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German Pages 240 [260] Year 1999
Schriften des
NIKOLAUS VON KUES in deutscher Übersetzung
Im Auftrag der Heidelberger Akademie der Wissenschaften herausgegeben von ERNST HOFFMANN t · PAUL WILPERT t und KARL BORMANN Heft 15c Lateinisch-deutsche Parallelausgabe
NICOLAI DE CUSA
De docta ignorantia Liber tertius Edidit RAYMUNDUS KLIBANSKY
IN AEDIBUS FELlCIS MEINER HAMBURGI
NIKOLAUS VON KUES
Die belehrte Unwissenheit Buch III Zweite, verbesserte Auflage, übersetzt und mit Einleitung, Anmerkungen und Register herausgegeben von HANS GERHARD SENGER
Mit einem Anhang Zur Geschichte der Überlieferung der Docta ignorantia von Raymond Klibansky
Lateinisch-deutsch
FELIX MEINER VERLAG HAMBURG
PHILOSOPHISCHE BIBLIOTHEK BAND 264c 1977 Erste Auflage 1999 Zweite, verbesserte Auflage
Im Digitaldruck »on demand« hergestelltes, inhaltlich mit der ursprünglichen Ausgabe identisches Exemplar. Wir bitten um Verständnis für unvermeidliche Abweichungen in der Ausstattung, die der Einzelfertigung geschuldet sind. Weitere Informationen unter: www.meiner.de/bod
Bibliographische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliographie; detaillierte bibliographische Daten sind im Internet über ‹http://portal.dnb.de› abrufbar. isbn 978-3-7873-1448-5 ISBN eBook: 978-3-7873-2641-9
© Felix Meiner Verlag GmbH, Hamburg 1999. Alle Rechte vorbehalten. Dies gilt auch für Vervielfältigungen, Übertragungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen, soweit es nicht §§ 53 und 54 URG ausdrücklich gestatten. Gesamtherstellung: BoD, Norderstedt. Gedruckt auf alterungsbeständigem Werkdruck papier, hergestellt aus 100 % chlorf rei gebleichtem Zellstoff. Printed in www.meiner.de Germany.
INHALT Vorwort zur zweiten Autlage . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . VII Hans Gerhard Senger: Einleitung ....................... VIII Raymond Klibansky: Editionsprinzipien des lateinischen Textes ............................................. XVII NIKOLAUS VON KUES
De docta ignorantia I Die belehrte Unwissenheit Liber tertius/Buch III Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kapitel: I. Das zu diesem oder jenem eingeschränkte Größte, gegenüber dem e~ ein Größeres nicht geben kann, vermag ohne das Absolute nicht zu sein . . . . . . . . . . . . . . 2. Das eingeschränkt Größte ist zugleich das absolut Größte, Schöpfer und Geschöpf. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3. Nur in der Natur der Menschheit ist ein Größtes dieser Art am ehesten möglich . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4. Dies ist der gebenedeite Jesus, Gott und Mensch . . . . 5. Christus: empfangen vom Heiligen Geist, geboren aus Mariader Jungfrau . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .. . . 6. Das Geheimnis des Todes Jesu Christi . . . . . . . . . . . . . . . 7. Das Geheimnis der Auferstehung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8. Christus ist als der Erstling der Entschlafenen in den Himmel aufgestiegen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9. Christus ist der Richter der Lebenden und der Toten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10. Der Richterspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11. Die Geheimnisse des Glaubens . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 12. Die Kirche . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Brief des Autors an den Herrn Kardinal Julian . . . . . . . . . . .
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Anmerkungen .......................................... 102 Verzeichnis der Siglen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 160 Literaturnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 163
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Inhalt
Von Nikolaus zitierte Namen, Autoren und Schriften Register der Bibelzitate Register der zitierten Handschriften Register der Verweise auf die Werke des Nikolaus Register der zitierten Autoren Verzeichnis wichtiger Begriffe (lateinisch-deutsch) 0
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Nachtrag zur zweiten Auflage Bibliographischer Nachtrag (1997-1999) 0
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Anhang Raymond Klibansky: Zur Geschichte der Überlieferung der Docta ignorantia des Nikolaus von Kues 209 0
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VORWORT ZUR ZWEITEN AUFLAGE Für die zweite Auflage des dritten Buches De docta ignorantia - Die belehrte Unu:issenheit wurden in der Übersetzung, den Anmerkungen und Registern nur einige Druckfehler und Ungenauigkeiten korrigiert. Die Anmerkungen der ersten Auflage werden allerdings durch einen Nachtrag zur zweiten Auf Zage ergänzt. Auf die Ergänzungen wird auf dem entsprechenden Seitenrand jeweils mit dem Zeichen ~ oder ~ hingewiesen. Für die nach der ersten Auflage erschienenen Editionen und Übersetzungen und für die neueren Veröffentlichungen, soweit diese sich mit De docta ignorantia im engeren und weiteren Sinn befassen, kann hier auf den "Bibliographischen Nachtrag (1968-1998)" verwiesen werden, der als Appendix zur gleichzeitig erscheinenden dritten Auflage von Buch II veröffentlicht wird (Heft 15b, S. 148-164). Dieser Wird hier lediglich für die Jahre 1997 bis 1999 fortgeführt und durch ein Verzeichnis der Rezensionen der ersten Auflage dieses Buches ergänzt. Eine kurze "Einleitung" in das Gesamtkonzept aller drei Bücher De docta ignorantia und in das dritte im besonderen habe ich der ersten Auflage vorangestellt. Sie wird hier mit geringen, unwesentlichen Kürzungen wieder abgedruckt. Herrn Axel Kopido im Felix Meiner Verlag habe ich für umsichtige Unterstützung und geduldige Zusammenarbeit bei der Neuauflage der beiden nun erscheinenden Bücher zu danken. Köln, im Juli 1999
Hans Gerhard Senger
EINLEITUNG Als Nikolaus von Kues am 12. Februar 1440 Kardinal Julianus Cesarini mitteilte, daß er "nun schließlich das dritte Buch über Jesus, den Hochgebenedeiten" vollendet habe (n. 264,5f.), konnte er zugleich mit Recht darauf hinweisen, daß er bei allen drei Büchern De docta ignorantia "immer von der gleichen Grundlage ausging". Die einheitliche Grundlage aller drei Bücher ist der Begriff vom maximum in dreifacher Seinsweise: als absolut Größtes, als eingeschränkt Größtes, als eingeschränkt und zugleich absolut Größtes. Dieses Größte unter einem dritten Aspekt, "in dritter Betrachtung" (De docta ign. I 2 n. 7,1; Heft 15a, S. 12) ist Thema des vorliegenden Buches. Im ersten Buch war das Bemühen darauf gerichtet, die Natur des absolut Größten in seiner Einheit zu erkennen (ebd. n. 5,14-17; S. 10). Das absolut Größte, nämlich Gott, ist also das Thema des ersten Buches. Untersuchungsgegenstand des zweiten Buches ist das Universum (vgl. n. 181,2; n. 182,8-10; n. 264,4f.; s. Buch I 2 n. 6; S. 10f.), das ebenfalls als ein Größtes benannt wird, nicht als ein uneingeschränkt Größtes wie Gott, sondern als das eingeschränkt Größte, das zwar auch ein Eines ist, in Unterschied jedoch zur uneingeschränkten, absoluten Einheit Gottes ein Eines in vielheitliehen Dingen. Das Universum ist nur als Universum ein Eines, in seiner Konkretion jedoch das Viele, ein Dieses oder Jenes. "Erfasse nun, wie die Einheit der Dinge, das heißt das All, in der Vielheit ist und umgekehrt die Vielheit in der Einheit." (II 5 n. 119,19f.; Heft 15b, S. 40). \Venn aucl1 die Untersuchungen im zweiten Buch, die den üblichen Weg der Philosophen verließen, zu neuen und erstaunlichen Überlegungen geführt hatten (s. n. 264,4f.), so war gerade die Erkenntnis des - unleugbaren - Faktums von entscheidender Bedeutung, daß diese Welt, die als Universum in ihrer universalen Einheit des Seins erfahren und als ein maximum, als ein Größtes gedacht und erwiesen wird, nicht als ein Größtes in Einheit erfahren werden kann, weil es "ja nur in Vielheit in eingeschränkter Weise Bestand hat" (n. 7,2f.). Seine Erfahrbarkeit beschränkt sich auf die
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Vielheit der Dinge des Universums; Welt, als ,Menge der Fakten' in substantialer Einheit erkannt, führt zwar zur Erkenntnis von Welt als maximum, jedoch sogleich auch zur Erkenntnis, daß Vielheit die Bedingung ihres Seins ist. Maximität und Pluralität sind Denkkategorien, die für Nikolaus kompatibel und in der Betrachtungsweise des Universums als eines maximum in zweiter Hinsicht notwendig sind. Jedoch lassen sich nicht Maximität und Pluralität zusammendenken mit uneingeschränkter Einheit. Wenn in Hinblick auf das Universum von Einheit gesprochen werden kann, dann ist es die Einheit, die im Vielheitlichen, d(e in den Vielen gesehen wird, in denen sie allein Bestand im Geschehensprozeß eines jeden Einzelnen und aller haben kann. Maximität in dieser zu Vielheit eingeschränkten Einheit ist die Existenzmöglichkeit und die Existenzwirklichkeit des Universums. Diese Analyse führt Nikolaus dazu, den Mangel zu erkennen, den er mit diesem Ergebnis verbunden sieht: Der Maximität des Universums fehlt es an uneingeschränkter Einheit. Gerade das maximum, das allein unserem Erfahrungsbereich zugänglich ist und von dem wir als der einzigen Seinsweise des maximum Kenntnis gewinnen können - das absolut Größte ist es ja nicht; es wird ohne eigentliches Wissen im epistemologischen Sinn nur dunkel ,gewußt' - , ist nicht per se ein Eines. Gerade dieses auf dem Hintergrund der Spekulation über das absolut Größte (Buch I) wahrgenommene Defizit an Einheit, das die Welt aufweist, wird zum Anlaß für die Überlegungen des dritten Buches. Wenn man das De docta ignorantia zugrundeliegende Konzept- Gott, Welt, Christus- nicht als zufällig oder doch wenigstens als traditionell ansehen will; wenn man ferner die Spekulation des dritten Buches nicht als theologischen Annex ansehen und verkennen will; wenn man vielmehr entsprechend dem Anspruch des Autors auf Einheitlichkeit der wissenschaftlichen Fundierung aller drei Bücher als einer Maximitätsspekulation Buch 111 als notwendig und konsequent erkennen will, muß man die Defizienz der Einheit des UnivPrsums als den Ausgangspunkt für die Überlegungen der christologischen Spekulation erkennen.
