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German Pages 459 Year 1985
LITERATURWISSENSCHAFTLICHES JAHRBUCH IM AUFTRAGE DER GÖRRES-GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON HERMANN KUNISCH THEODOR BERCHEM UND FRANZ LINK
NEUE FOLGE / SECHSUNDZWANZIGSTER BAND
1985
DUNCKER & HUMBLOT · BERLIN
LITERATURWISSENSCHAFTLICHES JAHRBUCH I M AUFTRAGE DER GÖRRES-GESELLSCHAFT HERAUSGEGEBEN VON PROF. DR. HERMANN KUNISCH, PROF. DR. THEODOR BERCHEM UND PROF. DR. FRANZ LINK
NEUE FOLGE / SECHSUNDZWANZIGSTER BAND 1985
Das Literaturwissenschaftliche Jahrbuch wird im Auftrage der Görres-Gesellschaft herausgegeben von Prof. Dr. Hermann Kunisch, Nürnberger Straße 63, 8000 München 19, Professor Dr. Theodor Berchem, Institut für Romanische Philologie der Universität, Am Hubland, 8700 Würzburg, Prof. Dr. Franz Link, Englisches Seminar der Universität, Löwenstraße 16, 7800 Freiburg i. Br. Ab Band 27 treten hinzu: Prof. Dr. Eckhard Heftrich, Germanistisches Institut der Universität, Domplatz 20 - 22, 4400 Münster, Prof. Dr. Alois Wolf, Deutsches Seminar der Universität, Wertmannsplatz, 78 Freiburg i. Br. Redaktion: Dr. Kurt Müller, Englisches Seminar der Universität, Löwenstraße 16, 78 Freiburg i. Br. Das Literaturwissenschaftliche Jahrbuch erscheint als Jahresband jeweils im Umfang von etwa 20 Bogen. Manuskripte sind nicht an die Herausgeber, sondern an die Redaktion zu senden. Unverlangt eingesandte Beiträge können nur zurückgesandt werden, wenn Rückporto beigelegt ist. Es wird dringend gebeten, die Manuskripte druckfertig, einseitig in Maschinenschrift einzureichen. Ein Merkblatt für die typographische Gestaltung kann bei der Redaktion angefordert werden. Die Einhaltung der Vorschriften ist notwendig, damit eine einheitliche Ausstattung des Bandes gewährleistet ist. Besprechungsexemplare von Neuerscheinungen aus dem gesamten Gebiet der europäischen Literaturwissenschaft, einschließlich Werkausgaben, werden an die Adresse der Redaktion erbeten. Eine Gewähr für die Rezension oder Rücksendung unverlangt eingegangener Besprechungsexemplare kann nicht übernommen werden. Verlag: Duncker & Humblot GmbH, Dietrich-Schäfer-Weg 9, 1000 Berlin 41.
LITERATURWISSENSCHAFTLICHES JAHRBÜCH SECHSUNDZWANZIGSTER BAND
LITERATURWISSENSCHAFTLICHES JAHRBUCH I M AUFTRAGE DER
GÖRRES-GESELLSCHAFT
HERAUSGEGEBEN VON HERMANN KUNISCH T H E O D O R B E R C H E M U N D FRANZ L I N K
NEUE FOLGE / SECHSUNDZWANZIGSTER
BAND
1985
D U N C K E R
&
H Ü M B L O T
/
B E R L I N
Redaktion: Kurt Müller
Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe und der Ubersetzung, für sämtliche Beiträge vorbehalten © 1985 Duncker & Humblot GmbH, Berlin 41 Printed in Germany Gedruckt 1985 bei Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin 61 I S B N 3-428-05911-5
INHALT
AUFSÄTZE
Alois Wolf (Freiburg i. Br.), Ein maere wil ich niuwen, daz saget von gròzen triuwen: Vom höfischen Roman Chrétiens zum Meditationsgeflecht der Dichtung Wolframs
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Volker Kapp (Trier), Das Barberini-Theater und die Bedeutung der römischen Kultur unter Urban V I I I : Versuch einer literaturhistorischen Einordnung des Schaffens von Guilio Rospigliosi 75 Walter Göbel und Claus Uhlig (Marburg), Zur Kritik erkenntnistheoretischer Systeme in Laurence Sternes Tristram Shandy
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Roswitha Burwick (Claremont/Kalif.), Achim von Arnim: Physiker und Poet 121 Werner Sdowan (Freiburg i. Br.), Die Zwiesprache mit Bildern und Denkmalen bei Theodor Fontane 151 Andreas Höf eie (Würzburg), Rollen-Ich und lyrisches Ich: Zur Poetik des dramatic monologue 185 Roland Hagenbüchle (Eichstätt), Sprachskepsis und Spradikritik: Zum Erkenntnismodus dichterischer Spradie 205 Paul Goetsch (Freiburg i. Br.), Funktionen der Sprachkritik und -skepsis in der modernen englischen Literatur 227 Albert Fuß (Würzburg), Das dichterische Wort als Weg zum Nichts oder zur Fülle: Samuel Beckett und Paul Claudel 253 Richard Sheppard (Norwich), Richard Huelsenbeck (1892-1974): Dada and Psychoanalysis 271 Peter Krähe (Berlin), William Golding als »Moving Target«: Von den Schwierigkeiten des Umgangs mit einem zeitgenössischen Autor 307
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Inhalt K L E I N E BEITRÄGE
Roswitha Wisniewski (Heidelberg), Erbsünde als Problem der Aufklärung und der mittelalterlichen Literatur: Bemerkungen zu Meier Helmbrecht und Anticlaudian 329 John Hennig (Basel), Die literarischen Grundlagen von Goethes Beschäftigung mit serbischer Volkspoesie 339 Hermann Heuer (Freiburg i. Br.), Formen der Nostalgie bei englischen Dichtern : Coleridge und Browning 347 Grete Lübbe-Grothues (Einsiedeln/Sdiweiz), Paul Celans Gedicht »Ich trink Wein« 359 Wilhelm Deinert (München), Eine neue poetische Gattung: Vorgestellt am Beispiel des »Pestlieds« von Carl Werner 367
BUCHBESPRECHUNGEN 2000 Jahre Vergil: Ein Symposion, hg. Viktor Pöschl (Von Josef H . Vogt) . . 391 William Whallon, Inconsistencies : Studies in the New Testamenti Othello y and Beowulf (Von Reinhard Gleißner)
the Inferno, 394
Lutz Mackensen, Die Nibelungen: Sage, Geschichte, ihr Lied und sein Dichter (Von Alois Wolf) 396 The Arthurian Bibliography. I Author Listing. Ed. Cedric E. Pickford and Rex Last. Assistant Ed. Christine R. Barker. I I Subject Index. Ed. Cedric E. Pickford ançl Rex Last. Assistant Ed. Christine R. Barker (Von Ulrich Müller) .398 Beverly Taylor & Elisabeth Brewer , The Return of King Arthur: American Arthurian Literature since 1900 (Von Ulridi Müller)
British and 400
Heinz Reinhold y Das englische Drama 1580 - 1642: Aspekte zeitgenössischer Aktualität (Von W i l l i Erzgräber) 406 Volker Meid y Grimmelshausen: Epoche — Werk — Wirkung Kühlmann)
(Von Wilhelm 409
Inhalt Walter E. Schäfer, Johann Michael Moscherosch: Staatsmann, Satiriker und Pädagoge im Barockzeitalter; Wilhelm Kühlmann und Walter E. Schäfer, Frühbarocke Stadtkultur am Oberrhein: Studien zum literarischen Werdegang J. M. Moscheroschs (1601 - 1669) (Von Volker Meid) 410 Ernst Weber und Christine Mithai, Deutsche Originalromane zwischen 1680 und 1780: Eine Bibliographie mit Besitznachweisen (Bundesrepublik Deutschland und Deutsche Demokratische Republik) (Von Volker Meid) . . 412 Irmgard Schettler, Meid)
Das Geistliche Lied im deutschen Barock (Von Volker 414
Los origenes del romanticismo en Europa. Textos del simposio celebrado en el Instituto Germano-Espanol de Investigación de la Sociedad Goerres en noviembre de 1980 (Von Pere Juan i Tous) 415 Konrad Gross, Arbeit als literarisches Problem: Studien zum Verhältnis von Roman und Gesellschaft in der viktorianischen Zeit (Von Norbert H . Platz) 419 Ulrich Schneider, James Joyce >Dubliners< (Von W i l l i Erzgräber) . . . . . . . . . . . . 422 Wolf gang Düsing, Erinnerung und Identität: Untersuchungen zu einem Erzählproblem bei Musil, Döblin und Doderer (Von Norbert Ratz) 425 Walter F. Schirmer, Geschichte der englischen und amerikanischen Literatur: Von den Anfängen bis zur Gegenwart. Sechste, neubearbeitete Auflage. Herausgegeben von Arno Esch (Von Adolf Barth) 428 Günther Blaicher, Die Erhaltung des Lebens: Studien zum Rhythmus der englischen Komödie von William Shakespeare bis Edward Bond (Von Adolf Barth) 432 Gerhard Hoffmann, hg., Das amerikanische Drama (Von Jürgen Schäfer f ) . . 434 Klaus Ensslen, Einführung Franzbecker)
in die schwarzamerikanische
Literatur
(Von Rolf 437
The Guide to Supernatural Fiction: A full description of 1775 books from 1750 to 1960, including ghost stories, weird fiction, stories of supernatural horror, fantasy, Gothic novels, occult fiction, and similar literature. With author, title, and motif indexes by Everett F. Bleiler; The Year's Scholarship in Science Fiction and Fantasy: 1976 - 1979. Ed. Marshall B. Tymn and Roger C. Schlobin; The Year's Scholarship in Science Fiction, Fantasy, and Horror Literature: 1980. Ed. Marshall B. Tymn (Von Ulrich Müller) 441
Walter J. Ong, Orality and Literacy : The Technologizing of the Word (Von Meinhard Winkgens) 442 Claus Uhligy Theorie der Literaturhistorie: Franz Link)
Prinzipien und Paradigmen (Von 446
Ulrich Horstmann, Parakritik und Dekonstruktion: Eine Einführung amerikanischen Poststrukturalismus (Von Claus Uhlig) Namen- und Werkregister (Von Kurt Müller)
in den 448 451
EIN DAZ
M AERE
SAGET
WIL
VON
ICH
GRÔZEN
NIUWEN , TRIUWEN
V o m höfischen Roman Chrétiens zum Meditationsgeflecht der Dichtung Wolframs V o n Alois
Wolf
I n der ersten H ä l f t e des 12. Jhdts setzte m i t der Troubadourdichtung i n der Volkssprache eine neue A r t erotischer Dichtung ein. I n der zweiten H ä l f t e des Jahrhunderts, wiederum i n der Volkssprache, begann i m höfischen Roman ein neues, literarisches Erzählen. Deutsche Dichter machten i n unterschiedlichem Maße v o n diesen i n Frankreich entwickelten Möglichkeiten Gebrauch; W o l f r a m u n d Gottfried gelang es, die Grenzen dieses neuen Erzählens auszuweiten u n d es vielleicht sogar i n seinem Wesen zu verändern. 1 D i e literarisierte Volkssprache wurde zu einem neuen Instrument u n d zugleich zu einem besonderen literarischen Darstellungs- u n d Entfaltungsraum.
als
I. L i t e r a r i s c h e s E r z ä h l e n i n d e r V o l k s s p r a c h e sprach- und w er k ü b er g r ei f eη d es W ei t er d i ch t e η
Wenn oben v o m höfischen R o m a n Chrétiens u n d dem W e r k Wolframs jeweils i m Singular gesprochen w i r d , so ist das nicht nur knappe Ausdrucksweise, sondern der Versuch, das Neue i n der Entwicklung der literarischen 1
Französische Germanisten haben sich immer wieder mit solchen Fragen beschäftigt; zuletzt René Pérennec, Recherches sur le roman arthurien en vers en Allemagne aux XII e et XIII e siècles , 2 Bände, (Göppingen, 1984) Göppinger Arbeiten zur Germanistik 393/1 - 2. Zur Fragwürdigkeit der Methoden und Perspektiven der Arbeiten aus der Schule Fourquets siehe: Alois Wolf, »Die adaptation courtoise. Kritische Anmerkungen zu einem neuen Dogma«, in: Germanisch-Romanische Monatsschrift N F 27, (1977), 259-283. Der deutschen Altgermanistik ist freilich der Vorwurf nicht zu ersparen, daß sie sich zu wenig um die altfranzösische Literatur kümmert. Dies gilt erfreulicherweise nicht für die neueste zusammenfassende Darstellung der Dichtung Wolframs durdi Ruh, die audi ein vorzügliches Kapitel über den Parzival enthält: Kurt Ruh, Höfische Epik I I . (Berlin, 1980) Grundlagen der Germanistik 25, S. 55 - 140. Das hohe Niveau der angelsächsischen Altgermanistik wird erneut bestätigt durch M. Wynns Buch, das in vorliegende Untersuchung nicht mehr eingearbeitet werden konnte: Marianne Wynn, Wolfram's Parzival. On the genesis of its poetry. (Frankfurt, 1984) Mikrokosmos 9.
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Alois Wolf
volkssprachlichen Erzählkunst an einem wichtigen P u n k t hervortreten zu lassen, darin nämlich, daß diese Autoren i m Grunde nicht mehr verschiedene Werke geschrieben haben, die neben- u n d nacheinander bestehen u n d als solche auch betrachtet sein wollen, sondern daß ihnen ihre >WerkeOrlando Furioso< im italienischen Theater des Seicento und Settecento , w o Rospigliosis II Palazzo incantato 27 zusammen m i t Tronsarellis II Ritorno d'Angelica nell'India innerhalb einer ganzen Fülle v o n Dramen eingeordnet w i r d , die sich an Ariostos Epos anlehnen, sind bisher eine Ausnahme. H i e r t u t sich der literarhistorischen Forschung ein weites Feld auf, dessen Bearbeitung einer differenzierteren Beurteilung v o n Rospgliosis I n t e n t i o n zuträglich wäre. D i e Literaturwissenschaft könnte bei der Erforschung Rospigliosis nicht nur die A r b e i t der M u s i k - u n d Theatergesdiichte ergänzen. Sie k a n n auch wesentliche Elemente nur m i t den i h r eigenen Untersuchungsmethoden angemessen angehen. Eine w i e zentrale F u n k t i o n ihr dabei zukäme, macht das K a p i t e l über San Alessio i n der musikwissenschaftlichen Dissertation v o n Silke Leopold über den Komponisten dieser Oper Stefano L a n d i deutlich 2 8 .
26 Vgl. ihre Übersicht S. 50. Guido Manchini spricht sogar von bloßer Übersetzung der spanischen Vorlagen, ohne zu präzisieren, welchen Begriff von Übersetzung er benutzt. Er schreibt: »La sua posizione rimane oscillante tra una forma d'imitazione esclusivamente superficiale e quella che, invece, poteva essere valida sotto un aspetto estetico e letterario« (Calderón in Italia. Studi e ricerche , Pisa 1955, S. 33 f.). Bei Martin Franzbadi (Untersuchungen zum Theater Calderóns in der europäischen Literatur vor der Romantik, München 1974, S. 118 f.) fehlen Textbelege. 27 Hamburg 1973, S. 141 - 157. 28 Stefano Landi. Beiträge zur Biographie — Untersuchungen zur weltlichen und geistlichen Vokalmusik, Hamburg 1976, Bd. 1, S. 42 - 51, 278 - 309.
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Sie bereitet den seit einer Miszelle v o n Ulderico R o l a n d i 2 9 kursierenden Spekulationen über das D a t u m der Eröffnung des Barberini-Theaters m i t der Uraufführung des San Alessio ein Ende, indem sie durch eine überzeugende Analyse der erhaltenen Archivalien den 21. Februar 1632 als Tag für die Uraufführung, den 23. Februar für die Wiederholung des Stückes festsetzt 30 . Sie vermerkt dann, daß nicht diese Aufführung, sondern die einer andern Version i m Jahre 1643 u n d deren Partiturdruck den Nachr u h m begründet haben 3 1 . Sie geht sodann dem Problem nach, ob dieser R u h m berechtigt u n d w o r a u f er begründet ist. Sie bestreitet, daß San Alessio i m Jahre 1632 »die Sonderstellung innerhalb der frühen Oper einnahm, die die historische Forschung i h r zubilligt« (S. 50). Sie k o m m t am Ende ihrer Analyse des Stückes zu dem Ergebnis, daß man die hohe Bewertung dieser Oper durch die musikhistorische Forschung anzweifeln muß, u n d fährt dann fort: Sicherlich gehört II S. Alessio zu den führenden und interessantesten Werken der Zeit, zumal er zum ersten Mal in der Operngeschichte einen geistlichen Stoff auf die Bühne brachte. Jedoch bietet er gerade musikalisch — sieht man von den Einleitungssinfonien ab — nichts, was über die andern Produktionen der Zeit hinausgeht. So wird das Verdienst für die herausragende Bedeutung der Oper eher Rospigliosi als Landi zuzuschreiben sein. (S. 278) Wenn aber die Musikwissenschaft die Auffassung v e r t r i t t , daß der relative Nachruhm dieser Oper auf das K o n t o des Textdichters geht, dann ist die Literaturwissenschaft aufgerufen, der Musikwissenschaft darzulegen, was es m i t diesen Texten auf sich hat. Auch wenn man dabei nicht wie A p o l l o n i o Rospigliosi als G l i e d einer bruchlosen Entwicklung bis h i n zu Metastasio deuten kann, so g i l t es doch, den spezifischen historischen Standort dieses Autors innerhalb der T r a d i t i o n der Opernlibretti einerseits u n d innerhalb der sonstigen literarischen T r a d i t i o n andererseits herauszuarbeiten.
2 Auch wenn der relative Nachruhm v o n San Alessio nach Leopolds U n t e r suchungen »in erster L i n i e auf das Libretto, nicht auf die Komposition« (S. 308) zu gründen u n d das W e r k »eher aus literarischen als aus musikalischen Gründen ein Markstein i n der Opergeschichte« (S. 309) ist, muß die literaturwissenschaftliche Untersuchung des Textes v o n musikhistorischen Gegebenheiten ihren Ausgangspunkt nehmen. Leopold selbst macht auf die Unterschiede zur pastoralen Oper aufmerksam, die heidnische, nicht christ29
Un tricentenario ... contestato . L'apertura del Teatro Barberini , in: Rasegna Dorica 3 (1932) N r . 4, S. 1 - 3. 30 Vgl. S. 42 f. 31 Vgl. S. 49.
Das Barberini-Theater
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lidie Stoffe darstellt. Während dort auf äußere H a n d l u n g W e r t gelegt wurde, stellt Rospigliosi innere Kämpfe dar. Diese Verlegung der H a n d l u n g ins Innere des Menschen brachte dramaturgische Probleme, die der A u t o r durch einige Veränderungen lösen wollte, die die zweite Fassung v o n 1634 gegenüber der ersten v o n 1632 aufweist. I n der ersten Fassung 32 fehlt die allegorische Gestalt der Religione, die am Schluß des Stückes ( I I I , 5) a u f t r i t t , das Geschehene deutet u n d dabei singt : Vive Alessio, che morto al mondo visse, vive colui, che più d'Alcide invitto fu gli ampi abissi a superar potente. Hora vogPio die della nobil alma si riponga la salma nel vicin Tempio, ove pietade insana d'Ercole venerar fece i trionfi 3 3 . Diese Verse enthalten ein religiöses Programm, das auch für das Verständnis der literarischen Hintergründe des Stückes Folgerungen zuläßt. Religione feiert den heiligen Alexius als einen christlichen Sieger über den T o d u n d stellt sein H e l d e n t u m über das der Heiden. D i e szenische Darstellung seines Lebens soll an den Sieg des Christentums über das Heidentum erinnern, wobei die U m w i d m u n g des Herakles-Tempels i n eine Kirche zu Ehren des heiligen Alexius sichtbarer Ausdruck dieses Triumphes i s t 3 4 . D i e szenische H u l d i g u n g an Alexius ist nicht nur ein Ansporn für den Zuschauer, sich am heroischen Glaubensideal dieses Heiligen zu messen u n d selbst f r o m m zu werden. Sie ist auch eine H u l d i g u n g an R o m als Zentrum der Christenheit. Dies k o m m t i n der Fortsetzung des Gesangs der Religione deutlich z u m Ausdruck: Vera pietà romana qui sciolga i preghi e quindi grazie attenda. Qui concorra devoto fin dal Istro remoto i l popol fido. (S. 263) 32
Sie ist überliefert im Manuskript Rvat. Vat. lat. 13.354. Drammi per musica , Bd. 1, S. 263. 34 I n der Szenenanweisung heißt es: »La Religione rallegrandosi dell'acquisto fatto dal Cielo in S. Alessio gli destina i l Tempio, che dagli antichi Romani fu dedicato a Ercole. Partesi poi la Religione, incamminandosi a consacrare i l Tempio a S. Alessio« (S. 263). 33
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Alexius, der römische Jüngling, der ins ferne Odessa floh u n d dann nach R o m zurückkehrte, u m i m Zentrum der Christenheit unbeachtet u n d unerk a n n t ein heiliges Leben zu führen, w i r d i n dieser Oper zum Kronzeugen der »vera pietà romana« erhoben, die der Papst gegen die Angriffe der Protestanten verteidigt hat. Er w i r d zur Heerschar der gegenreformatorischen Kirche gerechnet. Er ist ein >Heldres literaria< de la Renaissance au seuil de l'époque classique , Genève 1980, S. 203. Vgl. zum ganzen Thema meine Würdigung dieses Werkes Rhetorik und Hofkultur. Eine neue Deutung des siècle classique , in: Germanisch-Romanisdie Monatsschrift 33 (1983), S. 335 -343.
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artikuliert. Sie sind den nicht lateinisch sprechenden und schreibenden Großen i n R o m u n d den dort residierenden D i p l o m a t e n zugedacht, die sich beim Heiligen Stuhl aufhalten* 3 . Als Leistung der Familie Urbans V I I I . hat das Barberini-Theater enge Beziehungen z u m Oberhaupt der Kirche, ist aber doch keine Schöpfung v o n dessen lateinisch sprechender Kurie. Als italienisches Theater t r i t t es i n Konkurrenz zur übrigen italienischen Bühne. Es ist als Elite-Theater v o m Volkstheater abgehoben, das damals i n R o m sehr lebendig w a r 6 6 , u n d dessen K o m i k Rospigliosi dadurch die Stirn geboten hat, daß er i n seinen geistlichen Opern ebenfalls komischen Elementen breiten R a u m zugewiesen hat. Seit Chi soffre speri (1637) versucht er auch, durch die Übernahme v o n T y p e n aus der Commedia delParte Elemente der Stegreifkomödie i n sein christliches Theater einzubauen. Doch spielen alle diese Bestandteile eine untergeordnete Rolle i m Vergleich zum Jesuitenthater, dessen Dramaturgie i n ihrer römischen Variante sein eigenes Schaffen überhaupt erst ermöglicht haben dürfte. Bereits u m die Wende zum 17. Jahrhundert hat das römische Jesuitendrama durch einen genialen Dramatiker sein eigenes Gesicht bekommen. Bernardino Stefonio (1562 - 1620) hat Tragödien geschrieben, die Marc Fumaroli als »l'apogée de l ' a r t dramatique jésuite« 6 7 bewertet hat. Sein dramatisches Oeuvre ist sehr schmal, zwei Tragödien Crispus (1597) u n d Flavia (1600). Beide schließen an Seneca an, die erste an Hippolytus, die zweite an Medea u n d Thyestes. I n beiden Fällen handelt es sich u m eine sehr freie Umarbeitung der antiken Vorlage. I n apologetischer Absicht w i r d jeweils ein K a m p f u m die Seele eines Christen historisch so situiert, daß die I n s t i t u t i o n des Papsttums als Sieg über die heidnischen Mächte des Bösen u n d der römische Papst als Überhöhung des römischen Kaisers erscheint 68 . Stefonio schöpft aus den Annales Ecclesiastici des Oratorianers Caesar Baronius Episoden der Kirchengeschichte 69 , die er so m i t den heidnischen M y t h e n i n Senecas Stücken kontaminiert, daß das heidnische Ge65 Bezeichnenderweise sind die Franzosen, die uns Berichte über Aufführungen im Barberini-Theater hinterlassen haben, in Begleitung von Großen ins Theater gekommen, dessen »alcune migliaia di spettatori« (Enciclopedia dello spettacolo , Bd. 8, Sp. 1113) alle auf Einladung der Barberini hineingekommen waren. 66 Vgl. A. G. Bragaglia, Storia del teatro popolare romano , Roma 1958. 67 Le Crispus et la Flavia du P. Bernardino Stefonio S. J. Contribution à l'histoire du théâtre au Collegio Romano (1597 -1628), in: Les Fêtes de la Renaissance. Etudes réunies par Jean Jacquot et Elie Konigson, Bd. 3, Paris 1975, S. 524. I m folgenden lehne ich mich an diese Stefonio-Deutung an. Vgl. auch Gualtiero Gherghi, Il teatro gesuito ne* suoi primordi a Roma, Roma 1907. 68 Vgl. Fumaroli, Théâtre , humanisme et Contre-Réforme , S. 402. 69 Zu Baronius vgl. Fumaroli, Théâtre , humanisme et Contre-Réforme , S. 402; Generoso Calenzio, La vita e gli scritti del card. Cesare Baronio, Roma 1907 und die kritischen Bemerkungen von Hubert Jedin im Artikel Baronius , in: Lexikon für Theologie und Kirche, Bd. 1, Freiburg 1957, Sp. 1270 ff..
Das Barberini-Theater
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dankengut der christlichen Vorstellungswelt anverwandelt w i r d . Rospigliosi schließt sich diesem Vorgehen an, wenn er i n San Alessio , wie oben bereits erwähnt wurde, die U m w a n d l u n g eines Herakles-Tempels i n eine Kirche zu Ehren des heiligen Alexius z u m Gegenstand der Schlußapotheose seiner geistlichen Oper macht. Dies ist jedoch nur eine äußerliche Parallele, die erst durch die inneren, dramaturgischen Analogien ihr volles Gewicht erhalten. Eine Analogie ergibt sich i n der A r t , w i e Stefonio u n d Rospigliosi die dämonologische Mythendeutung ins Theater einbeziehen. Fumaroli vermutet, daß Stefonio die Seneca-Ausgabe seines Mitbruders M a r t i n D e l R i o v o n 1593 verwertet hat, eines Spezialisten für Hexenglauben, der i n Senecas Stücken »une psychomachie à la Prudence entre les forces occultes du M a l et vertus païennes que la Rédemption chrétienne ne soutenait pas« 7 0 gesehen u n d i n Randglossen vermerkt hat, w o der heidnische A u t o r m i t dem christlichen Glauben nicht zu vereinbaren ist. Stefonio gibt eine heilsgeschichtliche Deutung v o n Senecas Hippolytus. E r übersetzt i n seinem Crispus den griechischen M y t h o s i n eine römische Tragödie, deren Protagonist Kaiser Konstantin ist. Konstantin ist eine Allegorie der Seele, die z w a r den Listen des Dämons erliegt, aber dadurch letztlich doch z u m Helfer bei der Etablierung der zentralen weltlichen Macht des Papsttums w i r d . Crispus, der Christ, w i r d z w a r Opfer des Dämons, der durch Faustas Ränke Konstantin überlisten kann, sein Opfer f ü h r t jedoch z u m Mißlingen der Pläne des Dämons. Dämonen kommen auch i n vielen Opern Rospigliosis auf die Bühne. I n San Alessio geschieht dies i n einer Ballett- u n d Chorszene ( I , 4), w o die Dämonen unter sich bleiben 7 1 , ihre Gegenwart aber die geheimen Antriebskräfte i m H a n d e l n der Gestalten offenlegt, die Alexius v o n seiner heroischen Weltverleugnung abbringen wollen. Dramaturgisch bemerkenswerter ist eine Szene m i t drei Furien i n I Santi Didimo e Teodora ( I I I , 3). D o r t w i r d Eustratio, der heidnische Richter u n d Henker der beiden christlichen M ä r tyrer, v o n den Furien gepeinigt, die eigentlich m i t i h m i m Bunde stehen müßten 7 2 . Diese Szene paßt nur i n die H a n d l u n g des Stückes, wenn man 70
Fumaroli, Théâtre , humanisme et Contre-Réforme , S. 401. Es bliebe zu untersuchen, ob Rospigliosi eine tiefere Absicht verfolgt, wenn er die Dämonen tanzen läßt. 72 Eustratio klagt: »Deh rivolgete, ò fida schiera, il petto. Ohimè, soccorso, amici Con occulti supplici Agita i l fianco lasso Tutto, cred* io, l'Inferno in me raccolto . . . « Die Furien bezeichnen ihn anschließend als »questo mostro d'impietà« (Cod. Vat. lat. 13. 538, S. 80). 71
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sie als Veranschaulidiung der » confusion i n der civitas terrena i m Sinne der oben erwähnten Lehre des Augustinus deutet und m i t der Vorstellung i n Verbindung bringt, daß an Karneval die U n o r d n u n g der civitas terrena als Gegenwelt zur O r d n u n g i m Gottesstaat i n Szene gesetzt werden soll. Stefonios Tragödien wie Rospigliosis geistliche Opern setzen den K a m p f christlicher Helden m i t den Mächten des Bosen i n Szene. Der V o r w u r f , daß die Schauspielerei die verdrängten Schatten des i m Unterbewußtsein lauernden unkontrollierten Dämonischen auf die Bühne bringt u n d m i t dem Anziehenden des Guten die H i n t e r l i s t des Bösen verdunkelt, konnte sie nicht treffen, w e i l sie eben dieses Ränkespiel auf der Bühne vorführen. D a z u wurden sie durch die Methode des betrachtenden Gebets ermutigt, die der Gründer des Jesuitenordens Ignatius v o n L o y o l a i n den geistlichen Exerzitien einüben läßt. D o r t werden ebenfalls geistliche Vorgänge ins Visuelle übersetzt, wenn sich der Beter einen Schauplatz ausmalen, eine Szene erfinden u n d die Beteiligung des Guten wie des Bösen am W e r k der Erlösung als H a n d l u n g vorstellen s o l l 7 3 . Doch ist Theaterspiel kein religiöser A k t . Deshalb mußten andere Faktoren wirksam werden, u m aus der religiösen eine literarische Erfindung u n d somit aus dem Gebet ein Schauspiel werden zu lassen. Stefonios Tragödien passen nicht z u m Gattungsbegriff, der i n der Renaissance aus der Poetik des Aristoteles abgeleitet wurde. Damals suchten die Aristoteleskommentatoren das Wesen der Tragödie aus der V o r stellung der Katharsis abzuleiten. So unterschiedlich sie i m einzelnen die W i r k u n g v o n Furcht u n d M i t l e i d deuteten, so sehr waren sie sich doch einig, daß deren W i r k u n g auf den Zuschauer an die Erfindung v o n Mischcharakteren gebunden ist, an deren Taten der Zuschauer A n t e i l nehmen konnte. Als 1620 Stefonios Stücke veröffentlicht wurden, entging es den protestantischen Humanisten i n Leyden nicht, daß diese Stücke m i t einer so gearteten aristotelischen Tragödienkonzeption nicht zu vereinbaren waren. Tarquinio G a l l u z z i übernahm für den inzwischen verstorbenen M i t bruder die Verteidigung. Schon i m T i t e l seiner v o n der Vatikanischen Druckerei veröffentliditen Schrift Rinovazione dell'Antica Tragedia , e difesa del Crispo , die 1633, also ein Jahr nach der Uraufführung des San 73
Vgl. dazu Fumaroli, V Age de V éloquence , S. 259 f., 354 - 379. Jacques Le Brun hat in seiner Besprechung auf Schwächen von Fumarolis Deutung der Verwendung des Visuellen durch die Jesuiten hingewiesen (Annales — Economie , Sociétésy Civilisations mai - juin 1983, S. 483 ff.). Jean-Marie Valentin hat im Anschluß an Suarez* Philosophie mit ganz andern Belegen als Fumaroli die Zusammenhänge zwischen ignatianischer Methode des betrachtenden Gebets und dem Jesuitendrama herausgearbeitet ( Le théâtre des Jésuites dans le pays de langue allemande (1554-1680). Salut des âmes et ordre des cités , Bern - Frankfurt - Las Vegas 1978, S. 194 - 197).
