Letras profanas und letras divinas im Widerstreit: Die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters im spanischen Barock 9783964565655

Die Analyse der Schriften von Mariana, Guerra y Ribera, Bances Candamo u.a. zeigt, dass die licitud-Debatte keine theate

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German Pages 526 Year 2006

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Table of contents :
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
I. Forschungsstand und interpretativer Neuansatz: die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters als Ausdruck der Konkurrenz zweier Systeme der Weltdeutung
II. Das Freizeitproblem in der theologischen Debatte: die Begrenztheit der Lebenszeit und ihr rechter Gebrauch
III. Religiöse und profane Kultur: Assimilierung und Distanzierung - Interferenz und Konkurrenz
IV. Grundlagen der Theaterkritik des Siglo de Oro: die Kirchenväter und die Scholastik
V. Spanische Theaterkritik im Siglo de Oro: Theatergegner und Theaterverteidiger
Einleitung
V, I. Juan de Mariana: Tratado contra los juegos públicos. Ein Appell an den Monarchen
V, II. Pedro de Guzmán: Bienes de el honesto trabaio, y daños de la ociosidad. Theaterkritik als Teil der Frömmigkeitsliteratur
V, III. Pedro Puente Hurtado de Mendoza: De spe et charitate. Eine moraltheologische Abhandlung zur Klassifikation der Sünden
V, IV. Diego de Vieh: Breve discurso. Plädoyer eines Laien für die Eigenverantwortung des Menschen
V, V. Manuel de Guerra y Ribera: Aprobación. Theaterverteidigung eines Trinitariers zur Genehmigung der Verdadera Quinta Parte von Calderóns Comedias
V, VI. Agustin de Herrera: Discvrso teologico, y politico. Ein moraltheologischer Traktat gegen Guerra zur Verteidigung der jesuitischen Theaterfeindlichkeit
V, VII. Pedro de Fomperosa y Quintana: El Bven Zelo. Ein moraltheologischer Traktat eines jesuitischen Theaterautors gegen Guerra und die zeitgenössische Comedia
V, VIII. Pedro de Fomperosa y Quintana: La Evtrapelia. Erneute Replik auf Guerra und auf Tomás de Guzmán
V, IX. Manuel de Guerra y Ribera: Apelación al tribunal de los doctos. Eine Schrift zur Verteidigung der theologischen Lehrmeinung
V, X. Gonzalo Navarro Castellanos: Discvrsospolíticos, y morales. Humanistische Abhandlung eines Priesters gegen die zeitgenössische Comedia
V, XI. Ignacio de Camargo: Discvrso theologico sobre los theatros, y comedias de este siglo. Theaterkritik eines jesuitischen Predigers und Volksmissionars
V, XII. Francisco Antonio de Bances y López Candamo: Theatro de los theatros de los passados y presentes siglos. Theaterverteidigung und Regelpoetik eines zeitgenössischen Theaterautors
VI. Die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters als Reaktion auf den Säkularisierungsprozess der frühen Neuzeit: Ergebnisse, Konsequenzen und Forschungsausblick
VII. Appendix: Liste der an der Guerra-Debatte beteiligten Autoren und Werke
VIII. Literaturverzeichnis
IX. Verzeichnis der Abkürzungen
X. Verzeichnis der Abbildungen und Bildnachweise
XI. Index nominum
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Letras profanas und letras divinas im Widerstreit: Die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters im spanischen Barock
 9783964565655

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Claire-Marie Jeske Letras profanas und letras divinas im Widerstreit Die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters im spanischen Barock

Claire-Marie Jeske

Letras profanas und letras divinas im Widerstreit Die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters im spanischen Barock

Vervuert Verlag • Frankfurt am Main

2006

Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar

Gedruckt mit Unterstützung des Förderungs- und Beihilfefonds Wissenschaft der VG-Wort.

Alle Rechte vorbehalten © Vervuert Verlag, 2006 Wielandstr. 40 - D-60318 Frankfurt am Main Tel. +49 69 597 46 17 Fax + 49 69 597 87 43 [email protected] www.ibero-americana.net Depösito Legal: B-45.032-2006 ISBN 3-86527-311-4 Umschlagentwurf: Michael Ackermann Umschlagbild: Ignacio de Camargo: Discvrso theologico (Salamanca 1689) Gedruckt auf säure- und chlorfreiem, alterungsbeständigem Papier gemäß ISO-Norm 9706 Printed in Spain by Cargraphics

Inhaltsverzeichnis 1

Vorwort

15

Forschungsstand und interpretativer Neuansatz: die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters als Ausdruck der Konkurrenz zweier Systeme der Weltdeutung

17

II

Das Freizeitproblem in der theologischen Debatte: die Begrenztheit der Lebenszeit und ihr rechter Gebrauch

1. 1.1

Die >Rekatholisierung< der Gesellschaft im Zuge der Gegenreformation Der christliche Imperativ des »ora et labora« und die Fundierung des Diesseits im Jenseits Theologisch-anthropologische Überlegungen: remissio animi versus otiositas eutrapelia und adiaphora Theologisch basierte Polemik gegen Formen weltlicher Literatur: religiöse intensive Lektüre versus weltliche extensive Lektüre Freizeit und Zeitgestaltung aus theologischer Sicht: die Frömmigkeitsliteratur des Siglo de Oro am Beispiel des Werks von Juan Eusebio Nieremberg (SJ) De la diferencia entre lo Temporal y Eterno (1640) Vida divina y Camino real de grande atajo para la perfección (1633) Práctica del Catecismo romano y Doctrina Christiana (1640) Causa y remedio de los males públicos (1642) Die Ablehnung des profanen Theaters als Konsequenz einer der christlichen Doktrin verpflichteten Lebensführung

1.2 1.3 2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 III 1 2 2.1 2.2

Religiöse und profane Kultur: Assimilierung und Distanzierung Interferenz und Konkurrenz Theatralisierung der Predigt und Disziplinierung durch die Volksmission Die Position der Jesuiten innerhalb der licitud-Debatte: das Jesuitentheater Jesuitische Polemik gegen das profane Theater: Pedro de Fomperosa y Quintana.. Jesuitentheater versus profanes Theater: die Konkurrenz der zwei Kulturen

IV

Grundlagen der Theaterkritik des Siglo de Oro: die Kirchenväter und die Scholastik

1 1.1

Patristische Theaterkritik und Theaterwesen der Antike Die Theaterkritik der Antike als argumentative Grundlage der Theaterkritik des Siglo de Oro Vorstellung der berücksichtigten Patristen und ihrer Argumente gegen die spectacula »Renuntio diabolo et pompae et angelis eius«: die spectacula als pompa diaboli... Die positiven Elemente der spectacula als Lockmittel des Teufels Die Missbilligung der Ausfuhrenden: die moralische Verdorbenheit der Schauspieler Die Verurteilung der Institution: die Grausamkeit der muñera und das Theater als Schule der Unsittlichkeit Die Zügellosigkeit der Zuschauer und deren Heilsgefahrdung im Theater Fremdherrschaft, Zerstörung und Untergang als Folgen der spectacula Die Minderwertigkeit der Fiktion - »non amat falsum auctor veritatis«

1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7

33 35 38 40 43 46 49 52 55 58

61 64 68 71

79 81 82 84 87 87 88 90 91 92

6

Claire-Marie Jeske

1.2.8 Gegenmaßnahmen: die Vertröstung auf die spectacula divina 93 1.2.9 Die anthropologische Begründung der Theaterkritik in der Analyse derpassiones: Schauspielkritik bei Augustin 93 2 Die Scholastik und die Auseinandersetzung mit dem Theater: Thomas von Aquin - eine bedingte Akzeptanz der passiones und des menschlichen Erholungsbedürfhisses 96 2.1 Quaestio 168, 2-4: »Ludus est necessarius ad conservationem humanae vitae« 97 2.2 Die Instrumentalisierung der quaestio 168 durch die Theaterkritiker des Siglo de Oro 99 V

Spanische Theaterkritik im Siglo de Oro: Theatergegner und Theaterverteidiger

1 1.2 1.3

Beschreibung des Textkorpus Darstellung der Analysekriterien Vorgehen bei der Analyse der Schriften

V, I

Juan de Mariana: Tratado contra los juegos públicos. Ein Appell an den Monarchen.

1 1.1 1.2 1.3 1.4 2

Kurzpräsentation von Autor und Werk Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext Entstehungskontext des Tratado contra los juegos públicos Äußerer Aufbau des Tratado contra los juegos públicos Sprachliche Gestalt und Adressatenkreis des Tratado contra los juegos públicos. Marianas Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: der Müßiggang als Quelle aller Laster Die Begründung der Theaterkritik auf der Analyse des deleite Das Sinnesvergnügen als »fabricador de muerte« Die Verführung durch den deleite Rekurs auf die Kirchenväter: die Unkenntnis des zeitgenössischen Theaters Sittenverfall und Dekadenz Spaniens als Folgen der Theateraufführungen Die Schauspieler: Geldgier und moralische Verdorbenheit Die Verurteilung der Institution Das Theater als Bordell und Schule der Unsittlichkeit Die unzulässige Vermischung von Heiligem und Profanem Die Zuschauer: der Theaterbesuch als Verstoß gegen die weibliche Tugend und die sexuelle Abhängigkeit der männlichen Zuschauer Die Abschaffung des kommerziellen Theaters über den Weg einer umfassenden Reform

3 3.1 3.2 3.3 3.4 4 5 5.1 5.2 6 7

101 103 105

109 109 111 113 114 115 118 118 121 122 125 127 133 133 134 136 139

V, II Pedro de Guzmán: Bienes de el honesto trabaio, y daños de la ociosidad. Theaterkritik als Teil der Frömmigkeitsliteratur. 1 1.1 1.2 1.3 1.4

Kurzpräsentation von Autor und Werk Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext Entstehungskontext der Bienes de el honesto trabaio, y daños de la ociosidad Prätexte der Bienes de el honesto trabaio, y daños de la ociosidad Äußerer Aufbau der Bienes de el honesto trabaio, y daños de la ociosidad

145 145 145 145 147

Inhaltsverzeichnis

1.5 2 3 3.1 3.2 4 4.1 4.2 5 5.1 5.2 6 7

Sprachliche Gestalt und Adressatenkreis der Bienes de el honesto trabaio, y daños de la ociosidad »Labor omnia vincit«: Guzmáns Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung Die Begründung der Theaterkritik auf der Ablehnung des Müßiggangs Das Theater als der christlichen Zeitordnung entgegengesetzte >Freizeitbeschäftigung< Rekurs auf die Kirchenväter: die Comedia als Fortsetzung der antiken Theaterauffuhrungen Die Missbilligung der Ausfuhrenden Die Schauspieler als Trendsetter und »verdaderos hijos del ocio«, die Schauspielerin als Verführerin Die Autoren als Propagandisten der Sünde und die Verurteilung der profanen Literatur Die Verurteilung der Institution Das Theater als Antagonist der christlichen Weltabkehr und Affektdisziplinierung Die unangemessene Darstellung religiöser Inhalte im profanen Theater Die Zuschauer: Abwendung von der christlichen Tugend und Hinwendung zur Sünde Theaterverbot oder die Duldung einer zensierten Laienbühne

7 147 149 155 155 156 158 158 161 162 162 166 167 169

V, III Pedro Puente Hurtado de Mendoza: De spe et charitate. Eine moraltheologische Abhandlung zur Klassifikation der Sünden. 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2 3 3.1 3.2 4 4.1 4.2 5 5.1 5.2 6 6.1 6.2 7

Kurzpräsentation von Autor und Werk Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext Entstehungskontext der Scholasticae, et morales dispvtationes Äußerer Aufbau der Sectio XXVIII: »De comoedijs, quando sint scandalum« Sprachliche Gestalt und Adressatenkreis von De spe, et charitate, XXVIII Hurtados Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Warnung vor den menschlichen Leidenschaften Die Ablehnung der zeitgenössischen Comedia als opinio communis der Theologen Die Vereinnahmung der Theaterbefürworter als Gegner der zeitgenössischen Comedia Rekurs auf die Kirchenväter: die Gleichsetzung von antikem und zeitgenössischem Theater Die Missbilligung der Ausführenden Die Schauspieler: Sklaven ihrer Triebe und Todsünder Die Autoren: Urheber und Propagandisten der fleischlichen Sünden Die Verurteilung der Institution Das Theater als Agitationszentrum der menschlichen Leidenschaften Wider die Auffuhrung in Kirchen und religiösen Kontexten Die kasuistische Differenzierung der im Theater begangenen Sünden Die laikalen Zuschauer: Kollaborateure und Konsumenten der Todsünde Die geistlichen Zuschauer: Verführer zur Todsünde »Permissionem Comoediarum esse per se illicitam«

175 175 175 178 179 180 182 182 183 184 184 187 189 189 192 192 192 194 195

8

Claire-Marie Jeske

V, IV Diego de Vieh: Breve discurso. Plädoyer eines Laien für die Eigenverantwortung des Menschen. 1 1.1 1.2 1.3 2 3 3.1 3.2 3.3 3.4 4

Kurzpräsentation von Autor und Werk Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext Entstehungskontext des Breve discurso Die Sonderstellung des Breve discurso innerhalb der //«¿«¿/-Debatte Viehs Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Aufhebung des Gegensatzes zwischen Theater und Predigt Die Beurteilung der Comedia aus der Perspektive eines Laien Wider die Allzuständigkeit des Klerus: Plädoyer für die Autonomie des Menschen Die historische Entwicklung der Comedia und die Bedrohung ihrer Existenz Widersprüche (1): die Zulässigkeit der Bordelle versus das Verbot der Comedia Widersprüche (2): die Zulässigkeit der Comedia-Lektüre versus das Verbot ihrer Aufführung Die Comedia als politisch wirksame Ablenkung von der Mühsal des Lebens

199 199 199 202 203 204 204 206 207 208 209

V, V Manuel de Guerra y Ribera: Aprobación. Theaterverteidigung eines Trinitariers zur Genehmigung der Verdadera Quinta Parte von Calderóns Comedias. 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2

3 3.1 3.2 4 4.1 4.2 4.3 5 6

Kurzpräsentation von Autor und Werk 211 Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext 211 Entstehungskontext der Aprobación 212 Adressatenkreis der Aprobación 214 Brisanz und sprachliche Gestalt der Aprobación 216 Guerras Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Rücksichtnahme auf die condition humaine und Anerkennung einer gewissen moralischen Autonomie des Menschen 217 Die Verteidigung der Comedia als Angriff auf die Jesuiten 221 Rekurs auf die Kirchenväter: die Unterscheidung von antikem und zeitgenössischem Theater 221 Widerlegung der Theatergegner: der Angriff auf Hurtado de Mendoza 223 Die Verteidigung des zeitgenössischen Theaters und seiner Beteiligten 224 Die Vereinbarkeit der Comedia mit einer laikalen christlichen Lebensführung ... 224 Die Verteidigung der Comedia auf der Basis einer moralisch orientierten Rezeptionsästhetik 227 Die comedia de santos als Anleitung zur praxis pietatis 229 Die Mustergültigkeit des Theaters von Calderón de la Barca 230 Guerras Theaterverteidigung als Ausgangspunkt einer Polemik: Trinitarier versus Jesuiten 233

Exkurs I: Dudas curiosas sobre la aprobazion de las comedias del Remo. FFr. Maní Gerra. Eine jesuitische (?) Polemik gegen Guerra. 1 2 3

Die Veränderung der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters durch die Aprobación Autorschaft und Adressatenkreis der Dudas curiosas Inhaltliche Darstellung der Dudas curiosas

235 236 237

Inhaltsverzeichnis

3.1 3.2 3.3

Guerra als leidenschaftlicher Anhänger des profanen Theaters Guerra als Gegner der Societas Jesu Zwei unterschiedliche anthropologische Auffassungen: Theologischer Dirigismus versus moralische Selbstverantwortung des Menschen

9

237 239 240

V, VI Agustin de Herrera: Discvrso teologico, y politico. Ein moraltheologischer Traktat gegen Guerra zur Verteidigung der jesuitischen Theaterfeindlichkeit. 1 1.1 1.2 1.3 1.4 2 3 3.1 3.2 3.3 4 5 5.1 5.2 6 7

Kurzpräsentation von Autor und Werk 243 Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext 243 Entstehungskontext des Discurso teologico 244 Äußerer Aufbau des Discurso teologico 245 Sprachliche Gestalt und Adressatenkreis des Discurso teologico 246 Herreras Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Gottesfurcht und Erfüllung der Christenpflichten als Voraussetzungen der Heilsbewahrung 247 Die Begründung der Theaterkritik auf der Widerlegung Guerras 248 Theaterverteidigung versus Priesteramt, Diskurskontrolle versus Diskursöffnung 248 Angriff auf Guerra und Rehabilitierung von Hurtado 250 Die Gültigkeit der patristischen spectacula-Y^iük für das zeitgenössische Theater 256 Die Unsittlichkeit der Schauspieler/in: Wiederholung der bekannten Topoi 258 Die Verurteilung der Institution 259 Die Pervertierung der christlichen Werte in der Comedia 259 Die comedia de santos: Respektlosigkeit gegenüber Religion, Kirche und Klerus 263 Die Zuschauer: Heilsgefahrdung durch den Verlust der moralischen Selbstkontrolle 265 Die Verurteilung der Comedia zur Rehabilitierung der Societas Jesu und als Kampfansage gegen Guerra 266

Exkurs II: Responde D. Francisco Tempiado ä [...] D. Antonio Puente Hurtado de Mendoza. Eine ironische Polemik gegen Herrera. 1 2 V, VII

1 1.1 1.2 1.3 2 3 3.1 3.2

Kurzpräsentation des Werks und mögliche Autorschaft 271 Eine neue Debatte: Verspottung von Herrera und Rehabilitierung von Guerra .... 272 Pedro de Fomperosa y Quintana: El Bven Zelo. Ein moraltheologischer Traktat eines jesuitischen Theaterautors gegen Guerra und die zeitgenössische Comedia. Kurzpräsentation von Autor und Werk Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext Entstehungskontext und Adressatenkreis des Bven Zelo Äußerer Aufbau und sprachliche Gestalt des Bven Zelo Fomperosas Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: die Notwendigkeit der moralisch-geistlichen Lenkung des Menschen Systematische Auseinandersetzung mit den Zeugnissen der Kirchenväter als Replik auf Guerra Guerra als Demagoge und Gegenspieler der Kirche Die Gültigkeit der patristischen spectacula-Kntik für das zeitgenössische Theater

279 279 280 281 283 285 285 287

10

Claire-Marie Jeske

4 4.1

Die Verurteilung der Institution Die Comedia als in der Verführungskunst perfektionierte Kopie des antiken Dramas Die comedia de santos als unautorisierte Konkurrenz zur wahren Heilsverkündigung: die mangelnde theologische Kompetenz der Dichter Die Schauspieler: berufsbedingte Schamlosigkeit Die Zuschauer: Hingabe an die Sinnenlust und Verführung zum Schauspielerberuf Fomperosa y Quintana: Theaterautor und Theatergegner - zwei Seelen in einer Brust?

4.2 5 6 7

289 289 292 294 297 299

Exkurs III: Tomás de Guzmán: Respvesta a vnpapelón qvepvblicó el Bven Zelo. Satire eines Laien gegen Fomperosa und die Theaterfeindlichkeit der Jesuiten. 1 2 2.1 2.2 3

Autor, Entstehungskontext und Adressatenkreis der Respvesta Die Verteidigung der zeitgenössischen Comedia und ihrer Aprobación durch Guerra Die Zulässigkeit und Heilsirrelevanz der zeitgenössischen Comedia Die Fiktionalität der Comedia und die Realitätsblindheit der Theatergegner Gegenangriff auf Fomperosa und die Societas Jesu: Theaterauffiihrungen in den Ordenshäusern

V, VIII 1 1.1 2 3 4 5

2 3 3.1 3.2

306 306 309 312

Pedro de Fomperosa y Quintana: La Evtrapelia. Erneute Replik auf Guerra und auf Tomás de Guzmán.

Kurzpräsentation der Evtrapelia 317 Publikationskontext, Intention und äußerer Aufbau 317 Die Eutrapelie als Maßstab einer legitimen Entspannung von Körper und Geist ..318 Die Unsittlichkeit der Comedia und François de Sales als ihr »jurado enemigo«.. 320 Replik auf Tomás de Guzmán: die Rehabilitierung der Societas Jesu 323 Die Verselbständigung der licitud-Debatte zu einem Streit um die richtige Auslegung der autoritativen Textzeugnisse der Kirche 326

Exkurs IV: 1 1.1 1.2

305

Fortgang der Debatte um Guerras Aprobación. Die Verselbständigung der Polemik um Guerra: vom moraltheologischen Traktat zur Satire.

Juan Cortés Ossorio (?): Arbitragepolitico-militar - eine Satire gegen Guerra.... 333 Guerra als Teufelsdiener und Versucher der Christen 334 Calderóns comedias als »manifiestamente lasciuas« und die gleichzeitige Akzeptanz des Hoftheaters sowie der Aufführungen in Privat- und Ordenshäusern 336 Neudruck der Theaterverurteilung von Crespi de Borja als Replik auf Guerra 338 Andrés Dávila y Heredia: drei Polemiken eines Laien gegen die Theatergegner .. 340 Die Comedia als »legitima ocupacion de los ociosos y [de] los ánimos cansados« und »mejor alhaja de las Cortes« 342 Die Verteidigung der Comedia und der schönen Literatur aus der Perspektive eines Laien: Rückbesinnung auf das Anliegen der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters 346

Inhaltsverzeichnis

11

Exkurs V:

1 2 3

Neuaufnahme der Debatte um die Aprobación um 1750 und Weiterführung der Polemik mit neuen Protagonisten der gleichen Orden: Veröffentlchungskontext von Guerras Apelación al tribunal de los doctos Agustín Sánchez: Dictamen - die Rehabilitierung von Guerra durch einen Trinitarier im Zuge der Verteidigung von Calderóns Theater gegenüber den Neoklassizisten 351 Der Triumpho sagrado de la conciencia als Replik auf den Dictamen: Jesuit versus Trinitarier 353 Die Veröffentlichung der Apelación als Replik auf den Triumpho: Trinitarier versus Jesuit 355

V, IX Manuel de Guerra y Ribera: Apelación al tribunal de los doctos. Eine Schrift zur Verteidigung der theologischen Lehrmeinung. 1 1.1 1.2 1.3 2

Guerras Verteidigung seiner Kirchenväterexegese und seiner theologischen Lehrmeinung Äußerer Aufbau und sprachliche Gestalt der Apelación al tribunal de los doctos Replik auf die Angriffe der Societas Jesu Erneute Exegese der Kirchenväter als Replik auf die Angriffe der Gegner Von der Aprobación zur Apelación: >Enttheatralisierung< und Theologisierung der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters

363 363 365 368 371

V, X

Gonzalo Navarro Castellanos: Discvrsospolíticos, y morales. Humanistische Abhandlung eines Priesters gegen die zeitgenössische Comedia.

1 1.1 1.2 1.3 2

Kurzpräsentation von Autor und Werk 377 Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext 377 Entstehungskontext und Adressatenkreis der Discvrsos políticos, y morales 377 Äußerer Aufbau und sprachliche Gestalt der Discvrsos políticos, y morales 380 Navarro Castellanos' Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Forderung nach Weltabkehr und christlicher Perfektion 382 Die Rehabilitierung des antiken und die Verurteilung des zeitgenössischen Theaters 384 Die Widerlegung der Theaterverteidiger zur Rehabilitierung der Antike 384 Die Gültigkeit der patristischen spectacula-Kritik für das zeitgenössische Theater und die moralische Überlegenheit des antiken Theaters 386 Lope de Vega als Verderber des zeitgenössischen Theaters 391 Ablehnung der comedia de santos und des auto sacramental, wider die funktionale und formale Annäherung von Bühne und Kanzel 395 Die Schauspieler: Ehrlosigkeit und strafloses Leben im Exzess 396 Die Zuschauer: Selbsttäuschung zum ungehinderten Ausleben der Sinnenlust 397 Das Theaterverbot als Voraussetzung der Sittenreform und der Erhaltung Spaniens 398 Zwischen humanistischem Bildungsideal und kirchlicher Dogmatik: Navarro Castellanos als Repräsentant der zwei Kulturen 401

3 3.1 3.2 4 4.1 5 6 7 8

V, XI Ignacio de Camargo: Discvrso theologico sobre los theatros, y comedias de este siglo. Theaterkritik eines jesuitischen Predigers und Volksmissionars. 1

Kurzpräsentation von Autor und Werk

407

12

1.1 1.2 2 3 4 5 5.1 5.2 6 7 8

Claire-Maríe Jeske

Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext Entstehungskontext, Adressatenkreis und Aufbau des Discvrso theologico Camargos Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: »Es como polvora el hombre en materias de lascivia« Die Gleichsetzung von antikem und zeitgenössischem Theater Die Schauspieler: Zuspitzung des negativen Frauenbildes auf der Folie der bekannten Topoi Die Verurteilung der Institution Die Suggestivkraft der theatralischen Darstellung aus der Sicht eines Volksmissionars Die comedia de santos als Verspottung der Heiligen und des Klerus Die Zuschauer: Verpflichtung zur Wahl des richtigen Beichtvaters »Sola fiiga est remedium« - Plädoyer für ein Theaterverbot zur Bewahrung des Seelenheils sowie der spanischen Monarchie Der Discvrso theologico als >Reflex< einer jahrzehntelangen Debatte und Anstoß für die Entwicklung einer Regelpoetik - das Theatro de los theatros von Bances Candamo

407 408 411 412 412 413 413 417 418 420

421

V, XII Francisco Antonio de Bances y López Candamo: Theatro de los theatros de los passados y presentes siglos. Theaterverteidigung und Regelpoetik eines zeitgenössischen Theaterautors. 1 1.1 1.2 2 3 3.1 3.2 4 4.1 4.2 4.3 5 VI

VII

Kurzpräsentation von Autor und Werk Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext Entstehungskontext und Tenor der drei Versionen des Theatro de los theatros.... Bances Candamos Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Unterscheidung zwischen geistlicher und laikaler Lebensführung - die Einforderung der adiaphora.. Zwischen laikalem Selbstbewusstsein und Versöhnungsbestreben Die Trennung der Zuständigkeiten von kirchlicher und säkularer Kultur: ein Plädoyer für die Beurteilung des Theaters durch Sachkundige Der biblische Ursprung des Theaters und dessen Pervertierung durch den Teufel Die Beurteilung der Comedia aus der Perspektive eines Theaterautors Die Comedia als moralisch überhöhte imago veritatis und didaktisches Exempel Die Reform der Comedia auf der Grundlage eines Regelkanons: »[La] castration de la >Comédie nouvellelicitud del teatro< geweckt und meine Arbeit engagiert betreut hat. Herrn Prof. Tietz danke ich nicht nur für seine fachlichen Anregungen und Impulse während der Arbeit an meiner Promotion, sondern auch für die Begleitung meiner gesamten Studienzeit und für zahlreiche Gespräche, die mich in vielerlei Hinsicht bereichert haben. Danken möchte ich auch Frau Prof. Dr. Schmitz-Emans für die Übernahme des Koreferats. Ferner gilt mein Dank dem Cusanuswerk, dessen Promotionsstipendium es mir ermöglicht hat, mich konzentriert meiner Dissertation zu widmen und die notwendigen Forschungsaufenthalte in Madrid durchzufuhren. Danken möchte ich aber auch den Kolleginnen und Kollegen des Zentrums für Lehrerbildung, insbesondere der Geschäftsführerin Dr. Luzia Vorspel, die mir während der Promotion die notwendige zeitliche Flexibilität bei meiner Arbeit im Zentrum für Lehrerbildung gewährt hat. Des weiteren gilt mein Dank Juliane Dücker, die meine ständige Direktverbindung nach Madrid war und mehr als einmal für mich die Biblioteca National aufgesucht hat, sowie Lupe demente Garrido, die mich in Madrid stets herzlich empfängt. Danken möchte ich ferner Ursula Roer für die spontane Bereitstellung ihrer Lateinkenntnisse und Wolfgang Kollmann für seine computertechnische Unterstützung. Besonderer Dank gilt PD Dr. Thomas Hecken für seine kritische Lektüre. Auch Angela Weber sei gedankt für wertvolle Anregungen. Matthias Kollmann danke ich für viel Geduld, Gesprächsbereitschaft und Liebe. Schließlich geht mein herzlichster Dank an meine Eltern für die beste und umfassendste Unterstützung, die sich ein Mensch wünschen kann.

I

Forschungsstand und interpretativer Neuansatz: Die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters als Ausdruck der Konkurrenz zweier Systeme der Weltdeutung

»Die Englische Comedianten, Haben mehr Leuht den Predicanten, Da lieber 4 stund stehn hören zu, Dan ein in die Kirch, da sie mit Ruhe, Flux einschlaffen auff ein hart banck, Dieweil ein stund jn feit zu lang, [...]« Die wissenschaftlichen Bemühungen um das Theater des Siglo de Oro sind in den letzten Jahrzehnten beträchtlich angewachsen. Nicht nur poetologische, gattungsspezifische, bühnentechnische und theatergeschichtliche Aspekte sind in den Blick g e n o m m e n worden, auch den politischen, wirtschafts- und sozialgeschichtlichen Implikationen des Theaterwesens hat sich die Forschung vermehrt zugewandt. 2 Für die Erforschung des kulturhistorischen Kontextes, in dem das spanische Barocktheater entstanden ist und sich entwickelt hat, bleiben jedoch eine Reihe von Desideraten. 3 S o ist ein in seiner Systematik und seinen Folgen weitgehend unerforschtes Phänomen die sich über zwei Jahrhunderte erstreckende Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters (licitud del teatro), die - als umfassendste und nachhaltigste Debatte in der Geschichte der spanischen Literatur - die gesamte Theaterproduktion und -praxis des Siglo de Oro bis in die Anfange des 19. Jahrhunderts begleitet und geprägt hat. In dieser Debatte geht es um die Frage, ob das Phänomen Theater als w e n i g religiöse >Pause< im Tagesablauf eines Christen theologisch zu akzeptieren ist und ob die Argumente der Kirchenväter gegen die antik-heidnischen spectacula auf die völlig andere - Theaterpraxis des Siglo de Oro anwendbar sind. Die Debatte wird Ende des 16. Jahrhunderts entfacht, als sich die Comedia unter der Herrschaft Philipps II. in den

1

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»Ein Discurs von der Frankfurter Messe und ihrer vnderschiedlichen Kaufleuten gut vnd böß« (1615), zitiert nach Elisabeth Mentzel: Geschichte der Schauspielkunst in Frankfurt am Main. Von ihren Anfangen bis zur Eröffnung des Städtischen Komödienhauses. Frankfurt a. M.: Völcker's Verlag 1882, S. 58f. Die Erforschung des theatergeschichtlichen Hintergrundes und der Bedingungen der zeitgenössischen Bühnen- und Inszenierungsrealität wurde vor allem von den englischen Hispanisten John E. Varey und Norman D. Shergold vorangetrieben. Cf. u.a. »Datos históricos sobre los primeros teatros de Madrid: prohibiciones de autos y comedias y sus consecuencias (1644 - 1651)«, in: Bulletin Hispanique 62 (1960), S. 163-189; »La decadencia de los corrales y el florecimiento de la corte: La vida teatral a través de los documentos (1651-1665)«, in: Francisco Rico (Hg.), Historia y Crítica de la Literatura Española, T. 3: Bruce W. Wardropper (Hg.), Siglos de Oro: Barroco, Barcelona: Critica 1983, S. 283290. Den soziologischen Kontext des Barocktheaters hat u.a. José Maria Diez Borque untersucht: Sociología de la comedia española del siglo XVII. Madrid: Cátedra 1976. José Antonio Maravall erklärt das spanische Theater des Siglo de Oro aus seiner Unterhaltungs- und Propagandafunktion heraus: Teatro y literatura en la sociedad barroca. Barcelona: Editorial Crítica 2 1990. Dies gilt nicht nur für den Kontext des Barocktheaters, sondern auch für die Comedia selbst sowie für ihre Subgenera und Autoren: Zwar gibt es diesbezüglich eine blühende Forschung, das allgemeine Forschungsinteresse beschränkt sich jedoch auf die >kanonisierten Werke< und deren Verfasser. Ein Großteil der Forschenden ist sich dessen bewusst; so war auf dem internationalen Kongress dignificados y proyección internacional del Teatro Clásico Español< (Madrid 7.-9. Mai 2003) immer wieder der Appell zu hören, den traditionellen Kanon aufzubrechen. An eine umfassende Umsetzung dieses Forschungsanliegens hat sich jedoch bisher niemand gewagt. Cf. hierzu auch Manfred Tietz: »Comedia y Tragedia«, in: José Maria Diez Borque (Hg.), Calderón desde el 2000 (Simposio Internacional Complutense). Madrid: Ollero & Ramos 2001, S. 155-184.

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Städten von einem marginalen Phänomen zur schlechthinnigen Art der Freizeitgestaltung entwickelt, deren Aufführungsorte fest institutionalisiert sind und die sich mit einer geradezu exzessiven Theaterproduktion von zwischen zehn- und dreißigtausend Stücken4 als neues gesellschaftliches Phänomen etabliert. Der >blinde Fleck< im Auge der Forschenden überrascht um so mehr, als Casiano Pellicer die //«'/«¿/-Debatte in seinem Tratado histórico sobre el origen y progresos de la comedia y del histrionismo en España5 (1804) als integrativen Bestandteil der Theatergeschichte des Siglo de Oro behandelt und Emilio Cotarelo y Morí bereits 1904 eine umfassende Bibliographie und Anthologie der Schriften dieser Kontroverse erstellt hat,6 die Exzerpte von theaterbezüglichen Texten verschiedenster Art enthält, welche das damals in höchster Blüte stehende spanische Theater aus theologischer, moralischer oder politischer Sicht verteidigen, verurteilen oder sich für dessen Reform aussprechen. Die bisher nur marginale Behandlung der für das spanische Theaterwesen - wie herauszustellen sein wird - folgenreichen Debatte, ist u.a. sicherlich darauf zurückzuführen, dass der Blick der literarhistorischen Forschung auf die gefeierten Autoren und Werke des Siglo de Oro fixiert ist, das ebenso blühende theologische Schrifttum jedoch kaum zur Kenntnis genommen wird. So ist die weitgehend akzeptierte Ausdehnung des wissenschaftlichen Literaturbegriffs den spezifisch religiösen Texten bisher verhältnismäßig wenig zugute gekommen. Die Forschung tendiert zudem dazu, die profane von der religiösen Literatur zu trennen,7 obwohl sich der Prozess ihrer Ausdifferenzierung erst während des Übergangs vom Spätmittelalter zur frühen Neuzeit allmählich in Gang setzt. Das geringe Forschungsinteresse an der licitudDebatte, die als theatergeschichtliches Phänomen grundsätzlich bekannt ist, mag aber auch an der Tatsache liegen, dass die im Siglo de Oro selbstverständliche kulturelle Monopolstellung der Kirche dem Philologen heute Zugangsschwierigkeiten bereitet. Die Texte der Debatte sind zudem teilweise mühsam aufzutreiben; sie sind über verschiedene Archive und Bibliotheken verstreut und teils schlecht zugänglich. Eine Sammlung von Texten, die 4

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Bekanntermaßen divergiert die Zahl der Stücke je nach dem Autor der Schätzung. Zwar sind die Angaben eines Lope de Vega mit Vorsicht zu handhaben, die Anzahl der im spanischen Siglo de Oro verfassten Theaterstücke überragt die Theaterproduktion anderer europäischer Länder jedoch ungenommen. Diese quantitative Tatsache muss bei der Analyse und Bewertung des spanischen Barocktheaters folglich berücksichtigt werden. Con las censuras teológicas, Reales Resoluciones y Providencias del Consejo Supremo sobre Comedias: y con la noticia de algunos célebres Comediantes y Comediantas, asi antiguos como modernos. Con algunos Retratos, 2 T. Madrid: Imprenta de la Administración del Real Arbitrio de Beneficencia 1804. Emilio Cotarelo y Mori: Bibliografía de las controversias sobre la licitud del teatro en España, contiene la noticia, extracto ó copia, así impresos como inéditos, en pro y en contra de las representaciones; dictámenes de jurisconsultos, moralistas y teólogos; consultas del consejo de Castilla; exposiciones de las villas y ciudades pidiendo la abolición ó reposición de los espectáculos teatrales y un apéndice comprensivo de las principales disposiciones legislativas referentes al teatro; obra premiada por la Biblioteca Nacional en el concurso público de 1904 é impresa á expensas del estado, Madrid: Est. Tip. de la "Rev. De Archivos, Bibl. y Museos" (edición facsímil; estudio preliminar e índices por José Luis Suárez García, Granada: Servicio de Publicaciones de la Universidad de Granada 1997). Im Folgenden zitiert unter dem Kurztitel Cotarelo: Bibliografía. Eine Ausnahme stellt Manfred Tietz dar, der das Zusammenspiel von religiöser und profaner Literatur aus verschiedenen Perspektiven in den Blick genommen hat. Cf. u.a.: »Zur Frage der Legitimität der Literatur im Siglo de Oro. Die Thematisierung der Leidenschaften in religiösen und profanen Texten«, in: Wolfgang Matzat/Bernhard Teuber (Hg.), Welterfahrung - Selbsterfahrung. Konstitution und Verhandlung von Subjektivität in der spanischen Literatur und der frühen Neuzeit. Tübingen: Max Niemeyer 2000, S. 267-292.

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die Legitimiät eines in seiner höchsten Blüte stehenden Theaters in Frage stellen, seine massive Einschränkung oder gar sein Verbot fordern, mag oberflächlich betrachtet schließlich als ein bloßes Kuriosum erscheinen,8 das für das überaus erfolgreiche und produktive Theater des Siglo de Oro weitgehend folgenlos blieb. So hatte die Ablehnung der >schönen< Literatur offenbar auch einen abschreckenden Effekt auf die philologische Forschung, denn es liegen kaum Arbeiten vor, die sich mit den soziologischen, kulturellen und theologischen Ursachen befassen, die den Anlass zu einer so heftigen und langen Auseinandersetzung gegeben haben. Dabei hat schon Cotarelo y Mori, der aus katholisch-konservativer Sicht jegliche Form von Theater für unmoralisch und potentiell sündhaft erklärt, die Folgen der Kontroverse für die Institution Theater erkannt: »En el siglo XVIII, el teatro español decayó completamente, siendo, à juicio nuestro, una de las principales causas de ello esta guerra sin cuartel ni tregua que se le hizo en nombre de la moral, en el pùlpito, en el confesonario, en la tertulia, en libros, folletos, acuerdos de ayuntamientos, censuras episcopales y añagazas de todo género, empleados por los poderosos para tener casi siempre cerrados los edificios« (Bibliografia, S. 28).

So folgert er, dass die kontinuierlichen Zensurmaßnahmen und Verbotsforderungen sowie die permanente Diffamierung des Theaters vonseiten der hohen Geistlichkeit das autoritätsgläubige und >tief katholische< spanische Volk, das die moraltheologischen Vorbehalte der klerikalen Autoritäten schließlich übernahm, nicht unbeeindruckt lassen konnte: »Y ni verlas ni escribir comedias quisieron ya los españoles, y esta es una de las causas de la gran pobreza que se advierte en el caudal de nuestra escena en la primera mitad del referido siglo XVIII, y aun de los últimos treinta años del antecedente« (Bibliografia, S. 37).

Diese Erkenntnis hält Cotarelo y Mori allerdings nicht davon ab, die staatliche Intervention in alle »divertimientos generales« für notwendig zu befinden und den Moralisten des 17. Jahrhunderts zu bescheinigen, eine »acción saludable« im Sinne der Disziplinierung des Theaters ausgeübt zu haben. Obwohl er die Einschätzung der Theatergegner über die »repulsiva obscenidad« des Theaters des Siglo de Oro teilt, klagt er die spanischen Aufklärer für ihre Ablehnung dieses Theaters an und polemisiert gegen Jovellanos' Versuch, es durch Stücke zu ersetzen, »que de seguro serían eficaz remedio contra el insomnio.« Cotarelos Abneigung gegen die unter französischem Einfluss stehenden spanischen Aufklärer lässt ihn zwar kurzfristig zu der Erkenntnis vordringen, dass das Theater, »excluyendo de él la pasión amorosa, en una ú otra forma, sucumbe indefectiblemente«. Diese Einschätzung nimmt er jedoch wieder zurück, wenn er den klerikal geprägten Theatergegnern des 17. und 18. Jahrhunderts aus katholisch-konservativer Sicht Recht gibt und das von Jovellanos geforderte Programm des Theaters letztlich als das vom moralischen Standpunkt her einzig akzeptable ausweist: »La moral cristiana no transige con nada que pueda ser ocasión inminente y casi forzosa de pecado. Tiene muy bien señalados los casos en que éste se comete, y en este concepto no puede negarse que todos los teatros antiguos y modernos son inmorales. [...] El buen gusto, la educación y las corrientes de la época, pueden atenuar esta inmoralidad hasta reducirla á tocar en los límites de la indife-

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Manfred Tietz: »Die Debatte um die >moralische Zulässigkeit< des Theaters im spanischen 17. Jahrhundert und ihre Folgen«, in: Sybille Große/Axel Schönberger (Hg.), Dulce et decorum estphilologiam colere. Festschrift für Dietrich Briesemeister zu seinem 65.Geburtstag. Berlin: Domus Editoria Europea 1999, S. 705-732, hier S. 707.

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Claire-Marie Jeske renda. Comedias hay, así en el siglo XVII como en los tiempos modernos, en que esta indiferencia se ha conseguido y tales serian las que deseaba Jovellanos« (Bibliografía, S. 36).

Die kurzen Passagen zeigen, dass Cotarelos Sichtweise der Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters geprägt ist von der Zerrissenheit zwischen seiner ideologischen Einstellung als konservativ katholischem Menéndez Pelayo-Schüler und seinem Selbstverständnis als Literaturhistoriker und Philologen, aus dem heraus er das Theater als »ejercicio lícito de una parte del humano ingenio« bezeichnet. Diese ambivalente Haltung stellt Cotarelos - bis heute als Hauptquelle für die Erforschung der Debatte dienende - Anthologie der Texte in Frage: So stellt er die Mehrzahl der von ihm in Pionierarbeit vereinten Schriften, die von der kurzen Streitschrift über die juristisch formulierte Verwaltungsanordnung des Kastilienrats bis hin zu Briefen, königlichen Dekreten und systematischen theologischen, humanistischen und moralphilosophischen Traktaten reichen, als Exzerpte zur Verfugung. Als Vorgehensweise beim Erstellen der Exzerpte gibt er an, Wiederholungen, Allgemeinplätze und die Zitate der Kirchenväter - also die nicht wenig aufschlussreichen Quellen der Theaterkritiker des Siglo de Oro - auszusparen, um all jene Fragmente zusammenzustellen, denen »sabor histórico« (S. 38) anhafte. Dieses recht unpräzise Kriterium, historisch bedeutsame Informationen zusammentragen zu wollen, legt die Subjektivität der Auswahl der exzerpierten Textpassagen offen. Insofern wurde immer wieder einmal die Forderung erhoben, eine neue auf Cotarelos Textkorpus basierende Anthologie zu erstellen, die die Dokumente vollständig abdruckt und auch Schriften aufnimmt, die der philologischen Betrachtung erst in den letzten Jahrzehnten zugänglich gemacht worden sind.9 An Letzteren fehlt es denn auch kaum und eine neue Anthologie könnte so mittlerweile um einige neu entdeckte oder neu editierte Schriften erweitert werden.10 Diese unverzichtbaren Forschungsbeiträge sind jedoch großenteils >InseluntersuchungenFundamentos< del P. Pedro de Fonseca«, in: Antonio Gallego Morell (Hg.), Homenaje a Camoens, Granada: Universidad 1980, S. 173-194. José Luis Suárez García: La controversia sobre la licitud del teatro en el Siglo de Oro. Edición de un nuevo texto: Discurso segundo de "Noticias de los juegos antiguos, comedias y fiestas de toros de nuestros tiempos" (Granada 1642) del licenciado Juan Herreros de Almansa. University of Illinois: Urbana-Champaign 1991. Ders.: »Un nuevo texto de la controversia sobre la licitud del teatro en el Siglo de Oro«, in: Criticón 59 (1993), S. 127-59. Antonio Roldán Pérez: »Polémica sobre la licitud del teatro: actitud del Santo Oficio y su manipulación«, in: Revista de la Inquisición 1 (1991), S. 63103. Arturo Martín Vega: »La polémica de 1682 acerca de la licitud del teatro en España: orientación bibliográfica«, in: Cuadernos para la investigación de la literatura hispánica 17 (1993), S. 125-132. María Luisa Lobato: »Un fiscal eclesiástico controvertido: El pleito por las representaciones teatrales en Granada (1706-1718)«, in: Agustín de la Granja/Juan Antonio Martínez Berbel (Hg.), Mira deAmescua en candelero. Actas del Congreso Internacional sobre Mira de Amescua y el teatro español del siglo XVII, Granada 27 al 30 de octubre de 1994. Granada: Universidad de Granada 1996, S. 305-314.

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Ganzes in den Blick nehmen, sondern allein den besprochenen bzw. editierten Text betrachten. So bleibt die Aktualität von Cotarelos Anthologie - die darüber hinaus eine expositorische Absicht verfolgt und so nur wenig klärende Kommentare enthält - trotz ihrer - teilweise im 1997 erschienenen Nachdruck behobenen - Mängel" bis heute erhalten. Trotz ihrer Materialfulle ist sie jedoch lange Zeit nicht zum Gegenstand philologischer Forschung geworden. Es ist zwar zu einigen hervorragenden Spezial- und Detailuntersuchungen gekommen12 und es fehlt auch nicht an regionalgeschichtlichen und biographischen sowie thematischen Einzelstudien.13 Eine umfänglichere interdisziplinär ausgerichtete Untersu11 Suárez García hat der alphabetisch geordneten Anthologie einen chronologischen und einen thematischen Index hinzugefügt, die die Arbeit mit den Texten erheblich erleichtern. Auch hat er der Neuauflage der Biblio- grafía die tabellarische Einteilung der wesentlichen Protagonisten der Debatte in Theaterverteidiger, -gegner und -reformer vorangestellt, die Marc Vitse in seiner Monographie Elements pour une théorie du théátre espagnol du XVIle siécle (Toulouse: Presses Universitäres du Mirail 1990) erstellt hat. Problematisch an der Bibliografía bleibt jedoch weiterhin, dass Cotarelo bei seinen Exzerpten Auslassungen nur selten kenntlich gemacht hat. So mögen manche Texte durch Cotarelos Aussparungen und Zusammenfugungen unbeabsichtigt ein neues Profil angenommen haben und den Blick auf die licitud-Debatte somit verzerren. Vitse macht zudem aus, dass Cotarelo die Texte teils falsch datiert und kontextualisiert hat. »El teatro en el siglo XVII. I. Concepto del teatro en la época. Introducción y cronología«, in: José María Diez Borque (Hg.), Historia del teatro en España, T. 1: Edad Media, Siglo XVI, Siglo XVII. Madrid: Tauros Ediciones 1983, S. 487, Anm. 15. 12 So hat sich José Francisco Alcaraz mit der Einflussnahme der Beichtväter auf die licitud-Debatte auseinandergesetzt, wobei die Ausdehnung seiner Untersuchung auf einen längeren Zeitraum wünschenswert wäre: »Consultas de confesores reales jesuítas sobre representaciones de comedias (1701-1753)«, in: Heraclia Castellón/Agustín de la Granja/Antonio Serrano (Hg.), En torno al teatro del Siglo de Oro: Actas de las jornadas IX-X celebradas en Almería. Almería: Instituto de Estudios Almerienses 1995, S. 233-244. Auch die Erforschung der Rolle der Inquisition, die sich laut Roldán Pérez - neben der offiziellen Linie einer »estudiada neutralidad« - durch die Meinungsvielfalt ihrer Funktionäre auszeichnet, steht noch in ihren Anfangen. Cf. Antonio Roldán Pérez: »Censura Inquisitorial y Licitud Moral del Teatro«, in: Homenaje al profesor Juan Torres Fontes, T. 2. Murcia: Universidad de Murcia, Academia Alfonso X El Sabio 1987, S. 1437-1458 und: »Polémica sobre la licitud del teatro: actitud del Santo Oficio y su manipulación«. 13 So hat Manuel Ruíz-Lagos de Castro die Entwicklung der Debatte in Jerez de la Frontera dargestellt, bietet jedoch leider keine grundlegenden Inteipretationsansätze: Controversias en torno a la licitud de las comedias en la ciudad de Jerez de la Frontera: (años 1550-1825). Juan Manuel Rozas hat die zu Beginn des 18. Jahrhunderts oft durch das Engagement von Bischöfen und Gemeinderäten zustande gekommenen Theaterverbote und -Schließungen in einzelnen Provinzen und Städten erforscht: »Las prohibiciones de Comedias y Autos Sacramentales en el siglo XVIII«, in: Segismundo 1 (1965), S. 187205. Die Untersuchungen von Alfredo Sáenz-Rico Urbina konzentrieren sich auf die Theaterdebatte in Mallorca: »Las controversias sobre el teatro en la España del siglo XVII. La polémica acerca de la licitud de las comedias, especialmente en Barcelona y en Mallorca durante el último cuarto del siglo XVII«, in: Pedralbes. Revista d'Historia Moderna 2 (1982), S. 69-99. María Luisa Lobato hat die Auseinandersetzungen um die Wiedereröffnung des Theaters von Granada untersucht: »Un fiscal eclesiástico controvertido: El pleito por las representaciones teatrales en Granada (1706-1718)«. Die biographischen Einzeluntersuchungen beziehen sich zumeist nur auf bekannte Autoren und epochemachende Werke. So gibt es eine Vielzahl von Arbeiten über Bances Candamo. Cf. z.B.: Juan Manuel Rozas: »La licitud del teatro y otras cuestiones literarias en Bances Candamo. Escritor Limite«, in: Segismundo 2 (1965), S. 247-273. Gerade die geistige und ideologische Einordnung der unbekannte(re)n Autoren ist jedoch wichtig, um die Debatte in ihrer Ganzheit beurteilen zu können. Weitere Einzeluntersuchungen zur licitud-Debatte beziehen sich auf einzelne Themen oder Zeitabschnitte, so Antonio Domínguez Ortiz: »La batalla del teatro en el reinado de Carlos III«, in: Anales de Literatura Española 2 (1983), S. 177-196. Alfredo Hermenegildo interpretiert die Debatte als einen Machtkampf zwischen Staat und Kirche, der vom Staat mit der Übernahme des Kontrollmonopols über das >teatro nacio-

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chung der Debatte, die unter kulturwissenschaftlichen, sozialgeschichtlichen und theologischen Fragestellungen in den Blick genommen werden müsste, ist jedoch bisher ausgeblieben und auch die sozialgeschichtlich orientierten Literaturgeschichten machen wenig Aufhebens von ihr. Nach der ersten Durchsicht der Bibliografia von Metford, der Cotarelos Appell zur Untersuchung der Dokumente und ihrer Korrelation mit der spanischen (Theater-)Geschichte rund fünfzig Jahre später erneuert hat,14 ist die licitud-Debatte - abgesehen von den erwähnten dokumentarischen Funden, von denen manche die Entwicklung der Debatte partiell aufarbeiten - , erst Ende der siebziger Jahre als geistes- und zeitgeschichtliches Phänomen in den Blick genommen worden. So ist Garcia Berrio der erste, der die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters - im Gegensatz zu den eher ihren Verlauf nachzeichnenden Untersuchungen - aus einer zentralen Idee heraus versteht und sie nicht nur als literatur-, sondern auch als sozialgeschichtliches Phänomen betrachtet:15 Er stellt die Kontroverse in den Kontext einer für das Siglo de Oro symptomatischen Opposition zwischen staatlicher und kirchlicher Elite, die eine >monastische< Gesellschaftsordnung anstreben, und dem unterhaltungssüchtigen Volk, das jede Evasionsmöglichkeit aus dem tristen Alltag ausgiebig nutzt. So entsteht die Debatte laut Garcia Berrio aus dem Bestreben von Staat und Kirche, das sich ihrem Einfluss entziehende Theater zu disziplinieren und ihre Vorrangstellung gegenüber der neuen Institution, die im Zeichen des >deleite< steht und folglich mit den christlichen und staatsbürgerlichen Pflichten kollidiert, einzufordern. Garcia Berrios diachrone Untersuchung der Debatte, die auch literaturtheoretische, soziopolitische und historische Aspekte berücksichtigt, bezieht sich aber nur mit punktuellen Referenzen auf die Primärtexte, die er zudem in der Mehrheit über Cotarelos Anthologie rezipiert hat. Der Polarisierung von offizieller und volkstümlicher Kultur, von theaterfeindlichen Theologen, die jede Art von Lustbarkeit und Sinnesfreude ablehnen, und hedonistischen

nal< gewonnen wird: »Norma moral y conveniencia política. La controversia sobre la licitud de la comedia«, in: Revista de Literatura XLVI1, 93 (1985), S. 5-21. Eine weitere Einzeluntersuchung bietet Luciano García Lorenzo: »Comedias y comediantes. Fray José de Jesús y las razones de su condena (1601)«, in: Agustín de la Granja/Juan Antonio Martínez Berbel (Hg.), Mira de Amescua en candelero. Actas del Congreso Internacional sobre Mira de Amescua y el teatro español del siglo XVII, Granada 27 al 30 de octubre de 1994. Granada: Universidad de Granada 1996, S.171-180. Der Beitrag von Rafael María de Horneado (»Teatro e Iglesia en los siglos XVII y XVIII«, in: Ricardo García-Villoslada (Hg.), Historia de la Iglesia en España, T. 4: La Iglesia en la España de los siglos XVIIy XVIII. Dirigido por Antonio Mestre Sanchis. Madrid: Editorial Católica 1979, S. 311-358), ist aufgrund der sehr harmonisierenden Darstellung des Verhältnisses von Theater und Kirche in Bezug auf die //«'/¡«/-Debatte eher zu vernachlässigen. 14 John Callan James Metford: »The Enemies of the Theatre in the Golden Age«, in: Bulletin ofhispanic studies 28 (1951), S. 76-92. Schon Cotarelo hatte konstatiert: »Uno de los aspectos menos estudiados, aun por los historiadores especiales, que al concederle poca importancia olvidan ó, lo que es más cierto, desconocen las consecuencias que produjo, es el de la licitud ó legitimidad moral de los espectáculos teatrales.« Bibliografia, S. 7. 15 Intolerancia de poder y protesta popular en el Siglo de Oro: Los debates sobre la licitud moral del teatro. Lección de Apertura del Curso Académico 1978-79. Málaga: Universidad de Málaga 1978. Mit wenigen Änderungen wiederaufgelegt: »El debate en torno al deleite en la polémica barroca sobre la licitud del teatro. Poética, política y prejuicios morales en la sociedad española del Siglo de Oro«, in: Antonio García Berrio: Formación de la Teoría Literaria moderna, T. 2: Teoría Poética del Siglo de Oro. Murcia: Universidad de Murcia 1980, S. 483-546. Ders.: »Los debates sobre la licitud del teatro«, in: Francisco Rico (Hg.), Historia y Crítica de la Literatura Española, T. 3. Bruce W. Wardropper (Hg.), Siglos de Oro: Barroco. Barcelona: Crítica 1983, S. 276-283.

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Laien,16 zu deren zentralen Vergnügungen das Theater gehört, stellt Marc Vitse die »position nullement uniforme des membres de >l'estamento clericalLaie< bzw. >laikal< wird in der vorliegenden Arbeit in der Bedeutung >Nichtgeistlicher< bzw. >nicht zu Geistlichkeit und Klerus gehörend< verwendet. 17 Marc Vitse: Eléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S. 38. Cf. jetzt auch die spanische >Kurzfassung< dieser umfänglichen Monographie: »Teoría y géneros dramáticos en el siglo XVII«, in: Javier Huerta Calvo (Hg), Historia del teatro español, T. 1 : De la Edad Media a los Siglos de Oro. Coordinado por Abraham Madroñal Durán y Héctor Urzáiz Tortajada. Madrid: Gredos 2003, S. 717-755. 18 Vitses - gegenüber García Berrio als große Neuerung dargestellte - Einteilung der Theaterkritiker in diese drei Interessengruppen wurde allerdings bereits aus zeitgenössischer Perspektive vor(weg)genommen. So unterteilt der Theaterautor und -Verteidiger Luis de Ulloa y Pereira die Autoren der /¿c(ft«/-Debatte bereits in diese drei Gruppen, deren Argumente er jeweils kurz skizziert: »Vnos dizen, que la Comedia es peste de la República, maestra de los vicios [...]. La parte que defiende las Comedias, apassionadamente se opone, sino con mas razón, no con menores encarecimientos, dizen, que la Comedia es Espejo de la vida, madre de las buenas costumbres [...]. Otros con menos apassionados fundamentos assientan, que la Comedia es indiferente, que puede permitirse, y ver sin pecado, con las limitaciones que pone Santo Tomás, y los Doctores Sagrados, que siguen su Doctrina: Que por los excessos debe corregirse, no quitarse: [...].« »Defensa de libros fabvlosos y poesias honestas. Y de las comedias qve ha introducido el vso, en la forma que oy se representan en España. Con extremos diferentes de las antigvas, acvsadas, y condenadas por Santos, y Avtores graues«, in: Obras de Don Lvis de Vlloa Pereira, prosas, y versos, añadidas en esta vltima impression recogidas, y dadas a la estampa por D. Ivan Antonio de Vlloa Pereira su hijo, Regidor, y Alguacil Mayor de la Ciudad de Toro, con primera voz, y voto en su Ayuntamiento. Dedicados al serenissimo Señor Don Ivan de Avstria. Año 1674. Con Privilegio. En Madrid. Por Francisco Sanz, S. 332-380, hier S. 335349. 19 Marc Vitse: »La poética de la Comedia: [...]«, S. 277. 20 Marc Vitse: Éléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S. 41. 21 María Luisa Lobato: »Los «aojados» de las comedias: Una controversia algo más que finisecular«, in: Ignacio Arellano/María Carmen Pinillos/Fédéric Serralta/Marc Vitse (Hg.), Studia Aurea. Actas del III

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Sinne der Entwicklung eines Selbstbewusstseins der Laien betont, die in den sie betreffenden Angelegenheiten zunehmend ihre Meinungsfreiheit gegenüber der »opinión eclesiástica« einfordern. So interpretieren Vitse und Lobato die Debatte richtig als Reflex eines Konflikts zwischen der traditionellen klerikalen und der sich neu etablierenden profanen Kultur, nähern sich diesem jedoch nicht aus der Sicht der Kirche, die ihren Allzuständigkeitsanspruch gegenüber der neuen Kultur zu behaupten versucht, sondern stellen die Entstehung eines neuen laikalen Selbstbewusstseins heraus, das in einer von der Kirche dominierten Gesellschaft wie der des Siglo de Oro in dieser Form kaum existieren konnte. Von der Herausbildung eines solchen Laienselbstbewusstseins geht auch der amerikanische Hispanist Thomas Austin O'Connor aus, der die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters vor dem Hintergrund der Thematisierung der erotischen Liebe in der Comedia untersucht.22 So setzt er die theoretische Debatte in Bezug zur Comedia des Siglo de Oro und schreibt dieser wie Vitse, der die »dimensión imaginaire et novatrice« der Comedia hervorhebt, eine »revolutionary stance regarding human freedom« zu.23 O'Connor begreift die Comedia als Bedrohung für die klerikale und staatliche Elite, da sie durch die Darstellung des sinnlichen Vergnügens und die Propagierung eines immanenten Lebenssinns die Unzulänglichkeit der theologischen Welterklärung aufzeige und - vor allem mit dem Motiv der mujer vestida de hombre - die traditionelle patriarchalische Gesellschaftsordnung unterminiere.24 Auch O'Connor geht also von der Konkurrenz zwischen einer religiös-theozentrischen und einer säkular-anthropozentrischen Weltsicht aus; das Zentrum des Konflikts liegt aber für ihn innerhalb der christlichen Weltsicht selbst, in der verschiedene Auffassungen von der adäquaten Lebensführung der Laien und verschiedene Definitionen des Laienstatus' konkurrieren: So streben die Rigoristen aus O'Connors Sicht eine christliche Theokratie an, in der allein die Heilssorge das Denken und Handeln der Men-

Congreso de la AISO (Toulouse 1993), T. 2: Teatro. Navarra: Griso-Lemoso 1996, S. 223-230, hier: S. 229. 22 Dies wird schon an den Titeln seiner Beiträge deutlich: »"Putting Sex into Discourse" in Golden-Age Theater: The Case of Fray Gaspar de Villarroel«, in: Bulletin of the Comediantes 48/1 (1996), S. 5-14 und Love in the "Corral". Conjugal Spirituality and Antitheatrical Polemic in Early Modern Spain. New York u.a.: Lang 2000. Auch O'Connor, der viele interessante Deutungsansätze, jedoch keine kohärente Gesamtdeutung der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters bietet, rezipiert die theaterkritischen Schriften ebenfalls nur über die Exzerpte von Cotarelo. Zudem übersetzt er alle Zitate der spanischen Texte ins Englische, wodurch sie an Authentizität - und fur den Romanisten an Lesevergnügen (!) - verlieren. 23 Vitse: Eléments pour une théorie du théâtre espagnol duXVIIe siècle, S. 19. Thomas Austin O'Connor: Love in the "Corral", S. 37. Es ist sicherlich grundsätzlich richtig, der Comedia als ästhetischem Phänomen ein imaginatives Potential zuzuschreiben. Die liberalisierende Funktion der Comedia darf jedoch angesichts der umfassenden Zensur, der alle kulturellen Aktivitäten im Siglo de Oro unterworfen waren, nicht überbewertet werden. 24 So sieht O'Connor in der mujer vestida de hombre die »"liberated" woman«, die mit der männlichen Autorität bricht und nach Selbstverwirklichung strebt. Love in the "Corral", S. 99. Den Beginn der liciiwrf-Debatte fuhrt er auf die Zulassung der Schauspielerin auf der Bühne zurück (S. 29). Es trifft sicherlich zu, dass die Rolle der mujer vestida de hombre von den klerikal geprägten Theatergegnern als besonders sittenschädigend verurteilt wurde. Ihr - nur ephemeres - Übertreten der gesellschaftlichen Normen ist jedoch kaum als Emanzipationsakt zu verstehen, kehrt sie doch, nachdem sie das Ziel ihrer Begierde erreicht hat, wieder in ihre traditionelle Rolle zurück. So resultiert die Verurteilung der weiblichen Hosenrolle in erster Linie aus der körperbetonteren Kleidung der Schauspielerin, die durch das Tragen von Kniebundhosen zudem einen Blick auf ihre - als besonderes Erotikon geltenden - Füße gewährte.

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sehen bestimmt. Das Zölibat und die Keuschheit absolut setzend, fordern sie eine monastische Lebensweise als Norm für alle Gläubigen und weisen jede Art physischen und geistigen Vergnügens zurück. Demgegenüber stehen die moderaten Theologen, die (anerkennen, dass das religiöse Leben eines Geistlichen von anderen Verpflichtungen regiert wird als das primär säkulare Leben eines Laien, dem sie folglich eine profane Freizeitbeschäftigung zugestehen. So geht O'Connor wie Vitse von der Differenziertheit der klerikalen Auffassungen aus und übernimmt auch die drei idealtypischen Grundpositionen von Theatergegnern, -befürwortern und -reformern. Die licitud-Debatte ergibt sich aber für ihn aus dem Konflikt der zwei Konzeptionen der christlichen Lebensführung, die unversöhnlich sind und - indem sie Klassifikationen von perfektem und unvollkommenem Christsein nach sich ziehen - auch aus der Konkurrenz der verschiedenen Orden um die richtige Lehrmeinung und dem Bemühen ihrer Vertreter resultieren, ihre jeweilige Position durchzusetzen.25 Zwar erkennt O'Connor hinter dem Bestreben der Rigoristen, die Gesellschaft nach einem monastischen Modell zu organisieren, den Machtwillen des Klerus, der seine traditionelle Vorrangstellung zu erhalten und die neu aufgekommene Freizeitbeschäftigung unter seine Kontrolle zu bringen versucht, er bewertet die Debatte jedoch letztlich - ähnlich wie Vitse - als eine positive Auseinandersetzung, innerhalb der es den Laien gelungen ist, für ihr Mitspracherecht einzutreten und ein eigenes Selbstverständnis und Selbstbewusstsein zu entwickeln.26 Beeinflusst und bestimmt das Theater des Siglo de Oro aus O'Connors Sicht den öffentlichen Diskurs, so macht die Debatte um seine Zulässigkeit diese Tendenz nicht etwa rückgängig, sondern bringt vielmehr in positiver Weise Angelegenheiten auf den Plan bzw. führt zur öffentlichen Erörterung von Themen, die zur Emanzipation der Laien beitragen und aus der Sicht der gesellschaftlichen Eliten lieber unthematisiert - und dem Blick der Öffentlichkeit versperrt - geblieben wären.27 Neben O'Connors Position sind weiterhin die Arbeiten von José Luis Suärez Garcia hervorzuheben, der sich in mehreren Einzeluntersuchungen mit der licitud-Debatte befasst hat28 und dessen Stärke zweifelsohne in der Aufarbeitung ihres historischen Ablaufs und

25 Cf. Thomas Austin O'Connor: Love in the "Corral", S. 167f. 26 So konstatiert er: »Rather than the revelation of a contentious campaign whose aim was to wrench political power from clerics who governed the nation, the debate on public theater underscored an ongoing effort on the part of many laics properly to assume their civic responsibilities and to participate, from the unique perspective of their Christian vocation, in determining the course and character of the Spanish nation.« Thomas Austin O'Connor: Love in the "Corral", S. 209. 27 Thomas Austin O'Connor: Love in the "Corral", S. 215. 28 Hervorzuheben ist der positive Ansatz von Suärez Garcia, die Diskussion der Zulässigkeit von Theater und Stierkampf gegenüberzustellen. Eine Ausdehnung seiner Untersuchung auf einen größeren Textkorpus wäre wünschenswert, um eine fundierte Aussage über die Korrelation von Akzeptanz bzw. Ablehnung von Theaterauffiihrungen und Stierkämpfen machen zu können: »Toros y teatro en el Siglo de Oro: Juan Herreros de Almansa y la licitud de la fiesta«, in: Agustin de la Granja/Juan Antonio Martinez Berbel (Hg.), Mira de Amescua en candelero. Actas del Congreso Internacional sobre Mira de Amescua y el teatro espafiol del siglo XVII, Granada 27 al 30 de octubre de 1994. Granada: Universidad de Granada 1996, S.479-496. Eine weitere Detailuntersuchung von Suärez Garcia bezieht sich auf den Beginn der /¡(./««/-Debatte: »La controversia sobre la licitud del teatro en el reinado de Carlos V.«, in: Barbara Mujica/Sharon D. Voros (Hg.), Looking at the Comedia in the year of the quincentennial. Proceedings of the 1992 Symposium on Golden Age Drama at the University of Texas, El Paso. Lanham/New York/London: University Press of America 1993, S. 235-243.

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zeitgeschichtlichen Kontextes liegt, 29 der allerdings keinen kohärenten Deutungsansatz der Debatte bietet. So erkennt er zwar grundsätzlich die Bestrebungen der klerikalen Kultur, das sich von seinem liturgischen Ursprung emanzipierende Theater - unter Instrumentalisierung der Moral als »comodín de juego« 3 0 - wieder in den Dienst der Kirche zu stellen. Er wertet den Einfluss der Theatergegner - und damit die Konsequenzen der Debatte jedoch als relativ gering, wenn er konstatiert, dass sie - abgesehen von einigen Teilsiegen und der Berücksichtigung ihrer Einwände beim Erlass v o n theaterbezüglichen Gesetzesverfugungen - die »época más gloriosa del teatro nacional« 31 nicht hätten verhindern können. Obwohl Súarez García die //Cí7wí/-Debatte als grundlegend für das Verständnis nicht nur der Literatur und des Theaters, sondern auch der Gesellschaft des Siglo de Oro hervorhebt, 32 erliegt er in seinen Arbeiten immer wieder einem feuilletonistischen Aktualisierungsbestreben und verkennt so letztlich die historische Spezifität und Dimension der licitud-Debatte, w e n n er sie mit aktuellen Zensurbestrebungen und Reaktionen besorgter Eltern auf die Darstellung von Gewalt und Sexualität im Fernsehen vergleicht. 3 3 Zu kurz greift auch die Bewertung der licitud-Debatte durch Arturo Martín Vega, der die lange Polemik unter die Kuriosa literarischer Erzeugnisse des späten 17. Jahrhunderts fasst. 3 4 V e g a erkennt hinter der Debatte durchaus den »trasfondo ideológico de unos grupos

29 So hat Suárez García der Veröffentlichung der Verteidigungsschrift von Juan Herreros de Almansa (cf. supra) eine fundierte Synthese der licitud-Debatte vorangestellt. Verwiesen sei auch auf seinen kurzen Überblicksartikel »licitud« (in: Frank P. Casa/Luciano García Lorenzo/Germán Vega García-Luengos (Hg.), Diccionario de la Comedia del Siglo de Oro. Madrid: Castalia 2002, S. 193-196), der ebenfalls die Entwicklung der Debatte skizziert, ohne aber eine grundsätzliche Deutung anzubieten. Sowohl der o.g. Monographie als auch der Neuauflage von Cotarelos Bibliografía stellt Suárez García eine detaillierte Aufarbeitung des Forschungsstands voran, auf deren ausfuhrliche Bibliographie hier ebenfalls verwiesen sei. Súarez Garcia ist zudem um die Edition der licitud-Texte bemüht. So hat er erst kürzlich den Tratado contra los juegos públicos von Juan de Mariana (Granada 2004) neu aufgelegt. 30 José Luis Suárez García: La controversia sobre la licitud del teatro, S. 7. 31 José Luis Suárez García: La controversia sobre la licitud del teatro, S. 11. 32 »Uno de los temas más importantes de teoría literaria del Siglo de Oro es sin duda el de los debates sobre la licitud del teatro. Tema básico que ha sido prácticamente olvidado por la crítica y sin el cual no se puede entender con profundidad la literatura, concretamente el drama, del período más glorioso de las letras españolas. Sin su comprensión, que implica el análisis de los textos teóricos referentes al teatro (y en algunas ocasiones poesía), no se puede asimilar el sentido intrínseco de lo que representa el espectáculo (e incluso la sociedad) en dicha época.« José Luis Suárez García: La controversia sobre la licitud del teatro, S. 13. 33 So ist er stets bemüht, die Theaterkritik des Siglo de Oro in die Gegenwart zu projizieren: »Pero esto no es sólo historia del Siglo de Oro. De igual modo, hoy se censura la televisión, el cine, los bares, las discotecas y otras formas modernas de "deleite". Y las mentes más conservadoras, avivadas, en ocasiones, por predicadores convincentes, o simplemente padres de familia lógicamente preocupados, critican el lenguaje y/o la violencia en la pequeña pantalla - ni mencionar el sexo en la televisión o las películas X - insistiendo en que los gobernantes en mayor o menor medida controlen los "excesos" de las diferentes formas de diversión y entretenimiento.« José Luis Suárez García: »Enemigos del teatro en el siglo XVI: el caso del padre Rivadeneira«, in: José Luis Suárez García (Hg.), Texto y espectáculo. Selected Proceedings of the 14th International Golden Age Spanish Theatre Symposium (March 9-12, 1994) at the university of Texas, El Paso. South Carolina: Spanish Literature Publications Company York 1995, S. 109-124, hier S. 123f. Auch Marianas Kritik des Sinnesvergnügens und vor allem der Prostitution in De Rege sieht er fortgesetzt in den Schlagzeilen der heutigen Zeitungen über Zwangsprostitution, Pornographie und den Missbrauch Minderjähriger. Cf. José Luis Suárez García, Juan de Mariana. Tratado contra los juegos públicos, S. 12f. 34 So leitet er seinen Beitrag zur Theaterpolemik um 1682 mit dem Hinweis ein, dass das letzte Drittel des 17. Jahrhunderts eine Fülle bisher nicht zur Kenntnis genommener Texte produziert habe: »Así, por

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minoritarios interesados en la desaparición del teatro como espectáculo de masas«, die das Theater nicht als künstlerische Ausdrucksform, sondern als Mittel der sozialen Kontrolle betrachten und schließlich zu seinem Niedergang beitragen. Er bewertet die Einwände der Theatergegner hinsichtlich der erotisierenden Tendenz der Comedia aber als berechtigt,35 und verliert damit das Kernproblem und Movens der Debatte - ihren ideologischen Hintergrund - wieder aus den Augen. Ebenfalls ausgehend von einem gewissen Wahrheitsgehalt der Argumente der Theatergegner plädiert Sanchis Sinisterra dafür, die anerkannte Sicht des Barocktheaters als eines gesellschaftlich etablierten Propagandainstruments zu revidieren. Die Beurteilung der Comedia durch die Theatergegner ist für ihn hinsichtlich deren Vernachlässigung der Texte gegenüber der Aufführungsrealität der heutigen vornehmlich textbasierten Erforschung des Theaters überlegen,36 weshalb er für die vermehrte Untersuchung der paratheatralischen Elemente und nicht-institutionalisierten Erscheinungsformen des Theaters plädiert. Entgegen der dominierenden Forschungsmeinung, begreift Sanchis Sinisterra das Theater des Siglo de Oro als ein gesellschaftlich marginalisiertes, an Kriminalität und Prostitution grenzendes subversives Phänomen, das trotz seiner Marginalität als »poderosa máquina de transgresión que socava todo el poderoso edificio de la sociedad monárquico-feudal-eclesiástica [,..]«37 füngiert habe. Dieser kurze Überblick zeigt, dass sich die bisherigen Analysen der licitud-Debatte großenteils auf die Erforschung des historischen Kontexts und chronologischen Ablaufs der Debatte konzentrieren. Sie gehen zwar zumeist von einer Opposition von religiös und profan orientierter Weltsicht aus. Die vorliegende Arbeit begreift die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters jedoch als wahrnehmbare Konsequenz einer Konkurrenz der hinter diesen diametralen Weltdeutungssystemen stehenden zwei Kulturen und als Versuch - nicht nur der katholischen38 - Kirche, ihre Position als allein sinngebende und weltdeutende Instanz in einer sich zunehmend säkularisierenden Welt zu erhalten. So stellt Manfred Tietz heraus, dass die Kirche auf das Vordringen der profanen Kultur in der frühen Neuzeit mit einem ejemplo, observamos multitud de tratados tales como explicaciones de los secretos del pan, de los secretos del chocolate, de las virtudes de los puercos, etc.« Arturo Martín Vega: »La polémica de 1682 acerca de la licitud del teatro en España: orientación bibliográfica«, S. 125. 35 »En todo caso, no debemos pensar que la apreciación del P. Mariana, debida principalmente a los aspectos eróticos de las representaciones, es excesivamente intolerante, [...], en ocasiones las actrices salían al escenario "medio-desnudas" o "medio-vestidas", lo cual, aunque agradaba a una parte de los espectadores, enfurecía a los moralistas.« »La polémica de 1682 acerca de la licitud del teatro en España: orientación bibliográfica«, S. 132. 36 Sanchis Sinisterra hat sicherlich Recht, wenn er die heutige Überbewertung der Comedia-Texte gegenüber den anderen Auffuhrungselementen sowie die Vernachlässigung der unbekannteren Autoren, Texte und Theaterformen gegenüber den immer wieder analysierten >obras maestras< kritisiert. Er geht jedoch zu weit, wenn er den Theatergegnern eine »innegable objetividad« (S. 106) zubilligt und die Theaterrealität des Siglo de Oro in den Schriften ihrer Gegner gespiegelt sieht: »[...] lo cierto es que la realidad del teatro del Siglo de Oro [...] está ahí, en ese discurso agrio, violento, fanático, pero, quizás por ello mismo, despiadadamente lúcido, que desmenuza implacablemente el complejo entramado del espectáculo a la busca y captura de las metamorfosis del deseo.« José Sanchis Sinisterra: »La condición marginal del teatro en el Siglo de Oro«, in: José Monleón (Hg.), III. Jornadas de Teatro Clásico Español, Almagro ¡980, Madrid: Artegraf. 1981, S. 95-130, hier S. 114. 37 José Sanchis Sinisterra: »La condición marginal del teatro en el Siglo de Oro«, S. 130. 38 So sei z.B. an die Bemühungen der Pietisten in Deutschland erinnert, die öffentlichen Theater zu schließen. Cf. hierzu u.a.: Wolfgang Martens: »Officina Diaboli. Das Theater im Visir des Halleschen Pietismus«, in: ders.: Literatur und Frömmigkeit in der Zeit der frühen Aufklärung, Tübingen: Niemeyer 1989, S. 24-49.

