reicht, wie du ihn mir, beredter Cinna, gepriesen hast, ist schließlich ärmer als Irus gestorben. In seinem Kasten soll er kaum ein Stäubchen Silber gehabt haben und man sagt, noch heute schulde er dem Charon den Fährlohn; dem Unglücklichen fehlte diese kleine Münze, ein Drittel As. Kaum, daß er an seiner Bahre einige bloße Tränen hervorrief; eine würdige Bestattung mußte sein beweinenswürdiger Schatten entbehren. [100] Geh nun und prahle mit hundert Sesterzien. Vergeblich stellst du dein Los im Blick auf die Scheide dar und spuckst große Tone. 8. Denn wieviele Maler wie R U B E N S gibt es in dieser gegenwärtigen Zeit? Oder wer alles wird die Krümel von seinem Tisch sammeln? Ein seltener Vogel auf Erden war, so glaube ich, dieser Flame, eine Schwalbe, die einem noch in der Fremde weilenden Frühling vorauseilte. Er krönte wirklich die verdienten Ehren mit dem Erwerb eines Vermögens. Dieses konnte einem Mann aus dem Volk zu Glanz und Ansehen verhelfen. Aber aus der großen Menge der Maler kann man ihn als ersten und einzigen vorweisen; die Menge der übrigen ist unansehnlich und liegt auf der Straße. [110] Auch hier, so glaube ich, gilt, was der Venusiner sagt: nicht jedem gelingt es, nach Korinth zu gelangen. Genieße dein Leben, der du würdig bist, dich an den Gütern des Midas und des Kroesus zu laben; mögest du alle Schätze Pygmalions besitzen. Meide aber die feuchten Brüder- denn alles Mögliche macht mir Sorge. Du mußt die von deinen Kollegen häufig besuchten
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Egregium hoc hominum genus insanabile, semper Potat, et assiduo proluit ora mero. Tot sunt frugales fortasse, quot ostia Nili, Ex centum, septem vix reperire queas. Malunt ex vitro rubrum sorbere colorem. Commissus lino sicciùs ora rigat. Spernitur in muro piantata à Zeuxide vitis, Gratiùs ex verá vina bibenda fluunt. Ergo diu noctuque tenent spumantia musto Pocula; qua fuerat concha tenenda manu. 9. Italicae quo fama Scholae? Stoa vestra lupanar Rectiùs, aut pecudum mandra vocanda foret. Nota lues: nullos pictoribus atque poëtis, Majores foedae Cypridos esse popas. Tot Veneres Veneri, frontes sine fronte pudendas Immolât amborum, corpora nuda, furor. Sunt qui nil aliud chartis inducere possunt Praeter Hamadryades, cum Satyrisque lupas. Hîc ponit vestes: hîc Salmacis Hermaphroditum Implicai, ex ilio femina mollis aqua est. Venatur virides Pecoris Deus, ecce, Napaeas. Hoc stat, ais, centum millibus artis opus. Non ego dem septem nummos. insumere gazam, Atque oculum tanto pascere, stultitia est. 10. Ut bene de vivis fatear functisque mereri: Culpa tamen multos non facit una reos. Vana superstitio per vos increscere coepit: Dijs quoque sacrilegis est patefacta via. Primus in orbe Deum statuii Ήηιοκ impius ilium Primus item Pictor sustulit arte sua. Innúmeros finxit falsos, verumque removit, Fingendi caussam mors inopina dabat. Fortè patri gnatus Fatis praereptus acerbis, Aut matri Soboles occidit ante diem. Die leonis atrox instar furit, ilia leaenae. Deflebant catulos orbus et orba suos. Mitiget ut saltern tenuis praesentia luctum; Funus adumbratur: Supplet imago vicem. Defuncti effigies Laribus suspenditur altis: Paullò post cultos inter habenda Lares. Accedente situ, succrevit gloria Larvae. Numen habebatur, quod neque nomen erat.
130 foedae] faedae A,Β 136 ex] A; Ex Β Impius Β 154 Supplet] A; supplet Β
139 insumere] A; Insumere Β
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145 impius] A;
97 Schenken meiden. Diese außerordentliche Art Menschen ist unheilbar, immer trinken sie und dauernd spülen sie ihren Mund mit Wein; vielleicht sind so viele mäßig, wie der Nil Mündungen hat, unter hundert magst du kaum sieben solche finden. [120] Sie schlürfen lieber die rote Farbe aus dem Glas, denn, auf die Leinwand aufgetragen, netzt sie nur karg den Mund. Man mißachtet die von Zeuxis auf die Mauer gepflanzte Rebe, willkommener ist der Wein, der als Getränk aus der wirklichen Rebe fließt. Daher halten sie bei Tag und Nacht die von neuem Wein schäumenden Becher in der Hand, die die muschelförmige Palette halten müßte. 9. Was soll hier der Ruhm der italienischen Schule? Euer Atelier müßte eher Bordell oder Viehstall heißen. Bekannt ist das Unheil, daß es keine ergebeneren Diener der schändlichen Cypris gibt als Maler und Dichter. [130] So viele Venusgestalten, schamerregende Figuren, nackte Körper weiht die leidenschaftliche Verblendung beider schamlos der Venus. Manche können nur Hamadryaden und Nymphen zusammen mit Satyrn und Wölfinnen zu Karton bringen. Hier legt Hermaphroditus die Kleider ab, hier umschlingt Salmacis ihn. Seitdem ist er durch das Wasser eine schmiegsame Frau. Sieh nur, es jagt der Gott der Herde die jugendfrischen Nymphen. Dieses Kunstwerk, so sagst du, ist Hunderttausend wert. Ich gäbe wohl keine sieben Groschen dafür aus. Ein Vermögen dafür auszugeben und das Auge für einen solchen Preis daran zu ergötzen, ist Dummheit. [140] 10. Mag ich auch zugeben, daß ihr euch um Lebende und Tote verdient macht, so macht doch nicht nur eine einzige Schuld viele von euch zu Schuldigen. Eitler Aberglaube begann durch euch anzuwachsen; auch ruchlosen Göttern wurde der Weg gebahnt. Zuerst hat die Furcht auf Erden Gott geschaffen, ebenso hat zuerst ein gottloser Maler ihn durch seine Kunst beseitigt. Unzählige falsche Götter hat er gebildet und den wahren Gott vertrieben; den Anlaß für das Bilden bot überraschender Tod. Es wurde etwa einem Vater der Sohn durch ein herbes Geschick entrissen oder einer Mutter starb ihr Kind vor der Zeit. [150] Jener raste furchtbar wie ein Löwe, diese wie eine Löwin, beraubt beweinten er und sie ihre Jungen. Damit wenigstens der Schein von Gegenwart die Trauer mildere, wird der Tote gezeichnet: Ein Bild dient zum Ersatz. Das Bild des Verstorbenen wird bei den erhabenen Laren aufgehängt, um wenig später Verehrung zu genießen wie die Laren. Wie es an Alter zunahm, so wuchs auch der Ruhm des Totenbildes; als Gottheit galt, was nicht einmal ein berühmter Name war. Vor ihm neigt man das
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Huic caput inclinant: huic vina et thura ministrant. Ponitur ad flavos plurima cera pedes. Spicea serta gerens in imagine filia, dici Post aliquot messes debuit alma Ceres, niius Gnatam, dum laeta vagatur in horto, Abstulerat, rapta virginitate, procus. Infremuit Genitrix. quia cara Proserpina, picta est: Crédita in Elysium denique rapta nemus. Crédita Plutonis conjux, Hecateque triformis: Matribus infernis exululata nurus. Purpureus Juvenis, turgentique uvidus ore, Mortuus autumni tempore, Bacchus erat. Hoc illi dederat, lustris ter quinqué peractis, Artificis, curuâ falce putanda, manus. Hinc tot falsorum prostat jam turba Deorum: Semibovesque viri, semivirique boxes. Saturnus, Janus, Liber, Silenus, Apollo: Vesta, Thetis, Cybele, Delia, Iuno, Rhea. Mercurius furtis gaudens, Cithereia stupris: Marspiter arma sonans, Iuppiter igne tonans. O utinam formata Iovis cum fulmine primo Obruta fulminéis esset imago rôtis. 11. Atqui et virginibus, dices, sacravimus Aras. Laudo: nec infidas, maxime Pictor, eo. Vidi Caecilias: Agnes spectantur et Agnus; Calcat Thecla feras, et Catharina rotas. Sed vidi in vestris Erycinam saepiùs aris; Quàm Divam Costo Pallada rege satam. 12. Plura pudicitiae saeva irritamina laesae Intulit obscoenâ lubricus arte labor. Susannam quoties nudam violatis in horto! Non poterant gemini quam violare Senes. Iessiden semel una lavans fataliter ussit. Accendunt plures vestra lavacra faces. Semper, iô, semper vobis Diana lavatur. Non satis est, visam turpiter esse semel? 13. Forsitan et nostram faciem committere vulgo, Quae tua libertas est malesana, voles. Deprecor indignane, quamvis hoc Tyndaris optet, Prostituí medio publica lena foro. Contenta est oculis Superûm mea forma probari, lilis si placeo, sum speciosa satis.
165 quia] A; Quia Β
176 Iuno] A; Juno Β
178 Iuppiter] A; Juppiter Β
179 Iovis] A; JovisB
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99 Haupt, ihm bringt man Wein und Weihrauch dar. Zahlreiche Wachskerzen werden vor seinen blaßgelben Füßen aufgestellt. [160] Die Tochter, die auf dem Bild Ährenkränze trug, durfte nach einigen Jahren >nährende Ceres< heißen. Deren Tochter hatte, als sie im Garten froh umherstreifte, ein Freier geraubt und ihr die Jungfräulichkeit genommen. Die Mutter schrie auf; weil Proserpina ihr teuer war, ließ sie sie malen; schließlich glaubte man, sie sei in den elysischen Hain entführt worden. Man glaubte, sie sei Plutos Gemahlin, die dreigestaltige Hekate, die von den Müttern in der Unterwelt klagend angerufene junge Frau. Ein blühender Jüngling mit schwellenden weinfeuchten Lippen, der zur Herbstzeit starb, das war Bacchus. [170] Solches hatte ihm nach fünfundsiebzig Jahren die Hand des Künstlers verliehen, die man mit krummer Sichel hätte abschlagen sollen. Daher bietet sich jetzt eine Menge so vieler falscher Götter unseren Blicken, Männer, halb mit Stiergestalt, Stiere, halb mit Männergestalt: Saturn, Janus, Liber, Silen und Apollo; Vesta, Thetis, Kybele, Artemis, Juno und Rhea; Merkur, der sich am Diebstahl, und Cythereia, die sich an der Unzucht erfreut; Vater Mars mit klingenden Waffen und Juppiter mit Blitz und Donner. O wäre doch Juppiters Bildnis, das ihn mit dem Blitz zeigte, gleich zu Anfang von seinen blitzenden Rädern zermalmt worden. [180] 11. Aber, so wirst du sagen, wir haben doch auch Jungfrauen Altäre geweiht. Das lobe ich und will es, großer Maler, nicht leugnen. Ich habe Darstellungen der Caecilia gesehen; auch Agnes und das Lamm sind zu schauen; Thekla triumphiert über wilde Tiere und Katharina über das Rad. Aber ich habe auf euren Altären öfter die Göttin vom Eryx gesehen als die göttliche Pallas, die Tochter des Königs Costus. 12. Noch mehr wüste Verlockungen zur Verletzung der Keuschheit hat die schändliche Kunst in schlüpfriger Arbeit hervorgebracht. Wie oft entehrt ihr die nackte Susanna im Garten, die die beiden Greise nicht entehren konnten. [190] Es war eine einzige Frau, die den Jessesproß David verhängnisvoll entflammte, als er sie ein einziges Mal beim Bade sah. Eure Bäder jedoch setzen mehr Fackeln in Brand. Immer, ach immer badet bei euch Diana; reicht es nicht, daß sie zu ihrer Schande einmal gesehen wurde? 13. Vielleicht wirst du auch mein Gesicht dem Volk zeigen wollen, wie es deinem törichten Freimut entspricht. Voll Abscheu verbitte ich mir, mag auch die Tyndaridin Helena solches wünschen, daß ich mitten auf dem Markt als feile Dirne preisgegeben werde. Wenn ich mit meiner Gestalt vor den Augen der Himmlischen Anerkennung finde, bin ich es zufrieden; wenn ich diesen gefalle, bin ich schön genug. [200] Ein keusches Mädchen vermeidet es, von jedem Blick öffentlich
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Casta palàm refugit vultu quocunque videri. Quo velata magis, pulcrior intus erit. Si qua potest capitis sacrum deponere peplum; Huic quoque cum zona perdere serta, leve est. Iam delibatur mediâ plùs parte pudica, Cujus in aprico pendet imago loco. 14. Ut tamen ipsa velim faciem praebere colori: Quid facies? visum non subit iste decor. URANIE non est corpus, sed corporis hospes, Spiritus aetherijs sedibus ille venit. Quomodo me pinges? cujus tibi nulla videndae Copia, ni claudas lumen utrumque, datur. Virtus, est animae verus color, hic latet intus. Interiore sinu conspicienda mico. 15. Hoc quoque, si nescis, jam dudum est ille receptus, Quem primum et solum dignor amore meo. Illius effigiem veram mihi siste: favorem Non aliter certè, sic meriture meum. Pinge Crucem, qualemque tibi descripsero, querno Stipite suspensum saucia membra virum. Palleat: et, quoniam violae color ornât amantes; Accumules violas, quotquot habere potes. Suffixus clavis, concretus sanguine crines. Sitque, ut sit major, nullus in ore decor. Bina premant sentes et acuti tempora rhamni. Quod caput amplectar, talia serta decent. Vulnera per lacerum stillent immania corpus. Ut sunt, QUINA tamen fac spaciosa magis. Frange oculos: meliùs sic integra lumina cernam. Obscura vultum: clariùs inde nitet. Misce et livorem: totus fuit una cicatrix. Adde rubens ostrum: fluxit, ut unda, cruor. Cernuus in mediae nutet confinia mortis: Immortalis ibi nam mea vita latet. Hic Meus, hic Meus est, quem stringo tenacibus ulnis, SPONSUS. abi Pictor. jam tuus alget Amor.
205 lam] A; Jam Β 209 hospes,] hospes A,Β 213 hic] A ; Hic Β 225premant]A,B;prement Thill 228 QUINA] A ; QUINA, Β 233 mediae] A,Β; media Thill 235 Meus, hic] Meus
hic A,Β
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101 erfaßt zu werden; je mehr sie verhüllt ist, um so größer kann ihre innere Schönheit sein. Wenn eine es über sich bringt, die heilige Verhüllung ihres Hauptes abzulegen, dann verliert sie leicht mit dem Gürtel auch den Kranz. Eine keusche Frau ist schon zu mehr als der Hälfte entweiht, wenn ihr Bild an einem öffentlichen Platz hängt. 14. Mag ich selbst auch bereit sein, mein Gesicht der Farbe des Malers zu überlassen, - was wirst du tun? Diese Schönheit tritt nicht in den Blick. U R A N I A ist kein Körper, sondern des Körpers Gast. Jener Geist kommt aus den himmlischen Gefilden. [210] Wie wirst du mich malen, wo du doch keine Möglichkeit, mich zu sehen, hast, es sei denn, du schließest beide Augen. Tugend ist die wahre Farbe der Seele. Diese Farbe ist im Inneren verborgen, tief im Inneren mußt du meinen Glanz erblicken. 15. Dort ist auch, falls du es noch nicht weißt, schon lange jener aufgenommen, den ich als ersten und einzigen meiner Liebe für wert halte. Sein wahres Bild stelle vor mich hin; meine Gunst wirst du gewiß nicht anders, aber doch so erlangen. Male das Kreuz, und, wie ich ihn dir schildere, den Mann, dessen durchbohrte Gliedmaßen an dem Eichenstamm hangen. [220] Bleich mag er sein; und weil Violenfarbe Liebende schmückt, magst du Violen anhäufen, soviel du vermagst. Er hängt, von Nägeln durchbohrt, sein Haar ist mit Blut verklebt, und damit er erhabener sei, sei keine Schönheit in seinem Antlitz. Dornen und stechende Zweige sollen seine beiden Schläfen peinigen. Dem Haupt, das ich umfassen will, ziemen solche Kränze. Aus gräßlichen Wunden soll Blut über den zerfleischten Leib tropfen. F Ü N F Wunden laß, der Wahrheit entsprechend, besonders groß sein. Laß die Augen brechen: so werde ich besser den reinen Blick erfassen. Verdunkle das Antlitz'· dann leuchtet es strahlender. [230] Mische auch Bläue dazu·, der ganze Mann war eine einzige Wunde. Gib leuchtendes Rot hinzu: das Blut floß wie strömendes Wasser. Vornübergeneigt soll er gerade auf der Grenze zum Tode wanken: denn dort verbirgt sich mein unsterbliches Leben. Der ist mein BRÄUTIGAM, er ist es, den ich mit festen Armen umfasse. Verschwinde, Maler, nun wirkt deine Liebe kalt.
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ALLONIVS
Ρ H I S C O,
MATHEMATICUS UR A N I A E . Argumentum EPISTOLAE QUINTAR Plctori Cinnae succedit Phisco Mathematicus. Docti intra colorem et lucem, Visûs Sphaeram absolví putant. At hic quidem Astrologue procus, post immanem jactan tiam mirabilium suorum, post muñera missa, jam jamque sperat Uraniam sollicitatam, nuptialibus votis assensuram esse. Sed Corbem, sive Craterem Sidereum auferre jubetur. Synopsis. 1. Magnificum, fastuosum Epistolae initium. verbo: Mathematicum. 2. De Magnetico usu artificiose scribendi Epístolas. [74] 3. Matheseos Dignitas, antiquitas. 4. Tycho Brahe, Mathematicorum gloria, Danus, contemplationi stellarum affixus. 5. Ejus Vaticinium ad Tyronem Allonium, de Vrania Conjuge ducendo, ex astris sumptum. 6. Mathematicorum mirabilia. 7. Speculum Archimedis Syracusani, Siculi. 8. Novi Orbis inventionem Mathematicis deberi. 9. Mappae Cosmographicae. 10. Mathematicorum miracula, spectacula et Phaenomena, Meteora: et nescio quae! 11. Calendae, fasti: Mathematicorum Divinationes, Praesagia. 12. Dona Vraniae oblata. Vitrum trigonum, aliaque secreta prodigiosa, ex Delicijs opticis. ALLONIVS PHISCO MATHEMATICUS URANIAE. 1. QUi trutinat montes, terram metitur et undas: Concita qui sistit ilumina, pigra movet: Qui pelagi numerat guttas, et sidera Coeli: Signaque Zodiaci per duodena meat: V. 145-176 bei Thill S 8 Mathematicis] Β; Mathematicis: A
S 10 Phaenomena] Phoenomena A,Β
103 Allonius Phisco, der Mathematicus, an Urania Inhalt des fünften Briefs Auf den Maler Cinna folgt der Mathematicus Phisco. Die Gelehrten sind der Auffassung, daß der Bereich des Gesichtssinns innerhalb der Grenzen von Farbe und Licht liege. Aber dieser freiende Mathematicus hofft, daß nach dem maßlosen Anpreisen seiner Wunderdinge und der Übersendung von Geschenken Urania nunmehr schon so in Erwartung gesetzt sei, daß sie seinem Hochzeitsbegehren stattgeben werde. Sie heißt ihn indessen einen Korb, d.h. den Himmelspokal, davontragen. Übersicht 1. Ein auf große Wirkung berechneter und stolzer Beginn eines Briefes, mit einem Wort, der eines Mathematicus. 2. Der Gebrauch des Magnets beim technisch bewerkstelligten Schreiben von Briefen. 3. Würde und Alter der Mathesis. 4. Tycho Brahe, der Ruhm der Mathematici, ein Däne, ganz versunken in die Betrachtung der Gestirne. 5. Dessen Prophezeiung aus dem Lauf der Sterne an seinen Schüler Allonius, er werde Urania als Gattin heimführen. 6. Die wundersamen Werke der Mathematici. 7. Der Spiegel des Syrakusaners Archimedes aus Sizilien. 8. Die Entdeckung der Neuen Welt verdanke man den Mathematici. 9. Die Weltkarten. 10. Die Wunderwerke der Mathematici: Schaueffekte und Himmels- und Wettererscheinungen und wer weiß was sonst noch alles. 11. Kaiendarien und Jahrbücher, die Prophezeiungen und Vorhersagen der Mathematici. 12. Die Geschenke, die er Urania darbringt: ein Prisma und andere geheimnisvolle Wunderdinge von Kostbarkeiten der Optik. Allonius Phisco, der Mathematicus, an Urania 1. Der die Berge wägt und Erde und Meer ausmißt, der reißende Flüsse zum Stehen bringt und stehende in Bewegung setzt, der die Tropfen des Meeres zählt und die Sterne am Himmel, der durch die zwölf Zeichen des Zodiakus hindurchschreitet,
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Qui tempestates, Lunae Solisque labores, Publica qui mundi praevidet antè mala: Si sinis URANIE, tantusque ac talis Amator Te salvere jubet, tempus in omne, suam. 2. Possem etiam magnetis acu mea figere verba: Quo nullum ingenij clarius extat opus. Utque lapis virtute sua mirabilis ipse est; Sic nostri Inventi suspicienda fides. Tango stylum: tactoque legas distantia longè: Certior ad votum littera nulla venit. Non tamen hunc lapidem mihi jam tractare vacavit. Fortior ipsa trahis, vis tibi major inest. Tu facis, ut scribam consueto more procorum, Pectoris, ô Magnes, conscia gemma mei. Ut rigeant solido constantia lumina ferro: Nostra tuum visu cogis obire Polum. Hue contendit Amor remis velisque profectus. Altera non potior sit Cynosura mihi. Blanda fave coeptis, et in aequore dirige cursum. Intrabit portum laeta carina suum. 3. Optimus ut quisque est, sic addictissimus astris Semper, et Astronomis, ac tibi, Virgo, fuit. Per Reges numeramus avos. Chaldaea vetustas Testis, et Assyriae Persia juncta plagae. Quosque ad Bethlemias Sidus venerabile cunas Duxit, odorifera de Regione, MAGOS. Parthenope Alphonsum, Ptolemaeum Memphis adorat. Rex meritum stellis cinxit uterque caput. Ambo gemmiferis hanc praeposuere Coronarti, Quam tua sideream frons, Ariadna, tulit. Ad nos spectat Atlas, coelum qui vertice fulsit: Donec in Hercúleo nobile sedit onus. Nostri Alpharabius, Manilius, Omar, Aratus, Euclides, Proclus, quosque referre mora est. 4. Hipparcho veteri praefert Florentia Paulum, Tychonem Architae Dania tota suum. TYCHO Mathematicae Classis fuit ultima Thüle. Ultra nec clavum CLAVIUS ipse regat. Sistendum fuerat doctis, ubi destitit ille. Propterea Thülen, ultima claustra voco. Hoc ego perfeci Sphaeram monstrante Magistro. Unus prae cunctis iste Magister erat.
20 Polum.] A; Polum Β 22 mihi.] mihi A,Β 27 vetustas] A; vetustas. Β 31 Ptolemaeum] Κ; Ptolomaeum Β (trotz der Korrektur im Druckfehlerverzeichnis von A) 38 est.] est A,B 45 perfeci] B; profeci A
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105 der Unwetter, Sonnen- und Mondfinsternisse und Katastrophen, die alle Welt betreffen, vorhersieht - wenn du es zuläßt, URANIA, dann wünscht dir als der Seinen dieser so bedeutende und so vielseitige Liebhaber Heil für alle Zeit. 2. Ich könnte auch mit der Magnetnadel meine Worte festheften - kein Geistesprodukt ist herrlicher als sie. [10] Und wie der Stein selbst durch seine Wirkkraft bewunderungswürdig ist, so muß man zur unbedingten Verläßlichkeit unserer Erfindung aufblicken. Ich berühre die Nadel und du kannst weit von dem Berührten Entferntes lesen, kein Schreiben gelangt sicherer ans gewünschte Ziel. Gleichwohl stand es mir schon nicht mehr frei, diesen Stein anzuwenden, du selbst ziehst mich stärker an, dir wohnt eine größere Kraft inne. Du bewirkst, daß ich nach der gewohnten Weise der Freier schreibe, o du Magnet, du Edelstein, der du die Regungen meines Herzens kennst. Mögen auch deine aus hartem Erz bestehenden Augen fest und starr geradeaus gerichtet sein, so zwingst du doch mit deinem Blick die meinen, sich auf deinen Himmelspol zu richten. [20] Zu ihm eilt Amor mit Rudern und Segeln, kein zweiter Leitstern soll mich mächtiger anziehen! Sei du milde meinem Anliegen gewogen und leite auf dem Meer meinen Kurs! Dann wird mein Schiff froh seinen Hafen erreichen. 3. Wer zu den Besten zählte, war immer den Sternen besonders ergeben und den Astronomen und nicht zuletzt dir, Jungfrau! Wir zählen Könige zu unseren Ahnen; dies bezeugen unsere alte chaldäische Abstammung wie auch Persien, das dem Land Assyrien verbunden ist, und die MAGIER, die aus der wohlriechenden Weltgegend der ehrwürdige Stern zur Wiege nach Bethlehem geleitete. [30] Neapel verehrt Alphons, Memphis den Ptolemäus·, beide Herrscher bekränzen ihr Haupt verdientermaßen mit Sternen. Beide zogen edelsteinbesetzten Kronen die Sternenkrone vor, die deine Stirn, Ariadne, schmückte. Auf uns schaut Atlas, der mit seinem Nacken das Himmelsgewölbe stützte, bis die edle Last auf dem des Hercules ruhte. Zu uns gehören Alpharabius, Manilius, Omar und Arat, Euklid, Proklos und zahlreiche, die aufzuzählen nur aufhalten würde. 4. Dem Hipparch der Alten zieht Florenz seinen Paulus vor, und ganz Dänemark seinen Tycho dem Archytas. [40] TYCHO bedeutet für die Flotte der Astronomen das äußerste Thüle, weiter hinaus wird wohl nicht einmal CLAVIUS sein Ruder lenken. Die Gelehrten mußten haltmachen, wo jener nicht weiterkam. Deshalb nenne ich ihn Thüle, den äußersten, unwegsamen Ort. Unter seiner Anleitung verfertigte ich einen Himmelsglobus, er allein war mir vor allen Lehrer. Es ragt
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Ardua stat turns, stagno circumdata curuo: Populeâ silvâ consita ripa jacet. Hue ego tendentem, sublustri nocte, sequebar Pervigil adjutor, continuusque comes. Tum verò innubi defigens lumina coelo, Coelesti docuit me quoque voce loqui. Protendensque manus, en, PHISCO, ajebat Orion Hoc gladio totam findere posset humum. Cassidis en conum, cristasque ardore cornantes! Cingula quot bullís, ecce, superba micant! Aspice sublimis labentia sidera Mundi: Certa ut in occiduas lege vehantur aquas. Ut quaedam renuant, vel tardent aequore tingi: Pleraque curriculo precipitante ruant. Circuit Arctophylax, Helicenque minaciter urget. Sicca tarnen mergi Parrhasis ursa fugit. Ut rutilât Pollux, fratrique arridet amicè! Idem, mutato nomine, Castor erit. Lactis in Oceano remis propellitur Argo. Stellifer Eridanus picta per arua fluit. Plurima cognosces, verarum imitamine rerum, Piscibus et varijs assimilata feris. En oculum Tauri, spoliumque immane Leonis! En Aquilani ! placido mobilis igne volat. Haec avis arripuit Phryga, pincernamque futurum Sustulit ad mensam, Juppiter, ungue tuam. Aureus hic Aries Phryxi, qui perdidit Hellen. Hoc est Europe trans mare vecta Bove. Nonne vides ignés LUNAM stipare minores, Ordine tarn longo, quàm radiante viâ? Hic praeit, hic sequitur. credas agitare choreas. Dispositos gyrat tarn bene quisque pedes. 5. Talibus ostentis nos oblectare solebat Cimber, qui summus, Caesare teste, fuit. Credis et hoc nobis? Me contemplatus, et inter Stellas Erigonem, Andromedamque videns: Talis erit, dixit, vel Virgo simillima tali, Olim quae cupiet nubere, PHISCO, tibi. Sic tua fert Genesis primoque Horoscopus ortu Annuit, et blando numine mota Venus. Hue ades è coelo promissa ac debita Nympha: Certè prae stellis omnibus una places.
66 Eridanus] A; Eridanus Β 69 spoliumque] A; Spoliumque Β nubere,] nubere. A,Β 88 places.] places, A,Β
79 solebat] solebat. A,Β
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107 ein Turm steil auf in den Himmel, es umgibt ihn ringsum ein See, dessen Ufer ein Pappelwald säumt. Auf dem Wege dorthin folgte ich ihm im Halbdunkel der Nacht als sein wachsamer Helfer und ständiger Begleiter. [50] Da richtete er seinen Blick auf den wolkenlosen Himmel und lehrte auch mich, mit himmlischer Stimme zu sprechen. Er streckte seine Arme empor und sprach: »Sieh da, PHISCO, mit diesem Schwert könnte Orion die ganze Erde spalten. Sieh die Helmspitze und den feuerroten Helmbusch, schau nur, wie der Gürtel stolz von vielen Kugeln blinkt! Sieh die Sterne des erhabenen Weltalls dahingleiten, wie sie nach bestimmter Ordnung zum Meer im Westen ihre Bahn ziehen; wie manche schaudern und zögern, sich mit Wasser zu benetzen, und wie die meisten mit fliegendem Wagen hineinstürzen. [60] Der Fuhrmann kreist um Helike und bedrängt sie drohend, die noch trokkene parrhasische Bärin meidet es gleichwohl, ins Meer zu tauchen. Wie leuchtet Pollux rot und lächelt freundlich dem Bruder zu! Er wird seinen Namen ändern und Castor heißen: Im Meer der Milchstraße wird Argo mit Rudern vorwärtsgetrieben, der sternentragende Eridanus fließt durch hellgefleckte Gefilde. Viele Sterne wirst du erkennen, die irdische Wesen nachahmen und Fischen und verschiedenen Wildtieren gleichen. Sieh das Auge des Stieres und das gewaltige Fell des Löwen, sieh dort den Adler. Er fliegt mit seinem sanften Schein leicht daher. [70] Dieser Vogel raubte den Phrygerund brachte mit seinen Krallen den künftigen Mundschenken hoch hinauf an deine Tafel, Juppiter! Hier ist der goldene Widder des Phrixos, der Helle umkommen ließ. Auf diesem Stier wurde Europa übers Meer getragen. Siehst du denn nicht, wie kleinere Lichter den M O N D begleiten, in langer Reihe und auf leuchtendem Pfad? Dieses geht voran, jenes folgt. Man könnte meinen, sie tanzten im Reigen, so gut schwingt ein jedes die Beine geordnet im Kreis.« 5. Indem er uns solches zeigte, ergötzte uns oft der Mann, der nach dem Urteil des Kaisers der bedeutendste Däne war. [80] Willst du mir auch das glauben? Er betrachtete mich und sah auf Erigone und Andromeda unter den Sternen. »So«, sagte er, »oder einer solchen sehr ähnlich wird die Jungfrau sein, die dich, PHISCO, einst zu heiraten begehren wird. So verhieß es dein Geburtsstern, und dein Horoskop bestätigte es gleich bei deiner Geburt wie auch Venus, die mit günstigem Einfluß vorbeizog.« Komm also zu mir aus dem Himmel, mir versprochene und geschuldete Jungfrau, gewiß gefällst allein du mir vor allen Gestirnen. Wohin
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Quò, nisi ad Astronomum vultus ASTRAEA reflectat? URANIE proprij Nominis esto memor. Quò, nisi ad URANIAM coeli vertatur Alumnus? Admonet officij cura laborque mei. Utque vides, paribus studijs retinemur uterque: Inque vicem tibi me, te mihi jungit Hymen. 6. Indecoris nec te venturam in jura mariti, Nupta Mathematico, degenerisue puta. Invenies aliquem, visis qui dixerit astris, Cum Coelutn aspicio, quàm mihi sordet humus ! Arte meâ totum, modo pes stet in aëre fixus, Terrarum à propria sede movebo globum. Arte meâ summas ascendent flumina turres: Rursus et in vallem praecipitata ruent. Arte meâ, aligerum plumbum per inane volabit: Sulphur inextinctae lampadis unda vomet: Arte meâ Solem referet crystallinus orbis: Qualis ab Eoo surgere fonte solet. Arte meâ, vitro Siren inclusa natabit: Adque lyram saliens Virgine ludet aquâ. Arte meâ statuens numeratis regia saxis Culmina tot dicam, saxa colossus habet. 7. Eminus ingentis succendam robora navis: Aequoreque in medio fiet adusta cinis. Nec tamen infartum pyrio tonitrale metallum Pulvere, fulminéis exonerabo globis. Opponam Speculum facili tantummodò flexu: Non aliter, clypeum quàm Geta Thraxue suum. Aeris in umbonem convexum, flammea forti Sole lacessitum rectaque tela cadant: Collectos centro radios jaculabor in hostem. Juverit urendas nec maris unda rates. Nempe Syracusis se defendentibus olim, Hoc Siculus civis fortiter usus erat. Heu mihi, si solam te non accendere possum: Et triplicis ferri in pectore frigus habes. 8. Virgo meis assuesce libens mitescere votis. Tarn mollem sexum non decet iste rigor. At non et totum PHISCONEM ex Carmine nôsti. Plura tenet, paucis quàm numerare queat. Christophoro videor mihi non minor esse COLUMBO; Orbem qui reperii perdomuitque Novum.