Das Barberini-Theater
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Alessio erschienen ist, belegt, daß der Jesuit z u m Gegenangriff übergegangen ist. G a l l u z z i glaubt nämlich, daß die Aristotelesdeuter des Cinquecento einem falschen Begriff der Tragödie huldigen. Aristoteles habe die K a t h a r sis i n der Poetik betont, w e i l er dem Tyrannen P h i l i p p habe zu Gefallen reden wollen. D i e ursprüngliche Bedeutung der Tragödie sei es gewesen, die Tyrannen hassenswert u n d die Helden verehrenswert hinzustellen. Daraus ergibt sich eine Tragödienkonzeption, die an die Stelle v o n Furcht u n d M i t l e i d i m Sinne der Poetik Gefallen, Bewegen u n d Belehren i m Sinne der Rhetorik stellt. Diese letztere Tragödienauffassung ist, so schreibt Fumaroli, weit über die Grenzen Roms hinaus bedeutsam als Zeugnis für »le passage de la tragédie de la déploration à la tragédie politique et à la tragédie chrétienne« 74 . Sie läßt das Theater als Ausläufer der Rhetorik u n d die christliche Bühne als Fortsetzung der Predigt erscheinen. Diese Rückbindung des Wortes auf der Bühne an das W o r t auf der K a n z e l erhielt i n R o m ein ganz anderes Gewicht als i n den übrigen Zentren des gegenreformatorischen Katholizismus, w e i l der Papst neben der weltlichen auch die geistliche Macht beanspruchte u n d sich als oberster Repräsentant des göttlichen Logos i n der W e l t verstand. D i e geistliche Oper ist i m Umkreis der Jesuiten entstanden. Sie wurzelt in ihrem Denken, ihrer Rhetorik u n d ihrer D r a m a t i k . Sie ist jedoch mehr als ein beliebiger Ableger der jesuitischen K u l t u r . Sie k a n n auch nicht allein m i t der Tendenz der gegenreformatorischen Kirche zur Übersetzung geistiger u n d religiöser Vorstellungen ins Visuelle erklärt werden. Sie ist vielmehr, wie Fumaroli i m Rahmen einer Studie über das Mäzenatentum der Barberini geschrieben hat, Ausdruck einer einmaligen Konstellation 7 5 . N u r die römische Variante jesuitischen Denkens konnte unter einem Papst, der selbst Schüler der Gesellschaft Jesu war, G i u l i o Rospigliosi, einen andern Schüler der römischen Jesuiten, dazu ermutigen, die geistliche Oper als eine A r t Gesamtkunstwerk zu erfinden, u m religiösen Werten auch noch i m K o n t e x t des Karnevals eine sinnenfällige Darstellung zu ermöglichen, i n der die U n o r d n u n g der civitas terrena für die höhere O r d n u n g des Gottes74
Le Crispus et la Flavia, S. 515. Manfred Tietz hat eine bemerkenswerte Folge einer solchen >rhetorischen< Theaterauffassung in der >Unverständlichkeit< von Calderóne autos sacramentales erkannt. Dort ist »diese >dunkle Ausdrucksweisebei der Sache seinZugLehrreichVorformen< des dramatic monologue aus: so wirkt seine Begründung der Annahme, Southeys »Monodramas« (»Sappho«, 1793; »The Wife of Fergus«, 1798; »Ximalpoca«, 1798; »Lucretia«, 1799; »La Caba«, 1802) gehörten nicht in die Tradition des dramatic monologue , wenig überzeugend (Poesie als Psychogrammy S. 56). 8 Vgl. Heinrich Henel, »Erlebnisdichtung und Symbolismus«, DVLG 32 (1958), S. 75.
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tischen Erlebnisgedicht etwa — , dieses Sprecher-Ich als F i k t i o n zu verstehen sei, als »a character i n a dramatic action«. 9 Faas begründet seine Position m i t der v o n Ingarden konstatierten »ontologische(n) Trennungslinie zwischen dem biographischen Ich des Dichters u n d den Aussagesubjekten seiner Werke«. 1 0 N a t ü r l i c h wäre es verfehlt, dieser kategorialen Verschiedenheit nicht Rechnung zu tragen — Käthe Hamburgers Versuch, das lyrische Ich als »echtes Aussagesubjekt« 11 , »identisch m i t dem Dichter« 1 2 nachzuweisen, w i r f t mehr Schwierigkeiten auf, als er beseitigt 1 3 . Allerdings löst sich, wenn jedes Sprecher-Ich als gleichermaßen f i k t i v betrachtet w i r d , der Unterschied v o n Erlebnisgedicht u n d dramatic monologue auf — eine Konsequenz, die v o n Langbaum auch beabsichtigt zu sein scheint. Dies jedoch führt zu einem logischen Widerspruch, da einerseits die Gattungsbezeichnung dramatic monologue zur Umfangsbestimmung eines T e x t k o r pus herangezogen, andererseits die differentia specifica dieses Korpus für aufgehoben erklärt w i r d . H i e r liegt das Problem, das eine erneute Auseinandersetzung m i t dem v o n Langbaum u n d Faas dikreditierten Sprecherk r i t e r i u m rechtfertigt: gewiß nicht i n der Absicht, ein weitverbreitetes u n d vielfältig variiertes Genre auf ein einziges Erkennungsmerkmal festlegen zu wollen. D i e situative Einbindung, der Schauplatz des Gedichtes müßte zweifelsohne ebenso wie die relativ häufige Anwesenheit einer zweiten Person, eines Zuhörers, i n einer auf Vollständigkeit abzielenden Diskussion der Merkmale des dramatic monologue berücksichtigt werden 1 4 . W e n n auf die Besprechung dieser Aspekte hier verzichtet w i r d , so deshalb, w e i l w i r m i t dem Sprecherkriterium einen besonders neuralgischen P u n k t zu isolieren glauben, der i n der bisherigen Diskussion nicht k l a r genug erkannt worden ist. Dies besagt freilich nicht, daß unser Bemühen sich i m Folgenden darauf richten w i r d , die bis heute übliche L e x i k o n d e f i n i t i o n 1 5 des dramatic monologue als eines Gedichtes, dessen Sprecher >ein anderer als der Dichter< sei, i n ungebrochener G ü l t i g k e i t zu restaurieren. Diese D e f i n i t i o n beruht auf der unhaltbaren Prämisse, daß i n allen Gedichten, die kein dramatic monologue 9 A.a.O., S. 52. »Dramatischer Monolog und dramatisch-monologische Versdiditung«, S. 343. 11 »Zur Theorie der Aussage«, Zeitschrift für philosophische Forschung X X , 1 (1966), S. 54. * 2 Die Logik der Dichtung, (Stuttgart, 2 1968) S. 220. 13 Vgl. René Welleks Kritik in »Genre Theory, the Lyric, and Erlebnis «, in Discriminations : Further Concepts of Criticism, (Yale U. P., 1970) S. 225 - 252. 14 Vgl. die rigiden »Sub-classifications of the Dramatic Monologue« bei Ina Beth Sessions (»The Dramatic Monologue«, PMLA [1947], S. 508 f.) und die Kritik an Sessions bei Philip Drew (The Poetry of Browning: A Critical Introduction , [London, 1970] S. 15); weiterhin Fuson (a.a.O., S. 10 f. und 18 - 22). 10
15
Vgl. M. H. Abrams, A Glossary of Literary
Terms, (New York, 31971).
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sind, Sprecher und Dichter identisch sein müssen — eine Annahme, der i n der deutschen Lyriktheorie seit Einführung des Begriffes »lyrisches Ich< durch Margarete Susmann (1910) 1 6 nachdrücklich, wenn auch m i t immer wieder anderer Begründung widersprochen worden ist. N i c h t wegzudiskutieren aber ist der historische Sachverhalt — der sich u. a. i n der eingangs zitierten Äußerung Brownings und i n der schon bald sich etablierenden Gattungsbezeichnung dramatic monologue niederschlägt — , daß u m 1835 eine neue lyrisch-dramatische Form ins Bewußtsein v o n Autoren u n d Lesern trat, die bestimmte, seit der romantischen I n n o v a t i o n festliegende Erwartungen an die Dichtung nicht oder zumindest anders erfüllte: u n d dies v o r allem durch eine eigenständige Handhabung des l y rischen Aussagesubjekts. Außer Zweifel steht, daß Dichter u n d P u b l i k u m i m dramatic monologue einen Gedichttypus sui generis erkannten, daß der Unterschied, den es hier zu analysieren gilt, nicht dem nachträglichen Klassifizierungseifer des Philologen entspringt, sondern für die Dichter, für Tennyson u n d Browning, durchaus existentielle Bedeutung besaß, insofern sich die Frage, ob i m Schatten der großen Vorbilder — Wordsworth, Keats, Shelley — überhaupt weitergedichtet werden konnte, nicht zuletzt an i h m entschieden haben d ü r f t e 1 7 . Wenn die folgende Erörterung sich zunächst auf das Verhältnis v o n A u t o r u n d Sprecher-Ich konzentriert — ein Verhältnis, das auf dem gegenwärtigen Stand literaturwissenschaftlicher Methodenreflexion für wenig relevant, da k a u m >objektivierbar< gehalten werden dürfte — , so deshalb, w e i l die spezifische Beschaffenheit des Aussagesubjekts i m dramatic monologue zuerst als Lösung eines ästhetisch-pychologischen Problems faßbar w i r d , m i t dem sich die Dichter der ersten viktorianischen Dekade konfrontiert sehen. I m übrigen w i r d sich zeigen, daß ein Nachdenken über Authentizität, I d e n t i f i k a t i o n u n d F i k t i o n a l i t ä t , über Nähe u n d Distanz, das beim A u t o r des Gedichts ansetzt, beinahe zwangsläufig auf die Text-Leser-Relat i o n hinführen w i r d u n d gerade dort seine hermeneutische Relevanz gew i n n t . Schon Langbaum unternahm den Versuch, die Eigenart des dramatic monologue als Vorgabe einer spezifischen Rezeptionshaltung zu erfassen, wobei er allerdings zu wenig überzeugenden Schlüssen gelangte 1 8 . 16
Das Wesen der modernen deutschen Lyrik, (Stuttgart, 1910) S. 18. Zur Krise romantischen Dichtens um 1830 vgl. Geoffrey H . Hartman, »Romanticism and >Anti-Self-Consciousness (Frankfurt/M., 1975).
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>ich< gebraucht w i r d , so verweist dies nach Ansicht Spinners weder auf ein eindeutig fiktives, noch auf ein eindeutig reales Subjekt: die Ich-Deixis weist ins Unbestimmte, auf eine >Leerstelleich< keineswegs weniger verständlich ist als bei einem Gedicht mit bekanntem Autor. Die Lyrik teilt also mit der dichterischen Prosa die Loslösung vom Bezugsfeld des Autors, aber die Konstituierung eines fiktiven Bezugsfelds im Hinblick auf die Personendeixis w i l l nicht eindeutig gelingen. 21 Das Beispiel des anonymen Gedichts, das Spinner als eindeutigsten Beleg für die Richtigkeit seiner These anführt, dürfte dieser allerdings eher abträglich sein: es zeigt, daß w i r den Realitätsstatus des i m Text angelegten Aussagesubjekts ganz unabhängig davon beurteilen, ob w i r den A u t o r kennen oder n i c h t 2 2 . D e r anonyme oder hinter einem Pseudonym verborgene A u t o r könnte i m lyrischen Ich genauso sich selbst meinen wie der Dichter, über dessen Biographie — einschließlich der >Anlässe< seiner Dichtung — w i r genauestens Bescheid wissen. Doch t r i f f t dieser E i n w a n d nicht die Konzeption der »Leer-Deixis« als solche, insofern diese eine Unbestimmtheitsstelle irgendwo zwischen realem u n d f i k t i v e m Sprecherbezug meint, sondern nur die Begründung dieser Position. Allerdings zeigt sich i n Spinners weiteren Ausführungen, die den v o n Iser beschriebenen »Leerstelleneffekt« 23 auf die Verhältnisse der L y r i k übertragen, daß die zunächst als ein >Dazwischen< bestimmte Position des lyrischen Ichs dann doch wieder ganz i n den Bereich des F i k t i v e n verschoben w i r d — eine offenbar unvermeidliche Konsequenz der Übernahme v o n rezeptionsästhetischen Denkmustern, die i n der Analyse v o n — hauptsächlich narrativer — F i k t i o n entwickelt worden sind. D a das Gedicht nicht i m realen »Raum/Zeitzusammenhang« situiert werden kann, muß der Text ein neues Raum/Zeit-Gefüge schaffen: Im Gedicht ist ein Mittel, eine neue Orientierung zu schaffen, die Ich-Deixis, die den fiktiven Ort kennzeichnet, von dem aus das Raum/Zeitgefüge des IchGedichts sich entwickelt. Der Leser muß sich . . . die durch die Ich-Deixis geschaffene Blickrichtung in einer A r t Simulation aneignen. Damit wird zugleidi das Vorstellungs vermögen des Lesers aktiviert und zum Nach Vollzug Subjektbezogener Erfahrung angeregt. Orientierungspunkt ist im Gegensatz zur Baisi A.a.O., S. 15. 22 Die Möglichkeit des hoax, der bewußten Irreführung ist eine Ausnahme, — die die Regel jedoch nachdrücklich bestätigt: in die Irre kann der Leser nur geführt werden, wenn der Autor mit einer bestimmten Leserreaktion rechnen kann. 23 Die AppelhtruktHr der Texte, (Konstanz, 1971).
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lade nicht die Vorstellung einer faßbaren Person, sondern nur dieser abstrakte Ort Ich, in welchem die Gedichtaussagen gleichsam ihren Brennpunkt haben. 24 M i t dem letzten Satz versucht Spinner zu der Unbestimmtheit zurückzugelangen, die i m Passus davor bereits zugunsten einer eindeutigen Situierung i m F i k t i v e n aufgeben worden ist, u n d dies k a n n nicht gelingen. Wenn der Leser des Ich-Gedichts sich den Blickwinkel des Sprechers auf eine als f i k t i v definierte Situation zueigen macht, so heißt dies — da der Sprecher sich selbst als ein i n dieser Situation befindliches Subjekt darstellt — , daß das lyrische Ich als F i k t i o n erfahren w i r d ; nicht anders als ein >Wahrnehmungszentrum< ( H e n r y James' »fine central intelligence«) i m personal erzählten Roman. U n d wieder gilt, daß die Frage der Benennung — w i r d das Ich nur als Ich genannt, oder hat es einen Namen? — unter den von Spinner entwickelten Prämissen keinen Einfluß auf F i k t i o n a l i t ä t oder N i c h t - F i k t i o n a l i t ä t des Sprechers hat. Den bisher letzten E n t w u r f einer Theorie des lyrischen Ichs hat Wolfgang G. M ü l l e r vorgelegt 2 5 . E r sieht das lyrische Ich als »Formgröße«: Die Eigentümlichkeiten der sprachlichen Form der Komposition bezeugen das Personale des Autors stärker als jeder autobiographische Gehalt . . . Es (das lyrische Ich; AHö) liegt objektiv vor in den Gebilden, in deren einzigartiger und unverwechselbarer Sprachform sich der Autor als Urheber bezeugt, in dem Bereich der Lyrik also, der die Beziehung von Autor und Werk am engsten und intensivsten zeigt. Das Vorkommen des lyrischen Ichs ist an eine formkünstlerische Leistung gebunden, in der sich die authentische Personalität des Autors manifestiert. 26 Die Hervorhebung des Formcharakters des lyrischen Textes ist zweifellos berechtigt. Dennoch zeigt sich, daß weder eine Umgehung noch eine Lösung der hier aufgeworfenen Frage nach der Differenzierbarkeit der Sprecher v o n Erlebnisgedicht u n d dramatic monologue auf dem v o n M ü l l e r besdirittenen Wege möglich ist. D e n n wenn das lyrische Ich »Produktcharakter« hat, stellt sich die Frage, w o r i n es sich v o m Rollen-Ich des dramatic monologue unterscheidet, v o n dem M ü l l e r es ausdrücklich abgesetzt wissen w i l l , o b w o h l sich gewiß auch i n diesem das »urheberische Vermögen (des Dichters; A H ö ) i n einer sprachkünstlerischen Leistung manifestiert«. 2 7 Die Schwierigkeit besteht darin, daß die Frage der Denotation des Ichs i m Gedicht — bezeichnet es ein >reales< oder fiktives Subjekt? — nicht durch den H i n w e i s darauf gelöst werden kann, daß i n dem geschaffenen 24
A.a.O., S. 18 f. Das lyrische Ich. Erscheinungsformen gattungseigentümlicher tivität in der englischen Lyrik, (Heidelberg, 1979). 26 A.a.O., S. 57 f. 27 A.a.O., S. 40. 25
Autor-Subjek-
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Ich die authentische Sprachkraft des Autors zum Ausdruck k o m m e 2 8 . M ü l l e r gerät i n Gefahr, das lyrische Ich zu einem ähnlich schwer faßbaren Konzept zu machen, wie es i n der Erzähltheorie m i t Wayne C. Booths implied author bereits seit längerem v o r l i e g t 2 9 . D i e Ähnlichkeit der beiden Konzepte k a n n darin gesehen werden, daß sie v o n der Betrachtung eines k l a r umrissenen Einzelelements — des Ichs i m Gedicht, des Erzählerstandpunkts i m Roman — zu Aussagen über die Gesamtstruktur des jeweiligen Texttypus gelangen, i n denen das Spezifische der Ausgangsfrage nicht mehr erkennbar ist: m i t »lyrischem Ich< ist i n der Konsequenz dann das gesamte Gedicht, m i t implied author der gesamte Roman gemeint. Diese Verallgemeinerung schränkt die Brauchbarkeit der Terminologie für die Analyse v o n Texten jedoch erheblich ein. D e r für die englische L y r i k i m 19. Jahrhundert so bedeutungsvolle U n terschied v o n lyrischem Ich u n d Rollen-Ich, v o n Erlebnislyrik u n d dramatic monologue ist auch m i t H i l f e v o n Müllers Theorie k a u m zu erfassen: die Aussagen, daß einerseits »der Sprecher i m lyrischen Gedicht nicht identisch ist m i t dem realen Ich des Dichters« 3 0 , u n d daß andererseits »von einem Rollenlied oder einem dramatischen M o n o l o g . . . nur die Rede sein (kann), wenn der Sprecher des Gedichts tatsächlich als ein Rollen-Ich m i t einer v o m Dichter k l a r dissoziierten Identität ausgewiesen ist« 3 1 , stehen unvermittelt nebeneinander. Zugute halten muß man M ü l l e r allerdings, daß das Abgrenzungsproblem für i h n nur ein Nebeninteresse darstellt — freilich ließe sich, dem gegenüber geltend machen, daß eine Bestimmung des l y rischen Ichs gerade an dieser kritischen Grenze ihre Tauglichkeit unter Beweis zu stellen hätte. III Wenn, wie M ü l l e r schreibt, das lyrische Ich nicht m i t dem realen Ich des Autors identifiziert werden kann, andererseits das Rollen-Ich als eine v o m Dichter losgelöste I d e n t i t ä t erkennbar ist, so konstatieren diese Sätze offensichtlich keinen Gegensatz, sondern eine Übereinstimmung: die Verschiedenheit der beiden Sprecher-Typen wäre demnach nicht als Opposition v o n fact u n d fiction zu bestimmen, sondern als Differenz zweier A r t e n v o n Fiktion. Der i n Abhandlungen zur L y r i k immer wieder betonte Gegensatz v o n lyrischem Ich u n d realem, >empirisch-biographischem< I c h 3 2 des Dichters löst sich auf, wenn man anstelle eines vorwissenschaftlichen V e r 28
Diese wird schließlich auch in erzählender Literatur erkennbar. The Rhetoric of Fiction , (Chicago, 1961). 3° A.a.O., S. 47. 31 A.a.O., S. 48. 32 Vgl. Müller, a.a.O., S. 57. 29
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ständnisses v o n der W i r k l i c h k e i t des Ichs die A x i o m e der modernen Persönlichkeitspsychologie einsetzt. D i e Vorstellung eines substanzhaft gegebenen, realen Ichs ist v o n dieser längst aufgegeben worden. Bereits 1890 systematisiert der Psychologe W i l l i a m James 33 die philosophisch längst reflektierte Erkenntnis der Zweiteilung des Ichs i n Ich-Subjekt u n d I c h - O b j e k t 3 4 , wobei er das Ich-Objekt nicht als Einheit, sondern als ein Bündel v o n >Selbsten< begreift, die das I n d i v i d u u m gemäß sozialen u n d situativen Erfordernissen gleichsam »produzierte G. H . Meads Differenzierung v o n »I« (Subjekt) u n d »me« (Objekt der Ich-Erfahrung) greift auf diese Unterscheidung zurück, die somit z u m Ausgangspunkt der Rollentheorie w i r d 3 5 . Allerdings dürfte die Einführung (und damit notwendige Diskussion) des sozialpsychologischen Rollenbegriffs i n die gegenwärtige U n tersuchung mehr Probleme als Vorteile m i t sich bringen 3 6 . Terminologisch weniger vorbelastet ist das »concept of self «37, bei dessen Erforschung ebenfalls auf die Vorarbeit W i l l i a m James' zurückgegriffen w i r d . G. A . Kellys Konzept der »personal constructs « wäre hier zu nennen, das die Vorstellung eines uniformen, invariablen, physisch-dinglichen Ichs durch eine Pluralität v o n Selbst-Konzepten ersetzt — Annahmen über sich u n d seine U m w e l t , aus denen der Mensch seine I d e n t i t ä t konstruiert 3 8 . N i c h t eines, sondern eine 33
Principles of Psychology, 2 Bde. (London, 1901), Bd. 1, S. 292. Kant unterscheidet (Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, Akademie Textausgabe, Bd. V I I [Berlin, 1968], S. 134): »1) das Ich als Subject des Denkens (in der Logik), welches die reine Apperception bedeutet . . . 2) das Ich als das Object der Wahrnehmung, mithin des inneren Sinnes . . . « 35 Mind, Self and Society, (Chicago, 1934). θβ Gegen die Einführung des soziologisch-psychologischen Rollenbegriffs in die vorliegende Untersuchung spricht zum einen, daß der Terminus >Rolle< hier schon in anderer, ästhetischer Bedeutung verwendet wird (Rollen-Ich), zum anderen, daß — zumal in der deutschen Diskussion des Rollenbegriffs (Dahrendorf, Plessner, Tenbruck, Dreitzel, König) — die Frage, inwieweit die >Rolle< oder die »Rollen< des Menschen von dessen >eigentlicher< Persönlichkeit trennbar sind, immer wieder verschieden beantwortet worden ist. Nun geht es uns hier jedoch gerade um den »eigentlichem Menschen: nicht um die >MaskenSelbst< ist diese Bedeutung unmißverständlich faßbar, der Begriff »Rolle< dürfte kaum ganz davon freizuhalten zu sein, etwas »hinter der Rolle< Liegendes zu suggerieren. Vgl. hierzu auch Bruce Wilshire, Role Playing and Identity. The Limits of Theatre as Metaphor, (Bloomington, Ind. 1982). 34
37 Vgl. Dörte Wiechardt, »Zur Erfassung des Selbstkonzepts«, Psychologische Rundschau X X V I I I (1977), S. 294-304; Selbstkonzept-Forscbung, hg. SigrunHeide Filipp (Stuttgart, 1979). 38 Pbe Psychology of Personal Constructs, (New York, 1955). Zu den allgemeinen Prinzipien eines epistemologischen Konstruktivismus: Paul Watzlawik, hg., Die erfundene Wirklichkeit. Wie wissen wir, was wir zu wissen glauben? Beiträge zum Konstruktivismus, (München, 1981). Darin insbesondere: Ernst von Glasersfeld, »Enführung in den radikalen Konstruktivismus« (S. 16 - 38).
13 Literaturwissenschaftliches Jahrbuch, 26. Bd.
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Vielzahl derartiger Konstrukte w i r d i m Laufe eines Lebens entwickelt u n d aufrechterhalten: sogar inkonsistente, einander widersprechende Selbstkonzepte können, wie Kenneth J. Gergen hervorhebt, gleichzeitig i n ein u n d demselben I n d i v i d u u m existieren 3 9 . Eine Grenzziehung zwischen realem u n d fiktivem Ich erscheint unter solchen Prämissen schwierig, wenn nicht unmöglich. Nietzsches These, daß das »>Subjekt< . . . nur eine Fiktion« sei 4 0 , findet eine vielleicht unerwartete Bestätigung v o n Seiten einer empirisch ausgerichteten Psychologie: »The seif«, schreibt Gergen, »is much like a >fictionontologischen Trennungslinie< zwischen biographischer Person u n d dem Ich als Funktionsträger i n einem literarischen A r t e f a k t . V o m Resultat dieser Umsetzung zu sagen, daß es m i t dem Dichter identisch sei, wäre daher falsch. D i e Frage nach der Differenz zwischen lyrischem Ich u n d Rollen-Ich wäre demnach wie folgt zu beantworten: i m lyrischen Ich schafft der Dichter ein Selbst-Konstrukt, eine F i k t i o n , i n der er eine Vorstellung v o n seiner eigenen Identität z u m Ausdruck bringt. Demgegenüber ist das Rollen-Ich des drama tic monologue die F i k t i o n eines anderen, v o n der Identität des Dichters k l a r getrennten Ichs. IV Freilich sagt diese Definition nichts darüber aus, wie die klare Trennung des Rollen-Ichs v o m A u t o r - I c h erreicht w i r d , u n d ist daher — insofern man aus ihr den Schluß ziehen könnte, allein schon m i t der Einführung einer 3
» The Concept of Self , (New York usw., 1971). Friedrich Nietzsche, Werke in drei Bänden, hg. K. Schlechta (München, 1966), Bd. 3, S. 540. 41 A.a.O., S. 14; vgl. auch Peter A. Bertocci, »The Psychological Self, the Ego, and Personality«, Psychological Review 52 (1945), S. 91 - 99. Bertocci sieht das Selbst als »knower and fighter for ends«, das I d i hingegen als »object of the knowing-fighting seif«; das Selbst erschafft sich sein(e) Ego(s), seine Persönlichkeit: »A self's personality is its dynamic organization of its own unique psychophysical wants and abilities which renders adjustments to its environment unique.« (S. 94). 40
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persona sei Trennung gewährleistet — sogar irreführend: denn zweifelsohne gibt es lyrische Texte, i n denen das Auftreten einer persona sich nicht als Distanzierung des Dichters v o m Sprecher-Subjekt des Gedichtes auswirkt, sondern, i m Gegenteil, dem Selbstbild des Autors Gestalt gibt. E i n bekanntes Beispiel hierfür sind Goethes Sturm-und-Drang-Gedichte, i n denen die mythologischen Gestalten Prometheus u n d Ganymed und, noch deutlicher, die Figur des Wanderers Stilisierungen der eigenen Persönlichkeit, der eigenen Erlebniswelt des Dichters sind. Dies k o m m t i n Dichtung und Wahrheit trotz des großen zeitlichen w i e geistigen Abstandes des Erzählers zu seinem jugendlichen Protagonisten ganz deutlich z u m Ausdruck. Wenn es über die Entstehung der beiden Prometheus-Versionen heißt, daß der Dichter sich »das alte Titanengewand nach seinem Wüchse zuschnitt« 4 2 , so sind i n der Metapher beide Aspekte dieser A n v e r w a n d l u n g erfaßt: die T ä tigkeit der Bearbeitung (das Zuschneiden) w i e auch die Aneignung der Rolle (das Tragen des Titangewandes). D i e Figur des Wanderers w i r d ebenso durch Dichtung und Wahrheit als eine v o m A u t o r gelebte Rolle ausgewiesen: Man pflegte mich daher den V e r t r a u t e n zu nennen, auch, wegen meines Umherschweifens in der Gegend, den W a n d e r e r . . . Oft ging ich allein oder in Gesellschaft durch meine Vaterstadt, als wenn sie mich nichts anginge, speiste in einem der großen Gasthöfe in der Fahrgasse und zog nach Tische meines Wegs weiter fort. Mehr als jemals war ich gegen offene Welt und freie Natur gerichtet. Unterwegs sang ich mir seltsame Hymnen und Dithyramben, wovon noch eine, unter dem Titel »Wanderers Sturmlied«, übrig ist. Ich sang diesen Halbunsinn leidenschaftlich vor midi hin, da mich ein schreckliches Wetter unterwegs traf, dem ich entgegen gehn mußte. 43 Wenn v o n der Identifikation des Dichters m i t einer fiktiven persona die Rede ist, so liegt es nahe, auch den geistesgeschichtlich bedeutendsten F a l l einer solchen Selbststilisierung zu erwähnen: den Byronic hero u. Doch liegt dieser insofern außerhalb der hier behandelten Thematik, als B y r o n die Akteure seiner Selsbstdramatisierung i n erzählenden Dichtungen auftreten läßt, i n der dritten, nicht i n der ersten Person singular. D a ß dieser grammatikalisch-formale Unterschied am Sachverhalt der Identifizierung des Dichters m i t einer fiktiven Figur allerdings wenig ändert, zeigt sich bei Shelley, der die charakteristischen Züge seines literarischen Selbstporträts einmal i n ein lyrisches Ich faßt (»Ode to the West W i n d « ) , ein anderes M a l einer i n der dritten Person geschilderten fiktiven Gestalt (»Alastor«) u n d dann wieder einem Rollen-Ich zuschreibt (»Epipsychidion«). A u f die Ä h n 42
Dritter Teil, 15. Buch. Goethes Werke X (Hamburg, 1959), S. 48. Dritter Teil, 12. Buch. Goethes Werke I X (Hamburg, 1957), S. 521. 44 Das Verhältnis des Autors Byron zu seinen Fiktionen untersucht Peter J. Manning in Byron and His Fictions (Detroit, 1978). 43
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l i d i k e i t all dieser Erscheinungsformen einer dichterischen hat J u d i t h Chernaik hingewiesen:
Ich-Konzeption
The figure of the failing poet appears repeatedly in Shelley's poetry; pale of hue and weak of limb, he is consecrated to his youthful vision of beauty, love, or perfection but incapable of realizing or recreating it, and is driven to death by his unassuageable desire. His literary associations vary from poem to poem, but the resemblances between the fictional heroes of Alastor and Laon and Cythna and the idealized self-portraits of Adonais and Epipsychidion suggest a large element of self-dramatization. 4 * Shelley ist hier v o n besonderem Interesse, da seine Dichtung B r o w n i n g anfangs als Modell, später dann gleichsam als Kontrastfolie dient, v o r der das Gestaltungsprinzip seines eigenen Werkes sich umso deutlicher abhebt. Dieser Wandel zeigt sich i n Brownings Poesie als Übergang v o n einem Rollen-Ich, anhand dessen der Dichter ganz eindeutig die eigene Psyche ergründet, zur F i k t i o n eines v o m A u t o r weitgehend losgelösten Sprechers: als Entwicklung v o n epigonal-romantischer Bekenntnislyrik zum dramatic monologue. V Brownings erste Publikation, »Pauline. A Fragment of a Confession« (1833), markiert den Ausgangspunkt dieser Wandlung. Das etwas über tausend Zeilen lange Gedicht ist das Bekenntnis eines jungen Mannes, eines Dichters, an seine Geliebte Pauline. P h i l i p Hobsbaum hat einleuditend dargestellt, wie die Geschichte des Dramenmonologs i m 18. Jahrhundert, der sich immer mehr zur lyrischen Sprecharie verselbständigt, die Vorgeschichte des dramatic monologue bildet u n d wie sich i m Verlauf dieser Entwicklung die Konfession auf dem Totenbett als Standardsituation monologischer Selbstaussage etabliert 4 6 . D e r Sprecher v o n »Pauline« scheint am Ende des Gedichts z w a r nicht dem Tode, sondern, geläutert, einem neuen Leben entgegenzusehen, doch befindet er sich während seines Geständnisses psychisch u n d auch physisch i n der für den Sterbemonolog charakteristischen H a l t u n g : rücklings auf sein Krankenlager hingestreckt, fleht er die Geliebte u m Schutz u n d Gehör an: Pauline, mine own, bend o'er me — thy soft breast Shall pant to mine — bend o'er me — thy sweet eyes, And loosened hair and breathing lips, and arms Drawing me to thee — these build up a screen To shut me in with thee, and from all fear; So that I might unlock the sleppless brood Of fancies from my soul, their lurking-place, Nor doubt that each would pass, ne'er to return To one so watched, so loved and so secured. 47 4
5 The Lyrics of Shelley , (Cleveland, London, 1972). ® A.a.O., S. 234 - 240.
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Erwartet man nach diesem Beginn eine intensive H i n w e n d u n g an das angesprochene D u , so w i r d man enttäuscht: die Rede erschafft kein greifbares Gegenüber, sondern bleibt ganz auf die Person des Sprechers selbst gericht e t 4 8 . Hieraus ergibt sich eine der Hauptschwierigkeiten des Textes: so rigoros ist die Konzentration auf die eigene Psyche, daß die Anlässe für den jeweiligen Seelenzustand größtenteils ausgespart bleiben; die detaillierte Analyse innerer Vorgänge u n d Befindlichkeiten w i r d dem Leser i n Reinform ohne das »objektive Korrelat< äußerer Ereignisse u n d Handlungen dargeboten. So werden die Symptome einer »tiefen Schmach< (»a deep shame«; Ζ . 62), eines Schuldgefühls, durch das der Sprecher sich v o n menschlicher Gesellschaft ausgeschlossen fühlt, wiederholt geschildert, ohne daß k l a r würde, wodurch dieses Gefühl verursacht worden ist, w o r i n die Schuld des Sprechers eigentlich besteht. Diese Verschwommenheit ist des öfteren k r i t i siert worden, allerdings könnte man das Fehlen faktischer Begründung auch als stimmiges Element des dargestellten Bewußtseins interpretieren: als Zeichen dafür, daß es den K o n t a k t zur W e l t außerhalb seiner selbst v ö l l i g verloren hat u n d i n einem selbstzerstörerischen K a m p f m i t den Ausgeburten seiner Phantasie befangen ist. Das eigentliche Leiden des Sprechers ist seine »selfishness«, hier nicht als Eigennutz verstanden, sondern als Ich-Zentriertheit, als morbides Kreisen u m die eigene Person: M y selfishness is satiated not, I t wears me like a flame; my hunger for A l l pleasure, howsoe'er minute, grows pain; I envy — how I envy him whose soul Turns its whole energies to some one end, To elevate an aim, pursue success However mean! So, my sdii baffled hope Seeks out abstractions; I would have one joy, But one in life, so it were wholly mine, One rapture all my soul could fill: and this Wild feeling places me in dream afar I n some vast country where the eye can see N o end to the far hills and dales bestrewn With shining towers and towns, t i l l I grow mad Well-nigh, to know not one abode but holds Some pleasure, while my soul could grasp the world, But must remain this vile forn^s slave. (Z. 601 - 617) 47 Z. 1 - 9 ; The Works of Robert Browning , hg. F. G. Kenyon (London, 1912), Bd. 1. 48 Vgl. hierzu die Kritik J. S. Mills (Robert Browning. A Collection of Critical Essays , hg. Philip Drew [London, 1966], S. 157 f.) und die Interpretation Robert Preyers, der die monomanische Konzentration als zwangsläufige Folge der gesellschaftlichen Isolation des romantischen Künstler-Heroen sieht (»Robert Browning: A Reading of the Early Narratives«, ELH X X V I [1959], S. 531 - 548).