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»Retheologisierungsprozess«39 reagiert, der alle Aspekte der Kultur - so auch die >schöne< Literatur - zu erfassen versucht. Ausgehend von diesem Deutungsansatz weist er auch auf den Zusammenhang zwischen dem enormen Anstieg der Comedia-Produktion und dem Rückgang der Romanproduktion im Spanien der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hin:40 So seien die Themenressourcen des Romans durch die Retheologisierung der Kultur im Zuge der Gegenreformation derart eingeschränkt worden, dass die Gattung zum Vehikel der religiösen Propaganda wurde und durch die Darstellung von bereits Gewusstem für ihren - zahlenmäßig beschränkten - Adressatenkreis an Attraktivität verlor. Das Theater, das keine Lesekompetenz erfordert und dessen Eintrittspreise erschwinglicher waren als der Buchkauf, machte seine Anpassung an die kirchlich sanktionierte Weltsicht hingegen durch seine auditive und visuelle Attraktivität wett und wurde so zu einem - für ein breites Publikum leicht konsumierbaren - Erlebnis der Sinne. Vor diesem Hintergrund hatte die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters aus Tietz' Sicht zwar nicht - wie im Falle des Romans sein Verstummen, aber doch seine »estrangulación sistemática«41, d.h. die Reduktion der Aufführungspraxis auf die Unterhaltungsfunktion zur Folge. Ähnlich wie Tietz, der von der >Retheologisierung< der Kultur des Siglo de Oro spricht, interpretiert Joachim Küpper die Barockliteratur als Ergebnis eines geschlossenen Programms der Diskurs-Renovatio gegenüber dem Ordnungsverlust und dem Prozess der Ausdifferenzierung von Spezialdiskursen, den die italienische Renaissance eingeleitet hat. So betreibe die Kirche - vor allem im katholischen, seit dem Tridentinum der Gegenreformation um so stärker verpflichteten Spanien - die »Reintegration der chaotisierten Diskursstufen in jene Ordnung, aus der sie einst entlassen worden waren«.42 Hinsichtlich des dramatischen Diskurses wird diese These an der Tatsache sinnfällig, dass die drei großen Theaterautoren des Siglo de Oro - Lope de Vega, Tirso de Molina und Calderón de la Barca - dem Priesterstand angehörten, wobei Calderón nach seiner Priesterweihe die profane Theaterproduktion aufgegeben und nur noch religiöse und quasi-sakrale Stücke zur Feier der Monarchie verfasst hat und dem Mercedarier Tirso das Theaterschreiben vonseiten seines Ordens verboten wurde. Es verwundert aber, dass Küpper die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters in seiner breiten - von Foucaults Diskursanalyse ausgehenden - Untersuchung nicht in den Blick nimmt, müssen die Schriften der Debatte in seiner Sichtweise doch die Produkte und - damit gewissermaßen die Handhabe - der »diskurskontrollierenden Instanz«43 darstellen, um das Ausscheren des Subsystems Literatur aus dem traditionell alle Bereiche umfassenden System Theologie zu verhindern und die Diskurs-Renovatio einzu-

39 Manfred Tietz: »Zur Frage der Legitimität der Literatur im Siglo de Oro«, S. 290. 40 Cf. Manfred Tietz: »Zur Entgrenzung des spanischen Romans im 17. Jahrhundert als Voraussetzung seines Niedergangs«, in: Rudolf Behrens/Udo L. Figge (Hg.), Entgrenzungen: Studien zur Geschichte kultureller Grenzüberschreitungen. Würzburg: Königshausen & Neumann 1992, S. 253-261. Für die Beurteilung der Debatten um die Zulässigkeit des Theaters und des Romans als »el haz y el envés de una misma realidad« plädiert auch Francisco Florit Durán: »Los Diálogos de las comedias y el arte reformado de hacer comedias en aquellos tiempos«, in: Jean Canavaggio (Hg.), La Comedia. Seminario Hispano-Francés organizado por la Casa de Velázquez, Madrid, Diciembre 1991 - Junio 1992. Madrid: Casa de Velázquez 1995, S. 291-301, hier: S. 292. 41 Manfred Tietz: »Comedia y tragedia«, S. 173. 42 Joachim Küpper: Diskurs-Renovatio bei Lope de Vega und Calderón. Untersuchungen zum spanischen Barockdrama. Mit einer Skizze zur Evolution der Diskurse in Mittelalter, Renaissance und Manierismus. Tübingen: Narr 1990, S. 21 f. 43 Joachim Küpper: Diskurs-Renovatio bei Lope de Vega und Calderón, S. 21.

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leiten. Da es nach der hier vertretenen Auffassung nicht - wie Küpper es darstellt - um die Restaurierung der Ordnungsstruktur des Hochmittelalters, sondern vielmehr um die Behauptung und Wiederherstellung des Interpretationsmonopols der religiösen Kultur gegenüber der an Terrain gewinnenden profanen Kultur geht, soll im Folgenden ausgehend vom zutreffenderen Begriff der >Retheologisierung< überprüft werden, inwiefern die Schriften der licitud-Debatle als Instrumente dieser Retheologisierung der Kultur eingesetzt wurden bzw. inwiefern sie als solche Wirkung gezeigt haben können. Ausgehend von dieser Sichtweise der licitud-Debatte sind ihre Auswirkungen tiefgreifender, als dies ihre bisher geringe Beachtung in der Forschung vermuten lässt und als es die dargestellten Forschungsbeiträge suggerieren. So werden die Restriktions- und Verbotsforderungen der Theatergegner immer wieder der Blüte des spanischen Theaters im Siglo de Oro gegenübergestellt und vor diesem Hintergrund als in ihrer letzten Konsequenz wirkungslos beurteilt. Demgegenüber wird die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters hier jenseits ihrer durchaus auch vorhandenen Elemente bloßer Theologenstreitereien - als Reflex einer grundsätzlichen Auseinandersetzung um die schwierige Lösung der profanen Kultur aus dem Zuständigkeitsbereich der bisher dominanten religiösen Kultur und ihrer Sinndeuter, der Theologen, aufgefasst. Als Reflex und Ausdruck eines fundamentalen Konfliktes um die Weltdeutungshoheit bildet die licitud-Debatte ein generelles Phänomen der Entstehung der säkularisierten Neuzeit ab. Vor diesem Hintergrund sind die Fragen, wie die Ablehnung der profanen Literatur theologisch-weltanschaulich begründet ist und welche praktischen Auswirkungen sie auf die literarische Produktion und Rezeption hatte, neu zu stellen. Betrachtet man die Debatte um die Legitimität der Literatur und vor allem um die Zulässigkeit des publikumswirksamen Genus' Theater als Ausdruck eines der zentralen Probleme im geistigen Selbstverständnis der beginnenden Neuzeit, so folgt daraus auch, dass ihre Entwicklung in anderen europäischen Ländern berücksichtigt werden muss.44 Als Kontrastfolie für das Verständnis der licitud-DebaUe in Spanien kann vor allem die Entwicklung der Debatte in Frankreich angeführt werden, die von Marc Fumaroli45 in ihren 44 So ist die Debatte - unter anderen Vorzeichen und mit unterschiedlichen Ergebnissen - auch in Frankreich, England, Deutschland, der Schweiz und Italien geführt worden. Als Vorarbeiten der einzelnen Nationalliteraturen seien hier exemplarisch aufgeführt: Ernst Hövel: Der Kampf der Geistlichkeit gegen das Theater in Deutschland im 17. Jahrhundert. Münster: Universitätsbuchhandlung Franz Coppenrath 1912. Wolfgang Martens: »Officina Diaboli. Das Theater im Visir des Halleschen Pietismus«. Hellmut Thomke: »Die Zügelung und Unterdrückung des Theaters durch die Obrigkeit in den reformierten Staaten«, in: Dieter Breuer in Verbindung mit Barbara Becker-Cantarino, Heinz Schilling und Walter Sparn (Hg.), Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock, Bd. 2. Wiesbaden: Harrassowitz Verlag 1995, S. 631-642. Stefan Koslowski: Stadttheater contra Schaubuden. Zur Basier Theatergeschichte des 19. Jahrhunderts. Zürich: Chronos 1998. Auf den englischen Kontext der Debatte bezieht sich Joseph Wood Krutch: Comedy and Conscience after the Restoration. New York/London: Columbia University Press 4 1969. Eine allgemeine Untersuchung der Theaterfeindlichkeit bietet Jonas Barish: The antitheatrical prejudice. London/Berkeley/Los Angeles: University of California Press 1981. Beachtenswert ist auch der »Exkurs: Predigt und Theater« von Leo Löwenthal (in: Helmut Dubiel (Hg.), Leo Löwenthal, Schriften, Bd. 1: Literatur und Massenkultur. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1980, S. 78-88), der die europäische Theater-Debatte als Teil der Geschichte der sozialen Kontrolle der Kunst behandelt und sich mit der - auf der Forderung nach Weltabkehr und der patristischen Theaterverurteilung basierten Argumentation der Theatergegner auseinandersetzt. 45 »La Querelle de la moralité du Théâtre avant Nicole et Bossuet«, in: Revue d'histoire littéraire de la France 70 (1970), S. 1007-1032 und: »La querelle de la moralité du théâtre au XVIIe siècle«, in: Bulletin de la Société Française de Philosophie 84/1 (1990), S. 65-97. Verwiesen sei auch auf die Monographie L'aveuglement salutaire (Le réquisitoire contre le théâtre dans la France classique. Paris: Honoré

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Grundlinien erforscht wurde: Hier scheitert die theologische Kultur in dem Versuch, das säkulare Phänomen Theater zu kontrollieren; die profane Kultur befreit sich weitgehend aus der Vormundschaft und Zensur der Theologen und das französische Theater kann sich - im Schutz einer mächtigen Monarchie, die ein Interesse an der Herausbildung einer von der Kirche unabhängigen Weltsicht hat - im letzten Drittel des 17. Jahrhunderts als ein autonomer Reflexionsort etablieren. Dass es zur Entwicklung eines solchen Theaters als Ort geistig unabhängiger laikaler Reflexion über den Menschen im spanischen Siglo de Oro nicht gekommen ist, wurde bereits angedeutet. Zeichen für die Virulenz der spanischen Debatte und ihrer faktischen Auswirkungen auf die Theaterproduktion ist auch der weithin bekannte Brief, den Calderón nach seiner Priesterweihe an den Patriarca de las Indias richtet, um sich - bevor er das jährliche auto sacramental verfasst - der Kompatibilität der Theaterproduktion mit seinem Priesteramt zu versichern.46 Gegenüber der hier skizzierten Bedeutung der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters ergibt sich - abgesehen von ihrer fehlenden Einordnung in den europäischen Kontext - eine Reihe von Forschungsdesideraten: So fehlen bis heute verlässliche Gesamtausgaben der Schriften der Debatte, die nicht nur eine kulturhistorische Quelle zum Theaterwesen des Barock darstellen, sondern auch Theorie und Praxis dieses Theaters beeinflusst und mitbestimmt haben. Auch wurden die Autoren der licitud-Debatte und deren geistiges Umfeld bisher kaum in den Blick genommen. Die Arbeiten, die die Debatte als Ganzes untersuchen - so die Beiträge von Garcia Berrio, Vitse und O'Connor - , stützen sich zudem großenteils auf die Exzerpte von Cotarelos Bibliographie.47 Eine direkte und vollständige Sichtung der Texte könnte aber - bedenkt man die subjektive Auswahl der von Cotarelo exzerpierten Passagen - durchaus Folgen für die Interpretation der Debatte haben und ihr Gesamtbild verändern. Das Anliegen der vorliegenden Arbeit liegt folglich vor allem darin, eine begrenzte Anzahl von Originaltexten der Debatte vollständig in den Blick zu nehmen sowie deren Autoren geistig und ideologisch einzuordnen und somit zur Erstellung eines differenzierten Gesamtbildes der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters beizutragen. Um die Problematik in Spanien vor dem dargelegten Deutungsrahmen zu untersuchen, muss auch das konfliktive Zusammenleben der religiösen und der profanen Kulturen im spanischen Barock und das Bestreben der klerikalen Kultur in den Blick genommen werChampion 1997) von Laurent Thirouin, der die ideologische Motivation der Debatte im Frankreich des 17. Jahrhunderts erforscht und sie ebenfalls in den Zusammenhang mit der Ausdifferenzierung des Literatursystems in der frühen Neuzeit stellt. 46 Edward Wilson: »Calderón y el Patriarca«, in: Karl-Hermann Körner/Klaus Rühl (Hg.), STUDIA IBERICA. Festschrift für Hans Flasche. Bern/München: Francke 1973, S. 697-703. Wilson erneuert die Edition des Briefs von Cotarelo (in: Cotarelo y Mori: Ensayo sobre la vida y obras de D. Pedro Calderón de la Barca, Madrid 1924, S. 287-289), die einen »afán de corregir inútilmente un texto ya bastante estropeado« aufweise und entlarvt Cotarelos Kontextualisierung des Briefes als »explicación imaginaria«. Wilsons Hinweis auf Cotarelos offensichtlich zu Konjekturen neigende textkritische Vorgehensweise macht erneut deutlich, wie wichtig eine umfassende Aufarbeitung der von Cotarelo in der Bibliografía exzerpierten Schriften der licitud-Debatte ist. 47 Vollständig zur Kenntnis genommen wurden allenfalls Texte bekannterer Autoren, die im 20. Jahrhundert editiert wurden, so der bahnbrechende Traktat Theatro de los theatros von Bances Candamo und der in der BAE erschienene - jetzt von Suárez García neu aufgelegte - Tratado contra los juegos públicos des ebenfalls bekannten Juan de Mariana. Eine vollständige Rezeption und Kommentierung aller Texte der Debatte - allein Cotarelos Anthologie umfasst über 200 Auszüge theoretischer Schriften und Dokumente vom 16. bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts - ist freilich auch nicht von einer einzelnen Person zu leisten.

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den, ihre Vormachtstellung zu behalten und somit die Etablierung einer eigenständigen Laienkultur zu verhindern. Vor diesem Hintergrund ist die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters auch eine Reaktion auf die zunehmende Ausdehnung der freien Zeit, die es dem Menschen erst ermöglichte, sich mit Literatur zu befassen oder ins Theater zu gehen. Insofern behandelt die licitud-Debatte letztlich die Frage, ob dem Menschen neben dem religiös motivierten Zeitraster des ora et labora ein dritter Bereich, über den er frei verfugen kann >Freizeit< - zugebilligt werden darf. Zu den Desideraten der Forschung gehört deshalb auch eine auf sozialhistorischen und kulturwissenschaftlichen Fragestellungen basierte Erforschung der Entstehung der Freizeit und des Freizeitgedankens in Spanien. So ist zu bedauern, dass die hervorragende Untersuchung von Christoph Strosetzki: »Arbeit, Muße und Gewinn: zur Kasuistik des Spiels im spanischen Siglo de Oro«48 die Entstehung der Freizeit nicht in den Blick nimmt und auch O'Connor in seinem Kapitel »Leisure and the Use of Time«49 nicht über die - gleichwohl zutreffende - Erkenntnis hinauskommt, dass die politischen und kirchlichen Machthaber im spanischen Siglo de Oro alle Bereiche des menschlichen Lebens für ihre Interessen zu instrumentalisieren und so auch den Bereich der Freizeit unter ihren Zugriff zu stellen versuchen. Weitere Desiderate zur Erforschung der licitud-Debatte wurden bereits von Vitse aufgezeigt: So plädiert er für eine systematische Rekontextualisierung< der Debatte; hierzu gehöre die Aufarbeitung der Entstehungsbedingungen jedes einzelnen Textes sowie die Untersuchung seiner Quellen. Ebenso müssten die Interferenzen innerhalb der Traktate, die bisher zumeist isoliert betrachtet wurden, aufgedeckt und der ideologische Hintergrund der Debatte aufgearbeitet werden.50 Vitse geht zudem von einer parallelen Entwicklung der moralisch-ethischen Kontroverse um die Zulässigkeit und der ästhetischen Debatte um die Poetik des Dramas aus, die - da sie bisweilen ineinander übergreifen - in ihrer Erforschung nicht getrennt werden dürfen. Dem schließt sich auch Florit Durán an, der in einer zu erstellenden, auf kommentierten Gesamtausgaben basierten Anthologie der Dokumente der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters auch die wichtigsten Texte zur licitud der Romanfiktion berücksichtigt wissen will. Zudem weist Florit Durán auf die Notwendigkeit einer Klassifikation der einzelnen Texte hin, bei der vor allem zwischen originellen und rein repetitiven Schriften unterschieden werden müsse.51 Selbstverständlich kann die vorliegende Arbeit den aufgeführten Forschungslücken nicht gänzlich abhelfen. Sie will aber genau an dieser Stelle - mit der Erörterung der theologischen und mentalitätsgeschichtlichen Voraussetzungen der Debatte, der detaillierten Sichtung des ausgewählten Textkorpus sowie der geistigen und ideologischen Einordnung ihrer Autoren - ansetzen und soll so ein Mosaikstein in der von Moir als »empresa hercúlea«52 bezeichneten Aufgabe sein, die Geschichte der Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters zu rekonstruieren.

48 In: Karl Hölz/Siegfried Jüttner/Rainer Stillers/Christoph Strosetzki (Hg.), Sinn und Sinnverständnis: Festschrift für Ludwig Schräder zum 65. Geburtstag, Berlin: E. Schmidt 1997, S. 28-43. 49 Cf. Thomas Austin O'Connor: Love in the "Corral", S. 160-163. 50 Marc Vitse: »La poética de la Comedia: [...]«, S. 275. 51 Francisco Florit Durán: »Los Diálogos de las comedias y el arte reformado de hacer comedias en aquellos tiempos«, S. 291. 52 Duncan W. Moir: »Prólogo«, in: ders. (Hg.), Francisco Antonio de Bances Candamo: Theatro de los theatros, S. Ixii, Anm. 139.

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Das Freizeitproblem in der theologischen Debatte: die Begrenztheit der Lebenszeit und ihr rechter Gebrauch Die >Rekatholisierung< der Gesellschaft im Zuge der Gegenreformation

In einer Gesellschaft, in der Freizeit bisher >systemisch< nicht vorgesehen ist und die von einer theozentrischen Kultur dominiert wird, die alle Bereiche des Lebens für sich beansprucht, muss das profane Theater als Kommunikations- und Ausdrucksform einer neu aufkommenden anthropozentrisch orientierten Kultur - wie alle Formen der sich erst herausbildenden profanen Freizeitgestaltung - als Teil einer konkurrierenden Weltsicht aufgefasst werden. Vor diesem Hintergrund spiegelt die Debatte um die Zulässigkeit des Phänomens Theater die - vornehmlich von den Repräsentanten der theologischen Weltsicht gestellte grundsätzliche Frage, ob sich neben der religiösen Kultur eine profane Kultur mit eigenen Fragestellungen und Werthaltungen etablieren darf. Um diesen Sachverhalt zu verdeutlichen und die licitud-Debatte historisch und mentalitätsgeschichtlich einordnen zu können, müssen zunächst die religiös zentrierte Weltsicht des Barock und ihre Kulturformen dargestellt werden. Dabei wird auch die Entstehung der Freizeit und des Freizeitgedankens innerhalb eines von der Religion bestimmten Lebensrhythmus' unter soziologischen Aspekten in den Blick genommen.1 Da die katholische Kirche auf den Verbindlichkeitsverlust durch die Reformation mit der >Rekatholisierung< aller Lebensbereiche im Zuge der Gegenreformation reagiert,2 ist die Epoche des Barock durch eine Vielzahl von Erneuerungsbestrebungen gekennzeichnet, die auch für Literatur und Kunst nicht ohne Folgen bleiben. Das religiöse Leben wird seit dem Tridentinum, deren entschiedenster und erfolgreichster Agent die Societas Jesu ist, gerade im sich als Rückzugsbastion des Katholizismus begreifenden Spanien von einer »Festungsmentalität«3 beherrscht, die das - u.a. durch die Erasmusrezeption und die tolerante Haltung Karls V. entstandene - geistige Reformklima abrupt beendet und Spanien in eine 1

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Es wurde bereits angemerkt, dass eine auf interdisziplinären Fragestellungen basierende Erforschung der Entstehung und Entwicklung des Phänomens >Freizeit< für Spanien weitgehend fehlt. Die vorliegende Arbeit kann diese Forschungslücke freilich nicht beheben. Es kann hier nur darum gehen, trotz mancherlei Lücken einen stringenten Aufriss einer der Grundfragen der Epoche zu präsentieren und zu einem tieferen Verständnis der Kultur der frühen Neuzeit beizutragen, indem die - von der literaturhistorischen Forschung lange Zeit vernachlässigte - grundlegende Dimension der Religion bzw. der klerikalen Prägung der Kultur als Ausgangspunkt der Betrachtungen gewählt wird. Die Vorstellung von Reformation und Gegenreformation als »unvereinbare sachliche Gegensätze und zeitlich aufeinanderfolgende Phasen der Geschichte« ist freilich problematisch und muss hier relativiert werden. So war die Regeneration des Katholizismus im 16. Jahrhundert gewiss keine bloß rückwärtsgewandte Reaktion, sondern basierte auch auf unabhängig von der Reformation entstandenen katholischen Reformbewegungen. Der Begriff Gegenreformation wird folglich - vor allem von der katholischen Historiographie - durch den Begriff der »katholischen Reform« ergänzt, der gegenüber dem Gedanken eines Bruchs durch die Reformation die geschichtliche Kontinuität der katholischen Erneuerungsbestrebungen hervorhebt. Ungeachtet der bis heute umstrittenen Frage der geschichtlichen Kontinuität von Reformation und Gegenreformation und der definitorischen Divergenzen ist der Prozess der Konfessionalisierung jedoch durch eine starke Polarisierung und eine Verengung gegenüber der Pluralität von Mittelalter und Renaissance gekennzeichnet. Für einen überblicksartigen Problemaufriss cf. Gottfried Maron: »Katholische Reform und Gegenreformation«, in: TRE, Bd. 18 (1989), S. 45-72. Walther L Bernecker: Grundzüge. Spanische Geschichte. Von der Reconquista bis heute. Hg. von Michael Fröhlich. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2002, S. 44.

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geistig-geistliche Orthodoxie zurückführt. So folgt auf den »hervidero tumultuoso« der Renaissance die »monotonía gregaria de un pueblo que no vive su fe con tal profundidad pero que la practica bajo la acción conjugada de una vigilancia más estricta y de una catequización más completa«4. Die Kirche ist bestrebt, »la variedad de conciencias y la libertad de talantes de vida a uniformidad reglada de convento«5 zu reduzieren und der reiche Strom geistigen Lebens verschwindet zunehmend hinter der Intensität geistlichen Lebens, das wie Garcia Berrio es überspitzt formuliert - unter Philipp II. in einen »paroxismo teocrático«6 mündet. Zudem laufen in Spanien Katholizismus und nationales Bewusstsein, entsprechend des - nach dem Konzil von Trient zum Fundamentalgesetz avancierenden - Diktums »religio vinculum societatis«, eng zusammen. So ist jede staatliche Sozialdisziplinierungsmaßnahme mit einer alle Poren des Alltags und der Privatheit durchdringenden religiösen Disziplinierung im Sinne der Erneuerung der civitas christiana verknüpft: Die ehemals unangefochtenen Sinndeuter, die Theologen, deren Position und Anspruch sich durch das Trienter Konzil in Spanien noch verstärkt, fühlen sich zuständig für alle Bereiche des Denkens und der Lebenspraxis: »Nada humano resulta ajeno a su quehacer: Lo económico, lo político, lo artístico, lo industrial, lo familiar, municipal, nacional e internacional.«

Das öffentliche Leben wird zur »cuestión moral y cristiana«8, wobei sich das Zusammenspiel von staatlicher und religiöser Disziplinierung, für das die Kirche ein breites Instrumentarium bietet, in der Inquisition, den zahlreichen Häretikerprozessen, den Indices verbotener Bücher und der allgegenwärtigen Zensur manifestiert. Um die gewünschten Verhaltensnormen im Bewusstsein der Menschen zu verankern, wird folglich eine ganze Palette von Disziplinierungs-, Kontroll- und Normierungsmaßnahmen in Gang gesetzt: So gehören Predigt, Erbauungsschriften, Katechese, Beichte, öffentliche Bußprozessionen sowie die Erziehungstätigkeit der Jesuiten in Schulen und Universitäten zum breiten Spektrum kirchlicher Verhaltensbeeinflussung, das auf eine Rekatholisierung der gesamten Kultur abzielt.9 Der Anspruch der Religion auf die gesamtgesellschaftliche Respektierung und 4 5 6 7

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Antonio Domínguez Ortiz: »La España de Calderón«, in: Actas del Congreso Internacional de Hispanistas 1981, S. 19-35, hierS. 24. Antonio García Berrio: »El debate en torno al deleite en la polémica barroca sobre la licitud del teatro«, S. 542. Antonio García Berrio: »El debate en torno al deleite en la polémica barroca sobre la licitud del teatro«, S. 491. Andrés Martín Melquíades: »Pensamiento teológico y formas de religiosidad«, in: Ramón Menéndez Pidal (Hg.), Historia de la Cultura Española. El siglo del Quijote (1580-1680), T. 1: Religión, Filosofía, Ciencia. Madrid: Espasa-Calpe 1996, S. 75-159, hier S. 142. Andrés Martín Melquíades: »Pensamiento teológico y formas de religiosidad«, S. 139. Der verstärkte Rückgriff auf staatliche und kirchliche Disziplinierungsmöglichkeiten in der Epoche des Barock beschränkt sich freilich nicht nur auf Spanien, sondern ist ein gesamteuropäisches Phänomen. So bezeichnet Heinz Schilling die gesamte europäische Barockkultur sowohl in den katholischen als auch in den protestantischen Ländern als eine »Kultur der Disziplinierung«. »Confessional Europe«, in: Thomas A. Brady, Jr. (Hg.), Handbook of European History 1400-1600. Late Middle Ages, Renaissance and Reformation, T. 2: Visions, Programs and Outcomes. Leiden/New York/Köln: Brill 1995, S. 641-681. Zu Disziplinierung und Religiosität im europäischen Barock cf. des weiteren Heinz Schilling: »Die Kirchenzucht im frühneuzeitlichen Europa in interkonfessionell vergleichender und interdisziplinärer Perspektive - eine Zwischenbilanz«, in: Zeitschrift fiir historische Forschung. Vierteljahresschrift zur Erforschung des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit. Beiheft 16. Hg. von Heinz Schilling: Kirchenzucht und Sozialdisziplinierung im frühneuzeitlichen Europa. Berlin: Duncker & Humboldt 1994, S. 11-40. Hartmut Lehmann: »Zur Bedeutung von Religion und Religiosität

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Befolgung ihrer Weltanschauung hat zur Folge, dass neben ihr alles peripherer Natur zu sein hat oder von den Hütern der Religion, die alles N e u e misstrauisch beäugen und unter Häresieverdacht stellen, bekämpft wird. S o ist es nicht verwunderlich, dass die profane Literatur und gerade das Theater als tendenziell anarchische, prinzipiell säkulare Institution auf die Opposition einer klerikalen Instanz stoßen, die in allem N e u e n bewusst oder unbewusst einen Moment der Konkurrenz wahrnimmt. Ein hellsichtiges Problembewusstsein für dieses Phänomen beweist aus zeitgenössischer Sicht Cervantes, der im Vorwort zu den Novelas ejemplares formuliert: »Sí, que no siempre se está en los templos; no siempre se ocupan los oratorios; no siempre se asiste a los negocios, por calificados que sean. Horas hay de recreación, donde el afligido cuerpo descanse. Para este efeto se plantan alamedas, se buscan las fuentes, se allanan las cuestas y se cultivan, con curiosidad, los jardines. Una cosa me atreveré a decirte [se. el lector], que si por algún modo alcanzara que la lección destas novelas pudiera inducir a quien las leyera a algún mal deseo o pensamiento, antes me cortara la mano con que las escribí, que sacarlas en público. Mi edad no está ya para burlarse con la otra vida, [.. .].« 10 Nicht ohne sich der etablierten Moral - zumindest vordergründig - unterzuordnen, macht Cervantes hier den Versuch, die Literatur zu legitimieren, indem er neben den traditionellen christlichen Doppelimperativ des ora et labora - »los templos, los oratorios, los negocios« - einen dritten gleichberechtigten Bereich stellt: D i e recreación, die anthropologisch notwendige Entspannung von Körper und Geist."

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Der christliche Imperativ des »ora et labora« und die Fundierung des Diesseits im Jenseits

Cervantes bringt mit dieser - taktisch geschickt - w i e beiläufig formulierten Äußerung eines der zentralen Probleme im geistigen Selbstverständnis der beginnenden Neuzeit auf den Punkt: Die Frage nach der Zulässigkeit der freien Zeit und des Vergnügens vor dem Hin-

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im Barockzeitalter«, in: Dieter Breuer et al. (Hg.), Religion und Religiosität im Zeitalter des Barock, Bd. I, S. 3-22. Die Wirkung der Disziplinierungsmaßnahmen bezeugen die Litterae quadrimestres des Jesuitenordens. So berichtet P. Pedro Navarro 1559 aus Granada: »La frequenfia de confesiones y comuniones ha sido grande algunos días depués del alboroto de los autos y prissiones de la inquisición, que ha auido.« So hätte die Zahl der - durch die Inquisitionsakte motivierten - Beichtwilligen die Kapazitäten der Beichtväter bei weitem überstiegen. Litterae Quadrimestres ex universis praeter Indiam et Brasiliam locis in quibus aliqui de Societate Jesu versabantur Romam missae. Monumenta Histórica Societatis Jesu, T. 6 (1559-1560). Madrid: Ibérica 1925, S. 418. Auch die Beichte von zum Tode Verurteilten erfolgte zur Erbauung und Disziplinierung der Menge zum Teil öffentlich; so wird im darauf folgenden Jahr von einer solchen Bußveranstaltung berichtet: »Mucho se edificaron desto los de fuera, y procurauan por oyr a los nuestros, quando hablauan de Dios a los padecientes; [...]« (S. 523). Miguel de Cervantes Saavedra: »Prólogo al lector«, in: Novelas ejemplares I. Edición de Harry Sieber. Madrid: Cátedra 61984, S. 50-53, hier S. 52. Muss Cervantes den Bereich der freien Zeit noch als neues legitimationsbedürftiges Phänomen einfuhren, so kann Christian Fürchtegott Geliert diesen bereits als Selbstverständlichkeit voraussetzen, wenn er rund anderthalb Jahrhunderte später in einer ähnlichen Formulierung wie Cervantes die Kunst als Unterhaltung freier Zeit zu legitimieren versucht: „Allein wenn auch die schönen Künste uns nichts als unschuldige Zeitverkürzungen darböten: so blieben sie doch schätzbar genug. Sie füllen unsre leeren Stunden aus, die uns unser Stand oder Beruf frey lässt. Wir können nicht immer arbeiten; und ist der Dienst der Künste nicht vortrefflich, wenn er uns Erholung und neue Kräfte zu Geschäften gibt? Ihr Vergnügen hält vom trägen Müßiggange und unedlen Zeitvertreibe ab.« Moralische Vorlesungen (1770). Hg. von Sybille Späth, in: Gesammelte Schriften, Bd. 6. Kritische, kommentierte Ausgabe. Hg. von Bernd Witte. Berlin/New York 1992, S. 184.

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tergrund der rigiden - und evidentermaßen nur idealtypischen - evangelikal vorgeschriebenen Zeiteinteilung zwischen orare und laborare. Dieses Problem wird in Spanien besonders virulent, als sich das Theater mit der Comedia Nueva als gesellschaftliche Realität mit großem Publikumszuspruch etabliert und erstmals eine umfassende »empresa del ocio«12 in Gang setzt, die als dritter Bereich neben den beiden herkömmlichen Zeit- und Lebensräumen zunehmend Terrain erobert. Grundsätzliche Voraussetzung hierfür ist das Entstehen (arbeits-)freier Zeit: So befreit die zunehmende Urbanisierung immer mehr Menschen von der landwirtschaftlichen Arbeit, die »de sol a sol« ausgeübt werden musste und die gesamte >Wachzeit< des Menschen in Anspruch nahm. Durch die Einführung der künstlichen Beleuchtung kann das Grundgerüst des Tages, das bisher durch Sonnenauf- und -Untergang bestimmt war, zudem auf die Nacht ausgedehnt werden. Diese äußeren ökonomischen und (arbeits-)soziologischen Verschiebungen leiten zusammen mit dem Aufkommen der bürgerlichen Ordnung einen Mentalitätswandel ein und führen zu einem Bruch der gewohnten Zeitnormierungen. Neben der Arbeitszeit und der mit liturgischen Aktivitäten gefüllten Feierzeit konstituiert sich ein neuer Bereich der freien Zeit, der einem immer größeren Personenkreis zugänglich wird und in dessen allmählich entstehendes Vakuum das Amüsement tritt.13 Diese Entwicklung hatte das Aufbrechen der »ursprünglich streng religiösen Rhythmisierung der Zeit«14, die sowohl den Tages- als auch den Jahresablauf bestimmte, zur Folge: So war die christlich geprägte Zeitstruktur bisher aus den Elementen Arbeitszeit und Feierzeit gebildet, wobei auch die Feiertage als für kultische Zwecke bestimmte Zeiten weitgehend ausgefüllt waren.15 Der Gottesdienst hatte für die gesamte Gesellschaft eine zeitstrukturierende Funktion; die Predigten besetzten den Tagesbeginn und waren an Feiertagen über die ganze >Wachzeit< verteilt, wobei die Zentrierung der Zeitordnung in Gott sich bereits im Glockenläuten manifestierte und der Sinn dieser Zeitordnung durch den täglichen Besuch der Predigten und Gottesdienste lebendig gehalten wurde.16 Zudem hatten

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José Maria Diez Borque: »El teatro en la época barroca«, in: Ramón Menéndez Pidal (Hg.), Historia de la Cultura Española. El siglo del Quijote (1580-1680), T. 2. Las Letras. Las Artes. Madrid: Espasa-Calpe 1996, S. 259-414, hier S. 291. Günter Blaicher: Freie Zeit - Langeweile - Literatur. Studien zur therapeutischen Funktion der englischen Prosaliteratur im 18. Jahrhundert. Berlin/New York: de Gruyter 1977, S. 48. (Quellen und Forschungen zur Sprach- und Kulturgeschichte der germanischen Völker, Neue Folge 69). Christian Gremmels: »Freizeit«, in: TRE, Bd. 11, Berlin/New York: de Gruyter 1983, S. 572-578, hier S. 575. Wolfgang Nahrstedt erklärt die Entstehung der Freizeit im Zuge der Aufklärung als einen doppelten Transformationsprozess, in dem die Muße demokratisiert und die Feierzeit säkularisiert wurde und somit aus beiden Bereichen die Freizeit als »sozialisierte« - für alle erreichbare - und »rationalisierte« - zeitlich festgelegte - Form der Muße entstand. Die Entstehung der Freizeit. Dargestellt am Beispiel Hamburgs. Ein Beitrag zur Strukturgeschichte und zur strukturgeschichtlichen Grundlegung der Freizeit-Pädagogik. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1972, S. 291. Die Strukturierung des Tagesablaufs und die Verbindung des Arbeitsgedankens mit der (Uhr-)zeit wurde durch die Mönchsregeln entscheidend vorangetrieben, wobei das Anzeigen der Tageszeiten durch Uhren und Glockenläuten mit der Verbreitung der Klöster im Mittelalter aufkam. Wolfgang Nahrstedt: Die Entstehung der Freizeit, S. 109. So ist das Feierabendläuten seit dem 11. Jahrhundert nachweisbar, 1317 wurde erstmals der Beginn des Arbeitstages eingeläutet. Das Mittagsläuten wurde 1456 von Papst Calixtus III. zunächst als Aufforderung zum Gebet zur Abwendung der Türkengefahr eingeführt und verschmolz in der Neuzeit mit dem dreimaligen Angelus-Läuten. Unter dem Einfluss des religiösen Schrifttums der Jesuiten verbreitete sich im 16. Jahrhundert die Deutung des dreimal täglichen Läutens als Gedenken an die Auferstehung, das Kreuzesleiden und die Menschwerdung Christi. Andreas Heinz: »Angelus«, in: LThK, Bd.l (1993), Sp. 653f. Diese Rythmisierung des Tages

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seit dem Spätmittelalter viele Laien die Praxis der Horae canonicae, des Gebets nach dem Stundenbuch, in Analogie zum Brevier des Klerus und der Tagzeitenliturgie der religiösen Gemeinschaften, übernommen. So war der Tagesablauf der frommen Christen neben der Arbeit durch die sacra exercitia - den Besuch der Gottesdienste - , die pia exercitia - die privaten Andachtsübungen - und das Absolvieren eines bestimmten Pensums von Psalmen und Gebeten, die - wie das dreimal tägliche Angelus - zusätzlich zeitstrukturierend wirkten, weitgehend ausgefüllt. Innerhalb dieser Zeitordnung war kein Zeitvakuum vorgesehen; neben der anthropologisch notwendigen regenerativen Zeit existierte keine verhaltensbeliebig zu füllende private (Rest-)zeit.17 Vielmehr beanspruchte die religiöse Kultur die gesamte Lebenszeit des Menschen für sich und füllte auch seine Freizeit mit Predigten, Prozessionen und anderen kirchlichen Aktivitäten bis hin zu den öffentlichen autos da fe der Inquisition aus.18 Vor diesem Hintergrund muss das Aufbrechen der traditionellen Zeitnormierung durch die neuen kulturellen Segmente Literatur und Theater für die Kirche zwangsläufig eine Einbuße an Einfluss bedeuten, wobei gerade das profane Theater als leicht zu konsumierendes Massenphänomen eine höchst erfolgreiche Konkurrenz zum Bemühen des Klerus darstellt, die Massen mit religiösen Aktivitäten und kollektiven Festen in Bann zu schlagen. So befurchten die Repräsentanten des theologischen Weltdeutungssystems mit der Etablierung der Freizeit als einer Zeit eigenständiger, von der Religion losgelöster oder ihr gar entgegengesetzter Sinngebung die zunehmende Abwendung des Menschen von der Religion, die für sie der Beschneidung ihres metaphysisch begründeten Allzuständigkeitsanspruchs gleichkommt. Folglich wird jegliche Freizeitaktivität, die mehr als einen bloß regenerativen Zweck verfolgt, verworfen, alle Nichtarbeit außerhalb von Gebet und Predigt als Müßiggang abgewertet. Die Diskreditierung aller Aktivitäten außerhalb der religiös zentrierten Zeitgestaltung ist aber nicht nur eine Abwehrhaltung der klerikalen Kultur gegenüber ihrem allmählichen Verlust an Einfluss und Macht, sie resultiert auch aus dem christlich-teleologischen Zeitverständnis, das die Relevanz des diesseitigen Lebens ausschließlich darin sieht, Bedingung für das ewige Leben zu sein. So hat die Welt aus orthodox-katholischer Sicht die Funktion eines instrumentum ad salutem. Das Diesseits hat keinen intrinsischen Wert, sondern dient dem Menschen allein dazu, sich durch Erbauung und das Erfüllen seiner Christenpflichten auf das Jenseits vorzubereiten. Durch diese Jenseits-Gerichtetheit schließt das christliche Lebensgefühl Phänomene wie Freizeit und Langeweile a priori aus,

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durch das - jeweils mit dem Gedenken an Christus verbundene - Glockenläuten macht die zentrale Rolle der Religion sowohl für den individuellen Tagesablauf als auch für die Gesamtgesellschaft deutlich. Die heutige Freizeitforschung geht von einer Dreiteilung der Zeit in produktive Zeit (Erwerbsarbeitszeit), reproduktive Zeit (Schlafen, Ausruhen, Essen, Körperpflege) und verhaltensbeliebige, private Zeit aus, die der Muße, der Zerstreuung und der Teilnahme am >Freizeitsystem< gewidmet werden kann. V. Graf Blücher: »Freizeit«, in: Soziologie-Lexikon (2000), S. 307-309. So berichtet der Jesuit Balthasar Barreira von der Eröffnung des Kollegs in Evora (1559), dass so viele Leute zusammenkamen, »que dizían nunca se auer uisto tanta iunta en actos semejantes, ni aun de la inquisición«. Litterae Quadrimestres, T. 6 (1559-1560), S. 395. Selbst die Zeugnisverleihungen der Jesuiten zogen, wie Blasius Guomez im selben Jahr berichtet, die Schaulust der Masse auf sich: »La demás gente era mucha, que por uentanas de la clase se sobían, y vnos por encima de otros, a uer vna cosa tan nueua« (S. 426). Vor diesem Hintergrund ist es kaum verwunderlich, dass die Vertreter der klerikalen Kultur als die bisher einzigen Organisatoren solcher Kollektivveranstaltungen im - für den Laien weitaus attraktiveren - profanen Theater eine Konkurrenzinstitution sehen mussten, die ihnen den >Publikumszulauf< zunehmend streitig machte.

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denn vor dem Hintergrund, dass man sich im Diesseits die Ewigkeit verdienen muss, kann es keine leeren Zeitstrecken geben. 19 So sind optimale Zeitnutzung und Heilsgewinn im christlichen Zeitbewusstsein untrennbar verbunden, wobei die Lebenszeit durch die Last der Erbsünde sowie unter dem Eindruck der Vergänglichkeit alles Diesseitigen eher zu kurz als zu lang ist. Alois Hahn diagnostiziert als Problem der religiösen Lebensführung der Gegenreformation folgerichtig das Phänomen der >ZeitknappheitFreizeit< gar nicht erst aufkommen. Ein sinnvoller Gebrauch der Zeit und die Vermeidung von Trägheit und Müßiggang gehören daher seit dem Mittelalter zu den Forderungen asketischer Literatur, die sich keineswegs nur an Geistliche richtet.21 »der mensch sol ouch niht muezik wesen/ der der ewigen spise wil genesen« Lehrgedicht der Melker Handschrift

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Theologisch-anthropologische Überlegungen: remissio animi versus otiositas - eutrapelia und adiaphora

Wenn Fritz Schalk in seiner Untersuchung »Otium im Romanischen«23 darauf hinweist, dass die Wörter ocio und ocioso seit dem 16. Jahrhundert zu den häufigsten der spanischen Literatur gehören, liegt dies zum einen, wie er konstatiert, am Entstehen einer weitverzweigten Literatur, die im Zuge der posttridentinischen Sittenerneuerung scharfe Kritik an der sündhaften ociosidad übt, spiegelt aber zum anderen gewiss auch die Rechtfertigungsund Legitimationsnöte der profanen Literatur gegenüber der allgemeinen Abwertung des ocio24. So machen die eingangs zitierten Ausfuhrungen von Cervantes aus zeitgenössischer

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Ludwig Völker: Langeweile. Untersuchungen zur Vorgeschichte eines literarischen Motivs. München: Fink 1975, S. 14f. Alois Hahn: »Zeitknappheit als Problem der religiösen Lebensführung in der französischen Gegenreformation«, in: Sebastian Neumeister (Hg.), Friihaufldärung. München: Fink 1994, S. 105-125. Cf. hierzu das Kapitel »A. 1. Müßiggang und Arbeit« in Christoph Strosetzki: Literatur als Beruf. Zum Selbstverständnis gelehrter und schriftstellerischer Existenz im spanischen Siglo de Oro. Düsseldorf: Droste 1987. Zitiert nach Ludwig Völker: Langeweile, S. 113. In: Brian Vickers (Hg.), Arbeit, Muße, Meditation. Studies in the vita activa and vita contemplativa. Zürich: Verlag der Fachvereine/Stuttgart: Teubner 21991, S. 225-257, hier S. 245. Auch Strosetzki verweist in seinem Aufsatz: »Arbeit, Muße und Gewinn: zur Kasuistik des Spiels im spanischen Siglo de Oro« auf die Vielzahl von Traktaten, die sich zu Beginn der Neuzeit mit den Phänomenen Muße und Müßiggang befassen. So wird ocio im Diccionario de Autoridades mit >luxuria< und >loco amor< verbunden. Die Zeit >ociosamente< zu verbringen, bedeutet, sie nicht der Ausübung einer Tugend zu widmen und kommt dem nutzlosen Tun [»sin fruto ni utilidad«] gleich. >Ociosidad< wird gar definiert als »el vicio de perder ö gastar el tiempo inútilmente«, wobei sie explizit mit »palabras ociosas, juegos y otras diversiones« also mit weltlichen Vergnügungen - gleichgesetzt wird. Auf die Wiedergabe des bezeichnenden Refrains »La ociosidad es madre de los vicios« folgt der Rat, sich im Kampf gegen die eigenen Leidenschaften stets nützlichen und ehrenhaften Beschäftigungen zu widmen. Auch der >passatiempo< wird mit »diversión ö entretenimiento« gleichgesetzt und durch das Zitat der heiligen Teresa: »Assi comencé de passatiempo en passatiempo, y de vanidad en vanidad« negativ konnotiert. S.v. die entsprechenden Lemata im Diccionario de Autoridades (1737). Nachdruck. Madrid: Gredos 1990.

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Perspektive deutlich, dass innerhalb der religiös strukturierten Welt des Siglo de Oro eine Legitimation der Literatur als Instanz sui generis, die nicht in Bezug zur Religion steht, sondern eine Möglichkeit der profan orientierten Freizeitgestaltung darstellt, notwendig ist. Von theologischer Warte aus bedarf es im Hinblick auf die Rechtfertigung des Menschen vor dem Jüngsten Gericht der Legitimierung jeder außerkirchlichen, sich nicht in den religiösen Rahmen einpassenden Aktivität. So duldet die christliche Weltsicht arbeits- und religionsfreie Zeit nur als Erholung im Sinne der von Thomas von Aquin in der Summa theologica geforderten >remissio animi< (cf. infra), wobei diese nur akzeptiert wird, wenn sie funktional ganz auf die Arbeitszeit bezogen ist.25 Was aus diesem funktionalen Rahmen herausfallt, ist nicht nur beklagenswerter Zeitverlust, sondern - indem der Mensch seine ohnehin knappe Lebenszeit nicht in den Dienst der Selbstvergewisserung über seinen Gnadenzustand stellt, und sich willentlich von Gott entfernt - auch Sünde. Postuliert Thomas von Aquin »ludicra verba et facta«, lustiges Reden und Tun, als anthropologische Notwendigkeit und sieht das richtige Maß der Zerstreuung in Anlehnung an Aristoteles durch die Tugend der eutrapelia, der Maßhaltung im Vergnügen, reguliert, so steht dagegen eine Debatte um die grundsätzliche Existenz moralisch und religiös indifferenter, d.h. im Hinblick auf den Heilsgewinn >unschädlicher< Handlungen. Diese Debatte, die letztlich die Frage nach der Zulässigkeit alles Nicht-religiösen im Kontext einer religiös zentrierten und von Theologen dominierten Lebensordnung stellt, wird seit den Kirchenvätern unter dem Schlagwort der adiaphora (lat. indifferentiae) gefuhrt. So ist das theologische Denken des spanischen Barock - in dem sich jedes gesellschaftliche Handeln vor der Religion als einzig gültigem Weltdeutungssystem zu legitimieren hat - weitgehend von der auf Augustin zurückgehenden Auffassung geprägt, dass es keine heilsirrelevanten Aktivitäten gibt, da jedes Adiaphoron potentiell Anlass zu Versuchung und Lockmittel der Sünde ist.26 Aus der fehlenden Anerkennung heilsirrelevanter Aktivitäten folgt konsequentermaßen die Zurückweisung aller Beschäftigungen, die nicht auf das Jenseits bezogen sind. So ist die Frage nach den adiaphora - auch außerhalb Spaniens und des Katholizismus - immer wieder am Streit um die Zulässigkeit des profanen Vergnügens akut geworden.27 Die eher unbefangene Stellung des Protestantismus gegenüber den weltlichen adiaphora, die Luther als

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Stefan Knobloch konstatiert im Lexikon flir Theologie und Kirche, dass das Wort Erholung »außer Kurs geraten [war], nicht zuletzt weil es von seinem Bedeutungsgehalt her lediglich als Wiedergewinnung von Kräften nach Kräfteverschleiß durch Arbeit [...] verstanden worden war.« Eine Tendenz der Kirche, die Erholungszeit des Menschen für sich zu beanspruchen, wird aber bis heute deutlich, wenn Knobloch weiter formuliert: »Erholung beansprucht den ganzen Menschen, sie versteht sich als re-creatio, als Neu-Schöpfung in der der Mensch nicht nur körperlich regeneriert, sondern - in Wiederaufnahme der Tradition der „holy days" als heiliger Tage und nicht als „holidays" - auch seiner Existenztiefe begegnen und seiner Beziehung zu Gott auf die Spur kommen kann.« Stefan Knobloch: »Erholung«, in: LThK, Bd. 3 (1995), Sp. 765f.

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Augustins Einfluss auf Denken, Religiosität und Literatur des spanischen Barock wird in der einschlägigen Forschungsliteratur immer wieder hervorgehoben. Eine umfassende Monographie hierüber fehlt indes. Es sei z.B. darauf verwiesen, dass auch der zweite deutsche Adiaphoristenstreit 1677 seinen Ausgang in der Auflehnung der Pietisten gegen den Bau des Hamburger Theaters nimmt. Wolfgang Trillhaas: »Adiaphoron. Erneute Erwägung eines alten Begriffs«, in: Theologische Literaturzeitung 79 (1954), S. 457-462, hier S. 459.

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>Mitteldinge< akzeptiert,28 lässt das gegenreformatorische Spanien, das sich als Verteidiger des katholischen Glaubens versteht, um so misstrauischer werden.29 Ist die katholische Weltsicht ohnehin von der - ebenfalls auf Augustin zurückgehenden - Auffassung geprägt, dass die varietas den Menschen von Gott entfernt, so wird jede Art von Abweichung und Abwechslung - so auch die profane Literatur - um so strenger beäugt,30 als die katholische Kirche ihr Heilsvermittlungsmonopol durch die Verbreitung des Protestantismus in Europa verloren hat. Die auf Einheit zielende katholische Kultur hat sich - wie Eco es für das Mittelalter herausstellt - über Jahrhunderte nach dem Prinzip entwickelt, alles Neue »unter den Überresten der Wiederholung zu verstecken«31. Das Christentum kennt Veränderung nur im Rahmen von Wiederholung und definiert sich geradezu über seine repetitiven Strukturen, angefangen von der Tagzeitenliturgie, die sich aus einer festgelegten Abfolge von Gebeten zusammensetzt, über die immer gleiche Liturgie des Gottesdienstes bis hin zum hohen Vorhersagbarkeitswert der Predigt. Auch das Lesen - und die Auffassung von Literatur ist folglich von dieser auf Bewahrung zielenden Haltung, die sich in der stetigen Wiederholung des bereits Bekannten manifestiert, geprägt. MEPHISTOPHELES: Frau Muhme! Sie versteht mir schlecht die Zeiten. Verleg' Sie sich auf Neuigkeiten!/ Nur Neuigkeiten ziehn uns an. Johann Wolfgang Goethe: Faust. Eine Tragödie.

1.3

Theologisch basierte Polemik gegen Formen weltlicher Literatur: religiöse intensive Lektüre versus weltliche extensive Lektüre

Entsprechend der Idealvorstellung des Homo unius libri ist Lektüre innerhalb der katholisch geprägten Weltsicht nur denkbar als Wiederholungslektüre und zielt ausschließlich darauf ab, »sich an das zu erinnern, was ohnedies sicher war«.32 Das zunehmende Lesen profaner Literatur ist insofern ein Bruch mit der zeitgenössischen religiösen Praxis, mit ihren Lektüreformen und ihren Lesegewohnheiten:33 Lesen dient nun nicht mehr dazu, Wahrheiten zu

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Zur grundsätzlichen Weltoffenheit Luthers und seiner Einschätzung der Poesie als >Neutralia< cf. Heddy Neumeister: Geistlichkeit und Literatur. Zur Literatursoziologie des 17. Jahrhunderts. Münster: Helios-Verlag 1931. So weist Hahn daraufhin, dass der ethische Rigorismus der katholischen Gegenreformation auch eine Reaktion auf die europäische Situation der Mehrkonfessionalität darstellt, da die Konkurrenz der Heilswege einen Wettstreit um die ethische Vorzüglichkeit der jeweiligen Lehre implizierte. »Zeitknappheit als Problem der religiösen Lebensführung in der französischen Gegenreformation«, S. 111. Zur theologischen Diskreditierung der >diversite< und deren Folgeproblemen für die profane Literatur cf. Wilfried Floeck: »Theologie und Ästhetik. Zum Problem der Vermittlung zwischen Literatur und Gesellschaft im 17. Jahrhundert in Frankreich«, in: Karl-Hermann Körner und Hans Mattauch (Hg.), Die religiöse Literatur des 17. Jahrhunderts in der Romania, München: Kraus International Publications 1981, S. 61-74. Umberto Eco: Kunst und Schönheit im Mittelalter. Aus dem Italienischen von Günter Memmert. München/Wien: Hanser 1991, S. 13. Rolf Engelsing: Der Bürger als Leser. Lesergeschichte in Deutschland 1500-1800. Stuttgart: Metzler 1974, S. 182. Zu diesem Ergebnis kommen Engelsing, Schöffler und Blaicher. Engelsing beschreibt die Entwicklung vom Wiederholungsleser zum individuellen Leser, der sich nicht mehr an einen erbaulichen Kanon gebunden fühlt, wodurch allmählich ein Pluralismus der Lektüre< entsteht. Der Bürger als Leser, S. 192ff. Schöffler fasst den Kampf zwischen der religiös-erbaulichen und der weltlich-schöngeistigen Literatur als notwendige Voraussetzung einer breiteren Publikumsbildung auf. Protestantismus und Literatur. Neue Wege zur englischen Literatur des achtzehnten Jahrhunderts. Göttingen: Vanden-

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erinnern und zu festigen, sondern Bewusstseinsinhalte zu vermitteln, die gerade durch die Abwechslung belebend wirken. Sind Originalität und Neugierde Bedingungen für die Attraktivität profaner Literatur, so fallen novitas und curiositas aus christlicher Sicht unter das Verdikt der als Ursache für den Sündenfall geltenden superbia und werden als Laster, wenn nicht als Todsünden beurteilt. 34 Bedenkt man zudem, dass der Buchdruck und die neuen publizistischen Möglichkeiten unabdingbare Voraussetzungen für die Verbreitung der Reformation waren, so ist es kaum verwunderlich, dass die Vertreter der katholischen Kultur durch die anwachsende Vielfalt von Druckerzeugnissen doppelt alarmiert sind und mit Zensur, Verbot und rigoroser Kanonbildung reagieren. 35 Denn wo die kirchliche Autorität unhinterfragbar ist, ist für Pluralismus und Neuheit kein Platz. »Neues als Anderes kann man sich nur als Abweichung vorstellen« 36 , Toleranz des Anderen kann es allenfalls als Milde, nicht aber als Anerkennung der Möglichkeit geben, dass tatsächlich mehrere Wahrheiten nebeneinander existieren können. Folglich muss gerade die - aus streng theologischer Sicht ohnehin sündhafte - Unterhaltung freier Zeit durch profane Literatur und profanes Theater unter Ideologieverdacht geraten. Dem sich hier abzeichnenden Paradigmenwechsel von der Wiederholung des Immergleichen und der Bedeutungssicherung durch Kommentare 37 hin zur Bedeutungsvielfalt und -Offenheit der profanen Literatur entspricht auf der Rezeptionsebene ein Übergang von der intensiv-reiterativen zur extensiv-konsumptiven Lektüre einer Leserschaft, die sich mit der auf Bibel- und Katechismusstudium beschränkten Wiederholungslektüre nicht mehr zufrieden gibt. Der traditionellen rezeptiv-fügsamen Lektürehaltung, die vornehmlich memorative Funktion hatte, stellt die profane Literatur, die mit semantischen Aussparungen und Unbestimmtheiten absichtlich einen imaginativen Raum schafft, eine eigenständige kreativkonstruierende Lesehaltung entgegen. So muss sie aus christlicher Sicht doppelt verwerflich sein, indem sie mittels ihrer ästhetischen Attraktivität weltliche Gehalte transportiert, die zudem auf Horizonterweiterung und Erfahrungsvermittlung in einer Welt abzielen, in der für die bisher einzigen Sinndeuter, die Theologen, alles bereits Evidenz besitzt. Als Medium, in dem der Mensch das Leben aus seiner Sicht darstellt und das folglich inner-

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hoeck & Ruprecht 2 1958, S. 232. Blaicher verweist zudem auf die Abkehr des Menschen von der religiös geprägten Zeitgestaltung, die eine Hinwendung zur Romanlektüre als Zerstreuung und Zeitvertreib überhaupt erst ermöglicht. Freie Zeit - Langeweile - Literatur, S. 26ff. Die curiositas wird als impia superbia gegen Gott gedeutet, da der Mensch nach Augustins Auffassung von der Welt als instrumentum ad salutem nur so viel von ihr zu wissen braucht, wie es zur Erreichung des Heils bedarf. Da Augustin die Neugierde unter die concupiscentia oculorum fasst und somit auch das Sehen zur Sünde macht, trifft die Verurteilung der Neugierde das profane Theater insbesondere. Zum Begriff der Neugierde cf. den gleichnamigen Artikel von G. Müller, P. Probst und K. Schönpflug in: Joachim Ritter/Karlfried Gründer (Hg.), Historisches Wörterbuch der Philosophie, Bd. 6. Basel et al.: Schwabe 1984, S. 732-744. So wird zum Schutz der Orthodoxie und zur Vermeidung der Verbreitung ketzerischen Gedankenguts die Buchzensur eingeführt und in Spanien 1558 institutionalisiert. Das Verbot von Büchern lasziven Inhalts ist auch Teil des Tridentinums. Juan Ignacio Gutiérrez Nieto: »Inquisición y culturas marginadas: Conversos, moriscos y gitanos«, in: Ramón Menéndez Pidal (Hg.), Historia de la Cultura Española, T. 1, S. 837-1015, hier S. 874. Niels Werber: Liebe als Roman. Zur Koevolutiort intimer und literarischer Kommunikation. München: Fink 2003, S. 50. So definiert Eco die katholische Kultur des Mittelalters als eine Kultur, »die ständig Kommentare kommentiert und Autoritäten zitiert und dabei nie den Eindruck erweckt, sie habe etwas Neues zu sagen«. Kunst und Schönheit im Mittelalter, S. 13.

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weltliche Werte und Lebensziele propagiert und die - bisher in den Zuständigkeitsbereich der Theologen fallenden und von diesen streng disziplinierten - menschlichen Leidenschaften thematisiert, besitzt die profane Literatur gefahrliches Eigengewicht: Gefahrlich einerseits für den Menschen selbst innerhalb einer Weltsicht, in der er sich aufgrund seiner Erlösungsbedürftigkeit stets der göttlichen Gnade zu versichern und sich folglich ausschließlich auf die Wahrheiten des Glaubens zu konzentrieren hat. Denn vor dem Hintergrund von Zeitknappheit, Heilssorge und Ablehnung der adiaphora ist das Lesen profaner Literatur als Zeitverschwendung und Form unangemessener Eutrapelie sündhaft. Gefahrlich andererseits aber auch für die Vertreter der klerikalen Kultur, die ihre Konkurrenz auf dem >Sinngebungsmarkt< erkennen und sie folglich durch Gewissensdruck 38 und offizielle Lektürebeschränkungen zu verdrängen bzw. durch die Produktion eigener kirchlich gebundener Literaturformen zu substituieren versuchen. So entsteht im Rahmen der >Retheologisierangsmaßnahmenrichtige< Gebrauch der Zeit im diesseitigen Leben eine wesentliche Rolle spielt.47 45

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»Quiere el Demonio alteracion, confusion, turbación, melancolía, tristeza, y otros humores dispuestos para su fin, [...]«. Oculta Filosofía. De la sympatiay antipatía de las cosas, artificio de la naturaleza, y noticia natural del mundo. Y segunda parte de la curiosa Filosofía. Contiene historias notables. Aueriguanse muchos secretos, y problemas de la naturaleza. Explicanse lugares dificultosos de Escritura. Por el Padre Juan Eusebio Nieremberg, de la Compañía de Iesus. Madrid: Imprenta del Reyno 1633, S. 24. So konstatiert er: »Esta es la condición de los bienes de este mundo, que tienen resplandor y apariencia, pero son más frágiles que el vidrio; son menguados, son variables e inconstantes, con mil mudanzas que tienen; son corruptibles, caducos y mortales, y sólo por el resplandor que muestran al sentido los buscamos como eternos y grandes.« De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, in: Obras escogidas del R.P. Juan Eusebio Nieremberg, T. 2. BAE. Madrid: Atlas 1957, S. 5. Vor diesem Hintergrund muss der Christ die Ewigkeit fürchten und wertschätzen, alles Zeitliche, »que es limitado, mudable y poco«, aber verachten (S. 22). So beschwört Nieremberg den Tod immer wieder als entscheidenden Moment des Lebens: »¡Oh prodigioso momento de la muerte, que acaba todo esto temporal y perecedero, y da principio a lo eterno, y trastrueca todas las cosas! Acaba con los gustos de los pecadores, y empieza con los tormentos para nunca acabar; acaba con las penas y asperezas de los santos, y empieza con los gozos eternos. Mire el cristiano lo que coge: [...].« De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, S. 33. Folglich appelliert er immer wieder an seine Leser: »Miremos cómo usamos de todo: no perdamos tiempo, pues hemos de dar cuenta de él« (S. 85). In der Oculta Filosofía versucht Nieremberg, der auch Professor für Naturgeschichte war, das ausschließliche Streben nach den Gütern des Himmels auch für die Pflanzen- und Tierwelt nachzuweisen: So klettere das Efeu zum Himmel, die Blumen imitieren die Sterne und das Lamm verweise durch sein fröhliches Springen auf die Verortung der Freuden im Himmel. Gleiches Bestreben erkennt Nieremberg beim Wasserdampf und beim Staub, die ebenfalls zum Himmel steigen. Am Vorbildlichsten sind für ihn jedoch die Vögel, die beim Himmelsflug auch noch das Kreuz als Zeichen des Glaubens inkarnieren: »No ay naturaleza mas alegres, ni que suban mas alto que las aues, cuyo buelo se executa poniéndose en Cruz.« Oculta Filosofía, S. 215. Aufgrund der Vergänglichkeit alles Materiellen gesteht Nieremberg auch der Natur keinen eigenen Wert zu, sondern betrachtet sie ausschließlich als artistische Meisterleistung ihres Schöpfers. So soll sich der Christ ihr auch nicht gänzlich widmen, sondern durch sie von der Immanenz auf die Transzendenz gelenkt werden: »No nos ocupemos del todo en la naturaleza, subamos a la gracia. No nos paremos en el vniuerso, busquemos al que es vno, y todo, cuyas obras mas admirables no son las naturales, sino las prouidenciales, las sobrenaturales, las de gracia« (S. 216). Die religiöse >Erklärung< der biologischen Gegebenheiten entspricht der Studienordnung der Jesuiten, die den naturwissenschaftlichen Lehrern vorschreibt, auch die weltlichen Wissenschaften auf religiöse Weise zu betreiben und die Wahrheiten des Glaubens darin nachzuweisen: »Denique in his ómnibus meminerit, profanas scientias religiöse tractari debere, ut >invisibilia Dei per ea, quae facta sunt intellecta conspiciantur< [Rom. 1, 20]; hinc fidei veritates, data occasione, ex physica confirmare studeat, [...].« Ratio studiorum ann. 1568/1599/1832,

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De la diferencia entre lo Temporal y Eterno (1640)

Nierembergs opus magnum De la diferencia entre lo Temporal y Eterno widmet sich gänzlich dem Phänomen der Zeit. So exponiert der Jesuit hier in fünf Büchern die Vorstellung einer Mittel-Zweck-Relation zwischen Zeitlichem und Ewigem: Ziel des Zeitlichen ist ausschließlich, die Ewigkeit zu erwerben, und da »el medio no tiene otra razón para ser amado sino en cuanto conduce al fin«, hat auch das diesseitige Leben keinen intrinsischen Wert, sondern ist bloßes instrumentum ad salutem.4S Da das Wesen des Zeitlichen aber darin besteht, dem Menschen Beständigkeit vorzugaukeln, ist Nierembergs Absicht der »desengaño«, 49 die Aufklärung über den bloß illusorischen Wert und das gefahrliche Verfiihrungspotential alles Diesseitigen, dem der Weise, der die »vanidad« des Weltlichen erkennt, entflieht.50 So liegt der unschätzbare Wert des Diesseits allein darin, »ocasión de la eternidad« zu sein, weshalb Nieremberg für eine effektive Nutzung der Lebenszeit plädiert, »porque, una vez perdido, perderemos el tiempo de esta vida y la eternidad de la otra« (S. 68). Da jeder Zeitverlust irreversibel ist und der Tod - der im Gegensatz zum Menschen keine »ociosidad« kennt und ihn sogar im Schlaf verfolgt (S. 69) - den Menschen jederzeit vor das Gottesgericht berufen kann, ist dem Menschen nichts gestattet, was ihn vom Weg des Heils abbringt. Jeder Moment kann über das »gozar o penar para siempre« (S. 8) entscheiden, weshalb der Christ jede Art von »gusto« und »deleite«, die angesichts der Vergänglichkeit der Welt ohnehin wertlos sind,51 um seines Seelenheils willen fliehen muss. Um näher an die Vorstellungswelt seiner Leser heranzurücken und deren Phantasie - im Gegensatz zum emanzipatorischen Potential der von der profanen Literatur angeregten Phantasie - auf religiös geprägte Inhalte zu lenken, bedient sich Nieremberg hierbei eines griffig aufbereiteten Arsenals an Beispielerzählungen, Sentenzen und Anekdoten. Beson-

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in: Ratio Studiorum et Institutiones Scholasticae Societatis Jesu per Germaniam olim vigentes collectae concinnatae dilucidatae a G. M. Pachtler SJ, Bd. 2. Osnabrück: Biblio-Verlag 1968, S. 348. »A todo lo temporal has de despreciarlo por sí, [...] y sólo te has de ayudar de lo temporal en cuanto te ayudare a lo eterno, y no más, menospreciando a todas las criaturas y apreciando sólo al Creador, y por sólo El usar de las criaturas que te allegaren a El.« De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, S. 246. So konstatiert er: »Esto, sin duda, es lo peor que tiene la vida temporal, pintándonos muy hermosos sus bienes para perdernos con ellos, no teniendo en sí substancia.« De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, S. 52. Folglich versucht er seinen Lesern durch die ständige Wiederholung des vanitas-Gedankens die Nichtigkeit alles Weltlichen zu suggerieren: »Vanidad de vanidades, y todo vanidad. Este dicho había de estar escrito en las paredes, en los vestíbulos, en las plazas, en los edificios, en las calles, en las ventanas, en las puertas, y principalmente en la conciencia de cada uno, y en todo tiempo habíamos de pensar en él, pues las ocupaciones engañosas de esta vida, enemigas de la verdad, han ganado para con muchos autoridad y crédito« (S. 127). Durch die dialogartige Gegenüberstellung von mondänen Sündern und tugendhaften Gottesdienern drängt Nieremberg seine Leser zu einer eigenen Positionierung: »Los necios del mundo dicen: "Holguémonos ahora". Los cuerdos y virtuosos dicen: "Más vale, dejándonos de holgar ahora, gozar siempre los bienes eternos." Los mundanos dicen: "Vivamos ahora regalados". Los siervos de Cristo dicen: "Muramos ahora a la carne, para que vivamos siempre y sin mudanza por toda la eternidad." Los pecadores dicen: "Gocemos ahora del mundo." Los temerosos de Dios dicen: "Huyamos del mundo instable [sie!] para que gocemos siempre del Cielo".« De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, S. 31. Nieremberg bedient sich hierbei auch des im Barock verbreiteten Topos des Lebens als Traum: »¿Qué puede ser un gusto del hombre, pues toda la vida del hombre es un sueño, y una sombra, y un cerrar y abrir de ojos? Si la vida más larga es tan breve, ¿qué puede ser el deleite de un momento, por el cual se pierde la bienaventuranza eterna?« De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, S. 41.

Das Freizeitproblem in der theologischen Debatte

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ders eindrücklich ist die Parabel vom heiligen Johannes von Damaskus, nach der ein Mann, verfolgt von einem Einhorn (Metapher für den Tod) in eine Natterngrube (Sinnbild für die Welt voll von Gefahren) fallt und sich auf einen von zwei Ratten geschüttelten Baum rettet, von dessen Blättern Honig tropft. Obwohl ihn zusätzlich zu all dem wimmelnden Getier im Abgrund auch noch ein Drache mit aufgerissenem Schlund (Sinnbild für die Hölle) erwartet, vergisst der Mann seine Angst und beginnt den Honig von den Blättern zu schlecken, gibt sich also inmitten der Gefahr den Genüssen des Lebens hin. Nieremberg deutet diese Parabel ausführlich und schließt mit der Klage über die Verblendung der Menschen, die ihre Zeit mit »gustos y entretenimientos« verschwenden, ohne sich der langfristigen Konsequenzen bewusst zu sein.52 Seine Warnung vor jeder Art von Zerstreuung und Lebensfreude kulminiert dabei in der Vorstellung des Lebens als »camino que hace el ladrón desde la cárcel a la horca«: »Desde que nacimos estamos con sentencia de muerte. Del vientre de nuestras madres salimos como los ajusticiados de la cárcel, y caminamos a que se haga justicia de nosotros por lo que debemos de pecado original. ¿Quién hay que, sacado a ajusticiar, vaya diciendo gracias y entreteniéndose en el camino?« (S. 64)

So muss der Mensch angesichts der jederzeit drohenden Todesgefahr stets auf der Hut sein und jedes Vergnügen nicht nur als unangemessen meiden, sondern - da das ewige Leben auf dem Spiel steht - gänzlich verabscheuen. Worin »toda esta maquina de gustos« für Nieremberg besteht, formuliert er in einer Art Gegenwartsschelte, wobei er u.a. auch die »espectáculos para la vista« - und konkret hier den Stierkampf - verurteilt.53 Angesichts der kurzen Zeit, die dem Menschen gegeben ist, um die Seligkeit zu erlangen und der ewigen Verdammnis zu entgehen, bezeichnet Nieremberg die nach Unterhaltung Trachtenden als »locos« 54 und übt durch wiederholte Anhäufungen von Suggestivfragen Gewissensdruck auf seine Adressaten aus, denen er auch das weltliche Lachen als Zeichen sündhafter Weltbejahung versagt.55 Da auch Christus niemals gelacht habe, verpflichte die Christus52

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So konstatiert er: »[...] es tan grande el divertimiento de los hombres, que no advierten por un breve deleite a tantos riesgos como están expuestos, y viéndose cercados por todas partes de tantos peligros de la muerte cuantos son los modos y causas que hay de morir, que son infinitos, y son otras tantas bocas o puertas de la eternidad, están saboreándose en una gota de miel de un gusto momentáneo, que ha de hacerles echar las entrañas por los siglos de los siglos.« De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, S. 12. Die Warnung vor den Vergnügungen des Diesseits prägt das theologische Denken im Europa der frühen Neuzeit. So konstatiert auch der spätere Erzbischof von Cambrai François Fénelon in seiner Funktion als Seelenfuhrer der Madame Guyon: »Le temps des entretiens et des divertissements est le plus dangereux pour nous« und wamt vor dem »poison subtil« von dem die Vergnügungen durchsetzt sind. Cf. das Kapitel »De l'emploi du temps« in Fénelons Lettres et opuscules spirituels, in: Oeuvres. Edition établie par Jacques le Brun. Paris: Gallimard 1983, S. 557f. So betont er immer wieder: »Por cierto que no digo evitar deleites de esta vida, pero abominar de ellos debes, y buscar la eternidad por pena, por hierro, y por fuego.« De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, S. 35. Diese Vergnügungen skizziert er wie folgt: »¿Qué diré de los ornatos tan costosos y tan necios, que parece que el mismo mundo los condena; las mezclas de guisados para el gusto, las confecciones de suaves pastas y perfumes para el olfato, las melodías de varias músicas para el oído, las amenidades, pinturas y espectáculos para la vista, cuyo entretenimiento se ha procurado, aun derramándose sangre humana, en los gladiadores de Roma y toros de España? Toda esta máquina de gustos que ha inventado el apetito es clara señal de su mengua, [...]« (S. 137). »Y tú, no instantes de tiempo pierdes, sino horas, y días y años. [...] ¡Oh; locos cuantos buscan vanos entretenimientos para pasar el tiempo, como si el tiempo no tuviera ese cuidado de pasarse aunque ellos no quieran!« De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, S. 69. »Mira el poco tiempo que te dan para proveerte para lo eterno: ¿cómo te descuidas, cómo te paseas, cómo te entretienes, cómo ríes, cómo no lloras y haces pedazos tus carnes a penitencia y rigor?« De la

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nachfolge den Menschen zu eben dieser Geisteshaltung, w o b e i Christus den Menschen ein Leben voll von Arbeit und Leid als »camino del g o z o y del descanso« vorgelebt habe. 5 6 Mit der Negation von Vergnügen und Lachen stellt Nieremberg - im Gegensatz zu Thomas von Aquin, der für die Legitimität des Lachens und ein Recht auf Entspannung eintritt - jegliche profan orientierte (Frei-)Zeitgestaltung in den Bereich der Sünde, die den M e n s c h e n v o m - per definitionem qualvollen - H e i l s w e g abbringt. Lachen und die Suche nach Unterhaltung und Ablenkung stehen auch dem v o n ihm geforderten ständigen Gedenken an den Tod, den er seinen Adressaten möglichst eindrücklich vor A u g e n zu fuhren sucht, um sie zur Leibfeindlichkeit zu erziehen, 5 7 s o w i e der geforderten Meditation über die Höllenqualen, die den Menschen von »pasatiempos y deleites« abhalten soll, diametral entgegen. S o hat der Christ Freuden erst nach dem Ende des flüchtigen Lebens zu erwarten, w o b e i das Mittel, diese zu erreichen, einzig die Weltverachtung ist. U m das zu erkennen, m u s s der M e n s c h nicht nur die Vergänglichkeit der Welt, sondern auch sich selbst kennen, weshalb Nieremberg ihm immer wieder ins Gedächtnis ruft, dass er »una semilla hedionda, un saco de estiércol, un cebo de gusanos« und letztlich »nada« - und durch die auf ihm lastende Erbsünde noch weniger als das ist. 58 D e m Sünder - und das ist in dieser Sicht jeder in

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diferencia entre lo Temporal y Eterno, S. 34. Vor dem Hintergrund, dass die hier erkennbare Tendenz zur >Monachisierung der LaienfrömmigkeitCongreso Internacional sobre Calderón y el Teatro español del Siglo de Oro< (Madrid, 8.-13. Juni 1981), T. 1. Madrid: CSIC 1983, S. 477-493. 44 Seine anonym veröffentlichte Comedia Vencer á Marte sin Marte ó Cadmo y Armonía wird zudem auch zu einem profanen Anlass - der Hochzeit Karls II. mit Maria Luisa de Orleans - aufgeführt. Menéndez Peláez: Los Jesuítas y el Teatro en el Siglo de Oro, S. 455. Auch El cerco de Viena del año 1680 wird Fomperosa zugeschrieben. Barrera y Leirado: Catálogo bibliográfico y biográfico del teatro antiguo español, S. 162; Sommervogel: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus, T. 3, Sp. 830. Simón Díaz macht aus Vencer á Marte sin Marte ó Cadmo y Armonía zwei verschiedene Stücke: So fìihrt er »Cadmo y Armonía. Zarzuela de un ingenio de esta Corte« und »Vencer a Marte sin Marte. Fiesta real [...]« einzeln auf. Jesuitas de los siglos XVIy XVII: Escritos localizados. Madrid: Universidad Pontifica de Salamanca 1975, S. 31. 45 Dias sagrados, y geniales, celebrados en la canonización de S. Francisco de Boria. Por el Colegio Imperial de la Compañía de Iesvs de Madrid. Y la academia de los mas celebres ingenios de España. Dedicados al eminentissimo Señor Cardenal Don Pasqual de Aragon, Arzobispo de Toledo, Primado de las Españas, de la Iunta de el Gouiemo uniuersal, y Coronel de el Regimiento de la Guardia de Su Magestad. Por Don Ambrosio de Fomperosa y Quintana, Capitan de vna de las Compañías de la Guardia del dicho Regimiento. Con Privilegio. En Madrid: Por Francisco Nieto. Año de 1672, S. 89. Das unter dem Namen seines Bruders veröffentlichte Werk wird von Sommervogel, Cotarelo y Mori und Uriarte Pedro Fomperosa selbst zugeschrieben. Sommervogel: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus, T. 3, Sp. 829f. und Dictionnaire des ouvrages anonymes et pseudonymes publiés par des religieux de la Compagnie de Jésus depuis sa fondation jusqu'à nos jour. Amsterdam: Israel 1966. (Nachdruck der Ausgabe Paris 1884), Sp. 208f.; Cotarelo: Bibliografìa, S. 262; Uriarte: Catálogo razonado de obras anónimas y seudónimas de autores de la Compañía de Jesús, T. 3 ( 1906), S. 132f. Es ist bezeichnend, dass der Bericht über die Feierlichkeiten die beiden aufgeführten Comedias nicht enthält, wofür sich Fomperosa mit dem Hinweis auf die Skrupel der Autoren entschuldigt (S. 90). 46 Garcia Berrio: »El debate en torno al deleite en la polémica barroca sobre la licitud del teatro«, S. 498.