95 Indecoris] A; In decoris Β 105 meâ] mea A,Β 108 Adque] A; Atque Β (trotz der Korrektur im Druckfehlerverzeichnis von A) 129 minor] minor, A,B
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109 soll ASTRAEA ihr Antlitz wenden, wenn nicht zum Astronomen? U R A N I A , denke deinen eigenen Namen! [90] Wohin soll sich der Schüler des Himmels wenden, wenn nicht zu URANIA? Das verlangt meine berufliche Pflicht und Arbeit. Und wie du siehst, beherrscht uns beide ein gleiches Bestreben, und Hymen bindet wechselseitig mich an dich und dich an mich. 6. Glaube ja nicht, du kämest in die Gewalt eines unrühmlichen und unedlen Gatten, wenn du dich einem Mathematicus vermählst! Du wirst einen finden, der, nachdem er die Sterne gesehen hat, sagen wird: »Wenn ich den Himmel betrachte, wie verächtlich erscheint mir da die Erdel« Wenn ich meine Kunst einsetze, werde ich die ganze Erdkugel aus ihrer Stellung bewegen können, wenn ich nur zum Stehen einen Platz im freien Raum habe. [100] Wenn ich meine Kunst einsetze, werden Flüsse hoch hinauf zu den Spitzen der Türme steigen und hinwiederum jählings in die Tiefe stürzen. Wenn ich meine Kunst einsetze, wird Blei wie mit Flügeln durch den leeren Raum fliegen, und das Wasser wird nie verlöschendes Schwefellicht verströmen. Wenn ich meine Kunst einsetze, wird eine Kristallscheibe die Sonne wiedergeben, wie sie gewöhnlich aus dem Quell im Osten aufgeht. Wenn ich meine Kunst einsetze, wird eine Sirene in ein Glas eingeschlossen schwimmen und zur Leier tanzend im jungfräulichen Wasser spielen. Wenn ich meine Kunst einsetze, kann ich einen königlichen Palast errichten aus wohlgezählten Steinen und sagen: »So viele Steine birgt der Koloß.« [110] 7. Aus der Ferne kann ich die Planken eines gewaltigen Schiffes in Brand setzen, und mitten auf dem Meer wird es zu Asche verbrennen, ohne daß ich ein Donnerrohr mit Schießpulver füllte und aus ihm feurige Kugeln abschösse. Ich brauche ihm nur einen leicht gekrümmten Spiegel entgegenzuhalten, nicht anders als der Gete oder Thraker seinen Schild vorhält. Auf den gewölbten ehernen Schildbuckel sollen mit kräftigem Sonnenstrahl in gerader Linie feurige Geschosse treffen und ihn herausfordern. Die in seiner Mitte gesammelten Strahlen werde ich dem Feind entgegenschleudern, und auch die Woge des Meeres wird das Schiff nicht vor dem Brand bewahren. [120] Gerade so hatte, als sich einst Syrakus verteidigte, ein sizilianischer Bürger davon Gebrauch gemacht. Weh mir, wenn ich nur dich allein nicht entflammen kann und du in der Brust die Kälte einer dreifachen Eisenwehr trägst! 8. Jungfrau, laß dich willig durch meine Wünsche milde stimmen, diese Härte ziemt sich nicht für ein so weiches Geschlecht. Aber du kennst auch aus meinem Gedicht noch nicht den ganzen PHISCO, er beherrscht noch mehr, als er mit wenigen Worten aufzählen kann. Ich dünke mich nicht geringer als Christoph C O L U M BUS, der die Neue Welt entdeckte und unterwarf. [130] Er ging mir nur voran und
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Praecessit tantùm: laudes non abstulit omnes. Exaequet sumptus regia gaza: sequar. Et sequar Americum, Magellanumque, Dracumque: Quotquot sub pedibus nos habuere suis. Sub Tropicum cancri, nudos veniemus ad Indos: Semper ubi Meroë torrida Sole calet. Nullam ubi, vel dextram tibi nunc miraberis umbram, A laeva capitis serpere parte tui. Aspicies cristata suis capita alta sagittis. Annulus inseritur naribus: ora tument. Lumbos praecingunt pennis. fert dextera clavam. Herbarum succo pingitur uda cutis. Rex horum assiduo radicem mandi t odoram: Quem, pro lectica, pensile rete gerit. 9. Quanquam non opus est, pedibus percurrere Mundum: Aut longinqua cavâ puppe secare fréta. Ne labor, URANIE, vel te via longa fatiget; Cuneta sub aspectus unica Mappa dabit. Cosmographus mecum te per compendia ducam, Quae ñeque Triptolemus novit, et ipsa Ceres. Quamvis aligero serpente vehatur uterque; Et volucrem currum ventilet aura levis. Unius folij Liber, et non grande Volumen, Exhibet immensas totius orbis opes. Clauditur hoc gyro; quidquid complectitur aër, Quidquid terra parit, quidquid Olympus habet. In tabula videas aequè, quo cardine coeli, Diversis jaceant maxima Regna locis. Monstrorum fecunda parens hoc Africa tractu; Divitis hoc Asiae barbara terra jacet. Oppida cum castris numerare licebit et urbes. Coctilis hîc Babylon, hîc sita Memphis erat. Surrexere novi post diruta moenia muri. Euphrates, Tigris, Nilus, ut antè, fluunt. Ultimus hoc barathro caput abscondisse putatur. Jam tantùm septem bracchia nuda patent. Ecce Palaestinam, Libanique virentia terga. Hîc Banda, hîc mixtis est Balaguata Syris. Cemis Abissinos, Mardochos, atque lavanos? Hîc habitant Cafri·, gens fera, siqua fera est. Haec elephantorum patria est: haec ora camelis Utitur. hîc frenis impediuntur oves.
137 umbram,] A; umbram. Β 146 puppe] A,Β; puppiThill 149 ducam,] A; ducam. Β 168 Hîc] Hic A,Β 169 Abissinos,] Β ; Abissinos. A lavanos] A; Javanos Β ; Lavanos Thill (in der Übersetzung: les Lavanes)
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Ill trug nicht alles Lob davon. Mag der königliche Schatz seine Aufwendungen aufwiegen: Ich kann mithalten. Ich kann auch bei Amerigo mithalten, bei Magellan und Drake und bei allen, die uns unter ihren Füßen hatten. Beim Wendekreis des Krebses werden wir zu den nackten Indern gelangen, dort wo Meroe, von der Sonne ausgedörrt, stets unter glühender Hitze liegt. Da muß man sich wundern, daß man entweder gar keinen Schatten wirft, oder daß der rechte Schatten auf der linken Seite des Hauptes niederfallt. Man kann dort Häupter erblicken, die mit Pfeilen wie zu einem Kamm geschmückt sind, ein Ring wird durch die Nase gezogen und die Lippen sind wulstig. [140] Die Lenden umgürten sie mit Federn, und ihre Rechte trägt eine Keule; mit Saft von Gräsern wird die Haut feucht eingefärbt. Ihr König kaut beständig eine duftende Wurzel, eine Hängematte trägt ihn statt einer Sänfte. 9. Gleichwohl ist es nicht nötig, die Welt zu Fuß zu durcheilen oder die weiten Meere mit einem gewölbten Schiff zu durchfurchen. Damit dich nicht die Mühe oder der lange Weg ermüde, URANIA, wird eine einzige Weltkarte alles deinem Blick darbieten. Als Erdkundiger werde ich dich mit mir auf kurzen Wegen in Regionen führen, die weder Triptolemos noch Ceres selbst kennt, [150] obwohl beide auf einem Schlangenwagen fahren und ein leichter Lufthauch ihren geflügelten Wagen bewegt. Ein Buch mit einem einzigen Blatt und nicht ein großer Wälzer bietet die ungeheuren Schätze der ganzen Welt dar. In diesem Kreis liegt alles beschlossen, was der Luftraum umfaßt, was die Erde hervorbringt und der Himmel besitzt. Auf der Karte kannst du ebenso sehen, unter welchem Himmelsstrich gewaltige Reiche in verschiedenen Weltgegenden liegen. In diesem Gebiet liegt Afrika, die an gewaltigen Naturwundern reiche Mutter, dort das reiche Asien, das Land der Barbaren. [160] Man kann die Landstädte mit ihren Befestigungen und die Großstädte zählen. Hier lag das aus Backstein erbaute Babylon, dort Memphis. Nach der Zerstörung ihrer Mauern erhoben sich die Städte neu, Euphrat, Tigris und Nil fließen wie zuvor. Von dem letzten nimmt man an, er habe sein Haupt hier in diesem tiefen Abgrund verborgen; nur seine sieben Arme sind noch sichtbar. Sieh dort Palästina und die grünenden Bergkämme des Libanon. Hier ist Banda, dort ist Balaguata, dazwischen die Syrer. Erkennst du die Abessinier, die Mardocher und die Javaner? Hier wohnen die Kaffern, ein Volk, wild wie nur eines. [170] Dies ist die Heimat der Elefanten, diese Gegend benutzt Kamele, hier spannt man Schafe ins Zaumzeug. China ist mächtig und ungestüm von Hochmut,
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China potens fastuque ferox: numerosus lapon. Florida nil spinas praeter et arma parit. En, decantata est haec illa Canaria felix: Unde sua excellens nomina sumpsit avis. 10. Heu me! non Ludos, heu! nondum caetera dixi. Uranie, jam nunc pande, quod opto, sinum. Pegmata suspendam nullo nitentia tigno. Nixa tarnen jures: machina tanta crepat. Armatis venient è nubibus, inque theatrum Descendent prono corpore Martis equi. Si volo, stat Templum positis immane columnis: Falsus ubi refluas Nereus egit aquas. Vix oculum vertas: eadem structura dehiscet; Hesperidumque recens fertilis hortus erit. Ridebunt flores: ridebunt aurea mala Arboris: Uraniae qualia vultus habet. Vis, ut in Orchestrarli prorumpant plana viarum? Et fiat campus, quod fuit antè domus? Nulla mora est: subitis mutabo frondibus urbem. Uva teget colles: vestiet arua seges. Silenus tardo curvus gradietur asello: Et Fauni comités otia runs agent. Protinus, ad nutum, simulati germina Veris, Hórrida momento depopulatur hyems. Crinitum calvus Majum migrare December Coget: et in scenam grando nivesque cadent. Nonnunquam veros imitamur fulminis ignes. Insternit canam saxeus imber humum. Audiet ipse Tonans, dicetque: hic nubis hiulcae Esse solet strepitus, cùm mea tela probo. Efficiam, celeres ut libret lignea pennas, Ac volet occultis acta columba rôtis: Indicet ex auro fabrefactus arane us horas; Visceraque in mensae circinet orbe sua. 11. Adijce jam dictis me praesagire futura. Vulgo fatidici numinis esse locò. Dij sumus in terris: ñeque nobis major Apollo est; Intra cortinam mugiat usque licèt: Multaque ab Aonio spiret praesagia luco; Concitet et sacras Phocidos omnis aquas. Nos paria audemus sine motu fontis equini. Nulla per obscurum sibilat aura nemus.
192 Uva] B; VuaA
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reich an Volk Japan, Florida bringt nur Dornen und Waffen hervor. Schau, dort liegen die oft besungenen, glücklichen kanarischen Inseln, von denen der prächtige Vogel seinen Namen hat. 10. Ach, ich sprach noch nicht vom Theater, noch nicht vom Übrigen. Öffne nun, Urania, bitte, dein Herz, wie ich es wünsche. Ich will eine Bühne schweben lassen, die durch keine Balken gestützt wird. Gleichwohl möchte man schwören, sie werde gestützt, so sehr knarrt der Apparat. [180] Aus Wolkengerüsten werden Pferde des Mars herniederschweben und sich auf die Theaterszene senken. Wenn ich es will, werden Säulen aufgerichtet und es erhebt sich ein mächtiger Tempel dort, wo ein künstlicher Meeresgott Wasser hat zurückströmen lassen. Kaum wendest du dein Auge, schon klafft eben dieses Gerüst auf, und sogleich wird der fruchtbare Garten der Hesperiden erstehen. Blumen werden lachen, lachen werden die goldenen Äpfel am Baum, ganz so, wie Uranias Antlitz sie hat. Möchtest du, daß auf der Bühne ebene Wege entstehen, und das zu Feld wird, was eben noch ein Haus war? [190] Ohne Verzug werde ich die Stadt mit plötzlich sprießendem Laubwerk vertauschen, Weinreben werden die Hügel bedecken und Saat die Fluren kleiden. Der gekrümmte Silen wird auf einem säumigen Esel daherkommen, und Faune als seine Begleiter der ländlichen Muße pflegen. Sogleich aber wird auf einen Wink hin schrecklicher Winter in einem Hui die zarten Pflanzen des vorgetäuschten Frühlings verwüsten, der kahle Dezember wird den laubreichen Mai zum Abzug zwingen und auf die Szene werden Hagel und Schnee fallen. Bisweilen bilden wir richtige Feuerblitze nach und ein Steinregen bedeckt grau den Boden. [200] Der Donnerer selbst wird es hören und sagen: »So kracht gewöhnlich eine berstende Wolke, wenn ich meine Geschosse erprobe.« Ich werde es fertig bringen, daß eine hölzerne Taube schnell die Flügel schlägt und fliegt, von verborgenen Rädern getrieben. Eine aus Gold gefertigte Spinne wird die Stunden anzeigen und ihre Eingeweide auf einer runden Tafel kreisen lassen. 11. Nimm noch hinzu, daß ich die Zukunft vorhersage und allgemein als schicksalkündende Gottheit gelte. Wir sind Götter auf Erden, und Apollo ist nicht größer als wir, mag er auch in seinem Orakeigefaß immerzu brüllen, [210] vom aonischen Hain zahlreiche Weissagungen hauchen und die heiligen Gewässer von ganz Phokis aufregen. Wir wagen ein Gleiches, ohne den Roßquell Hippokrene zu bewegen, und kein Lufthauch streicht zischend durch den dunklen Hain. Wir verschmähen den Dreifuß und verlassen uns ganz auf die Sterne. Von ihnen hängt
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Spernentes Tripodem, solis innitimur astris, Pendet ab his nostri Diphthera vera Iovis. Hinc derivamus monitus: arcanaque Fata Monstrant Oleniae vellera visa Caprae. Quid matutinae dubi tanda crepuscula lucis; Quid seras Vesper, noxque soporque vehant. Quid vacuo cornu, quid pleno nunciet ore Luna: quid expallens, aut rubicunda genas. Praelia ventorum, ventisque tonitrua mista, Frigoraque, et madidos, vel sine nube dies, Signamus Fastis; multò praedicimus antè Ubertatis opes, bella, venena, famem. Ex nobis sterilis, vel opimus discitur annus. Scita Kalendarum continet ista liber. Praedico: nisi, te, nisi me tibi junxeris uni: Omine non fausto cuncta sinistra cadent. Assensum praebe: totus consentiet aether: Laetaque cantantes experieris aves. 12. Utque velis (utinamque velis) haec splendida, nostro Quantumvis voto dona minora cape. Quod référât varias, Vitrum tibi mitto trigonum, Irides, et pictis atria plena rosis. Apparent viridi pendentes aere silvae; Hyblaque cum pratis, Coryciumque nemus. Florida in acclives cuneos tentoria surgunt: Qualis et in tremulis fiamma renidet aquis. Colludunt beryllus, onyx, hyacinthus, jaspis. Multus ubique color, nullus et omnis adest. Praeterea donanda tibi debetur Imago. Prima quidem facies, lurida, curua, minax. Si plebs aspiciat rudis atque ignara: Medusam Anguineis cinctam crinibus esse putet. Admoveas oculum puncto: spectabis Adonin. Acis erit, Sponsus, Siceli Nympha, tuus. Me miserum! nostro nova si Galatea moveris Nequidquam ingenio, difficilisque manes. Quid? quòd in abstrusos rerum simulacra recessus Adriaco fundam qualiacunque tubo. Plenus fusilibus formis immittitur aër: Qua cerebrum noctu Morpheus arte subit. Protinus antipodes nanos objecta papyrus Excipit. erectos altera Charta refert.
215 astris,] A; astris. Β 216 Iovis] A; Jovis Β 225 Fastis;] Fastis A; fastis; Β 234 cape.] cape, Α,Β 244 lurida, curua] A; lurida cura Β 254 cerebrum] A; crebrum Β 256 Excipit.] A; Excipit Β
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115 unseres Juppiters Deutung des wahren Felles der Amalthea ab. Von ihnen leiten wir die Mahnungen her, und das genau besehene Fell der olenischen Ziege eröffnet das verborgene Schicksal. Was das Zwielicht des anbrechenden Tages und was der späte Abend, die Nacht und der Schlaf bringen, [220] was Luna mit schmaler Sichel und was sie mit vollem Gesicht kündet, was, wenn ihre Wangen bleich sind oder rot schimmernd, auch Kämpfe der Winde und Donnerschläge, die die Winde begleiten, Kälte und feuchte oder wolkenlose Tage - dies alles verzeichnen wir in den Fasten. Wir kündigen lange im Voraus üppige Ernten an, Kriege, Anschläge und Hungersnot; von uns kann man erfahren, ob ein Jahr unfruchtbar oder besonders ertragreich sein wird. Das Buch des Kalenders enthält all dies Wissen. Ich sage dir voraus: Wenn du dich nicht mir allein und mich nicht dir verbindest, wird dir unter üblen Vorzeichen alles zum Schlechten geraten. [230] Willige nur ein, und der ganze Himmel wird zustimmen, und du wirst erfahren, daß dir die Vögel glückbedeutend singen. 12. Und damit du das willst (o daß du es doch wollen mögest!), nimm diese glänzenden Geschenke entgegen, wenn sie auch hinter der Größe meines Verlangens zurückbleiben: Ich sende dir ein Prisma, das die verschiedenen Regenbogenfarben wiedergeben kann und eine Halle voller buntfarbiger Rosen. Es erscheinen in ihm in grünlicher Luft schwebende Wälder, der Hyblaberg mit seinen Wiesen und der korykäische Hain. Blumenzelte erheben sich zu ragenden Kegeln und eine Flamme, wie sie in bewegtem Gewässer widerscheint. [240] Ineinander spielen Beryll, Onyx, Amethyst und Jaspis, überall zeigen sich zahlreiche Farben, präsent ist keine und jede. Außerdem muß ich dir noch ein Bild schenken: Der erste Anblick erscheint bleich, gedrückt und drohend; wenn eine rohe und ungebildete Menge es betrachtet, mag sie glauben, es stelle Medusa dar mit ihrem Kranz von Schlangenhaaren. Wenn du aber den richtigen Augenpunkt einnimmst, wirst du einen Adonis sehen. Es wird Acis, dein Bräutigam, sein, sizilische Nymphe. Ach ich Armer, wenn du dich als eine neue Galatea ganz und gar nicht von meinem Einfallsreichtum bewegen läßt und unzugänglich bleibst! [250] Was sagst du dazu, daß ich Abbilder von Dingen aller Art in verborgene Winkel mit einem venezianischen Glasrohr spiegle; ein kräftiger Luftstrom wird in flüssige Formen geblasen, wie Morpheus zur Nacht unvermerkt in das Gehirn eindringt. Sogleich nimmt ein dagegen gehaltenes Stück Papier als Gegenfußler Zwerge auf, ein zweites Blatt gibt sie aufrecht wieder. Wehe mir, daß sich auch ein Zwerg mit eingeschlichen
Heu mihi! quòd nanus quoque se penetraverit unà, Certa nimis figens tela Cupido puer. Improvisus enim tacitas immiscuit alas: Et nunc in vacuo pectore regnat Amor. Adijcimus speculum, quod nos conflavimus ipsi. Vix hoc crystallus clarior esse potest. Utile, cùm Libyco distingues pectine crines: Aut quoties formam conciliare cupis. Insuper, oppositum Soli, me luce reflexâ Exhibet. ingenio disce favere meo. Hoc igitur, donec firment connubia taedae, Perpetuum nostri pignus amoris habe.
266 ingenio] A; Ingenio Β
117 hat, der mich mit allzu treffsicheren Pfeilen durchbohrt: der Knabe Amor. Unversehens hat Amor nämlich seine lautlosen Flügel ins Spiel gebracht und herrscht nun in meinem bisher noch freien Herzen. [260] Wir fügen einen Glasspiegel hinzu, den wir selbst kunstvoll gefertigt haben - selbst ein Kristall kann nicht klarer sein als er. Er ist nützlich, wenn du mit libyschem Kamme deine Haare ordnest oder sooft du deine Schönheit wiederherstellen willst. Darüber hinaus zeigt er, wenn er der Sonne entgegenblickt, mich im Widerschein des Lichtes. Lerne also, meinem Genie gewogen zu sein! Behalte ihn also, bis die Hochzeitsfackeln unseren Bund besiegeln, als beständiges Unterpfand unserer Liebe!
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URANIA ALLONIO PHISCONI MATHEMAnCO. Argumentum EPISTOLAE SEXTAE.
URania, postquam Astrologi fastuosam Epistolam perlegerat; puellari genio commota, fastuosè respondet: et Mathematici delirijs, superbisque et inanibus promissis festivè illudit, more Virginum invisos procos explodentium. Synopsis. 1. Vranie Allonij Mathematici lenocinantis exspectationi nequidquam respondet. miratur Thrasonicum scribendi modum, et jactantiam. 2. Admirabile speculum, arrhae loco missum, vitreumAmoris pignus, nescio quo casu statim confractum esse fatetur: malo ornine. [84] 3. Suspectât ergo amorem mittentis tam fragile munus. 4. Sed et immanis Sapientiae fastum, nimiamque artium congeriem. 5. Idem queri etiam multos Principes, à Mathematicis deceptos; sumptibus in ventum effusis. 6. Cum omnia se novisse jactet; cur non et sponsam suam ex vero divinare pos sit? 7. Plurium Mathematicorum Fasti falsi, fastus veri; tamen inanes. 8. Asinum quandoque, Venatoribus tempestatem imminentem veriùs praenunciâsse auribus quàm Astrologum oculis. 9. Displicere quoque impietatem, monstra fabulosa Veterum in coelo observantium, et tantum non adorantium. 10. Qui fiat, quòd de coelo disputantes, toto coelo nonnunquam aberrent? 11. Astrologorum eclipses plures esse, quàm Solis et Lunae: constantemque famam tenere, ab inspectis sideribus multos sideratos fieri. 12. Supervacua proci sollicitudine moneri Uraniani, utproprij nominis sit memor: [85] quando ex ipso nomine commonita, astrorum Conditorem jam olim praetulerit eorum vanissimis duntaxat observatoribus. 13. Dei unius aspectu se satiari posse.
V. 171-182 bei Thill A 1 perlegerat;] A; perlegerat Β S 1 miratur] A; Miratur Β S 2 loco] A; locò Β
119 Urania an den Mathematicus Allonius Phisco Inhalt des sechsten Briefs Nachdem Urania den hochfahrenden Brief des Astrologen gelesen hat, antwortet sie, von mädchenhaftem Schalk getrieben, hochfahrend und verspottet geistreich die Hirngespinste und die stolzen und nichtigen Versprechen des Mathematicus so, wie Mädchen verhaßte Freier abfertigen. Übersicht 1. Urania entspricht der Erwartung des buhlerischen Mathematicus in keiner Weise. Sie drückt ihre Verwunderung aus über seine bramarbasierende Art zu schreiben und über seine Anmaßung. 2. Der bewundernswürdige Spiegel, den er ihr als Unterpfand geschickt habe, ein gläserner Beweis seiner Liebe, sei, wie sie bekennt, durch irgendein Mißgeschick sogleich zerbrochen - ein böses Vorzeichen. 3. Sie beargwöhnt also die Liebe dessen, der ein so leicht zerbrechliches Geschenk schickt. 4. Aber auch den Stolz auf gewaltiges Wissen und eine allzu umfangreiche Anhäufung von Kenntnissen. 5. Dasselbe beklagten auch viele von den Mathematici getäuschte Fürsten, nachdem große Ausgaben sich in Lufi aufgelöst hätten. 6. Wenn er sich rühme, alles zu wissen, warum könne er dann nicht auch seine Braut wahrhaft erahnen? 7. Bei recht vielen Mathematici ist der Kalender falsch und nur der Hochmut echt und doch nichtig. 8. Ein Esel habe einst Jägern das drohende Unwetter mit seinen Ohren zutreffender angekündigt als ein Astronom mit seinen Augen. 9. Ihr mißfalle die mangelnde Frömmigkeit derer, die fabelhafte Wundergestalten der Alten am Himmel beobachteten und beinahe anbeteten. 10. Wie komme es, daß Leute, die über den Himmel disputierten, manchmal vollkommen im Irrtum seien? 11. Die Finsternisse der Astronomen seien zahlreicher als die von Sonne und Mond; und sie hätten den beständigen Ruf, daß viele durch Betrachten der Sterne konsterniert würden. 12. Überflüssig seien seine Besorgnisse als Freier, mit denen er Urania erinnere, ihres Namens eingedenk zu sein; denn gerade durch ihren Namen daran gemahnt, habe sie schon längst den Schöpfer der Sterne deren nur höchst eitlen Beobachtern vorgezogen. 13. Nur durch das Anschauen des Einen Gottes könne sie gesättigt werden.
120 URANIA ALLONIO PHISCONI MATHEMANCO.
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1. U T tua laxata est filis, et Epistola lecta: Sensimus insolitis cor tremuisse modis. Obstupui confusa genas; et fronte relictâ Surrexere comae: diríguique gelu. An Deus, an magus est, scripsit qui talia, dixi: Tantaque promittens, ater an albus homo est? Quòd mihi Magnetis tribuas sine pondere vires; Scimus, adulanti quae sit habenda fides. Non traho te, quod ais. sua quemque insana voluptas, Ac te praesertim stulta libido trahit. Candori ignoscas. non sum me judice tanti; Inter formosas ut nigra gemma vocer. Scilicet ante nefas illustria nomina dantur. Post scelus, abjectum stramen et alga sumus. 2. Forma pudorque bonum fragile est. sed firmius, opto, Propositum maneat, quàm tua dona, meum. Confiteor: speculi missum mirabile munus Decidit in terram. futilis orbis erat. Frusta jacent dispersa solo, tua numina testor, Sacra Syracosij quae colis ossa senis. Dum manibus servans conum explorare laboro; Elapsus subitò, me renuente, fuit. Forsan et ipse tuus vitro splendente probetur Non durabilior, qui simulatur, amor. Iridis utque color, te judice, nullus et omnis; Sic amor apparens, nullus et omnis adest. Falluntur donis speciosis saepe puellae: Quomodo viscatae decipiuntur aves. 3. Si verum est, quod amas: cur non ex aere polito Misisti solidum, nobilis auctor, opus? Vitrea non durant paseentia muñera VISUM. A minimo flatu talis arena perit. Nec tu succense. facilis jactura bonorum: Qualia Fortunae cernimus esse levis. Anne coruscantis credebas atque subacti Pulveris aspectu, me potuisse capi? Atqui non soleo nitidis specularibus uti: Cura nec Idalij pectinis ulla tenet.
11 ignoscas.] A; ignoscas, Β 12 nigra] Β; nigra, A 15 est.] A; est, Β opto A; firmius opto Β 22 renuente,] Β; renuente A fuit.] fuit, A,Β
firmius, opto,] firmius, 35 Anne] A; Tune Β
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121 Urania an den Mathematicus Allonius Phisco 1. Als ich deinen Brief von der Umschnürung befreit und gelesen hatte, fühlte ich mein Herz auf ungewohnte Weise klopfen. Mit geröteten Wangen war ich wie betäubt; über meiner Stirn stand mir das Haar empor und ich wurde starr vor Kälte. Ist es ein Gott oder ein Magier, der solches geschrieben hat, so fragte ich; und wer so Gewaltiges verspricht, ist der ein Schurke oder ein Biedermann? Wenn du mir die unwägbaren Kräfte eines Magneten zuschreibst, so weiß ich, wie wenig man einem Schmeichler Glauben schenken kann. Nicht ich ziehe dich an, wie du sagst, sondern jeden zieht sein unsinniges Verlangen und dich besonders deine törichte Begierde. [10] Bitte, verzeih mir meine Offenheit. Meiner Meinung nach bin ich nicht so viel wert, daß ich unter den Schönen eine dunkle Perle heißen könnte. Vor dem Frevel gibt man uns gewiß glänzende Namen; nach der Untat sind wir gemeine Streu und Tang. 2. Schönheit und Keuschheit sind gebrechliche Güter; aber stärker, so wünsche ich, soll mein Vorsatz bleiben als deine Geschenke. Gestehen muß ich: das wunderbare Geschenk, der Spiegel, den du mir gesandt hast, fiel zu Boden. Zerbrechlich war die runde Scheibe, verstreut liegen die Scherben am Boden. Deine Schutzmächte rufe ich zu Zeugen an, die Gebeine des syrakusischen Greises, die du als heilig verehrst: [20] Während ich den Griff in Händen halte und ihn untersuchen will, ist er mir plötzlich, gegen meinen Willen, entglitten. Vielleicht erweist sich auch deine vorgespiegelte Liebe als nicht haltbarer denn das glänzende Glas. Wie beim farbenschillernden Prisma nach deinem Urteil keine und jede Farbe vorkommt, so ist deine zur Schau gestellte Liebe nirgends und überall da. Durch glänzende Geschenke lassen sich Mädchen oft täuschen, wie Vögel betrogen auf den Leim gehen. 3. Wenn es wahr ist, daß du liebst, warum hast du dann, edler Spender, nicht aus polierter Bronze ein haltbares Geschenk gesandt? [30] Geschenke aus Glas, an denen sich der B L I C K weidet, sind nicht beständig. Der geringste Hauch zerstört ein solches Gebilde aus Sand. Du aber zürne nicht: Leicht zu ertragen ist der Verlust von Gütern, wie es die der flüchtigen Fortuna nach unserer Einsicht sind. Glaubtest du wirklich, ich könne durch den Anblick von funkelndem verarbeitetem Sand gewonnen werden? Doch ich pflege keine glänzenden Spiegel zu benutzen, und ich interessiere mich keineswegs für den Kamm der idalischen Venus. Wenn
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Siqua volet Virgo dimitiere nominis usum, Et castum certa jüngere lege torum: Haud ea propter opes, aut dona fugacia nubet: Mutua legitimus foedera sancit amor. Plùs multò est, votis quòd me certantibus ambis: Innuba, quòd videor digna favore tuo; Quòd miré solers opifex spectacula centum, Mille novas artes polliceare mihi. Metator coeli, Geometres, Pictor, Aruspex, Augur, Schoenobates, nauta, Tragoedus ades: Magna, nec invideo, magnasque moventia mentes Nomina. Dent Superi plura, dabuntque, precor. 4. Ah, tener Allonil quandoque scientia, ne nos Strangulet, est numero diminuenda suo. Divide tot dotes: non suffîcis omnibus unus. Vitibus haud prodest luxuriare nimis. Jugera destituunt malè multiplicata colonum. Proficit exiguo limite cultus ager. Quòd benè te jactes, et grandia verba loquaris; Nautica quae flatu trudere vela queant. Si non ardelio es, certè potes esse videri. Talis ego conjux ardelionis ero? Bellus es arte lyrae, quantus fuit Attalus olim: Depositaque lyrâ, bellus es arte pilae. Credamus: neque enim mihi sit dubitabilis ille, Concita qui sistit flumina, pigra movet. Qui trutinat montes, terrant metitur et undas. Vix ego te possim, PHISCO, negare Deum. 5. Explorare libet. speculeris in aëre tantùm, Scitor; an et justum te duce surgat opus? Nam, nisi me fallo, successus judicat artes. Eventus pretij libra fit apta sui. Multa quidem spondes: tarnen experientia mussat: Famaque non timidè testificata negat. Arte tua, coluber vel aranea nunciat horas! Saepe nec ad Solem tangís, amice, scopum. Vidimus errantes bene correxisse cylindres, Custodem nostri Baucida nuis anum. Quas tabulas, bone vir, muro depangis aprico, Retrahe ad octonos, dixerat illa, pedes. Fecit: et in puncto Lampas Titania tempus Reddidit; umbrantem restituitque stylum.
57 loquaris;] A; loquaris! Β
67 libet.] A; libet, Β
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123 ein Mädchen diesen Stand aufgeben und eine reine Ehe nach festem Gesetz eingehen will, [40] dann wird sie nicht des Besitzes oder vergänglicher Gaben wegen heiraten: Den beide bindenden Vertrag macht rechtmäßige Liebe unverbrüchlich. Viel mehr bedeutet es mir, daß du mit wetteifernden Worten um mich wirbst, daß ich, noch unverheiratet, deiner Gunst würdig erscheine, da du ja, erstaunlich kunstfertiger Erfinder, mir hundert Darbietungen, tausend neue Kunststücke versprichst. Als Vermesser des Himmels, Geometer, Maler, Opfer- und Vogelschauer, Seiltänzer, Seemann und tragischer Schauspieler trittst du auf: Große Titel, neidlos gebe ich es zu, die große Geister bewegen. Die Götter mögen, so bitte ich, und sie werden dir noch mehr gewähren! [50] 4. Ach, zarter Allonius, bisweilen müssen die Wissenschaften, damit sie uns nicht ersticken, in ihrer Vielfalt vermindert werden. Beschränke dich auf einen Teil so vieler Gaben; als Einzelner genügst du nicht allen. Dem Weinstock tut es nicht gut, allzu üppig zu treiben. Sinnlose Vermehrung der Anbaufläche enttäuscht den Bauern. Guten Ertrag bringt ein kleiner, aber wohlbestellter Acker. Daß du dich trefflich rühmen und gewaltige Worte sprechen magst, die mit ihrem Wind Segelschiffe vorwärtstreiben könnten - wenn du kein geschäftiger Müßiggänger bist, so kannst du doch so erscheinen. Und ich soll die Gattin eines solchen Müßiggängers sein? [60] Du bist gut auf der Lyra, wie es einst Attalus war. Legst du die Lyra beiseite, bist du gut im Ballspiel. Wir wollen es glauben, denn ich will ja keine Zweifel hegen an einem, der reißende Flüsse zum Stehen bringt und stehende in Bewegung setzt, der die Berge wägt und Erde und Meer ausmißt: Ich könnte wohl kaum leugnen, PHISCO, daß du ein Gott bist. 5. Ich will einmal nachforschen und wissen, ob du nur in der leeren Luft herumschaust oder ob unter deiner Leitung auch ein rechtes Werk entsteht. Denn wenn ich nicht irre, so urteilt der Erfolg über die Künste. Zur wahren Waage des Wertes wird erst das Ergebnis. [70] Gewiß versprichst du vieles, jedoch die Erfahrung spricht nur kleinlaut und die Fama schweigt von dem, was du so forsch versicherst. Mit deiner Kunst verkündet eine Schlange oder eine Spinne die Zeit. Aber oft erreichst du das Ziel nicht einmal bei Sonnenlicht, mein Freund. Haben wir doch gesehen, wie die alte Baucis, die Hüterin unseres Landes, die irrige Bogenbahn erfolgreich korrigiert hat. Die Tafel, guter Mann, die du an der sonnenbeschienenen Wand anbringst, so sprach sie, die verkleinere auf acht Fuß. Er tat es, und genau zeigte das Sonnenlicht die Zeit an und stellte den schattenweifenden Stab wieder richtig ein. [80] Das ist der Reiz, dies die Gewähr und das der Ruhm eurer
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Hic lepor, ista fides, haec coetûs gloria vestii! Cum jactas, istud provenit, Arte mea. Arte tua nitens pennis testudo volabit! Fac priùs, ut plano tramite repat humi. Arte tua volucrem ceram librabis in auras. Icarus es, quando Daedalus esse cupis. Arte tua, magni sumptu pereunte canalis, Nil profecturis fontibus haesit aqua. Arte tua, steterant quae próxima culmina coelo, Diruta succusso procubuere solo. Sic loculi procerum, regum fraudan tur hiatus. Dum struitis lapides, dilapidatis opes. 6. Multa Mathematicus temeré promittit; et audet. Facta tarnen verbis inferiora scias. Si potes è medio proferre oracula coelo; Et supra Phoebum Pieridesque sapis: Fac Domino lucrosa suo Sapientia prosit. Eja: tibi vates vaticinare priùs. Cujus in amplexus ibis? quando omnia nôsti; Cur nescis Sponsae foedera certa tuae? 7. Jactatis vanos, ventosa Volumina, Fastos: Fata Sibyllarum ceu veneranda decern. Plurima narrantur Graias visura Calendas: Somnia, Prudentum non meritura fidem. Signatum Nonis, implebitur Idibus: Idus Praedictas, Nonis saepe videmus agi. Venduntur positis carò mendacia nummis. Pro verbis, populus cogitur aera dare. Heu, miseris tanti constant exordia Jani! An non dicatur Janus hic esse biceps? Nec modò bifrontem, sed eundem et saepe bilinguem Invenías, gemino friget et ore calet. O quoties signum nivis algorisque tremendi Ponitur: et Zephyris mollibus aura tepet! O quoties tepidùm stillans promittitur Auster: Aruaque cum fluvijs, flante Aquilone, rigent! Versuti quales jam notae fraudis agyrtae; Undosum populo circumeunte forum; Pro botris fungos, pro baccis poma loquuntur: Allia pro caepis, pro cerasisque nuces. Qui non vult falli, teneat contraria Fastis. Fixa leget quoties nubila; nulla legat.
