Lexikographie und Grammatik: Akten des Essener Kolloquiums zur Grammatik im Wörterbuch, 28.–30.6.1984 [Reprint 2017 ed.] 9783111635637, 9783484309036


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German Pages 403 [404] Year 1985

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Table of contents :
Inhalt
Vorwort
Fragen zur Grammatik in Wörterbuchbenutzungsprotokollen. Ein Beitrag zur empirischen Erforschung der Benutzer einsprachiger Wörterbücher
Grammatik im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm
Kollokationen im deutschen Wörterbuch. Ein Beitrag zur Theorie des lexikographischen Beispiels
Definitionswörterbuch kontra Valenzwörterbuch. Zur lexikographischen Darstellung der Verbsyntax aus pragmatischer Sicht
Grammatik im semantisch orientierten Valenzwörterbuch
Von ja bis Jux ohne Tollerei: Bergenholtz/Mugdans grammatisches Wörterbuch
Pläne für ein grammatisches Wörterbuch. Ein Werkstattbericht
Vom wissenschaftlichen Wörterbuch zum Lernerwörterbuch
Die Syntax von sein. Überlegungen zu einem Wörterbuchartikel
Die Beschreibung der Präpositionen im einsprachigen deutschen Wörterbuch
Das zweisprachige Wörterbuch als Schreibwörterbuch: Informationen zur Syntax in zweisprachigen Wörterbüchern Englisch-Deutsch/Deutsch-Englisch
Grammatische Angaben in Lernerwörterbüchern des Englischen
Zur Selektion und Darbietung syntaktischer Informationen in einsprachigen Wörterbüchern des Deutschen aus der Sicht ausländischer Benutzer
Valenz und Bedeutung. Beobachtungen zur Lexikographie des Deutschen als Fremdsprache
Literaturverzeichnis
Liste der Teilnehmer
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Lexikographie und Grammatik: Akten des Essener Kolloquiums zur Grammatik im Wörterbuch, 28.–30.6.1984 [Reprint 2017 ed.]
 9783111635637, 9783484309036

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Series Maior

LEXICOGRAPHICA Series Maior Supplementary Volumes to the International Annual for Lexicography Suppléments à la Revue Internationale de Lexicographie Supplementbände zum Internationalen Jahrbuch für Lexikographie

Edited by Sture Allén, Pierre Corbin, Reinhard R. K. Hartmann, Franz Josef Hausmann, Hans-Peder Kromann, Oskar Reichmann, Ladislav Zgusta

3

Published in cooperation with the Dictionary Society of North America (DSNA] and the European Association for Lexicography (EURALEX).

Lexikographie und Grammatik Akten des Essener Kolloquiums zur Grammatik im Wörterbuch 28.-30. 6.1984

Herausgegeben von Henning Bergenholtz und Joachim Mugdan

Max Niemeyer Verlag Tübingen 1985

C I P - K u r z t i t e l a u f n a h m e der D e u t s c h e n Bibliothek Lexikographie und Grammatik : A k t e n d. E s s e n e r K o l l o q u i u m s zur G r a m m a t i k im W ö r t e r b u c h , 28. - 30.6.1984 / hrsg. von H e n n i n g B e r g e n h o l t z u. J o a c h i m M u g d a n . - T ü b i n g e n : Niemeyer, 1985. (Lexicographica : Series maior ; 3) NE: B e r g e n h o l t z , H e n n i n g [Hrsg.]; K o l l o q u i u m zur G r a m m a t i k im Wörterbuch ; Lexicographica / Series maior ISBN 3-484-30903-2

ISSN 0175-9264

© Max N i e m e y e r Verlag T ü b i n g e n 1985 Alle R e c h t e v o r b e h a l t e n . O h n e G e n e h m i g u n g des Verlages ist es nicht g e s t a t t e t , d i e s e s Buch oder Teile d a r a u s p h o t o m e c h a n i s c h zu vervielfältigen. P r i n t e d in G e r m a n y . Druck: W e i h e r t - D r u c k G m b H , D a r m s t a d t .

INHALT

Vorwort

7

HERBERT ERNST WIEGAND: Fragen zur Grammatik in Wörterbuchbenutzungsprotokollen. Ein Beitrag zur empirischen Erforschung der Benutzer einsprachiger Wörterbücher

20

JOACHIM BAHR: Grammatik im Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm

99

FRANZ JOSEF HAUSMANN: Kollokationen im deutschen Wörterbuch. Ein Beitrag zur Theorie des lexikographischen Beispiels . . 118 EKKEHARD ZÖFGEN: Definitionswörterbuch kontra Valenzwörterbuch. Zur lexikographischen Darstellung der Verbsyntax aus pragmatischer Sicht

130

HELMUT SCHUMACHER: Grammatik im semantisch orientierten Valenzwörterbuch

159

BRODER CARSTENSEN: Von ja bis Jux ohne Tollerei: Bergenholtz/Mugdans grammatisches Wörterbuch

175

JOACHIM MUGDAN: Pläne für ein grammatisches Wörterbuch. Ein Werkstattbericht

187

HENNING BERGENHOLTZ: Vom wissenschaftlichen Wörterbuch zum Lernerwörterbuch

225

HEINRICH ERK: Die Syntax von sein. Überlegungen zu einem Wörterbuchartikel

257

BURKHARD SCHAEDER: Die Beschreibung der Präpositionen im einsprachigen deutschen Wörterbuch

278

THOMAS HERBST: Das zweisprachige Wörterbuch als Schreibwörterbuch: Informationen zur Syntax in zweisprachigen Wörterbüchern Englisch-Deutsch/Deutsch-Englisch

30 8

DAVID HEATH: Grammatische Angaben in Lernerwörterbüchern des Englischen

332

HANS-PEDER KROMANN: Zur Selektion und Darbietung syntaktischer Informationen in einsprachigen Wörterbüchern des Deutschen aus der Sicht ausländischer Benutzer

346

THEODOR ICKLER: Valenz und Bedeutung. Beobachtungen zur Lexikographie des Deutschen als Fremdsprache

358

Literaturverzeichnis Liste der Teilnehmer

37 8 •

402

VORWORT

Wörterbuch rettete Touristen das Leben Madrid, (dpa) Ein kleines Taschenwörterbuch rettete dem britischen Touristen Michel Mumjnery in der nordspanischen Hafenstadt Santander das Leben. Der Tourist überraschte zwei Männer beim Diebstahl seines Koffers und stürzte sich auf die Langfinger. Einer der Diebe stach dem Briten mit einem Messer in die Herzgegend. Die Klinge traf jedoch a u f das Wörterbuch in der Innentasche seines Anoracks.

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Welch lebenswichtige Funktion Wörterbücher haben können, ist der obigen Agenturmeldung zu entnehmen, die am 23.5.1984 in den Dortmunder "Ruhr-Nachrichten" erschien. Wörterbücher sind aber natürlich nicht nur etwas für Abenteurer - die Anzeige, die am 14.12. 1984 im Dorstener Lokalteil der gleichen Zeitung stand, preist eines als Zierde für des deutschen Michels trautes Heim an. Doch gleichgültig, ob sie zur sogenannten passiven Bewaffnung, als Statusabzeichen oder aus anderen Beweggründen erworben werden, sie gehören zu den Best- und Longseilern. Beispielsweise ist nach Verlagsangaben WAHRIG-DW1-3 bereits in über 1 000 000 Exemplaren verkauft worden. Wieviel Prozent der Haushalte mittlerweile ein Wörterbuch ihr eigen nennen, wissen wir zwar nicht (die üblichen Umfragen halten bekanntlich Farbfernseher und Heimcomputer für interessanter) , doch einige Untersuchungen zu dieser Problematik

8 gibt es immerhin schon. Nach den Ermittlungen von Kühn/Püschel (1982:137-139) kommen bundesrepublikanische Deutschlehrer mit "dem Duden" aus - gemeint ist natürlich (wie wohl auch in der Anzeige) das Rechtschreibwörterbuch DUDEN-1. Nur ein Drittel der Befragten besaßen ein allgemeines einsprachiges Wörterbuch, in dem wiederum nur ein Drittel "öfter" oder "ständig" nachschlugen, also lediglich etwa 10% der Informanten. Da deren Zahl ungenannt bleibt (waren es 10, 50, 100?), läßt sich die Bedeutung dieser Angaben kaum einschätzen. Sie stehen aber auf den ersten Blick in bemerkenswertem Gegensatz zu den Zahlen, die Quirk (1974:152) für 220 englische Studenten verschiedener Fachrichtungen nennt: 192 von ihnen (87,3%) waren Eigentümer eines Wörterbuchs ihrer Muttersprache (z.B. COD). Bedenkt man jedoch, daß DUDEN-1 auch Funktionen eines allgemeinen Wörterbuchs erfüllt, so liegen die Unterschiede zwischen den Informanten von Kühn/Püschel (1982) und Quirk (1974) weniger in der Beliebtheit von Wörterbüchern an sich als in dem bevorzugten Wörterbuchtyp. Geradezu unentbehrlich sind Wörterbücher anscheinend für alle, die sich mit einer Fremdsprache befassen. In einer Befragung japanischer Englischstudenten stellte Baxter (1980:331f) fest, daß auf 308 seiner Informanten durchschnittlich drei zweisprachige Wörterbücher kamen (wobei die Teile Englisch-Japanisch und Japanisch-Englisch getrennt zählen) ; einsprachige englische Wörterbücher waren dagegen bei 94,8% der Hauptfachstudenten, aber nur 23,7% der Nicht-Hauptfachstudenten verbreitet. Von 122 französischen Anglistikstudenten, die Bejoint (1981:214) befragte, gaben 96% an, ein einsprachiges Wörterbuch zu besitzen (vornehmlich ALD oder LDOCE), und von 185 Deutsch lernenden bzw. lehrenden Schülern, Studenten, Lehrern und Dozenten in Südwestengland hatten laut Hartmann (1982:79) nur 1,1% kein eigenes zweisprachiges Wörterbuch. Wenn man den Umfrageergebnissen trauen darf - und sie sind gewiß mit Vorsicht zu interpretieren -, sind diese vielen Wörterbücher nicht als Lebensretter oder Dekorationsstücke angeschafft worden, sondern werden sogar recht häufig zum Nachschlagen benutzt. Bei Kühn/Püschel (1982:138-140) findet man leider keine präzise Auskunft darüber, wie oft DUDEN-1 oder die ebenfalls sehr beliebten Fremdwörterbücher von den befragten Lehrern benutzt werden; es

9 scheint aber, daß diejenigen, die von ihrem allgemeinen Wörterbuch keinen Gebrauch machen, den Rechtschreibduden sehr wohl konsultieren. Quirk (1974:153) konnte bei den englischen Studenten eine Abhängigkeit des Wörterbuchgebrauchs von der Fachrichtung beobachten: 46,4% der Historiker, Philosophen und Juristen schlugen nach eigenen Angaben wenigstens einmal pro Woche nach, aber nur 20,4% der Chemiker und Mediziner. Deutlich höhere Zahlen ergeben sich bei Schülern und Studenten, die eine Fremdsprache lernen: 97% der Informanten von Baxter (1980:332f) verwendeten ein englisch-japanisches Wörterbuch wöchentlich oder öfter; selbst von den Hauptfachstudenten, die fast alle ein einsprachiges Wörterbuch besaßen, benutzten jedoch nur 66% ein solches mindestens einmal pro Woche. Bejoint (1981:215) berichtet dagegen, daß 40% der befragten französischen Studenten täglich, 52% wöchentlich ein einsprachig englisches Wörterbuch zu Rate ziehen. Ganz ähnliche Ergebnisse erzielte Hartmann (1982:80) für zweisprachige Wörterbücher

(Deutsch/Englisch) in England; allerdings war das

Nachschlagebedürfnis bei den Lehrenden etwas geringer als 'bei den Lernenden. Tomaszczyk (1979:104f) befragte nicht nur Fremdsprachenlehrer und -lerner, sondern auch ausländische Studenten und Ubersetzer; von seinen 449 Informanten in Polen und den USA benutzten 64% ihr Wörterbuch oft ("frequently") und 29% gelegentlich

("from

time to time"). Was aber wollen die Wörterbuchbenutzer wissen? Schlägt man z.B. in WAHRIG-DW 3 unter Wörterbuch nach, so liest man da: "nach dem Alphabet geordnetes Verzeichnis der Wörter einer Sprache u. ihrer Erklärung bzw. ihrer Übersetzung in eine andere Sprache". Dieser landläufigen Vorstellung, wonach Wörterbücher im wesentlichen Bedeutungserläuterungen liefern, widerspricht die Erfahrung von Tomaszczyk (1979:112), daß 70% seiner Informanten auch bei grammatischen Problemen zum Wörterbuch greifen. Er kommentiert das überrascht (ebd.): "This is odd for one would not expect so many advanced learners and speakers of languages which abound in signals of syntactic structure to need that kind of information or, in the case of function words, to count on dictionaries to provide information that usually takes a good part of any practical grammar book." Die etwas detaillierteren Befragungen von Bejoint und Hartmann

10

zu ein- bzw. zweisprachigen Wörterbüchern bestätigen diese Beobachtung jedoch voll, wie die folgenden Ranglisten zeigen. (Bejoint (1981:215) führt den Prozentsatz derjenigen an, die die vorgegebene Kategorie auf die Frage "Welche Arten von Auskünften suchen Sie am häufigsten in Ihrem Wörterbuch?" an erster, zweiter oder dritter Stelle nannten; Hartmann (1982:82) fragte, welche Art von Information wie oft nachgeschlagen wurde - aus seinen Daten geben wir den Anteil der Befragten an, die den vorgegebenen Typ von Information "regelmäßig" oder "oft", d.h. täglich bzw. wöchentlich, suchten.) Bejoint 1. 2. 3. 4.

(1981:215)

Bedeutung Syntax Synonyme Aussprache/ Rechtschreibung 5. Varianten 6. Etymologie

Hartmann 87% 53% 52% 25% 19% 5%

1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.

(1982:82)

Wortbedeutung Grammat. Besonderheiten Wortgebrauch im Kontext Rechtschreibung Synonyme Etymologie Aussprache

82,2% 61 ,6% 55,1% 44,3% 29,8% 7,5% 2,7%

Bei einer anderen Fragestellung rückt die Grammatik sogar an die erste Stelle. Hartmann (1982:83) gibt für die Frage "Welche Art von Wörtern werden von den meisten Benutzern gesucht?" folgende Übersicht: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.

grammatische Wörter (wie weil) kulturbedingte Wörter (wie Knödel) enzyklopädische Wörter (wie ehem. Elemente) geläufige Wörter (wie Bein) Slangwörter (wie doof [Slang?]) unanständige Wörter (wie Po [unanständig??]) andere Eigennamen

70,2% 61,5% 54,0% 50,3% 46,6% 24,2% 15,5% 9,3%

Bejoint (1981:217) stellte demgegenüber fest, daß vor allem Idiome nachgeschlagen wurden ("sehr oft" von 68% der Befragten), während 66% seiner Informanten nie nach geläufigen Wörtern suchten, 47% nie nach Strukturwörtern. Die Diskrepanz zwischen den beiden Befragungen mag darauf zurückzuführen sein, daß man nicht weiß, ob die Informanten sagen, was sie tun, was sie zu tun glauben oder was sie meinen, tun zu sollen (s. Hatherall 1984:184); man könnte die Ergebnisse aber auch dem Unterschied zwischen ein- und zweisprachigen Wörterbüchern zuschreiben und müßte sie natürlich auch auf die zu bewältigenden Aufgaben (Enkodierung/Dekodierung) beziehen. Jedenfalls scheint der Bedarf nach grammatischer Infor-

11

mation im Wörterbuch erheblich zu sein (was für Muttersprachler jedoch anscheinend nicht im gleichen Maß gilt, s. Quirk 1974: 154) - und damit wären wir beim Thema. Wenn es nach der Werbung ginge, die Wörterbuchverlage für ihre Produkte betreiben, gäbe es keinerlei Zweifel, daß alle Benutzerwünsche

(ergo auch diejenigen, die die Grammatik betreffen) er-

füllt werden: "Für jeden, für jeden Tag, für jeden Fall" soll sich DUDEN-DUW eignen, PEKRUN verspricht "in der Praxis nie versagende Hilfe" usw. usf. - mit einem Wort, die Verleger glauben offenbar, was WESLEY auf dem Titelblatt seines 1753 erschienenen Wörterbuchs freimütig bekannte: "N.B\ The AUTHOR assures you, he thinks this is the best English

DICTIONARY in the World". Tatsächlich

lassen die bereits zitierten Umfragen keine allzu große Unzufriedenheit der Benutzer mit ihren Wörterbüchern erkennen; immerhin hätten sich aber ein Viertel der von Bejoint (1981:216f) befragten Studenten bessere syntaktische Hilfen gewünscht, 10% gaben sogar offen zu, daß sie die Kodierungen unverständlich fanden; 55% machten von den Kodes überhaupt keinen Gebrauch - vermutlich, weil sie sie lästig und schwierig fanden. Eine bemerkenswerte Anregung, die zu der Forderung von Carstensen

(1969:16) nach systematischer

Berücksichtigung der Grammatik im Wörterbuch paßt und jedem Lexikographen zu denken geben sollte, erhielt Tomaszczyk

(1979:12)

bei seiner Umfrage: "It is interesting in this connection that in answer to another question over 85% of the learners and 65% of the speakers decided that dictionaries should be supplemented with some kind of reference grammar crossreferenced with the main text of the dictionary." Mit Grammatikfragmenten, wie man sie z.B. in COD, ALD, LDOCE, WAHRIG-DW 3 oder BROCKHAUS-WAHRIG findet, ist es also offenkundig nicht getan. Daß grammatische Angaben nicht gerade die stärkste Seite der Wörterbücher sind, ist natürlich keine neue Erkenntnis

(vgl. z.B.

Behaghel 1923:ix). Ebenso hat die Forderung nach klaren und verläßlichen Auskünften in diesem Bereich schon einige Tradition. So hob Rudolf von Raumer diesen Punkt in seiner Kritik des Grimmschen Wörterbuchs

(DWB) besonders hervor

(1863:349):

12

"[...] die Zahl derer, die eine deutsche Grammatik in Händen gehabt hat, ist sicherlich nicht geringer als die Zahl derer, die sich eines deutschen Wörterbuchs bedienen. Ja unter den letzteren ist wieder noch eine sehr beträchtliche Anzahl Solcher, die sich auch des Wörterbuchs vorzugsweise zu grammatischen Zwecken bedienen [...]. Wie könnte es auch anders sein, als dass die Grammatik dem Wörterbuch vorangeht? [. . . ] Der Verfasser eines neuhochdeutschen Wörterbuchs hat deshalb auch in grammatischer Beziehung der lebenden Sprache gegenüber seine Stellung zu nehmen." Seit von Raumer diese indirekte Aufforderung zu einer benutzerorientierten lexikographisch-grammatischen Forschung veröffentlichte, sind Hunderte von Wörterbüchern erschienen, einschließlich zahlreicher Nachschlagewerke zur Klärung grammatischer Zweifelsfälle (z.B. HEINSIUS-DDR, SANDERS, DUDEN-9, MANEKELLER und unlängst DÜCKERT/KEMPCKE). Aber auch heutige Wörterbücher verdienen, obwohl das erstaunen mag, keine wesentlich günstigere Beurteilung (s. Bergenholtz 1983b, 1984a, 1984c; Bergenholtz/Mugdan 1985; Dawkins 1964; Heath 1982; Herbst 1984b; Mugdan 1983, 1984; Wiegand/Kucera 1981, 1982). Ein Grund für diese unbefriedigende Situation dürfte darin liegen, daß praktisch arbeitende Lexikographen die Entwicklung linguistischer Theorien in zu geringem Grad einbezogen haben (und sie wohl aufgrund ihrer Arbeitsbedingungen auch nicht genügend einbeziehen konnten), wobei selbstverständlich gilt, daß hier keineswegs alles Gold ist, was glänzt. Umgekehrt sind Linguisten zwar bis Ende der siebziger Jahre dann und wann kritisch auf die Wörterbuchpraxis eingegangen, haben sich aber doch - außer in der Valenzlexikographie - nur selten dazu "herabgelassen", unmittelbar umsetzbare Vorschläge zu entwickeln. Das heißt nun keineswegs, daß ältere linguistische Beiträge zum Thema Grammatik und Lexikographie nicht mehr lesenwert oder relevant wären (s. z.B. Long 1965; Gleason 1967; Hoenigswald 1967; Bolinger 1973; Gleason 1973; Mathiot 1973; Pike 1973; Scargill 1973; Zgusta 1973; Al-Kasimi 1977; Kromann 1977; Petöfi/ Bredemeier 1977 und die in Wolski 1982 erwähnten und z.T. referierten sowjetischen Arbeiten). In den letzten Jahren hat es jedoch vermehrt konkretere und detailliertere linguistische Analysen von Wörterbüchern und auf theoretischen Überlegungen beruhende Anregungen für die lexikographische Praxis gegeben (s. neben den oben genannten Arbeiten u.a. Gove 1964, 1965; JgSrgensen

13 1982, 1983; Lang 1982; Mötsch 1982; Müller 1982; Wiegand 1982b; Pasch 1983; Cowie 1983). Zu erwähnen ist ferner das Symposium "Grammatik in Wörterbüchern" (Belgrad, 12.-15.12.1983), das sich allerdings stärker mit maschinellen Wörterbüchern als mit Gebrauchswörterbüchern befaßte (s. den Bericht von Mentrup 1984a). Bei dieser ermutigenden Forschungslage können wir der allzu pessimistischen Einschätzung von Kempcke (1983:168) nicht zustimmen, die Integration der Grammatik in ein Wörterbuch sei gegenwärtig eine illusionäre Forderung. Anders als Kempcke sehen wir die Notwendigkeit für eine solche Integration auch nicht nur bei den sogenannten Funktionswörtern. Folgende Arbeitsbereiche scheinen uns in diesem Zusammenhang zukunftsweisend und dabei realistisch: (1) Systematische Untersuchungen der Praxis vorhandener Wörterbücher Bei einer solchen Auswertung sollten nicht nur neue, sondern auch ältere Wörterbücher berücksichtigt werden, die noch in manchen Bereichen als Vorbilder dienen können. So war es z.B. in deutschen Wörterbüchern früher nicht üblich, die überflüssige Angabe des Genitiv Singular bei Feminina zu machen. Und während neuere deutsche Wörterbücher Wortbildungsaffixe nur sehr unsystematisch lemmatisieren (s. Müller 1982:170-179; Mugdan 1984:298f; Knobloch 1984:104-106), verzeichneten schon ADELUNG, HEINSIUS, DWB und PAUL die wichtigsten Wortbildungsmittel, um der Produktivität der Sprache gerecht zu werden, die es erlaubt, immer neue, nicht im Wörterbuch verzeichnete Wörter zu bilden. Besonders interessant könnten vergleichende Darstellungen zu Wörterbüchern und Grammatiken desselben Autors sein (z.B. Christoph Ernst Steinbach, Kaspar Stieler, Johann Christoph Adelung, Karl Philipp Moritz, Theodor Heinsius, Hermann Paul). (2) Konzeptionen für Wörterbücher, die grammatische Angaben in den Mittelpunkt stellen Mit unseren eigenen Vorschlägen für ein "grammatisches Wörterbuch" (s. Bergenholtz/Mugdan 1984 und die Beiträge in diesem Band) betreten wir zwar teilweise Neuland, aber es wären auch die Typen grammatischer Angaben in ähnlich ausgerichteten Wörterbüchern aufzuarbeiten (z.B. PALMER, LEONHARDI/WELSH; vgl. dazu auch Carstensen 1969:10f). Das gleiche gilt für die Ratgeber für sprachliche Zweifelsfälle, für Kollokationswörterbücher u. dergl. (insbesondere auch ODCIE) und für die gängigen Grammatiken, die auf zahlreiche Einzelwörter explizit eingehen. (Die Wortregister von zehn untersuchten deutschen Grammatiken enthalten im Durchschnitt über 700 Wörter.) (3) Konzeptionen für die Integration von Wörterbuch und Grammatik in ein- und zweisprachigen Gebrauchswörterbüchern Hier ist mit den Hinweisen zur Syntax in Lernerwörterbüchern

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wie ALD und LDOCE ein bedeutender Schritt nach vorn getan worden. Die neueren Diskussionen zeigen jedoch, daß bei der Gestaltung der Angaben noch vieles zu verbessern ist. Vor allem aber müßten die Einzelauskünfte mit einer Wörterbuchgrammatik koordiniert werden. (4) Überlegungen zur Datenbasis in der Lexikographie Die Frage, wie der Lexikograph zu seinen Angaben kommt, steht im Mittelpunkt unserer eigenen Forschungen, denn die besten Gestaltungsprinzipien sind nutzlos, wenn nicht die Auskünfte des Wörterbuchs verläßlich sind, d.h. mit dem tatsächlichen Sprachgebrauch in Einklang stehen. Bislang sind jedoch nicht nur deutsche Wörterbücher voll von Widersprüchen und Ungenauigkeiten, die ihre Zuverlässigkeit bei grammatischen Fragen erheblich einschränken. Bei diesem Vorverständnis des Themas "Lexikographie und Grammatik" tritt die vieldiskutierte Frage nach der Rollenverteilung zwischen Grammatik und Wörterbuch in den Hintergrund, und sie kam auch zu Recht, wie wir meinen - bei dem Essener Kolloquium kaum zur Sprache. Manches spricht für die bekannte These von Hugo Schuchardt (1922:127), daß das Wörterbuch keinen anderen Stoff darstelle als die Grammatik, sondern die alphabetische Inhaltsangabe zu ihr liefere, oder für die Position von Mel'öuk (1981:57), derzufolge eine Grammatik nicht mehr ist als eine Menge von Verallgemeinerungen über einem guten Wörterbuch. Jespersen (1924:32) fand zwar Schuchardts Diktum unverständlich und stellte es gegen die gern zitierte Auffassung von Sweet (1899:125), wonach die Grammatik die allgemeinen, das Wörterbuch die besonderen Phänomene der Sprache erfasse; er kam aber (ähnlich wie Sweet 1899:139) zu dem Schluß, daß Grammatik und Wörterbuch sich in gewisser Hinsicht überlappen und teilweise die gleichen Fakten behandeln (vgl. auch Kruisinga 1931). Wenn nun die Grenze zwischen Allgemeinem und Speziellem derart verschwimmt, kann man sich eigentlich nur wünschen, daß Wörterbücher wie Grammatiken ohne allzu große Rücksicht auf Abgrenzungsprobleme so umfassend wie möglich informieren, und mag sich getrost den Aufgaben zuwenden, die bei dem Bemühen um eine Verbesserung der bisherigen Praxis anstehen. Die intensiven und lebhaften Debatten, die das Kolloquium "Lexikographie und Grammatik" prägten, bestätigten, daß der Bereich der Grammatik im Wörterbuch wesentlich mehr Aufmerksamkeit verdient, als er lange gefunden hat. Die Einschätzung der vorliegen-