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kungskraft ihrer Botschaft durch die dramatische Inszenierung durchaus bewusst sind. 47 Sowohl die Kultivierung des Theaters seitens der Kirche als auch die Annäherung von Theater und Predigt versuchen die Verteidiger des profanen Theaters argumentativ auszunutzen, indem sie immer wieder auf die Verfasserschaft Geistlicher, 48 die Bedeutung der autos sacramentales zur Selbstdarstellung der Kirche und Festigung der Volksfrömmigkeit 4 9 sow i e auf die katechisierende Wirkung der comedia de santos hinweisen. 5 0 Ist die Massen47 So hebt Lang die Möglichkeit des Theaters zur Willenslenkung hervor: »Istud ego non timide pronuntio, prodigiosam pené vim ad movendos humanos ánimos inesse Actioni, ut adeö illos pro arbitrio suo flectere possit choragus, [...].« Dissertatio de actione scenica, S. 11. Auch konstatiert der Provinzial des Colegio de Madrid über die Theateraufführungen zu Semesterbeginn: »[...], y el fruto que se sacaba era que las circunstantes se movían a devoción y mudanza de vida, como si oyeran un buen sermón: [...].« Zitiert nach Menéndez Peláez: Los Jesuítas y el Teatro en el Siglo de Oro, S. 502. Dabei werden Jesuitentheater und Predigt stets gleichgesetzt. So berichtet die Historia General de la Compañía de Jesús en Andalucía von dem bekannten jesuitischen Theaterautor Pedro de Acevedo: »Trocó [sc. Acebedo] los teatros en púlpitos, y despidió á sus hombres de sus representaciones más corregidos y contritos que los excelentes predicadores de sus sermones.« Zitiert nach Bartolomé José Gallardo: Ensayo de una Biblioteca Española de libros raros y curiosos, T. 1 (1863), S. 11. 48 So stellt die anonyme Verteidigungsschrift A la Majestad Católica de Carlos II, nuestro Señor, rendida consagra á sus Reales pies estas vasallas voces desde su retiro, la Comedia (Sin lugar ni año) heraus, dass unter den Theaterschriftstellern auch Ordensgeistliche sind, wobei die Jesuiten besonders hervorgehoben werden: »Por los que han escrito no quedan menos calificadas ni menos aplaudidas. [...]; el crisol de la lengua castellana Hortensio Felix Palavesino, Fr. Antonio de Herrera, fénix y lince de toda la humanidad, dignísimo hijo de S. Francisco de Paula; el P Valentin de Zéspedes y el P. Calleja y el P. Fomperosa, hijos los tres del mejor estandarte de la Compañía de Loyola, y en plausible hermoso teatro donde el arte parece que apuró los primores, assí de la pintura, mutaciones de tablado, vuelos y apariencias; concordante, diestra, armoniosa música, coplas, traza y representación de la más prodigiosa infancia, cumpliendo religiosos y grandes políticos con todo el empeño del mayor asunto, [...].« Cotarelo: Bibliografía, S. 43. Cotarelo datiert die Schrift auf 1681, Barrera y Leirado auf 1667. Catálogo bibliográfico y biográfico del teatro antiguo español, S. 162. Da auch Pellicer aus der Schrift mit dem Hinweis exzerpiert, dass sie sich an den noch minderjährigen Karl II. richte (Tratado histórico, S. 275ff.), scheint Cotarelos Datierung falsch zu sein. 49 So schreibt die Villa de Madrid in einem Memorial an Philipp IL, um die Wiedereröffnung der Theater 1598 zu erreichen: »Nace también de las comedias otro fruto que para el culto divino no es pequeño (presupuesto lo mucho que persuade, como se decía la demostración en todo), pues siendo la fiesta de más consuelo y estimación que la Santa Iglesia Católica celebra el Corpus Christi, donde jamás llegará la demostración á la razón, y en que tanta necesidad tiene de fiiego la tibieza, pues para calentarla y despertarla tantas nuevas invenciones se buscan cada un año, es cosa cierta que uno de los accidentes más naturales y antiguos consiste en comedias y representación que se hace, que si lo que para ella han hoy conservado, juntado y añadido los mayores, ahora se comenzase á ir desmantelando, podriáse temer que lo que poco á poco se ha fundado, brevemente se destruyese y derribase, que si el día del Corpus Christi no se hiciese mas demostración que los otros días ordinarios (aunque á Dios no se quitaría nada ni á las buenas entrañas en la fé) por lo menos en éstas nacería escándalo, y en las no tales duda, y en las peores desprecio.« Cotarelo: Bibliografía, S. 422. Auch die anonyme Schrift an Karl II. (cf. supra) weist auf die didaktische Funktion der Comedia - und vor allem der autos - hin: »En la Comedia hallará la ignorancia en la viva historia de la representación el bien enquadernado volumen de las escogidas noticias divinas y humanas, como lo manifiestan tantos autos sacramentales que en festivos católicos obsequios á la celebridad de aquel día en que el mejor Melquisedech nos dexó instituidos los tesoros en el Pan sacramentado, tratados con la elegancia de doctas, delgadas plumas como la del Doctor Mira de Amescua, Lope de Vega [...] Tirso de Molina, D. Antonio Cuello y nuestro siempre más grande D. Pedro Calderón de la Barca, [...]« (S. 42). 50 So wird im Memorial der Villa de Madrid von 1598 argumentiert: »De aquí ha nacido, como es notorio, no sólo el que oyó, mas el que representó la acción santa y ejemplar de San Francisco y de otros santos, partir de allí derechamente a sus religiones con muy loable perseverancia y fruto, haciendo en tales ac'tos la comedia lo que la predicación santa del santo Evangelio de Jesucristo puede hacer y aun hace á

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Produktion der Heiligendramen im Siglo de Oro dabei einerseits auf den v o m Jesuitentheater geprägten Publikumsgeschmack zurückzuführen, 51 so spiegelt sie andererseits das B e mühen des profanen Theaters, sich seinerseits der Kirche anzugleichen, um die Akzeptanz der kirchlichen Eliten zu finden. S o erkennt Pellicer bereits 1804: »Y para dar al Teatro cierto ayre de devociön, y de piedad se escribieron, y representaron en ellos, tantas Comedias de Santos, que dice Roxas: >Que al fin no quedö poeta/ en Sevilla, que no hiciese/ de algun Santo su ComediaMaschinentheater< der Jesuiten entfernt ist, 53 wird jedoch von den jesuitischen Theatergegnern aufs Heftigste verurteilt und auch das der Einkleidung religiöser Wahrheiten s o w i e der Selbstinszenierung der Kirche dienende auto sacramental steht nicht außerhalb der theologischen Kritik. 54 Letzteres mag in Hinblick auf das Sinnenspektakel, das die Fronleichnamsfeierlichkeiten beherrschte, 55 verständlich sein. D a s s aber die Mischung pro-

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poder también de viva demostración del Cristo y de la calavera y de la ceniza y la cruz, que ya la flaqueza es tanta que ajustándose con ella se ayuda el predicador de esta necesaria y santa representación, que nace de la necesidad que tiene nuestra miseria de invenciones para obrar y demostración para temer.« Cotarelo: Bibliografía, S. 422. So betont Menéndez Peláez, dass das Jesuitentheater den »gusto por la tramoya« und die »suntuosa escenificación del teatro barroco« begünstigt habe. Los Jesuítas y el Teatro en el Siglo de Oro, S. 73 und S. 95. Casiano Pellicer: Tratado histórico, T. 1, S. 121. So bestätigt Arróniz: »Los jesuítas estaban escribiendo las truculentas comedias de santos, que por ese mismo tiempo hacían Lope de Vega (con más talento, claro está) y sus discípulos.« Teatros y escenarios del Siglo de Oro, S. 37. Gleiches konstatiert er für das auto sacramental'. »No se ve [...] gran diferencia entre estos coloquios jesuítas y los autos de Corpus, o las comedias llenas de impresionantes tramoyas« (S. 42). So verurteilen es von geistlicher Seite der Karmeliter José de Jesús María (1600), der Minorit Manuel Ambrosio de Filguera (1678) und der Jesuit Francisco Moya y Correa (1751). Cf. die entsprechenden Artikel in der Biliografta von Cotarelo. Das auto sacramental steht damit - geht man vom Index der Bibliografía aus - noch weit weniger im Fadenkreuz der Kritik als die comedia de santos. Eine Monographie über die Beurteilung des auto sacramental durch die Theatergegner des Barock steht indes noch aus. Es sei hier exemplarisch die eindrückliche Beschreibung aus dem Reisebericht eines Holländers von 1655 wiedergegeben, um die Kritik der auto sacramental-Gegper vor ihrem historischen Kontext zu situieren: »Diose principio por una procesión, y entre los primeros pasos iba un gran numero de músicos, y de vizcaínos con sus tamboriles y castañuelas. Ademas de estos iba otra cantidad de gente, vestida de varios colores [...] que al son de diversos instrumentos iban baylando, saltando y pirueteando con tanto desenfado, como pudieran en carnestolendas. [...]. Iban también delante unas maquinas gigantescas, esto es, ciertas estatuas de cartón, gobernadas por hombres que van ocultos debaxo de ellas. Haylas de diferentes figuras, y algunas de bien mala catadura: todas representan á mugeres, á excepción de la primera, que se reduce á una monstruosa cabeza pintada, conducida por un hombre de pequeña estatura, de manera que parece la cabeza de una figura colosal sobre un pigmeo [se. La Gigantilla]. Entre estos monstruos de apariencia habia dos, que representaban dos gigantes moros ó etiopes. El vulgo llama á todas estas figuras los Hijos de Vecino, y también las llaman las Mamelinas. Me han hablado también de otra maquina espantosa, que anda rodando este dia por las calles, llamada la Tarasca, [...]. Dicen que en otro tiempo se crió allí [se. en Tarascón] una Sierpe, tan enemiga del genero humano, como lo fue la que engañó á nuestros primeros padres en el Paraíso terrenal. Cuentase que Santa Marta la sujetó y mató con su cingulo y con sus oraciones. Pero sea lo que fuere de esta historia, esta Tarasca es un Serpenton, de un tamaño enorme, lleno todo el cuerpo de escamas, de vientre ancho, de cola larga, pies cortos, uñas retorcidas, ojos espantosos, y boca grande y abierta. Pasean por las calles á este espantajo de niños, y los que metidos debaxo del cartón y papel de que se compone, le conducen, le manejan con tal arte, que quita los sombreros á los que están descuidados, los aldeanos simples le tienen mucho mié-

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faner und religiöser Elemente von den Jesuiten kritisiert wird, ist angesichts ihrer eigenen Stücke, die durch die zahlreichen Konzessionen an den Publikumsgeschmack auf ebensolchen »mezclas de lo profano y lo sagrado« 56 basieren, weniger nachvollziehbar. Auch hat die Societas Jesu trotz ihrer ablehnenden Haltung gegenüber dem profanen Theater offensichtlich keine Bedenken, den für das Hoftheater tätigen Bühneningenieur Cosme Lotti mit der Inszenierung ihrer Stücke zu beauftragen. 57 So ist es ein Gemeinplatz der Forschung, dass die Jesuiten »no se opusieron, [...], al drama c o m o forma de arte sino al hecho de que éste fuera utilizado por los laicos« 5 8 , ohne dass dafür bisher eine kohärente Erklärung geliefert worden wäre. D i e widersprüchliche Haltung der Jesuiten kann nur vor dem hier zugrunde gelegten Deutungsrahmen einer Konkurrenz zwischen der etablierten religiösen und der neu entstehenden profanen Kultur verstanden werden, innerhalb der die Repräsentanten der theologischen Kultur ihre bisher unumstrittene Monopolstellung als Vermittler von Sinnstiftung und Lebensinhalten gefährdet sehen. 5 9 So erheben Klerus und Geistlichkeit keine grundsätzlichen Einwände gegen das

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do, y quando los atrapa andan las risotadas en el pueblo.« Zitiert nach Casiano Pellicer: Tratado histórico, T.l, S. 259fF. Über die Aufführungspraxis der autos berichtet der Reisende: »Estos vienen á ser unas Comedias espirituales, interpoladas con diversos entremeses, arto estrafalarios, para sazonar y alegrar la seriedad del Drama. [...] Antes de dar principio á los Autos, baylan y saltan los danzantes de la procesión, y los gigantones divierten al pueblo« (S. 262ff.). Als solche verurteilt der Theaterautor Fomperosa y Quintana die comedia de santos und bezeichnet sie zudem als »ofensa de los santos, frialdad de la devoción, dolor de los hombres sabios«. El Buen Zelo (1683, cf infra), S. 56f. Sein Ordensbruder Juan Ramírez verurteilt die Jesuitendramen mit der gleichen Begründung: »[...] es offensa de Nuestro Señor miscere sacra profanis.« Monumento Paedagogica Societatis lesu (1557-1572), S. 391. So wurde das zum hundertjährigen Ordensjubiläum der Societas Jesu 1640 aufgeführte Stück Obrar es durar von Cosme Lotti inszeniert, »with >tramoyasFreizeitgestaltung< waren. So waren die öffentlichen Theateraufführungen der Societas Jesu im 16. Jahrhundert Großereignisse, bei denen sich das Publikum ähnlich unkonventionell benahm wie im profanen Theater. Der Bericht des Jesuiten Balthasar Barreira über die Aufführungen in Evora ist den bekannten Ausführungen von Juan de Zabaleta über das Verhalten des Publikums im profanen Theater (El día de Fiesta por la Mañana y por la Tarde) insofern nicht unähnlich: »Vuo personas que pareciéndoles que no tendrían lugar el domingo se proueyeron el sábado de palanques; y otras que al domingo con la fuerca de la gente y desseos de uer rompieron vna uentana que caya sobre el páteo. [...]. Fué tanto el número de la gente, y con tanto feruor corrían, que era cosa de espanto. [...] Por causa de las obras que se hazen, hauiendo fuera del spacio que ocupaua el theatro, de vna parte mucha cal por caldear, y de la otra arena suelta y mucha piedra, y allende desto, estando parte del páteo bien mojado con la agua que allí viene para el servicio de las obras, buscaron para tener lugar tanto arteficio, trayendo cada uno ladrillos y poniéndolos debaxo, que todo se enchyó de tal manera,

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Theater, wenn es sich in ihrer Regie befindet. Ihre eigenen Dramen scheinen für sie nicht einmal unter die Kategorie >Theater< zu fallen, erwähnen die jesuitischen Theatergegner ihr Ordenstheater doch von sich aus mit keinem Wort - auch nicht als positives Gegenbeispiel zum CorraZ-Theater - sondern weisen die diesbezüglichen Anspielungen der Theaterverteidiger vielmehr empört mit dem Hinweis zurück, dass profanes Theater und Jesuitentheater nicht vergleichbar seien. Die diametrale Wahrnehmung von eigenem und profanem Theater wird auch daran deutlich, dass die Jesuiten die - von ihnen mit erwirkte - Theatergesetzgebung für ihre Aufführungen nicht als gültig erachten: So werden die Dramen zum hundertjährigen Ordensjubiläum nachts aufgeführt,60 was im profanen Theater aus sittlichen Gründen verboten ist. Die vom profanen Theater völlig losgelöste Wahrnehmung ihres eigenen Theaters geht so weit, dass die Societas Jesu auch in Zeiten politischer Krisen, in denen sich der - auch von ihnen ausgeübte - Druck auf das profane Theater stets erhöht, in ihre Theatersäle einlädt. So wirbt der Orden massiv für eine Theateraufführung, als der Kastilienrat aufgrund des Krieges mit Portugal ein Aufführungsverbot von Ostern »hasta que Dios se sirva de dar fin ä las guerras tan vecinas, con que Castilla se halla« erteilt hat.61 Dies legt offen, dass die Repräsentanten der religiösen Kultur nur das Aufkommen einer sei es sinnstiftenden, weltdeutenden oder auch nur Freizeit gestaltenden - Instanz, die sich neben der klerikalen Kultur zu etablieren versucht und eigene - ihr teils entgegengesetzte Botschaften vermittelt, zu vereiteln versuchen. Als von ihnen selbst genutzte Kommunikations- und Propagandainstrumente kommen ihnen Literatur und Theater aber durchaus entgegen. So wie Lektüre zur Sünde wird, wenn sie nicht durch entsprechende Inhalte gerechtfertigt ist, die Volksfrömmigkeit sedimentierende Literatur - vorausgesetzt sie ist religionskonform und von Theologen als den einzig wahren >Sinndeutern< verfasst - aber zum Be-

que no sabía hombre adonde estaua la cal y la piedra, saluo verse unos más altos que otros. Y passante de tres horas que duró la tragedia estuuieron desta menera em pie; afuera otros muchos de cauallo, que de otra manera no esperauan poderen ueer a su uoluntad. [...] Poníanla en seis hasta siete mil hombres; ni es para espantar, porque no solamente todo el páteo estaua lleno, y los corredores [...] mas aun los tejados y otros lugares altos de la ciudad donde se podía ver. [...] Las mugeres en estos días, ja que no les era primitido entrar adonde la tragedia se auía de representar, negociauan sus cosas y hazían sus caminos en este tiempo por la puerta primera del collegio, que sale a vna calle pública, para que a lo menos viessen cómo se aparejaua lo que después no aujan de poder veer. Con todo, al día de la tragedia inuentaron cómo sin uenir al collegio viessen las figuras y assí parte dellas en la calle enfrente del colegio, parte en vna torre vieja que caye sobre las classes donde se veya el páteo se recogieron passante de duzientas, como dezian.« Litterae Quadrimestres, T. 6 (1559-1560), S. 395f. Vor dem Hintergrund eines solchen Massenzulaufs ist die ablehnende Haltung der klerikalen Kultur gegenüber einem konkurrierenden Freizeitangebot, das ihnen mit der Etablierung der Comedia Nueva die Massen zunehmend abspenstig macht, durchaus verständlich. 60 Norman D. Shergold: A history of the Spanish stage, S. 449. Für das profane Theater gilt hingegen seit den Primeras Ordenanzas de Teatros von 1608, dass die Auffuhrungen eine Stunde vor Einbruch der Dunkelheit beendet sein müssen. Cf. den Appendix zur Theatergesetzgebung in der Bibliografia von Cotarelo. 61 Der Consejo de Castilla reagiert auf die Werbeaktionen der Societas Jesu folglich auch mit der Aufforderung zur Mäßigung. So berichten die Avisos históricos'. »16 Agosto de 1644 - El jueves siguiente [...] tenían los PP de la Compañía del Colegio Imperial prevenida una comedia en versos heroicas latinos, celebrando la acción de S. M. la conquista de Lérida; y para ello fijaron carteles impresos. Pero el Presidente de Castilla ordenó que en esto hubiese moderación.« Cotarelo: Bibliografia, S. 24. Die Verordnung des Kastilienrats ist bei Casiano Pellicer abgedruckt. Der Consejo fordert hierin zwar ein Auffiihrungsverbot, stellt jedoch gleichzeitig eine Reihe von Zensurmaßnahmen im Falle der Erlaubnis auf. Tratado histórico, S. 217-222. Cf. auch Bibiliografia, S. 164f.

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reich erlaubter Lektüre gehört, ist auch das - in seiner profanen Variante als sündhaft verurteilte - Theater den Jesuiten ein probates Mittel zur Erneuerung der civitas christiana. So stellt sich die recht pauschale Konklusion von Ferdinand Barth, dass mit dem Jesuitentheater »fiir die ganze westliche Christenheit die Aversionen der Kirchenväter gegen das Theater als eigenständige Kunstform überwunden [wurden]«62 vor dem Hintergrund einer in Spanien bis in die Anfange des 19. Jahrhunderts reichenden Debatte um die Zulässigkeit des profanen Theaters als Fehldeutung heraus. Die Feindschaft der Repräsentanten der religiösen Weltsicht gegenüber dem profanen Theater kann angesichts ihrer eigenen dramaturgischen Betätigung aber nur darin begründet sein, dass sie der Lösung des Theaters aus ihrer bisher allumfassenden Zuständigkeit Einhalt zu gebieten bzw. sie rückgängig zu machen versuchen. So ist das profane Theater, das die erotische Liebe positiv darstellt und auf das Lachen der Zuschauer abzielt, für die Vertreter der klerikalen Kultur der greifbarste Ausdruck einer sich aus ihrer Weltdeutung zunehmend emanzipierenden Laienkultur. Widerspricht das Lachen der religiösen Ernsthaftigkeit und dem Leben im Bewusstsein des Todes und des folgenden Gottesgerichts, so bilden die Affekte aus katholischer Sicht als perturbationes animt53 ein grundsätzliches Gefahrenpotential für den als Sünder definierten Menschen. Wenn die aus theologischer Sicht zu disziplinierenden passiones folglich zum Lustgewinn aller Beteiligten in einem profanen Kontext absichtlich stimuliert werden, so kann dies für die Theologen, die das Hervorrufen von Affekten und den Diskurs über die Leidenschaften ausschließlich in ihren Zuständigkeitsbereich stellen,64 nur einen Eingriff in ihre Kompetenz bzw. einen Angriff auf das von ihnen verkündete Welt- und Menschenbild bedeuten, der ihren seelsorgerischdisziplinierenden Bemühungen zuwiderläuft oder sie gar gänzlich zunichte macht. Die auf Normvorstellungen fixierten jenseitsorientierten Jesuitendramen zielen denn auch im Gegenteil zur profanen Comedia darauf ab, die Leidenschaften zu neutralisieren bzw. in das Korsett der katholischen Sittlichkeit zurückzuführen, indem sie die Angst um das eigene Seelenheil als notwendige Grundhaltung des Christen propagieren und ihre Adressaten auf eine Affektlage zwischen timor und amor Dei einzustimmen versuchen.65 So hat das Theater als Teil der jesuitischen Erziehungsmethoden eine disziplinierende Absicht, es soll zur moralischen Läuterung der Zuschauer fuhren und ist - weil es auf die psychische 62 Ferdinand Barth: »Theater«, in: TRE, Bd. 33 (2002), S. 175-195, hier S. 182. Auch Barths Feststellung, »das goldene Zeitalter [...] des spanischen Barocktheaters im 17. Jh. beruhte auf einer Symbiose von Theater und katholischer Kirche« (S. 183), ist angesichts der über zwei Jahrhunderte andauernden licitud-Debatte wohl etwas zu optimistisch formuliert. So muss das Theater im Siglo de Oro insofern eine Symbiose mit der Kirche eingehen, als ihre Repräsentanten nur ein Theater dulden, das zur Illustration der tradierten theologischen Wahrheiten dient. Das profane Theater wird aber - trotz seiner Entwicklung unter der Kontrolle der religiösen Kultur und seiner daraus resultierenden ideologischen Konformität - weiterhin heftig verurteilt und bekämpft. 63 Walter Michel: »Die Darstellung der Affekte auf der Jesuitenbühne«, in: Günter Holtus (Hg.), Theaterwesen und dramatische Literatur. Beiträge zur Geschichte des Theaters. Tübingen: Francke 1987, S. 233-252, hier S. 234. (Mainzer Forschungen zu Drama und Theater Bd. 1). 64 So fordert Franz Lang in seiner Dissertatio de actione scenica, dass der Chorag ein Moralist zu sein habe, »ut sciat, quid sint affectus, unde oriantur, quibus modis debeant excitari, intendi, trahi. Intelligat, quid illis obstet, ut removeat impedimenta. Verbo, quid singuli affectus exigant ad sui excitationem, & intensionem, [...]« (S. 62). Seine Formulierungen machen deutlich, dass die Provokation von Affekten aus kirchlicher Sicht allein den Theologen obliegt, denn nur diese sind nicht nur über deren Wirkungsweise informiert, sondern auch fähig, sie mit dem Ziel der Moralisierung einzusetzen. 65 Walter Michel: »Die Darstellung der Affekte auf der Jesuitenbühne«, S. 246.

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Disposition der Gläubigen einwirkt - ein besonders effektives Instrument dieser Verhaltenslenkung. Auch die hier zutage tretende Inkompatibilität von der im Jesuitentheater beabsichtigten Begrenzung der menschlichen Handlungsfreiheit und ihrer potentiellen Entgrenzung im profanen Theater löst also den - nur oberflächlich als Widerspruch zu betrachtenden - Gegensatz auf, dass die Societas Jesu eine Literaturgattung bedient, zu deren schärfsten Kritikern sie zählt. So erfüllt das Theater der Jesuiten die Doppelfunktion, einerseits die Anziehungskraft und Effektivität der kirchlichen Botschaft in einer Zeit zu steigern, in der »von allen Glaubenspflichten des Katholiken die Sterbesakramente und die Taufe des Neugeborenen die einzigen [waren], an die der Klerus [...] die Gläubigen nicht ständig aufs neue gemahnen musste«66 und in der sich das profane Theater als zusätzliche Konkurrenz bzw. geradezu als Gegenpol zu der von Klerus und Geistlichkeit angebotenen Weltdeutung entwickelt. Andererseits stellt das Jesuitendrama den Versuch der Repräsentanten der religiösen Kultur dar, das sich mit seinem weltlich-anthropozentrischen Programm aus ihrer Weltdeutung emanzipierende profane Theater zu substituieren, indem sie es ihrerseits institutionalisieren.67 Mit diesem Kapitel sind die Weichen für eine Analyse der Texte der Debatte um die Zulässigkeit des profanen Theaters gestellt. Der kurze Blick auf die mit dem Tridentinum an Bedeutung gewinnende innere Mission und das Jesuitentheater war für das Verständnis der Debatte insofern eine Voraussetzung, als die Gegner des profanen Theaters teilweise gleichzeitig Autoren der Jesuitenbühne sind68 und sich Missionare und Prediger nicht nur schriftlich, sondern - mit gesteigerter Wirksamkeit durch die direkte Kommunikationsform und die Autorität, die ihnen die Kanzel verleiht - auch mündlich im Kampf gegen das Theater betätigen.69

66 François Lebrun: »Reformation und Gegenreformation. Gemeinschaftsandacht und private Frömmigkeit«, in: Philippe Ariès und Georges Duby (Hg.), Geschichte des privaten Lebens, Bd. 3: Von der Renaissance zur Aufklärung. Hg. von Philippe Ariès und Roger Chartier. Deutsch von Holger Fliessbach und Gabriele Kriiger-WirTer. Frankfurt a.M.: Fischer 1991, S. 75-115, hier S. 91. 67 Dabei ist das Jesuitentheater, um dem starken Zulauf des profanen Theaters entgegenzuwirken, nicht nur bemüht, seine Zuschauer in einen ähnlichen kollektiven Begeisterungszustand zu versetzen, wie es die profane Comedia vermag. In den Stücken selbst werden die Zuschauer auch mit allen Mitteln immer wieder explizit oder implizit zum Kirchbesuch, zum Sakramentempfang, zum regelmäßigen Beten und zum rechten Gebrauch der Zeit ermahnt, um sie von der profanen Comedia zu entfernen. JeanMarie Valentin: »Gegenreformation und Literatur: Das Jesuitendrama im Dienste der religiösen und moralischen Erziehung«, S. 254. 68 So werden im Folgenden auch die Schriften von Fomperosa y Quintana gegen das profane Theater behandelt. 69 Dies gilt z.B. für den infra behandelten Oratorianer Luis Crespi de Borja, vor allem aber für Pedro de Calatayud, auf dessen im Rahmen seiner Mission entstandene theaterfeindliche Schrift hier erneut verwiesen sei.

IV 1

Grundlagen der Theaterkritik des Siglo de Oro: die Kirchenväter und die Scholastik Patristische Theaterkritik und Theaterwesen der Antike »This was the Opinion of the Church for the first 500 years. And thus she has Censured the Stage both in Councils, and Single Authorities. And since the Satir of the Fathers comes füll upon the Modern Poets, their Caution must be applicable. The parity of the Case makes their Reasons take place, and their Authority revive upon us.« Jeremy Collier: A short view of the Immorality and Profaneness of the English Stage, Londonl698'

Die patristische Verurteilung der antiken spectacula ist Bestandteil der christlichen Polemik gegen das Heidentum und stellt sich somit in den Kontext der Auseinandersetzung der Kirchenväter mit der heidnisch-antiken Welt, die sich in einer Flut apologetischer und paränetischer Schriften manifestiert. So ist der fast fünfhundert Jahre andauernde christliche Kampf gegen das Theater und die heidnischen ludi Teil eines Religionskonflikts, der zugleich das Bemühen der Christen spiegelt, ihren Glauben in einer vom Heidentum und seinen Bräuchen dominierten Welt, in der sie als Häretiker marginalisiert und verfolgt werden, zu verteidigen und als ethisch und moralisch überlegen zu erweisen. Um die Theaterverurteilung der Kirchenväter verstehen zu können, muss zunächst das Bühnenwesen der Antike skizziert werden. So sprechen die Kirchenväter vom Theater im engeren Sinn zumeist im Kontext der spectacula allgemein, die auch Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen, Wagenrennen und athletische Agone einschlössen. Wie diese gehörten die ludi scaenici, die als Sühnemittel zur Beschwichtigung der Götter während einer Pestepidemie eingeführt worden waren, zum Götterkult der Heiden.2 Der religiöse Charakter der ludi trat zwar mit ihrer Professionalisierung und der zunehmenden Profanisierung der Kultur in den Hintergrund, blieb aber durch ihre Entstehungs- und Organisationsform präsent und kam auch im Bau des Venustempels zum Ausdruck, den Pompejus 55 v.Chr. in das erste Steintheater integrierte. Auch fanden die Theateraufführungen zumeist an den Festtagen der Götter statt und begannen mit der pompa, einer kultischen Prozession vom Tempel zum Theater. Resultiert die theaterfeindliche Haltung der Kirchenväter somit einerseits aus dem idolatrischen Hintergrund der ludi, so ist sie andererseits durch die Grausamkeit und Unsittlichkeit der spectacula bedingt: So wurden im Amphitheater zum Tode Verurteilte nicht selten auch die verfolgten Christen - von wilden Tieren zerfleischt und mythologische Szenen nachgespielt, in denen die unfreiwilligen >Protagonisten< verstümmelt, kastriert oder verbrannt und - entsprechend der jeweiligen Fabel - schließlich von einem als Gott der Unterwelt verkleideten Gehilfen weggeschafft wurden.3 Den Theateranlagen waren zumeist Bordelle angeschlossen, wobei im Theater auch andere Veranstaltungen, wie die zirkusähnlichen mirabilia und sexuell konnotierte Fruchtbarkeitsriten wie die Luperkalien

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Teil I. Nachdruck der 3. Auflage von 1698 mit einem bibliographischen Nachwort von Ulrich Broich. München: Fink 1967, S. 267. Die Einführung der spectacula zunächst als tänzerische Aufführungen wird auf 364 v.Chr datiert. Christine Schnusenberg: Das Verhältnis von Kirche und Theater. Dargestellt an ausgewählten Schriften der Kirchenväter und liturgischen Texten bis auf Amalarius von Metz (a.d.775-852). Bern u.a.: Peter Lang 1981, S. 22. Besonders beliebte Stoffe waren z.B. die Kastrierung des Attis oder die Verbrennung des Herkules. Cf. Heiko Jürgens: Pompa Diaboli: die lateinischen Kirchenväter und das antike Theater. Stuttgart u.a.: Kohlhammer (Tübinger Beiträge zur Altertumswissenschaft Bd. 46) 1972, S. 213-216.

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und ludiflorales stattfanden. Als Massenveranstaltungen waren die spectacula - und insbesondere das Theater - zudem Ausgangspunkt von Demonstrationen und Volksaufständen, von denen auch Pogrome gegen Christen ausgehen konnten. Gleichzeitig beeindruckten Gaukler, Taschenspieler und andere Artisten die aus allen Bevölkerungsschichten stammende Zuschauerschaft und rund um das kollektive Freizeittreiben florierten schwarzmarktartige Geschäfte.4 Bezüglich der im Folgenden im Mittelpunkt stehenden dramatischen Aufführungen finden sich in den patristischen Schriften Hinweise auf eine Vielzahl von Gattungen, die heute kaum eindeutig zu definieren sind.5 Die Tragödie wurde im Verlauf des zweiten Jahrhunderts in der Publikumsgunst durch den Pantomimus, den Ausdruckstanz eines männlichen Darstellers, abgelöst, dessen musikalisch begleitete gestus sine voce6 zumeist erotische Stoffe aus dem Repertoire der Mythologie darstellten und die Schwächen und Verfehlungen der heidnischen Götter, ihre amourösen Abenteuer und kriminellen Machenschaften auf die Bühne brachten.7 An die Stelle der Komödie trat der Mimus, der mit - ebenfalls um Ehebruchsintrigen kreisenden - clownesken und freizügigen Szenen, an die Sinne des Publikums appellierte und Gelächter provozierte, wobei die Mimin sich als meretrix scaenica auch prostituierte:8 Die Schauspieler, die dieses breite Spektrum zu bedienen hatten, waren zivilrechtlich mit dem Makel der infamia - der Ehr- und Rechtlosigkeit - behaftet,9 weshalb sie sich großenteils aus Sklaven rekrutierten, denen die Teilnahme am politischen Leben ohnehin versagt war. Galten die Darsteller somit einerseits als sozial minderwertig, so waren sie andererseits gefeierte Berühmtheiten und Günstlinge der Herrscher und reichen Bürger. Dabei konnten sie - wie die Schauspieler des Siglo de Oro - zur Aufführung gezwungen werden, was wiederum auf ihre Beliebtheit und ihre Unverzichtbarkeit bei bestimmten gesellschaftlichen Anlässen hindeutet. Mit der Erkenntnis der Herrschenden, dass das Volk durch die Affektbefriedigung in den spectacula leicht zu regieren war, wurde die Organisation dieser Massenveranstaltungen zum Politikum. So stiegen Anzahl und Dauer der tagesfiillenden ludi, die trotz ihrer Häufigkeit stark frequentiert wurden, stetig an. Die soliden politischen und gesellschaftlichen Strukturen der spectacula, die konstitutiver Bestandteil der vita romana waren, sicherten zugleich ihre Dauerhaftigkeit und machten sie gegen die massiven Verbotsbemühungen der erstarkenden christlichen Kirche sowie später auch der staatlichen Gesetzgebung lange Zeit resistent.

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Jean-Marie André: Griechische Feste, Römische Spiele. Die Freizeitkultur der Antike. Aus dem Französischen übersetzt von Katharina Schmidt. Reclam: Leipzig 2002, S. 195. Heiko Jürgens: Pompa Diaboli, S. 245. Werner Weismann: Kirche und Schauspiele: die Schauspiele im Urteil der lateinischen Kirchenväter unter besonderer Berücksichtigung von Augustin. Würzburg: Augustinus-Verlag 1972, S. 42. Klaus Sallmann: »Christen vor dem Theater«, in: Jürgen Blänsdorf in Verbindung mit Jean-Marie André und Nicole Fick (Hg.), Theater und Gesellschaft im Imperium Romanum. Théâtre et société dans l'empire romain. Tübingen: Francke 1990, S. 244. (Mainzer Forschungen zu Drama und Theater Bd. 4). Werner Weismann: Kirche und Schauspiele, S. 85. Die infamia bedeutete im römischen Recht den Verlust des Bürgerstatus und der damit einhergehenden Rechte. Heiko Jürgens: Pompa Diaboli, S. 207. Cf. auch infra: Anm. 36.

Grundlagen der Theaterkritik des Siglo de Oro

1.1

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Die Theaterkritik der Antike als argumentative Grundlage der Theaterkritik des Siglo de Oro

Die Texte der Kirchenväter über die ludi entstanden zwischen dem zweiten und sechsten Jahrhundert, wobei Tertullians De spectaculis als erste systematische Theaterkritik auf theoretischer Ebene normstiftend war, in praktischer Hinsicht jedoch wirkungslos blieb: So war das Theater innerhalb der römischen Zivilisation eine derart selbstverständliche Institution, dass es für die Christen kaum möglich war, sich - wie von Tertullian verlangt - radikal von ihr abzuwenden. Der Verzicht auf die Schauspiele hätte für sie eine Isolation bedeutet, die zudem dem Christianisierungsprozess widersprach, der die paganen Bräuche und Institutionen dem christlichen iustus usus anpasste und in sein Weltbild integrierte.10 So arrangierte sich auch das christliche Kaiserreich mit den spectacula-, eine totale Theaterabstinenz war selbst nach der Anerkennung der christlichen Kirche als Reichskirche nicht durchsetzbar. Auch in der Doppelkultur von Heiden und Christen blieb das Theater folglich ein tief verwurzeltes Phänomen und damit ein Problem für die Kirche: Da Gottesdienste und ludi oftmals zeitlich zusammenfielen und die Christen den Theaterbesuch - trotz der Einwände der Kirchenväter - den liturgischen Ereignissen vorzogen, begann bereits in der Antike ein Kampf um die (Rück-)Gewinnung der Gläubigen für den christlichen Ritus. Päpste, Konzile und Kaiser bemühten sich seit Beginn des 4. Jahrhunderts die Durchführung der ludi und das Verhalten der Christen, die im Zwiespalt zwischen offiziellem Verbot und eigenem Schauspielenthusiasmus standen, zu reglementieren.11 Der Schauspielbesuch wurde in zahlreichen regionalen Konzilen unter Exkommunikation verboten, wobei die ausdrückliche Erwähnung des Klerus darauf schließen lässt, dass sich - wie im Siglo de Oro - selbst die Geistlichen nicht an die Verbote der Kirche hielten.12 Zwar hatten die ersten christlichen Autoren mit ihrer theaterfeindlichen Polemik zunächst wenig Erfolg, sie trugen jedoch in einem langen Prozess schlussendlich zur Vernichtung des spätantiken Theaterwesens bei,13 wobei der Kampf der Patristen gegen die spectacula die Haltung der Kirche gegenüber dem profanen Theater über Jahrhunderte prägte. Bevor hier nun auf die - von den Theatergegnern des Barock aufgenommenen - Argumente der Kirchenväter eingegangen wird, soll ein weiterer auf die Verdrängung der spectacula abzielender Prozess Erwähnung finden, der ebenfalls Parallelen zum Siglo de Oro aufweist: So versuchte die Kirche seit dem 4. Jahrhundert bewusst oder unbewusst Ersatz für die spectacula zu schaffen, indem sie an den Todestagen der Märtyrer große Festakte inszenierte. An den Märtyrerfeiertagen, die teilweise von eben den Bischöfen gestaltet wurden, die gegen das profane Theater predigten, wurden die Märtyrerakten in dramatisch inszenierten Dialogen verlesen und auch die Predigten waren auf größtmögliche Plastizität

10 Klaus Sallmann: »Christen vor dem Theater«, S. 249. 11 Heiko Jürgens: Pompa Diaboli, S. 248. 12 So formuliert Can. II des 3. Konzils von Karthago: »Ut filii episcoporum vel clericorum spectacula secularia non exhibeant, sed nec spectent [...].« Zitiert nach Werner Weismann: Kirche und Schauspiele., S. 105. 13 Das Ende der römischen Theaterkultur ist nicht genau zu datieren. Schnusenberg spricht von einem »Theatervakuum von etwa 400 Jahren (ca. 530-930 n.Chr.)«. Das Verhältnis von Kirche und Theater, S. 17. Sallmann verweist hingegen darauf, dass das Schauspielverbot noch in der Trullanischen Synode von 692 Erwähnung findet. »Christen vor dem Theater«, S. 253.

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ausgerichtet.14 In den christlichen Prozessionen wurde auch die pompa der heidnischen spectacula beibehalten.15

1.2

Vorstellung der berücksichtigten Patristen und ihrer Argumente gegen die spectacula

Da die Theatergegner des Siglo de Oro sich auf die Autorität der Patristen berufen und aus dem Fundus ihrer Argumente schöpfen, wird im Folgenden das Argumentarium der Kirchenväter dargelegt. Hierbei kann es freilich weder darum gehen, die Argumente der doctores ecclesiae vollständig aufzufuhren noch alle gegen die ludi polemisierenden Patristen zu berücksichtigen. Vielmehr müssen hauptsächlich die Argumente skizziert werden, die sich die Theaterkritiker des Barock zunutze machen. Deshalb werden hier die behandelten Kirchenväter und ihre sich mit den spectacula befassenden Werke, deren Auswahl sich aus den Traktaten des Siglo de Oro ergibt, benannt und in ihren Hauptargumenten dargestellt: So ist Quintus Septimius Florens Tertullianus als erster lateinisch christlicher Schriftsteller auch der erste, der zu den Schauspielen in einer eigenen Schrift, dem zwischen 197 und 201 entstandenen Traktat De spectaculis, Stellung nimmt. Die Schrift vermittelt - wie auch das Apologeticum (197) und De idolatría (196) - die spannungsreiche Situation zwischen Heiden und Christen, aus der der Kampf gegen das Theater resultiert. Tertullians Argumente bestimmen die Einwände aller späteren Autoren, von denen viele das Theater nicht aus erster Hand kennen,16 was offen legt, dass die Richtigkeit ihrer Vorstellungen über Jahrhunderte nicht in Zweifel gezogen wird, um einer zeitgemäßeren und analytischeren Beurteilung des Schauspielwesens Platz zu machen. Nur Augustin (354-430) geht mit seiner anthropologisch begründeten Analyse des Theaters in den Confessiones (397-401) und in De civitate dei (412-426) über die Grenzen der traditionellen Polemik hinaus. Caecilius Cyprianus (-200-258) verurteilt die spectacula in seinem um 246 entstandenen Traktat Ad Donatvm, in dem er - kurz nach der eigenen Konversion - das mit der Taufe geschenkte neue Leben den Missständen des öffentlichen Lebens in der römischen Gesellschaft gegenüberstellt. Weitaus nachhaltigere Wirkung hat aber sein Brief an Eucratius, in dem sich Cyprian als Bischof von Karthago auf pragmatischer Ebene mit dem Schauspielberuf auseinandersetzt, den er als Sünde verurteilt. Die unter seinem Namen überlieferte Schrift De spectacvlis, in der Tertullians Traktat die unmittelbarste Nachwirkung findet, wird heute Novatian zugeschrieben.17 Laktanz (-260-340) befasst sich mit dem Theater in seinem Hauptwerk Divinae institutiones (304-311), in dem er die Christenverfolgung verurteilt und

14 So bemühte sich auch Augustin um die publikumswirksame Gestaltung des Märtyrerkults und ließ Berichte über Heilungswunder verfassen, die er zusammen mit den Märtyrerakten im Gottesdienst verlas. Die mit dieser Entwicklung einhergehende zunehmende Profanisierung der Märtyrerfeste lief der ursprünglichen Absicht der Kirche freilich zuwider. Theofried Baumeister: »Das Theater in der Sicht der Alten Kirche«, in: Günter Holtus (Hg.), Theaterwesen und dramatische Literatur. Beiträge zur Geschichte des Theaters. Tübingen: Francke 1987, S. 120. (Mainzer Forschungen zu Drama und Theater Bd. 1). 15 Klaus Sallmann: »Christen vor dem Theater«, S. 253. 16 Heiko Jürgens berichtet von Arnobius, Laktanz, Hieronymus und Isidor von Sevilla, dass sie die antike Schauspielrealität nur durch Mittelsmänner und aus schriftlichen Zwischenquellen kannten. Pompa Diaboli, S. 33 ff. 17 Weismann bezeichnet Novatians Schauspielbuch als eine »gestraffte und geglättete Version von Tertullians Schrift de spectaculis«. Wemer Weismann: Kirche und Schauspiele, S.200.

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dem Götterkult der Heiden die christliche Lebensführung als alleinigen Heilsweg entgegenstellt.18 Am Ausfuhrlichsten wird von den Theatergegnern des Siglo de Oro Johannes Chrysostomus (-349-407) zitiert, der für die theaterfeindliche Haltung der Ostkirche steht.' 9 Besonders publikumswirksam bezieht er in seine bibelexegetischen Homilien und Predigten immer wieder Fragen der christlichen Lebensführung ein und versucht so auch, seine Gemeinde vom Theaterbesuch fernzuhalten. Mit Salvianus von Marseille (-400-480) bekommt die Theaterverurteilung eine neue Dimension: Als Zeitzeuge einer der vier Zerstörungen Triers deutet er diese in seiner Mahnschrift De gvbernatione dei als Gottes bereits ablaufendes Gericht und führt dessen Strafen unter anderem auf die Sündhaftigkeit des Schauspielwesens zurück. Seltener zitiert werden in den Schriften der spanischen Theatergegner Clemens von Alexandrien (-140-220), der im dritten Buch des Paedagogus vor dem Schauspielbesuch warnt,20 Arnobius, der in seiner Apologie Adversus Nationes (303-305) gegen die Einrichtung des Theaters als Betätigungsfeld der Dämonen polemisiert, und Isidor von Sevilla (-560-636), der die Schauspiele in den Etymologiae bereits aus der Retrospektive betrachtet. Hieronymus (-347-420) wird - durch seine Propagierung des Askeseideals und sein Eremitendasein - zumeist nur als >ParadeAsketiker< zitiert, weshalb er hier keine Berücksichtigung findet. Abschließend sei bemerkt, dass die Polemik gegen die spectacula keine Erfindung der Christen, sondern eine Fortsetzung der nicht-christlichen philosophischen Kritik ist,21 die erst durch den Vorwurf der Idolatrie ein spezifisch christliches Profil bekommt und zusätzlich an Schärfe gewinnt. Dass sogar die Heiden die verderbliche Wirkung der spectacula erkannt haben, ist für die Kirchenväter ein zusätzlicher Ausweis der Verwerflichkeit der

18 Lexikon der antiken christlichen Literatur. Hg. von Siegmar Döpp und Wilhelm Geerlings. Freiburg im Breisgau u.a.: Herder 3 2002, S. 443. 19 Die Theaterkritik der griechischen Kirchenväter wurde bisher in der Sekundärliteratur vernachlässigt, so konzentrieren sich Jürgens und Weismann auf die lateinischen Kirchenväter. Schnusenberg nimmt zwar die Theaterkritik der West- und Ostkirche in den Blick, behandelt beide aber nur in Querschnittsuntersuchungen, um sich mit der Entstehung des liturgischen Dramas zu befassen. - Da Chrysostomus' Theaterverurteilung durch ihren Appellcharakter und ihren direkten Adressatenbezug besondere Überzeugungskraft aufweist, wird sie von den Theaterkritikern des Siglo de Oro - neben Tertullian - wohl am Häufigsten zitiert. Der griechische Kirchenvater wird im Folgenden zitiert nach: Des heiligen Kirchenlehrers Johannes Chrysostomus Erzbischofs von Konstantinopel Kommentar zum Evangelium des Hl. Matthäus. Aus dem Griechischen übersetzt von Dr. P. Joh. Chrysostomus Baur, OSB, Bd. 1. Kempten/München: Kösel 1915 (BKV 23); Bd. 2 (1916, BKV 25). Es wird nur die jeweilige Homilie des Matthäus-Kommentars (mit der Paginierung nach den Ausgaben der BKV) angegeben. 20 Der - im Original griechische - Paedagogus wird ebenfalls nach der Ausgabe der BKV zitiert: Des Clemens von Alexandreia der Erzieher Buch II-III. Welcher Reiche wird gerettet werden? Aus dem Griechischen übersetzt von Dr. Otto Stählin. München: Josef Kösel/Friedrich Pustet 1934. (BKV, 2. Reihe Bd. 8). 21 So verurteilen die klassischen Schriftsteller die Maßlosigkeit der Bühnendarstellungen als Verstoß gegen den sakralen Mos Maiorum. Dabei berührt sich die Kritik der Kirchenväter vor allem mit Tacitus, Plinius und Juvenal. So hatte schon Tacitus die sittenschädigende Wirkung des Theatermilieus, wo Zügellosigkeit und turpes amores aufeinander treffen, getadelt und die Demoralisierung der Städte sowie die Pervertierung der Gesetze durch die Schauspiele beklagt. Jean-Marie André: Griechische Feste, Römische Spiele, S. 231.

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ludi.22 Sind die beiden immer wieder neu formulierten Hauptargumente der Patristen gegen die spectacula folglich Idolatrie und Unsittlichkeit, so bietet die Verknüpfung beider Aspekte ihnen die Möglichkeit, die Unmoral des heidnischen Götterglaubens anzuklagen. Während die Kritik des Götzendienstes mit der zunehmenden Christianisierung in den Hintergrund tritt, hält sich der Vorwurf der Unsittlichkeit und der generellen Abwendung vom christlichen Glauben über Jahrhunderte und erfährt seine Renaissance u.a. im spanischen Barock. Um die Instrumentalisierung der patristischen Argumente durch die Autoren des Siglo de Oro in den folgenden Kapiteln besser herausarbeiten zu können, wird das Argumentarium der Kirchenväter gegen die Spiele und insbesondere das Theater hier nach verschiedenen Verurteilungsmotiven kategorisiert, die sich auch in den Texten der spanischen Theaterkritiker wiederfinden. Augustins Theaterkritik wird wegen ihrer herausragenden Stellung gesondert erfasst.

1.2.1 »Renuntio diabolo et pompae et angelis eius«: Die spectacula als pompa diaboli Vor dem Hintergrund einer vom Heidentum dominierten Kultur, in der die Christen diffamiert und verfolgt wurden, ergibt sich die patristische Verurteilung der spectacula zunächst aus der Ablehnung der heidnischen Bräuche, die den Theaterbesuch als Götzendienst mit dem Christsein unvereinbar macht. Dabei manifestiert sich der Votivcharakter der spectacula für Tertullian zum einen in der architektonischen Verbindung von Venustempel und Theater, die er als Taktik des Pompejus darstellt, um das Theater gegen moralische Einwände abzuschirmen.23 Zum anderen kommt der idolatrische Charakter der Spiele aber auch in der pompa circensis, der kultischen Prozession, zum Ausdruck, die Tertullian in Bezug zur pompa diaboli setzt. So interpretiert er die renuntiatio diaboli in der Taufe als Absage an die ludi und folgert daraus den Ausschluss der Theaterbesucher aus der Gemeinschaft der Christen, denn der Theaterbesuch entspricht der Anerkennung heidnischer Werte und ist damit Apostasie.24 Folglich definiert Tertullian die Meidung der ludi als - in der 22 So konstatiert Tertullian: »Nam saepe censores nascentia cum maxime theatra destruebant moribus consulentes, quorum scilicet periculum ingens de lasciuia prouidebant, ut iam hinc etnicis in testimonium cedat sententia ipsorum nobiscum faciens et nobis in exaggerationem disciplinae etiam humanae praerogatiua.« Tertullien: Les spectacles. De spectaculis. Introduction, texte critique, traduction et commentaire de Marie Turcan. Paris: Les Editions du Cerf 1986, 10, 4 (SC 332, S. 184). Im Folgenden nach dieser Ausgabe zitiert unter dem Kurztitel Tertullian: De spectaculis. 23 Tertullian: De spectaculis 10, 5 (S. 186). Tertullians Deutung dieser Baugeschichte ist zutreffend. So wollte Pompejus mit der Integration des Tempels für die Venus victrix tatsächlich einem möglichen Abriss des Theaters durch den Senat vorbeugen. Ferdinand Barth: »Theater«, in, TRE, Bd. 33 (2002), S. 175-195, hier S. 177. 24 Diese Argumentation wird von fast allen Kirchenvätern übernommen, so fasst auch Salvian den Theaterbesuch als Bruch mit dem Taufsiegel und Anerkennung des Teufels auf. Im vierten Jahrhundert wurde die Absage an die Schauspiele explizit in die liturgische Formel der Taufe, die Salvian wie folgt überliefert, aufgenommen: »abrenuntio, inquis, diabolo, pompis, spectaculis et operibus eius.« Zitiert nach Hugo Rahner, S.J.: »Ein Beitrag zur Bedeutungsgeschichte des Wortes tro^irri- pompa in der urchristlichen Taufliturgie«, in: Zeitschrift fiir Katholische Theologie 25 (1931), S. 269. Die Stellungnahmen der Patristik zum Theater wurden auch in den kirchlichen Erlassen offiziell. So waren am Schauspielberuf Beteiligte laut den Synoden von Elvira (302) und Arles (314) gezwungen, vor der Taufe ihren Beruf aufzugeben, getaufte Schauspieler wurden aus der Kirchengemeinde ausgeschlossen. Auch hier klafften Vorschrift und Realität jedoch auseinander. Klaus Sallmann: »Christen vor dem Theater«, S. 250. Der fortgesetzte Theaterbesuch der Christen nötigte die Kirche zur Nachsicht, so wird im vierten Konzil von Karthago (399) nur noch gefordert, dass sich Neugetaufte eine Zeit lang von den

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Realität allerdings kaum funktionierendes - Unterscheidungszeichen zwischen Heiden und Christen. Während Novatian noch bestätigt: »Idolatria [...] ludorum omnium mater est«25, verliert diese Begründung des Schauspielverbots zunehmend an Bedeutung. Tertullian teilt die Welt konsequent in zwei Herrschaftsbereiche - den des Teufels, der Urheber des falschen Götterkults ist und den Gottes, des wahren Weltschöpfers. Da der Teufel den Menschen - auch durch den Theaterbesuch - zum Missbrauch der göttlichen Schöpfung verleiten will, muss der Mensch sich entscheiden, wem von beiden er Tribut zollt.26 Vor diesem Hintergrund ist Tertullians Anekdote zu verstehen, dass eine Frau dämonenbesessen aus dem Theater zurückgekehrt sei und der »immundus spiritus« sich beim Exorzismus verteidigt habe, die Christin rechtmäßig besetzt zu haben, weil sie sich in seinem Herrschaftsbereich befand. Die Veranstaltungsorte der spectacula sind nach dem Verdikt der Kirchenväter folglich Hauptaktionsstätten des Teufels, wobei Tertullian die Engel als alles überblickende Kontrollinstanz darstellt, um dem Schauspielbesucher die Unvermeidbarkeit seiner Strafe psychologisch geschickt vor Augen zu fuhren.27 Auch Salvian und Cyprian begreifen das Theater als von den Dämonen zum Verderben der Menschheit eingeführte Huldigungsveranstaltungen. Salvian interpretiert die ludi folglich als Beleidigung Gottes und Auflehnung gegen ihn, weshalb der Theaterbesucher nicht auf Gottes Gna-

spectacula fernhalten. Exkommuniziert wird nur, wer durch den Theaterbesuch seine Sonntagspflicht verletzt. Heinrich Alt: Theater und Kirche in ihrem gegenseitigen Verhältniß historisch dargestellt, Berlin: Verlag der Plahnschen Buchhandlung 1846, S. 319. Kurios erscheint in diesem Zusammenhang, dass Augustin in De baptismo angesichts der Überlieferung, dass sich ein Schauspieler durch die zur Verspottung christlicher Riten nachgespielte Taufe bekehrt gefühlt haben soll, darüber reflektiert, ob eine im Theater gespendete Taufe wirksam sein kann und dies - mit einigen Konzessionen - bejaht. Werner Weismann: Kirche und Schauspiele, S. 52. Genesius, der durch die im Theater gespielte Taufe bekehrt wurde und den Märtyrertod starb, wurde - wie die bekehrte St. Pelagia Mima - zum Schutzpatron der Schauspieler. Heinrich Alt: Theater und Kirche, S. 320. 25 Novatian: »De spectacvlis«, in, Novatiani Opera, qvae svpersvnt nvnc primvm in vnvm collecta ad fidem codicvm, qvi adhvc extant, necnon adhibitis editionibvs veteribvs edidit G. F. Diercks. Tvrnholti: Typographi Brepols Editores Pontificii 1972, S. 167-179, hier 4, 4 (CCL 4, S. 171). Die idolatria war vor dem Hintergrund eines Kultur- und Religionskonflikts ein Kapitalverbrechen, das der Häufung mehrerer Todsünden gleichkam. So definiert das Konzil von Eliberitanum um 300 n.Chr. die idolatria als crimen principale, das Konzil von Karthago verbietet den Theaterbesuch noch 419 mit der Begründung der Blasphemie. Cf. Christine Schnusenberg: Das Verhältnis von Kirche und Theater, S. 34 und 44f. 26 De spectaculis 26, 4 (S. 294). Tertullian geht hier auf Mt 6, 24 zurück: »Nemo potest duobus dominis servire«. Die Bibel wird im Folgenden nach der 1592 herausgegebenen Sixto-Clementina zitiert, die auf der Rezension der im Tridentinum als authentisch anerkannten Vulgata basiert und erst 1979 durch die Nova Vulgata abgelöst wurde, also der verbindliche Bibeltext des Siglo de Oro war: Biblia Sacra. Vulgatae editionis iuxta PP. Clementis VIII. decretum. Ed.: Gianeranco Nolli/Alberto Vaccari. Nova editio. Rom: Officium libri catholici 1955. 27 So konstatiert er unter Hinweis auf das Gottesgericht: »[...] sed recogita, quid de te fiat in caelo. Dubitas enim illo momento quo in diaboli in ecclesia furis omnes angelos prospicere de caelo et singulos denotare, quis blasphemiam dixerit, quis audierit, quis linguam, quis aures diabolo aduersus deum ministrauerit?« Tertullian: De spectaculis 27, 2f. (S. 298). Das kompromisslose Urteil der Kirchenväter gegenüber dem Theater muss auch vor dem Hintergrund des Dämonenglaubens verstanden werden: So sind die Dämonen nach altkirchlicher Auffassung real existierende apostate Engel, die sich als Gottheiten ausgegeben haben, um die Menschen zu ihrer Anbetung zu verfuhren. Theofried Baumeister: »Das Theater in der Sicht der Alten Kirche«, S. 116.

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de zählen könne. Da die christlichen Theatergänger durch ihren Glauben im Besitz der Wahrheit sind und somit wissentlich gegen Gottes Gesetz verstoßen, sündigen sie aus der Sicht der frühen Kirche schwerer als die Heiden.28 Auch Chrysostomus bezeichnet die Theaterbesucher als Kaptive des Teufels und spricht den Bann der Exkommunikation gegen sie aus, wobei er an anderer Stelle - wohl aus der realistischen Einschätzung, dass eine totale Theaterabstinenz der Christen nicht durchsetzbar war - vom Theaterbesucher fordert, wenigstens vor dem Kirchgang zu beichten. So tadelt er auch das Eindringen der verderbten Sitten in den Kirchraum sowie die Unkenntnis von Liturgie und heiliger Schrift gegenüber der Kenntnis der Theaterlieder. Das Zuschauen im Theater verurteilt er als >Hurerei< der Augen und Ohren und moniert, dass die Menschen das Theater als Tempel des Teufels der Kirche Gottes vorziehen, denn während der Besucher des Gottesdienstes sich das ewige Leben sichere, erwarte den Theaterzuschauer die ewige Verdammnis.29 Chrysostomus' Argumentation legt offen, dass der griechische Kirchenvater eine Konkurrenz zwischen Theater und Kirche wahrnimmt, die er mit seinen Predigten - wie er ausdrücklich bemerkt - zugunsten der Kirche zu entscheiden versucht. Die Konkurrenzsituation gewinnt mit der Ausbreitung des Christentums an Brisanz. So moniert auch Salvian, dass die Christen das todbringende Vergnügen des Theaters der heilsbringenden Botschaft des Evangeliums vorziehen und konstatiert lakonisch: »Ecclesia uacuatur, circus impletur«30. In Ermangelung eines direkten Bibelbelegs für das Schauspielverbot, fuhrt Tertullian mehrere - von den folgenden Patristen wiederholte - Bibelstellen an, aus denen er die Pflicht ableitet, die spectacula zu meiden. Auch diese folgen der Opposition gottgefälligchristlich versus teuflisch-heidnisch,31 wobei Tertullian darauf insistiert, dass ein christliches Leben Weltabkehr verlange, denn »quia saeculum Dei est, saecularia autem diaboli«32. So wird die Entscheidung, das Theater zu besuchen oder es zu meiden - jenseits aller Fra-

28 Salvien de Marseille: Œuvres, T. 2. De gvbernatione dei. Du gouvernement de dieu. Introduction, texte critique, traduction et notes par Georges Lagarrigue. Paris: Les Editions du Cerf 1975, VI 2, 9 (SC 220, S. 366). Im Folgenden nach dieser Ausgabe zitiert unter dem Kurztitel Salvian: De gvbernatione dei. 29 »Wenn dich jemand einladen würde, in den Palast des Königs einzutreten, um dir den König auf seinem Throne zu zeigen, würdest du es vielleicht vorziehen, dir statt dessen das Theater anzusehen? Und doch hättest du gar nichts dabei zu gewinnen! Hier dagegen entspringt diesem Tisch [des Herrn] ein Strom geistigen Feuers; und dem kehrst du nur so den Rücken und läufst ins Theater, um badende Weiber zu sehen, die ihr Geschlecht entehren, und Christus lässest du allein beim Brunnen sitzen? [...]; denn auch jetzt kommt es vor, daß niemand bei ihm ist, sondern die einen sind nur dem Leibe nach da, die anderen überhaupt nicht. Du hingegen wendest dich ab von der Quelle des Blutes, von dem geheimnisvollen Kelche, und gehst zur Quelle des Teufels, [...].« Chrysostomus: 7. Homilie ad Mt, 6 (S. 128). Chrysostomus' Erwähnung von »badenden Weibern« ist wohl damit zu erklären, dass die Orchestren seit Ende des 1. Jahrhunderts in ein Wasserbassin verwandelt werden konnten, auf dem Wasserballes und Revuen stattfanden. Klaus Sallmann: »Christen vor dem Theater«, S. 244. Jürgens verweist ebenfalls auf »Darbietungen in einem Wasserbecken auf der Bühne«. Pompa Diaboli, S.236f. 30 Salvian: De gvbernatione dei VI 7, 38 (S. 386). 31 So z.B. der von den Kirchenvätern häufig angeführte erste Psalm Davids (Ps 1,1): »Beatus vir, qui non sequitur consilium impiorum, et viam peccatorum non ingreditur, et in conventu protervorum non sedet.« 32 Tertullian: De spectaculis 15, 8 (S. 230) wie auch De spectaculis 14, 2 (S. 222). Tertullian stützt sich hierbei u.a. auf 1 Joh 2, 15f: »Nolite diligere mundum, neque ea quae in mundo sunt. Si quis diligit mundum, non est Charitas Patris in eo: quoniam omne quod est in mundo, concupiscentia carnis est, et concupiscentia oculorum, et superbia vitae: quae non est ex Patre, sed ex mundo est. Et mundus transit, et concupiscentia eius. Qui autem facit voluntatem Dei, manet in aetemum.«

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gen der Ästhetik, des Kunstgenusses oder der Erholung - zu einer Entscheidung für oder gegen Gott.

1.2.2 Die positiven Elemente der spectacula als Lockmittel des Teufels Da biblische Belege für ein Theaterverbot fehlen und moralische Bedenken nicht ausreichen, um die Christen vom Theater fernzuhalten, versuchen die Kirchenväter die spectacula mit allen Mitteln der Rhetorik als Werkstatt des Teufels auszuweisen. Die Darstellung des Theaters als Erfindung der Dämonen ermöglicht es ihnen zudem, die Attraktivität des Theaters als tödliche Köder zu entlarven. So deutet Tertullian die positiven Elemente des Theaters, wie die Musik und die schöne Sprache, als Täuschungsmanöver des Teufels, der die Christen für sich einzunehmen versucht. Tertullians metaphorische Darstellung der attraktiven Elemente des Theaters als Honigguss, der vom vergifteten Pfannkuchen tropft,33 wird von fast allen Kirchenvätern in ähnlicher Weise adaptiert. So argumentiert auch Cyprian, dass die attraktive Inszenierung die Verführungskraft des Theaters steigert;34 Laktanz mahnt den Christen, nicht durch Lieblichkeit verlockt, in die Fallstricke des Teufels zu geraten. Chrysostomus warnt vor der Verfuhrung durch die Musik und stellt den Teufel als Lehrmeister der Schauspieler und diese somit als dessen Multiplikatoren dar,35 wobei die Gefahr des Theaters für Chrysostomus vor allem darin besteht, dass die Menschen sich ihrer Verführung nicht bewusst sind, da sie die Gefahr und den Ort ihres Verderbens als Vergnügen und Ort der Freude verkennen.

1.2.3 Die Missbilligung der Ausführenden: die moralische Verdorbenheit der Schauspieler Tertullian deckt den Widerspruch auf, dass die Schauspieler einerseits favorisiert und verehrt, anderseits aber durch das offizielle Urteil der infamia aus der Gesellschaft ausgestoßen werden,36 wobei er die gesetzliche Rechtlosigkeit der Akteure als Bestätigung für die Schadhaftigkeit ihres Berufs wertet. So wird die Mimin, die mit der Darstellung erotischer Szenen und ihrem bisweilen nackten Auftreten auf der Bühne die fundamenta virtutum untergräbt, von den Patristen der Unsittlichkeit angeklagt37 und den meretrices gleichgesetzt. Tertullians Monitum, dass sich im Theater Dirnen öffentlich anpreisen, resultiert aber auch aus deren wirklichem Bühnenauftritt an bestimmten Festen. So beklagt auch Laktanz, dass die Dirnen bei den Floralia die Rolle der Schauspielerinnen übernehmen und sich auf

33 Tertullian: De spectaculis 27, 5 (S. 300). 34 »Nec deest probri blandientis auctoritas, ut auditu molliore pernicies hominibus obrepat.« Caecilius Cyprianus: »Ad Donatvm«, in, Sancti Cypriani episcopi opera. Pars 2. Edidit M. Simonetti.Tvrnholti: Typographi Brepols Editores Pontificii 1976, S. 3-13, 8 (CCL 3A, S. 8). 35 Chrysostomus: 6. Homilie ad Mt 6 (S. 113). 36 »Quanta peruersitas! Amant quos multant, depretiant quos probant, artern magnificant, artificem notant.« Tertullian: De spectaculis 22, 3 (S. 272). Auch Arnobius verurteilt die Verehrung der Schauspieler. Arnobii Adversvs Nationes libri VII. Recensvit et commentario critico instruxit Avgvstvs Reiferscheid. Vindobonae: C. Geroldi Filivm Bibliopolam Academiae 1875, IV, 35f. (CSEL 4, S. 169ff.). Die Bewunderung der Schauspieler ging tatsächlich so weit, dass Privathäuser und öffentliche Gebäude mit ihren Portraits geschmückt waren. Das römische Recht betrachtete die Schauspieler als unehrenhaft, sofern ihr Spiel als ars ludicra vergütet wurde. Gleichzeitig wurden die Schauspieler aber durch Zwang und Belohnung an der Aufgabe ihres Berufs gehindert. Heiko Jürgens: Pompa Diaboli, S.197 und S. 207. Cf. auch supra: Anm. 9. 37 Cf. Tertullian: De spectaculis

17, 2f. (S. 238ff.).

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Wunsch der Anwesenden während der Auffuhrungen entkleiden.38 Nicht nur die Entkleidung der Frau auf der Bühne wird aber kritisiert, sondern auch ihr übertriebener Kleiderkult, der auf die Zuschauer abfärbe und so auch den Sittenverfall der Gesellschaft vorantreibe. Ebenso heftige Verurteilungen wie die Schauspielerinnen treffen die männlichen Pantomimen, die aufgrund ihrer gymnastisch-tänzerischen Versiertheit und des abrasierten Bartes der Weiblichkeit angeklagt und von den Kirchenvätern aufgrund ihrer »effeminata ars« als »semiviri«39 diffamiert werden. Als Beleg für die Sündhaftigkeit des Geschlechtsrollentauschs wird dabei seit Tertullian das Verbot des Kleidertauschs im Deuteronomium angeführt.40 So stößt Cyprian rund 50 Jahre später auf eben dieser Grundlage, einen Schauspiellehrer aus seiner Gemeinde aus, weil dieser seine Schüler lehre, ihr Geschlecht gegen die Natur zu verändern. Recht pragmatisch bietet Cyprian aber an, den - durch die Berufsaufgabe in Armut stürzenden - Schauspiellehrer auf Kosten der Kirche zu ernähren, was freilich nicht als eine Entschädigung zu verstehen sei, da der Berufsverzicht ja zugunsten seines Heils geschehe.41

1.2.4 Die Verurteilung der Institution: die Grausamkeit der munera und das Theater als Schule der Unsittlichkeit Da die spectacula von den Kirchenvätern zumeist nicht differenziert betrachtet werden, sei hier zumindest kurz die einmütige Kritik an der Grausamkeit des Amphitheaters, in dem sich die Zuschauer aus der Sicht der Patristen an den Bluttaten mitschuldig machen, sowie die christliche Verurteilung des furor circensis erwähnt, der die Parteien des Circus in blutige Auseinandersetzungen trieb. Auch die Verurteilung des Veranstaltungsorts bezieht sich zumeist undifferenziert auf alle spectacula, die als Massenveranstaltungen zu Artikulationsforen wurden, von denen gerade für die christliche Minderheit gefahrliche Impulse ausge-

38 L. Caeli Firmiani Lactanti: Divinae Institutiones I-VII, in, Opera omnia. Accedvnt Carmina eivs, quae fervntvr, et L. Caecili, qvi inscriptvs est de mortibvs persecvtorvm liber. Recensvervnt Samuel Brandt et Georgivs Lavbmann. Pragae/Vindobonae: F. Tempsky; Lipsiae: G. Freytag 1890, S. 1- 672, hier I 20, 10 (CSEL 19, S. 73). Im Folgenden nach dieser Ausgabe zitiert unter dem Kurztitel Laktanz: Divinae Institutiones. 39 Gerhard Binder: »Pompa diaboli: das Heidenspektakel und die Christenmoral«, in, Gerhard Binder/Bernd Effe (Hg.), Das antike Theater: Aspekte seiner Geschichte, Rezeption und Aktualität, Trier: Wissenschaftlicher Verlag 1998, S. 128f. Novatian moniert, dass die Pantomimen sogar die Frauen an Weichlichkeit überträfen. »De spectacvlis« 6, 6 (S. 175). Die Beurteilung dieser Kunst als pervers geht auch auf die paulinische Interpretation der Imago Dei zurück, nach der der Mann Abglanz Gottes, die Frau aber Abglanz des Mannes ist (1 Kor 11,7). 40 So konstatiert Tertullian: »Ceterum cum in lege praescribit maledictum esse qui muliebribus uestietur, quid de pantomimo iudicabit, qui etiam muliebribus curatur?« De spectaculis 23, 6 (S. 278). Er leitet dies aus Dtn 22, 5 ab: »Non induetur mulier veste virili, nec vir utetur veste feminea: abominabilis enim apud Deum est qui facit haec.« 41 »Epistvla 2. Cyprianvs Evcratio Fratri S.«, in, Sancti Cypriani episcopi epistvlarium. Ad fidem codicvm svmma cvra selectorvm necnon adhibitis editionibvs prioribvs praecipivis edidit G.F. Diercks. Tvrnholti: Typographi Brepols Editores Pontificii 1994, S. 6-8. (CCL 3B). Die Schauspieler wurden zu Anfang des 4. Jahrhunderts per Synodalbeschluss aus der christlichen Gemeinde - und so auch von den Sakramenten - ausgeschlossen. Taufe und Eheschließung waren für sie folglich nur unter Berufsaufgabe möglich, so dass sie gezwungen waren, in Sünde zu leben. Theofried Baumeister: »Das Theater in der Sicht der Alten Kirche«, S. 116.