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Buch III muß deshalb auf die Ergebnisse der beiden vorhergehenden Bücher zurückgeführt werden, weil es aus der allen gemeinsamen Maximitätsspekulation hergeleitet wird (deduci; De docta ign. II 1 n. 96,21; Heft 15b, S. 10). Man muß sich jedoch dessen bewußt sein, daß die Wissenschaftlichkeit von Buch III eingeschränkt ist im Vergleich zu den beiden voraufgehenden, da seine Aussagen nur auf der Grundlage von Inspiration möglich sind {I 2 n. 7,10; S. 12), d. h. nicht auf Anschauung oder Spekulation, sondern auf göttlicher Eingebung beruhen, wie es von vielen Schriften der Bibel gilt, auf die Nikolaus hier mehr denn je zurückgreift. Defizienz der Einheit im Universum aber bedeutet, auf l-tlaximität bezogen, Mangel. Da seine Maximität hinsichtlich seiner Einheitsmöglichkeit defizient ist, weil es nur ein maximum contractum ist, gibt es die hier mit der Vorstellung des maximum apriorisch verbundene Einheit nicht weltimmanent. Nikolaus sucht deshalb, weil einem maximum ohne Einheit die Vollkommenheit fehlte, die ihm als einem maximum immer eignen sollte, nach der Möglichkeit seiner Einheit außerhalb seiner selbst. Da sie weltimmanent nicht möglich erscheint, muß sie transzendent gedacht werden, wenn sie denkbar sein soll. Für den Philosophen ist die Überschreitung der Defizienz des Universums denkmöglich, wenn er die Vollendung des Universums in einem universellen Ziel (terminus universalis) und Sinn (E. Hoffmann) sieht, in dem seine Eingeschränktheit und defiziente Einheit aufgehoben werden könnten. Er sucht diese Einheit für das Universum durch eine Verbindung mit der uneingeschränkten Größe zu retten, und zwar nicht nur als denkmöglich, sondern als denknotwendig (Kapitel 2). Der Theologe deutet dies dann als das maximum in dritter Hinsicht, das kontrakt und absolut zugleich ist, nämlich als den historischen personhaften Jesus Christus, in dem Welthaftes als das kontrakte maximum und Göttliches als absolutes maximum koinzidieren oder, theologisch gewendet, in hypostatischer Union geeint sind. In solcher Verbindung von Kontraktem und Absolutem sieht Nikolaus von Kues den Bestand von Welt aktual so vollendet, daß die Defizienz des Universums
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in solcher Einung mit dem Absoluten aufgehoben ist. Von der Tradition sowohl abendländismer Philosophie als aum von der christlichen Religion her versteht es sich, daß diese Vollendung nicht eine allgemein kosmische Vollendung ist; vielmehr ereignet sie sich und kann sich nur ereignen in einer vergleimsweise schon je eingesmränkten Vollendung, die im Universum besteht; das heißt aber in der mensmlichen Natur, insofern in ihr vital-sinnenhaftes und vernunfthaftes Sein zusammen bestehen, so daß in ihr alle Schichten des Universums als in einem Mikrokosmos eingefaltet sind (n. 198). Wie dies nimt kosmisch allgemein, sondern allein in menschlicher Natur möglim ist, so ist die Realisierung des geforderten maximum contractum et absolutum nur personal möglich und denkbar: Die personhafte Realisierung des zugleim absolut und eingeschränkt Größten als die die Defizienz des Universums übersteigende Vervollkommnung wird identifiziert mit der historismen Person Jesu Christi. Grundlage des von diesem Ansatz her entwickelten dritten Buches De docta ignorantia sind unübersehbar - und von Nikolaus selbst zugestanden - die dogmatisme Lehre der christlichen Kirche, die "Glaubensmysterien", die Aussagen der Schrift, aber aum die Theologie der Väterzeit. Insofern ist Buch 111 ein theologismes Werk; seine Darlegungen gehörten zur Theologie allein, wenn es nimt ebenso evident - und gleichermaßen unübersehbar vom Autor reklamiert - ein philosophisches Werk wäre. Das aber ist es unzweifelhaft schon durch den Ausgang, den es von philosophisch bestinunter Spekulation über die Möglichkeiten und Weisen der l\laximität nimmt, wie durm seine stete Rückbindung an die beiden voraufgehenden Bümer, deren philosophischer Charakter unbestritten ist. Es ist dies um so mehr, als auch in seiner gedanklichen Entfaltung immer wieder Dogmatisches und Theologumena ins Philosophische gewendet werden. Ein trefflimes Beispiel dafür bietet die Verbindung von christlichem Auferstehungsglauben, philosophischem Unsterblimkeitsglauben und kosmologischer Weltvollendungsspekulation im amten Kapitel (bes. n. 230). So hat dieses dritte Bum nicht nur die Philo-
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Hans Gerhard Senger
sophie von Buch I und Buch II zur stets reflektierten Voraussetzung; vielmehr ist es die konsequente Fortsetzung der Kosmologie von Buch II, die bei dem christlichen Theologen in ein christologisches und im weitesten Sinn ekklesiologisches Konzept mündet.
*** Mit der Veröffentlichung des dritten Buches De docta ignorantia als Studienausgabe in dieser Schriftenreihe wird die zweisprachige Publikation dieser Schrift abgeschlossen. Paul Wilpert hatte sie mit der Vorlage von Buch I im Jahre 1964 begonnen. Drei Jahre später folgte die Veröffentlichung von Buch II, kurz nach dem Tode von Paul Wilpert, der die Herausgabe besorgt und die Drucklegung fast bis zu ihrem Abschluß verfolgt hatte. Fast zehn Jahre danach und sechs Jahre nach der von mir besorgten zweiten Auflage von Buch I kann nun Buch III erscheinen. Die Übersetzung wurde auf der Grundlage eines revidierten lateinischen Textes, über dessen Editionsprinzipien Raymond Klibansky (s. S. XVII f.) Auskunft gibt, angefertigt. Dankbar bemerke ich, daß mir ein Übersetzungsentwurf, den P. Wilpert hinterlassen hatte, eine Hilfe gewesen ist, die mir stets zur Verfügung stand. Hilfe bei der Festlegung der Übersetzung einiger Stellen erhielt ich bisweilen auch durch den Vergleich mit bereits gedruckten Übersetzungen von Franz Anton Scharpff, Alexander Schmid, Fr. Germain Heron und Dietlind und Wilhelm Dupre (vgl. dazu Literaturnachweis I.). Die Verantwortung für die nun vorgelegte Übersetzung trage ich allein. Aufgrund meiner Mitarbeit an den beiden voraufgehenden Büchern habe ich die Hoffnung, daß in der deutschen Übersetzung aller drei Bücher dennoch eine gewisse Homogenität sichtbar \vird. Die von P. Wilpert gewählte Übersetzung des Titels, für den der Autor "Neuheit" in Anspruch nahm (s. Buch I n. 1,14; Heft 15a, S. 2), mit "Die belehrte Unwissenheit" wurde beibehalten. Die deutschen Übersetzer der Schrift haben bisher jeweils neue Versuche unternommen, die Komplexität des im Titel Mitzudenkenden sprachlich auszudrücken: Von der Wissenschaft des Nichtwissens (Scharpff); Vom Wissen
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des Nichtwissens (SchHlid); Von der wissenden Unwissenheit (Gawlick, in "Die Kumt der Vermutung"); Die wissende Unwissenheit (Dupre). Eme verbindliche, allgemein anerkannte deutsche Version des Titels gibt es nicht. Wenn wir weiterhin von "belehrter Unwissenheit" sprechen, soll damit das Nichtwissen gemeint sein, das als gelehrtes Nichtwissen gelten kann, weil nur im Wissen - und das heißt im Bewußtsein vom Nicht-Wissen-Können im Themenbereich der drei Bücher Wissen gewonnen werden kann, das jedoch Wissen nicht in epistemologischem Sinn ist. docta ignorantia bezeichnet also den Zustand des Wissens, der gekennzeichnet ist durch Wissen vom Nichtwissen. (S. dazu auch die Anmerkung zu Buch I, n. 1; Heft 15a, 4. Aufl. 1994, S. 114f.) docta ignorantia ist aber nicht nur der Zustand des ,Gelehrten' dieser Art, sondern ebenso eine Methode; die Methode nämlich, die Nikolaus in der Theologie angewandt wissen wollte (in rebus divinis ratiocinandi modus; Buch I, n. 1,27), jedenfalls zu jener Zeit. Wenig später, in der Schrift De coniecturis (vgl. I 6 n. 24; Heft 17, S. 26---28), wird diese Methode verfeinert; sie wird der inzwischen erkannten Notwendigkeit entsprechend geändert, ohne daß damit die docta ignorantia als Prinzip aufgegeben wäre; es bleibt bis zu den späten Schriften erhalten. Noch in De venatione sapientiae (Kapitel llf., n. 3~~3; Heft 14, S. 46---50) wird die docta ignorantia als das erste "Feld der Weisheit" bezeichnet, auf dem der Bewußtseinsgrad des Nichtwissens zum Gradmesser wirklicher Gelehrtheit wird. Und im Trialogus de possest wird klargemacht, daß die Qualifikation durch ,docta' eine nach oben tendierende Graduierung von Wissen besagen soll: "Doctior igitur est !>ciens se scire non posse." (n. 41,15; Heft 9, S. 48). Dieser Bewußtseinszustand eines ,Gelehrten' gilt Nikolaus als die im theologischen Bereich mögliche Vollendung der Wissenschaft (ignorantia est perfecta scientia; n. 53,14, S. 64); über dieser Lehre vom Nichtwissen scheint jedoch nach Ansicht des Nikolaus ein Geheimnisschleier zu liegen, denn es heißt clort auch: "soweit die Lehre von diesem Nichtwissen übermittelt werden kann" (n. 54,1-2, S. 67). Nicht nur, daß die mittels, oder besser in ,docta ignorantia' gewonnenen Erkenntnisinhalte selbst als ein Aufleuchten im
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Hans Gerhard Senger
Dunkel vorgestellt werden, wie De docta ignorantia am Ende des ersten Buches bestimmt wird (I 26 n. 89,10-12; S. 112); auch die Lehre von der docta ignorantia als Erkenntnisprinzip und als Erkenntnismethode bleibt mit einem Geheimnis umgeben. Vielleicht liegt darin ein Grund dafür, daß eine präzise Übersetzung sich bisher als schwierig erwiesen hat. Zum Anmerkungsteil: Bereits bei Vorlage von Buch II wurde der enge Maßstab eines ,Quellenapparats' erweitert; dem konnte ab der zweiten Auflage von Buch I entsprochen werden. In den Anmerkungen zu Buch 111 wird gleichfalls versucht, die genannten wie ungenannten Quellen des Nikolaus anzugeben. Jedoch ist die Quellenlage nicht so eindeutig wie bei manchen anderen Schriften des Nikolaus, auch nicht vergleichbar derjenigen von Buch I und II. Als Gnmdlagen für das dritte Buch sind entsprechend seiner Thematik zu nennen: die Schriften des Neuen Testaments, dann, aber nicht so eindeutig wie wiinschbar, die Lehrschriften der - Rudolf Haubst betont: vor allem lateinischen - Kirchenväter; viele Stellen erinnern an Augustinus. Von Bedeutung sind auch Konzilsdefinitionen, und zwar nicht nur solche früher Jahrhunderte, mit denen sich Nikolaus bereits in De concordantia catholica vertraut gezeigt hatte; es ist auch daran zu denken, daß Nikolaus selbst über viele Jahre Konzilserfahrung verfügte. Beiden Gesichtspunkten wurde dadurch Rechnung getragen, daß für die dogmatischen Grundlagen auf Väterdeutungen und Konzilsdefinitionen verwiesen wird. Darüber hinaus werden von Fall zu Fall Hinweise auf begriffsund ideengeschichtliche Sachverhalte gegeben, die nicht als Quellen aufzufassen sind; sie sollen den geistes- und ideengeschichtlichen Hintergrund markieren. Schließlich wurden im Hinblick auf den Zweck einer Studienausgabe, die nicht der Forschung dienen, wohl aber deren Ergebnisse berücksichtigen soll, Kommentierungen gegeben, die Studierenden zum Verständnis philosophischer, theologischer und historischer Probleme verhelfen sollen. Das schien im Vergleich zu den beiden voraufgehenden Büchern besonders wegen der erwähnten Verknüpfung von Philosophie und Theologie, im einzelnen von Christologie, Soteriologie, Ekklesiologie und