15 den Wörterbücher fiel auf diesem Gebiet - wie in den bereits veröffentlichten Untersuchungen - allgemein skeptisch aus; Widerspruch regte sich aber auch gegen viele der Vorschläge, die von den Teilnehmern eingebracht wurden. Dabei ging es immer wieder um eine Reihe ungelöster Probleme: (1) Welche grammatischen Angaben ein Wörterbuch bieten soll, hängt entscheidend von den Bedürfnissen potentieller Benutzer ab. Die mehrfach zitierten Umfragen sind hier zu wenig detailliert, und auf Selbsteinschätzungen sollte man sich ohnedies nicht zu sehr verlassen. Die Wörterbuchmacher müssen also über die Wünsche der Kunden spekulieren, indem sie sich in deren Lage versetzen. Dazu meint Hatherall (1984:183) treffend: "This is rather like e.g. Princess Anne imagining what it is like to live on the dole: one grasps the broader outlines (does one not?), but inevitably falls short on the nitty-gritty." Überaus wertvolle Erkenntnisse lassen sich aus Wörterbuchbenutzungsprotokollen in gesteuerten Benutzungssituationen (z.B. bei Übersetzungsaufgaben) gewinnen, wie sie Herbert Ernst Wiegand in seinem Beitrag für diesen Band vorstellt (und auch Hatherall 1984 propagiert). Gegenüber Informantenbefragungen ist diese Methode weit überlegen, wenn sie auch nicht ohne weiteres Rückschlüsse auf "natürliche" Benutzungssituationen zuläßt. Weil man aber den Benutzern nicht über die Schultern gucken kann (ein entsprechender Versuch in Dänemark scheiterte, s. Vilkär 1982), wird man sich immer teilweise im Bereich von Mutmaßungen bewegen müssen. (2) Bei der Diskussion um die Berücksichtigung der Grammatik im Wörterbuch darf nicht übersehen werden, daß die Anforderungen an ein Wörterbuch je nach Zielgruppe und Verwendungszweck verschieden sind. So wird z.B. ein englisch-deutsches Wörterbuch unterschiedlich zu beurteilen sein, je nachdem, ob der Benutzer Englisch oder Deutsch als Muttersprache spricht (s. dazu Kromann/Riiber/Rosbach 1984a, 1984b); ein einsprachiges Wörterbuch für "Lerner" kann auf ganz unterschiedliche Adressaten zugeschnitten sein (von Schülern im Anfangsunterricht bis zu Fortgeschrittenen, die die Fremdsprache schon fast perfekt beherrschen - aber eben nur fast), usw. Es kann daher leicht zu Mißverständnissen kommen, wenn nicht explizit gemacht wird, auf welchen Wörterbuchtyp sich bestimmte Überlegungen

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beziehen. In diesem Zusammenhang stellt sich ferner die Frage, inwieweit ein Wörterbuch mehreren Zwecken zugleich dienen kann oder ob stärker als bisher unterschiedliche Wörterbücher für verschiedenen Benutzergruppen entwickelt werden sollten. (3) Bisher sind Wörterbuchartikel vorrangig nach semantischen Kriterien unterteilt worden, während grammatische Gesichtspunkte nur in wenigen Wörterbüchern Berücksichtigung fanden (so in WAHRIG-DW und phasenweise im DWB, wie Joachim Bahr in seinem Beitrag für diesen Band berichtet). Angesichts der Schwierigkeiten bei der Klassifikation und Anordnung von Bedeutungen fragt sich aber, ob nicht ein primär grammatisch bestimmtes Gliederungsprinzip einen gezielteren Zugriff zu den gewünschten Informationen ermöglicht; auch Häufigkeitskriterien könnten herangezogen werden (vgl. dazu Pedersen 1984) . (4) Grammatische Angaben im Wörterbuch müssen (explizit oder implizit) auf einem bestimmten Grammatikmodell mit bestimmten Beschreibungskategorien beruhen. Der Lexikograph ist aber mit den überkommenen Kategorien der traditionellen Grammatik nicht allzu gut beraten, und neuere Strömungen in der Linguistik (namentlich die Generative Transformationsgrammatik) haben dank ihrem Interesse an sehr allgemeinen und prinzipiellen Fragen wenig dazu beigetragen, die Unzulänglichkeiten herkömmlicher Grammatiken zu überwinden. So ist der Lexikograph bei der Einteilung von Wortarten, Satzgliedern usw. immer noch weitgehend auf sich gestellt: die groben Vorgaben der Grammatiker nehmen ihm die problematischen Detailentscheidungen nicht ab. (5) Inkonsequenzen und Widersprüche in den grammatischen Angaben von Wörterbüchern ergeben sich nicht nur aus Mängeln der Grammatiktheorie, sondern auch aus dem Fehlen empirischer Daten zum Sprachgebrauch. Daß die Verwendung eines Textkorpus zu verläßlicheren Auskünften führen kann, läßt sich kaum bestreiten; andererseits ist aber auch eine gewisse Skepsis gegenüber der korpusorientierten Lexikographie verständlich, weil sie noch nicht ausgereift ist und neben klaren Vorteilen zweifellos auch neue Schwierigkeiten mit sich bringt. (6) Mit dem Beschreibungsmodell und der Datenbasis ist die Dar-

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Stellung grammatischer Informationen im Wörterbuch durchaus noch nicht festgelegt. Codes haben zwar den Vorzug der Kürze, sind aber mittlerweile als wenig benutzerfreundlich bekannt. Abkürzungen grammatischer Termini prägen sich zwar leichter ein, erfordern jedoch ebenfalls eine Einarbeitung in das Beschreibungsmodell. Für den Benutzer sind sicherlich Beispiele am bequemsten; allerdings müßten sie so gewählt werden, daß sie bestimmte grammatische Phänomene eindeutig illustrieren. Offen bleibt, ob alle grammatischen Auskünfte über Beispiele gegeben werden können (und sollen) oder ob auch explizite Angaben erforderlich (oder wünschenswert) sind. (7) Die Rolle lexikographischer Beispiele bedarf eingehender Erörterung. Dabei ist vorrangig zu klären, welche Information dem Wörterbuchbenutzer durch Beispiele vermittelt werden soll, was wiederum nicht unabhängig vom Wörterbuchtyp bestimmt werden kann. Erst aus der Funktion der Beispiele ergibt sich ihre Auswahl, wie auch die Antwort auf die Frage, ob als Beispiele nur authentische Zitate gewählt werden sollen oder ob es sinnvoll ist, Beispiele durch. Kürzungen und Vereinfachungen aus tatsächlichen Belegen zu bilden; selbstkonstruierte Beispiele wären eine dritte, jedoch recht problematische Möglichkeit. (8) Auch bei Kollokationen stehen hinter unterschiedlichen Definitionen und Auswahlprinzipien verschiedene Zielsetzungen. Ob man besonders häufige Kombinationen angibt oder solche, die semantisch auffällig sind, muß sich erneut nach den Interessen der jeweiligen Benutzer richten - alle Wege der Lexikographie führen zur großen Unbekannten "Benutzerbedürfnisse" zurück. Diesen Diskussionspunkten lassen sich die einzelnen Beiträge zum vorliegenden Sammelband (die teilweise gegenüber den Vorträgen beim Kolloquium mehr oder minder stark umgearbeitet wurden) nur schwer zuordnen. Manche stellen einen der Punkte ins Zentrum der Erörterungen, andere befassen sich mit mehreren zugleich, in wieder anderen schwingen sie eher im Hintergrund mit. Wir orientieren uns daher bei der Reihenfolge der Aufsätze weitgehend am Ablauf des Kolloquiums mit einer sehr groben thematischen Gliederung. Programmatisch stehen Benutzerfragen am Anfang (Herbert Ernst Wiegand), gefolgt von einem Blick auf die Wörterbuchgeschichte

18

(Joachim Bahr). Beiträge aus der Kollokations- und Valenzforschung bilden einen ersten Block (Franz Josef Hausmann, Ekkehard Zöfgen, Helmut Schumacher), sodann kommen Vertreter der korpusorientierten Lexikographie zu Wort (Joachim Mugdan, Henning Bergenholtz, Heinrich Erk, Burkhard Schaeder) und abschließend rücken die Belange ausländischer Benutzer ins Blickfeld (Thomas Herbst, David Heath, Hans-Peder Kromann, Theodor Ickler). Broder Carstensen, der wie Günther Drosdowski und Klaus-Peter Wegera ohne Referat am Kolloquium teilnahm, hat für diesen Band einen Kommentar zu unserem Aufsatz "Grammatik im Wörterbuch: von ja bis Jux" (Bergenholtz/ Mugdan 1984) verfaßt, der den Kolloquiumsteilnehmern noch vor der Veröffentlichung zugegangen war; wir stellen seinen Aufsatz, der wesentliche Aspekte der Diskussion über unser Konzept widerspiegelt, unseren eigenen voran. Ein wichtiges Thema fehlt in dieser Zusammenstellung, denn zur Grammatik im Wörterbuch gehört ja auch die Wortbildung. Hierzu hatte Gabriele Stein einen Vortrag geplant; sie mußte jedoch zu unserem großen Bedauern ihre Beteiligung am Kolloquium kurzfristig absagen. Was die äußere Gestaltung des Bandes betrifft, so sah sich der Verlag leider nicht in der Lage, die Herstellung der Druckvorlage zu übernehmen; da wir nicht das Privileg besitzen, universitäre Schreibkräfte in Anspruch nehmen zu dürfen, waren wir gezwungen, die Beiträge teils eigenhändig zu tippen, teils den Schwarzen Peter an die Autoren weiterzureichen. Die meisten konnten den vereinbarten Abgabetermin August 1984 einhalten, aber unvorhersehbare Schwierigkeiten, wie sie in solchen Fällen aufzutreten pflegen, verzögerten die Fertigstellung des Bandes. Obwohl wir detaillierte Hinweise zur Erstellung der Typoskripte gegeben hatten, gelang es übrigens nicht, eine durchgängige Beachtung der Schreibkonventionen und ein einheitliches Erscheinungsbild sicherzustellen. Die Literaturangaben der Autoren haben wir zu einer Gesamtbibliographie zusammengefaßt, wie das beim Kolloquium angeregt worden war (was wir im nachhinein jedoch nicht uneingeschränkt zur Nachahmung empfehlen würden). Wir haben uns dabei bemüht, die Angaben zu vereinheitlichen und nötigenfalls zu ergänzen, soweit uns das möglich war. Verbleibende Ungenauigkeiten und Unstimmigkeiten wie auch eventuelle Versehen unsererseits bitten wir zu entschuldigen.

19

Auch ein gut eingespieltes Zweigespann ist bei der Durchführung eines Kolloquiums überfordert. Wir möchten darum an dieser Stelle nochmals sehr herzlich jenen danken, die uns die Arbeit wesentlich erleichtert haben: Herbert Ernst Wiegand hat uns bei der Planung mit Rat und Tat entscheidende Unterstützung geleistet; Jörg Allhoff, Gregor Meder und Gabi Willenberg haben uns bei der Vor- und Nachbereitung geholfen und vor allem durch eine hervorragende Organisation für einen reibungslosen Ablauf des Kolloquiums gesorgt. Für das Angebot, die Kolloquiumsakten in die Reihe "Lexicographica. Series Maior" aufzunehmen, sind wir Franz-Josef Hausmann sehr dankbar. Schließlich haben uns alle Teilnehmer an dem Kolloquium "Lexikographie und Grammatik" durch ihre engagierte Beteilung eine große Freude gemacht. Bleibt nur zu wünschen, daß auch die geneigten Leserinnen und Leser die Beiträge nicht minder anregend finden werden. Essen / Münster, im Februar 1985

H.B. / J.M.

HERBERT ERNST WIEGAND FRAGEN ZUR GRAMMATIK IN WÖRTERBUCHBENUTZUNGSPROTOKOLLEN Ein Beitrag zur empirischen Erforschung der Benutzung einsprachiger Wörterbücher

1.

Was Sie erwartet

Im ersten Abschnitt werde ich unter der Überschrift „Zum Konzept der Wörterbuchbenutzungssituationen", indem ich mich mit einigen Ausschnitten aus der Rezeption einiger meiner Arbeiten auseinandersetze, den forschungslogischen Rahmen charakterisieren, in dem meine Versuche mit Wörterbuchbenutzungsprotokollen stehen.- Im zweiten Abschnitt stelle ich einen bestimmten Typ von Wörterbuchbenutzungsprotokollen vor, der geeignet ist, empirische Daten Uber die Benutzung einsprachiger Wörterbücher in Hinübersetzungssituationen zu liefern.- Im dritten Teil geht es um die Fragen zur Grammatik, die die Protokollanten in Hinübersetzungssituationen in ihre Protokolle eingetragen haben, und schließlich formuliere ich im abschließenden Teil einige Schlußfolgerungen für die Darstellung der Grammatik in solchen einsprachigen Wörterbüchern, die beanspruchen, für Ausländer erfolgreich benutzbar zu sein.

2.

Zum Konzept der Wörterbuchbenutzungssituationen

Sprachlexikographie ist eine wissenschaftliche Praxis (oder, wem das lieber ist: eine „praktische Wissenschaft", vgl. Wiegand 1977: 64), die darauf ausgerichtet ist, daß als Gebrauchsgegenstände Sprachnachschlagewerke, nämlich Wörterbücher, Indices, Konkordanzen etc. entstehen, damit durch diese eine andere Praxis, für die die Nachschlagehandlung konstitutiv ist, nämlich die kulturelle Praxis der Benutzung von Sprachnachschlagewerken insonderheit die der Wörterbuchbenutzung, ermöglicht wird.

21 Aufgrund dieser Auffassung von Sprachlexikographie kam mir vor nunmehr fast genau zehn Jahren, im Herbst 1974, im Rahmen der Vorbereitung eines Seminars mit dem Thema „Lexikographie des Deutschen und Deutschunterricht", das im Sommersemester 1975 an der Universität Düsseldorf abgehalten wurde

(vgl. Wiegand 1977a:135, Anm. 17),

folgender einfache Gedanke: Wenn man empirische Kenntnisse über die Benutzer und die Benutzung bereits vorhandener Wörterbücher des Deutschen hat, wird man zukünftige Wörterbücher eventuell benutzergerechter einrichten können. Diese Überlegung war natürlich eine auf dem Hintergrund der Kenntnis der Geschichte der germanistischen Lexikographie. Letztere hat bekanntlich, was die Frage der Wörterbuchbenutzung angeht, „bedeutende vorzuzeigen"

Fehleinschätzungen

(Henne 1976:99). Zwar ist zu der Grimm'schen Frage

„Was ist eines Wörterbuches zweck?"

(Grimm 1961:19) auch schon

vor Grimm und nach ihm so manche Antwort gegeben worden^, alle diese Antworten waren aber zu wenig an den tatsächlichen

sozio-

und sprachkulturellen Verhältnissen orientiert, so daß kaum realistische Hypothesen über Benutzerbedürfnisse und

Benutzerverhal-

ten gemacht werden konnten. Auch lagen bis 1974 m.W. keine empirischen Untersuchungen zur Benutzung einsprachiger deutscher Wörterbücher vor. Zwar stellte Householder bereits 196o in seinem „summery report" zu der Lexikographiekonferenz

an der

„Indiana

University" fest: „Dictionaries should be designed with a special set of users in mind and for their specific needs"

(Householder

1967:279), aber erst 1973 wurde die erste größere empirische Untersuchung zur Wörterbuchbenutzung bekannt: Quirks Studie „The 2 Social Impact of Dictionaries in the UK" (vgl. Quirk 1973) , in der er über das empirische Design und die Ergebnisse einer Befragung von 22o Studenten in England berichtete. Als ich im SS 1974 von Studenten des erwähnten Seminars empirische Untersuchungen anhand eines Fragebogens durchführen ließ, war mir die Arbeit

1 2

Man vgl. z.B. den kurzen Uberblick bei Kühn/Püschel 1982: 122-127. 1974 wurde diese Arbeit noch einmal veröffentlicht, und zwar nun unter dem Titel „The Image of the Dictionary" (vgl. Quirk 1974).

22

Quirks leider nicht bekannt.

3

Uber die Düsseldorfer Erhebungen

habe ich nur dies veröffentlicht: Zitat Nr. o „/Es7 wurden auch von mehreren Studenten in Schulen der näheren Umgebung Düsseldorfs empirische Untersuchungen angestellt. Es sei expressia Derbis vorweggenommen, daß Ergebnisse solcher Untersuchungen auf gar keinen Fall verallgemeinert werden können. Wenn ich daher nachfolgend einige allgemeine Sätze formuliere, dann bilden diese keine Schulwirklichkeit ab, sondern sollen zum Nachdenken über diese anregen. Schüler der Sekundarstufe I u. II können kaum systematisch mit einsprachigen Wörterbüchern umgehen, obwohl sie diese - besonders bei Hausaufgaben - relativ häufig benutzen. Sie werden von den Lehrern kaum zur systematischen Benutzung angeleitet. Ihre Einstellung zu Wörterbüchern ist unkritisch, insofern als sie dazu neigen, alles, was im Wörterbuch steht, für richtig zu halten, zu glauben etc. In Schülerbüchereien sind Wörterbücher unterrepräsentiert" (Wiegand 1977a:135, Anm. 17) . Für einen Seminarabend hatte ich einen „gereimten Vortrag" verfaßt, der folgendes „lexikographische Rätsel" enthielt, das eines der Ergebnisse des Seminars zusammenfassen sollte: Zitat Nr. 1 „Es steht im Regal Und ist Schülern und Lehrern egal. Es wird fast nie benutzt. Mit Staub ist es beschmutzt. Was ist das? (Das einsprachige Wörterbuch im Deutschunterricht)". In dem im Frühjahr 1975 vorgetragenen und während des SS 1975 zum Druck vorbereiteten Vortrag „Synonymie und ihre Bedeutung in der einsprachigen Lexikographie" schrieb ich dann - unter dem Eindruck der Ergebnisse aus den empirischen Erhebungen im Rahmen des Hauptseminars - folgende Anmerkung:

3

4

Die ausgefüllten 182 Fragebogen können in Heidelberg jederzeit eingesehen werden. Bei der Ausarbeitung dieses Fragebogens fiel mir auf, daß man bei der Formulierung von Fragen, stets mögliche Wörterbuchbenutzungssituationen „denkt". Dies führte dann zu einigen Überlegungen über Typen von Wörterbuchbenutzungssituationen. Als ich im Frühjahr 1984 von Gerhard Äugst gebeten wurde, einen didaktisch orientierten Beitrag zu dem Themenheft Wortschatz und Wörterbuch zu schreiben, habe, ich den zehn Jahre alten Seminarordner durchgesehen und stieß auf das längst vergessene „Rätsel". Ich habe es dem Beitrag vorangestellt. Unter dem Eindruck der germanistischen Wörterbuchforschung bis 1984 habe ich nur die Antwort verändert? sie lautet jetzt: Das einsprachige Wörterbuch i n D e u t s c h l a n d . Vgl. Wiegand 19 84.

23 Zitat Nr. 2 „Es ist daher m.E. erstaunlich, daß innerhalb der Lexikologie bisher keine Typologie von kommunikativen Handlungssituationen entworfen wurde, aus der hervorgeht, von wem unter welchen Bedingungen mit genau welchen Zwecken einsprachige Wörterbücher benutzt werden. Als Voraussetzung für eine solche Typologie fehlt eine empirisch fundierte Soziologie des Wörterbuchbenutzers. Unabhängig davon kann überlegt werden, in welchen Situationen überhaupt Menschen auf Wortbedeutungen reflektieren und eventuell zum Wörterbuch als Hilfe greifen. Eine typische Situation ist z.B. die des partiellen, wortsemantisch bedingten Kommunikationskonfliktes in Lektüresituationen, in denen keine Rückfragemöglichkeiten bestehen. (Wiegand 1976:162, Anm. 15). Diese Anmerkung blieb wirkungslos. Erst als ich die „empirisch fundierte Soziologie des Wörterbuchbenutzers" expressis zur „bemerkenswerte/n7 Forschungslücke" machte 1977a:62f.) und

verbis

(vgl. Wiegand

(aufgrund der Erfahrung im Seminar) einige Fragen

formulierte, die man empirisch untersuchen könne, sowie „einige Typen von Benutzungssituationen für einsprachige Wörterbücher" (Wiegand 1977a:64) beschrieb und schließlich kurz darauf den ganzen Fragekomplex in Wiegand 1977 für ein größeres Publikum aufbereitete, begann eine Diskussion, die bis heute nicht abgerissen ist. Agricola et al.

(1983:52) schreiben:

Zitat Nr. 3: „Seitdem Wiegand (1977a, 62) auf die 'bemerkenswerte Forschungslücke 1 aufmerksam gemacht hat, die darin besteht, 'daß es keine empirisch fundierte Soziologie des Wörterbuchbenutzers gibt ' , wird verstärkt über den vorausgesetzten Wörterbuchbenutzer und seine Bedürfnisse nachgedacht, da er nicht länger 'der bekannte Unbekannte 1 bleiben soll (s. z.B. die im Anschluß an Viehweger 1982a geführte Diskussion in Herberg 1983 und Ludwig 1983). Dennoch gibt es bis jetzt keine gesicherten Erkenntnisse darüber, 'wer aus welchen Gründen mit welchen Erwartungen in welcher Regelmäßigkeit zum einsprachigen Wörterbuch greift 1 (Schaeder 1981, 92)". Eine Seite später heißt es: Zitat Nr. 4 „Hilfreich - zumindest für die Stimulierung der fachinternen Diskussion - ist die von Wiegand (1977a, 64ff.; 1 977b [= '\

/

iFTx1 ' FT x 2 , iFTy1 '

Kr

v,,

FT y 2 , FT

DT x = Angabe der Silbentrennung

t-

DTy = lexikalische Paraphrase DT z = flexionsmorphologische Angaben

z2' '••}

>

L

"< •

Kr k

«

FT n 2 , ...j

(andere)

«•

/

Wer (d.h. Mitglieder aus welcher Klasse von Personen) könnten Fragen F.j , F 2 , . .., die zu einem FT aus IF gehören, stellen?

Hypothese(n) über Adressaten und/oder den Adressatenkreis THEORETISCHE VORÜBERLEGUNGEN EMPIRISCHE FORSCHUNGEN

DT.

/

/

empirische Erhebung

In welchen Situationen, Sit^, Sit 2 , ... könnten Exemplare von WbT^ mit Fragen F 1 , F 2 , die zu einem FT aus IF gehören, konsultiert werden? Hypothesen über (mögliche) Typen von WbBS, zusammengefaßt zu einer Typologie \ von WbBS / V

i

empirische Erhebung

jAbb. [Abb.

• eventuell

modifizierter WbT. Abbildung 1

40 Wort erbuchbenutz er (= Benutzer), potentieller, schulter, erfolgreicher, und Adressat.-

erfolgloser,

kundiger, ge-

exemplarischer

Im naiven Gebrauch ist das Kompositum

Benutzer Wörterbuoh-

benutzer semantisch hinreichend genau bestimmt; eine innere Idiomatisierung liegt nicht vor; somit lautet die lexikalische Paraphrase: Benutzer eines Wörterbuchs.

Ist nun z.B. der Brief-

markensammler, der den BW erfolgreich benutzt, um die abgelösten Briefmarken zu pressen, ein Wörterbuchbenutzer? Natürlich sind auf diese Frage verschiedene Antworten möglich. Für metalexikographische Zwecke ist es wahrscheinlich kaum zielführend, mit „Ja" zu antworten, weil dann konsequenterweise jede zweckentfremdete Benutzung als Wörterbuchbenutzung zu gelten hätte; wenn also jemand z.B. gerade den BW als Unterlage für seinen Diaprojektor benutzt - was nicht etwa eine falsche Benutzung eines Wörterbuchs darstellt, sondern eine intelligente Problemlösung relativ zum gegebenen HandlungsZusammenhang - hätte er als Wörterbuchbenutzer zu gelten, und es läge eine Wörterbuchbenutzungssituation vor! Mir erscheint es daher sinnvoll, im Rahmen der metalexikographischen Theoriebildung als Wörterbuchbenutzer nur jemanden gelten zu lassen, der ein Wörterbuch nicht e n t f r e m d e t

sondern

z w e c k g e r e c h t

z w e c k benutzt.