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hen konnten.42 Weiterhin werden die Orte aufgrund der Zusammenkunft von Männern und Frauen und der Begünstigung von Galanterie, Promiskuität, Gaunereien und aller Art von Streit verurteilt. Die Schaubühne insbesondere wird zudem wegen ihrer - mit der Prostitution eng verbundenen - moralischen Verkommenheit angeprangert. So wird das Theater mit den Adjektiven »turpis« und »obscoenus« belegt und von Tertullian als »priuatum consistorium impudicitiae« verurteilt,43 in dem alles Verbotene Beifall finde und über die Sinne - durch Augen und Ohren - in den menschlichen Geist eindringe. Auch Chrysostomus verurteilt das Theater als »Meer der Unzucht«, das zum Heilsverlust führt.44 Er bezeichnet die Libretti der Pantomimen als Bordellgesänge45 und betont, dass die Darbietungen mit der Würde der Frau unvereinbar seien, wobei er immer wieder die Nacktheit der Schauspielerin in den Blick nimmt.46 Die Anwesenheit der Frau auf der Bühne wird mit Berufung auf Mt 5, 28 - »Quia omnis qui viderit mulierem ad concupiscendum eam, iam moechatus est eam in corde suo« von allen Kirchenvätern kritisiert. Es wird aber nicht nur die Gefährdung der Integrität der männlichen Zuschauer hervorgehoben, sondern ebenso betont, dass der Zuschauerin durch die Unsittlichkeit der Darstellung der Verlust ihrer natürlichen Scham und ihrer Keuschheit drohe.47 Dabei gelten vor allem die unzüchtigen Bewegungen und der gemeinsame Tanz von mimus und mima als Verführung ad libidinem. Da die inhaltliche und sprachliche Gestaltung der Aufführungen aus der Sicht der Patristen ebenfalls schamlos ist,48 stellen sie die ludi scaenici als Hort der Sittenlosigkeit dar, der über alles Schändliche informiert und die Zuschauer wie eine Schule darin unterrichtet. Dabei erschöpft sich die Beschreibung der Dramenhandlung großenteils in der plakativen Nennung von »stupra uirginum« und »amores meretricum« für die Komödie und »parricidia et incesta« für die Tragödie,49 wobei alle Kirchenväter von der aufgeführten Unmoral auf deren lustvolle Nachahmung durch die Zuschauer schließen. So schreibt Chrysostomus den Aufführungen ungeachtet ihrer Fiktio-

42 So erklärt Tertullian: »Odisse debemus istos conuentus et coetus ethnicorum, [...], illic quotidiani in nos leones expostulantur, inde persecutiones decernuntur, inde temptationes emittuntur.« De spectaculis 27, 1 (S. 294ff). 43 Tertullian: De spectaculis 17, 1 (S. 238). 44 »Du hingegen [...] gehst zur Quelle des Teufels, um eine badende Hure zu sehen und dabei an deiner Seele Schiffbruch zu leiden. Jenes Wasser [im Theater] ist ein Meer der Unzucht, das nicht dem Leibe, sondern der Seele den Untergang bringt. Sie schwimmt mit entblößtem Leibe, und du, der du zuschaust, versinkst in den Abgrund des Lasters.« Chrysostomus: 6. Homilie ad Mt 6 (S.129). Cf. supra: Anm. 29. 45 Gerhard Binder: »Pompa diaboli: das Heidenspektakel und die Christenmoral«, S. 130. 46 So fragt er die männlichen Theaterzuschauer: »Sag mir doch, mit welchen Augen wirst du hinfort zu Hause auf deine Frau blicken, nachdem du sie dort hast verhöhnen sehen? Und wie ist es möglich, daß du nicht errötest beim Gedanken an deine Lebensgefährtin, wenn du siehst, wie ihr Geschlecht daselbst dem Gespötte preisgegeben wird!« Chrysostomus: 6. Homilie ad Mt 7 (S. 114). Auch betont er die Gefahr, die der Anblick einer nackten Frau mit sich bringe: »Denn der Kot schadet dem Auge nicht so sehr, als ein unkeuscher Blick und das Anschauen eines entblößten Weibes.« 6. Homilie ad Mt 8 (S. 115). 47 So konstatiert Cyprian: »Adulterium discitur dum uidetur, et lenocinante ad uitia publicae auctoritatis malo quae pudica fortasse ad spectaculum matrona processerat, de spectaculo reuertitur impudica.« Cyprian: »Ad Donatvm« 8 (S. 7f.). 48 So stellt Clemens von Alexandrien die rhetorische Frage: »Denn welches Ding ist so schändlich, daß es in den Theatern nicht gezeigt würde? Welches Wort ist so schamlos, daß es die Possenreißer nicht vorbrächten?« Der Erzieher III, XI 77, 2 (S. 202). 49 Laktanz: Divinae Institutiones VI 20, 27f. (S. 560). Eine ähnliche Handlungsbeschreibung bieten auch Cyprian: »Ad Donatvm« 8 (S. 7) sowie Tertullian: De spectaculis 17, 7 (S. 246ff.).

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nalität die Wirkung zu, Ehebruch und Untreue zu provozieren und so die Familien zu zerstören.50 Auch Cyprian betont, dass die Inszenierung der Schandtaten im Theater den Zuschauern als »alimenta uitiorum«, als Vorbild und Rechtfertigung für eigene Laster diene und folglich ein Impuls für das Begehen immer neuer Sünden sei.51 Die Einladung zur Imitation wird als um so wirkungsvoller beurteilt, als die Protagonisten der Dramen zumeist Götter sind und ihre Laster den Heiden so als nachahmenswürdig erscheinen müssen.52 Die Darstellung mythologischer Sujets wird allerdings nicht nur verurteilt, weil sie den christlichen Moralvorstellungen entgegensteht und aus der Sicht der Patristen zur imitatio anregt. Sie wird auch als Blasphemie zurückgewiesen.

1.2.5 Die Zügellosigkeit der Zuschauer und deren Heilsgefährdung im Theater Neben dem demoralisierenden Inhalt der Auffuhrungen wird die Schwäche des Menschen und seine grundsätzliche Disposition zur Sünde hervorgehoben, die aus der Sicht der Patristen zur Folge hat, dass nur die Meidung der spectacula dem Menschen Seelenruhe und Heilsgewinn garantiert. Wer das Theater besucht, trägt folglich zu seiner eigenen Vernichtung bei, indem er die Hoffnung auf die Ewigkeit verhöhnt.53 Verstoßen die Greise durch den Theaterbesuch zudem gegen die Würde ihres Alters, so tragen die jungen Männer und Frauen,54 die moralisch noch nicht gefestigt sind und der Zügelung ihrer Leidenschaften bedürfen, besonders großen Schaden davon, wobei ihr Theaterbesuch der Verantwortungslosigkeit der patres familias angelastet wird, die ihre Töchter im Theater Erfahrungen aussetzen, von denen sie sie im öffentlichen Leben fernhalten.55 Eine solche Inkonsequenz werfen die Kirchenväter allen Theatergängern vor, da sie tun, was sie nicht ohne Scham erzählen können und wofür sie ihre Dienerschaft bestrafen würden.56 Tertullian führt das widersprüchliche Verhalten der heidnischen spectacula-Besucher auf deren fehlende Erleuchtung, die ihnen die Unterscheidung zwischen Gut und Böse nicht ermögliche, zurück. Den christlichen Theaterbesuchern, hält er hingegen vor, bei der Beurteilung ihrer Vergnügungen zu Selbsttäuschung zu neigen,57 womit er ihnen jede Urteilsfähigkeit über die ludi abspricht. Auch betont er, dass das Wertesystem der spectacw/a-Besucher so pervertiert sei, dass sie bereit seien, sich für das Vergnügen vom Glauben zu trennen. Stehen die Gefühlsregungen und Temperamentsausbrüche der Zuschauer im Theater aus der Sicht der Kirchenväter ohnehin im Widerspruch zur christlichen disciplina, so ist vor allem die Provokation des Lachens und der Leidenschaften - die, so wird immer wieder betont, alle

50 Chrysostomus: 6. Homilie ad Mt 8 (S 114). 51 Cyprian: »Ad Donatvm« 8 (S. 8). 52 Daraus folgert Cyprian auch die Unzüchtigkeit des heidnischen Lebenswandels: »O si et possis in illa sublimi specula constitutus oculos tuos inserere secretis, recludere cubiculorum obductas fores et ad conscientiam luminum penetralia occulta reserare: aspicias ab inpudicis geri quod nec possit aspicere frons pudica, uideas quod crimen sit et uidere, [...].« »Ad Donatvm« 9 (S. 8). 53 Cf. Salvian: De gvbernatione dei VI 11, 58f. (S. 400f.). 54 Die Sorge um die Sittlichkeit - nicht nur der jungen - Frau spiegelt sich auch in der römischen Gesetzgebung: So galt der Verstoß der Ehefrau gegen das Verbot ihres Mannes, die spectacula zu besuchen, als Scheidungsgrund. Werner Weismann: Kirche und Schauspiele, S. 96. 55 Chrysostomus: 7. Homilie ad Mt 7 (S. 133); Tertullian: De spectaculis 21, 2 (S. 264); Laktanz: Divinae Institutiones VI 20, 30f. (S. 560). 56 Chrysostomus: 7. Homilie ad Mt 7 (S. 132f.). 57 Tertullian: De spectaculis 1, 1 (S. 74ff.).

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Sinne (Augen, Ohren und Herz) betrifft - mit dem christlichen Ethos unvereinbar, denn der Christ, dem das irdische Leben zur Buße gegeben ist, hat keinen Grund zum Lachen.58 Neben der Abwendung des Theaterbesuchers von Gott - und somit von seinem eigenen Heilsziel - wird auch die Vernachlässigung der negotia und die daraus folgende Gewöhnung an den Müßiggang, die reiche Beschenkung der - oft mit Privatpersonen liierten Akteure und der große finanzielle Aufwand für die Ausrichtung der Spiele kritisiert.59 Ein weiteres Monitum gilt der Eitelkeit und dem Voyeurismus der Theaterbesucher,60 wobei die passiones aus der Sicht der Patristen durch die gemeinsame (An-)Teilnahme männlicher und weiblicher Zuschauer an der Aufführung um so heftiger stimuliert werden. So werde das Publikum im Theater dazu provoziert, seinen Gefühlen - von Schadenfreude, über Mitleid bis hin zu Lüsternheit und Begierde - freien Lauf zu lassen. Aufgrund der Hingabe der Zuschauer an die Sinnesfreude bezichtigt Salvian diese der >Hurerei im Geiste^', wobei schon die - durch den Anblick der Schauspielerin unvermeidbar entfachte (Mt 5, 28) - Konkupiszenz aus der Sicht der christlichen Kirche Sünde ist. Wer aber dubioserweise behaupte, eine solche Begierde nicht zu verspüren, mache sich zumindest der vanitas - des nutzlosen Tuns und damit der Zeitvergeudung - schuldig und provoziere durch seine Präsenz im Theater die Teilnahme und damit den Seelenruin anderer.62 Da es ohne Zuschauer keine Schauspieler gäbe, werden erstere teilweise schärfer kritisiert, wobei betont wird, dass die Schauspieler ihre Schamlosigkeit durch die Gunstbezeugungen des Publikums steigern. Jeder Besuch der spectacula ist damit mindestens schuldhafte Beteiligung.

1.2.6 Fremdherrschaft, Zerstörung und Untergang als Folgen der spectacula Die durch die spectacula ausgelöste Dekadenz der Gesellschaft spiegelt sich aus der Sicht der Patristik nicht nur in der allgemeinen Sittenverderbnis. Der christliche Vorbehalt gegen otium und voluptas, der die Verurteilung der ludi beherrscht, gipfelt in der Deutung des Niedergangs des Imperium Romanum als Folge der Vergnügungssucht. So interpretiert Salvian die Katastrophen der Völkerwanderungszeit als Gottes bereits ablaufendes Gericht über das sündige Volk und moniert, dass die Römer während der Belagerung Karthagos durch die Vandalen weiterhin die spectacula frequentierten und der Gefangenschaft der Körper durch die Feinde somit freiwillig die der Seele durch Zirkus und Theater hinzufügten. Da die Seele für den Christen aber das höchste Gut ist, ist er sich selbst durch den Be-

58 Chrysostomus, 6. Homilie ad Mt 6 (S. 111). 59 Clemens von Alexandrien: Der Erzieher III, XI 77, 4 (S. 202). Chrysostomus: 6. Homilie ad Mt 7 (S. 114) und Arnobius: Adversus nationes IV, 35f. (S. 169ff.). Da der Theaterbesuch in der Antike ein demokratisches Recht war, wurden die Aufführungen auf Staatskosten - bzw. auf Kosten einzelner Granden - finanziert, wobei den attischen Bürgern bisweilen sogar ein Tageslohn als Ersatz für den entgangenen Arbeitsverdienst gezahlt wurde. Jürgen Blänsdorf: »Antike Theaterbauten und ihre Funktion«, in: ders. (Hg.), Theater und Gesellschaft im Imperium Romanum. Tübingen: Francke 1990, S. 101. (Mainzer Forschungen zu Drama und Theater Bd. 4). 60 So moniert Tertullian: »Nemo denique in spectaculo ineundo prius cogitat nisi uideri et uidere.« De spectaculis 25, 3 (S. 286). Schon Ovid hatte - freilich mit anderer Intention - formuliert: »spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsae«. Ars 1, 97ff. 61 So konstatiert er: »Itaque in illis imaginibus fornicationum omnis omnino plebs animo fornicatur, et qui forte ad spectaculum puri uenerant de theatro adulteri reuertuntur.« Salvian: De gvbernatione dei VI 3, 19 (S. 374). 62 Chrysostomus: 7. Homilie ad Mt 6 (S. 130) und Tertullian: De spectaculis 15, 6 (S. 228).

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such der spectacula - so fuhrt Salvian weiter aus - ein größerer Feind als jeder äußere Feind es sein kann. Besonders drastisch wird Salvians Darstellung durch die ständige Gegenüberstellung von Tod und Lachen, von den qualvollen Schreien der Sterbenden und den Vergnügungsschreien der von furor und passiones ergriffenen Besucher der ludi.6i Nach demselben Muster interpretiert er auch die viermalige Zerstörung Triers als Folge der allgemeinen Sittenverderbnis und beklagt, dass jeder Niedergang zu noch mehr Sittenlosigkeit gefuhrt habe.64 Obwohl der Mensch gerade in Zeiten der Not bemüht sein müsse, Gott zu versöhnen, hätten die spectacula nur dort ein Ende gefunden, wo die Städte bereits vernichtet seien - also nicht aufgrund von Läuterung, sondern durch die materielle Unmöglichkeit der Auffuhrung gezwungen. Wie von der Belagerung Karthagos zeichnet der Kirchenvater auch ein Horrorszenario von der dritten Zerstörung Triers, inmitten der der Adel nach der Ausrichtung von Spielen verlangt habe, weshalb der vierte Untergang der Stadt aus Salvians Sicht verdientermaßen folgen musste.65 »Consepulti enim sumus cum illo per baptismum in mortem« (Rom 6, 4)

1.2.7 Die Minderwertigkeit der Fiktion »non amat falsum auctor veritatis«66 Bei der Beurteilung der Fiktion folgen die Patristen dem Verdikt der Stoiker, die die Tragödie als Lehrmeisterin der Illusion und der falschen Wertvorstellungen zurückweisen, wobei Tertullian aus dem Bildnisverbot des Dekalogs ein allgemeines Mimesisverbot ableitet, da der »auctor veritatis« alles Falsche verachte. So tadelt er die Kostümierung der Schauspieler und lehnt die Fiktion gänzlich ab, denn »adulterium est apud illum [sc. auctor ueritatis] omne quod fingitur«.67 Wird das konstitutive Elemente der Dichtung, die Fiktion, als Disposition zu Heuchelei und Täuschung verurteilt, so ist der von den Patristen ausgemachte lügenhafte Pomp< des Theaters fur sie Ausdruck der irdischen vanitas, die mit der christlichen Weltabkehr inkompatibel und laut Novatian deshalb Grund genug ist, die spectacula zu meiden.68 Auch aus Tertullians Sicht ist jedes »vanum verbum iudicatum« - jede Pos63 »Circumsonabant armis muros Cirtae atque Carthaginis populi barbarorum, et ecclesia Carthaginis insaniebat in circis, luxuriabat in theatris. Alii foris iugulabantur, alii intus fornicabantur. Pars plebis erat foris captiua hostium, pars intus captiua uitiorum. [...] Fragor, [...], extra muros et intra muros proeliorum et ludicrorum, confundebatur uox morientium uoxque bacchantium, [...].« Salvian: De gvbernatione dei VI 12, 69ff. (S. 406ff.). 64 Salvian führt als Vergleich die Hydra von Lerna an, die von den Theatergegnern des Siglo de Oro in Adaption seiner Argumentation als Metapher für die >nicht totzukriegende< Comedia genutzt wird. So konstatiert Salvian im Rückgriff auf den griechischen Mythos: »Sicut enim anguinum illud monstrum, ut fabulae ferunt, quod multiplicabat occisio, ita etiam in Gallorum excellentissima urbe his ipsis quibus coercebantur plagis scelera crescebant ut putares poenam ipsorum criminum quasi matrem esse uitiorum.« De gvbernatione dei VI 13, 76 (S. 410). 65 »Iacebant siquidem passim, quod ipse uidi atque sustinui, utriusque sexus cadauera nuda, lacera, urbis oculos incestantia, auibus canibusque laniata. [...] Et quid post haec, inquam, quid post haec omnia? [...] Pauci nobiles, qui excidio superfiierant, quasi pro summo deletae urbis remedio circenses ab imperatoribus postulabant. [...] Ludicra ergo publica, Treuer, petis? Vbi quaeso exercenda? An super bustum et cineres, super ossa et sanguinem peremptorum?« Salvian: De gvbernatione dei VI 15, 84-89 (S. 416ff.). 66 Tertullian: De spectaculis 23, 5 (S. 278). 67 Tertullian: De spectaculis 23, 5 (S. 278). Bezeichnenderweise werden jedoch gleichzeitig zunehmend dramatische Elemente in die Liturgie eingeführt. Laktanz bezeichnet das Prinzip der Nachahmung sogar als höchste Form des Gottesdienstes. Christine Schnusenberg: Das Verhältnis von Kirche und Theater, S. 276. 68 Novatian: »De spectacvlis« 7, 3 (S. 176).

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senreißerei und jedes überflüssige Wort - Gegenstand des Gottesgerichts.69 Da das einzige Verlangen des Christen nach der Auffassung der Kirchenväter das Sterben mit Christus und die Einkehr bei Gott sein muss, ist die Beurteilung der Schauspiele als Vergnügen aus ihrer Sicht Dummheit. So entsteht eine immer schärfere Opposition von Lüge und Wahrheit; die Fiktion des Theaters findet bei Chrysostomus ihr positives Gegenbild in der Liturgie als »theatrum non ficticium et spirituale«70.

1.2.8

Gegenmaßnahmen: die Vertröstung auf die spectacula divina

Da Tertullian ein anthropologisch begründetes Verlangen des Menschen nach Vergnügungen anerkennt, versucht er, die Schaulust der Christen auf die spectacula christianorum umzulenken und hält den pervertierten heidnischen Schauspielen die mirabilia Dei entgegen. So sucht er für jedes heidnische Freizeitvergnügen eine christliche Entsprechung: Die Circusspiele des Christen verortet er im Lauf der Zeit und im Wechsel der Jahreszeiten, die Bühnenliteratur findet laut Tertullian ihr Pendant in der mit Psalmen und Hymnen ausgestatteten Liturgie und die Faust- und Ringkämpfe spiegeln sich im siegreichen Kampf der virtutes gegen die vitia. Selbst die Bluttaten der munera sind für Tertullian im Blut Christi präsent.71 Die erwünschte Ablenkung von den spectacula und die Hinlenkung auf die Werke Gottes, wird von Novatian und anderen Kirchenvätern in der Darstellung der Schönheit der Natur und dem Verweis auf die Heilsgeschichte fortgesetzt.72 So verweist Novatian auf die >Schauspiele< des Alten und Neuen Testaments von der Schöpfungsgeschichte bis zur Auferweckung der Toten. Von herausragender Schärfe ist jedoch Tertullians Schlusskapitel, in dem er den irdischen Scheinvergnügungen der Heiden das wahre Vergnügen der Christen im Jenseits in einer hasserfüllten Darstellung des Jüngsten Gerichts gegenüberstellt. Seine sadistischschadenfrohe Schilderung des Spottgelächters und Siegesjubels der Christen beim Gottesgericht, bei dem alle Heiden - Dichter, Schauspieler, Wagenlenker und Athleten explizit erwähnt - den Flammen der ewigen Verdammnis übergeben werden, spielt auf die heidnische Tx'umvphpompa an und wird so zu deren positivem Gegenstück, das im Bild des Christus triumphans kulminiert.

1.2.9 Die anthropologische Begründung der Theaterkritik in der Analyse der passiones: Schauspielkritik bei Augustin Da das Welt- und Menschenbild Augustins, dessen asketischer Rigorismus das gesamte Denken der westlichen Christenheit und insbesondere die abendländische Sexualethik geprägt hat, auch die Theaterkritik des Siglo de Oro bestimmt, soll es hier kurz Erwähnung finden, bevor auf die eigentliche Schauspielkritik des Kirchenlehrers eingegangen wird: Augustin propagiert das Ideal eines Bios angelikos, eines der Leiblichkeit enthobenen, engelgleichen Lebens, und lehnt jede Art von Sinneserfahrung und Körperlichkeit ab, da die Sexualität des Menschen seit dem Sündenfall mit der libido verbunden sei und der Wil69 So folgert er aus Mt 12, 36: »Quodsi nobis omnis impudicitia exsecranda est, cur liceat audire quae loqui non licet, cum etiam scurrilitatem et omne uanum uerbum iudicatum a Deo sciamus?« De spectaculis 17, 5 (S. 244). 70 Christine Schnusenberg: Das Verhältnis von Kirche und Theater, S. 42. 71 Cf. Tertullian: De spectaculis 29, 3-5 (S. 31 Off.). Sogar das Martyrium verklärt Tertullian als - die Circusspiele der Heiden übertreffendes - spectaculum gloriosum der Christen. 72 Novatian: »De spectacvlis« 9 und 10 (S. 177ff). Chrysostomus: 37. Homilie ad Mt 7 (BKV 25, S. 313f.).

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le seine ursprüngliche Dominanz über die Triebe verloren habe.73 Folge des Sündenfalls ist nach Augustin neben der Vergänglichkeit des Leibes also der Verlust der Apatheia - des Friedens zwischen Fleisch und Geist - , und damit Konkupiszenz, Scham und Einschränkung der Willensfreiheit. Folglich kann der Mensch seine triebhafte Natur nur durch die Meidung alles Materiellen und Körperlichen bezwingen, weshalb er auch das Theater, das die Sinne anspricht und den Menschen somit seiner moralischen Selbstkontrolle entzieht, fliehen muss. Als ehemals begeisterter Theatergänger beweist Augustin eine differenzierte Sichtweise, indem er das Theater auf der Grundlage der eigenen Erfahrung in den Blick nimmt und auch die psychologischen und künstlerischen Aspekte der ludi scaenici berücksichtigt. Mit der auf dem eigenen Erleben begründeten Analyse der spectacula nimmt er eine Sonderstellung in der Theaterkritik der Patristik ein. So hält Augustin in den Confessiones Rückschau auf die Jahre seiner Theaterbegeisterung und versucht die Anziehungskraft der Schauspiele durch eine schonungslose Selbstanalyse aufzudecken. Nach dem Wesen der Fiktion fragend, anstatt sie pauschal der Lüge zu bezichtigen, versteht er das Theater richtig als Möglichkeit der Selbstbespiegelung des Zuschauers in der Rolle des Schauspielers und erkennt, dass die mit der Identifikation einhergehende Provokation der Affekte die Attraktivität der Auffuhrung ausmacht. Gerade die Einfühlung und das Mitleid(en) im Theater lehnt Augustin jedoch ab, da es auf Lustgewinn abzielt, anstatt sich in echte Hilfeleistung umzusetzen, und so der tätigen Nächstenliebe entgegensteht. Die misericordia des Tragödienzuschauers ist aus Augustins Sicht nur voluptas an falsa calamitas und damit Selbstbetrug, der auf der Verwechslung von oberflächlicher gefühlsmäßiger Mitgestimmtheit und wahrer humaner Anteilnahme beruht. So kann die mimetische Darstellung nur unechte Empfindungen provozieren, weshalb Augustin den früher im Theater erlebten Scheinemotionen sein nun empfundenes wahres Mitleid mit den Theaterzuschauern gegenüberstellt, die in Täuschung lebend, Vergnügen finden im egoistischen Kitzel der Affekte. 74 Augustins sensible psychologische Analyse der im Theater provozierten Gefühle geht über die übliche Brandmarkung dieser Affekte als curiositas und die Beschwörung der Gefahr der Konkupiszenz, die seit Tertullian die Theaterkritik der Kirche beherrscht, hinaus. Auch er betrachtet aber die »morbo cupiditas«75, die Sensationslust, als Movens für den Besuch der Schauspiele, die dieses Verlangen durch die Darbietung vielfaltiger Sinnesreize zu befriedigen wissen. Diese Sinnesreize sind es auch, die den tugendhaften Alypius mitreißen, der - von Freunden zum Besuch des Amphitheaters überredet - aus Vorsicht und Wissen um die eigene Schwäche die Augen schließt, sie verführt durch das Gehörte aber öffnet und so zum leidenschaftlichen Anhänger des Gladiatorenkampfs wird.76 So geht die Hauptgefahr der 73 Cf. hierzu Wilhelm Geerlings: »Entstehung der christlichen Sexualmoral. Befreiende Askese oder Repression?«, in, Gerhard Binder/Bernd EfFe (Hg.), Liebe und Leidenschaft. Historische Aspekte von Erotik und Sexualität. Bochumer altertumswissenschaftliches Colloquium. Trier: Wissenschaftlicher Verlag 1993, S. 111-119. 74 Sancti Avgustini Confessionvm libri XIII, qvos post Martinvm Skutella itervm edidit Lvcas Verheijen, O.S.A. Tvrnholti: Typographi Brepols Editores Pontificii 1981, III 2, 2ff. (CCL 27, S. 27f.). Im Folgenden nach dieser Ausgabe zitiert unter dem Kurztitel: Augustin: Confessiones. 75 Augustin: Confessiones X 35, 55 (S. 185). 76 Augustin: Confessiones VI 8, 13 (S. 82f.). Diese Textstelle wird von den Theatergegnern des Siglo de Oro zumeist auf das Theater bezogen. Trotz Alypius' misslungener Selbstdisziplinierung geben die spanischen Theatergegner denen, die aus unerfindlichen Gründen zum Theaterbesuch gezwungen sind, auch den Rat, wie Alypius die Augen zu schließen und den Geist vom Gehörten abzuwenden (cf. infra).

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ludí fiir Augustin vom Sehen aus, von der libido spectandi, die ihren Weg über die Augen ins Herz des Menschen nimmt. Da die insania der Schauspiele sogar seinen tugendhaften Freund Alypius ergreift, ist die Abkehr von den spectacula für Augustin die einzige Möglichkeit für den Menschen, sich zu bewahren. Auch aus Augustins Sicht stehen die ludi im Dienst der Dämonen, weshalb er sich für seine vergangene Theaterleidenschaft anklagt, die ihn seinen eigenen Willen absolut setzen und den Gottes missachten ließ. Gleichwohl hebt er Komödie und Tragödie als die am ehesten zu tolerierenden Schauspiele hervor, da sie zwar »turpitudo rerum«, aber immerhin keine »obscenitas uerborum« aufweisen.77 Auch hier differenziert Augustin also - anders als die Mehrzahl der Kirchenväter - zwischen verschiedenen Formen der Bühnenliteratur und weist dem Drama zudem einen Bildungswert für die Vermittlung der Sprache sowie der antiken Mythologie zu. So gesteht er ein, seinen reichen Wortschatz der Terenz-Lektüre zu verdanken, erklärt aber, dass man diesen besser »in rebus non vanis« hätte erwerben können und stellt dem vermeintlichen Nutzen der Bühnenliteratur entgegen, dass sie durch die Darstellung der Liebschaften und Schandtaten der Götter zum Begehen eben dieser Sünden verführe.78 Auch Augustin wertet also die Darstellung der mythologischen Sujets als Anreiz zur imitatio und als den Heiden gelegen kommende Rechtfertigung und Autorisierung ihrer realen Sünden. Ähnlich wie Chrysostomus beklagt er in seinem Psalmenkommentar (392-420) auch den Wettbewerb um die Gläubigen, in den sich die Kirche durch die spectacula gestellt sieht,79 sowie die Bevorzugung der »cantica nugatoria et adulterina«80 des Theaters gegenüber den Lobliedern Gottes. In seiner durch den Fall Roms veranlassten Apologie De civitate Dei (412-426), in der sich Augustin mit dem heidnischen Kult und der römischen Kultur auseinandersetzt, polemisiert er auch gegen die ursprüngliche Einführung des Theaters zur Abwehr der Pest, die einzig zur Folge gehabt habe, dass die Pest der Körper durch die - weitaus folgenreichere - Pest der Seelen ersetzt worden sei. Ähnlich wie Salvian die Zerstörung Triers auf die spectacula zurückfuhrt, deutet Augustin den Niedergang Roms als Strafgericht Gottes für den im Theater erbrachten Götterkult.81 Im fortwährenden Kampf zwischen civitas dei und civitas diaboli steht das Theater somit auch für Augustin auf der Seite des Teufels. Das reiche Beschenken sowie das grundsätzliche Bezahlen der Schauspieler kritisiert er folglich nicht nur als Verschwendung und Raub

77 Sancti Avrelii Avgustini De civitate dei libri I-X. Tvrnholti: Typographi Brepols Editores Pontificii 1955, II 8, 18ff. (CCL 47, S . 4 I ) . 78 So konstatiert er ähnlich wie die anderen Patristen: »Et utique non posset haec duo, sed actum est, ut haberet auctoritatem ad imitandum verum adulterium lenocinante falso tonitru.« Augustinus: Confessiones I 16, 25 (S. 14). Gleichzeitig betont er aber immer wieder: »Non accuso verba quasi vasa lecta atque pretiosa, sed vinum erroris, quod in eis nobis propinabatur ab ebriis doctoribus, [...].« Confessiones I 16, 26; S. 14f. 79 So ruft er empört aus: »[...] quam multi enim baptizati hodie circum implere, quam istam basilicam maluerunt!« Sancti Avrelii Avgvstini Enarrationes in psalmos. LI-C. Tvrnholti: Typographi Brepols Editores Pontificii 1956, 80, 2 (CCL 39, S. 1121). 80 Augustin: Enarrationes in psalmos 84, 15 (S. 1175). 81 Der Fall Roms erschüttert Heiden und Christen gleichermaßen, weshalb er von beiden Seiten religiös gedeutet wird. Während die Christen der oben skizzierten Interpretation folgen, fuhren die Römer den Fall der Stadt auf den Zorn der Götter durch die Weigerung der Christen zurück, ihnen zu opfern. Die gegensätzlichen religiösen Geschichtsdeutungen und die gegenseitigen Anschuldigungen machen wiederum deutlich, dass die Theaterkritik Teil der Auseinandersetzung zwischen römischem Staat und christlicher Kirche war. Christine Schnusenberg: Das Verhältnis von Kirche und Theater, S. 37.

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an den wirklich Bedürftigen, sondern verurteilt es als Sünde,82 was von den Theaterkritikem des Siglo de Oro besonders kontrovers diskutiert wird. Die hier skizzierte Verurteilung der spectacula durch die Kirchenväter bildet die normative theologische Grundlage wie auch die konzeptionelle Folie für die Theatergegner des Siglo de Oro, die die Argumente der alten Kirche gegen die spectacula aufgreifen und unter Missachtung der zeitlichen und inhaltlichen Differenz auf den völlig anderen Kontext der Comedia des Siglo de Oro übertragen. Um den historischen Rahmen der vorliegenden Untersuchung gänzlich abzustecken, muss als zweiter wichtiger Referenztext - vor allem der Theaterbefurworter - die Beurteilung des Spiels durch Thomas von Aquin dargestellt werden, der das folgende - den einführenden Teil dieser Untersuchung abschließende - Kapitel gewidmet wird.

2

Die Scholastik und die Auseinandersetzung mit dem Theater: Thomas von Aquin - eine bedingte Akzeptanz der passiones und des menschlichen Erholungsbedttrfnisses

Thomas von Aquin stellt dem spiritualistisch geprägten Menschenbild Augustins, das die psycho-physiologische Realität des Menschen verkennt, indem es dem Geschlechtlichen jede Berechtigung abspricht und seiner lebensgestaltenden Kraft mit dem Programm der Unterdrückung zu begegnen versucht, eine adäquatere Beurteilung des homo sexualis entgegen. So nimmt er die Bedürfnisse und die Natur des Menschen zumindest partiell in den Blick, indem er dem Leib-Seele Dualismus Augustins die anthropologische Auffassung der Einheit von Körper und Geist entgegensetzt. Während Augustin im Sinne einer voluntaristischen Ethik alle Affekte und Leidenschaften aus der Natur des Menschen zu tilgen versucht, da sie sich der unmittelbaren Kontrolle des Willens entziehen und so dem christlichen Tugendstreben zuwiderlaufen, gibt Thomas von Aquin den passiones ihr in der Natur begründetes Recht zurück und erkennt ihnen Bedeutung im leib-seelischen Ganzen der conditio humana zu. Folglich plädiert er nicht für die Triebverdrängung und Abtötung der Affekte, sondern für ihre Disziplinierung durch die Vernunft. Entgegen der vom Gedanken der Sünde dominierten augustinischen Anthropologie, die - ausgehend von einer negativen Sexualethik - der menschlichen Natur jegliche moralisch-sittliche Urteilsfähigkeit abspricht, geht Thomas von Aquin von der - auch nach der Erbsünde noch existierenden Fähigkeit des Menschen zur Erkenntnis aus. So spricht er dem Menschen das liberum arbitrium, den freien Willen zu, der ihn zu vernunftgemäßem Handeln befähigt.83 Die Aufgabe des Menschen besteht folglich in der Disziplinierung des Willens und der körperbedingten Leidenschaften der Seele durch die Vernunft und die sittlichen Tugenden. Die Aner82 Augustin folgt hiermit der antiken Auffassung der Kunst als »disciplina liberalis«, deren Ausübung zum Broterwerb für den Gebildeten unangemessen und flir die Kunst erniedrigend ist. Werner Weismann: Kirche und Schauspiele, S. 157. Bezüglich der - bisweilen übermäßig hohen - Entlohnung der Schauspieler konstatiert er: »Donare quippe res suas histrionibus, uitium est immane [...].« Sancti Avrelii Avgvstini In Iohannis Evangelivm Tractatvs CXXIV. Tvmholti: Typographi Brepols Editores Pontificii 1954, 100, 2 (CCL 36, S. 589). Auch verurteilt er die hohen Ausgaben für die Schauspieler vor dem Hintergrund der herrschenden Armut. Augustin: De civitate dei V 12, 83 (S. 144) und Enarrationes in psalmos 149, 10 (CCL 40, S. 2184). 83 Mit diesem Autonomiegedanken antizipiert Thomas von Aquin die Wende zum Subjekt, die das Ethikverständnis der Neuzeit prägt. Gottfried Grie: »Anthropologie. III. Theologisch-ethisch«, in: LthK, Bd. 1(1993), S. 733.

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kennung der inclinationes naturales als integrale Bestandteile der conditio humana impliziert, dass der Mensch von den passiones - das richtige Maß vorausgesetzt - auch Gebrauch machen darf, wobei Thomas von Aquin ihnen mit der Auffassung von der Tugend als »habitus operativus«84, der die Leidenschaften reguliert, sogar die Teilnahme am Tugendleben zugesteht. Schlecht wird eine Handlung erst durch das Abweichen vom von der Tugend vorgegebenen Maß. Tugendhaftigkeit ist also bei Thomas von Aquin Resultat des freien, sich der sittlichen Vernunftordnung unterwerfenden Willens, wenngleich sich der Mensch im ständigen Kampf mit den - niemals ganz besiegbaren - vehementissimae passiones befindet. Zur Wahrung des sittlichen Gleichgewichts werden alle triebhaften Impulse von einer eigenen Tugend justiert, wobei Thomas von Aquin alle Tugenden auf die vier Kardinaltugenden Maßhaltung, Gerechtigkeit, Klugheit und Tapferkeit zurückfuhrt (I, 2., quaestio 61, 1). So reguliert die Keuschheit die Geschlechtslust, die Enthaltsamkeit die Esslust und die Eutrapelie - die rechte Scherzlust - die Lust beim Spiel.85 Alle diese Tugenden sind der für die Mäßigung der animalischen Grundtriebe zuständigen - temperantia angegliedert, wobei die auf Aristoteles zurückgehende Eutrapelie nicht direkt unter die Maßhaltung, sondern unter die ihr wiederum untergeordnete Tugend der modestia fallt.86 Folglich behandelt Thomas von Aquin die Lust am Spiel im Kapitel über die »Bescheidenheit im äußeren Verhalten« (II, 2. quaestio 168).

2.1

Quaestio 168,2-4: »Ludus est necessarius ad conservationem humanae vitae«

Da Thomas von Aquin die »delectationes ludorum«87 als menschliches Bedürfnis auffasst, bildet der Temperantia-Traktat der Summa theologica den zweiten - vor allem von den Verteidigern des Bühnenwesens strapazierten - doktrinären Bezugspunkt der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters. Deshalb wird Thomas von Aquins immer wieder zitierte, kommentierte und korrumpierte quaestio 168, 2-4, »utrum in ludis possit esse aliqua virtus«, im Folgenden kurz dargestellt, wobei teilweise bereits einzelne - hier daher vermehrt zitierte - lateinische Termini die direkte Übertragung seiner Argumentation in den spanischen Kontext des Siglo de Oro offen legen. Da die scholastische Argumentationsstrategie der Indienstnahme einzelner Textfragmente durch die - rund 400 Jahre später schreibenden - Theaterkritiker des Barock besonders entgegenkommt, wird auch der Aufbau der quaestio disputata berücksichtigt. Gemäß dem Prinzip der Lustbeherrschung ist aus Thomas von Aquins Sicht alles, was einen Lustwert besitzt, in einem von der ratio vorgegebenem Rahmen erlaubt, wenn es durch eine Tugend reglementiert wird. Folglich fragt Thomas von Aquin nach der Existenz einer Tugend auf dem Gebiet des Spiels (quaestio 168, 2) - und damit nach dessen Erlaubtheit. Wie im scholastischen articulus üblich legt er die Frage zunächst in Gestalt der dubitatio dar und bringt die autoritativen Gegenstimmen zu Wort: So fordert Ambrosius die Ab84 Josef Groner: »Kommentar«, in: Thomas von Aquin: Summa Theologica. Die deutsche Thomas von Aquin-Ausgabe. Vollständige, ungekürzte deutsch-lateinische Ausgabe. Übersetzt und kommentiert von Dominikanern und Benediktinern Deutschlands und Österreichs, Bd. 22: Maßhaltung (2.Teil). II-II, 151-170. Graz u.a.: Styria 1993, S. 387-505, hier S. 394. 85 Thomas von Aquin: Summa Theologica I, 2., quaestio 60,5. 86 Thomas von Aquin: Summa Theologica II, 2., quaestio 160,2. 87 Thomas von Aquin: Summa Theologica II, 2., quaestio 160,2.

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Schaffung aller Spiele, Chrysostomus sieht den Teufel als ihren Urheber und Aristoteles tadelt deren fehlende Zweckbestimmung. Demgegenüber postuliert Augustin ein »Urlaubnehmen des Geistes von den Geschäften«, das im »ludicra verba et facta« - im lustigen Reden und Tun - besteht. Vor diesem Hintergrund schließt Thomas von Aquin von der »fatigatio corporalis« auf die »fatigatio animalis«, und so von der Notwendigkeit der Erholung des Leibes auf eben diese Notwendigkeit für Seele und Geist, wobei »quies autem animae est delectatio«, die Muße im Vergnügen besteht. Thomas von Aquin illustriert dies mit der auf den Evangelisten Johannes zurückgehenden Metapher des Bogens, der durch kontinuierliche Spannung bricht. Hierin liegt für ihn die Legitimation für »ludicra vel jocosa«, Kurzweil oder Lustigkeit, die aber an drei Bedingungen geknüpft ist: Das Vergnügen darf (1) nicht gegen die sittlich-moralischen Normen verstoßen, also nicht in »operationibus vel verbis turpibus vel nocivis« gesucht werden, es darf (2) die »gravitas animae«, die Würde der Seele, nicht beeinträchtigen, und muss (3) situationsadäquat sein, d.h. die Umstände von Person, Zeit und Ort berücksichtigen. Die Verantwortung für die Befolgung dieser Bedingungen überträgt Thomas von Aquin der Vernunft, wobei er vernunftgeprägtes und tugendhaftes Handeln gleichsetzt und als Tugend auf dem Gebiet des Spiels die aristotelische eutrapelia benennt. Diese hält den Menschen gleichzeitig von »immoderantia ludorum«, von zu ausgelassenem - und damit vernunftwidrigem - Zeitvertreib ab. In der abschließenden Stellungnahme zu den anfanglich aufgeführten Autoritätsargumenten, konstatiert Thomas von Aquin folglich, dass Ambrosius den Scherz nicht aus der Unterhaltung, sondern nur aus der christlichen Unterweisung ausschließe und Chrysostomus nur die Menschen tadele, die sich fragwürdigen Lustbarkeiten hingeben bzw. ihren Lebenssinn im Spiel suchen, also das von Vernunft und Tugend geforderte Maß überschreiten. Die von Aristoteles geforderte Zweckorientierung des Spiels besteht für Thomas von Aquin in der Notwendigkeit der »remissio animi«, weshalb er das Spiel in maßvollem Rahmen und nach Erledigung der »gravibus seriisque rebus« für erlaubt erklärt. Artikel drei der quaestio 168 widmet sich der Frage, ob maßloses Spiel Sünde sein kann, wobei Thomas von Aquin als diese These bejahendes Argument vor allem die - der christlichen disciplina und dem christlichen Lebensgefühl entgegenstehende88 - Verbindung des maßlosen Spiels mit »inordinatus risus et inordinatum gaudium« vorbringt. Die endgültige Lösung dieser Frage schließt sich aber letztlich den im vorherigen articulus aufgestellten Bedingungen an. So bestimmt Thomas von Aquin Übermaß als das, was der Vernunft entgegensteht und lehnt »turpibus verbis vel factis« sowie solche, die dem Nächsten zum Schaden gereichen, ab. Auch insistiert er noch einmal auf der Berücksichtigung der Umstände des Spiels: So darf das Spiel weder zu verbotener Zeit oder an einem ungeeigneten Ort stattfinden noch gegen den Ernst der Situation und die Stellung der Person verstoßen. Spielleidenschaft ist zudem Sünde, wenn sie in Konkurrenz zur Gottesliebe und zur Ausübung der christlichen Pflichten steht, wobei die Schwere der Sünde von der Häufigkeit des Spiels abhängt. Das maßvolle weltliche Vergnügen ist für Thomas von Aquin jedoch nicht nur mit der christlichen Lebensführung vereinbar, vielmehr formuliert er ganz dezidiert: »ludus est necessarius ad conversationem humanae vitae«. Da er das Vergnügen als unentbehrlich sowohl für den Einzelnen als auch für das soziale Zusammenleben erkennt, 88 Thomas von Aquin beruft sich hier auf Prov. 14, 13: »Risus dolore miscebitur, et extrema gaudii luctus occupât.«

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spricht er auch den Beruf des Schauspielers von Sünde frei, solange er auf »solatium hominibus« - die Aufheiterung der Menschen - abzielt und sich ebenfalls von »illicitis verbis vel factis« sowie der Aufführung zu »temporibus indebitis« fernhält. Die Entlohnung der Schauspieler, die sich nicht an diese Regeln halten, ist folglich Sünde. Ebenso die übermäßige Bezahlung der Schauspieler, nicht aber die angemessene Vergütung ihrer Leistungen. Im letzten Artikel dieser quaestio klärt Thomas von Aquin die entgegengesetzte Frage, ob nämlich mangelnde Vergnügungslust sündhaft ist: So widersprechen Humorlosigkeit und Unterbindung von Heiterkeit für Thomas von Aquin der Vernunft und fallen folglich unter das Verdikt der Sünde, wobei mangelnder Humor freilich weniger sündhaft ist als ein Übermaß daran, denn - so stellt Thomas von Aquin in einer anschaulichen Metapher dar so wie wenig Salz die Speise würzt, ist das Vergnügen die Würze des Lebens, zuviel dieser Würze aber der Gesundheit abträglich.

2.2

Die Instrumentalisierung der quaestio 168 durch die Theaterkritiker des Siglo de Oro

Hiermit ist die zweite Grundlage der spanischen Theaterkritiker des Siglo de Oro dargestellt, die von der Theaterrealität des Barock ebenso weit entfernt ist wie die Schriften der Kirchenväter: Während sich im Schrifttum der Patristen das grausame Zirkus- und laszivkrude Theaterwesen der antiken Städte spiegelt, thematisiert Thomas von Aquin das Problem der >Freizeitgestaltung< in einer Gesellschaft, in der die landwirtschaftlich und handwerklich tätige Masse kaum Zeit für Erholung und Spiel hatte. Die Mußezeiten fielen mit den kirchlichen Sonn- und Feiertagen zusammen und waren so weitgehend von der Kirche und ihrem Brauchtum absorbiert.89 Damit ist das Gebiet, auf das sich Thomas von Aquin in der quaestio 168, 2-4 bezieht, äußerst begrenzt. Auch der mittelalterliche Kirchenlehrer wird von den Theaterkritikern des Siglo de Oro zum Verteidiger bzw. Gegner eines Phänomens ernannt, das er nicht kannte, denn im Mittelalter gab es kein fest institutionalisiertes profanes Theater.90 Berufen sich zudem vornehmlich die Theaterverteidiger auf Thomas von Aquin und seine These von der Notwendigkeit der »recreatio et quies animae«, so bietet seine dialogische Argumentationsstruktur auch den Theatergegnern des Siglo de Oro, die Möglichkeit seine - allgemein anerkannte - Lehre in ihrem Sinn auszulegen. So erklären sie das zeitgenössische Theater unter Rückgriff auf die objectiones, die Thomas von Aquin entsprechend der scholastischen Methode des »sie et non« darlegt, für unzulässig. Zwar gestehen sie die Notwendigkeit der »remissio animi« ein und stimmen mit Berufung auf Thomas von Aquin auch der theoretischen Legitimität des Theaters sowie des Schauspielberufs zu, erklären aber, dass die von Thomas von Aquin für die Erlaubtheit des Spiels geforderten Bedingungen in der zeitgenössischen Theaterpraxis nicht erfüllt werden (können).

89 Josef Groner: »Kommentar«, S. 495f. 90 Auch die Lösung des Spiels aus dem Kirchraum erfolgte erst im 14. Jahrhundert. So wird das geistliche Spiel erst mit dem Umbruch vom Hoch- zum Spätmittelalter »vom liturgisch gebundenen Kirchenraumspiel [...] zum theatralisch entfesselten Spiel auf dem Markplatz.« Ferdinand Barth: »Theater«, S. 179f.

V

Spanische Theaterkritik im Siglo de Oro: Theatergegner und Theaterverteidiger

1

Beschreibung des Textkorpus

Die Auswahl der hier behandelten einundzwanzig theaterkritischen Schriften wurde auf der Grundlage der Bibliografía de las controversias sobre la licitud del teatro en España von Cotarelo y Mori getroffen. Vorrangiges Auswahlkriterium war, die Debatte anhand der gewählten Textbeispiele in ihren großen Linien verfolgen zu können, wobei das gesamte 17. Jahrhundert abgedeckt werden sollte. So ist die theaterfeindliche Abhandlung De spectaculis von Juan de Mariana (1609, später von ihm als Tratado contra los juegos públicos ins Spanische übersetzt), die der Jesuit zunächst in die Philipp III. gewidmete Schrift De rege et regis institutione (1599) integriert, die erste Monographie gegen das profane Theater und damit vorbildgebend für alle Folgeschriften. Während Mariana seine Abhandlung auf Latein veröffentlicht - und sie damit an die gesellschaftliche Elite innerhalb und außerhalb Spaniens adressiert - , fasst sein Ordensbruder Pedro de Guzmán die Bienes de el honesto trabaio y daños de la ociosidad (1613) auf Spanisch ab, wendet sich also auch - und primär - an die lesekundigen Laien. Ausgangspunkt von Guzmáns Erörterungen, die sich mit den verschiedenen Formen des - aus seiner Sicht schädlichen - Müßiggangs befassen, ist der richtige Umgang mit der Zeit. Insofern stellt sein moraltheologischer Traktat, der neben dem Theater auch Stierkampf und Gewinnspiel als Folgen des schädlichen Müßiggangs behandelt, eine Reaktion der theologischen Kultur auf die zunehmende Ausdehnung und Behauptung eines profanen Bereichs der Freizeit dar - und ist vor dem hier zugrunde gelegten Deutungsrahmen folglich von besonderem Interesse. Da nicht nur Gegenstimmen, sondern auch Befürworter des Phänomens >Theater< behandelt werden sollen, um die licitud-Debatte von beiden Seiten in den Blick zu nehmen und die Argumentationsweise von Theatergegnern und -befürworten! vergleichend auswerten zu können, wird des Weiteren der Breve discurso (1650) von Diego de Vieh analysiert, der die Comedia aus der Perspektive eines - der spanischen Elite zugehörigen - Laien als legitime Freizeitbeschäftigung verteidigt und dabei die Zuständigkeit der Theologen für das - aus seiner Sicht zu den Adiaphora zählende - Theater in Frage stellt. Neben diesen drei - aufgrund ihrer Repräsentativität (Mariana, Guzmán) bzw. ihrer Singularität (Vieh) ausgewählten - Schriften werden zwei große >Polemikzyklen< der //«7wi/-Debatte dargestellt: So wird die Polemik um die epochemachende Theaterbefurwortung des Trinitariers Manuel de Guerra y Ribera als eine der heftigsten und nachhaltigsten Kontroversen innerhalb der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters vollständig1 aufgearbeitet. Die Analyse der Polemik um Guerra setzt die Auseinandersetzung mit den - das zeitgenössische Theater als Todsünde verurteilenden - Scholasticae, et morales dispvtationes (1631) von Pedro Puente Hurtado de Mendoza voraus, auf die Guerra in seiner - rund fünfzig Jahre später verfassten - Aprobación de las Comedias de Don Pedro Calderón de la Barca (1682) paradigmatisch Bezug nimmt, um die These von der Unzulässigkeit des Theaters zu widerlegen. Als offensive Theaterverteidigung eines Ordensgeistlichen, der zudem ein gewichtiges Mitglied der Societas Jesu angreift und sich als - besonders massenwirksamen - Publikationskontext die Genehmigung eines Comedia-B&názs zunutze macht, löst Guerras Aproba1

D.h. soweit ihre Textzeugnisse auffindbar sind, cf. die angefugte Liste der an der Guerra-Debatte beteiligten Autoren und Werke (VII.).

102

Claire-Marie Jeske

ción eine regelrechte Kettenreaktion von - vor allem jesuitischen - Gegenschriften aus, die wiederum Verteidigungen der Comedia sowie des Trinitariers nach sich ziehen. Innerhalb der Polemik um Guerra (1682/83) werden die Dudas curiosas sobre la aprobazion (anonym), der - unter Pseudonym veröffentlichte - Discvrso teologico, y político sobre la Apología de las Comedias von Agustín de Herrera (SJ), die - auf Herrera replizierende Schmähschrift Responde D. Francisco Templado, die beiden theaterfeindlichen Abhandlungen des Jesuiten Pedro de Fomperosa y Quintana Bven zelo und Evtrapelia sowie die kurze Polemik Respvesta a vn papelón qve pvblicó el Bven Zelo von Tomás de Guzmán behandelt. Weiterhin zählen zur Polemik um die Aprobación die allegorische gegen Guerra gerichtete Spottschrift Arbitrage político-militar des Jesuiten Juan Cortés Ossorio (?), die Neuauflage der Respvesta a vna consvlta, sobre si son licitas las comedias qve se vsan en España von Crespí de Borja und drei theaterbefurwortende Satiren des Laien Andrés Dávila y Heredia (Ivntase a Cortes la Evropa; Respvesta al Bven Zelo, al Discvrso Teologico, y a los demás Papeles; Respvesta a vna consvlta, sobre si son licitas las comedias qve se vsan en España). Bietet die Konzentration auf die Polemik um Guerra zum einen den Vorteil, einen relativ geschlossenen Textzyklus der Debatte vollständig behandeln zu können, so ist sie zum anderen ein Knotenpunkt der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters, da der Trinitarier die - bisher vornehmlich von Theologen geführte - Kontroverse mit seiner Aprobación einem breiten Laienpublikum zugänglich macht und damit ihre Grundbedingungen verändert. Auch kann anhand der Polemik um Guerra die Funktionsweise und die zunehmende Eigendynamik der licitud-Debatte aufgezeigt werden, bei der Schrift und Gegenschrift sich gegenseitig bedingen. Innerhalb der Polemik um die Aprobación sind die beiden Traktate von Fomperosa y Quintana von besonderem Interesse, da sich der Jesuit gleichzeitig als Autor der Ordensbühne betätigt und sich in seinen theaterfeindlichen Schriften systematisch mit Patristik und Scholastik als den Grundlagen der spanischen Theaterkritik sowie mit der Eutrapelie als dem normativen Maß für die Zulässigkeit des Spiels auseinandersetzt. Die Darstellung der Polemik um Guerra wird mit der Analyse seiner Verteidigungsschrift Apelación al tribunal de los doctos (1752) abgeschlossen, die posthum veröffentlicht wird, als sich die Debatte um die Aprobación rund siebzig Jahre nach ihrem Erscheinen neu belebt. Um den Kontext und den motivationalen Hintergrund der Veröffentlichung von Guerras Verteidigungsschrift zu erfassen, müssen zwei Schriften aus der Mitte des 18. Jahrhunderts in den Blick genommen werden: Das Guerra verteidigende Dictamen des Trinitariers Agustín Sánchez, das dem Discurso critico sobre el origen, calidad, y estado presente de las comedias de España (1750) vorangestellt ist, sowie der theaterfeindliche die Attacken gegen Guerra erneuernde - Traktat Triumpho sagrado de la conciencia (1751) des Jesuiten Francisco Moya y Correa. Damit ist eine der bedeutendsten Polemiken der licitud-Debatte umfassend aufgearbeitet. Kulminationspunkt der zweiten hier behandelten Polemikreihe - und damit Abschluss der vorliegenden Untersuchung - ist die bekannte Theaterverteidigung von Francisco Bances Candamo, die den Weg in die moderne Literaturkritik ebnet. Zum Verständnis der theatertheoretischen Abhandlung müssen die Discvrsos políticos, y morales (1684) von Gonzalo Navarro Castellanos sowie der Discvrso theologico sobre los Theatros, y Comedias de este siglo (1689) von Ignacio de Camargo (SJ) behandelt werden, auf die der Theaterautor mit dem Theatro de los theatros (1689-94) repliziert. Navarro Castellanos' Traktat wird posthum im Kontext der Polemik um Guerra veröffentlicht und stellt somit die Scharnier-

Spanische Theaterkritik im Siglo de Oro : Textkorpus und Analysekriterien

103

stelle zwischen der Polemik um den Trinitarier und den rahmengebenden Schriften für Bances' Theaterverteidigung dar. Als Abhandlung eines der klerikalen Kultur angehörenden Humanisten, der das antike Theater vom Makel der Unsittlichkeit zu befreien versucht, nehmen die Discvrsos políticos y morales eine Sonderstellung innerhalb der Theater-Debatte ein. Camargos Schrift ist hingegen als - im Wesentlichen die Anklagen seiner Vorgänger wiederholende - Abhandlung von Interesse, die während der bereits manifesten Dekadenz des spanischen Theaters dessen Sündhaftigkeit unterstreicht sowie dessen Abschaffung fordert und Bances' Intervention in die licitud-Debatte zur Folge hat. Bances' Fragment gebliebene bis ins 20. Jahrhundert unveröffentlichte - Schrift Theatro de los theatros wird ausschließlich in Hinblick auf ihre Bedingtheit durch die Debatte um die moralische Zulässigkeit des profanen Theaters analysiert. Die aus der Fülle der möglichen Texte ausgewählten können als repräsentativ gelten, weil sie entweder - wie die Schriften von Mariana und Pedro de Guzmán - frühe Beispiele des Kampfes gegen die profane Freizeitbeschäftigung darstellen, oder - wie die Traktate von Guerra, Herrera, Fomperosa, Moya y Correa oder Camargo - weitreichende Folgen hatten, indem sie Bestätigungs- und Gegenschriften nach sich zogen. Neben dem Kriterium der Repräsentativität sowie dem der Aufarbeitung der historisch wirkungsmächtigen Quellen wurde zudem darauf geachtet, verschiedene Ausdrucksformen und Textgattungen der licitud-Debatte in die Analyse einzubeziehen. So sind im ausgewählten Textkorpus Fürstenspiegel (Mariana), volkssprachliche moraltheologische Abhandlung (Pedro de Guzmán), moraltheologische Handreichung für den Klerus (Hurtado de Mendoza), Genehmigungstext eines Comedia-Bandes (Guerra: Aprobación), Satiren und Polemiken (cf. die Exkurse), Verteidigungsschriften des Theaters (Vieh) sowie der theologischen Lehrmeinung (Guerra: Apelación), Niederschriften von Missionspredigten (Camargo, Crespi de Borja), eine humanistische Abhandlung in Briefform (Navarro Castellanos) und der Versuch der Aufstellung einer Regelpoetik für das zeitgenössische Theater versammelt. Der behandelte Zeitraum umspannt die Debatte von 1599 bzw. 1609 {De spectaculis) bis 1694 {Theatro de los theatros) und nimmt mit der Aufarbeitung des Veröffentlichungskontextes der Apelación zudem punktuell die - durch den Konflikt zwischen Neoklassizisten und Traditionalisten zunehmend mit poetologischen Fragen verknüpfte - Debatte um die Zulässigkeit des Theaters um 1750 in den Blick. Insofern stellt die getroffene Textauswahl nicht nur eine möglichst breit angelegte Grundlage zur Analyse der licitud-Debatte bereit, sondern zeigt auch die über 250-jährige Kontinuität der bis weit ins 19. Jahrhundert reichenden Debatte, deren Vielschichtigkeit auf weitere Interpretationen wartet, paradigmatisch auf.

1.2

Darstellung der Analysekriterien

Die Analyse der ausgewählten Werke soll sich nicht auf eine textimmanente Darstellung beschränken, sondern auch die über eine inhaltliche Präsentation hinausgehende Situierung der Werke innerhalb der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters leisten. Sowohl diese methodische Prämisse als auch der Umfang der einzelnen - in der Forschung bisher in ihrer Mehrheit nur über die Bibliographie von Cotarelo y Mori rezipierten - Werke erklären auch, warum hier nur eine beschränkte Anzahl von Texten besprochen werden kann. Zur Untersuchung der Schriften wurde ein Analyseschema entwickelt, das aufgrund der Unterschiedlichkeit der einzelnen Werke an deren jeweilige Gegebenheiten angepasst wird. So können sich aus der Logik der jeweiligen Abhandlung Abweichungen von folgendem Schema ergeben:

104

Claire-Marie Jeske

Der inhaltlichen Analyse jeder Schrift wird eine >Kurzpräsentation von Autor und Werk< (1) vorangestellt: So wird zunächst der soziobiographische Kontext des Autors im Hinblick auf die von ihm verfasste theaterkritische Abhandlung umrissen (1.1) und der Entstehungskontext der behandelten Schrift (1.2) bzw. ihre Positionierung innerhalb der licitud-Debatte geklärt. Des weiteren werden Aufbau (1.3), Adressatenkreis und Sprachduktus der Abhandlung in den Blick genommen (1.4).2 Nachdem in diesem ersten Untersuchungsblock alle wichtigen Präliminarien für die Textanalyse abgewickelt sind, geht es im zweiten Kapitel (2) um die Bewertung des >ocio< und der profanen Freizeitgestaltung durch den jeweiligen Theaterkritiker. Hier ist vor dem Hintergrund des - in Teil II. der vorliegenden Arbeit dargestellten - moraltheologischen und zeitgeschichtlichen Rahmens der licitudDebatte zu prüfen, inwieweit der Autor die Legitimität eines Bereichs der freien Zeit neben den beiden traditionellen Bereichen Arbeitszeit und kirchlich besetzter Feierzeit grundsätzlich anerkennt. Dies schließt auch eine Auseinandersetzung mit Weltsicht und Menschenbild des jeweiligen Autors ein. Der dritte Analyseblock (3) widmet sich der Argumentationsstruktur der Werke. Hier wird zum einen die Argumentationsstrategie des Autors und seine spezifische Herangehensweise an das Phänomen >Theater< herausgearbeitet. Zum anderen wird untersucht, inwieweit der Autor auf die frühchristliche Ächtung der spectacula Bezug nimmt und dabei die Argumente der Patristen und antiken Schriftsteller übernimmt bzw. sich von ihnen abgrenzt. Da der Rückgriff auf die Quellen der Antike den Autoren des Siglo de Oro vielfaltige Möglichkeiten der Übersetzung, Bearbeitung und Kompilation eröffnet und Theatergegner wie -Verteidiger die patristischen Texte ihrer Position entsprechend auslegen, entsteht im Verlauf der Debatte eine zusätzliche Diskurs- bzw. Konfliktebene: So setzen sich die Theaterkritiker zunehmend auch mit den Haltungen anderer - ihrer Auffassung widersprechender - Theaterkritiker und deren Interpretation der patristischen Texte sowie der kirchlichen Lehrmeinung auseinander. Auch diese Ebene der Debatte, die in der Polemik um Guerra teilweise den Hauptteil der Schriften ausmacht, wird in Kapitel drei berücksichtigt. Die Kapitel vier bis sechs befassen sich mit der Darstellung der zeitgenössischen Theaterrealität durch den jeweiligen Autor, wobei die Analyse dem Kommunikationsschema > Sender - Botschaft - Empfangen folgt: So wird in Kapitel vier die Beurteilung der Schauspieler (4.1) und gegebenenfalls der Theaterautoren (4.2) durch den jeweiligen Theaterkritiker analysiert. Kapitel fünf befasst sich mit dessen Bewertung der Institution Theater, der Aufführungsrealität und der Comerf/a-Handlungen (5.1), wobei gegebenenfalls auch die Beurteilung der comedia de santos bzw. des auto sacramental behandelt wird (5.2). Das sechste Kapitel (6) ist den Ausfuhrungen des jeweiligen Autors über die Theaterzuschauer gewidmet. Im letzten Kapitel (7) wird die Gesamthaltung des Autors gegenüber dem profanen Theater dargestellt, wobei der Autor nicht mit einem simplifizierenden pro oder contra in den Kontext der licitud-Debatte eingeordnet wird, sondern seine Position zwischen Ablehnung, Duldung und Befürwortung des Phänomens Theater sowie seine konkreten Vorschläge zum Umgang mit der profanen Institution untersucht werden. 2

Da die Analysekriterien den Erfordernissen des behandelten Werks jeweils angepasst werden, können sich bei der Nummerierung der jeweiligen Unterkapitel freilich Verschiebungen ergeben. So erübrigen sich je nach Werk einzelne Unterpunkte bzw. werden durch werkspezifische Analyseerfordernisse ersetzt und ergänzt.

Spanische Theaterkritik im Siglo de Oro \ Textkorpus und Analysekriterien

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Die Analysekriterien von Kapitel vier bis sieben sind in dieser Form nur auf die theaterfeindlichen Texte anwendbar: Da die Theaterverteidiger die Fiktion als konstitutiven Bestandteil der Auffuhrung anerkennen und die Schauspieler als professionelle Gestalter und Funktionsträger eines Phänomens betrachten, das sie befürworten, setzen sie sich mit der Person des - von den Theatergegnern der Unmoral bezichtigten - Schauspielers nicht bzw. nur auseinander, um ihn gegenüber den Anklagen der Gegenseite zu rehabilitieren. Entsprechendes gilt fiir die Auseinandersetzung mit den Theaterzuschauern: Während die Theatergegner ihre Forderungen durchzusetzen versuchen, indem sie mit der Versündigung aller am Theater beteiligten Personen argumentieren, erübrigt sich für die Verteidiger der Comedia, die das Theater als legitime Möglichkeit der Freizeitgestaltung anerkennen, die Auseinandersetzung mit der moralischen Wirkung des Theaters auf das Publikum. So werden auch die Zuschauer von den theaterbeflirwortenden Schriften entweder nicht oder unter anderen Aspekten - so z.B. mit dem Hinweis auf die vom Theater erfüllte Funktion des docere — in den Blick genommen. Eine eigene Kategorie von Texten bilden die Schriften, die mehr als Stellungnahmen zum zeitgenössischen Theater Polemiken gegen andere Theaterkritiker und deren Auffassungen sind. Diese - zumeist kurzen - Werke werden als Exkurse einzeln bzw. zu mehreren zusammengefasst (cf. Exkurs IV) behandelt.

1.3

Vorgehen bei der Analyse der Schriften

Da die licitud-Debatte durch ein hohes Maß stereotyper Strukturen und leitmotivisch wiederholter Themen und Argumente gekennzeichnet ist, die fast formelhaft reproduziert bzw. dem jeweiligen - unter Umständen Jahrzehnte späteren - Argumentationskontext angepasst werden, ist auch die Berücksichtigung der Interferenzen und intertextuellen Bezüge innerhalb der Schriften für das Verständnis der Kontroverse aufschlussreich: So stellt sich die Frage, warum das bereits nach kurzer Zeit erschöpfte Argumentationsrepertoire vor allem der Theatergegner durch die periodische Wiederholung einzelner Argumente, die Adaption ganzer Argumentationsketten und sogar den Wiederdruck kompletter Werke derart lange künstlich am Leben gehalten wurde, dass die Debatte um die Zulässigkeit der Comedia die spanische Theatergeschichte über 250 Jahre lang begleiten und prägen konnte. Diese - den motivationalen Hintergrund der Debatte betreffende Frage - soll bei jeder Textanalyse mitbedacht werden. Um die Interferenzen der Texte offen legen, die zwei behandelten Polemikzyklen in ihrem Ablauf verfolgen und Aussagen über die inhaltliche und argumentative Entwicklung der licitud-Debatte insgesamt machen zu können, werden die ausgewählten Werke in der chronologischen Reihenfolge ihres Erscheinens analysiert. Nur mit der Darstellung von Guerras posthum veröffentlichter Verteidigungsschrift wird die Chronologie der Untersuchung kurz unterbrochen.3 3

Da - wie bereits dargelegt - auch der Veröffentlichungskontext der Apelación berücksichtigt wird, ist eine punktuelle exkursartige Beschäftigung mit der licitud-Debatís um 1750 notwendig, bevor der zweite - mit den Schriften von Navarro Castellanos und Camargo einsetzende - Polemikzyklus behandelt wird. Gerade die Darstellung der beiden Polemikzyklen erfordert jedoch - gegenüber einer grundsätzlich ebenso denkbaren Klassifikation der Schriften nach Textgattungen - die chronologische Analyse der Abhandlungen. So setzt das (bessere) Verständnis der Angriffe und Gegenangriffe der einzelnen Schriften die Kenntnis der jeweils vorangegangenen Bezugstexte voraus. Auch kann die Wechselbeziehung von Replik und Gegenreplik - und damit z.B. auch die Bedingtheit des Theatro de los theatros durch die licitud-Debatís - nur durch eine chronologische Analyse der Schriften offengelegt

106

Claire-Marie Jeske

Da es müßig - und ob der endlosen Wiederholung unergiebig - wäre, jedes Argument bei jedem Werk ausfuhrlich zu behandeln, wird bei der Analyse der einzelnen Werke gegebenenfalls nur auf das Vorhandensein bestimmter bereits dargestellter Argumente bzw. Argumentationsmuster und deren Übernahme von den vorangehenden Schriften verwiesen. Nur das spezifisch Neue, das der jeweilige Autor der Debatte hinzufügt, wird ausfuhrlich behandelt. Aufgrund der teils schwierigen Quellenlage wird in den Anmerkungen aber viel dokumentarisches Material zitiert4 und zur weiteren Erforschung der //cz7wc/-Debatte bereitgestellt.

4

werden. Um den Nachvollzug der intertextuellen Bezüge zu erleichtern, wird im Folgenden in den Anmerkungen jeweils auf die entsprechende Stelle des Referenztextes verwiesen. Die Zitate folgen der Orthographie der jeweils angegebenen Textausgabe, Abkürzungen werden aufgelöst. Auch die kursive Schreibweise, die in den Schriften zumeist auf Zitate anderer Texte bzw. der antiken Autoritäten verweist, wird von der jeweils zugrundeliegenden Ausgabe übernommen.

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ToIetit4pudTetrum %oiertcum typo.%egìum.

V, I Juan de Mariana: Tratado contra los juegos públicos. Ein Appell an den Monarchen. 1

Kurzpräsentation von Autor und Werk

1.1

Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext

Der Theologieprofessor, Wirtschaftsfachmann, Philosoph und Historiker Juan de Mariana wurde 1535 in Talavera geboren 1 und trat mit siebzehn Jahren in die Societas Jesu ein. N a c h einer mehrjährigen Lehrtätigkeit in Rom, Sizilien und Paris kehrte er aus Krankheitsgründen nach Spanien zurück und ließ sich 1574 endgültig im Konvent von Toledo nieder. Seine zahlreichen Veröffentlichungen, in denen Mariana keine Kritik scheut, machten ihn zu einem der meist attackierten Mitglieder der ohnehin im Zentrum der Aufmerksamkeit stehenden Societas Jesu2 und ließen ihn auch innerhalb des Ordens, der an einer konfliktfreien Beziehung mit dem Staat interessiert sein musste, zu einer umstrittenen Persönlichkeit werden. Hierzu trug auch sein - zwar zu Lebzeiten unveröffentlichter - Discurso sobre las cosas de la Compañía de Jesús bei, 3 in dem Mariana die Missstände des Ordens anprangert und dessen von Gott gewollten Untergang ankündigt, wenn keine Mäßigung der Laster stattfinde. 4

1

2

3

4

Die Datierung von Marianas Geburt schwankt je nach Quelle zwischen 1535 und 1537. Cepada Adán weist auf Marianas »orígenes oscuros« hin. José Cepada Adán: »La Historiografía«, in: Ramón Menéndez Pidal (Hg.), Historia de la Cultura Española, T. 1, S. 695-833, hier S. 722. Gutiérrez Nieto schließt auch eine »filiación conversa« nicht aus, Marianas Bemühen, seine familiäre Herkunft zu verdecken, könne aber auch aus seiner unehelichen Geburt resultieren. Juan Ignacio Gutiérrez Nieto: »Inquisición y culturas marginadas: Conversos, moriscos y gitanos«, S. 930. Auch Soons erwähnt die »obscure parentage« der Waschfrau Bernaldina Rodríguez, der Mutter Marianas, die Juan Martínez de Mariana erst nach der Geburt des gemeinsamen Sohnes geheiratet habe. Alan Soons: Juan de Mariana. Boston: Twayne's world authors series 1982, S. 2. Soons bezeichnet Mariana aufgrund seiner Akzeptanz des Tyrannenmordes, die mit der Ermordung Heinrichs IV. in Zusammenhang gebracht wurde, als »the member most frequently blamed«. Juan de Mariana, S. 7. Soons geht davon aus, dass das Traktat bei der Verhaftung Marianas 1609 gefunden wurde und so zumindest den Ordensoberen bekannt war. Alan Soons: Juan de Mariana, S. 10. Die Abhandlung wurde ein Jahr nach dem Tod Marianas unter dem Namen Discours du Pere Jean Mariana, Jesuite Espagnol. Des grands defauts qui soni en la forme du gouvernement des Jesuites in Frankreich veröffentlicht und auch ins Lateinische übersetzt, von der Societas Jesu jedoch als Fälschung erklärt. Die Inquisition nahm das Traktat auf Bitte des Ordens 1627 in den Index der verbotenen Bücher auf. In Spanien wurde die Schrift erst nach der Verbannung des Ordens 1768 veröffentlicht. Cf. Pedro Jiménez Guijarro: Mariana (1535-1624). Madrid: Ediciones del Orto 1997, S. 9f. Mariana kritisiert u.a. die laxe Erziehung der Novizen, die hohen Ausgaben des Ordens und die Verbreitung der Verschwendungssucht unter der »gente de la Compañía«, die er als »amiga de gastar« tadelt und deren zu aufwendige Ordenstracht, abgesehen vom Verstoß gegen die geforderte Bescheidenheit, die Leute vom Spenden abhalte. Juan de Mariana: »Discurso de las cosas de la Compañía«, in: Obras dei Padre Juan de Mariana, T. 2. Madrid: Atlas 1950, S. 595-617, hier S. 604 und S. 612. Zudem prangert er die Missachtung der - ohnehin zu zahlreichen - Ordensgesetze und deren Abweichen vom allgemeinen Recht an, aus dem das Misstrauen gegenüber der Societas Jesu resultiere. So klagt er: »Muchas religiones se han levantado despues de la nuestra ó poco antes, y todas juntas no han sido tan perseguidas como ella« (S. 615). Es ist bemerkenswert, dass Mariana - obwohl er die Lehre des Ordens kritisiert und auf dessen hohe Ausgaben verweist - das Jesuitentheater, das von den Gegnern innerhalb des Ordens mit eben diesen Argumenten verurteilt wurde, mit keinem Wort erwähnt. Zu den Gegnern des Jesuitentheaters innerhalb der Societas Jesu cf. auch supra: III., Anm. 27.

HO

Claire-Marie Jeske

Seine Schrift De la alteración de la moneda, die er mit sechs weiteren Abhandlungen 1609 in Köln als Septem Tractatus5 veröffentlichte, brachte ihm einen Freiheitsentzug innerhalb des Ordens und die Verurteilung zum Rückzug in den Konvent von Toledo ein. Die sieben Traktate, unter denen auch De spectaculis ist, wurden z u s a m m e n mit De rege et regis institutione ein Jahr nach ihrem Erscheinen öffentlich verbrannt. 6 Gleichwohl wurde Marianas - ebenfalls umstrittene, da teilweise spanienkritische - Historia de rebus Hispaniae als erste Geschichte Spaniens schon zu seinen Lebzeiten viermal aufgelegt 7 und Mariana von Philipp IV. zum königlichen Chronisten ernannt. A u c h in der v o n seinem Ordensbruder A l o n s o de Andrade 1666 verfassten Vita wird Mariana als ruhmreiches Mitglied der Societas Jesu gepriesen. 8 Marianas rigoristische Haltung gegenüber der schöngeistig-profanen Literatur wird bereits an seiner Mitarbeit bei der Erstellung des Indice prohibitorio y expurgatorio de libros des Generalinquisitors Quiroga deutlich: S o plädiert der Jesuit dafür, das von Pius IV. in Übereinstimmung mit dem Tridentinum erlassene Verbot von Büchern obszönen Inhalts zu einem Verbot jeglicher Unterhaltungsliteratur auszudehnen und nur Erbauungs- und Geschichtsbücher zuzulassen. 9 Trotz seiner Ablehnung der profanen Literatur, die sich also nicht nur auf das Theater als öffentlichem Kommunikationsort, sondern auch auf das Lesen bezieht, scheint Mariana Lope de Vega, mit dem er einen ausführlichen Briefwechsel unterhielt, gegenüber literarischen Rivalen verteidigt zu haben, 1 0 wofür Lope ihm seinen B e -

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6

7

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10

Ioannis Mañanae é Societate lesv Tractatvs VII. I. De aduentu B. Joacobi Apostoli in Hispaniam. II. Pro editione vulgata. III. De spectaculis. IV. De monetae mutatione. V. De die mortis Christi. VI. De annis arabum. VII. De morte et immoralitate. Köln: Antonio Hierato 1609. Alan Soons: Juan de Mariana, S. 17. Grund für die Verbrennung von De rege war v.a. Marianas Legitimation des Tyrannenmordes, die für die Ermordung Heinrichs IV. von Frankreich verantwortlich gemacht wurde. Cf. Francisco Pi y Magall: »Catálogo de las obras de Mariana«, in: Obras del Padre Juan de Mariana, T. 2. Madrid: Atlas 1950 (BAE 31), S. 627. Die von Mariana selbst besorgte spanische Fassung erschien erstmals 1601 unter dem bekannten Titel Historia General de España. Andrade hebt Marianas asketische Lebensweise hervor und lobt ihn als »gran despreciador del mundo, de sus riquezas, honras, y deleytes«. Erst seine Krankheit habe die Beschäftigung mit der Theologie vereitelt, weshalb er, auf eine optimale Zeitnutzung bedacht, »tomö como por passatiempo la Historia, materia mas entretenida y de menos trabajo; [...]«. Bezeichnenderweise erwähnt Andrade Marianas Traktat über die Societas Jesu bei der Auflistung seiner Werke nicht. Cf. Varones ilvstres en santidad, letras, y zelo de las almas. De la Compañía de Iesús, T. 5. [...]. Por el Padre Alonso de Andrade, de la misma Compañía de Iesús, [...]. Madrid 1666, S. 88ff. Mariana fordert bei der Erstellung des Indexes von 1584 u.a. das Verbot der Celestina, der Diana von Montemayor sowie aller Ritterromane und votiert auch für das Verbot einer großen Zahl klassischer Schriftsteller. Damit versucht er die 7. Vorschrift des 1564 von Pius IV. erstellten Indice de Libros Prohibidos zu erweitern: »Se prohiben de una manera absoluta los libros que expresamente tratan, cuentan o enseñan cosas lascivas y obscenas, porque no solamente se debe ocupar de los problemas de la fe, sino también de las costumbres; todos los que posean esta clase de escritos serán severamente castigados por los obispos.« Juan Ignacio Gutiérrez Nieto: »Inquisición y culturas marginadas: Conversos, moriscos y gitanos«, S. 877. Marianas rigoristische Auffassung wird vielfach als die offizielle Haltung der Inquisition interpretiert, die sich als Institution jedoch einer Stellungnahme zur profanen Literatur enthielt (cf. hierzu die beiden einschlägigen Aufsätze von Roldán Pérez). So konstatiert Soons: »[...] the octogenarian Mariana began to receive letters from younger men of letters, Francisco de Quevedo and, especially, Lope de Vega. The Jesuit cheerfully defended the latter author when he became the object of an attack, the details are obscure, by literary rivals.« Soons macht bedauerlicherweise keine genaueren Angaben zu diesem Vorfall. Er berichtet nur von einer weiteren Korrespondenz zwischen dem Theaterautor und Mariana über den Duque de Sessa. Alan

Juan de Mariana: Tratado contra los juegos públicos

111

rieht Triunfo de la fee en los reynos del Japón widmete." Vor diesem Hintergrund überrascht es um so mehr, dass der Jesuit, der seine theaterfeindliche Abhandlung veröffentlicht, als die - von Lope de Vega geschaffene - Comedia nueva in ihrer höchsten Blüte steht, mit keinem Wort auf das zeitgenössische Theater, seine Stücke und Autoren eingeht und sich zudem für die Verteidigung der literarischen Fähigkeiten dessen einsetzt, der die massenhafte Verbreitung des von ihm so vehement verurteilten Phänomens Theater wesentlich mitverursacht hatte.