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Kosmologie mit der Philosophie von Buch I und II angebracht. Der Nachweis der zahlreichen Zitate aus der Schrift und der Anspielungen auf Schriftworte wurde nicht lückenlos g,egeben, da er in der vorliegenden Form bereits das Maß des Ublichen übersteigt. Bei dem Versuch, die Gedanken des Nikolaus wo nötig verständlicher zu machen und wo möglich durch parallele Ausführungen in anderen Schriften zu verdeutlichen, wurden vor allem die Predigten, ganz besonders die bis zum Jahre 1440, beachtet. Von großem Wert für das Verständnis einzelner Textpartien sind die drei Bücher Cribratio Alchoran, in denen Nikolaus erneut Gelegenheit nahm, in Auseinandersetzung mit dem Alkoran die christliche Lehre darzustellen. Von Bedeutung sind auch die beiden Schriften De visione dei und De pace fidei (1453), ferner die christologischen Quaestionen des Nikolaus, wenngleich sie, ähnlich wie die Cribratio Alchoran, mehr als zwanzig Jahre später verfaßt wurden. Für die unmittelbar zeitgenössische Wirkungsgeschichte des dritten Buches ist eine kontrovers geführte Auseinandersetzung von Interesse. Diese Kontroverse wurde von dem Heidelberger Professor der Theologie, Johannes Wenck von Herrenberg, bereits im Jahre 1442/43 mit einer Schrift "Ignota litteratura" entfacht (s. dazu Anm. zu n. 190,2f.). Auf die in ihr erhobenen Vorwiirfe wird, soweit es Buch III betrifft, ebenso verwiesen wie auf die Replik des Nikolaus, die er in seiner Apologia doctae ignorahtiae (1449) gab. In den Anmerkungen wurden Ergebnisse der Forschung berücksichtigt, z. B. diejenigen, die in der kritischen Edition bereits vermerkt sind. Die quellen- und ideengeschichtliche Erforschung dieses Textes haben die Untersuchungen von Rudolf Haubst ganz wesentlich befruchtet, vor allem die umfangreiche Studie über "Die Christologie des Nikolaus von Kues", deren zahlreiche Einzelergebnisse in Fülle und Detail in dieser Studienausgabe nicht berücksichtigt werden können. Hier sei im allgemeinen, an den jeweils betreffenden Stellen des Anmerkungsteils wird im besonderen darauf verwiesen. Für eine offene 1md angenehme Zusammenarbeit darf ich dem Herausgeber des lateinischen Textes, Raymond Kli-
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bansky, herzlich danken. Seine Textgestaltung war mir ebenso wie seine Bereitschaft zur - meist mühevollen brieflichen Besprechung von Textproblemen bei der Übersetzung hilf. reich. Manche Hinweise in den Anmerkungen gehen auf solche Diskussionen mit ihm zurück. Des weiteren darf ich dem Herausgeher dieser Schriftenreihe, Kar! Bormann, danken, der meine Arbeit durch viele Gespräche begleitete und dem ich manche Hilfe verdanke. Mein Dank gilt auch Frau Carmen Doyle, seinerzeit Mitarbeiterin der Cusanus-Edition der Heidelberger Akademie der Wissenschaften; sie war am Voranschreiten der Arbeiten von Beginn an beteiligt. Dank schulde ich schließlich dem Verlag Meiner, besonders dem Verleger Richard Meiner, der mit viel Geduld und großem Verständnis auf die Vollendung der Edition, die durch eine Druckbeihilfe der Deutschen Forschungsgemeinschaft aus Mitteln der Thyssen-Stiftung ermöglicht wurde, gewartet hat. Köln, Januar 1977 I Juli 1999
Hans Gerhard Senger
EDITIONSPRINZIPIEN DES LATEINISCHEN TEXTES 1. Text. Für die vorliegende Studienausgabe wurde der Text der vor mehr als vier Jahrzehnten unter den Auspizien der Heidelberger Akademie erschienenen Edition von De docta ignorantia 1 von Grund auf revidiert. Zwei Handschriften - in Florenz (Fl) und in Turin (Ta) - wurden neu hinzugezogen. Die Interpunktion wurde an vielen Stellen vereinfacht. Die Herstellung des Textes beruht auf der Bewertung des gesamten Handschriftenbefundes und der frühen Druckausgaben. Hierfür VE·rweisen wir auf die Überlieferungsgeschichte am Ende dieses Bandes. 2. Orthographie und Wortform. In Übereinstimmung mit den in der Ausgabe der Schriften des Nikolaus von Kues in deutscher Übersetzung bisher befolgten Grundsätzen ist die Orthographie weitgehend der Schreibung angeglichen worden, die dem heutigen Leser aus seiner Kenntnis der klassischen Texte vertrauter ist als die um die Mitte des fünfzehnten Jahrhunderts nördlich der Alpen allgemein übliche. So sind, antiker Schreibweise folgend, in allen entsprechenden Fällen die Diphthonge -ae und -oe eingesetzt, die in Nikolaus' Zeit wie in den vorhergehenden Jahrhunderten in ein bloßes -e zusammengezogen wurden. Ferner bietet der vorliegende Text stets Formen wie ,exsistere', ,exstare' und ,conexio', während Nikolaus dem Brauch seiner Zeit gemäß ,existere', ,extare' und ,connexio' schrieb; ebenso ,hi' als Plural des hinweisenden Fürworts, der bei Nikolaus immer ,hii' lautet. Es wäre jedoch unzulässig, den Sprachgebrauch des Verfassers zu ändern. Nikolaus verwendet oft Wörter, die im antiken Latein nicht vorkommen, wie etwa das Verb ,alleviare' (211,2; 242,15), die Partizipien ,defitentes' (231,2) und ,depuratum' (im Sinne von ,depurgatum'; 234,7), die Substantive ,fatiga' (207,10) und ,gnanus' (für ,nanus'; 1
Nicolai de Cusa De docta ignorantia, ediderunt Emestus Hoffmann et Raymundt1s Klibansky. Lipsiae, in aedibus Felicis Meiner, MCMXXXII.
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Raymond Klibansky: Editionsprinzipien
207,6). Keiner von diesen für seine Sprache charakteristischen Ausdrücken wurde geändert. Alle Wörter dieser Art sind leicht zu verstehen, auch wenn einige von ihnen - wie die Adjektive ,devocabilis' (253,15), ,impermiscibilis' (194,3) und ,indiversus' (235,7) - selbst in den neuesten Wörterbüchern des mittelalterlichen Lateins nicht zu finden sind. Eigennamen- wie etwa ,Absolon' (189,6-7) und ,Sampson' (189,7) - sind in der Form belassen worden, die Nikolaus, auch hier früherem Brauch folgend, als die richtige betrachtete. 3. Apparat. Eine vollständige Wiedergabe der in der Akademieausgabe angegebenen Varianten aller Handschriften wäre mit dem Plan der Studienausgabe nicht vereinbar. Wir mußten uns darauf beschränken, die wichtigeren, für die Gestaltung des Textes bemerkenswerten Lesarten zu verzeichnen, mit Hinzufügung der entsprechenden Varianten, die sich in den neu verglichenen Handschriften Fl und Ta finden. Hingegen erschien es angebracht, mehrere der in der Pariser Ausgabe von 1514 (p) enthaltenen Änderungen im Apparat zu notieren; diese von Jacques Le Fevre d':E:taples und den beiden Korrektoren des Druckers vorgenommenen Änderungen waren dazu bestimmt, dem Leser jener Zeit, dem der Sprachgebrauch des Spätmittelalters fremd war, Nikolaus' Werk leichter verständlich zu machen. Sie sind der Beachtung wert, da sie zeigen, welche Stellen des Textes einem gelehrten Herausgeber des frühen sechzehnten Jahrhunderts der Verbesserung bedürftig erschienen. Montreal, im Januar 1977
Raymond Klibansky
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De docta ignorantia Die belehrte Unwissenheit Liber tertius - Buch 111
De docta ignorantia liber tertius Pro I o g u s
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Paucis his de universo praemlSSlS, quomodo in eontraetione subsistat, ad finem ut de maximo absoluto pariter et eontraeto, Iesu Christo semper benedieto, aliqua doete in ignorantia perquiramus in augmentum fidei et perfeetionis nostrae, amplius tuae admirandae industriae quam breviter de Iesu eoneeptum pandemus, ipsum invoeantes, ut sit via ad se ipsum, qui est veritas; qua nune per fidem et posthae per adeptionem vivmeernur in ipso per ipsum, qui et vita exstat sempiterna. 10
C ap i t u Iu m I
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Maximum ad hoe vel illud eontraetum, quo maius esse nequeat, esse sine absoluto non posse Primo libello ostenditur unum absolute maximum ineommunieabile, immersibile et ineontrahibile ad hoe vel illud in se aeternaliter, aequaliter et immobiliter idem ipsum persistere. Post haee seeundo loeo universi eontraetio manifestatur, quoniam non aliter quam eontraete hoe et illud exsistit. Unitas itaque maximi est in se absolute, unitas uni- 10 versi est in pluralitate eontraete. Plura autem, in quibus universum aetu eontraetum est, nequaquam summa aequalitate eonvenire possunt; nam tune plura esse desinerent.
181 6) quam brevissime p
Die belehrte Unwissenheit - Buch III 181
Vorwort Um über das zugleich absolut und eingeschränkt Größte, den stets gebenedeiten Jcsus Christus, etwas zur Mehrung unseres Glaubens und unserer Vervollkommnung in der belehrten \Veise der Unwissenheit zu erfahren, wollen wir nach diesen kurzen Vorbemerkungen über das Universum in seiner Einschränkung mit Rücksicht auf Deine bemerkenswerten Aktivitäten so knapp wie möglich jetzt noch einen Gedankenentwurf über Jesus vorlegen. Wir bitten ihn, der die Wahrheit ist, uns Weg zu ihm selbst zu sein. Durch diese Wahrheit mögen wir jetzt durch den Glauben und dereinst durch die Teilhabe das Leben haben in ihm durch den, der auch das ewige Leben ist.
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Kapitel 1 Das zu diesem oder jenem eingeschränkte Größte, gegenüber dem es ein Größeres nicht geben kann, vermag ohne das Absolute nicht zu sein Im ersten Buch wurde gezeigt, daß das eine unmitteilbare, unerforschbare und nicht zu diesem oder jenem einschränkbare absolut Größte in sich ewig, gleichbleibend und unveränderlich als das Seihe besteht. Danach wurde zweitens die Einschränkung des Universums dargelegt, da es nur in eingeschränkter Weise als Dieses oder Jenes existiert. Daher besteht die Einheit des Größten in ihm in absoluter Weise, die Einheit des Universums jedoch besteht in der Vielheit auf eingeschränkte Weise. Die vielen Dinge aber, in denen das Universum aktuell eingeschränkt ist, können in keiner Weise in größter Gleichheit übereinstimmen. Denn dann würden sie aufhören, vielE> zu sein. Deshalb muß sich
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De docta ignorantia 111 Capitulum I
Omnia igitur ab invicem differre necesse est aut genere, specie etnumero aut specie et numero autnumero, ut unumquodque in proprio numero, pondere et mensura subsistat. Quapropter universa ab invicem gradibus distinguuntur, ut nullum cum alio coincidat. Nullum igitur contractum gradum contractionis alterius 183 praecise participare potest, ita ut necessario quodlibet excedat aut excedatur a quocumque alio. Consistunt igitur inter maximum et minimum omnia contracta, ut quocumque dato possit dari maior et minor contractionis gradus, absque hoc quod hic processus fiat in infinitum actu, quia infinitas graduum est impossibilis, cum non sit aliud dicere infinitos gradus esse actu quam nullum esse, ut de numero in primo diximus. Non potest igitur ascensus vel descensus in contractis esse ad maximum vel minimum absolute. Hinc, sicut 10 divina natura, quae est absolute maxima, non potest minorari, ut transeat in finitam et contractam, ita nec contracta potest in contractione minui, ut fiat penitus absoluta.