Ein Wörterbuch ist ein Gebrauchsgegenstand. Ein beliebiger Gebrauchsgegenstand G wird zweckgerecht benutzt

genau dann, wenn

er als G benutzt wird; er wird zweckentfremdet benutzt, wenn er 17 Beispielsweise wird ein Wörterbuch nicht als G benutzt wird. zweckentfremdet benutzt, wenn es als Unterlage für einen Diaprojektor verwendet wird, um diesen in die gewünschte Stellung zu bringen. Diese Benutzung eines Wörterbuches kann durchaus erfolgreich sein; zweckgerechte und erfolgreiche Wörterbuchbenutzung müssen daher unterschieden werden. Wann aber wird ein Wörterbuch als Wörterbuch, d.h. zweckgerecht

17

Ein Hammer wird z.B. als Hammer und damit zweckgerecht verwendet, wenn er zum Einschlagen von Nägeln in Bretter verwendet wird; er wird z.B. zweckentfremdet verwendet, wenn er als Mordwaffe gebraucht wird. Beide Verwendungsweisen können erfolgreich sein.

41

benutzt? Eine gründliche und in allen Aspekten argumentativ stützte Beantwortung dieser Frage erfordert eine

abge-

historisch-syste-

matische Aufarbeitung einiger zentraler Fragen der

Lexikographie

und kann hier nicht gegeben werden. Stattdessen werden einige b l e m e g e z e i g t u n d e i n e a l l g e m e i n e A n t w o r t a n g e b o t e n , d i e es m ö g l i c h t , d e n T e r m i n u s Wörterbuchbenutzer terisieren.

etwas genauer

zu

Z u n ä c h s t sei d a r a u f h i n g e w i e s e n , d a ß b e i d e r

Pro-

ercharak-

gestellten

Frage b e r ü c k s i c h t i g t w e r d e n m u ß , daß jemand, w e n n er „ein

Wörter-

buch" benutzt, stets ein Exemplar eines bestimmten Wörterbuchs n u t z t , d a s - r e l a t i v zu i r g e n d e i n e r b e s t i m m t e n

gie - immer als besondere Ausprägung eines Typs aufgefaßt kann. Demgemäß k a n n die gestellte Frage in die folgende werden: Wann wird ein Wörterbuchexemplar,

werden

überführt

Wörterbuchtyps WbT^ ist, zweckgerecht benutzt? Diese Frage

immer

(aber n i c h t nur)

kann

vom Typ WbT^ wird zweckgerecht

einer solchen Dateneinheit benutzt wird, die zu einem der Typcharakteristik gehören

wer-

benutzt

dann, w e n n es als e i n N a c h s c h l a g e w e r k

Datentypen D T x , DT^, D T z ,

des

das eine Ausprägung

wie folgt allgemeingültig aber nicht vollständig beantwortet den: Ein Wörterbuchexemplar

be-

Wörterbuchtypolo-

... D T n g e h ö r e n k ö n n t e ,

zu

derjenigen

die - gemäß

- zum typenspezifischen Datensortiment

DSj

(vgl. a u c h A b b .

1). D i e in d e r v o r a n g e g a n g e n e n A n t w o r t g e 18 brauchten Termini können wie folgt charakterisiert werden: Ein lexikographisches Datensortiment ist die Klasse der

lexikographi-

s c h e n D a t e n t y p e n , d i e zu e i n e m b e s t i m m t e n W ö r t e r b u c h t y p

gehören.

Das Datensortiment bildet einen Teil der Typcharakteristik. lexikographischer Datentyp lexikographischer

ist die benannte Klasse

Dateneinheiten.

heit ist die kleinste

gleichartiger

Eine lexikographische

isolierbare, innerhalb einer

Ein

Datenein-

Wörterbuchbe-

n u t z u n g s s i t u a t i o n f ü r s i c h i n t e r p r e t i e r b a r e19 E i n h e i t a u s e i n e r gebenen Menge von lexikographischen Daten.

18 19

ge-

D i e C h a r a k t e r i s i e r u n g e n s i n d ancreregt d u r c h N e v e l i n g / W e r s i g 1976. Lexikographische Daten müssen von lexikographischen Informationen u n t e r s c h i e d e n werden; der Benutzer k o n s t i t u i e r t aus den Daten Informationen. Aus gleichen lexikographischen Daten können verschiedene Benutzer unterschiedliche Informationen entnehmen, da die Informationen als Ergebnis eines Verstehensprozesses („Datenverarbeitungsprozesses") zu gelten haben. A u s f ü h r l i c h d a z u W i e g a n d 1984c.

42 Eine Möglichkeit, ein Wörterbuch zweckgerecht zu benutzen, besteht demnach darin, es als Nachschlagewerk zu benutzen. Ein Exemplar eines Sprachwörterbuches wird als Nachschlagewerk benutzt genau dann, wenn ein Benutzer zu wenigstens einer bestimmten Frage an das Wörterbuch wenigstens eine Antwort sucht. Die Frage an das Wörterbuch ist entweder eine Frage z u einer sprachlichen Einheit oder eine a n h a n d einer sprachlichen Einheit z u einer Sache. Fragen dieses Typs nenne ich S u c h f r a g e n . Nur wer Suchfragen an ein Wörterbuch stellt, benutzt das Wörterbuch als Nachschlagewerk. Die Benutzung als Nachschlagewerk, also die direkt utilaristische, punktuelle Wörterbuchkonsultation unter einer bestimmten Suchfrage, ist - wenigstens heutzutage - zweifelsohne die zentrale B e n u t z u n g s a r t , und entsprechend ist der Hauptzweck eines jeden Wörterbuches, daß es als Nachschlagewerk benutzt wird. Je nach Typ können jedoch bei der Planung und Erarbeitung eines Wörterbuchs in unterschiedlichem Ausmaß ein Nebenzweck oder mehrere mitgedacht und die Wörterbuchartikel entsprechend gestaltet werden. Zahlreiche solcher Nebenzwecke haben in der Geschichte der germanistischen Lexikographie eine Rolle gespielt.^0 Zusammenfassend kann man feststellen, daß die Nebenzwecke eines Wörterbuches darin bestehen, daß es als ein Buch benutzt wird, das allgemeine Kenntnisse der verschiedensten Art über Sprache, eine sprachliche Bildung und/oder Freude an Sprache vermittelt. Sollen diese Nebenzwecke zur Geltung kommen, ist es nicht notwendig, daß der Benutzer mit einer bestimmten Suchfrage direkt utilaristisch ein Wörterbuchexemplar benutzt. Auch das Lesen eines Wörterbuchartikels mit einem Interesse, das nicht in einer bestimmten Frage oder in mehreren klar formuliert werden kann, ein Lesen, das nicht sucht, sondern sich vom Text führen läßt, um zu entdecken, ist eine zweckgerechte Benutzung. Diese Benutzungsart, die nicht unmittelbar utilaristische Benutzung des Wörterbuches als Buch über Sprache, ist eine nichtpunktuelle Wörterbuchbenutzung ohne bestimmte Suchfragen.

2o

Ich erinnere nur an folgende beiden Benutzungsarten: die Benutzung als „Aufschlagbuch" und die als „Lesebuch".

43 Jeder Gebrauchsgegenstand kann hinsichtlich seines Gebrauchswertes geprüft werden, und meistens geschieht diese Prüfung anhand bestimmter Standards. Auch Wörterbücher können hinsichtlich ihres Gebrauchswertes geprüft werden, allerdings gibt es dafür bisher keine brauchbaren Standards. Das Geschäft der Wörterbuchprüfung nennt man meistens Wörterbuchkritik. Wer ein Wörterbuch kritisieren will, muß es benutzen. Er benutzt es aber weder als Buch über Sprache noch als Nachschlagewerk. Denn er stellt keine Fragen oder

a n ü b e r

das Wörterbuch, sondern er stellt Fragen das Wörterbuch. Diese nenne ich

zu

d e m

P r ü f f r a-

g e n. Es handelt sich bei dieser Benutzung des Wörterbuchs weder um eine zweckentfremdete noch um eine zweckgerechte, sondern um eine

z w e c k p r ü f e n d e

Benutzung. Das Wörterbuch wird

als Prüfgegenständ benutzt. Die Wörterbuchbenutzungssituationen, in denen Wörterbuchkritiker

stehen, sind metalexikographische

Benutzungssituationen; diese dürfen nicht mit den sprachwissenschaftlichen Benutzungssituationen verwechselt werden, auch dann nicht, wenn es Überschneidungen zwischen beiden Klassen von Typen geben mag. Es ist nun eine Frage der Festlegung, ob man den Wörterbuchprüfer oder Wörterbuchkritiker, wenn er Wörterbücher prüft, zu den Wörterbuchbenutzern rechnen will. Ich werde dies hier tun, und zwar aus wörterbuchdidaktischen Gründen, auf die ich allerdings nicht näher eingehen kann. Die Überlegungen zu den Termini Wörterbuahbenutzer

und Benut-

zungsart können wie folgt in eine Übersicht gebracht werden (Abb. 2).

Abbildung 2

44 Eine Charakterisierung des Terminus Wörterbuohbenutzer

kann

nun wie folgt vorgenommen werden: Ein Wörterbuchbenutzer ist eine Person, solange sie wenigstens ein Wörterbuchexemplar als Sprachnachschlagewerk oder als Buch über Sprache oder als Prüfgegenstand benutzt. Nachfolgend berücksichtige ich nur die zweckgerechte Benutzung und bei dieser vorwiegend die Benutzung als Sprachnachschlagewerk. Wenn Mißverständnisse auftreten können, nenne ich den Wörterbuchbenutzer, der das Wörterbuch als Nachschlagewerk benutzt, den Frager. Ein

p o t e n t i e l l e r

Benutzer eines Wörterbuchs

eines bestimmten Typs ist jede Person, die die Voraussetzungen 21 hat, um zum Wörterbuchbenutzer zu werden. Die A d r e s s a t e n eines Wörterbuchs sind diejenigen potentiellen Benutzer, für die ein Wörterbuch besonders bestimmt22 ist. Die Adressaten sollten Ein k u n d i g e r Benutzer immer potentielle Benutzer sein. eines bestimmten Wörterbuchs ist einer, der die Wörterbucheinleitung kennt und Übung im Umgang mit diesem Wörterbuch hat, so daß er dieses Wörterbuch optimal nutzen kann.- Ein t e r

g e s c h u l -

Benutzer ist einer, der - je nach dem Grad der Schulung

verschieden - Kenntnisse zur Lexikographie und damit einen gewissen Uberblick darüber hat, in welchen Typen von Wörterbuchbenutzungssituationen welches Wörterbuch bzw. welche Wörterbücher die größte Chance bieten, daß ihre Benutzung erfolgreich ist.- Ein e r f o l g r e i c h e r

Benutzer ist ein Frager, der auf seine

Suchfrage eine korrekte Antwort findet, die ihm unmittelbar nützt; den erfolgreichen Benutzer eines Wörterbuches nenne ich z e r . - Entsprechend ist der

e r f o l g l o s e

Nut-

Benutzer ein

Frager, der keine Antwort findet. Die erfolglose Benutzung kann verschiedene Gründe haben. Zunächst kann man zwischen fehlerfreier und fehlerhafter Wörterbuchbenutzung unterscheiden. Die fehlerfreie Benutzung besteht aus Aktivitäten, die sich zwei

21 22

Ein Analphabet z.B. hat einen Teil der Voraussetzungen nicht, und ein Hauptschüler z.B. hat einen Teil der Voraussetzungen nicht, um den Walde-Pokorny zu benutzen. Wer die Wörterbuchwerbung kennt, wird das sollten ohne weiteres verstehen.

45 Klassen zuordnen lassen und die ich in diesem Zusammenhang als je eine Handlung interpretiere: der fehlerfreien Wörterbuchwahl und 23 dem fehlerfreien Nachschlagen. Ist eine fehlerfreie Wörterbuchbenutzung nicht erfolgreich, dann liegt entweder eine Lemmaliicke vor oder eine Lücke im Datenangebot innerhalb des typcharakteristischen Datensortiments oder irgendein Typ von Fehler im Wörterbuch. Entsprechend besteht die fehlerhafte Benutzung entweder aus einer fehlerhaften Wörterbuchwahl oder aus fehlerhaftem Nachschlagen.Schließlich sei noch der

e x e m p l a r i s c h e

Benutzer

erwähnt, jene Figur, die in metalexikographischen Beispielen Wörterbücher benutzt. Ich gebe nachfolgend zwei Ubersichten (Abb. 3 u. 4). Diese sind keine Typologien. Wörterbuchbenutzer

j

e x e m p l a r i s c h e r ^ ^ _ _ _ _ _ ^ potentieller

/

geschulter

Adressat

kundiger

^ ^ ^

erfolgreicher erfolgloser Frager

Frager

(= Nutzer)

Abbildung 3 Schließlich sei noch der Terminus idealer Frager

(vgl. Abb. 1)

kurz erläutert. Der ideale Frager zu einem bestimmten Wörterbuch (eines bestimmten Typs WbT^) ist die Klasse der Klassen derjenigen Fragetypen, zu denen eine Suchfrage gehören muß, wenn ein Wörterbuchbenutzer, der das entsprechende Wörterbuch zum Nachschlagen benutzt, zum Nutzer werden will. Der ideale Frager ist ein Konstrukt, mit dessen Hilfe man einen Teil des Gebrauchswertes eines geplanten Wörterbuches, nämlich seinen Nachschlagewert, vorausberechnen kann. Gemäß meiner Auffassung, daß empirische Benutzungsforschung

23

Wer die fehlerfreie Benutzung beherrscht, kann dann die kritische Benutzung lernen.

46

erfolglose Benutzung des Wörterbuchs als Nachschlagewerk

fehlerfreier Benutzung: fehlerf . Wörterbuchwahl + fehlerf.

fehlerhafter Benutzung

Nachschlagen Typen von

Typen von Lücken

fehlerhafte

fehlerhaftes

Fehlern im

im Wörterbuch

Wörterbuchwahl

Nachschlagen

Wörterbuch Lücken im Datenangebot zum Lemma

i zx

Typen von Wörterbuchbenutzungsfehlern Abbildung 4:

geht zurück auf

theoretisch gut vorbereitet sein sollte und daß eine Typologie von Wörterbuchbenutzungssituationen als Teil dieser theoretischen Vorbereitung nützlich ist, habe ich - bevor ich Wörterbuchbenutzungsprotokolle habe anfertigen lassen - den in Wiegand (1977:81) dargestellten „Ausschnitt aus einer Typologie von Wörterbuchbenutzungssituationen für einsprachige, alphabetisch geordnete Gebrauchswörterbücher" zunächst an einigen Punkten terminologisch präzisiert und auch sachlich korrigiert und ergänzt (vgl. Abb. 5). Sodann habe ich diesen Typologieausschnitt u.a. um einige Typen von Wörterbuchbenutzungssituationen erweitert, die die Phraseologie und die Grammatik betreffen. Ein Teil der Erweiterung, der die Grammatik betrifft, findet sich in der Abbildung 6. Er schließt an den Knoten „(andere)" an, der in der Abbildung 5 mit dem Sternchen „*" gekennzeichnet ist. Nachfolgend schließe ich einige allgemeine Erläuterungen zu den

47

Abbildung 5

48

•G O

+J •rl

1

3

-p •H 0)

(1)

ad M

ü

3 H J3

£>

:id

rH

Xi M 6 S 3 C 4-> A) •iH •P H C (U IA

rH 43

H •C

rH

•C

1 rd 1 Id

|

> !S > S C •rl C •P 0) •P Ü)

-rl

•rl

•P

-P

cn Id öl (d Cn M a H C C Q) 0 Altverschuldung,

Altling

Landsfrau

(für: old hand Zin the

(anstatt

Landsmännin).

Zunächst sei dies konstatiert: Wenn ein Protokollant für z.B. leave pay das bzw. ein deutsches Wort wie Urlaubslohn

als Äqui-

valentkandidat bildet, dann hat er nicht gegen Wortbildungsregeln verstoßen, sondern es wird gerade deutlich, daß er die infrage-

86 kommende Wortbildungsregel beherrscht! Denn Urlaubslohn

ist na-

türlich ein regelgerecht gebildetes Kompositum. Nicht korrekt ist jedoch seine mit der Komposition etablierte Äquivalenthypothese 'leave pay - Urlaubslohn',

weil derjenige Bezugsgegenstand, auf

den man in usuellen Texten für leave pay mit leave pay Bezug nimmt, im Deutschen Urlaubsgeld heißt. Die Frage: „Gibt es das Kompositum Urlaubslohn?"

(die, isoliert betrachtet, natürlich mit einem Ja

zu beantworten wäre) muß im vorliegenden Zusammenhang verneint werden, denn sie muß etwa verstanden werden wie folgende Doppelfrage mit zwei offenen Propositionen: Ist das von mir gebildete Kompositum Urlaubslohn korrekt gebildet und auch das usuelle Kompositum für denjenigen Gegenstand, auf den leave pay im Ausgangstext bezogen ist? Es handelt sich daher wahrscheinlich um eine Bestätigungsfrage, ob das durch Befolgung von Wortbildungsregeln im Prozeß der Hinübersetzung selbst gebildete Kompositum erstens tatsächlich regelhaft gebildet ist und zweitens, ob es als Äquivalent infrage kommt, d.h. die in der erstellten deutschen Uber44 setzung usuelle Benennung ist. Ich habe daher alle Fragen, die sich dem Fragetyp GIBT ES X? (mit „X" als Variable für Komposita und Derivata) zuordnen lassen, erstens aufgefaßt als Bestätigungsfragen, ob tatsächlich Wortbildungsregeln gefolgt wurde, und damit als solche nach der Korrektheit des Äquivalentkandidaten X als Wortbildungen; hierin liegt der Aspekt dieser Fragen, der die Grammatik betrifft. Zugleich habe ich aber zweitens alle Fragen dieses Typs aufgefaßt als solche nach der Eignung von X als usuelles Wortäquivalent, und hierin liegt der lexikologische Aspekt dieser Fragen. Auch die Fragen dieses Typs müssen als Ausdruck einer Unsicherheit gewertet werden. Nur kann hier meistens schwerer entschieden werden, ob diese die Norm oder das System betrifft. Anders zu verstehen sind die jetzt folgenden Beispiele. Im Protokoll 17-(BF)-Am findet sich die Frage 74a „Wie heißt die adjektivische Bildung zu Trotzki?".

Im AT^, Z. 44 steht Trotskyite

splinter party, und im Langenscheidt-Engl.-Dt. findet sich nur das

44

Diese Interpretation wurde mir von 3 Amerikanern bestätigt, mit denen ich die von ihnen angefertigten Protokolle ausführlich besprochen habe.

87

Lemma 'Trot sky ism', so daß die Protokollantin in der 1. Ubersetzung trotzkischen

Splitterpartei

schreibt, wo es - was sie dann

4

aus dem Wahrig- DW lernt - trotzkistrsch

heißen müßte. 74a ist

hier als Ausdruck einer Wortbildungsregellücke aufzufassen.- Ein Engländer muß influenzal übersetzen und findet im Schöffler—Weiss nur den Eintrag

1

influenz|a

. .J Grippe f.; er übersetzt mit dem

selbstgebildeten Derivatum grippisch

und ersetzt diese Bildung

nach der Benutzung von Duden-GWb mit der Frage: „Ist grippisoh richtig?" durch grippal. Auch hier liegt m.E. eine Regellücke vor. Wie aber hat man folgenden Fall zu beurteilen? Ein Amerikaner wählt im Langenscheidt-Engl.-Dt. unter dem Lemma 'buf-foon' aus der ohne Äquivalentunterscheidungen angebotenen Äquivalentkumulation

1

Possenreißer, Spaßmacher,

Komiker, Hanswurst'

ausgerechnet

Hanswurst aus und stellt dann - weil zu übersetzen ist C- •J

s h e

was a buffoon - im Prädikativuni Kongruenz zum Subjekt durch

Derivation mittels des Movierungssuffixes -in her, so daß die Bildung Hanswurstin

entsteht. Dann schlägt er mit der Frage: „Ist

die Ableitung Hanswurstin möglich?" im Duden-GWb nach und kommentiert in der Spalte c des Protokolls unter Berufung auf die Bedeutungserläuterung „dummer Mensch, den man nicht ernst nimmt, der sich lächerlich macht" wie folgt: „da es dummer Mensch heißt und nicht z.B. dummer Mann, kann man die feminine Form nicht nehmen, weil Hanswurst auch von weiblichen Personen gesagt wird." Hier liegt keine Regellücke vor, sondern eine Unsicherheit bei der Derivation movierter Feminina. Interessant im letzten Beispiel ist, wie die Konstitution der Antwort aus den lexikographischen Daten zustande kommt, nämlich durch einen „Schluß" von dem Gebrauch des sexusneutralen Wortes Mensch in der Bedeutungserläuterung, d.h.: anhand von lexikographischen Dateneinheiten, deren primäre Funktion nicht darin besteht, als Bestätigungsinstanz dafür zu dienen, ob vom erläuterten maskulinen Lemmazeichen Feminina mittels -in abgeleitet werden können oder nicht. Dies ist eines (von bisher ca. 4o identifizierten Beispielen) in den 35 Protokollen, die zeigen, daß lexikographische Daten eine Polyfunktionalität dadurch gewinnen, daß aus Ihnen unter Suchfragen des Benutzers Antworten konstituiert werden. Bei einem Versuch, die bisher charakterisierten Typen von Benutzerfragen Typen von Wörterbuchbenutzungssituationen zuzuordnen, muß u.a. beachtet werden, daß die in den Abbildungen 5 bis 14 geordneten Typen von Benutzungssituationen solche sind, deren Ausprägungen sowohl bei muttersprachlicher als auch bei fremdsprachlicher Text-

88 Produktion auftreten können. Für die Benutzungssituationen, in denen Fragen vom Typ GIBT ES DAS KOMPOSITUM/DAS DERIVATUM X?

ge-

stellt werden und die im oben erläuterten Sinne aufgefaßt werden müssen, gilt dies nicht; diese Wörterbuchbenutzungssituationen, die als Ausprägungen eines Typs zu gelten haben, den ich UNSICHERHEIT ÜBER SELBSTGEBILDETE ÄQUIVALENTKANDIDATEN nenne, kommen nur bei der Produktion fremdpsrachlicher Texte und hier wohl überwiegend in Hinübersetzungssituationen vor. Dies heißt natürlich nicht, daß es nicht auch den Fall geben kann, daß jemand mit einer Frage des genannten Typs während der muttersprachlichen Textproduktion zum einsprachigen Wörterbuch greifen kann. Nur in diesem Fall wäre eine Frage wie z.B. Gibt es das Kompositum

Vertrauensfrau?

anders zu verstehen, und es läge eine Ausprägung eines anderen Benutzungssituationstyps vor. Für die anderen kurz gestreiften Typen von Fragen zur Wortbildung gilt dagegen, daß sie sowohl bei der mutter- als auch bei der fremdsprachlichen Textproduktion gestellt werden können. Diese Überlegungen sind in die Abbildung 15 eingegangen. (4) Zu den Fragen, die mit den sog. regierten Präpositionen zusammenhängen, aber keine Fragen zur Kasusrektion sind Fragen zu Präpositionen sind in den Protokollen raltiv häufig. Nimmt man die zur Rektion wie z.B. 34a dazu, die ich als syntaktische Fragen aufgefaßt habe (vgl. oben (1)), dann sind es ca. 345 Fragen. Nachfolgend gehe ich nur kurz auf die 28o Fragen ein, die zu regierten, also zu solchen Präpositionen gestellt wurden, deren Gebrauch in der Weise fixiert ist, daß sie an bestimmte Substan45 tive, Adjektive und Verben idiosynkratisch gebunden sind. Während man in der sprachwissenschaftlichen Diskussion die verbregierten Präpositionen wie auf in basieren auf meistens zur lexikalischen Einheit rechnet und der übliche Eintrag in den Wörterbüchern lautet: 'basieren auf etwas', wird man auf begründeten Widerspruch stoßen, wenn man behauptet, Mangel an sei eine lexikalisierte le-

45 Zeichentheoretische oder syntaktisch-semantische Erörterungen muß ich mir hier schenken.

89

I

M

•H Q> S Ä

U

W U

I

U

0j-)>w. Es

besteht aber doch wohl ein Unterschied zwischen sehen mit Präpositionalphrase

(pS) einerseits

('blicken, schauen' wie in er sieht

aus dem Fenster) und sehen mit Nominalphrase im Akkusativ (Sa) oder Gliedsatz (NS) andererseits

('wahrnehmen' wie in wir sehen3

daß er kommt) . Eine Lösung solcher Probleme setzt die Klärung der Frage voraus, welche Kategorien die gleiche Funktion haben können und somit als Alternativen innerhalb eines Musters angegeben werden sollten. Hier wie bei der Subkategorisierung von Präpositionalund Adverbialphrasen tauchen die Probleme funktionaler Angaben wieder auf. Allerdings wiegt das weniger schwer, wenn der Hinweis "Rieht" bei "PräpP/AdvP" als nicht streng definierbare semantische Angabe (analog zu "Lebewesen" usw.) verstanden wird.

217

Wenn wir trotz einiger Bedenken eine Vorentscheidung zugunsten der kategorialen Bestimmung von "Mitspielern" getroffen haben, könnten uns doch zusätzliche Argumente zur Rückkehr zu funktionalen Angaben bewegen; eine Verbindung beider Möglichkeiten scheint hingegen wenig sinnvoll. Neben der Grundsatzfrage sind natürlich noch viele Einzelpunkte zu klären. So fragt sich, ob ein Beleg wie entweder jagte er oder griff an, oder er wurde gejagt unter jagen 2 (+NP^]cjc) 'verfolgen' stehen sollte (wie im Probeartikel), weil man hier ein unspezifisches Objekt (irgend jemanden}

irgendetwas)

einsetzen könnte, oder ob er unter dem intransitiven jagen 1 (+0) einzuordnen ist, was dann eine Aufteilung in zwei Bedeutungspositionen erfordert: 'Wild verfolgen, um es zu erlegen1 und 'irgendjemanden/irgendetwas verfolgen'. Hier bereitet einerseits die Vorstellung von der "Unterdrückung des Objekts" Unbehagen; andererseits ist aber so gut wie jede angeblich obligatorische Ergänzung weglaßbar, wenn die Bedeutung aus dem Kontext ergänzt werden kann oder unbestimmt ist (vgl. zu solchen "Tilgungen" auch Cowie 1984: 159-162) - soll also wirklich eine intransitive Verwendung von heißen angeführt werden, wenn das Korpus z.B. den Beleg Jeder Mensch heißt

5.2

(aus Günter Grass, Hundejahre) enthält?