81 vestii!] A; vestii; Β 83 pennis] A; poenis Β 104 Somnia, Prudentum] A; Somnia prudentum Β Heu Β 116 rigent!] A; rigent? Β
volabit!] A; volabit; Β 89 tua,] A; tua Β 107 nummis.] A; nummis, Β 109 Heu,] A;
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125 Zunft! Das kommt dabei heraus, wenn du dich rühmst: »Durch meine Kunstl« Durch deine Kunst wird eine Schildkröte mit Flügeln fliegen - sorge lieber dafür, daß sie auf ebenem Pfad am Boden kriecht. Durch deine Kunst wirst du mit Wachs befestigte Flügel in die Lüfte schwingen - ein Icarus bist du, wenn du ein Daedalus sein willst. Durch deine Kunst wurde der Aufwand für die große Röhre vertan und ihr Wasser stockte, so daß die Brunnen zu nichts nütze waren. Durch deine Kunst brachen die Giebel entzwei, die beinahe bis zum Himmel reichten, und stürzten mit Dröhnen zur Erde. [90] So werden die Schatullen der Vornehmen und die begehrlichen Kassen der Könige betrogen: Während ihr Steine aufeinander türmt, verschleudert ihr die Schätze. 6. Vieles verspricht der Mathematicus übereilt und beginnt es kühn; man weiß jedoch wohl, daß die Taten hinter den Worten zurückbleiben. Wenn du die Orakelsprüche aus dem Himmel selbst hervorholen kannst und weiser bist als Phoebus und die Musen, dann sorge auch dafür, daß diese Weisheit ihrem Herrn Gewinn und Nutzen bringt. Auf, Prophet, prophezeie für dich selbst zuerst. Wer wird dich umarmen? Wo du doch alles weißt, warum kennst du nicht die dir bestimmte Braut? [100] 7. Ihr prahlt mit euren nichtigen Kalendern, diesen aufgeblasenen Büchern, wie mit den verehrungswürdigen Schicksalssprüchen der zehn Sibyllen. Von sehr vielen Dingen sprecht ihr, die noch die griechischen Kaienden erleben werden: Träume, die bei den Klugen keinen Glauben finden werden. Was für die Nonen eingetragen ist, wird an den Iden Erfüllung finden; was für die Iden angekündigt ist, sehen wir oft an den Nonen geschehen. Für bares Geld werden teuer Lügen verkauft, das Volk muß für bloße Worte sein Geld geben. Ach, die Armen kommt der Beginn des Januars teuer zu stehen. Sollte man etwa nicht sagen, daß dieser Janus doppelköpfig ist? [110] Und man findet ihn wohl nicht nur doppelköpfig, sondern oft auch doppelzüngig, mit zwei Gesichtern ist er kalt und heiß. O wie oft steht da das Zeichen für Schnee und schreckliche Kälte, - und die Luft ist lau von mildem Westwind. O wie oft wird feuchtwarmer Südwind verheißen, - aber unter dem Wehen des Nordwinds erstarren Fluren und Flüsse! - Wie Jahrmarktsverkäufer mit ihrer bekannten Verschlagenheit, während das Volk auf dem wogenden Markt umherzieht, statt Trauben Pilze sagen, statt Beeren Äpfel, Knoblauch statt Zwiebeln und statt Kirschen Nüsse. [120] Wer sich nicht täuschen lassen will, soll sich an das Gegenteil dessen halten, was der Kalender ankündigt; sooft er die Voraussage »bewölkt« liest, soll er »wolkenlos« lesen; statt Regen soll er heiteres
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Pro pluvia sudum; glaciem pro fulmine ponat. Vincet ridiculas hac ratione minas. Aestus erit? densas ursi circumspice pelles; Pluraque languenti suffice ligna foco. Acre gelu? nullas opus est conducere vulpes. Arcebit gelidum trita lacerna Jovem. Fumabit rapidis fortasse vaporibus aër: Haud aliter, quàm cùm Sirius urit agros. Saepius agricolae discernunt doctiùs Annum: Perque suas numerant tempora certa vices. Praecipiunt ventos: (horum quoque gratia fratrum, Rara; nec Hippotades abnegat ipse pater.) Praesensuque notant discrimina Solis in ortu: Ancipites Lunas, Mercuriique dolos. 8. Auriculas asini vestris Rex praetulit unus. Dixerat his motis: demite frena; pluet: Cumque reducendis venatica plaustra molossis Sistite. caeruleis imminet imber aquis. Unus ad haec ringens: quae vani caussa timoris? Panicus inceptum cur remoratur iter? Venari jubeo. nihil hie discriminis. aura Dianae studijs aptior esse nequit. Ite bonis avibus: constans promitto serenum. Ite bonis avibus: certior, auctor ego. Itur. itum vix est: cùm Juppiter omnis, et omnis Iuno madet. nimbi, quà data porta, ruunt. Abruptique micant laceratis nubibus ignes, Cum tonitru. relegit tota caterua viam. E campo reduces Asinus clamore feroci Excipit; et rauco fortiùs ore rudit. Vapulat Astrologus furcis, sannisque jocisque. Caetera continuus poena cachinnus erat. Riserunt Dryades: risere et Oreades omnes; Et Satyri bifido subsiliere pede. Arcadicam pecudem placuit redimire coronâ, Sumptâ de ramis, Thessala Virgo, tuis. Iudice me, quadrupes ostro velandus, et alta Prae Tychone fuit dignus ad astra rapi. Iamque ilio radiare loco: quo Castoris albus Fulget, et alatus Bellerophontis Equus. 9. Prò! quae monstra Polo miseri statuistis utroque. Stridet apud Boream major et Vrsa minor.
124 hac] A; haec Β 138 frena;] A; frena: Β 143 jubeo.] A; jubeo Β 146avibus]B;canibusA 147 omnis,] A; omnis Β 148 Iuno] A; Juno Β nimbi,] A; nimbi Β 158 ramis,] A; ramis Β Virgo,] A; Virgo Β 159 ludice] A; Indice Β 161 Iamque] A; Jamque Β 162 Equus] B;
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127 Wetter, Eis statt Gewitter setzen. So wird er mit den lächerlichen Drohungen fertig werden. Es soll Hitze kommen? Sieh dich nach einem dichten Bärenfell um und leg mehr Holz auf dem erkaltenden Herd nach. Scharfe Kälte? Man muß keinen Fuchspelz kaufen: Ein abgetragener Mantel wird die Kälte des Himmels abwehren; vielleicht wird die Luft von rasch dahinziehenden Dünsten dampfen, nicht anders, als wenn Sirius die Felder sengt. [130] Häufig unterscheiden die Bauern den Jahreslauf mit besserer Kenntnis und zählen genau die Zeiten nach ihrem Wechsel. Sie sehen die Winde voraus. (Auch diese Brüder sind sich selten einig, das leugnet selbst ihr Vater Aeolus nicht.) Bei ihrer Vorahnung achten sie auf die Unterschiede der Sonne beim Aufgang sowie den Wechsel des Mondes und die Listen Merkurs. 8. Die Öhrchen eines Esels zog ein König den euren vor; sie bewegten sich und der König sprach: »Nehmt die Zügel ab, denn es wird regnen. Führt die Molosserhunde zurück und laßt die Jagdwagen anhalten: Es drohen dunkle Regengüsse.« [140] Darauf erwiderte einer unwillig: »Was ist der Anlaß für die grundlose Angst? Warum hemmt panischer Schrecken den begonnenen Auszug? Ich heiße euch jagen, hier ist keine Gefahr, das Wetter könnte für Dianas Vergnügen nicht günstiger sein. Geht mit günstigen Vogelzeichen·, ich verheiße beständigen heiteren Himmel. Geht mit günstigen Vogelzeichen, ich bin ein verläßlicherer Ratgeber.« Man macht sich auf den Weg. Kaum ist man losgezogen, so trieft Jupiter ganz und ganz Juno; aus allen Schleusen stürzen die Regenschauer hernieder. Jäh zucken Blitze aus geborstenen Wolken und es donnert. Die ganze Schar nimmt den Weg zurück. [150] Die vom Feld Zurückkehrenden begrüßt der Esel mit wildem Geschrei und brüllt überaus kräftig mit rauher Kehle. Mit Gabeln, Grimassen und Scherzen stürzt man auf den Astrologen ein, die weitere Strafe war ständiges Lachen. Es lachten die Dryaden und Oreaden alle und die Satyrn tanzten auf gespaltenem Huf umher. Man beschloß, das arkadische Tier mit einem Kranz zu schmücken, der von deinen Zweigen, thessalische Jungfrau, genommen war. Nach meinem Urteil hätte der Vierfüßler in Purpur gehüllt werden müssen und war mehr als Tycho würdig, zu den hohen Sternen hinauf entrafft zu werden [160] und alsbald von jenem Punkt zu strahlen, an dem Castors Schimmel und Bellerophons geflügeltes Pferd leuchten. 9. Ach, was für Ungeheuer habt ihr Elenden an beide Sphären des Himmels geheftet; es braust im Norden der Große und der Kleine Bär dahin, Skorpion,
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Scorpius et Cancer, Delphin, sed et ipse Medusae Inter Centauros trux quoque vultus adest. Hinnit equus, rugit Nemees Leo, sibilat Hydra, Balat ovis, mugit bos, ululantque canes. Augiae stabulum vestii, puto, regia coeli est! Herculis emeriti sudat ubique labor. 10. Adde, quòd inter vos summa est discordia rerum. Quaeque serit litem secta superba novam. Alter enim liquidi nos lactat imagine coeli: Alter idem solido firmius aere putat. Huic stellae per inane natant, ut in aequore pisces: Eli sunt fixae, sicut in orbe globi. Hic probat immoto Terrarn Titane moveri, Producens tabulas, docte POLONE, tuas. Iste negat: totoque, ait, axe Copernicus errat. Sarmata, quis mentem devius error agit? Sarmata, quae patrium gyrat vertigo Booten! Sarmata, quo capitis tegula rupta modo est? 11. Credo equidem, nec vana fides: sine fine tuenti Plurima noctivagas damna creare faces. Multi adeò ex vobis stellis fatalibus icti, Impressum cerebro non leve vulnus habent! Martis obest acies, observatique Triones. Cynthia nocturnum verberat alba caput. Astrologus pernox plures, quàm Luna laborans Creditur eclipses corde animoque pati. Illa tamen redit ad sese, vultumque serenat Fratris ope, et tenebras discutit ore suas. Sed quotus aspecto semel obfuscatus Olympo, Lumen ad amissum judiciumque redit? Ut Phaëthon curru semel est excussus ab alto, Nunquam praecipites deinde recepit equos. Haec tibi sic refero: non quòd jam vulnera passum, Viribus hellebori fortis egere putem. Vivis, et exultas (vivas, precor) integer aevi: Certaque fiorenti sanguine vena tremit. Et rubor in malis, et flos juvenilis in ore: Et validum caput est, ingeniumque micat. Nec non et pretio, nec non et dignus amore: Et peream, si non bellus et aptus homo es. Sed metuo, ne, quod potuit contingere multis, Et tibi contingat. Casus ubique valet.
188 noctumum] A; nocturnum, Β 204 es.] A; es, Β
194 amissum] A; amissum, Β
198 hellebori] B; hellebori, A
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129 Krebs und Delphin·, aber auch Medusas drohende Fratze selbst ist zwischen den Centauren zu sehen. Es wiehert das Pferd, der nemeische Löwe brüllt, die Hydra zischt, das ScAö/blökt, das Rind muht und die Hunde jaulen. Ich glaube gar, daß euer Himmelsschloß der Stall des Augias ist. Überall gibt es schweißtreibende Arbeit für Herakles, der doch zur Ruhe gesetzt ist. [170] 10. Nimm hinzu, daß größte Uneinigkeit über eure Gegenstände unter euch herrscht. Jede Schule schafft hochmütig neuen Streit. Der eine nämlich lockt uns mit dem Bild eines flüssigen Himmels, der andere glaubt, der Himmel sei fester als starkes Erz. Für den einen schwimmen die Sterne durch die Leere wie Fische im Wasser, für den anderen sind sie befestigt wie Kugeln auf einem Ring. Der eine demonstriert, daß bei unbewegter Sonne sich die Erde bewegt, und zieht deine Tafeln, gelehrter POLE, hervor; der andere leugnet das und sagt, daß Kopernikus in seiner Himmelstheorie vollkommen irrt. Sarmate, welch ein Irrtum führt deinen Sinn auf Abwege? [180] Sarmate, welcher Schwindel treibt deinen heimischen Bootes um? Sarmate, auf welche Weise hast du einen Sprung in die Schüssel bekommen? 11. Ich glaube wahrhaftig und es gibt keinen Zweifel, daß bei dem, der sie ohne Unterlaß beobachtet, die bei Nacht umherstreifenden Lichter des Himmels sehr viele Schäden hervorrufen. Daher haben viele von euch, von verhängnisvollen Sternen getroffen, einen deutlichen Gehirnschaden. Die Schärfe des Mars und die Beobachtung des Polarsterns schadet und das fahle Licht des Monds schlägt euch nächtlich aufs Haupt. Ein Astronom, der die Nächte durchwacht, erleidet, so glaubt man, mehr Finsternisse in Herz und Sinn als Luna mit ihrem Wechsel. [ 190] Diese kommt doch wieder zu sich, erheitert mit Hilfe ihres Bruders ihr Antlitz und vertreibt die Finsternis von ihrem Gesicht. Wie wenige aber kehren, wenn sie einmal vom Anblick des Olymp verfinstert sind, zu dem verlorenen Licht und zur Urteilskraft zurück? Seit Phaethon einmal hoch vom Wagen herabgestürzt war, hat er nie wieder dann die kopflos rasenden Pferde in den Griff bekommen. Das berichte ich dir hier nur so, nicht als ob ich glaubte, du hättest diese Wunden schon erlitten und bedürftest der Wirkkraft der starken Nieswurz. Du lebst und freust dich unversehrt deines Daseins (und so möge es bleiben) und fest klopft der Puls prall voll Blut. [200] Röte ziert deine Wangen und Jugendblüte dein Antlitz; gesund ist dein Kopf und dein Geist glänzt; und nicht unwürdig bist du des Preises und bist es auch nicht der Liebe, und ich will des Todes sein, wenn du nicht ein hübscher und brauchbarer Kerl bist. Ich furchte aber, daß auch dir widerfährt, was schon vielen tatsächlich widerfahren ist: Der Zufall ist überall im Spiel. Mit dunklen
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Obscuris volitant passim Infortunia pennis. Sollicitam reddit me tua, PHISCO, salus. Nam quamvis nullas mediter conjungere taedas; Certè aliquem culpâ nolo perire meâ. Parciùs ergo tubis rimantíbus utere coelum: Quippe maligna diu sidera visa nocent. Praecipuè vita Capricorni sidus iniquum. Arietat in frontes: cornibus ora ferit. Post hunc, ingentem metuas Ononis ensem. Imminet hinc capiti maxima plaga tuo. Falx quoque Saturni curuato dente timenda est. Iste senex pueros falce virosque metit. Inflictum nullo cures medicamine vulnus. Vitta piae Matris, cuspide laesa, nocet. Quò magis Aemonios etiam vitaveris arcus. Lucida Nessaeum spicula virus habent. Heu! fuge serpentent, qui nexibus implicai Arcton. Caussa venenatae mortis in angue latet. An dubitas, nocitura tibi, quae brachia curuat Scorpius? in cauda noxia stella sedet. 12. Ah, miser ALLONI! jam saucius esse videris: Qui speres nostri foedus inire tori? Seriùs hoc poscis. dudum praevenit Amator Dignior. alterius jus violare cave. Scribis, ut ex proprio connubia nomine discam: Clara Mathematicum poscere Fata virum. Crede mihi, nondum potavi ilumina Lethes. URANIE memor est nominis usque sui. Ut non displiceas; tamen haud potes esse maritus. Alter nobilior me sibi vinxit Hymen. 13. Non ignoramus, cujus vox illa feratur: Cum Coelum aspicio, quàm mihi sordet humus! Scimus et hoc: visis idem quòd dixerit astris: Pulchrior ô quanto est, qui super astra nitet! nie mihi ante alios, qui me, qui condidit illa, Millibus è multis semper amandus erit. Quantumvis toto me latiùs aethere pascam: Non satiant Animum summa vel ima meum. Despicienda mihi promisit sidera Sponsus. Omnibus ex aequo suspicienda patent.
207 Infortunia] A; infortunia Β 218 falce] A; falce, Β 223 serpentem,] A; serpentem Β 224 venenatae] A; venenato Β 225 tibi,] A; tibi Β 226 Scorpius?] Scorpius. A, Β 228 tori?] B; tori. A 229 poscis.] A; poscis Β 231 nomine] A; numine Β 240 nitet!] A; nitet. Β 244 ima] B; imma A 245 Sponsus.] A; Sponsus Β
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131 Fittichen fliegt allenthalben das Unglück, und die Sorge um dein Heil, PHISCO, beunruhigt mich. Denn obgleich ich nicht beabsichtige, eine Ehe einzugehen, will ich doch keineswegs, daß jemand um meinetwillen verdirbt. [210] Benutze also die Rohre, die den Himmel absuchen, seltener, denn wenn böse Sterne zu lange betrachtet werden, dann schaden sie. Meide vor allem das arge Sternbild des Steinbocks: ET stößt gegen die Stirn und trifft das Antlitz mit seinen Hörnern. Nächst diesem scheue das riesengroße Schwert Orions: Von ihm droht deinem Kopf ein gewaltiger Hieb. Auch die Sichel des Saturn mit ihrer gekrümmten Schneide muß man furchten: Dieser Greis mäht mit der Sichel Jungen und Männer dahin; die so geschlagene Wunde heilt man wohl mit keiner Medizin. Wird das Stirnband der frommen Mutter mit der Lanze verletzt, so schadet das. [220] Um so mehr solltest du den thessalischen Bogen meiden. Die leuchtenden Pfeile tragen das Gift des Nessus. Ach, meide die Schlange, die mit ihren Windungen den Bär umschlingt; der Grund für den Tod durch Gift liegt in der Schlange verborgen. Zweifelst du etwa, daß dir die Zangen, die der Skorpion rundet, schaden könnten? In seinem Schwanz sitzt ein schädlicher Stern. 12. Ach, armer A L L O N I U S ! DU scheinst schon verwundet zu sein! Wie kannst du hoffen, mit mir den Ehebund eingehen zu können? Zu spät verlangst du das; schon längst ist dir ein würdigerer Liebhaber zuvorgekommen; hüte dich, das Recht des Anderen zu verletzen! [230] Du schreibst, ich solle aus meinem eigenen himmlischen Namen meinen Ehegemahl erkennen: deutlich verlange das Schicksal einen Mathematicus als Mann. Glaub mir, noch habe ich nicht aus Lethes Strom getrunken; U R A N I A ist sich stets ihres Namens bewußt. Magst du auch nicht mißfallen, so kannst du doch nicht mein Gemahl sein. Eine andere, vornehmere Ehe hat mich an sich gefesselt. 13. Uns ist nicht unbekannt, von wem jene Äußerung stammt: »Wenn ich den Himmel erblicke, wie ekelt mich die Erde.« Wir wissen auch, was derselbe beim Anblick der Sterne sagte: »O wieviel schöner ist der, der jenseits der Sterne erglänzt.« [240] Der mich und jene geschaffen hat, verdient stets vor anderen meine Liebe - unter vielen Tausenden. Mag ich mich auch weit über den gesamten Äther hin ergötzen, seine Höhen und Tiefen sättigen meinen Geist nicht. Mein Bräutigam hat mir verheißen, ich würde die Sterne unter mir sehen können, - zu ihnen hinaufschauen kann ohne Unterschied jeder.
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S E N S U S II. AUDITUS. Epistolarum LIBER SECVNDVS
DUbites utrùm periculosior utiliorque Animae Sensus sit, Visus an Auditus. De 5 praestantia jam olim disceptatum fuit. Certè aliqui Sancti maluerunt esse caeci, quàm surdi. Caeterum insidiosas hujus Sensûs illecebras Sfanctus] Augustinus] scitè descripsit lib[ro] 10. Confess [ionum] c[apite] 33. Voluptates aurium tenaciùs me implicaverant, et subjugaverant. sed resoluisti et liberâsti me. Nunc in sortis, quos animant eloquia tua; cùm inani et artificiosa voce cantantur, fateor, aliquan- io tulùm acquiesce: non quidem, ut haeream, sed ut Surgam, cùm volo, etc. Audis? etiam sacri Cantus et Psalmorum modulatam suavitatem suspectam habuit. Quid de impudicis cantilenis, jocis inhonestis dicturus erat? Scilicet verba praetextata per aures transmissa, certa sunt incitamenta vitiorum, quandoquidem et ista castum pectus con-[94]vellunt, et assensum delectationis petunt. Vocis suavitas gignit in 15 mente cogitationes, cupiditatesque lascivas, ita Sfanctus] Basileus] Magnus, de vera Virginit[ate]. nam dum dulcía resonant, ad noxia inclinant, ait Gregor[ius] M[agnus] lib[ro] 32. Moral[ium] c[apite] 17. Qui eodem capite explicaturus illa verba: Ossa ejus, sicut fistulae aeris. Job. cfapite] 40. vfersu] 13. totum Argumentum hujus libri de Auditu absolvit. Fistulae, inquit, sonoris apiari cantibus 20 soient: quae admotae auribus, dum blandum Carmen subtiliter concinunt, interiora mentis, in exteriora delectationis trahunt: et, dum dulce est, quod in auribus sonat, virilitatem cordis in voluptatis fluxu débilitât: cumque Auditus ad delectationem trahitur, Sensus ab statu suae fortitudinis eneruatur. Quid Sirenum Cantus aliud indicant, quas multò antè Isaías Propheta in delubris volupta- 25 tis vidit? cfapite] 13. v[ersu] 22. Haec igitur irritamenta expressuri, proponimus primó ipsum Auditum, sonos suos Uraniae vendere cupientem; sed frustra. Deinde Musicum et Poëtam: isti namque aures implent; et scenae vocalis gaudia, sive vera, sive falsa consummant
3 Epistolarum] A; EPISTOLARUM Β 5 Visus] A; Visus, Β Auditus] A; auditus Β 9 subjugaverant.] A; subjugaverant, Β 10/ateor,] A; fateor; Β 13 erat?] Β; erat. A 14 vitiorum,] Β; vitiorum. A 16 ita] A; Ita Β Ϊ9 ejus,] A , ejus Β 19 Argumentum] A; argumentum Β 20Auditu] A; auditu Β inquit,]A; inquit Β 25 Cantus] A; cantus Β 26 vidi'/?] B; vidit. A 27 sonos suos] A; sonos Β
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Der zweite Sinn Das Gehör Zweites Buch der Briefe Man kann wohl unschlüssig sein, ob für die Seele der Gesichtssinn oder das Gehör der gefährlichere und nützlichere Sinn ist. Über den Vorrang unter ihnen wurde schon in alter Zeit gestritten. Tatsächlich wollten ja einige Heilige lieber blind als taub sein. Im übrigen hat der hl. Augustinus die hinterhältigen Verlockungen dieses Sinnes in Kapitel 33 des 10. Buchs der »Bekenntnisse« treffend beschrieben: Die Genüsse der Ohren hatten mich noch fester umgarnt und unterjocht, doch Du hast mich daraus gelöst und befreit. Jetzt überlasse ich mich - ich gestehe es - den Klängen, denen Deine Worte Leben verleihen, für eine kleine Weile, wenn sie von einer eitel aufgeblasenen Stimme kunstreich gesungen werden; jedoch nicht so, daß ich daran hafte, sondern so, daß ich mich erhebe, wenn ich will usw. Hörst du es? Selbst die melodische Süße des Kirchengesangs und der Psalmen war ihm verdächtig. Was hätte er wohl zu schamlosen Gassenhauern und unanständigen Scherzen gesagt? Sind doch zweideutige Worte, die durch das Ohr eingelassen werden, ein wirksamer Anreiz zum Laster, da auch sie ein reines Herz beunruhigen und den Beifall des Genusses einfordern. Die Süße der Stimme erzeugt im Herzen laszive Vorstellungen und Begierden. So der hl. Basilius der Große in »Von wahrer Jungfräulichkeit«. Denn indem Klänge süß tönen, machen sie zum Bösen geneigt, wie Gregor der Große in seinen »Moralia«, Buch 32, Kapitel 17 sagt. Im selben Kapitel faßt er bei der Erklärung der Worte seine Knochen sind wie eherne Röhren (Hiob 40,13) den ganzen Gehalt dieses Buchs vom Gehör zusammen: Röhren, sagt er, werden gewöhnlich für wohlklingende Musik verwendet. Erreichen sie, während sie auf fein abgestimmte Weise ein schmeichelndes Lied erklingen lassen, die Ohren, so verleiten sie die inwendige Vernunft zu einem äußerlichen Genuß. Während der Klang in den Ohren als angenehm empfunden wird, schwächt er die männliche Kraft des Gemüts und läßt es in Lust zerfließen; und indem das Gehör zum Genuß verleitet wird, verliert die Gesinnung die Spannkraft ihrer bisherigen Standhaftigkeit. Was sonst bedeuten die Gesänge der Sirenen, die lange zuvor schon der Prophet Isaias (Kap. 13, V. 22) in den Tempeln der Lust sah? Da wir also vorhaben, diese Versuchungen darzustellen, fuhren wir zuerst den Gehörsinn selbst vor, wie er Urania seine Töne anpreisen möchte - vergebens freilich; darauf den Musiker und den Dichter; denn diese füllen die Ohren und machen die Freuden der stimmlichen Darbietung, mögen sie nun echt oder täuschend sein, vollkommen.
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AV D I Τ V S URANIAE.
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Argumentum EPISTOLAE PRIMAE. TOtus etiam hie Sensus est in explicando dotes suas et conchylia. Sic audientiam petit, et facit. ac, quoniam Visui litem sonoram de praestantia movere non dubitai; in spem venit, fore, ut Urania Auditum tot nominibus meliorem, caeteris Sensibus, ipsique Visui praeponat, Dominae amore dignissimum. Synopsis. 1. Aurium beneficium, non inferius esse beneficio visits. 2. Si nulli auditores, ubi Marci Tullij Ciceronis facundia? audientiâfactâ magnificè perorasse. 3. Surdo nihil esse miserius. 4. Homero certè caecitatem non obfuisse, ad aeternam nominis famam, quam surdus [96] nunquam consecuturus erat, multi alij caeci egregi}: surdi pauci. 5. Auditu nihil aptius ad disciplinas capessendas. 6. Proinde meritò aures gemmis et baccis candentibus coli. 7. Tubâ, Auditûs instrumento, milites ad fortia peragenda vehementer accendi. 8. Quid cantu sive hominum, sive Avium, suavius? 9. Exemplum Monachi, auditâ volucris melodiâ, colliquefacti et rapti 10. Verbo: illum pessimum habe ri, qui malè audiat. AVDITVS URANIAE.
ECquid, ut accepta est, et Epistola venit ad aures, AUDITUM sentis, haec tibi verba loqui? 1. Nec, quia rivalis Visus praevenerit, obstat. AUDITUM primas nunc quoque ferre decet. Ipsa tarnen dubites, si flebilis optio detur, Auribus, anne oculis, orba carere velis. Sunt, tenebras qui noctis ament: modo voce canorâ Praeconis possint eloquioque frui.
S 4 multi] A; Multi Β 7 canorâ] Β; canora A
S 8 Avium] A; avium Β
135 Der Gehörsinn an Urania Inhalt des ersten Briefs Auch dieser Sinn legt sich mächtig ins Zeug, um seine Gaben und seine Pracht auszubreiten. So sucht und verschafft er sich Gehör. Und da er keine Bedenken trägt, mit dem Gesichtssinn einen volltönenden Streit um den Vorrang anzuzetteln, macht er sich Hoffnung, Urania werde einen in so vielen Punkten überlegenen Gehörsinn den übrigen Sinnen und selbst dem Gesichtssinn vorziehen als denjenigen, der die Liebe der Herrin am meisten verdient. Übersicht 1. Die wohltätige Leistung der Ohren sei nicht geringer als die des Gesichtssinnes. 2. Hätte er keine Zuhörer gehabt, wo wäre dann die Beredsamkeit eines Marcus Tullius Cicero geblieben ? Nur weil er sich Gehör verschaffte, habe er so großartig geredet. 3. Nichts sei erbärmlicher als ein Tauber. 4. Seine Blindheit habe Homer zweifellos nicht daran gehindert, den ewigen Ruhm zu erlangen, den er, wäre er taub gewesen, niemals hätte erlangen können. Auch viele andere Blinde seien herausragend gewesen, doch nur wenige Taube. 5. Nichts sei geeigneter, die Wissenschaften mit Eifer aufzunehmen, als das Gehör. 6. Deshalb würden die Ohren zu Recht mit Edelsteinen und strahlend weißen Perlen geschmückt. 7. Durch die Trompete, ein Instrument, das auf das Gehör wirkt, würden die Soldaten mächtig zu tapferen Taten angefeuert. 8. Was gebe es Süßeres als den Gesang von Menschen oder Vögeln? 9. Das Exempel vom Einsiedler, der, als er das liebliche Lied eines Vogels hörte, dahinschmolz und entrückt wurde. 10. Mit einem Wort: Als ganz und gar schlecht gelte einer, der »schlecht« (von sich reden) »hört«. Der Gehörsinn an Urania Merkst du wohl, sobald du den Brief erhalten hast und er dir zu Ohren gekommen ist, daß es DER GEHÖRSINN ist, der diese Worte zu dir spricht? 1. Es macht auch nichts, daß mein Rivale, DER GESICHTSSINN, mir zuvorgekommen ist. Auch jetzt noch steht es DEM GEHÖRSINN ZU, den Hauptpreis davonzutragen. Du selber wärest doch unschlüssig, würdest du vor die traurige Wahl gestellt, ob du eher auf die Ohren oder die Augen verzichten wollest. Manche lieben sogar das nächtige Dunkel, solange sie sich nur an der wohltönenden Stimme und Beredsamkeit eines Herolds ergötzen können.
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2. Quis non optaret Ciceronem audire loquentem? Triste novus strueret si Catilina nefas: Dictunim, ô mores, ô tempora; Conditor Urbis! Hoc ausi cives, Romule Dive, tui! Illa tonaiis Latijs famosa Philippica Rostris, Deciderit quanto Rhetoris ore, putas? Exundare forum: mirari lapsa Senatus Flumina, quae in gyrum lingua diserta rotat. 3. Tale nihil surdus: qui bruti marmoris instar Adstat, et, ut vacuum mente cadaver, hiat. Alloqueris? saxum puisas, blandiris? anhelat. Concinis? ignorans ad tua verba stupet, Non intellectos sermones perdis ad hujus Pasquini statuam. desine plura loqui. Cui bona verba bono? quid solers fabula surdo? Fas sit, eum scopulis annumerare maris. Littoreae cautes dicantur et aequora surda. Quando procellosis sunt agitata Notis. Mors quoque cuncta metens, et inexorabile Fatum; Stagnaque Tartareae surda vocentur aquae Quaeque omnes superat ventos, stygiasque paludes, Ferrea nocturno janua clausa proco. Heu! nimis infelix Fato damnatus eodem: Heu! nimis adverso sidere natus homo. 4. In caecis tarnen esse solet Sapientia quaedam: Ac saepe his duplici faenore major inest. Pro cujus patria decertavere tot urbes, Publica lux vatum, caecus Homerus erat. Caecus Tiresias, tenebris oculatus in ipsis: A U D I T U Vates non minùs ille fuit. Narcissum monuit, sese ut speculumque caveret. Eventus, verum praemonuisse, dedit. Caecus et ille fuit, Mundi qui grande volumen Nullius didicit luminis usus ope. 5. Quisquís in Auditum peccat, vel plectitur ilio Vindice, surdaster fit miserandus homo. Ingenijs faveo, studijsque ex omnibus unus, Si quisquam Musis ingenijsque favet. In cerebri sedem largo Sapientia fluxu Derivata meat, me faciente Viam. Multa trahit secum simulacra scientia rerum. Castalis, est Vatum lympha: canalis ego.