1.2

Entstehungskontext des Tratado contra los juegos públicos

Marianas Schrift gegen die spectacula bildet zunächst ein Kapitel des Philipp III. gewidmeten Traktats De rege et regis institutione (III, 15), der sich in eine lange Reihe von Fürstenspiegeln stellt, die als Reaktion auf Machiavellis Principe eine an der katholischen Doktrin orientierte Staatstheorie proklamieren und der - aus ihrer Sicht auch für die res publica zuständigen - Kirche wieder einen festen Platz innerhalb der Staatsgewalt einzuräumen versuchen.12

Soons: Juan de Mariana, S. 18f. Dem Tratado contra los juegos públicos widmet Soons zwar einige Seiten seiner Monographie (S. 84-92), geht aber auf den sich hier ergebenden Widerspruch - Marianas Verteidigung von Lope trotz seiner Theater- und Literaturfeindlichkeit - nicht ein, sondern konstatiert bezüglich Marianas theaterfeindlicher Schrift nur: »He [i.e. Mariana] does not, apparently, concern himself with either the soul of the dramatist (such as his later friend Lope de Vega), or that of the reader of a poetic drama on the page, [...].« Marianas Theaterfeindschaft führt er darauf zurück, dass dieser »sensed some perturbation of metaphysical order whenever they took place« (S. I l l ) und entschuldigt Marianas unangemessene Sicht des zeitgenössischen Bühnenwesens damit, dass das Theater »was not his real subject at all« (S. 92). Soons' apologetische Tendenz gipfelt darin, der licitud-Debatte eine insgesamt positive Wirkung zuzuschreiben: »The theater probably gained rather than lost from all the controversies and threats of closure of the beginning of Philip Ill's reign, and found new ethical and aesthetic purpose« (S. 91). 11

12

Alan Soons: Juan de Mariana, S. 18. Der Prolog des Triunfo de la fee trägt die Widmung: »AI Tito Libio Christiano, Luz de la Historia de España, el P. D. Juan de Mariana, de la Compañía de Jesus«. Lope polemisiert darin gegen Pedro de Torres Rámila, der sowohl ihn als auch Mariana in seinem Werk Spongia stark attackiert hatte. Lope de Vega: Triunfo de la fee en los reynos del Japón. Ed. por James S. Cummins. London: Tamesis Books 1965, S. XXXVIIf. und S. 7. Marianas Verteidigung des Theaterautors könnte daher ebenso aus der Verbündung gegen den gemeinsamen Gegner resultieren. Zur Literaturfehde zwischen Lope und Torres Rámila cf. Joaquin de Entrambasaguas: Estudios sobre Lope de Vega, T. 1. Madrid: CSIC 2 1967. Machiavellis Traktat war - nach seiner Veröffentlichung von der Druckerei des Vatikans 1531/32 im Zuge der Gegenreformation in den Index verbotener Bücher von 1559 aufgenommen worden. Als Reaktion auf die Staatstheorie des Florentiners, der die Religion als politisches Werkzeug in den Dienst des Staates gestellt und das bisher vorherrschende christlich-inspirierte Fürstenideal damit verabschiedet hatte, entstanden eine Reihe von Schriften, die die mittelalterliche Tradition der De regimene principum-Traktate wieder aufnahmen und den Herrscher erneut auf das christliche Ethos zu verpflichten versuchten. In diese Tradition stellen sich in Spanien u.a. Francisco de Monzón: El espejo del principe cristiano 1544, Felipe de la Torre: Institución de un rey cristiano 1556, Fadrique Furiò Ceriol: El concejo y consejeros del Príncipe 1559 und Pedro de Rivadeneyra: Tratado de la religión y virtudes que debe tener el Príncipe Cristiano 1595. Die Tradition wurde durch Saavedra Fajardo und Quevedo bis ins 17. Jahrhundert fortgeführt. Cf. José Luis Abellán: Historia critica del pensamiento español, T. 3: Del Barroco a la Ilustración. Siglos XVII y XVIII. Madrid: Espasa-Calpe 1981, S. 6097.

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De rege wird erstmals 1599 in Toledo veröffentlicht13, wodurch Marianas theaterfeindliche Abhandlung ursprünglich in die Schlussphase des ersten >Zyklus< theaterfeindlicher Schriften gehört, die den Versuch unternehmen, die Einstellung der Theaterauffiihrungen nach dem Tod von Catalina, der Tochter Philipps II., zu einem endgültigen Theaterverbot auszuweiten.14 Initiator dieses Vorhabens ist der Erzbischof von Granada und Sevilla, Pedro Vaca de Castro y Quiñones, der Philipp II. um ein definitives Aufführungsverbot ersucht.15 Gleichzeitig richtet die Villa de Madrid jedoch ein Memorial an den König, in dem sie unter Hinweis auf die moralische Didaxe und die Funktion der Comedia als »recreación universal« um die Aufhebung des Verbots bittet.16 Philipp II., von den Theatergegnern an seine christlichen Pflichten als Herrscher gemahnt, von der Stadtverwaltung aber auf die politische Notwendigkeit hingewiesen, seine Untertanen zu zerstreuen und die Kassen der Krankenhäuser zu füllen, beruft daraufhin erstmals eine Theologenversammlung ein, die sich mit dem Anliegen befassen soll. Die Kommission - bestehend aus Philipps Hofkaplan García de Loaisa y Girón, seinem Beichtvater Fray Diego de Yepes und dem Dominikaner Fray Gaspar de Córdoba - spricht sich für das Verbot der sittenschädigenden und Gott beleidigenden Auffuhrungen aus. Der Beschluss wird am 2.5.1598 von Philipp II. in einem offiziellen Theaterverbot bestätigt. Nach dem Tod des Regenten erneuert die Villa de Madrid ihr Ersuchen um die Wiedereröffnung der Theater an Philipp III., der das Theaterverbot im April 1599 aufhebt. Da Mariana seine Schrift vor der Aufhebung des Verbots verfasst hat,17 ist seine erste Beschäftigung mit der Frage der Zulässigkeit des Theaters als ein Appell an Philipp III. zu lesen, die seit dem Tod der Infantin eingestellten und durch Philipp II. verbotenen Aufführungen nicht wieder zu erlauben. De rege ist Mariana zudem von Garcia de Loaisa, der auch als Lehrer Philipps III. tätig war, zur Erziehung des Thronfolgers in Auftrag gegeben worden. Die auch sonst enge Verbindung der beiden Geistlichen spricht dafür, dass Marianas erste Beschäftigung mit der licitud del teatro von dem ein Jahr zuvor formulierten Edikt der Theologenkommission, bei dem Garcia de Loaisa federführend mitgewirkt hatte, inspiriert ist.18 13

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Der Catálogo de las obras de Mariana in der Ausgabe der B.A.E. gibt als Ersterscheinungsjahr 1598 an, wonach sich auch Cotarelo, der diese Ausgabe zitiert, richtet. Eine Ausgabe vor 1598 ist jedoch auch bei Palau y Dulcet nicht verzeichnet. Manual del librero ispanoamericano, T. 8. Barcelona: Librería Palau 1954-55, S. 198. In den - zumeist durch Trauerfalle in der königlichen Familie motivierten - Unterbrechungsphasen der Theaterauffiihrungen - so 1598, 1646 und 1665 - kommt es stets zu einer Verschärfung und Häufung der Polemiken und Attacken gegen das Bühnenwesen, da die Theatergegner hierin die Chance für eine endgültige Schließung der Theater wittern. Cotarelo: Bibliografia, S. 577. Cotarelo, der das Memorial von Vaca de Castro nicht auffinden konnte, bezieht die entsprechenden Informationen über dessen Biograph Gil González y Dávila. Cf. auch supra: II., Anm. 88. Cf. Memorial impreso dirigido al rey D. Felipe //, para que levante la suspensión en las representaciones de comedias. Cotarelo: Bibliografia, S. 421 ff. Das Veröffentlichungsprivileg von De rege ist vom 15.1.1599. So gilt Garcia de Loaisa als Marianas Freund und Protektor, der die Karriere des Jesuiten entscheidend gefordert hat. Alan Soons: Juan de Mariana, S. 4. Mariana hat zudem am Manual para la administración de los Sacramentos von García de Loaisa mitgearbeitet. Pedro Jiménez Guijarro: Mariana, S. 8. Seine Orientierung am Urteil der Theologenkommission von 1598 wird auch anhand eines Vergleichs der beiden Texte deutlich. So stellt Marianas Werk letztlich eine Ausformulierung des Urteils dar, das bereits viele der wesentlichen Verurteilungsgründe enthält, die er in seinem Traktat anführt

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Durch die Wiedereröffnung der Theater durch Philipp III. in seiner Intention erfolglos geblieben, erweitert Mariana das Kapitel des Fürstenspiegels zu einer eigenständigen Abhandlung, die er unter dem - an Tertullians theaterfeindliche Schrift gemahnenden - Titel De spectaculis in die 1609 publizierten Septem Tractatus aufnimmt und später als Tratado contra los juegos públicos ins Spanische übersetzt, ohne dass diese letzte Version aber zu seinen Lebzeiten zur Veröffentlichung kommt.19 Mariana ist damit der erste spanische Autor, der der Frage der licitud des Theaters eine monographische Abhandlung widmet. Diese gegenüber der Erstversion erweiterte Fassung weist in ihrer Argumentation teilweise auf den Entstehungskontext der ersten Fassung zurück, weshalb man zu ihrem Verständnis den historischen Kontext beider Versionen berücksichtigen muss. So kann Marianas Appell, die Theaterauffuhrungen nicht wieder zu erlauben,20 nur vor dem Hintergrund des Theaterverbots von 1598 verstanden werden, da die Theater 1609 - zum Zeitpunkt des Erscheinens von De spectaculis - in größter Blüte stehen. Die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters hingegen ist auch 1609 noch in ihren Anfangen und löst - so lässt sich aus Marianas Traktat schließen - die Debatte um die Zulässigkeit des Stierkampfes, zu der sich der Jesuit ebenfalls äußert, in ihrer Ausdehnung und Heftigkeit allmählich ab.2'

1.3

Äußerer Aufbau des Tratado contra los juegos públicos

Der Aufbau von Marianas Traktat wirkt auf den ersten Blick überaus systematisch. So befasst sich der Jesuit, nachdem er im ersten Kapitel seine mit dem Werk verfolgte Absicht dargelegt hat, Spanien von der »locura« des Theaters zu befreien, zunächst mit dem antiken Schauspielwesen (Kapitel 2 und 3) und gründet seine Verurteilung des Theaters auf einer theologisch imprägnierten - psychologischen Analyse der menschlichen Leidenschaften und des Theatervergnügens (4 und 5). Nachdem er den Unterschied von Comedia antigua und Comedia nueva herausgestellt hat (6), geht er auf das zeitgenössische Bühnenwesen ein: So widmet er dem Heiligendrama (7), dem Auftreten von Frauen auf der Bühne (8), der Einrichtung fester Theater (9), der Frage der Sakramentausteilung an die Schauspieler (10), der Theatermusik (11) sowie dem Tanz der zarabanda (12) jeweils ein - deren Zulässigkeit negierendes - Kapitel. Um sein Urteil zu legitimieren, rekapituliert er die Argumente der Kirchenväter (13), die gesetzlichen Grundlagen der Zulässigkeitsfrage (14) sowie die Hal-

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und auch von der Definition des deleite als »cebo de todos los vicios« ausgeht. Das Parecer del Sr. García de Loaisa y de los PP. Fr. Diego de Yepes y Fr. Gaspar de Córdoba, sobre la prohibición de las comedias ist bei Cotarelo vollständig abgedruckt. Cf. Bibliografía, S. 392ff. Die spanische Version wird erst 1854 im zweiten Band der Obras del Padre Juan de Mariana in der B.A.E. veröffentlicht. Der Traktat wird im Folgenden nach dem Wiederabdruck dieser Version (Madrid: Atlas 1950, S. 413-462) unter dem Kurztitel: Mariana: »Tratado« zitiert. Suárez García vergleicht in seiner erst kürzlich erschienen kommentierten Edition des Tratado die Version von 1599 mit der erweiterten Version von 1609, die er insgesamt als weniger rigide bezeichnet. Das Kapitel über die zarabanda (cf. infra) hat Mariana allerdings erst 1609 hinzugefügt. Cf. José Luis Suárez García: »Mariana y la licitud de la fiesta«, in: ders. (Hg.), Juan de Mariana. Tratado contra los juegos públicos. Granada: Universidad de Granada 2004, S. 41 -86. »Los prudentes príncipes [...] consideren con diligencia antes que se resuelvan en lo que deben hacer y no introduzgan en la república cristiana esta vanidad que con tanto trabajo desarraigaron los antiguos, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 439. So leitet Mariana das Kapitel über die Zulässigkeit des Stierkampfes mit der Feststellung ein: »Gran disputa es esta, y que no sé yo si alguna otra se ha tratado en nuestra edad en España con mayor porfía; si se han de tener por cosa honesta la caza de los toros, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 452.

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tung der antiken Philosophen (15) und fordert abschließend, »que no se han de permitir los dichos juegos« (16). Da er die Durchsetzung eines Verbots aber - sicherlich im Hinblick auf die soziale Akzeptanz des Theaters und dessen Beliebtheit auch am Hof Philipps III. nicht für realistisch hält, setzt er sich mit sieben konkreten Forderungen für eine rigorose Zensur des Bühnenwesens ein. Im Anschluss befasst sich Mariana mit der Zulässigkeit von Prostitution (17-18) und Stierkampf (20-24), die er ebenfalls ablehnt, wobei er sich auch hier aufgrund ihrer offiziellen Erlaubnis zu gewissen Konzessionen gezwungen sieht.22 Indem er in den letzten beiden Kapiteln die politischen Krisen Spaniens einerseits auf die Verweichlichung und den Müßiggang der Nation durch die Hingabe an die profanen Vergnügungen zurückführt und sie andererseits als Strafen Gottes für eben diese Vergnügungssucht interpretiert, unterstreicht er jedoch erneut die Notwendigkeit der Abschaffung von öffentlichen Schauspielen und Bordellen.23 Dieser äußere Aufbau vermittelt den Eindruck einer klar strukturierten Abhandlung, die auf Information und einer rationalen Auseinandersetzung mit dem Phänomen Theater basiert statt auf manipulative Persuasionsstrategien zu setzen. So geht Mariana von einer psychologischen Analyse des (Theater-)vergnügens aus und stellt zunächst das antike spectacula- Wesen dar, um dann auf das zeitgenössische Bühnenwesen einzugehen. Auch referiert er das Urteil der antiken Autoritäten erst im Anschluss an die eigenen Darlegungen und trennt so das antike vom zeitgenössischen Schauspielwesen und die eigene von der fremden Argumentation. Eine genauere Analyse zeigt jedoch, dass Mariana die verschiedenen Argumentationsebenen - so Antike und Gegenwart, eigenes und fremdes Urteil - sehr wohl vermischt und seine Abhandlung jeder faktischen Auseinandersetzung mit der Institution und den Inhalten des zeitgenössischen Theaters entbehrt.

1.4

Sprachliche Gestalt und Adressatenkreis des Tratado contra los juegos püblicos

Marianas Traktat ist durch eine weitgehend nüchterne Sprache gekennzeichnet. Zwar fallt der Jesuit sowohl über die Schauspieler als auch über die Zuschauer ein hartes Urteil und übt immer wieder heftige Kritik an den politischen und geistlichen Führern Spaniens. Seine Kritik gegenüber den Verteidigern des Theaters hat jedoch längst nicht die Schärfe, die sie in den späteren Traktaten der Debatte erreicht, was gewiss auch an Marianas frühem Zeitpunkt der Auseinandersetzung mit der licitud-Frage liegt: So gibt es bisher kaum Gegner

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Es ist innerhalb der licitud-Texte durchaus üblich, die Überlegungen zum zeitgenössischen Theater mit der Prüfung der Zulässigkeit von Prostitution und Stierkampf zu verbinden. Sind Theater- und Stierkampfbesuch im Siglo de Oro die beiden einzigen öffentlichen Freizeitbeschäftigungen im säkularen Bereich, so kommt die Verbindung mit der Prostitution über die Vorwürfe der Zügellosigkeit und Wollust zustande, die auch den Theaterzuschauern entgegengebracht werden. Auch gelten alle drei Institutionen aus theologischer Sicht als Orte des für die Erlangung des Seelenheils kontraproduktiven weltlichen Vergnügens, die von klerikaler Seite allerhöchstens toleriert, nicht aber erlaubt werden. Mit dem Titel des letzten Kapitels »El estado de las cosas de Espana« greift Mariana den Appell der Theologenkommission um Garcia de Loaisa auf, den »estado presente de la santa iglesia y en particular el destos sus reinos« zu bedenken, die Misere Spaniens als Strafe Gottes für die Sünden des Volkes zu erkennen und somit die Theater zu schließen, um Gottes Zorn zu besänftigen. Cotarelo: Bibliografla, S. 397. Marianas Ausführungen stellen gleichsam eine Ausformulierung dieses Appells dar.

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seiner Position, die er angreifen und zurückweisen könnte.24 Dementsprechend nennt Mariana auch keinen zeitgenössischen Theaterkritiker namentlich, sondern bedauert nur, dass »personas eruditas y modestas« (S. 414) und sogar »grandes [...] teölogos« (S. 424) sich zur Verteidigung eines aus seiner Sicht die Sitten schädigenden und damit Staat und Religion gefährdenden Phänomens hergeben. Sowohl Marianas neutraler, kaum polemisierender Stil als auch seine häufigen Appelle an die staatlichen und kirchlichen Autoritäten entsprechen aber auch seinem Adressatenkreis. So richtet sich die erste Fassung von De spectaculis primär an den Monarchen und auch die zweite Fassung ist durch die lateinische Sprache auf den Kreis der Gelehrten - und damit vor allem der Geistlichen - innerhalb und außerhalb Spaniens beschränkt. Erst mit der Übertragung dieser letzten Version ins Spanische scheint Mariana - vielleicht im Hinblick auf die immer größere Virulenz der Debatte - die Intention verfolgt zu haben, einen breiteren Adressatenkreis auch im Inland zu erreichen.

2

Marianas Sicht des »ocio«2S und der Freizeitgestaltung: der Müßiggang als Quelle aller Laster

Entsprechend der im Zuge der Gegenreformation von der Societas Jesu geprägten Vorstellung von der Religion als militia Christi26 geht Mariana von der Normvorstellung eines militarisierten Staates aus, die er in der zeitgenössischen spanischen Gesellschaft durch ein umfassendes Reformprogramm im Sinne der Sozialdisziplinierung zu verwirklichen versucht. So verknüpft er auch die - folglich negativ bewertete - otiositas mit der Opposition von Krieg und Frieden: Der erst durch eine zu lange Friedensperiode entstehende ocio ist in Marianas Sicht Voraussetzung für die Etablierung eines breiten Angebots an Vergnügungsmöglichkeiten, die den Müßiggang wiederum verstärken bzw. in den malum otium abgleiten lassen.27 Macht die in Kriegszeiten vorherrschende Angst den Menschen erfindungs-

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Der einzige bedeutende Theaterverteidiger in Marianas zeitlichem Umfeld ist der Augustiner Fray Alonso de Mendoza, der seine Quaestiones quodlibeticae (mit dem Kapitel »Utrum comoediae, caeterique ludi scenici licite foeminarum ministerio apud Christianos gerantur«) rund zehn Jahre vor De rege veröffentlicht hatte. Er rechtfertigt die zeitgenössischen Theaterauffuhrungen als »alivio del cuerpo y ejercicio del ingenio« und billigt auch das Auftreten der Frau auf der Bühne, solange das nötige Dekorum gewahrt wird. Die Comedia wird für ihn erst durch Missbrauch zur Sünde. Cf. Cotarelo: Bibliografía, S. 466f. Mariana repliziert in seinem Traktat auf diese Argumente, ohne jedoch den Namen eines Theaterverteidigers zu nennen. Das Wort >ocio< wird im Folgenden mit >Müßiggang< übersetzt, soweit es um die Darstellung der untersuchten Texte geht, in denen die otiositas zumeist negativ konnotiert ist. Auf der wissenschaftlichen Beschreibungsebene wird das Phänomen des >ocio< in Bezug auf die im Laufe der frühen Neuzeit entstehende freie Zeit und deren Gestaltungsmöglichkeiten betrachtet und folglich mit dem Begriff der >Freizeitgestaltung< verbunden. Abellán macht den militärischen Charakter der stark jesuitisch geprägten spanischen Gegenreformation u.a. an der Terminoligie des Ordens fest: So wird der Ordensobere als »General« bezeichnet, der Orden selbst nennt sich »Compañía« und seine Mitglieder verstehen sich als milites christiani. Historia critica del pensamiento español, T. 2: La Edad de Oro. Madrid: Espasa-Calpe 1979, S. 573. »Desta paz y abundancia de que goza aflos ha esta provincia, y del ocio en que vive gran parte del pueblo y de la gente principal han nacido en España juegos, disoluciones, trajes, comidas y banquetes [...]. Entre los demás desórdenes que de la ociosidad han nacido ha sido la muchedumbre de comedias y farsantes que de veinte años á esta parte entre nosotros, en público y en secreto, se han usado, sacando cada dia nuevas invenciones y saínetes con que entretener y engañar al pueblo.« Mariana: »Tratado«, S. 433. Der zunächst von Piaton dargelegte Zusammenhang von Frieden und Muße stellt bereits eine Konstante des antiken Staatsdenkens dar. So führt Piaton in der Politeia den Verfall der Staatsformen auf die verderbliche Freizeitmoral der Griechen zurück, die Luxus und Müßiggang mit

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reich, vorsichtig und klug und bringt eine asketische Lebensweise sowie ein ausgeprägtes Gemeinschaftsgefühl mit sich, so sind die Folgen der otiositas »cobardía, deshonestidad, lujuria, avaricia« (S. 459). Auch verbindet Mariana den ocio mit Raub, Mord und Selbstsucht und macht die Zurückdrängung des Müßiggangs, durch den Verweis auf den Untergang der Reiche der Perser, Griechen und Römer, implizit zur Bedingung der prosperierenden Entwicklung Spaniens. Entsprechend der spätantiken christlichen Tradtion verknüpft er die otiositas weiterhin mit Trägheit und Faulheit, die wiederum antithetisch zu der von ihm hochgeschätzten und zur Erhaltung Spaniens als unverzichtbar bewerteten militärischen Lebensform stehen. Einmal dem Müßiggang verfallen, ist es aus Marianas Sicht schwer, den Menschen wieder davon abzubringen, weshalb er fiir das Verbot aller Vergnügungen plädiert. Da aber gerade die Muße das Entstehen einer differenzierten Freizeitkultur zur Folge hat, muss der Mensch auch in Friedenszeiten ständig beschäftigt werden. Eine solche Beschäftigung zur Vermeidung des ocio kann aus der Sicht des Jesuiten nicht - wie es die Theaterverteidiger geltend zu machen versuchen28 - im Besuch der Comedia liegen, denn das Theater, das er als ein wesentliches Element der im Zuge des Friedens entstandenen Freizeitbeschäftigungen sieht, fordert den Müßiggang, anstatt ihn zu vertreiben. Als angemessene Beschäftigung außerhalb der Arbeitszeit empfiehlt er deshalb Turniere, Pferderennen, Ringelstechen und Bogenschießen, die darüberhinaus den Nutzen des für den Krieg unverzichtbaren Körpertrainings mit sich bringen.29 So muss sowohl zur Vermeidung des Aufkommens von Muße als auch um der nationalen Sicherheit willen auch in Friedenszeiten eine ständige Rüstung und Vorbereitung für den Kampf stattfinden, wobei Mariana im Sinne der Körperbeherrschung auch spanische Tänze und solche, bei denen nur die Füße zum Klang der Musik bewegt werden30 - in expliziter Abgrenzung von der Strenge der antiken disciplina - , für zulässig erklärt. Auch zur Duldung der Stierkämpfe erklärt sich der Jesuit bereit, vorausgesetzt, die in der Bulle von Papst Gregor geforderte Bedingung, Verletzungen und Todesfalle durch entsprechende Vorsichtsmaßnahmen zu vermeiden, werde erfüllt, was aber gegenwärtig nicht der Fall sei.31

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sich bringe. Cf. das Kapitel »Das klassische Griechenland« in: Jean-Marie André: Griechische Feste, Römische Spiele, S. 33-75. Mariana: »Tratado«, S. 457. Hiermit repliziert Mariana sicherlich auch auf das 1598 von der Villa de Madrid zur Wiedereröffnung der Theater vorgebrachte Argument, das Theater diene den »ociosos« als »freno de vicios«. Cotarelo: Bibliografìa, S. 422. Mariana beschreibt diese Sportübungen recht ausführlich und schlägt die Prämierung besonderer Leistungen zur allgemeinen Leistungssteigerung vor. Mariana: »Tratado«, S. 458. Die Forderung der ständigen körperlichen Aktivität dient ebenfalls seiner Zielvorstellung einer streng militarisierten Gesellschaft. Sie entspricht zudem dem fflr die spanische Gegenreformation charakteristischen »activismo«, den Abellán an ihrer militärischen Prägung und an der Konzeption der Religion als »negocio de la salvación« festmacht. Historia crítica del pensamiento español, T. 2, S. 573f. Marianas einschränkender Hinweis ist eine klare Abgrenzung vom in der zeitgenössischen Theaterpraxis gebräuchlichen Tanz der zarabanda, der gerade durch die Bewegung des ganzen Körpers - vor allem der Arme und mit Kastagnetten bestückten Hände der Frau - gekennzeichnet ist. Cf. infra: Anm. 108. Mariana druckt die drei päpstlichen Bullen über den Stierkampf von 1567 (Pius V.), 1575 (Gregor) und 1586 (Sixtus V.) im Volltext ab und moniert auf deren Grundlage die Anwesenheit Geistlicher sowie die große Verletzungsgefahr bei den gegenwärtigen Kämpfen. Auch stellt er die Paradoxie heraus, dass eine corrida um so mehr Vergnügen bereite, je mehr Tote sie verursache. So berichtet er, auf die locura der Spanier verweisend, »que en una ciudad grande y conocida en España han querido in-

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Das Theater ist für Mariana aber nicht nur durch die Verfuhrung des Menschen zum Müßiggang »raíz y fuente de todos los vicios y males« (S. 444), sondern konkurriert durch seine Anziehungskraft auch mit den Angeboten der Kirche um die Freizeit der Gemeindemitglieder. Auch die Ausdehnung der Feiertage, die Mariana sowohl für die Ökonomie des Landes als auch für den Einzelnen auf den Ertrag seiner Arbeit A n g e w i e s e n e n als problematisch betrachtet, ist für ihn eine Folge des profanen Freizeitangebots, die zulasten der Religion geht, da die arbeitende Bevölkerung durch die große Anzahl der Feiertage gez w u n g e n sei, die Feiertagsheiligung zu brechen. 3 2 Zur Vermeidung des ocio und im Sinne des nur über den »camino áspero« zu erreichenden Seelenheils des Einzelnen, plädiert Mariana zudem für ein Einführungsverbot von Luxusgütern und eine strenge Erziehung der Jugend im N a m e n von Maßhaltung und Bescheidenheit, fordert also die absolute Disziplinierung des aus seiner Sicht in allen Bereichen gefährdeten Menschen. 3 3 S o setzt sich Mariana mit der condition humaine und dem menschlichen Erholungsbedürfnis nicht auseinander, sondern sieht eher die Gefahr eines Zuviel an Freizeit und Muße, 3 4 die er in einer Art kulturellem Dirigismus nach dem spartanischen Modell mit allerlei mortalizar un toro que mató siete hombres, pintando lo que pasó para perpetua memoria en un lugar público; [...].« Mariana: »Tratado«, S. 452. Braun führt die Akzeptanz der Stierkämpfe - auch durch den ansonsten sittenstrengen Philipp II. - darauf zurück, dass die corridas durch ihre Durchfuhrung an religiösen Festtagen an die Frömmigkeitspraxis gekoppelt und in einer so gearteten christlichen Überformung für die Intensivierung der nach innen gerichteten Katholisierung im Zuge der Gegenreformation nutzbar gemacht werden konnten. Cf. Karl Braun: ¡Toro! Spanien und der Stier. Berlin: Wagenbach 22000, S. 99ff. Die Verbindung von Heiligenkult und Stierkampf - und deren Verankerung im Volksglauben - wurde jedoch von theologischer Seite gleichzeitig scharf kritisiert. Vor allem das Ablegen von Gelübden bei der Veranstaltung von Stierkämpfen zu Ehren der Heiligen, die diese z.B. für das Gelingen der Ernte wohlwollend stimmen und landwirtschafltiche Plagen abwenden sollten, wurde von offizieller Seite kritisch beäugt und 1566 im Konzil von Toledo verurteilt. So konstatiert auch Mariana, »que el correr de los toros no es materia de la religión, y que no se pueden hacer votos que obliguen á correllos, porque los sanctos no se deleitan con cosas de burla y vanas, cual sin duda es este juego, [...]« Mariana: »Tratado«, S. 453. Zur Beziehung von Stierkampf und Kirche in Spanien cf. auch Luis del Campo: La iglesia y los toros. Curas toreros. Pamplona: GRAFINASA 1988. Del Campo konzentiert seine Untersuchungen auf die Region Navarra, wobei er vor allem die Stierkampfbegeisterung der Geistlichen in den Blick nimmt. So unterscheidet er »curas-espectadores« und »curas-toreros«, von denen es seiner Einschätzung zufolge nicht wenige gab und untersucht die Gerichtsakten einzelner Kleriker, die aufgrund ihrer Protagonistenrolle bei den Stierkämpfen verurteilt wurden. 32

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Mariana fordert folglich eine Reduzierung der Feiertage, die er auch mit der Abgrenzung der Christen vom Judentum motiviert: So habe Augustin darüber gespottet, dass die Juden durch das Sabbatgebot V7 ihrer Zeit mit Müßiggang verschwenden, die Feiertage der Christen seien aber mittlerweile auf % des gesamten Jahres angewachsen. Mariana: »Tratado«, S. 456. Die wachsende Zahl der Feiertage wird von der Kirche zunehmend als Fehlentwicklung betrachtet, deren Reduzierung jedoch erst im 2. Vatikanum durchgesetzt. Cf. Arno Schilson: »Feste und Feiertage. IV. Historisch-theologisch«, in: LThK, Bd. 3 (1995), Sp. 1253-1258. Mariana: »Tratado«, S. 418 und S. 461. Auch in seinem Traktat über die Societas Jesu moniert er das Fehlen von asketischer Strenge bei der Erziehung der Novizen: »Los puercos que se matan para regalallos, las frutas escogidas y para todos tiempos, ¿cómo será posible que sin sentirlo no crien unos espíritus amigos del regalo y enemigos del trabajo?« Mariana: »Discurso de las cosas de la Compañía«, S. 600. Dies konstatiert er auch in seiner Abhandlung über die Societas Jesu, in der er »las recreaciones, que son muchos y en partes de muchos meses, que pueden acarrear mucho daño por muchas razones, y criar los mozos muy amigos de regalo« verurteilt und klagt, dass die »gente ociosa«, deren Zahl ständig wachse, »no sirve sino de hacer corrillos, por no decir otros daños.« Mariana: »Discurso de las cosas de la Compañía«, S. 617.

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Körperübungen zu besetzen versucht, um ihren Missbrauch zu verhindern. 35 Dementsprechend erwähnt der ansonsten zitierfreudige Jesuit, der z w e i m a l auf die Summa des Thomas - und dabei auch auf die quaestio 168 - rekurriert, 36 auch dessen Rechtfertigung der eutrapelia mit der Notwendigkeit der remissio animi nicht, sondern stellt, nachdem er den Theaterbesuch zur Todsünde 3 7 deklariert hat, vielmehr die rhetorische Frage: »¿será bien que los principes para deleite del pueblo disimulen y sufran que estas representaciones se hagan, dado que vanas y torpes, para que recreados con el tal espectáculo tornen con mas ánimo á sus ejercicios y artes con que la república se sustenta, los oficiales y labradores y todos los demás, á la manera que las casas públicas ordinariamente se permiten para la gente baja por evitar mayores pecados?« (S.443). S c h o n diese Frage, die das B ü h n e n w e s e n auf einer Ebene mit d e m Bordell behandelt, macht deutlich, dass Mariana das Theater nicht als legitime Stätte der Entspannung und Erholung von der Eintönigkeit des Lebens anerkennt, sondern höchstens aus einer d e m Realitätssinn geschuldeten Resignation gewillt ist, es als Konzession an eben diese Realität zu dulden. 3 8

3

Die Begründung der Theaterkritik auf der Analyse des deleite

3.1

Das Sinnesvergnügen als »fabricador de muerte«

Anders als die Mehrzahl der frühchristlichen Theatergegner erklärt Mariana die negative Wirkung des Theaters nicht mehr mit der N ä h e zum heidnischen Kult oder als Einwirkung 35

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Schlechten Gebrauch von der Muße machen in Marianas Sicht auch die Theaterverteidiger, wobei er auch die Theologen von der Kritik nicht ausschließt: »[...] y lo que á cada paso se hace, procuran algunos defenderlo, amigos de la libertad y defensores della, grandes por cierto teólogos, como cosa conforme á derecho y equidad, usando mal del ocio y de las letras, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 414. Cf. infra: Anm. 78 und Anm. 94. Die Unterscheidung zwischen Todsünden und lässlichen Sünden gewinnt an Bedeutung mit dem Aufkommen der Moraltheologie, die sich nicht zuletzt durch die jesuitischen summae casuum - die einzelne >Gewissensfálle< behandelnden Handreichungen für die Beichtväter - im Laufe des 16. Jahrhunderts zu einer eigenständigen Disziplin entwickelte. So intensivierte die im Tridentinum festgelegte Bekenntnispflicht der peccata mortalia das Bemühen der Theologen, zwischen Todsünden und lässlichen Sünden zu unterscheiden, was zu einer Ausweitung des Todsündenbegriffs auf immer neue Tatbestände führte. Zerstören die peccata mortalia den im Menschen vorhandenen Gnadenzustand, so schließen die peccata venialia nicht von der Gnade aus und sind somit auch nicht bußpflichtig. Während der Todsünde eine materia gravis - eine frei bejahte schwere Verfehlung bzw. eine erkannte und bejahte sittliche oder religiöse Gleichgültigkeit - zugrunde liegt, beruht die lässliche Sünde, die eine >nur< partielle Abwendung von Gott bedeutet, zumeist auf einer materia levis. Sie kann aber auch durch fehlende Einsicht oder Zustimmung bei der Ausführung eines schwerwiegenden Tatbestandes entstehen (es wird unterschieden zwischen den lässlichen Sünden »ex parvitate materiae« und denen »ex imperfectione actus«). Cf. Helmut Weber: Allgemeine Moraltheologie. Ruf und Antwort. Graz/Wien/Köln: Styria 1991, S. 286-290. Des weiteren: Johannes Gründel: »Sünde. V. Theologischethisch«, in: LThK, Bd. 9 (2000), Sp. 1128-1130. Vitse siedelt Mariana in seinem Tableau des positions en présence dementsprechend zwischen Ennemies und Réformateurs an, bezeichnet ihn aber trotz seiner Reformvorschläge, die auch aus Vitses Sicht Marianas »conscience politique« geschuldet sind, als »théâtrophobe de cœur«. Éléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S. 56 und S. 95. Garcia Berrio schreibt Mariana gemäß seiner Unterteilung der Theaterkritiker in theologisch geprägte Gegner und laikale Befürworter - wohl etwas zu eindimensional eine »irreconciliable aversión [...] al teatro« zu und bezeichnet ihn als »cumbre de la intransigencia moralista frente al deleite artístico«, ohne Marianas - wenn auch widerwillige - Duldung des Phänomens >Theater< zur Kenntnis zu nehmen. Intolerancia de poder y protesta popular en el Siglo de Oro, S. 37.

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des Teufels, sondern fragt nach den psychologischen Gründen der Theaterwirkung, die er in der Nachfolge Augustins - im Streben des Menschen nach Sinnes vergnügen findet. Demgemäß definiert er das Theater als »un juego instituido públicamente para deleitar el pueblo« (S.414). Obwohl Mariana das Sinnesvergnügen als Antrieb und Quelle allen Übels und - hinsichtlich des Seelenheils - sogar als »fabricador de muerte« bezeichnet, steht es aus seiner Sicht dem christlichen Tugendstreben nicht völlig diametral entgegen, sondern ist dem Menschen ursprünglich als »incentivo de la virtud« gegeben, »para que fuese como salsa y sabor, con cuyo gusto nos despertásemos á cumplir todos los oficios de la vida humana«. Ein solches >oficio< stellt für Mariana z.B. die Zeugung von Kindern dar, die mit Vergnügen verbunden sei, um den Fortbestand der Menschheit zu sichern. 39 Diese Sichtweise überrascht zunächst, widerspricht sie doch der im Siglo de Oro vorherrschenden augustinischen Interpretation der sexuellen Begierde als Folge des Sündenfalls. Mariana, der die Lust als »deseo natural« (S. 424) definiert und (an-)erkennt, dass der deleite Seelenruhe »reposo del alma« - mit sich bringt, nimmt seine zunächst liberaler wirkende Auffassung jedoch systematisch wieder zurück: So dürfe das Vergnügen keinesfalls unbedacht genossen, sondern müsse als »enemigo doméstico« von der Tugend bekämpft und unterdrückt werden, damit es nicht zum Laster degeneriere. 40 Ist die Triebhaftigkeit des Tiers einzig auf Geschlechtstrieb und Nahrungserwerb gerichtet, so sei dem Menschen »infinito deleite, el cual se recibe por todos los sentidos« gegeben. Während aber die Triebe, die Tier und Mensch gemein sind, allgemein als Laster gelten, werde die Gefahr des menschlichen Seh-, Hör- und Geruchssinns, die - wie jede Art des deleite - ebenfalls mit den verwerflichsten Folgen der sexuellen Begierde verbunden seien, zumeist unterschätzt. Hierin sieht Mariana die Gefahr der Schauspiele, deren vielfältige Sinnesfreuden er zur Unkeuschheit rechnet und denen er folglich »fornicación« und »adulterios«41 als Folgen zuschreibt. Mit der schon von den Kirchenvätern bemühten Metapher der Hydra, deren abgeschlagene Köpfe immer wieder nachwachsen (cf. supra: IV, Anm. 64), unterstreicht Mariana, dass die Bemühungen des Menschen, seine Leidenschaften zu besiegen, nur mit der Hilfe Gottes gelingen können.42 Da zum einen selbst der »deleite honesto« die Gefahr berge ins Unzulässige ab-

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Nach seiner Interpretation des Vergnügens als Anreiz zur Pflichterfüllung bereitet ein Werk um so mehr Vergnügen, je schwieriger es ist: »De aquí viene que cuanto es mas dificultosa la obra que se debe hacer, tanto es de mayor deleite, como se ve en la generación de los hijos, porque no faltasen las especies y casta, haber mezclado en los cuerpos un ardentísimo deseo, con que el uno sexo apetece al otro grandemente, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 418. Diese ständige Defensivhaltung des Menschen ist aufgrund der Macht der Sinneslust erforderlich: »Grande es el poderío del deleite y sus fuerzas increíbles, [...], en poco tiempo, si no se usa de recato, vence y se apodera de todas las partes y potencias del alma, resuelve el vigor de las virtudes, y [...] la razón y entendimiento le derriba y despeña en todo género de vicios.« Mariana: »Tratado«, S. 418. Während »adulterio« sich ausschließlich auf den Ehebruch bezieht, bezeichnet »fornicación« jede geschlechtliche Beziehung außerhalb der Ehe. Cf. die entsprechenden Einträge bei Sebastián de Covarrubias y Orozco: Tesoro de la lengua castellana o española. Edición de Felipe C. R. Maldonado, revisado por Manuel Camarero. Madrid: Castalia 2 1995 (Wiederdruck der Originalausgabe von 1611). Der Diccionario de Autoridades zitiert unter dem Lema »fornicación« zudem den auch von Mariana häufig zitierten Navarro [i.e. Martin de Azpilcueta], der »toda tal cópula« als Todsünde deklariert. Die göttliche Gnade ist für Mariana aber keine conditio sine qua non, den Kampf gegen die Leidenschaften zu bestehen. So habe es unter den Juden keine Prostitution gegeben, was Mariana mit der rhetorischen Frage kommentiert: »¿Por ventura tenian ellos [los judíos] mas fuerzas para pasar sin deshonestidad que los cristianos, los cuales tienen del cielo tantas ayudas, los sacramentos, la sangre

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zugleiten, und die Sinnes Vergnügungen z u m anderen so aufgebaut seien, »que de uno nace otro mas torpe y f e o « (S. 419), ist der Verzicht auf j e d e Art von Vergnügen für ihn der sicherste W e g zur Erhaltung des Seelenheils. Hält Mariana diesen b e i m - zuvor noch als besonders stark hervorgehobenen - Geschlechtstrieb für unproblematisch, so ist er sich bewusst, dass der M e n s c h auf den Geschmacks-, Seh- und Hörsinn nicht gänzlich verzichten kann. Lasse man diesen Sinnen j e d o c h freien Lauf oder biete ihnen gar zusätzliche Betätigungsfelder, so provozieren sie aus Marianas Sicht unvermeidbar »placeres torpes« 4 3 und »lujuria« 44 und werden zu »lazos de la muerte eterna«. Deshalb ist es für Mariana die größte Sünde, diesen Sinneslüsten nicht mit Disziplinierungsmaßnahmen zu begegnen, w o b e i gerade das Theater mit seiner Flut von akustischen und visuellen Reizen den von Natur aus neugierigen und triebgeleiteten 4 5 Menschen verlocke und ihn durch seine »mäscara de honestidad o de necesidad y provecho« 4 6 zudem die Gefahr der Verfuhrung verkennen lasse.

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de Cristo, los ejemplos de los sanctos mártires?« Mariana: »Tratado«, S. 445. Marianas Ausführungen entsprechen der jesuitischen Anthropologie, die dem Menschen mit der Vorstellung von der Kooperation von Wille und Gnade eine gewisse Verantwortlichkeit für seinen Erlösungsprozess einräumt. Peter Dinzelbacher/James Lester Hogg (Hg.), Kulturgeschichte der christlichen Orden. In Einzeldarstellungen. Stuttgart: Kröner 1997, S. 225. Die >torpeza< ist sicher der meist genannte - und zugleich unkonkreteste - Vorwurf der Theatergegner gegen die Comedia des Siglo de Oro. Suárez García zählt allein bei Mariana, für den die >torpeza< unwillkürlich mit jedem weltlichen >deleite< einhergeht, 137 Nennungen von >torpe< bzw. >toipezatorpe< auf lateinisch turpis zurück und definiert es als »el sucio y de malas costumbres«. S.v. »torpe« im Tesoro de la lengua castellana o española. Der Diccionario de Autoridades setzt >torpeza< mit »deshonestidad, é impureza« gleich und nennt neben turpitudo auch die obscoenitas. Des weiteren fuhrt er die Definition »acción indigna, é infame« an. Für den Gebrauch des Wortes im Schrifttum der Theaterkritiker muss diese ganze Bandbreite von Bedeutungen berücksichtigt werden. So insistiert der Jesuit Calatayud, der den Kampf gegen das profane Theater mit seinen Missionspredigten noch bis ins 18. Jahrhundert fortsetzt und auf ein breites Schrifttum der licitud-DebMe zurückgreifen kann, auf der umfassenden Bedeutung des Begriffs, um das Theater auf jeder Ebene - auch wenn es keine konkret lasziven Elemente aufweist - für sündhaft erklären zu können: »La palabra torpe, aunque ordinariamente se suele tomar en materia de deleytes, para significar la luxuria, es común, y como generica, para significar qualquier cosa, que se opone a la recta razón, á la virtud, y reglas de la honestidad.« »Discurso pratico sobre las comedias de farsa, que se usan en España, dividido en quatro Capítulos«, in: Opusculos y doctrinas practicas, que para el gobierno interior, y dirreccion de las almas, y para el conocimiento, examen, y prueba de varios espíritus ofrece a sus directores, y confessores, y da a luz el Padre Pedro Calatayud, (Logroño 1754), S. 1-40, hier S. 5. Die »lujuria« ist bei Covarrubias nicht aufgeführt. Im Diccionario de Autoridades wird sie unter die sieben Todsünden gefasst und als »apetito desordenado, ö excesivo uso de la sensualidad ó carnalidad« definiert. So führt Mariana die Anziehungskraft des Theaters u.a. darauf zurück, dass die Menschen »naturalmente curiosos« sind. Mariana: »Tratado«, S. 419f. Auch erklärt er: »[...] como [los mortales] se gobiernan por los sentidos, se mueven principalmente por el exterior aparato de las cosas, ornato y pompa« (S. 422). Indem Mariana delectatio und curiositas als natürliche Bedürfnisse des Menschen erkennt, nimmt er die psycho-soziale Beschaffenheit der condition humaine zwar partiell in den Blick, er räumt diesen Bedürfnissen jedoch keine Berechtigung ein, sondern plädiert vielmehr für ihre Unterdrückung und Disziplinierung. Zur Beurteilung der curiositas aus christlicher Sicht cf. auch supra: II., Anm. 34. Mariana: »Tratado«, S. 419. Mariana bezieht sich hiermit auf das Vergnügen allgemein. Die Metapher des >Deckmantels< wird jedoch schon von den Kirchenvätern angeführt, die damit die Verbindung von Götterkult und Theaterauffuhrungen tadeln. Auch Marianas Formulierung ist somit eine implizite

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Die Verführung durch den deleite

Anders als die Mehrzahl der zeitgenössischen Theatergegner, die zu einer solch weitgehenden Auseinandersetzung kaum bereit ist, stellt Mariana die - zunächst Offenheit signalisierende - Frage: »¿Porqué deleitan tanto las representaciones?« Neben dem Hinweis auf die curiositas des Menschen beantwortet er diese Frage mit einer detaillierten Beschreibung der ästhetischen Triebfedern des Theaters, so der realitätsgetreuen Darstellung, dem Wohlklang von Sprache und Musik, der physischen Schönheit vor allem der weiblichen Schauspieler und den vielfältigen Identifikationsmöglichkeiten für die Zuschauer, da Personen jeder couleur dargestellt werden. Seine Beschreibung der Wortschönheit und der Musikeinlagen des Theaters liest sich dabei teilweise wie ein Lob der dramatischen Kunst.47 Selbst die schauspielerische Fähigkeit der Bühnendarsteller erkennt Mariana an, wenn er die Erzeugung einer perfekten Illusion beschreibt. Auch hat der Jesuit ein durchaus differenziertes Verständnis dessen, was das Theater zu einem wirkungsvollen Kommunikationsinstrument macht: So hebt er die größere Wirkung der Darstellung gegenüber dem Wort hervor und stellt das Lachen als wichtige Komponente einer gelungenen Theateraufführung heraus.48 Marianas positive Beschreibung gipfelt in der Bewunderung der realitätsgetreuen Aufführung mit dem emotionsgeladenen Ausruf: »¡cuánta hermosura, cuán gran deleite traen consigo para atraer y entretener la muchedumbre!« Der Kulminationspunkt seiner Darstellung ist jedoch zugleich der Wendepunkt der Argumentation, denn, so stellt Mariana abschließend fest: »No hay cosa por hermosa y preciosa que sea, que no sirva á las comedias y teatro«, womit er die einzig der Verführung des Menschen dienende Indienstnahme alles Schönen konnotiert. Stehen Lachen und Vergnügen der christlichen disciplina und dem verlangten Tugendstreben ohnehin diametral entgegen,49 so werden auch alle übrigen Elemente der Theateraufführung aus Marianas Sicht nur eingesetzt, um den Menschen seiner moralisch-sittlichen Selbstkontrolle zu entheben und die Verführungskraft der Aufführung zu steigern.50 Die Gefahr des Theaters liegt für Mariana folglich

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Replik auf die Argumentation der Theaterbefiirworter mit dem didaktischen Nutzen bzw. der politischen Notwendigkeit des Theaters. »¿Cuánta gracia se acrecentará á la narración, [...] cuando de palabras escogidas y graves sentencias está sembrado lo que se dice, como el prado de flores y el oro esmaltado de pedrería? [...] Allégase á esto flautas, cornetas, vihuelas, la suave melodía de las voces, las cuales, añadidas á lo demás, no pequeña suavidad traen consigo, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 420. »Represéntanse costumbres de hombres de todas edades, calidad y grado con palabras, meneos y vestidos al propósito, [...], en lo cual hay muchas cosas dignas de notar y muy graciosas, porque, no solo se refieren con palabras, sino que se ponen delante los mesmos ojos, y lo que tiene muy mayores fuerzas, añádense burlas y dichos graciosos, para mover la gente á risa, cosa que por sí sola deleita mucho, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 420. So formuliert Mariana: »¿qué tiene que ver la tristeza de la penitencia con la risa, vocería del teatro?« Mariana: »Tratado«, S. 444. Das Lachen gilt in der Traditionslinie von Chrysostomus über Augustin bis in die mittelalterliche Theologie als Defekt menschlichen Fleisches, da es mit der geforderten Weltabkehr des Christen unvereinbar ist. Cf. Karl-Josef Kuschel: »>Christus hat nie gelacht?< Überlegungen zu einer Theologie des Lachens«, in: Thomas Vogel (Hg.), Vom Lachen. Einem Phänomen auf der Spur. Tübingen: Attempto 1992, S. 106-128. Cf. auch II., Anm. 56. Dass Mariana dem Christen ein solch jenseitsorientiertes Leben abverlangt, legt er ausfuhrlich in seinem - zusammen mit De spectaculis veröffentlichten - Traktat De morte et inmortalitate dar. So wendet er den zuvor herausgestellten Wohlklang der Verse und die ausgefeilte Rhetorik ins Negative, indem er herausstellt, dass sie den Menschen durch ihre betörende Wirkung gefügig machen: »Allende desto, los versos numerosos y elegantes hieren los ánimos y los mueven á lo que quieren, y con su hermosura persuaden con mayor fuerza á los oyentes y se pegan mas á la memoria; [...].« Ma-

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vor allem in der Tatsache, dass sich die Menschen ihrer Verfuhrung nicht bewusst sind und den Ort des Verderbens als den ihres Vergnügens besuchen (S. 425).

3.3

Rekurs auf die Kirchenväter: die Unkenntnis des zeitgenössischen Theaters

Bevor Mariana sich mit dem zeitgenössischen Theater beschäftigt, skizziert er die Genera des antiken Schauspielwesens: Er unterteilt die ludi, deren N a m e n er mit Tertullian von den Lydern ableitet, grundsätzlich in szenische und gymnische Agone, 5 1 w o b e i er ausgehend von Tertullians Kategorisierung der Spiele in Zirkusveranstaltungen, Theaterauffuhrungen, Athletenwettkämpfe und Gladiatorenkämpfe, diese vier spectacula kurz erklärt und ihrer jew e i l i g e n Gottheit zuordnet. 5 2 In einem weiteren Kapitel befasst sich Mariana ausführlich mit der Architektur der antiken Theater- und Zirkusbauten. S o gibt er deren Fassungsverm ö g e n an, benennt die einzelnen Bauteile und verweist bei seinen Erklärungen mehrfach auf die Ruinen Roms, u m einen Aktualitätsbezug herzustellen und - indem er sich durch die deiktischen Gesten als A u g e n z e u g e n präsentiert - seine Expertise bezüglich des antiken Schauspielwesens zu unterstreichen. 53 A u f die Bühnenrealität der Antike geht er j e d o c h mit keinem Wort ein, 5 4 weshalb die beiden einleitenden Kapitel, die Mariana auf der Basis einer großen Anzahl antiker Schriftsteller verfasst, 5 5 sowohl im Hinblick auf seine weiteren Ausfuhrungen als auch auf seine Intention, die zeitgenössischen Spiele abschaffen oder

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riana: »Tratado«, S. 420. Zwar bringt Mariana diese Argumentation dem Anschein nach eigenständig vor, er paraphrasiert damit jedoch im Wesentlichen die Theaterverurteilung von Laktanz, die er in seinem Kapitel über die spectacula-Verurteilung der Patristen auch referiert: »[...] y cuanto mas elocuentes son las que tales delictos fingieron, tanto mas persuaden con la elegancia de las sentencias, y más fácilmente se pegan á la memoria los versos numerosos y elegantes« (S. 437). Ein Vergleich beider Textstellen zeigt, dass Mariana nur die Syntax verändert hat. Zu den Ersteren zählt Mariana »comedias [y] tragedias, mimos, pantomimos, archimimos, con toda la demás jarcia de representantes«. Unter die gymnischen Spiele fasst er »agones, luchadores, corredores, cocheros, y los que apuñeándose contendían.« Mariana: »Tratado«, S. 414. So die Athletenkämpfe Minerva, die Zirkusspiele - je nach Quelle - Castor und Pollux bzw. Neptun oder Ceres, die Gladiatorenkämpfe Saturn und das Theater Venus und Bacchus. Mariana: »Tratado«, S. 415. Auch im hierauf folgenden Kapitel behält Mariana den kultischen Hintergrund der Spiele im Blick, so erklärt er, dass sie sich an eine Opfergabe anschlössen und mit einer Prozession vom Tempel zum Schauspielort eingeleitet wurden. So z.B.: »[...] habia también ciertos agujeros á manera de caños, como se ve hoy en la juntura de las piedras en Roma, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 416. Dies holt er auch im weiteren Verlauf seines Traktats nicht nach. Da Mariana sich nur ein einziges Mal auf ein Stück von Terenz bezieht, die zitierte Stelle jedoch Augustins Confessiones entnimmt, ist fraglich, ob er die antiken Dramentexte überhaupt kennt. Mariana: »Tratado«, S. 434. Cf. auch infra: Anm. 99. Die Ratio Studiorum verbot den Jesuiten zwar die Terenz-Lektüre sogar nach einer >TextreinigungFall< eines Mannes provoziere, sich ebenfalls der Todsünde schuldig mache. Vor diesem Hintergrund konstatiert er, dass im Theater »muchos sin duda caen, aun de los modestos, porque ¿quién habrá que en tantas llamas no se abrase?« So bezichtigt er die Schauspielerinnen implizit der Todsünde. Mariana: »Tratado«, S. 443. Mariana: »Tratado«, S. 425. Auch im Kapitel über das Theatervergnügen (5) hatte Mariana bereits auf die Nacktheit der Schauspielerinnen angespielt: »Hay por ventura cosa que mas atraiga los ojos y los ánimos, dado que desnuda se propusiese [se. la representante]?« (S. 420). Während metaphorisch beschriebene Entkleidungs- szenen in der Comedia des Siglo de Oro tatsächlich häufig vorkommen, sind nur schwerlich Aussagen über die diesbezügliche Aufführungsrealität zu machen. Sturgis E. Leavitt geht so weit zu bemerken: »How many clothes the actresses took off is of course uncertain, but the chances are that they went as far as they dared - and this could have been quite a ways.« Golden Age Drama in Spain. General consideration and unusual features. Valencia: Artes Gráficas Soler 1972, S. 49. Es ist aber davon auszugehen, dass die moralischen Bestimmungen im Laufe des 17. Jahrhunderts immer strenger befolgt wurden und es gewiss auch große Unterschiede zwischen den vagabundierenden compañías de la legua und den offiziell anerkannten Theatertruppen der großen Städte gab. So hatte Philipp III. zur Fixierung der Theatergesetzgebung bei der Wiedereröffnung der corrales eine Kommission aus vier Mitgliedern des Kastilienrats und vier Theologen einberufen. Da die weltlichen

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Rollen von »soldados [...], rufianes« und »esclavos vestidos á manera de hombres« übernähmen, 8 1 w a s für Mariana eine viel größere Perversität darstellt. Die Übernahme des gesamten Rollenrepertoires von Männern hält er zudem aufgrund der männlichen Begierde des weiblichen Geschlechts, die damit im Theater gegenstandslos würde, für ungefährlicher. S o stehen die Schauspielerinnen, die Mariana entindividualisiert in die negative Kategorie der »mujercillas« fesst, im Zentrum seiner Kritik: Ohne Kenntnis der Realität unterstellt er ihnen, sich zu prostituieren und diffamiert sie als »ordinariamente deshonestas«, was für ihn eine unabdingbare Folge ihres Lebenswandels darstellt, »porque, ¿ c ó m o es posible estando rodeadas de tantos hombres lujuriosos y ociosos de dia y de noche vivir honestamente?« 8 2 Sind die Schauspieler nach Marianas Auffassung schon untereinander auf promiskuitive Weise liiert, 83 so rauben die Schauspielerinnen auch den männlichen Zuschauern den Verstand und provozieren Eifersucht, Betrug, Entführungen und gar tödlich endende Konflikte, wobei ihre Liebschaften von ihren - nur auf den Gewinn bedachten - Ehemännern

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Vertreter nicht erschienen, wurde die Anzahl der Theologen erhöht. Diese forderten u.a., die Schauspielerinnen durch junge - unrasierte - Männer zu ersetzen. Der Kastilienrat fällte daraufhin ein eigenes Urteil und wies den Vorschlag der Theologen mit dem Hinweis zurück, dass die Auffuhrung von Frauen, die von ihren Ehemännern bzw. Vätern begleitet werden müssten, »mucho menos inconveniente« sei. Cotarelo: Bibliograßa, S. 207 und S. 163. Mariana diffamiert diese Argumentation als Beleidigung der spanischen Nation, der - so lässt sich aus seinen Formulierungen nur schließen - damit die Neigung zur Homosexualität unterstellt werde. Mariana: »Tratado«, S. 425. Es war den Theatergegnern 1608 gelungen, ein Verbot der - beim Publikum aus voyeuristischem Interesse äußerst beliebten - weiblichen Hosenrolle durchzusetzen, so dass Marianas Vorwurf hier eigentlich obsolet geworden ist. Die Wiederholung der Vorschrift in der Reform von 1615 weist jedoch auf die ungenügende Beachtung dieses Verbots hin. Cf. den Appendix zur Theatergesetzgebung bei Cotarelo. Mit der Veröffentlichung von De rege könnte Mariana zudem zum Verbot der Hosenrolle in den Ordenanzas von 1608 beigetragen haben. Mariana: »Tratado«, S. 426. Der unkonventionelle Umgang von Männern und Frauen innerhalb der Schauspieltruppe und die Darstellung von in der Öffentlichkeit tabuisierten Verhaltensweisen auf der Bühne musste innerhalb der streng hierarchisierten, quasi theokratischen Gesellschaft des Barock Anlass zu allerlei Mutmaßungen über die liederliche Lebensweise der Schauspieler geben. Ob Promiskuität und Ehebruch unter ihnen häufiger war als in anderen Bevölkerungsgruppen, ist allerdings kaum pauschal zu beantworten. Da die Schauspielerlaubnis für Frauen bereits seit 1587 an ein Heiratsgebot gebunden war, ist davon auszugehen, dass viele Schauspielerehen nur aus formalen Gründen geschlossen wurden. Darüberhinaus brachte der Beruf an sich - schon allein durch das Umherreisen sicherlich einige Freiheiten mit sich. Oehrlein schreibt den Schauspielern innerhalb einer »nach außen intakten, im Inneren von Auflösungserscheingungen gekennzeichneten Gesellschaft« ähnliche Privilegien wie dem Adel und dem Klerus hinsichtlich wechselnder Liebesbeziehungen zu, weist aber gleichzeitig darauf hin, dass die meisten Berichte über Schauspielerehen legendenhaft seien. Cf. Joseph Oehrlein: Der Schauspieler im spanischen Theater des Siglo de Oro (1600-1681): Untersuchungen zu Berufsbild und Rolle in der Gesellschaft. Frankfurt a. M.: Vervuert 1986, S. 151 f. Mariana berichtet hier die in fast allen theaterfeindlichen Schriften mit leichten Abwandlungen auftauchende Anekdote der Liebschaft zwischen einer Schauspielerin, die die Magdalena spielt und einem Schauspieler, der Jesus darstellt. Seine konkrete Quelle nennt er nicht (»lo cual oimos al mesmo juez que lo averiguó«), wohl aber, dass die Aufführung in Alcalá de Henares stattgefunden habe. Mariana: »Tratado«, S. 426. Dieses Beispiel, das Mariana im Zusammenhang mit seinem Plädoyer für ein Aufführungsverbot für Frauen anbringt, wird von den folgenden Theaterkritikern stets als Beweis für die Verwerflichkeit der comedia de santos vorgebracht.

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geduldet und sogar forciert werden. 8 4 S o betont Mariana, dass die Ehemänner als Kuppler fungieren, indem sie den jungen Männern - gegen Bezahlung - Verführungstipps geben. 8 5 Zusätzlich hätten aber auch Kupplerinnen bei Anwesenheit einer Schauspieltruppe Hochkonjunktur. Schauspielberuf und torpeza sind für Mariana folglich so untrennbar miteinander verknüpft, dass er, selbst unter der Annahme, dass sich die Schauspieler an die Gesetze von Sitte und Moral halten, die Aufführung von comedias de santos mit dem Argument der torpeza der Darsteller untersagt, seine - ohnehin direkt als unglaubwürdig beteuerte - Prämisse also letztlich wieder zurücknimmt. 8 6 Analog zu Augustins Vorwurf, dass i m antiken Theater Ehrlose mit ihren Aufführungen die Götter ehren sollten, stellt Mariana folglich die suggestive Frage: »Pues ¿con que cara los cristianos faranduleros tomados de la plaza y de los mesones los meten en los templos para que por ellos se augmente la sagrada alegria de las fiestas? [...] ¿cömo creeremos que con su industria el culto divino en los dias de fiesta se augmente?« S o wird immer wieder deutlich, dass die Schauspieler für Mariana über keinerlei moralische Selbstkontrolle verfügen, die torpeza gehört - w i e auch die vileza, die hässlichen Sitten und die zügellosen B e w e g u n g e n - zu ihrem Wesen, weshalb die Auffuhrung anständiger oder gar sakraler Inhalte durch Berufsschauspieler für ihn de facto unmöglich ist. 88

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Mariana berichtet zunächst allgemein einige solcher Vorfälle, wobei er seine Ausführungen durch apodiktische Formulierungen wie »sabemos muchas veces [...]« und »y no hay duda sino que« ais Tatsachen ausgibt. In zwei Fällen bezieht er sich dann konkret auf seinen Wohnort Toledo, wo ein Priester, »el cual se pudiera nombrar«, durch die ständige Verfolgung einer Schauspielerin das Augenlicht verloren habe. Marianas Quelle könnte das 1598 an Philipp II. gerichtete Memorial von Lupercio Leonardo de Argensola sein, das von ähnlichen Vorfallen berichtet und ebenfalls auf der Duldung der Liebschaften durch die Ehemänner der Schauspielerinnen insistiert. Auch Argensola erzählt die supra erwähnte >Magdalena-AnekdoteAussaugens< evoziert er die Vorstellung von Blutegeln, die ihr Opfer bis an die Substanz ausnehmen. Die gleiche Metapher verwendet er für die Schauspielerinnen, die die Werbung der jungen Männern zuließen, bis deren Finanzen ausgeschöpft seien, »y sin jugo los envian á sus casas.« Mariana: »Tratado«, S. 426. »Pero demos lo que nunca se probará haber acaecido, que estos hombres atados con alguna ley severa, se pueda hacer que no pasen los términos de la modestia, y que representen con honestidad y decencia solamente historias sagradas. Digo que no obstante esto, no menos será peijudicial á la sanctidad de la religión [...]; porque ¿cómo puede ser conviniente que hombres torpes representen las obras y vidas de los sanctos [...]?« Mariana: »Tratado«, S. 423. Mariana: »Tratado«, S. 422. Auffallig ist auch, dass Mariana hier nicht mehr den neutralen Begriff »representantes«, sondern die negativ konnotierte Bezeichnung »faranduleros« gebraucht. Zur Etymologie des Wortes, die Rodríguez Cuadros auf eine Verknüpfung von »hablador o trapacero« mit der »forzada etimología derivada de for, faris (>hablarmaestros del pueblo< nicht an, 93 sondern macht sie im Gegenteil für den Sittenverfall in der Gesellschaft verantwort-

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el cuerpo, aun en los lugares sandísimos; y no sé si alguna vez representen comedia sin que muchas palabras torpes, aun sin mirar en ello, se les caigan, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 423. Mit dieser Argumentation diffamiert auch José de Jesús Maria die Schauspieler in der Primera parte de las excelencias de la virtud de la Castidad (1601): »[...] están de tal manera embebidos y ocupados en indecencias y fealdades, que aunque fueran muy espirituales las cosas que se representan, ellos se apegaran la fealdad y el mal olor, como los arcaduces hediondos al agua que pasa por ellos.« Cotarelo: Bibliografía, S. 370. »[...], y mirada toda la antigüedad, no se hallará diferencia en nuestros faranduleros y los histriones antiguos en lo que toca á este puncto de la deshonestidad, por donde los condenan los padres antiguos; si ya no fuesen [sie!] que los histriones de entonces eran mas recatados y menos deshonestos, como se ve de las comedias y tragedias de los antiguos, ansí griegos como latinos, y de lo que dellos dice san Agustín en el lib. II de La ciudad de Dios, cap 8.°, que se guardaban de palabras sucias, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 443. So konstatiert Mariana bezüglich des Tanzes der zarabanda, nachdem er den Regenten um Abhilfe ersucht hat: »Digo esto porque me han certificado que cuando esta maldita gente hace este baile delante quien les pueda ir á la mano con el mismo son, mudan las palabras que suelen cantar, y templan los meneos y su deshonestidad; tan astutos y prudentes son [...].« Mariana: »Tratado«, S. 434. Ist diese Aussage gewiss auch der Rücksichtnahme auf die königliche Autorität geschuldet, so nimmt er mit dem Hinweis auf die vorsichtige Wortwahl der Schauspieler das potentielle Argument der Theaterverteidiger bezüglich der sittenkonformen Sprache der Comedia vorweg: »[...] que si lo hiciesen de otra manera, fácilmente con la torpeza de las palabras ahuyentarían los oyentes del teatro, como sabemos haber acontecido.« Gleichzeitig stellt er jedoch unmissverständlich heraus, dass die torpeza durch das Zusammenspiel von Wort, Mimik, Gestik und Körperbewegung zustande komme. So berichtet Mariana nach Vinzenz von Beauvais und Johannes Trithemius, dass in der Weihnachtsnacht des Jahres 1012 18 Personen von einem Priester verflucht wurden, da sie sich nicht davon abbringen ließen auf dem Friedhof zu singen und zu tanzen. Der Fluch des Priesters verpflichtete sie für ein Jahr zu ununterbrochenem Tanz und endete mit ihrem Tod. Mariana konstatiert hierauf: »Yo me maravillo que no teman el castigo de aquellos cuyo ejemplo nuestros danzantes imitan; [...].« Mariana: »Tratado«, S. 424. Die gleiche >Anekdote< wird auch von Pedro de Guzmán angeführt: Bienes de el onesto trabaio y daños de la ociosidad, S. 360f. So konstatiert Mariana: »[...], y no es posible castigarlos por no tener esta gente asiento cierto, andando vagando por pueblos y ciudades con mayor libertad de pecar.« Mariana: »Tratado«, S. 426. Folglich unterscheidet er nicht zwischen den festen Ensembles der compañías de título und dem vagabundierenden Komödiantentum der compañías de la legua, die aufgrund ihrer schwierigen Kontrollierbarkeit 1646 verboten werden. Dies geht aus dem langen Zitat von Aristides hervor, dessen Argumente Mariana mit den Worten einleitet: »no poco también hacen á nuestro propósito.« So mahnt Aristides: »¿Por ventura, entregaría-

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lieh und wirft ihnen vor, bewusst mit den Angeboten der Kirche zu konkurrieren. So seien die Schauspieler - so argumentiert er in Nachfolge der von den Kirchenvätern ursprünglich auf die Pantomimen bezogene Anklage als »semiviri« - aufgrund ihrer Verweichlichung durch den deleite und ihrer mit dem Beruf einhergehenden »ánimos mujeriles« nichts als ein »peso inútil y sin provecho á la república« (S. 428). Entsprechend seiner Argumentation mit dem drohenden Niedergang Spaniens weist er zudem darauf hin, dass jeder Schauspieler mehr ein Weniger an Soldaten bedeute, wobei ihre Zahl mit der Einrichtung fester Theater beständig wachse. Obwohl Mariana feststellt, dass die »pena de infamia« in der zeitgenössischen Gesetzgebung nicht mehr existiert und Thomas darin zustimmt, dass die Schauspieler nicht sündigen, solange sie die Grenze des Anstands und der Maßhaltung wahren,94 erklärt er die Schauspieler aufgrund ihrer torpeza für ehrlos95 und schließt sie - auf der Grundlage des ausführlich referierten Briefes von Cyprian an Eucratius - auch vom Empfang der Sakramente aus.96 So fallt er das apodiktische Urteil: »juzgo deben ser echados de la Iglesia y apartados de la sanctidad de los sacramentos«, wobei seine darauf folgende Bekundung, das zeitgenössische Theater nur vom Hörensagen zu kennen, wie ein weiterer Affront gegen die Schauspieler wirkt, deren Korrumpiertheit er für so evident hält, dass er eine wirkliche Auseinandersetzung mit der zeitgenössischen Theaterrealität nicht für nötig erachtet. Dies legt offen, dass Mariana es als Vertreter der - aus theologischer Sicht mit dem Wahrheitsmonopol ausgestatteten - klerikalen Kultur ausschließlich als seine Aufgabe betrachtet, die weltlichen Angelegenheiten zu sanktionieren oder zu verbieten, nicht aber sich mit ihnen eingehender zu befassen.

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mos los hijos á maestros torpes para que los enseñasen? [...] el borracho no es bueno para enseñar la templanza, ni el deshonesto será buen maestro de la castidad; [...].« Mariana: »Tratado«, S. 423. Mariana beruft sich auf die allerorts zitierte quaestio 168, ohne jedoch auf das von Thomas verteidigte Erholungsbedürfhis des Menschen einzugehen. Mariana: »Tratado«, S. 430. Mariana: »Tratado«, S. 431. Die infamia der Schauspieler - die im römischen Gesetz Ehrlosigkeit sowie den Verlust aller Bürgerrechte bedeutete - stellt Mariana noch einmal heraus, als er sich mit den Zivil- und Kirchengesetzen befasst (Kapitel 14) und bedauert, dass sich die zeitgenössische Gesetzgebung von der antiken entfernt hat. So erklärt er, dass die römischen Schauspieler mit dem Verdikt der infamia belegt wurden, der Mann seine Ehefrau verstoßen durfte, wenn sie das Theater ohne seine Erlaubnis besuchte und der Vater den schauspielenden Sohn enterben konnte. Auch führt er die Kirchengesetze an, nach denen die Schauspieler aus der christlichen Gemeinde ausgeschlossen wurden (cf. S. 439f.). Zur römischen Schauspiel-Gesetzgebung und zur Strafe der infamia cf. auch supra: IV, Anm. 9 und Anm. 54. Mariana appliziert Cyprians Entscheidung hierbei geschickt auf die Gegenwart: So sei kürzlich ein Schauspieler während der Auffuhrung gestorben, als er in der Rolle des Liebestollen die Hilfe der Götter erbat und einen Selbstmord fingierte. Mariana insistiert darauf, dass der Schauspieler nicht hätte kirchlich begraben werden dürfen, obwohl einer seiner Schauspielkollegen behauptete, dass er sich in wenigen Tagen habe zum Mönch weihen lassen wollen, woraufhin der - von Mariana als gerecht empfundene - »rigor eclesiástico« nicht angewandt wurde. Mariana: »Tratado«, S. 430. Damit schließt Mariana die Schauspieler kompromisslos aus der christlichen Gemeinschaft aus, wobei er auch ihre Funktion als »rituell Sachkundige« (J. Oehrlein) nicht anerkennt, wenn er die gegenwärtige Gestaltung der Fronleichnamsfeste als Blasphemie verurteilt. Cf. infra: Anm. 109.