Kollokationen und Idiome

Unser Begriff von Kollokation unterscheidet sich deutlich von dem, den Franz Josef Hausmann in diesem Band vertritt. Sieht er in der spezifischen Semantik das wesentliche Kriterium, gehen wir von der Frequenz aus, weil wir uns nicht in der Lage sehen, auf semantischer Grundlage zwischen spezifischen und unspezifischen Kombinationen zu trennen. Es wäre müßig, darüber zu streiten, welche die "richtige" Definition ist - es handelt sich schlicht um einen Unterschied in den Erkenntnisinteressen, der unglücklicherweise

(wie

so oft) durch die Verwendung identischer Termini verdeckt wird. Ich glaube allerdings, daß die in unseren Probeartikeln angeführten Kollokationen auch dann interessant sind, wenn ihre Bedeutung aus denen der Teile klar hervorgeht. Ist es nicht auffällig, daß im vergangenen

Jahr häufiger ist als im letzten Jahr

(156:38), aber

in den letzten Jahren häufiger als in den vergangenen

Jahren

(141:36)? Sollte man nicht vermerken, daß von 616 Belegen des

218

Lexems Jahr im Dativ Singular mit nachfolgender Jahreszahl allein 426 auf im Jahre

[1970 usw.] entfallen? Übrigens zeigt sich, daß

unsere statistisch ermittelten Kollokationen weitgehend mit Beispielen übereinstimmen, die andere Wörterbücher anführen. Dabei vernachlässigen wir semantische Besonderheiten nicht, denn für sie ist die Rubrik "Idiome" vorgesehen (die natürlich so manche Tücken hat). Auf die Problematik der Abgrenzung von "Idiomen", bei der ein gewisses Maß an Subjektivität unvermeidlich ist, will ich hier nicht eingehen. Daneben bleibt zu klären, wo Idiome eingetragen werden sollen. In unseren Probeartikeln steht z.B. in jungen Jahren nur unter jung, nicht unter Jahr. Begründen ließe sich das allenfalls dadurch, daß hier eher jung als Jahr eine besondere Bedeutung hat, aber das wäre lediglich die nachträgliche Rechtfertigung eines zufälligen Ergebnisses. (Die Reihenfolge der Konstituenten wäre höchstens bei einem Rezeptionswörterbuch als Kriterium vertretbar.) Sinnvoller scheint es, in jungen Jahren an beiden Stellen anzuführen, während eine Eintragung unter in entbehrlich scheint. Hier müssen noch klare Kriterien entwickelt werden, die es im Idealfall ermöglichen sollen, per Computer zu prüfen, ob alle Idiome unter den relevanten Bestandteilen genannt sind. Bei den Kollokationen stellt sich dieses Problem nicht, weil unser Kollokationsbegriff nicht symmetrisch ist: je Aktie steht im Probeartikel je, weil Aktie in unserem Korpus unter den Nominalphrasen nach der Präposition je überdurchschnittlich oft vorkam; unter Aktie wäre je Aktie aber nur dann einzutragen, wenn je eine der häufigsten Präpositionen ist, mit denen Aktie verbunden wird. Am meisten Kopfzerbrechen bereitet uns die Frage, wie die grammatischen Angaben bei den verschiedenen Klassen von Kollokationen gestaltet werden sollen. Hier hatten wir zunächst ebenfalls mit einem funktionalen Ansatz experimentiert, bei dem z.B. für Jesus genannt werden könnte: k •k k k k k

(mit (als (als (als (als (als

Attr) - Christus, - von Nazareth, der historische ~ Attr) die Geburt, die Botschaft, die Auferstehung Jesu Subj) ~ lebt, sprach, sagt PräpO) mit ~ sprechen, an ~ glauben, auf ~ hoffen AkkO) ~ lieben Dato) - danken

219

Hinsichtlich der Notation sind verschiedene Varianten denkbar, je nachdem, ob die Funktion des Lemmazeichens

{Jesus) oder die des

kollokierenden Elements (Christus usw.) bezeichnet wird. Abgesehen von den in 5.1 erwähnten Abgrenzungsschwierigkeiten ist aber eine Angabe wie "als PräpO" bei mit Jesus spreahen

usw. nicht ganz kor-

rekt, weil ja Jesus hier nicht Präpositionalobjekt ist, sondern Nominalphrase in einer Präpositionalphrase, die ihrerseits als Objekt fungiert. Noch komplizierter wird es z.B. bei Kollokationen mit Jahr II (ohne Jahreszahl): A vor+ Anzahl+~(en), in diesem

im

mit+

Zahl+ ~en, für+Anzahl+

~(e)

Kategoriale Angaben könnten bei Jesus z.B. wie folgt aussehen: A

(~ + N> ~

Christus

A (~ + PräpP) ~ von Nazareth A

(adj + - ) der historische

~

A ~ lieben

Auferstehung

Jesu

sagt

A ( v + ~ (Dat)) - danken

A (v + präp+~) sprechen mit, glauben an, hoffen auf ~

Die zitierten Kollokationen zu Jahr ließen sich in diesem System zusammenfassen als: A (präp+art/adj+ ~(e/n)) vor +Anzahl+ ~(en), ... Das ist aber doch recht unübersichtlich. Vielleicht wäre ein flexibles Verfahren optimal, bei dem folgende Typen von Angaben möglich sind: als mit + in

... ... ... ...

(Funktion des Lemmazeichens) (Funktion des kollokierenden Elements) (Kategorie des kollokierenden Elements) (dem Lemmazeichen übergeordnete Kategorie)

In diesen Rahmen passen die zunächst dargestellten funktionalen Angaben; sie ließen sich aber bei Bedarf variieren durch: Attr - Präzisierung: (in N?Gen ) statt (als Attr); - Aufgliederung: (+ Name als Attr), (+ PräpP als Attr), (+ adj als Attr) statt (mit Attr); - andere Aufteilung: (in NP^kk a l s Obj), (in PräpP als Obj) usw. statt (als AkkO), (als PräpO) usw.

Neben den hier illustrierten Kombinationen "+ ... als ..." (Kategorie und Funktion des kollokierenden Elements) sowie "in ... als ..." (dem Lemmazeichen übergeordnete Kategorie und Funktion)

220

sind auch sinnvoll: "als ... in ..." (Funktion des Lemmazeichens und übergeordnete Kategorie) und "als ... zu ..." (Funktion des Lemmazeichens und Kategorie des Kerns der Konstruktion). So könnte man z.B. die Verwendung von schön in sohön groß und schön

aussehen

durch (als AdvG zu adj> und (als AdvG zu V) unterscheiden, wobei "AdvG" für "Adverbialglied" steht. Bei den Kollokationen vor drei Jahren usw. müßte die Angabe (in PräpP als AdvG) lauten. Versucht man allerdings, im Herbst dieses Jahres, im Laufe der Jahre3

Ende

des Jahres, in den ersten zwei Monaten dieses Jahres usw. zusammenzufassen, so ist die Angabe (in N P G e n als Attr) nicht ganz zutreffend, weil nicht nur die Nominalphrase im Genitiv genannt wird, sondern auch der Kern, zu dem sie Attribut ist (Herbst } Lauf, Ende, Monate) und z.T. sogar noch eine vorangehende Präposition. Statt wie in den Probeartikeln zu resignieren und auf grammatische Angaben bei den Kollokationen ganz zu verzichten, sollten wir vielleicht solche kleineren Mängel in Kauf nehmen. 5.3

Beispiele und Belege

Kodierte Informationen sind bekanntlich bei Wörterbuchbenutzern nicht besonders beliebt (s. z.B. Bejoint 1981:216f); Beispiele geben demgegenüber zwar nur implizite Auskünfte, sind aber oft weit aufschlußreicher. Selbst eine relativ ausführliche Erläuterung wie die in meinem Probeartikel ja (s. 2.2) unter III 2 d kann das zugehörige Beispiel "Der dahinten, der Schwarze!

- Ja der!" rief

Strauß nicht ersetzen, sondern allenfalls ergänzen, und im Artikel Jesus wird mit Herr Jesus Christus3

du wahre Sonne der Welt nicht

nur die angeführte Kollokation Jesus Christus belegt, sondern zugleich auch die nicht ausdrücklich erwähnte Anrede mit Herr und du vorgestellt. So

veranschaulichen Beispiele zum einen die ex-

pliziten Angaben des Wörterbuchs und bieten zum andern vielfältige Zusatzinformationen - möglicherweise sogar zu Benutzerfragen, die der Lexikograph selbst nicht in Betracht gezogen hat. Daß wir in unserem grammatischen Wörterbuch Beispielen breiten Raum gewähren wollen, bedarf aber wohl ohnedies nicht der Rechtfertigung. Üblicherweise mischen Wörterbücher verschiedene Arten von Beispielen, ohne sie formal voneinander zu unterscheiden. So findet man in DUDEN-DUW unter Kraft u.a.:

221

(1) seine ganze K. für etw. aufbringen (2) unter Aufbietung aller Kräfte wurde das Projekt zu Ende geführt Unter identifizieren

folgen in WAHRIG-DW 3 aufeinander:

(3) etwas od. jmdn. ~ als (mit der Bedeutungsangabe feststellen als') (4) jmdn. als den kaufmänn. Angestellten X.Y. ~

'erkennen,

Nur bei (2) handelt es sich um das, was ich als Beispiel im eigentlichen Sinn ansehe, nämlich eine konkrete (belegte oder vom Lexikographen gebildete) Äußerung, die keine Variablen wie etw. usw. enthält. Dagegen ist (1) primär eine Kollokationsangabe, (3) die Angabe eines syntaktischen Musters; (4) nimmt eine merkwürdige Zwitterstellung ein, indem es das in (3) genannte Muster durch Hinzufügung der Nominalphrase den kaufmänn. Angestellten

X.Y. il-

lustriert, aber andererseits jrndn. nicht ersetzt und das Verb im Infinitiv beläßt. Schließlich werden zuweilen Auskünfte, die der Bedeutungserläuterung dienen, als Beispiele verkleidet. So bildet in BROCKHAUS-WAHRIG der Hinweis "Kant ist Zeitgenosse von Goethe, u. Goethe ist Zeitgenosse von Marx, aber Kant ist kein Zeitgenosse von Marx" Teil der Bedeutungsangabe zu intransitive intransitiv

2), wogegen bei intransitiv

Relation

(unter

1 (als grammatischem Ter-

minus) in entsprechender Funktion ein Beispiel auftritt: (5) „fallen" und "gehen" sind ~e Verben Mir erscheint es sinnvoller, klar zwischen expliziten Angaben verschiedener Typen und ergänzenden Beispielen zu trennen und insbesondere auf jene Pseudobeispiele wie (1), (3) und (4) zu verzichten, die mit ihren lästigen Kürzeln (z.B. den leicht verwechselbaren "jmdm." und "jmdn." oder dem kasusindifferenten "etw.") unangenehm zu lesen und, schlimmer noch, oft nicht eindeutig zu interpretieren sind (worauf auch Hans-Peder Kromann in diesem Band hinweist). Mit der Vorentscheidung, Angaben und Beispiele nicht zu verquicken, ist noch nicht geklärt, in welchem Verhältnis die im Wörterbuch gegebenen Beispiele zu den im Korpus vorgefundenen Belegen stehen sollen. In unseren Musterartikeln haben wir durchweg Korpusbelege zitiert, wobei wir gewisse Auslassungen vorgenommen haben (ähnlich wie in WDG und DUDEN-GWB), nicht aber lexikalische Ersetzungen oder

222 syntaktische Umformungen. Ganz im Gegensatz dazu hält Zöfgen für seine Zwecke "ausschließlich konstruierte Beispiele" für sinnvoll (1982:47) und fragt (in diesem Band), ob der Benutzer eines Wörterbuchs denn etwa lernen solle, einen Satz wie diesen Hund [...], den auszuleihen liebgewonnen]

mir meine Einsamkeit

befohlen hatte, [habe iah

zu verwenden. Das soll er natürlich nicht. Er soll

nach meiner Auffassung überhaupt keine Beispielsätze aus dem Wörterbuch unbesehen kopieren, auch wenn sie ganz "normal" sind, wie etwa loh habe zwanzig Jahre witzlos politisch

gearbeitet

(s. Ber-

genholtz/Mugdan 1984:88 s.v. Jahr 14.la). Im Unterschied zu Zöfgen vertrete ich nämlich nicht das Konzept eines L e r n Wörterbuchs als Unterrichtsmittel, in dem die Beispiele u.a. die Funktion haben sollen, den Wortschatz des Lerners zu erweitern. Ich halte eben nicht so viel von der Vorstellung, daß man eine Sprache aus Lehrwerken lernen kann, und setze mehr auf die Konfrontation mit realen Texten in realen Kommunikationssituationen

(z.B. Lektüre aus Inter-

esse am Thema usw.). Darum betrachte ich ein Wörterbuch - auch ein L e r n e r W ö r t e r b u c h - ausschließlich als Nachschlagewerk, das die im aktuellen Umgang mit der Sprache auftretenden Fragen des Benutzers beantworten soll (und damit natürlich auch kompetenzerweiternd wirkt). Dieser Zielsetzung kann das Wörterbuch umso eher gerecht werden, je mehr authentisches Sprachmaterial es dem Benutzer vorstellt. Nun werden manche Kollegen einwenden (vor allem generativistisch angehauchte), daß doch auch konstruierte Beispiele "authentisch" seien, weil sie der unfehlbaren Kompetenz eines kompetenten Sprechers entspringen. Das ist jedoch bestenfalls eine Illusion und schlimmstenfalls eine Schutzbehauptung, denn offensichtlich ist damit zu rechnen, daß konstruierte Beispiele in dreifacher Hinsicht unrealistisch sind: (1) semantisch, (2) syntaktisch, (3) textUnguistisch/pragmatisch. Zu (1): Das Beispielmaterial in Wörterbüchern, Grammatiken und linguistischen Abhandlungen ist in seinen Inhalten vielfach stereotyp bis hin zu bedenklichen Klischees. Das hat sich seit den Beobachtungen von Römer (1973) nicht grundlegend geändert, auch wenn

223 immerhin bei der Erstellung von LDOCE die Gefahr sexistischer Beispiele bedacht wurde (s. Whitcut 1984). Nicht besser ist diejenige (in Wörterbüchern und Grammatiken allerdings weniger verbreitete) Sorte von Linguistenprosa, die versucht, besonders geistreich zu sein, aber dem Leser ebensowenig wie die ach so komischen Histörchen in manchen Sprachlehrwerken auch nur das müdeste Lächeln abzuringen vermag. Zu (2): Die syntaktische Komplexität konstruierter Beispiele bleibt im allgemeinen hinter der von Korpusbelegen zurück. Das zeigt bereits ein Vergleich zwischen den Beispielen und den Zitaten in WDG und DUDEN-GWB. So stehen etwa unter ja 3b in WDG die Beispiele das kann ich versichern3

ja beeiden und der Junge benahm sich ungehö-

rig, ja frech neben dem (noch gekürzten!) Zitat Menschen wie Kepler, Hexenprozesse

und Hexenbrennen

... die}

für eine Verirrung, ja

ein Verbrechen hielten. Der typische Beispielsatz ist ein einfacher aktiver Aussagesatz (sehr häufig im Präsens), in dem auf schmückendes Beiwerk wie Modalverben und Adverbiale in der Regel verzichtet wird und die Nominalphrasen meist nur aus einem Substantiv mit bestimmtem Artikel bestehen, bestenfalls durch ein Adjektiv erweitert. Unter jagen 3 findet man in WDG eine ganze Serie solcher Beispiele: das wildpochende Feuerwehr

Herz jagte das Blut durah die Adern; die

jagt dicke Wasserstrahlen

in die Flammen; die Mutter hat

die Kinder ins Bett gejagt; der Wächter jagt die Jungen vom Bauplatz; der Sturm jagt die welken Blätter vor sich her. Für tatsächliche Äußerungen ist das gänzlich untypisch. Zu (3): Weil konstruierte Beispiele nicht in kommunikativer Absicht entstehen, fehlt es ihnen an wesentlichen Merkmalen, die für reale Äußerungen charakteristisch sind. Das betrifft etwa die Verwendung sprachlicher Mittel, die satzübergreifende Textzusammenhänge stiften, und vor allem die kommunikativ angemessene Verteilung von gegebener und neuer Information. So fällt es mir doch recht schwer, mir eine plausible Situation vorzustellen, in der eine Äußerung wie er ist Mitglied in einer Partei

(DUDEN-GWB s.v. in) sinnvoll

wäre (wen interessiert schon, daß "er" ein Parteibuch hat, wenn man nicht erfährt, welches?). Das Beispiel die Handschuhe innen mit Pelz gefüttert

sind

(BROCKHAUS-WAHRXG s.v. innen) ist ziemlich

ungeeignet, weil ausgerechnet das zu illustrierende innen in diesem

224 Kontext unsinnig ist (oder gibt es etwa Handschuhe, die außen gefüttert sind?). Und wer es immer noch nicht als Irrtum ansieht, konstruierten Beispielen Authentizität zuzusprechen, dem sei die Stilblüte empfohlen, die WDG unter Irrtum bietet: wenn du meinst, das verhalte sich wirklich so, bist du sehr im Irrtum.

(Wer es lie-

ber umgangssprachlich hat, darf statt sehr auch ganz schön oder gewaltig sagen - das paßt so gewaltig gut zum Konjunktiv I!) Es hat also schon gute Gründe, wenn wir uns lieber an ein Korpus halten anstatt unserer Kompetenz zu vertrauen. Genau das, was echte Belege auszeichnet, bereitet aber bei ihrer Aufnahme ins Wörterbuch Kopfzerbrechen. Daß der Wortschatz der Zitate oft selbst nicht lemmatisiert ist (s. Wiegand 1984e:VI), scheint mir dabei kein großes Problem. Es wäre ohnedies unmöglich, bei unseren Beispielen von den ca. 2000 Lemmata des Wörterbuchs auszugehen. Die Frage ist deshalb lediglich, inwieweit die Belege durch ihr Vokabular schwer verständlich werden. Das hängt zweifellos von der Benutzergruppe ab. Daher schlägt Henning Bergenholtz (in diesem Band) vor, in einem Wörterbuch für Schüler z.B. Pelzrobben

durch Tiere zu ersetzen.

Ist aber eine solche Änderung tatsächlich notwendig? Was spricht für Tiere gegenüber Pelztiere3

Robben3

Seehunde usw.? Ich weiß es

nicht. Ich bin nicht einmal sicher, daß man einen Beleg inhaltlich völlig verstehen muß, um ihm die benötigten grammatischen Informationen entnehmen zu können. Schwieriger finde ich die Entscheidung, ob und ggf. wie Belege mit komplexer Syntax oder satzübergreifenden Verknüpfungen gekürzt werden sollen. Einerseits sind Kürzungen aus Platzgründen fast unvermeidlich und auch insofern wünschenswert, als ein prägnantes, von "Ballast" befreites Beispiel seinem Zweck besser gerecht wird; andererseits besteht die Gefahr, daß ein Zitat seine Verständlichkeit einbüßt, wenn es auf ein Fragment reduziert wird. Soll man dem Verlust an Verständlichkeit durch syntaktische Umformungen begegnen? Wo liegt aber dann noch der Unterschied zum selbsterdachten Beispiel? Unter welchen Voraussetzungen kann man noch davon sprechen, daß dem Beispiel ein Beleg zugrunde liegt (s. DUDEN-DUW 18, LDOCE xxvi)? Die Frage, welche Anforderungen an ein lexikographisches Beispiel zu stellen sind, bietet also Stoff genug für kontroverse Debatten - vielleicht beim nächsten Kolloquium?

HENNING BERGENHOLTZ VOM WISSENSCHAFTLICHEN WÖRTERBUCH ZUM LERNERWÖRTERBUCH

1.

Lexikographische Illusionen

Die Trennlinie zwischen Hoffnung, Illusion und Betrug sind in der heutigen wie auch in der früheren Lexikographie fließend. KRAMER ging in seinem "HochnStigen Vor-Bericht" zu seinem Teutsch-Italiänischen Dictionarium davon aus, daß es für "Lehrer und Lernende/ nicht nur bloß zum Aufschlag-/sondern zuvorderst/ wie Sfters gesagt/ zu einem Studir-Buch dienen wird". Grimm hegte in seiner Vorrede zum Deutschen Wörterbuch (DWB) bekanntlich die Hoffnung, daraus werde abends der Vater den Knaben vorlesen..MACKENSEN sieht als wichtiges Anliegen seines Wörterbuchs, daß es Lust an der Sprache und Verständnis für sie wecken möge. DUDEN-DUW will dazu beitragen, daß die deutsche Standardsprache nicht in Varianten zerflattere, sondern als Trägerin der politischen, kulturellen und wissenschaftlichen Entwicklung verläßlich bleibe. In der Bundesrepublik lehrende Deutschlehrer habe;n den Befragungen von Kühn/Püschel 1982 zufolge wenig für solche Illusionen übrig: Wenn Deutschlehrer überhaupt ein Wörterbuch besitzen und es obendrein auch benutzen, dann ist dies meistens DUDEN-1, der Rechtschreibe-Duden. Wenn es somit anscheinend nicht die Lehrer sind, die die hohen Auflagen der zahlreichen Wörterbücher abnehmen, so ist doch festzustellen, daß ein großer Markt für Wörterbücher besteht: So gut

226

wie jedes Wörterbuch wird in sehr hohen Auflagen verkauft. Wer die Käufer sind und wozu sie die Wörterbücher benutzen, ist zwar unbekannt, doch der Verkauf wäre wahrscheinlich auch ohne die betrügerischen Versprechungen der Verlagsprospekte und der Wörterbuchvorworte möglich. MACKENSEN will beispielsweise dem Leser in zurückhaltender Bescheidenheit zwar keine wissenschaftliche Führung bieten, aber folgenden Benutzergruppen als umfassendes und unentbehrliches Hilfsmittel dienen: dem Verfasser von Schriftstücken und Abschriften; dem Zeitungsleser, der ein Wort nicht versteht; dem Bücherleser, der auf seltsame oder veraltete Wörter oder Fachausdrücke stößt. Nicht weniger vielversprechend enthält DUDEN-GWB, laut Prospekt, alles, was für die Verständigung mit Sprache und für das Verständnis von Sprache wichtig ist. Dabei bediene es sich stärker, als es bisher in der Lexikographie üblich sei, sprachwissenschaftlicher Methoden. Dazu gehöre nicht nur die Auswertung von Millionen Belege der deutschen Gegenwartssprache aus der Kartei der Dudenredaktion, sondern "selbstverständlich auch die gesamte neuere sprachwissenschaftliche Literatur" (Vorwort S. 1) . Selbst wenn solche Werbesprüche zu einem deutlich besseren Verkauf der Wörterbücher führen würden, so täuschen und enttäuschen sie den Benutzer, der sich möglicherweise aufgrund solcher Versprechungen ein bestimmtes Wörterbuch gekauft hat. Es ist daher sicher kein Zufall, daß die in Drosdowski 1977 abgedruckten Briefe an die Dudenredaktion zunächst auf das mögliche Fehlen eines bestimmten Wortes oder eine seiner Gebrauchsmöglichkeiten fragend hinweisen. "Kann ich daraus schließen, daß es diesen Begriff in der Schriftsprache nicht gibt?", ist eine typische Frage, die die Werbefachleute, welche die Prospekte und Vorworte verfassen, mit angeregt haben. Aufgrund der prinzipiellen Unmöglichkeit einer vollständigen Erfassung aller Wörter wären für die Benutzer klärende Hinweise über die Auswahlkriterien erforderlich. Dies ist beispielsweise eines der Hauptanliegen in KRAMERs Vor-Bericht. Vollständigkeit, sagt er, sei nicht nur für einen einzigen Lexikographen unerreichbar, sie sei vor allem für die Benutzer seines Wörterbuches "gar nicht nSthig".

227

2.