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Der U n t e r t i t e l »A Fragment o f a Confession«, wie audi die lange, auf Französisch abgefaßte Fußnote zu Z . 811, i n der sich Pauline als >Herausgeberin< des Textes zu erkennen g i b t 4 9 , bezeugen Browings Absicht, das Gedicht als M o n o l o g einer erfundenen Person erscheinen zu lassen. Allerdings haben sich nur die wenigsten Leser 5 0 durch diese vergleichsweise schwachen Signale davon abringen lassen, »Pauline« als Bekenntnis des Autors zu lesen, als — i n den W o r t e n eines Zeitgenossen — a strange, wild (in parts singularly magnificent) poetbiography : his own early life as it presented itself to his own soul viewed poetically: in fact, psychologically speaking, his Sartor Resartus .. .51 Auch John Stuart M i l l , der eine Rezension des Gedichtes plante, nahm dieses für eine Auseinandersetzung des Verfassers m i t seinen eigenen Obsessionen — eine Leseart, die zweifelsohne dadurch gestützt war, daß M i l l selbst einen Zustand wie den i n »Pauline« dargestellten wenige Jahre zuvor als tiefe Lebenskrise erfahren h a t t e 5 2 . » W i t h considerable poetic powers«, schreibt M i l l , the writer seems to me possessed with a more intense and morbid selfconsciousness than I ever knew in any sane human being. 53 N i c h t zuletzt unter dem Eindruck dieser K r i t i k distanziert B r o w n i n g sich schon sehr bald v o n seinem Erstlingswerk, das i n den Ausgaben der Gedichte v o n 1849, 1863 u n d 1865 fehlt u n d erst i n der E d i t i o n v o n 1867 wieder erscheint, m i t einem V o r w o r t versehen, i n dem B r o w n i n g es schärfstens als jugendliche Entgleisung v e r u r t e i l t 5 4 , zugleich aber auch versucht, es i n sein späteres W e r k zu integrieren, als unvollkommenes Beispiel einer Dichtung »always dramatic i n principle, and so many utterances o f so many imagin a r y persons, not mine«. Träfe diese Charakterisierung zu, so wäre das zuv o r gefällte V e r d i k t jedoch k a u m aufrechtzuerhalten u n d w o h l auch — als Selbstschutz eines stets auf Abschirmung der eigenen Person bedachten 49
Ein ähnlicher Kunstgriff, wie ihn Shelley in »Epipsychidion« anwendet. Eine Ausnahme macht hier Philip Drew {Robert Browning. A Collection of Critical Essays , S. 177, Fußnote 1). 51 Joseph Arnould, ein Freund Brownings, 1847 in einem Brief. Zit. nach William Clyde De Vane, A Browning Handbook , (New York, 2 1955) S. 47. 52 Vgl. John Stuart Mill, An Autobiography. Hierzu audi C. N . Wenger, »Sources of Mill's Criticism of PaulineStudie< eines pathologischen Seelenzustandes ließe sich »Pauline« i n der T a t unter die vielen Darstellungen ähnlich exzentrischer I n d i v i d u e n einreihen, die B r o w n i n g i n seinen dramatic lyrics geliefert hat. Doch die Distanz, die der Begriff >Studie< impliziert, fehlt i n »Pauline«. Es fehlt eine zweite, das Bewußtsein des Sprechers transzendierende Perspektive. Erneut zeigt sich, wie leicht die Gattungsgrenzen des dramatic monologue verschwommen werden, sobald darauf verzichtet w i r d , den fiktionalen Charakter des Sprecher-Ichs näher zu bestimmen. D i e strikte Trennung v o n A u t o r u n d Werk, Person u n d persona, seit T . S. E l i o t als kritisches Dogma etabliert, w i r d v o n den Zeitgenossen Brownings noch keinesfalls vollzogen, ganz i m Gegenteil: die v o n M . H . Abrams beschriebene, grundlegende W a n d lung v o n einer Poetik des Abbilds (mirror) zu einer Poetik des Ausdrucks (lamp) 55 fördert eine Rezeptionshaltung, die sich durch die F i k t i o n a l i t ä t eines Gedichtes wie »Pauline« eher zur Aufdeckung des nicht sehr tief verborgenen autobiographischen Gehalts angeregt f ü h l t als zur Einsicht i n die Autonomie des literarischen Artefakts. I w i l l teil M y state as though 'twere none of mine — heißt es i n »Pauline« ( Ζ . 585 f.), u n d dies läßt sich auf das Vorgehen des Verfassers übertragen: seine F i k t i o n bleibt transparent, die eigene Befindlichkeit i n der Rolle stets erkennbar. VI Dies gilt, wie B r o w n i n g i n dem 1852 publizierten »Essay on Shelley« feststellt, nicht für alle Dichter, sondern nur für jenen Typus, den er als »subjective poet« bezeichnet u n d i n Shelley i n höchster Vollkommenheit manifestiert sieht. I n Gestalt des »Sun-treader« w i r d Shelley i n »Pauline« eine schwärmerische Verehrung entgegengebracht. »Alastor« ist als M o d e l l des Gedichts unschwer zu identifizieren 5 6 . Es verwundert daher nicht, daß die Definition des »subjective poet«, die B r o w n i n g i m H i n b l i c k auf Shelley formuliert, auch auf den A u t o r v o n »Pauline« anwendbar ist. Der subjektive Dichter findet seinen Gegenstand i n sich selbst, er ist der Seher, der die letzten Wahrheiten — »not w h a t man sees, b u t w h a t G o d sees«57 — durch die V e r senkung i n seine eigene Seele zu erkennen vermag. 55
The Mirror and the Lamp, (New York, 1953) Kap. I X . Vgl. De Vane, a.a.O., S. 44. 67 »Essay on Shelley«, in The Complete Works of Robert Browning, hg. Roma A. King, Jr., Bd. 5 (Athens, Ohio, 1981) S. 138. 56
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Not with the combination of humanity in action, but with the primal elements of humanity he has to do, and he digs where he stands, — preferring to seek them in his own soul as the nearest reflex of that absolute Mind, according to the intuitions of which he desires to perceive and s p e a k . 5 8 Das W e r k eines solchen Dichters ist daher untrennbar an seine Persönlichkeit gebunden, es ist, streng genommen, gar nicht >Werkobjektive< Dichter die Handlungen der Menschen — »the combination of h u m a n i t y i n action«, »the doings of men« — zu seinem Thema macht, stellt B r o w n i n g auch i n seinen dramatic monologues nicht Taten, sondern i n erster L i n i e Gedanken, Einstellungen, psychische Vorgänge dar. V o n den beiden Grundkonstituenten des Dramas ist das p/oi-Element i m dramatischen M o n o l o g k a u m ausgebildet, während sich auf character die gesamte schöpferische Energie des Dichters konzentriert 6 1 . U m Brownings W e r k klassifizieren zu können, müßte man daher w o h l eine Synthese aus subjective u n d objective poetry bilden: eine Dichtung, i n der die Gedanken- u n d Gefühlswelt eines so w e i t w i e möglich v o n der Person des Autors gelösten Ichs erkunden w i r d . VII Wenn, wie an den persona dem Dichter darzustellen, so muß die Vermutung, der dramatic monologue 58
zitierten Beispielen deutlich wurde, die Erfindung einer durchaus dazu dienen kann, die eigene Persönlichkeit gefragt werden, wie es demgegenüber möglich ist, daß Sprecher könne ein Selbstbildnis des Autors sein, i m erst gar nicht entsteht.
»Essay on Shelley«, S. 139. 59 »Essay on Shelley«, S. 139. 60 »Essay on Shelley«, S. 137. 61 Vgl. Hobsbaum, a.a.O., S. 234 f.
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D i e Frage soll an Brownings » M y Last Duchess« erörtert werden, einem der frühesten dramatic monologues des Dichters, und, nach verbreiteter A u f fassung, einem seiner gelungensten. Beachtung verdient schon der T i t e l : i n der Erstausgabe v o n 1842 lautet er »I. I t a l y « und verbindet das Gedicht unter dem Obertitel » I t a l y and France« m i t dem später als »Count Gismond« bekannt gewordenen Stück, das hier n o d i » I I . France« benannt ist. Gattungs- u n d rezeptionsgeschichtlich kann dies als Zeichen dafür genommen werden, daß der Dichter es zu diesem Z e i t p u n k t n o d i für geraten hielt, den M o n o l o g als Rollensprache deutlich zu kennzeichnen — eine Maßnahme, die i n der Ausgabe v o n 1849 offenbar bereits entbehrlich erscheint, denn hier trägt das Gedicht den heute gebräuchlichen T i t e l (allerdings auch noch die Ortsangabe »Ferrara« i m Untertitel). Eine ähnliche Metomorphose ist an den T i t e l n anderer dramatisch-monologischer Gedichte Brownings zu beobachten, so an den beiden frühesten Versuchen i n dieser Form, »Johannes Agricola i n Meditation« u n d »Porphyria's Lover«, die zunächst unter dem Obertitel »Madhouse Cells« publiziert wurden. D i e F u n k t i o n solcher Titulierung liegt auf der H a n d : sie errichtet eine deutlich sichtbare Barriere zwischen Sprecher u n d A u t o r , sie impliziert eine vorzeigende Distanz z u m Dargestellten. W i e teilt sich diese Distanz i m Text selbst mit? W i r d sie für die Rezeptionshaltung des Lesers bestimmend? D i e Präsenz der zweiten dramatis persona scheint hierbei v o n entscheidender Bedeutung zu sein. » M y Last Duchess« Ist kein Selbstgespräch, sondern Ansprache an ein Gegenüber, das dem Sprecher zugleich als P u b l i k u m seiner Selbstinzenierung dient. Langbaum hat i n einer sehr erhellenden Interpretation gezeigt, welche Schockwirkung aus der Sequenz der Teile entsteht — daraus, daß die I d e n t i t ä t des angeredeten Besuchers u n d der Zweck seines Kommens, die Verhandlung über eine bevorstehende zweite Hochzeit, erst aufgedeckt w i r d , nachdem der H e r zog den M o r d an seiner letzten Ehefrau gestanden h a t . 6 2 D i e Ungeheuerlichkeit der T a t verlangt dem Leser, w i e Langbaum zu Recht hervorhebt, kein moralisches U r t e i l ab, sie fasziniert ihn. Langbaum sieht das Gedicht als schlagendes Beispiel einer i m dramatic monologue generell festzustellenden Tendenz zur Trennung v o n ethischer Wertung u n d psychologischer Einsicht 6 3 . Doch scheint er m i r die Q u a l i t ä t dieser Einsicht zu verkennen, wenn er sie als »sympathy« bezeichnet, als ein Verstehen, das auf Einfühlung beruht; darauf, daß der Leser sich i n die Situation des Herzogs versetzt fühlt. Eine solche Reaktion entspricht viel eher den Bekenntnismonologen nach A r t v o n »Pauline« oder auch den Poemen der etwa zeitgenössischen »Spas62 63
Vgl. Langbaum, a.a.O., S. 81. A.a.O., S. 85.
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modics«, i n denen der Leser zusammen m i t dem Protagonisten durch alle H ö h e n u n d Tiefen dämonischer Existenz gerissen w i r d 6 4 . I n diesen Texten fehlt gerade jene Distanz, die das Spezifische des dramatic monologue ausmacht. Wenn i n » M y Last Duchess« Identifikation stattfindet, so kann dies nur die Identifikation m i t dem Gesandten, dem stummen Gesprächspartner des Herzogs sein, und das heißt: nicht die Einfühlung i n Charakterzüge, sondern die Übernahme einer Perspektive, eines deutlich außerhalb des Sprechers markierten Standpunktes. Dies w i r d nicht zuletzt durch die ganz auf P u b l i k u m angelegte Selbstdarstellung des Herzogs — sein showmanship — bewirkt, einen Zeigegestus, der durch die demonstrative Präsentation der gehorteten Besitztümer das Selbstwertgefühl des Besitzers hervorhebt. That's my last Duchess painted on the wall, Looking as if she were alive. I call That piece a wonder, now: Frà Pandolf's hands Worked busily a day, and there she stands. Will't please you sit and look at h e r ? 6 5 A l s B i l d ist die H e r z o g i n zu dem geworden, was sie i m Leben nach dem W i l l e n ihres Mannes auch schon hätte sein sollen: »a piece« — nicht Mensch, sondern D i n g , das >Kleinod< eines obsessiven Sammlers. Es ist dies eine v o n vornherein als exzentrisch u n d i m weiteren Verlauf des Monologs zunehmend pathologisch-verwerflich gekennzeichnete H a l t u n g , die der Leser sich nicht zueigen machen kann, die er sich aber fasziniert vorführen läßt. Dies nämlich ist die Rolle des Abgesandten: i n erster Linie Wahrnehmender zu sein. D i e einzige Äußerung, die i h m i m Gedicht zugesprochen w i r d , ist eine Frage, die sich aus einer Beobachtung ergibt: so, not the first Are you to turn and ask thus. (Z. 12 f.) Als Wahrnehmender aber ist er offen, leistet keinen Widerstand u n d n i m m t selbst noch die fürchterliche Eröffnung This grew; I gave commands; Then all smiled stopped together. (Z. 45 f.) ohne Aufbegehren, ohne auch nur das geringste Zeichen v o n Empörung hin, was i m Gedicht als der unvermittelte Wechsel v o m Mordgeständnis zurück zur ästhetischen Anschauung des Bildes u n d zur Wiederaufnahme grandseigneuraler Höflichkeiten dargestellt ist. 64 Vgl. Jerome H . Buckley, The Victorian Temper , (London, 1952) Kap. 3. Eine weniger negative Bewertung dieser Dichter bei Robert Preyer, a.a.O. e5 Z. 1 - 5. The Complete Works of Robert Browning, hg. Roma A. King, Jr., Bd. 3 (Athens, Ohio, 1971), S. 201.
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There she stands As if alive. Will't please you rise? We'll meet The company below, then. (Z. 46 - 48) Z u sagen, daß der Gesandte dem H e r z o g v ö l l i g gefügig ist, träfe die Relat i o n der beiden Figuren u n d damit den Bezug des Lesers zur Gestalt des Herzogs nur ungenau. D e n n Gefügigkeit äußert sich hier eher negativ: nicht i n bestimmten Handlungen u n d Äußerungen, sondern im Fehlen jeglicher Reaktion, als eine auffällige Lücke. Diese Lücke durch Spekulationen über den Charakter des Abgesandten auffüllen zu wollen, zu mutmaßen, er müsse intelligent, integer, wachsam, schockiert, leicht oder weniger leicht zu blenden, sich der Verantwortung seines Auftrages bewußt sein, ist daher abwegig 6 6 . D e n n was das Gedicht freiläßt, ist der Platz, den der Leser als Beobachter einnimmt: ein Platz, der i n ganz wörtlichem Sinn »unvoreingenommen ist, durch keine dezidierte moralische Einstellung besetzt. N a h genug, u m den sich entfaltenden Charakter bis i n jede Einzelheit erkennen, w e i t genug, u m die Trennung zwischen Betrachter u n d Sprecher nie i n einer Identifikation aufgehen zu lassen. I n dieser Hinsicht besitzt » M y Last Duchess« paradigmatischen Charakter: i m Verhältnis des Abgesandten z u m Herzog ist die Relation des Autors z u m Sprecher des dramatic monologue definiert, zugleich ist i n i h m die Leserrolle angelegt, die die repräsentativen Texte dieses Typs ihrem Rezipienten vorgeben. Diese Rolle w i r d ganz wesentlich dadurch geprägt, daß das Sujet des Gedichtes ein historisches 67 ist. D i e beschriebene Verquickung von N ä h e u n d Distanz ist symptomatisch für das historistische Verhältnis cler V i k t o r i a n e r zur Geschichte 68 . I n i h m nur die Annäherung an vergangene K u l t u r f o r m e n u n d Geisteshaltungen zu sehen, wäre verfehlt. D e n n aus der Annäherung erwächst zugleich die Erkenntnis des Abgetrenntseins, die umso nachdrücklicher sich m i t t e i l t , je intensiver der historische Gegenstand be66 Dies wäre gegen die Interpretation von Norton B. Corwell einzuwenden: A Reader's Guide to Robert Browning, (Albuquerque, 1972) S. 58 - 64. 67 >Historisch< wird hier als Opposition zu >zeitgenössisdi< verstanden, nicht als Opposition zu >fiktivKratylos< und in den späten Schriften (Darmstadt, 1972). Rudolf Rehn, Der >logos< der Seele: Wesen, Auf-
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O b w o h l das Verhältnis v o n Ich, W e l t u n d Sprache besonders seit der R o m a n t i k zunehmend i n den Gedichten selbst reflektiert w i r d , ist die Problematisierung der dichterischen Sprache u n d die Thematisierung ihrer Erkenntnisgrenzen keineswegs ein Prärogativ der Moderne. A l l e bedeutenden Werke des Mittelalters u n d der Renaissance sind — explizit oder i m p l i z i t — poetologisch u n d beschäftigen sich m i t Fragen der Sprache. 4 I n der Divina Commedia , u m nur ein Beispiel unter vielen zu nennen, gibt Dante seine Absicht kund, die W e l t aus ihren letzten Gründen heraus zu erkennen: Discriver fondo al tutto l'universo ... û che dal fatto il dir non sia diverso. 5 D i e W e l t der Tatsachen soll nach Dante idealerweise m i t der W e l t der Sprache eins sein. A l l e Erkenntnis, so argumentiert er, ist auf F o r m angewiesen (>Denn nur i m Sinnlichen k a n n der Verstand ergreifen, was er hernach i n die Vernunft erhebtLiebeGesidit< des >Meisters< i n der Seele präfiguriert wäre, sondern vielmehr deshalb, w e i l dieses unverlierbar i n die menschliche Historie eingegangen ist. D e r Mensch begegnet z w a r i n der Kunst dem sich immerfort wandelnden B i l d seiner eigenen Geschichtlichkeit, aber diese Geschichtlichkeit ist für E l i o t ein für allemal durch das I n karnationsereignis geprägt. Wenn man, wie hier vorgeschlagen, den A k t der dichterischen Transform a t i o n als heuristischen Prozeß 3 4 u n d dichterische F o r m als Möglichkeit für das Zu-sich-Kommen menschlicher Erfahrung begreift, dann läßt sich die Geschichte dichterischer Erkenntnis auffassen als ein (dem Zeitgeist gegenüber o f t kritischer) Beitrag z u m Verständnis des Wandels menschlicher Selbstdarstellung. W i l l man v o n Entwicklung überhaupt sprechen, dann am ehesten i n dem Sinn, daß der Mensch i m Durchblick durch das Palimpsest der geschichtlichen Konkretisationen möglicher Existenzweisen — wie sie i n literarischen Formen aufgehoben u n d reflektiert sind — sich seiner G r u n d struktur immer deutlicher bewußt w i r d u n d die seinem Selbstfindungsprozeß inhärenten Mechanismen u n d Gesetzlichkeiten besser verstehen l e r n t . 3 5 33
Ibid., S. 140 - 141. Über das Thema der heuristischen Methode, wie sie dichterische Spradie verwendet, fand 1978 an der Universität Wuppertal ein Symposium statt, dessen Ergebnis im Sammelband Poetic Knowledge veröffentlicht wurde. Siehe Fußnote 10. 35 Es geht somit nicht darum, irgend ein verborgenes Wesen des Menschen aufzuspüren, sondern die Grundbefindlichkeit des menschlichen In-der-Welt-Seins besser zu durchschauen, und damit auch die Möglichkeiten und Bedingtheiten des SichVerhaltens zu sich selbst, zum Mitmenschen und zur Welt. 34
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II. D i e hier vorgetragenen Überlegungen zum Erkenntnismodus dichterischer Sprache sollen i m folgenden an exemplarischen Beispielen aus der R o m a n t i k , der Jahrhundertwende u n d den 30er Jahren veranschaulicht u n d überprüft werden. I m M i t t e l p u n k t der Textanalysen steht die Zunahme sprachlicher Selbstreflexion, die z w a r einerseits zu immer größerer Transparenz führt, andererseits aber auch schier unüberwindbare epistemologische Probleme a u f w i r f t , die unser Selbstverständnis bis heute zutiefst verunsichern. I m Zentrum des ersten Beispiels, einem Sonett Shelleys, steht der Versuch des Subjekts, sich als autonom zu begreifen. Gerade i m A k t romantischer Selbstsetzung aber erfährt sich das Ich ironischerweise als begrenzt u n d vergänglich: O Z Y M A N D I A S (1817) I met a traveller from an antique land, Who said: Two vast and trunkless legs of stone Stand in the desert . . . Near them, on the sand, H a l f sunk, a shattered visage lies, whose frown, And wrinkled lip, and sneer of cold command, Tell that its sculptor well those passions read Which yet survive, stamped on these lifeless things, The hand that mocked them, and the heart that fed: And on the pedestal these words appear: (Var.: this legend clear) »My name is Ozymandias, king of kings: Look on my works, ye Mighty, and despair!« Nothing beside remains. Round the decay Of that colossal wreck, boundless and bare The lone and level sands stretch far away. 3 6 Über verschiedene Stufen der V e r m i t t l u n g k o m m t uns K u n d e zu v o n einem Herrscher (Ramses I I . ) , der hoffte, i n seinen Werken ein überdauerndes B i l d v o n sich selbst zu schaffen. Das A b b i l d des Herrschers — schon fast zertört u n d i m Sand der Zeit verschwindend — sinkt i n der Erzählung des Reisenden zur bloßen fama herab. D i e drei Vermittlungsstufen des Gedichts stellen abnehmende Grade mimetischer Repräsentation dar. Während sich das A b b i l d immer mehr v o n seinem V o r b i l d — dem geschichtlichen Ramses — entfernt, erhöht sich umgekehrt bei jeder Transformation das Element distanzierender Reflexion. D e r menschenveräditerische Zynismus des Herrschers richtet sich — bildhaft i n der Erzählung des Reisenden, dann i n der strengen Form des Sonetts ironisch reflektiert — schließlich gegen sich selbst. Was als gigantischer Versuch der Selbstdarstellung beginnt, endet als abgrundtiefe 36 The Complete Poetical Works of Percy Bysshe Shelley , hrsg. von Thomas Hutchinson (London, 1905, rpt. 1956), S. 550.
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Selbstpersiflage. D i e semotaktisdie Unbestimmtheit der 8. Zeile macht klar, daß sidi die Ironie letztlich audi gegen den Künstler richtet, der sich i m Kunstwerk — i n der Skulptur bzw. i m Sonett — sein eigenes Monument zu errichten glaubt. Der D r a n g des Menschen, sich v o n sich selbst ein B i l d zu machen u n d sich so Beständigkeit außerhalb der Zeit zu sichern, ist ein illusionäres Unterfangen. Diese Ironie ist v o n A n f a n g an i n alle A k t e menschlicher O b j e k t i v a t i o n eingebaut. D i e tiefste Ironie liegt aber für den Romantiker Shelley darin, daß der Mensch v o n N a t u r aus zu solcher Selbstdarstellung drängt, o b w o h l er weiß, daß er notwendigerweise scheitern muß.37 Es hat geradezu etwas Erschreckendes, feststellen zu müssen, wie der H ö h e p u n k t individueller Selbstfindung i n der R o m a n t i k audi schon den Zerfall dieses Selbst einleitet. Z w e i Gründe sind hier besonders hervorzuheben: der gesteigerte G r a d an Selbstreflexion u n d die Entmythisierung des Questgedankens, wie später i n Brownings »>Childe R o l a n d t o the D a r k Tower cameAbweichen< des Gedichts von seinen Vorgängern) exemplarisch beschrieben. Siehe ferner Northrop Frye, A Study ob English Romanticism (New York, 1968), S. 95 und v. a. 157- 168. Romantische Ironie ist ein Ausdruck, den man gewöhnlich für die deutsche Romantik verwendet, aber die englische Romantik (und Shelley im besonderen) zeigt eine ironische Qualität sui generis , die weiterer Untersuchung wert wäre. 38 Siehe Blooms Aufsatz »The Internalization of Qest-Romance« in Romanticism and Consciousness y S. 3 - 24, sowie die Ausführungen von Thomas Weiskel zum »negative sublime« (a.a.O., siehe Index). 39 Zur Entwicklung der Aesthetik des Unendlichen siehe beispielsweise Marjorie H . Nicolson, Mountain Gloom and Mountain Glory (Ithaca, 1959), ν. a. S. 134 ff. Vgl. auch Roland Hagenbüchle, »Sign and Process«, S. 152 - 153. 40 In Wordsworth's Poetry: 1787-1814 (New Haven, 4 1971) hebt Geoffrey H . Hartman die Bedeutsamkeit von » surmise« in all seinen Varianten für die romantische Dichtung insgesamt und für Wordsworth im besonderen hervor (v. a. S. 8 ff.).
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ist) w i r d das romantische Selbst i n seiner Substanz zersetzt u n d der A k t des Bedeutens als A k t sprachlicher Selbsttranszendenz radikal entwertet. 'Die knappen Verse Dickinsons treffen hier ganz genau: Finding is the first Act The second, loss, Third, Expedition for the »Golden Fleece« Fourth, no Discovery — Fifth, no Crew — Finally, no Golden Fleece — Jason — sham — too. (ca. 1864) 41 A m folgenschwersten ist aber w o h l die Tendenz des romantischen Ich, sich i n eine gedoppelte persona aufzuspalten, die sich i n einem fort selbst zusieht. 4 2 M i t der Auflösung des Selbst i n verschiedene Rollen w i r d es zunehmend schwieriger, überhaupt n o d i ein kohärentes Ich zu fassen. 43 Durch die Zersplitterung des Selbst verliert auch die Sprache mehr u n d mehr ihre kommunikative K r a f t . Statt dessen w i r d es immer häufiger ihre Funktion, die innere Ambivalenz zu verdecken, bis schließlich eine verbindliche Wahrheit überhaupt nicht mehr aufzuweisen ist, nicht einmal für den Rollenträger selbst, der zuletzt auch nicht mehr weiß, welches nun seine wirkliche Rolle sei. 44 Das folgende Gedicht E d w i n A r l i n g t o n Robinsons ist ein prägnantes Beispiel für die Verunsicherung, die den anglo-amerikanischen Spätviktorianismus erfaßte: 41 The Poems of Emily Dickinson , hrsg. von Thomas Η . Johnson (Cambridge, Mass., 4 1968), S. 647 - 648. Diese Verse der amerikanischen Postromantikerin (vermutlich in den frühen 60er Jahren geschrieben) erscheinen wie ein Echo auf Brownings »Childe Roland«, das am 3. 1. 1852 verfaßt wurde. 42 Zur reflektierend-gespaltenen persona der Romantiker hat der an Freudscher Psychologie interessierte Harold Bloom Bedeutendes gesagt, so in dem vorerwähnten Aufsatz »The Internalization of Quest-Romance« (siehe Fußnote 38). 43 Zum >Doppel< in Form des Vampirismus siehe Mario Praz, The Romantic Agony (London, 2 1970), S. 76 ff. In den Gedichten erscheint dieses Element der Reflexion häufig als Aufspaltung in einen darstellenden und einen kritisch reflektierenden Teil. Die Tendenz des Romantikers, sich rollenartig in andere personae zu versetzen, wird von Northrop Frye als »identity with« (im Gegensatz zum Selbst als »identity as«) definiert (zitiert von Bloom in Romanticism and Consciousness , S. 16). Aus anderer Perspektive beschreibt Michael G. Cooke dieses romantische »Volatile Seif« (The Romantic Will, New Haven, 1976, S. 76 ff.). 44 Im Drama ist diese zunehmende Auflösung des Charakters in eine Rolle besonders deutlich zu beobachten (O'Neills More Stately Mansions stellt in dieser Entwicklung einen gewissen Schlußpunkt dar). Audi im Roman aber ist die zunehmende Auflösung der Kategorie des Charakters augenscheinlich (mit Conrads Lord Jim als Paradebeispiel). Der Verunsicherung des ehemals stabilen Ich entspricht auf semantischer Ebene die Zunahme der Ambiguität als Stilmittel. Dem einzelnen Element (Ding, Charakter, Wort etc.) kommt keine fixierte verläßliche Bedeutung mehr zu, vielmehr wird Bedeutung mehr und mehr aus dem gegebenen Zusammenhang heraus erzeugt (Prinzip der Kontextualisierung).