11 tempora;] A; tempora, Β 12 cives, Romule, Dive,] A; cives Romule Dive Β 45 studijsque] Β; studiisque A 46 ingenijsque] Β¡ingeniisque A 48 Viam] A; viam Β 50 Castalis,] A; Castalis Β
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137 2. Wer wünschte sich nicht, Cicero reden zu hören, wie er, wenn ein neuer Catilina ein greuliches Verbrechen vorbereitete, sagen würde: [10] »O Sitten, o Zeiten! Du Gründer der Stadt! Eine solche Tat haben deine Bürger, vergöttlichter Romulus, dreist gewagt!« Kannst du dir vorstellen, wie mächtig der Mund des Redners war, aus dem jene berühmte Schmährede der Philippica von Latiums Rednertribüne herabdröhnte? Da läuft das Forum über, und der Senat bewundert den sich ergießenden Strom, den die beredte Zunge zur Periode rundet. 3. Nichts dergleichen fühlt der Taube; er steht dabei, als wäre er ein Klotz aus Marmor, und sperrt den Mund auf wie ein seelenloser Leichnam. Du sprichst ihn an? Da klopfst du an einen Felsen. Du schmeichelst ihm? Er keucht nur. Du stimmst ihm zu? Er nimmt es nicht wahr und rührt sich nicht auf deine Worte hin. [20] Du verschwendest deine Rede, die unverstanden bleibt, an die Statue dieses Pasquino. Gib es auf, weiter zu sprechen. Wem kommen deine guten Worte zugute? Was soll die sinnreiche Erzählung einem Tauben? Es sei erlaubt, ihn den Meeresklippen zuzurechnen. Taub darf man die Felsen der Küste nennen und die Fluten der See, wenn sie von stürmischen Winden gepeitscht werden. Auch den Tod, der alles dahinmäht, das unerbittliche Schicksal und die langsam fließenden Wasser des Tartarus darf man taub heißen, wie auch das, was jeden Sturmwind und die sumpfigen Gewässer des Styx noch überbietet: das eiserne Tor, das des Nachts vor dem werbenden Verliebten verschlossen bleibt. [30] Weh, gar unselig ist der Mensch, der zu solchem Los verurteilt ist! Weh, unter einem gar zu ungünstigen Stern ist er geboren! 4. Blinde jedoch besitzen gewöhnlich eine gewisse Weisheit, und oft sogar mit doppeltem Ertrag eine größere. Der, dessen Vaterstadt zu sein so viele Städte um die Wette begehrten, die Leuchte aller Dichter, Homer, war blind. Blind war Teiresias, der selbst im Dunkel genau sah; kraft SEINES G E H Ö R S war er nichtsdestoweniger ein Seher. Er warnte Narziß, er solle sich vor seinem Spiegelbild in Acht nehmen. Der Ausgang bewies, daß er zurecht gewarnt hatte. [40] »Blind« war auch der Mann, der den Riesenumfang der Erde erkundete, ohne das Augenlicht zu Hilfe zu nehmen. 5. Wer sein Gehör mißhandelt, an dem rächt es sich gewiß, er wird schwerhörig - ein beklagenswerter Mensch. Ich fördere die geistigen Fähigkeiten und die Studien wie kein anderer, so wahr überhaupt einer die Bildung und die geistigen Fähigkeiten fördert. Die Weisheit fließt in reichem Strom in ihre Wohnung im Gehirn herab, wobei ich ihr die Bahn eröffne. Viele Vorstellungen der Dinge führt das Wissen mit sich; Castalia ist das Quellwasser der Dichter, und die Rohrleitung bin ich. [50] Wie nämlich die Meeresmuschel den morgendlichen Tau und Rauh-
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Scilicet ut rorem, matutinamque pruinam Diducto potat concha marina sinu: Sic geminae pendent circùm quae tempora conchae, Tractibus arcanis verba profusa bibunt. Hoc Sensu vacuum doceant vel mille Platones: Nemo discipulus, nemo Magister erit. Ausculta, clamat relegens praecepta Palaemon: Hue adverte puer, Quintiiianus ait. Cecropiae frustra sine me panduntur Athenae. Totus Aristotelis plausus in aure sedet. 6. Jactet nunc caros pro cunctis Visus ocellos: Extollat gemmas, lumina bina, suas. At certè auriculis grandes mandantur elenchi. Pendet ab his rubri splendida gemma maris. Pendent berylli, nexique adamante Smaragdi. Corporis haec colitur pars pretiosa magis. Integra nonnunquam regni patrimonia portant. Testis erit sceptri dos, Cleopatra, tui. Candentem baccam perfossae detrahis auri. niâ diluitur prodigiale merum. Sumis, et Aegypto totâ te proluis unam. Stante Pharo, tanti non stetit ulla sitis. 7. Utilis inprimis ad magna negotia Sensus, Tela per et flammas expedienda valet. Qualia multa foro tractat Mercator, et Hermes. Qualia Mars campo sanguinolenta gerit. Ante tubam marcent acies, segnique pavore, Aut luxu nimio languida castra j acent. At simul insonuit turmali buccina signo: Militiam residem classica rauca movent. Pectora continuò belli furor altiùs intrat: Cumque viris alacres exhilarantur equi. Projicitur leti terror, vitaeque cupido, Miles, io, magnâ voce, triumphe, canit. 8. Disce alias vires: rumpuntur cantibus angues, Rumpuntur Pano marmora caesa jugo. Sopitur tremulo plorans infantia cantu, Cùm sedet ad cunas, et pede motat anus. Labitur in dulcem somnum sub fronde viator: Quam prope lenè fluens vitrea garrit aqua. Cantantis pariter, pariter data pensa trahentis Fallitur ancillae decipiturque labor.
SS Sensu] A; sensu Β 60 Aristotelis] Β; Aristotelis: A 65 Smaragdi] A; smaragdi Β haec] A; hac Β 67 portant.] A; portant, Β 85 cantibus] A; cautibus Β
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139 reif durch die Öffnung ihrer gespreizten Schalen trinkt, so schlürfen die beiden Muscheln, die seitlich an den Schläfen hängen, mit geheimnisvollen Zügen den Fluß der Worte. Wer diesen Sinn nicht hat, den mögen selbst tausend Männer wie Piaton lehren: Da wird es keinen Schüler und keinen Lehrer geben. Höre zu! ruft Palaemon, wenn er die Regeln laut vorliest. Spitze die Ohren, Knabe! sagt Quintilian. Ohne mich breitet die Stadt des Kekrops, Athen, ihre Wissensschätze vergebens aus. Der ganze Beifall, den man Aristoteles zollt, gründet sich auf das Ohr. [60] 6. Mag jetzt auch DER GESICHTSSINN seine werten Äuglein über alles rühmen, mag er die beiden Augenlichter als seine Perlen preisen, so werden doch wahrlich die großen Tropfenperlen den Ohrläppchen anvertraut, und von diesen hängt die strahlende Perle aus dem Roten Meer herab. Hier hängen die Saphire und, durch Metall verbunden, die Smaragde. Dieser Teil des Körpers wird, da er so wertvoll ist, mehr geschmückt. Manchmal tragen sie eine ganze königliche Erbschaft; das soll die Mitgift deines Szepters, Cleopatra, bezeugen. Du ziehst die hell schimmernde Perle von deinem durchstochenen Ohr ab; mit ihr wird unheilverkündend der Wein versetzt. [70] Du greifst zu und schlürfst allein das ganze Ägypten in dich hinein. So lange der Leuchtturm von Pharos stand, kam kein Durst so teuer zu stehen. 7. Dieser Sinn taugt besonders dazu, im Hagel der Geschosse und durch Rammen hindurch große Unternehmungen zu befördern, wie sie auf dem Markt vielfach der Kaufmann mit Hermes betreibt, und wie sie Mars auf dem Schlachtfeld unter Blutvergießen verrichtet. Vor dem Trompetenton ist das Heer schlapp und die Truppen bleiben, von lähmender Angst oder unmäßigem Wohlleben ermattet, untätig. Doch sobald das Horn das Zeichen für die Reiter erschallen läßt, setzen die durchdringenden Feldsignale die trägen Soldaten in Bewegung. [80] Sogleich dringt wilder Kampfesmut tief in ihr Herz ein, und mit den Männern werden auch die Rosse munter und rege. Abgeschüttelt wird die Angst vor dem Tod, wie auch das Verlangen zu leben. Der Soldat ruft mit lauter Stimme: Hurra, zum Sieg! 8. Erfahre, was ich sonst noch vermag: Schlangen fallen durch den Gesang in sich zusammen, es zerfällt der auf den Höhen von Paros gebrochene Marmorblock. Ein weinendes Kind wird durch den Gesang einer zittrigen Stimme eingelullt, wenn eine alte Frau an seiner Wiege sitzt und diese mit dem Fuß hin und her bewegt. In einen süßen Schlaf sinkt der Wanderer unter dem Laubbaum, bei dem klares, ruhig fließendes Wasser murmelt. [90] Wenn die Magd singt und zugleich die ihr zugeteilte Wolle spinnt, ist ihre Mühe vergessen und überlistet. Vergessen
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Fallito et duro campum sulcantis aratro: Quique sub aestivo sidere farra metit. Promovet adjecto per flumen carmine cymbam Laetior, et refluum navita scindit iter. Nil ánimos aequè rapit ac Symphonia discors: Nil aequè lachrimas tristitiamque ciet. Haec facit, ut, mersus veluti sub gurgite piscis, Tota in delicijs mens liquefacta natet. 9. Utque extra sese ferri videatur in altum, Terra, vale, coeli vita beata vocat. Non est vana fides: aliquem tria saecula passum, Unica detinuit, filia lucis, avis. Illa ter, illa quater circumvolitavit euntem: Traxit in Elysium denique rapta nemus. Si non traxit eum: potuit traxisse videri. Vim gratam passus dulce peregit iter. Temporis hoc spatium vix unam credidit horam. Ergo momentum vix trieteris erat. Ah tota, Uranie, fieri, sine Solibus, auris Optares: ad idem si raperere melos. Tunc oculo cuperes fortassis utroque carere: Dummodo concentum continuaret avis. Hoc demum moveat, ne sim tibi vilior aequo. Spretus peccanti tristia damna creo. 10. Noxa, male audire est: virtus, bene, sensus honorât Iste suam Dominam: dignus et ipse coli. A U D I T Û S Sensum non est contemnere tutum. Dij melius! votis annue Nympha meis.
96 iter.] A; iter, Β 97 Symphonia] A; symphonia Β 101 9.] A,Β; sprachlicher Einschnitt vor 103 102 Terra,] Terra. A; Terra Β vale,] A; vale; Β 113f. Tunc ... avis.] Β; in A an den Schluß versetzt 117 10.] Fehlt in A und B, was in A vermutlich mit der ursprünglichen, im Druckfehlerverzeichnis von A korrigierten, Dislokation des Distichons 113f. an den Schluß zusammenhängt. Nach der Synopse ist 10. notwendig.
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141 ist auch die des Bauern, der mit harter Pflugschar das Feld durchfurcht oder in der Sommersonne das Korn mäht. Mit einem Lied auf den Lippen treibt der Schiffer froheren Muts seinen Kahn auf dem Strom voran und teilt auf seinem Weg die entgegenströmenden Fluten. Nichts enziickt die Gemüter so sehr wie der Zusammenklang verschiedener Stimmen; nichts ruft so sehr Tränen der Trauer hervor. Er bewirkt, daß die Seele, gleich wie ein Fisch, der tief in die Wogen hinuntergetaucht ist, ganz und gar in Wonne badet und in ihr zerfließt, [100] 9. und daß sie meint, sich selbst entrückt und emporgetragen zu werden: »Leb wohl, Erde, mich ruft das selige Leben im Himmel.« Keine unglaubwürdige Geschichte ist es: Drei Jahrhunderte hindurch hielt allein ein Vogel, ein Kind des Lichtes, einen Menschen in Bann. Drei- oder viermal flatterte er um ihn herum, wie er dahinschritt, und führte ihn schließlich geschwind mit sich fort in den elysischen Hain. Und hat er ihn vielleicht auch nicht entführt, so konnte es doch so scheinen: Von einer bezaubernden Macht bezwungen, ging er gern mit dorthin. Die Dauer dieses Zeitabschnitts schätzte er auf kaum eine Stunde. So waren für ihn drei Jahre kaum ein Augenblick. [110] Ach, Urania, du würdest wünschen, ohne das Licht der Tage ganz nur Ohr zu werden, wenn du zu derselben Melodie hingerissen würdest. Dann wolltest du vielleicht gern auf beide Augen verzichten, wenn nur der Vogel seinen harmonischen Gesang fortsetzte. Folgendes zumal soll dir ein Grund sein, mich nicht geringer zu schätzen, als ich es verdiene: Werde ich mißachtet, füge ich dem, der sich so verfehlt, schlimmen Schaden zu. 10. Es ist eine Schande, schlecht von sich reden zu hören; gut jedoch, ist eine Tugend. Dieser Sinn verleiht seiner Herrin Ehre; so ist er auch selbst der Ehre wert. D E N G E H Ö R S I N N ZU verachten, ist nicht ohne Gefahr. Da seien die Götter vor! Du aber, Jungfrau, entsprich meinem Wunsche. [120]
142 URANIA AVDITVI. Argumentum EPISTOLAE SECUNDAE. URania Auditum, cui rescribit, velut ancipitis fidei Sensum, saepe iniquum, falsum, vanum (esto, alioqui non spernendas dotes habeat) hac Epistola molliter castigat: suadetque concordiam cum fratribus. denique serió monet, ut ambitiosâ spe dimissâ Animae potestatem et jura occupandi, potiùs fideliter servire pergat; quàm ineptè dominari praesumat. [loi]
Synopsis.
1. Auditûs dignitatem agnoscere Vraniam, et servitia commodaque in Dominant redundantia, commendare. Primatum tarnen inter Sensus, Naturam negâsse. ejus ordinem temerario conflictu immutari, fatale, maneret sua sorte contentus: sic quoque carum fore. 2. Num passurus sit sibi Odoratum praeferri? idem ergo et Visui grave, si Auditus praeponatur; sensus, quo sues praecellunt, nunquam aquilis comparandus. 3. Si gloria quaeratur in auribus, longiorem acutioremque gloriam ad asinos potiùs pertinere, quàm homines. 4. Ciceronis ad aure s facti facundiam non displicere. caeterùm faventem audientiam nemini magis, quàm Auctori obfuisse. M[arci] Antonij gladios M[arcus] Tullius surdus et mutus poterai evadere. 5. Multa praeterea incommoda ex auditu emergere; ut quandoque surditas optabilior videatur. quippeni optabilior! cla-[i02]mantibus ranis, tonantibus nimbis, fremente marito, canente gallo. 6. Certè propter calumnias et convicia auribus inserpentia, Siraciden monuisse; ut aures spinis sepirentur: quod Vlysses cerâ supplevit. 7. Aures gemmis onerantium luxus vanissimus. gemmam candidam digniùs illum mereri, qui barbarum Cleopatrae luxum damnaverit. 8. Quid igitur Auditus sonum jactet? cum ilio nihil sit inanius.
Argumentum] A; Argumentum. Β S 2 comparandus] Β; comparand! A
S 4 magis,] A; magis; Β
143 Urania an den Gehörsinn Inhalt des zweiten Briefs Urania tadelt in diesem Brief den Gehörsinn, dem sie antwortet, in milder Form als einen Sinn von zweifelhafter Verläßlichkeit, der oft unbillig, trügerisch oder inhaltsleer sei, möge er im übrigen auch unverächtliche Gaben besitzen, und rät ihm zur Eintracht mit seinen Brüdern. Schließlich ermahnt sie ihn ernsthaft, er solle die ehrgeizige Hoffnung, Macht und Rechte über die Seele zu erlangen, aufgeben und lieber weiterhin treu dienen, als sich törichterweise einzubilden, er könne ihr Herr werden. Übersicht 1. Urania erkenne die Würde des Gehörsinns an und rechne ihm die nützlichen Dienste, die er seiner Herrin in reichem Maße erweise, hoch an. Den ersten Platz unter den Sinnen habe ihm die Natur versagt. Werde deren Ordnung in einem blindwütigen Kampf umgestoßen, so bringe das nur Unheil. Bliebe er mit seinem Los zufrieden, so würde er ihr auch dann lieb und teuer sein. 2. Ob er es etwa dulden werde, wenn man ihm den Geruchssinn vorziehe? So sei es also auch fiir den Gesichtssinn schwer zu ertragen, wenn das Gehör höher gestellt werde - ein Sinn, durch den die Schweine sich auszeichnen, die niemals mit den Adlern zu vergleichen sind. 3. Sofern man Ruhm von den Ohren ableiten wolle, komme ein besonders weit reichender und markanter Ruhm eher den Eseln zu als den Menschen. 4. Gegen die Beredsamkeit Ciceros, eines Menschen, der für das Ohr geschaffen war, habe sie nichts. Allerdings habe der Beifall des Publikums niemandem mehr geschadet als seinem Urheber. Den Schwertern des Marcus Antonius hätte Marcus Tullius, wäre er taub und stumm geblieben, entkommen können. 5. Darüber hinaus ergäben sich aus dem Hören viele Unannehmlichkeiten, so daß manchmal die Taubheit wünschenswerter scheine. Wie denn auch nicht wünschenswerter, wenn die Frösche quaken, ein Gewitter donnert, der Gatte brüllt oder der Hahn kräht? 6. Zweifellos habe der Sohn Sirachs wegen der Verleumdungen und Schmähungen, die sich in die Ohren einschleichen, dazu ermahnt, die Ohren mit Dornenhecken abzuschirmen, was Odysseus ersatzweise mit Wachs bewirkte. 7. Der Luxus, die Ohren mit Perlen zu beschweren, sei der Gipfel der Eitelkeit. Eine schimmernd weiße Perle verdiene mit mehr Recht, wer den fremdländischen Luxus der Kleopatra verurteilt. 8. Weshalb also das Gehör sich mit dem Klang brüste, wo doch nichts so wesenlos sei wie dieser?
URANIA AVDITVI.
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AC si quis tacitò nobis pervelleret aurem, Sensimus ex scripto vulnera facta tuo: Nulla tarnen fixas odio testantia fibras. Unum praecipuè vulnus amoris erat. 1. Ne te postponam cognatis Sensibus, instas. Nescis, quid metuas: omnia tuta times. Nam tibi nos ultrò multùm debere fatemur. Nec scio, post Oculum quo magis utar ego. Auxilio cujus rara atque incognita disco. Impletur multis rasa tabella notis. Hactenus ergo tibi post VISUM defero primas: Delicium Dominae praesidiumque tuae. Si tarnen in fratres dominatum quaeris honoris: Difficili clivum quaeris adire via. Heu! cave, ne rumpas naturae foedera sanctae; Juraque convelías, quae temerâsse nocet. Cuique suum munus certum assignâsse notabis: Et, quo contentus debeat esse loco. Anne etiam hîc verum: fratrum quoque gratia rara est, Per te, perque tuum, perfide crimen erit? Interea patiar medio in discrimine pugnae! Quae non peccavi, jurgia vestra luam! Sin etiam primus dici praesumis amator; Spes abit in ventos, nomen inane petis. Scilicet hoc Oculi patientur, et ante fideles Excubias frontis carior Auris erit! Quantis aspicerent praelatum et qualibus hirquis! Aegrè liventes Iis aliena videt. Urimur invidiâ, quoties vicinus abundat: Censeturque bonis nos cruciare suis. 2. Ne cupias nostri pervertere Corporis usum. Dixit non nemo: quidquid es, esse velis. Indigné ferres, si te praecedere vellent, Partibus officij pesve manûsue sui. Ergo et Luminibus per te sua gloria constet, Dignior illorum functio: major honos. Muñere nativo non hos assurgis ad actus. AUDITUM VISUS vincere jure potest.
19 est,] A; est;] Β 20 erit?] erit A,Β 31 usum.] A; usum, Β
145 Urania an den Gehörsinn Gerade so, als zupfte uns jemand, ohne zu sprechen, mahnend am Ohr, so spürten wir aus deinem Brief heraus, daß dir Wunden zugefügt wurden, freilich nicht solche, die einen vom Haß getroffenen Leib bezeugen; vor allem war es die eine Wunde der Liebe. 1. Du bestürmst mich, dich nicht geringer zu schätzen als deine Brüder, die anderen Sinne. Du kennst nicht, was du da befürchtest: In völliger Sicherheit machst du dir Sorgen. Denn wir bekennen gern, dir viel zu verdanken, und ich wüßte nicht, wessen ich mich nächst dem Auge mehr bediente als deiner, mit dessen Hilfe ich das kennenlerne, was selten und unbekannt ist. Dabei wird die unbeschriebene Tafel mit vielen Schriftzeichen bedeckt. [10] Insofern also erkenne ich dir nach DEM GESICHTSSINN den ersten Platz zu, du Liebling und Beschützer deiner Herrin. Wenn du jedoch deinen Brüdern gegenüber eine beherrschende Ehrenstellung zu erlangen suchst, dann versuchst du einen Aufstieg auf beschwerlichem Weg. Ach, hüte dich, die Ordnungen der heiligen Natur zu durchbrechen und Rechte anzugreifen, die man nicht ungestraft verletzt. Du wirst bemerken, daß die Natur jedem seine eigene, bestimmte Aufgabe zugewiesen hat - und einen Platz, mit dem er zufrieden sein muß. Soll sich denn das Wort Selbst Brüder sind sich selten hold auch hier durch dich und dein Vergehen, du Treuloser, als wahr erweisen? [20] Unterdessen soll ich wohl inmitten des gefährlichen Kampfes leiden und, unschuldig wie ich bin, für euern Streit büßen! Falls du aber noch erwartest, als mein vornehmster Freund bezeichnet zu werden, so verweht diese Hoffnung im Winde; du begehrst einen unbegründeten Titel. Ja freilich, das werden die Augen doch gewiß hinnehmen, und höher als die treuen Wächter auf der Stirn wird das Ohr geschätzt werden! Welch großer, schrecklicher Groll würde sie erfassen, sähen sie dich ihnen vorgezogen! Bitteren Neid ja zieht ein verlorener Streit nach sich. Mißgunst verzehrt uns, wenn ein Nachbar im Überfluß lebt, und wir glauben, er peinige uns mit seinem Reichtum. [30] 2. Gehe nicht darauf aus, den Nutzwert unserer Körperteile zu verkehren. Ein gewisser Autor hat gesagt: Was immer du bist, das wolle auch sein. Du wärest empört, wenn aufgrund der ihnen zugewiesenen Funktion Fuß oder Hand den Vortritt vor dir beanspruchten. So laß auch du dem Augenlicht seinen Ruhm. Was es verrichtet, ist von höherem Wert und bringt somit auch mehr Ehre ein. Mit dem Amt, das dir die Natur verliehen hat, reichst du an eine solche Leistung nicht heran. Gegenüber DEM G E H Ö R vermag DER GESICHTSSINN mit vollem Recht die Oberhand zu behalten. Ein gering geachtetes Tier ist das Schwein; doch soll es
146 Vile animal porcus: tarnen hoc praecellere fertur. lile notât mutos p e r fruticeta canes. Q u a n t u m v i s tacitus silvarum c o n f r a g a lustres: Tenuia praecerpit m u r m u r a M a r s u s aper. 3. P l u s e t i a m j u s t o celebranda largus in aure es. H i n c fit, ut auritum p l u s satis e s s e rear. Invenies fratres, C a d m a e u m A c t a e o n a falso [ 104] 4.
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M u t a t u m cervo, M y g d o n i u m q u e M i d a m . A m b o b u s longum cava m o b i l e t e m p o r a c i r c ù m D e l i u s huic, illi D e l i a laesa dedit. A t sine t e p o p u l u m n e q u e a t mulcere disertus Tullius in patria, pro patriaque sua.
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A t t o n i t a m Cicero d i c e n d o fecerit u r b e m , Callidus A u s o n i o s detinuisse Patres. Praestiterat potiùs, l i n g u a m f r a e n â s s e l o q u a c e m . E l o q u i j torrens, ni modereris, obest. Q u a m v i s Laurigeros attollat Curia fasces; L i b e r a q u e exsultet C o n s u l e R o m a suo: E j u s , q u a e coetu p l a u d e n t e Philippica dicta est, M e r c e s , Popilij stricta securis erat. 5.
N o n s e m p e r prodest audiri, et dicere: Dixi. S a e p e nec audire est utile q u e m q u e s o n u m . N o n n e aliqui posito pretio obsurdescere mallent? Stridet u b i rauco mobilis axe mola. Q u e m non, R a n arum sub aqua clamantia, vexant? Perstrepit in putrì p e s s i m a rixa lacu. C ù m tonat, et rapidae quatiuntur in aethere nubes:
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Q u à m multi cuperent auris h a b e r e nihil. Audit, et expallet, seque imis occulit u m b r i s : Et f o l i u m lauri r u m i n â t ore Nero. T u r b i d u s atque tremens Jovis ignea tela, relictis In m e n s a muscis, Flavius antra subit. Q u à m m i s e r a est uxor, fremitus audire mariti Ferventesque m e r o f e r r e coacta m i n a s . O venti, n o s t r u m procùl h i n c avellite corpus,
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Territa crudeli dixerat u n a viro. Q u i d ? c ù m nocte c a n e s ululant, a d i m u n t q u e s o p o r e m :
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Q u i d ? c ù m bubones tristia f a t a g e m u n t ? M u l t i n e c galli cantum, c ù m plaudit, et alis Suscitât A u r o r a m , t e m p o r e noctis amant. I s m a r i a e volucris dulcí testudine surdus Fraudatur: sed n e c p a v o molestus erit.
42 Tenuia] TenÛia A,Β rem? Β
62 mola.] A; mola? Β
67 imis] Β ; immis A
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75 soporem:] A; sopo-
147 sich durch folgendes auszeichnen: Es bemerkt Hunde im Dickicht auch dann, wenn sie keinen Laut von sich geben. [40] Magst du auch noch so leise durch den unwegsamen Wald streifen - als erster fängt die schwachen Geräusche der marsische Eber auf. 3. Auch rühmst du das Ohr über Gebühr großzügig: So entsteht bei mir der Eindruck, du habest längere Ohren als nötig. Da wirst du Brüder finden im Enkel des Cadmus, Actaeon, der in die Truggestalt eines Hirsches verwandelt wurde, und im phrygischen Midas. Beiden ward ein langes bewegliches Etwas an die hohlen Schläfen geheftet, diesem von dem delischen Gott, jenem von der beleidigten delischen Göttin. 4. Doch mag es freilich dem redegewandten Tullius ohne dich nicht gelingen, das Volk in seinem Vaterland für dieses schmeichelnd einzunehmen. [50] Hat Cicero es auch gut verstanden, die römischen Senatoren in seinen Bann zu ziehen, und die Hauptstadt mit seiner Rede hingerissen, so hätte er seine redselige Zunge doch besser im Zaum gehalten. Der Sturzbach der Beredsamkeit schadet dir, wenn du ihn nicht mäßigst. Mochten auch die versammelten Senatoren die mit dem Lorbeer gekrönte konsularische Amtsführung noch so sehr preisen und Rom, in Freiheit bewahrt, über seinen Konsul jubeln, so war doch der Lohn des Mannes, der seine Philippica unter dem Beifall der Versammlung gehalten hatte, das gezückte Beil des Popilius. 5. Nicht immer ist es von Vorteil, gehört zu werden und zu sprechen: Ich habe gesprochen. Oft ist es auch von Nutzen, nicht jeden Laut zu hören. [60] Würden es nicht manche vorziehen und sogar einen Preis dafür zahlen, taub zu werden, wenn der Mühlstein sich dreht und mit knarrender Achse knirscht? Wen störte es nicht, das laute Quaken der Frösche im Wasser? Im modrigen Tümpel erschallt ihr schlimmes Gezänk. Wenn es donnert und die schnell dahintreibenden Wolken am Himmel aufeinanderschlagen, wie viele hätten dann am liebsten gar kein Ohr! Wenn er das hört, erbleicht Nero, verbirgt sich im tiefsten Dunkel und kaut auf einem Lorbeerblatt. Verstört und vor Jupiters Feuergeschossen zitternd, läßt Flavius seine Fliegen auf dem Tisch zurück und verzieht sich in eine Höhle. [70] Wie bejammernswert ist die Ehefrau, die gezwungen ist, das Geschimpfe ihres Gatten anzuhören und seine vom genossenen Wein hitzig aufbrausenden Drohungen zu ertragen. »O ihr Winde, entführt meinen Leib weit fort von hier,« sprach eine erschrocken vor ihrem grausamen Mann. Was ist, wenn nachts die Hunde heulen und einem den Schlummer rauben? Was, wenn die Uhus mit ihrem Krächzen ein unheilvolles Geschick ankündigen? Viele mögen auch das Krähen des Hahnes nicht, wenn er zur Nachtzeit mit den Flügeln schlägt und die Morgenröte weckt. Dem Tauben bleibt zwar Philomeles süß klingende Laute vorenthalten, doch wird ihn dafür auch kein Pfau stören [80] und kein Spatz und keine geschwätzige Elster;
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Nec passer, nec pica loquax, convicia mille Praetereunt talem more silentis aquae. Crastina furacis cessant fastidia corvi: Nec curat lessum noctua dira tuum. 6. Quandoque est virtus, ut saxum adstare loquenti: Vultu marmoreo, fronte, Medusa, tuâ. Impia cum levibus volitant peijuria pennis: Per fas atque nefas cùm violatur honos. Ac veluti fundâ stridente calumnia torta, Spargitur in Reges: in populare forum. Laudabor, si stem veluti Marpesia cautes. Si fiam Niobe, vel lacrimosa silex. Saepe homines oculis peccant; sed saepius aure. Nam quoties linguae tetra venena bibit! Non datur ebrietas Bacchaea nocentior illâ. Hausta per A U D I T U M crimina mané vomit. Idcirco spinis aures sepire monemur. Creditur ex rhamno spina nocere minùs. Quaere, quid astuta laudetur in aspide: cujus Exemplo, si vis, providus esse, potes. Illa, canente Mago, ne torpens audiat hostem, Colligit in teretem squammea membra globum. Spira fit, atque caput subductum obturât et aures. Sic à Thessalico Carmine tuta manet. Aspidis in morem, Sirenum ad cantica quisquís Temporius valvas obstruit, ille sapit. Non tam Dulichij clypeum miramur Ulyssis Quàm quibus effugit, cerea claustra, necem. Felix, qui quoties tinnit malesuada voluptas, Aure soporatâ dissimulare potest. An non in laqueos cadit aies et Aucupis uncum, Quando sub arbustis fistula dulce canit? Excute Fastorum libros, plerumque Tragoedos Plenior exemplis tristibus Auris alit. 7. Cur igitur membrum hoc gemmis ornemus et auro? Nonne stylis ideo vulneribusque patet? Mirer ego, aut laudem sumptus luxumve puellae, Fert ibi quae dotem Sardonychata suam? De qua scripsisti, Meretrix famosa Canopi, Ex Ptolomaeorum sanguine nata fu.it. Nulla bibit sapiens sic Virgo, nulla propinat, Regali scorto, quae libuere, licent.
81 loquax,] loquax. A; loquax Β 84 Nec] Β; Nèc A 85 loquenti:] A; loquenti. Β 89 torta] B; tocta A 92 Niobe,] B; Niobe A 94 linguae] linguâ A; lingua Β 101 Mago] A; mago Β 113 Tragoedos] A; Tragoedos. Β 117 ego,] B; ego A sumptus] A; sumptus, Β
149 tausendfaches Geschrei geht an ihm ebenso vorüber wie ein stiller Bach. Ihm bleibt künftig das widerwärtige Krächzen des diebischen Raben erspart, und er kümmert sich nicht um deine Totenklage, unheilverkündender Kauz. 6. Manchmal bedeutet es auch sittliche Stärke, vor einem, der auf uns einredet, zu stehen wie ein Fels, mit marmorharter Miene, mit deiner Stirn, Medusa. Wenn der ruchlose Meineid mit leichten Federn umherfliegt; wenn die Ehre mit erlaubten und unerlaubten Mitteln verletzt wird und die Verleumdung, wie von schwirrender Schleuder geschnellt, gegen Fürsten und Volk ausgestreut wird, [90] dann werde ich Lob ernten, wenn ich wie ein Fels des Marpessus dastehe, wenn ich zu einer Niobe, einem tränenden Stein, werde. Oft verfehlen sich die Menschen mit den Augen, noch öfter aber mit dem Ohr; denn wie viele Male trinkt dieses doch das ekelhafte Gift der Zunge! Keine Trunkenheit von Bacchus gibt es, die schädlicher wäre als diese. Sie spuckt die Beschuldigungen, die sie durch DAS G E H Ö R eingesogen hat, am nächsten Morgen wieder aus. Deshalb werden wir ermahnt, die Ohren mit Dornen abzuschirmen. Den Stachel des Dornstrauchs hält man also für weniger schädlich. Frage nur, was man an der schlauen Viper rühmt; nach ihrem Beispiel kannst du, so du willst, Vorsicht üben. [100] Sie rollt, wenn der Beschwörer singt, den schuppigen Leib, um nicht, dem Feinde lauschend, zu erstarren, zu einem runden Klumpen zusammen. Sie wird zum Knäuel und verstopft sich die Ohren, indem sie den Kopf hineinsteckt. So kann ihr der thessalische Zauberspruch nichts anhaben. Wer nach Art der Viper beim Gesang der Sirenen rechtzeitig die doppelte Tür zusperrt, der handelt weise. Den Schild des Dulichiers Odysseus bewundern wir nicht so sehr wie das Bollwerk aus Wachs, durch das er dem Tod entrann. Glücklich, wer gegenüber der zum Bösen verleitenden Lust, wenn sie ihre durchdringende Stimme ertönen läßt, betäubten Ohres gleichgültig zu bleiben vermag. [110] Oder verstrickt sich nicht der Vogel gerade dann ins Hakennetz des Vogelstellers, wenn die Rohrflöte im Gebüsch süße Melodien spielt? Studiere die Chroniken: Am meisten versorgt das Ohr, besonders reich an traurigen Exempeln, die Schauspieler mit tragischen Rollen. 7. Was sollen wir also diesen Körperteil mit Perlen und Gold schmücken? Ist er nicht eben deswegen auch spitzen Stiften, die ihn verwunden, ausgesetzt? Soll ich etwa den kostspieligen Luxus des Liebchens, das dort mit dem dunklen Onyx aus Sardes ihre Mitgift trägt, bewundern oder auch nur gutheißen? Die Frau, von der du schriebst, die berüchtigte Buhlerin von Canopus, stammte aus Ptolemäerblut! [120] Keine kluge Jungfrau trinkt so etwas, keine kredenzt es. Der Hure auf dem Thron steht alles frei, wonach es sie gelüstet. Habe ich auch nicht Perlen, wie sie
150 Ut caream gemmis, quales Ptolomais habebat, Coram Romano prodiga lena Duce: Si nescis, alias nobis donavit in aures, Qui sedet in medio pectore sanctus Amor. Quales nec legitur pulcrae donâsse Rebeccae Tangere juratus servus herile femur. Celsior Abramide Sponsus praecordia circùm Ludit, in aure sedens interiore tamen. 8. Speme leves crotalos, buxumque et tinnula sistra: Nil citharae prosunt, nil lyra mollis, ait. Nil satiant Animam vocalia. cantus, inanis Est sonus, et flatus: praetereaque nihil.
125 in aures] inaures A,Β
131 buxumque] coni. Schibel; luxumque A,Β
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151 die Ptolemäerin besaß, die sich dem römischen Feldherrn so verschwenderisch und verführerisch präsentierte, so hat mir doch - falls du es noch nicht weißt der Gott der heiligen Liebe, der mitten in meinem Herzen wohnt, einen anderen Ohrschmuck geschenkt, wie ihn der Schrift zufolge selbst nicht der Knecht, der mit der Hand an den Lenden seines Herrn geschworen hatte, der schönen Rebekka schenkte. Ein Bräutigam, der erhabener ist als Abrahams Sohn, umspielt mein Herz, doch seine Wohnung hat er im Ohr meines Innern. [130] 8. »Verschmähe die geschwinden Kastagnetten,« sagt er, »die Rohrflöte und die schrille Rassel. Die Zither ist zu nichts nütze, zu nichts die schmeichelnde Leier.« Der Klang der Stimme sättigt die Seele nicht. Gesang ist leerer Schall und Hauch - und weiter nichts!
152 [107]
PAMPHILVS
SARGA
MUSICUS UR A N I AE. Argumentum EPISTOLAE TERTIAE. S Arga Musicus, Phonasconim blandientium more, aures Vraniae suavissimè sealpit; ut, si possit, dolosè incantatas, in sua vota trahat. certè, ut ad consensum Hymenaei invitet, artem suam, divitias, favores Prineipum, omnium rerum copiam ostentat. Synopsis. 1. Insinuât se Musicus arte sua. 2. Canendi voluptatem, amoremque cultioribus ingenijs insitum esse. Morosos, frustra naturae genialium hominum obluctari. Quid? quòd et agrestes impensiùs delectentur! 3. Mundus, Dei canticum S[anctus] Aug[ustinus\. [108] 4. Davidem Regem, praestantissimum Ρsalten fuisse. 5. De Amphione et Orpheo. 6. Multos laboriosis artibus atque scientijs pollentes, egere. se vel ossa voce, vel admotis fidibus ludibundum, quasi in otio ditescere. Hinc Músicos delicias Regum esse. 7. Revocai Vraniae in memoriam obsequium suum. etenim Pamphilum Sargam fuisse, qui nuperrimè ad ejus januam, nocturnam Symphoniam excitaverit. id Virginis honori tributum. 8. Sapere puellas quam maxime, Musicis nubentes: quippe semper laetis jucundisque viris. propterea ad hilariores festivasque epulas magnorum Prineipum invitari. ciborum gaudiorumque ultimum condimentum. 9. Cantu saxa quoque fuisse commota: utique, etsi saxeum cor Vraniae (cum tarnen puellae mollissimum habeant) permovendum. 10. Quid dubitet? amoris aeterni foedus promitti, firmissimè servandum. Certè Or-[i09]pheum, Eurydicen suam constanter amasse; ab Infemis sedibus, post mortem, amore maritali reduetam. 11. Paria, immo majora pollicetur.