Lemmatisierungsprobleme

Nötig sind vielmehr klare Prinzipien der Lemmaauswahl, die auch dem Wörterbuchbenutzer mitzuteilen wären. Je nach Größe und Zielsetzung eines Wörterbuchs gibt es selbstverständlich große Unterschiede, vgl. hierzu die Tabelle 1 mit Angaben zur Anzahl der Lemmata mit dem Anfangsbuchstaben j: TAB. 1 BROCKHAUSWAHRIG 1713

WAHRIG-DW3

ULLSTEIN

684

180

SCHÜLERDUDEN 91

SCHÜLERDUDEN-BED

ISTVAN

OEHLER/ HEUPEL

68

34

24

Ob nun diese oder jene Anzahl von Lemmata in einer adäquaten Relation zur Zielsetzung dieser Wörterbücher steht, ist zweifellos diskutabel. In diesem Rahmen möchte ich zunächst ein anderes, allen Wörterbüchern gemeinsames Problem diskutieren: Wird die Lemmaauswahl durch Prinzipien geleitet, die für den Benutzer hilfreich und nachvollziehbar sind? KLAPPENBACH/STEINITZ setzen beispielsweise neben Jüngst Wortartkennzeichnung Adv.

und der Bedeutungserläuterung

lich, unlängst' ein Lemma jung

mit der Wortart Adj.

mit der 'kürz-

und vier Be-

deutungsgruppen an, bei denen Komparativ- und Superlativbeispiele und -belege nur unter den Bedeutungen 1, 2 und 4 zu finden sind:

jung, jünger, am jüngsten / A d j . , vgl. jüngst/ 1. in jugendlichem Alter, 6g». alt: ein j. Geschöpf, Tier; eine j. Dame, Studentin; die j. Mannschaft, Intelligenz, Generation; d i c h t , er mußte sein j. Leben früh dahingehen (mußte früh sterben); umg. das j. Volk {die Jugend)*; die j. Leute; ein Roman von einem j. Autor; der j. Heine; hist. das Junge Beutichland (Gruppe fortschrittlich gefilmter, realistischer deutscher Dichter und Journalisten du 19. Jahrhunderts); N e u präg. DDR ein Klub j. Techniker, Talente; die Jungen Pioniere ¡Abk.: JF; Bezeichnung für die Mitglieder der Pionierorganisation „Ernst. TUUmann"/; N e u p r ä g . Rel. e v . die Junge Gemeinde (Vereinigung junger evangelischer Christen)"*; ein jüngerer (noch nicht alter) Herr; er ist schön wie ein j. Gott; die Jungen fühlen sich oft von den Alten unverstanden; sie sind noch j. genug; für diese Arbeit war er nooh zu j.; sie haben j. geheiratet; er kam j„ in j. Jahren zu Amt und

Würden; So jung sitzen wir nicht mehr beisammen WERKEL Veruntreuter Himmel 69; sich j. fühlen; sie hat sich auf j. (jugendlich) zurechtgemacht; sie sind Entbehrungen von j. auf (von klein auf) gewohnt; j. und alt (jedermann) war begeistert; Junge und Alte klatschten Beifall; ¡sprichw./ j. gewohnt, alt getan (so wie man ei in der Jugend gewohnt war, so handelt man auch im Alter); j. gefreit, (hat) nie gereut; wie die Alten Bungen, so zwitschern auch die Jungen (so wie die Alten handeln, handelt auch die Jugend); s a l o p p a b w e r t e n d dieses j. GemüBe (unreife Jugendliche)l; umg. so ein j. Dachs (unerfahrener Mensch) I; was wünschen Sie, j. Frau! /in der Anrede, auch für ältere Frauen/ 2. ¡weist auf die erreichten Lebentjahre hinf man ist so }., wie man sich fühlt; umg. s c h e r z h . sie ist zwanzig Jahre j. 1 ; sie sind jünger als wir; sie Bchien plötzlich um zehn Jahre jünger geworden zu sein; sie war zu Hause die Jüngste, das jüngste Kind

228 43; auf der jüngsten Sitzung kam es zur Abstimmung; b i b l . das Jüngste Gericht; der Jüngste T a g ; u m g . da kannst du warten bis zum Jüngsten Tag {da kannst du ewig warten)

8. jugendlich frisch: eine j. Gestalt, Stimme; ein j. Gesicht; die junge K r a f t ihrer Glieder G. HERMANN Kubinke 90; u m g . ein j. Blut; er hat noch j. Beine*1; er hat sich /Dat./ auch im. Alter sein j. Herz bewahrt; innerlich, ewig j. bleiben 4. noch nicht lange bestehend, neu: die j. Firma, Freiheit, Nation; der j. (noch nicht abgelagerte) Wein, Mond, S t a a t ; das j. (frische) Laub, Gemüse, Grün; ein j. (noch nicht lange verheirateter) E h e m a n n ; sie sind j. verheiratet; eine j. Mutter; ein j. Paar auf der Hochzeitsreise; die festliche Frische des jungen Tages G. HATTPTM. 4,122 (Ketzer); die j. Wissenschaft der Kybernetik; wir begrüßten zuversichtlich das j. J a h r ; die j. Universität erwarb sich fDat.f schnell einen guten R u f ; diese Ausgabe ist jüngeren Datums; jüngst letzt: die jüngsten Begebenheiten, Beschlüsse; Also man spricht über den jüngsten Weltraumflug FRISCH Gantenbein

tu 1 b l u t - , n e s t j u n g zu 1 Ui 3 v e r j ü n g e n

jüngst JAdv., vgl. jung 4/ v e r a l t e n d kürz• lieh, unlängst: er war j. in Leipzig; j. hörte ich von ihnen; sie sahen sich erst j.; Als wir jüngst in Regensburg waren Volksl.; ein j. abgehaltener Kongreß; das j. erschienene Buch

KLAPPENBACH/STEINITZ

Das A n s e t z e n v o n zwei L e m m a t a , jung

u n d jüngst,

m a g als

v e r s t ä n d l i c h e r s c h e i n e n , d i e s e M ö g l i c h k e i t ist j e d o c h

selbst-

keineswegs

die d u r c h g e h e n d v e r w e n d e t e in der l e x i k o g r a p h i s c h e n P r a x i s . führt D U D E N - G W B n i c h t zwei, s o n d e r n sechs L e m m a t a bzw.

So

Sublemmata

auf, d i e w i e f o l g t u n t e r s c h i e d e n w e r d e n : jung

(Adj; jüngerj

jünger

Jüngere Jüngere jüngst Jüngste

jüngste)

1

n i c h t sehr alt 1

(Adj) 1 . ( a b s o l u t e r K o m p a r a t i v ; n i c h t adverbiell) 'nicht alt, a b e r a u c h n i c h t m e h r sehr jung 1 2 . ( K o m p a r a t i v zu jung) (der u. die)

ohne

Bedeutungsangabe

+jünger (Adv, S u p e r l a t i v zu jung) (der u. die)

'kürzlich,

'jüngster Sohn, j ü n g s t e

neulich' Tochter1

i u m üonl ch i

nicht ah; ein ni {tirine*, muh nicht sehr hohen Lehensaller habend; uch noch in der Entwicklung oder gerade am Ende der Entwicklung hefirulend (Ggs.: alt I a): ein -er M a n n : -e H u n d e : ein -es Bäumchen: die -en Leute von heute: ein •er Abgeordneter: Aber die unbezahlbare Ausstrahlung ... hatte siediesen -en Dingern voraus - jung, auch in der Bedeutung 'neueste, letzte']: der niederländische Prinz Constantijn, der jüngste Sohn der Thronfolgerin (WE69) Es wundert kaum, daß, jüngsten Umfragen zufolge, 37% aller japanischen Familien mit ihren Wohnverhältnissen unzufrieden

253 sind. (L366) Das erste Geschäftsjahr der beiden jüngsten Fonds unserer Gesellschaft endete am 30. September 1970. (L357) ± die ~e(n) Entwicklung(en) die ~e Vergangenheit, die ~e Geschichte, die ~e Zeit, die ~e Tagung, die ~e Sitzung: er gestatte es dem 'verstehenden' Historiker, sich in einem gewöhnlich unausgesprochenen Einverständnis mit der Kontinuität der jüngsten Entwicklung seines Kulturkreises zu messen. (L214) Bei der Intensivierung der Produktion haben wir in der jüngsten Vergangenheit gute Erfolge erzielt. (ND74) Die Erfahrungen der jüngsten Zeit haben das gezeigt. (WE74) A in ~er Zeit (38), in der ~en Ausgabe, aus -er Zeit, bis in die ~e Zeit: Diese Frage nun ist stets und in jüngster Zeit in wachsendem Maße kritisch gestellt worden. (L442) die Wochenzeitung "Tribuna" druckte in ihrer jüngsten Ausgabe umfangreiche Auszüge aus dem ND-Artikel ab. (ND69) A ~e deutsche, ~e sowjetische: Verkettungen von Ursachen und Folgen der jüngsten deutschen Geschichte. (WE64) die jüngste sowjetische Initiative stellt eine Erweiterung der griechischen Anregung dar. (WE74) • nicht mehr die ~e 1 'relativ alt1: Aber weil die Maschine nicht mehr die Jüngste ist, hat sich in ihr verschiedenes gelockert und abgenutzt. (L047) ANM. Großschreibung wie hier ist sicher unüblich. • das ~e Gericht/ der ~e Tag 3/2 'letzter Tag der Welt1 [nach christlicher Lehre kommt Jesus an diesem Tag wieder und richtet alle Menschen nach ihren Taten]: Sicher darf man sich das Jüngste Gericht nicht so naiv vorstellen. (L325) also wird auch ein Erlöser nicht völlig abgelehnt. Es gibt keinen Vorgriff, auch nicht die Hoffnung auf Vorgriff ins Jüngste Gericht, die Menschwerdung Gottes (L266) II. Jüngste adj subst m/f 8 'das jüngste der Kinder einer Familie': während du, unser Jüngster, genau wie dein Vater unbelehrbar den Alten anhängst und deine Starrsinnigkeit für Treue hälst. (L220) "... Du hast überhaupt nichts mit ihr zu tun, Mutti", erklärte meine Jüngste. (WE64) III. Jüngsten adj subst pl 4 'ganz kleine Kinder': Die Jüngsten werden im Rollerrennen, Eierlaufen, Sackhüpfen und Topfschlagen ihre Kräfte messen. (ND69) Auf der Freilichtbühne, unweit des Haupteinganges, fesselte am Sonntag "Widewau" die Jüngsten. (ND69)

254 5.2

Überlegungen zur Erstellung eines Lernerwörterbuchs

Die bisherigen Ausführungen wollten Argumente dafür bringen, daß eine genaue deskriptive Erfassung eine notwendige Voraussetzung für die Erstellung eines Lernerwörterbuchs ist bzw. sein sollte. Bei der Planung des vorhin vorgestellten wissenschaftlichen Wörterbuchs stellt sich die Frage, ob gleichzeitig ausgehend von demselben Material ein Lernerwörterbuch entstehen könnte. Als Zielgruppe gehe ich von deutschen Schülern im Alter zwischen 12 und 16 Jahren aus, für die ein Konstruktionswörterbuch

(s. Kro-

mann in diesem Band) erarbeitet werden soll. Bei einem Konstruktionswörterbuch, das lediglich die häufigsten Wörter enthält, dürften rudimentäre Bedeutungserläuterungen in den meisten Fällen ausreichen. Zusätzlich zu diesen Bedeutungserläuterungen wäre es wahrscheinlich sinnvoll, Verweise auf Synonyme und Antonyme anzuführen, für die ich jedoch keine Vorschläge ausgeárbeitet habe. Die grammatischen Angaben eines Lernerwörterbuchs können nicht den Grad der Explizitheit erhalten wie in Bergenholtz/Mugdan

1984

vorgesehen. Am wichtigsten scheinen mir Informationen über die Flexion, die Kasusrektion und die Wortstellung zu sein. Wortartangaben sind nur vorgesehen für die morphologisch definierbaren Klassen

(Substantiv, Verb, Adjektiv, Pronomen), bei allen anderen

Klassen mit nicht flektierbaren Lexemen sollen keine Wortarten eingetragen, sondern die nötigen Informationen explizit gegeben werden, z.B. bei , wäh rend 1•, 2.. Ob explizite Angaben bei Adjektiven zum attributiven, prädikativen und adverbiellen Gebrauch durch , , nützlich oder aber entbehrlich sind, ist noch zu diskutieren. Ich habe solche Angaben zunächst vorgesehen. Dabei gehe ich von einer sehr einfachen Definition des Prädikativs in der erforderlichen Wörterbuchgrammatik aus: Prädikative gibt es nur bei den Verben sein, werden

und bleiben,

sonst haben alle nicht flektierten Adjektive

adverbielle Funktion. Besonders wichtig sind die Kollokationsangaben, die wie in Bergenholtz/Mugdan 1984 durch ein Dreieck für die wichtigsten Kollokationen und ein Viereck für idiomatische Ausdrücke gekennzeichnet sind. Es sind keine Belege vorgesehen, allerdings werden alle

255 Beispiele anhand von Belegen gebildet. Im geplanten lichen Wörterbuch sind in einer Reihe von Fällen

wissenschaft-

Häufigkeitsanga-

ben vorgesehen. Ich kann mir vorstellen, daß Zahlen die

Neugierde

einiger Schüler wecken könnten, z.B. so: jährlich 258 'jedes Jahr, pro Jahr' 1. 72 [besonders bei Geldangaben]: Der jährliche Umsatz wird 1000 Milliarden betragen. 2. 186: Es findet zweimal jährlich ein Musikabend statt. Rund vier Milliarden DM sollten jährlich auf diese Weise zusammenkommen. Eine andere Möglichkeit, die Informationen über die

Geläufigkeit

des Gebrauchs zu bringen, besteht darin, daß Teile eines Wörterbuchartikels

in der Reihenfolge der Häufigkeit angeführt

wie bei den folgenden

Vorschlägen:

jung 'von geringem Alter, neu' 1. Er ließ zwei junge Tiere einfangen. A junge Leute, junge Menschen, der junge Mann, der junge Goethe [und andere Personennamen], die junge Generation, der junge / ein junger Arbeiter [und andere Berufsangaben] • in jungen Jahren 'als junger Mensch' 2. jung sein, jung bleiben: Sie ist jung, zweiundzwanzig. 3. der jung verstorbene Künstler jung und alt 'jedermann': Im überfüllten Saal drängten sich jung und alt. jünger 1. seine vier Jahre jüngere Ehefrau * die jüngere Generation, jüngere Bürokraft [und andere Berufsangaben, z.B. in Stellenanzeigen] A in jüngerer Zeit 'neulich' 2. Seine Frau war etwas jünger als er. 3. Er ist 54 Jahre alt, sieht aber jünger aus. jüngst 'neulich, vor kurzem': Diese Nachricht wurde jüngst im Fernsehen veröffentlicht. jüngst- -jung>: der jüngste Sohn der Familie. Worum es wirklich geht, macht ihre jüngste Erklärung deutlich. A in jüngster Zeit, in der jüngsten Ausgabe dieser Zeitung A die jüngste Entwicklung, die jüngste Vergangenheit, die jüngste Geschichte, die jüngste Zeit c das Jüngste Gericht, der Jüngste Tag [nach christlicher Lehre der letzte Tag der Welt, an dem

werden,

256 Jesus alle Menschen nach ihren Taten richtet]

Wenn diese Vorschläge in ein aktives Lernerwörterbuch, ein Konstruktionswörterbuch, aufgenommen werden sollten, wären Verweise auf Synonyme und Antonyme wahrscheinlich sinnvoll. Es ist weiterhin fraglich, ob die Angaben , und sehr viel nutzen; Lehrer, die ich gefragt habe, meinten, solche Angaben würden überlesen oder nicht verstanden. Vielleicht sollten immer zwei Beispiele - und nicht wie hier meistens nur eines - vorgesehen werden? Diese und weitere Fragen können an anderer Stelle ausführlicher diskutiert werden. Mir ging es in diesem Beitrag zunächst um die prinzipiellere Feststellung und deren Nachweis: Auch Lernerwörterbücher haben eine empirische Basis. In vielen Fällen ist diese Basis der Lernerwörterbücher ein grosses Wörterbuch, aus dessen Daten eine gewisse Auswahl getroffen wird. Da aber auch die beiden zuverlässigsten großen deutschen Wörterbücher, KLAPPENBACH/STEINITZ und DUDEN-GWB, eine unklare empirische Basis haben und daher Pseudotermini wie selten,

selte-

ner, auch und oft verwenden müssen, kann es wohl nicht erstaunen, daß zunächst kaum erklärbare Unterschiede zwischen den Angaben einzelner Lernerwörterbücher als Regelfall vorkommen. Zu fordern ist deswegen die Erarbeitung von wissenschaftlichen Wörterbüchern der deutschen Gegenwartssprache, die eine genau angegebene empirische Basis haben. Wenn wir schon Wörterbücher dieser Art hätten, wären Unterschiede zwar immer noch denkbar. Das Entscheidende ist aber, daß eine begründete Auswahl nur von einer zuverlässigen Vorlage möglich ist, die fürs Deutsche vorläufig nur im Reich der Hoffnung vorzufinden ist.

HEINRICH ERK DIE SYNTAX VON SEIN ÜBERLEGUNGEN ZU EINEM WÖRTERBUCH-ARTIKEL

1.

Der Anlaß

Der Artikel, mit dem ich beschäftigt bin, ist eine selbständige Arbeit, ein Beitrag zur Lexikographie des Verbs sein. Er steht in losem Zusammenhang mit einem Wörterbuch, das vor mehr als 10 Jahren erschienen ist. Das ist der Band "Verben" eines Frequenzwörterbuchs, den ich im Auftrag des Goethe-Instituts erarbeitet habe (Erk 1972a). In diesem Band ist sein sozusagen ausgespart. Für das Verb werden nur zwei sehr weit gefaßte Verwendungsweisen angegeben, sein mit Prädikativum und sein als Hilfsverb, dazu noch eine dritte für die substantivische Verwendung. Als Grund für diese Verlegenheitslösung, die in keinem Verhältnis zur Darstellung anderer hochfrequenter Verben steht, wird im Vorwort angeführt, daß bei sein nicht nur die Stelle des Prädikativums vielfältig besetzbar ist, sondern auch die des sogenannten Subjekts: u.a. durch ein Adverb, eine Präpositionalgruppe, ein Substantiv oder Pronomen im Dativ, ein Partizip Perfekt. Ich sah damals keinen Weg, die Klassifikation der "Subjekte" mit der ebenso bunt gemischten Klassifikation der Prädikativa zu verbinden, ganz abgesehen von der ja gleichfalls denkbaren semantischen Klassifikation. Nun ist der Verben-Band insgesamt etwas sorglos ausgefallen, im Vergleich mit den beiden folgenden Bänden (Erk 1975; 1982). Aber daß eine derart wichtige Vokabel so summarisch behandelt wird, das ist doch eine Ausnahme geblieben.

258 Wie dies D a r s t e l l u n g s p r o b l e m rund

gelöst w e r d e n könnte, das ging

10 Jahre später auf, bei der A r b e i t an dem

Unterrichtsprogramm

für Deutsch als F r e m d s p r a c h e ,

g r a m m a t i s c h e Lehrstoff d e t a i l l i e r t e r üblich

in dem auch

ja nicht nur

sondern auch andere V e r b e n m i t P r ä d i k a t i v a , werden, Da lag der

ist,

es ist,

mit Infinitiv + zu, und noch ein paar anderen. Der Weg bahnt. Leicht fiel er mir dennoch nicht. Die

Ent-

vorge-

Corpus-Lexikographie

ist ein m ü h s e l i g e s Geschäft, und m i t einem W o r t w i e sein

Die

lexiist

zu dem

schluß, das damals V e r s ä u m t e nachzuholen, war also schon

2.

z.T. (Erk

als h a b i t u e l l e r Partner anderer

kalischer E i n h e i t e n m i t z u e r f a s s e n w a r : bei das

sich nicht leichtfertig

der sein,

bleiben,

3. Band des erwähnten W ö r t e r b u c h s

1982) schon vor, in dem sein

einem

ausgebreitet w i r d , als es

ist. Die erwähnte S c h w i e r i g k e i t b e t r i f f t

auch saheinen.

mir

"Rahmenplan",

legt m a n

an.

Textgrundlage

Es soll nun aber nicht genau der dort fehlende A r t i k e l w e r d e n . erwähnte Wörterbuch b a s i e r t auf einer s p e z i f i s c h e n Textsorte, lich w i s s e n s c h a f t l i c h e n F a c h t e x t e n aus einer V i e l z a h l von Was es enthält,

ist das Ergebnis

einer

Fächern.

zwiefachen A u s l e s e :

Auswahl, anhand des H ä u f i g k e i t s k r i t e r i u m s ,

einer

von V o k a b e l n aus dem

Gesamtbestand des d e u t s c h e n V o k a b u l a r s , und einer A u s w a h l von vokabeln, das heißt von s e m a n t i s c h e n und anderen anten aus dem V a r i a n t e n b e s t a n d

Sub-

Verwendungsvari-

h o c h f r e q u e n t e r A u s d r ü c k e . Bei

einem

ähnlich angelegten W ö r t e r b u c h mit einer anderen T e x t g r u n d l a g e sagen wir: aus Zeitungstexten - sähe beides anders aus. Es hielte

zum Teil andere W ö r t e r , und bei d e n s e l b e n W ö r t e r n

andere V a r i a n t e n .

Im G r o ß e n ist das zur Zeit nicht dazu d u r c h g e f ü h r t

für das Verb kommen Zeitungstexten

(Erk 1972b). Das

w u r d e mit kommen-Belegen

im gleichen Umfang

quenz und den V a r i a n t e n b e s t a n d

kommen,

ent-

zum Teil

eine

punktu-

Belegmaterial

aus literarischen

(je 250 000 Wörter)

Das Ergebnis war ein W ö r t e r b u c h a r t i k e l

verglichen.

des Verbs in den drei

Textsorten

insgesamt unterschieden wurden, w a r e n in w i s s e n s c h a f t l i c h e n gegenüber

und

der über die F r e -

Auskunft gab. Es zeigte sich: von den 87 V e r w e n d u n g s v a r i a n t e n , nur 31 vertreten,

-

nachprüfbar.

Aber ich habe, als der V e r b e n - B a n d vorlag, w e n i g s t e n s elle Untersuchung

Das näm-

59 in Zeitungstexten und 55 in

die

Texten litera-

259 rischen Texten.

(Allerdings lag auch die Gesamtfrequenz in diesen

beiden Textsorten höher.) Zudem differierte bei den Varianten, die in zwei oder allen drei Textsorten vorkamen, die Vorkommensfrequenz. Man kann daraus unter anderem schließen, daß der Wortgebrauch in wissenschaftlichen Texten eindeutiger festgelegt ist als in anderen, oder umgekehrt, daß diese mit einem begrenzten Wortvorrat mehr anzufangen wissen. Für das Verb sein ergibt sich daraus: wer sich über eine größere Bandbreite seiner Verwendungen unterrichten will, muß die Textgrundlage erweitern. Dementsprechend wird das ad-hoc-Corpus sein nach dem Muster von kommen

für

zusammengestellt. Es soll enthalten:

3 300 Belege aus wissenschaftlichen 3 300 aus literarischen und aus Zeitungstexten. 3 300

Texten,

Für die wissenschaftlichen Texte benutze ich das schon vorhandene Textcorpus, das dem Wörterbuch zugrundelag. Für den literarischen Teil sind Textabschnitte aus Arbeiten von 10 zeitgenössischen Autoren vorgesehen - erzählende Prosa, essayistische Prosa und Dramatisches, von Andersch bis Martin Walser. Das

journalistische

Teilcorpus soll Texte aus 6 Tages- und Wochenzeitungen

enthalten,

oder aber ausschließlich Texte aus dem "Spiegel": das steht noch nicht ganz fest. Das Gesamtcorpus hat einen Umfang von etwa 450 000 Wörtern, das sind rund 1 500 Buchseiten, alle Zeilen, gleichmäßig bis zum Rand ausgefüllt. 10 000 Belege - das ist für ein schwieriges Wort nicht imponierend viel. Der Redaktion des "Trésor de la langue Française" lagen für den Artikel être über 1,7 Mill. Belegkarten vor. Aber bei einer solchen Belegfülle treten wieder neue Probleme auf, und ich habe derzeit keine Möglichkeit,

einzelne

Arbeitsgänge zu delegieren.

3.

Das Konzept

Wenngleich der geplante Artikel sozusagen freischwebend ist, muß ich mich doch bei meiner Konzeption auf den Wörterbuch-Typ festlegen, dem er angehören könnte. Ich will dies hypothetische Wörterbuch kurz umreißen. (1) Es ist ein Wörterbuch auf Corpus-Grundlage. Das heißt, es

260 können Frequenzzahlen angegeben werden, nicht nur für Wörter und Wortvarianten, jeweils getrennt nach den angegebenen Textsorten, sondern auch für typische Wortnachbarschaft, für grammatische Zusatzangaben, und dergleichen mehr. (2) Es werden nur diejenigen VerwendungsVarianten angeführt, die in Texten belegt sind, diese aber vollständig bis hinab zur Frequenz 1. Der Corpusbefund wird in jeder Hinsicht respektiert. Sicher ist mit einem Corpus des angegebenen Umfangs das Verb sein nicht vollständig erfaßbar. Aber wer hat es je vollständig erfaßt, und was heißt in diesem Zusammenhang Vollständigkeit? Schon die Frage, welcher Grad der Vollständigkeit auf diesem Wege erreicht werden kann, ist unbeantwortbar. (3) Es ist kein Gebrauchswörterbuch, oder richtiger: die Frage nach seiner Verwendbarkeit bleibt offen. Sein Zweck ist, bestimmte Worteigenschaften so vollzählig zu erfassen, wie es die Textbelege erlauben, unter Umständen auch über den gegenwärtigen Wissensstand hinaus. Auch in der Verfahrensweise ist der Bearbeiter nicht festgelegt. Welche Verfahren der lexikographischen Kennzeichnung anzuwenden sind, und wie weit die Differenzierung zu gehen hat, das kann sich erst im Umgang mit dem Belegmaterial erweisen. Die corpusgestützte Lexikographie ist explorativ, das ist ihr Vorzug und ihr Risiko. (4) Zu unterscheiden sind zwei Arten lexikalischer Information, punktuelle und generelle. Die punktuelle gibt an, worin sich ein Lemma von anderen unterscheidet, die generelle betrifft Worteigenschaften, die es mit vielen anderen teilt, und die deshalb nicht jedesmal wiederholt zu werden brauchten. Der Ort für die punktuelle Information ist demgemäß der einzelne Lexikon-Artikel. Die generelle ist gegenwärtig ein Sorgenkind der Lexikographie. Sie steht in meinem hypothetischem Wörterbuch zwischen Einleitung und Nomenklatur und betrifft insbesondere auch diejenigen Worteigenschaften, durch die ein Wort mit seinem Kontext in Beziehung tritt, die semantischen und syntaktischen. Das Verb sein fällt in der einen wie in der anderen Hinsicht aus dem Rahmen. Man müßte also zunächst über diesen Rahmen sprechen, um seine Andersartigkeit richtig einzuschätzen: wie Wörter normalerweise in Texten bedeuten, und welche syntaktischen Eigenschaften die Verwendung von Verben

261

in Texten bestimmen. Über beides gibt es gegenwärtig unter Lexikographen keinen gesicherten Konsens, ich müßte also meine eigene Auffassung dazu vorbringen und begründen. Das so nebenher zu tun ist unmöglich, nicht nur hier, in dieser kurz gefaßten Einleitung, sondern auch später, in der ausführlicheren. Ich muß also den umgekehrten Weg einschlagen und versuchen, von dem Verb sein aus seine Ausnahmestellung zu beleuchten. (5) Bleibt noch zu erwähnen, daß das Wörterbuch reichlich Verwendungsbeispiele enthalten muß, ausschließlich authentische. Selbst mit Kürzungen und Umstellungen heißt es sparsam sein.