Omne igitur contractum cum possit esse minus aut magis 18-1 contractum, terminum non attingit neque universi neque generis neque speciei. Nam universi prima generalis contractio per generum pluralitatem est, quae gradualiter differre necesse est. Non autem subsistunt genera nisi contracte in speciebus neque species nisi in individuis, quae solum actu exsistunt. Sicut igitur non est dabile secundum naturam contractorum individuum nisi infra termimun suae speciei, sie etiam omne individuum terminum generis et universi attingere nequit. Inter plura etenim eiusdem spc- 10 ciei individua diversitatem graduum perfectionis cadere 183 1) contractum C' (add. in marg.), o: om. ceteri 184 6) in individuis: in dividuis Fl M individuis S I
Das kontrakt Größte ist nicht ohne das Absolute
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alles voneinander nach Gattung, Art und Zahl unterscheiden oder nach Art und Zahl oder wenigstens der Zahl nach, damit ein jedes in der ihm eigenen Bestimmtheit durch Zahl, Gewicht und Maß besteht. Sie sind deshalb allesamt gradweise voneinander unterschieden, so daß keines mit einem anderen zusammenfällt. 183 Kein Eingeschränktes kann also am Grad der Einschränkung eines anderen genau teilhaben, so daß notwendigerweise jedwedes (das andere) übertrifft oder von irgendeinem anderen übertroffen wird. Alles Eingeschränkte besteht daher zwischen dem Größten und dem Kleinsten, so daß gegenüber jedem beliebigen Eingeschränkten ein größerer und geringerer Grad der Einschränkung möglich ist, ohne daß dieser Fortgang wirklich ins Unendliche führte. Denn unendlich viele Gradabstufungen sind unmöglich, da die Behauptung, es gäbe wirklich unendliche Gradabstufungen, nichts anderes wäre, als wenn man behauptete, es gäbe überhaupt keine, wie wir über die Zahl im ersten Buch ausgeführt haben. Bei eingeschränkten Dingen kann es also keinen Aufstieg oder Abstieg zum absolut Größten oder Kleinsten geben. Wie demnach die göttliche Natur, die in absoluter Weise die größte ist, nicht gemindert werden kann, so daß sie in eine begrenzte und eingeschränkte Natur überginge, ebenso kann auch die eingeschränkte Natur hinsichtlich ihrer Einschränkung nicht so verringert werden, daß sie völlig absolut würde. 184 Jedes Eingeschränkte erreicht also, da es weniger oder mehr eingeschränkt sein könnte, weder die Grenze des Universums noch die der Gattung oder Art. Die erste allgemeine Einschränkung des Universums geschieht ja durch die Vielheit der Gattungen, die gradweise Unterschiede aufweisen müssen. Die Gattungen aber existieren nur eingeschränkt in den Arten und die Arten nur eingeschränkt in den Individuen, die allein wirklich existieren. Wie also entsprechend der Natur der eingeschränkten Dinge ein Individuum nur innerhalb der Umgrenzung seiner Art möglich ist, so vermag auch kein Individuum die Grenze der Gattung und des Universums zu erreidten. Unter mehreren Individuen derselben Art muß darüber hinaus Verschiedenheit in den Voll-
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De docta ignorantia III Capitulum I
necesse est. Quare nullum secundum datam speciem erit maxime perfectum, quo perfectius dari non posset; neque etiam adeo imperfectum est dabile, quod imperfectius dabile non sit. Terminum igitur speciei nullum attingit. Non est igitur nisi unus terminus aut specierum aut ge- 185 nerum aut universi, qui est centrum, circurnferentia atque cone.xio omnium. Et universum non evacuat ipsam infinitam absolute maximam dei potentiam, ut sit simpliciter maximum terminans dei potentiam. Non attingit itaque uni\·ersum terminum maximitatis absolutae, neque genera terminum universi attingunt neque species terminum generum neque individua terminum specierum, ut omnia sint id quod sunt meliori quidem modo intra maximum et minimum, et deus principium, medium et finis universi et singulorum, 10 ut omnia, sive ascendant sive descendant sive ad medium tendant, ad deum accedant. Conexio autem universorum per ipsum est, ut omnia, quamquam sint differentia, sint et conexa. Quapropter inter genera unum universum contrahentia talis est inferioris et superioris conexio, ut in medio coincidant, ac inter species diversas talis combinationis ordo exsistit, ut suprema species generis unius coincidat cum infima immediate superioris, ut sit unum continuum perfectum universum.
Omnis autem conexio graduativa est, et non devenitur ad 186 maximam, quia illa deus est. Non ergo conectuntur diversae species inferioris et superioris generis in quodam indivisibili magis et minus non recipienti, sed in tertia specie, cuius individua gradualiter differunt, ut nullum sit aequaliter participans utramque, quasi ex ipsis sit compositum. Sed propriae speciei naturam unam in gradu suo contrahit, quae ad alias relata ex inferiori et superiori composita vide185 15) ut: sie add. Fl
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kommenheitsgraden auftreten. Deshalb wird keines hinsichtlich einer gegebenen Art das vollkommenste sein, dem gegenüber sich ein vollkommeneres nicht noch geben ließe; es läßt sich aber auch kein so unvollkommenes geben, daß nicht ein noch Unvollkommeneres möglich wäre. Keines erreicht also die Grenze der Art. 185 Es gibt demnach nur eine Grenze der Arten wie der Gattungen wie auch des Cniversums, die Mittelpunkt, Umkreis und Verbindung von allem ist. Auch das Universum schöpft diese unbegrenzte, absolut größte Potenz Gottes nicht aus, so daß es ein schlechthin Größtes wäre, das die Potenz Gottes eingrenzte. Das Universum erreicht deshalb nicht die Grenze der absoluten Größe, noch erreichen die Gattungen die Grenze des Universums noch die Arten die Grenze der Gattungen noch die Individuen die Grenze der Arten, so daß alles auf bestmögliche Weise zwischen dem Größten und Kleinsten als das existiert, was es ist, und Gott als Ur· sprung, Mitte und Ziel des Universums und der einzelnen Dinge, auf daß alles zu Gott gelangt, mag es nun aufsteigen oder absteigen oder zur Mitte streben. Die Verbindung aller Dinge durch ihn aber besteht, damit alles, wenngleich unterschieden, auch verbunden sei. Deshalb besteht zwischen den Gattungen, die das eine Universum einschränken, eine Verbindung von Unterem und Oberem derart, daß sie in einem Mittleren zusammenfallen, und deshalb besteht zwischen den verschiedenen Arten eine Ordnung derart, daß die oberste Art einer Gattung mit der untersten Art der unmittelbar übergeordneten Gattung zusammenfällt, so daß ein eines kontinuierliches vollkommenes Universum existiert. 186 Doch jede Verbindung hat Grade, und man gelangt nicht zur größten, denn die ist Gott. Es werden also nicht verschiedene Arten einer niederen und höheren Gattung in einem Unteilbaren verbunden, das ein Mehr und 'Weniger nicht aufnimmt, sondern in einer dritten Art, deren Individuen gradweise verschieden sind, so daß keines an beiden Arten in gleicher Weise teilhat, gleichsam als ob es aus ihnen zusammengesetzt sei. Vielmehr schränkt es die eine Natur seiner eigentümlichen Art in dem ihm eigenen Grad ein, die mit Bezug auf die anderen als zusammengesetzt
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De docta ignorantia 111 Capitulum I
tur, neque aequaliter ex ipsis, cum nullum compositum praecise ex aequalibus esse possit; et inter ipsas species 10 media cadens, secundum unam, superiorem aut inferiorem scilicet, necessario vincit, uti de hoc in philosophorurn libris, in ostreis et conchis marinis et aliis exempla reperiuntur.
Non igitur descendit species aliqua, ut sit minima alicuius l8i generis, quoniam antequam ad minimum deveniat, commutatur in aliam; et pariformiter de maxima, quae commutatur in aliam, priusquam maxima sit. In genere animalitatis species humana altiorem gradum inter sensibilia dum attingere nititur, in commL..tionem intellectualis naturae rapitur; vincit tarnen pars inferior, secundum quam animal dicitur. Sunt fortassis alü spiritus - de quibus in De coniecturis - , et hi quidem !arge dicuntur de genere animalitatis propter sensibilem quandam naturam. Sed quoniam in ipsis natura 10 intellectualis vincit aliam, potius spiritus quam animalia dicuntur, licet Platonici ipsos animalia intellectualia credant. Quapropter concluditur species ad instar numeri esse ordinatim progredientis, qui finitus est necessario, ut ordo, harmonia ac proportio sit in diversitate, ut in primo ostendimus.
Et ad infimam speciem inflmi generis, qua actu minor non 188 est, et supremam supremi, qua pariformiter actu nulla maior et altior est, quibus tarnen minor et maior dari posset, absque processu in inflnitum deveniri necesse est; ut, sive sursum numeremus sive deorsum, ab unitate absoluta, quae deus est, ut ab omnium principio initium sumamus; ut sint 187 3--4) maxima ~ a minima p 188 4) devenire C o
Das kontrakt Größte ist nicht ohne das Absolute
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aus der niederen und höheren angesehen wird, zusammengesetzt aus ihnen allerdings nicht zu gleichen Teilen, da kein Zusammengesetztes genau aus Gleichem zusammengesetzt sein kann; und da sie zwischen jenen beiden Arten als die mittlere auftritt, gewinnt sie hinsichtlich einer, nämlich der höheren oder auch der niederen, notwendigerweise Übergewicht; Beispiele dazu findet man in den Büchern der Philosophen, bei den Austern und Meermuscheln und bei anderen Dingen. 187 Es steigt also keine Art ab, um die geringste einer Gattung zu sein, denn bevor sie zum Geringsten gelangte, wandelt sie sich zu einer anderen Art; und gleicherweise gilt das von der höchsten Art, die sich zu einer anderen wandelt, bevor sie die höchste wäre. Solange in der Gattung Lebewesen die Art Mensch den höheren Grad unter den Sinnen'vesen zu erlangen bl'Strebt ist, wird sie zur Vermischung mit der Geistnatur erhoben; jedoch behält der niederere Teil die Oberhand, demzufolge sie als Lebewesen bezeichnet wird. Es existieren vielleicht noch andere Geistwesen - darüber soll in der Schrift De coniecturis gehandelt werden -, und diese werden einer in gewisser Weise sinnenhaften Natur zufolge im weiteren Sinn nach der Gattung Lebewesen benannt. Da jedoch bei ihnen die vernunfthafte Natur die Oberhand über die andere (sinnenhafte) gewinnt, bezeichnet man sie besser als Geistwesen denn als Lebewesen, wenn auch die Platoniker sie für vernunfthafte Lebewesen halten. Deswegen zieht man den Schluß, daß die Arten geordnet sind ganz so wie die in geordneter Progression aufsteigende Zahl, die notwendig begrenzt ist, so daß Ordnung, Harmonie und Proportion in der Unterschiedenheit herrscht, wie wir im ersten Buch gezeigt haben. 188 Zur untersten Art der untersten Gattung, gegenüber welcher Art es keine wirklich niedrigere gibt, ebenso wie zur obersten Art der obersten Gattung, gegenüber welcher es gleichfalls keine wirklich größere und höhere gibt, denen gegenüber sich dennoch eine niedrigere und höhere geben ließe, muß man ohne Fortgang ins Unendliche gelangen, so daß wir, mögen wir aufwärts oder abwärts zählen, von der absoluten Einheit, die Gott ist, als dem Prinzip von allem
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species quasi obviantes numeri de minimo, quod est maximum, et de maximo, cui minimum non opponitur, progredientes; ut nihil sit in universo, quod non gaudeat quadam singularitate quae in nullo alio reperibilis est, ita quod 10 nullum omnia in omnibus vincat aut diversa aequaliter, sicut cum nullo ullo umquain tempore aequale in quocumque esse potest, etiam si uno tempore minus eo fuerit et alio maius, hunc transitum facit in quadam singularitate, ut numquam aequalitatem praecisam attingat; sicut quadratum inscriptum circulo transit ad magnitudinem circumscripti de quadrato, quod est minus circulo, ad quadratum circulo maius, absque hoc quod umquam perveniat ad aequale sibi, et angulus incidentiae de minori recto ad maiorem ascendit absque medio aequalitatis. Et plura 20 horum in libro Coniecturarum elicientur.