V. 45-66 bei Thffl Argumentum] B; Argumentum. A A 2 certè] A; Certè Β S i l immo] A; imò Β
153 Der Musiker Pamphilus Sarga an Urania Inhalt des dritten Briefes Der Musiker Sarga reizt nach Art sich einschmeichelnder Singmeister gar lieblich Uranias Ohren, um sie nach Möglichkeit arglistig zu betören und seinen Wünschen gefügig zu machen. Er prahlt, gewiß um sie der Hochzeit geneigt zu machen, mit seiner Kunstfertigkeit, seinem Reichtum, der Gunst der Fürsten und dem Überfluß an allem. Übersicht 1. Der Musiker schmeichelt sich mit seiner Kunstfertigkeit ein. 2. Die Freude und das Verlangen zu musizieren liege in der Natur von höher gebildeten Talenten. Griesgrämige Menschen leisteten vergeblich Widerstand gegen die Ausstrahlung von heiteren. Erfreuten sich denn nicht selbst ungebildete Leute sehr daran? 3. Die Welt sei nach dem heiligen Augustinus ein Gesang auf Gott. 4. König David sei der vortrefflichste Sänger zum Psalter gewesen. 5. Über Amphion und Orpheus. 6. Viele, deren Stärke in mühevollen Kunstfertigkeiten und Wissenschaften liege, darbten. Er selbst komme, mit bloßer Stimme oder mit begleitendem Saiteninstrument spielend, gleichsam in Muße zu Reichtum. Daher seien Musiker die Lieblinge von Königen. 7. Er bringt Urania seine Ergebenheit in Erinnerung. Es sei nämlich Pamphilus Sarga gewesen, der ganz vor kurzem erst vor ihrer Pforte ein nächtliches Konzert veranstaltet habe. Dies habe er der Jungfrau zu Ehren dargebracht. 8. Außerordentlich wohlberaten seien junge Frauen, wenn sie Musiker heirateten, denn diese seien immer fröhliche und liebenswürdige Männer. Deswegen würden sie zu sehr vergnüglichen und launigen Festmahlen bei mächtigen Fürsten eingeladen, als vorzüglichste Würze der Mahlzeiten und Vergnügungen. 9. Durch Musik seien auch Steine bewegt worden; darum sei doch gewiß das Herz Uranias zu bewegen, und wäre es auch aus Stein (obwohl doch junge Frauen ein äußerst weiches haben). 10. Warum zögere sie? Man verspreche einen Bund ewiger Liebe, an dem unverbrüchlichfestzuhalten sei. Gewiß habe doch Orpheus seine Eurydike beständig geliebt; aus der Unterwelt sei sie ja nach ihrem Tod durch die Liebe ihres Gatten wieder zurückgeführt worden. 11. Er verspricht Gleiches, ja noch Großartigeres.
154 PAMPHILVS SARGA MVSICVS URANIAE. P A m p h i l u s Uraniani (quid e n i m m e a n o m i n a celem!) Alloquor: obsequio, si sinis esse, tuus. 1. C u r n o n esse sinas? vix m e praestantior alter, O r e ciere modos, aere eiere viros. O r p h a e i s etiam fidibus b e n e ludere d o c t u m ,
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N o m i n e n o n uno, s u m m u s et i m u s amant. Si tuus accedat votis a m o r : a n c h o r a j a c t a est. Navigai in portu salva carina suo. D a faciles ventos, et nostris a n n u e velis: M u s i c u s intrabo n o n n o v u s h o s p e s aquas.
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Lesbius assuetos inter Delphinas Arion, U n i u s imposito c o r p o r e terga p r e m e n s : C o n c i t a c ù m venti t u r b a r e n t aequora; fertur Arte procellosum c o m p o s u i s s e f r e t u m . Ilium C y m o d o c e n a n d o sequiturque praeitque: Ilium o m n i s Phorci, N e r e i d u m q u e C h o r u s . 2.
[HO]
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C o n s u l e Naturam: c a n t a n d i b l a n d a libido Insita, ab uberibus m a t r i s et o r e fluit. Flet puer in gremio: quatiet simul a e n e a nutrix C y m b a l a ; subridens oscula p a u c a petet. U t q u e solet purgans dispellere n u b i l a ventus, E o a e domi tor Parrhasiaeque p l a g a e : N o n i n j u c u n d o sic dulcís tibia flatu, C u r a s atque metus, tristitiamque f u g a t . D u m secat Alsaticas m e s s o r B u r g u n d u s aristas,
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Mitiget ut falcem, lassaque m e m b r a , canit. S o l e cadente redux s a l t a n d o tendit in u r b e m : Praevia sed buxus dat sine l e g e m o d o s .
3. Eja; Tagasteno si quidquam credimus Afro; C u j u s caniciem M i t r a v e r e n d a premit.
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Quantus hie est, una est totus Symphonia Mundus. Cantat in h o c Libro, q u i d q u i d u b i q u e vides.
Pondere, Mensurâ, numeroque haec machina constat: Q u a e tria perficiunt c o n s o n a d u l c e melos. Sol et Luna canunt: nec n o n vaga Side ra coeli. H i n c c a u s a m sumpsit P y t h a g o r a e a Lyra. A r d u u s urgetur metricis c o n c e n t i b u s Aether. C o n t i n u a in geminis volvitur o d a Polis.
6 imus] B; immus A
15 sequiturque] A; sequiturque, Β
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155 Der Musiker Pamphilus Sarga an Urania Ich, Pamphilus (warum sollte ich denn meinen Namen verheimlichen!), spreche Urania an, in Ergebenheit, wenn du es zuläßt, der deine. 1. Warum solltest du es nicht zulassen, daß ich es sei? Schwerlich übertrifft mich ein anderer darin, mit der Stimme Melodien ertönen zu lassen, mit der ehernen Tuba das Heer zum Kampf zu rufen. Einen, der auch auf der Leier des Orpheus gut zu spielen versteht, lieben nicht nur aus einem einzigen Grund Hoch und Niedrig. Wenn deine Liebe sich meinen Wünschen fügt, ist der Anker ausgeworfen. Wohlbehalten liegt das Schiff dann im sicheren Hafen. Schenke günstige Winde und sei unseren Segeln gewogen. Ich als Musiker werde mich nicht als unerfahrener Fremdling dem Meer anvertrauen. [10] Arion von Lesbos soll inmitten der zutraulichen Delphine, fest auf dem Rücken eines von ihnen sitzend, als Winde das Meer wild aufwühlten, mit seiner Kunst die stürmische See beschwichtigt haben. Hinter ihm und vor ihm schwimmt Kymodoke und der gesamte Reigen des Phorkys und der Nereiden. 2. Befrage die Natur: Der einschmeichelnde Trieb zu singen ist angeboren, er fließt aus der Milch und Stimme der Mutter. Das Kind weint in ihrem Schoß; sobald die Nährerin klingende Rasseln schüttelt, wird es lächelnd einige Küßchen erbitten. [20] Und wie gewöhnlich der reinigende Wind, der Beherrscher des Ostens und Arkadiens, die Wolken zerstreut, so vertreibt die liebliche Flöte mit ihrem nicht unerfreulichen Spiel Sorgen, Ängste und Betrübnis. Während der burgundische Schnitter im Elsaß das Getreide mäht, singt er, um die Arbeit mit der Sichel und die Erschöpfung der Glieder zu lindern. Wenn die Sonne untergeht, eilt er auf dem Heimweg hüpfend in seine Stadt, eine Flöte aus Buchs spielt als Wegbegleiterin kunstlose Melodien dazu. 3. Ja! Wenn wir auch nur ein wenig dem Afrikaner aus Tagaste glauben, dessen graues Haar ein ehrwürdiger Bischofshut drückt: [30] So groß sie ist - die ganze Welt ist eine einzige Harmonie. In diesem Buch singt alles, was du wo auch immer siehst. Dieses Weltgeriist ist aus Gewicht, Maß und Zahl zusammengesetzt: Diese drei bewirken im Zusammenklang eine liebliche Melodie. Sonne und Mond singen und auch die Planeten am Himmel. Davon nahm ihren Ursprung die Lyra des Pythagoras. Der hohe Himmel wird durch zahlenmäßig bestimmte Harmonien bewegt; fortwährend erklingt Musik an beiden Polen. Der Wald, die wilden Tiere,
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[ili]
Silva, ferae, volucres, montesque et grandia Cete, Ipsaque divinae sunt Elementa notae. Mollia dum duris, crassisque liquentia pugnant; Miscent discordes, conveniuntque, sonos. Corporis humani structura, est Numinis Hymnus·. Artificem cantant singula membra D E U M . 4. Non puduit Solymae Regem contingere chordas, Jessides sacrum percutiebat ebur. Cùm socer attonitus furias pateretur Averni: Sacraque convulsum stringeret ira jécur: Vexatum rabie, Generi medicina levavit. Illa, nihil praeter fila Davidis erant. Lusit, et immitem genium pacator abegit. Est aliquid, stygium perdomuisse canem. Quondam etiam citharam fortis percussit Achilles, Illa, qua vertit Pergama capta, manu. 5. Nostrûm aliquis sola testudine condidit urbem. Hinc veteres Thebae nobile nomen habent. Nostrûm aliquemmontes, silvaequefuêre secutae: Fluminaque in ripis clausa stetere suis. Vidisses motâ radice incedere quercus, Agmine, quo pulsans Tympana miles ovat. Ibant et Cedri, mistaeque virentibus alnis; Nigra comas abies, populus alba comas. Ibant et si quas non impediere cupressus Fuñera: nam tumulos visere saepe soient. Ingemuere truces ursi: flevere leones, Insontes agnis accubuere lupi. 6. Hinc nobis accessit honos; hinc gloria crevit. Gloria non vacua est; sed nec inanis honor. Purpurei Patres, diadematique Dynastae Conducunt pretio. nos quoque Caesar emit. Annuimus tardé: tarnen allicit aurea vulpes: Quâ visâ, cujus sit taciturna chelys! Mille per ambages alios prudentia Juris Efficiat claros: me mea Musa beat. Quasque alijs toto sudor vix afferei anno; Vnicus ingentes fert mihi Mensis opes. Quàm facile est, graciles dígitos intendere plectro! Quàm facilè ex collo vox modulata fluit! Gutturis exemplo tali flavissima merces (Scis bene, de quali ilumine sumpta) datur. Nobis Pactolus rutilas eructat arenas: Delinit et fauces divitis unda Tagi. Nuper cùm be lié canerem, è fulgente metallo Injecta est humeris torquis opima meis.
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157 die Vögel, die Berge und auch die großen Wale, ja selbst die Elemente sind Noten Gottes. [40] Solange sich Weiches mit Hartem, Verdichtetes mit Flüssigem streitet, lassen sie disharmonische Tone entstehen und kommen wieder in Harmonie. Der Bau des menschlichen Körpers ist ein Lobgesang auf das göttliche Walten: Die einzelnen Glieder besingen GOTT als kunstreichen Schöpfer. 4. Der König von Jerusalem schämte sich nicht, die Saiten zu rühren: Jesses Sohn schlug die gottgeweihte Harfe aus Elfenbein. Als sein Schwiegervater bis zur Verstörung von den Furien der Unterwelt gequält wurde und der göttliche Zorn seine zuckende Leber erschütterte, erleichterte den von Raserei Gequälten die Medizin seines Schwiegersohnes. Diese war nichts anderes als die Saiten Davids. [50] Er spielte und trieb friedenstiftend den grausamen Dämon aus. Es will etwas heißen, den Unterwelthund völlig zu bezähmen. Einst schlug auch der starke Achill seine Lyra - mit derselben Hand, mit der er Troja einnahm und zu Fall brachte. 5. Einer von uns gründete allein mit seiner Leier eine Stadt. Daher hat das alte Theben seinen Ruhm. Einem von uns folgten Berge und Wälder, und es stockten gebannt die Flüsse in ihren Ufern. Man hätte Eichen ihre Wurzeln regen und vorrücken sehen können in einem Zug, wie wenn der Soldat beim Klang der Trommel feierlich einzieht. [60] Es zogen auch Zedern davon und, zusammen mit grünenden Erlen, dunkelnadelige Tannen und Pappeln mit silberglänzenden Blättern. Es zogen auch Zypressen davon, wenn nicht Totenfeiern sie daran hinderten, denn oft pflegen sie Grabhügel zu besuchen. Es seufzten wilde Bären, es weinten Löwen, es legten sich friedfertig zu den Lämmern die Wölfe. 6. Daher wurde uns Ehre zuteil, daher nahm unser Ruhm zu. Der Ruhm ist nicht eitel, und auch die Ehre ist nicht unbegründet. Purpurtragende Geistliche und gekrönte Landesherren werben uns für Geld an, auch der Kaiser dingt uns. [70] Wir stimmen nur zögernd zu; dennoch lockt uns der goldene Fuchs. Wer diesen gesehen hat, wessen Laute mag da stumm bleiben? Mag doch mit tausend Winkelzügen die Rechtswissenschaft andere berühmt machen: Mich beglückt meine Muse. Und ungeheure Schätze, die anderen ihre Anstrengung kaum in einem ganzen Jahr einbringen wird, beschert mir ein einziger Monat. Wie leicht ist es, mit schlanken Fingern die Laute zu spielen! Wie leicht entströmt dem Hals melodischer Gesang! Nach solchem Muster der Kehle kommt auch von den Gebern goldner Lohn. (Du weißt sehr wohl, was für einem Ruß er entnommen ist). [80] Für uns speit der Pactolus goldgelben Sand aus; und das Wasser des reichen Tajo schmiert uns den Schlund. Als ich vor kurzem gefällig sang, wurde mir auf meine Schultern eine kostbare Kette aus glänzendem Metall gelegt. Gürtel funkeln, und
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Cingula resplendent: chlamydes subteximus auro. Auratis clavis tendimus, ecce, fides. Tinnit in aure sonus: tinnit quoque nummus in area. Dulce est, alternis hunc variare chorum. Jamque adeò sentis, haud dona uxoria quaeri. Te peto, non dotem, cara puella, tuam. 7. Hoc ita non pridem memoranda nocte canebam: Cùm tibi delicias fecimus ante domum. Ib am cum socijs calcan tum more plateas. Intremuit solidis passibus icta silex. Non tunc excubias, non ferrum, umbrasque volantes, Non timui strictas in mea Fata manu s. Ven tum erat ad limen: tunc nostra resolvimus ora, Instructi gladio, pectine quisque suo. Ac nisi decipior, visa es mihi signa dedisse, Ter rota, ter strepitu mota fenestra fuit. Cynthia, cantabam, toto nitidissima coelo. Nomine mutato, tu mihi Sidus eras. Phyllida dicebam: salve dignissima custos Elysiae villae: tu mea Phyllis eras. Chloris, iô, florens, Zephyro dilecta marito, In mea prata veni: tu mea Chloris eras. 8. Musica Gens laeta est, pronoque in gaudia sensu Fertur, et affectus ad sua vota rapit. Finge coronatos onerari lancibus orbes: Fercula mutari, Massica vina bibi. Si lyra nulla sonat, quid sunt convivía muta? Orgia quid Bacchi? si lyra nulla sonat. Luxus iners, ubi nulla fides, et barbita torpent. Mota movent ánimos, exhilarantque dapes. Ipsa quoque hac animâ nisi se Comoedia ludens Induat: absque choro, triste cadaver erit. Ne dubites igitur sociare cubilia mecum. Quam mihi das vitam, reddere, Virgo, volo. Quemcunque anteferas: sterilis, vel frigidus Hymen, Vel morosus erit; si Cytharoedus abest. 9. Non potes, ut cupias etiam, sine nubere nobis. Ni, ceu Persephone, nubere rapta velis. Durior ut quercu rigeas, scopulisque marinis Surdior: in partes arte trahêre meas. Si Geta Dijs genitus (nam Dij genuisse feruntur;) Threicia potuit saxa movere lyrâ: Non ego te fidibus nostris adducere possimi Et mihi Testudo est. et mea fila trahunt.
96 Fata] A; fata Β
112 Bacchi?] A; Bacchi, Β
sonat.] A; sonat? Β
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ios
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113 torpent.] A; torpent, Β
159 wir lassen unsere Mäntel mit Gold durchwirken. Mit goldenen Wirbeln, schau nur, stimmen wir die Saiten. Es klingt im Ohr der Ton, es klingt auch die Münze im Kasten: Angenehm ist es, wenn dieser Doppelchor im Wechsel ertönt. Und nun merkst du erst richtig, daß ich nicht auf Brautgeschenke aus bin. Nach dir verlangt mich, teure Geliebte, nicht nach deiner Mitgift. [90] 7. Dies drückte ich vor gar nicht langer Zeit in der denkwürdigen Nacht im Gesang aus, als ich dir vor deinem Haus ein Ständchen darbrachte. Ich ging mit meinen Gefährten nach Art der Pflastertreter; es erbebte der Stein unter unseren festen Schritten. Damals fürchtete ich keine Nachtwächter, kein Schwert, keine huschenden Schatten, keine Hände, die auf mein Verderben aus sind. Wir waren an der Schwelle angekommen; alsdann begannen wir zu singen, ein jeder gerüstet mit seinem >Schwerthöheren Chor< und gehöre nicht zu einem weltlichen oder gewöhnlichen Chor, der wohl kaum Prophezeiungen verstehe, geschweige denn verkünden könne. 7. Auch täten die dank ihrer musikalischen Fähigkeit gerühmten Trompeter nichts zur Sache. Denn welche Trompeter hätten sich jemals in einer Schlacht eines grausamen Krieges wacker geschlagen? 8. Doch seifreilich die berüchtigte Launenhaftigkeit der Musiker, die in unglaublicher Wandlungsfähigkeit unbeständig und überraschend und daher grimassenartigen Veränderungen im Gesichtsausdruck unterworfen sei, gewiß etwas, was die Bedenken heiratswilliger junger Frauen hervorrufen müsse. 9. In der Tat neigten die berühmtesten Singmeister offenbar zumeist auch dazu, im Rausch zu streiten wie die Lapithen. Was aber könne abstoßender sein als dies ? 10. Gesetzt den Fall, Pamphilus sei nicht von dieser Sorte: Wer dürfe es übelnehmen, daß die Angst vor der entgegengesetzten Möglichkeit das Herz einer Frau beengt?
164 11. Quòd nonnulli Musici, nullo negotio ditescant: sanè (prò dolor!) contingere, plurium ingratijs, multorum invidiâ, aliquorum injuriâ, quorundam incuriâ: peregrinâ superbiâ. 12. Quasi verò non et miserabiles atque pauperrimi esuritores ad pulpita tempiorum, et rotas ollarum dentur. 13. Quidquid sit; Musicam naturalem avium juvenumque frugalium incorruptam vocem, praeferri rancidis et pretiosis modulationibus eunuchorum. [117] 14. Errasse bonum Pamphilum, quasi notatum, dum Vraniae nocturno tempore accineret, adfenestram placuisse. talibus cantilenis, sive encomijs castas non affici. 15. Quid multis? Sponsae acquirendae, sed invitae obtrudi cantorem et cantum: haerenti insuper in exsilio, gementi in valle lachrimarum. 16. Denique, ut cecinerit, canatque procus Sarga suavissimè: coelestem tarnen Hymnodiam, à D[ivo] Francisco Seraphico auditam, non superaturum. Huic Vraniam immori velie. URANIA PAMPHILO SARGAE MVSICO.
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NOn sine vocali strepita tua, Pamphile, nuper Incidit in nostras littera missa manus. Credo, ut continuò scirem, qui scripserat illam, Phonascum celebrem temporis esse sui. Gratulor hunc titulum. sed nondum exacta voluntas: Ut cupiam partem laudis habere tuae. 2. Nescio quem verbis sublimibus Orphea jactas. Plurimus Amphion semper in ore tuo est. nios saxa, feras, fluvios traxisse canendo: His ut te proavis suspicer esse satum. 3. Quin igitur patrias exerces callidus artes? Et pariter fluvios, saxa, ferasque trahis? Cur me sollicitas precibus, cùm cogere possis? Quae duci renuit, nonne trahenda fuit? Si videor tibi dura silex, torrentior amne, Saevior Hyrcana tigride: fila move. Nimirum vanis rumoribus improba serpit Fabula: veridici nil ea vatis habet. Fabula sunt veteres, saltantia moenia, Thebae. In terris, Cadmi non fuit ille nepos.
S 16 Β cecinerit,] Β; cecinerit A
1 tua,] A; tua. Β
suavissimè] suavifiimè A; suavissimè Β
6 tuae.] B; tuae A
165 11. Daß einige Musiker ohne Anstrengung reich würden, komme allerdings leider vor - manchen zum Verdruß, vielen zum Neid - durch Rechtsbeugung von einigen, durch Leichtsinn von etlichen, durch Überheblichkeit von Ausländern. 12. Als ob es nicht auch jämmerliche und bitterarme Hungerleider an den Kirchenpulten und beim Kreisen der Töpfe gäbe. 13. Wie auch immer - die natürliche Musik der Vogel und die unverdorbene Stimme anspruchsloser junger Männer würden den widerwärtigen und überladenen Melodien von Kastraten vorgezogen. 14. Der gute Pamphilus habe sich geirrt, wenn er meinte, er sei, während er Urania nächtens ein Ständchen brachte, am Fenster mit Wohlgefallen bemerkt worden. Von solchen Gesängen oder Huldigungen ließen sich sittsame Mädchen nicht beeindrucken. 15. Wozu brauche es noch vieler Worte ? Einer umworbenen, aber unwilligen Braut dränge sich ein Sänger mit seinem Gesang auf, obendrein während sie noch in der Verbannung weile und im Tal der Tränen seufze. 16. Und zuletzt: Möge Sarga bei seiner Brautwerbung auch höchst angenehm gesungen haben und noch singen, so werde er doch den himmlischen Hymnus, den der engelsgleiche hl. Franciscas gehört hat, nicht übertreffen. Ihm wolle Urania bis in den Tod treu bleiben. Urania an den Musiker Pamphilus Sarga 1. Nicht ohne gewaltigen Stimmaufwand, Pamphilus, geriet dein Brief vor kurzem in meine Hände, wohl, damit ich gleich wüßte, daß sein Verfasser ein berühmter Singmeister seiner Zeit sei. Ich gratuliere dir zu diesem angesehenen Titel, aber du hast dein Ziel noch nicht erreicht, daß ich wünsche, an deinem Ruhm teilzuhaben. 2. In erhabenen Worten prahlst du mit einem gewissen Orpheus. Immer und allzuoft führst du einen Amphion im Munde. Du berichtest von jenen, sie hätten mit ihrem Gesang Felsen, wilde Tiere und Flüsse gelenkt, damit ich zu der Meinung gelangen soll, daß du von solchen Vorfahren abstammst. [10] 3. Warum übst du dann nicht mit deinem Können die ererbten Künste aus und lenkst in gleicher Weise Flüsse, Felsen und wilde Tiere? Warum lockst du mich mit Bitten, obwohl du mich doch zwingen könntest? Hätte man eine, die es ablehnt mitzukommen, nicht mitziehen sollen? Wenn ich dir vorkomme wie ein harter Stein, reißender als ein Wildbach, grimmiger als eine hyrkanische Tigerin: Greif in die Saiten! Freilich pflanzt sich die dreiste Mär durch prahlerisches Gerede fort; sie rührt nicht von einem wahrheitsliebenden Sänger her. Erdichtete Mär ist das alte Theben mit seinen tanzenden Mauersteinen; jenen Enkel des Cadmus gab es nicht auf dieser Welt. [20] Eine Mär ist auch der, den Bacchantinnen mit ihrem
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Fabula, quem Bacchae Thyrsis mactâsse feruntur: Aut cui delphines supposuere caput. 4. Qui propria plerumque domo Laribusque caretis; Posse rear muros aedificare lyrâ! Nullus ab Aegypto tarn latè Cingarus errat; Quàm grex, qui vocem vendere et ora solet. Jamque Ducum pronas, Regum jam raditis aures: Ultima Romani Caesaris Aula tenet. Interea indocti, nullo sermone politi, Otia per noctes ducitis atque dies. Ex his qui nôrunt Septem discrimina vocum, Pierij quota pars est studiosa Chori? Quis canit, et pariter studijs operatur honestis? Musicus, et Musas vix reperitur amans. Oderunt potiùs: quoniam plerumque vagantur. Unde vagabundi mobile nomen habent. Annua solennis redeant certamina Ludi: Non qualem spectat campus, Olympe, tuus. Sed qualem merito statuit Parnassus Honori. Qui bene stat, currit: Qui sedet, ille volai. Curritur hìc pedibus, quibus aut Elegia movetur; Aut tuus Aeneas, Dauniadesque, Maro. Ingenijs certant Juvenes. nova lucta Palaestrae Incipit, atque oleo gaudet inuncta cutis. Sumitur hoc oleum nocturna ex lampade: qualem Ipsa rigat cerebri rore Minerva sui. Tum verò ad coestus, arcusque: asperrima cernas Virtute et doctis bella movere dolis. Quisque suos acuunt calamos et spicula tergunt: Quot pieni capitis viva pharetra gerit. Contraili tur facies: oculi sub fronte reducta Invigilant: mutât pallidus ora color. Scandito exacto ludo sublime theatrum. Ordine, Victorum nomina praeco legit. Hic apium, hic sertum de glauca tollit oliva. Sunt, quos Laurigeros Thessala Virgo facit. Saepius adversum est: Phonasci, debita jure Praemia pauca ferunt: si tamen ulla ferunt. 5. Quid jactas artem? cujus primordia, priscis Si qua fides, haec sunt; Malleus, atque faber. Ferrea Cyclopum, repetitis ictibus, Echo Intonat, alternâ percutienda manu. Hinc observatus resono concentus ab aere; Fit subitò mollis, qui modò durus erat. 6. Non puduit Solymae Regem contingere chordas. Credo equidem. Vates Entheus ille fuit.
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167 Thyrsus hingeschlachtet haben sollen, oder der, den Delphine auf ihrem Rücken getragen haben. 4. Soll ich etwa glauben, daß ihr mit der Laute Mauern errichten könnt, die ihr zumeist nicht einmal Haus und Herd euer eigen nennt? Kein Zigeuner schweift von Ägypten aus so weit umher wie das Völkchen, das Stimme und Mund zu verschachern pflegt. Bald strapaziert ihr die geneigten Ohren von Herzögen, bald sogar die von Königen; zuletzt gar hält euch der Hof des römischen Kaisers fest. Unterdessen gebt ihr euch ohne Bildung, ohne feinere sprachliche Kultur bei Tag und Nacht dem Müßiggang hin. [30] Von denen, die die sieben Stufen der Tonleiter kennen - wieviele widmen sich davon dem Chor der Pieriden? Wer singt und treibt zugleich angesehene Studien? Man findet kaum einen Musiker, der auch die Musen liebt. Sie verabscheuen sie eher, denn sie ziehen ja meistens umher, weswegen sie zum Ausdruck ihrer Unbeständigkeit auch Vagabunden heißen. Stell dir vor, der jährliche Wettkampf beim Schulfest kehrt wieder, nicht einer, wie ihn dein Gefilde, Olymp, sieht, wohl aber, wie ihn der Parnaß der wohlverdienten Ehre ausrichtet. Wer einen festen Stand hat, der kommt vorwärts; wer beharrlich sitzt, der fliegt hoch hinauf. [40] Dabei eilt man mit Füßen, mit denen entweder die Elegie sich fortbewegt oder, Maro, dein Aeneas und Turnus. Mit ihren geistigen Gaben wetteifern die jungen Männer, von neuem beginnt der Kampf in der Ringschule, und die gesalbte Haut freut sich über das Öl. Man nimmt dieses Öl aus der nächtens leuchtenden Lampe, welche Minerva selbst mit dem Tau ihres Geistes netzt. Dann aber geht es zu Faust- und Bogenkampf, und man kann erleben, wie sie erbitterte Kriege mit Mut und gelehrter List führen. Alle spitzen ihre Schreibfedern und reiben alle Pfeile blank, die der lebendige Köcher eines wissensgesättigten Kopfes birgt. [50] Die Miene spannt sich an, die Augen unter der gerunzelten Stirn sind wachsam, Blässe überzieht das Gesicht. Nach dem Wettkampf besteigt man die erhabene Bühne. Der Reihe nach verliest ein Herold die Namen der Sieger. Der eine trägt den Eppich davon, ein anderer den Kranz aus grünlichem Olivenlaub. Manche bekränzt auch die thessalische Jungfrau mit Lorbeer. Oft ist es bemerkt worden: Die Singmeister bekommen nur wenige Preise, die ihnen zu Recht gebühren, wenn sie denn überhaupt welche bekommen. 5. Was prahlst du mit deiner Kunst? Deren Ursprünge sind, wenn man den Alten glauben kann, der Hammer und der Schmied. [60] Der Widerhall des Eisens ertönt laut bei den wiederholten Schlägen der Zyklopen, von der Hand abwechselnd stark und schwach ausgeführt. Daher wird, wenn man auf das wiederklingende Erz achtet, der Klang sogleich weich, der eben noch hart war. 6. Der König von Jerusalem schämte sich nicht, die Saiten zu rühren: Das glaube ich allerdings, war jener doch ein gottbegeisterter Sänger und brachte ein
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Admovitque ñdes dignas coelestibus Aris. Non poterant tangí nobiliore manu. Praesagus fibris divinas expulit odas: Ad quarum sonitus intonuere Poli. Sacraque quam Genij velârunt grandibus alis; Sensit, et arcanis annuit A R C A modis. Die potens totum cantu tremefecit Avernum: Ut retro versis Styx ulularet aquis. Tú quis es ad tantum, nervis instructus ovinis? Non mulcet Phoebum, Faune, Camoena tua. Quod certamen erit, si sus doctura Minervam est? Scilicet ad cygnum corvus inanè strepit. Plerumque impuros tantum cantatis amores: Quaeque manu geritis plectra, Cupido dedit. Illius ardentes jaculantur vestra sagittas Ora: nec auditur vox, nisi bella Venus, Bella Venus scenas omnes et comica tecta Personat: haec stultis fabula sola placet. 7. Quin etiam Aeacidem, animosaque nomina profers, Nullus Achillaeo major habetur honos. Heu miser! ille fuit magni Chironis alumnus. Cujus tu fueris; fortè referre pudet. Inter equos, interque tubas, interque leones Nutritum docuit, quae cecinisse juvet. Et tu foemineam bello committere buxum! Et tu, Semiviri quae docuere Phryges! Frange lyram Paridis molles agitantis amores. Illa nihil prorsus fortis Achillis habet. Musicus in castris, quamvis armatus oberret, Scilicet in curru deside quinta rota est. Quem Suecum terrebit enim Philomela canendo? Cantum alio tactu fortiùs ille movet. Parce, precor, lituis citharas confundere, Sarga. Non bene conveniunt, nec modulantur idem. Terribilis nostrâ leviorem aetate repellit Fistula: nec valet hîc -.fistula dulce canit. Haec quoque Maitis aves, aquilas, corvosque rapaces, Nedum luscinias, agmina parva fuget. Suadeo, si me audis, Dilecte, domestica castra Pace tua: pacem Protesilaus ames. 8. Quam ñeque securam tamen, aut sine crimine puram Audio te solitum continuare diu.
85 profers,] A; profers: Β ames: Α,Β
95 oberret,] A; oberret. Β
102 Fistula:] A; Fistula Β
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so
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106 ames.]
169 himmlischer Altäre würdiges Saitenspiel dar. Die Saiten hätten von keiner edleren Hand gerührt werden können. Er entlockte ihnen prophetisch von Gott erfüllte Lieder, zu deren Klängen die Pole des Himmels laut ertönten. [70] Und die heilige BUNDESLADE, die Engel mit gewaltigen Rügein verhüllten, nahm sie wahr und neigte sich zu den geheimnisvollen Weisen. Jener erschütterte machtvoll die gesamte Unterwelt mit seinem Gesang, so daß der Styx seinen Lauf verkehrte und laut aufheulte. Wer bist du im Vergleich zu solch einem Großen, ausgestattet mit Saiten aus Schafsdarm? Deine Muse erfreut Phoebus nicht, du Faun. Was wird das für ein Wettkampf sein, wenn ein Schwein Minerva belehren will? Natürlich krächzt ein Rabe vergeblich im Vergleich mit einem Schwan. Meistens besingt ihr nur unzüchtige Liebschaften, und die Laute, die ihr in der Hand tragt, gab euch Cupido. [80] Seine versengenden Pfeile schießt euer Mund ab, und man hört kein anderes Lied außer »Allerliebste Venus«. »Allerliebste Venus« erklingt auf allen Bühnen und in den Komödienhäusern: Nur diese Geschichte gefällt den Narren. 7. Ja, du führst sogar den Aiakiden an, einen Begriff für Heldenmut; kein Ruhm gilt mehr als der des Achill. Ach, du Armseliger! Jener war ein Schüler des großen Chiron. Wessen Schüler du gewesen bist, schämt man sich wohl zu erwähnen. Chiron lehrte den, der zwischen Pferden, Kriegstrompeten und Löwen aufgewachsen war, zu singen, was zu erfreuen imstande ist. [90] Und du willst die weibische Flöte im Krieg einsetzen! Und du singst, was dich phrygische Weichlinge lehrten! Zerschmettere die Leier des Paris, der zärtliche Liebschaften pflegte, hat sie doch ganz und gar nichts vom tapferen Achill. Mag ein Musiker auch im Kriegslager bewaffnet umherirren, ist er doch gewiß das fünfte Rad an einem müßigen Wagen. Denn welchen Schweden wird eine Nachtigall mit ihrem Gesang erschrecken? Kräftiger stimmt jener ein Lied mit anderem Schlag an. Hör bitte auf, Sarga, Lauten mit Zinken zu vermengen: Sie passen nicht recht zusammen und spielen nicht dieselbe Melodie. [100] Ein schreckeinflößendes Rohr vertreibt zu unserer Zeit das sanftere, und da gilt nicht: Lieblich ertönt das Rohr. Dieses Instrument vermag auch die Vögel des Mars, die Adler und die räuberischen Raben, zu verscheuchen, erst recht die kleinen Schwärme der Nachtigallen. Ich empfehle dir, wenn du auf mich hörst, mein Lieber, - verzeih mir die Worte! - ein häusliches Lager. Liebe als ein Protesilaus den Frieden. 8. Ihn pflegst du aber, wie ich höre, nicht lange ungefährdet oder frei von Schuld zu wahren. Man sagt auch, euch wohne eine erstaunliche Launenhaftigkeit
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Dicitur et vobis mirabilis Humor inesse. Nescio, quo monstrum nomine tale vocent. Verminat introrsum, subitosque ad Gorgonis ictus, Innato lepidum sibilat angue caput. Nunc celeres animi motus: nunc pondere mens est Tardior: et stertit non madefacta chelys. Nonnunquam subeunt primi fastidia coepti. Mox desperatum continuatur opus. Vina resumuntur, plectrumque resumitur unà, Sobrius hesternâ non volet ire viâ. Invito quondam canitis: cantare rogati Abnuitis: quamvis Caesaris ANNA roget. Haeret propositum, Phalaris licet ipse minetur: Non solvet nisi bos aureus ora datus. Nec tamen hoc oestrum censuri damno severâ: Fertilis ingenij cùm sit amoena seges. Magnorum caussa est operum: sine vermibus istis Vìi animi marcet: nullaque vena micat. At simul erepunt, tractimque à fronte moventur: Titillant ñervos, succutiturque caput. Gaudia subsultu crispant praecordia miro. Ostendunt certas os oculique notas, Se sapiens prodit furor; et vivacior ardet Impetus: et risum laeta Medusa ciet. Libertas timidis non displicet ista puellis. Austeros etenim non decet esse viros. Certè ego festivo malim nupsisse marito: Radicem cerebri cujus hic Humor alit; Quàm tétrico vultu semper qui durât eodem, Seu Capricorne tuo, bubale sive tuo. 9. Dumm odo non tandem manifesta insania rixas Inchoet: et vermis, fiat echidna nocens. Hoc quoque enim timeo. vidi considere septem Sub platano folijs luxuriante novis. Bacchus adest: (bacchantur enim) majoribus urnis Poscitur; et crescit, dum bibit, ipsa sitis. Jamque suo vehitur Senior Silenus asello: Et quae Bassarides cum sene semper eunt. Ergo simul caluere mero, caluere tumultu: Fit fragor, et sparsim pocula jacta volant. Mensa supinatur. mox instrumenta canendi, Telorum subeunt nablia fracta vicem.