4.

Sein und seinesgleichen

Was ich soeben über sein sagte, dasselbe sagt Paul Imbs

(1979)

über das französische être: es sei "un verbe hors série". In der Tat sind die beiden eher miteinander zu vergleichen als mit anderen Verben derselben Sprache, und ebenso mit to be, mit esse, mit eCvai. Die Verwandtschaft zwischen ihnen ist so groß, die Übereinstimmung in der Art der Verwendung so weitreichend, daß man versucht ist, für sie alle eine gemeinsame Geschichte anzunehmen, mit Lehnbildungen bei den späteren nach dem Muster der früheren und Einflüssen herüber und hinüber. Das deutsche sein partizipiert an dieser Geschichte in mehr als einer Hinsicht. Es hat geerbt, was in seine Vorgänger an Sprach- und Denkarbeit eingegangen ist, und die Aura, die es umgibt, beginnt mit dem griechischen etvai, wenn nicht früher, TO 6V und fi oüaCa waren Grundworte der griechischen Philosophie, so wie in der späteren ens und essentia,

Sein und

Wesen. Iah bin, der iah bin oder Iah bin der, der ist, so geben Übersetzer das hebräische 'ehjeh 'äser 'ehjeh wieder, die Antwort, die Mose erhält auf die Frage nach dem Namen dessen, der ihn an die Kinder Israel sendet. Und auch in dem Gottesnamen Jahweh ist' klingt unser Verb an. Der Aussagesatz mit sein, ist ein Mensch,

'Er

z.B. Sokratv::

steht am Beginn der logischen Reflexion, er wird

zum Muster für den Urteilssatz. Am selben Satzmuster bilden sich die grammatischen Termini aus, Subjekt und Prädikat, und noch ein so spätes linguistisches Konzept wie die Thema-Rhema-Gliederung läßt sich am besten mit ist-Sätzen belegen. Diè Rolle, die das

262 Verb in der Dichtung spielt, ist nicht minder rühmlich. Trotz seiner unscheinbaren, ja dürftigen Leiblichkeit haben Dichter immer verstanden, es in auffälliger Weise zur Geltung zu bringen. Wohl ebenso alt wie dieser Nimbus um sein und seinesgleichen ist seine Entmythisierung, die Skepsis gegen eine unbedachte und unbegründete Status-Überhöhung. "Copula": die Bezeichnung allein ist schon ein Programm, eine Mahnung zur Nüchternheit. Auch sie hat Epoche gemacht. Die Nominalisten haben in sprachlichen Dingen immer schon klarer gesehen als die Begriffs- und Sprachrealisten, vielleicht auch in philosophischen. Vías beispielsweise in Fritz Mauthners Artikel Sein steht, in seinem "Wörterbuch der Philosophie", ist für beide Arten von Ontologie erhellend, die philosophische und unsere spezielle. All das sollte der Bearbeiter nicht vergessen, wenn er daran geht, Belege zu sortieren und Verwendungen zu differenzieren. Die Geschichte von sein umfaßt auch die Mißverständnisse und Irrwege, zu denen es Anlaß gab.

5.

Klassifikationsprobleme

Nun zur Klassifikation der Verwendungsweisen, zunächst im Blick auf ältere Wörterbücher. Moriz Heyne, der den sein-Artikel

im

Deutschen Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm verantwortet er ist 1906 erschienen -, beruft sich da auf eine alte Tradition: "man pflegt bei den Gebrauchsweisen von sein drei hauptgruppen zu unterscheiden: sein als vollverb (d.h. für sich allein das prädicat bildend), als copula (Verbindung zwischen dem subject und dem - nicht verbalen - prädicat), und als hilfsverb (zur bildung der umschriebenen conjugationsformen)." (DWB s.v. sein) Dieselben Rubriken, bis in den Wortlaut übereinstimmend, finde ich in dem Artikel sum des Lateinisch-Deutschen Schul- und Handwörterbuchs von Stowasser. Wie weit diese Tradition in der lateinischen Lexikographie zurückreicht - hier liegt offenbar ihr Ursprung -, will ich noch prüfen. Der Artikel be im "Oxford English Dictionary" (OED) - die betreffende Lieferung erschien 1880 - hat dieselben Rubriken, dazu als vierte das Verb mit adverbialen Bestimmungen, zur zeitlichen und räumlichen Situierung von Sachverhalten - bei Heyne und Stowasser gehört das noch zur Rubrik "Vollverb". Im

263 "Trésor de la L a n g u e F r a n ç a i s e " heißen die drei Rubriken der

pri-

mären Gliederung,

élé-

etwas überraschend:

m e n t d ' u n e expression binaire,

1. exister,

3. second

2. premier

élément d'une

expression

b i n a i r e . A b e r das klingt nur anders. Diese dritte Rubrik

enthält

d i e festen V e r b i n d u n g e n

sehr

a'est

häufig sind. Die zweite,

und il est,

die in der Tat

"erster Teil eines b i n ä r e n

Ausdrucks",

umfaßt a) copule, b) auxiliaire. Es ist also auch wieder, u n g e w o h n t e n B e z e i c h n u n g e n , d a s s e l b e Schema.

Zur Rubrik

g e h ö r e n alle V e r w e n d u n g e n des Verbs mit Subjekt und Sie ist syntaktisch tivum,

unterteilt - das

ist ein A d j e k t i v ,

unter

"copule"

Prädikativum.

"attribut", d.h. das

Prädika-

ein S u b s t a n t i v und so fort -, mit

tischen S u b k l a s s i f i k a t i o n e n .

Es kommen also, w i e übrigens

schon im OED, sowohl s y n t a k t i s c h e w i e semantische

semanauch

Kennzeichnungen

zur A n w e n d u n g . Im W ö r t e r b u c h von K l a p p e n b a c h / S t e i n i t z

(WDG) wird

für die

große

G r u p p e der V e r w e n d u n g e n als s a t z b e s t i m m e n d e s Verb - aas heißt Nicht-Hilfsverb

- eine ausschließlich

semantische

als

Klassifikation

v o r g e n o m m e n . Die Rubriken h e i ß e n w ö r t l i c h : w i r k l i c h

existieren;

sich irgendwo befinden;

sein;

eine Klassifizierung stammen;

Zustand

ist irgendwann,

irgendwo;

jmdm. g e h ö r e n . Die B e i s p i e l e erläutern und

diese K e n n z e i c h n u n g e n des

in einem b e s t i m m t e n

an; etwas

Todes

bestätigen

(mit g e l e g e n t l i c h e n A u s r e i ß e r n , wie sie

als B e i s p i e l für

erkennbar w e r d e n ,

jedoch ohne explizite

und ohne t e r m i n o l o g i s c h e U n t e r s c h e i d u n g ohne Fachterminologie einheitlichkeit

sind

"jmdm. g e h ö r e n " ) . Sie sind überdies

angeordnet, d a ß b e s t i m m t e M ö g l i c h k e i t e n der g r a m m a t i s c h e n sierung

gibt geschehen;

Subklassifikation

(der A r t i k e l kommt völlig

aus). A l l das v e r d e c k t

jedoch nicht die Un-

und U n s c h ä r f e der semantischen K e n n z e i c h n u n g ,

die Zufälligkeit und U n a b g e s c h l o s s e n h e i t

der so entstandenen

ken. Zudem w i r k t das B e l e g m a t e r i a l eigentümlich niert das F a k t i s c h - K o n k r e t e ,

die Registrierung

nehmungen und die sprachliche Steuerung

so

Reali-

von

noch Rubri-

einseitig. Es von

domi-

Alltags-Wahr-

Alltags-Situationen.

Ein Blick auf die gängigen einsprachigen G e b r a u c h s w ö r t e r b ü c h e r einen U n d e f i n i e r t e n K ä u f e r k r e i s H i n s i c h t . Was

ist erhéllend

in den dortigen sein-Artikeln

in mehr als

zutage tritt,

R a t l o s i g k e i t gegenüber einem Stichwort, das w o h l nie ein n a c h s c h l a g e n w i r d , gleich ob ihm das Deutsche als M u t t e r -

für

einer ist die Benutzer oder

264 Fremdsprache dient. Das Verb sein verursacht weder Verständnisnoch Anwendungsprobleme, jedermann kommt mit dem aus, was er von ihm kennt. Die erwähnten Artikel haben somit, ähnlich wie die Artikel und, aber3 wenn und einige andere, nur den Zweck, die Zugehörigkeit dieser Ausdrücke zur deutschen Sprache zu dokumentieren, und da kommt es, wie für Rowohlt bei Buchrezensionen, mehr auf die Länge als auf den Inhalt an. Die semantischen Kennzeichnungen herrschen auch hier vor. Mal sind es mehr als bei Klappenbach/Steinitz, mal weniger, was die Beliebigkeit dieser Art Kennzeichnung unterstreicht. Nur Wahrig (WAHRIG-DW) versucht es mit einer grammatischen Sortierung - derselben, die schon bei normalen Verben versagt. Mit anderen Worten: sein ist kein legitimer Gegenstand der gebrauchsorientierten Lexikographie, weil deren einzige Richtschnur, die beim Benutzer zu erwartenden Verwendungs-Unsicherheiten, hier ausfällt. Sinnvoll ist ein Wörterbuchartikel sein nur mit dem Zweck, die damit realisierbaren Typen von Äußerungen zu erfassen, gleich ob sie leicht- oder schwerverständlich, trivial oder ausgefallen sind. Damit komme ich noch einmal auf den sein-Artikel im "Grimm" (DWB) zurück, über dessen Gliederung ich noch nichts gesagt habe. Er ist schwierig zu lesen, weil Heyne das Verb sein nicht als die Summe seiner Verwendungen betrachtet, sondern als eine Ganzheit, historisch wie synchron, als eine Art Organismus, der sich in seinen einzelnen Verwendungen jeweils anders, jeweils nur partiell manifestiert. Heyne erzählt sozusagen die Geschichte seiner Emanation, von der Verwendung als absolutes Verb, in der es voll und dicht gegenwärtig ist, mit fließenden Ubergängen bis zu seiner totalen Entleerung als Hilfsverb. Die Rubriken, in denen er das vorführt, von 1 bis 39, mit zahlreichen Subrubriken bei den meisten, schließen einander nicht aus, manchmal wird die vorhergehende Rubrik durch die folgende expliziert. Etwa bei 10 beginnt, nach mehreren Ubergangsstufen, die Verwendung als Copula, und damit die syntaktische Differenzierung nach der Art des Prädikativums: Substantiv, Substantiv im Genitiv, Adjektiv, Adverb und so fort, mit einer nirgends sonst feststellbaren Exaktheit, zwischendurch aber immer mal wieder mit semantischen Spezifizierungen. Dann kommen die einzelnen Verwendungen als Hilfsverb, und mit Rubrik 35 schließt diese

265 Übersicht. Dann kommt etwas Erstaunliches: als Punkt 36 eine Ubersicht über die Wortklassen, die als "Subjekt" in Frage kommen, und als Punkt 37 noch einmal eine zusammenfassende Übersicht über die verschiedenen Arten des "Prädikats". Beide Übersichten sind nicht vollständig, und sie sind nicht aus den ursprünglichen Belegen gewonnen, sondern aus dem in Punkt 1-30 angeführten Beispielmaterial, sie stellen also eine nachträgliche Zusatzklassifikation dar. Dennoch hat Heyne damit alle seine Konkurrenten, auch die späteren, übertroffen. Er übertrifft sie auch in seinem Distinktionsvermögen, in seiner Sensibilität für Kontext-Eigenschaften, die Verwendungsunterschiede konstituieren. Dazu kommt bei ihm die Fülle ausschließlich echter Textbelege, die allein schon diesen Artikel für jede ernsthafte Weiterarbeit unentbehrlich machen. Freilich muß man sich dabei vor Augen führen, daß auch die jüngsten Beispiele, die er anführt, einer vergangenen Sprachepoche angehören. Das gesamte Verwendungsprofil sieht heute anders aus.

6.

Sein als verbaler Sonderfall

Keiner der bisherigen Bearbeiter hat seine Klassifikation der Verwendungsvarianten begründet. Meine Entscheidung, dafür ausschließlich grammatische Kriterien zugrundezulegen, bedarf dagegen einer Begründung. Unproblematisch sind die Varianten, bei denen eine andere als die grammatische Kennzeichnung ohnedies nicht in Frage kommt: sein als Hilfsverb, sein im Infinitiv in Verbindung mit lassen, und sein in substantivischer oder adjektivischer Verwendung. Strittig sind nur diejenigen, bei denen auch eine semantische Differenzierung möglich ist: sein in absoluter Verwendung und sein mit Prädikativum. An sich sind die Gründe für eine semantische Klassifikation dieser Varianten ebenso gut wie die für eine syntaktische - das heißt auch: ebenso schlecht. Beide stützen sich nicht auf Eigenschaften des Verbs selbst, sondern auf Eigenschaften seiner Umgebung: semantische, formale, je nachdem. Aber bei semantischen Kennzeichnungen ist eine eindeutige, wechselseitig exklusive Klassifikation unmöglich - jedenfalls hat bisher noch niemand eine solche vorgelegt. Syntaktische Eigenschaften sind exklusiv, sie sind in der Regel

266

eindeutig erkennbar. Dies ist der einzige, allerdings auch ausschlaggebende Grund, der für eine syntaktische Klassifikation spricht. Sein selber, heißt das, hat weder in syntaktischer noch in semantischer Hinsicht relevante Eigenschaften. Abgesehen von seiner Morphologie gibt es nichts, worin es sich von anderen Verben positiv unterscheidet. Es bringt in den Satz, in den es eintritt, keine Eigenschaft mit, die diesen irgendwie festlegt. (1) Es begründet keine Dependenzbeziehung zu anderen Satzteilen. Bei anderen Verben läßt sich angeben, wie ihre Mitspieler beschaffen sind und was sie mit dem Verb verbindet (Kasusrektion, Präpositionalrektion, Konjunktionalrektion). Auch wenn für ein Verb mehrere "Baupläne" in Frage kommen, sind diese vorweg angebbar. Bei sein kommt vorerst alles in Frage, das heißt: für beide Positionen - sie werden hier P1 und P2 genannt - gibt es keine vom Verb ausgehenden eingrenzenden Bestimmungen. (2) Ebenso eigenschaftslos ist es auf semantischer Ebene. Normalerweise tritt ein Wort in semantische Beziehung zu seiner Wortnachbarschaft, es ergänzt diese und wird durch sie ergänzt. Es paßt darum auch nur in eine Wortnachbarschaft mit partieller Bedeutungsidentität. "Semantische Korrespondenz", "Kongruenz", "Kompatibilität", "Solidarität", "Isotopie" - es gibt viele Bezeichnungen aus der neueren Literatur für das syntagmatische Beziehungsgeflecht zwischen Wörtern in sinnvollen Äußerungen. Semantische Varianten "polysemer" Wörter sind ja auch nur anhand der Wortnachbarschaft erfaßbar, die Wörter selber sehen in jedem Kontext gleich aus. Am rechten Ort steht ein Wort dann, wenn es fast oder ganz überflüssig ist, weil seine semantischen Eigenschaften durch den Kontext eindeutig festgelegt sind. (Übrigens auch die grammatischen.) Dasselbe gilt für jeden seiner Nachbarn. Dieselbe semantische Korrespondenz ist wirksam bei "Strukturwörtern" - Konjunktionen, Präpositionen -, ja sogar bei Kommata und Fragezeichen. Für sein besteht sie nicht, es sei denn negativ: wenn kein anderes Verb semantisch (und syntaktisch) gefordert ist, kommt nur sein in Frage. (3) Sein bedeutet also nichts, über das hinaus, was seine Mitspieler bedeuten. Was ich in meiner Übersicht über frühere sein-

267 Artikel an semantischen Unterscheidungen erwähnt habe - zeitliche Situierung, räumliche Situierung, Zustand, Klassifikation und so fort - betrifft ausnahmslos die Positionsinhaber 1 und 2: Mittagessen - um 11 Uhr; Buch - im Regal; Karl - ein alter Esel; Käse schimmlig; und so fort. In der semantischen Beziehung, die sich zwischen ihnen herstellt, ist das Verb schlicht übersprungen. (4) Schließlich können andere Verben in der Regel mit adverbialen Bestimmungen verbunden werden, und es läßt sich angeben, welche Arten von Bestimmungen zu ihnen passen. Zu gehen etwa: schnell/ langsam, allein/zusammen;

zu antworten:

laut/leise,

richtig/falsch

und so fort. Bei sein wird jede hinzugefügte Bestimmung zur Prädikation. Es gibt in ¿st-Sätzen keine verbbezogenen adverbialen Bestimmungen, nur satzbezogene. (5) Eine bestimmte Komponente ist freilich dem Verb sein eigen. Sie unterscheidet ist-Sätze von prädikativen Konstruktionen ohne 'ist 1 , die ja in vielen Sprachen möglich sind. Das ist diejenige, die jedes finite Verb in den Satz einbringt: sie betrifft den Faktizitätscharakter des mitgeteilten Sachverhalts. Einen Sachverhalt bezeichnen kann ich auch durch eine substantivische oder verbale Nennung (die Vereinfachung Grundstufenprüfung

der Grundstufenprüfung

(zu) vereinfachen).

- die

Aber nur in einem Satz mit

finitem Verb kann ich einen Sachverhalt behaupten oder bestreiten, ihn als wirklich oder möglich kennzeichnen, als gleich- oder vorzeitig. Dies Assertionsmorphem, wie Weinrich es nennt - Affirmationsmorphem wäre besser -, ist auch bei sein vorhanden, es kann als Verb im Präsens oder einer anderen Tempusform stehen, im Indikativ oder Konjunktiv, es kann mit einem Modalverb verbunden werden. Die Faktizität einer Aussage: das ist die allgemeinste und leerste aller Verbbedeutungen. Sie macht sich geltend bei dem sogenannten absoluten sein, d.h. in ist-Sätzen mit unbesetzter zweiter Position: Gott ist, es sei, das kann sein, Kinder müssen sein, war was? und so fort. Die Behauptung, sein habe weder syntaktisch noch semantisch relevante Eigenschaften, verträgt also eine kleine Ergänzung. Es hat zwei für die Klassifikation von ist-Sätzen unerhebliche Eigenschaften: die Kennzeichnung des Faktizitätsanspruchs und die Numerus-Kongruenz, die es mit P1, manchmal auch mit P2 verbindet.

268

Ein Klassifikationsversuch muß sich auf die Eigenschaften von P1 und P2 stützen. Ich habe schon angegeben, warum ich die syntaktische Klassifikation vorziehe.

7.

Zum Klassifikationsschema

Das Schema, das ich hier vorlege, geht demgemäß von zwei Fragestellungen aus: wie ist P1 besetzt und welche P2-Besetzungen kommen jeweils mit diesem P1 vor? Für die Entwicklung des Schemas habe ich 1000 Satzbelege ausgewertet, zu je einem Drittel aus wissenschaftlichen, literarischen und Zeitungstexten, die jedoch noch nicht Teil des erwähnten Corpus sind. So entstand ein Schema mit 74 einzelnen Rubriken. Zur Kontrolle habe ich Heynes seinArtikel durchgearbeitet: da kamen noch weitere 15 Rubriken hinzu, die meisten aus dem Beispielmaterial. Es werden, wenn ich an die Klassifikation des Corpusmaterials gehe, sicher noch weitere Ergänzungen nötig werden, eine Generalrevision hoffentlich nicht. Grundsätzlich aber gilt, daß jedes Schema provisorisch bleibt, bis der letzte Beleg registriert ist.

8.

Schlußbemerkungen

Ich habe erwähnt, daß es in -ist-Sätzen keine verbbezogenen adverbialen Bestimmungen gibt. Dafür gibt es auffällig viele Satzadverbien aller Art und Größenordnung. Die im ist-Satz getroffene Feststellung kann auf bestimmte zeitliche, räumliche und andere Umstände eingegrenzt v/erden, auf eine bestimmte Perspektive, der Gewißheitsgrad kann betont oder abgeschwächt werden, es kann ihr Stellenwert im ArgumentationsZusammenhang beleuchtet werden. Alles das gibt es natürlich auch in Sätzen mit anderen verbalen Zentren, aber ist-Sätze scheinen zu derartigen Kommentaren und Spezifikationen geradezu einzuladen. Sie sollen deshalb möglichst vollständig erfaßt und rubriziert werden - wie, das muß sich noch ergeben. Auch die nächste Bemerkung betrifft die Semantik. Wenngleich mir eine durchgängige semantische Klassifikation oder auch nur ZusatzDifferenzierung überaus schwierig erscheint - ich wüßte nicht, wie das zu machen wäre

so möchte ich doch versuchen, bei der Durch-

269 arbeitung der Belege einzelne semantische Schwerpunkte festzustellen. Besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei sicher die "absoluten" Verwendungen des Verbs, die Sätze also, in denen die Komponente "Faktizität" zum dominierenden Satzinhalt wird. Die letzte betrifft den Unterschied der Beispielsätze in älteren seiw-Artikeln und in den Texten, die ich bisher durchsah. Die letzteren sind in der Regel länger, dadurch daß die Positionen 1 und 2 selten durch einzelne Wörter besetzt sind, meist durch umfangreiche, in sich reich gegliederte Phrasen. Insbesondere der Ausbau der Substantiv-Phrasen in den letzten Jahrzehnten, einschließlich der Bildung komplexer substantivischer Abstrakta, ermöglicht es, detailliert bezeichnete Tatbestände oder Argumentationsbeiträge auf einer der beiden Positionen unterzubringen. Es werden weniger Fakten und Zustände angegeben als Beziehungen hergestellt, Feststellungen kommentiert oder bewertet, Bedeutungen fixiert oder in Frage gestellt. Sehr allgemein ausgedrückt; wenn die ist-Sätze früher insgesamt auf eine Inventarisierung und Qualifizierung der Umwelt hinausliefen, die Mitbewohner eingeschlossen, so werden sie jetzt zunehmend zum Instrument für spezielle sprachliche Operationen. Die Fähigkeit des Verbs sein, Komponenten von fast beliebiger Art und Länge zueinander in Relation zu setzen, kommt dem entgegen. Oder vielleicht ist es umgekehrt: ein spezieller kommunikativer Bedarf hat die in sein angelegten Möglichkeiten zur Entfaltung gebracht.

270 9.

Übersicht über das

Klassifikationsschema

1

Finite und infinite Formen, verwendet zur Verknüpfung der Satzteile auf den Positionen 1 und 2 (P1. P2)

11

P1: Substantiv, auch erweitert, oder dessen Substitut P2: unterschiedliche Besetzungen (111-119)

12

P1: Satz, satzwertige Konstruktion P2: unterschiedliche Besetzungen (121-123)

13

P1: das/dies/... in Verweisfunktion P2: unterschiedliche Besetzungen (131-133)

14

P1: es in Verweisfunktion P2: unterschiedliche Besetzungen

(141-144)

15

P1: es ohne Verweisfunktion, substituierbar durch 0 / adverbiale Bestimmung P2: Substantiv, auch erweitert

16

P1: es ohne Verweisfunktion, nicht substituierbar, tilgbar P2: unterschiedliche Besetzungen (1611-1625)

17

P1: Adverb, Präpositionalgruppe P2: Substantiv, auch erweitert

18

P1: Substantiv / Pronomen im Dativ P2: unterschiedliche Besetzungen (181-182)

19

P1: "autonym" gebrauchter Ausdruck, Zitat P2: unterschiedliche Besetzungen (191-195)

2

Finite und infinite Formen, verwendet als Hilfsverb bei infiniter Verbform

21 22

Perfektbildung ist-Passiv

23

bei Infinitiv + zu

3

Infinitiv, in Verbindung mit

4

Infinite Formen

41

in substantivischer

42

in adjektivischer Verwendung

lassen

Verwendung

nicht

271

0.

Klassifikation der Verwendungsweisen Finite und infinite Formen, verwendet zur Verknüpfung der Satzteile auf den Positionen 1 und 2 (P1, P2)

1

11 12 121

121

P1; Substantiv, auch erweitert durch Attribution, oder dessen Substitut: Personal-/Indefinit-/Fragepronomen, Verb/Adjektiv/ Zahlwort/... in substantivischer Verwendung, Name P2 i _0 Was

ist?