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5

Die Verurteilung der Institution

5.1

Das Theater als Bordell und Schule der Unsittlichkeit

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Da Promiskuität, Unsittlichkeit, Prunksucht, Völlerei, Zorn und das Hervorrufen gefahrlicher Leidenschaften die Begleiterscheinungen aller »juegos públicos« seien, dürften diese Sünden - so konstatiert Mariana bezüglich des Stierkampfes - bei der Feststellung von dessen Zulässigkeit nicht berücksichtigt werden. Stellt er mit dieser geschickten ex negativo-Formulierung implizit die Zulässigkeit aller profanen Vergnügungen zur Disposition,97 so lässt er die aufgezählten Sünden bei der Beurteilung des zeitgenössischen Theaters sehr wohl gelten. Schon die Handlung der Comedia, deren Beschreibung er einzig den Texten der Kirchenväter entnimmt, ist fur Mariana Ausweis ihrer Unsittlichkeit. Entsprechend der metaphorischen Bezeichnung der Schauspieler als »borrachos« stellt er die Aufführungen wie die Patristen - als »fiestas de Baco y de Vénus« dar, wobei er auch die moralische Didaxe des Theaters dementiert: So lerne die Jugend nichts als »ser enamorad[a] y levantar riñas y cuestiones« und das Theater führe zu einem alle Bevölkerungsschichten ergreifenden Verfall von Sitte und Moral.98 Ebenfalls in der Nachfolge der Kirchenväter sieht Mariana eine Kausalverbindung zwischen dem Zuschauen im Theater und dem Nachvollzug des Gesehenen in der Realität, so konstatiert er lakonisch: »Juego, dicen, es, pero el tal juego llevará á verdaderos pecados y males de veras; [...].«" Initiatorin dieser Sünden ist fur Mariana wiederum die durch eine Vielzahl von optischen und akustischen Reizen ausgelöste Lust der Sinne, die bei den Zuschauern Wollust und Zügellosigkeit entfacht und dazu führt, »[que] con representaciones vanas y enmascaradas aprenden vicios verdaderos«. So folge dem Sehen das Weitererzählen unter - von theologischer Seite ebenso verurteiltem - Lachen und dem wiederum das schamlose Nachahmen des Dargestellten.100 Hinzu kommt, dass die abgeschlossenen Lo-

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»No quiero decir que deste espectáculo provienen muchos pecados, atavíos demasiados y galas á porfía, ocasion de deshonestidad por juntarse allí y mezclarse hombres y mujeres, la glotonería con convites demasiados, la ira arrebatándose los hombres con furor con aquella vista y desordenándose las pasiones; los cuales pecados, dado que se deban evitar, pero por ser comunes con todos los demás juegos y fiestas donde hay semejantes concursos, no conviene ponerlos á cuenta, si no queremos condenar juntamente todos los demás juegos públicos, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 452f. 98 Mariana: »Tratado«, S. 428. Mariana nennt als Folgen der Theateraufführungen »los casamientos desdichados, los hurtos y los robos y muchas maldades que apenas oyeron nuestros antepasados«, die alle aus dem Verlust des Schamgefühls und der Hinwendung zur »deshonestidad« resultieren (S. 438). 99 Mariana: »Tratado«, S. 425. Als Beispiel für die Imitationsgefahr nennt Mariana an anderer Stelle die Komödie Eunuchus von Terenz: So habe der Protagonist Chaerea, provoziert durch die bildliche Darstellung der Verführung einer Frau durch Jupiter, Pamphila verfuhrt. Die Gefahr der Nachahmung der Fiktion in der Realität beweist Mariana also nicht mit der Realität, sondern mit einem Drama von Terenz - also ebenfalls mit fiktiver Literatur! Die Komödie von Terenz scheint er zudem nicht einmal selbst rezipiert zu haben, denn er gibt auch hier als Quelle Augustins Confessiones an (S. 434). Cf. auch supra: Anm. 54. 100 »Porque las cosas que por imágen y semejanza en tales espectáculos se representan, acabada la representación, se refieren y cuentan con risa, y poco despues se cometen sin vergüenza, incitando á mal el deseo natural del deleite, que son como ciertos escalones para concebir y obrar la maldad, pasando fácilmente de las burlas á las veras como la distancia no sea muy grande.« Mariana: »Tratado«, S. 413. Interessant ist in diesem Zusammenhang wiederum Marianas Aufwertung der antiken Kampfspiele, deren Imitation er - die Grausamkeit von Zirkus und Amphitheater ignorierend - entsprechend seiner Idealvorstellung eines militarisierten Staates als positiv sanktioniert: »con las burlas se ejercitaba el cuerpo para las verdaderas peleas y guerras, [...]« (S. 420).

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genplätze, in denen Männer und Frauen zusammen sitzen, das Theater für Mariana - wie in der Antike - in ein Bordell verwandeln, »muy mas perjudicial que los que tienen este nombre.«101 Die staatlich geregelte Unterstützung des Krankenwesens mit einem Viertel des Eintrittspreises interpretiert Mariana folglich als Versuch, das Bühnenwesen zu legitimieren, den er mit der Verbindung von Theater und Venustempel durch Pompejus gleichsetzt.102 Neu - auch im Hinblick auf die Argumentation der übrigen Theatergegner - ist aber seine zusätzliche Interpretation der Steuer als gescheiterte Kontroll- und Disziplinierungsmaßnahme: So habe der Staat neben dem angenehmen Effekt der finanziellen Sicherung des Armenwesens die - fehlgeschlagene - Intention verfolgt, die Schauspieler durch die Bindung des Theaterwesens an die Stadtverwaltung einer strengen Gesetzgebung zu unterwerfen.103 Da die farsantes aus Marianas Sicht jedoch nicht zu disziplinieren sind, schiebt er auch die Bedürftigkeit der Armen mit puristischer Geste beiseite: So wäre es besser, sie nicht öffentlich zu unterstützen, als dem Gemeinwohl durch das Theaterwesen einen solchen Schaden zuzufügen.

5.2

Die unzulässige Vermischung von Heiligem und Profanem

Aufgrund der Unsittlichkeit der Theateraufführungen plädiert Mariana auch für ein Verbot der comedia de santos sowie für die Verbannung der Theaterstücke aus den »templos sanctísimos como estiércol y burla de la religión«. So dementiert er den Hinweis der Theaterverteidiger, dass in den Kirchen nur religionskonforme Heiligenviten aufgeführt würden, mit dem Argument, dass die beabsichtigte Provokation des Lachens die Darstellung von »cosas torpísimas« erfordere. Die Aufführung sakraler Inhalte durch profane Personen ist aus Marianas Sicht Blasphemie und die Vermischung von Heiligem und Profanem generell unzulässig.104 Vor die Wahl gestellt, würde er deshalb eher die Darstellung profaner als die Aufführung religiöser Inhalte billigen. Diese Haltung macht deutlich, dass Mariana eine klar begrenzte Vorstellung von den Kategorien >heilig< und >profan< besitzt. Indem die Comedia als säkulares Phänomen zur Darstellung und Propagierung religiöser Inhalte verwendet wird, muss sie für Mariana folglich die Gefahr bergen, die Trennung dieser beiden 101 Mariana: »Tratado«, S. 427. Die Primeras Ordenanzas de Teatros von 1608 - die Marianas Einwand durch die Veröffentlichung von De rege 1599 berücksichtigt haben könnten - erlauben das Zusammensitzen von Mann und Frau in den aposentos nur, insofern ein Verwandtschaftsverhältnis zwischen beiden besteht. Cotarelo: Bibliografía, S. 623. 102 »A imitación pues de Pompeyo juntan con el hospital general el teatro para que la ganancia sea mayor, como sabemos se ha hecho en Salamanca en tanta luz de doctrina y erudición.« Mariana: »Tratado«, S. 429. 103 So konstatiert er: »[...], á algunos hombres prudentes les pareció que seria provechoso para la república alguna parte de aquella ganancia para sustentar á los pobres, edificándose con autoridad pública alguna casa ó teatro, y alquilándola á alguna persona por gran precio, porque desta manera entendían se acudiera á todo socorriendo á la necesidad de los pobres, y reprimiendo con aquella como pena la libertad de los farsantes, principalmente poniéndoles leyes y sobrestantes que les fuesen á la mano, quitando la ocasion de pecado y teniendo cuidado de la modestia; [...].« Mariana: »Tratado«, S. 429. 104 Diese Argumentation führt er auf Arnobius und Tertullian zurück, die verurteilt hatten, dass die Schauspieler die Götter lasterhaft darstellen, was für ihn mutatis mutandis bis in die Gegenwart gültig ist: »Las cuales palabras podemos transferir á nuestras costumbres, mudados solamente los templos, las personas y la religión, y entender que con las costumbres antiguas se acusa la libertad y torpeza de las nuestras.« Mariana: »Tratado«, S. 423.

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Kategorien aufzuheben und muss damit eine Konkurrenz für die Theologen darstellen, die als bisher alleinige Vertreter des Heiligen an der Aufrechterhaltung dieser Trennung interessiert sind. 1 0 5 Folglich fasst Mariana jegliche Invasion des Profanen in den Raum der Kirche als Bedrohung für die klerikale Kultur auf, weshalb er selbst die kirchliche Orgelmusik verurteilt, die dazu führe, dass die Menschen den sakralen Raum mit der gleichen Disposition beträten w i e das Theater. Als noch verwerflicher tadelt er den Gesang in der Kirche, da die gleiche Melodie sowohl mit profanem als auch mit religiösem Text gesungen werden kann. 1 0 6 Birgt die Manipulationskraft der Musik für Mariana schon in der Kirche unabsehbare Gefahren, so ist sie im Theater um so gefahrlicher, als sie mit »cantarcillos torpes, tomados de las plazas, bodegones y casas püblicas« verbunden ist und sich sowohl durch die torpeza des Textes als auch durch eingängige Melodien im Gedächtnis der Zuschauer festsetzt, wodurch sie wiederum in die Öffentlichkeit und Privathäuser vordringt. S o habe - dies stellt Mariana in einem laus temporis acti besonders eindrücklich heraus das Lob der Venus in den allerorten anklingenden Liebesliedern das früher omnipräsente Gotteslob längst ersetzt, weshalb der Jesuit unter Hinweis auf die zu erwartende göttliche Strafe an die weltlichen und geistlichen Herrscher appelliert, die - zudem von nonverbalen Körperinszenierungen begleitete - Theatermusik zu verbieten. 1 0 7 Gleiches fordert er bezüglich des Tanzes der zarabanda,m der das Theater, da öffentlich, verwerflicher als das Bor-

105 Dies könnte auch der Grund dafür sein, dass Mariana der comedia de santos ein ganzes Kapitel mit dem programmatischen Titel widmet: »Que las comedias no son á propósito para honrar á los sanetos«, auf die ebenfalls zu Ehren der Heiligen aufgeführten Theaterstücke seines Ordens aber mit keinem Wort eingeht. So ist denkbar, dass er die hagiographischen Stücke der Societas Jesu für zulässig erachtet, weil sie - im Gegensatz zum säkularen Phänomen >Theater< - von den >dafiir Zuständigem aufgeführt werden. 106 Marianas Sorge ist vor dem Hintergrund, dass liturgische Gesänge und Kirchenmusik durchaus zur zeitgenössischen Theaterpraxis gehörten, nicht ganz unbegründet. Cf. hierzu Carmelo Caballero Fernández-Rufete: »La Música en el Teatro Clásico«, in: Javier Huerta Calvo (Hg.), Historia del teatro español, T. 1, S. 677-715. 107 Mariana: »Tratado«, S. 432. Mariana beschreibt hierbei ausführlich die Wirkung der verschiedenen Tonarten und ermahnt den Regenten generell zur Vorsicht mit dem Umgang der - Affekte provozierenden - Musik. 108 Die zarabanda war ein besonders beliebter Tanz innerhalb der Aufführungspraxis des Siglo de Oro, bei der die drei jornadas der Comedia in eine Abfolge von Vor- und Zwischenspielen, Musik und Tanz eingegliedert waren. Covarmbias definiert die zarabanda als »alegre y lascivo, porque se hace con meneos del cuerpo descompuestos«. Der Tanz, der ursprünglich aus Cádiz stamme und bereits in den römischen Theatern getanzt worden sei, werde von Frauen ausgeübt, die alle Körperteile bewegen, wobei »los brazos hacen los más ademanes, sonando las castañetas.« Covarmbias insistiert auf der erotisierenden Wirkung der zarabanda und erklärt, dass die Tänzerin, »que cierne con el cuerpo a una parte y a otra, y va rodeando el teatro, o lugar donde baila« die Theaterzuschauer zum Mittanzen anrege. S.v. Tesoro de la lengua castellana o española. Während auch Mariana, der der zarabanda ein ganzes Kapitel widmet, darauf hinweist, dass der aus Cádiz stammende Tanz schon zu Zeiten der Römer getanzt worden sei (»Tratado«, S. 433), führt Cotarelo seinen Ursprung erst auf das 16. Jahrhundert zurück. So macht er als erste Erwähnung der zarabanda ihr Verbot in den Actas de la Sala de Alcaldes de Casa y Corte von 1583 aus. Cf. Emilio Cotarelo y Mori: Colección de entremeses, loas, bailes, jácraras y mojigangas desde fines del siglo XVI á mediados del XVIII, T. 1. Madrid: Casa Editorial Bailly/Bailliére 1911, S. CCLXVI ff. (Neu aufgelegt mit Vorwort und Indices von José Luis Suárez García und Abraham Madrañol, Granada: Universidad de Granada 2000). Während dieses erste - scheinbar wirkungslos gebliebene - Verbot den Volkstanz betrifft, schlägt sich Marianas auf die zeitgenössische Theaterpraxis bezogene Forderung, die zarabanda zu verbieten, in der Theaterreform von 1615 nieder, die »bailes, [...] cantares [y] meneos lascivos [y] deshonestos« verbietet und darunter explizit die zarabanda nennt.Cotarelo: Bibliografía, S. 626.

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dell werden lasse, wobei das Zeichen des bereits fortgeschrittenen Sittenverfalls und der damit einhergehenden Abwendung von der christlichen Doktrin für Mariana auch hier in der erschreckenden Tatsache liegt, dass der Tanz bereits Einzug in die Kirchen, Fronleichnamsfeste und Nonnenklöster gehalten habe.109 Für Mariana wird die zarabanda fast zur Apostasie, wenn er konstatiert, dass sie von den »fiestas de Vénus y de Adonide, su enamorado« (S. 433) nicht weit entfernt sei. Um ihr Verbot mit größerer Schlagkraft durchzusetzen, verbindet er die »ofensa muy grave de nuestro Senor«, die dieser Tanz darstelle, psychologisch geschickt mit dem Schreckgespenst des Protestantismus110 und bittet die »divina Majestadad« - aufgrund der Blindheit der Regierenden - um Vermittlung.

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Die Zuschauer: der Theaterbesuch als Verstoß gegen die weibliche Tugend und die sexuelle Abhängigkeit der männlichen Zuschauer

Besteht für Mariana die Gefahr der Sittenverderbnis grundsätzlich für Personen jeden Alters, Geschlechts und Standes, so ist er besonders besorgt um die jungen Frauen und Männer, »que se [corrompen] antes de tiempo«, da sie im Theater in (Liebes-)Angelegenheiten unterrichtet werden, deren Unkenntnis der Jesuit für vorteilhafter hält.111 Folglich tadelt er wiederum in Anlehnung an die Kirchenväter, die kritisiert hatten, dass Eltern ihre Kinder in die Theatervorstellungen mitnehmen - die Verführung der Mindeijährigen durch die Schaulust der Erwachsenen, die sich um so schuldiger machen, als sie das Gefahrenpotential des Theaters zu ihrer eigenen Verteidigung nicht diesem selbst, sondern dessen Missbrauch zuschreiben.112 Trifft Marianas Verurteilung der Schauspieler vor allem die weiblichen Komödianten, so bezieht sich seine Verurteilung der Zuschauer auf beide Geschlechter gleichermaßen, wobei er den Theaterbesuch der Frau weniger aufgrund der schädlichen Wirkung des Theaters speziell tadelt, als generell ihr Verlassen des häuslichen Umfeldes und ihr Abweichen 109 Mit dieser Stellungnahme erweist sich Mariana auch als Gegner der zeitgenössischen Gestaltung der Fronleichnamsprozessionen: »Sabemos por cierto haberse danzado este baile [i.e. la zarabanda] en una de las mas ilustres ciudades de España, en la misma procesión y fiesta del santísimo Sacramento del cuerpo de Cristo, nuestro Señor, dando á su Majestad humo á narices con lo que piensan honralle. Poco es esto despues sabemos que en la mesma ciudad, en diversos monesterios de monjas y en la mesma festividad se hizo, no solo este son y baile, sino meneos tan torpes, que fué menester se cubriesen los ojos las personas honestas que alli estaban, ¿qué esto es razón que se sufra y disimule y que las casas de Dios y los monesterios se hagan oficinas de deshonestidad, y esto con titulo de que se honra á Dios en ello y se aumenta el culto divino?« Mariana: »Tratado«, S. 433. Cotarelo bestätigt, dass die zarabanda, obwohl bereits 1583 erstmals verboten, 1593 während der Fronleichnamsprozessionen von Sevilla getanzt wurde. Colección de entremeses, loas, bailes, jácraras y mojigangas desde fines del siglo XVI á mediados del XVIII, T. 1., S. CCLXVII. 110 So konstatiert er in einem Nebensatz: »y solo resta que se predique [i.e. la zarabanda] en los púlpitos, como cosa licita (como en Alemania en semejantes materias se hace con tanta publicidad, pues del hacer al enseñar hay poca distancia), [...].« Mariana: »Tratado«, S. 434. 111 Mariana: »Tratado«, S. 413. Mariana begründet die besondere Gefährdung der Jugend mit deren Formbarkeit: »Porque mucho importa á qué deleites se acostumbran los mozos desde su tierna edad, pues de los primeros años en gran parte depende todo lo demás; [...]« (S. 428f.). Die besondere Sorge um die moralische Gefahrdung der Jugend war schon Bestandteil der antiken spectacula-Kritik. 112 »Desto me maravillo que esta vanidad arrebata los hombres prudentes de tal manera, que con gran sed se ocupen en los espectáculos sin considerar que con su ejemplo acarrean la muerte á los menores, y no contentos con esto y hechos defensores de la común locura para pecar con mas libertad y sin ser reprehendidos, niegan que estos espectáculos de suyo sean causa de la maldad, sino que esto proviene por el abuso de los hombres, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 425.

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vom christlichen Idealbild, das für die Frau eine schweigend-gehorsame Haltung sowie Unwissenheit in weltlichen Dingen vorsieht, zu verurteilen.113 Für die Männer, die von Natur aus auf Laster und Wollust ausgerichtet sind - so Marianas theologisch begründete anthropologische Sicht - , birgt das Theater hingegen viel konkretere Gefahren: So degenerieren sie zu Sklaven der Schauspielerinnen, denen sie wie hechelnde Hunde und brünstige Hengste mit offenem Mund nachjagen." 4 Gibt Mariana mit diesem Vergleich, der die Männer in den Bereich des Animalischen rückt, seiner eigenen Verachtung Ausdruck, so überträgt er seine Aversion durch die anschauliche Darstellung zugleich auf den Leser. Zudem verbindet er seine Argumentation auch hier mit der Staatsraison: So verschwenden die Männer ihre Kräfte in Eifersuchtsausbrüchen und Streitereien um die Schauspielerinnen, statt ihre Körper für den Ernstfall zu trainieren und werden durch die Hingabe an das Vergnügen genusssüchtig und kriegsunfahig. Wird der Körper aus Marianas Sicht durch die Theatervorstellungen dem ocio zugeneigt, so der Geist der torpeza. Folglich betont der Jesuit, dass das Theater die aus allen Bevölkerungsschichten stammenden Besucher zu Pflichtvernachlässigung und Ungehorsam verführt: Die Jugend verliert den Respekt vor den Eltern, die arbeitende Bevölkerung gibt sich zum Schaden ihrer Familien dem Müßiggang hin, die Dienerschaft wird dreist und stiehlt, um sich den Theaterbesuch leisten zu können und die Frauen verletzen ihre häuslichen Pflichten.115 Dabei verurteilt Mariana auch die sich in »meneos y visajes, gritería, aplauso y lágrimas« (S. 419) äußernde Enthemmung der Zuschauer während der Aufführung, die sie den Schauspielern gleich mache. Neben den - des Schutzes und der Bewachung bedürftigen - Frauen und den per definitionem lüsternen Männern, hebt Mariana den Theaterbesuch der »hombres graves«, der Greise, Adeligen und Geistlichen hervor, der sowohl ihre Würde als auch das Ansehen ihrer Stadt beflecke (S. 428). Dabei kritisiert er die Geistlichen aufgrund ihrer Verpflichtung zu Askese und vorbildlicher Lebensführung besonders hart, klagt sie der Nachlässigkeit, des

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So konstatiert Mariana: »y es oficio de la mujer honesta guardar los umbrales, si no le fuerza á salir alguna necesidad.« Als besonders angemessene Darstellung der Frau lobt er eine Statue, die Juno, die Göttin der Ehe, auf einer Schildkröte sitzend zeigt. Die Schildkröte habe zwei sehr passende Eigenschaften: Sie könne sich nur langsam fortbewegen und sei stumm. Das Gegenbild der anständigen Frau - die Prostituierte - charakterisiert er dementsprechend mit Berufung auf die Sprüche Salomos als »parlera y andariega«. Mariana: »Tratado«, S. 428. 114 »Cosa torpísima es por cierto ver por las calles, plazas y mesones mozos, hijos de padres honrados, que perdida la vergüenza y el respeto, se andan abiertas las bocas tras estas mujeres, no de otra manera que los perros ó los caballos relinchan vista la yegua, [...].« Mariana: »Tratado«, S. 426. Der >StarkultRuhekissen des Teufels< (S. 71) aus seiner Sicht zu Wollust, Hochmut, Weltliebe, Völlerei, Prunksucht und einem Übermaß an Schlaf verführt. Da Guzmán neben dem Schlaf alle zeitgenössischen >Freizeitbeschäftigungenmaxime de spiritualité< darstellt, e m pfiehlt er auch seinen laikalen Lesern die Annahme einer puritanischen, allein auf Gott zentrierten Zeitnormierung: S o macht er deutlich, dass dem Christen angesichts der Fülle von Pflichten, die er allein zur Erlangung des Seelenheils zu erfüllen hat, keine frei disponible Zeit bleibt. 22 Im Gegenteil dürfe er, da jeder Zeitverlust irreparabel ist, keine Stunde verlieren, weshalb der ideale Mensch aus Guzmáns Sicht »[...] es dueño de todas las horas, y ninguna pierde: y las que puede rescata de la conuersacion, de los negocios, de los cumplimientos, del sueño, y de las demás ocupaciones inútiles, que veremos despues, las quales nos tienen vsurpado el tiempo« (S. 96f.). Angesichts der sich daraus ergebenden Bedeutung der Zeit sowie ihrer Knappheit verliert für Guzmán alles an Gewicht, w a s nicht auf die certitudo salutis hingeordnet ist: A u c h Schlafen wird zum Negativum, Wachen zum Positivum. 2 3 Allerdings ist die otiositas für den Jesuiten nicht nur negativ besetzt. S o kennt er neben der schädlichen Form des Müßiggangs auch einen » o c i o honesto, y virtuoso«, zu dem er den »otium literarium« und den »otium sapientis« (S. 104) zählt. Weit entfernt von einer Rehabilitierung der - dementsprechend auch gar nicht weiter erwähnten - Literatur, bezweckt er hiermit aber allein die Rechtfertigung des Klerus, dessen vita contemplativa er über die nur dem weltlichen Nutzen dienende vita acitva des Laien stellt: S o spiegele die kontemplative Haltung der Geistlichen - im Gegensatz zur Unterstellung von »algunos ignorantes« - k e i n e s w e g s Untätigkeit, sondern sei sowohl moralisch als auch hinsichtlich ihres pragmatischen Nutzens höher zu bewerten als j e d e Art von körperlicher Arbeit, indem

do, para hazer penitencia, para alcangar perdón, para adquirir la gracia, y merecer la gloria.« Bienes, S. 84f. Als Quelle der kursiv gedruckten Stellen gibt er in der Randglosse den heiligen Bernhard an. 22 »Pero tomando este negocio por sus primeros principios, no se yo cierto, quien considerando sus obligaciones (aunque no sean sino precisamente las de Christiano, que son muchas, fuera de las particulares de su oficio, y estado) puede acabar consigo, perder vn solo punto de tiempo ni dar lugar á la ociosidad. En las obligaciones que vn Christiano tiene, se encierran lo primero las déla [sie!] Religion, y culto de Dios, y de sus Santos, y de sus fiestas, frequencia de Sacramentos, de sermones, y platicas espirituales, oracion vocal, y mental, lección, obras de misericordia, espirituales, y corporales, obras de justicia, en quanto está vno obligado á hazerlas. Para cada cosa destas bien hecha es corto el dia, y aun la vida. Entran luego las obligaciones del estado, y oficio, el gouierno de la casa, y familia, la prouision della, la administración de la hazienda, el negocio, y otras ¡numerables cosas á esto, que si se atiendiesse á ellas, ni auria lugar para el juego, ni para la comedia, ni para la conuersacion, ö murmuración, ni para el vano entretenimiento.« Bienes, S. 136f. 23 Guzmán setzt den Schlaf mit Tod und Sünde gleich und versucht durch eine Fülle von anschaulichen Bildern und Vergleichen seine Leser vom Schaden des übermäßigen Schlafs zu überzeugen. So konstatiert er z.B., dass viele Menschen im Schlaf sterben und stellt die kuriose These auf: »si velaran, por ventura no murieran«. Auch nennt er konkrete Krankheiten als Folgen des übermäßigen Schlafs. So führe vor allem das Schlafen tagsüber zu »enfermedades de corrimientos, y reumas, estraga el color, engendra bafo, relaxa, causa floxedad, da hastio, produze postemas, y frequentes calenturas«. Bienes, S. 173. Um seinen Lesern eine Richtlinie im Schlafmaß zu geben, weist er zunächst auf die Tagzeitenliturgie der Mönche hin, die bereits um Mitternacht beginnt und stellt dann die Regel auf, »que todo lo que el hombre pudiera quitar al sueño, rescatando el tiempo, lo haga, [...]«. Auch den zu tiefen Schlaf kritisiert Guzmán, so krähe der Hahn alle drei Stunden, um die Schlafenden zu wecken und die Träumenden zu tadeln. Unter Verweis auf Plinius fugt er erklärend hinzu, dass der Hahn, der öfter zum Himmel schaue als die anderen Vögel, mit Gott kommuniziere. Abschließend gibt er mit Johannes Cassian den Rat, die Gedanken beim Aufwachen sofort auf Gott zu richten, damit der Teufel das Herz beschäftigt finde. Guzmán bedient sich in dem Diskurs über den Schlaf, der 51 Seiten einnimmt, auch der für die Epoche des Barock charakteristischen Metapher des Lebens als Traum (S. 151).

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sie Gott für die Miseren der Welt empfanglich mache und sein positives Eingreifen bewirke.24 Wenn Guzmán die Tätigkeit dieser »ociosos ocupados« damit beschreibt, dass sie »ya escriuen lo que saliendo despues á luz, sirue al mundo de luz, ya oran, ya estudian, ya se ocupan también en alguna obra exterior [...]« (S. 108), reiht er sich mit dem Verfassen seines Werks selbst in die distinguierte Gruppe der >untätig Tätigem ein, deren Muße er als »honesta desocupación« lobt. So wie es im positiven Sinn »ociosos ocupados« und eine ehrbare Form der otiositas gibt, gibt es im negativen Sinn auch »ocupados ociosos«, deren »negocios« Guzmán als »ocios« verwirft. In Aberkennung der Adiaphora gelten ihm all jene als Müßiggänger, die weder zur Produktivität Spaniens beitragen noch - wie die Geistlichen - auf andere Weise der res publica dienen, denn diese »mal ocupados« verstoßen durch das Ausüben heilsirrelevanter Tätigkeiten gegen den göttlichen Heilsplan.25 Solchen >nutzlosen< Beschäftigungen gehen - so stellt er mit Berufung auf Seneca fest - vor allem die Höflinge nach. Für Guzmán wird der cortesano, Prototyp der Renaissance,26 damit zum negativen Gegenbild der im Zuge des Barock erneuerten christlichen Idealvorstellung, die den Menschen wieder ausschließlich in das Beziehungsgefuge Gott-Schöpfung stellt und ihm eine jenseitsorientierte asketische Lebensweise abverlangt. In einer solchen Sichtweise muss der Adelige, für den Freizeit ein differenzloser Dauerzustand ist, zum »ocioso« par excellence werden, weshalb Guzmán immer wieder die Notwendigkeit der »ocupacion de la gente noble, y rica« betont.27 Auch erkennt er den die Arbeit tabuisierenden Ehrenkodex des Adels als Schlüsselproblem der wirtschaftlichen Situation Spaniens, wobei er nicht nur die arbeitslos finanzierten Adeligen, sondern alle am Hof lebenden Personen aufgrund ihrer Unproduktivität als »seminario de vicios, pecados, rebueltas, riñas, y males de las Repúblicas« diskreditiert.28 So weist er darauf hin, dass die große Zahl der Müßiggänger in der Stadt im Ge24 Auch hier bedient sich Guzmán zur besseren Verständigung mit seinen Adressaten einer überaus bildlich-konkreten Beschreibungsebene. So bezeichnet er die Gebete der Geistlichen u.a. als »llauves que abren el cielo para que embie lluuia«. Bienes, S. 106. 25 »[...] en el vocabulario de Dios, todos los mal ocupados, aunque lo esten mucho, se dizen estar ociosos, y mano sobre mano, por ser sus ocupaciones inútiles para el alma, la qual han recebido en vano, [...], pues no la emplean en aprender el fin para que fue criada.« Bienes, S. 192. 26 Als solchen stellt ihn Abellán heraus: »En estrecha conexión con el inmanentismo humanista se halla también la secularización de las costumbres y de las conductas, cada vez más alejadas del teocratismo medieval; aquí tendría su origen el amor cortés del caballero a su dama y toda la literatura trovadoresca a que dio lugar. El prototipo de la época empezó a ser el cortesano, ducho en el arte de la espada, del verso, de la elocuencia y del galanteo.« Historia crítica del pensamiento español, T. 2, S. 17. Zur Bedeutung des Ideals des Höflings in der Renaissance cf. auch Peter Burke: The Fortunes of the Courtier. The European Reception ofCastiglione's Cortegiano. Cambridge: Polity Press 1995. 27 »Otra cosa podría también embidiar, é imitar nuestra España en algunas naciones estrangeras, que es la ocupacion de la gente noble, y rica, particularmente en su juuenil edad, de quien es mas propia y conatural la ociosidad, que aunque esta ocupacion es voluntaria, pero es mas importante, y aun necessaria para escusar grandissimo numero de males, y pecados, que del ocio de la gente poderosa en las Republicas suele nacer.« Bienes, S. 133. 28 So konstatiert Guzmán in einem Nebensatz, dass die Thraker »([...] veneran y tienen por noble al hombre ocioso, como parece se vsa también en nuestra España)«. Bienes, S. 111. Dieser Seitenhieb trifft vor allem die spanische Oberschicht, die ihr distinktives Merkmal entsprechend der feudalistischen Ideologie in der Ablehnung körperlicher Arbeit sah. Müßiggänger sind für Guzmán aber auch die »pages, lacayos, gentilhombres, y oficiales en las casas de los Principes«. In seinem Bemühen um eine möglichst pragmatische, die gegenwärtige Situation analysierende Argumentation kritisiert er vor allem, dass »los que auian de estar, ó labrando la tierra (que á penas ay ya quien se incline á esto, estando

Pedro de Guzmán: Bienes de el honesto trabaio y daños de la ociosidad

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gensatz zu der Entvölkerung weiter Landstriche steht, und fuhrt den Niedergang der landwirtschaftlichen Produktion u.a. - durchaus richtig - auf die Abwanderung der Spanier in die Kolonien und die Vertreibung der wirtschaftlich aktiven Gruppe der moriscos zurück.29 Die desolate wirtschaftliche Lage Spaniens begründet er weiterhin mit der geringen Neigung der Spanier zur Arbeit und - paradoxerweise - mit ihrer Frömmigkeit, die die Müßiggänger einlade, von den Almosen der Gläubigen zu leben.30 Der Zeitvertreib der »ociosos« und »mal ocupados« besteht für Guzmán vor allem im »vano entretenimiento«. Entsteht diese Neigung zur Zerstreuung einerseits durch den Müßiggang, so ordnet Guzmán sie andererseits der aus christlicher Sicht verurteilten curiositas zu, so haben die »juegos y entretenimientos [...] la ociosidad como madre, y el ingenio curioso como padre« (S. 191). Weiterhin unterscheidet er den Müßiggang von Privatpersonen, der sich im Karten- und Würfelspiel äußert, von der kollektiven otiositas, die sich in »los juegos públicos gladiatorios, ö de toros, las comedias, y representaciones, y semejantes passatiempos públicos« manifestiert und von den Herrschern als den Entscheidungsträgern über die öffentlichen Angelegenheiten verschuldet ist. Während er Stierkämpfe und Theaterauffuhrungen als grausame bzw. unsittliche Erfindungen der sündhaften Neugierde verurteilt und Gewinnspiele aufgrund ihrer »vil ganancia« ablehnt, gibt es für Guzmán aber noch eine dritte Gruppe von »juegos«, die er als heilsirrelevant (»indiferentes«) bezeichnet. Zu dieser Gruppe zählt er - wie Mariana - vor allem körperliche Ertüchtigungsübungen,

España exhausta de gente) ò exerciendo algún oficio de manos, se ocupan en jugar, passear, hurtar à sus señores, para tener para esto, y para sus galas, y para sus vicios, y para lo demás que enseña la ociosidad« (S. 124f.). Der städtische Zeitvertreib wird schon im klassischen Griechenland in Abgrenzung zur landwirtschaftlichen Produktivität verurteilt. So wendet sich Xenophon in seinem Oikonomikos gegen die Dirnen, das Würfelspiel und das ausschweifende Leben und stellt auch das übermäßige Schlafbedürfnis als unvereinbar mit der Tätigkeit eines Landarbeiters heraus. Cf. Jean-Marie André: Griechische Feste, römische Spiele, S. 57ff. Da Guzmán Xenophon an anderer Stelle (S. 192) zitiert, liegt es nahe, dass seine Ausfuhrungen auch hier von der Argumentation des griechischen Geschichtsschreibers inspiriert sind. 29 So rechtfertigt Guzmán die Vertreibung der Morisken zwar vom religiösen Standpunkt aus, erkennt jedoch dass sie verheerende Folgen für die landwirtschaftliche Produktion hatte: »Y no hago caso de la [sc. la gente] que ha faltado, por la expulsión que se ha hecho, assi en estos tiempos, como en los de nuestros abuelos, de los que por su infidelidad merecieron los echassemos della, aunque eran los que mas la labrauan y cultiuauan.« Bienes, S. 129f. So verloren z.B. Aragonien 15, 2% und Valencia 21, 1 % der Bevölkerung, wobei die verlassenen Gebiete kaum wiederbevölkert werden konnten. Der demographische Verlust durch die Moriskenvertreibung wog um so schwerer durch die Auswanderung nach Übersee und eine Pestepidemie, die in Kastilien zur Jahrhundertwende weite Teile der Bevölkerung ausgelöscht hatte. Der Bevölkerungsschwund Spaniens, das zwischen 1600 und 1650 fast 25% der Einwohner einbüßte, wurde gemeinhin als Zeichen für den Niedergang des Landes interpretiert. José Luis Abellán: Historia crítica del pensamiento español, T. 3, S. 33 und Walther L. Bernecker: Grundzüge. Spanische Geschichte, S. 62. 30 Ist die Argumentation mit dem Nationalcharakter der Spanier Ausdruck des frühneuzeitlichen Denkens, so ist die Begründung des wirtschaftlichen Niedergangs mit der »piedad de los fieles« - freilich in einem anderen, als dem von Guzmán gemeinten Sinn - nicht ganz zurückzuweisen: Die Zahl der Geistlichen stieg im Siglo de Oro - weniger aus religiösen Motiven als aus dem Bedürfnis nach Existenzsicherung - auf ein Drittel der Bevölkerung an. Während der Unternehmergeist durch den Zufluss des amerikanischen Silbers ohnehin erlahmt war, belastete die wachsende Zahl des Klerus und der Wohltätigkeitsinstitutionen die Wirtschaft zusätzlich mit unproduktiven Klassen. Hinzu kam das Fehlen einer kaufmännisch und industriell tätigen Aristokratie sowie einer produktiven Mittelschicht, die in anderen europäischen Ländern das Wirtschaftswachstum vorantrieben. Cf. José Luis Abellán: Historia crítica del pensamiento español, T. 2, S. 29f. und T. 3, S. 41 f.

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die in Maßen erlaubt sind. 31 N a c h d e m er den Stier als »labrador y compañero del hombre«, als Inkarnation der Keuschheit und des Gehorsams und sogar als Symbol Christi 32 dargestellt und den Stierkampf aufgrund der Grausamkeit s o w i e der hohen Ausgaben der Monarchie ausfuhrlich verurteilt hat, erklärt sich Guzmán paradoxerweise bereit, ihn als »entretenido y gustoso, y no dañoso« zu billigen, solange der Stierkämpfer über die zum Überleben notwendige Geschicklichkeit verfuge. 3 3 Trotz des unbedingten Primats der Arbeit und der tendenziellen Sündhaftigkeit jeder Art v o n - nicht religiös geprägter - otiositas, gewährt Guzmán der »recreación« einen g e w i s sen, w e n n auch unbedeutenden Spielraum. S o sieht er unter Berufung auf Thomas von Aquin und dessen Diktum, dass der B o g e n nicht immer gespannt sein könne, die N o t w e n digkeit der Rücksichtnahme auf die Bedürfnisse v o n Körper und Geist ein und stimmt dem Kirchenvater ebenso darin zu, dass auch zu große Strenge sündhaft sein könne. Denn w i e zu viel Müßiggang bestimmte Krankheiten mit sich bringe, so habe auch die ununterbrochene Arbeit negative Folgen für Körper und Seele, weshalb Guzmán mit Augustin für die integrative Auffassung der »otia inter negotia« plädiert. 34 D i e Abwechslung v o n Arbeit und

31 Bei seiner - recht ausfuhrlichen - Klassifizierung der Spiele richtet sich Guzmán nach dem Syrttagma Iuris uniuersi atque legum pene omnium gentium et rerum publicarum praecipuarum (1597) von Pierre Gregoire von Toulouse. Zu den »juegos indiferentes« zählt er: »las luchas de vnas fieras con otras, vnos hombres con otros, y las carreras apie, ö acaualla, ó en carros, como se hazia en el circo Romano, para exercitar las fuerzas, y ensayarse para la milicia, los saltos y bueltas en maromas, ö en el suelo, para la destreza que es menester en cosas de mar, y todos los demás exercicios que enseña el arte Gymnastica, que se ordenan á exercitar y conseruar las fuerzas del cuerpo, [...] los torneos de á pie, el juego de cañas, [...]. Las sortijas y mascaras, quando no se mezclan cosas deshonestas, ni torpes, las cafas, assi las de fieras, como las de cetrería, y volatería, entran también en esta cuenta, vsadas con moderación; [...].« Bienes, S. 196ff. 32 Er beruft sich hierbei auf Orígenes, Cyrill und Tertullian. So stellen die Hörner des Stiers die Arme des Kreuzes dar, das Brüllen setzt Guzmán mit Berufung auf 1 Kor 9 mit der Stimme der Predigt gleich. Bienes, S. 238f. 33 Wie Mariana tadelt Guzmán die bildliche Darstellung eines Stiers, der in Cuenca sieben Menschen getötet hat. Auch führt er die von Mariana ausfuhrlicher zitierten päpstlichen Bullen an. Auch hier ergänzt er Marianas Ausführungen aber durch die für ihn typische pragmatische Argumentation: So stellt er heraus, dass in Spanien jährlich bis zu 300 Personen im Stierkampf zu Tode kämen und rechnet die immensen Ausgaben der Monarchie für die Veranstaltung der corridas auf, die man besser für Feierlichkeiten zu Ehren Gottes bzw. des Königs anlegen solle. Nachdem er sich aber letztlich doch für die Zulässigkeit des Stierkampfes ausgesprochen hat, beginnt er unvermittelt einen solchen Kampf zu schildern und beschreibt mit Enthusiasmus, wie der geschickte toreador dem - zuvor noch als Gefährten des Menschen gepriesenen - Stier die Augen aussticht. Sich auf seinen Status als Geistlicher zurückbesinnend beschließt er diesen anderthalbseitigen Exkurs mit den Worten: »Pero dexemos esto, pues no es de nuestra profession« und fügt rechtfertigend hinzu »aunque si era dezir como y de que manera este exercicio se auia de permitir, para que fuesse entretenido y alegre, no peligroso y sangriento, [...].« Bienes, S. 257. Obwohl seine lebhafte Darstellung auf sein eigenes Gefallen am Stierkampf schließen lässt und er die Neigung zum »juego de toros« zudem wie Mariana im Nationalcharakter der Spanier begründet sieht, plädiert er für ein Verbot des Stierkampfes für Geistliche. Wie sein Ordensbruder lehnt er auch die Veranstaltung von Stierkämpfen zu Ehren der Heiligen ab und kritisiert den Volksglauben, das Fleisch der für den Heiligenkult getöteten Stiere besitze spezielle Heilkräfte (S. 261). Cf. hierzu das Kapitel »Canonizaciones, votos y cofradías« von Luis del Campo in: La iglesia y los toros. Als Kriegsübung für Jedermann hält Guzmán die Stierkämpfe ebenfalls für ungeeignet, da der Ungeübte nur zu fliehen lerne, was der Kriegsführung freilich nicht dienlich sei. 34 Als Vorbild führt er das Leben der Ordensgeistlichen an, denen ebenfalls eine Zeit für die »santa recreación« zugestanden werde, in der sie Gespräche führen oder spazieren gehen dürften. Dabei hat er sicher auch die eigenen Ordensstatuten im Blick, die vorschreiben: »Ultra duas horas nemo aut legendo

Pedro de Guzmán: Bienes de el honesto trabaio y daños de la ociosidad

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Ruhe fuhrt er wiederum auf das theologische Konzept der analogía laboris zurück: So habe Gott am siebten Tag weniger aus Ermüdung geruht, als um dem weniger belastbaren Menschen einen angemessenen Arbeitsrhythmus vorzuleben. Folglich haben alle »juegos honestos y alegres« ihren Ursprung in der Ruhe des Schöpfers, weshalb die Erholung des Menschen der religiösen Zielsetzung des Gotteslobs nachgeordnet ist. Nicht religiös ausgefüllte freie Zeit ist für Guzmán somit nur legitim, wenn sie der für die Verrichtung der Arbeit nötigen Erholung dient. Jedes darüber hinausgehende Maß verurteilt er als sündhaften Müßiggang.35 In dieser Sichtweise muss sich jede Art von Erholung vor der Ablehnung der vanitas rechtfertigen. Somit räumt der Jesuit zwar grundsätzlich ein, dass die condition humaine nach »algun alegre entretenimiento, y aliuio de cuydados y trabajos« (S. 330) verlangt,36 begrenzt aber sowohl deren Ausgestaltung als auch deren Ausmaß auf bestimmte kirchlich sanktionierte Vorgaben. So fordert er mit Thomas von Aquin, dass die Erholung nicht häufiger als physisch notwendig stattfinden dürfe und Status und Alter der Person berücksichtigen sowie der Situation und dem Ort angemessen sein müsse, wobei er auch auf die Eutrapelie als Tugend verweist, die dem Menschen das richtige Maß einer von der Vernunft bestimmten Unterhaltung vorgibt. Die zulässigen >Freizeitbeschäftigungen< haben für Guzmán neben der remissio animi zudem die Funktion, den Menschen von unzulässigen Beschäftigungen - so auch, wie er explizit erwähnt, vom Karten- und Würfelspiel sowie vom Theaterbesuch - abzuhalten und fungieren somit als Mittel zur Vermeidung des Müßiggangs.

3

Die Begründung der Theaterkritik auf der Ablehnung des Müßiggangs

3.1

Das Theater als der christlichen Zeitordnung entgegengesetzte >Freizeitbeschäftigung
MenschwerdungFreizeitbeschäftigungenInformationen< über das zeitgenössische Theater stets auf Dritte, so z.B.: »Estando escriuiendo esto, me dixo una persona, [...]. Otro amigo me dixo, [...]« oder »según me han informado«. Bienes, S. 289 u. S. 350. Die Verwerflichkeit

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Im Gegensatz zu Mariana stellt Guzmán die Grausamkeit der antiken spectacula - mit Verweis auf die gegenwärtigen Stierkämpfe - ausfuhrlich dar, wobei er durch den emotionsgeladenen Hinweis auf »nuestros Mártires« (S. 204), die in den antiken Veranstaltungen den Tod fanden, alle ludi negativ konnotiert. Er versucht seine Leser aber nicht nur bezüglich der Grausamkeit der Stierkämpfe auf die »mansedumbre christiana« (S. 241) zu besinnen, sondern betont auch die Unvereinbarkeit von Theater und christlicher Religion. So stellt er das Theaterverbot mit dem heiligen Epiphanius als Unterscheidungsmerkmal der Christen heraus und betont, dass die Abschwörung von der »pompa diaboli« auch das Theater betreffe, wobei er auf Marianas Plädoyer für die Wiedereinführung einer theaterbezüglichen Klausel in die Entsagungsformel der Taufe verweist. Auch in Guzmáns Sicht machen sich die Christen mit dem Theaterbesuch schuldiger als die Heiden, die mit den Schauspielen ihre Götter zu ehren glaubten, »nosotros« - so macht er Salvians Argumentation zu seiner eigenen - »sabemos las aborrece nuestro Dios«. Indem Guzmán die Zitate der Kirchenväter großenteils im Präsens in seinen Fließtext integriert, macht er sich zum Sprachrohr der Patristen, mit deren Worten er seine Leser oftmals direkt apostrophiert.44 Während er sich zunächst jeder Stellungnahme enthält und das Urteil über die Zulässigkeit des Theaters ausdrücklich dem »discreto lector« überlässt, plädiert er letztlich doch mit Chrysostomus für die Abschaffung aller spectacula 45 Anders als Mariana spart er die ausführliche Behandlung der quaestio 168 des Thomas von Aquin allerdings nicht aus, sondern stimmt ihr grundsätzlich zu, macht aber deutlich, dass die zeitgenössische Comedia die von Thomas von Aquin geforderten Zulässigkeitsbedingungen nicht erfülle.

4 4.1

Die Missbilligung der Ausführenden Die Schauspieler als Trendsetter und »verdaderos hijos del ocio«, die Schauspielerin als Verführerin

Bereits im Diskurs über die Schäden des Müßiggangs (II.) lobt Guzmán in einem laus temporis acti die Gesetze von Cato und Trajan, die »farsantes, juglares, bufones, y hombres de placer« unter Androhung des Exils zum Erlernen eines Berufs verpflichteten und appelliert an die spanischen Herrscher, ebenso jeden, »que no tenga algún loable exercicio«, aus Spanien zu verbannen. So stellt er die Schauspieler - obwohl ständig beschäftigt - als »verdaderos hijos del ocio« dar und macht sie zum Musterbeispiel der von ihm verurteilten »mal ocupados«. Neben der Unproduktivität und dem fehlenden Nutzen ihres Berufs, kritisiert er vor allem ihre Reisetätigkeit,46 die - auch wenn die Schauspielerinnen verheiratet seien der comedia de santos und der autos sacramentales bezeugt er ausdrücklich aus eigener Erfahrung Cf. infra. 44 So setzt er die Hinweise auf die indirekte Rede häufig in Klammern. Deutlicher noch als an der von Salvian zitierten Stelle (S. 339) wird dies, als er mit Chrysostomus fragt: »Y como (dize) te atreueras Christiano á mirar aquel altar, y sagrada mesa con los ojos mismos, con que miraste en el theatro á la representante?« Bienes, S. 293. Oftmals verwendet er auch nur Halbsätze der antiken Autoritäten oder zerstückelt zusammenhängende Zitate in mehrere Teile, um die er dann seine eigene Argumentation entfaltet. 45 »Yo caso mi voto con el vno dellos [se. los Padres, y Doctores de la Iglesia], que es San luán Chrysostomo, y juzgo que se deuen dexar todos estos juegos, y con el de grauissimos Autores antiguos y modernos, algunos de los quales condenan á pecado, assi el representar, como el oyr Comedias laciuas, de la manera que muchas vezes se suelen representar.« Bienes, S. 344. 46 Das Vagabundentum stellt für Guzmán eine besondere Gefahr dar. So bezeichnet er neben den Schauspielern auch die Händler und Zigeuner als »mal ocupados« und klagt sogar die Pilger an, ihre Fröm-

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einen engen Umgang zwischen den männlichen und weiblichen Truppenmitgliedern erzwinge: »Los inconuenientes, que en estos caminos, por donde estas juntas de hombres y mugeres andan, puede auer, ya se veen, bien se que no se consienten andar en estas compañías mugeres no casadas, pero no se si esto basta entre tantas y tan forzosas comunicaciones, entre tantos peligros, en caminos, en posadas, en carros, donde todos van juntos, y en casas, donde despues posan, en las Ciudades, recatándose poco los vnos de los otros, y á vezes no siendoles posible el recato« (S. 317f). Neben der Promiskuität schreibt Guzmán der umherziehenden Lebensweise der Schauspieler die - negativ bewertete - Wirkung zu, die Moden des Theaters - so »träges, y galas, cantares, y bailes« - in ganz Spanien zu verbreiten, 47 so dass ihre Sprache, ihre Tänze und koketten Bewegungen sogar im abgelegensten Dorf Spaniens imitiert werden und - was Guzmán besonders beklagt - in die Kirchen und Predigten Einzug gehalten haben. 48 Im Gegensatz zu Mariana, der die Schauspieler als von ihrem Wesen her pervertierte Menschen darstellt, erkennt Guzmán ihre Gedächtnisleistung durchaus an und bedauert, dass »hombres de tan buenos ingenios, como entre esta gente suele auer« eine solch verurteilenswerte Tätigkeit ausüben. Ihre Berufswahl begründet er mit ihrer Vorliebe für die »vida ociosa«, die er jedoch nicht speziell den Schauspielern, sondern dem Menschen an sich zuschreibt. 49 Zwar sieht Guzmán auch die Möglichkeit, dass tugendhafte Menschen den Schauspielberuf ausüben können, stellt dies aber als eine - von Gott zur Abwendung größerer Sünden arrangierte - Ausnahme dar, über die sich auch der Leser sicherlich - und zurecht - wundern müsse. 5 0 migkeit vorzutäuschen, um ein Vagabundenleben führen und sich von Almosen ernähren zu können. Bedroht eine solche Lebensform einerseits die fest hierarchisierte Gesellschaft des Barock, so wird hier andererseits die Angst vor dem - stets mit Ketzerei verbundenen - Fremden deutlich: So fasst Guzmán die Wallfahrt auch als Einfallstor für »espias, herejes, enemigos nuestros y de nuestra ley« auf. Bienes, S. 123. Als Vorbild lobt er deshalb China, das seine Grenzen sowohl für die Einwohner als auch für Ausländer geschlossen halte (S. 132f.). 47 Theatermode und aktuelle gesellschaftliche Mode beeinflussten sich sicher gegenseitig. So dienten die Kostüme der Schauspieler weniger der Illusionsbildung als aktuelle Moden widerzuspiegeln, wobei vor allem die höfische Mode maßgebend für die Kleidung der Schauspieler war, die durch ihre Auffuhrungen wiederum zur Verbreitung der neuesten Modeerscheinungen beitrugen. Wurde von offizieller Seite einerseits versucht, den Kostümkult der Schauspieler durch entsprechende Gesetze zu mäßigen, so wurde in den autos sacramentales wie auch im Hoftheater andererseits jede Art von Prachtentfaltung gefordert, was für die Ausstattung des Corral-Theaters freilich nicht ohne Wirkung blieb. Cf. Josef Oehrlein: Der Schauspieler im spanischen Theater des Siglo de Oro, S. 11 Off. Auch der Dichter und Theaterverteidiger Luis de Ulloa y Pereira weist die Theatergegner 1649 daraufhin: »En las galas, y atavíos de las Representantas ay poco que emendar, fuera de el excesso costoso, porque ellas imitan siempre para vestirse el mayor primor del vso, y donde quiera se encuentran mugeres con el mismo trage, y de mejor parecer.« »Defensa de libros fabvlosos y poesias honestas. Y de las comedias qve ha introducido el vso, en la forma que oy se representan en España. Con extremos diferentes de las antigvas, acvsadas, y condenadas por Santos, y Avtores graues«, S. 375. 48 Guzmán übernimmt dieses Argument von dem in der Randglosse erwähnten Augustiner Critana. Bienes, S. 319. Cf. auch supra: Anm. 3 und Anm. 11. 49 So wiederholt er unermüdlich: »Es cosa marauillosa, por que de caminos se diuierte el hombre de su principal ocupacion, y huye la execucion de aquella primera, y precisa sentencia (que nos es forzoso repetir otra vez) y de la pena della, Con el sudor de tu rostro comerás tu pan.« Bienes, S. 190. 50 So berichtet er von der persönlichen Unterhaltung mit einer Schauspielerin: »A mi me dixo vna destas representantes, pero mas modesta, que yo pensé se compadecía con este oficio, (que al fin en todos puede auer de todo, que no está abreuiada la mano de Dios,) y assi era esta muger deuota y virtuosa, y que no quería salir al tablado á representar cosa menos honesta, sino vn personage graue, ni entrar en

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A u c h bei Guzmän steht die Schauspielerin, die die natürliche Scham der Frau verloren habe, im Mittelpunkt der Kritik, w o b e i er neben ihrer physischen Attraktivität vor allem ihr breites Rollenrepertoire, das die Königin genauso erfasse w i e die Prostituierte, ihr Musizieren, Singen und Tanzen und ihren heuchlerisch-spielerischen U m g a n g mit den Affekten als gefahrlich für den » m 0 9 0 p o c o recatado« hervorhebt. 51 Wenn Guzmän immer wieder von der Schauspielerin als »muger libre y desembuelta« spricht, wird deutlich, dass auch er nicht z w i s c h e n ihrem Rollenspiel auf der Bühne und ihrem Leben als Privatperson unterscheidet. Vielmehr wird die Schauspielerin, die ihre erotischen Reize nicht - w i e es das christlich sanktionierte Geschlechtsrollenmuster verlangt - versteckt, sondern sie im Gegenteil mit all ihren Attributen in den Dienst der »sensualidad« stellt, für Guzmän zum Paradigma der weiblichen Verführung. S o vergleicht er sie mit der von Isidor beschriebenen Schlange »scitalis«, die den Betrachter durch ihre Schönheit verführt, 52 wobei er auch die Tänze als »bueltas, c o m o de enroscada culebra, que las bayladoras deste tiempo dan« beschreibt und so das krude Urteil fallt: »mas les valiera estar mancas de manos y pies« (S. 358). Der Gefahr, eine schöne Frau anzusehen, widmet der Jesuit - nachdem er die Verfuhrungskraft der Schauspielerin bereits ausführlich dargelegt hat - ein ganzes Kapitel, in dem er unermüdlich mit immer neuen Adjektiven das gefahrlich-betörende Auftreten der »muger compuesta, afeitada, alcoholada, hermosa, donayrosa, cantora, tanedora, bayladora« hervorhebt, deren unsittliche spontan wirkende B e w e g u n g e n mit größter Berechnung einstudiert seien. 5 3 S o besteht der Beruf der Schauspielerin für Guzmän darin, die Standfestig-

entremes, y deseaua harto dexar este ofico, en que su marido la traía ocupada, y en que ella era bien eminente: esta pues me dixo, exortandola, à que dexasse esta ocupacion, que entendía hazia algún seruicio à Dios nuestro Señor en su compañía, estoruando hartos pecados, de los muchos que en estos caminos y jornadas se podían hazer. Haurase admirado el letor, y tendra razón, y haurase consolado también, aya en este oficio personas virtuosas y deuotas; [...].« Bienes, S. 318. 51 »Y el mayor [peligro] que en esta materia ay, es salir à representar, y à tañer, y cantar, y baylar vna muger, compuesta, afeitada, y affectada, lasciua, y desembuelta, y de buena gracia, y buen parecer, y que como tiene ya rompida la verguença, que suele ser tan natural en las mugeres, habla en publico sin ella, canta, bayla, y representa, ya vna Reyna, ya vna Ramera, ya en el entremes, ya en la Comedia, ya compuesta, ya descompuesta, pero siempre libre, y pocas vezes honesta, ya se muestra esquiua, ya afable, ya çaharefia, ya blanda y suaue, todo con fin solo de agradar, y parecer bien.« Bienes, S. 295f. 52 »Es sin duda ninguna, vna muger que sale à representar, galana y vistosa, como la serpiente llamada Scitale, de quien dizen Solino, y San Isidoro, es tan hermosa, y de tan doradas pintadas, y resplandecientes escamas, que arrebatan la vista, y tras ella el coraçon, y afición del que la mira; y porque es algo tardia en su mouimiento, à los que se le pueden yr por pies, los detiene con su milagrosa hermosura, y los coge.« Bienes, S. 306. Auch die Theaterauffiihrung vergleicht er mit dieser alle in ihren Bann ziehenden Schlange: »Estas son las doradas y resplandecientes escamas desta hermosa serpiente de la Comedia, que encantan el oydo, entretienen la vista y sentido, roban el coraçon« (S.307). Guzmán leitet den Vergleich aus dem 12. Buch der Etymologiae ab, in dem Isidor verschiedene Schlangenarten beschreibt, wobei die »scitalis« so genannt werde, »quod tanta praefulget tergi uarietate ut notarum gratia aspicientes retardet; et quia reptando pigrior est, quos adsequi non ualet, miraculo sui stupentes capit. Tanti autem feruoris est ut etiam hiemis tempore exuuias corporis feruentis exponat.« Isidorus Hispalensis: Etymologiae. XII: »De animalibus«. Isidore de Séville: Etymologies. Livre XII: »Des animaux«. Texte établi, traduit et commenté par Jacques André. Paris: Les belles lettres 1986 (Collection auteurs latins du moyen âge), S. 147. 53 »[...]: la voz, la música, los affectos, los affeites, la hermosura, el buen cuerpo, la gracia, el talle, el donaire, el cabello, el rizo, el copete, el vestido, el meneo, que aunque parece hecho al descuydo, lleua estudiada su malicia y deshonestidad.« Bienes, S. 300f. Oerade die einstudierte Spontaneität ist fur Guzmán als Ausdruck der Falschheit verurteilenswert. So spricht er- ein Zitat von Chrysostomus ergänzend - auch vom »mirary reboluer de ojos, con cuydadoso descuydo« (S. 307).

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keit des von Natur aus schwachen Mannes auf die Probe zu stellen, wobei die wiederholten Warnungen des Jesuiten vor der Attraktivität der Frau und seine recht detaillierte Beschreibung des Auftritts der nur mit ihren Haaren bedeckten Magdalena eine gewisse Faszination für das weibliche Geschlecht kaum leugnen lassen. 54 Unter Berufung auf seinen Ordensbruder Ribera verurteilt Guzmän auch die weibliche Hosenrolle, die verwerflicher sei als die von Cyprian beklagte Verweiblichung des Mimen. Die Doktrin des heiligen Thomas von Aquin, der den Schauspielberuf für zulässig erklärt, erkennt Guzmän zwar - »hablando en rigor escholastico« - an, macht aber deutlich, dass die von Thomas von Aquin geforderten Bedingungen aufgrund der mit dem Beruf zwingend verbundenen Umstände de facto kaum eingehalten werden (können). 55 So bewertet er Marianas Urteil, dass sich die Schauspieler der Todsünde schuldig machen und ihnen ein christliches Begräbnis negiert werden müsse, zwar einerseits als zu hart, moniert aber andererseits, dass die Schauspieler, die ihren Beruf auf unzulässige Weise ausüben, unbestraft blieben. Auch legt er ausführlich die römische Gesetzgebung dar, die den Bühnendarstellern sämtliche Bürgerrechte abspricht und zählt - neben dem prominenten Brief von Cyprian an Eucratius - eine lange Reihe von Synodalbeschlüssen und Kirchenkonzilen auf, die den Schauspielern die Sakramente verweigern, wobei er die Gültigkeit dieser Gesetze keineswegs auf die Vergangenheit beschränkt. 56 So enthält sich Guzmän zwar einer eindeutigen Verurteilung der Schauspieler und überlässt die Schuldfrage - auf rhetorischironischer Ebene - diesen selbst,57 macht jedoch gleichzeitig deutlich, dass ihre Tätigkeit für ihn keineswegs den »honesta trabajo« darstellt, den jedermann im Hinblick auf sein Seelenheil auszuüben hat.

4.2

Die Autoren als Propagandisten der Sünde und die Verurteilung der profanen Literatur

Anders als Mariana macht Guzmän auch die »autores y componedores destas Comedias« für die unzähligen (Seelen-)Schäden verantwortlich, die durch die Liebeshandlungen ihrer Stücke entstehen. So beklagt er mit Cyprian, dass durch ihre Werke vergangene Schandtaten verewigt werden, wobei er - im Gegensatz zur Mehrheit der Theatergegner, die das Gefahrenpotential in erster Linie an der Eindrücklichkeit und den Umständen der Aufführung festmacht - auch das Lesen der »comedias de amores« aufgrund der Wiederholbarkeit der Lektüre für gefährlich erachtet. Kann Guzmän sich entsprechend seiner christlich geprägten Sozialisation Lektüre nur als Wiederholungslektüre vorstellen, so sieht er den spe-

54 »Representa la otra muger hermosa á vna Madalena penitente, y sale medio desnuda, mal cubierta con sus cabellos, y con vn trasparente velo, que á penas le llega á la rodilla, como alguna vez ha salido delante de vn graue Perlado [sic!], con harto corrimiento suyo, [...].« Bienes, S. 341. 55 »Yo digo, que aunque hablando en rigor escholastico, y con el que habla santo Tomas, el oficio de representar Comedias, quanto es de suyo no sea malo, sino es que las circunstancias, que andan como anexas y vinculadas á el, le vicien y estraguen, es tan dificultoso el desnudarle de ellas, y tan fácil pegarse á el estos adherentes no buenos, que sera discreto y acertado Consejo, quitar del todo este entretenimiento.« Bienes, S. 347. 56 »Bien veo yo, que las leyes Eclesiásticas, y seglares, y los legisladores, y escritores hablan con harto rigor, y en general. Y por los capítulos alegados en esta margen, parece están priuados los deste oficio, del beneficio de la sagrada comunion, [...].« Bienes, S. 321. 57 Nachdem er die von Thomas von Aquin aufgestellten Bedingungen ais Voraussetzung fiir die Zulassigkeit des Berufs dargelegt hat, bemerkt Guzmán lakonisch: »[...]: vean ellos, si le exercitan assi«. Bienes, S. 321.

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ziellen Anreiz zum Wiederlesen auch in der Kunstfertigkeit der Verse, weshalb er - auch in Hinblick auf die Versündigung der Autoren - vor der Veröffentlichung der zeitgenössischen Theaterstücke warnt: »Pues que sera quando las imprimen estas, y las demás Poesías laciuas, y deshonestas, como las Comedias de Plauto, Terencio, las laciuas de Ouidio, Catulo, Tibulo, quedando ellas adperpetuar» rei memoriam, y con perpetuo é irremediable daño^ y ellos [se. los autores] como causa del, y del escandalo, que causan, en peligrosissimo estado?«

Indem Guzmán den Wahlspruch seines Ordens »ad maiorem Dei gloriam« hier wortspielerisch ins Negative wendet und auf die Autoren der Liebesdramen bezieht, stellt er die Dichter als Gegenspieler der Geistlichen dar: Setzen sich diese für die Tilgung von Sünde und Schuld ein, so sorgen jene mit ihren Theaterstücken für deren Verbreitung. Wenn Guzmán zudem den »daño de los libros prophanos, y de torpes amores« hervorhebt, wird deutlich, dass er die Gefahr der schönen Literatur vor allem in der Darstellung der passiones begründet sieht, deren Thematisierung er als Vertreter der katholisch geprägten Weltsicht ausschließlich dem Kompetenzbereich des Klerus zuordnet. So muss vor dem Hintergrund, dass der Komplex der Affekte aus theologischer Perspektive nur in repressiv-disziplinierender Absicht behandelt werden darf, die profane Literatur, in der die Erfahrung der Leidenschaften ohne normsetzende Absicht durchgespielt und vor die mitschaffende Imagination des Lesers gestellt wird, einen Normbruch darstellen, weshalb Guzmán »la lecion de los Amadises, y otros libros de caualleria« mit Ketzerei und Häresie verbindet.59 Folglich schließt er sich auch der Forderung seines Ordensbruders Ribera an, nicht nur die heilsgefahrdenden Theateraufführungen zu verbieten, sondern »todos los libros de Comedias, de amores laciuos, de que las librerías están llenas« (S. 334) zu verbrennen.

5

Die Verurteilung der Institution

5.1

Das Theater als Antagonist der christlichen Weltabkehr und Affektdisziplinierung

Guzmán stimmt zwar Thomas von Aquins Definition der Eutrapelie als Tugend der Maßhaltung zu, verweist aber auch auf den negativen Gebrauch des Begriffs durch Paulus, der jede Art von »chocarrería« verurteilt.60 Diese negative Form der eutrapelia ordnet er dem 58 Bienes, S. 337. Guzmáns Warnung, die zeitgenössischen Theaterstücke in Druck zu geben, ist reine Rhetorik. So sei daran erinnert, dass die ersten Comedias von Lope de Vega bereits 1603 - also fast ein Jahrzehnt vor dem Erscheinen seines Traktats - publiziert worden waren. Dass auch Guzmán um die Veröffentlichung der zeitgenössischen Stücke weiß, zeigt auch seine Forderung diese zu verbrennen. Cf. infra. 59 »Vea el lector al docto y pió Padre Doctor Ribera, sobre el capitulo primero del Propheta Micheas, que alli encarece y llora harto este daño de los libros prophanos, y de torpes amores. Y el Padre Poseuino dize entraron en Francia las heregias con la lecion de los Amadises, y otros libros de caualleria.« Bienes, S. 337f. Der von den Theatergegnern viel zitierte italienische Jesuit Antonio Possevino ist Herausgeber der Bibliotheca selecta, einer Bibliographie mit methodischen Anleitungen zum Erwerb gelehrten - der >pietas< dienenden - Wissens. Seine Bibliotheca selecta bietet aber nicht nur Rezensionen, sondern indiziert auch diejenigen Bücher, die seinem Anliegen entgegenstehen. Helmut Zedelmaier: »Possevino, Antonio«, in, LThK, Bd. 8 (1999), Sp. 451 f. 60 Bienes, S. 328. Guzmán bezieht sich hier auf Eph 5, 4 und übersetzt »iuTpomtXioi« mit »chocarrería«. In der 1592 von Clemens VIII. als verbindlichem Bibeltext herausgegeben Sixto-Clementina wird »€UTpaire\ia« nicht mit dem von Thomas von Aquin benutzten Begriff »eutrapelia«, sondern mit »scurrilitas« - Possenreißerei - übertragen: »Aut turpitudo, aut stultiloquium, aut scurrilitas, quae ad

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Theater zu und dementiert so auch das Argument der Theaterverteidiger, die Comedia sei durch die Eutrapelie ein nützliches Vergnügen, mit dem Hinweis, dass keine Aufführung ohne »impertinencias« auskomme. Dementsprechend holt er, nachdem er die Bedingungen dargelegt hat, die Thomas von Aquin für die zulässigen ludi fordert, zu einem Schlag gegen die zeitgenössische Comedia aus: »Pienso, que si bien no apelan desta sentencia [se. la de santo Tomas], lo ordinario hazen contra ella. Sino díganme como cumplen, con este Con que, en vna Comedia de Medusa ó de Medea, de Perseo ö de Theseo, de Marte ö de Venus, ó en la Comedia de los donayres del otro, ö de los zelos del otro, ö de las trauesuras del otro, ö de la boda entre los otros dos maridos, al fin en vn enredo de amor, tinto todo en color de sangre y came, lleno desde la loa hasta el Válete & plaudite, de dichos y hechos poco honestos, poco graues, de razones y agudezas, ö descubiertamente inhonestas, d (como dizen) tan coloradas, que pueden sacar al rostro el color de la vergüenza? No hablo de los appendizes de las Comedias, de los entremeses, bayles, letras, sones, cantares, donayres sobresalientes, y añididos, que son como adherentes y salsas, que mientras dan mas gusto, estragan las costumbres mas; que estas cosas no quieren entren en cuenta de Comedia; y assi aun en las mas santas se suelen añidir« (S. 349).

rem non pertinet: sed magis gratiarum actio.« Da das Wort »eutrapelia« auch in Du Canges Glossarium mediae et inflmae latinitatis sowie im Thesaurus linguae Latinae nicht aufgeführt ist, scheint es sich hierbei um eine nur von Thomas von Aquin vorgenommene lateinische Übertragung des aristotelischen Begriffs »evTpaireXioi« zu handeln, was freilich die Gleichsetzung der Paulusstelle mit dem Gebrauch des Begriffs bei Thomas von Aquin in Frage stellt. Das Wort »chocarrería« ist bei Covarrubias nicht aufgeführt, als »chocarrero« definiert er den »hombre gracioso y truhán, [...], porque es hombre de burlas, y con quien todos se burlan; y también se burla él de todos, porque con aquella vida tienen libertad y comen y beben y juegan; [...]«. Als »chocarreros« betrachtet er vor allem die Hofharren, die an den Fürstenhöfen zu mehr Ruhm gelangen als die Aufrichtigen und Tugendhaften. Unter dem Lemma »chocarresca« verweist Covarrubias auf »lascivia«; das Wortfeld »chocarrería« impliziert also durchaus einen sinnlich-sexuell konnotierten Bedeutungszusammenhang. Unter »lascivia« wird wiederum der »poeta lascivo« als der von Liebe schreibende Dichter aufgeführt, wodurch auch ein Bezug zur profanen Literatur hergestellt ist. S.v. »chocarrero« und »lascivia«: Tesoro de la lengua castellana o española. Im Diccionario de Autoridades ist »chocarrería« als eigener Eintrag verzeichnet und wird als »gracejo, bufonada, chanza, conversación de cosas inútiles, insubstanciales, y de ningún provecho« definiert. 61 Die Apostrophe: »Vos válete et plaudite« ist eine typische Schlussfloskel des lateinischen Dramas. Guzmáns Anspielung steht aber möglicherweise auch in Zusammenhang mit Cascales Brief an Lope de Vega. So unterstreicht Cascales im Gegenteil zu Guzmán die pädagogische Exempelfunktion der Comedia und spielt dabei ebenfalls auf die Schlussformel des antiken Dramas an: »[...] cuando el poeta saca al tablado un ladrón, un homicida cruel, una alcagüeta tamada, un mancebo vicioso, un perjuro, un rey tirano, y otras personas de mal ejemplo, que si esperamos hasta el plaudite y hasta la solución de la fábula, veremos el mal fin en que éstos paran; el merecido castigo que del cielo tienen; las desgracias en que se ven en el discurso de su vida hasta la muerte.« Francisco Cascales: »Epístola II. - Al Apolo de España, Lope de Vega Carpió. - En defensa de las comedias y representación de ellas«, in: Cartas filológicas. Década segunda. Edición, introducción y notas de Justo García Soriano. Madrid: Espasa-Calpe 1952, S. 38-70, hier S. 67. Da die beiden Texte zeitnah verfasst worden sind, ist eine gegenseitige Beeinflussung durchaus möglich. Die Datierung von Cascales' Carta ist jedoch unsicher (zwischen 1613 und 1617), weshalb kaum festzumachen ist, wer hier auf wen repliziert. Zur Datierung von Cascales Schrift cf. Juan Barceló Jiménez: »La epístola de Cascales a Lope con motivo de la licitud de las comedias«, in: Segismundo 1 (1965), S. 227-245 sowie die vergleichende Studie von Marc Vitse: »La epístola "Al Apolo de España" de Cascales y el "Discurso apologético en aprobación de la Comedia«, in: José María Ruano de la Haza (Hg.), El mundo del teatro en su Siglo de Oro: Ensayos dedicados a John E. Varey, Ottawa: Dovehouse Editions Cañada 1989, S. 119-136.

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Da die auf ihren Gewinn bedachten Künstler erkannt haben, dass sich das Publikum vor allem durch anzügliche Worte und Handlungen locken lasse, seien selbst die in religiösen Kontexten aufgeführten und zensierten Comedias von Unsittlichkeiten durchsetzt.62 Die - seltene - Darstellung von »cosas buenas« interpretiert Guzmän als List des Teufels, um das Böse zu autorisieren und ordnet auch die Subventionierung der Krankenhäuser durch die Theateraufführungen, die er wie Mariana mit der Verbindung von antikem Theater und Venustempel assoziiert, der astucia des Teufels zu.63 Wenn Guzmän zudem die Tänze des Theaters als »infernales bueltas« und erneute Kreuzigung Christi verurteilt64 und auch bei zwei anekdotisch angeführten >Augenzeugenberichten< auf die TeufelsMetaphorik rekurriert, wird deutlich, dass er das Theater in Anlehnung an die Dämonengeschichten der Kirchenväter als Schlüsselelement in einem Subversionsprogramm des Teufels darzustellen versucht. So berichtet er, dass eine Comedia wegen eines Tanzes gelobt wurde, »que parecia que todos los diablos del infiemo se auian juntado ä inuentarla« (S. 289). Auch habe ihm ein Freund von einem Stück mit dem Titel Gusto del infierno erzählt.65 Die aus seiner Sicht paradoxe Tatsache, dass die Bezeichnung als Teufelserfindung ein Lob ausdrückt und eine Comedia, die den Namen der Hölle trägt, erlaubt wird und Gefallen findet, ist für Guzmän wiederum ein Hinweis auf die Verführung durch die Sinne, denn nur die Konkupiszenz könne den Menschen so korrumpieren, dass er Gefallen an der ewigen Verdammnis finde. So verurteilt Guzmän auch hier in erster Linie die Darstellung und das Hervorrufen der passiones und stellt das Theater als Agitationszentrum der sündhaften Konkupiszenz dar.66 Besteht das Manipulationspotential der Lektüre für Guzmän vor 62 »Cierto vemos por experiencia, que la Comedia mas santa, y mas apurada, y examinada à vista, como dizen de oficiales, la que se representa delante del Santissimo Sacramento, delante de vn Perlado [sic!] de vn Cabildo, tiene muchas cosas, y palabras, y acciones torpes, è indignas de aquella luz, como yo algunas vezes he visto: saben muy bien estos artifices, como quien tiene también tomado el pulso al gusto del pueblo, que si la Comedia no lleua alguna cosa, ô palabra lasciua, ö torpe, algún entremes, dança ö bayle, que sirua como de salsa, ô picante, todo lo demás no dà tanto gusto, ni se le corre tan bien la ganancia, y por poco malo que aya se estraga lo bueno.« Bienes, S. 339. 63 Guzmán erkennt die Bindung des Bühnenwesens an karitative Zwecke als >Rettungsanker< für das Theater. So moniert er, dass diese Steuer kein probates Mittel zur Unterstützung der Armen sei, sondern vielmehr als »authoridad y crédito de las mismas Comedias, que con este arbitrio se han acreditado mas« diene. Bienes, S. 342. 64 »El baylador estiende los braços y ponelos en cruz: pero es para boluer à poner en ella à Iesu Christo nuestro Señor, que como los pecados son los que crucificaron à Christo, y en los bayles ay tantos, bueluen los bayladores à crucificar en si mismos à Christo nuestro Señor, como dize San Pablo de vnos pecadores, y quadrales à los bayladores, porque ellos se hazen cruz, estendiendo los braços en que poner à Christo, y gusta mucho el demonio de boluer à crucificar à Iesus.« Bienes, S. 357. Das Zitat ist wiederum ein gutes Beispiel für Guzmáns Umgang mit seinen Quellen. So bedient er sich hier einer Zeile aus dem Brief des Apostels Paulus an die Hebräer (Hebr 6, 6), die er völlig neu kontextualisiert und so für seine Zwecke instrumentalisiert. 65 Eine Comedia mit diesem Titel ist weder bei Diez Borque (Historia del teatro en España) noch bei Barrera y Leirado (Catálogo bibliográfico y biográfico del teatro antiguo español, desde sus orígenes hasta mediados del siglo XVIII) verzeichnet. Guzmán spielt auch auf die wichtige Funktion der Comedia-Titel an, um das Publikum anzuziehen, nennt aber keine weiteren Stücke: »Pues los títulos, que ponen à sus comedias, y los fijan por essos cantones de essas plaças, que son como los ramos delante las tabernas, ô como los botes de las boticas, para que se conozcan, y vendan bien, son muy buenos.« Bienes, S. 289. 66 Ausgehend von einem Zitat Tertullians, der die Theater als »templos de Venus, y de Bacho« bezeichnet, formuliert Guzmán: »[...]: y allí es donde el rapaz Cupido hijo del primero flecha mas vezes su arco, y agota su aljaua, y claua coraçones y almas«. Bienes, S. 291.