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Roland Hagenbüchle R I C H A R D CORY (1890) Whenever Richard Cory went to town We people on the pavement looked at him: He was a gentlemen from sole to crown, Clean favored, and imperially slim. And he was always quietly arrayed, And he was always human when he talked; But still he fluttered pulses when he said, »Good-morning,« and he glittered when he walked. And he was rich — yes, richer than a king — And admirably schooled in every grace: In fine, we thought that he was everything To make us wish that we were in his place. So on we worked, and waited for the light, And went without the meat, and cursed the bread; And Richard Cory, one calm summer night, Went home and put a bullet through his head. 45
D i e Verse demonstrieren fast überdeutlich, wie Innen und Außen auseinanderbrechen. D i e äußere Form täuscht ein Innen vor, das i n Wirklichkeit gar nicht existiert. D i e Gesellschaft läßt sich schon deshalb nur zu gerne täuschen, w e i l sie sich i n Ermangelung eigener Verwirklichung nach einem V o r b i l d sehnt u n d dieses (wenngleich als verblichenes Ideal) i n der persona des Gedichts stellvertretend zu finden hofft. D i e brutale Desillusionierung am Gediditschluß ist auch die einer ganzen Epoche. D i e Forschung hat verschiedentlich darauf hingewiesen, daß Robinsons Gedichte häufig u m ein unauslotbares, verborgenes (und gelegentlich mystifiziertes) Zentrum kreisen, das der Dichter dem Leser v o r e n t h ä l t . 4 6 Es zeigt sich bei i h m aber weniger ein sprachlich nicht weiter ausdrückbarer K e r n als vielmehr eine Leere, ein Verlust an innerer Substanz. Das Beunruhigende ist demnach nicht, daß Sprache versagt i m Bemühen, das Wesen des Menschen zu fassen, das Beunruhigende besteht i m Gegenteil darin, daß ein solcher Wesenskern gar nicht mehr existiert. Es geht bei diesem Dichter somit nicht bloß u m den prekären Versuch, aus einer notwendigerweise limitierten Perspektive 45
Collected Poems of Edwin Arlington Robinson (New York, 181972), S. 82. So Louis O. Coxe, Edwin Arlington Robinson: The Life of Poetry (New York, 1969), S. 115-119. Auch Horst Kruse weist darauf hin, daß sich der Dichter eine weitere »Erforschung des Mysteriums der menschlichen Existenz versagt«. Kruses Aufsatz über »Eros Turannos« (aus dem das vorausgehende Zitat stammt) findet sich in Die amerikanische Lyrik: Von der Kolonialzeit bis zur Gegenwart, hrsg. von Klaus Lubbers (Düsseldorf, 1974), S. 176- 186. Kruse referiert auch die schon früh bestehende kritische Tendenz, den Einfluß von William James und Josiah Royce (welchen der Dichter allerdings bestritten hat) mit Robinsons ironischer Technik und seiner Figurendarstellung in Zusammenhang zu bringen. Zum Element der Obskurität siehe auch Coxe, a.a.O., S. 115-119. 46
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heraus Wahrheit zu erfassen, auch nicht nur u m die Schwierigkeit, die ins Unüberschaubare angewachsene K o m p l e x i t ä t der menschlichen Seele 47 adäquat wiederzugeben oder schließlich u m die Unmöglichkeit, Sein u n d Schein zu trennen, es geht i n Robinsons Dichtung u m den drohenden Verlust v o n Bedeutung überhaupt. Le style c'est l'homme même erscheint i n seinem W e r k ins Ironische verkehrt. D i e Form, die sich hier der Mensch zu geben versucht, führt nicht zur erwarteten Selbstverwirklichung, sondern zu Selbstentfremdung. Anders gesagt, das Selbstbildnis hat bei diesem Dichter Fetischcharakter angenommen. 4 8 Diese Gefahr ist allerdings nicht nur die des > dekadent aesthetisierenden< fin-de-siècle u n d der geistigen Krise jener Epoche, sie liegt — latent — jedem A k t menschlicher Selbstdarstellung zugrunde. Aus dieser Perspektive des zunehmenden Bedeutungs- und Substanzverlusts zeigt sich die seit M i t t e des 19. Jahrhunderts stärker ins Blickfeld tretende epistemologische Problematik i n ihrer ganzen Folgenschwere. Eine der wichtigsten Entwicklungen der Epoche ist zweifellos die Auflösung des Begriffs des N a r r a t i v e n , jener aristotelischen Erzählkonzeption, wonach i n strenger Abfolge v o n Anfang, M i t t e u n d Ende Charaktere u n d Handlungsmuster unter dem Gesetz der Kausalität (und Wahrscheinlichkeit) miteinander v e r k n ü p f t werden. D i e Infragestellung des sequentiell-kausalen Denkens läßt sich besonders deutlich am Hervortreten zweier Kernbegriffe aufzeigen, dem Begriff des Prozesses u n d dem Relationsbegriff. Beide sind wesentlich v o n der romantischen Theorie des Organischen beeinflußt u n d durch Entwicklungen i n M a t h e m a t i k , Naturwissenschaft, Philosophie u n d Psychologie entscheidend verstärkt w o r d e n . 4 9 I n der Folge w i r d das Vertrauen i n die Existenz u n d Verläßlichkeit der W e l t als Summe diskreter Entitäten zutiefst erschüttert. Alles gewinnt seine F u n k t i o n u n d Bedeutung 47 Diese Komplexität ist mit eine Folge der romantischen Aesthetik des Unendlichen, indem anstatt eines kohärenten und stabilen Ich die seelische Bewegtheit als solche in den Vordergrund rückt. Vgl. auch George Eliots Vorbemerkung zu Daniel Deronda (»the make-believe of a beginning«), die das sequentielle narrative Element (und damit audi das Element der Motivation und Kausalität) überhaupt in Frage stellt, sowie Henry James* Auffassung der menschlichen Existenz als endloser Interrelation (»relations stop nowhere«). Diese Tendenz zu totaler Kontextualisierung erschüttert auch die Kategorie des Charakters. Zu George Eliots entscheidendem Umdenken siehe Sally Shuttleworth, George Eliot and Nineteenth-Century Science: The Make-Believe of a Beginning (Cambridge, 1984). 48 Eine Studie zum Fetischcharakter in der Viktorianischen Zeit hat David Simpson vorgelegt in Fetishism and Imagination: Dickens, Melville, Conrad (Baltimore, 1982). 49 Beide Begriffe sind im Zusammenhang mit dem für das 19. Jahrhundert maßgebenden Prinzip der >Kraft< zu sehen. Siehe Ronald E. Martin, American Literature and the Universe of Force (Durham, Ν . C., 1981), bes. S. 6 - 3 1 .
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Roland Hagenbüchle
nun dadurch, daß es T e i l eines Beziehungsprozesses ist. 5 0 Der Prozeß des Lebens i m besonderen läßt sich nicht mehr als kausal-sequentielle »Geschichte« adäquat darstellen. Der klare, runde Charakter, die abgeschlossene H a n d l u n g , das eindeutige Ereignis, sie alle verlieren ihre sichere Bedeutungsk o n t u r u n d werden i n ein unendliches Geflecht v o n Bezügen aufgelöst. 5 1 Jede fixierende Darstellung — i m B i l d oder i n einer Geschichte — zerstört gerade diesen Prozeßcharakter. Wahrheit vermag bestenfalls nodi an Beziehungsschnittpunkten aufzuleuchten; sie w i r d damit zunehmends zur Erfahrung des Augenblicks. 5 2 E i n punktueller M o m e n t aber kann nicht mehr i n eine Form gebracht werden u n d bleibt deshalb k o g n i t i v gesehen unbestimmt. Dieser unbestimmte Erfahrungsaugenblick läßt sich als eine Verfallsform der romantischen Erfahrung des Erhabenen begreifen. 53 Conrad A i k e n , v o n dem hier Teile aus Preludes for Memnon zur Sprache kommen sollen, ist v o n solchen Überlegungen aufs stärkste geprägt. 5 4 I n 50 Prozeß and Relation sind zentrale Begriffe im Werk von William James und von Charles Sanders Peirce. James bestimmt das Bewußtsein als sich überlappende Wellenbewegung ohne »substantial identity«. Besonders instruktiv ist seine Neudefinition des Bildes als »steeped and dyed in the free water that flows around it. With it goes the sense of relations, near and remote, the dying echo of whence it came to us, the dawning sense of whither it is to lead« (Psychology: Briefer Course , rpt. 1966, S. 179 und 214). Peirce seinerseits dynamisiert die herkömmliche feste Bedeutung zu einer prozeßhaften triadischen Relation. Das reine Dasein der Welt (von ihm »Firstness« genannt) gewinnt in der menschlichen Erfahrung (»Secondness«) und in der Objektivation in Form (»Thirdness«) je eine höhere Stufe der Selbstreflexion. I n Sprache läßt sich somit nur auf der Ebene von »Thirdness« über Welt und Erfahrung sprechen (An Introduction to the Philosophy of Charles Sanders Peirce , hrsg. von J. K . Feibleman, M. I. T. 1970, S. 89 ff. sowie 156-169). 51 Siehe auch die Fußnoten 47, 49 und 50 sowie besonders die Fußnote 60. Die Auflösung der festen Bedeutung und der fixierbaren Motivation wird von Poe theoretisch eingeleitet, der in Eureka alles Bedeuten aus dem Gegensatz hervorgehen läßt. Am rhythmischen Weltprozeß von Entstehen und Vergehen stellt Poe den A k t des Hervorbringens zugleich als seine eigene Destruktion dar (Selected Prosey Poetry , and Eureka , hrsg. von W. H . Auden, 1950, S. 487 - 493). Siehe hierzu Franz H . Link, Edgar Allan Poe: Ein Dichter zwischen Romantik und Moderne (Frankfurt a. M. und Bonn, 1968), v. a. S. 332 - 351. 52 In A Study of English Romanticism zeigt Northrop Fry e, wie das romantische Moment des Epiphanisch-Erhabenen mit dem Prozeß der »interpénétration« zusammengeht (S. 158 ff.). Siehe auch den Überblick zur Entwicklung dieser Tradition in der Studie von Morris Beja, Epiphany in the Modern Novel (Seattle, 1972). Das zweite Kapitel (»The Tradition«) geht auf Roman und Dichtung gleicherweise ein (S. 24 - 70). Eine Gesamtuntersuchung zur Aesthetik des Augenblicks steht bisher noch aus. 53 Auch hier fehlt vorderhand eine Gesamtschau. Einzeluntersuchungen sind allerdings zahlreich. A n dieser Stelle sei nur auf den interessanten Aufsatz von Dieter Schulz hingewiesen: »Emerson's Visionary Moments: The Disintegration of the Sublime«, Amerikastudien, Bd. 28 (1/1983), S. 23 - 32 (thematisches Sonderheft American Transcendentalism, hrsg. von den »guest editors« Herwig Friedl und Roland Hagenbüchle).
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vielem ein Gegenspieler Eliots (und als solcher intensiverer Untersuchung wert) ist auch A i k e n v o n F. H . Bradleys Appearance and Reality (1893) und dessen epistemologischer Skepsis beeindruckt, wonach Erfahrung u n d Form letztlich unvereinbar bleiben. A i k e n — u n d das ist das Neue an seinem W e r k — gibt nicht n u r dem Scheitern der Sprache Ausdruck i m Bemühen, W e l t u n d Erfahrung von W e l t zu fassen, er führt gleichzeitig auch die Gründe vor, die dieses Unvermögen als innerlich notwendig erscheinen lassen. Sein Frühwerk ist denn auch der erste Versuch einer v o l l ausgebauten Metapoetik. Preludes for Memnon (1930) XIII And how begin, when there is no beginning? How end, when there is no ending? How cut off One drop of blood from other, break the stream Which, with such subtlety, such magnificent power, Binds the vast windflower to its throbbing world? . . . Shall we be bold, and say, then, >at this point The world begins, the windflower ends?< rip out One bleeding atom, pretend it has no kin? . . . Or shall we, with the powerful mind, hold off The sky from earth, the earth from sky, to see Each perish into nothing? The blade of grass in such a light, w i l l grow Monstrous as Minotaur; the tick of the clock, — Should it be taken as the clock's dark secret, — Is chaos and catastrophe; the heart Cries like a portent in a world of portents, A l l meaningless and mad. V Despair, that seeking for the ding-an-sich, The feeling itself, . . . . . . I fall and fall From precipice word to chasm word, and shatter Heart, brain, and spirit on the maddening fact: I f poetry says it, it must speak with a symbol. What is a symbol? I t is the >man stoops sharp to clutch a paper that blows in the windOn Truth and Lies in a Nonmoral SenseSdineemannunmenschlichWortaberglaubensivory< rang in the air, was whispered, was sighed. You would think they were praying to it. A taint of imbecile rapacity blew through it all, like a whiff from some corpse. By Jove! I've never seen anything so unreal in my life. And outside, the silent wilderness surrounding this cleared speck on the earth struck me as something great and invincible, like evil or truth, waiting patiently for the passing away of this fantastic invasion. (H, S. 76) M a r l o w s politische Einstellung ist soweit klar. Er lehnt eine auf Ausbeutung abzielende K o l o n i a l p o l i t i k ab, zweifelt daran, daß die Europäer sich überhaupt i n der W i l d n i s des Kongos behaupten können, u n d beurteilt die Errungenschaften der Z i v i l i s a t i o n kritisch. Er selbst gewinnt — hierbei ist er nicht unbedingt mehr Sprachrohr des Autors — • allenfalls der verantwortungsbewußten englischen K o l o n i a l p o l i t i k positive Seiten ab. A u ßerdem bekennt er sich zu einer Arbeitsethik, die i h m i m Unterschied zu anderen Europäern dazu verhelfen soll, nicht den Einflüssen der W i l d n i s zu erliegen. A u f g r u n d dieser anschaulich dargestellten H a l t u n g w i r k t die lange hinausgezögerte Reise zur Station v o n K u r t z auf den ersten Blick als A n t i k l i m a x , steht d o d i eigentlich schon fest, w i e M a r l o w K u r t z bewerten w i r d . 8
Siehe u. a. Jeremy Hawthorn, Joseph Conrad: Consciousness (London, 1979), S. 14 ff.
Language and Fictional
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K u r t z , i n den Worten M a r l o w s ein Produkt ganz Europas ( H , S. 117), ist m i t hochfliegenden zivilisatorischen Idealen i n den Dschungel gegangen, hat sich dort v o n der U m w e l t u n d den Lockungen des Profits korrumpieren lassen u n d ist schließlich zu einem rücksichtslosen Anführer v o n Raubzügen geworden, der sich v o n den Eingeborenen als G o t t verehren läßt. Sein moralischer Niedergang spiegelt sich auch darin, daß er seiner idealistischen Schrift über die Zivilisierung der Schwarzen später den Zusatz hinzufügt: »Exterminate all the brutes!« ( H , S. 118). Conrad ist allerdings nur sekundär an einem weiteren Beispiel für den moralischen V e r f a l l eines Europäers i n der W i l d n i s interessiert. Stärker beschäftigt i h n die Problematisierung der bis dahin entwickelten Wertmaßstäbe M a r l o w s u n d die Frage nach dem Verhältnis v o n Sprache, W e l t anschauung u n d Wirklichkeit. K u r t z bedeutet für M a r l o w weitaus mehr als die anderen Kolonisten u n d Abenteurer. Er ist nicht so sehr ein Mensch wie eine Stimme, die aus der W i l d n i s k o m m t u n d die v o n anderen, die i h n kennen, immer wieder zitiert w i r d . Als M a r l o w endlich K u r t z t r i f f t , beeindrucken i h n v o r allem die Stimme u n d Redekunst des Mannes: » K u r t z discoursed. A voice! a voice! I t rang to the very last!« ( / / , S. 147). M a r l o w verfällt z w a r nicht ins Schwärmen wie ein russischer Bewunderer v o n K u r t z , doch gerät er i n den Bann der Stimme, zieht sie allen anderen v o r u n d bejaht den unerwartet engen K o n t a k t m i t K u r t z , »this unforeseen partnership« ( H , S. 147). Schon beim A n t r i t t der Reise hat er die Auffassung vertreten: . . . it was something to have at least a choice of nightmares. I had turned to the wilderness really, not to Mr. Kurtz, who, I was ready to admit, was as good as buried. And for a moment it seemed to me as i f I also were buried in a vast grave full of unspeakable secrets. I felt an intolerable weight oppressing my breast, the smell of the damp earth, the unseen presence of victorious corruption, the darkness of an impenetrable night . . . (H, S. 138) M a r l o w stellt sich also dem Dschungel u n d damit K u r t z , denn aus dem korrumpierten einstigen Idealisten spricht jetzt die W i l d n i s selbst: » I t echoed l o u d l y w i t h i n h i m because he was h o l l o w at the core . . . « ( H , S. 131). K u r t z ist aber nicht nur ein anderer, die W i l d n i s nicht nur ein Gegenüber. D i e Hinweise auf die körperlose Stimme, die Gleichsetzung v o n W i l d n i s u n d K u r t z , ferner Bilder, die K u r t z zu einem Schatten oder einer Seele u n d den Dschungel zum Hades i n Beziehung setzen, legen es auch nahe, M a r l o w s Begegnung m i t K u r t z als Seelenreise 9 zu deuten, als Begegnung m i t dem eigenen Unbewußten, m i t den sonst durch die Arbeitsethik u n d die Z i v i l i s a t i o n disziplinierten egoistischen Impulsen. M a r l o w 9
So schon Albert J. Guerard, Conrad the Novelist
(Cambridge, Mass., 1958).
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Paul Goets
muß sich der W i l d n i s u n d dem Unbewußten stellen, er muß m i t dem i n den Dschungel flüchtenden schwerkranken K u r t z wie m i t einem Schatten oder einer Stimme ringen, er muß den Blick i n den A b g r u n d der eigenen Seele wagen, wenn er sich nicht verlieren w i l l wie einst K u r t z . Dieser hatte sich i n Idealvorstellungen verrannt, kannte die Wirklichkeit, d. h. sich selbst u n d die Wildnis, nicht u n d wurde deshalb v o n ihr überrumpelt. I n der Gefahr, die Gültigkeit der eigenen Wertauffassungen zu überschätzen, schwebt auch M a r l o w . Der Verhaltenskodex des Seemanns, dem M a r l o w anhängt, ist weder selbstverständlich noch unbedingt dauerhafter Besitz des einzelnen. Z u i h m muß sich M a r l o w nach den Versuchungen der W i l d n i s u n d eigener egoistischer Regungen — nach einer deprimierenden Phase extremer weltanschaulicher Skepsis ( H y S. 150 f.) — erst wieder durchringen. Das t u t er, indem er die W o r t e des sterbenden K u r t z »The horror! the horror!« als Absage des Menschlichen an die Wirklichkeit interpretiert u n d so dem »heart of darkness« doch noch eine Einsicht, »a k i n d of light«, abgewinnt ( H , S. 51, vgl. S. 149). D e r weiße M a n n ist kein Übermensch, der, wie K u r t z meinte, den Schwarzen wie ein G o t t überlegen ist; denn auch er sieht sich einer übermächtigen, sinnfremden W i r k l i c h k e i t konfrontiert, die seine Wertmaßstäbe nicht sanktioniert, sondern als bloß subjektive Setzungen enthüllt. I n diesem Zusammenhang verweist die Charakterisierung v o n K u r t z u n d M a r l o w noch auf andere Aspekte der Conradschen Sprachkritik u n d -skepsis. K u r t z u n d M a r l o w ähneln einander nicht nur als Menschen, die der Wirklichkeit erliegen können, sondern auch als Redner. Conrad macht dies daran deutlich, daß der anonyme Rahmenerzähler M a r l o w so erlebt wie M a r l o w i n seiner Geschichte K u r t z . Der Rahmenerzähler gerät i n den Bann der Worte seines Bekannten; er sieht ihn, da die Nacht hereinbricht, als Schatten u n d die Gegend v o n L o n d o n als Bereich der D u n k e l h e i t ; er hört die i m D u n k e l körperlos erscheinende Stimme M a r l o w s ( H , S. 83). Während sidi K u r t z v o n den Eingeborenen vergötzen ließ, vergleicht der Rahmenerzähler M a r l o w m i t einem Götzen u n d dann einer Buddha-Gestalt i n europäischer Kleidung. A u f g r u n d solcher Übereinstimmungen i n der Bildersprache ist K u r t z , der übrigens eindrucksvoll eigene Gedichte vortragen konnte, auch als Wortkünstler u n d Rhetoriker ein Doppelgänger Marlows. D i e Unterschiede zwischen beiden Gestalten zeigen an, w o r u m es Conrad geht. Als Kurtz einer exotic
v o n mehreren Figuren bewunderter Vertreter der Eloquenz stellt eine Parodie auf den Künstler dar, der sich als gottgleicher Schöpfer autonomen W e l t begreift — als »august Benevolence«, die »an Immensity« regiert ( H , S. 118) — , dabei die Wirklichkeit aus den
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Augen verliert u n d deshalb leicht v o n i h r überrascht werden kann. M a r l o w hingegen ist als sprachgewaltiger Erzähler v o n semantischem Zweifel erf ü l l t . Er weiß genau, daß die Spradie die W i r k l i c h k e i t insofern verbirgt, als sie dem Menschen dazu dient, der Realität einen Sinn aufzuprägen. Eben deshalb kritisiert er die Sprache jener Menschen, die wie die >Pilger< nur Sinn vorheucheln oder wie andere Kolonialherren gar nicht erst über den eigenen V o r t e i l hinaus denken. K u r t z interessiert i h n deshalb, w e i l i n seinem F a l l »the magnificent folds of eloquence the barren darkness of his heart« ( / / , S. 147) einhüllen u n d Sprache zum Selbstbetrug entartet. M a r low selbst w a h r t dagegen Distanz sowohl zur Sprache als auch zur eigenen Erzählweise. Er gibt Interpretationshinweise zu seiner Geschichte ( Η , S. 51, 82), greift zum M i t t e l der Publikumsbeschimpfung ( H , S. 94, 114), u m die Zuhörer aus ihren Denkgewohnheiten zu reißen u n d zu verunsichern, u n d zweifelt trotz a l l dieser Bemühungen immer wieder an der Möglichkeit, eigenes Erleben einem anderen mitteilen zu können: » . . . No, it is impossible; it is impossible to convey the life-sensation of any given epoch of one's existence — that which makes its truth, its meaning — its subtle and penetrating essence. I t is impossible. We live, as we dream — — alone . . . « (//, S. 82) »I've been telling you what we said — repeating the phrases we pronounced — but what's the good? They were common everyday words — the familiar, vague sounds exchanged on every waking day of life. But what of that? They had behind them, to my mind, the terrific suggestiveness of words heard in dreams, of phrases spoken in nightmares.« (H, S. 144; vgl. S. 116) Darüber hinaus macht er dem Leser durch seine langwierigen Überlegungen zu den letzten Worten v o n K u r t z klar, daß die positive Deutung, zu der er gelangt, eine subjektive Entscheidung ist. Wenn er der Verlobten v o n K u r t z erklärt, der Sterbende habe zuletzt ihren N a m e n genannt, dann ist diese Lüge nicht einfach die Behauptung eines viktorianischen Gentleman, der die Wahrheit v o r Frauen verbergen w i l l ; vielmehr ist sie auch Ausdruck der Auffassung, daß der Mensch des Schutzes vor der W i r k l i c h k e i t durch die Sprache u n d die subjektive Sinnsetzung bedarf. 1 0 Außerdem erinnert die Lüge, die M a r l o w einige Ü b e r w i n d u n g kostet, daran, daß sich der Mensch immer wieder der W i r k l i c h k e i t stellen muß, damit seine Glaubensüberzeugungen nicht zur blindmachenden Lebenslüge absinken. D a die meisten Menschen dieser immer wieder erforderlichen K o n f r o n t a t i o n des eigenen Wertsystems m i t der Wirklichkeit ausweichen, k a n n sich M a r l o w nicht sicher sein, ob seine Freunde i h n verstehen werden oder weiter M Walter J. Ong argumentiert, die Verlobte von Kurtz sei »the western consciousness without self-knowledge«. Siehe »Truth in Conrad's Darkness«, Mosaic , Bd. 11 (1977), H . 1, 151 - 163, hier S. 161.
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auf dem »Drahtseil ihrer Überzeugungen balancieren, ohne den A b g r u n d zu sehen ( H , S. 94). Conrad deutet jedoch die Möglichkeit der erfolgreichen K o m m u n i k a t i o n an: Wenigstens ein Zuhörer, der Rahmenerzähler, hat M a r l o w so gut verstanden, daß er meint, auf der Themse nahe dem »heart of an immense darkness« ( / / , S. 162) zu sein. Eben diese Einsicht des Erzählers erlaubt es, das Verhältnis v o n Sprache, Weltanschauung u n d W i r k l i c h k e i t i n Heart of Darkness abschließend wie folgt zu beschreiben. M a r l o w ist i n das H e r z Afrikas, »the centre of the earth« ( H , S. 60), gereist u n d zu K u r t z gelangt, doch die A n k u n f t i m geographischen Zentrum stellt nur eine symbolische Annäherung an die überall unter der Oberfläche des Lebens verborgene Wirklichkeit dar. Diese Wirklichkeit entzieht sich der sprachlichen Definition. Sie k a n n nur über eine Reihe v o n B i l d e r n 1 1 angedeutet werden: D e r weiße Fleck auf der Landkarte des jungen M a r l o w , der Dschungel des Kongos, Dunkelheit, Schweigen, Kannibalismus u n d Götzenverehrung, innere Leere — das sind einige Bilder für die sinnfremde Realität, die die menschlichen Fiktionen herausfordert u n d zugleich i n Frage stellt. Wenn das H e r z der Dinge chaotisch, w i l d , leer ist, dann k a n n der Mensch nur versuchen, seinem Leben selbst einen Sinn zu geben. Er läuft dabei einerseits Gefahr, wie K u r t z sich z u m G o t t zu erheben und zu glauben, über die richtige Sprache u n d gültige Ordnungsvorstellungen zu verfügen. Andererseits schwebt er i n der Versuchung, p a n i k a r t i g zu reagieren, beispielsweise b l i n d i n den Dschungel hineinzuschießen wie das Kriegsschiff u n d dann die >Pilger< u n d so das eigene Verhalten der absurden Realität anzupassen. Was laut M a r l o w als Alternative bleibt, ist die letztlich z u m Scheitern verurteilte, verantwortungsbewußte Pioniertätigkeit i n der Wildnis, d. h. i m Bereich der Sprachkunst die Lösung der paradoxen Aufgabe, verantwortungsbewußt zu erzählen, v o m Sinn zu sprechen u n d doch die Sinnleere der Wirklichkeit nicht zu verschweigen. Joyces Ulysses Anders als i n Heart of Darkness erschließen sich i n Ulysses die Sprachk r i t i k u n d -skepsis des Autors nicht so sehr über die H a n d l u n g u n d die Erzählsituation wie über die experimentelle Sprache u n d die Techniken des Werkes. Joyce, der sich m i t seiner H e i m a t I r l a n d aus der Distanz des Exils beschäftigte, versucht i n seinem Roman, das Erleben v o n Leopold Bloom, 11 Siehe James Guetti, The Limits of Metaphor: A Study of Melville, Conrad and Faulkner (Ithaca, Ν . Y., 1967), S. 4 6 - 6 8 ; Jerry Wasserman, »Narrative Presence: The Illusion of Language in Heart of Darkness«, Studies in the Novel, Bd. 6 (1974), S. 327-338; William W. Bonney, Thorns & Arabesques: Contexts for Conrad's Fiction (Baltimore/London, 1980), S. 195-222.