Die

Toten

sind nicht

ü2i_Substantiv im Nominativ, auch erweitert, oder dessen Substitut: Verb/ Adjektiv in substantivischer Verwendung, Adjektiv mit ergänzbarem Substantiv, Fragepronomen wer, was (auch mit voranstehendem, bei Inversion getilgtem es) ausschließlich mit der Verbform sei(en) Es sei G eine Gruppe

121

131

ist das

Miteinanderreden

daß Sie anderer

Ansicht

Karraschs

Mutter,

die von unberechenbarer

141

war

ausschließlich mit der Verbform sei(en) seien sie klimatisch voraussehbar

oder

durch

auch andere Wortformen Spielen

14

Beweglichkeit

£i!i_Ad^ektiy/Partizig, unflektiert, auch erweitert (auch mit voranstehendem, bei Inversion getilgtem es) Nun sind diese Umweltveränderungen, andere Organismen bedingt, nicht

132

sind

von + Substantiv Conny

13

von G

im Genitiv, attribuiert Ich spüre,

123

und S ein Erzeugungssystem

auch andere Verbformen Ein Beispiel

122

mehr

ist sicher

gefährlicher

als

Nichtstun

Adverb Pronominaladverb, auch erweitert, oder dessen Substitut: Fragepronomen wofür/... Der Kanzler

ist

dagegen

Präpositionaladverb 142 143 144

Die Tür ist auf/zu Das Licht ist aus

Adverb anderer Art, auch erweitert, oder dessen Substitut: Fragepronomen wann/wo/wie, wie-Gruppe, Satz Ohne Sonja Die Zeiten

Türk wäre ich nicht sind längst vorbei

hier

Partikel, die ausschließlich als P2 zu sein verwendbar ist Der Kaffee

ist

alle

15

P2^_Präpositionalgruppe 1 51 feste Verbindungen aller Art Dazu war er nicht mehr Wir waren unter uns

in der

Lage

72 152

frei kombinierbar

Präposition + Substantiv/Pronomen 1521 Bin Aschenbecher ist im Nachttisch Er war bei mir Präposition + Adverb 1522 Die Kartoffeln sind von gestern Das Geschenk ist für immer Präposition + substantivischer 1523 Brotbacken ist im Kommen Wir waren gerade am Waschen

Infinitiv

Präposition + Zahlwort 1524 Sie sind zu fünft 16

P2£_Pronomen, nicht als Substitut für Substantiv oder für situative Gegebenheit

161

Indefinitpronomen, zumeist erweitert Der Dreiklang ist etwas geschichtlich Vermitteltes

162

Possessivpronomen Das Buch ist sein(s)

163

der/die/das + Genitiv-Attribut Unsere geistige Lage ist die des Z u s c h a u e r s

164

der/die/das + dai3-Satz / abhängiger Hauptsatz Mein Eindruck ist der, daß Massenartikel schneller vergänglich sind Die Situation ist demnach die: es muß von vorn begonnen werden

165

der(jenige/selbe) , einer, jeder, alte + Relativsatz Ich bin einer, der sehr viel mit direkten Kontakten arbeitet

166

Pronomen / pronominal verwendeter Artikel, oder mit anderen Attributen Mein Eindruck ist immer noch derselbe

167

es

unattribuiert

1671 Verweis auf Substantiv im Vortext oder auf Situation Ist das Krankenhaus weithin Gemeinschaftsaufgabe, dann wird es einmal auch die gesamte ärztliche Versorgung sein 1672 Verweis auf Adjektiv im Vortext Sehr vieles klingt schablonenhaft, das es zu seiner Zeit nicht war 1673 Verweis auf Sachverhalt im Vortext / auf Situation Meist ist die ökologische Differenzierung mit der Aufgliederung in geographische Rassen verbunden; sie braucht es aber nicht zu sein Wer hat den Krug runtergeworfen? - Ich war es 1674 Verweis auf Infinitiv + zu im Folgetext Meine Aufgabe war es, für die Pferde zu sorgen 17

E2i_5§Edinalzahl Meta war 12 oder 13

18

P2^_Satz oder satzwertige

181

abhängiger Hauptsatz Kreneks Theorie war, der Tonali t a t wohne jener Ursinn inne, den es wiederherzustellen gelte

Konstruktion

273 1182

daiS-Satz Der springende Punkt ist, daß japanische Hochschulen im Normalstudium Massenausbildung betreiben, im Graduiertenbereich aber oft hochspezialisierte Forschungsmöglichkeiten anbieten

1183

Inhaltssatz Die Frage ist, ob er sich noch daran erinnert

1184

Infinitiv + zu Will man Goldhamster dressieren, so ist die wirksamste Belohnung, sie nach jeder richtigen Wahl auf einer Tischplatte zwischen den Klötzchen eines Baukastens herumlaufen zu lassen

119

?2^_Dogpelgunkt_/_g, anschließend Wörter und Wortverbindungen aller Art, auch "autonym" oder als Zitat Der springende Punkt ist: Das Ladenschlußgesetz ist schon durchlöchert Meine Antwort ist Nein

1191

1192

dasselbe, mit mehrfacher Besetzung von P2 Genera verbi sind nach Latzel: Aktiv, Passiv, Stativ Die sinnvollen Fragen sind also: Wie viele Planeten mit unserem ähnlichen Eigenschaften mag es geben? und: Wie lange lebt ein Monon?

12

P1: Satz oder satzwertige Konstruktion: dai3-Satz, Inhaltssatz, Infinitiv + zu

121

P2j_Substantiv, auch erweitert Dies zu sein, wäre noch imner ein Beruf

122

P2^_Adjektiv/Partizig, auch erweitert Ob es sich so verhält oder nicht, ist gleichgültig

123

P2: das/dies, Verweis auf Satz oder Infinitiv + zu im Folgetext Was ich zunächst erfuhr, war einfach dies, daß Eugen Lawrenz von jedem See im weiten Umkreis eine Geschichte wußte

13

P1: das/dies/das

alles/niehts

davon

... in Verweisfunktion

131

YSEweis_auf_Aussageteil_im_Vortext_oder_auf_Situation

1311

P2: 0 Das kann sein

1312

P2: Substantiv, auch erweitert / Pronomen als dessen Substitut (Numerus (ist/sind) richtet sich nach Numerus des Substantivs auf P2) (auch mit voranstehendem, bei Inversion getilgtem es) Weniger arbeiten und mehr verdienen - das ist Blödsinn Es ist dies das sogenannte logische Subjekt Das sind die ersten Kirschen in diesem Jahr

1313

P2: Indefinitpronomen etwas/nichts/..., zumeist attribuiert (Europa als kulturgeschichtliches Museum) Ist das nicht in der Tat etwas leblos Museales?

1314

P2: Adjektiv/Partizip, auch erweitert (Er erklärte, wie sie die Pest aufhalten könnten) Das nämlich sei nur dadurch möglich, daß man sich vom Liebsten trennte

1315

P2: Adverb, auch erweitert Das braucht Sie nicht zu erstaunen, das ist nun mal so bei uns

214

1316

P2: G l i e d s a t z Ein einziges mal hatte ich vor Conny gelegen, das war, als Ella starb

1321

P2: S u b s t a n t i v , auch erweitert Aber er (Galilei) muß, und das ist ein entscheidender Punkt, die Tatsachen idealisieren oder vergessen

1322

P2: A d j e k t i v / P a r t i z i p , auch erweitert Diese Art von Gedankenexperiment - das ist hier entscheidend - beschränkt sich nicht auf die reine Mathematik

133

_ E ° l 2 § t e x t : Satz, satzwertige

Konstruktion

1331

P2: Substantiv, auch erweitert Das ist eben der Unterschied, daß wir hier keine Geschäfte machen

1332

P2: A d j e k t i v / P a r t i z i p , auch erweitert Denn dies, meine Herren, ist charakteristisch für Brandwunden solchen Grades: der Organismus kann im Inneren verdursten oder in seiner Wunde ertrinken

14

PI: es in

141

Yerweis_auf_Aussageteil_im_Vortext

1411

P2: 0 Es kann sein Es muß sein

1412

P2: Substantiv, auch erweitert; F r a g e p r o n o m e n als dessen Substitut (Numerus (ist/sind) richtet sich nach Numerus des Substantivs auf P2) Alle Sparmaßnahmen, ob es nun Kürzungen bei Rentnern oder Belastungen der Arbeitgeber waren, mußten von der Masse der Verdienenden aufgebracht werden Ein Mann kam näher. Es war Eugen Lawrenz

1413

P2: A d j e k t i v / P a r t i z i p , auch erweitert in den IVintermonaten sind die Morgenmaxima größer als die Abendmaxima, während es in den Sommermonaten umgekehrt ist

1414

P2: D a t u m s a n g a b e Das Datum der Israel-Reise des Kanzlers: Moment, war es der 21. oder der 22. Januar?

1415

P2: G l i e d s a t z Wenn die Priester keiner Seele den Himmel aufzuschließen hätten, es wäre, als ob wir keine Seele hätten

142

ye£weis_auf_abhängigen_Satz_im_Folgetext: Satz, Inhaltssatz, Infinitiv + zu

1421

P2: 0 Es kann sein, daß ich mich irre

1422

P2: Substantiv, auch erweitert Es ist Aufgabe des Richters, Zweifel zu beheben

1423

P2: A d j e k t i v / P a r t i z i p , auch erweitert Absolut unmöglich, völlig ausgeschlossen ist es ja nicht. Tausende von Sechsen hintereinander zu würfeln

Verweisfunktion

Hauptsatz,

daß-

275 143

Y§£weis_auf_§nschließenden_Infinitiv_+_3u t _erweitert_durch daB-Satz_oder_Inhaltssatz

1431

P2: Substantiv, auch erweitert Es ist ein Vorurteil, zu glauben, wir hätten die Talsohle schon überschritten

1432

P2: Adjektiv/Partizip, auch erweitert Es ist geradezu rührend, festzustellen, wie sich in diesem Punkt die Theoretiker winden

144

Y§Eweis_auf_§nschließenden_Relativsatz, bezogen auf das P2Substantiv Es waren etwa 20 Insassen, die er auf dem Hof zusammenbrachte War es denn nicht die private Versicherungswirtschaft, die sich vom Staat hat drängen lassen, ihren Service auszubauen? Es war diese Entdeckung, die in der Lehre des Pythagoras den Durchbruch bewirkt hat

15

PI: es, substituierbar durch 0 / adverbiale Bestimmung P2: Substantiv, auch erweitert Es ist die Rede von der Zukunft Europas Aber es ist in der Tat ein allgemeines Bedürfnis dafür vorhanden Es ist Krieg

16

P1: es, ohne Verweisfunktion, tilgbar

161

5yg§2hii§ßli£h_mit_der_yerbform_sei

1611

P2: unterschiedliche Besetzungen Die Besiedlung der Böden, sei es auf Felsgestein oder im Vorfeld der Gletscher, zeigt dies deutlich Der Heg zur Weltordnung führt über den Selbstverzicht Mächtiger, sei es, weil sie ihrer Menschlichkeit folgen, sei es, weil sie in kluger Voraussicht die eigene Macht scheitern sehen

1612

P2: (denn), daß (Wer lebt, freut sich des Daseins) Er streicht aus, was war, es sei denn, daß es ihn noch in die Nerven verfolgt

162

§uch_andere_Verbformen

1621

P2: Substantiv, auch erweitert Es ist Nacht/Winter/Neumond/Sonntag

1622

P2: Adjektiv/Partizip, auch Nie war es so still in Lucknow Aber es war bereits zu spät

1623

P2: Präpositionalgruppe Ist es nicht an der Zeit, der DDR in dieser Frage entgegenzukommen?

1624

P2: Adverb/Fragepronomen Jetzt ist es soweit Wie war es? Es ist lange her

1625

P2: wie ... mit Wie wäre es einmal mit einem SPIEGEL-Report unter dem Titel "Versicherungssport Volksbetrug"?

nicht substituierbar,

nicht

erweitert

276 17

PI : A d v e r b o d e r d e s s e n S u b s t i t u t : P r ä p o s i t i o n a l g r u p p e , I n h a l t s s a t z , S a t z a n d e r e r A r t (auch m i t v o r a n s t e h e n d e m , b e i I n v e r s i o n g e t i l g t e m es) P2: Substantiv, auch erweitert, oder dessen Substitut In der Luft war ein heiterer Glanz Bei seinen Akten ist nichts Wo Gänse waren, war auch ein bissiger Ganter

18

P1: S u b s t a n t i v / P r o n o m e n

181

P2^_Adjektiv^Partizig, Mir war schlecht

im auch

Dativ erweitert

Mir ist daran gelegen, die Sache schnell zu bereinigen 182

E2l_AdY§Eb/Fragegronomen Sie können sich vorstellen, wie uns zumute war

19

P1: " a u t o n y m " licher L ä n g e

191

E^l.Substantiv, auch erweitert "höflich" ist eine leichte Übertreibung "sich erinnern" ist das Gegenteil von "vergessen"

192

P 2 ^ _ A d j e k t i v / P a r t i z i g , auch e r w e i t e r t (Ja, er hinderte mich sogar, den Schlußbeifall einzuheimsen) "Hinderte" ist allerdings nicht genau genug ...

193

P 2 2 _ P r ä g o s i t i o n a l g r u p p e , frei k o m b i n i e r b a r "Der Handelnde ist immer gewissenlos" ist von Goethe

gebrauchter Ausdruck,

Zitat von

unterschied-

194 Gelernt ist gelernt Einmal ist keinmal "Connaître" ist "kennen", "erkennen" 195

P2^_Satz Beleidigung ist, wenn einer die Fassung verliert

2

Fin_ite und i n f i n i t e F o r m e n , fj.niter V e r b f o r m

21

Perfektbildung

21 1

b e i : sein, bleiben, werden, Aber gewiß war das geschehen

212

bei Verben, die eine Ortsveränderung bezeichnen Die Regierung ist auf dem Tiefpunkt angelangt

213

bei Verben, die eine Zustandsveränderung Die Lichter waren erloschen

214

Perfekt Passiv was zum Tabu erklärt worden ist

22 23 231

verwendet

als H i l f s v e r b b e i

gelingen,

geschehen

bezeichnen

is¿-Passiv er sagte, das Fuhrwerk sei beschlagnahmt bei

Infinitiv

+ zu

= man kann (nicht) Auch dröhnende Hiebe waren zu hören Noch ist eine durchgehende Zwangsläufigkeit

... nicht zu beweisen

in-

277 232

= man muß Es sind vor allem zwei Gesichtspunkte zu berücksichtigen

233

= man darf niaht Von Richard Wagner wird ein Ausspruch überliefert, er habe im Tristan einmalige Extravaganzen begangen, die weder zu wiederholen noch von anderen nachzuahmen seien

3

Infinitiv, in Verbindung mit PI: Substantiv/Pronomen

31

P2: Substantiv, auch erweitert, oder dessen Laß doch das Rauchen sein

32

P2; Substantiv + Substantiv Wir müssen es sehen, daß wir von uns aus nicht in der Lage sind, Gott Gott und unseren Herrn sein zu lassen

33

P2: das, es, Verweis auf Vortext oder Ich kann es auch sein lassen

34

P2: es (damit) genug Gebrauchsnormen wären für das Funktionieren sprachlicher Zeichen voll ausreichend, und viele Sprachwissenschaftler wollen es damit genug sein lassen

4

Infinite Formen in substantivischer/adj_ektA_vischer Verwendung

41

substantivisch

411

das Gewesene Es bleibt die Erinnerung an das Gewesene

412

das Seiende So erschöpft sich das Seiende keineswegs im Wirklichen; zum Seienden gehört der Reichtum des Möglichen und die Schärfe des Notwendigen

413

das Sein Zum Sein läßt sich keine Entsprechung finden. Sein - das gibt es nicht ein zweites Mal

414

-sein In der philosophischen Tradition ist mit Bewußtsein die Fähigkeit zur Selbstreflexivität des Subjekts gemeint daß das Kunstwerk allein durch sein Dasein alle anderen Kunstwerke zunichte machen möchte

415

SeinsHume hat die Leerheit des Seinsbegriffs so klar ausgesprochen, daß die Akten drüber hätten geschlossen werden können

42

adjektivisch

421

gewesen-

422

-gewesen

423

seiend-

424

-seiend

(ohne Belege)

lassen Substitut

Situation

BURKHARD SCHAEDER DIE BESCHREIBUNG DER PRÄPOSITIONEN IM EINSPRACHIGEN DEUTSCHEN WÖRTERBUCH

1.

Problemaufriß

Auf den ersten Blick scheint es sich bei den Präpositionen um eine - sei es extensional oder intensional - wohl definierbare und klar abzugrenzende Wortart zu handeln. Aus morphologischer Sicht zählen sie zu den Partikeln, deren vornehmliches Merkmal ihre Unflektierbarkeit ist. Zu ihren syntaktischen Charakteristika gehören: (a) die Eigenschaft der Rektion, (b) die Unfähigkeit, für sich allein ein Satzglied darzustellen, (c) als Bestandteile von Wortgruppen an der Bildung von bestimmten Satzgliedern beteiligt zu sein (Adverbial, Attribut, Objekt, Prädikativ) , (d) innerhalb der Wortgruppe, deren Regens sie sind, jeweils eine bestimmte Position einzunehmen (prae-, post-, ambi-, circumpositional). Heibig (1984a, 53) spricht den Präpositionen zudem (e) einen syntaktischen Fügungswert zu: "Sie 'fügen' Wörter und Wortgruppen". Eine eigene Bedeutung wird ihnen gemeinhin nicht zugestanden; sie gelten als Synsemantika. Als "Beziehungswörter" sind sie geeignet, "Beziehungen, Verhältnisse zwischen Personen, Sachen (einschließlich Denkgegenständen) in Sachverhaltsbeschreibungen auszudrücken, und zwar wesentlich differenzierter und spezifischer, als es die reinen Kasus vermögen" (Grundzüge 1981, 695). Bei näherem Hinsehen allerdings nimmt die anfängliche Sicherheit

279 des Betrachters ab. Die zunächst so klaren Konturen beginnen, sich zu verwischen. Da gibt es zunächst einmal A b g r e n z u n g s p r o b l e m e z.B. gegenüber den Adverbien diesseits, halb,

j enseits,

unterhalb,

(abseits,

angesichts,

eingangs,

ausgangs,

gedenk) , gegenüber den Adjektiven lich, bar, fern, nahe,

nördlich

getreu,

gemäß,

usw., seitlich,

aufwärts,

außerhalb,

seitwärts,

innerhalb,

inklusive,

gleich,

ober-

exklusive,

(ausschließlieh,

unweit,

,

ein-

einschließ-

hinsichtlich,

mächtig,

voll, weit usw.), gegen-

über den Partizipien

(ausgenommen, entsprechend,

geachtet,

usw.), auch gegenüber Substantiven (Anfang,

betreffend

Ende, Mitte,

dank/Dank,

kraft/Kraft,

Und wie steht es mit von und durch

zeit/Zeit

unbeschadet,

un-

usw.).

zur Kennzeichnung des soge-

nannten logischen Subjekts in passivischen Konstruktionen? Wie mit von + Dativ zur "Umschreibung" des Genitivs

(Helbig/Buscha

1981, 215)? Wie mit als und wie, bei denen z.B. das WDG bewußt auf eine Wortartenangabe verzichtet

("In einigen wissenschaftlich

ungesicherten Fällen fällt jede Kennzeichnung weg." WDG, Bd. 1, 1980, 022)? Selbst die M o r p h o l o g i e

der Präpositionen ist nicht so un-

problematisch, wie es zuerst scheinen mag. Nur wer wie z.B. Wahrig

(1973, 43) über einen Wortbegriff verfügt, nach dem auch

Einheiten wie die Stadt

oder durch

das Haus

jeweils ein Wort sind,

wird keine Schwierigkeiten haben, die folgenden Ausdrücke als jeweils eine - und sei es als mehrteilige - Präposition zu bezeichnen:

(a) bis auf

('einschließlich',

an/auf/gegen/in/nach/über/um/zu, Folge,

zu Gunsten,

zu Lasten,

lang/heran/vorbei/vorüber, hin/hinauf/zu, her/hervor/hin, herum,

mit Hilfe,

gegen

bis über

...

... hin/zu,

in ... her ein/hinab/hinein/hinunter, über

1977 sowie Engelen

vor

... her/hin,

(Vgl. hierzu Andresen/Bahr 1978)

in

auf ... hinaus, hinter

nach

. . . hin/hinaus/hinweg/weg,

... her/hindurch,

... durch.

bis

(d) an ... ent-

... ab/an/aus/her/weg/zu,

... hindurch,

... her/hin,

unter

zwischen

(b) auf Grund, (c) um ... willen,

aus ... her/heraus/hinaus,

bis zu ... hin, durch zu, neben

von

'ausschließlich'),

zu ...

...

. . . hin/

um ... her/ her/hin,

1977 und Polenz

2 80

Was soll man zudem von dem Merkmal der Unveränderbarkeit halten, da es die Formen mit enklitischem Artikel gibt: am, ans, aufs, beim, durchs, fürs, hinterm, hintern, hinters, im, ins, überm, übern, übers, ums, unterm, untern, unters, vom, vorm, vors, zum, zur? Und Präpositionen sind kompositionsfähig: deinetwegen, wegen usw., dementsprechend, ständehalber

demnach, demzufolge,

meinet-

demgemäß, um-

usw.

Vor welche Aufgaben sich eine Beschreibung der S y n t a x

der Prä-

positionen bzw. Präpositionalphrasen gestellt sieht, zeigen die jüngsten Beiträge von Wunderlich

(1984) und Buscha (1984), der in

seinem Beitrag begründet, weshalb in der neuesten Auflage der "Deutschen Grammatik" (Helbig/Buscha 1984) bei der Darstellung der Präpositionen "der syntaktische Teil stark erweitert wurde, während der semantische Teil im wesentlichen erhalten blieb"

(Buscha

1984, 1 45) . Wie verhält es sich mit dem in der Regel als für Präpositionen konstitutiv angesehenen Merkmal der Rektion in Fällen wie (a) bis heute, seit gestern, von oben, nach links, (b) ab Köln, zuzüglich Mehrwertsteuer,

inklusive Bedienung,

(c) als/wie ein

Freund, als/wie eines Freundes, als/wie einem Freund, einen Freund,

(d) Niederlage auf Niederlage,

als/wie

Tag für Tag, Fragen

über Fragen, Zug um Zug~i Daß Präpositionalphrasen die Satzgliedfunktionen eines Adverbials und eines Attributs erfüllen können, ist gemeinhin unbestritten. Weniger einhellig ist die Meinung über eine mögliche Funktion als Objekt (Präpositionalobjekt) und als Prädikativ. In den "Grundzügen" (1981, 370) wird den Präpositionalphrasen noch eine weitere Funktion zugeschrieben. Hier ist von Peter in dem Satz Dieses Gedicht wird von Peter vorgetragen:

"Grundstruktursubjekt, in dieser

Form eine abgeleitete Kategorie". Ein weiteres Problem der Satzgliedbestimmung erkennen die "Grundzüge" (1981, 370: "Wenn wir in der Beschreibung auch auf den Versuch, vollständig zu sein, verzichten müssen, so bemühen wir uns doch, auf Lücken aufmerksam zu machen.") in Beispielen wie Er baut an seinem Haus; er schreibt an einem Roman; er schätzt an dir die

Offenheit.

281

Entscheidet man sich nicht, an und

über in den folgenden Sätzen

zu Adverbien zu erklären, so bleibt nur das Zugeständnis, daß Präpositionalphrasen auch als Subjekte fungieren können: Uber 100 Teilnehmer waren

hatten sieh eingefunden;

an die 100 Teilnehmer

gekommen.

Zu den Aufgaben einer syntaktischen Beschreibung gehört es, mögliche Positionen der Präpositionalphrase im Satz sowie die Regularitäten der Abfolge mehrerer Präpositionalphrasen systematisch darzustellen. Unklar bleibt, was gemeint ist, wenn zur allgemeinen syntaktischen Charakterisierung der Präpositionen gesagt wird: "Sie 'fügen' Wörter und Wortgruppen"

(Heibig 1984, 53); oder: Sie haben "ge-

meinsam mit den Konjunktionen die Aufgabe, Wörter oder Wortgruppen miteinander zu verbinden, sie 'aneinanderzufügen'"

(Forstreu-

ter/Egerer-Möslein 1978, 7); oder: Mit ihrer Hilfe werden "vor allem Substantive an andere Substantive oder an Verben oder Adjektive angeschlossen"

(Buscha 1984, 145). Das läßt sich - hat

man den Anspruch der Allgemeingültigkeit dieser Aussagen im Auge nur so deuten, daß die Präposition als Regens ein Regiertes fordert und dadurch wortgruppenbildend wirkt, was u.a. heißen würde, daß sie selbst Bestandteil der Fügung ist, deren Entstehung sie verursacht; oder es meint, ohne damit aber allgemeingültig zu sein, die Funktion von Präpositionen in Präpositionalattributen und Präpositionalobjekten. Das gewiß anhaltendste Interesse gilt den Problemen der Semantik

von Präpositionen bzw. Präpositionalphrasen. übli-

cherweise wird die Auffassung akzeptiert, die z.B. Wittich (1967, 43) vertritt: "Da Präpositionen keine

selbständigen Be-

deutungsträger sind, was sich auf formaler Ebene dadurch ausdrückt, daß sie nicht isoliert im Satz auftreten können, rechnet man sie i.a. zu den Synsemantika." Synsemantisch heißt: "In einem Beziehungsgefüge x P y entsteht die 'Bedeutung' der Präposition als Teil der Bedeutung des ganzen Gefüges und in Abhängigkeit von den selbständigen Bedeutungsträgern"

(Wittich 1967, 40).