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allem in ihrer Wiederholbarkeit, so erkennt er ebenso die machtvolle Wirkung der Theaterauffiihrungen, visuelle Vorstellungen und emotionale Erwartungen zu schaffen. 6 7 Dabei ist die Gefahr des Theaters für ihn so evident, dass sogar ein Blinder sie erkenne - nicht aber ein von Leidenschaften Verblendeter. Deshalb sei im Theater alles auf die Verfuhrung und Verblendung der Zuschauer ausgerichtet, die wiederum durch den »deleyte [...] de la vista y [...] del o y d o « erreicht werde: »Oyense alli dulces melodías de instrumentos y voces, agudos dichos, y razones pronunciadas con mucha suauidad, que ayudadas del numero del verso, y poesía deleytan mas: veense ingeniosas inuenciones, curiosos träges, y vestidos, aparencias medio milagrosas, dan?as artificiosas, laciuos bayles: veense acciones muy proprias y acomodadas á lo que se dize, y representa ingeniosos enredos, peregrinos sucessos, casos desastrados, quales son los de las tragedias, fabulas con verdad aparentes. Salen al theatro con ricos träges antiguos, ö modernos, representando al viuo el viejo, el 1T1090 el truan, el rufián, el simple, el loco, el borracho, la ramera, la tercera, el ayrado, el enamorado, el valiente, el atreuido, el couarde, el soberuio, el rico, el pobre, el rey, el emperador, el señor, el vassallo, el dichoso, el desdichado (parece el theatro vn mundo abreuiado) significando cada vno con palabras, acciones y trage, su ventura, ö desuentura, su proposito, ö intento, ó la persona que es, con tanta propriedad, que arrebata estos dos sentidos, que digo, y tras ellos el alma, y los tiene entretenidos, y suspensos toda vna tarde, y todo vn dia, y toda la vida« (S. 315f.). Nicht nur die Auffuhrung selbst weckt aber die Leidenschaften der Zuschauer und kann konkret Ehebruch und öffentlichen Aufruhr auslösen, auch die Umstände des Theaterbesuchs, bei dem sich Männer und Frauen ohne soziale Kontrolle begegnen, haben aus Guzmáns Sicht alle Formen der Promiskuität zur Folge, die selbst durch größte Zensur- und Vorsichtsmaßnahmen nicht verhindert werden kann. S o moniert der Jesuit das Nebeneinandersitzen von - nicht verheirateten - Männern und Frauen 68 und weist daraufhin, dass Ovid das Theater als vorzüglichen Ort für Liebesabenteuer und Eroberungen ausgewiesen hat. Auch zählt er »el mirar, el hablar, el reyr, el hazer señas, embiar recaudos, villetes, regalos, colaciones, meriendas, alojas« (S. 310) als moralisch gefährdende Verhaltensweisen auf, die das Theater zum Ort der Sünde machen. Wenn Guzmán zudem »mundo, demonio, y carne« als Protagonisten der Comedia bezeichnet, wird deutlich, dass er das Theater als Ausdruck der sündigen curiositas gegenüber der Welt und Abwendung von Gott auffasst, 6 9

67 »Que cosa mas peligrosa, que poner delante de los ojos, cuyos objetos tienen tanta fuerza y poder con el alma, y negocian tan presto con ella lo que quieren, vn enredo de amor, vna pretensión deshonesta, ö de vengaba, ö de ambición, comentada, mediada, y acabada, con grande artificio, con mucha agudeza, é ingenio, con dichos y palabras discretas, representando con acciones viuas con pronunciación suaue, y con aparato y representación graue?« Bienes, S. 295. 68 Er ergänzt hier ein Zitat aus Ovids Ars amatoria: »[...] aqui acontece sentarse la muger cabe el varón que no conoce, y qui^a con esto agrauiar al suyo. Dizen, que ay lugares apartados; [...].« Bienes, S. 311. Guzmán scheint hiermit auf die aposentos anzuspielen, in denen aber seit 1608 offiziell nur das Zusammensitzen verheirateter oder verwandter Männer und Frauen gestattet war. Cf. supra: V, I, Anm. 101.

69 »Yo veo que andan en estas compañías tres personages que se deuen desterrar dellas, muy perjudiciales, mundo, demonio, y carne, esta inuentando palabras y acciones laciuas, y apadrinandose con descompuestas mientras mas compuestas mugeres; el mundo y diablo sustentan el aparato, las galas, trages, vestidos, el fausto, y el gasto, y la soberuia, y pompa de los theatros, [...].« Bienes, S. 351. Welt, Teufel und Fleisch sind in der katholisch-theologischen Tradition die Antagonisten des Christen schlechthin. So weist das tridentinische Dekret über die Rechtfertigung darauf hin, dass die Menschen im Streben nach dem ewigen Heil den Kampf »cum carne, cum mundo, cum diabolo«, der nur durch die Abtötung des Fleisches bestanden werden kann, besonders fürchten müssen (Rom 8, 12f). Heinrich Denzinger: Enchiridion symbolorum definitorum de rebus fidei et morum. Kompendium der Glaubensbekenntnisse

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w o b e i für ihn allein die ociosidad als Verschwendung der zum Heilsgewinn bestimmten Zeit zu dessen Verurteilung ausreicht. D a Weltzuwendung und Sinnlichkeit der Bühnendarstellung mit der v o m Christentum geforderten weitabgewandten asketischen Haltung nicht vereinbar sind, stehen die zeitgenössischen Comedias für Guzmän den grausamen ludi der Antike, zu denen er auch die Stierkämpfe zählt, in nichts nach, gefährden diese doch nur den Körper, j e n e aber die S e e l e . 7 0

5.2

Die unangemessene Darstellung religiöser Inhalte im profanen Theater

Guzmän konstatiert zwar, dass die Darstellung von Heiligenviten lehrreich sein kann und bestätigt auch deren Erlaubnis im Kirchenrecht, lehnt die zeitgenössische comedia de santos s o w i e das auto sacramental jedoch aufgrund der mit jeder Theateraufführung verbundenen unsittlichen Elemente ab. 71 S o beklagt er mit Ribera, dass die im kirchlichen Kontext aufgeführten Stücke das getane Bußwerk und damit die Wiederversöhnung mit Gott wieder rückgängig machen. 7 2 A u c h verurteilt er w i e Mariana das Missverhältnis zwischen Rolle und Darsteller, denn »las cosas santas hanse de tratar santamente, y por personas tales«, w o b e i gerade das Auftreten der unsittlich agierenden und dürftig bekleideten Schauspielerinnen nicht Frömmigkeit und Bußfertigkeit, sondern »pecados dignos de vna gran penitencia« provoziere. 7 3

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und kirchlichen Lehrentscheidungen. Verbessert, erweitert und ins Deutsche übertragen unter Mitarbeit von Helmut Hoping. Herausgegeben von Peter Hünermann. Freiburg im Breisgau u.a.: Herder 37 1991, 1541. So revidiert er sein zunächst gefälltes Urteil, dass die Theateraufführungen »ni son crueles, ni ordenadas ä ganacia de los que asisten á ellos; solo consisten en el gusto y entretenimiento de la vista, ö del oydo, ö de ambas cosas«, indem er konstatiert: »Pero mal dixe, en dezir no eran estos juegos, y passatiempos crueles, que porventura lo son mas que los passados de los Gladiatores, y Toros: [...].« Bienes, S. 263. Folglich bedient er sich auch eines recht gewaltsamen Vokabulars, wenn er die Comedias als »carnicería de [almas]« bezeichnet (S. 334). Bienes, S. 341. Mit der grundsätzlichen Billigung hagiographischer Darstellungen lässt sich auch erklären, warum Guzmán trotz der Verurteilung der comedia de santos die Jesuitentheaterstücke - wie Mariana - unerwähnt lässt. Allerdings schließt er aus den Bedingungen des Thomas von Aquin, der die Adäquanz von Ort, Zeit und Person für die Zulässigkeit der Schauspiele fordert, dass ein Kleriker nicht auf der Bühne auftreten dürfe (S. 345). Die Begriffe comedia de santos und auto sacramental werden von ihm nicht verwendet. »Y llora el Padre Doctor Ribera, que se suelen estas Comedias representar luego immediatamente, despues de auersenos representado la Passion de Christo en la quaresma, y despues de auerse confessado, y comulgado los fieles, para deshazer lo hecho.« Bienes, S. 340. Riberas Argument findet große Resonanz innerhalb der Theaterdebatte, so wird es z.B. auch von dem katalanischen Jesuiten Juan de Ferrer ausfuhrlich aufgenommen. Cotarelo: Bibliograßa, S. 256. Guzmán fuhrt die üblichen Anekdoten an, die - da ausführlicher als bei Mariana - hier noch einmal zitiert seien: »Si el que representa á Christo, y la que representa á nuestra Señora, (rehusa cierto la pluma escriuirlo) están en mal estado, amancebados, como dizen algunos, que escriuen contra Comedias, se ha visto mas de vna vez, quiera el Señor aya sido assi, y aun offender al mismo Christo á quien representan, en la misma representación, que bondad podra tener su acción? Si la que representa á la Virgen santissima nuestra Señora, y el que al casto Ioseph, ambos no son muy castos, y se están pidiendo zelo en el tablado, porque miran al otro ö á la otra; y quando la que figura á nuestra Señora, quando responda al Angel, Como puede ser esto, Angel Santo, que no conosco varón, causa risa y escarnio en el auditorio, como ya se ha visto alguna vez, que deuocion puede esto causar?« Es folgt die Beschreibung der dürftig bekleidet auftretenden Magdalena (cf. supra: Anm.54). Bienes, S. 340f.

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6

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Die Zuschauer: Abwendung von der christlichen Tugend und Hinwendung zur Sünde

Auch bei der Beurteilung der Zuschauer steht für Guzmän die Sünde der Konkupiszenz im Mittelpunkt. So konstatiert er mit Ribera: »Parece [...] vn monte Ethna, todo el auditorio encendido en fuego de concupiscencia« (S. 289). Wie die Bewegung des Feuersteins auf dem Wetzstahl Funken erzeugt - so stellt Guzmän in einem recht zweideutigen Vergleich dar so treffen auch die Funken der verführerischen Theateraufführung die Zuschauer, die zudem für die Konkupiszenz so prädisponiert seien w i e Zunder für das Feuer. 74 Die größte Gefahr besteht dabei auch aus Guzmäns Sicht für den »01090 poco recatado«, der aufgrund seiner Unerfahrenheit und seines jugendlichen Leichtsinns geradezu zur Zielscheibe der von den Schauspielerinnen ausgesandten Liebespfeile wird, wobei Guzmän angibt, von Männern berichten zu können, die sich für die Schauspielerinnen nicht nur pekuniär verausgabt, sondern auch ihre Familie verlassen und sogar aus Eifersucht den Tod gesucht haben. 75 Hierbei formuliert er zudem gewisse Einsichten in die Massenpsychologie, wenn er darauf hinweist, dass die Zuschauer ihre gefahrlich sündhaften Affekte und Leidenschaften gegenseitig stimulieren. 76 Aus Guzmäns Sicht stellen aber nicht nur die Schauspielerinnen, sondern auch die Zuschauerinnen eine Gefahr für den männlichen Theaterbesucher dar. Zwar gebe es kein Gesetz, dass der Frau - w i e in der heidnischen Gesetzgebung - den Theaterbesuch untersage, das christliche Gebot der Maßhaltung schreibe aber Theaterabstinenz vor, weshalb der Jesuit den Theaterbesuch der keuschen Frau ironisierend als einen Widerspruch darstellt. 77

74 Die bildliche Darstellung der sexuellen Begierde als Zunder beruht auf dem tridentinischen Dekret über die Ursünde, das die Konkupiszenz zwar formell nicht als Sünde bezeichnet, sie aber als eine Manifestation der universalen Herrschaft der Sünde im Menschen deutet. So definiert es die Konkupiszenz als einen Zündstoff, »quia ex peccato est et ad peccatum inclinat«. Dieser macht auch den getauften Menschen zur Sünde geneigt: »Manere autem in baptizatis concupiscentiam vel fomitem, haec sancta Synodus fatetur et sentit; [...].« Heinrich Denzinger: Enchiridion symbolorum deflnitorum de rebus fldei et morum, 1515. Cf. auch Christine Axt-Piscalar: »Sünde. VII. Reformation und Neuzeit«, in: TRE, Bd. 32(2001), S. 400-436. 75 Er bezieht sich hier auf das Memorial von Lupercio Leonardo de Argensola, das er mühelos erweitern könne: »Y cuenta siete ö ocho casos particulares, que han sucedido en España, é yo pudiera añidir algunos, á personas particulares, y aun de titulo, que perdidamente se han andado tras esta gente, lleuados como cautiuos dellas, de vnas partes á otras, gastando hazienda, salud, tiempo, y vida, honra, y alma con daño de sus familias, mugeres é hijos: y algunos han llegado algunas vezes á punto de matarse, por zelos y competencias.« Bienes, S. 332. 76 »Todo esto entrando por los ojos, y por los oydos, es fuego, es ponfoña, es secreto veneno, es subtil solimán, que tira al corafon del que lo mira, descuydado de si, y de que otros le noten, porque todos miran vn objeto mismo, y se ayudan y apadrinan.« Bienes, S. 301 77 »Bien bastaua la ley de la modestia, y honestidad á estoruar esto [i.e. hallarse las mugeres en los espectáculos], y assi no se, que señoras honradas, y principales, las castas Lucrecias, las recogidas Penelopes, las Porcias y Polixenas, se hallen en estas cosas, ni las autorizen con dispendio de su autoridad.« Bienes, S. 31 lf. Kurios ist Guzmáns Einschätzung, dass die Wiedereinführung der römischen Gesetze, die den spectacula-Besuch der Frau ohne Erlaubnis des Ehemannes als Scheidungsgrund festlegten, den Theaterbesuch der Frauen mäßigen würde, gleichzeitig aber zur Folge haben könne, dass einige Frauen über diesen Weg die Scheidung anstreben würden (S. 313). Die Bedenken des Jesuiten gegenüber dem Theaterbesuch der Frau blieben nicht unerhört, so verbot die Sala de Alcaldes den Frauen den Besuch der Comedia noch im selben Jahr. Angel González Palencia: »Quevedo, Tirso y las comedias ante la Junta de Reformación«, in: Boletín de la Real Academia Española 25 (1946), S. 43-84, hier Anm. 89. Das Verbot ist in der Bibliografía von Cotarelo nicht aufgeführt.

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Während er den Comedia-Besuch der Frau, der aus seiner Sicht nicht nur gegen das ihr traditionell vorgegebene Verhaltensmuster verstößt, sondern auch das Eheleben und die familiäre Ordnung gefährdet, recht ausfuhrlich zurückweist, behandelt er den Theaterbesuch von hochgestellten Persönlichkeiten und Klerikern, den er ebenso verurteilt, nur mit einem Zitat des Arnobius, das er aber explizit auf die Gegenwart bezieht. Neben den von fast allen Theatergegnern genannten schädlichen Folgewirkungen des Theaters wie Ungehorsam, Pflichtvernachlässigung und Diebstahl, um das Eintrittsgeld bezahlen zu können, betont Guzmän auch hier die Zeitverschwendung, die nicht nur für die männlichen Theaterbesucher einen Einkommensverlust bedeutet, sondern für alle Zuschauer eine Vergeudung von religiös nicht genutzter Zeit darstellt - und damit das Seelenheil gefährdet. Wenn er dem defectus veritatis des Theaters und der profanen Literatur zudem die Wahrheit des christlichen Glaubens entgegenstellt, wird deutlich, dass das profane Theater für ihn in Konkurrenz zur Heilsverkündigung der Kirche steht.78 So beklagt er unter Berufung auf Chrysostomus, dass die »hombres vanamente curiosos« den - noch so langen und unter noch so ungünstigen Bedingungen stattfindenden - Theaterbesuch dem Hören der - viel kürzeren und unter angenehmeren Umständen stattfindenden - Messe oder Predigt vorziehen.79 Begreift Guzmän das Theater in Nachfolge der Kirchenväter als Schule, die von aller Art - fleischlichen - Sünden unterrichtet, so verdeutlicht er, dass das Erlernen von moralisch verwerflichen Dingen für den Theaterzuschauer - vor allem für den arglosen »mancebito« und die unschuldige »donzellita« - ebenso unvermeidbar ist, wie das Aufwachen des Schlafenden bei großem Lärm.80 Der einzige Weg, der Sünde zu entgehen, ist deshalb, das Theater sowie die Lektüre von Theaterstücken zu meiden.81 Während der um seine Schwäche wissende Zuschauer aus Guzmäns Sicht eine Todsünde begeht, macht sich deijenige, der glaubt, den Versuchungen des Theaters widerstehen zu können, zumindest der Verfüh78 So kommentiert er 2 Tim 4, 4: »Cierto que me parece vía el Santo Apóstol como en espiritu estos nuestros tiempos, adonde se ven vnos hombres vanamente curiosos, que, dexando de oyr la verdad, y los libros deuotos, los sermones doctos, las platicas spirituales, y los maestros dellas, allegaran vn montan de maestros, que les hablen á su gusto, y desseo (estos son los maestros y autores destas Comedias) y se bolueran á las fabulas antiguas, ya oluidadas, de Venus, y Marte, y Iupiter, y Hercules, ó otras semejantes á ellas, que son los enredos de amores, que aora se representan, las fabulas gentílicas ya desterradas del mundo, bolueran al mundo, en tiempo no de Gentiles, sino de Christianos, que ya las auian dexado, y repudiado, bolueran á ellas algandolas el destierro, que esso significa á aquel ad fabulas autem conuertentur.« Bienes, S. 283f. 79 »Desamparan los oficiales sus oficios y labores, y acuden al theatro á pendón herido con harto mas gana, que á la Iglesia y á los sermones, como lo llora San luán Chrysostomus, estando (dize) en la Iglesia debajo de tejado, y abrigados del frió y calor, alia sin tejado (no le tenian entonces los theatros) expuestos al calor y frió, y haziendoseles la Missa y sermón y los diuinos oficios largos y pesados, no ay Comedia que lo parezca aunque dure vn entero dia.« Bienes, S. 314. 80 »Quando vno duerme, despierta y abre los ojos á vn gran ruydo, que le hazen: vn mancebito, vna donzellita, que vino como cerrados los ojos al theatro, y que esta como dormida á estas torpezas [...] con vn clamor, y ruydo tan grande, con vna aprobación y aplauso tan general, que se haze á vn dicho ó hecho deshonesto, como no ha de abrir los ojos, y ver y deprender lo que fuera mejor ignorar, y para no venir á esto, no auer vendió á esta escuela ó general?« Bienes, S. 282 81 So lobt Guzmán diejenigen, die sich sowohl vom Besuch ais auch von der Lektüre der Comedia fernhalten mit dem - bereits von Tertullian in diesem Zusammenhang zitierten - 1. Psalm Davids: »Bienaventurado el varón, que no se fue por donde van los malos mal aconsejados, ni se detuuo en el camino de los pecadores, ni se sentó en la cathedra de pestilencia; ni en ella, ni cabe ella, ni á leer, ni á oyr las lecciones, que en estos theatros se leen.« Bienes, S. 288. Cf. supra: IV, Anm. 31.

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rung der Schwachen und des Erregens öffentlichen Ärgernisses82 schuldig und trägt zudem Schuld an der Versündigung der Schauspieler, die ihren Beruf nicht ausüben würden, wenn es keine Theaterbesucher gäbe. Folglich deklariert Guzmän auch das Beschenken der Schauspieler, die durch solche Anerkennungsgesten von der Berufsaufgabe abgehalten werden, als Sünde.83

7

Theaterverbot oder die Duldung einer zensierten Laienbühne

Wie Mariana - und in ausdrücklicher Nachfolge von Tertullian, Cyprian, Ambrosius und Augustin - versucht Guzmän seine Leser auf die spectacula divina zu besinnen, wobei er die Schönheit der göttlichen Schöpfung als Bühne des Lebens darstellt und seinen Lesern auch die Ereignisse der heiligen Schrift als »espaciosissimo theatro« vor Augen fuhrt.84 Hierbei stellt er wiederum die Opposition von - sich in der Religion manifestierender Wahrheit und - der profanen Literatur zugehöriger - vanitas in den Mittelpunkt und begründet die Ablehnung aller »vanos entretenimientos« zudem mit der Notwendigkeit, Rechenschaft vor Gott abzulegen, weshalb er - in Nachfolge von Tertullian und in Abgrenzung zu Mariana, der diese Stelle ausgelassen hatte - vor allem die zweifelnden Philosophen und lügenden Dichter, die Schauspieler und Gotteslästerer vor dem Jüngsten Gericht verstummen lässt. Auch Guzmän gibt sich jedoch nicht mit diesem eher rhetorischen Versuch zufrieden, seine Leser von der Comedia abzuwenden, sondern konstatiert angesichts der (vermeintlichen) Verführungskraft der Theaterauffuhrungen, »que [...] no ay cosa mas dafiosa en la Republica, ni mas digna de remedio que el vso de las Comedias«. So verweist er auf Ribera, der die weltlichen und geistlichen Entscheidungsträger zur Verbannung des Theaters auffordert und plädiert auch mit Chrysostomus und Thomas von Aquin für das Verbot der Comedia}5 Das von Philipp II. 1598 - in der Weisheit des reifen Alters - verhängte Thea82 Das Ärgernis ist eine moraltheologisch exakt definierte Sünde, die gegen die Nächstenliebe verstößt und auf Rom 14, 13ff (»ne ponatis offendiculum fratri, vel scandalum«) bzw. 1 Kor 8, 9ff. (»Videte autem ne forte haec licentia vestra offendiculum fíat infirmis«) zurückgeht. Cf. auch supra: V, I, Anm. 119. Unterschieden wird u.a. auch zwischen dem öffentlich und dem geheim gegebenen Ärgernis, was vor allem für die Wiedergutmachung des entstandenen Schadens von Belang ist. So ist das öffentliche Ärgernis auch öffentlich zu sühnen, während das geheime Ärgernis nur vor dem Geschädigten wiedergutzumachen ist. Die Art der Sühne muss sich dem Zweck der Besserung anpassen und kann - je nach dem vorliegenden Ärgernis und dessen Wirkung - durch Gebet, Bußwerke, förmliche Zurücknahme, gutes Beispiel, Belehrung, Aufklärung oder Mahnung geschehen. Otto Schilling: Handbuch der Moraltheologie, Bd. 3: Spezielle Moraltheologie, sozialer Pflichtenkreis, S. 35-41. 83 Ausgehend von Augustin, der das Beschenken der Schauspieler als Sünde herausstellt, folgert er: »Viendose pues oydos, seguidos, honrados, y enriquezidos, como no se han de comer, como dizen, las manos tras este oficio, como le han de trocar por otro, como le han de dexar?« Bienes, S. 335. 84 Er übertrifft hierin sowohl die Kirchenväter als auch die zeitgenössischen Theatergegner an Ausführlichkeit. So widmet er den »Comedias y representaciones, que es licito ver« ein eigenes Kapitel (Discurso VI, 9), in dem er auf dreizehn Seiten zunächst die Schönheit des gesamten Universums beschreibt und dann chronologisch die wichtigen Ereignisse des Alten und des Neuen Testaments skizziert. 85 »Haze vn apostrophe vn doctissimo varon [sc. Ribera] á los Reyes, y Principes, Gouernadores y juezes, y á los predicadores, confessores, y curas de almas, y aun á los Inquisidores del Santo oficio, y finalmente á todos los que tienen mano en esto, y pueden remediar este daño: y les ruega por las entrañas de Christo, y por la sangre que por las almas derramó, procuren en todas las ocasiones, que se ofrecieren, desterrar de la Republica este daño, esta pestilencia de almas, esta carnicería de ellas; [...].« Bienes, S. 333f. Zu Guzmáns Verbotsforderung mit Berufung auf Chrysostomus und Thomas von Aquin cf. supra: Anm. 45 und 55 (Bienes, S. 344f.).

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terverbot stellt er folglich als einzig effektive Maßnahme g e g e n den fortschreitenden Sittenverfall heraus: Denn so w i e es sicherer sei, den v o n Krebs zerfressenen Arm zu amputieren, als den - größeren - kranken Teil herauszuschneiden, so sei es auch besser, die Comedia abzuschaffen als sie zu reformieren, da sie sich nicht an die Vorgaben von Maßhaltung und Vernunft anpassen lasse, sondern w i e die Hydra von Lerna immer neue Unsittlichkeiten hervorbringe. Obwohl Guzmän darauf insistiert, dass - w i e die Erfahrung gezeigt habe - weder eine Reform noch ein Gesetz genügt, um die moralische Zulässigkeit des Theaters sicherzustellen, formuliert er doch seine Vorstellung einer solchen Reform, die aber aus seiner Sicht weder von den Entscheidungsträgern noch v o m Volk in der von ihm verlangten Form mitgetragen würde. 8 6 S o nennt er die folgenden Bedingungen: 1. Alle Handlungen und Worte der gesamten Aufführung müssen Sitte und Moral entsprechen und mit den Vorgaben der Vernunft und der Theologie übereinstimmen. 2. D i e Tänze dürfen nicht von den N o r m e n des Anstands und der Moral abweichen. 3. D i e Auffuhrungen dürfen nur feiertags nachmittags stattfinden. 87 4. D i e Schauspieltruppen mit Männern und Frauen dürfen nicht durch das Land ziehen. 5. D i e Schauspieler müssen - w i e früher - wochentags einen anderen Beruf ausüben. 8 8 6. D i e Kleidung der Schauspieler muss maßvoll sein. 86 »Visto pues todo lo dicho, y que en la experiencia de tan largo tiempo no es possible poner medio, ö remedio en esto, ni circunstancionar estas Comedias con las reglas de la razón, excluyendo dellas toda cosa torpe é inhonesta, y que, como ahora lo ordinario se vsan, y se vsaran ya siempre, son como la Hydra Lernea, que cortada vna cabera nace otra; ö como vn bra?o tan encancerado, que es mas fácil, y mas saludable, cortarle todo, que entresacar la parte podrida, que es la mayor, juzgo conuenir mas desterrar de la República Christiana estas Comedias, que reformarlas, y permitirlas, como el Catholico Rey don Phelipe Segundo, de gloriosa memoria, lo hizo al cabo de su gloriosa vida: quando estaua la prudencia en su punto.[...] Pues ya se ha visto por experiencia, no basta ninguna reformación, ni pragmatica, ni ellos admiten la que auia de auer, ni el pueblo gusta desto. Esto es, que todas las acciones [...] sean honestas, [...].« Bienes, S. 349f. 87 Diese Forderung steht im Gegensatz zu Mariana, der ein Auffuhrungsverbot an Feiertagen verlangt hatte. Beide verfolgen jedoch die Absicht, eine direkte Konkurrenz zwischen Theater- und Kirchbesuch zu vermeiden, denn auch Guzmán plädiert für ein Verbot der Darbietungen zu den üblichen Messzeiten. Während Mariana eine ganztägige Feiertagsheiligung durchzusetzen versucht, sieht Guzmán in der Beschränkung der Aufführungen auf feiertags nachmittags gewiss die Chance, die Vorführungen insgesamt zu reduzieren bzw. ihrer weiteren Ausdehnung entgegenzuwirken. Er scheint sich dabei an González de Critana anzulehnen, der ebenfalls gefordert hatte, »que la representación podrá ser sólo las fiestas por la tarde«. Cotarelo: Bibliografía, S. 326. 88 Auch die letzten beiden Forderungen übernimmt Guzmán von González de Critana, der die Comedia unter den Bedingungen für zulässig erklärt hatte, »[...] que no anden Compañías de hombres y mujeres por el reino; sino que la de la corte se esté en la corte y la de Toledo en Toledo, para que el representante atienda á su oficio entre semana, como lo hacían en sus principios Lope de Rueda, Navarro y Cisneros, aunque después comenzaron á juntarse en Compañías y andarse de pueblo en pueblo.« Cotarelo: Bibliografía, S. 326. Guzmán lässt Critanas liberaleres Zugeständnis, dass jede Stadt ihre eigene Schauspieltruppe haben solle, allerdings aus. Es sei daran erinnert, dass die Schauspielerei erst im Laufe des 16. Jahrhunderts zum eigenständigen Berufsbild wurde. So waren Gil Vicente und Lope de Rueda Gold- bzw. Blechschmied und in öffentlichen Verlautbarungen - so z.B. in den Listen der an den autos sacramentales mitwirkenden Schauspieler - wurden die Bühnendarsteller noch bis ins letzte Drittel des 16. Jahrhunderts mit ihrem ersten Beruf als »calcetero, platero, dorador, sastre, tejedor de telas de oro« etc. aufgeführt. Erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts wurden die Schauspieler auch offiziell als solche bezeichnet. Cf. Alfredo Hermenegildo: »Registro de representantes: soporte escénico del personaje dramático en el siglo XVI«, in: Evangelina Rodríguez Cuadros (Hg.), Del oficio al mito: El actor en sus documentos, T. 1. Valencia: Universität de Valencia 1997, S. 121-159.

Pedro de Guzmán: Bienes de el honesto trabaio y daños de la ociosidad

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7. Frauen dürfen nicht auftreten. Wenn dies doch erlaubt werde, so nur in angemessener, keinesfalls aber in Männerkleidung. Die Auflistung dieser Forderungen, mit denen Guzmän in erster Linie auf die von ihm ausgemachten Gefahren der Konkupiszenz und der Promiskuität reagiert, legt offen, dass seine Reformvorstellung letztlich der Abschaffung des zeitgenössischen Theaterwesens gleich kommt, zielt sie doch auf die Ablösung des kommerziellen Theaters durch eine Art kontrollierte, nur an Festtagen eröffnete Laienbühne ab und wäre damit in der Tat kaum durchsetzbar gewesen. Während der Jesuit sein Votum für das Theaterverbot aber stets an fremde Urteile - so an Ribera, Thomas von Aquin und Chrysostomus - knüpft, tritt er dezidiert für die Unterbindung der unsittlichen Tänze ein, die aus seiner Sicht Moral und Religion schädigen und die Strafe Gottes unausweichlich nach sich ziehen. So appelliert er - in einem eigens den »danfas y bayles« gewidmeten Kapitel - an die Regierenden, die Tänze umgehend zu verbieten, »mientras se remedia el dano mayor de las Comedias (que espero ver presto remediadas ö quitadas)«.89 Diese Zurückhaltung gegenüber einer dezidierten Verbotsforderung der Comedia mag Guzmäns Einordnung in ein Klassifikationsschema von Gegnern, Reformern und Befürwortern des zeitgenössischen Theaterwesens auf den ersten Blick erschweren. Seine Haltung unterscheidet sich aber letztlich kaum von der seines Ordensbruders Mariana: Während dieser dem Regenten die Notwendigkeit eines absoluten Theaterverbots unmissverständlich vor Augen führt und das Bühnenwesen nur aufgrund der realistischen Einschätzung zu dulden bereit ist, dass ein Verbot sozialpolitisch kaum durchsetzbar ist, erklärt Guzmän, der betont, nur den »desorden y excesso« zu verurteilen, das Theater zwar per se für zulässig90 und überlässt die Beurteilung der zeitgenössischen Comedia ausdrücklich »los que Dios nuestro Senor ha puesto en alto, y en atalaya, para descubrir estas cosas« (S. 278). Da er aber immer wieder hervorhebt, dass es keine Möglichkeit gebe, die sündhaften Umstände der Aufführungen gänzlich zu unterbinden, stellt er seinen Reformkatalog nicht als faktische Forderung für die Gestaltung eines zulässigen Bühnenwesens auf, sondern formuliert ihn im Irrealis als eine ohnehin nicht umsetzbare Möglichkeit, die Comedia duldbar zu machen. Zielt Guzmäns Reformvision zudem auf die Abschaffung all dessen ab, was das Theater des Siglo de Oro ausmacht, so wird deutlich, dass er wie Mariana letztlich ein Verbot des zeitgenössischen Theaterwesens anstrebt. So ist seine Reformvision, die unverkennbar das Ziel verfolgt, die wirtschaftliche Eigendynamik des Theaters zu hemmen, indem sie sowohl die Möglichkeiten als auch den Zeitraum der Aufführungen massiv einschränkt, kein konstruktiver Vorschlag zur Duldung des Theaters. Vielmehr ist seine gegenüber Marianas unmissverständlichen Appellen an den Regenten - vorsichtigere Hal-

89 Bienes, S. 361 f. Dabei übt er durch die Warnung vor der göttlichen Strafe psychischen Druck auf seine Adressaten aus und appelliert an die Regierenden: »Yo lo auiso con tiempo, quien deue lo remedie con el.« Die lasziven Gesänge behandelt Guzmán als »apendizes á estos bayles« und verweist wiederum auf Philipp II., der die Äußerung unsittlicher Worte gesetzlich verboten hatte. Guzmán bedauert, dass die ausgeschriebene Strafe - 100 Peitschenhiebe und einjährige Verbannung aus der jeweiligen Stadt nicht umgesetzt werde, um »[los que] dizen, y cantan cosas que las orejas castas tiemblan de oyr« abzuschrecken. 90 So formuliert er direkt zu Beginn des 6. Diskurses: »Tampoco condeno á todas las representaciones, ni á todos los que las hazen, sino á las representaciones, y representantes, que no se ajustan en este oficio con la razón, y con las leyes y circunstancias, que Santo Thomas von Aquin y los demás Theologos ponen, y piden, [...].« Bienes, S. 276.

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tung dem Respekt gegenüber den weltlichen und kirchlichen Autoritäten bzw. mehr noch g e w i s s dem Bewusstsein geschuldet, dass die Societas Jesu sich zur Sicherung ihrer Existenz und z u m Erhalt ihrer Macht zu bestimmten Konzessionen bereit erklären und die endgültige Entscheidung - zumindest auf rhetorischer Ebene - den Regierenden überlassen musste. 9 1 Hiermit muss die Einschätzung von Garcia Berrio, der Guzmán als »irreductible adversario de las comedias« 9 2 bezeichnet, relativiert, Vitses Befund, der ihn z u m Hauptexponenten der Gruppe der Reformer erklärt, aber gänzlich revidiert werden: Während Garcia Berrio Guzmáns grundsätzliche Anerkennung der quaestio 168 und seine vorsichtig-lavierende Haltung, die den Regierenden letztlich die Entscheidung z w i s c h e n »remediar« und »quitar« anheim stellt, unberücksichtigt lässt, schreibt Vitse d e m Jesuiten einen expliziten Reformwillen im Sinne der Indienstnahme des Theaters für Staat und Kirche zu, der sich anhand seines Werks nicht belegen lässt. 93

91 So weist Domínguez Ortiz darauf hin, dass die Societas Jesu ihre strengen Glaubensvorstellungen zunehmend zurücknehmen musste, um der seit Ende des 16. Jahrhunderts durch die politische Ämterübernahme vieler Jesuiten immer enger werdenden Interessenverbindung mit der weltlichen Macht nicht im Wege zu stehen. Auch sei daran erinnert, dass Mariana durch seine unverhohlene Anklage der gesellschaftlichen Missstände und seine unnachgiebig-scharfe Haltung gegenüber dem Regenten in De Rege auch den Zorn seines - eben um diese Machtallianz besorgten - Ordens auf sich zog. Antonio Domínguez Ortiz: El Antiguo Régimen: Los Reyes Católicos y los Austrias, T. 3.: Miguel Artola (Hg.), Historia de España. Madrid: Alianza 1988, S. 301. 92 Antonio Garcia Berrio: Intolerancia de poder y protesta popular en el Siglo de Oro, S. 38. 93 So bezeichnet Vitse Guzmán als »l'exposant majeur« der »partisans d'un théâtre public réformé«. Éléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S. 38. Diese Fehleinschätzung ergibt sich aus der zur Kenntnisnahme des Textes über das nur wenige Passagen bietende Exzerpt bei Cotarelo, der nicht auf Guzmáns Vorbehalte gegenüber dem Gelingen einer Theaterreform hinweist und zudem nur einen Ausschnitt seiner Reformvorschläge präsentiert. Cf. Bibliografía, S. 350f. So trifft auch Vitses Folgerung, dass Guzmán sich als Reformer - überzeugt vom Nutzen des Theaters für Staat und Kirche - für ein gereinigtes Theater als »prolongement de l'activité sermonnaire« einsetze (S. 58f.), nicht zu. Diese Fehleinschätzung resultiert wiederum daraus, dass er Guzmáns Haltung mit der weiterer von ihm als Reformer definierter Theaterkritiker gleichsetzt. Konkret überträgt er hier die Position des Jesuiten Juan de Ferrer auf die gesamte Gruppe der Reformer. Auch Vitses - gegenüber Garcia Berrio differenzierteres - Klassifikationsschema geht also aufgrund zu starker Verallgemeinerungen und der ausschließlichen Rezeption der licitud-Texte über die Bibliographie von Cotarelo fehl. Eine Untersuchung des - unter dem Pseudonym Bisbe y Vidal veröffentlichten - Originaltextes von Ferrer steht indes noch aus und erweist sich vor dem Hintergrund von Vitses Analyse als interessant.

PETRI HVRTADO D E MENDOZA SCHOLASTICA,

ET

MORALES DISPVTATIONES.

DE TRIBVS VIRTVT1BVS T H E O L O G I CIS.

DE FIDE V O L V M E N "jEC^WD¥M CVM

P R I V I L E G I I SÌ

Salmanticae, apudlacinthum Taberniel. Anno C^riftiano x £31.

PETRI HVRTADO D E

MENDOZA SCHOL ASTICA,

E1

MORALES DISPVTATIONES.

DE TRIBVS VIRTVTIBVS T H E O L O G I CIS. D E SPE,ET C H A R I T A T E . VOLVMEN SECVNDVM. c v M PRivTLE"GTTs] Ut funt in prima parte.

Salmanticae, apud Iacinthum Taberniel. Anno C h r i f t i a n o i ^ i .

V, III Pedro Puente Hurtado de Mendoza: De spe et charitate. Eine moraltheologische Abhandlung zur Klassifikation der Sünden. 1 1.1

Kurzpräsentation von Autor und Werk Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext

Pedro Puente Hurtado de Mendoza wurde 1578 in Valmaseda geboren. Als Siebzehnjähriger trat er in die Societas Jesu ein und lehrte später Philosophie und Theologie an der Universität von Salamanca. Hurtado genoss nicht nur großes Ansehen innerhalb der Societas Jesu, sondern gelangte durch eine Reihe auf Latein verfasster theologischer Traktate auch über die Ordens- und Landesgrenzen hinaus zu einiger Bekanntheit.' Er starb am 10.11.1651 in Madrid. In den Scholasticae, et morales dispvtationes2 befasst sich Hurtado u.a. mit dem zeitgenössischen Theater, das er für unzulässig erklärt. Durch den Trinitarier Manuel de Guerra y Ribera, der in seiner Aprobación de las Comedias de Don Pedro Calderón de la Barca (1682) rund fünfzig Jahre später auf die Schrift des Jesuiten Bezug nimmt, um die These von der Unzulässigkeit der zeitgenössischen Comedia zu bestreiten, wird Hurtado posthum zum Hauptrepräsentanten der Theatergegner. Dass Guerra y Ribera aus der Vielzahl theaterfeindlicher Traktate paradigmatisch das lateinische Kapitel aus den Scholasticae, et morales dispvtationes wählt, zeugt ebenso von der Autorität des Jesuiten, dessen Name innerhalb der licitud-Debatte bald synekdochisch für die Theaterfeindlichkeit des gesamten Ordens steht.

1.2

Entstehungskontext der Scholasticae, et morales dispvtationes

Die Scholasticae, et morales dispvtationes, die sich in die beiden Bände De spe, et charitate und De fide teilen, reihen sich in eine Vielzahl moraltheologischer Abhandlungen ein, die im Zuge der Etablierung der Moraltheologie als eigenständige theologische Disziplin vor allem von Jesuiten verfasst wurden. 3 Dabei erscheint Hurtado de Mendozas Traktat, als sich 1

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So wurden seine Dispvtationes a summulis ad Metaphysicam noch zu seinen Lebzeiten mehrfach in Spanien, Frankreich und Deutschland aufgelegt. Sommervogel: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus, T. 4, Sp. 534. De tribvs virtvtibvs theologicis. De fide. Volvmen Secvndvm [sie!]. De spe, et charitate. Volvmen Secvndum. Cum Privilegiis, ut sunt in prima parte. Salmanticae, apud Iacinthum Taberniel. Anno Christiano 1631. Beide Bände der hier zugrunde gelegten Ausgabe aus der Biblioteca Cantoblanco de la Universidad Pontificia de Comillas sind mit »Volvmen secvndvm« überschrieben, im Band De fide ist die Angabe jedoch durchgestrichen und handschriftlich durch »Volvmen Primvm« verbessert. Bei der in der Biblioteca Nacional befindlichen Ausgabe (ebenfalls Salmanticae, apud Iacinthum Taberniel 1631) sind beide Bände mit »De Fide« überschrieben. Die Abhandlung über die zeitgenössische Comedia befindet sich als Unterkapitel der Disputatio »De scandalo« in beiden Ausgaben im zweiten Band. Da die Sünde des Ärgernisses gegen die Nächstenliebe verstößt (cf. supra), ist De spe, et charitate wohl der zutreffende Bandtitel (cf. auch infra: Anm. 11 f.), Cotarelo verortet die Abhandlung über die Comedia aber entsprechend der Ausgabe der BN im Band De fide. Bibliografía, S. 363. Der Traktat wird im Folgenden nach der oben genannten Ausgabe unter dem Kurztitel De spe zitiert. Mit der Aufwertung der Bußpraxis - und vor allem der Beichte - als effektivem Mittel zur Erneuerung der civitas christiana im Zuge des Tridentinums entwickelte sich aus den von der Societas Jesu zunächst mit Blick auf die Seelsorge behandelten Gewissensfallen, den casus conscientiae, die Moraltheologie, die sich im Laufe des 16. Jahrhunderts von Dogmatik und Kanonistik löste und zur autonomen theologischen Disziplin avancierte. So brachte die methodische Diskussion der casus conscientiae,

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die von Lope de Vega geschaffene Form der Comedia Nueva etabliert hatte. So hatte das corral-Theater nach einer kurzen Schließung nach dem Tod Philipps III. seine erste Hochzeit erreicht und stand zudem in der Gunst Philipps IV. Auch um die licitud-Debatte war es nach der Offensive von Mariana und der umfassenden Abhandlung von Guzmän relativ ruhig geworden, 4 so dass Hurtados Schrift einen erneuten Versuch der vornehmlich klerikal geprägten Gegnerseite darstellt, die Unzulässigkeit des zunehmend an Terrain gewinnenden profanen Theaters theologisch zu beweisen und dessen Schließung - hier über die Indoktrination des Klerus - durchzusetzen. Zeitlich fallt die Blütezeit des spanischen Theaters mit dem wirtschaftlichen und politischen Niedergang des Landes zusammen, 5 was dem Vorhaben der Theatergegner, die öffentlichen Vergnügungen abzuschaffen, nur entgegen kommen konnte. Hurtado de Mendoza nimmt zwar - anders als Mariana - nicht direkt Bezug auf die desolate Situation des Landes. U m so programmatischer ist aber die Widmung seiner Schrift an den Günstling und >Premierminister< Philipps IV. Gaspar de Guzmän, der ein umfassendes Reformprogramm eingeleitet hatte, 6 das auch Maßnahmen zur Voranbringung der geistigen und mora-

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für die 1553 ein eigener Lehrstuhl eingerichtet wurde, eine Reihe kasuistischer Traktate wie das bekannte Enchiridion seu Manuales confessariorum et poenitentium (Lyon 1575) von Martin de Azpilcueta, die Suma de casos de conciencia (Salamanca 1594) von Manuel Rodríguez (OFM) und die Abhandlung De instructione sacerdotum (Lyon 1599) des Jesuiten Francisco de Toledo hervor. Aus den summae casuum, die konkrete Einzelfalle behandelten und zunächst als praktische Handreichungen für die Seelsorger verfasst waren, entstanden schließlich die allgemeiner gefassten moraltheologischen Lehrbücher. Cf. Isaac Vázquez: »Las controversias doctrinales postridentinas hasta finales del siglo XII. IV. Controversias morales«, in: Ricardo García-Villoslada (Hg.), Historia de la Iglesia en España, T. 4, S.461ÍF. Die Revision der Schriften zwischen 1613 und 1630 über die Bibliographie von Cotarelo zeigt, dass in dieser Zeit keine umfassende Verurteilung des zeitgenössischen Theaters veröffentlicht wurde. Nennenswerte Abhandlungen sind neben dem bereits erwähnten Tratado de las Comedias en el qval se declara si son licitas des katalanischen Jesuiten Juan de Ferrer (1618), der jede Art von Liebeshandlung in der Comedia scharf kritisiert, den potentiellen Nutzen von Theateraufführungen, die möglichst von »historias de la Divina Escritura« handeln sollen, jedoch anerkennt, die Apología en defensa de las comedias que se representan en España (1614) von Francisco Ortiz und die Repvblica y policía Christiana para reyes y principes des barfüßigen Franziskaners Juan de Santa Maria (1615), der vor allem die Häufigkeit der zu Unsittlichkeit provozierenden Aufführungen beklagt. Weiterhin die Historia sacra del Santissimo Sacramento contra las heregias destos tiempos des Dominikaners Alonso de Ribera, der in erster Linie die autos sacramentales und comedias de santos verurteilt (1621) und die ebenfalls theaterfeindliche Circuncisión de las comedias des katalanischen Jesuiten Jaime Albert. Philipp III. hinterließ ein finanziell erschöpftes sowie innen- und außenpolitisch geschwächtes Land, das den Höhepunkt der Macht längst überschritten hatte. 1621 endete zudem der zwölfjährige Waffenstillstand mit Holland. Während die Holländer Ende der zwanziger Jahre wichtige Erfolge erzielten (Eroberung der spanischen Silberflotte, Einnahme von Stützpunkten der spanischen Niederlande und Brasiliens), führte der Tod des Herzogs von Mantua 1627 zum Erbfolgestreit zwischen Frankreich und Spanien. Gleichzeitig war das Innere des Landes durch Missernten und Epidemien geschwächt. Cf. Walther L. Bernecker, Horst Pietschmann: Geschichte Spaniens. Von der frühen Neuzeit bis zur Gegenwart. Stuttgart u.a.: Kohlhammer 32000, S. 123-139. Die Widmung richtet sich an den »excellentissimo Principi D. Gasparo de Guzmän, Corniti, Duci de Olivares«, dem Philipp IV. bei Regierungsantritt die Führung der Amtsgeschäfte übertragen hatte. Der Conde-Duque, der vor seinem sozialen Aufstieg eine kirchliche Laufbahn eingeschlagen hatte, führte eine Reihe politischer, wirtschaftlicher und sozialer Reformen ein, die u.a. Einsparungen bei den Kosten der Hofhaltung, die Verringerung der Zahl der Residenten am Hof und eine umfassende AntiluxusGesetzgebung beinhalteten. Cf. Walther L. Bernecker, Horst Pietschmann: Geschichte Spaniens, S.

Pedro Puente Hurtado de Mendoza: De spe et charitate

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lischen Wiedergeburt Spaniens vorsah: So beschäftigte sich die 1621 vom Conde-Duque gegründete Junta de Reformación u.a. mit den »daños que se siguen de las comedias, así por la muchedumbre y frecuencia como por la mala forma con que se hacen en tanto perjuicio del ejemplo público«.7 Neben der Formulierung einiger - offensichtlich nicht umgesetzter - Reformvorschläge für die Theaterpraxis8, forderte die Junta ein Druckverbot von »libros de comedias, nouelas [y] otros deste género«, das am 7. März 1625 vom Consejo de Castilla bestätigt wurde.9 So stellt Hurtados Traktat gegen die zeitgenössische Comedia gewiss auch einen Versuch dar, die Bemühungen der Reformjunta zu unterstützen und auf theologischer Ebene fortzuführen. Die umfassenden Maßnahmen der Junta zur Kontrolle und Einschränkung der profanen Literatur und des Theaters, die auch die Verurteilung von

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123-139. Da gerade die Bevölkerung in der Hauptstadt ein großes Reservoir potentieller Theatergänger darstellte, konnte ein solches Reformprogramm den Theatergegnern nur willkommen sein. Angel González Palencia: »Quevedo, Tirso y las comedias ante la Junta de Reformación«, in: Boletín de la Real Academia Española 25 (1946), S. 43-84, hier S. 78. Die Junta de Reformación konstituierte sich nach der Erstellung der sogenannten Reformkapitel im Februar 1623 erneut, um das Ziel der Reform »en materia de vicios, abusos y cohechos« (S. 43) auf breiterer Ebene durchzusetzen. Der Junta gehörten u.a. eine Reihe von Personen an, die auch in anderen Zusammenhängen als Gegner der profanen Literatur bzw. des profanen Theaters auffallen, so der Vorsitzende des Consejo de Castilla Francisco de Contreras, der 1648 und 1666 jeweils entgegen des Mehrheitsbeschlusses des Kastilienrats gegen die Wiedereröffnung der Theater votierte, der Beichtvater Philipps IV. Antonio de Sotomayor (O.P.), der an der Erstellung des Indexes verbotener Bücher von 1640 beteiligt war und der Patriarca de las Indias und spätere Bischof von Sevilla Diego de Guzmán, der die Comedia in seinem Werk Reina Católica (1616) verurteilt hatte (cf. supra: V, II, Anm. 4). Da die Reformjunta sich vornehmlich aus Mitgliedern klerikaler Provenienz zusammensetzte, ist kaum verwunderlich, dass auf der ersten Sitzung als dringlichster Reformgegenstand »el pecado de deshonestidad y amancebamientos escandalosos« festgelegt wurden. Die Konkretisierung dieses Reformbedarfs mündete schon bald in die Diskussion der Zulässigkeit des Theaters. So wurde bereits in der übernächsten Sitzung ein - von den Prälaten durchzusetzendes - Verbot des Theaterbesuchs für Geistliche beschlossen. Der »daño de las comedias« wurde seit der Einberufung der Junta 1624 auf mehreren Sitzungen diskutiert; wobei u.a. vorgeschlagen wurde, getrennte Auffuhrungen für Männer und Frauen einzuführen. Der endgültige Beschluss der Junta mit der Empfehlung, wenn man die Theater schon nicht - »como conviniera« - gänzlich abschaffen könne, so doch wenigstens nur eine einzige Truppe in Madrid zuzulassen, wurde dem Monarchen am 16.12.1625 vorgelegt, scheint jedoch unbeantwortet geblieben zu sein. Angel González Palencia: »Quevedo, Tirso y las comedias ante la Junta de Reformación«, S. 79f. Die Empfehlung der Junta lautete: »Y porque se ha reconocido el daño de imprimir libros de comedias, nouelas ni otros deste género, por el que blandamente hacen a las costumbres de la jubentud, se consulta a su Majestad ordene al Consejo que en ninguna manera se dé licencia para imprimirlos.« J. Moll: »Diez años sin licencias para imprimir comedias en los reinos de Castilla: 1625-1634«, in: Boletín de la Real Academia Española 1974, S. 97-103, hier S. 98. Da das Verbot durch Veröffentlichungen im - vom Kastilienrat unabhängigen - Königreich Aragón bzw. durch Fälschungen der typographischen Angaben umgangen wurde, wiederholt die Pragmática vom 13.6.1627: »[...] encargamos mucho que aya y se ponga particular cuydado y atención en no dexar que se impriman libros no necessarios o conuenientes, ni de materias que deuan o puedan escusarse o no importe su lectura, pues ya ay demasiada abundancia dellos« (S. 99). Diese Verfugung erleichterte zwar durch ihre recht unpräzisen Vorgaben die Umgehung des Druckverbots, stellte aber eine Bedrohung für den kommerziellen Literaturmarkt dar und musste auch zur Selbstzensur der Autoren fuhren, die unter dem Druck standen zu schreiben, was die Autoritäten für nützlich und moralisch erbaulich hielten. Erst 1635 wurde das Verbot wieder aufgehoben. So erscheinen in diesem Jahr Teil IV. und V. der Stücke von Tirso de Molina und Teil XXI. und XXII. der Comedias von Lope de Vega. Der Grund für die Wiederaufnahme der Veröffentlichungen ist unbekannt. Cf. hierzu auch D. W. Cruickshank: »Literature and the book Trade in Golden-Age Spain«.

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Tirso de Molina einschlössen,10 legen nahe, dass der Zeitpunkt von Hurtados Auseinandersetzung mit dem Theater kaum zufallig gewählt ist. Vielmehr scheint der Jesuit das politische Klima zu nutzen, um sein Ansinnen, das profane Theater abzuschaffen, mit größerer Effektivität durchsetzen zu können.

1.3

Äußerer Aufbau der Sectio XXVIII: »De comoedijs, quando sint scandalum«

Hurtados Stellungnahme gegen das zeitgenössische Theater bildet die Sectio XXVIII der Disputatio »De scandalo«. In dieser Disputatio, die die vorletzte Abhandlung von De spe, et charitate darstellt," befasst sich Hurtado mit der Frage, durch welche Handlungen bzw. unter welchen Umständen eine Person ein Ärgernis erregt und seinem Nächsten somit Anlass zur Sünde gibt.12 So prüft er neben der Sündhaftigkeit des Theaters u.a. die der Prostitution (XIII und XXX), des Zinshandels (XIV), der Hexerei (XVI), des weltlichen Besitzes (XXII), der Gesänge und Tänze (XXVII) und des Stierkampfes (XXIX). Die Unterteilung der Sectio »De comoedijs, quando sint scandalum« in weitere Subsectiones zeugt bereits von Hurtados analytisch-systematischer Herangehensweise: So befasst er sich - nachdem er die Zulässigkeit des Theaters »secundum se« anerkannt hat zunächst mit der Frage, ob die zeitgenössischen Schauspieler in Sünde leben (Subsectio 1), wobei er seine Argumentation, in der er die Unzulässigkeit des zeitgenössischen Theaterwesens darlegt, wie üblich mit der auctoritas sanctorum stützt (2). Im Folgenden legt er den unsittlichen Lebenswandel der spanischen Schauspieler konkret dar (3), verurteilt die Gesänge und Tänze des Theaters (4) und begründet die Sündhaftigkeit der Comedia mit ihrer Liebeshandlung (5). Entsprechend des scholastischen Argumentationsstils, bei dem das Gegenüber als Mit-Subjekt der Wahrheitsfindung respektiert und dessen Position zur Erhellung des Sachverhalts dargelegt wird, lässt Hurtado eine systematische Widerlegung der von den Theaterbefürwortem vorgebrachten Einwände folgen (6). Des weiteren bezichtigt

10 Am selben Tag, an dem die Junta das Druckverbot für profane Literatur erteilte, beschäftigte sie sich auch mit dem »escándalo que causa un fraile mercedario que se llama el Maestro Téllez, por otro nombre Tirso, con comedias que hace profanas y de malos incentivos y ejemplos« und beschloss die Verbannung von Tirso de Molina. Ángel González Patencia: »Quevedo, Tirso y las comedias ante la Junta de Reformación«, S. 83. Die breit angelegten Maßnahmen der Reformjunta zeigen, dass Hurtado de Mendoza - trotz der Theaterleidenschaft Philipps IV. - von politischer Seite durchaus auf Unterstützung zählen konnte. Cotarelo lässt die folgenreiche Kampagne der Junta de Reformación gegen die Comedia in seiner Bibliograßa unerwähnt. 11 Hurtado folgt in der Einteilung seines Werks dem üblichen Tugend- und Lasterschema der Jesuiten, wobei jede Disputatio ein Laster behandelt, das der - den Gegenstand seines Werks bildenden - Tugend der Caritas entgegensteht. So gehen der Disputatio »De Scandalo« u.a. die disputationes »De Invidia« (CLXVI.), »De discordia & contentione« (CLXVII.), »De Schismate« (CLXVIII.), »De Bello«(CLXIX.), »De duello & torneamentis« (CLXX.), »De rixa« (CLXXI.) und »De seditione« (CLXII.) voraus. Auf die Darstellung der Sünden, von denen Hurtado »De Scandalo« am ausfuhrlichsten behandelt, folgt die Unterweisung in der Tugend der Nächstenliebe (CLXXIIII.: »De praecepto Charitatis«). Die Reihenfolge der behandelten Laster entspricht der Darstellung des Gregorio de Valencia, dessen Kommentar zur Summa des Thomas von Aquin für die Jesuiten normativen Charakter hatte. Er behandelt das Tugend- und Sündensystem im III. Band seiner Commentaria Theologica (1591-1597). Cf. Elida Maria Szarota: Das Jesuitendrama im deutschen Sprachgebiet. Eine Periochen-Edition. Texte und Kommentare, Bd. 2: Tugend-und Sündenystem. Teil I. München: Fink 1980, S. 6-38. 12 Zur Definition des Ärgernisses, das alle Worte, Handlungen und Unterlassungstaten bezeichnet, die dem Nächsten Anlass zur Sünde geben können, cf. supra: V, I, Anm. 119 und V, II, Anm. 82.

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er die Dichter der Todsünde und unterstreicht auch die Gefahr der Lektüre von Theaterstücken (7). Der Schwerpunkt seiner Abhandlung liegt zweifelsohne auf der Überprüfung des Sündenstatus' der Zuschauer (8-10), die er entsprechend der zwei genera christianorum in Laien (8) und Kleriker (9) unterteilt und getrennt behandelt. In einem Schlussplädoyer erklärt Hurtado die Erlaubnis der zeitgenössischen Comedia für unzulässig (11).

1.4

Sprachliche Gestalt und Adressatenkreis von De spe, et charitate, XXVIII.

Entsprechend dieses recht systematischen Aufbaus zeichnet sich Hurtados Abhandlung durch eine logisch sukzessive Gedankenführung und die weitgehende Distanzierung von jeder nur äußerlichen Rhetorizität aus. Hurtado stützt seine Argumentation zwar - wie mit dem Aufleben der Scholastik im Zuge des Barock üblich geworden 13 - auf das autoritative Fundament der Patristen und antiken Autoren, gibt sich aber nicht mit der reinen Abwägung dieser Autoritäten zufrieden, sondern entwickelt - ausgehend von den Sententiae auctorum - eine weitgehend eigenständige Argumentation. So verzichtet er auch auf umfängliche Zitate und Marginalglossen zugunsten von kurzen Stellenangaben. Dabei unterstreicht Hurtado seine Autorität durch apodiktische Formulierungen 14 und stützt seine Position anhand einer Reihe von illustrativen Exempla, die aber ebenfalls weniger die Affekte als die kognitiven Fähigkeiten seiner Leser ansprechen und funktional in seine Argumentation eingepasst sind. Hurtado verfasst sein zweibändiges Opus auf Latein, was zum einen seine Autorität in kirchlichen Kreisen stärkt - und wohl auch Grund seiner weitgehend nüchternen Sprache ist - und zum anderen die Rezeption über den spanischen Sprachraum hinaus ermöglicht. Durch die Exklusivität der Gelehrtensprache schaltet er gleichzeitig ein mögliches Laienpublikum weitgehend aus, was offen legt, dass er die Beurteilung der Zulässigkeit des Theaters in den Kompetenzbereich der Theologen stellt. Dementsprechend behandelt er das Theater auch unter einer rein theologischen Fragestellung und klammert Aspekte wie die von Mariana und Guzmän betonten negativen Folgeerscheinungen für den Staat - so das Fehlen kriegsfahiger Soldaten und pflichtbewusster Arbeiter - völlig aus. Ebenfalls im Hinblick auf seinen primär klerikal geprägten Adressatenkreis stellt Hurtado die - im Zuge des Tridentinums bedeutend gewordene 15 - präzise Differenzierung der Sünden, die er den 13 Isaac Vázquez begründet die Wiederaufnahme und systematische Fortfuhrung der Scholastik im spanischen Barock u.a. mit einem Abgrenzungsversuch der katholischen Kirche: »Para no coincidir con los protestantes ni siquiera en el lenguaje, los textos escriturísticos y patrísticos había que someterlos al tamiz de la terminología escolástica«. So bezeichnet der Dominikaner Mancio de Corpus Christi die Scholastik als das beste Mittel zur Häresiebekämpfung und konstatiert: »Quis enim audeat [...] ad casus conscientiae respondere contentas sola antiquorum lectione?« Zitiert nach Isaac Vázquez: »Las controversias doctrinales postridentinas hasta finales del siglo XII«, S. 433. Hurtado stellt sich bereits mit dem Titel seines Werks ausdrücklich in die scholastische Tradition, deren Struktarmerkmale - so das systematisierende Denken, Klassifizieren und Deduzieren, die argumentierenden Begründungen und die axiomatischen Sätze - seinen Text auch beherrschen . 14 So benutzt er häufig Floskeln wie: »Probatur haec conclusio argumento, vt arbitror, evidenti: [..]« und »Quod argumentum est evidentissimum«. De spe, S. 1575a und S. 1576a. 15 In Abgrenzung zur reformatorischen Confessio Augustana, die nur Reue und Glaube als wesentliche Teile des Bußvorgangs definiert und dem Bekenntnis der Sünden keinen Vollständigkeitszwang auferlegt, erklärt das Konzil von Trient auch die satisfactio zum Bestandteil der Buße und erhebt die Beichte damit zum bevorzugten Instrument der religiösen Akkulturation. Das detaillierte Sündenbekenntnis gilt dabei als unabdingbare Bemessungsgrundlage des Priesters für die Wahl einer angemessenen Genug-

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am Phänomen >Theater< beteiligten Personen jeweils zuschreibt, in den Vordergrund seiner Ausführungen. Somit beurteilt der Jesuit, der das Theater als rigoristisch eingestellter Geistlicher nie selbst besucht hat, die Comedia aus der Perspektive eines autorisierten Interpreten der katholischen Doktrin, die aus seiner Sicht nicht nur der einzig gültige Handlungsmaßstab aller Christen ist, sondern auch autoritative Antworten für jede Alltagssituation bereit hält, die in den Augen der klerikalen Kultur eine moralische Gefahr - und damit potentiell eine Sünde - mit sich bringt.

2

Hurtados Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Warnung vor den menschlichen Leidenschaften

Hurtado bestätigt zwar die grundsätzliche Zulässigkeit des Theaters auf der Grundlage der quaestio 168, 2, geht aber nicht auf die von Thomas von Aquin dargelegte Notwendigkeit der remissio animi ein. Vielmehr lässt sein anthropologischer Pessimismus ihn hinter jeder menschlichen Handlung eine böse Absicht und die Neigung zur Sünde vermuten,16 weshalb jede Aktivität außerhalb der Disziplinierangs- und Kontrollmöglichkeiten von Staat und Kirche für ihn potentiell eine Gefahrdung des Seelenheils darstellt. Dennoch ist Hurtados Position gegenüber der Zulässigkeit des Vergnügens keineswegs eindimensional: Während er die zeitgenössische Comedia aufgrund ihrer Unsittlichkeit als Sünde verurteilt, billigt er das Singen und Tanzen außerhalb des Theaters unter bestimmten Bedingungen. So erklärt er den Tanz in Adelshäusern zu einer angemessenen Unterhaltung (»oblectatio honesta«), die ehrenhaft ausgeübt werden kann. Gleichzeitig insistiert er aber darauf, dass die Frau sich wenn möglich dieses Vergnügens zu enthalten hat und nur am Tanz teilnehmen darf, um gesellschaftlichen Konventionen zu entsprechen, denn wer aus Eigenmotivation und Freude tanzt, - so Hurtados theologisch geprägte Sicht - sündigt aus Leidenschaft.17 Dies macht deutlich, dass Hurtado Ausgelassenheit und Freude kaum als anthropologische Bedürfnisse anerkennt, sondern seine Haltung vielmehr von der Rücksichtnahme auf die etablierten und domestizierten Lustbarkeiten der gesellschaftlichen Elite geprägt ist. Jede Art

tuung. Folglich beharrt das Tridentinum auf der Unterscheidung zwischen den das Gnadenleben zerstörenden peccata mortalia, die den Menschen zu >Feinden Gottes< (»Dei inimicos«, Tridentina Synodus: Cap. 5. »De confessione«) machen und den Tod der Seele zur Folge haben und den peccata venialia, die eine partielle Abwendung von Gott darstellen. Während die lässlichen Sünden in der Beichte nicht unbedingt angeführt werden müssen, verpflichtet das Konzil die Gläubigen, die Todsünden detailliert nach Art, Anzahl und Umstand zu beichten. Die Vorgabe, dass das Sündenbekenntnis mit Notwendigkeit nur die peccata mortalia erfassen muss, macht freilich eine genaue Distinktion und Klassifikation der verschiedenen Sünden sowohl für die Beichtväter als auch für die Büßer unerlässlich und wirft die Frage auf, was in concreto als Todsünde zu gelten hat. Hatte diese Bußpraxis einerseits einen geradezu inflationären Anstieg der als Todsünden gewerteten Sünden zur Folge, so wuchs unter den Theologen andererseits auch die Zuversicht, Todsünden und lässliche Sünden exakt voneinander unterscheiden zu können. Cf. Heinrich Denzinger: Enchiridion symbolorum definitorum de rebus fldei et morum, 16791693 und 1707, Kan. 7. Dorothea Sattler: »Bußsakrament. II. Historisch-theologisch«, in: LThK, Bd. 2 (1994), Sp. 846-851; Ulrich Kühn: »Bußsakrament. V. Im evangelischen Verständnis«, in: LThK, Bd. 2 (1994), Sp. 854. Helmut Weber: »Todsünde - lässliche Sünde. Zur Geschichte der Begriffe«, in: Trierer Theologische Zeitschrift 82 (1973), S. 93-119. Cf. auch supra: V, I, Anm. 37. 16 »Nihil enim est quo non abutatur hominum pravitas.« De spe, S. 1564b. 17 »Si vero commode potest, tenetur abstinere, si alius peccat ex passione: si autem ex malitia, & potest sine aliquo incommodo id vitare, tenetur: at vero non tenetur se privare oblectatione illa honesta, & communi alijs faeminis propter alius malitiam: aliquando vero tenetur propter passionem.« De spe, S. 1564.

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von unsittlichem Tanz - vor allem unter Unverheirateten und vor Publikum - verurteilt der Jesuit folglich als Todsünde, wobei er die Leidenschaftlichkeit und Dauer eines Tanzes als Indikatoren für dessen Sündhaftigkeit angibt. Ein noch ambivalenteres Urteil fallt Hurtado über den Stierkampf: So stellt die corrida seiner Ansicht nach nur für all jene eine Todsünde dar, die sich in Lebensgefahr begeben,18 was für die Zuschauer freilich nicht zutrifft. Mit dieser Begründung lehnt Hurtado auch das Zuschauen der Geistlichen bei Stierkämpfen - trotz des offiziellen kirchlichen Verbots nicht gänzlich ab: Er zitiert zwar die päpstlichen Bullen, die den Geistlichen den Besuch der corrida verbieten, billigt deren Zuschauen bei Stierkämpfen aber, solange sie dafür Sorge tragen, dass kein öffentliches Ärgernis entsteht.19 18 Wie bei Guzmán spiegelt Hurtados Beschreibung der tauri, die im Gegensatz zur Comedia »non sunt coniuncta turpitudini alicui«, seine Begeisterung für die Stierkämpfe, die seiner Ansicht nach trotz ihrer Gefahren »multam afferunt oblectationem« (S. 1581a). Um den Stierkampf insgesamt vom Verdikt der Sünde zu befreien, differenziert Hurtado zwischen den verschiedenen Akteuren der corrida: So begeht der peón eine Todsünde, da er dem Stier ohne Waffen und zu Fuß entgegentritt und sich so in Lebensgefahr begibt, der picador hingegen entgeht als gut ausgebildeter Reiter der Lebensgefahr und somit auch der Todsünde. Auch wenn mehrere mit Waffen ausgerüstete Männer gegen den Stier antreten, begehen sie aufgrund des geminderten Todesrisikos keine Sünde. Wie Guzmán schlägt Hurtado zudem vor, Sicherheitsvorkehrungen - wie das Stutzen der Horner und das Anbinden des Stiers - vorzunehmen, um einen gefahrenlosen Kampf zu garantieren. 19 Hurtados Bemühen, den Stierkampfbesuch der Geistlichen zu legitimieren, legt die kasuistische Argumentation der Jesuiten als Teil ihrer bisweilen doppelzüngigen Moral offen, die von den Gegnern des Ordens später auch als Jesuitenmoral verurteilt wurde: So legt Hurtado ausfuhrlich dar, dass das Sehen des Stierkampfes vom Kirchturm oder einem anderen Ort aus keine Sünde sei. Ebenso sei es den Geistlichen gestattet den Kampf heimlich - ohne Ordenstracht - zu besuchen, da sie dem kirchlich verbotenen Spiel auf diese Weise keine Autorität verleihen: »Item excipio eos, qui vident tauros in circo agitari, non tarnen publicè, sed per cancelos, & occulté: ita vt non videantur ab spectatoribus: Uli enim nullam dant authoritatem ludo, quem prohibuerunt Pontífices.« De spe, S. 1582a. Nachdem Hurtado mit spitzfindigen Argumenten eine Reihe von Möglichkeiten genannt hat, wie ein Geistlicher dem Stierkampfbeiwohnen kann, ohne sich zu versündigen, konstatiert er abschließend: »In his omnibus maximè curandum est, ne sit scandalum« (ebd.). Nach katholisch-moraltheologischer Auffassung besteht ein »scandalum« aber nur dann, wenn vermutlich Zeugen einer Sünde zur Sünde veranlasst werden. Otto Schilling: Handbuch der Moraltheologie, Bd. 3, S. 36. Da Hurtado ausführlich aufzeigt, wie der Geistliche die Entdeckung seiner Sünde vermeiden kann, wird deutlich, dass es ihm letztlich nicht auf dessen Sünde, sondern nur auf die, die er beim Nächsten provozieren könnte bzw. vor allem auf den Schaden ankommt, den der Geistliche dem Ansehen der Kirche zufügt, wenn sein Verhalten öffentlich wird. Der Augustiner Gaspar de Villarroel, der 1646 in seinem Govierno eclesiástico Hurtados Rigorismus gegenüber dem Theater bekämpft, leitet aus den Ausführungen des Jesuiten ab, dass auch der heimliche Theaterbesuch der Geistlichen keine Todsünde sein könne: »Asienta [i.e. Hurtado] por punto llano que pecan mortalmente los religiosos viendo los toros; y ensanchando después esta opinión, dice, que pueden verlos sin pecado cuando los ven dentro de una celosía y encubiertos, porque allí cesa el escándalo: luego podrá cesar el escándalo si ve la comedia el religioso encubierto y escondido.« Cotarelo: Bibliografía, S. 602. Durch eine Anekdote, in der Villarroel berichtet, wie erais junger Mönch einen heimlichen Theaterbesuch unternommen habe, der durch eine Reihe misslicher Umstände zu einem »largo encierro [...] sin fruto« wurde, entlarvt der Augustiner aber die Doppelmoral des Jesuiten und stellt das Bedürfnis des Verheimlichens letztlich als Ausdruck der Schuld heraus. Dass der heimliche Besuch von Stierkampf und Theater unter den Geistlichen durchaus üblich war, zeigt auch der Beschluss der Reformjunta von 1624, der die Revision der aposentos vorschreibt, falls die Prälaten ihrer Aufgabe, das Theater- und Stierkampfverbot durchzusetzen, nicht nachkämen, »[...] y si no lo hicieren [i.e. los Prelados] se encargue a un Alcalde reconzca los Aposentos y eche del a los Religiosos con la mayor cortesía y decencia que sea posible. Y también [se remedie] el acudiar a fiestas de toros«. Ángel González Palencia: »Quevedo, Tirso y las comedias ante la Junta de Reformación«, S. 77.

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Steht Hurtado hiermit im Gegensatz zu Mariana und Guzmán, die das Stierkampfverbot für Geistliche bestätigt hatten,20 so folgt er ihnen in der Ablehnung der volkstümlichen Riten, die corrida und Heiligenkult miteinander verbinden - und damit die grundlegende Trennung von weltzugewandter profaner und weitabgewandter theologischer Kultur aufzubrechen drohen. So versucht er zwar, die Ausübung aller profanen Vergnügungen einzuschränken, die Forderung eines absoluten Verbots formuliert er aber nur für die zeitgenössische Comedia, die mit ihrer positiven Darstellung der profanen Liebe und ihrer anthropozentrischen Weltsicht in ein ideologisches Konkurrenzverhältnis mit der klerikalen Kultur zu treten vermag.