Principia enim individuantia in nullo individuo in tali 189 possunt harmonica proportione concurrere sicut in alio, ut quodlibet per se sit unum et modo quo potest perfectum. Et quamvis in quacumque specie, puta humana, in dato tempore aliqui reperiantur aliis perfectiores et excellentiores secundum certa, uti Salomon ceteros vicit sapientia, Absolon pulclrritudine, Sampson fortitudine, et illi, qui magis in parte intellectiva ceteros vicerunt, meruerint prae ceteris honorari: tarnen, quia diversitas opinionum secundum diversitatem religionum et sectarum ac regionum diversa facit 10 iudicia comparationum, ut laudabile secundum unam sit vituperabile secundum aliam, suntque nobis per orbem dis188 19) sibi l: a illi p 189 3) et eo modo p 6) Absolon meliores codices omnes, a Absalon N p 8) meruerunt C I Ta Tr 0 U E a: om. S 12) suntque coni. sintq ue l: CJ h
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den Ausgang nehmen; so daß die Arten gleimsam wie konvergierende Zahlenreihen vom Kleinsten, das das Größte ist, und vom Größten, zu dem das Kleinste nimt in Gegensatz steht, fortsmreiten; so daß es nimts im Universum gibt, das sim nimt einer gewissen Einzigartigkeit erfreute, die sich in keinem anderen findet, so daß keines alles in aller Hinsifit oder Untersmiedenes in gleimer Weise übertreffe, wie es mit keinem zu irgendeinem Zeitpunkt je in irgendeiner Hinsimt gleim sein kann, auch wenn es zu einem Zeitpunkt kleiner als jenes gewesen wäre und zu einem anderen Zeitpunkt größer. Es vollzieht diesen Übergang in einer gewissen Einzigartigkeit, so daß es niemals genaue Gleichheit mit jenem erlangt; so wie das einem Kreis einbeschriebene Quadrat zur Flämengröße des umschriebenen Quadrats übergeht von einem dem Kreis gegenüber kleineren Quadrat zu einem dem Kreis gegenüber größeren, ohne daß es dabei jemals zu einem ihm flächengleimen gelangte, und wie der Inzidenzwinkel von einem im Vergleim zum rechten Winkel kleineren zu einem dem remten Winkel gegenüber größeren ansteigt, ohne den Mittelwert der Gleichheit mit ihm zu erreichen. Im Buch der Mutmaßungen wird mehr darüber ausgeführt werden. 189 Die Individuationsprinzipien nämlich können in einem Individuum in genau der gleichen harmonischen Proportion nicht zusammentreffen wie in einem anderen, so daß jedwedes für sim selbst ein eines und, soweit möglich, vollkommenes ist. Und wenngleich sim in jeder Art, etwa in der der Menschen, zu einem gegebenen Zeitpunkt einige finden lassen, die gegenüber anderen in gewissen Dingen vollkommener und ausgezeichneter sind, so wie Salomon die anderen an Weisheit übertraf, Absalom die anderen an Smönheit, Samson die anderen an Stärke, und wenngleim jene, die mehr in geistiger Hinsimt die übrigen überragten, sich Ehre vor den übrigen verdienten, so wissen wir nicht, da untersmiedlime Meinungen entsprechend der Verschiedenheit von Religionen, Sekten und Regionen Urteile vergleichsweise versmieden ausfallen lassen, so daß das nach der einen Auffassung Lobenswerte nach einer anderen tadelnswert ist, und da es über den Erdkreis verstreut uns
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persi incogniti, ignoramus, quis ceteris mundi excellentior, quando nec unum ex omnibus perfecte cognoscere valemus. Et hoc quidem a deo factum est, ut quisque in se ipso contentetur - licet alios admiretur - et in propria patria, ut sibi videatur natale solum dulcius et in moribus regni et lingua ac ceteris; ut sit unitas et pax absque invidia, quanto hoc possibilius esse potest, cum omnimoda esse nequeat nisi cum ipso regnantibus, qui est pax nostra omnem sensum 20 exsuperims.
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Maximum contractum pariter est et absolutum, creator et creatura Bene satis aperturn est universum non nisi contracte esse plura, quae actu ita sunt quod nullum pertingit ad simpliciter maximum. Amplius adiciam, si maximum contractum ad speciem actu subsistens dabile esset, quod tune ipsum secundum datam contractionis speciem omnia actu esset, quae in potentia generis aut speciei illius esse possent. Maximum enim absolute est omnia possibilia actu absolute, et in 10 hoc est infinitissimum absolute. Maximum ad genus et speciem contractum pariformiter est actu possibilis perfectio secundum datam contractionem, in qua cum maius dabile non sit, est infinitum ambiens omnem naturam datae contractionis. Et quemadmodum minimum coincidit maximo absoluto, ita etiam ipsum contracte coincidit cum maximo contracto.
189 17) sibi l: a ei p 190 15) maximo l: a cum maximo p
Das kontrakt Gröl)te ist zugleich das absolut Größte
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unbekannte Menschen gibt, so wissen wir also nicht, wer im Vergleich mit den übrigen Menschen der Welt sich besonders auszeichnet, weil wir nicht einmal einen aus ihnen allen vollständig zu erkennen vermögen. Das ist von Gott so eingerichtet worden, damit jeder, mag er auch die anderen bewundern, in sich selbst sein Genüge finde und in seinem Vaterland, so daß ihm sein Geburtsort anziehend erscheint in den Landessitten, in der Sprache und in den übrigen Gegebenheiten, damit Einheit und Friede ohne Mißgunst herrsche, wie weit das immer möglich sein kann, da Einheit und Friede jedweder Art nur durch diejenigen vollkommen sein können, die im Geiste dessen herrschen, der unser alle sinnliche Vorstellung übersteigender Friede ist.
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Kapitel 2 Das eingeschränkt Größte ist zugleich das absolut Größte, Schöpfer und Geschöpf Es ist hinreichend klargestellt, daß das Universum nur in eingeschränkter Weise als das Viele existiert, das in seiner aktualen Wirklichkeit derart ist, daß nichts zum schlechthin Größten gelangt. Ich will noch des weiteren hinzufügen: Wäre ein zur Art eingeschränktes Größtes als wirklich Seiendes möglich, dann wäre es gemäß der gegebenen Art seiner Einschränkung aktual alles, was in dem Vermögen jener Gattung oder Art sein könnte. Denn das in absoluter Weise Größte ist alles, was möglich ist, absolut aktual und ist insofern in absoluter Weise ein ganz und gar Unendliches. Das zur Gattung und Art eingeschränkte Größte ist gleicherweise in aktualer Wirklichkeit die gemäß der gegebenen Einschränkung mögliche Vollkommenheit; da in dieser Einschränkung ein Größeres nicht gegeben werden kann, ist es unendlich und umfaßt die ganze Natur der gegebenen Einschränkung. Und wie das Kleinste mit dem absolut Größten zusammenfällt, so fällt es auch in eingeschränkter Weise mit dem eingeschränkt Größten zusammen.
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De docta ignorantia III Capitulum II
Huius exemplum clarissimum de maxima linea, quae nul- 191 iam patitur Oppositionern et quae est omnis figura et aequalis omnium figurarum mensura, cum qua punctus coincidit, ut in primo libro ostendimus. Quapropter, si aliquod dabile foret maximum contractum individuum alicuius speciei, ipsum tale esse illius generis ac speciei plenitudinem necesse esset ut via, forma, ratio atque veritas in plenitudine perfectionis omnium, quae in ipsa specie possibilia forent. Hoc tale maximum contractum supra omnem naturam contraction.is illius terminus finalis exsistens, in se complicans om- 10 nem eius perfectionem, cum quocumque dato supra omnem proportionem summam teneret aequalitatem, ut nulli maior et nulli minor esset, omnium perfectiones in sua plenitudine complicans. Et ex hoc manifestum est ipsum maximum contractum 192 non posse ut pure contractum subsistere, secundum ea quae paulo ante ostendimus, cum nullum tale plenitudinem perfectionis in genere contractionis attingere possit. Neque etiam ipsum tale ut contractum deus, qui est absolutissimus, esset; sed necessario foret maximum contractum, hoc est deus et creatura, absolutum et contractum, contractione quae in se subsistere non posset nisi in absoluta maximitate subsistente. Non est enim nisi una tantum maximitas, ut in primo ostendimus, per quam contractum dici posset maxi- 10 mum. Si maxima potentia ipsum contractum sibi taliter uniret, ut plus uniri non posset salvis naturis, ut sit ipsum tale servata natura contractionis, secundum quam est plenitudo speciei contracta et creata, propter hypostaticam unionem deus et omnia: haec admiranda unio omnem nostrum intelleeturn excelleret. Nam s1 1psa conciperetur, quemadmodum diversa uni- 193 untur, error est. Non enim maximitas absoluta est alia aut 191 3) punctum p 7) via - veritas l: a vitam formam, rationem atque veritatem p 192 8) se l: a se ipsa p 8) nisi C• a: om. ceteri 15) omnem: omniumFZ
Das kontrakt Größte ist zugleich das absolut Größte
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Das einleuchtendste Beispiel dafür bietet die größte Linie, die keinen Gegensatz zuläßt, und die jede Figur und das Gleichmaß für alle Figuren ist; mit ihr fällt der Punkt zusammen, wie wir im ersten Buch gezeigt haben. Wenn daher irgendetwas das größte eingeschränkte Individuum irgendeiner Art wäre, so wäre ein solches notwendigerweise jene Gattung und Art in Vollständigkeit, es wäre die Richtung, die Form, der Wesensgrund und die Wahrheit in der Vollkommenheitsfülle aller Dinge, die in dieser Art möglich wären. Dieses derart eingeschränkte Größte, das Zielgrenze jener Einschränkung über alle Natur hinaus ist und alle ihre Vollendung in sich einfaltet, würde mit jedem gegebenen Gegenstand über aller Proportion die höchste Gleichheit halten, so daß es gegenüber keinem größer und gegenüber keinem kleiner wäre, da es in seiner Vollständigkeit die Vollkommenheiten von allem einfalten würde. 192 Und daraus ist dem soeben Gezeigten zufolge klar ersichtlich, daß dieses eingeschränkte Größte nicht als bloß Eingeschränktes bestehen könnte, da kein solches die Vollkommenheitsfülle in der Gattung der Einschränkung erreichen könnte. Auch wäre ein solches als Eingeschränktes nicht Gott, der gänzlich absolut ist; es wäre vielmehr notwendigerweise das eingeschränkt Größte, das heißt Gott und Geschöpf, Absolutes und Eingeschränktes, infolge der Einschränkung, die in sich nicht Bestand haben könnte, es sei denn in der subsistierenden absoluten Größe. Es gibt ja nur eine einzige Größe, wie wir im ersten Buch gezeigt haben, durch die das Eingeschränkte ein Größtes heißen könnte. Wenn die größte Potenz eben das Eingeschränkte so mit sich vereinen würde, daß bei Wahrung der Naturen eine stärkere Einung nicht möglich wäre, so daß eben jenes bei Wahrung der Natur der Einschränkung, dergemäß es die eingeschränkte und geschaffene Vollständigkeit der Art ist, infolge der hypostatischen Union Gott und alles wäre, so würde diese bewunderungswürdige Einung alle Fassungskraft unseres Geistes übersteigen. 193 Würde sie nämlich als Einung von Verschiedenem verstanden, so wäre das ein Irrtum. Denn die absolute Größe ist frei von Andershe1t und Verschiedenheit, da sie alles ist.