109 inesse.] B; inesse A ros.] viros A,Β
118 volet] A; valet Β
121 propositum,] Β; propositum A
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171 inne. Ich weiß nicht, mit welchem Namen man ein derartiges Ungeheuer bezeichnen soll. [110] Der feine Kopf kribbelt im Inneren wie von Würmern und auf die plötzlichen Schläge der Gorgo hin zischt er mit der ihm eingeborenen Schlange. Bald regen sich die geistigen Kräfte schnell, bald ist der Verstand schwer und ziemlich träge, und es schnarcht die Laute, wenn sie nicht begossen wird. Manchmal schleicht sich Überdruß ein an dem, was ihr gerade begonnen habt, bald wird ein schon verworfenes Werk fortgesetzt. Man greift wieder zum Wein, ergreift zugleich die Laute; nüchtern will man nicht fortfahren auf dem gestrigen Weg. Zuweilen singt ihr vor einem, der es nicht hören will; wenn ihr gebeten werdet zu singen, lehnt ihr es ab, wie sehr euch auch des Kaisers ANNA darum bittet. [120] Ihr bleibt bei eurer Haltung, auch wenn Phalaris selbst drohen würde; nur wenn man euch ein goldenes Rind reicht, öffnet euch das den Mund. Dennoch verdamme ich diesen Stich nicht mit strengem Tadel, weil er der reizende Sproß eines fruchtbaren Talentes ist. Er ist die Ursache großer Werke: Ohne dieses Kribbeln der Würmer ist die Kraft des Geistes schlaff, und es pulsiert keine Ader. Sobald sie sich aber regen und sich nach und nach von der Stirn her fortbewegen, kitzeln sie die Nerven, und der Kopf wird wachgerüttelt. Freuden erschüttern das Zwerchfell mit wundersamem Zucken; Mund und Augen zeigen untrügliche Merkmale. [ 130] Die einsichtsvolle Verzückung tut sich kund, und gar lebhaft flammt ihr Ungestüm auf; fröhlich erregt Medusa Gelächter. Den scheuen Mädchen mißfallt dieses Sichgehenlassen nicht, denn die Männer dürfen nicht griesgrämig sein. Ich jedenfalls würde lieber einen heiteren Mann heiraten, dessen Hirnwurzel diese Laune netzt und nährt, als einen, der immer dieselbe finstere Miene zeigt, die zu dir, Steinbock, gehört oder, Stier, zu dir. 9. Wenn nur nicht zuletzt offenkundiger Wahnsinn Streit beginnt und aus dem Kribbeln der Würmer eine verderbliche Schlange entsteht! [140] Auch dies nämlich befürchte ich. Ich sah, wie sich sieben Musiker unter einer Platane, die in frischem Laub prangte, niederließen. Bacchus ist anwesend (sie bechern ja bacchantisch); man fordert sich mit größeren Humpen heraus, und es wächst beim Trinken der Durst von selbst. Und schon reitet der betagte Silen auf seinem Esel herbei und es kommen die Bacchantinnen, die den Alten immer begleiten. Kaum also erhitzten sie sich am Wein, so erhitzten sie sich auch am Getümmel, es gibt ein Getöse, und die Becher fliegen in hohem Bogen hin und her. Der Tisch wird umgeworfen. Bald dienen die Instrumente, die den Gesang begleiten, die Harfen, als Wurfgeschosse und gehen zu Bruch. [150] Man greift nach den Bruchstücken
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Frusta resumptorum tristes adhibentur ad usus. Vulnera distillant: sanguine mappa rubet. Cum Lapithis summas Pindi jaculantibus ornos, Ipsos Centauros accubuisse pûtes. Centauris ut ego coelestis Filia nubam! Non sum Peliacis edita Virgo jugis. 10. Sis tarnen exceptus, ñeque turba notus in ista. Sarga meus comis: Sarga benignus homo. Sed mitem genium posito quo pignore sancis? Quis pro te Sponsor, quis volet esse vadis? Omnia nam metuunt, quibus haec sunt praelia nota. Sollicitam justa suspicione leva. Dissimulant, simulantque: et multa precantur abusi Saepe puellarum simplicitate proci. O quoties dicunt: mea lux, mea sola voluptas! Nec mea, nec sola est, et mea sola minùs. Invidiosus amor fatuos transfumat in ignes: Inque truces iras suspiciosus amor. Mille sonans fidibus laetis promittitur aether: Ex his servatur saepe nec una fides. Succedunt valles lachrymarum montibus aurêis: In quibus infelix moestaque nupta jacet. 11. At Phrygio cultu spectandi incedimus, inquis. Hoc est, quod lites invidiamque movet. Musicus induitur Sutoris filius auro: Cerdonem Tyrio murice lana tegit. Teutona Majonim claris natalibus ortum, Nobilitas panno vestit avita rudi. Unica Vox, caussa est tanti discriminis hujus. Atque adeò refert: vir canat, anne spado. Dives fit, Tuscis ferro castratus in Oris: Integer, et nullo vulnere castus, eget. Plus igitur fuerit, Martis cecinisse tropaea: Höstes in campo quàm superâsse suos? Cedunt arma togae: concedit laurea linguae: Arpiñas veré vaticinatus erat. Cogitur ignavis Labor, et, quae classica proflat, Imbelli citharae succubuisse Tuba. Vertere Rhene retrò: virtutem gratia vincit; Eunuchusque viros: vertere Moene retro. 12. Quò rapior demens? quales effundo querelas? Turpi s an offensam me quoque livor edit?
151 usus.] A; usus, Β
160 Sponsor] A; sponsor Β
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184 suos?] Β; suos. A 186 erat.] Β; erat A
173 und verwendet sie zum traurigen Zweck: Aus Wunden tropft das Blut und färbt das Tischtuch rot. Man könnte meinen, die Kentauren selbst hätten mit den Lapithen, die die höchsten Bergeschen des Pindus schleudern, getafelt. Und ich als Tochter des Himmels sollte mich Kentauren ehelich verbinden? Ich bin doch keine Jungfrau, die auf den Höhen des Pelion geboren wurde! 10. Du magst jedoch eine Ausnahme und nicht als einer aus dieser Schar bekannt sein: Mein Sarga ist ein freundlicher, mein Sarga ist ein gutartiger Mensch. Doch mit welchem Unterpfand bekräftigst du diesen friedlichen Charakter? Wer wird für dich bürgen, wer Haftung übernehmen wollen? [160] Diejenigen, die solche Kämpfe kennen, wittern in allem Gefahr. Befreie mich in meiner Unruhe von dem begründeten Argwohn. Freier verheimlichen und täuschen etwas vor und versprechen viel, indem sie sich oft die Arglosigkeit der Mädchen zunutze machen. Ach, wie oft sagen sie: »Mein Licht«, »meine einzige Wonne«. Sie ist jedoch weder »meine« noch die »einzige« und viel weniger »meine einzige«. Eifersüchtige Liebe verraucht in Irrlichter und in grimmigen Zorn argwöhnische Liebe. Man verspricht einen Himmel, der von tausend glückverheißenden Saiten tönt. Doch oft wird von ihnen kein einziges Versprechen eingehalten. [170] Auf Berge von Gold folgt ein einziges Tal von Tränen, in dem die Verheiratete unglücklich und traurig darnieder liegt. 11. Du sagst: Wir schreiten aber doch in phrygischer Pracht ansehnlich daher. Gerade das ist es, was Streit und Neid erweckt. Ein Musiker, Sohn eines Schusters, kleidet sich in Gold; einen Handwerker umhüllt Wolle, gefärbt mit tyrischem Purpur. Einen aus vornehmer Familie entsprossenen Deutschen kleidet sein ererbter Adel mit einem groben Tuch. Es ist einzig die Stimme der Grund für einen so großen Unterschied, und es macht so viel aus, ob ein Mann singt oder ein Kastrat [180]. Reich wird der, der im etruskischen Land unters Messer gekommen ist; deijenige aber, der unversehrt und ohne Eingriff sittlich rein bleibt, leidet Not. Es soll also mehr gelten, den Sieg im Krieg zu besingen als seine Feinde im Feld zu bezwingen? Es weichen die Waffen der Toga, es weicht der Lorbeer der Zunge, hatte der Autor aus Arpinum treffend vorausgesagt. Gegenüber Taugenichtsen muß Anstrengung unterliegen und gegenüber dem unkriegerischen Saitenspiel die Posaune, die zum Kampfe bläst. Fließe rückwärts, Rhein! Das Gefällige siegt über Leistung, der Kastrat über Männer. Fließe rückwärts, Main! [190] 12. Wozu lasse ich mich unvernünftig hinreißen? Was für Klagen verströme ich? Verzehrt auch mich, da ich daran Anstoß nehme, häßlicher Neid? Man sollte
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Gratari potiùs, quàm sugillare decebat. Ex aequo partas Dij tueantur opes. Haud equidem invideo: multo flavete metallo: Gratia quos Regum, voxque canora beat. Sed paucos Fortuna levât, quos tollet in altum, Forsitan è multis unus et alter erit. O quot jejuni rumpunt ad pulpita fauces! Insignes Codros jure vocare queas. D u m cantant, saturi tosta perdice putantur: Sed redolet lentem pulcraque vestis olus. Ore fluunt voces; quas credas Attidos esse: Latrat in exeso ventre canina fames. Fuñera nonnulli fiant, si fuñera desint. Macra sepulcralis corpora lessus alit. Ah! praeeunt funus, lugentque cadaver inane. Veriùs ob proprium corpus inane gemunt. Dira fames craciat, roditque domesticus hostis. Occidet miseros: ni Libitina juvet. Dia juvat, nummoque dato solatur egenos. CUT tu non etiam dives avare juvas? Fratres nempe tuos. quot mendicabula can tant Ante fores tenebras, atque Numisma petunt! Quos inter quidam lacero centone teguntur: Multorum in pedibus calceus alter hiat. Tu facie toma transis, et despicis illos. Ecce hoc est, mihi quo S A R G A piacere nequis. 13. Saepe etiam vestris concentibus Ecloga praestat. Tarn tremulo vanos editis ore modos. Hic interrupto gemitu luctatur, et hiscit: Ac si Stultitiae thura litare velit. Die sonum obfuscat, tractimque resorbet eundem. Miscetur corvo nescio qualis olor! Alterius credas veluti labentia vocem Flumina, confusae radere littus aquae. Praefero lucís aves: carmen meditantur inemptum Omnibus in silvis. praefero ruris aves. Hae non emungunt proceres: nec carmina vendunt; Aut pro gratuita voce talenta petunt. Vos nimiùm caro sumptu suspiria vestra Venditis, et rauci gutturis exsequias. Quadringenta sono demus! sestertia sumat Musicus! an tanti stet mihi pulmo tuus!
222 Stultitiae] A; stultitiae Β
232 Venditis,] Β; Venditis. A
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175 euch eher beglückwünschen als beschimpfen. Den Reichtum, den ihr rechtens erworben habt, mögen die Götter euch bewahren. Ich bin gewiß nicht neidisch auf euch. Glänzt nur mit viel Metall, ihr, die der Könige Gunst und eure wohlklingende Stimme bereichern! Doch nur wenige hebt Fortuna empor; wen sie erhebt, das werden vielleicht von vielen nur einer oder zwei sein. Ach, wieviele reißen am Pult ihren Mund vor Hunger auf! Man könnte sie zu Recht ausgezeichnete Nachahmer des Codrus nennen. [200] Während sie singen, meint man, sie seien satt vom Verzehr eines gebratenen Rebhuhns. Doch ihr schönes Gewand riecht nach Linsen und Kohl. Aus ihrem Mund ergießen sich Tone, die man Attis zuschreiben möchte. In ihrem ausgezehrten Bauch aber knurrt wölfischer Hunger. Manche möchten wohl selbst zum Trauerfall werden, wenn es an Trauerfällen mangelt. Die Totenklage am Grab nährt die mageren Leiber. Ach, sie gehen vor dem Toten und betrauern den entseelten Leichnam. In Wirklichkeit aber seufzen sie über den eigenen fleischlosen Leib. Schrecklicher Hunger peinigt sie, und der Feind im Inneren nagt an ihnen. Er wird die Armen töten, wenn nicht etwa Libitina hilft. [210] Sie hilft den Bedürftigen und tröstet sie in ihrer Not mit einer Geldgabe. Warum hilfst nicht auch du, reicher Geizkragen, ihnen, die doch wohl deine Brüder sind? Wieviele singen als Bettler vor der Tür von ihrer aussichtslosen Situation und bitten um eine Münze! Unter ihnen sind etliche mit einem zerschlissenen Lumpenrock bekleidet, bei vielen klafft an den Füßen der eine Schuh. Du gehst mit finsterer Miene an ihnen vorbei und blickst verachtungsvoll auf sie herab. Schau, SARGA, das ist es, weswegen du mir nicht gefallen kannst. 13. Oft ist sogar ein Hirtenlied besser als eure Gesänge. Mit solch einer zittrigen Stimme gebt ihr eure sinnlosen Weisen von euch. [220] Der eine müht sich mit stoßweisem Schluchzen ab und sperrt das Maul auf, wie wenn er der Dummheit Weihrauch opfern wollte. Der andere färbt den Ton dunkel und zieht ihn langsam ein. Es vereint sich mit dem Raben ein merkwürdiger Schwan. Die Stimme eines anderen kommt einem vor, wie wenn Ströme wirbelnden Wassers sich im Hießen am Ufer rieben. Ich ziehe die Vögel unter freiem Himmel vor: Sie singen überall im Wald unentgeltlich ihr Lied; ich ziehe die Vögel auf dem Feld vor: Sie nehmen nicht den hohen Adel aus und verkaufen nicht ihren Gesang oder verlangen Unsummen für die ihnen geschenkte Stimme. [230] Ihr verkauft eure Seufzer und die rauhkehligen Trauergesänge allzu teuer. Für einen Ton sollen wir vierhundert Sesterzen hingeben? Ein Musiker soll sie bekommen? Soviel soll mich deine Lunge kosten?
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14. Forsitan exspectas illius praemia noctis, Quae nuper, Majo mense, canora fuit. Scilicet applausi: ter motis laeta fenestris Cantanti signum visa dedisse tibi! Heu! nimiùm simplex! decepit opinio vana. Mentitur votis saepe cupido suis. Increpui temeré rotulas, digitoque removi, Quae retinent vitreas claustra minora fores. Audivi celebrem nostris de laudibus oden: Cujus nec minimo pectine digna fui. Illa vel aversam poterai placare Dianam: Junonemque trucem conciliare tibi. Cynthia jam pleno vultu formosa vocabar: Casu fulgebat Cynthia, et alba quidem. Floraque dicebar flores dispergere digna: Qualibus exsultim fertilis Hybla fragrat. Sunt suspecta mihi de coelo encomia lapsa. Non cupio falsae nomen habere Deae. Phyllida cantasti, quoniam fuit illa modesta: Illius exemplo rustica Phyllis ero. Rustica sim sané, dicarque ligonibus apta: Rustica dum vitae sim sine labe meae. Callosis manibus glebas fregere Sabinae. Castior his Virgo nulla Latina fuit. At non Matronas tales aequare vetabor; Moribus et factis annumeranda meis. Qui bene noverunt, nullo me crimine damnant. Nostra (velim, quaeras) fama pudica manet. niam tu primus laeso libabis honore: Ut citharae pretium nobile dicar ego! Constarent audita nimis tua barbita magno, Quae cupio semper Virgo manere, mihi. 15. Adde: quòd exsilij locus hie epicedia poscit: Non Fescenninos, cantica blanda, jocos. Tempus piangerteli, gaudendi sera sequentur Tempora, post longas non properata moras. Interea Salicum suspendimus organa ramis. Non patitur cantum terra aliena tuum. Here vacat. nondum maturi cedite risus. Pronior ex oculis tristibus unda cadit. Undique circumstant me tot mala, totque dolores; Littora quot conchas, gramina campus habet.
241 removi,] A; removi. Β
260 meis.] A; meis, Β
266 mihi.] A; mihi, Β
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177 14. Vielleicht erwartest du einen Lohn für jene Nacht, die unlängst, im Monat Mai, von Gesang erfüllt war. Man höre nur: Ich habe Beifall gespendet, indem ich dir, als du sangst, erfreut dreimal durch Öffnen des Fensters ein Zeichen zu geben schien. Ach, du Einfaltspinsel! Eine bloße Einbildung hat dich getäuscht! Die Liebesbegierde spiegelt ihren Wünschen oft etwas Falsches vor. [240] Ich habe zufällig mit den Rädchen geknarrt, die als kleine Riegel die Fensterflügel schließen, und sie mit dem Finger zurückgeschoben. Da hörte ich ein Lied, das von Lob auf mich erfüllt war. Ich verdiente auch nicht den leisesten Ton davon. Dein Lied hätte sogar die abweisende Diana besänftigen und die grimmige Juno dir geneigt machen können. Einmal wurde ich als Cynthia angerufen, die mit vollem Antlitz in ihrer Schönheit prangt. Zufällig schien Cynthia da, und zwar hellstrahlend. Und Flora wurde ich genannt, würdig, Blumen zu verstreuen wie die, von denen die fruchtbare Hybla üppig duftet. [250] Mir sind die vom Himmel herabgekommenen Lobsprüche verdächtig. Mich verlangt nicht danach, den Namen einer erdichteten Göttin zu tragen. Du sangst von Phyllis: Weil diese bescheiden war, werde ich nach ihrem Beispiel eine ländliche Phyllis sein. Ein Landmädchen mag ich immerhin sein und als für die Hacke geeignet gelten, wenn ich nur ohne Makel in meiner Lebensführung ein Landmädchen bin. Mit schwieligen Händen bearbeiteten die Sabinerinnen die Schollen. Tügendhafter als sie war keine latinische Jungfrau. Doch kann man es mir nicht verwehren, es solchen Frauen gleichzutun; bin ich ihnen doch aufgrund meines Verhaltens und Tuns zuzurechnen. [260] Die mich gut kennen, bezichtigen mich keines Fehltrittes. Mein Ruf - forsche nur nach! - bleibt makellos. Ihn willst du als erster schmälern und meine Ehre verletzen, so daß ich als vorzüglicher Lohn für dein Zitherspiel bezeichnet werde? Dein Saitenspiel gehört zu haben, käme mich allzu teuer zu stehen, da ich doch immer Jungfrau bleiben möchte. 15. Nimm hinzu, daß dieser Ort der Verbannung hier Trauergedichte verlangt, nicht fescenninische Neckverse, schmeichelnde Lieder. Es ist eine Zeit des Wehklagens. Spät werden die Zeiten der Freude kommen, nach langem Aufschub, nicht übereilt. [270] Unterdessen hängen wir die Instrumente an die Weidenzweige. Die Erdenfremde verträgt sich nicht mit deinem Gesang. Jetzt ist die Zeit des Weinens. Fort mit dir, Lachen, für das es noch zu früh ist. Eher fallt aus den betrübten Augen die Träne. Überall umgeben mich so viele Übel und so viele Leiden, wie der Strand Muscheln und die Flur Gräser hat. Und unter solcher Last sollte ich
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Mole sub hac laeter! frontemque ad falsa serenem Gaudia, cùm mentem nubila moesta premant! Immò ais, hoc ipso, tibi opus cantore marito, Qui pellat. fateor; pellere multa queas. 16. Quòd nisi jam mecum statuissem vivere sola, Et sic bis genito vivere certa Deo: Uni forte tibi poteram promittere taedas, Et canis, et mulces, et placuisse potes. Non adeò à plectris hic noster sexus abhorret. Inter Pierides nos quoque turba sumus. Quae procul Aonios distinguunt vocibus hortos, An non sunt Musae, terque Puella triplex? An non Calliope liquidas dat gutture voces? An non divinos nostra Thalia modos? Omnia si fias, nunquam Polyhymnia fies. Ter centum similes vinceret illa tui. Hanc quoque contemnam. video meliora, proboque: Sed non, ut Colchis, deteriora sequar. Ergo, quas coelo pridem sacravimus aures; Parce supervacuâ SARGA ferire lyrâ. Altera quae medio scintillât in aethere, major Me Lyra delectat. cedat in Orbe minor. Nonne vides volucrem, quae à laude vocatur Alauda, Aëriâ sursum tendere in astra viâ. Describit pennis gyros, et circinat auras. Quò propior coelo est, suaviùs illa canit. Sidereis lapsus de Sedibus Aliger oseen, F R A N O S O steterat debilis ante torum. Vixque chelyn strinxit; cùm plaudit et exilit aeger: Ut prae laetitia pectora penè crepent. Iste, precor, fidicen nobis quoque ludere pergat. Angele caste veni: Pamphile noster abi.
279 Immò) A; Imò Β
298 delectat.] A; delectat; Β
305 strinxit;] A; strinxit, Β
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179 fröhlich sein und bei trügerischen Freuden eine heitere Miene aufsetzen, wo doch Wolken der Trauer mein Gemüt bedrücken? Ja, gerade deshalb, sagst du, brauchst du als Gatten einen Sänger, der sie vertreiben kann. Ich gebe zu: Du könntest wohl vieles vertreiben. [280] 16. Denn wenn ich mich nicht bereits fest entschlossen hätte, allein zu leben und somit als eine, die dem zweimal geborenen Gott bestimmt ist, zu leben, dann hätte ich vielleicht dir allein die Ehe versprechen können. Du singst und bezauberst und vermagst zu gefallen. Unser Geschlecht ist ja dem Saitenspiel durchaus nicht abhold. Auch unter den Pieriden sind wir reichlich vertreten. Die mit ihren Gesängen die Gärten Aoniens weithin beleben, sind sie, die Musen, nicht dreimal drei Mädchen? Läßt nicht Kalliope ihrer Kehle reinen Gesang entströmen? Singt unsere Thalia etwa nicht göttliche Weisen? [290] Magst du auch alles werden, eine Polyhymia wirst du nie werden; sie würde dreihundert deinesgleichen übertreffen. Auch sie will ich verschmähen. Ich sehe das Bessere und heiße es gut, werde aber nicht, wie die Kolcherin, das Schlechtere tun. Laß also ab davon, SARGA, meine Ohren, die ich längst dem Himmel geweiht habe, überflüssigerweise mit deiner Leier zu belästigen. Die andere, größere Leier, die mitten am Himmel funkelt, erfreut mich; die kleinere auf Erden soll ihr weichen. Siehst du nicht den Vogel, der Lerche heißt, weil er lobpreist, auf seiner luftigen Bahn empor zu den Sternen streben? [300] Er beschreibt mit seinen Flügeln Kreise und zieht in den Lüften seine Bahn. Je näher er dem Himmel kommt, desto süßer singt er. Am Bett des kranken FRANCISCUS stand ein geflügeltes Wesen, das von den himmlischen Gefilden herabgekommen war und ihm weissagte. Sobald es die Leier schlug, klatschte der Kranke und sprang auf, so daß ihm vor Freude fast die Brust zersprang. Dieser Saitenspieler möge, so bitte ich, nun auch für mich spielen. Heiliger Engel, komm! Mein lieber Pamphilus, verschwinde!
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TH. R O P E R T V S
GAMBARA
POETA LAUREATVS UR A N I AE. Argumentum EPISTOLAE QUINTAE. iNgenio, quanto valet, sua vota peragit; multas scilicet strophas coacervane, ut Vraniam in serica retía conjectam obtineat, inter caeteras, etiam Echo adhibetur; figmentum utique Poëticum. Synopsis. 1. Poëtarum nobile genus, vigor, spiritus, divinitas. 2. Echo Parnassio, familiaris Poëtarum Dea. hanc scilicet vaticinatam fuisse: Vraniam, Gambarae fore Sponsam. 3. Dearum aliquam contemnere, non esse tutum. quod malo suo testentur Cydippe, etAnaxarete. [128] 4. Quantum hoc? Poetas sacros vocari. ideo et statuas illorum honori antiquitatem posuisse. 5. Lesbiam, Corinnam, Cynthiam, Neaeram, aliasque Veteres Romanorum puellas, sua nomina posteris, facultatis Poëticae beneficio, transmisisse. 6. An non Lesbia Sappho, Polla Argentana, Elpis Boëthiana, feminae, et ipsae Poëtriae? accenseatur et Vrania, tanto dignior illis futura. 7. Quid? ipsum Deum, rerum omnium conditorem, à Graecis nec frustra, nec indecorè, summi Poëtae nomine honorari! specimen artis ipsammet Vraniam esse; nobile figmentum; Carmen examussim compositum, suis constans numeris ac metris. 8. Quid ergo dubitet in manus aemuli artificis convenire? carmen ad Poëtam spectat. Pulchriùs facturam Vranien, sifacilem se praebeat. duriusculis versibus offendi aures. [129]
TH. ROPERTVS GAMBARA URANIAE. HAnc tibi transmitió, coelestis Virgo, salutem: Quae nunquam reddi, te nisi dante, potest. Fallor: an ora rubor subit, et miratio mentem! Meque priùs damnas, quàm prober esse reus!
V. 109-140 bei Thill A 2 caeteras] A (im Druckfehlerverzeichnis); caeteros Β S 1 vigor,] A; vigor Β S 7 Deum,] A; Deum; Β
181 Th. Ropertus Gambara, gekrönter Dichter, an Urania Inhalt des fünften Briefes Mit allem ihm zu Gebote stehenden Scharfsinn trägt er seine Wünsche vor und glaubt dabei natürlich viele raffinierte Wendungen zusammen, um Urania in seidenen Netzen zu fangen und festzuhalten; dabei wird neben anderen Figuren sogar ein Echo angewendet, ein besonders poetisches Gebilde. Übersicht 1. Der Poeten edles Geschlecht, ihr Feuer, ihr Geist und ihre göttliche Natur. 2. Echo auf dem Parnaß, eine den Dichtern eng verbundene Göttin; sie habe es ja prophezeit: Urania werde die Braut Gambaras sein. 3. Es sei gefährlich, eine der Göttinnen zu verachten, was mit ihrem Unglück Cydippe undAnaxarete bezeugen könnten. 4. Wieviel es bedeute, daß Dichter als heilig bezeichnet würden. Daher habe das Altertum ihnen zu Ehren sogar Statuen errichtet. 5. Lesbia, Corinna, Cynthia, Neaera und andere Mädchen des römischen Altertums hätten dank der Macht der Poeten ihre Namen der Nachwelt überliefert. 6. Seien denn nicht Sappho aus Lesbos, Polla Argentaría und die Elpis des Boethius Frauen und zugleich Dichterinnen gewesen? Diesen solle sich auch Urania hinzugesellen, die doch so viel würdiger sein werde als jene. 7. Ja sogar Gott selbst, Urheber aller Dinge, sei von den Griechen nicht ohne Grund und nicht zu Unrecht mit dem Titel des größten Poeten geehrt worden. Urania höchstselbst sei eine Verkörperung seiner Kunst, eine edle Erfindung, ein vollkommen komponiertes Gedicht, das aus ihm angemessenen Versen und Rhythmen besteht. 8. Was zögere sie also, sich den Händen seines Künstlerrivalen anzuvertrauen? Ein Gedicht ist seinem Dichter zugewandt. Urania werde schöner handeln, wenn sie sich zugänglich zeige. Mit auch nur ein wenig zu harten Versen würden die Ohren beleidigt. Th. Ropertus Gambara, gekrönter Dichter, an Urania Hier entbiete ich dir, himmlische Jungfrau, Gruß und Wohlergehen, die niemals zurückgegeben werden können, wenn du sie nicht schenkst. Tausche ich mich, oder durchdringt Schamröte dein Gesicht und Erstaunen deinen Sinn, und du verdammst mich, noch bevor ich einer Schuld überführt bin? Lies es durch, was
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Perlege, quodcunque est, nihil haec tibi Charta nocebit. Suspecta non est illa notata manu. 1. Scribimus insontes: nisi forsitan aima Poësis Fraudi, vel probro sit mihi castus amor. Carmina dant vitam: revocan tur carmine Manes. Sistuntur volucres Solis euntis equi. His quoque, cùm vultum tenebras invadere sentit, Luna laborantes corrigit aegra boves. Concita Pierio sternuntur fulmina cantu: Adque pedes, alâ deficiente, cadunt. Vatibus ut Dij sunt; sic Vates cura Deorum. Implentur sacro Flamine, quando canunt. Ora ferox quoties pallentia Spiritus intrat: Corporis exuimus pondera, Diique sumus. Quod locus, et, quantam premimus, quoque sella fatetur. Cùm trepidans patior Numen, et ipsa tremit. Ac simul hinnitum sonipes attollit, et alas: Gaudet, et ingenti terga fragore quatit. Ignescit facies: coma túrbida surgit in altum. Bullit, et undanti sanguine vena firemit. Antra sonant: fumant rupes, silvaeque moventur. Exsultat vivo spumeus amne latex. Est aliquid, medio subduci pectora mundo. Aspectu Phoebi sic propiore fruì. Si videas, tota perculsa movebere mente; Et dices: Superas hìc habitare puto. Ne dubites, habitant, nostroque in corde morantur. Delius hic sedem fixit Apollo suam. Me quoque praefecit Luco, Montique bicorni. Officium nobis utile spero fore. 2. Est locus in medio Parnassi vertice, juxta Fontem, quem scalpens ungula fecit equi. Vallis ibi platanis et amicâ consita lauro, Herbida vivaces ponè residit aquas. Circumstant modici colles: formamque theatri Exhibet incurvis silva reducta jugis. Pegaseo de fonte fluens, per gramen et herbas, Purior illimi rivulus exit aqua. Hìc ego, dum saltus, devexaque confraga lustro; Obviaque incertis profero verba sonis: Clara repercussae me vocis imago salutai: Cumque loquebar, ave: vox remeavit, ave.
25 moventur.] (?) A; moventur Β
30 hìc] Β; hic A
33 Luco] B; luco A
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183 immer es auch sei, schaden wird dir dieses Blatt keinesfalls! Nicht von einer Hand, die Verdacht erregt, ist es beschrieben. 1. Wir schreiben ohne Arg, es sei denn, holde Poesie würde mir als Betrug und keusche Liebe als Schande ausgelegt. Lieder verleihen Leben: Durch ein Lied werden die Totengeister zurückgerufen, und die geflügelten Rosse der dahinziehenden Sonne halten inne. [10] Durch Lieder bringt auch die leidende Luna, wenn sie merkt, daß ihr Antlitz sich verfinstert, ihre strauchelnden Rinder auf den rechten Weg. Durch Musengesang werden zuckende Blitze besänftigt, und sie fallen uns flügellahm zu Füßen. Wie die Dichter sich um die Götter kümmern, so sind Dichter in der Hut der Götter. Von heiligem Hauch werden sie erfüllt, wenn sie singen. Wann immer der brausende Geist das erbleichende Antlitz überkommt, lassen wir die Erdenlast der Körper hinter uns und sind Götter. Das bekunden der Rang und auch der Sitz, den wir innehaben, der selbst erzittert, wenn ich zitternd den göttlichen Geist über mich kommen fühle. [20] Und zugleich erhebt das Musenroß wiehernd die Flügel. Es jauchzt und schlägt mit ungeheurem Getöse seine Flügel auf den Rücken. Feuer erfüllt unser Gesicht, und verwirrt sträubt sich das Haar. Die Ader sprudelt und wallt auf mit pulsierendem Blutstrom. Höhlen hallen wider, Felsen dampfen, Wälder bewegen sich, aufspritzt das schäumende Naß im lebendigen Strom. Es ist schon etwas, wenn das Herz mitten aus der Welt entrückt wird und so ganz nah den Anblick Phoebus Apolls genießt. Wenn du das einmal siehst, wirst du in deinem ganzen Denken und Fühlen erschüttert und bewegt und wirst sagen: Hier wohnen gewiß Götter. [30] Zweifle nicht, so ist es, und sie weilen in unserem Herzen. Hier errichtete der Delische Apoll seinen Sitz. Und er machte mich zum Herrscher des Musenhains und des zweigipfligen Berges. Dieser Dienst, hoffe ich, wird uns segensreich sein. 2. Mitten auf dem Gipfel des Parnaß gibt es einen Ort nahe einer Quelle, die der Huftritt des Pferdes schuf. Dort auch senkt sich ein Tal mit Platanen und befreundetem Lorbeer, voller Gras nahe bei lebensspendendem Wasser. Ringsum liegen sanfte Hügel, und indem der Wald sich von den gekrümmten Bergrücken zurückzieht, gibt er den Grundriß eines Theaters frei. [40] Aus der Quelle des Pegasus, durch Gräser und Kräuter hindurchfließend, tritt ein kleiner, ganz klarer Bach von ungetrübtem Wasser hervor. Als ich hier Schluchten und Hänge durchstreifte und mit unsicherer Stimme im Angesicht der Natur Worte aussprach, grüßte mich widerhallend ein klares Abbild meiner Stimme: Und immer wenn ich sprach: sei gegrüßt, kam das Wort zurück: sei gegrüßt. Erschrocken blickte ich
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Intremui circumspiciens. nihil usque videbam. Protinus agnovi Montis adesse Deam. Echo, dulce decus, nostrarumque una sororum, Alloquor: infelix ecce Poeta tuus. Heu miser, et curâ thalami non anxius unâ! Unam, non multas, in mea vota peto. Sed quod mireris: quae dat mihi vivere, non vult, Quamvis sollicitem, nubere Virgo mihi. Nescio quem Sponsum nostro praeponit amori: Cujus percipiat Mentis in aure sonum. Qualem credideram tantummodo Corporis esse, Deberique meis auribus: illa negat. Vaticinare soror: conjux erit illa petentis, Quae festiva procos ludere quaerit? erit. Quae modo stat nostro metuendae cura repulsae, Semper in afflicto pectore stabit? abit. Atque adeò Uraniae socianda jugalia vincla Duratura putas, et fore grata? rata. Si rata sunt, cur ergo fugit, velut avia Daphne: Tarn citò, quam remis concita navis? avis. Opto: sit Halcyone; Ceyx ego. prospera curret Tunc vita, ad nomen, Vita; remisit, ita. Sufficit, in noctem déclinât vespera. dices. Commodiùs reduci caetera mané. mane. Cur maneam? Die ergo: meas cupiatne fovere Spes, an ludibrio ducere malit? alit. O alat. interea resonent mea carmina silvis. Ingeminet voces laetior Hymen. Hymen. Dixerat: exsilio, mecumque audita reporto. Jam saltern, Uranie, durior esse nequis. 3. Irridere Deam, (certè est Dea Pieris Echo: Quamvis responsum det breviore sono.) Irridere Deam, vanoque eludere fastu, Consultum non est. haud ea tuta fides. Seis, quantum obfuerit despectus Acontius olim Cydippae: poenas Corporis aegra dedit. Quòd contempsisset, coram praesente Diana, Verba Pharetratam testificata Deam; Febribus incaluit: nec erat spes ulla salutis. Poenituisse, simul convaluisse fuit. Tanti etiam refert, non temni Numina: solo Quando vel in pomo se quoque eulta velint. Si potes exemplis veterum poenisque moveri. Cypris Anaxarete Virgo superba fuit.