Während Bartels (1979, 30) geneigt ist, für die Präpositionen eine "wortklassenspezifische Semantik anzunehmen", und Ilyisch (1969)

282

zu dem Ergebnis kommt, daß sie eigene lexikalische Bedeutungen haben, bemerkt Baudusch (1984, 90), daß "zwe'ifellos sowohl die Vertreter der semantischen Eigenständigkeit der Präpositionen als auch deren Opponenten recht (haben) - wenigstens zum Teil". Sie hält sich "für berechtigt, grundsätzlich von einer Eigensemantik der Präpositionen auszugehen und eine graduelle Abstufung der Bedeutungsverblassung anzunehmen, die bis zur gänzlichen Aufgabe der eigenen spezifischen Bedeutung gehen kann, indem die Präposition nur noch eine syntaktische Funktion im Kontext erfüllt" (Baudusch 1984, 93). Einhelligkeit herrscht weithin darüber, daß Präpositionen die spezifische semantische Funktion haben, die in einem Satz bezeichneten Personen, Gegenstände, Sachverhalte in eine inhaltliche Relation zueinander zu setzen, bzw. die Relation, in der sie zueinander stehen, inhaltlich zu charakterisieren. Da Präpositionen es leisten, solche Relationen - bisweilen auch oder erst in Gemeinschaftsfunktion mit den Inhalten von Substantiven, Verben, Adjektiven usw. - differenziert und prägnant auszudrücken, weshalb sie z.B. auch als metasprachliche Termini dienen, bereitet es erhebliche Schwierigkeiten, die durch sie gestifteten Beziehungen angemessen zu paraphrasieren, systematisch zu beschreiben und zu kategorisieren. Hecht-Kroes (1970), Moilanen (1979), Quirk/Greenbaum/Leech/Svartvik (1972) , Helbig/Buscha (1984) u.a. verwenden graphische Darstellungen zur Explikation und/oder Erläuterung dieser Relationen, andere (wie z.B. Leech 1974, 128-134) bedienen sich eines Prädikat-Argument-Modells . Üblich sind (so z.B. in der Duden-Grammatik 1984, 360-365) Angaben wie 'lokal1, 'temporal', 'modal', 'kausal' oder auch (wie z.B. in Moffat/Schaeder 1971, Schaeder 1971 oder Schweisthal 1971) differenziertere Klassifikationen. Helbig/Buscha (1979, 369) führen neben - jeweils mehrfach subklassifiziertem - 1 Lokal','Temporal' und 'Modal' noch die folgenden Kategorien auf: 'Adversativ', 'personaler Bezugspunkt', 'Distributiv', 'Ersatz', 'Final', 'Kausal', 'Konditional', 'Konsekutiv', 'Konzessiv', 'Kopulativ', 'Minimum', 'Partitiv', 'Restriktiv', 'Urheber' und übertragenen Gebrauch.

283 Ein anderer Weg wird in den "Grundzügen"

(1981, 697) gewählt.

"Bei einer Gliederung auf Grund kontextfrei definierter Bedeutungsmerkmale ergeben sich Subklassen, deren Elemente sehr allgemeine Bedeutungsmerkmale aufweisen, die erst innerhalb bestimmter Kontexte auf spezifische Bedeutungen eingeschränkt werden, die dann auch den traditionellen Bedeutungskategorien

zugeordnet wer-

den können, zum Beispiel: an:

'Kontakt'

bis:

'begrenzte Erstreckung'

aus:

'Herkunft'

bei:

'Präsenz'

von:

'Loslösung'

(lokal, temporal, kausal, modal) (lokal, temporal)

(lokal, kausal, modal) (lokal, temporal, konditional, modal) (lokal, temporal

...) -

'Kasusersatz'

in:

'begrenzter, umschlossener Bereich'

während:

'zeitlicher Verlauf, Begrenzung nicht markiert'

(temporal, lokal...)

seit:

'zeitlicher Verlauf, Anfangsbegrenzung

markiert'."

In Umkehrung der Verfahrensweise, alle durch Präpositionen gestifteten Relationen auf räumliche Verhältnisse zurückzuführen, unternahm es Br^ndal

(1950), lokale, temporale usw. Bedeutungsbeziehun-

gen auf abstraktere Grundverhältnisse abzubilden, indem er relationale Kategorien wie

'Symmetrie', 'Transitivität',

'Pluralität',

Eine an Br^ndal

(1950) angelehnte Darstellungsweise bevorzugt

auch Eroms

'Integrität'

'Konnexität',

'Variabilität',

einführte.

(1981, 149-152). Er beschreibt den Kernbestand der

deutschen Präpositionen mithilfe einer Merkmalanalyse

"unter Auf-

nahme der besonders von Br^ndal zum Prinzip erhobenen Neutralisierung von örtlichen, zeitlichen und

'abstrakten'

Gebrauchsweisen"

(Eroms 1981, 149). Seine Kategorien sind: 'Kontakt', 'Einwirkung', anlassung',

'Nutzen',

'Dauer',

'Circumclusion',

'Trennung',

'Nähe',

tät ',' Inklusion ' , 'Höhe'/'Rang',

'Vektor',

'Reihenfolge',

'Betrachterbezug',

'Sekante',

'Ver-

'Plurali-

'Funktionsbezug 1 ,

'Geltung'. Durch die Kategorie

'Betrachterbezug 1

berücksichtigt Eroms

(1981)

einen in den meisten Darstellungen vernachlässigten Aspekt, der die "Abbildfunktion" (Dreike 1975) , die betrifft.

(Reiter 1975), ein spezielles P r a g m a t i k

präpositionaler

Deixis-Problem Fügungen

284 Die z.B. durch vor/hinter bezeichneten lokalen Relationen sind eindeutig interpretierbar in Bezug auf Gegenstände, die eine unabhängig vom Betrachterstandpunkt bestimmbare - Front haben. (i) Der Garten liegt vor/hinter dem Haus Die Lage des Gartens ist unabhängig vom Betrachter- bzw. Sprecherstandort bestimmbar. (ii) Christiane steht vor/hinter dem Baum heißt: vom Betrachter- bzw. Sprecherstandort aus gesehen. In Fällen wie (iii) Christiane steht vor/hinter dem Auto kollidieren die beiden möglichen Interpretationsweisen: die objektbezogene

(vor/hinter der als Front geltenden Seite) und

die betrachter- bzw. sprecherbezogene

(zwischen Betrachter/Spre-

cher und Objekt). Ein anderes in diesen Zusammenhang gehörendes Problem stellt die räumliche bzw. zeitliche Ausdehnung der zueinander in Beziehung gesetzten Größen dar. Für usuelle Texte gilt, daß diese Größen in einem - was hier nicht näher ausgeführt werden kann - angemessenen proportionalen Verhältnis zueinander stehen müssen, um sie sprachlich in Beziehung setzen zu können. Hält man sich die hier im Uberblick und keineswegs vollständig aufgezeigten Probleme vor Augen, die eine linguistische Analyse und Beschreibung der Präpositionen zu lösen hat, so entstehen berechtigte Zweifel darüber, ob es denn überhaupt gelingen kann, sie im einsprachigen Wörterbuch sprachwissenschaftlich akzeptabel und und für den Benutzer verständlich und gewinnbringend darzustellen.

2.

'Präposition' - was sagen die Wörterbücher?

Die einsprachigen allgemeinen Wörterbücher des Deutschen enthalten als Stichwörter neben Ausschnitten aus dem Fachwortschatz anderer Wissenschaften auch - in ihrer Auswahl nicht begründete und mehr oder weniger umfänglich und korrekt explizierte - Termini aus dem Bereich der Linguistik.

285 S c h l a g e n w i r a l s o in e i n i g e n e i n s p r a c h i g e n W ö r t e r b ü c h e r n dem Stichwort r u n g e n sie WB-1 WB-2

'Präposition

1

n a c h , u m zu e r f a h r e n , w e l c h e

(Sprachw.) : Verhältniswort

(DUDEN-DUW):" [. . Beziehung o.ä.)

setzt

(Sprachw.) : Wort,

u. ein bestimmtes

Verhältnis

angibt,

(WAHRIG-DW):"Verhältniswort

WB-4

(ULLSTEIN):"Gramm. im allgemeinen deres

Wort

ein

(insb.

von

Wörter

ihm

"

(unflektierbares

abhängiges

Substantiv,

(SPRACH-BROCKHAUS) : "Verhältniswort

WB-6

(WAHRIG-dtv): -

(MACKENSEN) : " [. • ."^vorangestelltes

WB-9

(BROCKHAUS-WAHRIG):" f. . .3 G r a m m , morphologisch

hältnis

die,

einem

temporale, Worts

[. . .] "

Substantiv lokale,

zu den

teils

übrigen

W a s e r g i b t die A u s w e r t u n g d i e s e r

unveränderli-

vor-,

kausale,

f. . /) Sy Verhältniswort

teils

modale

Wörtern

rätselhaft,

eines

Ver-

Satzes

Recherche? Wörterbücher

'Präposition'. W a r u m es in W A H R I G - d t v fehlt,

zumal die W o r t a r t e n

'Artikel',

'Pronomen',

k l ä r t sind. E i n L e m m a als E r k l ä r u n g :

'Substantiv',

'Verb',

'Adverb' s u c h t m a n e b e n f a l l s

"1 unbeugbares

h e i ß t es d o c h im V o r w o r t

ist

'Adjek-

'Konjunktion' a u f g e f ü h r t u n d e r -

Schlägt man unter dem Stichwort

vergebens.

'Partikel' n a c h , so f i n d e t m a n

Wort,

z.B.

Präposition".

Und wie

(WAHRIG-dtv 1978, 6)? "Es w u r d e

s o n d e r e r W e r t d a r a u f g e l e g t , daß W ö r t e r , die der (Definition)

nach-

usw.

. Q "

(1) B i s auf W A H R I G - d t v e n t h a l t e n alle k o n s u l t i e r t e n ein Stichwort

"

Verhältniswort"

G r a m m . Verhältniswort

dieses

an-

f. .

[. . .] "

(WDG) : " [. .

festlegt

an ein

knüpft

das

[Lemmalücke]

WB-7

das

Wort,

Substantiv Adjektiv)

WB-8

Wortart,

in

zeitliches

[. . .J"

WB-5

gestellt,

zueinander

(räumliches,

Verhältniswort Verb,

das

[. . .] "

Verhältniswort

WB-3

tiv',

Erklä-

bereithalten.

(DUDEN-GWB) :"[,..

che

unter

be-

Erklärung

d i e n e n , s e l b s t als S t i c h w ö r t e r v o r k o m m e n u n d ih-

r e r s e i t s e r k l ä r t w e r d e n . " N a t ü r l i c h findet s i c h bei d e n ins W ö r t e r b u c h a u f g e n o m m e n e n P r ä p o s i t i o n e n eine Wortartenangabe

entsprechende

"Präp.", w e l c h e s K ü r z e l im A b k ü r z u n g s v e r -

zeichnis folgendermaßen aufgelöst wird:

"Präposition,

Ver-

hältniswort" . Dort sind dann auch synonymische Erklärungen

für

286

andere grammatische Termini nachzulesen, z.B. 'Dingwort' für 'Substantiv1, für das wiederum das Wörterverzeichnis als Synonym 'Hauptwort' angibt. (2) Die Wörterbücher WB-1 und WB-2 zeigen durch die Angabe "Sprachwissenschaft", die Wörterbücher WB-4, WB-8 und WB-9 durch die Angabe "Grammatik" die Zugehörigkeit des betreffenden Lexems zu einer fachsprachlichen Lexik an, was gewiß sinnvoll ist. (3) WB-1, WB-3, WB-5 und WB-8 begnügen sich damit, als Bedeutungserklärung "Verhältniswort" anzugeben. Unter dem Stichwort 'Verhältniswort' findet man dann z.B. im WDG "Präposition". Unerfindlich ist, warum MACKENSEN "vorangestelltes Verhältniswort" notiert und gleichzeitig z.B. halber

(einziges angeführtes Bei-

spiel: "des Geschäfts halber") als Verhältniswort klassifiziert. (4) Morphologische Angaben finden sich lediglich in WB-4 ("unflektierbares Wort") und in WB-9 ("morphologisch unveränderliche Wortart"), wozu anzumerken ist, daß die erste Erklärung falsch und die zweite ungeschickt formuliert und wohl eher zu aufwendig ist. (5) Unvollständig und zumindest mißverständlich ist die ebenfalls in WB-9 enthaltene Erklärung, daß die Präposition "einem Substantiv teils vor-, teils nachgestellt" ist. WB-4 formuliert hier durch den Zusatz "im allgemeinen" ein wenig vorsichtiger. (6) Auf die Rektionseigenschaft der Präposition weist allein WB-4 hin: "ein von ihm abhängiges Substantiv". Daß die Präposition "im allgemeinen ein von ihm abhängiges Substantiv an ein anderes Wort (insb. Verb, Substantiv, Adjektiv) knüpft" (unter 'knüpfen' steht in WB-4 zu lesen: "durch Knoten od. Schlinge etw. zusammenbinden, befestigen"), muß wohl als syntaktische Charakterisierung verstanden werden und kann dann allein die Präpositionalattribute sowie verb-, substantiv- und adjektivdependente Präpositionen meinen. Ob "in Beziehung setzen" in WB-2 syntaktisch und/oder semantisch zu interpretieren ist, bleibt dem Leser überlassen. (7) Daß die Präposition "ein bestimmtes (räumliches, zeitliches o.ä.) Verhältnis angibt" (WB-2), daß sie "das temporale, lokale, kausale, modale usw. Verhältnis dieses Worts ^gemeint ist das

287

vorher erwähnte, von der Präposition regierte Substantiv, B.S.3 zu den übrigen Wörtern eines Satzes festlegt" (WB-9), zielt ohne Zweifel auf die semantische bzw. synsemantische Funktion dieser Wortart. Ob diese Ausführungen für einen Benutzer erhellend sind, dürfte fraglich sein. Gewiß aber wird die Leistungsfähigkeit der Präposition beträchtlich überschätzt, wenn ihr in WB-9 nachgesagt wird, daß sie das Verhältnis des von ihr regierten Substantivs "zu den übrigen Wörtern eines Satzes festlegt". Als

Resümee

dieser kursorischen Wörterbuchdurchsicht ergibt

sich, daß (a) nahezu alle konsultierten Wörterbücher ein Stichwort 'Präposition1 - wie auch andere grammatische Termini als Lemmata enthalten und auch enthalten müssen und (b) die zu diesem Stichwort gegebenen Erklärungen - gemessen an den gesicherten linguistischen Erkenntnissen - unzureichend sind.

3.

Abgrenzungsprobleme

Da die in den Wörterbüchern jeweils zum Stichwort 'Präposition1 gelieferten Erklärungen allesamt ungeeignet sind, im Einzelfall zu entscheiden, ob ein Wort als Präposition zu klassifizieren ist, darf man gespannt sein, wie bei der Vergabe der Wortartenangabe verfahren wird. Betrachten wir die Praxis der Wörterbücher an einigen ausgewählten Beispielen: ULLSTEINLdS

WAHRIGDW

MACKENSENEW

adv präp (G)

adv

prap (G)

adj

adj

subst

subst

subst

DUDEN-DUW

WDG

abseits

präp (G) adv

adv präp (G)

adv präp (G)

abzüglich

prap ( G )

präp1 (G)

Anfang

subst

subst

1

.. 1

.. 1

Mit der stilistischen Markierung "kaufmännisch","(bes.) Kaufmannssprache" .

288

DUDEN-DUW

WDG

ULLSTEINLdS

WAHRIGDW

MACKENSENDW

bar

adj

adj adj (G)

adj adj (G)

adj

adj

beiderseits

präp (G) adv

präp (G) adv

adv präp (G)

präp (G)

adv präp (G)

dank

präp (G/D)

präp (D/G)

präp (D)

präp (D)

präp (D)

diesseits

präp (G) adv

präp (G)

adv

adv

einschließlich

präp (G,D/N) adv adv präp2 (G)

adv , präp-3 (G)

adv (G)

adj präp (G)

Ende

subst

subst

subst

subst

subst

entsprechend

adj präp (D)

part.adj. präp (D)

part als präp(D)

adj

part

exklusive

präp (G) adv

präp1 (G)

adv präp (G)

adv

adv

fern

adj präp (D)

adj

adj

adj präp (D)

adj

gemäß

präp (D) adj

adj 2 präp (D)

präp (D) adj

präp (D)

adj präp (D)

getreu

adj 4

adj

adj

adj

adj

adj adv

adj (D) adv konj

adj adv

präp (G/D)

präp (G)

präp (G)

präp (G)

präp (G)

präp (G)

-

hinsichtlich

adj adj 5 adv adv part präpD 2 präp (G) prap (G)

jenseits

präp (G) adv

gleich

1 2 3 4 5

präp (G) adv

Mit der s t i l i s t i s c h e n Markierung "kaufmännisch". Mit der s t i l i s t i s c h e n Markierung "Papierdeutsch". "Mit W e g f a l l des G e n i t i v - s b e i folgendem alleinstehenden stark gebeugtem Subst." " ( i n der R o l l e e i n e r Präp. mit D a t i v : ) g . seinem V o r s a t z , der T r a d i t i o n des Hauses." "im Ubergang zur Präp. mit D a t i v . "

289

DUDEN-DUW nahe

adj präp

(D)

nördlich

adj präp

(G)

oberhalb

WDG

ULLSTEINLdS

WAHRIGDW

MACKENSENEW

adj präp (D)

adj präp (D)

adj präp (D)

adj

adj

adj

adj

adj

präp,(G) adv

präp (G)

adv präp (G)

präp (G)

präp (G) adv

seitlich

adj präp (G)

adj präp (G)

adj

adj präp (G)

adj

seitwärts

adv präp (G)

adv

adv präp (G)

adv

ungeachtet

präp (G) konj

präp (G) konj

präp (G) part

präp (G)

präp (G)

loweit

präp (G) adv

präp (G,D)

adj präp

präp (G)

präp (G)

voll

adj

adj

adj

adj

adj

weitab

adv 7

adv

adv

adv

zeit

präp (G)

präp (G)

präp (G)

präp (G)

präp (G)

zuzüglich

präp

(G)

präp 8 (G)

präp (G)

präp (G)

zwecks

prap

(G)

präp

präp (G)

präp (G)

1 2 3 4 5 6 7 8

Q

1

-

(G)

präp

(G)

präp

-

o

2

2

(G)

Mit d e r s t i l i s t i s c h e n Markierung " A m t s d e u t s c h " . Mit d e r s t i l i s t i s c h e n Markierung " P a p i e r d e u t s c h " . Mit d e r s t i l i s t i s c h e n Markierung " g e h o b e n " . " ( i n Verbindung m i t ' v o n ' : ) n . von K ö l n . " "auch m i t W e g f a l l d e s G e n i t i v - s b e i f o l g e n d e m a l l e i n s t e h e n d e n Ortsnamen." " a t t r . mit Gen., s e l t e n e r mit Dativ od. ' m i t ' ; präd. mit ' v o n ' , 'mit' od. Gen." A l s B e i s p i e l : "w.(vom Bahnhof) wohnen." Mit d e r s t i l i s t i s c h e n Markierung " k a u f m ä n n i s c h " , " ( b e s . ) Kaufmannssprache".

290 Bei ersten Durchsicht der Tabelle erscheinen die Unterschiede gering, wobei auffällt, daß DUDEN-DUW, WDG und ULLSTEIN-LdS etwas großzügiger in der Vergabe der Wortartenkennzeichnung

"Präposi-

tion" sind als WAHRIG-DW und MACKENSEN-DW. In DUDEN-DUW findet sich z.B. auch

'vis-ä-vis' als Präposition

klassifiziert.

Abgrenzungsprobleme bestehen vor allem gegenüber dem Adjektiv. So sehen z.B. WDG und ULLSTEIN-LdS ausdrücklich ein Adjektiv mit Genitiv- bzw. Dativ-Rektion

, WAHRIG-DW zudem ein Adverb mit

entsprechender Kasusrektion vor. Ungewöhnlich

(und einer Untersuchung mit dem Thema

"Wortarten-

Rollenspiele" würdig) ist gewiß die Angabe, mit der DUDEN-DUW zur Wortartenbestimmung von

'getreu 1

aufwartet: "Adjektiv in der

Rolle einer Präposition mit Dativ." Wenn das WDG zu 'gleich' notiert: "Adjektiv im Übergang zur Präposition mit Dativ", so erweckt dies den Eindruck, als sei die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Wortart ins Belieben der Wörter gestellt und nicht etwa eine Angelegenheit derer, die sie klassifizieren. Eine bemerkenswerte Lösung weiß DUDEN-DUW für das folgende Problem anzubieten: In Phrasen wie oberhalb ze, südlich 'südlich',

Kölns,

seitlich

des Dorfes,

des Weges

sind

nördlich

'oberhalb',

der

'nördlich',

'seitlich' Präpositionen, in Phrasen wie oberhalb

Heidelberg,

nördlich

mir, weitab

vom Bahnhof

'südlich' Adjektive,

von Köln,

südlich

(wohnen)

sind

'oberhalb' und

von Sizilien, 'nördlich',

Gren-

seitlich

von von

'seitlich' und

'weitab' Adverbien. Bei

'voll'

wollte man sich im selben Wörterbuch offenkundig nicht für eine derartige Lösung entscheiden. In den angeführten Beispielen von groben

Fehlern

und voll grober

Fehler

voll

ist 'voll' beide Male

Adjektiv. "Die grammatische Einordnung und Klassifizierung der ungeheuren Masse von Wörtern, über welche jede Sprache verfügt, gehört zu den schwierigsten Aufgaben der Sprachwissenschaft"

(Admoni 1970, 58).

Von der Lexikographie darf gewiß nicht verlangt werden, daß sie diese Aufgabe, deren Lösung ein immerwährendes Problem der Linguistik darstellt, sprachwissenschaftlich

in jeder Weise überzeugend

291

erfüllt; erwartet aber werden darf, daß die Wörterbücher bei der Wortartenzuordnung begründet und systematisch verfahren (vgl. hierzu den Vorschlag von Bergenholtz 1984). 3.

Anmerkungen zu einem Wörterbucheintrag

Im folgenden werde ich den Wörterbucheintrag 'nach' im WDG einer kursorischen Analyse unterziehen und dabei gelegentlich auch auf die entsprechenden Artikel in anderen Wörterbüchern verweisen, die hier aus Platzmangel nicht reproduziert werden können. Das WDG habe ich nicht etwa gewählt, weil es sich besonders leicht kritisieren ließe;ganz im Gegenteil: es zeichnet sich gegenüber anderen Wörterbüchern noch immer durch eine Reihe von Vorzügen aus. Die Wörterbuchartikel sind übersichtlich gegliedert, die Kommentarsprache wirkt bedacht, die Beispiele und Belege gewähren hinreichenden Einblick in die Gebrauchsregularitäten des betreffenden Wortes. Daß das WDG den Wortschatz der deutschen Gegenwartssprache eher präskriptiv als deskriptiv darstellt, mag man gelegentlich bedauern, darf auf der anderen Seite aber nicht übersehen, daß ebendies das erklärte Ziel seiner Verfasserinnen und Verfasser ist. Insgesamt soll die vornehmlich auf Gliederungsprinzipien, Kommentarsprache, Auswahl und Anordnung der Beispiele und Belege gerichtete Analyse dazu beitragen, Kriterien für die angemessene Beschreibung der Präpositionen im einsprachigen allgemeinen Wörterbuch zu gewinnen. Da es mir hier allein um die Präposition 'nach' geht, fehlen in der Reproduktion die Ausführungen des WDG zu 'nach' als Adverb. Ob es sich bei 'nach' um ein Homonym oder ein Polysem handelt, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Die Wörterbücher sind in dieser Frage jedenfalls keineswegs einer Meinung. Während DUDEN-GWB, DUDEN-DUW, WAHRIG-DW, WAHRIG-dtv und MACKENSEN 'nach' als Polysem behandeln, fassen es ULLSTEIN-LdS, WDG und - was auf eine neue Einsicht in diese Problematik schließen läßt - BROCKHAUS-WAHRIG als Homonym auf.

292

Der W ö r t e r b u c h a r t i k e l

'nach1,

aus B a n d 4 (vierte,

überarbeitete

A u f l a g e , B e r l i n 1981) des W D G : Innrh*! /Präp. mit Dat./ CR}/zeitl./ ffi /räuml./ 1, /bezeichnet einen Zeitpunkt, der einem X' /bezeichnet ein Richtung ¿Verhältnis! anderen Zeitpunkt oder Vorgang unmittelbar aj_ jbei_ einer Bewegung; in Verbindung mit oder später folgt/ Ggs. vor [der Zeitpunkt ist Ortsnamen, Ländername^ die ohne Art. gebestimmt/ es ist zehn Minuten n. zwölf U h r ; braucht werden, Himmelsrichtungen und Ortsn. einer Minute war unser Gespräch schon ndverbien/ in Richtung auf etw.i n. Berlin, b e e n d e t ; /der Zeitpunkt ist nicht ganz genau, Dresden, P r a g fahren, reisen; n. Italien, jedoch annähernd angegeben/ n. Weihnachten, Schweden, Polen, Ungarn f a h r e n ; er hat sich Ostern, nach dem P e s t wollen wir verreisen; n. Übersee eingeschifft; wir fliegen morgen n. dem Essen, n. Tisch gehen wir spazieren; n. Afrika; das Flugzeug flog n . Korden, n. einigen Minuten, n. einiger, kurzer Zeit, Osten; n. oben, unten, von oben n. unten, n. einer Weile, n. Wochen, Monaten h a t t e M. vorn, hinten laufen; er ging n. draußen, sich alles wieder beruhigt; er ist n . langem • Irinnen; sich n. v o m , hinten beugen; sich Leiden verstorben; n. langem Hin und H e r n. links, rechts wenden; ¡ist durch die Präp. entschied man sich für das P r o j e k t zu ersetzbar! n - dem Sportplatz, der B a d e 2» /bezeichnet eine zeitl. Reihenfolge, ein a n s t a l t gehen; er ging, lief n . der Tür, T r e p p e ; zeitl. Nacheinander/ er ist erst n. mir, i h m