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diversa, cum sit omnia. Si ut duo conciperetur prius divisa, nunc coniuncta, error. Non enim aliter se habet divinitas secundum prius et posterius, neque est potius hoc quam illud; neque ipsum contractum ante unionem potuit hoc esse vel illud quemadmodum individualis persona in se subsistens; neque ut partes coniunguntur in toto, cum deus pars esse non possit. Qu!s igitur tarn admirandam conciperet unionem, quae 194 neque est ut formae ad materiam, cum deus absolutus sit impermiscibilis materiae non informans? Omnibus profecto unionibus intelligibilibus haec maior esset, ubi contractum non subsisteret, cum sit maximum, nisi in ipsa absoluta maximitate, nihü illi adiciens, cum sit maximitas absoluta, neque in eius naturam transiens, cum sit contractum. Subsisteret igitur contractum in absoluto taliter quod, si ipsum deum conciperemus, falleremur, cum contractum naturam non mutet; si creaturam ipsum esse imaginaremur, decipere- 10 mur, cum maximitas absoluta, quae deus est, naturam non deserat; si vero ut compositum ab utroque putaremus, erraremus, cum ex deo et creatura, contracto et absoluto maxime, compositio sit impossibilis. Oporteret enim ipsum tale ita deum esse mente concipere ut sit et creatura, ita creaturam ut sit et creator, creatorem et creaturam absque confusione et compositione. Quis itaque in excelsum adeo elevari possit, ut in unitate diversitatem et in diversitate unitatem concipiat? Supra omnem igitur intelleeturn haec unio foret. 20
194 6) illi l: ei a 12) deserat l: a desiderat p 12) erramus C a 14) enim om. a igitur p 15) menti Fl N S T Ta Tr 0 Pr 20) foret l: a esset p
Das kontrakt Gröf•te ist zugleich das absolut Größte
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Würde sie aufgefaßt als eine Zweiheit, die vorher geschieden, jetzt aber verbunden ist, so wäre das ebenfalls ein Irrtum. Denn bei der Gottheit gibt es kein unterschiedenes Verhalten in bezugauf früher und später, noch ist sie mehr dieses als jenes; noch konnte dies Eingeschränkte vor der Einung dieses oder jenes sein wie etwa eine individuelle, in sich bestehende Person; noch ist die Einung so aufzufassen wie die von Teilen, die zu einem Ganzen vereinigt werden, denn Gott kann nicht Teil sein. 194 Wer vermöchte also eine solch bewunderungswürdige Einung zu begreifen, die auch nicht der von Form und ~laterie entspricht, da der absolute Gott unvermischbar mit Materie ist und nicht in sie als Form eingeht? Ja, größer als alle intelligiblen Einungen wäre diejenige, wo das Eingeschränkte, da es das Größte ist, nur in der absoluten Größe selbst Bestand haben würde, wobei es ihr nichts hinzufügt, da sie die absolute Größe ist, und auch nicht in deren Natur übergeht, da es ein Eingeschränktes ist. Es würde also das Eingeschränkte im Absoluten in solcher Weise existieren, daß wir einer Täuschung verfielen, würden wir es als Gott begreifen, da das Eingeschränkte seine Natur nicht ändert; wir würden einer Täuschung verfallen, wollten wir es uns als Geschöpf vorstellen, da die absolute Größe, die Gott ist, ihre Natur nicht aufgibt; würden wir es aber für ein aus beiden Zusammengesetztes halten, so wären wir im Irrtum, da eine Zusammensetzung aus Gott und Geschöpf, aus Eingeschränktem und dem gänzlich Absoluten unmöglich ist. Man müßte nämlich dieses So-beschaffene in der Weise als Gott denken, daß es auch Geschöpf ist, in der Weise als Geschöpf, daß es auch Schöpfer ist, als Schöpfer und Geschöpf also ohne Vermischung und ohne Zusammensetzung. Wer könnte demnach sich zu der Höhe aufschwingen, daß er in der Einheit die Verschiedenheit und in der Verschiedenheit die Einheit begriffe? Diese Einung würde also alle Vernunfterkenntnis übersteigen.
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De docta ignorantia III Capitulum III
Capitulum III
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Quomodo in natura humanitatis solum est ipsum tale maximum possibilius Faeiliter ad ista eonsequenter inquiri poterit, euius naturae eontraetum ipsum maximum esse deberet. Postquam enim ipsum neeessario est unum, sieut unitas absoluta est maximitas absoluta et euro hoe eontraetum ad hoe vel illud, primo quidem manifestum est ordinem rerum neeessario deposc:;ere, ut quaedam res sint inferioris naturae comparatione aliorum, ut sunt ipsae quae earent vita et intelligentia, 10 quaedam superioris naturae, quae sunt intelligentiae, ae quaedam mediae. Si igitur maximitas absoluta est omnium entitas universalissime, ita ut non magis unius quam alterius, clarum est hoe ens magis maximo sociabile, quod magis universitati entium est commune. Si enim ipsa inferiorum natura eonsideratur et aliquid 196 talium entium ad maximitatem elevetur, erit tale deus et ipsum, ut in linea maxima exemplum datur. Nam ipsa euro sit infinita per infinitatem absolutam et maxima per maximitatem, cui neeessario unitur si maxima est, deus erit per maximitatem, et remanet linea per eontraetionem; et ita erit aetu omne id, quod ex linea fieri potest. Linea autem non includit neque vitam neque intelleetum. Quomodo ergo linea ad ipsum maximum gradum poterit assumi, si plenitudinem naturarum non attingit? Esset enim maximum, quod 10 maius esse posset et perfeetionibus eareret. Pariformiter de suprema natura dieendum, quae inferio- 197 rem non eompleetitur ita, ut maior sit inferioris et superioris adunatio quam separatio. Maximo autem, eui minimum 195 10) aliarum Pr p 10) ipsae: ipsa E Pr illae p 196 1) aliquod C Fl Tr a 3) detur Fl 5) cui necessario - maxima est l: a necessario ea cui unitur maxima p 10) quod: quo T Ta 197 2) nisi ante ita add. p
Dieses Größte ist nur in Mensmheitsnatur möglim
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Kapitel 3 Nur in der Natur der Menschheitist ein Größtes dieser Art am ehesten möglich
Leicht wird man darüber folgerichtig die Untersuchung anstellen können, welcher Natur das eingeschränkt Größte sein müßte. Da es nämlich notwendig ein eines ist, so wie die absolute Einheit die absolute Größe ist, und es damit zu diesem oder jenem eingeschränkt ist, so fordert zunächst einmal die Ordnung der Dinge ganz offensichtlich, daß einige Dinge im Vergleich zu anderen von geringerer Natur sind, wie beispielsweise diejenigen, die des Lebens und der Erkenntnis ermangeln, daß andere von höherer Natur sind, nämlich die Geistwesen, und daß wieder andere in der Mitte stehen. Wenn also die absolute Größe in allgemeinster Weise die Seiendheit von allem ist; und zwar für das eine nicht in stärkerem Maße als für , ein anderes, so ist deutlich, daß dasjenige Seiende eher mit dem Größten verbunden werden kann, das der Gesamtheit der seienden Dinge in größerem Maße gemeinsam ist. 196 Betrachtet man nämlich die Natur der niederen Dinge und erhöbe man eines dieser seienden Dinge zur Größe, so wird ein solches Gott und es selbst sein, wie an der größten Linie beispielhaft dargelegt wird. Denn da diese unendlich ist durch die absolute Unendlichkeit und die größte durch die Größe, mit der sie notwendigerweise geeint ist, wenn sie die größte Linie ist, so wird sie Gott sein wegen der Größe und bleibt doch Linie kraft ihrer Einschränkung; und so wird sie wirklich all das sein, was aus der Linie werden kann. Die Linie jedoch umfaßt weder Leben noch Erkenntnis. Wie also sollte die Linie zu eben dem höchsten Grad erhoben werden können, wenn sie die Fülle der Naturen nicht erreicht? Sie wäre ja ein Größtes, das größer sein könnte und es gäbe Vollkommenheiten, die sie nicht hätte. 197 In gleicher Weise muß man von der höchsten Natur sprechen, welche die niedere nicht so umfaßt, daß die Einung der niederen mit der höheren größer wäre als ihre Trennung. Dem Größten aber, mit dem das Kleinste zusammen-
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coincidit, convenit ita unwn amplecti, quod et aliud non dimittat, sed simul omnia. Quapropter natura media, quae est medium conexionis inferioris et superioris, est solwn illa, quae ad maximwn convenienter elevabilis est potentia maximi infiniti dei. Nam cwn ipsa intra se complicet omnes naturas, ut supremum inferioris et infimum superioris, si ipsa secundwn omnia sui ad unionem maximitatis ascenderit, omnes naturas ac totwn universwn omni possibili modo ad summwn gradum in ipsa pervenisse constat.
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Humana vero natura est illa, quae est supra omnia dei 198 opera elevata et paulo minus angelis minorata, intellectualem et sensibilem naturam complicans ac universa intra se constringens, ut microcosmos aut parvus mundus a veteribus rationabiliter vocitetur. Hinc ipsa est illa, quae si elevata fuerit in unionem maximitatis, plenitudo omnium perfectionwn universi et singulorum exsisteret, ita ut in ipsa humanitate omnia supremum gradum adipiscerentur. Humanitas autem non est nisi contracte in hoc vel il!o. 199 Quare non esset possibile plus quam unum verum hominem ad unionem maximitatis posse ascendere, et hic certe ita esset homo quod deus, et ita deus quod homo, perfectio universi, in omnibus primaturn tenens, in quo minima, maxima ac media naturae maximitati absolutae unitae ita coinciderent, ut ipse omnium perfectio esset, et cuncta, ut contracta sunt, in eo ut in sua perfectione quiescerent. Cuius hominis mensura esset et angeH, ut Iohannes ait in Apocalypsi, et singulorum, quoniam esset universalis con- 10 tracta entitas singularum creaturarum per unionem ad absolutam, quae est entitas absoluta universorum; per quem cuncta initium contractionis atque finem reciperent, ut per ipsum, qui est maximum contractum, a maximo absoluto
198 6) fuerit l: 11 esset p 199 9) mensura hominis p
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fällt, kommt es zu, das eine so zu umfassen, daß es auch das andere nicht ausschließt, sondern daß es alles zugleich umfaßt. Darum ist die mittlere Natur, die das Medium für die Verbindung der unteren mit der höheren Natur ist, allein diejenige, die sich in angemessener Weise zum Hochsten erheben läßt durm die Kraft des größten unendlichen Gottes. Denn da sie in sich alle Naturen einfaltet, also das Oberste der niederen Natur und das Unterste der höheren Natur, so steht fest, daß in ihr alle Naturen und das gesamte Universum auf jede mögliche Weise zur höchsten Stufe gelangt sind, wenn sie hinsichtlich aller ihrer Bestimmungen zur Einheit mit der Größe aufgestiegen ist. 198 Es ist aber die menschliche Natur, die über alle Werke Gottes erhoben ist und nur um ein wenig den Engeln nachsteht. Sie umschließt ja die vernunfthafte und sinnenhafte Natur und faßt alles m sich zusammen, so daß sie mit gutem Grund von den Alten als Mikrokosmos oder als kleine Welt bezeichnet wurde. Deshalb ist sie es, die, zur Einheit mit der Größe erhoben, die ganze Vollkommenheitsfülle des Universums und aller einzelnen Dinge sein würde, so daß in der Menschheit alles seine höchste Stufe erreichte. 199 Die Menschheit existiert aber nur eingeschränkt in diesem oder in jenem. Deshalb wäre es nicht möglich, daß mehr als ein wahrer Mensch zur Einheit mit der Größe aufsteigen könnte. Dieser wäre sicherlich so Mensch, daß er Gott wäre, und so Gott, daß er Mensch wäre, er wäre die Vollendung des Universums, er nähme in allem den ersten Rang ein, in ihm würden das Kleinste, das Größte und das Mittlere der mit der absoluten Größe geeinten Natur so zusammenfallen, daß er die Vollendung von allem wäre, und daß alles, insofern es Eingeschränktes ist, in ihm als in seiner Vollendung zur Ruhe gelangen würde. Das Maß dieses Menschen wäre auch das Maß des Engels, wie Johannes in der Apokalypse sagt, und aller einzelnen Dinge, da er die allgemeine eingeschränkte Seinsheit der einzelnen Geschöpfe durch die Einung mit der absoluten Seinsheit wäre, die die absolute Seinsheit aller Dinge ist; durch ihn würde alles den Ausgangspunkt nnd das Ziel seiner Beschränkung nehmen, so daß durch ihn, das eingeschränkt Größte, alles vom
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De docta ignorantia 111 Capitulum 111
omnia in esse contractionis prodirent et in absolutum per medium eiusdem redirent, tamquam per principium emanationis et per finem reductionis. Deus autem, ut est aequalitas essendi omnia, creator est 200 universi, cum ipsum sit ad ipsum creatum. Aequalitas igitur summa atque maxima essendi omnia absolute illa esset, cui ipsa humanitatis natura uniretur, ut ipse deus per assumptam humanitatem ita esset omnia contracte in ipsa humanitate, quemadmodum est aequalitas essendi omnia absolute. Homo igitur iste cum in ipsa maxima aequalitate essendi per unionem subsisteret, filius dei foret sicut verbum, in quo omnia facta sunt, aut ipsa essendi aequalitas, quae dei filius nominatur secundum ostensa in prioribus; nec tarnen de- 10 sineret esse filius hominis, sicut nec desineret esse homo, prout infra dicetur.