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seiner Frau M o l l y und Stephen Dedalus am 16. Juni 1904, v o n 8 U h r morgens bis gegen 3 U h r nachts des folgenden Tages, festzuhalten. Erleben meint hier die Tätigkeiten, Wahrnehmungen, Überlegungen, Äußerungen, Gedanken, Hoffnungen, Ängste der Figuren. M i t geradezu naturalistischer Besessenheit rekonstruiert Joyce den Dubliner A l l t a g seiner Figuren und stilisiert i h n v o r dem H i n t e r g r u n d der Parallelen zur Odyssee z u m Menschheitsalltag. Ulysses strebt m i t h i n beides an: die Nachahmung der äußeren wie inneren Wirklichkeit der Figuren und die Erschaffung einer autonomen fiktiven W e l t . 1 2 Z u diesem Zweck bedient sich Joyce, der Sprachen studiert hatte u n d eine Zeitlang als Lehrer tätig w a r , des Mediums auf eine Weise, die v o n ausgeprägtem Sprachbewußtsein, der Faszination durch linguistische Fragestellungen u n d sprachschöpferischer Begabung zeugt. 1 3 Der A u t o r interessiert sich für Laute, Klänge u n d Klangähnlichkeiten, für Wortstämme u n d W o r t geschichte. E r spielt m i t dem K l a n g u n d dem Schriftbild, aktiviert die N e benbedeutung v o n Wörtern, erfindet Wortspiele, erschafft neue W ö r t e r und bricht die gewohnte Syntax auf. Immer wieder lenkt er die Aufmerksamkeit des Lesers auf den Einzellaut u n d das Einzelwort und macht so den Roman als Sprachkunstwerk bewußt. Was für die Gestaltung i m D e t a i l gilt, t r i f f t auch auf die Darstellung i m Segment, K a p i t e l und Romanganzen zu: Sprachliches schiebt sich immer wieder i n den M i t t e l p u n k t . Joyce differenziert die Bewußtseinsströme seiner Hauptfiguren sprachlich voneinander, ahmt die i n D u b l i n gesprochene Sprache nach, setzt Unsinnssprache ein, imitiert die Sprache der Werbung, Presse, Theologie, Kirche u n d Wissenschaft, zitiert aus dem Lateinischen, Französischen u n d anderen Fremdsprachen, spielt auf Werke der literarischen T r a d i t i o n an usw. Darüber hinaus paßt er sich ganz verschiedenen Textsorten an, so etwa dem romantischen T r i v i a l r o m a n , der Pornographie, dem expressionistischen Drama, dem Katechismus, dem Katalog, der Satire u n d Parodie. Infolgedessen wechseln der Stil u n d die Textsorte v o n K a p i t e l zu Kapitel. Insgesamt erscheint das ganze W e r k als eine Montage verwirrend vieler sprachlichstilistischer Ausdrucksmöglichkeiten, als eine tour-de- force, die den A u t o r , wie schon oft festgestellt worden ist, i n die Reihe der großen Sprachspieler Shakespeare, Rabelais, Burton, S w i f t u n d Sterne rückt. 12 Vgl. Therese Fischer-Seidel, »Charakter als Mimesis und Rhetorik: Bewußtseinsdarstellung in Joyces Ulysses«, in James Joyces >UlyssesUlysses< von James Joyce (Bonn, 1969); ders., »Das Wortspiel in Ulyssesin James Joyces >UlyssesThe Waste Land«The Waste LandWhat are you thinking of? What thinking? What? >1 never know what you are thinking. Think.< (W, Z. I l l ff.) —, ihre an den Solipsismus grenzende Einsamkeit — I have heard the key Turn in the door once and turn once only We think of the key, each in his prison Thinking of the key, each confirms a prison (W, Z. 41 I f f . ) —, ferner die Oberflächlichkeit und Langeweile des Lebens i n der Z i v i l i s a t i o n — >What shall we ever do?< (W, Ζ. 134) —. Eliots sich immer wieder verwandelnder Sprecher Teiresias hat Vergangenheit u n d Gegenwart durchlebt u n d durchlitten. Für seine Erfahrung u n d damit für die Form des Gedichts g i l t die folgende These des Philosophen Bradley, über den E l i o t seine Dissertation geschrieben hat: A t any time . . . all that we suffer, do, and are forms one psychical totality. I t is experienced all together as a coexisting mass, not perceived as parted and joined even by relations of coexistence.43 Jn dieser subjektiven W e l t des Bewußtseins kommen Altes u n d Neues, die T r i v i a l i t ä t und Sinnlosigkeit der Gegenwart u n d die Erinnerung an sinnstiftende Traditionen nebeneinander zu stehen. I n dieser W i r k l i c h k e i t lösen sich die K o n t u r e n der Figuren auf, w i r d aus L o n d o n Karthago oder ein anderer O r t , stellen Kausalität u n d Zeit keine O r d n u n g her. 4 4 I n dieser subjektiven W e l t sind die Bezüge zwischen den Dingen, Begriffen u n d Zeichen gestört, hier k a n n — u m an Hofmannsthals »Brief des L o r d Chandos« zu erinnern — das ganze Dasein nicht mehr als eine große Einheit erfahren werden:
,, „ Λ >On Margate Sands. I can connect Nothing with nothing. The broken fingernails of dirty hands. M y people humble people who expect Nothings (W, Z. 300 ff.) Es mag sein, daß der Sprecher des Gedichts insofern das Inferno bereits hinter sich gelassen hat, als er die Erlösungsbedürftigkeit erkennt u n d an43
Zitiert Hugh Kenner, The Invisible Poet: T. S. Eliot (London, 1965), S. 42. Zur Beziehung der Gedichtform zur modernen Naturwissenschaft siehe Steven Foster, »Relativity and The Waste Land«, Texas Studies in Literature and Language, Bd. 7 (1965), S. 77-95. 44
Paul Goetsdi
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zeigt, welche Traditionen Rettung u n d Erneuerung versprechen. 45 Doch noch wartet er auf die Offenbarung: I sat upon the shore Fishing, with the arid plain behind me Shall I at least set my lands in order? (W, Z. 423 ff.) Außerdem muß er eingestehen, daß aus den Teilen noch kein organisches Ganzes geworden ist: These fragments I have shored against my ruins . . . (W, Z. 430) Infolgedessen prägen trotz komischer u n d parodistischer Partien die Melancholie des Sprechers u n d die Verzweiflung, der Zynismus sowie die Oberflächlichkeit der anderen Figuren die Tonlage des Gedichts. Becketts Happy
Days
Samuel Beckett, der i n Frankreich lebende Ire, der auf englisch u n d französisch schreibt, verdankt Joyce v i e l 4 8 , teilt jedoch dessen Sprachgläubigkeit u n d Wirklichkeitsvertrauen nicht. I n der Bewertung der Realität steht er Conrad und E l i o t näher, sein Mißtrauen gegen die Sprache als ein die W i r k lichkeit verbergendes Instrument ist Conrads u n d Eliots K r i t i k an der Sprache mancher Figuren vergleichbar. Andererseits m i ß t er i m Gegensatz zu E l i o t die W i r k l i c h k e i t nicht an der T r a d i t i o n , denn die sprachliche u n d literarische T r a d i t i o n , wie sie etwa i n seinen Stücken erscheint, ist zur Realitätsbewältigung ungeeignet. Deshalb parodiert Beckett i n seinen Stükken immer wieder überkommene Schreibweisen u n d Stile sowie die F o r m des Dramas selbst. Stets weist er auf die Unzulänglichkeit der Sprache als Instrument der K o m m u n i k a t i o n , des Ausdrucks u n d der Wirklichkeitsverm i t t l u n g h i n : » . . . for Beckett words are the chief ingredient o f the art of failure; they f o r m that inpenetrable barrier of language which forever keeps us f r o m k n o w i n g w h o we are, w h a t we are.« 4 7 Als Beispiel sei hier das Stück Happy Days gewählt, das wegen seiner literarischen Zitate u n d Anspielungen Becketts Einstellung zur T r a d i t i o n verdeutlicht u n d einen Vergleich m i t E l i o t u n d Joyce erlaubt. I m ersten A k t des Werkes hat die bis zur Brust i n einem H ü g e l steckende W i n n i e i n 45
Siehe u. a. Philip R. Headings, T. S. Eliot (New Haven, 1964), S. 68 f. Vgl. Barbara Reich Gluck, Beckett and Joyce: Friendship and Fiction (Lewisburg/London, 1979). 47 R. Coe, zitiert Gluck, a.a.O., S. 97 f. Happy Days wird hier nach der Ausgabe bei Faber and Faber (London, 1963) zitiert, abgekürzt als D. 46
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ihrem hinter dem H ü g e l kauernden M a n n gelegentlich einen Gesprächspartner. I m zweiten A k t — jetzt ragt nur n o d i Winnies K o p f aus dem H ü g e l — taucht der M a n n z w a r einmal auf, reagiert aber nicht mehr sprachlich auf ihre Anreden. Schon diese Inhaltsskizze weist Happy Days als weitere V a riante der für Beckett typischen Endspielsituation aus. D i e Annäherung an das Ende geht für Beckett m i t dem V e r f a l l der K o m m u n i k a t i o n u n d Aussprachemöglichkeiten einher u n d m i t dem A b b a u der körperlichen u n d geistigen Fähigkeiten. Was bis zuletzt dem Menschen bleibt, ist der Zwang, reden u n d denken zu müssen. Dabei f ä l l t der Sprache die Aufgabe zu, als Analogon zur sinnlos gewordenen menschlichen Existenz zu dienen. Wenn, wie Luckys Rede über G o t t i n Waiting for Godot zeigt, weltanschauliche Ordnungsvorstellungen zerbrochen u n d fragwürdig geworden sind, dann löst sich die rational-diskursive Sprache auf u n d mündet i n Stammeln u n d Aphasie ein, denn w o nichts Sinnvolles mehr kommuniziert werden kann, ist keine K o m m u n i k a t i o n möglich. Wenn das Leben ein Leben h i n z u m Tode ist, so muß die Sprache den V e r f a l l u n d den Zustand des N o d i - n i c h t zu-Ende-Seins umreißen. Becketts privater M y t h o s v o m V e r f a l l der Sprache geht m i t h i n aus dem allgemeinen Zweifel am Lebenssinn, der Erkenntnis der Absurdität des Daseins, hervor. I n diesem Sinne sagt der Protagonist v o n M alone Dies zu R e d i t : »There is no use indicting words, they are no shoddier than w h a t they peddle.« 4 8 D i e Unzulänglichkeit der Sprache k o m m t i n Happy Days auf verschiedene Weise zum Ausdruck. Zunächst einmal hat Winnies Sprache weitgehend die üblichen Funktionen der Sprache i m D r a m a eingebüßt. D a es eigentlich nichts Neues mitzuteilen gibt, gleicht für W i n n i e die Sprache einem beschränkten V o r r a t v o n Wörtern, der ebenso wie der I n h a l t ihrer Tasche u n d die wenigen i h r noch möglichen körperlichen Bewegungen sparsam zu verwenden, ja zu strecken ist, damit der T a g überstanden werden kann: A h yes, so little to say, so little to do, and the fear so great, certain days, of finding oneself . . . left, with hours still to run, before the bell for sleep, and nothing more to say, nothing more to do . . . (D, S. 27). Der beschränkte V o r r a t des Sagbaren besteht aus Klischees, gewohnheitsmäßig durchgeführten sprachlichen Ritualen wie dem morgendlichen Gebet u n d dem L o b des Tages, ferner aus einigen Erinnerungen u n d Geschichten. Der V o r r a t ist bereits geschrumpft u n d n i m m t weiter ab. D i e Bedeutung des Wortes hog hat W i n n i e vergessen, statt des bekannteren Ausdrucks hog's 48
Samuel Beckett, Malone Dies (New York, 1956), S. 19. Zum Problem allgemein vgl. Paul Goetsch, Β anformen des modernen englischen und amerikanischen Dramas (Darmstadt, 1977), dort weitere Literaturhinweise,
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bristle ist zufällig der gelehrte Terminus setae i n ihrem Gedächtnis haften geblieben. Einige Zitate aus der Literatur sind W i n n i e noch geläufig, andere verballhornt sie unfreiwillig, nach wiederum anderen muß sie suchen, andere gibt sie wieder, ohne daß der Zitatcharakter der Wendungen ihr bew u ß t w ä r e . 4 9 Ganz allgemein erinnert sich W i n n i e an den old style, d. h. an die Sprache, die v o r der absurden Situation, i n der sie sich befindet, G ü l t i g k e i t besaß. Z u r Zeit des old style konnte man ζ. B. jeden Tag etwas hinzulernen, am A b e n d alles aufräumen u n d ordnen, zur Zeit des old style schritt die Zeit noch merklich voran, hörte man Ablenkung bringende Geräusche, w a r es nicht nötig, den Revolver für alle Fälle bei sich zu haben. V i e l mehr ist v o n dieser Zeit, i n der die Sprache noch auf die Vorstellung einer sinnvoll strukturierten Wirklichkeit bezogen war, nicht i n Winnies Gedächtnis geblieben. Ebensowenig w i e die Klassiker können die Erinnerungen an frühere Zeiten W i n n i e über ihre Situation hinweghelfen oder sie v o n dieser längere Zeit ablenken. Sie rufen allenfalls einen Moment lang ein mechanisches Lächeln hervor. D e m beschränkten V o r r a t an Erinnerungen, Zitaten, Klischees u n d Sprachritualen angepaßt sind Winnies stockende Redeweise, die sich an einzelne Worte klammert, u n d ihre Denkweise, die aufgrund überraschender Schlußfolgerungen, mancher Widersprüche u n d der Wiederholung v o n Argumenten sprunghaft, umständlich u n d alogisch w i r k t . T r o t z der schwerfälligen D e n k - und Redeweise schwebt W i n n i e ständig i n Gefahr, den V o r r a t an Sagbarem zu verbrauchen, denn erstens gilt »There is so l i t t l e one can speak of« ( D , S. 37) und zweitens »There is so l i t t l e one can say, one says i t all« ( D , S. 38). Als A l t e r n a t i v e zum Reden u n d auch zum Leben droht Winnie das Schweigen. W i e andere Gestalten Becketts kann sie das Schweigen nicht ertragen, denn solange sie sich erinnern u n d hoffen kann, solange sie sprechend existiert, bietet es keine Erlösung v o n der Nichtigkeit u n d Leere ihres Lebens. Deshalb redet sie gegen das Schweigen an, w i r d sich aber verschiedentlich bewußt, daß die Sprache nur zeitweise v o n der Wirklichkeit des Schweigens ablenkt u n d grundsätzlich auch versagen k a n n : »Words fail, there are times when even they fail« ( D , S. 20). Für den Theaterzuschauer w i r d Winnies Monologisieren v o n vornherein durch das surrealistische Bühnenbild als Geschwätz u n d Gerede entlarvt. D i e Diskrepanz zwischen Sprache u n d W i r k l i c h k e i t dürfte er aber nicht wie bei Joyce als komisch, sondern eher als tragikomisch oder auch grotesk empfinden, denn zu sehr sind Winnie und ihre Sprache v o n der absurden Realität abhängig. Gleichwohl gehört Beckett noch zu jenen Schriftstellern, die 49 Vgl. die Zitatnachweise zu Happy Days in A Student's Guide to the Plays of Samuel Beckett , hg. B. S. Fletcher u.a. (London/Boston, 1978).
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m i t der Unzulänglichkeit u n d den Schwächen der Sprache spielen u n d der Meinung sind, daß die Sprache aller Skepsis z u m T r o t z wenigstens eine Vorstellung v o n der Realität vermitteln kann, i n diesem F a l l v o n der A b surdität der menschlichen Existenz, dem Nichts, gegen das W i n n i e anredet. Gründe der Sprachkritik u n d -skepsis Wie die Erörterung v o n vier Werken der literarischen Moderne zeigt, tibernehmen die Sprachkritik u n d -skepsis verschiedene Aufgaben u n d sind für den Charakter der Werke mitverantwortlich. A u d i die Gründe für die Bedenken u n d Zweifel der Autoren weichen z u m T e i l voneinander ab, doch gibt es einige Gesichtspunkte, die i n den Überlegungen u n d Werken mehrerer Schriftsteller eine Rolle spielen u n d über die englische Moderne hinaus immer wieder begegnen. 150 Als erstes sei die Außenseiterposition der behandelten Autoren erwähnt. Sie dürfte — wie auch i m Falle v o n Pound, N a b o k o v oder Ionesco — i h r linguistisches Interesse, aber auch ihre Bereitschaft zur K r i t i k an überkommenen Schreibgepflogenheiten u n d Wirklichkeitsbildern gefördert haben. M i t dieser Außenseiterposition u n d m i t der Entwicklung des Buchmarkts seit dem letzten D r i t t e l des 19. Jahrhunderts hängt es zusammen, daß sich die Schriftsteller i m Gegensatz zu den führenden Viktorianischen Autoren nicht mehr an ein breites P u b l i k u m wenden, sondern es riskieren, — Conrad erhebt das ausdrücklich z u m Thema, Beckett deutet es i n Winnies E r zählung über Passanten an — , nur bei einer kleinen Leserschaft auf Interesse zu stoßen. Beachtung verdient ferner der Einfluß der französischen Literatur, der bei Conrad, Joyce, E l i o t , Beckett u n d anderen Vertretern der englischen Moderne nachgewiesen werden kann. D i e M y t h e des mot juste, die literaturtheoretischen Annahmen der Symbolisten, insbesondere i h r Vertrauen auf die Sprachmagie, schließlich der programmatische Naturalismus eines Z o l a stellten große u n d gegensätzliche Anforderungen an die Literatur. Hinsichtlich des Verhältnisses v o n Sprache u n d W i r k l i c h k e i t begünstigten sie eine fragwürdige Polarisierung, die Verabsolutierung der Sprachautonomie des Kunstwerks einerseits, der mimetischen Aufgabe der Dichtersprache andererseits. W i e Conrads Darstellung v o n K u r t z und vielleicht die letztlich doch distanzierte Einstellung v o n Joyce zur Kunstauffassung Stephens beweisen, rief auch die A u f w e r t u n g des Künstlers i n der L'art-pour-PartBewegung, dem Symbolismus u n d der Spätromantik Bedenken hervor. Die 50 Siehe auch Müller, a.a.O. Zum Begriff der literarischen Moderne vgl. Englische Literatur zwischen Viktorianismus und Moderne, hg. Paul Goetsch (Darmstadt, 1983).
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seit der V o r r o m a n t i k geläufige These v o n der gottgleichen schöpferischen Rolle des Dichters konnte wegen der literatursoziologischen Randstellung des ernsthaften Schriftstellers als zweifelhafte Kompensätionsstrategie erscheinen. I n diesem Zusammenhang ist die Sprachskepsis der Autoren oft nur eine Metapher für ihren Zweifel an der herausragenden Stellung des Dichters u n d ein Eingeständnis, daß sie die chaotische Realität z w a r i n die künstlerische Form, aber nicht unbedingt i n eine den Lebenssinn versprechende O r d n u n g überführen können. Der Zweifel an der Sprache erweist sich m i t h i n als eine Begleiterscheinung der Säkularisierung u n d des Glaubensverlusts. Joyce, Conrad, Beckett waren ehemalige Katholiken. E l i o t bekannte sich erst einige Jahre nach Erscheinen v o n The Waste Land zum Anglokatholizismus u n d fand auffälligerweise i n Four Quartets zu einem größeren Sprachvertrauen zurück. Der Bruch m i t überkommenen Ordnungsvorstellungen u n d W i r k l i c h keitsbildern, der u m die Jahrhundertwende zur I n f l a t i o n der Ismen führte, ging zwangsläufig m i t dem Bruch m i t alten Darstellungsformen einher u n d förderte die Bereitschaft zum literarischen Experiment. Begünstigt wurde diese auch v o n der Tiefenpsychologie, der Lebensphilosophie und Neudeutungen der Evolutionslehre, die die H i n w e n d u n g zur unmittelbaren Erfahrung u n d zum seelischen Erleben nahelegten. D i e Schwierigkeit, solche Erfahrung u n d solches Erleben zu gestalten, zwang ζ. B. die Romanciers zu erzähltechnischen Neuerungen u n d rief Zweifel an der Leistungsfähigkeit der herkömmlichen Schreibweisen hervor. I n der L y r i k u n d i m D r a m a k a m es zu entsprechenden Entwicklungen u n d Neuerungen. Das literarische Experimentieren verstärkte seinerseits die Neigung zur Reflexion über die Sprache. D i e Besinnung der Schriftsteller auf ihr Medium, eine Tendenz, die i n allen Künsten der Moderne zu beobachten ist, hat eine Parallele darin, daß sich verschiedene Fachwissenschaften i n diesem Jahrhundert intensiv m i t der Sprache beschäftigt haben. 5 1 D i e Überlegungen der Autoren schärften den Blick für die Sprache als System u n d förderten die Einsicht, daß man 51 Von einem direkten Einfluß der Sprachphilosophie auf die modernen Schriftsteller kann — von Becketts und Joyces Vertrautheit mit Mauthner abgesehen — nicht gesprochen werden. Siehe Gluck, a.a.O., S. 96, zur späten WittgensteinLektüre Becketts. Zu Parallelen i n der Sprachauffassung von Conrad und Nietzsche vgl. Edward W. Said, »Conrad and Nietzsche«, Joseph Conrad: A Commemoration, hg. Norman Sherry (London, 1976), 65 - 76. Siehe ferner David A. White, »The Labyrinth of Language: Joyce and Wittgenstein«, James Joyce Quarterly, Bd. 12 (1975), 294-304; Sibylle Kisro-Völker, Die unverantwortete Sprache: Esoterische Literatur und atheoretische Philosophie als Grenzfälle medialer Seihstreflexion: Eine Konfrontation von James Joyces >Finnegans Wake< und Ludwig Wittgensteins Philosophische Untersuchungen< (München, 1981).
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nicht über der Sprache stehen u n d sie mühelos zur A b b i l d u n g der Realität einsetzen kann. W i e die Einbeziehung verschiedener Figurenperspektiven, Sprachformen u n d Stile i n den behandelten Werken zeigt, waren sich die Autoren der Abhängigkeit der W i r k l i d i k e i t s b i l d e r v o n der gewählten Sprache (ob nun Figurensprache, historischer Stil oder Volkssprache) bew u ß t u n d neigten eben deshalb zur multiperspektivischen oder ausdrücklich die Subjektivierung der W i r k l i c h k e i t betonenden Darstellung. I n diesem Sinne hatten sie wie Hofmannsthals L o r d Chandos Schwierigkeiten, Zusammenhängendes zu schreiben u n d die Sprache als positives Analogon zum Kosmos zu begreifen. A n die Stelle des Bildes der Sprache t r a t für sie — wie f ü r den späten Wittgenstein — ein A l b u m m i t vielen Bildern v o n (ier Sprache, ein A l b u m , i n dem die meisten trotz aller Zweifel gern geblättert haben. Was audi immer die Gründe für die Bedenken u n d Zweifel sein mögen, die behandelten Beispiele legen nahe, daß die Gestaltung der K r i t i k u n d Skepsis maßgeblich v o n der Wirklichkeitsdeutung u n d dem Traditionsverhältnis des einzelnen Schriftstellers abhängt, aber nicht nur v o n ihnen allein: Wichtig sind auch seine Einstellung zur Sprache überhaupt, seine Bereitschaft, m i t i h r zu spielen u n d zu experimentieren, u n d seine Grundhaltung i m jeweiligen Werk. A l l e vier besprochenen Autoren — u n d nicht nur sie — haben durch die A r t u n d Weise, wie sie ihre K r i t i k u n d Skepsis i n die Werke integrierten, wenigstens den ersten T e i l der These Mauthners bestätigt, »daß die Sprache ein ausgezeichneter Stoff der Wortkunst, aber ein elendes Werkzeug der Erkenntnis ist«. 5 2
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Mauthner, a.a.O., Bd. 1, S. 369.
DAS D I C H T E R I S C H E W O R T ALS WEG Z U M N I C H T S ODER ZUR FÜLLE: SAMUEL BECKETT U N D PAUL CLAUDEL V o n Albert
Fuß
A u f den ersten Blick mag ein Vergleich zwischen dem französisch schreibenden irischen Protestanten u n d dem w e i t h i n immer noch als erzkatholisch, womöglich gar als triumphalistisch eingestuften Franzosen Paul Claudel wenig sinnvoll erscheinen. Zwischen den Welten, i n denen sich beide bewegen, scheint es keine Brücken zu geben. Bei aller radikalen A n dersartigkeit lassen sich jedoch bei näherem Hinsehen gedankliche Bögen ausmachen, die beide Werke miteinander verbinden. Relevante Ähnlichkeiten entdeckt man insbesondere zwischen den Romanen Becketts u n d den Oden Claudels. Eine für beide Autoren zentrale Frage ist i n der T a t die Frage nach dem Wesen des Wortes u n d die Reflexion über seine Wirkungen. Grundsätzliche
Bedeutung der Reflexion über die Sprache bei Beckett und Claudel
( . . . ) i l faut dire des mots, tant qu'il y en a, i l faut les dire, jusqu'à ce qu'ils me trouvent, jusqu'à ce qu'ils me disent, étrange peine, étrange faute, i l faut continuer. 1 Diese Worte finden sich i n den letzten Sätzen des 1949 abgeschlossenen Romans L'Innommable v o n Samuel Beckett. D i e Existenz dieses »Namenlosen« hängt v o n W ö r t e r n ab; er ist i n diesen W ö r t e r n ; er ist aus ihnen gemacht: »je suis en mots, je suis fait de mots« 2 N u r über den Weg der Sprache vermag er sich selbst zu finden u n d zu erfahren, wer er ist. Solange er den M o n o l o g nicht abbricht, solange die Stimmen, die i h n meinen oder die er selbst ist, nicht verstummen, lebt er. Das Schweigen, »le v r a i silence, celui que je n'aurai plus à rompre, où je n'aurai plus à écouter« 3 , bedeutet T o d . Es bedeutet gleichzeitig aber auch Befreiung v o n dem immer neu unternommenen u n d immer wieder gescheiterten Versuch des Namenlosen, durch Worte zu sich selbst zu kommen. Es liegt jedoch nicht i n der 1 2 3
Samuel Beckett, L'innommable , Paris 1971, S. 213. Ebda., S. 166. Ebda., S. 178.
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H a n d dieses Ichs, sein Leben aus den W ö r t e r n u n d sein Leiden an den W ö r t e r n eigenmächtig zu beenden. D i e Wörter sind da; sie dringen i n ihn ein, ohne daß er sich dagegen wehren könnte u n d drängen m i t der gleichen Unnachgiebigkeit wieder aus i h m heraus. Woher sie kommen, weiß er nicht: »D'où viennent ces mots qui me sortent par la bouche et que signifientils«? 4 D i e Stimme, m i t der er spricht, er kann sie nicht z u m Schweigen bringen; er k a n n sie aber auch nicht als seine eigene begreifen: Elle sort de moi, elle me remplit, elle clame contre mes murs, elle n'est pas la mienne, je ne peux pas l'arrêter, de me déchirer, de me secouer, de m'assiéger.5 O b w o h l er Stimme u n d W o r t hat u n d damit der Sprache m ä d i t i g ist, hat er dennoch keine Macht über sie. Er versteht nicht einmal, was er selbst sagt: »A aucun moment je ne sais de quoi je parle, n i de qui, n i de quand, n i d'où, n i avec quoi, n i pourquoi« 6 . W i e problematisch das Verhältnis des Ich-Erzählers zu dieser dauernd Wörter hervorbringenden Stimme auch sein mag, es bleibt festzuhalten, daß sie allein i h n i n den Stand versetzt, sein Leben hervorzubringen, zu »machen«, wie es ganz konkret i m Text heißt: »C'est m o i q u i me fais cette vie« 7 . I n den Fünf Großen Oden Claudels ergibt sidi i n dieser Hinsicht ein ähnlicher Befund. Schon i n der ersten Ode schildert der Dichter die Macht u n d die K r a f t des Wortes, v o n dem er, ähnlich unwiderstehlich w i e Becketts Erzähler, ergriffen w i r d . Der Dichter k a n n einfach nicht länger schweigen: »Maintenant i l ne peut plus se taire!« 8 Die Wörter stauen sich i n i h m zu einer »explosion intelligible« 9 , die i n einem »schwarzen Schrei« (»clameur noire« 1 0 ) die »mâchoires coupantes« 1 1 auseinandertreibt. I n der zweiten Ode ist v o n einer »invasion de la v o i x raisonnable« 1 2 die Rede. Wenn Becketts Namenloser den Eindruck hat, »Trommelfell« ( » t y m p a n « 1 3 ) zu sein, das die v o n außen kommenden Schwingungen der Wörter aufnimmt, u m sie i n den K o p f weiterzuleiten, vergleicht Claudel den Dichter m i t »instrument où l'on souffle / Entre sa cervelle et ses narines ( . . . ) / Q u a n d 4
Ebda., S. 139. « Ebda., S. 34. 6 Ebda., S. 86. 7 Ebda., S. 179. 8 Paul Claudel, Oeuvre poétique. Introduction par Stanislas Fumet. Textes établis et annotés par Jacques Petit (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1967, S. 222. 9 Ebda. 10 Ebda. 11 Ebda. 12 Ebda., S. 247. 13 Samuel Beckett, L'innommable , a.a.O., S. 160.
Das dichterische Wort als Weg zum Nichts oder zur Fülle
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prêt à chanter de tout son corps i l s'emplit d'air jusqu'à l'intérieur de tous ses os!« 1 4 Wie bei einer Amme, deren pralle Brüste die M i l c h nicht mehr halten können, fließt der M u n d des Dichters über v o n W o r t e n : »Comme la nourrice encombrée de son lait débordant, ainsi le poëte de cette parole en l u i à d'autres adressée.« 15 Dichten ist eine »vendange de paroles« 1 6 , die trunken macht, so daß der Dichter nicht mehr weiß, wer er ist. Er möchte derart W o r t werden, daß er sich i n vollkommener Selbstvergessenheit auflöst i n einer »note en t r a v a i l « 1 7 . Jede Eigenbewegung der Person soll zum Stillstand kommen, jeder Ballast abfallen. Er möchte nicht einmal wissen, was er sagt: »Que je ne sache p o i n t ce que je dis! que je sois une note en t r a v a i l ! que je sois anéanti dans mon mouvement!« 1 8 Diesen Gedanken aus der ersten Ode greift Claudel i n abgewandelten Bildern i n der vierten Ode nochmals auf: Ainsi je travaille et ne saurai point ce que j'ai fait, ainsi l'esprit avec un spasme mortel Jette la parole hors de lui comme une source qui ne connaît point Autre chose que sa pression et le poids du ciel. 1 * Wie bei Beckett steht auch bei Claudel dem Sprechen als dialektischem Antipoden das Schweigen gegenüber, wenngleich festgehalten werden muß, daß diese Thematik bei Beckett w e i t stärker ins Auge springt als i n den Oden Claudels. D i e zweite Ode beginnt m i t den Versen: Après le long silence fumant, Après le grand silence civil de maints jours tout fumant de rumeurs et de fumées, Haleine de la terre en culture et ramage des grandes villes dorées, Soudain l'Esprit de nouveau, soudain le souffle de nouveau, Soudain le coup sourd au coeur, soudain le mot donnée. 20 Becketts Namenloser möchte ein letztes M a l versuchen, »de dire ce q u ' i l faut dire, sur m o i « 2 1 , u m dann, gelänge dieser Versuch, i n Schweigen zu versinken. Das Dichter-Ich Claudels ist v o n einem ähnlichen Wunsche beseelt, nämlich zu sterben, wenn endlich das rechte W o r t gefunden ist: 14 15 16 17 18 19 20 21
Paul Claudel, Oeuvre poétique , a.a.O., S. 225 - 226. Ebda., S. 259. Ebda., S. 264. Ebda., S. 227. Ebda. Ebda., S. 275. Ebda., S. 234. Samuel Beckett, L'innommable, a.a.O., S. 179.
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Mais que je trouve seulement la parole juste, que j'exhale seulement Cette parole de mon coeur, l'ayant trouvée, et que je meure ensuite, l'ayant dite, et que je penche ensuite La tête sur ma poitrine, l'ayant dite, comme le vieux prêtre qui meurt en consacrant! 22 T r o t z der erstaunlichen Ähnlichkeit der zitierten Texte Becketts u n d Claudels läßt sich schon jetzt ein bemerkenswerter Unterschied nicht übersehen. Der Dichter der Oden wehrt sich z w a r immer wieder gegen den A n sturm der W o r t e ; er f ü h l t sich ihnen nicht gewachsen. D i e Einladung der Muse i n der vierten Ode beispielsweise weist er schroff zurück: Paroles, paroles de femme! paroles, paroles de déesse! paroles de tentatrice! Pourquoi me tenter? pourquoi me traîner là où je ne puis pas voler? pourquoi Montrer ce que je ne puis pas voir? 2 8 Der Umgang m i t dem W o r t impliziert eine »terrible solitude« 2 4 , aber i m Grunde ist dieser Dichter bereit zu singen, m i t seinem ganzen Leben ein bedeutungsvolles W o r t zu formen. Diese Bereitschaft scheint dem Namenlosen Becketts zu fehlen. Er w i r d v o n den auf i h n einstürmenden W ö r t e r n regelrecht vergewaltigt. I h m fehlt jede Möglichkeit, sich zur Wehr zu setzen. M a n vermißt außerdem jeden Ansatz für eine positive Einstellung z u m W o r t , die bei Claudel allenthalben zutage t r i t t , mag er sich über die Last der Aufgabe auch noch so beschweren. D e m Namenlosen bleibt als Quintessenz seiner Bemühungen i n der T a t nur die Feststellung: »J'ai à parler, n'ayant rien à dire, rien que les paroles des autres. N e sachant pas parler, ne voulant pas parler, j ' a i à parler.« 2 5 Das Verhältnis
von Sprache und Wirklichkeit
bei Beckett
Der Namenlose hat zwar, wie i n dem vorangegangenen Z i t a t festgestellt, nichts zu sagen, dennoch spricht er v o n einem »Pensum«, das i h m aufgegeben ist u n d das er erledigen muß, bevor er frei ist, das heißt, die Freiheit gewonnen hat, endlich zu schweigen, nicht mehr zuhören zu müssen: »Oui, j ' a i u n pensum à faire, avant d'être libre, libre de ma bave, libre de me taire, de ne plus écouter« 2 6 . Aber er hat vergessen, w o r i n dieses Pensum besteht. Also macht er sich auf die Suche, u m K l a r h e i t zu gewinnen. Er muß jedoch bald seine Unfähigkeit eingestehen, diese Suche inhaltlich 22
Paul Claudel, a.a.O., S. 251. Ebda., S. 270. 24 Ebda., S. 273. 25 Samuel Beckett, a.a.O., S. 46. 23
26
Ebda., S. 39.
Das dichterische Wort als Weg zum Nichts oder zur Fülle
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näher zu definieren, o b w o h l er v o n jeweils neuen Ausgangspunkten immer wieder auf diese Frage zurückkommt: ( . . . ) qu'est-ce que je cherche maintenant, ce que je cherche, je cherche ce que c'est, ça doit être ça, ça ne peut être que ça, ce que c'est, ce que ça peut être, ce que ça peut bien être, quoi, ce que je cherche, non, ce que j'entends, ( . . . ) i l manque quelque chose pour que ce soit clair, je vais chercher, je vais chercher ce qui manque, pour que tout soit clair, ( . . . ) ce n'est pas vrai, je ne cherche rien, je ne cherche plus rien, ( . . . ) ils sont en train de me rafraîchir la mémoire, et que je cherche, primo, ce que c'est, secondo, d'où ça vient, et tertio, comment je fais, ça y est, comment je fais, pour le faire, vu que ceci, attendu que cela, étant donné je ne sais plus quoi, voilà qui est clair. 2 7 T r o t z des »voilà qui est clair« am Ende dieser nicht enden wollenden Überlegungen z u m Sinn seiner Suche, ist nicht nur diesbezüglich kein E r kenntnisfortschritt zu verzeichnen, sondern i m Gegenteil festzuhalten, daß der Namenlose sich i n einem W i r r w a r r v o n Ungereimtheiten verliert u n d jede Behauptung sogleich i n einer Antithese aufgehoben w i r d , Merkmale, die den gesamten Roman wesentlich kennzeichnen. I m Gegensatz zur R o manperson selbst f ä l l t es dem Leser nicht schwer, den Gegenstand der erfolglosen Suche zu entdecken: er w i r d gleich i n den ersten Sätzen des R o mans angegeben: »Où maintenant? Q u a n d maintenant? Q u i maintenant? Sans me le demander. D i r e je. Sans le penser.« 28 Es geht also u m die unmittelbare Selbstaussage des Ichs, so wie sie einer spontanen Erfahrung entspringt, u n d es geht u m die Situierung dieses Ichs i n Zeit u n d Raum. Der Namenlose verwendet über 200 Seiten auf den erfolglosen Versuch, »Ich« zu sagen, »sans le penser«. Er findet den Namen, das W o r t nicht, das nur ihn ausspricht. W o r a n liegt das? D i e Erklärung des Namenslosen lautet: » I i n ' y pas de nom pour moi, pas de pronom non plus, tout vient de l à « 2 9 . D i e Pronomen sind an allem schuld, insbesondere »cette putain de première personne« 30 , was nichts anderes besagen w i l l , als daß die Sprache für das Fiasko des Namenlosen verantwortlich zu machen ist. Schon i n M alone meurt stellte Beckett fest: »Plus la peine de faire le procès aux mots. Ils ne sont pas plus creux que ce qu'ils charrient« 3 1 . D i e Wörter sind h o h l ; sie haben keinen I n h a l t mehr; sie sind unfähig geworden, ein verläßliches B i l d der Wirklichkeit zu liefern. Es ist seit Saussure ein Gemeinplatz, daß das Verhältnis zwischen signifiant u n d signifié einer w i l l k ü r l i c h gesetzten K o n vention entspringt, was uns allerdings nicht daran hindert, so zu tun, als 2? Ebda., S. 167- 168. 28 Ebda., S. 7. 29 Ebda., S. 195. 39 Ebda., S. 93. 31 Ders., Malone meurt, , Paris 1951, S. 34. 17 Literaturwissenschaftliches Jahrbuch, 26. Bd.