69 vespera.] A; vespera Β
70 mané] A; mane Β
185 mich um - und sah weit und breit nichts - und erkannte sofort, daß die Göttin des Berges anwesend war. »Echo, süße Zier und eine unserer Musenschwestern, dich rufe ich an: Sieh, unglücklich ist dein Dichter, [50] ach, elend und um seine eheliche Verbindung tausendfach ängstlich besorgt! Eine nur, nicht viele ersehne ich, meine Wünsche zu stillen. Aber was dich verwundern wird: Die mir das Leben verleiht, die Jungfrau, will sich mir, mag ich sie auch noch so sehr umwerben, nicht vermählen. Irgendeinen anderen Bräutigam zieht sie meiner Liebe vor, dessen Gesang sie in ihrem geistigen Ohr wahrnehmen will. Ich hatte geglaubt, ein solcher sei nur körperlich wahrnehmbar und meinen Ohren ebenso zugänglich. - Sie leugnet das. Weissage, meine Schwester: Wird sie die Gattin des Flehenden, sie, die übermütig versucht, den Freier zu verspotten? - Sie wird es. [60] Wird die Sorge vor einer befürchteten Zurückweisung, die jetzt besteht, immer in meiner kummervollen Brust bestehen bleiben? - Sie verschwindet. Und glaubst du gar, daß die ehelichen Fesseln, die mir Urania verbinden werden, von Dauer und ihr willkommen sein werden? - Sicher. Wenn sie aber so sicher sind, warum flieht sie denn wie Daphne abseits der Wege, so schnell wie ein rudergetriebenes Schiff? - Sie ist wie ein Vogel. Mein Wunsch ist, sie möge Halcyone, ich aber Ceyx sein: dann wird das Leben glücklich verlaufen. Auf das Wort Leben erwiderte sie: Eben. Es ist genug, zur Nacht neigt sich der Abend. Du wirst mir das Übrige besser morgen sagen, wenn ich zurückkehre. Warte! [70] Warum soll ich warten? Sag doch: Wünscht sie, meine Hoffnungen zu nähren, oder möchte sie sie lieber narren? Sie nährt sie. O möge sie sie nähren und mögen unterdessen meine Lieder in den Wäldern widerhallen! Möge Hymen freudiger noch meine Worte verdoppeln! Hymen.« So hatte sie gesprochen, und ich springe auf und bedenke bei mir das Gehörte. Jetzt kannst du, Urania, doch nicht mehr so hart sein! 3. Eine Göttin zu verspotten (denn gewiß ist die Muse Echo eine Göttin, mag sie auch mit sehr knappem Hall ihre Antwort geben), eine Göttin zu verspotten und mit eitlem Stolz zum besten zu haben, ist nicht ratsam. Es ist gefährlich, sich darauf einzulassen. [80] Du weißt, wie sehr es der Cydippe einst geschadet hat, Acontius zu verachten. Sie erkrankte und büßte mit ihrem Körper dafür, daß sie ihre eigenen Worte mißachtete, obgleich diese doch in Gegenwart Dianas die köcherbewehrte Göttin als Zeugin aufgerufen hatten. In Fieberschauern erglühte sie, und Hoffnung auf Rettung gab es nicht. Nur zu bereuen bedeutete zugleich gesund zu werden. So wichtig ist es, daß die göttlichen Mächte nicht mißachtet werden: Sie möchten wohl einmal auch nur in einem Apfel geehrt werden. Wenn du dich von den Exempeln und Strafen der Alten bewegen läßt: Anaxarete aus Zypern war eine stolze Jungfrau, [90] und deswegen erstarrten
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Atque ideo in saxum membris concrevit obortum: Diriguere manus, diriguere pedes. 4. Cur me despicias? non sunt de plebe Poëtae. Cedat Laurigero turba profana choro. Prisca Sacerdotes Phoebi nos Roma vocavit. Esse quid hoc tanto majus honore potest! Marmoreis quondam statuis ornamur, et aris. Quid superest, nisi thus, prociduumque genu? Inque foro Vatem signata orichalca loquuntur. Próxima purpuréis Regibus ora gerit. Quòd vultus altis sublimes fontibus extant: Fontis Castalij numine surgit honos. Effigies steterat Stiliconia bella canentis Aenea, Trajani conspicienda Foro. Tarn Verona suo, quàm Mantua debet Alumno, Altiùs erectum tollere visa caput. Plus dedit Andinus pastor tibi, Roma triumphans: Quàm dederit niveis Scipio vectus equis. 5. Die: ubi sciretur toties celebrata Lycorisl Si non à Gallo sic celebrata foret. Lucet adhuc hodie facundi clara Properti Cynthia: coelestis, plus ñeque lucis habet. Oppetijt duram cum passere Lesbia mortem: Sed vivit versu, docte Catulle, tuo. Dilectam Lalagen transcripsit Horatius aevo. Quid plus à Fabijs Paulla recepii avis? Gracchorum fuerit grandis Cornelia mater: Non minùs est Racco Lydia nota suo. Famosam fecit Phoenissam Musa Maronis. Hujus enim Dido regia claret ope. Exsulis ob meritum, toto non exsulat Orbe Nominis et Formae fama, Corinna, tuae. Frustra se gemmis coluisset pulcra Neaera: Ni tuus auxisset, culte Tibulle, decor. Illa, illa ingenuae frontis notissima Laura, Petrarchae Lauro vindice, nota viret. 6. Est ubi vos ipsae clarum nomenque decusque Quaeritis: et coeptis blanda Thalia favet. Hinc decus aeternum famosa Poëtria Sappho Promeruit, Musas inter habenda novem. Quid memorem Pollami Polla Argentaría Vates Pharsaliae Vatem juvit et ipsa virum.
97 ornamur] Β ; donamur A 111 facundi] A; facundia Thill, Übersetzung korrekt Β; habet: A 121 Orbe] A; Orbe: Β
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187 ihre Glieder und wurden zu Stein. Es verhärteten sich ihre Hände, es verhärteten sich ihre Füße. 4. Warum solltest du mich mißachten? Dichter gehören nicht zum Pöbel. Die profane Masse soll der lorbeertragenden Schar den Weg freigeben. Das alte Rom nannte uns »Priester des Phoebus«. Was kann es Größeres geben als solch große Ehre! Zuweilen werden wir mit Marmorstatuen und Altären geehrt. Was fehlt da noch als Weihrauch und Kniefall? Und auf dem Forum künden mit Namen bezeichnete eherne Statuen vom Dichter. Dicht auf die purpurtragenden Könige folgt seine Büste. [ 100] Wenn sich nun das erhabene Antlitz der Dichter aus tiefen Quellen hoch erhebt, steigt auch ihre Ehre durch die göttliche Macht des Kastalischen Quells hoch empor. Es stand das eherne Bildnis dessen, der die Kriege des Stilicho besang, zum Anschauen auf dem Forum Trajans. Seinem Zögling verdankt Verona so viel wie Mantua dem seinen: es scheint sein erhobenes Haupt nämlich höher zu tragen. Mehr gab dir, triumphierendes Rom, der Hirte von Andes, als dir Scipio geben konnte, obwohl er mit dem Schimmelgespann einzog. 5. Sag nur: Wo wüßte man von der so häufig gepriesenen Lycoris, wenn sie nicht einst von Gallus so gepriesen worden wäre? [110] Noch heute leuchtet strahlend die Cynthia des beredten Properz, und die am Himmel glänzt nicht heller. Den harten Tod erlitt Lesbia wie ihr Sperling, durch deinen Vers aber lebt sie, gelehrter Catull. Horaz schrieb seine geliebte Lalage in die Ewigkeit ein. Was mehr empfing Paulla von ihren Ahnen, den Fabiern? Mag auch Cornelia als Mutter der Gracchen bedeutend gewesen sein, nicht weniger bekannt ist Lydia durch ihren Flaccus. Die Muse Vergils machte eine Frau aus Phönizien berühmt, denn durch seine poetische Kraft glänzt Dido, die Königin. [ 120] Durch das Verdienst dessen, der aus der Heimat verbannt wurde, ist sie auf der ganzen Welt heimisch, die Kunde von deinem Namen und deiner Schönheit, Corinna. Vergeblich hätte sich die schöne Neaera mit Perlen geschmückt, wenn nicht deine Wortzier, feinsinniger Tibull, sie verherrlicht hätte. Jene oft genannte Laura aber, bekannt wie sonst keine, mit edler Stirn, sie lebt weiter, eine Berühmtheit, vom Lorbeer Petrarcas verbürgt. 6. Es gibt Fälle, in denen ihr Frauen selbst einen berühmten Namen und Ehren erstrebt und die schmeichelnde Thalia eurem Ansinnen gewogen ist. So verdiente sich die berühmte Dichterin Sappho, die man den neun Musen hinzuzählen muß, ewige Ehre. [ 130] Was soll ich Polla erwähnen? Polla Argentaría half als Dichterin dem Schöpfer der Pharsalia und in eigener Person ihrem Mann. »Den Krieg, der
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Bella per Aemathios plus quàm civilia campos Fertur Lucano concinuisse suo. Tu quoque digna tuo (fuit ille Boëthius) Elpis Conjuge, Romulidas clarior inter eras. Elpis, iô, sperata tenes encomia famae: Subque tuo Clio nomine tecta latet. Tales, URANIE, felix Heroidas aequa. Quae tibi perpetuae copia laudis erunt. 7. Utque velis, tarnen ipsa nequis odisse Poëtas. Forsitan ignoras, quis tuus auctor erat. Numinis, URANIE, nihil es nisi Carmen amantis: Virgo divinis emodulata modis. Qui te composuit, nitidumque exegit ad unguem; Ille Pelasgorum voce Poeta fuit. Finxit enim, ñgulique modo sua vasa rotantis, Corporis eduxit singula membra tui. Finxit: ut ex cerebro lepidas miscente figuras, Sacra Poëtarum Carmina mille fluunt. Cùm tam formosam sacro te fudit ab ore: An non tunc cedro digna locutus erat? Carmen Parthenium, scriptumque in Virgine charta es. Carmen, quod jungi versibus opto meis. O Nymphe gracili constane pulcerrima metro: O ebur, ô Libycae dente polita ferae. 8. O Carmen minioque rubens, et pumice rasum! Condere quale potest ingeniosa manus. Regali folio impressum Rex edidit ille, Edere qui potuit non nisi solus Amor. Oblectat Superos tam suave Poema: suique Nobilis auctorem mulcet Imago Deum. Ah! modò ne versum cogar te dicere durum: Aut malè tornatum, degeneremque sibi! Ille placet, qui lenè fluit. placet illa Poëtae, Cujus amica nihil vena rigoris habet. Da mihi te facilem, sicut mea carmina se dant. lilis asperior ne, precor, esse velis. Ecce, velut Sponsae dilecta ad vincula currunt. Ecce, fluunt liquido nil remorata pede. Sponte sua numéros, sine vi, glomerantur in aptos. Sponte sua veniunt. tu quoque sponte veni. Et venies. pendent cognatae ut vitibus uvae: Carmina sic haerent Vatibus usque suis.
135 Boëthius] A; Boëûus Β 139 Tales,] A; Tales Β 143 Numinis,] A; Numinis Β 153 es.] A; es, Β 157 Carmen] A; Carmen, Β 171 aptos.] A; aptos: Β 172 veniunt.] A; veniunt; Β
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189 auf Thessaliens Ebene ausgetragen wurde und mehr war als ein Bürgerkrieg«, soll sie gemeinsam mit ihrem Lukan besungen haben. Du, Elpis, würdig deines Gatten (das war jener Boethius), warst auch recht berühmt unter den Romulustöchtern. Elpis, jawohl, dir ist der Lobpreis des Ruhmes zuteil geworden, den du erhofftest, und unter deinem Namen steckt im Verborgenen Clio. Solchen Heroinen versuche du in ihrem Glück gleichzukommen, U R A N I A : Sie werden dir Gewähr fortdauernden Ruhmes sein. [140] 7. Und magst du's auch wollen, kannst du doch selber die Dichter nicht hassen. Vielleicht weißt du nicht, wer dein Schöpfer war. Nichts anderes bist du, U R A N I A , als ein Gedicht der liebenden göttlichen Macht, eine Jungfrau, gesungen in göttlichen Melodien. Der dich erdachte und bis zur glänzenden Vollendung ausführte, der war mit dem Wort der Pelasger ein Dichter. Denn er bildete etwas, und nach Art eines Töpfers, der seine Gefäße auf der Töpferscheibe dreht, brachte er die einzelnen Glieder deines Körpers hervor. Er bildete dich, wie aus einem Gehim, das reizende Gestalten erzeugt, die tausend heiligen Lieder der Dichter hervorströmen. [150] Als er dich in solcher Schönheit aus seinem heiligen Mund hervorgehen ließ, hatte er damals nichts der Zeder Würdiges gesprochen? Du bist ein Jungfrauengedicht, und auf jungfräulichem Papier bist du geschrieben, ein Gedicht, von dem ich wünsche, daß es mit meinen Versen verbunden wird. O allerschönste Nymphe, die du aus reizendem Versmaß bestehst, o Elfenbein, gedrechselt und vollendet aus dem Zahn des libyschen Tieres. 8. O Gedicht, rot von Mennigfarbe und mit dem Bimsstein geglättet, so wie es nur eine begabte Hand schaffen kann! Gedruckt auf königlichem Papier brachte dich jener König heraus, der allein dich herausbringen konnte: kein anderer als die Liebe. [160] Ein solch liebreizendes Gedicht ergötzt die Himmlischen, und seinem göttlichen Schöpfer gefällt das edle Ebenbild. Ach! Möge ich doch nur nicht gezwungen sein, dich einen harten Vers zu nennen oder gar einen schlecht gedrechselten, der seiner Abkunft unwürdig ist! Es gefällt einer, der sanft dahinfließt; es gefällt dem Dichter diejenige Freundin, deren Anlage nichts von Härte in sich hat. Zeige dich mir zugänglich, wie auch meine Lieder zugänglich sind. Ich bitte dich, sei nicht spröder als jene! Siehe, sie eilen wie zu den geliebten Ehefesseln ihrer Braut, siehe, sie fließen ruhigen Fußes und ohne ins Stocken zu kommen dahin. [170] Ganz natürlich, ohne Kraftanstrengung, fügen sie sich zu passenden Rhythmen, ganz natürlich kommen sie hervor; komm auch du freiwillig herbei! Und du wirst kommen. Wie die Trauben an ihren angestammten Reben hängen, so auch hängen die Lieder immer an ihren Dichtern.
190 URANIA TH. ROPERTO GAMBARAE POETAE LAVREATO. Argumentum EPISTOLAE SEXTAE. PErlectae Epistolae Laureatae Th. Roperti (etsi amatoria, quasi à Paride ad Helenam scripta videri poterai) Vrania adeò non arrisit: ut potiùs et ipsum fabulatorem exesse jussum, et argumenta ad persuadendum ab auctore conficta, solerter exploserit. [135]
Synopsis.
1. Vraniam horre re nuptias Poëtarum: utpote, quorum verba sint vana, fides flwca, vita fabula. 2. Quod enim aliud genus hominum tarn heteroclitum, suisque Phantasijs indulgens? 3. An, et quomodo Poëtae Sacri. 4. Gigantomachia Poëtarum detestabilis, contra coelum et sidera Superosque veros euntium, imponentium falsos, illorum quippe mendacijs totum Olympum inquinari. 5. Quidfastuosè jactet statuas Poëtis positas? quando ipsimetplerique, hoc aevo, veriùs sint statuae, quam Poëtae. 6. Adde: plerosque sic pretiosè aestimari, ut clarissimus quisque egeat. 7. Ade oque Vraniam non cupere suum nomen, à paupere Musa, ad frigentem focum celebrari. 8. Quid autem juris Echo habeat in alienam voluntatem! matrimonia utique libera esse, cur sibimetipsi Narcissum suum non fuerit vaticinata? [136] 9. Si Vrania, ut Poèta vult, ipsa quoque sit Carmen Dei, Poëtae omnium primi: ergo rectiùs in manus Autoris sui, unde prodierit, reventuram. proinde bene valeret Gambara cum Pamasso suo. sibi coelestem in cruce Sponsum praefixum esse. 10. Certè qualecunque Carmen dicatur Vranie: daturam tarnen operam, ne inter profana recenseri possit. 11. Invitatur Gambara ad Patientis Christi Tragoediam, in Monte Calvariae peractam.
V. 189-202 bei Thill Argumentum] Β; Argumentum. A S 4 sidera] A; sidera, Β
S I I Patientis] A; patientis Β
191 Urania an Th. Ropertus Gambara, den Lorbeergekrönten Dichter. Inhalt des sechsten Briefes. Nachdem sie den >lorbeergekrönten< Brief des Th. Ropertus (auch wenn er als ein gleichsam von Paris an Helena geschriebener Liebesbrief hätte erscheinen können) durchgelesen hatte, erwiderte Urania darauf keineswegs freundlich, sondern widerlegte vielmehr in kunstvoller Rede den Fabulierer selbst, den sie die Folgen ausbaden ließ, wie auch seine Argumente, die vom Verfasser nur zur Überredung erfunden worden seien. Übersicht. 1. Urania verabscheue eine Hochzeit mit Dichtern, da doch deren Worte eitel seien, ihre Glaubwürdigkeit schwankend und ihre Lebensweise Stadtgespräch. 2. Denn welche andere Menschenart sei so wechselhaft und den eigenen Phantasien hingegeben? 3. Ob und in welcher Art Dichter als »heilig« gelten könnten. 4. Die abscheuliche Gigantenschlacht der Poeten, die gegen den Himmel und die Sterne, auch gegen die wahren Uberirdischen auftreten, falsche dagegen einführen. Durch ihre Lügengeschichten werde ja der ganze Olymp beschmutzt. 5. Was er sich denn stolz damit brüste, daß den Dichtern Statuen aufgestellt worden seien. Wo doch die meisten selbst, jedenfalls in heutiger Zeit, wahrhaft eher Statuen als Dichter seien. 6. Füge hinzu, daß die meisten so preiswürdig geschätzt werden, daß gerade die berühmtesten Not leiden. 7. Und Urania wünsche überhaupt nicht, daß ihr Name von einer armen Muse am kalten Herdfeuer gefeiert werde. 8. Was aber habe Echo für ein Recht, über einen fremden Willen zu verfügen? Jedenfalls seien die Eheschließungen frei. Warum habe sie sich ihren Narcissus nicht selbst prophezeit? 9. Wenn Urania, wie es der Dichter will, auch selbst ein Gedicht Gottes, des ersten Dichters unter allen, sei, so werde sie denn besser daran tun, in die Hände ihres Schöpfers, woher sie gekommen sei, zurückzukehren. Deshalb möge Gambara mit seinem ganzen Parnaß ein Lebewohl gesagt sein. Ihr sei ein himmlischer Bräutigam ans Kreuz geschlagen worden. 10. Was für ein »Gedicht« auch immer Urania genannt werde: sie werde sich doch gewiß Mühe geben, daß es nicht unter die profanen Werke gezählt werden könne. 11. Gambara wird eingeladen zu der Tragödie des leidenden Christus, die sich auf dem Kalvarienberg abgespielt hat.
URANIA TH.ROPERTO GAMBARAE POETAE LAUREATO.
[137]
V T vidi, ut legi: (vidi, legique volumen) Visa mihi, et lecta est fabula: sicut erat. 1. Mene tuae fidei, men' despondere Poëtae! Avertant Superi, Dij mediique juvent. Verba Poëtarum folijs leviora caducis, Qualia brumali flamine lapsa volant. Ludiera quis credat mendacia fìngere doctis? Haec ars, haec vestii vomeris alta seges. Integra stipantur figmentis horrea vanis: In cumulum plaustris exonerata ruunt. Ede: quis ex vobis insedit Pegason unquam? Frena quis alipedis, quis juga vidit equi? Non est, et nunquam visus fuit iste caballus. Troja suum saltem capta fuisse probat. Fons ubi? quem potans, secreti Numinis haustu Ebrius, extemplo fata futura videi. Vultus ubi? quem si videam, lapidescere cogar! Tarn rigidus colubris stantibus horror inest. Aut ubi spirantes furtiva oracula silvae? Scilicet in ramis Phocidos illa sedent. Scilicet ex illis, motâ velut arbore poma, Cumque suis nidis decutiuntur aves. Gurgite limoso natat anceps gloria Vatum: Quaeque etiam summa est, saepius ima petit. 2. Ut verbo dicam: furor est sapientia vestra. Idem Thyrsigeros sonticus humor agit. Quando insanitis, sanos vos esse putatis: lile magis, sibi qui credit inesse Deos. Quisque suos patimur manes, clamatis et ipsi. Constat vos cunctos pectore posse pati. Spes, timor, ira, dolor: (sed amor magis omnibus istis) Omnibus in libris pagina vestra canit. Sirenum quod in ore sonat, quod in Aegide terret, Quod salit in Circe, corde Poeta fovet. Invenies aliquos, emotâ mente, putantes, Omnia rimari, muneris esse sui.
19 silvae?] A; silvae. Β
23 Vatum:] A; Vatum; Β
24 ima] B; immaA
33 terret,] A; terret. Β
193 Urania an Th. Ropertus Gambara, den Lorbeergekrönten Dichter. Sobald ich es sah, sobald ich es las (ich sah und las dein Schreiben), sah und las ich ein Märchen, was es auch war. 1. Mich deiner Treue, mich einem Dichter anverloben! Das mögen die Überirdischen abwenden, und die hilfreichen Götter mögen mir beistehen! Die Worte der Dichter wiegen leichter als fallende Blätter, wie sie das Blasen des Winters fliegen und dahinwehen läßt. Wer sollte Leuten glauben, die darin geschickt sind, kurzweiliges Lügenwerk zu erfinden? Dies ist eure Kunst, dies ist die hoch aufgegangene Saat eures Pfluges. Ganze Scheuern werden mit euren eitlen Erfindungen angefüllt, die in Wagenladungen auf einen Haufen stürzen. [10] Sag an: Wer von euch saß jemals auf dem Pegasus? Wer sah jemals die Zügel, wer jemals das Kummet des geflügelten Pferdes? Diesen Gaul gibt es nicht, und er wurde niemals gesichtet. Das eroberte Troja beweist wenigstens, daß es sein Pferd gegeben hat. Wo ist die Quelle, nach deren Gebrauch einer, berauscht vom Trunk geheimer Göttermacht, alsbald künftiges Geschick erblickt? Wo ist das Antlitz, bei dessen Anblick ich zu Stein werden muß, denn so starr machender Schrecken steckt in den sich emporzüngelnden Schlangen. Oder wo sind die Wälder, die kaum vernehmliche Orakel hauchen? Diese Orakel sitzen wohl auf den Zweigen von Phokis. [20] Aus ihnen wohl werden sie, wie das Obst beim Schütteln des Baumes und wie die Vögel mit ihren Nestern, herabgeschlagen. In einem sumpfigen Strudel treibt unsicher der Ruhm der Dichter, und selbst wenn er ganz oben ist, strebt er öfters in die Tiefe. 2. Um es deutlich zu sagen: Eure Weisheit ist Wahnsinn. Derselbe schädliche Saft treibt auch Dionysosdiener an. Während ihr von Sinnen seid, glaubt ihr bei Sinnen zu sein, jener aber noch mehr, der glaubt, in ihm wohnten Götter. »Jeder von uns leidet am Schicksal seiner Seele«, ruft ihr ja selbst. Fest steht, daß ihr fähig seid, sie alle in eurer Brust zu erleiden. [30] Hoffnung, Furcht, Zorn, Schmerz (noch mehr als dies alles aber die Liebe), davon singt jede Seite in euren Büchern. Was aus dem Munde der Sirenen ertönt, was auf der Aegis schreckt, was sich in Circe munter regt, das hegt der Dichter in seinem Herzen. Manche wirst du finden, die verrückten Sinnes glauben, es sei ihre Aufgabe, alles zu durchforschen und zu
194
[138]
Scire, quid occulté frater Junonis in aurem Dixerit; atque viro non bene nupta soror. 3. At sacer est Helicon; Sacer, Aetheriusque Poeta. Ignea divinae semina mentis habet. Tota Sacerdotum titulo nos, scribis, honorât Curia Achivorum, Dardanidumque Domus. Vos sacri! qui proTemplis delubra subitis; Fulgentes tenebris, impietate pij. Vos Sancti! vestris qui Dijs affingitis omnes Nequitias: quaevis furta probante Jove. Vos sacri! quorum doctrina et vita profana est: Unguis equi, crater: Delphicus, Ara, tripus. Vos Sancti! quos dedecorum scelenimque magistros In Vitium praeceps esse Juventa probat. Vos Sacri! per quos discincta licentia regnat: Exuitur virtus: induiturque Venus. Auri Sacra fames: morbus Sacer esse Dianae Dicitur: et Sacer est, quem sua furca gravat. Hoc fortasse modo, si divinare licebit, Ex vobis aliquis ter sacer esse queat. Quo Gallus Corybas Cybeleia tympana pulsans: Mystica Curetes dum Jovis arma rotant. Multa per Antiphrasin veterum sunt dicta Sophoram. Visne per hanc titulis pondus inesse tuis? Sic Parcae parcunt: lucus caligine lucet. Eumenides, Furias, lingua jocosa vocat. 4. O detestandi, genus exitiale, Poëtae! Per quos nec Coelum sordibus omne caret. Totus adulterijs vestris impletur Olympus. Omnibus ex stellis Unica Virgo nitet. Quid facit in Superis Ganymedes Trojus oris? Sparsaque caeruleas Cassiopeia comas? Quid faciunt Hyades, et moesta Plejade natus? Quid Nonacrinae Pellicis Arcas agit? Falsa avis; ausa sinum pulcrae incestare Lacaenae, In medio petulans Aethere Cygnus ovat. Leda seiet meliùs, quo tempore venerit ales: Tunc saltern in nido non fuit ille suo. Crimina plura micant: scintillantesque choreas Prò pudor! ex alto fabula turpis agit. Ante chaos vestrum fulsit castissimus Aether: Nunc nimis à facie dissidet ille sua.
39 Helicon;]A; Helicon?Β illa Β
71 avis;]A; avis?Β
72petulans] petulausA.B (sic!)
40
45
50
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65
70
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78ille]A;
195 wissen, was der Bruder der Juno heimlich ins Ohr flüsterte und seine unschicklich verheiratete Schwester ihrem Mann. 3. Doch heilig ist ja der Helikon, heilig und vom Himmel begabt der Dichter; feurige Samen eines göttlichen Geistes hegt er in sich. [40] »Der ganze Rat der Griechen und das Haus der Dardaniden«, schreibst du, »ehrt uns mit dem Titel >PriesterBattle of the BooksEnthusiasmus< und bildeten, zumal in der Nachfolge des polnischen Jesuiten Matthias Sarbiewski, einen eigenen Texttypus aus; so z.B. Lyr. 2,28; 2,39; 2,43; Silvae 7,5; 7,7; vgl. das entsprechende Kapitel bei Schäfer (1976), S. 178-195. 29 conceptuum] Lateinische Übersetzung von >Concettoklassischoffenkundig< thematisierten - gradus Veneris der im folgenden abfällig benannten und mit den ausländischen >Ketzern< (Niederländern, Engländern) assoziierten erotischen Elegiendichtung. Balde könnte an die heroische Briefdichtung des Engländers Michael Drayton (1563-1631) gedacht haben; vgl. Dörrie (1968), S. 158-162, hier auch S. 163-169 zu den Niederländern. 12 claudicantem Deam] Vgl. Ovid, am. 3,1,8: pes illi ( = Elegiae) longior alter erat. 12f. per undenos pedes emodulandum] Fast wörtlich nach Ovid, am. 1,1,30: Musa per undenos emodulanda pedes. 15 pharetram exhaustam] Die Junktur z. B. auch bei Ovid, met. 1,443. 16 Romanae Sponsae] Für die Braut des Alexius gibt es in der literarischen Tradition mehrere Namen (vgl. Dörrie, 1968, S.398), darunter Polydora. 17f. Heroum Heroidumque Epistolae] Hier und im folgenden entwirft Balde ein Tableau der geläufigen Themen und Figuren der christlichen, speziell der jesuitischen Versepisteln. Vgl. zu diesem auf Ovids Heroides zurückweisenden, bisher in weiten Teilen unerforschten Texttypus den Überblick von Heinrich Dörrie (1968), spez. zu den Heroides Sacrae der Jesuiten S. 389^103, sowie die Hinweise in der Einleitung; ferner jetzt Kühlmann (2003). - Die erste Anspielung zielt wohl auf eine Sammlung von Texten mit Beziehung auf Maria Magdalena aus der Feder des flämischen Jesuiten Baudouin Cabilliau/ Cabillavius (1568-1652): Magdalena. Antwerpen 1625. Die Elegien 2,19 und 2,20 sind Briefe Magdalenas an Christus (Dörrie, S. 394). Es gab freilich auch lateinische Magdalena-Briefe von anderen Autoren, z.B. von Eoban Hesse/ Hessus, dem Begründer der Gattung der Heroides Christianae; vgl. zu Cabilliau und seiner späteren Sammlung Epistolarum Heroum et Heroidum Libri IV (1636) auch die Einleitung mit Anm. 30 und Dörrie (1968), S. 396f. - Die Autoren der von Balde genannten fiktiven Briefe sind überwiegend Figuren aus dem Alten Testament oder Heilige. Die Aufzählung bezieht sich durchaus provokant! - direkt und wörtlich auf die oft gedruckten und weitverbreiteten (daher Passim volitant) Briefsammlungen von Jacob Bidermann SJ (1577-1639): Jacobi Bidermann e Soc. Iesu, Heroum epistolae. Antwerpen 1630 u. ö.; (ders.) Heroidum epistolae. Rom 1638 u. ö. (vgl. Dünnhaupt, 1990, Bd. 1, S. 564-566 bzw. 570f.; Dörrie, 1968, S. 389-393); daneben wird angespielt auf das Werk des Ordensbruders Jean Vincart SJ (1593-1679): R.P. Johannis Vincartii Gallobelgae Insulani e Societate Iesu Sacrarum Heroidum Epistulae. Tournai 1640 u.ö. (vgl. Dörrie, 1968, S.398f.). - Der Ausdruck
210 altera Penelope suo Ulyssi spielt auf das dem vorher genannten Text zugrunde liegende (allzu sklavisch nachgeahmte?) Vorbild Ovids (epist. 1) an. Den genannten Briefsammlungen lassen sich alle Texte, auf die verwiesen wird, entnehmen. - Generell dokumentiert die Passage wie viele andere Äußerungen Baldes sein poetisches Streben nach novitas der stilistischen Gestaltung und der als Verfahren der kombinatorischen Phantasie gedachten fiktionalen Erfindung: vgl. Schäfer (1976), bes. S. 157-162. 25 Pia desiderio] Titel eines Erbauungsbuches des Niederländers Herman Hugo (1586/88-1629): Pia desiderio, emblematis, elegiis, et affectibus SS. Patrum illustrata. Antwerpen 1624; s. hier die Einleitung. 29 Ortum autem solis et occasum quis non descripsit] Vgl. Seneca, apocol. 2,3: ortus et occasus describere. 29 Ver et Aestas defluxere] Leicht gallige Anspielung auf die Zyklen von geistlichen Frühlings- bzw. Sommergedichten (Deliciae Veris. Ingolstadt 1638, München 1640; Deliciae Aestatis. München 1644) des Balde persönlich gut bekannten schwäbischen Ordenbruders Johannes Bisselius (16011682), der in Baldes Werk wahrscheinlich unter dem Pseudonym »Jodocus Birrus« genannt wird (s. Kühlmann, 1994, S. 95f.); zur Einführung in Bisselius' hochrangige, bisher unerforschte Lyrik (mit Hinweisen auf die spärliche Literatur) s. Kühlmann (1987). 30 Quatuor Tempora, nonnemofloridis compedibus] Anspielung auf ein lyrisches Werk des Ordensbruders Jacobus Pontanus SJ (1542-1626) mit dem Titel Floridorum libri VIII. Ingolstadt 1595, 1596, 1597, 1602. Zu dieser Lyrik erste Informationen bei Joseph Bielmann: Die Lyrik des Jakobus Pontanus, in: Literaturwissenschaftliches Jahrbuch der Görres-Gesellschaft 4 (1929), S. 83-102, spez. S. 94ff.; zum kulturgeschichtlichen Zusammenhang s. Bein (1995). 32 Jacoponi] Zu Baldes Quellen s. hier die Einleitung! 35 Fab. 3] Es geht um Ovid, met. 4,53f.: Hoc placet; haec quoniam vulgaris fabula non est,/ talibus orsa modis lana sua fila sequente. Dann folgt die Geschichte von Pyramus und Thisbe. 14:3 Matthaeo Raderò] Zu dem bayerischen Jesuiten M. Rader s. hier die Einleitung! 4 Jeremía Drexelio] Zu dem bayerischen Jesuiten J. Drexel s. hier die Einleitung! 31-34 Romanae Fidicen Lyrae ... Oscus et Cascus] Stichwortartige Rekapitulation wichtiger Werke des Baldeschen Oeuvres (vgl. die in der Einleitung genannten bio-bibliographischen Darstellungen), angefangen bei der Horazischen Lyrik über die Werke zum Lob der >Schlanken< bzw. >Dicken< (Agathyrsus, 1638, bzw. Antagathyrsus, 1658), das Poema de Vanitate Mundi
211 (erweiterte Fassung 1638), die Satire Contra abusum tabaci (1657), das Antikriegsdrama Poesis Osca sive Drama georgicum (1647) bis hin zum Vultuosae torvitatis Encomium (1658). 16:3f. Memini cùm adhuc juvenis ... Ovidianam Epistolam] Welche der im Anhang von ΟΡΟ, Bd. 5, S. 240ff., gesammelten Elegien Balde damit bezeichnet (wenn sie denn erhalten ist), läßt sich nicht sagen; vielleicht kommt (ebd. S. 318-322) die Epistola Dianae ad Venerem de Morte Adonidis in der Nachfolge der Ovidischen Versepisteln in Frage. Dazu s. oben auch in der Einleitung! 13-15 Caro concupiscit... adversantur] Nach Gal 5,17: Caro enim concupiscit adversus spiritum: spiritus autem adversus carnem: haec enim sibi invicem adversantur (Vulgata). Das Zitat aus dem Galaterbrief findet sich u. a. in zahlreichen Werken des Augustinus. Vollständig erscheint es in De doctrina Christiana 1,24,25 = PL 34,28 und in De epistola Β. Pauli ad Galatas 1 = PL 34,1011. Der erste Teil ist zitiert in De Genesi ad litteram 10,12,20 = PL 34, 416; Conf. 10,23; Tractatus in Joannis Evangelium 34,10 = PL 35,1657 etc.