Et quoniam deo optimo atque perfectissimo non repu- 201 gnant ista, quae absque sui variatione, diminutione aut minoratione per ipsum fieri possunt, sed potius immensae bonitati conveniunt, ut optime atque perfectissime congruo ordine universa ab ipso et ad ipsum creata sint, tune, cum semota hac via omnia perfectiora esse possent, nemo nisi aut deum aut ipsum optimum negans ab istis rationabiliter poterit dissentire. Relegata est enim procul omnis invidia ab eo, qui summe bonus est, cuius operatio defectuosa esse nequit, sed sicut ipse est maximus, ita et opus eius, quanto 10 hoc possibilius est, ad maximum accedit. Potentia autem maxima non est terminata nisi in se ipsa, quoniam nihil extra ipsam est et ipsa est infinita. In nulla igitur creatura terminatur, quin data quacumque ipsa infinita potentia possit creare meliorem aut perfectiorem. Sed si homo elevatur ad unitatem ipsius potentiae, ut non 202 200 3) esset l: est a 7) iste l: a ille p 9) quae om. Fl S 1\f 201 6) (non) possent coni. Scnarpff 15) aut l: a ac p
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absolut Größten in ein eingeschränktes Sein hervorgehen würde und durch seinf' Vermittlung wieder zum Absoluten zurückkehren würde, gleichwie durch sein Emanationsprinzip und durch den Zielpunkt seiner Rückführung. 200 Gott aber ist als die Seinsgleichheit aller Dinge der Schöpfer des Universums, da es ja auf ihn hin geschaffen wurde. Die höchste und größte Seinsgleichheit von allem in absoiuter \Veise wäre also diejenige, der die Menschennatur verbunden würde, so daß Gott eben durch die Annahme der Menschennatur derart alles in eingeschränkter Weise in der menschlichen Natur wäre, wie er die Seinsgleichheit von allem in absoluter Weise ist. Da also dieser Mensch durch die Einigung in der größten Seinsgleichheit bestünde, wäre er Sohn Gottes wie das \Vort, in dem alles geschaffen wurde, oder die Seinsgleichheit selbst, die den obigen Darlegungen entsprechend Gottessohn genannt wird; und dennoch würde er nicht aufhören, Menschensohn zu sein, wie er nicht aufhören vo:ürde, Mensch zu sein, wie weiter unten dargelegt werden soll. 201 Und weil dem gütigsten und vollkommensten Gott das nicht widerspricht, was durch ihn ohne Veränderung, Verminderung oder Schmälerung seiner selbst entstehen kann, sondern wie es vielmehr seiner unermeßlichen Güte entspricht, so daß alles auf das beste und vollkommenste in angemessener Ordnung von ihm und auf ihn hin geschaffen sei, so wird entweder nur ein Gottesleugner oder der, der Gottes absolute Güte negiert, dem mit Verstandesgründen widersprechen können, da ja diese Möglichkeit (des Widerstreitens) ausgeräumt ist und alles relativ vollkommen sein kann. Weit fern ist alle Mißgunst von dem, der in höchstem ~laße gut ist, dessen Wirken nicht fehlerhaft sein kann. Wie er selbst vielmehr der Größte ist, so reicht auch sein Werk an das Größte heran, soweit das überhaupt möglic..~ ist. Die größte Potenz aber ist nur in sich selbst begrenzt, weil jenseits von ihr nichts ist, und weil sie unendlich ist. Sie findet also in keinem Geschöpf ihre Grenze, so daß die unendliche Potenz jedwedes Geschöpf besser und vollkommener schaffen könnte. 202 Wenn aber ein Mensch zur Einheit mit dieser Potenz er-
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De docta ignorantia 111 Capitulum 111
sit homo in se subsistens creatura sed in unitate cum infinita potentia, non est ipsa potentia in creatura sed in se ipsa terminata. Haec autem est perfectissima operatio maximae dei potentiae infinitae et interminabilis, in qua deficere nequit; alioquin neque creator esset neque creatura. Quomodo enim creatura esset contracte ab esse divino absoluto, si ipsa contractio sibi unibilis non esset? Per quam cuncta, ut sunt ab ipso, qui absolute est, exsisterent, ac ipsa, ut sunt contracta, ab ipso sint, cui contractio est summe unita, ut sie primo sit deus creator, secundo deus et homo creata humanitate supreme in unitatem sui assumpta, quasi uniYersalis rerum omnium contractio aequalitati omnia essendi hypostatice ac personaliter unita, ut sie per deum absolutissimum mediante contractione universali, quae humanitas est, tertio loco omnia in esse contractum prodeant, ut sie hoc ipsum, quod sunt, esse possint ordine et modo meliori.
Hic autem ordo non temporaliter considerari debet, quasi deus in tempore praecesserit primogenitum creaturae, aut quod primogenitus deus et homo tempore mundum antevenerit, sed natura et ordine perfectionis supra omne tempus, ut ille apud deum supra tempus cunctis prior exsistens in plenitudine temporis multis revolutionibus praeteritis mundo appareret.
202 3) ipsa 1 l: a illa p 14) sie: sit C S a h
8) sibi l: a ipsi p
12) quasi: sit add. p
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hoben wird, so daß d·~r Mensch nicht in sich bestehendes Geschöpf ist, sondern iJ 1 Einheit mit der unendlichen Potenz besteht, dann ist diese Potenz nicht durch das Geschöpf, sondern in sich selbst begrenzt. Das aber ist das vollkommenste Werk der größten, unendlichen und unbegrenzbaren göttlichen Potenz, in dem kein Mangel sein kann, sonst wäre es nicht Schöpfer und nicht Geschöpf. Wie sollte nämlich das Geschöpf eingeschränkt vom absoluten göttlichen Sein herrühren, wenn die Einschränkung sich mit ihm nicht vereinen ließe? Durch sie hätte alles sein Sein, insofern es von dem sein Sein besitzt, der absolut existiert, und als Eingeschränktes hätte es sein Sein von dem, mit dem die Einschränkung in höchster Weise vereint ist, so daß zunächst Gott Schöpfer ist, sodann nach Aufnahme des geschaffenen Menschseins in die Einheit mit ihm in größtmöglichem Maße Gott und Mensclt, gleichsam als die allgemeine Einschränkung aller Dinge, die mit der Seinsgleichheit von allem in hypostatischer und personaler \Veise vereint ist, so daß durch d~n schlechthin absoluten Gott mittels der aBgemeinen Einschränkung, die das Menschsein bedeutet, drittens alles ins eingeschränkte Sein hervorginge, damit es das, was es ist, in bestmöglicher Ordnung und Weise sein kann. Diese Ordnung darf allerdings nicht zeitlich aufgefaßt werden, so als ob Gott in der Zeit dem Erstgeborenen der Schöpfung vorausgegangen wäre, oder so, daß der Erstgeborene, Gott und :\lensch, zeitlich der Welt vorhergegangen wäre; sie muß vielmehr über a1le Zeit hinweg nach der Natur und Ordnung der Vollkommenheit aufgefaßt werden, so daß der bei Gott über der Zeit vor a1lem anderen Existierende in der Fü1le der Zeit nach Ablauf vieler Umdrehungen der Welt erschien.
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De docta ignorantia 111 Capitulum IV
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Capitulum IV Quomodo ipsum est Iesus benedictus, deus et homo Quoniam quidem ad hoc indubia nunc fide his talibus rutiocinationibus provecti sumus, ut in nullo h::!esitantes firmiter teneamus praemissa verissima esse, subiungentes dicimus temporis plenitudinem praeteritam ac Iesum semper bcnedictum primogenitum omnis creaturae esse. Nam ex his, quae ipse exsistens homo supra hominem divine operatus est, ac aliis, quae ipse in omnibus verax repertus de se ipso affirmavit, testimonium in sanguine suo perhibentes, qui cum ipso conversati sunt, constantia invariabili infinitis dudum infallibilibus probata argumentis iuste asserimus ipsum esse, quem omnis creatura in tempore futurum ab initio exspectavit, et qui per prophetas se in mundo appariturum praedixerat. Venit enim, ut ornnia adimpleret, quoniam ipse voluntate cunctos sanitati restituit et omnia occulta et secreta sapientiae tamquam potens super omnia edocuit, peccata tollens ut deus, mortuos suscitans, naturam transmutans, imperans spiritibus, mari et ventis, supra aquam ambulans, Iegern statuens in plenitudine supplementi ad omnes Ieges. In quo secundum testimonium illius singularissimi praedicatoris veritatis Pauli desuper in raptu illuminati habemus perfeciionem omnem, ,,redemptionem et remissionem peccatorum; qui est imago dei invisibilis, primogenitus omnis creaturae, quia in ipso condita sunt universa in caelis et in terra, visibilia et invisibilia, sive throni sive dominationes sive principatus sive potestates: omnia per ipsum et in ipso creata sunt, et ipse est ante omnes, et omnia in ipso constant. Et ipse est caput corporis ecclesiae, qui est principium, primogenitus ex mor-
203 2) id ipsum p 10) aliis: hiis Fl, in marg. corr. M' bt>nte;: pC'rhibentihus etiam iis p 20) resuscitans Fl
12) perhi-
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Dies ist Jesus, Gott und Mensm
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Kapitel 4 Dies ist der gebenedeite Jesus, Gott und Mensch Da wir jetzt in unerschütterlichem Glauben durch derartige Überlegungen dahin gelangt sind, das eben Gesagte ohne das geringste Zögern fest für ganz wahr zu halten, fügen wir weiter die Behauptung an, die Fülle der Zeit sei bereits vergangen und der stets gebenedeite Jesus sei der Erstgeborene aller Schöpfung. Denn aufgrund dessen, was er selbst als Mensch über menschliches Vermögen hinaus in göttlicher Weise wirkte, und aufgrund der anderen Bekräftigungen, die er, der in allem als wahrhaft erfunden wurde, über sich selbst gab, und da die, die mit ihm lebten, in ihrem Blute Zeugnis ablegten, behaupten wir mit Recht in unwandelbarer Beharrlichkeit, längst durch unzählige untrügliche Beweise gestützt, daß er es ist, den die ganze Schöpfung von Anfang an als in der Zeit Kommenden erwartet hat, und der durch die Propheten sein Erscheinen in der Welt vorhersagen ließ. Er kam ja, um alles zu erfüllen, da er nach seinem Willen allen Menschen die Gesundheit wiedergab und als der, der Macht über alles besitzt, alles der Weisheit Verborgene und Geheime lehrte, als Gott die Sünden tilgte, die Toten erweckte, die Natur veränderte, den Geistern, dem Meere und den Winden befahl, über das Wasser wandelte, in der Fülle seiner Hilfe zu allen Gesetzen ein (neues) Gesetz gab. Nach dem Zeugnis des Paulus, jenes einzigartigen Verkünders der Wahrheit, der in der Entrückung von oben Erleuchtung empfing, besitzen wir in ihm alle Vollendung, "die Erlösung und die Vergebung der Sünden; er ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene vor aller Schöpfung, denn in ihm ist alles erschaffen im Himmel und auf Erden, das Sichtbare und das Unsichtbare, Thronen oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten: alles ist durch ihn und in ihm geschaffen, und er ist vor allen, und alles hat seinen Bestand in ihm. Er ist das Haupt des Leibes der Kirche, er, der der Anfang ist,
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De docta ignorantia 111 Capitulum IV
tuis, ut sit in omnibus ipse primaturn tenens; quia in ipso complacuit omnem plenitudinem inhabitare et per eum reconciliari omnia in ipsum.» Talia quidem et alibi plura perhibentur sanctorum de eo 204 testimonia, quoniam ipse deus et homo; in quo ipsa humanitas in ipsa divinitate verbo unita est, ut non in se, sed in ipso subsisteret, postquam humanitas in summo gradu et omni plenitudine aliter esse non potuit nisi in divina filii persona. Et ad hoc, ut supra omnem intellectualem nostram comprehensionem quasi in docta ignorantia hanc personam concipiamus, quae hominem sibi univit, ascendentes in nostro intellectu consideremus: Cum deus per omnia sit in 10 omnibus et omnia per omnia in deo, ut quodam loco superius ostendimus, tune, cum ista simul copulative consideranda sint sie, quod deus sit in omnibus ita quod omnia in deo, et cum esse ipsum divinum sit supremae aequalitatis et simplicitatis, hinc deus, ut est in omnibus, non est secundum gradus in ipsis quasi se gradatim et particulariter communicando. Omnia autem sine diversitate graduali esse non possunt; quapropter in deo sunt secundum se cum graduum diversitate. Hinc, cum deus sit in omnibus ita ut omnia in eo, est manifestum deum absque sui mutatione in aequali- 20 tate essendi omnia esse in unitate cum humanitate Iesu maxima, quoniam maximus homo in ipso non aliter quam maxime esse potest. Et ita in Iesu, qui sie est aequalitas omnia essendi, tamquam in filio in divinis, qui est media persona, pater aeternus et sanctus spiritus exsistunt, et omnia ut in verbo, et omnis creatura in ipsa humanitate summa et perfectissima universaliter omnia creabilia complicanti, ut sit omnis plenitudo ipsum inhabitans.