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könnten w i r m i t unserer Sprache u n d durch unser Denken die W i r k l i c h keit i n angemessener Weise entziffern, eine H a l t u n g , für die der gleiche Saussure eine E r k l ä r u n g bereit h ä l t : »Prise en elle-même, la pensée est comme une nébuleuse où rien n'est nécessairement délimité. I l n ' y a pas d'idées préétablies, et rien n'est distinct avant l'apparition de la langue.« 3 2 Für den Namenlosen gilt Saussures Feststellung, derzufolge erst Sprache Denken u n d Erkennen ermöglicht, i n keiner Weise. I m Gegenteil: die Sprache f ü h r t uns dauernd i n die Irre, verstellt uns durch ihre K o n v e n tionen den Blick, läßt uns am Wesen der Dinge vorbeigehen. Sie w i r d weder der äußeren W e l t der Gegenstände gerecht, noch erst recht unserer inneren Wirklichkeit: ( . . . ) je parle des saisons et des parties du jour et de la nuit, la nuit n'a pas de parties, c'est parce qu'on dort, les saisons doivent se ressembler, c'est peutêtre mieux d'appeler portes, enfin autrement, et ce mot homme qui n'est m'en faire voir le sens, c'est comme ça que j'ai appris à raisonner, je les emploie tous, tous les mots qu'on m'a montrés, c'étaient des listes, ( . . . ) ils étaient par listes, avec des images en regard, j'ai dû en oublier, j'ai dû les mélanger, ces images sans nom que j'ai, ces noms sans images, ces fenêtres que je ferais peutêtre mieux d'appeler portes, enfin autrement, et ce mot homme qui n'est peut-être pas le bon pour ce que je vois en l'entendant, ( . . . ) une vie, comment me faire voir ça, ici dans le noir, j'appelle ça le noir, c'est peut-être de l'azur, ce sont des mots blancs, mais je m'en sers, ils viennent (.. ,). 3 3 D i e Unzulänglichkeit der Erkenntnis i m H i n b l i c k auf die W e l t der Gegenstände wäre v o n dem Namenlosen noch am ehesten zu verschmerzen, denn er ist jemand, der buchstäblich nichts mehr hat. Selbst v o n seinem K ö r p e r ist nur noch ein eiförmiges Gebilde »solide et r o n d « 3 4 übriggeblieben. »Je suis une boule parlante«, sagt er v o n sich selbst 35 , eine Kugel, die m i t sich selbst u n d über sich selbst spricht. Aber der Versuch, sich selbst z u m Gegenstand der Erkenntnis zu machen u n d das eigene Wesen m i t den unzulänglichen W o r t e n auszusprechen, muß scheitern: Tout ce dont je parle, avec quoi je parle, c'est d'eux que je le tiens. Moi je veux bien, mais ça sert à rien, ça n'en finit pas. C'est de moi maintenant que je dois parler, fût-ce avec leur langage, ( . . . ) . Témoigner pour eux, jusqu'à ce que j'en crève ( . . . ) , voilà ce qu'ils veulent que je fasse. 36 Der Namenlose schafft sich z w a r dadurch, daß er unaufhörlich spricht, eine Existenz, aber der Masse der immer nur geliehenen Wörter fehlt, 32 Ferdinand Saussure, Cours de linguistigue générale , (Payot), Paris I960, S. 155. 33 Samuel Beckett, L'innommable , a.a.O., S. 201 - 202. 34 Ebda., S. 31. 35 Ebda. 36 Ebda., S. 63.
Das dichterische Wort als Weg zum Nichts oder zur Fülle
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gleichgültig wie immer man sie arrangiert, die notwendige demiurgische K r a f t , einen neuen Begriff zu formen, der sich unverwechselbar m i t dem deckt, was der Namenlose als sein Selbst akzeptieren könnte. E r würde gerne sprechen »pour ne rien dire, mais vraiment rien« 3 7 , u m auf diese Weise v o n den W ö r t e r n nicht allmählich angefressen zu werden, »comme par u n vieux rat rassasié« 38 , aber auch diese H o f f n u n g ist trügerisch: » ( . . . ) i l me semble impossible de parler pour ne rien dire, on croit y arriver, mais on oublie toujours quelque chose.« 39 V o n dem W o r t , das am A n f a n g w a r u n d durch das, w i e es zu Beginn des Johannesevangeliums heißt, alles geworden ist, bleibt bei Beckett, der sich auf den genannten neutestamentlichen Text zu beziehen scheint, nur n o d i Staub: »cette poussiere de verbe, sans fond où se poser, sans ciel où se dissiper« 4 0 . Wenn aber das W o r t selbst zu Staub w i r d , k a n n es nicht ausbleiben, daß audi all das, was durch das W o r t geworden ist, ebenfalls zerfallen muß.
Das Verhältnis
von Sprache und Wirklichkeit
bei Claudel
Liest man n a d i den Romanen Becketts die Oden Claudels, gewinnt man den Eindruck, daß es ausgerechnet Beckett ist, der sich, trotz der erklärten Gegnerschaft gegen die überkommene Sprache m i t ihren hohlen Wörtern, den traditionellen Regeln der Semantik u n d G r a m m a t i k w e i t stärker unterw i r f t als Claudel dies tut. D i e folgenden Verse aus der vierten Ode, La muse qui est la grâce , könnten der Dichtung Claudels geradezu als M o t t o vorangestellt werden: Les mots que j'emploie, Ce sont les mots de tous les jours, et ce ne sont point les mêmes! Vous ne trouverez point de rimes dans mes vers ni aucun sortilège. Ce sont vos phrases mêmes. Pas aucune de vos phrases que je ne sache reprendre! Ces fleurs sont vos fleurs et vous dites que vous ne les reconnaissez pas. Et ces pieds sont vos pieds, mais voici que je marche sur la mer et je foule les eaux de le mer en triomphe! 41 Über Regeln der G r a m m a t i k , der Semantik u n d der Etymologie setzt sich Claudel i n einer Weise hinweg, daß es i h m angebracht erscheint, dem verw i r r t e n Grammatiker als methodischen Leitfaden den allerdings recht unorthodoxen u n d interpretationsbedürftigen Rat zu geben: »O grammairien 37 38 39 40 41
17*
Ebda., S. 27. Ebda. Ebda. Ebda., S. 166. Paul Claudel, Oeuvre poétique , a.a.O., S. 265.
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dans mes vers! N e cherche point le chemin, cherche le centre!« 4 2 N i c h t v o n ungefähr stellen die konsternierten Leser dem Dichter i n der fünften Ode die Frage: Est-ce langage d'un homme ou de quelque bête? Car nous ne reconnaissons plus avec toi, ces choses que nous t'avons apportées. Mais tu retournes et brouilles tout dans le ressac de tes vers entremêlés, tu reprends et retournes et emportes tout avec toi en triomphe, joie et douleur confondues. 43 Für Claudel haben die Wörter eine Seele, die es nicht nur hinter ihrer Lautgestalt, sondern auch hinter ihrer Graphie zu entdecken gilt, wenn man sie richtig verstehen w i l l . I n völligem Gegensatz zu Saussure behauptet Claudel einen nicht v o n willkürlichen Konventionen abhängenden »rapport« zwischen »signe graphique« u n d »chose signifiée« 4 4 : »J'affirme que le mot écrit a une âme, u n certain dynamisme inclus q u i se traduit sous notre plume en une figure, en un certain tracé expressif. T o u t aussi bien que le chinois, l'écriture occidentale a par elle-même u n sens. E t sens d'autant mieux que, tandis que le caractère chinois est immobile, notre m o t marche.« 45 So steht das »M« beispielsweise i n unserem Alphabet wie ein »arc de triomphe appuyé sur son triple jambage« oder w i r d i n W ö r t e r n wie »monde« oder »mort« zu einer »portique ouverte à toutes sortes de vues et de suggestions«. 46 Für Claudel, den Dichter, g i l t außerdem, mögen die Linguisten behaupten, was sie wollen — er bestreitet auch gar nicht, daß sie recht haben — , die »adaptation du son au sens« als »vérité d'ordre absolu et indiscutable« 4 7 . Ohne diese Überzeugung wäre Sprechen u n d Dichtung genauso unmöglich »comme i l serait impossible de marcher sans une croyance à la vérité de l'espace« 48 . Claudel hat sich nicht nur i n zahlreichen Prosaschriften immer wieder m i t dieser Problematik auseinandergesetzt, sondern er hat v o r allem auch versucht, seine theoretischen Ansätze i n der Dichtung zu verwirklichen. E i n Beispiel für eine gelungene »harmonie i m i t a t i v e « 4 9 scheint uns der A n f a n g der zweiten Ode zu sein. Nach den v o n Nasalen getragenen, ruhig fließenden ersten Zeilen, die das Schwei« Ebda., S. 227. 43 Ebda., S. 278. 44 Ders., Oeuvres en prose. Préface par Gaétan Picon. Textes établis et annotés par Jacques Petit et Charles Galpérine (Bibliothèque de la Pléiade), Paris 1965, S. 91 - 92. 45 Ebda., S. 92. 4β Ebda., S. 92. 47 Ebda., S. 98. 48 Ebda. 49 Ebda., S. 95.
Das dichterische Wort als Weg zum Nichts oder zur Fülle
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gen schildern, aus dem die neue Ode erwächst, folgen Zeilen, i n denen der Rhythmus sich beschleunigt, die klangvollen Nasallaute durch Explosiv-, Zisch- u n d Reibelaute ersetzt werden u n d auch das grammatikalische Gerüst aus den Fugen gerät, u m auf diese Weise das Hereinbrechen der I n spiration, des »souffle de l ' E s p r i t « 5 0 zu kennzeichnen, der alles m i t sich reißt: Après le long silence fumant, Après le grand silence civil de maints jours tout fumant de rumeurs et de fumées, Haleine de la terre en culture et ramage des grandes villes dorées, Soudain l'Esprit de nouveau, soudain le souffle de nouveau, Soudain le coup sourd au coeur, soudain le mot donné, soudain le souffle de l'Esprit, le rapt sec, soudain la possession de l'Esprit! Comme quand dans le ciel plein de nuit avant que ne claque le premier feu de foudre, Soudain le vent de Zeus clans un tourbillon plein de pailles et de poussière avec la lessive de tout le village! 5 1 D i e Lautgestalt der Wörter gewinnt i n diesem Text, der stellvertretend für viele andere Texte ein prinzipielles dichterisches Verfahren Claudels veranschaulicht, so etwas wie einen eigenen semantischen Status: i m Uberstieg linguistischer Konventionen werden die Laute selbst bedeutungstragend. Aber die Überlegungen Claudels z u m W o r t gehen noch wesentlich weiter. Unsere Erkenntnis, »connaissance«, leitet sich aus einem »co-naitre«, einem »Miteinander-geboren-werden« her, wie Claudel zum Entsetzen aller Etymologen meint. »Nous ne naissons pas seuls. Naître, pour tout, c'est connaître. Toute naissance est une connaissance« 52 , beziehungsweise, anders gewendet: »Toute chose q u i est, de toutes parts, désigne cela sans quoi elle n'aurait p u être« 5 3 . Jedes D i n g , ob belebt oder unbelebt, benötigt, u m ins Dasein zu treten u n d sich i n diesem zu halten, die M i t h i l f e des gesamten Universums. Der Mensch als T e i l der Schöpfung trägt i n sich »les racines de toutes les forces qui mettent le monde en oeuvre« 5 4 . Er ist ein »document didactique« 5 5 des Universums, also ein Lehrbuch, aus dem zu entnehmen ist, was die Schöpfung besagen w i l l . Claudel bringt diese Zusammenhänge auf das anschauliche B i l d : » A v a n t d ' o u v r i r les yeux, je sais tout par coeur, 50 51 52 53 54 55
Ders., Oeuvre poétique , a.a.O., S. 234. Ebda. Ders., Oeuvres en prose , a.a.O., S. 149. Ebda., S. 150. Ebda., S. 167. Ebda.
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et cette noire puissance que je contiens en m o i n'exige pas moins au ciel si je les ouvre que ce ciel en effet que j ' y t r o u v e « 5 6 . D i e Eindrücke, die w i r aus der U m w e l t empfangen, verändern u n d modifizieren uns: »La personne informée auditivement, devient son, c'est-à-dire modifié par le son.« 5 7 Sie bewirken also i n uns die Entstehung v o n etwas Neuem; sie sind w i e eine Geburt: »Toute sensation est une naissance.« 58 Jede Geburt aber bedeutet »co-naissance« u n d gleichzeitig »connaissance«, Erkennen durch reziprokes Aufeinanderbezogensein, u m sein zu können. V o n dieser Feststellung aus gelangt Claudel zu der Schlußfolgerung: » ( . . . ) nous connaissons les choses en leur fournissant le moyen d'exercer une action sur notre >mouvementThe Psychology of DadaismThe Creative Personality< 24 and on 10 February 1944 he lectured to the A u x i l i a r y Council to the A A P 2 5 on >The N a t u r e of Timidity*. 2 ® D u r i n g the session 1944/45, Huelsenbeck was particularly active: he spoke for the A A P on >Psychoneurosis and the Psychology of Action< i n the course of a public series of lectures at the N e w Y o r k Academy of Medicine; gave a series of lectures entitled >Types of Thinking* t o fellow candidates-in-training at the A I P ; participated i n teaching a course entitled »Readings i n Psychoanalysis* to 2
* Rubins, pp. 255 and 270. Rubins names him explicitly as one of the AIP's 29 candidates-in-training at the end of 1942 (p. 255) and Dr. Pinsky remembers him beginning this training right at the beginning, in 1941. 23 This desire is very evident from the unpublished typescript in the H - N How do you like America?* which must have been written in the late 1930's. Here, Huelsenbeck, commenting on the difference between the German and the American way of life and praising the latter for its freedom, lack of threat and opportunities for »die schaffende Persönlichkeit« (p. 3), could well be speaking of his own life in the 1940's: »Das Leben in Amerika fordert eine Disziplin, einen Einsatz, eine Tatbereitschaft, ein eisernes Festhalten an seinen Zielen und bietet dafür die Gewißheit, daß man nicht von der secret police gestört wird und daß man sich, wenn man ein wenig Glück hat, sich eine bescheidene Lebenshaltung erwerben kann" (p. 3). 22
24 25
AJP, 5 (1945), pp. 49-58.
A body consisting, according to Rubins, of »members current or former analytic patients or simply well-wishers interested in psychoanalysis« (p. 257). 26 Later published as a pamphlet, the undated typescript of which is to be found in the H - N as >The Problem of Timidity*.
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candidates-in-training at the A I P which dealt w i t h the main ideas of leading contemporary theoreticians and gave t w o series of lectures for the A u x i l i a r y Council on »What are the Pros and Cons of Being A n a l y z e d ?< and »Emotional Problems i n MarriageThe W o r k s o f Freud< and »Pioneers i n Psychoanalytic T h i n k i n g ^ 8 ; gave a lecture on »Partnership i n Marriage< 2 9 i n the context of a course arranged b y the A u x i l i a r y Council entitled »Psychoanalysis and Everyday Problems< and acted as the A A P ' s Treasurer. Huelsenbeck reached his position of greatest prominence i n the A A P between 1947 and 1949, becoming one of its Counsellors (i. e. a member of its Board of Directors) for that two-year period and delivering several lectures. D u r i n g the session 1946/47 he lectured to the A A P on »Emotional Elements i n M o d e r n A r t < 3 0 and »Psychoanalysis after F i f t y < 3 1 and contributed a lecture »Psychoanalysis i n our Time< to a series arranged b y the A u x i l i a r y Council entitled »Are y o u considering Psychoanalysis?< w h i d i apparently attracted an audience of about 3000. D u r i n g the session 1947/48 Huelsenbeck lectured to the A A P on »Emotional Conflicts i n Homosexuality« 3 2 and i n Spring 1948, he contributed t o a series of 15 weekly lectures organized b y the A A P entitled »Literary Figures i n the L i g h t of M o d e r n PsychoanalysisThe Creative Personality«, p. 50 (see footnote 24), where Huelsenbeck mentions Jaspers and Heidegger, and Kleinsdimidt, »Charles R. Hulbeck, M. D.The Future of Psychoanalysis* (see footnote 64), p. 12. »Personality Problems in Human Relationship* (see footnote 64), p. 12.
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eggerYconcept of the depersonalized »Das M a n « 6 9 , Huelsenbeck's continual use i n his papers of Tillich's watch-word »in spite of« indicates that, at another level, he was encountering elements which went beyond those parallels. Through his reading of Tillich, Huelsenbeck was becoming increasingly conscious of negative aspects of the personality and experience to which i t is impossible to adjust w i t h any ease or finality or remove through therapy until, i n Sexualität und Persönlichkeit , he could actually echo Tillich's critique of H o r n e y : Horney sdienkt der »universellen Angst«, die, wie ich glaube, die eigentliche Angst hinter der Angst ist, wenig Aufmerksamkeit, obwohl sie ihre Existenz nicht leugnet. . . . Die Angst ist deshalb nach Horney ein Produkt der Neurose und nichts dem Menschen Eigentümliches (p. 114). Correspondingly, Huelsenbeck's encounter w i t h Existentialism seems also to have generated a stronger sense of the contradictory impulses i n the human personality so that where, i n the 1940's, Huelsenbeck had tended to speak of the act o f tapping the personal powers o f creativity as though this were a relatively easy matter which could be accomplished once and for all, i n the 1950's, he tends t o speak of the same process i n terms of continual struggle towards a final reconciliation of opposites which can never be attained. Thus, i n »Psychoanalytical Reflections on A r t and Artists< (see footnote 56) he stated: »The laws governing the psyche are pluralistic or multilateral. They can o n l y be understood from a standpoint of r e l a t i v i t y which is expressed i n opposites such as constancy and v a r i a b i l i t y « (pp. 1 - 2 ) , and i n his u n t i t l e d paper of 9 November 1955 (see footnote 64), he said that »self-realisation means to see the creative conflict w i t h i n oneself« (p. 8). Finally, i n »Completeness — Incompleteness«, his most sustained and extended essay on this subject (see footnote 57), he spoke of the personality i n a process of creative g r o w t h as being at one and the same time complete and incomplete, pulled b y t w o principles which »antagonizing each other and supplementing each other, w o r k simultaneously l i k e instruments i n an orchestra performance« (pp. 55 - 56), generalizing that »the composing of the opposites is the very essence of creativity«, that »a personality grows i f i t is i n possession of the dynamics of the opposites« (p. 56). The »teleological urge« i n the human personality, Huelsenbeck n o w seems to assume, has t o w o r k »despite« the forces of »incompleteness« which forever h o l d i t back and the Angst which is generated from the interaction of the t w o polar principles. T h i r d , Huelsenbeck's reading o f T i l l i c h and intensified study o f other existentialist writers seems t o have enmeshed w i t h a growing sense of 69 »The Future of Psychoanalysis«, pp. 12-13 (see footnote 64); »The Personality Problem in Psychoanalysis«, p. 2 (see footnote 58).
Richard Huelsenbeck (1892 - 1974) : Dada and Psycho-Analysis
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alienation f r o m American society. Throughout The Courage to Be, T i l l i c h asserts that »the period of the w o r l d wars« has generated an »all-pervading anxiety of doubt and meaninglessness« (p. 120) which is reinforced by the general materialism of contemporary thinking, and that the act of creative self-affirmation, motivated by the »courage t o be«, has to be performed w i t h i n a context which is fundamentally hostile t o i t . Huelsenbeck's o w n views seem t o have been reinforced b y Tillich's so that we n o w find h i m praising the so-called »primitive cultures« for their superior a b i l i t y to encourage c r e a t i v i t y . 7 0 Huelsenbeck's increasingly anti-societal attitudes were, however, most clearly expressed i n his three lectures »Civilization i n Conflict* (see footnote 61). The published version is negative enough, repeating Horney's contention that Western c i v i l i z a t i o n is marked b y institutionalized neurosis t o an excessive degree, but a perusal of the original typescript reveals that Huelsenbeck's three lectures evinced an even deeper sense of Kultur Pessimismus. I n five passages cut f r o m the published text — presumably at the behest o f the A A P — Huelsenbeck cites Spengler, T . S. E l i o t and Toynbee for their declaration that modern society is i n decline (p. 13); asserts that the modern environment »consists o n l y of dead things and of an overwhelming m u l t i p l i c i t y of them that nobody can really respond t o . . . « (p. 14) and attacks contemporary hedonism (pp. 42 - 43) and liberal, anthropomorphized views of G o d as »a friendly guy« (p. 44). Huelsenbeck's negativism seems to have i r r i t a t e d his audience for, i n the t h i r d lecture, i n a passage also cut f r o m the printed text, Huelsenbeck admitted his previous »grouchiness« and made reference to the unwillingness of m a n y of his audience to accept the idea that their civilization was i n a state of decline, attributing this sardonically to the compulsory optimism w h i d i is the prevailing ideology of contemporary America (p. 42) — clearly, Huelsenbeck had moved a long w a y f r o m his w i l l t o assimilation of the 1940's. Fourth, Huelsenbeck's encounter w i t h Tillich and Existentialism seems to have brought a mystical dimension i n t o his thinking. Tillich, although a Christian theologian, plays d o w n the transcendental side of his thought i n The Courage to Be — presumably i n order better to speak to a secular audience on its o w n terms — a l l o w i n g i t to emerge occasionally and cryptically i n utterances such as: »The v i t a l i t y that can stand the abyss of meaninglessness is aware of a hidden meaning w i t h i n the destruction of meaning« (p. 168); and thinkers like Heidegger and Jaspers are w e l l k n o w n for the uncertain ontological status of central concepts such as »Das Sein« and »Das Allumfassende«. Huelsenbeck seems to have been 70 »Psychoanalytical Reflections on Art and Artists*, pp. 5 - 6 (see footnote 56).
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d r a w n to that boundary-area, so central to existentialist thinking, which lies between the unequivocally secular and the overtly religious, so that we find h i m referring approvingly to Tillich's concept of »the G o d behind the God« and equating this w i t h »a creativity that accepts a l l the destructive forces«. 71 Furthermore, we also find h i m grounding his notion of human creativity i n quasi-metaphysical concepts such as »the deeper flux of l i f e « 7 2 and, i n direct connection w i t h Tillich's concept of »the G o d behind the God«, »the creative forces of the universe«. 7 3 Indeed, at one p o i n t he goes so far as t o say: »The situation of G o d has changed insofar as he is seen w o r k i n g w i t h i n us as much as he works on the outside. W h a t we call life force is thus a part of the general force of creation«. 7 4 Consequently — and here the connection w i t h existentialist t h i n k i n g is made u t t e r l y exp l i c i t — the artist's task is said to consist i n the attempt »to invest the »comprehensive«, as Jaspers calls it, w i t h a new reality«. 7 5 The same attraction to the boundary-area between theology and secular psycho-analysis seems also to have led Huelsenbeck to a certain interest i n Zen Buddhism 7 6 which, i n his m i n d , was closely l i n k e d w i t h Existentialism. I n >The Personality Problem i n Psychoanalysis« (pp. 19 - 20) (see footnote 59), Zen is associated w i t h the t y p i c a l Tillichian concepts of »selfacceptance and self-realization«, and i n »Psychoanalytical Comment on some Existentialist Ideas« (see footnote 59) — a paper which is historically significant for being the first instance of a lecturer to the A A P t r y i n g to make an explicit and sustained connection between Existentialism and psycho-analysis — Huelsenbeck related the Unconscious, Jaspers' concept of the »Comprising« and Zen's idea of »being i n line w i t h things« (p. 18). Conversely, Sartre is criticized i n the same lecture precisely for his unequivocal and overt secularism and his rejection of the Unconscious. 7 7 Finally, Huelsenbeck's encounter w i t h Existentialism seems also to have reinforced those reservations about Freud which he had, since very 71
»Psychoanalytical Notes on Modern ArtThe Personality Problem i n Psychoanalysis* (see footnote 58) he stated: Jung's closeness to the concept of wholism [sic] is obvious through his theory of the opposites which have to blend in the healthy personality. Therefore personality is a state of integration of the opposites, achieved by the acceptance of unconscious images (p. 20). I n >The Problem of Orientation* (see footnote 74) he l i n k e d the existentialist stress on decision-taking w i t h Jung's ideas: Aim-taking an internal the process thinking (p.
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is tantamount to orientation or direction and is conceived of as quality of personal experience. This personal experience, called of individuation by Jung, is the very basis of psychological 5).
See, for example, >The Creative Personality^ p. 54 (see footnote 24).
19 Literaturwissenschaftliches Jahrbuch, 26. Bd.
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A n d i n >The Problem of Ambivalence« 7 9 , Huelsenbeck commended Jung's »concept o f the opposites« (p. 3) for its transcendental qualities. Furthermore, i n >The Future o f Psychoanalysis« (see footnote 64), Huelsenbeck made indirect use o f the Jungian n o t i o n t h a t the complete personality consists i n a balance o f the male and female principles i n order, as d i d Jung, to criticize Western c i v i l i z a t i o n for h a v i n g done its utmost to repress the special unconscious and i n t u i t i v e strength which is characteristic of the female principle. Rather than a l l o w a harmonious interplay between the opposites, Western c i v i l i z a t i o n — and here the parallel w i t h Heidegger's notion of »Das M a n « is evident — is said t o be excessively dominated b y the t r a d i t i o n a l male virtues. 8 0 Huelsenbeck's encounter w i t h Existentialism i n the 1950's helped h i m t u r n his thoughts back t o Dada. As K a r i n Füllner has demonstrated 8 1 , Huelsenbeck had distanced himself f r o m D a d a b y the early 1930's, and during the late 1930's and 1940's, Huelsenbeck w r o t e almost nothing new whatsoever on the subject. 8 2 H o w e v e r , as Huelsenbeck became increasingly impressed w i t h existentialist t h i n k i n g and increasingly alienated f r o m American society — convinced, as i t were, that that society was undergoing the same k i n d of crisis that continental European society had undergone around the time of the Great W a r — so his interest grew again. D u r i n g the 1950's, Huelsenbeck seems increasingly t o have felt that D a d a was relevant t o the contemporary situation. Thus, we f i n d h i m w r i t i n g articles on George Grosz, Hans A r p and Lautréamont for the Berlin Neue Zeitung 83, and, more i m p o r t a n t l y , producing t w o articles on D a d a i n 1956 i n which the connections between Dada, Existentialism and contemporary psycho-analysis are made clear. F r o m a letter t o W i l l y Verkauf of 4 January 1956 (now i n the possession of D r . Kleinschmidt), i t is clear that the first of these, >Dada and Existentialism« (see footnote 64), was complete b y 8 January 1956. Here, Huelsenbeck draws parallels between »the 79 A n undated typesript in the H - N whose clear existentialist tendency places it in the mid-late 1950's. 80 A similar line of thinking causes him, during the 1950's, to make the occasional reference to Bachofen (see, for instance, »Psychological Reflections on Art and Artists«, p. 10). 81 Karin Füllner, >The Meister-Dada: The Image of Dada through the Eyes of Richard Huelsenbeck«, in Richard Sheppard (ed.), New Studies in Dada: Essays and Documents (Hutton, 1981), pp. 16 - 34. 82 The Exceptions being: >Dada Lives«, Transition , No. 25 (Autumn 1936), pp. 7 7 - 8 0 ; »Dada«, Possibilities , No. 1 (Winter 1947/48), pp. 41-43 and »Dada Manifesto 1949«, in: Robert Motherwell (ed.), The Dada Painters and Poets (New York, 1951), pp. 390 - 394. 83 Published on 30 January 1954, 12 September 1954 and 21 November 1954 respectively.
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absolute audacity« o f D a d a and the concept of revolt propounded b y the existentialists (p. 54); between the »existentialist attitude, as we k n o w i t f r o m Leon Chestov, Berdeyeff [sic] and Sartre« and »the creative i r rationalism [ o f D a d a ] which assigns the same place to both good and bad« (pp. 54 - 56); between the repressive society i n which Duchamp created his ready-mades and the suffocation — »now most readily recognisable i n the U n i t e d States« (p. 60) — which the existentialists are seeking to overcome; between the »universal creative force« propagated b y the Dadaists (p. 58) and t h a t creative force which all existentialists, even Sartre, the most secular-minded o f them, perceive i n human nature (p. 58); between the Homme révolté o f Existentialism and Dadaist man. I n summary, Huelsenbeck maintained: Dada . . . is but one symptom in the great spiritual revolt of out time. It may be called the existentialist revolt, for all its elements can be understood through human existence, by means of psychology. What Dada wanted in its heyday, and what it still stands for today, is the re-forming of man in a new world, exactly as I put it in my manifesto »Der neue Mensch« . . . (p. 58). Similarly, i n the article which he wrote for the first issue of the Belgian avant-garde periodical Quadrum** y Huelsenbeck is at pains t o maintain that D a d a was not just a self-destructive phenomenon, suggesting at the same time that i t was an attempt t o rectify the male-female imbalance characteristic of Western c i v i l i z a t i o n which i n v o l v e d a quest for something reliable: Die selbstzerstörende Haltung des Dadaisten ist dennoch begleitet von einem tiefen Verlangen nadi Form, nach Struktur. Aus dem verwirrenden Wechsel heben sich die Symbole der Permanenz. Hinter der männlichen Anmaßung und Angriffslust steigen schweigsam wie Sterne die mütterlichen Zeichen auf
(p. 87).
T o that extent then, Huelsenbeck also claimed, there is a clear parallel between Dada's attempt t o f i n d a balance a m i d opposites, Jung's theory of i n d i v i d u a t i o n and Existentialism's attempt t o retrieve meaning out of Nothingness (p. 85). Huelsenbeck's rediscovery of D a d a then seems, i n turn, t o have helped h i m m o d i f y his t h i n k i n g about the human situation and the therapeutic task. I n »Psychoanalytical Notes on M o d e r n Art< (see footnote 62), for example, the existential task (of which modern art is said to be an »expression« (p. 173)) is described as »the establishment of the self i n the midst of a w o r l d of chance [ m y emphasis]« (p. 172), and that » w o r l d of chance« — a t y p i c a l l y Dadaist formulation — is further characterized as ** >DadaÜber die daseinsanalytisdie Forschungsrichtung in der Psychiatrie*, in: Ausgewählte Vor träge und Aufsätze, Vol. I (Berne, 1947), p. 190. 87 Binswanger, for example, had contributed an essay entitled »Existential Analysis and Psychotherapy< to Progress in Psychotherapy , edited by Frieda Fromm-Reichmann and J. L. Moreno, Vol. I (New York and London, 1956), pp. 144- 148 and Frankl had published »Logos and Existence in Psychotherapy< in the American Journal of Psychotherapy , 7 (1953), pp. 8 - 1 5 .
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v i v i d restatement o f Kierkegaardian ideas that was to be found there 8 9 , and i n 1963, Werner M . Mendel stated that since its publication, »the existential approach has become an increasingly i m p o r t a n t influence i n American psychiatry«. 8 9 A l t h o u g h both the A E P P (whose journal, The Review of Existential Psychology and Psychiatry (REPP) was edited b y A d r i a n v a n K a a m and R o l l o M a y ) and the A O A grew out of the same climate of interest, the A O A was the more significant for Huelsenbeck's intellectual career. The A O A remained active u n t i l about 1970 (though most intensely so upto about 1965). E r w i n Straus (1891 - 1975) became its President i n M a y 1960; a N e w Y o r k Section was founded i n the Spring/Summer of 1960 w i t h A n t o n i a W e n k a r t as its President; an ontoanalytic study group was founded i n Spring 1961 i n Philadelphia b y R a l p h Luce and James H a r r i s and an Existential Literature Study Group was set u p under its aegis b y D a v i d L . Phillips i n January 1962 i n Indianapolis. The A O A ran conferences on Existentialism and psycho-analysis i n December 1959 (Chicago), M a y 1960 ( A t l a n t i c C i t y ) , December 1960 ( N e w Y o r k ) , M a y 1961 (Chicago), December 1961 ( N e w Y o r k ) , M a y 1962 (Toronto), October 1962 ( N e w Y o r k ) , December 1963 ( N e w Y o r k ) and December 1964 ( N e w Y o r k ) . From October t o December 1960, the A O A , i n conjunction w i t h the University of Chicago, p u t on a course o f lectures entitled »Existentialism, Psychiatry, and the Predicament of M o d e r n ManThe Existential Approach in Psychiatry«, Journal of Existential Psychiatry , 1 (1960), p. 25. 89 Werner M. Mendel, >The Existential Emphasis in Psychiatry«, in: »Existentialism and Psychiatry — A Round Table Discussion«, AJP , 23 (1963), p. 29. According to Dr. Kleinschmidt, there was considerable resistance to Existence in Freudian circles — partly for doctrinal reasons and partly because May was a psychologist, not a clinician. •o A letter from Jordan M . Scher to Huelsenbeck of 27 October 1960 is preserved in the H - N . Here, inviting Huelsenbeck to offer articles to the JEP , Scher says that its intention is »to provide a medium of communication among those interested in phenomenology, psychology, psychiatry, and other related areas«. I n 1964 the JEP was renamed The Journal of Existentialism and continued to appear, under the editorship of Robert Mester, until 1968. The links between the JEP and the A O A were weak by 1962 and severed when it changed its name. The records of the A O A were, until recently, in Chicago with Dr. Scher. He, however, seems to have left Chicago almost without trace in the early 1980's and I have no way of knowing i f the AOA's records went with him or were destroyed.