De Nomine
VRANIAE.
16:21 ut passim Pictores] Vgl. die Hinweise in der Einleitung! 22 propudiosè] Seltenes spätlateinisches Wort (Gellius, Apuleius), kennzeichnend für Baldes gerade in der Lexik oft manieristisches Stilkolorit. 23 ad siliquas etfamem damnandus] Hülsenfrüchte als Nahrung der Armen - vielleicht eine Reminiszenz an Horaz, epist. 2,1,123. 25 Animam ... pretiosam] Vgl. Spr 31,10: Mulierem fortem quis inveniet? Procul et de ultimis finibus pretium eius; s. auch Hieronymus, Liber proverbiorum 31,10 = PL 28, 1273 A. 28 Lege Salica] Germanisch-fränkisches Volksrecht, spez. das Hausrecht der Dynastie der Salier mit dem Ausschluß der weiblichen Erbfolge. 28 Jacopono] Jacopone da Todi - Baldes literarischer Gewährsmann; s.o. und die Einleitung! 30 Libero Arbitrio] Differenzpunkt der humanistisch-jesuitischen Anthropologie in Spannung zur Gnadentheologie eines extremen Augustinismus jansenistischer Prägung (s.o. die Einleitung!), aber gewiß auch assoziiert in der Erinnerung an den epochalen und zukunftweisenden Streit zwischen Erasmus von Rotterdam und Luther um den »freien Willen«. 32f. Platonici delirantes ... vel Orígenes] Wie die folgenden Zitate ausweisen, wird Orígenes' Lehre (bes. gemäß seinem Hauptwerk De Principiis,
212 hier bes. in Buch Π die Vorstellung des Menschen als des in einem Körper eingeschlossenen Geistes) von Balde im Lichte der Augustinischen Kritik, auch im weiteren Kontext des für die frühneuzeitliche Anthropologie kaum zu überschätzenden, geradezu modellhaft wirkenden Pelagianismus-Streits aufgenommen, wohl also kaum aufgrund originaler Lektüre. Mit den Platonici delirantes zielt Balde auf Theoreme in der exegetischen, gnostisch beeinflußten Tradition vor allem des Platonischen Timaios. 18:3 Spiraculum] Der Ausdruck wird bei christlichen Autoren für die >Seele< gebraucht. Frühe Belege dafürfindensich bei Tertullian, Adversus Marcionem 2,9 = PL 2,294 D und bei Lactanz, De Origine errons 2,12 = PL 6,319 D. 5f. Quo nomine ... nuncupatur Uranie] Zum Namen s. die Einleitung! 7-9 Animas... nosse] De ecclesiast. Dogm. c. 14. (Fußnote Baldes in A; fortan nach Wiedergabe der Anmerkung mit (A) bezeichnet.) - Augustinus, De Ecclesiasticis Dogmatibus liber Gennadio tributas 14 = PL 42, 1215f.; vgl. auch Gennadius Massiliensis, De Ecclesiasticis Dogmatibus 14 = PL 58,984 B. 9-14 Aliqui ... assumant] De Verbis Apostoli. Serm. 7. (A) - Augustinus, Sermones ad populum 165, 5,6 = PL 38, 905f. 15-17 Quemadmodum ... datus est] Lib. 10, de Genesi ad lit. c.9. (A) Augustinus, De Genesi ad litteram 10,9,15 = PL 34, 414.
De Dignitate Animae Humanae 18:22-26 NAtura... imagines] In Ps. 145. (A) - Augustinus, Enarrationes in Ρsalmos, In Psalmum CXLV enarratio, Sermo ad plebem 4 = PL 37,1886. 22-24 nam ... praecellit] Lib. 7. de Gen. ad lit. c. 19. (A) - Augustinus, De Genesi ad litteram 7,19,25 = PL 34, 364. 26-29 Omne ... vivit] Lib. de immortalitat. Animae. c. 1. (A) - Augustinus, De immortalitate animae 1,1 = PL 32, 1021. 29-34 Propriam ... non est] De Animae Quantitate c. 1. (A) - Augustinus, De quantitate animae 1,2 = PL 32, 1035f. 35-20:5 Anima ... desideret] Lib. soliloq. Animae ad Deum c.30. (A) Augustinus, Soliloquiorum animae ad deum liber unus 30 = PL 40, 887. 20:5-10 Ab hac... laboret] De cognitione verae vitae. c. 5. (A) - Augustinus, Cognitio vitae, seu de cognitione verae vitae liber unus 5 = PL 40, 1010. 6 metitur] metiri mit passiver Bedeutung? 10-12 Solum ... tenet] De Ecclesiast. Dogmat. c. 16. (A) - Augustinus, De Ecclesiasticis Dogmatibus liber Gennadio tributus 16 = PL 42, 1216; vgl.
213 auch Gennadius Massiliensis, De Ecclesiasticis Dogmatibus 16 = PL 58, 984 C. 12-15 Ad similitudinem ... sit una] Liber de Spiritu et Anima c.6. (A) Augustinus, De spiritu et anima liber unus 6 = PL 40, 783. 15-18 Dum vivificai... Sensus est] Lib. de Spiritu et Anima c. 34 ( A) - Ebd. 24 = PL 40, 803.
De Dignitate Animae Humanae ut Christiana est 20:28 QVanta ... Sponsum] De Interiore Domo. cap. 69. (A) - Bernardus, Tractatus de interiori domo seu de conscientia aedificanda 40, 82 = PL 184, 548 D. 28-30 Intellige ... similitudine] cap. 68 (A) - Ebd. 39, 80 = PL 184, 547 C. 30-39 considera ... vires] cap. 68 (A) - Ebd. 38,79 = PL 184, 547 A-B. 39-22:9 Nobilem ... expallescet] De triplici Adventu, et Carnis resurrectione. Serm. 6. (A) - Bernardus, Sermones de tempore, In adventu Domini, Sermo 6,3f. = PL 183, 53 A-C.
De Dignitate Animae Humanae ut Sponsa Christi est 22:17f. Osee c. 2. v. 19] Hos 2,19f.: Et Sponsabo te mihi (usw.). 18-20 Anima ... lectus] Serm. 7. in Cantica (A) - die Formel schon bei Augustinus, De vera religione liber unus 20, 40 = PL 34, 138: Anima, quae diligit Deum\ dann hier nach Bernardus, Sermones in Cantica canticorum 7,2 = PL 183, 807 B. 20-26 Unde ... amplectendus sit] Serm.2. Dom.l. post Epiphan. (A) Bernardus, Sermones de tempore, Dominica prima post octavam Epiphaniae, Sermo 2, 3 = PL 183, 159 A-B. 26-31 Sancta ... effundere] De interiori Domo c. 69. (A) - Bernardus, Tractatus de interiori domo seu de conscientia aedificanda 40, 82 = PL 184, 549 A-B. 31-33 Deus ... adolescentulis] Scala claustralis. §. 7. (A) - Bernardus, De diligendo Deo liber unus 17 = PL 40, 861; ders., Appendix operum Sancti Augustini, Scala Paradisi liber unus 9 = PL 40, 1001; ders., Scala claustralium sive tractatus de modo orandi 9,10 = PL 184,481 A.
214 DE QUINQUE SENSIBUS CORPORIS HUMANIMINISTRIS NIAE Sive Animae Christianae
VRA-
24:7-13 IGnis... corpus est]Lib. 7. de Genesi adLiteram. c. 13. (A) - Augustinus, De Genesi ad litteram 7,13,20 = PL 34, 362f. 13-16 Dominus ... sensibus] In Evangel. Ioannis Tract. 23 (A) - Augustinus, In Joannis Evangelium tractatus 23, 5 = PL 35, 1584. 17-22 Videtis ... communis] Serm. de Temperant. 186. (A) - Augustinus, Sermones ad populum 267,4,4 = PL 38, 1231. 22f. Animam... praestat] De cognitione verae vitae. c. 5. (A) - Augustinus, Cognitio vitae, seu de cognitione verae vitae liber unus 5 = PL 40, 1009. 30-39 SIcut... consociatur] De natura et dignit. amoris divini, c. 6. (A) Opera omnia Sancii Bernardi Claraevallensis, Guillelmus abbas, Tractatus de natura et dignitate amoris divini 6, 15 = PL 184, 390 Β - 391 A.
De Dominatu Animae in suos Quinqué Sensus 26:4f. PRinceps... regere]Lib. 2. contraIulianum. (A) -Augustinus, Contra Iulianum 2,8,24 = PL 44, 690. 5-13 Cum... aspirai] Lib. 7. de Genesi ad literam. cap. 14. (A)-Augustinus, De Genesi ad litteram 7,14 = PL 34, 363. 17-20 NEc ... caro est] Serm. 11. in Ps. qui habitat. (A) - Bernardus, Sermones de tempore, In Psalmum XC »Qui habitat...« Sermo 10,3 = PL 183, 222D. 20 Gen. 6] Gn 6,3: Dixitque deus (usw.) 21-24 Claude ... Vanitatem] De conversione ad clericos c. 7. (A) - Bernardus, De conversione ad clericos 6, 8 = PL 182, 839 B-C.
De pugna Animae rixantis cum Sensibus suis 26:30f. ΝOn... habuerit] In Psalmos 40. (A) - Augustinus, Enarrationes in Psalmos, In Psalmum LX enarratio, Sermo ad plebem 3 = PL 36, 724. 31-28:2 Quamdiu ... obediendum] Lib. de continentia. (A) - Augustinus, De continentia 2,5 = PL 40, 352; ebd. 3,6-8 = PL 40, 353f. 28:2-8 Quantum ... Hier. 9] Lib. 50 Horn. Horn. (A) - Hieronymus, Liber Jeremiae 9,21 = PL 28,864 A; vgl. Augustinus, Sermones ad populum 315,
215 3 = PL 39, 2350; Hieronymus, Epistola XXII ad Eustochiam, Paulaefiliam 26 = PL 22,412. 8f. Concupiscentiam ... consumi] Lib. contr. Iulianum. c.5. (A)-Augustinus, Contra Iulianum 6,16,49 = PL 44,851. 9-11 Plus ... adjuvetur] De Verb. Apost. Serm. 6. (A) - Augustinus, Sermones ad populum 155,2,2 = PL 38,841. 12 Gen. 4.] Gn 4,7: Sub te erit appetitus eius, et tu dominaberis illius. 17-22 UBi... liberum est] Serm. 81. super Cant. (A) - Bernardus, Sermones in Cantica canticorum 81,6 = PL 183, 1174 A; ebd. 81,7. = PL 183, 1174 Β. 22-24 Quare ... potuit] Meditationum c. 3. (A) - Bernardus, Meditationes piissimae de cognitione humanae conditionis 3, 8 = PL 184, 490 C. 24—28 Non ... animus] De modo bene vivendi. Serm. 26. (A) - Bernardus, Liber de modo bene vivendi, Sermo 26, 76 = PL 184, 1247 A-B.
De gloria Animae Victricis sub nomine Uraniae domantis Quinqué Sensus suos 28:35 SVbijciamus ... nostrum] De agone Christiano c. 12. (A) - Augustinus, De agone Christiano 13,14 = PL 40, 299. 36-30:6 Quum ... vivificatur] In Evang. Io. Tract. 19. (A) - Augustinus, In Joannis Evangelium tractatus 19,12 = PL 35, 1550. 30:6-12 Vnde ... suo] Tract. 23. (A) - Augustinus, In Joannis Evangelium tractatus 23, 5 = PL 35, 1584f. 13f. Non ... Creatorem] Lib. 3. de Lib. arbitrio c. 21. (A) - Augustinus, De libero arbitrio 3,21,59 = PL 32, 1300. 19-26 EX ... constanter] De natura et dignitate amoris. c.8. (A) - Opera omnia Sancii Bernardi Claraevallensis, Guillelmus abbas, Tractatus de natura et dignitate amoris 8, 22 = PL 184, 393 C-D. 23 Enoch] Vgl. Gn 5,24: Ambulavitque cum Deo, et non apparuit, quia tulit eum Deus. 26-34 Locum... coronat] De interiori Domo. c. 19. (A) - Bernardus, Tractatus de interiori domo seu de conscientia aedificanda 8,15 = PL 184,515 C-D; vgl. auch Bernardus, Tractatus de conscientia 2,3 = PL 184, 555 A-B.
216 De Miseriâ Animae Humanae à Quinqué Sensibus suis victae et sub jugum missae 32:6-8 UNde... adoptata] De Conversione ad clericos. c. 13. (A) - Bernardus, De conversione ad clericos 8,15 = PL 182, 843 A; vgl. auch ders., In Parabolani de Villico iniquitatis sermo 8 = PL 184, 1027 C, und ders., De conversione ad clericos 5,7 = PL 182, 839 A. 15-19 Quanquam ... ierit] Ser. 21. super Cantica. (A) - Bernardus, Sermones in Cantica canticorum 21,1 = PL 183, 872 D. 19-22 non est... contexunt]Lib. de Conscientia. c4. (A) - Bernardus, Tractatus de interiori domo seu de conscientia aedificanda 16,25 = PL 184, 521 A. 22-25 Oculi ... saporibus etc.] Cap.5. (A) - Ebd. 17,29 = PL 184, 523 B-C. 26-29 Qui... voluntatem] Serm. 81. super Cantica. (A) - Bernardus, Sermones in Cantica canticorum 81, 8f. = PL 183, 1175 A-B. 26 Ioann. 8.] Jo 8,34: Omnis, quifacit peccatum, servus est peccati. 29-34:1 Anima ... ab ea. Eccli. 13.] Serm. 82. (A) - Bernardus, Sermones in Cantica canticorum 82, 3 = PL 183, 1178 C-D. 29 Ezech. 18] Ez 18,4: Anima quae peccaverit, ipsa morietur. 34:1 Eccli. 13.] Sir 13,1: Qui tetigeritpicem, inquinabitur ab ea. 1-6 Sed et... insipientibus.] Ibid. (A) - Bernardus, Sermones in Cantica canticorum 82,2-5 = PL 183,1177 C - 1179 D. 5 Thren. 4.] Klgl 4,1: Quomodo obscuratum est aurum, mutatus est color optimus. 7 Ρsal. 48.] Ps 48,13: Homo, cum in honore esset, non intellexit. Comparatus est iumentis insipientibus. 7 - 9 sed quid ... illusionibus] In Dedicatione Ecclesiae. Serm. 6. (A) Bernardus, Sermones de tempore, In dedicatione Ecclesiae, Sermo 5 , 3 = PL 183, 531 A-B. lOf. Omnia... inferno] Liber de Conscientia. c. 5. (A) - Bernardus, Tractatus de interiori domo seu de conscientia aedificanda 17, 29 = PL 184, 523 C. 15 Chrysost.] Hom. 9. in 2. ad Cor. (A) - Johannes Chrysostomus, In Epistolam II ad Corinthos Homilía 9=PG 61,459^166. (Ein genauer Bezug auf diesen Text ist nicht nachzuweisen.) 19-22 Suspirabam... meam] lib. 8. Confi c. 5. et 10. (A) - Augustinus, conf. 8,5,10.
217 Cur ad Apologum Β. lacoponi exprimendum Epistolae assumptae. Item: De Stylo epistolari Quinqué Sensuum Animant ad proclivia sollicitantium. 34:36f. Lustravi... meos] Lib. 7. de Genesi ad liter, c. 14. Lib. 10. Confess, c. 40. (A) - Augustinus, De Genesi ad litteram 7,14 = PL 34,363; Augustinus, conf. 10,40,65. 37-36:2 Percurro ... indicavi] Lib. 10. Conf. c. 10. (A) - Augustinus, conf. 10,10,17. 36:4 Ovid. 1.12. met.] Ovid, met. 12, 44-52, 59-63. 25f. Quoniam ... insipientium] Sap. 14. ν. 11 (A) - Weish 14, 11, wörtlich zitiert. 32f. Fecisti... te] S. Aug. 1.1. Confess, c. 1. (A) - Augustinus, conf. 1,1,1. 40 nimia ... parit] Bernardus, Appendix operum Sancii Augustini, Scala Paradisi liber unus 8 = PL 40,1001, und ders., Scala claustralium sive tractatus de modo orandi 8, 9 = PL 184, 480 C. 38:1 paulò ... Angelis] Ps 8, 6 (=Hebr 2,7): Minuisti eum paulo minus ab angelis. 3 machinae suggestionum] Vgl. Augustinus, conf. 10,35,56: suggestionum machinationibus. 12-16 ThomasKempensis ... nam... cruci]Lib. 1. de imit. Christi, c. 13. (A) - aus dem vielgelesenen (mehr als 3000 Drucke), gerade von Ignatius von Loyola hochgeschätzten Erbauungswerk des Thomas von Kempen (1379/ 80-1471) »Über die Nachfolge Christi« (De imitatione Christi) 1,13,5. 17-19 Vidit... comedit] Gen 3,6; Varianten gegenüber der Vulgata: et tulit de fructu illius; deditque viro suo, qui comedit.
Elenchus 40:31-33 Si... introducere] Iudicum 9. (A) - Ri 9,7-15.
218 Quomodo Vrania sive Anima Christiana Sensibus consensum eblandiri cupientibus respondeat 42:19-21 Retinebant... nos] Lib. 8. Confess, c. 11. (A) - Augustinus, conf. 8,11,26.
28f. quae ... Domini] Augustinus, conf. 8,11,27. 30-32 Epistola ... carnalibus] 2. Cor. 3. (A) - 2 Kor 3, 2: Epistula nostra ... carnalibus. 33 Animam ... scribere] Horn. 13. in Genesin. (A) - Orígenes, In Genesim Homilía 13,4=PG 12,235 B. 44:2f. masculinum... inserens] 2 Makk 7,21 :femineae cogitationi masculinum animum inserens.
Cur Victrix Vrania producitur; Sensuum tamen suorum precibus ac desiderijs intenta, subdubitans, pené obnoxia; adeoque propior potiùs Victae, quam Victrici. 44:20f. QVi... mittat] Jo 8,7: Qui sine peccato est vestrum, primus in illam lapidem mittat. 26 In multis offendimus omnes] So etwa bei Augustinus, Epistola CXXXII adHieronymum 19 = PL 22,1146. 30-32 Contendunt... nescio] Lib. Conf. 10. cap. 28(A)- Augustinus, conf. 10,28,39. 32-46:2 Delectatio... severitate] Cap. 33. (A) - Augustinus, conf. 10,33,49; ebd. 33,50. 46:4f. Fluctuó ... salutis7Augustinus, conf., ebd. 7-20 Ipsa ... interrumpuntur] Eod. lib. cap. 34. (A) - Augustinus, conf. 10,34,5If.; ebd. 35,57. 22f. Pergo ... omnium] Augustinus, conf., ebd. 25-27 Quoties ... advertimus] Cap. eodem. (A) - Augustinus, conf., ebd. 28-31 Cùm ... assurgat] Cap. 33. (A) - Augustinus, conf. 10,33,50. 32-48:1 Tamen ... cantantem] Augustinus, conf., ebd. 48:9-16 Quibusdam... subtrahantur] Augustinus, De spiritu et anima liber unus 14 = PL 40,789. Eine Übernahme des Zitates bei Bernhard ist nicht nachzuweisen. 30-50:9 amo... finiendo] Nicet. lib. 2. cap. 9. §. 5. (A) - der von Balde benutzte Nicetas des Ordensbruders Jeremias Drexel SJ (s.o. und die Einleitung!).
219 Buch 1 7 oculatissimus Doctor S[anctus] Augustinus] Confessiones 10, 35; Übersetzung nach Wilhelm Thimme (1988), S. 287f., unter Berücksichtigung von Baldes Kürzungen. 12 Concupiscentia oculorum] Nach 1 Joh 2,16. 26f. Nullum ... conspiret] Catharina von Siena, Dialoge, Kap. 89. Gemeint ist Katharina von Sienas (1347-1380) Dialogo, gen. Il libro, beendet 1378. Vgl. zum Inhalt und zu neueren Ausgaben den Artikel s. v. in: LexMa, Bd. 5 (1991), Sp. 1072f. (E. Pásztor); zu Werk, Figur und Rezeption Catharinas materialreich Jungmayr (1992). - Balde verfaßte einen Panegyricus de Laudibus S. Catharinae Virginis etMartyris, Praesidis Studiosorum (ΟΡΟ, Bd. 3, S. 295-305).
1,1 N.B. Als Ergänzung der Anmerkungen zum ersten Briefpaar ist Kapitel II der Einleitung heranzuziehen. 1 tabellamJFür ein einzelnes Blatt gebraucht bei Martial 14,186: Quam brevis inmensum cepit membrana Maronem/Ipsius et vultus prima tabella gerit. 2 Mittitur... salus] Vgl. Ovid, epist. 6,8: Hypsipyle missa digna salute fili. 2 à Sensu nobiliore] Vgl. Varrò, ling. 6,80: quinqué enim sensuum maximus in oculis. Vorausgesetzt wird die Tradition des Augenpreises bei Ambrosius, Hexaemeron 7,9 (Migne, PL 14,1882, Sp. 131-288, spez. 280-283), oder bei Laktanz, De Opificio Dei, 7-9 (Migne, PL 7, 1844, Sp.9-78, spez. 34-40); vgl. die zahlreichen Belege bei Schleusener-Eichholz (1985), S. 27f. u. ö. 3 Sol in Coelo] Topische Analogie - exemplarisch etwa in der Anthropologie des Octavio Scarlattini, ed. Honkamp (1695), zumAuge S.52-79, hier S.55: Adorabant Aegyptii Solem, eundemque Mundi oculum appellabant, credentesfilium hunc visibilem invisibilis esse Dei. Oculi humani duo itidem sunt microcosmi, aut parvi mundi lumina. 6 Te ... judice] Vgl. Horaz, carm. 1,28,14: iudice te non sordidus auctor. 7 molliter] Mit Beziehung auf die Augen vgl. Plautus, Poen. 693: ego id quaero hospitium ubi ego curer mollius quam regi Antiocho oculi curari soient. Benutzt wird das Vokabular der erotischen Annäherung; vgl. Ovid, am. 1,8,103; ars 2,527. 8 mea Lux] Zärtliche Metapher im Bereich von Freundschaft und Liebe; vgl. Cicero, fam. 14,5,1; Catull 68,132; Properz 2,28,59; Ovid, ars 3,523f.:
220 scilicet Aiaci mulier maestissima dixit/>lux mea< quaeque soient verba iuvare viros. 8 mea vita] Vgl. Catull 45,13: mea vita, Septimille; 68,155; Cicero, fam. 14,4,1; Ovid, am. 3,8,11. 12 membrum] Zur Definition vgl. Cicero, fin. 3,18: membrorum, id est partium corporis. 13 fabricae miracula nostrae7 Vgl. Cicero, nat. deor. 2,121: quam admirabilis fabrica membrorum. 14 laudandis ... parem] Ungewöhnlich die Verbindung von par mit dem Gerundivum. 15 Aristoteles ... Galenus] Balde bezieht sich wahrscheinlich auf die Darstellung der Sinnesvermögen in Aristoteles' De Anima, bes. 2,5-7. Die Galenreferenz bezieht sich wohl auf Galens De usu partium corporis humani libri XVII, zu Baldes Zeit in vielen Ausgaben vorliegend; s. u. zu V. 28! 16 Utilitas] Zum >Nutzen< der Augen vgl. Plautus, Epid. 634: satin ego oculis utilitatem obtineo sincere an parum? 17 Servo Caput summâ custos Speculator in arce] Vgl. Cicero, nat. deor. 2,140: Sensus autem interpretes ac nuntii rerum in capite tamquam in arce... conlocati sunt. Nam oculi tamquam speculators altissimum locum obtinenf, mit erotischem Nebensinn bei Ovid, am. 1,9,17. 18 Excubias(que)... agebat.
ago] Vgl. Ovid, fast. 3,245: excubias ... rex Romanus
18 tuo nomine] Vgl. Cicero, Att. 1,16,16: Antonio tuo nomine gratias egi. 19 Lene supercilium] Vgl. Lukrez 6,1184: triste supercilium (ebenfalls am Versanfang), furiosus vultus et acer. 19 curuatur in arcus] Vgl. Vergil, Aen. 3,533: curvatus in arcum. 21 Stella... praefixa] Gemeint ist der Strahlenkranz der Wimpern; mit Bezug auf Urania, die >Himmlischeehelicher Liebe< gebraucht. 59 Hinc manant lacrymae] Mit entsprechender Bedeutungsveränderung bei Cicero, Cael. 61 :hinc illae lacrimae; Horaz, epist. l,17,59f.: licet illiplurima manet/lacrima. 59 quas... profundis] Vgl. Vergil, Aen. 12,154: lacrimas oculis Iuturna profudit. 60 Amittit vires] Vgl. Ovid, Pont. 1,2,36: amittet vires ipsa Medusa suas. Zur Theologie der Tränen als eines Affektindikators (hier der Reue: metanoea) s. im weiteren literarischen Kontext Krummacher (1976), S. 309-392; Schleusener-Eichholz (1985), S. 724-750 (passim). 60 egeriturque dolor] Vgl. Ovid, trist. 4,3,38: expletur lacrimis egeriturque dolor. 62 Deum flectere] Vgl. Vergil, Aen. 7,312: flectere si nequeo superos. 63 Superûm nectar] Vgl. Ovid, Pont. 1,10,11: nectar et ambrosiam, latices epulasque deorum. 64 Angelus] Gemeint ist der Schutzengel. 65 imitamine nostri] Vgl. Ovid, met. 15,200: Adspicis aetatis peragentem imitamina nostrae?
224 66 ridet dulciùs] Vgl. Horaz, carni. 1,22,23: dulce ridentem
Lalagen.
68 dos duplicata] Vgl. Phaedrus, 1. Prol. 3f.: Duplex libelli dos est: quod risum movet/ et quod prudentis vitam Consilio monet. 69 Urbs... Augusta ] Augusta als Beiname für kaiserzeitliche Städtegründungen, hier auf Augsburg {Augusta Vindelicorum) mit dem berühmten Rathaus (V. 70) des Elias Holl bezogen. Die Metapher oculus etwa bei Cicero, nat. deor. 3,91; ähnlich Valerius Maximus 4,3,3. 71 Euryalus Niso] Nisus und Euryalus: exemplarisches Freundespaar in Vergils Aeneis 9,176-449; ihr Verhältnis wird 9,182 charakterisiert: his amor unus erat pariterque in bella ruebant. 71 Pylades dilectus Oresti] Pylades, in der griechischen Tragödie Freund des Orestes; die beiden werden von Cicero, Lael. 24, als klassisches Freundespaar genannt. Vgl. Balde, carm. 1,14: Pyladis hortus, seu symbolum amicitiae. 74 in tergum saeviet ...flagrisi 75 fulvam... 3,110.
Selbstgeißelung bei den Bettelmönchen.
arenam]Vg\. Vergil, Aen. 3,110:fiilvaenimbusharenae; georg.
79 sorte triumphi] Für römische Ohren ein Oxymoron, denn triumphus ist Belohnung für Leistung, während sors den Zufall bezeichnet. 81fJ Diese Freuden im Gegensatz zu asketischer Abwertung bes. bei Augustinus - etwa conf. 10,35: concupiscentia carnis, quae est in delectatione omnium sensuum et voluptatum. 83f. Per ... fenestras Prospicere] Vgl. Plinius, epist. 2,17,20: cubiculum ... fenestra prospicit mare. Zu den Augen als >Fenstern< s. die Belege bei Schleusener-Eichholz (1985), S. 884-886. 84 commoditatefrui]'Vg\. cogitas.
Cicero, Att. 4,18,5: si sapis acfrui tuis commodis
85 nervus] Offenbar >Nerv< im heutigen medizinischen Sinn, nicht mehr, wie in der Antike vorwiegend, >Sehne< oder >Muskelquid urges?/ vel quo festinas ire, vel unde, vide.Rauch entwickele bedeutet, offenbar um des Kontrastes zum Glanz der Sonne (V. 8) willen. 9 luminapraestes]Wgl. Seneca, Phoen. 179f.: minuseruistiluminaaudacter tua/ quam praestitisti. An unserer Stelle jedoch tritt die Bedeutung >Augen< hinter >Licht< zurück. 10 Parsque... tui] Zu dieser Erklärung des Visus vgl. Cicero, div. 1,71 : Sine oculis non potest exstare officium et munus oculorum (Teil eines KratippZitats). I I Quidtibicum] Vgl. Martial 2,16,5: Quid tibi cum medicis? 8,33,23: Quid tibi cumphiala? Juvenal 9,3: Quid tibi cum vultu? 11 Nato Vulcani] Amor als Sohn Vulkans ist originell; diese künstliche Beziehung soll aufgrund der Unreinlichkeit des Schmiedehandwerks Amor verächtlich machen. 11 forcipefabri] Vgl. Ovid, met. 12,277f.: quod (i.e,, ferrum) forcipe curva/ cum faber eduxit. 12 cum caeco] Im dichterisch geformten Mythos ist Amor (Eros) nicht blind; diese Vorstellung resultiert aus der philosophischen, vor allem stoischen Kritik an den affectus.
229 13 tuis votis ... natura répugnât] Vgl. Ovid, met. 1,489: votoque tuo tua forma répugnât', Plinius, nat. 6,2: tarn parva repugnantis naturae intervalla. 15 Lurida ... nitidum praecingunt nubila Sensum] Vgl. Vergil, georg. 1,466f. : ille (sc. sol).../... caput obscura nitidum ferrugine texif, caput nitidum auch bei Horaz, carm. 1,4,9; von da die Übertragung auf den sensus. 16 tenebras ... amas] Urania 1,1,121 versichert Visus: lumen amo. 17 Non eadem lynci] Vgl. Urania 1,1,51. 19 Nec bene conveniunt] Vgl. Ovid, met. 2,846f.: non bene maiestas et amor. 19 aetheris expers]\gl.
conveniunt.../
Urania 1,1,49.
20 Pesias] Teiresias, schon bei Homer, Od. 11,90-151, der Seher - von seiner Blindheit ist dort noch nicht die Rede - , ist später der blinde Seher, z.B. bei Sophokles in der Antigone und im König Ödipus. Wie er zur Strafe durch Hera sein Augenlicht verloren hat, berichtet u. a. Ovid, met. 3,316-338. 20 Argus] Argos: hundertäugigerRiese, vgl. z.B. Ovid, met. 1,625: centum luminibus cinctum caput Argus habebat; schon in der Antike sprichwörtlich für Scharfsichtigkeit, z. B. Plaut. Aul. 555: qui (sc. Argus) oculeus totus fuit. 21 oculoputrì]Vgl. nent oculos.
Horaz, carm. l,36,17f.:
omnesinDamalinputris/depo-
21 spes pascis inanes] Vgl. Vergil, Aen. 10,627 (ebenfalls am Versende). 23 Assignata ... frons] Vgl. Livius 6,4,4: ager... his novis civibus assignatus. 25 Animae strato(que) locantur] Vgl. Lukrez 3,98: sensum animi certa non esse in parte locatum. 28 Limina ... exteriora] Vgl. Lukrez 5,585: extrema ad limino. 30 sta ... ante fores] Vgl. Ovid, epist. 12,150: Adstitit ad geminae limina prima foris. 31 Nec tarnen irascor] Vgl. Ovid, epist. 17,37 (Brief Helenas an Paris). 32 castus ... amor] Vgl. Ovid, fast. 4,223f.: Attis/ turrigeram casto vinxit amore deam. 32 vitiosus amor] Vgl. Horaz, epod. 1,1,85: vitiosa libido. 35 tecum ... mille lepores] Vgl. Urania 1,1,81: Urania ersetzt mecum laetitiae durch tecum blanditiae. 37 Lene supercilium... in arcus] Vgl. Urania 1,1,19: graciles durch Cyprios ersetzt - nach der Insel Zypern als Heimat der Venus. Anspielung auf den Bogen Cupidos.
230 38 jécur] Sitz der Leidenschaft (seit der altgriechischen Dichtung), später z.B. bei Horaz, carm. l,13,3f.: vae meumJfervens difficili bile turnet iecur; epist. 1,18,72: non ancilla tuum iecur ulceret ulla puerve. 39f. Grandibus... supercilijs] Mit dem vorhergehenden Distichon zusammen wird hier eine Bedeutungslehre des supercilium (lene - grande) geboten. 40f. fastus ...formae] Vgl. Ovid, fast. 1,419: fastus inestpulchris sequiturque superbia formant; am. 3,12,9 .formae praeconia feci. 42 illa culex] Im pseudovergilischen Culex rettet eine Mücke einen schlafenden Schäfer durch einen Stich in die Augenpartie (!) vor einer Schlange (V. 157-201, vor allem 184-187); sie erweist sich hiermit als ebenso nützlich wie das Auge. In diesem Vergleich meint forma eher >Gestalt, Bau< als Schönheit. 43 structura ... mirabilis] Da structura das Bauen und der Bau ist, ist basilica ... mirabilis (Plinius, nat. 36,102) ein vergleichbarer Ausdruck. - Vgl. Urania 1,1,13: fabricae miracula nostrae. 44 Numinis istud opus] Numen hier der Schöpfergott. Während so der Bau des Auges theologisch gedeutet wird, wird in Urania 1,1,15 auf Aristoteles und Galen als Zeugen für die Unergründlichkeit des Baus des Auges verwiesen. 45-48 Vix... anus]\n Urania 1,1,41^46 wird das Auge als Waffe weiblicher Verführung charakterisiert, hier als Mittel der Behexung (>böser Blickeinhauchtedie Tiefen der Gottheit