Manuducamur aliqualiter ad ista hoc exemplo. Sensualis 205 cognitio est quaedam contracta cognitio, propter quod sen204 2) deus: est add. J1
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der Erstgeborene von den Toten, damit er in allem den Vorrang habe; denn es gefiel, in ihm die ganze Fülle wohnen zu lassen, und dwch ihn alles mit sich zu versöhnen." Diese und anderenorts noch weitere Zeugnisse der Heili204 gen über ihn erweisen, daß er Gott und Mensch ist; in ihm ist die Menschheit in der Gottheit dem Wort geeint, so daß sie nicht in sich, sondern in ihm ihr Sein hat, da ja die ~lenschheit Existenz in höchstem Grade und in aller Fülle anders nicht haben konnte als in der göttlichen Person des Sohnes. Und um über all unser Vernunfthaftes Erfassen hinaus gleichsam in belehrter Unwissenheit diese Person zu begreifen, die den Menschen mit sich vereinte, wollen wir uns in unserem Geiste zur Betrachtung erheben: Da Gott durch alles in allem ist und alles durch alles in Gott, wie wir an früherer Stelle gezeigt haben, darum ist, da diese Aussagen zugleich und in Verbindung miteinander so zu betrachten sind, daß Gott in allem ist, wie alles in Gott, und da das göttliche Sein von höchster Gleichheit und Einfachheit ist, darum ist also Gott, insofern er in allem ist, nicht in gradweiser Verschiedenheit in allem, so als ob er sich gradweise und partiell mitteilte. Es kann aber nichts ohne gradweise Verschiedenheit sein, darum ist in Gott alles in Hinblick auf es selbst mit der \' erschiedenheit seiner Seins grade. Da nun Gott so in allem ist, daß alles in ihm ist, so ist es demnach offensichtlich, daß Gott ohne Veränderung seiner selbst in der Gleichheit allen Seins in Einheit mit der höchsten Menschheit Jesu ist, da der höchste Mensch in ihm nicht anders als in höchster Weise sein kann. Und so haben in Jesus, der so die Gleichheit allen Seins ist, als im Sohne in der Gottheit, der die zweite Person ist, der ewige Vater und der Heilige Geist Sein, und alles hat in ihm als im Wort Sein, und die ganze Schöpfung hat Sein in dieser höchsten und vollkommensten Menschheit, die alle erschaffbaren Dinge universell umfaßt, auf daß die ganze Fülle in ihm wohnt. 205 Wir wollen uns dem etwas näherbringen lassen durch folgendes Beispiel. Das sinnliche Erkennen ist ein eingeschränktes Erkennen, weil der Sinn nur die Einzeldinge
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De docta ignorantia 111 Capitulum IV
sus non attingit nisi particularia. Intellectualis cognitio est unh·ersalis, propter quod respectu sensualis absoluta exsistit atque abstracta a contractione particulari. Contrahitur autem sensatio varie ad varios gradus, per quas quidem contractiones variae animalium species exoriuntur secundum gradus nobilitatis et perfectionis. Et quamvis ad maximum gradum simpliciter non ascendat, ut superius ostendimus, in specie tarnen illa, quae actu suprema est in 10 genere animalitatis, puta humana, ibi sensus tale animal effidt, quod ita est animal, ut et sit intellectus. Homo enim est suus intellectus, ubi contractio sensualis quodammodo in intellectuali natura suppositatur, intellectuali natura exsistente quoddam divinum separatum abstractum esse, sensuali vero remanente temporali et corruptibili secundum suam naturam.
Quare quadam licet remota similitudine ita in Iesu con- 206 siderandum, ubi humanitas in divinitate suppositatur, quoniam aliter in sua plenitudine maxima esse non posset. Intellectus enim lesu, cum sit perfectissimus penitus in actu exsistendo, non potest nisi in divino intellectu, qui solum est actu omnia, suppositari personaliter. Intellectus enim in omnibus hominibus possibiliter est omnia, crescens gradatim de possibilitate in actum, ut quanto sit maior, minor sit in potentia. Maximus autem, cum sit terminus potentiae omnis intellectualis naturae in actu exsistens 10 pleniter, nequaquam exsistere potest, quin ita sit intellectus, quod et sit deus, qui est omnia in omnibus. Quasi ut si polygonia circulo inscripta natura foret humana, et circulus divina: si ipsa polygonia maxima esse debet, qua maior esse non potest, nequaquam in finitis angulis per se subsisteret, 205 14-15) intellectuali natura existente l: a cum intellectualis natura existat p 16) vero om. C a 206 5) existens p 9) minor C 3 (supra rasuram corr. ex minus). a mimt~ ceteri 15) per se: et in se add. Fl
Dies ist Jesus, Gott und
~lens>; ut sit ecclesia in aeterna quiete adeo perfecta, quod perfectior esse non possit, in tarn inexpressibili transformatione luminis gloriae, ut in omnibus non appareat nisi deus. Ad quam tanto affectu cum triumpho aspiramus, ipsum deum patrem supplici corde exorantes, ut per filium suum, dominum nostrum Iesum Christum, et in ipso per spiritum sanctum ipsam nobis sua immensa pietate largiri velit, eo aeternaliter fruituri, qui 30 est in saecula benedictus. 0
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E p i st oIa a u ct ori s ad dominum Iulianum cardinalem Accipe nunc, pater metuende, quae iam dudum attingere variis doctrinarum viis concupivi, sed prius non potui, 262 14) repetitur p 20) qui: quae S I E Pr p 30) fruituris p 31) benedictus: amen add. Fl M E Pr p 263 1-2) Epistola autoris (auctoris I) ad dominum Iulianum cardinalem tituli loco add. N S I De fine librorum Fl In fine libri sequitur T Ta, (sequitur hoc) 0 Post finem libri sequitur M In fine libri conclusio, cap. ultimum E, inscriptione carent ceteri a Peroratio in
marg. p
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Brief des Autors an Kardinal Julian
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absoluten Einung, welche Gott ist. Und so wird die Einung der Kirche, die Einung derer ist, die sie bilden, mit jener, die vielleicht nicht so als eine erscheint wie die hypostatische Union, die nur Einung der Naturen ist, oder wie die allereinfachste erste göttliche, in der keine Spur von Andersheit oder Verschiedenheit bestehen kann, dennoch durch Jesus zur göttlichen Einung befreit, von der sie auch ihren Anfang nimmt. Und das läßt sich gewiß deutlicher sehen, wenn man auf das achtet, was man weiter oben mehrfach findet. Die absolute Einung nämlich ist der Heilige Geist. Die größte, hypostatische Einung aber koinzidiert mit dieser absoluten Einung. Darum besteht notwendig die Einung der Naturen in Christus durch die absolute Einung, die der Heilige Geist ist, und in ihr. Die kirchliche Einung aber koinzidiert, wie gesagt, mit der hypostatischen. Deshalb findet die Einung der Triumphierenden im Geiste Jesu statt, der im Heiligen Geiste ist. So spricht die Wahrheit selbst durch Johannes: "Die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast, habe ich ihnen gegeben, damit sie eins seien, wie wir eins sind, ich in ihnen und du in mir, auf daß sie vollkommen eins seien"; damit die Kirche in ewiger Ruhe so vollkommen sei, daß sie vollkommener nicht sein könnte, in so unbenennbarer Umwandlung ins Licht der Herrlichkeit, daß in allem nur Gott erscheint. Auf sie streben wir triumphierend mit großer Hingabe zu und bitten Gottvater mit demütigem Herzen, daß er sie uns durch seinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, und in ihm durch den Heiligen Geist in seiner unermeßlichen Gerechtigkeit schenken wolle, auf daß wir ihn ewig kosten mögen, der in Ewigkeit gebenedeit ist. 0
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Br i e f d e s Au t o r s
an den Herrn Kardinal Julian Empfange nun, ehrwürdiger Vater, was ich schon längst auf den verschiedenen Wegen der Lehrmeinungen intensiv zu finden versucht hal •e, jedoch nicht eher finden konnte,
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De docta ignorantia 111 Epistola auctoris
quousque in mari me ex Graecia redeunte, credo superno dono a patre luminum a quo omne datum optimum, ad hoc ductus sum, ut incomprehensibilia incomprehensibiliter amplecterer in docta ignorantia per transcensum veritatum incorruptibilium humaniter scibilium. Quam nunc in eo, qui veritas est, absolvi his libellis, qui ex eodem principio artari possunt vel extendi. Debet autem in his profundis omnis nostri humani ingenii conatus esse, ut ad illam se elevet simplicitatem, ubi contradictoria. coincidunt; in quo laborat prioris libelli conceptus. Secundus ex illo pauca de universo supra philosophorum communem viam elicit rara multis. Et nunc complevi finaliter tertium de Iesu superbenedicto libellum, ex eodem semper progrediens fundamento; et factus est mihi Iesus dominus continue maior in intellectu et affectu per fidei crementum. Negare enim nemo potest Christi fidem habens, quod hac via in desiderio altius non inflammetur, ita ut post Iongas meditationes et ascensiones dulcissimum Iesum solum amandum videat et cum gaudio omnia linquens amplexetur ut vitam veram et gaudium sempiternum. Taliter intranti in Iesum omnia cedunt, et nihil ingerere possunt difficultatis quaecumque scripturae neque hic mundus, quoniam in Iesum hic transformatur propter inhabitantem Christi spiritum in eo, qui est finis intellectualium desideriorum. Quem tu, pater devotissime, supplici corde pro me miserrimo peccatore assidue exorare velis, ut pariter eo frui aeternaliter mereamur. COMPLEVI 11'." CUSA 1440, XII. FEBRUAR!!. 263 5) me - redeunte ~ a ex graecia rediens p 264 1) profundissimus Pr profundus p 10) desiderio C (corr. e:x: -ia), I 0 Pr CJ desideria ceteri 20) mereamur. amen Fl Ta Tr 0 V 21) Complevi in Cusza (Cusa E V) - Februarii C T E V Finit. Completum in Cusa 1440 XII ffebruaris 13 Complentur hic tres libelli de docta ignorancia N