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as Huelsenbeck's article >Die Psychiatrie i n Nöten< 9 1 makes clear, connected w i t h a w i d e r dissatisfaction w i t h Freudian orthodoxy. I n retrospect, i t is clear that the t w o phenomena were connected. Herbert H o l t (b. 1912), one o f the leading figures i n the N Y O A , explained i t thus: »when Freud began his w o r k , he l i v e d i n a relatively stable social reality to which his patients could adjust, but after W o r l d Wars I and I I modern times presented a t o t a l l y different reality, creating new inner problems for patients.« 9 2 Accordingly, as disillusion w i t h American society grew, the need was felt for an approach to psycho-therapy which could help patients cope w i t h the problems of anomie and meaninglessness. Thus when, between 1 and 7 September 1958, the Fourth International Congress on Psychotherapy took place i n Barcelona, there occurred, according t o Huelsenbeck (who was apparently there), a head-on collision between the orthodox Freudians and the »Phänomenologisten u n d Existentialisten« — notable among w h o m were Binswanger himself, M e d a r d Boss (b. 1903) and V i k t o r F r a n k l (b. 1905) » . . . der i n Barcelona groß gefeiert w u r d e . « 9 3 L i k e Binswanger, Boss and F r a n k l had been w o r k i n g at the interface between existential philosophy and psycho-analysis since the late 1930's and 1940's 9 4 , and, as i n the case of Binswanger, their ideas made their real impact on psycho-analytical t h i n k i n g i n N o r t h America i n the late 1950's and early 1960's. Thus, we f i n d several of their major works appearing i n English translation for the first time i n major Eastern cities of the U S A between 1957 and 1 9 6 3 9 5 ; both F r a n k l and Boss lectured on several occasions i n the U S A during the same p e r i o d 9 6 ; and several articles 91
Published on 17 September 1958 in the Frankfurter Allgemeine Zeitung. Herbert Holt, >Some Fundamental Ideas in Existential Psycho-Analysis*, Modern Psychotherapy , 3 (1980/81), p. 24. 93 >Die Psychiatrie in Nöten* (see footnote 91). Frankl read a paper entitled »Existential Analysis and Dimensional Ontology* which is most readily available in: Viktor E. Frankl, Psychotherapy and Existentialism (1967) (Harmondsworth, 1973), pp. 127-135. 94 See Adrian van Kaam, >The Impact of Existential Phenomenology in the Psychological Literature of Western Europe*, REPP , 1 (1961), pp. 63 - 83. 95 Ludwig Binswanger, Sigmund Freud — Reminiscences of a Friendship (New York, 1957) and Being-in-the-World: Selected Papers (New York, 1963); Medard Boss, The Analysis of Dreams (New York, 1958) and Psychoanalysis and Daseinsanalysis (New York, 1963); Viktor Frankl, From Death-Camp to Existentialism (Boston, 1959) — the E. T. of Ein Psycholog erlebt das Konzentrationslager , the second (revised) American edition of which appeared as Man's Search for Meaning: An Introduction to Logotherapy (Boston, 1963). 96 Frankl gave one major lecture to the AAP on 17 April 1957 entitled >On Logotherapy and Existential Analysis* (AJP, 18 (1958), pp. 28 - 3 7 ) ; another to Princeton University on 17 September 1957 entitled »Collective Neuroses of the Present Day*; another to the A O A 's conference in Chicago on 13 December 1959 entitled »Beyond Self-Actualization and Self-Expression< ; another to the American 92
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b y all three men appeared i n the JEP
and REPP
during the first few
years of their existence. 97 A l t h o u g h the w o r k of F r a n k l and Binswanger seems to have been most important for the N Y O A , the basic theoretical ideas of a l l three men have a l o t i n common despite FrankPs statement to the A A P that Boss's Daseinsanalyse and his o w n Existenzanalyse were different. 9 8 Fundamentally, a l l three argue that man is »a spiritual being« w h o is characterized by an »ability to transcend himself« 9 9 — a faculty which is variously described as being identical w i t h Heidegger's >Sorge< 100, the L o g o s 1 0 1 , and L o v e . 1 0 2 Association for the Advancement of Psychotherapy in New York on 26 February 1969 entitled »Paradoxical Intention: A Logotherapeutic Technique«; another to the American Conference on Existential Psychotherapy in New York on 27 February 1960 on >Logotherapy and Existence«; another at the University of Chicago on 22 October 1960 entitled »Dynamics and Values«; another to the Fourth Annual Psychiatric Symposium on 18 March 1961 at Columbus (Georgia) on »Basic Concepts of Logotherapy« ; another at the Seminar on Logotherapy at the Harvard Summer School in 1961 entitled »Psychiatry and Man's Quest for MeaningThe Problem o f Depersonalization« at the A O A conference on existential psychiatry i n N e w Y o r k ; 1 1 2 i n 1963 he participated i n a panel discussion at the N e w Y o r k Academy of 109
Binswanger, >Dream and Existence«, in: Being-in-the-World , p. 244 (see footnote 95). 110 Prominent among whose members were Drs. Andrew K . Bernath (b. 1908), Samuel V. Dunkell (b. 1919), Bernice Joan Harte (b. 1915), Herbert H o l t (b. 1912), Jason Miller (b. 1913), George Serban (b. 1926), Fred U. Tate (b. 1913) and Antonia Wenkart (b. 1898). 111 He gave a lecture on 5 November 1960 in the context of an A A P symposium entitled »Alienation and the Search for Identity«, the expanded version of which was published in the AJP as >Self-Alienation and Self-Confirmation in Modern Art«, 21 (1961), pp. 173 - 182 (the undated typescript of which is in the H - N ) ; he was invited, on 23 May 1961, to participate in a research project organized by the Karen Horney Clinic on »the effect of therapy on the marital partner not in therapy«; he lectured to the A A P on 27 February 1963 in the context of a round table discussion on Phenomenology and Psychonalysis on >The Existential Mood in American Psychiatry«, AJP, 24 (1964), pp. 82- 88 (the undated typescript of which is in the H - N ) ; he repeated his lecture on »SelfAlienation and Self-Confirmation in Modern Art« on 2 December 1963 at the A I P within a series entitled »Alienation in our Time« (see the letter in the H - N from Harold Kelman to Huelsenbeck of 5 September 1963); he is still described in 1963 as an »Associate Psychoanalyst of the Karen Horney Clinic« (AJP, 23 (1963), p. 157); he published a paper in the AJP in 1963 entitled »Three Creative Phases in Psychoanalysis« (see footnote 64); he lectured to the AAP on 26 February 1964 in the New York Academy of Medicine on »Psychology of Lawlessness: A Psychological Comment on the Problem of Anomie«; in the Spring of 1965 he put on a course for the A I P at the New School entitled »Sex in a Changing World«; on 17 January 1968 he participated in a symposium arranged by the AAP entitled »Kairos: The Auspicious Moment«; and his final paper was published in the AJP in 1970 (see footnote 116). Furthermore, numerous letters in the H - N indicate that Huelsenbeck was a valued member of the A I P throughout the 1960*5. 112
The undated typescript of which is in the H - N .
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Medicine on »Phenomenology and Psychoanalysis*; b y the end of 1964 he had become a »Councillor« of the N Y O A ; i n February 1965 he presented a paper to the N Y O A on »Reality i n Existential Scientific T h i n k i n g * ; 1 1 8 on 17 February 1965 he presented a paper t o the N Y O A on »The Meaning of Reality i n the Psychoanalytic Process*; 114 on 15 December 1966 he lectured to the N Y O A on »The R e v o l t of the Self: Ontoanalytical Notes on a Social Theme*; 1 1 5 he was, according to a letter i n the H - N f r o m A n d r e w K . Bernath and Herbert H o l t , made a »Fellow« o f the N Y O A on 1 March 1967; and on 6 February 1969 he received the N Y O A ' s Binswanger Prize.116 Huelsenbeck's dual involvement i n the A A P and the A O A was neither un common nor strange since, as w i l l have become obvious b y n o w , there was a great deal of common ground between Horney's writings — especially her last book Neurosis and Human Growth (which F r a n k l quoted approvingly i n his lecture o f 17 A p r i l 1 9 5 7 1 1 7 ) — and the w o r k of the existential analysts. 1 1 8 Nevertheless, Huelsenbeck's reading o f the existential analysts and involvement i n the N Y O A , besides confirming his previous views, took them, even at this late stage i n his life, a l i t t l e further. T o begin w i t h , existential analysis provided h i m w i t h more systematic ideas about the nature of the therapeutic encounter. W r i t i n g on existential analysis i n Sexualität und Persönlichkeit (p. 144), he had said: »Erst i n der phänomenologischen u n d existentiellen Analyse ist die Gegen118 See the letter in the H - N to Huelsenbeck from Andrew Κ . Bernath of 23 December 1964. 114 Which Herbert Holt, according to a letter in the H - N to Huelsenbeck of 3 April 1965, wanted to publish in The Existential Analyst , the (mimeographed) journal of the N Y O A which is not listed in any US public library and seems to have completely disappeared. 115 The undated typescript of which is in the H - N as »The Revolt of the Ego: Ontoanalytical Notes on a Social Theme*. 116 The very name of this award indicates the importance of Binswanger for the N Y O A . The prize was instituted in 1968 and awarded to Antonia Wenkart in the first and to Huelsenbeck in the second year of its existence. A t the ceremony at which she was awarded the prize, Dr. Wenkart lectured on »The Phenomenological Presuppositions of Binswangens Thought* and Huelsenbeck, one year later, lectured on »The Irrational and the Nature of Basic Anxiety< (AJP , 30 (1970), pp. 3 - 12). 117 »On Logotherapy and Existential Analysis*, pp. 34 - 35 (see footnote 96). 118 A perusal of the cumulative indexes of the AJP and the JEP shows that 16 people contributed to both journals, and there was clearly enough common ground between the A A P and the A O A for members of both organizations to engage in at least one joint symposium (the papers of which were published in the AJP, 23 (1963), pp. 20-38). Finally, the proximity of the two organizations is indicated by the fact that the AJP advertized regularly in the JEP.
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w a r t Meister.« B y this he meant that i n the therapeutic encounter, according to the Daseinsanalytiker , the therapist should »bracket o u t « 1 1 9 any preconceived formulae and attempt to penetrate to the »eidos« — the specific personality structure of the patient i n all its many-levelled complexity (pp. 1 4 9 - 1 5 1 ) : »Es k o m m t alles darauf an, den inneren Plan einer Existenz durch Hineinsehen und durch Einfühlung i n das Erlebte zu verstehen. Hierdurch begibt sich der Beobachter seiner eigenen, i h m den Weg zur Erkenntnis des Objekts verbarrikadierenden Einflüsse« (pp. 151 - 152). Subsequently, Huelsenbeck wrote a paper on the therapeutic encounter 1 2 0 which, i n its analysis of this process, reflects the greater methodological awareness which he had learned f r o m the Daseinsanalytiker, albeit expressed i n more colloquial terms: Each time one speaks [in the therapeutic encounter], one has to take oneself into account, evaluate one's own ideas, one's own subjective approach as it is conditioned by former parental and present cultural influences. In orthodox analysis this caution is very much neglected (p. 160). and: Thus, articulation forms the means of understanding the human situation of the patient. Articulation, by bracketing [my emphasis] the contents of a persons's life . . . is listening to the sounds of personality (p. 161). Second, Huelsenbeck's reading of the existential analysts caused h i m to place an even greater emphasis than before upon the Western experience of meaninglessness as the root of neurotic a c t i v i t y and upon ethical rigour and purpose as the means of overcoming this. H e had already said i n Sexualität und Persönlichkeit: . . . diese Zivilisation, wie wir sie selbst geschaffen haben, [gewährt] den relativen Werten einen zu großen Raum und [will] das Bedürfnis der Menschen nach einer Rangordnung, nach Disziplin, nach ethischer Strenge [my emphasis] nicht anerkennen (p. 130). and i n >Three Creative Phases i n Psychoanalysis* we read, i n a passage i n which the attitudes of Binswanger and the language of Frankl are very evident: In the appeal, of the patient's tion is that the they are in the are secondary.
as conveyed by the dialogue, the logos refers to the meaning life in a special and in a general way. What I said by implicaloss of meaning is the real problem, and the contents, whether area of the patient's occupation, his marriage or anywhere else, . . . As the dialogue puts the patient into the perspective of
119 The reference to Husserl is quite deliberate since, for Huelsenbeck, Binswanger was Husserl's most important pupil and the father of existential psychiatry (Sexualität und Persönlichkeit , p. 151). 120 >Three Creative Phases in Psychoanalysis* (see footnote 64).
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logos, a new conflict arises in him. He now becomes keenly aware of the paradox between the possibility of a reasonable settlement of his problems and the nature of the unreasonableness of his own world. . . . To put it differently, resistance is caused by the difficulties in understanding the need to accept values or the logos in spite of its relative value (pp. 160-161). Similarly, Huelsenbeck's paper on >The Existential M o o d i n American Psychiatry« (see footnote 109) stresses the therapeutic need for ethical choice issuing i n conscious action: I n existential analysis as well as in existential psychiatry we assume that a person chose for himself to be in the world. I f he understands his primary loneliness, the problem of the analyst or psychiatrist then is to help him become aware of it as the point of vantage from which he »frees« himself by action (p. 86). Where, i n the 1950's, »intentionality« for Huelsenbeck tended to be a spontaneous, unconscious drive i n the personality, i n the 1960's, w r i t i n g under the influence of the »logocentric« existential analysts, Huelsenbeck's use of that concept suggests that he n o w thinks of i t more i n terms of the freedom of the rationally directed human w i l l . 1 2 1 As a result of this shift, the psycho-analytic writings of Huelsenbedt's i:hird phase tend to lose the quasi-mystical dimension which had been visible i n the 1950's so that, during the last ten years of his life, we find h i m giving greater emphasis to the fact of his Humanism. Accordingly, i n the Foreword to Dada: Eine literarische Dokumentation (January 1964), Huelsenbeck claimed that everything he had w r i t t e n about D a d a was »infected« b y a »humanistisches Pathos«: » . . . entweder dafür, meistens dagegen, aber nie ließ sich meine humanistische Erziehung ganz verleugnen.« 1 2 2 I n an undated and u n t i t l e d typescript i n the H - N which deals 121 That this emphasis was written into the American school of existential analysis is made very clear by the paper which Jordan M. Scher, one of its founding fathers and central figures, presented at the symposium with the Horney group in the early 1960*5 (see footnote 118): »Psychoanalysis stresses man's determinacy; ontoanalysis stresses man's freedom. Psychoanalysis stresses man's unconscious; ontoanalysis stresses man's conscious. Psychoanalysis suggests man iis only partly responsible; ontoanalysis suggests man is almost completely responsible« (p. 26). Compare also Viktor E. Frankl, >Beyond Self-Actualization and Self-Expression< (paper read before the Chicago Conference on Existential Psychiatry on 13 December 1959), in: Psychotherapy and Existentialism (see footnote 93), pp. 45 - 5 7 : »According to logotherapeutic concepts, man is not primarily interested in any psychic conditions of his own, but rather is oriented towards the world, toward the world of potential meanings and values which, so to speak, are willing to be fulfilled and actualized by him. I n logotherapy we speak of a >will to meanings and contrast it to the pleasure principle . . . and, on the other hand, to the so-called >will to power«« (pp. 47 - 48). 122 >Dada oder der Sinn im Chaos«, in: Dada: Eine literarische Dokumentation (Reinbeck bei Hamburg, 1964), p. 21.
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w i t h D a d a and was probably w r i t t e n i n the mid-1960's, he said something similar (p. 5), and i n 1965 he went so far as to w r i t e : » [ B a l l ] bestätigte oder schuf i n m i r das, was ich eigentlich immer gewesen b i n u n d immer noch b i n : erst ein verschämter . . . u n d dann ein mehr oder weniger offener H u m a n i s t « . 1 2 3 Huelsenbeck spent his entire career as a psychiatrist w o r k i n g i n the boundary-area between the secular and the religious worlds: during the last years o f his life, however, his t h i n k i n g tended perceptibly towards greater secularity. D u r i n g the 1960's, Huelsenbeck's retrospective interpretation of D a d a continued to be coloured b y his commitment to existential psycho-analysis. N o w , the Dadaist is seen as the embodiment of the ideal man w h o has, to use Frankl's term, discovered his o w n Logos and is able to live w i t h his o w n irrationality. Thus, i n 1963 Huelsenbeck w r o t e : Dieser neue dadaistische Mensch, der es verstanden hat, sidi ganz und gar mit seinem eigenen kreativen Prinzip zu identifizieren, ist es gewohnt, in Paradoxen zu leben und die Abstrusität seiner Existenz, die gleichzeitig zum Leben und zum Tode bestimmt ist, in seiner Aktivität, vielleicht sogar, wie Sdiwitters und Hausmann es konnten, auf aesthetischem Gebiet, in der Kunst, aufzuzeigen. 12 * and i n 1964: Die einzige »Kunstrichtung« jedoch, die das Problem wirklich begriff, war der Dadaismus, nämlich durch die Annahme und das Verständnis des Nichts. Dada kam deshalb in seiner Philosophie dem Existentialismus sehr nahe. Heideggers Grundidee von der Angst und Verlassenheit, Gefühle, die der Ontologie des Menschen eigen sind und aus denen er sich durch Schaffung von Werten und Objekten zu befreien sucht, wurde von den Dadaisten vorausgeahnt. 125 and at about the same time: Was mich [als Dadaisten] interessierte, war besonders die neue Stellung des Menschen, des untheoretischen Menschen, der nur von seiner eigenen Kühnheit getrieben durch das Dickicht der Dinge geht, unberührt und doch erschüttert bis zum Grund seines Denkens und Fühlens. Ich erlebe das, was ich später in den Theorien Tillichs auseinandergesetzt fand, den Mut zum Sein, in der Formulierung: »Stemme dich als kreativer Mensch gegen die Welt und D u wirst es schaffen.« 12®
123 >Von Dada zur Psychiatrie*, p. 132 (see footnote 12). 124 >Dada und das Problem der Kreativität* (unpublished typescript in the H - N dated 1963). 12Λ >Dada oder der Sinn im Chaos*, p. 14 (see footnote 122). 126 Undated and untitled typescript in the H - N , written probably in the mid1960's.
Richard Huelsenbeck (1892 - 1974): Dada and Psycho-Analysis
303
Finally, i n the last major lecture w h i d i Huelsenbeck ever gave i n N e w Y o r k (»Irrationality and the N a t u r e of Basic Anxiety«, see footnote 114), the Dadaists are presented as »the first Existentialists« (p. 9) — as people w h o were able to accept the i r r a t i o n a l i t y w i t h i n themselves (the U n conscious) and outside themselves (chance and death) (p. 9) and thus to »be i n life« to the full. Dada's Importance
for Hulbeck
the Psycho-analyst
From a l l that has been said so far, i t emerges that Huelsenbeck's experience of D a d a both pre-figured and pre-determined Hulbeck's t h i n k i n g as a psycho-analyst h a l f a century later. First, just as the destructiveness of D a d a derived f r o m a sense that the fundaments of Western bourgeois c i v i l i z a t i o n were collapsing 1 2 7 , so Hulbeck's psycho-analytical preoccupations intensified as he came t o similarly negative conclusions about American society 1 2 8 and the anomic situation of its inhabitants. 1 2 9 Accordingly, the statement that »any successful personality i n our time . . . is a rebel« 1 3 0 is a direct derivative of the D a d a revolt against bourgeois society. Second, Hulbeck's persistent sense throughout his American period i:hat life is a dynamic process is also very evident i n a l l Huelsenbeck's writings of the D a d a years. 1 3 1 T h i r d , Huelsenbeck the Dadaist was just as preoccupied as Hulbeck the psycho-analyst w i t h the problem of whether any ultimate meaning inheres w i t h i n that process: sometimes his Dadawritings — e. g. the ten new poems which he added t o the second edition of the Phantastische Gebete (1920) and Doctor Billig am Ende — suggest that the whole thing is a meaningless chaos; sometimes his Dada-writings suggest, after the manner of A r p , that patterns are inherent i n that chaos. Analogously, albeit w i t h less intensity and erraticness, we find Hulbeck, i n i:he 1940's and early-mid-1950's, suggesting that the flux of reality contains a dimension of cosmic meaning, o n l y then, i n the late 1950's and 1960's, 1:0 move away f r o m such buoyant vitalism to more circumspect statements. Fourth, Hulbeck's preoccupation as a psycho-analyst w i t h the irrational elements i n human nature and the creative use of these clearly goes back 1:0 his D a d a years. Hulbeck was right to see the Dadaists i n retrospect as 127 See Richard W. Sheppard, >What is Dada?«, Orbis Litterarum , 34 (1979), pp. 176- 184. 128 Compare his »Reflections on leaving America for goodThe Search for P r i m i t i v i t y * (see footnote 56) for he, like Huelsenbeck the Dadaist, understood that concept to designate a fundamentally creative power i n human nature. Fifth, just as the Dadaists — including Huelsenbeck — were convinced that freedom i n a fluctuating and possibly anomic universe consisted, through harnessing the power of » p r i m i t i v i t y « , i n the attainment of a balance amid opposites 1 3 4 , so Hulbeck the psycho-analyst operated, especially during the 1950's, w i t h exactly the same concept. Thus, i n an incomplete typescript of an unpublished book from the 1950's 1 3 5 , we find h i m concerning himself centrally w i t h the problem of finding an intraand inter-personal balance between the male and the female and the disasters and neuroses which occur when this is not a t t a i n e d 1 3 6 ; and, as has been argued above, Hulbeck's reception of Jung i n the 1950's hinges almost solely upon Jung's concept of the attainment of i n d i v i d u a t i o n through the reconciliation of opposites. Finally, Hulbeck's convictions that creativity is a universal human faculty, that art is o n l y one among many modes of creativity and that the relevance of artefacts lies i n their a b i l i t y to communicate a sense of creativity a l l relate directly t o the » antiaesthetic« developed b y the Dadaists. 1 3 7 Accordingly, Hulbeck's belief that the encounter between patient and therapist is a »creative vacuum«, 132
»Dada oder der Sinn im Chaos*, pp. 9 - 1 0 (see footnote 122). Compare Sheppard, pp. 185 - 187 (see footnote 127). 134 Ibid., pp. 187- 188. 135 Tk e Importance of Inferiority Feelings , undated typescript in the H - N which breaks off half-way through Chapter Four. It is particularly interesting for literary historians since it contains analyses of literary figures from a psychoanalytical point of view. Being almost entirely free from existential terminology and containing a reference (p. 39) to Margaret Mead's The Male and the Female (1949), it probably originated in the early-mid-1950*5. 133
136 Huelsenbeck would have been aware of this problematic from his reading of Jung and Rank (see especially Art and Artist , pp. 329 - 330 where it is said that the struggle between the chthonian, female principle and the cerebral, male principle is that »on which every controversy still turns«), but it is also to be found in the work of Otto Gross (see footnote 7), a theorist who, despite (perhaps even because of) his profound influence on Hausmann and Franz Jung, is never once mentioned in Huelsenbeck's writings. 137 Compare Sheppard, pp. 195 - 200 (see footnote 127).
Richard Huelsenbeck (1892 - 1974) : Dada and Psycho-Analysis
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caused b y chance t o promote g r o w t h 1 3 8 , has clear affinities w i t h the D a d a anti-aesthetic of shock and the unexpected as that was practised b y Huelsenbeck the Dada-Drummer. Just as, according to the Dadaists, the encounter w i t h an artefact should take place i n a »non-aesthetic« context when the beholder's defences are down, so too, according to Hulbeck the psycho-analyst, the awareness of chance elements i n the therapeutic encounter is a v i t a l prerequisite i f unexpected g r o w t h is to come about. A l l of which is to say that there is considerable t r u t h i n Huelsenbeck's retrospective statement: Die Linie vom Dadaismus zur Medizin und speziell zur Psychiatrie ist nicht so lang und so wirr, wie man sich das vorstellen könnte. Ich sehe heute, daß ich immer Arzt und immer Dadaist war oder vielmehr umgekehrt, daß ich immer Dadaist und immer Arzt war und daß das eine nicht nur nicht das andere ausschließt, sondern daß Dada und die Medizin, speziell in der Form der Psychiatrie, zusammengehören. 139 The language of Huelsenbeck's latter years may be less flamboyant, less aggressive, more philosophical, more clinical than that of his D a d a years, but i t is clear that, for Huelsenbeck, D a d a formed the concepts which, when reactivated by secondary stimuli, could serve as the foundation for much of the theoretical w o r k which he produced as a psycho-analyst during the last t h i r t y years or so of his life and a l l o w h i m , even as a very o l d man, to respond to an astonishing extent to the intellectual ferment which was taking place i n American psycho-analytical circles during that period.
138
»Three Creative Phases in Psychoanalysis«, pp. 157-159 (see footnote 64). 139 >Von Dada zur Psychiatrie«, p. 131 (see footnote 12).
20 Literaturwissenschaftlidies Jahrbuch, 26. Bd.
W I L L I A M G O L D I N G ALS » M O V I N G
TARGET«
V o n den Schwierigkeiten des Umgangs m i t einem zeitgenössischen A u t o r V o n Peter Krahé [ . . . ] it is in some ways a melancholy thought that I have become a school textbook before I am properly dead and buried. 1 Philologen stehen einem zeitgenössischen A u t o r gegenüber v o r einer besonderen Schwierigkeit: nicht daß — i n A b w a n d l u n g eines amerikanischen Kampfspruches des 19. Jahrhunderts — nur ein toter Dichter ein guter Dichter wäre, aber dessen W e r k liegt beruhigend abgeschlossen vor, u n d weder neue literarische Erzeugnisse noch persönliche Briefe oder Interviews können daran etwas ändern. Das vermögen nur n o d i die aus der Rückschau verlagerten Schwerpunkte des Publikumsinteresses u n d der literarischen Wertung. D i e Beschäftigung m i t zeitgenössischer Literatur setzt daher eine mehrfach gebrochene Perspektive voraus: z u m einen hat noch kein Zeitablauf sein V e r d i k t darüber gesprochen, ob nicht die Werke gerade dieses Schriftstellers als unerheblich i n die Magazine verbannt werden und das literarische Gesicht unserer Zeit sich aus einer entfernten Retrospektive ganz anders ausnimmt, Zweifel, i n die sich auch die Golding-Forschung zunehmend verstrickt findet u n d die i n den folgenden Abschnitten zu erörtern sind. Z u m anderen muß der Literaturwissenschaftler m i t seinem üblichen Methodenarsenal so tun, als könnte er die eigene Zeit aus historischer Distanz betrachten u n d v o n übergeordneter Warte die konstitutiven Elemente der geistigen Gegenwart namhaft machen. Während er sich jedoch diese Bedingungen i n bezug auf vergangene Epochen, mögen sie so fremd anmuten wie das elisabethanische England oder die Restaurationszeit, m i t Fleiß anlesen kann — aus beiden Quellen, dem seit langem vorliegenden Korpus gedruckter u n d ausgelegter Werke u n d den historischen u n d p h i l o sophischen Untersuchungen zur Zeit — , verlangt Ähnliches für die eigene Gegenwart z u leisten schier Unmögliches: hier w ü r d e v o n vornherein eine Selbsteinschätzung des Werdenden verlangt, u m die es i n den großen zeitgenössischen Auseinandersetzungen wie i n der schöngeistigen Literatur ja gerade geht. 1 William Golding, »Fable«, in The Hot Gates and Other Occasional Pieces (London, 1965), S. 101.
20*
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Peter Krahé
Sich philologisch einem zeitgenössischen A u t o r wie G o l d i n g zu nähern, ist deshalb ein Unterfangen v o n Verdienst u n d Tücke zugleich: das Verdienst liegt i n der Auseinandersetzung m i t der eigenen Gegenwart, dem Erkennen neuer geistiger u n d literarischer Befunde u n d der womöglich rechtzeitigen Proklamation eines großen Dichters, der noch als »bewegliches Ziel« erlebt u n d nicht nur posthum begutachtet werden kann. D i e Tücken des Unterfangens sind vielschichtig, wobei die Befürchtung, sich einem wissenschaftlich unerheblichen Gegenstand gewidmet zu haben, unangemessen sein dürfte. I m Falle Goldings folgt man ohnehin einer i n jüngster Zeit noch einmal verstärkten Tendenz der englischen Philologie, u n d ein Großteil forscherischen Bemühens besteht eingestandenermaßen i n einer Kärrnerarbeit, derer sich niemand zu schämen braucht. Auch auf der Ebene der Dichtung selbst hat es stets der Vorläufer bedurft, u m eine neue Blüte zu ermöglichen. 2 I [ . . . ] a man more analysed than analysing.3 Große Verwirrungen erwachsen aus dem Versuch, sich beim A u t o r über den Gegenstand der eigenen Untersuchungen rückzuversichern u n d die vorgelegten Thesen entweder v o n i h m bestätigen zu lassen oder sich neue Anregungen zu erhoffen u n d erneute Deutungen u m seine Aussagen zu ranken. G o l d i n g hat sich hauptsächlich zu Beginn der sechziger Jahre i n ungezählten kleineren Beiträgen, i n Reden u n d auf Befragung h i n zu seinen Werken geäußert u n d damit die Forschung i n Bewegung gehalten. Für Lord of the Flies lieferte er i n »Fable« eine A r t Modellinterpretation u n d machte i m Falle v o n Pincher Martin sogar den Versuch einer autorisierten Deutung. 4 »Much critical i n k has been spilled because G o l d i n g giggled the inkwell.« M c C u l l e n schildert genüßlich die so entstandene Forschungslage: »Succeeding interviews b u i l t u p o n w h a t earlier interviewers said that G o l d i n g said, and then later commentators came along t o fit these remarks t o the novel.« 5 Diese Rückversicherungsstrategie geht i n ihrem Bestreben 2 Zu dieser Problematik vgl. Arno Esch, »Zur Situation der modernen englischen Dichtung: Die Suche nach einer Mythologie«, Germanisch-Romanische Monatsschrift, N . F. Bd. 6 (1956), S. 174 f. und als neuere Sichtung: ders., Zur Sichtung der zeitgenössischen englischen Lyrik (Opladen, 1980). 3 Golding, »Utopias and Antiutopias«, in A Moving Target (London, 1982), S. 171. 4 Nach einem Beitrag zur Radio Times in der Forschung mehrfach abgedruckt, z.B. in: Frank Kermode, »William Golding«, in Puzzles and Epiphanies , Essays and Reviews, 1958 - 1961 (London, 1962), S. 207 f. 5 Maurice L. McCullen, »>Lord of the Fliese The Critical Quest«, in William Golding. Some Critical Considerations , hrsg. Jack I. Biles und Robert O. Evans (Lexington, 1978), S. 228, 229.
William Golding als »Moving Target«
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nach Autorisierung bis z u m Vertraulichtun Tigers, die G o l d i n g w i e einem D o k t o r v a t e r nicht nur für die Jahre der Konversation u n d des Briefwechsels dankt, sondern selbst für eine »detailed response to an earlier version of this manuscript.«® Es scheint, daß Golding i n einer A r t Sekundärliteratur letzter H a n d damit als Forschungsgegenstand definitiv behandelt ist. M a g es auch ein verständlicher u n d häufiger K u n s t g r i f f der Forschung sein, auf Mitteilungen des Autors zu verweisen 7 , so w i r d damit d o d i eine Kompetenz beansprucht, die nicht mehr primär philologischer N a t u r ist. Welcher Literaturwissenschaftler w i r d es wagen, einem Dichter bezüglich dessen eigenem Œ u v r e zu widersprechen, ohne sich dem Verdacht der Amtsanmaßung preiszugeben? Dennoch liegt i n solchen affirmativen Forschungsarbeiten weniger eine wissenschaftliche Leistung als ein Beitrag zur M y t h e n b i l d u n g u m G o l d i n g zu Lebzeiten vor. E r selbst hat sich i n The Paper Men auch innerhalb eines Romans gegen eine solche Einvernahme durch die Forschung i n einer komisch-entlarvenden Episode verwahrt. D e r Schriftsteller W i l f r e d Barclay hört einem V o r t r a g des amerikanischen Literaturwissenschaftlers Rick L . Tucker zu, der bei einem früheren Besuch v o n i h m dabei ertappt worden war, wie er die M ü l l t o n n e nach auswertbaren Papieren durchsuchte: He claimed, I heard him mutter, a deep personal relationship with me and (what a more experienced academic would not have wished to have, knowing the slipperiness of that slope) my verbal agreement with everything he was now telling his listless audience.8 D i e besondere Schwierigkeit hinsichtlich der Stellungnahmen eines Schriftstellers zu seinem eigenen W e r k scheint darin z u liegen, daß sie weder i m Ganzen zu akzeptieren, noch ebenso allgemein abzulehnen sind. Literarhistorisch lassen sich Zeugnisse v o n törichten Selbsturteilen ebensogut belegen w i e solche v o n großer Präzision. Goldings vielzitierte Vorliebe für The Inheritors ·, die abstruse Geschichte der Steinzeitmenschen, könnte ein Beleg für die erste Möglichkeit sein, während etwa Thomas M a n n sehr kompetent zur Deutung des eigenen Werkes beizutragen wußte. Welcher A u t o r zeigte sich nicht geschmeichelt, wenn man Tiefgründiges bei i h m ® Virginia Tiger, William Golding. The Dark Fields of Discovery (London, 1974), S. 11. 7 So ζ. Β. James R. Baker, William Golding. A Critical Study (New York, 1965), S. V I I ; James Gindin, »>Gimmick< and Metaphor in the Novels of William Golding«, Modern Fiction Studies, Bd. 6 (1960), S. 145; Patrick O'Donnell, »Journey to the Center: Time, Pattern, and Transcendence in William Golding's >Free Fall·«, Ariel, Bd. 11, H . 3 (1980), S. 85 und Tiger, passim. 8 Golding, The Paper Men (London, 1984), S. 23 f. « Berichtet u. a. von Bernard S. Oldsey, Stanley Weintraub, The Art of William Golding (New York, 1965), S. 43.
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entdeckt u n d seine Werke ernsthaft m i t Robinson Crusoe oder Gulliver's Travels vergleicht, u n d w e m würde nicht unbehaglich bei dem Gedanken, durch Einflüsse v o n Taffrails Pincher Martin O.D. oder Hughes' A High Wind in Jamaica möglicherweise i n die N ä h e eines Plagiators gerückt zu erscheinen? W e n n G o l d i n g die enge Vertrautheit m i t beiden Werken entschieden bestritt, so ist ein Vergleich v o n T a f f r a i l - D o r l i n g 1 0 oder Hughes u n d G o l d i n g unter den Aspekten des Motivvergleichs u n d der literarischen Verarbeitung sicherlich aufschlußreicher, als wenn man sich auf die D i a gnose einer positivistisch-mechanischen Übernahme beschränkte. Schon K e r mode zieht i m Zusammenhang der Autoräußerungen Lawrence heran u n d zitiert dessen AufgabenzuWeisung an den K r i t i k e r , » [ . . . ] to save the tale f r o m the artist.« 1 1 Gemäß Nietzsches Zweiteilung »Das eine b i n ich, das andre sind meine Schriften« sollte man sich darauf beschränken 12 , die Selbstaussagen eines Autors so ernst zu nehmen wie alle anderen Beiträge zur Erörterung. Liegt ein W e r k einmal i m Druck vor, gibt es auch für den U r heber kein Zurück mehr: es können philologisch ermittelbare Befunde darin sein, die dem Verfasser i n dieser Form nicht bewußt waren oder die er auf diese Weise nicht beabsichtigt hätte. G o l d i n g stimmt dem zu, indem er gleichzeitig auf das mystische Element des Schaffensprozesses hinweist: » [ . . . ] i t w o u l d seem that the act of creation is as strange to the w r i t e r as t o his reader.« 1 3 E r ist sich nach anfänglichen Auseinandersetzungen m i t der K r i t i k dieser Problematik v o n Autoraussagen bewußt geworden u n d hat den Alleinvertretungsanspruch auf die Bedeutungserhellung seiner Werke ausdrücklich aufgegeben: I no longer believe that the author has a sort of patria potestas over his brainchildren. Once they are printed they have reached their majority and the author has no more authority over them, knows no more about them, perhaps knows less about them than the critic who comes fresh to them, and sees them not as the author hoped they would be, but as what they are. 14 D e m widerspricht nicht, daß er sich auch i n jüngster Zeit als K ö n i g oder G o t t über seine Romane u n d deren Gestalten bezeichnet. 15 Diese i n der T r a 10 Vgl. Ian Blake, »>Pincher Martine William Golding and >TaffrailOh, the continent of a man!< Das Menschenbild in William Goldings Romanen >Free Fall·, >The Spire< und >The PyramidHuman Season*«, Studia Mystica , Bd. 3 (1980), S. 53. 32 Oldsey, »Salinger and Golding«, S. 141.
William Golding als »Moving Target«
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als des Autors eines großen Romans — Lord of the Flies — zu begünstigen, indem er selbst ungleich häufiger auf dieses als auf eines der anderen Werke als Beleg seines Ruhmes verweist, seine Eignung als Schullektüre ironisch hervorhebt u n d neben die bereits bekannten Anekdoten neue stellt. 3 3 Diesseits des A t l a n t i k s u n d insbesondere i n Westdeutschland scheint der R u f Goldings dagegen v o n größerer Beständigkeit zu sein als i n Amerika. Wenn V . S. Pritchett die Verbreitung v o n Lord of the Flies gerade i n Deutschland m i t seiner bedenklichen jüngeren Vergangenheit wünschte 3 4 , dann konnte er nicht ahnen, wie vollständig diese H o f f n u n g erfüllt werden sollte, i n dem Maße, daß bis heute Goldings Buch neben Salingers Catcher in the Rye eine fast obligatorische Lektüre jedes Kurses der gymnasialen Oberstufe darstellt. Diese beiden Werke erhalten damit für die englische u n d amerikanische Literatur des 20. Jahrhunderts eine künstliche Repräsent a t i v i t ä t , die ihre wirkliche Bedeutung überzeichnet. Zumindest aus dem Werke Goldings selbst scheint sich jedoch kein Ersatz als Schullektüre anzubieten: seine weiteren Bücher sind entweder zu schwierig, belanglos oder beinhalten eine Fülle zweifelhafter sexuell bestimmter Passagen, die die Frage aufgeworfen haben, ob es i n seinem Gesamtwerk ähnlich w i e i n dem T . S. Eliots überhaupt eine einzige positiv getönte Liebesbeziehung gebe oder ob nicht alles dergleichen bei i h m Aspekte v o n »life's lavatory« oder dem »human farmyard« seien. 35 Wenn menschliche H a r m o n i e allenfalls i m p l i z i t anzutreffen i s t 3 8 u n d auch die neuesten Bücher diesen Eindruck bestärken, so soll doch des Dichters explizites Bekenntnis dazu nicht unterschlagen werden: »We must produce homo moralis, the human being w h o cannot k i l l his o w n k i n d , nor exploit them nor rob them.« 3 7 T r o t z mancher Einzelstudie z u bisher vernachlässigten Werken w i e The Spirey Free Fall u n d The Pyramid bleibt die Forschung immer noch entschieden auf Lord of the Flies ausgerichtet, wie die Fülle v o n Aufsätzen und sogar Buchveröffentlichungen belegt. D i e Populärphilologie proklamiert den »Text« Lord of the Flies unter der Kategorie »Literatur für den Unterricht« bis i n die jüngste Zeit hinein m i t einer Vehemenz, als gälte es, end33 Golding, »Moving Target«, S. 162 f., 168 f.; »Belief and C r e a t i v i t y « , S. 198: »The book yields readily to explication, to instruction, to the trephining of the pupil's skull by the teacher and the insertion into the pupil's brain by the teacher of what the pupil ought to think about it.« 34 Tiger, S. 44. 35 Oldsey / Weintraub, S. 170 und Golding, Paper Men, S. 51. Vgl. allein den Katalog der »sexual aberrations« in The Pyramid: A v r i l Henry, »William Golding: >The Pyramid««, Southern Review: An Australian Journal of Literary Studies , Bd. 3 (1968), S. 13 f. se Henry, S. 22. 37 Golding, »Utopias and Antiutopias«, S. 184.
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lieh Längstversäumtes nachzuholen. Bakers u n d Oldseys Beobachtungen sind hier ungehört verhallt, was u m so bedenklicher stimmt, als ein Roman fast dreißig Jahre nach seinem Erscheinen eine literaturgeschichtliche Einordnung verlangt u n d nicht mehr unbesehen als englische Gegenwartsliteratur ausgegeben werden darf. Immer noch wie die Vorstellung einer Neuerscheinung w i r k e n hier insbesondere die Aufsätze v o n Freese u n d Kahrmann, die das oftmals Gesagte m i t Pope erneut beteuern: »What oft was thought, but ne'er so w e l l express'd«. 88 III [. . . ] that book, Lord of the Flies, which by now I have gone near to surrounding with commentary the way Dante surrounded the Vita Nuovaß 9 Gewiß ist es gerade bei der Erforschung eines zeitgenössischen Autors besonders schwierig, Überschneidungen i n der Thematik oder i n Einzelzügen der Analyse zu vermeiden, da schon die bibliographische Vorarbeit für den jüngsten Zeitraum notwendig Stückwerk bleiben muß. Deshalb ist M c C u l lens Forschungsbericht v o n 1978 zu Lord of the Flies zu begrüßen, selbst wenn er die relevante Literatur nur etwa bis 1970 erfaßt u n d i h m die Auslandsanglistik vollends verschlossen bleibt. N o t w e n d i g sind auch die Bibliographien v o n Biles u n d L u t z , obgleich nicht v o n Unrealistischem oder Uberflüssigem frei: Biles registriert noch amerikanische Magisterarbeiten u n d L u t z verzeichnet neben Literaturgeschichten H i l f s m i t t e l , die keinerlei I n f o r mationsgewinn für die Beschäftigung m i t G o l d i n g bereithalten. Wie sehr die Forschung gerade i m Falle v o n Lord of the Flies parallel arbeitet u n d wie oft Ergebnisse resümierend wiederholt werden, w i r d am Beispiel des Ballantyne-Einflusses deutlich, der sich nicht nur jedem angelsächsischen Leser v o n selbst aufdrängt, sondern bekanntermaßen durch den ambivalent-rettenden Seeoffizier am Ende des Romans angesprochen w i r d . 4 0 D a einzuräumen ist, daß eine ernsthafte Auseinandersetzung m i t Lord of the Flies nicht u m h i n kann, den viktorianischen Jugendbestseller wenigstens zu streifen, ist eine vollständige Behandlung der Forschungsliteratur hier nicht möglich. Bereits Kermode u n d Niemeyer gehen ausführlich auf Coral Island e i n 4 1 ; M o r g a n untersucht dagegen den Einfluß Ballantynes auf Pin38 Peter Freese, »Verweisende Zeichen in William Goldings >Lord of the FliesPindier Martin« and >The Coral IslandLord of the Flies««, in Der moderne englische Roman. Interpretationen, hrsg. Horst Oppel (Berlin, 1965), S. 328 - 333; Robert S. Anderson, »Lord of the Flies on Coral Island«, Canadian Review of Sociology und Anthropology , Bd. 4 (1967), S. 54 - 58; Oldsey / Weintraub, S. 3 6 - 4 0 ; Mark Kinkead-Weekes, Ian Gregor, William Golding. A Critical Study (London, 1967, repr. 1970), passim; Leighton Hodson, William Golding (Edinburgh, 1969), S. 22 - 24. 44 John S. Whitley, Golding: Lord of the Flies (London, 1970), passim; Ryan, S. 140 f.; Tiger, S. 46 - 50. 4 ® Oldsey / Weintraub, S. 34.
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v o r l e g t 4 6 , mokiert sich G r a y noch i n einer Rezension v o n Rites of Passage über die Suche der Rezensentenkollegen nach V o r b i l d h a f t e m zwischen Defoe und Conrad.47 N i c h t nur i n diesen Fragestellungen u n d ihren Ergebnissen, sondern audi i n der methodischen Anlage der Studien zu Golding ergibt sich eine bemerkenswerte Einheitlichkeit: Bücher, Sammelbände, Dissertationen u n d A u f sätze pflegen das W e r k unter Auslassung der schwer zugänglichen frühen Poems chronologisch abzuhandeln, oftmals unter Verzicht auf eigene Gewichtungen, die ihren Ausdruck i n der Titelgebung fänden, so daß viele K a p i t e l allzusehr v o n Paraphrasen des jeweiligen Werkes belastet sind. So besprechen Kermode, G i n d i n u n d Kinkead-Weekes / Gregor die ersten vier Romane, also bis Free Fall; Baker, Oldsey / Weintraub, Hodson, Tiger u n d Leibold kommen bis zu The Spire , Boyle schließt auch The Pyramid m i t ein, welches Leibold einer Betrachtung unwert erschienen w a r , u n d Johnston folgt der additiven Methode bis Darkness Visible ,48 Eingedenk dieser Forschungssituation u n d der Verlagerung der Goldingschen Fragestellung v o n der Diagnose auf die Untersuchung der Ursachen der condition humaine , w i d m e t sich Wicht den drei inzwischen mittleren Romanen Free Fall, The Spire u n d The Pyramid .4β Während sich eine eher mechanistisch-reihende Betrachtungsweise anbot, solange der Dichter nicht mehr als zwei oder drei Werke i n die Diskussion eingebracht hatte, würde man heute eine stärker analytisch ausgerichtete Methode nach durchgehenden Zügen u n d übergeordneten Gesichtspunkten wünschen, da diese Abfolge v o n Einzeluntersuchungen zu sehr v o n der Auffassung bestimmt ist, i n der Reihe der Werke werde auch eine innere Entwicklung m i t zunehmender K l a r h e i t sichtbar. G o l d i n g selbst legt W e r t auf die Betonung der Verschiedenheit seiner Werke: » I have always felt that a writer's books should be as different f r o m each other as possible.« 50 46 Kahrmann, »William Golding«, in Englische Literatur der Gegenwart, hrsg. Horst W. Drescher (Stuttgart, 1970), S. 313. 47 Ronald Gray, »>Rites of Passage*«, Cambridge Quarterly , Bd. 10 (1981 - 82), S. 242: »Not that there haven't been plenty of learned comparisons, bringing in Conrad, Melville, »Robinson CrusoeThe Burning Birde Golding's >Poems< and the Novels«, Studies in the Literary Imagination , Bd. 12, H . 1 (1980), S. 97 - 117. s 4 Golding, »Fable«, S. 86; »In M y Ark«, in The Hot Gates, S. 105 und »Crabbed Youth and Age«, in Moving Target, S. 102. 55 Hodson, »>The Scorpion Gode Clarity, Technique, and Communication«, in William Golding. Some Critical Considerations , S. 188:. 52
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rationalistischen W e l t b i l d , die sein W e r k v o n Lord of the Flies bis zu The Paper Men durchziehen u n d geradezu als Merkmale eines kleineren Meisters gelten dürfen, verwundert es dagegen nicht, daß andere den Versuch gewagt haben, die Essenz seines Schaffens aus einem einzelnen Buch zu ziehen, wie dies Keller i n seiner kleinen Studie anhand v o n Free Fall t u t . 5 6 W a r H o d sons Eulogie eine Uberschätzung, so stellt dies eine Mißachtung des Autors dar, dessen W e r k sicherlich umfangmäßig keinen >Rahmen sprengt*. Wenn also nicht die Fülle der Textzeugen den Zugang zu G o l d i n g erschwert, so vielleicht eine oft beklagte Undeutlichkeit u n d Dunkelheit, plötzliche U m schwünge u n d überraschende Schlüsse, die, i n einer durchweg poetisierten Sprache gehalten, kein Verschlingen des Lesestoffes zulassen, sondern eine gleichbleibende Aufmerksamkeit des Lesers erfordern.
IV I claim the privilege of the story-teller; which is to be mystifying, inconsistent, impenetrable and anything else he pleases provided he fulfils the prime clause in his unwritten contract and keeps the attention of his audience.5? Der V o r w u r f der Undurchsichtigkeit u n d Dunkelheit t r i t t spätestens m i t dem Erscheinen des dritten Romans Pincher Martin hervor u n d ist dann stets gekoppelt m i t einem Kunstgriff, den die Forschung gimmick , trick ending oder neuerdings Koda genannt h a t 5 8 u n d der vielfach noch deutlicher als das Gefühl des Lesers charakterisiert wurde, v o m Erzähler u m seine E r wartungen betrogen worden zu sein. Baker sieht i n der Abfolge v o n G o l dings Werken eine zunehmende Neigung zur obscurity , die i h n seiner Leserschaft praktisch entzieht: Indeed, all of the books written since Lord of the Flies have seemed less and less intelligible to those who accept the established critical views. And Golding himself, on the eve of the publication of The Spire , appeared to be a man behind a glass wall, gesturing dimly and no longer clearly audible.s® Sollte dies möglicherweise die Forschung z u verstärkten detektivischen Bemühungen bei der Auslegung anstacheln, so ergeben sich die Reaktionen v o n Lesepublikum u n d Feuilleton daraus doch wie zwangsläufig: 56 Rolf Heinrich Keller, The Philosophy of William Golding. With Special Reference to >Free Fall· (Diss. Zürich, 1975). 57 Golding, »Belief and Creativity«, S. 202. 58 Monika Fasching, »Menschenbild und Sprache in den Romanen William Goldings«, in Essays in Honour of Erwin Stürzl on His Sixtieth Birthday , hrsg. James Hogg (Salzburg, 1980), Bd. 1, S. 138. 59 Baker, William Golding, S. 70.
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The later novels [ . . . ] have put an unusual burden on his interpreters. The response has not been favorable: Golding's popularity has declined, and some of the more serious critics have raised the charge of obscurity. 60 Dieser V o r w u r f , der übrigens auch dem Ansehen anderer neuerer Dichter wie D y l a n Thomas abträglich ist, t r i f f t zwar sicherlich noch für Darkness Visible , nicht jedoch für den historisierenden Roman Rites of Passage zu, der für den Interpreten v o n ebensolcher K l a r h e i t sein sollte wie der Erstling. Der E i n w a n d der Obskurität ist so eng m i t dem Eindruck des Lesers verbunden, hintergangen worden zu sein, daß eine getrennte Behandlung dieser Bedenken w i l l k ü r l i c h anmuten würde. Bezieht sich Baker v o r allem auf Pincher Martin u n d Free Fall* 1, so hat Boyle insbesondere The Spire i m Auge: The Spire is an irritating novel, for Golding strains to the limit of our tolerance for stylistic idiosyncrasies. He does too little and he asks too much of his readers. From a sprig of holly and a wisp of red hair, we are to conclude that Pangall has been murdered, than Dean Jocelin lusts for Goody. [ . . . ] We feel cheated [ . . . ] 6 2 Auch Hodson sieht i n The Scorpion God die Gefahr der gewollten Undeutlichkeit, ist jedoch bereit, sie unter Goldings Vorzüge als Erzähler zu rechnen: »The entertainment is intellectual and austere [ . . . ] « — » W i t h this economy of expression, the reader is left to fill i n the gaps, much as the listener must do for Webern's music.« 6 3 I n einem berühmten Beitrag zur frühen Golding-Forschung sieht Peter die obscurity zunehmend sowohl stilistisch als auch i n der Komposition begründet, u n d i n Verfolgung ähnlicher Erwägungen vermutet Walters, daß diese Schwierigkeiten i n der v o n G o l d i n g bevorzugten Gattung begründet liegen, die sie gemeinsam m i t Peter als fable versteht 6 4 , eine Auffassung, der sich Golding anschließt. W i r d hier nach Ursachen geforscht, so k l i n g t dagegen etwas wie Resignation aus Skiltons »Things are not straightforward i n Golding's w o r l d « , w o m i t er seine einigermaßen ratlose Erörterung v o n The Pyramid beschließt, die allein m i t der Deutung des Titels schier unüberwindliche Schwierigkeiten hat u n d nicht recht über Paretos Sozialpyramide 66
Baker, S. 90. Baker, S. 40, 70. Oldsey / Weintraub gehen auf diesbezügliche Vorwürfe gegen Free Fall ein und geben zu bedenken, ob dann nicht auch James Fenimore Cooper der Vorwurf der obscurity zu machen wäre (S. 122). 62 Boyle, S. 31. 63 Hodson, »>The Scorpion Godgimmick-ending< beschränkt, geschieht dies in erster Linie, um sich einen möglichst großen Leserkreis zu sichern und dessen kritisches Vermögen zu s c h ä r f e n . ™ Nach dem bisher Gesagten scheint das gerade Gegenteil bewirkt worden zu sein. Die kritische und teilweise nahezu pikiert anmutende H a l t u n g der Forschung gegenüber dieser Technik verläßt Leibold damit v ö l l i g und schließt sich Henrys Auffassung an: »various devices forcing his hurried modern readers to reread«. 79 Für Golding kann dies als Versuch gelten, dem Zwang des »conform to stereotyped patterns« i m Sinne der Absatzförderung durch die Schaffung einer latenten Spannung zu entgehen. 80 Er schiebt damit seinerseits der verringerten literarischen Sensibilität des Publikums die Verantwortung zu; obscurity scheint ihm ein Lieblingsvorwurf der K r i t i k überhaupt zu sein. D a m i t reicht die Einschätzung dieser künstlerischen Eigenheiten Goldings von der Vermutung des Ideenmangels und dem V o r w u r f , nurmehr für Philologen zu schreiben, bis zur Propagierung des pädagogischen Eros, der alten Vorstellung des Dichters als Erzieher und vielleicht i n Goldings persönlichem Falle ein R e l i k t seines ehemaligen Berufs als Lehrer. Seine eigene Reaktion auf diese lebhafte Diskussion i n der Forschung ist ein zunehmend deutlicheres Bekenntnis zu seinen Inkonsequenzen und der Versuch, diese dem nicht aufklärbaren Prozeß künstlerischen Schaffens i m Sinne einer Tiefendimension zuzuschreiben.
76 Peter Green, »The World of William Golding«, Transactions of the Royal Society of Literature of the United Kingdom , Bd. 32 (1963), S. 49 ff. 77 Oldsey / Weintraub, S. 63. ™ Leibold, S. 28. ™ Henry, S. 16. so Golding, »On the Crest of the Wave«, in The Hot Gates , S. 132.
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V [ . . . ] we rely on the readiness of people to perform an operation every bit as mysterious as the writing. 8 1 M e h r als andere Autoren, daran beginnt man sich zu gewöhnen, erschließt sich G o l d i n g erst beim zweiten Lesen u n d der Aufarbeitung der beim ersten Versuch unvollständig aufgefaßten Feinheiten. Seine durchweg als poetisch hervorgehobene Sprachgebung verhindert den Eindruck, daß hier ein Schriftsteller Whodunits auf allgemein-literarischer Ebene schreibe oder eine Botschaft sorgsam verschlüssele, die der Leser dann seinerseits m i t A k r i b i e zu dekodieren habe. Sicher sind solche überraschenden Momente i m K r i m i n a l roman zu finden 82, sie gehören jedoch ebenso zum Instrumentarium der traditionellen Erzählkunst, wie etwa Thackerays berühmter Schachzug, den Leser v o n Vanity Fair unversehens v o r die vollendete Tatsache der Eheschließung Becky Sharps zu stellen. Goldings literarische Technik k a n n geradezu als der Versuch gelten, aus dem Schicksal einer einmaligen Rezept i o n auszubrechen, z u der Unterhaltungsliteratur u n d technische Medien i h r P u b l i k u m erziehen, für einen zweiten Lesedurchgang neue Anreize zu bieten u n d damit für die Behandlung i n Wissenschaft u n d Unterricht eine Herausforderung darzustellen. A n einer Stelle i n The Paper Men findet sich sogar die Regieanweisung des Erzählers an den Leser, ein vermeintlich vergessenes D e t a i l nachzuschlagen: »(Yes, I k n o w y o u ' l l have forgotten Johnny's dog. L o o k i t u p . ) « 8 3 Wie v o n Wicht u n d L u t z behauptet, offenbart sich G o l d i n g auch darin als konservativer Schriftsteller 8 4 , daß er nicht allein versucht, die Lücke zwischen der Allegorie der Vergangenheit u n d der realistisch ausgerichteten Dichtung der Gegenwart zu schließen 85 , sondern darüber hinaus die heutigen extensiven Rezeptionsgewohnheiten wieder m i t den intensiven früheren Zeiten verbinden w i l l : anstelle reichlicher Lektüre soll genauer gelesen, sollen die Vorzüge des Buches i m Verweilen u n d Zurückblättern 81
Golding, »Belief and Creativity«, S. 194. Schon Drasdo spricht von einer » detective-story sort of fascination«: S. 35. 83 Golding, Paper Men, S. 129; vgl. 115. 84 Wicht, S. 60, 63; Lutz, William Goldings Prosawerk im Lichte der Analytischen Psychologie Carl Gustav Jungs und der Psychoanalyse Sigmund Freuds (Diss. Tübingen, 1975), S. 281: »Goldings Verhalten ist symptomatisch für die reaktionäre Verbitterung des bürgerlichen, extrem individualistischen Schriftstellers, der zwar die Mißlichkeit der ihn umgebenden Welt erkannt hat, aber deren Ursachen nicht beseitigen möchte, so daß er keine zukunftsweisenden, positiven Alternativen zu bieten weiß, sondern stattdessen einer vergangenen Ordnung nach hängt, deren Werte er heraufbeschwört, — freilich nicht ohne auch diese zu ironisieren.« Vgl. dazu Goldings Selbsteinschätzung: »I have always been a curious mixture of conservative and anarchist.« (»My First Book«, in Moving Target , S. 149). 85 Oldsey / Weintraub, S. 170 f. 82
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gegenüber dem unerbittlichen A b l a u f eines Films wahrgenommen werden. D e r Widerspruch zwischen diesem Angebot u n d dem tatsächlichen Leseverhalten der meisten Leser ist unüberhörbar: » I can understand readers being f a i n t l y indignant at that. Y o u don't expect to read a man twice.« 8 6 D i e starken visuellen Elemente seiner Darstellungskunst — » T h i n k i n g and seeing I suppose to be functions of each other [ . . . ] « — 8 7 hat die Forschung fast einhellig e r k a n n t 8 8 , u n d schon Peter dehnte den Begriff des Poetischen v o n der sprachlichen Gestaltung i n Pincher Martin auf die Strukt u r aus, indem er auf die Bedeutung der Gesamtheit hinwies. » [ . . . ] like a good poem, its ultimate power lies less i n the resources of its parts than i n its scope as a w h o l e . « 8 9 Kermode geht ebenfalls v o n diesem W e r k aus u n d verallgemeinert, daß jedes einzelne v o n Goldings Büchern auf vorbewußter Ebene den Status der L y r i k anstrebe. 90 Green vergleicht den ersten Eindruck v o n Lord of the Flies auf die frühen Rezensenten m i t sehr ähnlichen W o r ten: » [ . . . ] i t reached them i n the same w a y as a good poem, through direct emotional apprehension.« 9 1 W a r G o l d i n g als Vermittler unterschiedlicher Prosatraditionen angesehen worden, so k o m m t hier die Fähigkeit hinzu, die herkömmlichen Großgattungen v o n Prosa, L y r i k u n d D r a m a zu überschreiten, wobei t r o t z aller kathartischen Szenen, bühnenwirksamen Wendungen u n d der wichtigen Rolle dialoghafter Sprache der A k z e n t auf einer gegenseitigen Durchdringung v o n Prosa u n d L y r i k zu liegen scheint. Der Tendenz gattungsübergreifender Kunstgebilde gibt G o l d i n g auch i n seiner Selbsteinschätzung als wordsmith Ausdruck u n d relativiert damit die eigene A b grenzung des Romanciers v o m lyrischen Dichter: »We, w i t h our huge pack of words on our backs are pedlars, the poets' poor relations.« 9 2 D e n berühmten Lücken, die der Leser zu füllen hat, k o m m t damit eine ähnliche Funk86 Zit. nach: Baker, »An Interview with William Golding«, Twentieth Century Literature , Bd. 28 (1982), S. 169. Noch in seiner Nobelpreisrede rühmt Golding dagegen die Vorzüge des Wiederlesens: »Nobel Lecture«, in A Moving Target (London, 1984), S. 209. 87 Golding, »Egypt from my Outside«, in Moving Target , S. 78. 88 Oldsey / Weintraub, S. 98. 89 Peter, S. 591. 99 Kermode, S. 207. 91 Green, S. 45. 92 Golding, »Moving Target«, S. 155; »Belief and Creativity«, S. 192. In einer weiteren Dimension wurde Golding auch eine Mittlerfunktion zwischen den Nationalliteraturen zugesprochen. Vgl. W. E. Yuill, »Tradition and Nightmare. Some Reflections on the Postwar Novel in England and Germany«, in Affinities. Essays in German and English Literature , dedicated to the memory of Oswald Wolff, hrsg. R. W. Last (London, 1971), S. 166: »In Golding the search for ulterior meaning that is typical of German novelists is impressively combined with the realistic narrative tradition that represents the mainstream of the English novel.«
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t i o n zu wie den unverbunden nebeneinanderstehenden Passagen i n Gedichten T . S. Eliots oder G o t t f r i e d Benns. Noch mag Goldings Stellenwert i m K a n o n der englischen Literatur umstritten sein, aber eine Einschätzung, die sich über Lord of the Flies u n d Pincher Martin hinaus an manchen anderen Werken belegen läßt, die an der Atmosphäre v o n The Spire u n d den M i l t o n Anklängen v o n Darkness Visible offenbar w i r d , k a n n G ü l t i g k e i t i n der Forschung beanspruchen: » [ . . . ] G o l d i n g may be regarded as belonging to that very small but very special group of novelists — like E m i l y Brontë and Thomas H a r d y — w h o , because of the characteristics of their imagination can be described as poets.« 9 3 Wie W i l l i a m G o l d i n g durch den Druck der Forschung seinen Anspruch auf die einzig gültige Deutung seines Werkes aufgegeben hat, so ist er i n jüngster Zeit unter der Last der öffentlichen Ehrung u n d der fortgesetzten Bemühungen der L i t e r a t u r k r i t i k audi wieder v o n dem defensiven Anspruch abgerückt, ein bewegliches Z i e l zu sein. Es k l i n g t daher einigermaßen resigniert, wenn er i n der Festansprache zur Verleihung des Nobelpreises am 7. Dezember 1983 sagt: » I t h i n k apprehensively of the m a r k I present, once a m o v i n g target but n o w , surely, a fixed one, before the serried ranks of those w h o can shoot at me i f they choose.« 94
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Davies, S. 97; zu den Milton-Anklängen vgl. S. 113. Als gute Paraphrase vgl. Johnston, S. 98 ff. Zur Gestalt Mattys: Gunnel Cleve, »Some Elements of Mysticism in William Golding's »Darkness Visibleaet ic eom mode seoc / bittre abolgen«, überhöht allerdings v o n der Jenseitserwartung. I m Wanderer findet sich der Ausdruck »earmcearig eSle bidaeled / freomaegum feor« (»in herbem Jammer v o n der H e i m a t geschieden / fern v o n den Freund verwandten«). 8 D i e pragmatische Schilderung der Leidenssituation setzt freilich den eigenen Heroismus i n Gegensatz zu der Lebensweise der H e i m a t (bes. i m Seefahrer). 1 Notorisch ist sein >mal du pays