3

Die Ablehnung der zeitgenössischen Comedia als opinio communis der Theologen

3.1

Die Vereinnahmung der Theaterbefürworter als Gegner der zeitgenössischen Comedia

Da die Akzeptanz der quaestio 168 im Siglo de Oro - vor allem für die Jesuiten, die der thomistischen Scholastik verpflichtet sind21 - eine opinio communis darstellt, wird die theoretische Legitimität des Theaters auch von den Theatergegnern weitgehend anerkannt. Gleichzeitig akzeptieren auch die Theaterverteidiger die Comedia nur unter dem Vorbehalt, dass sie den von Thomas von Aquin aufgestellten Bedingungen entspricht, und distanzieren sich explizit von unsittlichen, die Leidenschaften provozierenden Aufführungen. Hurtado macht sich diesen Umstand zunutze, indem er nicht nur - wie Pedro de Guzmán - versucht, die faktische Unzulässigkeit der zeitgenössischen Comedia vor dem Hintergrund ihrer theoretischen Zulässigkeit unter den von Thomas von Aquin geforderten Bedingungen aufzuzeigen, sondern auch den Theaterbefurwortern unterstellt, die zeitgenössische Comedia abzulehnen. Anders als Mariana und Guzmán lässt Hurtado die Verteidiger des zeitgenössischen Theaters folglich nicht unbenannt, sondern vereinnahmt ihre Thesen für seine Argumentation und stellt sie als Gegner der zeitgenössischen Comedia hin. So nennt er neben seinen Ordensbrüdern Francisco de Ribera, Juan de Mariana und Pedro de Guzmán, die ideologisch mit ihm auf einer Linie sind, auch den liberaler eingestellten Tomás Sánchez, ebenfalls Jesuit, den Franziskaner Francisco de Alcocer und den Augustiner Alonso de Mendoza, um die These der Unzulässigkeit der spanischen Comedia zu stützen.22 Zwar

20 Mariana und Guzmán hatten sich ebenfalls für die Duldung der Stierkämpfe bei Einführung entsprechender Sicherheitsmaßnahmen zur Abwendung der Todesgefahr ausgesprochen, den Stierkampfbesuch von Geistlichen aber auf der Grundlage der päpstlichen Bullen für unzulässig erklärt. Cf. supra. Luis del Campo weist darauf hin, dass der Stierkampfbesuch von Klerikern zwar als »causa criminal« galt, jedoch kaum strafrechtlich verfolgt wurde. La iglesia y los toros, S. 37. 21 So sah die Ratio Studiorum vor, dass nur Anhänger des heiligen Thomas von Aquin für einen Lehrstuhl berufen werden konnten: »Illud autem in primis meminerit, non esse ad Cathedras Theologicas promovendos, nisi qui erga S. Thomam bene affecti fuerint; qui vero ab eo alieni sunt, vel etiam ejus parum studiosi, a docendi muñere repellantur.« Ratio studiorum (1599): »Regulae Praepositi Provincialis, 9.§.2.«, S. 238. Auch den Professoris Scholasticae Theologiae wurde vorgeschrieben, der Lehre des Thomas von Aquin zu folgen: »Sequantur nostri omnino in scholastica Theologia doctrinam S. Thomae eumque ut Doctorem proprium habeant ponantque in eo omnem operam, ut auditores erga illum quam optime afficiantur« (S. 300). 22 Tomás Sánchez befasst sich in der Dispvtationvm de sancto matrimonii sacramento (1599) mit dem Theater, das er nur unter dem Umstand einer unsittlichen Handlung als Todsünde ablehnt. Cotarelo: Bi-

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erwähnt Hurtado auch die Theatergegner mehrfach zur Bestätigung seiner Argumentation und stellt sich mit der Nennung von vier jesuitischen Theaterkritikern in die Tradition seines Ordens, macht aber den augustinischen Theaterverteidiger Alonso de Mendoza - taktisch geschickt - zu seinem Hauptgewährsmann, indem er immer wieder darauf insistiert, dass die Umstände, unter denen Mendoza angibt, das Theater und dessen Beteiligte zu verurteilen, in der gegenwärtigen Comedia umgesetzt seien.23

3.2

Rekurs auf die Kirchenväter: die Gleichsetzung von antikem und zeitgenössischem Theater

Entsprechend seines in erster Linie an die Ratio appellierenden Argumentationsstils widmet Hurtado den Zitaten der Kirchenväter, die er als Autoritäten einführt, »qui non possint nisi ab insano contemni« (1567a), ein verhältnismäßig kurzes Kapitel, in dem er auf Laktanz, Isidor, Chrysostomus und Augustin rekurriert. So erwähnt er die Verurteilung der Idolatrie, den Vorwurf der Unsittlichkeit sowie die Bezeichnung der Schauspieler als »meretrices« und »iuvenes corruptos« und zitiert Augustin, der die Schauspielkunst als überflüssig und ehrlos verurteilt und das Beschenken der Bühnendarsteller zur Sünde erklärt. Auch hier widmet er sich ausführlich der Argumentation der Theaterbefurworter, die, um dem »fere vniverso Patrum exercitufi]« zu entgehen, behaupten, dass sich die zeitgenössische Comedia vom antiken Drama hinsichtlich der früheren Nacktheit der Schauspielerinnen unterscheidet.24 Hurtado erkennt die Unterschiedlichkeit von antikem und zeitgenössischem Theater nicht an, wofür ihm die Urteile von Chrysostomus und Augustin als Beweis gelten: So verurteile Chrysostomus nicht nur die Nacktheit der Schauspielerinnen, sondern auch deren lasziv-erotische Bekleidung sowie ihren süßen Gesang. Auch Augustin tadele weder die - zu seiner Zeit bereits abgeschaffte - Nacktheit noch die - ebenso verbotene - obscenitas verborum, sondern die Unsittlichkeit der Darstellung. Daraus folgert Hurtado: »nec quis populo imponat novos histriones absimiles esse ä veteribus« und appliziert damit die Urteibliografia, S. 535. Auch Alcocer erklärt die Comedia in seinem Tratado del luego (1559) nur zur Todsünde, wenn sie die Wollust der Zuschauer provoziert. Bibliografia, S. 54f. Zu Alcocers Traktat cf. auch Christoph Strosetzki: »Arbeit, Muße und Gewinn: zur Kasuistik des Spiels im spanischen Siglo de Oro«. Alonso de Mendoza, der in den Quaestiones quodlibeticae (1588) ebenfalls die Frage stellt, »Utrum commoediae, caeterique ludi scenici licite foeminarum ministerio apud Christianos gerantur«, erklärt die zeitgenössische Comedia für zulässig, wobei auch er unsittliche Aufführungen als Todsünden verurteilt. Bibliografia, S. 466f. Cf. auch supra: V, I, Anm. 24. 23 So konstatiert Hurtado, nachdem er Mendoza, quaest. 9, zitiert hat: »Haec ille, qui ne videretur damnare Hispanos histriones, dixit eos, vt sunt in Hispania non esse per se in peccato mortali: ego probo ab eo censeri eos esse in tali peccato: quia constai ex eius verbis eos esse in tali peccato, quando sunt periculo nocumenti: ipse autem censet eos abigendos è regno propter creberrima, & ingentissima mala illos in sequentia, [...].« De spe, S. 1566b. Nachdem er eine weitere Passage des Augustiners zitiert hat, unterstreicht er erneut: »Vnde liquido constat ab hoc authore existiman histriones, etiam vt in Hispania sunt esse in peccato mortali.« Diese Strategie wird 1666 vom Consejo de Castilla, dessen Berater sich bei der Befragung durch Mariana de Austria zur Wiedereröffnung der Theater nach dem Tod Philipps IV. in zwei Lager teilen, von den Theatergegnern übernommen, die konstatieren, »que de teólogos españoles que pueden hacerla [sc. opinión] y hayan escrito disputando lo que son materias indiferentes sólo se conoce fray Alonso de Mendoza, catedrático de Vísperas de Salamanca, que todavía concluyó con una exclamación notable para que se prohibiesen [...].« Cotarelo: Bibliografia, S. 178. 24 »Multi ne videant aperto Marte pugnare cum fere vniverso Patrum exercitu, eorum ictus sub testudine fiigiunt, subtexentes non esse nunc comoediam antiquae similem: olim enim dabant se faeminae publico theatro toto corpore nudas, rebellatis etiam partibus, quas ficuum solijs voluit Deus esse vellatas Ínter solos dúos coniuges quos tune terra ferebat.« De spe, S. 1567b.

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le von Augustin, Chrysostomus »& alijs Patribus« auch auf die zeitgenössische Comedia (S. 1568a).

4

Die Missbilligung der Ausführenden

4.1

Die Schauspieler: Sklaven ihrer Triebe und Todsönder

Zwar betont Hurtado, den Schauspielberuf nicht zu verurteilen, wenn seine weiblichen und männlichen Vertreter getrennt leben und sich sowohl der Darstellung unsittlicher Sujets als auch einer anstößigen Auffiihrungspraxis enthalten,25 bezichtigt aber die Bühnendarsteller der Todsünde, die einer Schauspieltruppe angehören und »fabulas amatorias« auffuhren (1565b). Aus seiner Sicht entscheiden sich die zeitgenössischen Schauspieler, die problemlos einen anderen Beruf wählen könnten, deshalb freiwillig für ein Leben in Sünde. Hurtado fügt den von Mariana und Guzmän angeführten Argumenten im Grunde keine wesentlich neuen hinzu, sondern insistiert ebenfalls auf der Geldgier der Schauspieler, die den Beginn der Auffuhrung absichtlich verzögern, um ein größeres Auditorium und damit einen höheren Gewinn zu erzielen (S. 1576f.), berichtet von - durch die Ehemänner geduldeten und aus monetären Gründen forcierten - Affaren zwischen Schauspielerinnen und »viros nobiles, & Principes«26 und verurteilt das Auftreten der schönen, redenden, scherzenden und musizierenden Schauspielerin auf der Bühne. Auch spricht er den Schauspielern jegliche Art von Gottesfurcht ab und weist Zügellosigkeit und Wollust als ihre signifikantesten Charakterzüge aus.27 Wie seine Vorgänger schließt er dabei von der Unsittlichkeit der Darstellung auf die unmoralische Lebensweise der Schauspieler, die es ihnen aufgrund ihrer Unfähigkeit, ihre Triebe zu bändigen und der Begierde zu widerstehen, unmöglich mache, nicht in Sünde zu fallen.28 Hierbei wird er allerdings um einiges konkreter als Mariana und Guzmän: So überträgt er die seit den Kirchenvätern übliche Projektion des theatralischen Rollenspiels auf das Privatleben der Schauspieler auf die Ebene des Schlaflagers: »quid facient, nisi serio in cubili, quod in theatro per iocum?« (S. 1586) Neben dem »mutuo contubernio« der männlichen und weiblichen Bühnendarsteller betont der Jesuit, dass die Schauspieler sich - um das Bühnengeschehen nicht zu verzögern - gegenseitig beim An- und Auskleiden helfen, was sie so habitualisiert haben, dass sie es auch außerhalb 25 »Vivant histriones saeparati à foeminis, sine periculo cum illis peccandi: agant fabulas nec turpes, nec turpiter: quos ego non damnabo peccati.« De spe, S. 1572a. 26 De spe, S. 1569a. Die Erwähnung der »Principes« mag eine Anspielung auf Philipp IV. sein, der ein Verhältnis mit der Schauspielerin Maria Calderón hatte, aus dem 1629 Juan de Austria hervorgegangen war. Von der Liebschaft des Monarchen mit der Schauspielerin zeugt auch ein zeitgenössisches Spottgedicht: »Un Frayle, y una Corona,/ Un Duque, y un Cartelista/ Anduvieron en la lista/ De la bella Calderona«. Zitiert nach Casiano Pellicer: Tratado histórico, T. 2, S. 91. Pellicer nennt als Verfasser den Gegner des von Philipp IV. anerkannten und politisch aktiven Juan de Austria, Alonso Enriquez de Cabrera. Armona schreibt die Verse jedoch dem jesuitischen Juan de Austria-Gegner Juan Cortés Ossorio zu, der auch in die licitud-Débatte eingreift (cf. infra). Bartolomé José Gallardo: Ensayo de una Biblioteca Española de libros raros y curiosos, T. 2 ( 1866), Sp. 600. 27 »Cum igitur actiones illae sint tàm vehementes ad libidinem, tàm frequentes, ínter personas, tàm alienas à timore Dei: quid suspicamur inter illos esse posse nisi omnem libidinem?« De spe, S. 1569a. 28 Ausgehend von dem Diktum der Kirchenlehrer, dass das freundschaftliche Zusammenleben von Mann und Frau ohne Sünde kaum möglich sei, konstatiert er: »Nec enim illae tanta sunt pudicitia, aut gravitate, vt non possit eius familiaris illam aggredì, & oprimere sexcentis quotidie occasionibus, neque virtante est authoritate, vt ad vitandam suam infamiam sit libidinem cohibiturus, nec talis est, vt enim non possit impetere mulier.« De spe, S. 1568b.

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des Theaters praktizieren. Laut Hurtado, der sich auf persönliche Berichte von Schauspielern beruft, teilen sie sich aber nicht nur die Umkleide und haben während ihrer gemeinsamen Reisen allerlei Gelegenheit zu promiskuitiven Begegnungen, sondern teilen auch Schlafzimmer und Betten, wobei die Männer durch das Auswendiglernen der Texte - »diu & nocte meditantes amores« (1568a) - ständig zur Liebe bereit, die Frauen, die ihnen jederzeit das Beilager gewähren, stets unsittlich und zumeist als Prostituierte tätig sind.29 Auch hier lässt Hurtado die Andeutungen seiner Vorgänger konkret werden, indem er berichtet, dass »mulieres istas taxasse venerem centum argenteis: quibus ablatis se cuique dedebant« und die abfällig als »mulierculis« bezeichneten Schauspielerinnen ausfuhrlich zu käuflichen bzw. zu zur Vermietung ausgeschriebenen Objekten degradiert.30 Neben den Schauspielern selbst nennt er >die Erfahrung< als Bestätigung seiner Ausführungen,31 ohne seine Quelle aber - etwa durch das Hören solcher Geschichten im Beichtstuhl - zu konkretisieren. Bezüglich der Promiskuität der Bühnendarsteller beruft er sich zudem auf einen befreundeten Priester, der beim zufalligen Zusammentreffen mit einer Schauspieltruppe von einem Schauspieler erfahren habe, dass der Partnertausch nicht nur unter den unverheirateten, sondern auch unter den verheirateten Mitgliedern der Truppe üblich sei. Hurtado berichtet dies - rhetorisch geschickt - aus der Perspektive des Schauspielers, der dem Priester erklärt: »O bone pater tertia quoque nocte mutantur frena« (S. 1569a) und die Umgangsform der Schauspieler scherzhaft mit dem irrtümlichen Vertauschen der Zügel bei einer Herde Maulesel vergleicht.32 Durch das direkte Zitat steigert Hurtado zum einen die Authentizität der Darstellung und legt zum anderen die Degradierung der Schauspieltruppe auf die Ebene einer Herde triebgesteuerter Tiere taktisch geschickt den Schauspielern selbst in den Mund, die er - bei dieser Metapher bleibend - folglich auch als »Sathanici greges« (1578b) bezeichnet.

29 »Antecedens probo: quia vivunt mixti homines atque mulieres: homines quidem iuvenes, effrenes, diu & nocte meditantes amores, commendantes memoriae carmina amatoria. Faeminae autem semper, aut fere semper impudicae. Contubernium liberum quin faeminae sint in diversis cubilibus separatae: quas viri frequenter vident vestiri, nudari, comi: iam in lecto, iam seminudas: semper colloquentes lasciva. Mariti viles, quos ñeque vxores verentur, neque timent amasij. Faeminae frequenter meretrices, deditae quaestui: in scaenis autem saepè concurrunt & homo nudat faeminam, eamque vestit, vt sine mora suscipiat diversas in fabula personas. Quid plura? iuvenis non solum in scaena; sed iuxta lectum faeminae calceorum stringit ligulas, & vincit suras alta ligamine serico: cuius testes sunt histrionum sequaces, à quibus ego id audio. In theatro referunt eorum de quibus est fabula, amores, qui dicti inter virum, & faeminam sunt iacula ignea, se in eodem theatro amplexantur, manus prensant, osculantur, atque contrectant, per signant locum & tempus secreto colloquio, hi quid facient, nisi serio in cubili, quod in theatro per iocum?« De spe, S. 1568a/b. 30 »Non ne hae mulieris moraliter peccant cum hanc ineunt artem: qua quasi syngrapham intergore gestant se omnibus esse expósitas, non secus ac locandis domibus papyrus insigitur ad locatores monendos.« De spe, S. 1569a. 31 »Haec omnia confirmât experientia: [...]« und »[...] quae cognovi in hâc vrbe saepè contingere«. De spe, S. 1569. 32 »Alludens errori agentium iter, quando enim bestiae sunt multae, saepè per errorem huic mulae inijcitur alius frenum: sic dixit facetus histrio suos socios de industria commutatis vxoribus, vt frequenter alienis.« De spe, S. 1569a. Der Maulesel galt im 17. Jahrhundert als Sinnbild der Promiskuität. So leitet Covarrubias die Etymologie des Wortes »burdel« von lateinisch »burdus« ab, »que vale mulo, el cual es engendrado de padres de diferentes especies, conviene a saber del caballo y de la borrica o asna. Y porque los ayuntamientos que en tal lugar se hacen son ilegítimos se llamó burdel.« S.v. »burdel« im Tesoro de la lengua castellana o española.

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S o insistiert Hurtado weitaus konkreter als seine Vorgänger auf der aus den Lebens- und Arbeitsbedingungen resultierenden Unmoral der spanischen Akteure, denen er die Übertretung jeglicher sexueller Tabus unterstellt, w o b e i seine Ausfuhrungen Reales und Anekdotisches, professionelles Auftreten und Alltagsverhalten der Schauspieler undifferenziert vermischen - in der Theatergesetzgebung, die die Einwände der Moralisten offenbar nicht gänzlich ignorieren konnte, jedoch nicht ohne Wirkung bleiben. 3 3 Durch den Hinweis auf die Promiskuität auch der verheirateten Schauspieler hebelt er zudem die potentielle Argumentation der Theaterbefurworter mit dem seit 1587 vorgeschriebene Heiratsgebot der Bühnendarsteller aus und spielt en passant auf die Wirkungslosigkeit der Theatergesetzgebung an. 34 D a Hurtado es als Theologe als seine Aufgabe betrachtet, über den Sündenstatus der Schauspieler zu entscheiden, leitet er aus den berichteten Einzelfallen die Gefahr des Bühnenwesens ab (S. 1569b) und schließt daraus wiederum, dass die Kunst, »quae täm multorum est criminum officina« (S. 1571b), nicht ohne Todsünde ausgeübt werden könne. Ein weiterer Grund, dass die Akteure in Todsünde leben, ist für Hurtado ihre Schuld an der Versündigung der Zuschauer, deren Seelenheil sie sowohl durch ihre Auffuhrungen als auch durch ihre bloße Gegenwart gefährden. Folglich negiert er den Schauspielern als ö f fentlichen Sündern auch die Teilnahme an den Sakramenten der Kirche. 3 5

33 So erlaubt der Consejo de Castilla nach der Aufhebung der Aufführungen anlässlich des Todes der Königin Isabel die Wiedereröffnung der Theater 1644 nur unter einer Reihe von Bedingungen und fordert u.a. die totale Observation der Schauspieler auch außerhalb des Theaters: »X. [...] que las justicias contuviesen los desordenes de los Representantes, visitando sus casas, rondando sus calles, y procurando desterrar de ellas la gente ociosa que las freqüenta, no con poco escandalo de la Corte.« Casiano Pellicer: Tratado histórico, T.l, S. 220. 34 Oehrlein bemerkt, dass in den Listen der Schauspieltruppen aus dem 17. Jahrhundert immer wieder einzelne Schauspielerinnen als »solteras« gekennzeichnet sind, was darauf schließen lässt, dass die Theatergesetzgebung nicht durchgehend beachtet bzw. die schauspielerische Qualität einzelner Schauspielerinnen bisweilen über die moralischen Bedenken gestellt wurde. Der Schauspieler im spanischen Theater des Siglo de Oro, S. 152. 35 So richtet er einen indirekten Appell an die Prälaten: »Item daturi sunt operam Praelati, vt histriones nisi deserant artem scenicam priventur Christi corpore more publici peccatoris.« De spe, S. 1579a. Zwar ist die Absicht, die Schauspieler aus der kirchlichen Gemeinschaft auszuschließen, nicht neu, sondern findet sich schon bei Mariana und stellt einen Widerhall der Doktrin der alten Kirche dar, die alle Berufe und Gewerbe, deren Tätigkeit mit der Ausübung des heidnischen Kults zusammenhing, zur Sünde deklarierte, und so auch die Schauspieler vom Katechumenat ausschloss. Die Verurteilung der Schauspieler gewinnt jedoch im Laufe der Debatte an Schärfe, so dass die Gründung der Cofradía de la Novena auch eine Reaktion auf die fortdauernden Angriffe der Theatergegner darstellt. Der 1634 vom Kardinal von Toledo anerkannte Zusammenschluss der Schauspieler sollte deren Akzeptanz als vollgültige Mitglieder der kirchlichen Gemeinschaft garantieren. So stellte sich die Cofradía durch die aktive Beteiligung am Marienkult demonstrativ in den Dienst der katholischen Kirche. Ihre Satzung, der die ausdrückliche Selbstverpflichtung der Schauspieler zum katholischen Glauben vorangestellt ist, enthält u.a. eine minutiöse Regelung der Bestattung der Schauspieler, was ebenfalls als eine Reaktion auf die Forderungen der Theatergegner zu sehen ist, ihnen ein Begräbnis nach kirchlichem Ritus zu verweigern (cf. Mariana). Andererseits bezeugt die offizielle kirchliche Anerkennung der Cofradía, dass die Kirche als Institution sich dem Urteil der rigoristischen Theatergegner nicht anschloss. Zu Gründung und Funktion der Cofradía de la Novena cf. Joseph Oehrlein Der Schauspieler im spanischen Theater des Siglo de Oro und Norman D. Shergold: A history of the spanish stage, S. 523f.

Pedro Puente Hurtado de Mendoza: De spe et charitate

4.2

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Die Autoren: Urheber und Propagandisten der fleischlichen Sünden

W i e Guzmän verurteilt Hurtado auch die Autoren der Theaterstücke, wobei er sich ebenfalls auf Francisco de Ribera beruft, der die Verbannung von jeder Art von Liebesromanen - konkret nennt Hurtado Diana und Arcadia36 - gefordert hatte. Vor dem Hintergrand, dass Ovid w e g e n seiner Ars amatoria von einem heidnischen Kaiser verbannt worden sei, fasst Hurtado die Veröffentlichung von »obscaenissimos libros« durch die Christen als Schande auf, wobei er die solche Bücher verfassenden Priester besonders hervorhebt, um dann zu konstatieren: »Mille Comaedias fertur composuisse vnus, & viginti earum volumina evulgasse, quibus plura peccata invexit in orbem quam mille doemones« (S. 1572b). A u c h diese recht eindeutige Anspielung auf Lope de V e g a bleibt in der Theatergesetzgebung nicht unerhört 37 und findet darüber hinaus ein breites Echo im weiteren Verlauf der Debatte. 3 8 36 Da Ribera sein Werk bereits 1587 veröffentlicht, muss der 1504 erschienene Roman Arcadia des Italieners Iacopo Sannazaro gemeint sein, der als erster neuzeitlicher Schäferroman die Bukolik weit über Italien hinaus inspirierte. In Spanien wurde der Arkadien-Stoff 1559 von Jorge de Montemayor aufgenommen, der mit den Siete libros de la Diana einen beispiellosen Erfolg erzielte (so erlebte das Werk etwa 25 Ausgaben in vierzig Jahren und vielfältige Fortsetzungen und Nachahmungen) und in Spanien eine literarische Modeströmung auslöste, die u.a. auch in die Arcadia (1598) von Lope de Vega mündete. Cf. Hubert Kilgenstein: »Iacopo Sannazaro. Arcadia«, in: KNLL, Bd. 14 (1998), S. 725-727. Egbert Faas: »Lope de Vega. Arcadia«, in: KNLL, Bd 17 (1998), S. lOf. Susanne Bacher et al.: »Jorge de Montemayor. Los siete libros de la Diana«, in: KNLL, Bd. 11 (1998), S. 897. So musste gerade die große Anzahl dieser vielgelesenen Romane, deren Liebeshandlung den Repräsentanten der religiösen Kultur ohnehin als verwerflich galt, für die bisher allein sinngebenden und weltdeutenden Theologen eine Konkurrenz darstellen, die sie nicht tatenlos hinnehmen konnten. 37 So weist die Kommission zur Erstellung des Indexes verbotener Bücher 1632 ebenfalls auf die »indecencia que tiene el componer sacerdotes o religosos semejantes comedias« hin. Virgilio Pinto: »Pensamiento, vida intelectual y censura en la España de los siglos XVI y XVII«, in: Edad de Oro 8 (1989), S. 181-192, hier S. 192. Vor allem aber fordern die Bestimmungen des Kastilienrats von 1644: »II. Que las Comedias se reduxesen á materias de buen exemplo, formándose de vidas y muertes exemplares, de hazañas valerosas, de gobiernos políticos, y que todo esto fuese sin mezcla de amores: que para conseguirlo se prohibiesen casi todas las que hasta entonces se habían representado, especialmente los Libros de Lope de Vega, que tanto daño habían hecho en las costumbres.« Bereits Casiano Pellicer kommentiert diese Verordnung mit der - durchaus richtigen - Einschätzung: »[...] y con las mismas [sc. estas leyes] se cortaban las alas á los ingenios.« Tratado histórico, T. 1, S. 217f. Der Neuigkeitswert dieser Bestimmungen wird von José de Pellicer bezeugt, der die Verfugungen ebenfalls kurz zusammenfasst und bemerkt, dass sie zum Stadtgespräch wurden: »En lo que más ahora se habla en Madrid es en las leyes que se han puesto a comedias y a comediantes.« Avisos históricos, S. 219f. 38 Hurtado hat die zitierte Passage laut Cotarelo ebenfalls von Francisco de Ribera übernommen (Bibliografía, S. 364), wird aber im Verlauf der Debatte offensichtlich als deren Urherber betrachtet. So schreibt Villarroel in seinem Govierno eclesiástico pacifico y vnion de los dos cvchillos pontificio y regio [...] 1656 zur Verteidigung von Lope de Vega, dessen Priesterstatus er hervorhebt: »Los que escriben comedias, si no son torpes y deshonestas, y no tienen intención sino de entretener y granjear, valiéndose de su talento para comer, no pecan mortalmente en componerlas. Ansí lo entendería el Padre Pedro Hurtado en el lugar referido, que lo demás fuera condenar á bulto y poner á Lope de Vega en el infierno, habiendo vivido tan reformado en sus postreros años, ordenándose de sacerdote y dado á Dios lo asentado y sesudo de su edad. Hizo sus comedias á vista del arzobispo de Toledo, cuya oveja era, á ojos de los nuncios de su Santidad, y no es de persuadir que personas tan santas, ni el Consejo Supremo de Castilla dejaron ensordecer un clérigo en un pecado tan público.« Bibliografiá, S. 600. Die von Ribera bzw. Hurtado initiierte Verurteilung Lope de Vegas wird im Laufe der Debatte konkreter. So berichtet Antonio de Lorea in der Biographie des bekannten Erzbischofs von Sevilla, Fray Diego de Tapia (O.P.), dass dieser oftmals gesagt habe, »que había hecho Lope de Vega más mal con sus comedias en España, que Lutero con sus herejías en Alemania.« Bibliografia, S. 417 und S. 563-566. Dabei findet

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Aus drei Gründen ist die Sünde der Autoren, deren Straflosigkeit Hurtado moniert, aus seiner Sicht noch schwerwiegender als die der Schauspieler: Als Urheber der sittenverderbenden Theaterstücke tragen sie nicht nur die Schuld an der Versündigung der Zuschauer, sondern verschulden auch die unsittliche Lebensweise der Schauspieler.39 Zudem sind sie auch für die Sünden verantwortlich, die außerhalb des Theaters durch die Lektüre ihrer Bücher entstehen,40 wobei Hurtado die Comedia durch die fiktive Darstellung der Liebeshandlung als gefahrlicher beurteilt als Ovids - bloß theoretische - Ausfuhrungen in der Ars . 41 amatoria.

Hurtados Diktum sogar ein Echo bis ins 19. Jahrhundert. So konstatiert der spätere Erzbischof von Valencia Simón López in seinem Werk Viva Jesus Amen. Pantoja ó resolución histórica teologica de un caso practico de Moral sobre Comedias [...] 1814: »Todo esto lo que prueba es, que Lope de Vega con su ingenio y poesías desmoralizó a España y la corrompió, y filé causa de que la pasión á los teatros y su veneno se haya difundido furiosamente en toda la Europa y haya hecho más daño en la moral que Lutero y Calvino.« Bibliografía, S. 400. Ähnliche Strategien zur Verketzerung des Theaters sind allerdings auch in anderen Ländern und unter anderen religiösen Vorzeichen zu finden. So wird in dem George Ridpath zugeschriebenen Werk The Stage Condemn'd (1698) berichtet, dass Samuel Wesley predigte: »[...] our infamous theaters seem to have done more mischief than Hobbs himself, or our new Atheistical Clubs to the faith and moráis of the nation.« Zitiert nach Joseph Wood Krutch: Comedy and Conscience after the Restoration, S. 94. 39 »Deinde peccata quae histriones committunt mutuo contubernio, adscribuntur etiam Authoribus Comoediaram: ob quas discendas, & agendas histriones tám obscaené vivunt.« De spe, S. 1572b. 40 Auch die Hervorhebung der Gefahr der Lektüre, die schon Francisco de Ribera und Pedro de Guzmán betont hatten, bleibt nicht ohne Wirkung. So ergänzt die Kommission zur Erstellung des Indexes verbotener Bücher von 1632 das bereits bestehende Druckverbot für profane Theaterstücke, indem sie fordert, »que las comedias ya impresas, cuyo principal argumento y materia son las cosas de amores y enredos lascivos, por lo que tienen de enseñanza y peligro de corrupción en las buenas costumbres, se prohiban«. Der Beschluss wird begründet mit der breiteren Wirkung des Buches gegenüber der Auffuhrung, wobei sich die Kommission eine Rückwirkung auf die zeitgenössischen Aufführungen - und damit die Selbstzensur der Autoren - erhofft: »Y aún hace más daño un libro de estos por la frecuencia con que se lee, que la representación misma de las comedias, que ni a todos tiempos, ni a todas personas es cómodo el verlos. Y cuando con la prohibición de estos libros se pusiera moderación en las comedias, se hiciera un gran servicio a Dios, reduciéndolas a que no fuesen de semejantes materias y exprofeso y principalmente tratan de amores y enredos lascivos.« Virgilio Pinto: »Pensamiento, vida intelectual y censura en la España de los siglos XVI y XVII«, S. 192. Der Index von 1640 formuliert allgemeiner: »Prohibense asimsimo los libros que tratan, cuentan y enseñan cosas de propósito lascivas, de amores u otras cualesquiera, como dañosas a las buenas costumbres de la Iglesia Cristiana, aunque no se mezclen en ellos herejías y errores en la Fe«. Miguel Jiménez Monteserín: Introducción a la Inquisición Española. Documentos básicos para el estudio del Santo Oficio. Madrid: Editora Nacional 1980 (Biblioteca de visionarios, heterodoxos y marginados), S. 586. 41 »Ovidius speculativé tantum docuit amores: hi autem libri pracitcé, inducentes pellicem & amasium, quorum verba vrunt acriüs.« De spe, S. 1572b. Hurtado überträgt hier die theologische Unterscheidung zwischen spekulativer und praktischer Erkenntnis auf die profane Literatur, was erneut aufzeigt, dass er ausschließlich in theologischen Kategorien denkt und die Theologie als übergreifenden Beurteilungsmaßstab auf alle Bereiche des Lebens zu applizieren versucht. Vergleicht man zudem die praktischen Handlungsanweisungen und Eroberungsstrategien in Ovids Ars amatoria mit den platonischen Liebesdialogen der Theaterstücke des Siglo de Oro, so wird die Abwegigkeit von Hurtados von theoretischer Warte aus vorgebrachter Bemerkung augenfällig.

Pedro Puerile Huriado de Mendoza: De spe et charitate

5 5.1

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Die Verurteilung der Institution Das Theater als Agitationszentrum der menschlichen Leidenschaften

Zwar schickt Hurtado seiner Abhandlung die Bemerkung voraus, dass die Schauspielkunst auf ehrenhafte Weise ausgeübt werden kann: »Quando honestae puellae fabulam agunt non inhonestam, neque inhoneste. Vel adolescentes agunt comoediam aliquam, aut tragaediam minime turpem« (S. 1565b).

Zwei Dinge machen die secundum se zulässigen Auffuhrungen in der Praxis aber unzulässig: »primum est actionum turpitudo [...]: secundum est laus hominum turpium, quorum facta in suis amoribus efferunt in coelum: quibus auditores animi aequiores redduntur ad simila« (S. 1566a).

Auch fiir Hurtado liegt die Sündhaftigkeit des Theaters also in der Darstellung der Leidenschaften, wobei er die Gefahr der Comedia vor allem auf die Identifikation des Rezipienten mit dem Bühnengeschehen zurückführt, deren psychologische Grundlage - die aequitas animi von Zuschauern und dramatis personae - er durchschaut. Dabei beschreibt er die Einfühlung des Zuschauers in die Rolle des Protagonisten mit Blick auf die provozierten Affekte überaus detailliert42 und folgert, dass der positive Ausgang der dargestellten Liebesverwicklungen den Zuschauer in dem Wunsch bestärkt, das Gesehene selbst zu erleben.43 Wie Mariana und Guzmän konkretisiert Hurtado die »longas ambages«, die Verwirrungen und Verwicklungen der Cow«//a-Handlung aber nicht, sondern insistiert unermüdlich darauf, dass die attraktive Bühnenhandlung den Verstand des von Natur aus abwehrschwachen Zuschauers ausschaltet, ihn mit seiner körperlichen Existenz konfrontiert und zum Nachvollzug des Gesehenen animiert. So werden die Theaterzuschauer aus Hurtados Sicht zu Ehebruch, Promiskuität und jeglicher Art von Liebesabenteuern disponiert: Die Männer lernen die Kunst des >Erobernsflachzulegenden< Frauen: »sternitur via ad sternendas Principes faeminas: cum enim in theatris videant Imperatrices, Reginas, Infantissas, idque genus alias faeminas expugnatas, iam à Principe, iam ä Pastore, iam ab aulico censent esse possibile, vt ipsae quoque possint oppugnati: nec censent à sua dignitate alienum, quod Imperatricibus vident cum laude contigisse.« De spe, S. 1571a. Hurtados Sorge um die adelige Frau kann als Hinweis auf die zunehmende Bedeutung des Hoftheaters gelesen werden, das sich Mitte des 17. Jahrhunderts allmählich vom Comj/-Theater löste und zum Zentrum der dramatischen Aktivität wurde, wodurch es vermehrt ins Blickfeld der Theaterkritiker rückte.

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Wie seine Vorgänger hebt Hurtado weiterhin die Obszönität der Körperinszenierungen, Gesänge und Tänze hervor, deren Unsittlichkeit er besonders herausstellt, indem er die von der Mehrheit der Theaterkritiker - so auch von Mariana und Guzmän - verurteilte zarabanda und die ebenfalls bekannte chacona als »honesta« bzw. »modestissima« von den nun üblichen Tänzen hoyuelo, rastreado, guineo und capona absetzt. 45 Auch hier neigt der Jesuit zu sexualfeindlichen Übertreibungen, um das Theater als pornographische Einrichtung auszuweisen: »Quid turpiüs illa saltatione quam appellant hoyuelo, in qua non tarn homines videas saltare, quam in lecto commisceri« (S. 1570b). Während der Vergleich mit anderen Nationen bei Mariana, der zur Durchsetzung des Theaterverbots versucht hatte, den Monarchen zu beunruhigen und psychologisch unter Druck zu setzen, stets zu Ungunsten Spaniens ausfallt, gibt der aus rein theologischer Perspektive argumentierende Hurtado an, die Beschreibung der ausländischen Tänze aufgrund ihrer noch größeren Unsittlichkeit auszulassen. D i e Theaterauffiihrungen, die in Hurtados Augen eine widerwärtige Unterwelt Andersgläubiger und Krimineller versammeln, begünstigen darüber hinaus alle Arten von Vergehen und Straftaten. So bietet die Ablenkung der Zuschauer durch das Bühnengeschehen nicht nur Gelegenheit für Diebstahl und Raub, sondern die Aufführungen provozieren auch blutige Konflikte, wobei die durch die Comedia hervorgerufenen passiones - so vor allem die geschlechtliche Begierde und deren Folgen - aus der Sicht des Jesuiten wiederum den Hauptanlass der kämpferischen Auseinandersetzungen bilden. 46 A u f den Einwand, dass die 45 Hurtado beruft sich hierbei auf Berichte der Theaterbesucher. Die namentliche Aufzählung dieser Tänze ist eine Neuheit innerhalb der Debatte. Bei Covarrubias ist - neben der zarabanda (cf. supra: V, I, Anm. 108) - nur der guineo aufgeführt, der als »danza de movimientos prestos y apresurados« charakterisiert wird. S.v. »guineo«: Tesoro de la lengua castellana. Der Diccionario de Autoridades fügt den von Covarrubias beschriebenen schnellen Bewegungen des guineo »gestos ridículos y poco decentes« hinzu. Hier findet auch die capona als schneller von Gesängen begleiteter Tanz Erwähnung. Die chacona wird als »son, ö tañido, que se toca en varios instrumentos, al cual se baila una danza de cuenta con las castañetas, mui airosa y vistosa« beschrieben. S.v. »guineo«, »capona« und »chacona« im Diccionario de Autoridades. Die Tänze hoyuelo und rastreado sind in beiden Lexika nicht aufgeführt. Fernández-Rufete zählt zu den typischen Elementen der chacona die »realización de movimientos violentos y extremos, con notable presencia de ciertos saltos, cabriolas y quizá zapateados«. Die choreographischen Elemente gehören zu den am wenigsten erforschten Bereichen des Theaters des Siglo de Oro. So beruht ihre Rekonstruktion großenteils auf Hypothesen, da höchstens einzelne Tanzfiguren, nicht aber ganze Bewegungsabläufe überliefert sind. Die wenigen zeitgenössischen Traktate über den Tanz konzentrieren sich auf die Beschreibung höfischer Tänze, die meisten in den corrales aufgeführten Tänze waren aber ursprünglich Volkstänze, die auf der Bühne freilich weiterentwickelt wurden. Cf. Carmelo Caballero Fernández-Rufete: »La Música en el Teatro Clásico«, in: Javier Huerta Calvo (Hg.), Historia del teatro español, T. 1, S. 677-715. Die umfassendste Auflistung der Theatertänze des Siglo de Oro ist wohl immer noch in der Colección de entremeses, loas, bailes, jácraras y mojigangas desde fines del siglo XVI á mediados del XVIII. (T. 1, »9. Danzas y Bailes mencionados en los entremeses y bailes literarios«, S. CCXXXI1I ff.) von Cotarelo y Mori zu finden. Auch hier ist allerdings der von Hurtado genannte hoyuelo nicht erwähnt, der rastreado wird als aus schnellen Bewegungen aller Gliedmaßen bestehender Tanz beschrieben, der - wie die meisten Theatertänze - den Einsatz von Kastagnetten einschloss. Die zweibändige Anthologie von Cotarelo ist von José Luis Suárez García und Abraham Madroñal neu aufgelegt und mit hilfreichen Indizes versehen worden (Granada: Universidad de Granada 2000). 46 »Idem periculum creatur ex nutibus & signis quibus iuvenes lacesunt feminas: quod molesté ferunt zelotypici, remque; deferunt ad gladios.« De spe, S. 1578a/b. Kämpfe, Diebverfolgungen und Messerstechereien gehörten durchaus zur Theaterrealität des 17. Jahrhunderts. So geht aus einem Mietvertrag von 1621 hervor, dass die das Eintrittsgeld einfordernden cobradores um Erlaubnis baten, zu ihrer

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Konkupiszenz auch an anderen Orten bzw. durch andere öffentliche Veranstaltungen, so auch - wie von den Theaterbefürwortern häufig angeführt47 - in der Kirche hervorgerufen werden könne, repliziert Hurtado mit der Unterscheidung zwischen Dingen, die »per accidens« - zufallig - die geschlechtliche Begierde wecken, und solchen, die sie ihrem Wesen nach provozieren, und stellt aus der Perspektive des sachverständigen Theologen apodiktisch fest: »At vero histrionia turpis est de se intrinsecò mala, & vehementer accendit venerem« (S. 1572a). Die finanzielle Unterstützung der Hospitäler durch die Theaterauffuhrungen setzt Hurtado nicht mehr - wie seine Vorgänger - mit der Verbindung von Theater und Venustempel durch Pompejus gleich, sondern bezeichnet sie in Anspielung auf Joh, 12, 3-6 als einen Judaslohn, der nicht um der Kranken, sondern um der Legitimation und Erhaltung der Comedia willen erbracht werde.48 Folglich setzt er die Auffuhrungen mit dem Verrat und der erneuten Kreuzigung Christi gleich, wobei er - wie Mariana und Guzmän - der Moral absolute Priorität gegenüber der Not der Kranken gibt, derer sich Gott schon annehmen werde.49 Vor dem Hintergrund, dass 1630 bereits sechs Hospitäler der Hauptstadt von den Einnahmen der Theater abhingen,50 wird einmal mehr deutlich, dass Hurtado als Vertreter der klerikalen Kultur die weltlichen Probleme, die er hier als Nebensache abfertigt, kaum als vollends gültig begreift.

Selbstverteidigung einen Dolch tragen zu dürfen. Auch berichtet Shergold von einem Aufstand der mosqueteros (1623), die ihrem Unmut über einen kurzfristigen Stückwechsel Ausdruck gaben, indem sie die Vorhänge der Umkleide herunterrissen, die Schauspieler mit Steinen bewarfen und das Theaterinventar zerstörten. Norman D. Shergold: A history of the spanish stage, S. 538. Auch bei Durchsicht der Avisos históricos von José de Pellicer fallen eine Reihe von »desafíos y muertes por cuéstión de juego« ins Auge, die auch die Verbannung der (adeligen) Liebhaber, Galeerenstrafen für die Schauspielerinnen sowie Todesfälle durch Eifersuchtsduelle einbeziehen. Cf. z.B. den Bericht vom 27.9.1644 »Se destierra a un joven por tener relaciones con una comedianta«, demzufolge der Madrider Ratsherr Juan de Ochandiano ausgewiesen und die mit ihm liierte Schauspielerin auf eine Galeere verbannt wurde. 47 So hatte die Villa de Madrid 1598 in einer Bittschrift an Philipp II. zur Wiedereröffnung der Theater bemerkt: »Cuanto á las ocasiones que ofrecen ó pueden ofrecer en las comedias de disensiones y pendencias, esto está prevenido de manera que quien hallare tiempo, ocasión y lugar en la comedia la buscara en la iglesia, donde menos se puede excusar algunas veces, pues no hay la división de hombres y mugeres que en la comedia, ni los diputados y alguaciles, y sobre todo la vigilancia que sobre esto ha tenido siempre el Licenciado Tejada, del Consejo de V. M., á quien esto ha estado reservado y remitido con tanta razón.« Cotarelo: Bibliografia, S. 424. 48 »Haec obiectio sapit Iudaicam, poterat (dixit ludas) vnguentum istud venundari & dari pauperibus, non quia ad ipsum pertineret de egenis, sed quia für erat. Ita histrionum patroni curant xenodochia, quae suis facultatibus possent alere. Quare autem curant? non quia ad illos pertineat, sed quia amici sunt comoediarum, vendidit ludas Christum ex cuius precio emptum est peregrinis sepulchrum: ita isti iterum vendunt, & crucifigunt Christum, [...].« De spe, S. 1579a. Hurtado zitiert hier Joh 12, 5f. 49 Auch diese Argumentation findet ein breites Echo in der weiteren Debatte: So konstatieren die Theatergegner des Consejo de Castilla 1666, dass die Krankenhäuser »la más segura fianza en la Providencia de Dios« haben. Die Befürworter der Wiedereröffnung weisen hingegen ausfuhrlich auf die finanziellen Folgeprobleme der fehlenden Theateraufführungen hin. Cotarelo: Bibliografía, S. 183 und S. 171 ff. Hurtados Berufung auf die Allmacht Gottes bezüglich des Armenwesens ist allerdings nicht originell, so hatte 1600 schon der Karmeliter José de Jesús Maria polemisiert, »como si él [sc. el Sefior] no fuese poderoso para sustentarlos [sc. los pobres] por otros caminos, ó tuviese necesidad de las migajas y sobras del demonio para esto«. Bibliografia, S. 378. 50 Dieter Janik: »Spanisches Theater und Theaterleben zu Anfang des 17. Jahrhunderts«, in: Jürgen Blänsdorf (Hg.), Theaterwesen und dramatische Literatur. Beiträge zur Geschichte des Theaters. Tübingen: Francke 1987, S. 195-208, hier S. 198. (Mainzer Forschungen zu Drama und Theater Bd. 1).

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5.2

Wider die Aufführung in Kirchen und religiösen Kontexten

Wie Mariana und Guzmán lehnt auch Hurtado die Gestaltung der Fronleichnamsfeierlichkeiten mithilfe der Schauspieler sowie die Auffuhrung von Theaterstücken in der Kirche ab. So sind die aus seiner Sicht unweigerlich aus »fabulas turpes, choreas inhonestas, obscaenas cantilenas« (1579a) bestehenden Aufführungen des sakralen Ortes unwürdig und verfuhren zudem die in der Kirche versammelten Gläubigen zur Sünde, weshalb der Jesuit dafür plädiert, den Schauspielern ein generelles Aufführungsverbot in den Kirchen zu erteilen.51

6

Die kasuistische Differenzierung der im Theater begangenen Sünden

6.1

Die laikalen Zuschauer: Kollaborateure und Konsumenten der Todsünde

Da Hurtado das Manipulationspotential des Theaters nicht wie Pedro de Guzmán primär anhand der Verführungskraft der Schauspielerinnen darlegt, sondern es in erster Linie aus der Sicht der Rezipienten analysiert, nimmt auch die Auseinandersetzung mit dem Sündenstatus der Zuschauer mit neun Spalten - gegenüber vier den Schauspielern gewidmeten den größten Teil seiner Abhandlung ein, wobei er das Publikum - im Hinblick auf seinen weitgehend klerikal geprägten Adressatenkreis, dem er zudem Richtlinien zur Beurteilung des Theaterbesuchs im Kontext der Beichte zu geben beabsichtigt - in crecientes und perfecti unterteilt. Wie seine Vorgänger schätzt auch Hurtado die Gefahr des Theaters für die moralisch noch nicht gefestigten jungen Männer und Frauen und die - ohnehin zur Wollust neigenden - Höflinge am größten ein, wobei er das Comedw-Publikum insgesamt als eine zügellose, die Gesetze Gottes missachtende Menge charakterisiert 52 und auch die - richtig erkannte Heterogenität der Zuschauerschaft in den Bereich des aus gegenreformatorisch-katholischer Sicht Verurteilten, Verdächtigen und Verbotenen rückt: »Ibi enim confluunt Iudaeus, Moriscus, vsurarius, aleator, detractor, adulter, cornutus, meritrix, concubina, & ex omni genere hominum turpium & honestorum«.

51 Neben den autos sacramentales, die mit den üblichen profanen Zwischenaktspielen vor dem Hauptaltar der Kathedrale von Toledo aufgeführt wurden, war im 17. Jahrhundert auch die Auffuhrung profaner Theaterstücke in den Klosterkirchen üblich. Die mehrfach wiederholten - zumeist vom Weltklerus erteilten - Verbote blieben weitgehend wirkungslos. Aufgrund der mangelnden Durchsetzungsfähigkeit gegenüber den Ordensgemeinschaften versuchten die kirchlichen Autoritäten die Befolgung ihrer Dekrete schließlich durch die straf- und kirchenrechtliche Verfolgung der Schauspieler durchzusetzen. So wurde 1618 gegen den bekannten autor de comedias Baltasar de Pinedo prozessiert, weil er mit seiner Truppe profane Theaterstücke von Juan Ruiz de Alarcön in zwei Klosterkirchen von Madrid aufgeführt hatte. Cf. Emilio Cotarelo y Mori: »Las comedias en los conventos de Madrid en el siglo XVII«, in: Revista de la Biblioteca, Archivo y Museo 8 (1925), S. 461-470. 52 »[...] non potest moraliter esse quin in tanta frequentia iuvenum, hominum non multum curantium de observatione legis Dei, aulicorum proclivium in venerem, plebeiorum effrenium, multi sine dubio cadant.« De spe, S. 1570a. 53 De spe, S. 1578a. Hurtado versucht mit dieser Argumentation, die Theaterauffiihrungen mit der obsessiven Angst vor dem Fremden zu verknüpfen und folglich die Aversion gegen die Comedia zu schüren. Es sei aber darauf hingewiesen, dass es aufgrund der umfassenden Maßnahmen der Inquisition zum Zeitpunkt der Veröffentlichung seines Werks kaum noch Juden und Mauren in Spanien gab. Robert

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Entsprechend seiner sich vornehmlich aus Geistlichen und Gelehrten zusammensetzenden Adressaten und des durch die Gattung der moraltheologischen Abhandlung vorgegebenen Rahmens verwendet Hurtado weniger Energie auf Drohungen und Appelle als auf die differenzierte Analyse des Sündenstandes der einzelnen Zuschauer. So erklärt er den Theaterbesuch zunächst nur zur Todsünde der Wollust (»peccatum luxuriae«), wenn der Zuschauer diese bereits an sich erfahren hat oder das Theater aus Freude an der Unsittlichkeit der Darstellung aufsucht. Das Anschauen der Comedia aufgrund ihrer Kunstfertigkeit definiert er aber als lässliche Sünde. Dem, der um seine mangelnde moralische Standhaftigkeit weiß, aber aufgrund äußerer Umstände zum Theaterbesuch gezwungen ist - so um den Hausherrn zu begleiten oder eine Frau zu bewachen gibt Hurtado deshalb den - auf Augustins Bericht über Alypius (cf. supra) zurückgehenden - theologischen Rat, »oculos claudere, animum divertere, & avocare aliö« (S. 1572b). Nach dem gleichen Maßstab beurteilt er auch das Einladen einer anderen Person in die Comedia, das aber - auch wenn der Einladende um die moralische Standhaftigkeit des Eingeladenen weiß und diesem die freie Entscheidung überlässt - mindestens ein Ärgernis (»scandali peccatum«) darstellt (S. 1575a). So wie der Jesuit die Motivation des Theaterbesuchs differenziert betrachtet, unterscheidet er das Maß der Sünde auch gemäß der gesellschaftlichen Stellung der Zuschauer: So begehen diejenigen, die eine soziale Vorbildfunktion innehaben, mit dem Theaterbesuch eine Todsünde (S. 1573a/b). Ebenso trägt der pater familias die Verantwortung für seine Hausgenossen und macht sich folglich der Todsünde schuldig, wenn er Frau und Kindern den Besuch der Comedia gestattet, da deren moralische Gefahrdung im Theater - so stellt Hurtado auf der Grundlage der Patristen und antiken Autoren heraus54 - unausweichlich ist. Hurtados umfassendstes Argument, das er taktisch geschickt auf ein Zitat von Alonso de Mendoza zurückfuhrt, der die zeitgenössische Comedia ausdrücklich für zulässig, die Unterstützung unsittlicher Theaterstücke aber zur Todsünde erklärt hatte, ist jedoch das der Kooperation: So begehen letztlich alle Zuschauer eine Todsünde, indem sie durch ihre Präsenz der Grund für das Stattfinden der Theateraufführung sind (S. 1573a/b). Auf der Grundlage dieser Argumentation, die Hurtado mit Augustins Urteil zusammenfuhrt, dass das Bezahlen der Schauspieler sündhaft sei, arbeitetet er eine detaillierte Kasuistik aus, die bis in alle Einzelheiten klärt, unter welchen Bedingungen ein bindender Vertrag zwischen Schauspieler und Zuschauer zustande kommt. Der Inhalt dieses Vertrags, das macht Hurtado an einer Reihe drastischer Exempla deutlich, sei der Kauf einer Todsünde.55 Indem der Lemm: Die Spanische Inquisition. Geschichte und Legende. Aus dem Niederländischen von Walter Kumpmann. München: dtv 1996, S. 112. 54 Hurtado führt hier die üblichen auf den Verlust der Schamhaftigkeit und den Anreiz zur Promiskuität insistierenden Stellen von Chrysostomus, Cyprian und Tertullian an. Wie Guzmän zitiert er zudem die Ausweisung des Theaters als prädestinierten Ort für Liebesbegegnungen durch Ovid sowie den Hinweis von Properz auf die Theaterabstinenz der keuschen Frau. Ebenso verweist er auf die antike Gesetzgebung, die den Frauen den Besuch der spectacula untersagte. Dementsprechend lobt er Quintus Sempronius Sophus für das Verstoßen seiner Frau aufgrund ihres Besuchs der ludi. De spe, S. 1572b- 1574a. 55 Hurtado führt u.a. das Beispiel der Bezahlung eines Auftragsmörders an. Die finanzielle Unterstützung der Schauspieler vergleicht er zudem mit der Unterhaltung einer Prostituierten. De spe, S. 1576a. Die Mitglieder des Kastilienrats, die 1666 für die Wiedereröffnung der Theater votieren, kehren Hurtados Argumentation mit der Versündigung der Zuschauer durch die Bezahlung der Schauspieler ins Gegenteil um und machen sie sich zunutze: »Y el P. Pedro Hurtado de Mendoza, aunque aprieta tanto en que no se permitan, reconoce que el acto de las comedias [...] es indifferente, pues dice que los que entran ä oirlas sin pagar dinero no pecan, y que solo cometen pecado los que dan dinero por verlas, porque ayudan con el para sustentar gente tan reprobada.« Cotarelo: Bibliografla, S. 174. Freilich wird Hurtado

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Zuschauer v o m Schauspieler aber eine Handlung kauft, die dieser nur unter B e g e h e n einer Todsünde ausüben kann, verantwortet er die Sünde des Schauspielers und macht sich somit selbst der Todsünde schuldig. Hierbei repliziert Hurtado auf eine Reihe möglicher Einwände - so, dass die v o m Einzelnen gezahlte S u m m e zu gering sei für eine Todsünde und man zwischen den zuerst und den zuletzt kommenden Zuschauern unterscheiden müsse 5 6 - , fasst j e d o c h letztlich das gesamte Publikum unter das Verdikt der Todsünde. Folglich ist die Sünde der Autoren, der Schauspieler und der Zuschauer aus Hurtados Sicht reziprok aufeinander bezogen: S o w i e die Autoren und Schauspieler die Sünden der Zuschauer verursachen, bewahren diese die Schauspieler im Zustand der Todsünde, indem sie das Theater besuchen. Dabei nehmen die von Hurtado als >Soldaten der Liebe< (»veneris milites« S. 1571a) bezeichneten Theaterbesucher zudem eine aktive Rolle ein, indem sie die weniger obszönen (Liebes-)Handlungen mit Pfiffen zurückweisen und somit von den Akteuren die Darstellung unsittlicher Sujets einfordern. 5 7

6.2

Die geistlichen Zuschauer: Verführer zur Todsünde

D e n Theaterbesuch der Kleriker und Geistlichen erklärt Hurtado ebenfalls zur Todsünde, w o b e i er in Hinblick auf seine Adressaten auch hier eine präzisere Differenzierung vornimmt: S o erregen die Geistlichen kein »scandalum vulgaris« - kein gemeines Ärgernis sondern aufgrund ihrer Vorbildfunktion ein »scandalum Theologicus« (S. 1574a). A l s Replik auf den Einwand, dass ein Ärgernis gegenwärtig ausbleibe, da der Theaterbesuch der

ebenso von den Gegnern der Wiedereröffnung als Gewährsmann angeführt (ebd. S. 178). Vor dem Hintergrund, dass das Umgehen des Eintrittspreises im Laufe des 17. Jahrhunderts zu einer so verbreiteten Praxis wurde, dass die corral- Vermieter Mietnachlass wegen der ihnen entstandenen finanziellen Schäden forderten, verliert die Argumentation mit dem Nichtbezahlen ihre zunächst läppische Bedeutung. Cf. hierzu Pedro Ojeda Escudero/María Jesús Diez Garretas: »Algunos problemas del teatro en el reinado de Carlos II: repercusiones del impago de las entradas«, in : Diálogos Hispánicos 8 (1989), S. 669-677. 56 Dem ersten Argument entgegnet Hurtado, dass das Geld Einzelner sich zu einer Menge summiere, die dem Schauspieler Reichtum und Überfluss beschere. Hiermit repliziert er auch auf den Einwand der Zuschauer, »quamvis ego Comoediam non audiam, illam audient alij«. De spe, S. 1576a. Nach einer langen kasuistischen Argumentationsschleife, in der er zwischen den »primi«, deren Kommen allein schon Grund für die Aufführung der Comedia sei, und den »postremi« unterscheidet, erklärt er, dass der Schauspieler um des Geldes des gesamten Publikums willen spiele und seine Verführungsabsicht mit der Anzahl der Anwesenden wachse, wobei das Geld jedes einzelnen Zuschauers zudem zur Steigerung des schauspielerischen Aufwandes beitrage (S. 1576f.). Auch dies untermauert Hurtado durch Beispiele. Dass der Jesuit hier selbst die spitzfindigsten Einwände der Theaterbefürworter zu antizipieren versucht, ist einerseits konstitutiv für einen moraltheologischen Traktat, der dem Leser Entscheidungshilfen für alle denkbaren Einzelfalle an die Hand geben will, andererseits aber auch die Folge einer immer sophistischer argumentierenden Kasuistik. So versucht Hurtado alle kasuistischen Rechtfertigungsmöglichkeiten des Theaterbesuchs a priori auszuräumen. 57 »Tandem avide haec obscaena appetuntur à populo spectatore: vt obscaenissima quaeque laudet, minus autem obscaena, frígida censeat, & explodat. [...] Quod si comici id non agant strenuè exibilantur.« De spe, S. 1570f. Die gestaltende Rolle des Publikums - vor allem der mosqueteros, deren Launen im Theater sofort Gesetz wurden - erkennt Hurtado wie zuvor auch Guzmán durchaus richtig. Pellicer berichtet, dass sich die »libertad de silvar á los comediantes y comedias con pitos, silvatos y llaves huecas« erst im Laufe des 17. Jahrhunderts entwickelt habe und zitiert den bekannten französischen Klassizisten Nicolas Boileau-Despréaux: »C'est un droit qu'à la porte on achète en entrant«. Casiano Pellicer: Tratado histórico, T 1, S. 211 ff.

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Geistlichen bereits übliche Praxis sei,58 mahnt Hurtado die von den Geistlichen geforderte Weltabkehr an und konstatiert: »est enim illa voluptas omninö indigna hominibus Deo dicatis« (S. 1574b). Wiederum ausgehend von Alonso de Mendozas Argument, dass »eos omnes peccare qui asistendo favent turpibus Comoedijs«, legt er zudem dar, dass die Geistlichen das Theater durch ihre Anwesenheit am meisten begünstigen: So verleihen sie den Aufführungen nicht nur Prestige durch ihre Präsenz im kirchlichen Habit, sondern entziehen den Theatergegnern und den »Sacri Oratores« auch die Argumentationsbasis, indem sie mit ihrem Theaterbesuch deren Bemühungen untergraben, die Gläubigen vom Besuch der Comedia fernzuhalten.59

7

»Permissionem Comoediarum esse per se illicitam«

In Anbetracht seines weitgehend klerikal geprägten Adressatenkreises spart sich Hurtado die auf Tertullian zurückgehende und von Mariana und Guzmän übernommene Rhetorik, seine Rezipienten auf die Schöpfungs- und Heilstaten als summum spectaculum und christlichen Ersatz der profanen Theaterauffuhrungen zu besinnen. Als absoluter Gegner des profanen Theaters60 stellt er auch keine Reformbedingungen auf, sondern legt mit Berufung auf Thomas von Aquin dar, dass die Erlaubnis der bereits als »intrinsece mala« (cf. supra) herausgestellten Comedia nur zulässig sei, wenn durch sie ein größeres Übel vermieden werde. Als Beispiel fuhrt er die Duldung von Prostituierten im Heer zur Vermeidung von Vergewaltigungen an. Anders als Mariana, der die Tolerierung der Theater noch auf der selben Ebene wie die der Bordelle behandelt hatte, weist Hurtado aber darauf hin, dass Philipp IV. die Bordelle aus der Erkenntnis verboten habe, dass durch ihre Existenz kein anderer Schaden verhindert werde. Hiermit zeigt er ein richtungsweisendes Urteil für die Comedia auf und argumentiert folglich, dass während der spielfreien Zeiten - so während

58 Hurtado repliziert hier offensichtlich auf das Argument von Tomás Sánchez, der in seiner Dispvtatio de sancto matrimonii sacramento (1599) die geistlichen Theaterzuschauer von der Sünde freigesprochen hatte, wenn kein Ärgernis entstehe, »qvod hodie cessare credo: cum frequentissimum sit clericos illis intéressé«. Cotarelo: Bibliografía, S. 535. Dass Hurtado seinen - an anderer Stelle zitierten - Ordensbruder hier nicht nennt, sondern dieses Argument als allgemeinen Einwand formuliert, zeigt wiederum das taktische Kalkül und die strategische Vorgehensweise des Jesuiten, der die Verteidiger des zeitgenössischen Theaters ebenfalls als Gegner darzustellen versucht und sie folglich nur zitiert, wenn er ihre Argumente zur Unterstützung seiner Position verwerten kann. 59 »Sacerdotes autem & religiosi aperta facie, & cum habitu reverendo authoritatem det tarn pestilenti exercitationi. [...] quando Sacri Oratores de contione intonant contra spectatores Comoediarum, íIii se excusant quia Ecclesiastici graves & religiosi illis intersunt, & obtendunt non esse actionem illam indignam laico; siquidem illa oblectantur publicè illi, quibus ea esset abstinendum si turpis esset. Item religiosi & clerici indigné ea spectacula ferentes, non audent totis lateribus in ea impetum facere, ne prestringant clericos, & religiosos spectatores comoediarum.« De spe, S. 1574f. Auch der katalanische Jesuit Juan de Ferrer hatte gewarnt, dass die Anwesenheit der Geistlichen den Laien die Zulässigkeit des Theaters suggeriere und ihnen zu argumentieren ermögliche: »si el sacerdote y religioso que profesan castidad se hallan públicamente presentes á estas tales comedias, bien podré yo, que soy seglar y no profeso vida tan perfecta, hallarme á ellas.« Cotarelo: Bibliografia, S. 255. 60 Hurtados Zuordnung zu den Theatergegnern durch Vitse, Garcia Berrio und O'Connor kann durch die Quellenlektüre bestätigt werden. Während García Berrio von der »ofensiva antihedonista de 1630« (Intolerancia de poder y protesta popular, S. 44ff.) spricht, insistieren Vitse und O'Connor auf Hurtados grundsätzlicher Theaterakzeptanz auf der Grundlage des heiligen Thomas von Aquin, vor deren Hintergrund er die Comedia als unzulässig erklärt. Éléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S. 49ff. Love in the "Corral", S. 60.

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des Semesters in Salamanca, während der Fastenzeit 6 1 und in den Städten ohne feste Theater - keine aus d e m Fehlen der Auffuhrungen resultierenden Schäden auszumachen seien, woraus er schließt: »ergo ad illud vitandum inutiles sunt Comoediae« (1578a). D a auch Straftaten durch die Aufführung von Theaterstücken und die Anwesenheit von Schauspielern nicht vermieden, sondern vielmehr begünstigt werden, steht für Hurtado fest: »[...] permissionem Comoediarum esse per se illicitam« (S. 1578b). Mit diesem Urteil, das sogar die Erlaubnis der Comedia für unzulässig erklärt, geht Hurtado zwar zunächst weiter als seine Vorgänger. D i e abstrakte Formulierung macht aber gleichzeitig deutlich, dass der Jesuit es nur als seine Aufgabe betrachtet, unter theologischen Gesichtspunkten - sozusagen ex cathedra - über die Zulässigkeit oder Unzulässigkeit der weltlichen Angelegenheiten s o w i e über die damit einhergehenden Sünden zu richten, ohne sich in die realpolitischen Entscheidungen einzumischen. S o urteilt er gleichsam aus der Perspektive eines Juristen, der die Unzulässigkeit einer Angelegenheit feststellt, grenzt sich aber unter Berufung auf die theologische Lehre des Probabilismus v o m Kompetenzbereich des Regenten, der seine Entscheidungen auf der Urteilsgrundlage des ebenso frommen w i e w e i s e n Kastilienrats falle, explizit ab. 62

61 In den Universitätsstädten Alcalá und Salamanca waren Theaterauffuhrungen seit 1600 nur in den Semesterferien erlaubt, »porque con ellas se distraen los estudiantes y se perturban los estudios y ejercicios de letras«. Der Consejo de Castilla hatte damit das Votum der Theologen, die bei der Wiedereröffnung der Theater 1599 ein vollständiges Aufführungsverbot in Alcalá und Salamanca gefordert hatten, mit dem Argument der »recreación de los estudiantes« abgemildert. Theateraufführungen während der Fastenzeit waren »por el respeto y devoción que se debe á los tales días« - ebenfalls seit 1600 in ganz Spanien verboten. Cotarelo: Bibliografia, S. 163f. 62 Der Dominikaner Bartolomé de Medina hatte 1577 den Probabilismus als moraltheologisches System zur Lösung der Fälle eingeführt, in denen das Gewissen im Zweifel ist. Nach der Position des Probabilismus ist es möglich, einer wahrscheinlichen Meinung ohne Sünde zu folgen, auch wenn die gegenteilige Meinung wahrscheinlicher ist. Als wahrscheinlich bewertet Medina eine von weisen Männern vertretene und von guten Argumenten gestützte Meinung. Aus dem zunächst im Kontext der Beichtberatung entstandenen Probabilismus entwickelte sich in der Theologie die Unterscheidung zwischen der intrinsischen Wahrscheinlichkeit einer Meinung, die sich im Sinne von Medina auf die guten sie untermauernden Argumente bezieht, und der extrinsischen Wahrscheinlichkeit, die durch die Autorität ihrer Anhänger gestützt ist. Cf. José Luis Abellán: »Bartolomé de Medina«, in: Historia critica del pensamiento español, T. 2, S. 535-537. Des weiteren: John Mahoney: »Probabilismus«, in: TRE, Bd. 27 (1997), S. 465-468. Hurtado beruft sich hier - gleichsam als eine Art clausula salvatoria - auf die intrinsische Wahrscheinlichkeit des Theaterverbots, um einen Machtkonflikt mit der staatlichen Elite zu vermeiden. So betont er zunächst, weder den Beschluss des Kastilienrats noch die Entscheidungen des Regenten in Frage stellen zu wollen und erklärt dann das Prinzip des Probabilismus, nach dem es ihm möglich sei, eine andere Meinung zu vertreten: »Praemitto mihi non esse in animo praestringere Principem, qui nihil publicè agit nisi inito Consilio cum viris doctis, neque posset absque impudentia eius Maiestati vitio verti permissio comoediarum. Ipse enim fatis prudenter fungitur suo muñere sequutus sapientium consilium. Neq; item vollo praestingere regios Senatores: consilium enim Castellae potest pietate, & doctrina praelucere mundo. Ago igitur de obiecto secundùm se per intrínsecos illius conceptas, non vero per locum extrinsecum ab authoritate: potest enim contingere actionem aliquam mihi videri malam per intrinsecum locum rationis, alijs autem videri probabilem ab extrínseca authoritate.« De spe, S. 1577a/b. Somit deutet Hurtado auch an, dass die Theatererlaubnis durch den Consejo de Castilla fflr den Monarchen die extrinsische Wahrscheinlichkeit darstellt, nach der er die Comedia zulassen kann, ohne sich zu versündigen. Während er den Monarchen und den Kastilienrat so von jeder Kritik ausnimmt, spricht er den Rektor der Universität von Salamanca und weitere »viri probi, & docti« schuldig, weil sie gegen den Beschluss des Kastilienrats Theateraufführungen während des Semesters gestattet haben. Sein Beharren auf dieser Frage ist sicherlich auch damit zu begründen, dass die Universität von Salamanca sein direkter Einfluss- und Erfahrungsbereich ist. So hatte er auch als eines der

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Somit fuhrt Hurtado seinen Adressaten die Unzulässigkeit der zeitgenössischen Comedia unmissverständlich vor Augen, ohne die Allianz seines Ordens mit der weltlichen Macht zu gefährden, weshalb er auch die Erlaubnis der Comedia durch den Kastilienrat nicht ausdrücklich in Frage stellt.63 Eine explizite Verbotsforderung formuliert er nur für die autos sacramentales und die Theateraufführungen in den Kirchen, die für ihn folglich in den Zuständigkeitsbereich der Theologen fallen.64 Der argumentative Unterschied zu Mariana und Guzmän ergibt sich aber auch aus der Verschiedenheit der Textgattungen: Zielt Marianas Fürstenspiegel in erster Linie darauf ab, den Regenten von der Notwendigkeit des Theaterverbots zu überzeugen, und hatte Guzmän beabsichtigt, einen möglichst breiten (laikalen) Adressatenkreis vom Besuch der Comedia fernzuhalten, so richtet sich Hurtados Traktat vor allem an die Beichtväter und Seelenfuhrer, denen er hiermit eine moraltheologisch fundierte Grundlage zur Verurteilung des Theaters - bzw. zu seiner Beurteilung als Sünde - an die Hand geben will.

großen Übel der Auffuhrungen herausgestellt, dass selbst die pflichtbewusstesten Studierenden während der Anwesenheit von Schauspieltruppen nicht einmal mit einem Ochsenjoch zur Universität zu bringen seien: »Memini iuvenes huius vrbis & Academiae nullo relicto crimine antiquiori, nobis Semper irritari quando Sathanici isti greges huc veniunt. Tune ñeque iugo bovum scholasticos trahemus ad gymnasia, á quibus non recedunt absente Comoedia« (S. 1578b). 63 Dies lässt darauf schließen, dass sich Hurtado einem hinter der licitud-Debatte stehenden Machtkonflikt zwischen Staat und Kirche bewusst ist. Seine Vorsicht gegenüber der staatlichen Autorität ist insofern auch eine Frage der Taktik. So hatte der Consejo de Castilla die Zuständigkeit des Klerus für einzelne Belange des profanen Theaters schon 1600 recht barsch zurückgewiesen: » [...] parece que lo tocante al número de las compañías y el de los días que se haya de representar, debería quedar á disposición del Consejo, como siempre lo ha sido para que ordene lo que parezca más conveniente al buen gobierno.« Cotarelo: Bibliografía, S. 164. 64 »Quamvis Magistratus forte possent excusari in permissione comicorum, tamen excusalí non possunt si eos permittant in templis agere comoedias. [...]. Ob quod id Magistratus tenentur interdicere, quia facilé possunt.« Die autos sacramentales nennt Hurtado nicht direkt, appelliert aber an den Consejo, Schauspieler von der Gestaltung der Fronleichnamsfeierlichkeiten auszuschließen: »Curare item debet Magistratus ne in celebranda Christiani corporis solemnitate, agatur aliquid minus honestum. Satis doleo in partem celebritatis tarn impuras personas acciri.« De spe, S. 1579a.

V, IV Diego de Vieh: Breve discurso. Plädoyer eines Laien für die Eigenverantwortung des Menschen. 1 Kurzpräsentation von Autor und Werk 1.1 Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext Diego de Vieh y Castelví wurde 1584 in Valencia geboren. Im jungen Alter trat er als Edelknabe (»paje«) in den Dienst Philipps II. ein und verbrachte einige Jahre am Hof von Madrid. Durch seine Zugehörigkeit zum Ritterorden von Alcántara war er nicht nur der spanischen Monarchie, sondern auch der katholischen Religion verpflichtet. So hinterließ der kinderlose Adelige sein Vermögen nach seinem Tod 1657 dem Kloster von Murta. Neben der Stellungnahme für das zeitgenössische Theater verfasste der kunstinteressierte Mäzen' vor allem lokalhistorische Schriften und versuchte sich auch selbst in der Dichtkunst.2

1.2

Entstehungskontext des Breve discurso

Vieh veröffentlicht sein Plädoyer für die Comedia unter dem programmatischen Titel: Breve discurso; en el qual aunque Quedó determinado ya en la junta que huuo en la Yglesia del Hospital General de la Illustre é insigne Ciudad de Valencia a 26 de Agosto 1649, (a instancia de los Administradores del) ser la representación de Comedias acto indiferente: a la sombra de pareceres tan atinados y doctos, D. Diego Vique Cauallero del Habito de Alcantara, y Señor del Lugar de Llaurí, discurre en la misma materia desta suerte.

Der Entstehungskontext des Werks ist damit bereits angedeutet: So waren die corrales, nach einer Unterbrechung der Aufführungen zwischen Oktober 1644 und Ostern 1645 aus Anlass des Todes der Königin Isabel, 1646 endgültig geschlossen worden. Grund hierfür waren nicht nur ein erneuter Trauerfall in der königlichen Familie - der Tod des Prinzen Balthasar Carlos - , sondern auch die Aufstände im Inneren sowie die außenpolitischen Niederlagen Spaniens, die dem Monarchen von seinen Beratern als Strafen Gottes für die Sünden des Volkes angetragen worden waren.4 Die Schließung der corrales war somit 1

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3

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Diego de Vieh gab bei dem Maler Juan Ribalta die Portraits berühmter Valencianer in Auftrag. 1639 ist zudem ein Diego de Vieh zum Professor für Kunst berufen worden. Es ist aber fraglich, ob es der betreffende Vieh ist. S.v. »Diego de Vieh«: Francisco Martí Grajales: Ensayo de un diccionario biográfico y bibliográfico: de los poetas que florecieron en el Reino de Valencia hasta el año 1700. Madrid: Revista de Archivos, Bibliotecas y Museos 1927. So verfasste er u.a.- nicht veröffentlichte - Annalen von Valencia, ebenso ein Werk über die Konstruktion von Militärfestungen und ein Traktat über Ursprung und Statute des Alcántara-Ordens. Vicente Ximeno fuhrt zudem eine weitere theaterverteidigende Schrift (»Otro Discurso del mismo argumento«) auf, die aber Manuskript geblieben sei. S.v. »Diego de Vieh«: Vicente Ximeno: Escritores delReyno de Valencia: chronologicamente ordenados desde el año MCCXXXVIII de la Christiana Conquista de la misma Ciudad, hasta el MDCCXLVII, T. 1. Valencia: Dolz 1747. Ein von Vieh verfasstes Lobgedicht auf Gaspar Aguilar ist in den Fiestas qve la insigne civdad de Valencia ha hecho por la beatificación del Santo Fray Luys Bertrán (Por Gaspar Aguilar. En Valencia, en casa de Pedro Patricio Mey, junto a S. Martin 1608) abgedruckt. Ohne Jahr und Ort. José E. Serrano y Morales hat die zwischen 1649 und 1650 erstmals veröffentlichte Schrift 1882 unter dem Titel Discurso de D. Diego Vieh en favor de las comedias (Valencia: Domenech) neu editiert und mit einem einleitenden Vorwort versehen. Das - bei Cotarelo vollständig abgedruckte - Werk wird im Folgenden nach dieser nur in 25 Exemplaren erschienen Ausgabe mit dem Kurztitel Vieh: Breve discurso zitiert. So schrieb Philipp IV. der Franziskanerin Maria Jesús de Agreda, die nach dem Sturz von Olivares dessen Stellung in der Gunst des Monarchen eingenommen hatte, am 7. März 1646: »Quanto puedo hago por evitar ofensas públicas y escandalosas de Nuestro Señor, pues reconozco verdaderamente que cuanto más le ofendamos más armas damos a nuestros enemigos; y ahora actualmente se han dado

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w i e schon 1598 - moralisch motiviert, w a s eine Aufhebung des Verbots erschwerte. Nachdem 1646 auch die Aufführung der autos sacramentales ausgeblieben war, wurde diese im darauffolgenden Jahr unter der Maßgabe »que no se an de ha?er en los corrales ni a de auer en los autos bailes ni entremeses cosa yndecente« wieder erlaubt, w a s 1648 schließlich zu einer zwanzigtägigen Aufführungserlaubnis der autos in den Corra/-Theatern führte, um das Geld für die Fronleichnamsfeierlichkeiten einzuspielen. 5 Hierdurch ermutigt, richtete die Villa de Madrid erneut eine Bittschrift an Philipp IV., auch die profanen Aufführungen wieder zuzulassen. Der König übergab die Angelegenheit dem Kastilienrat: Während sechs Mitglieder s o w i e der Präsident des Consejo sich in einem umfassenden und überraschend selbstbewussten Plädoyer für die Wiedereröffnung der Theater aussprachen, votierten neun Mitglieder für die Aufrechterhaltung des Theaterverbots. Philipp IV. ließ die Angelegenheit ungelöst. Seine Vermählung mit Mariana de Austria, auf deren anstehende Feierlichkeiten ihn auch die Befürworter der Theatereröffhung geschickt hingewiesen hatten, 6 s o w i e die

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órdenes para reformar los träges en las mujeres y en los hombres y para que cesen las comedias, por parecer que de estas causas proceden parte de los pecados que se cometen.« María de Agreda dankte dem Monarchen fur die Kleiderreform sowie die Schließung der Theater in Gottes Namen, »[...] y más en estos tiempos, que será de grande servicio y agrado del Altísimo y el camino derecho de aplazarle y obligarle para nuestas [sie!] bitorias«. Cotarelo: Bibliografía, S. 45f. Die Einflussnahme der Franziskanerin auf die Theaterschließung ist nicht geklärt. Während Garcia Berrio ihre Mitverantwortung fur die Schließung der Theater und ihre Feindlichkeit gegenüber allen weltlichen Vergnügungen betont (Intolerancia de poder y protesta popular en el Siglo de Oro, S. 49, Anm. 83 und S. 57), erwähnt Bances Candamo in seinem Theatro de los theatros einen Brief von María de Agreda an Philipp IV., in dem die Nonne für die Wiedereröffnung der Theater plädiere (Theatro de los theatros de los passados y presentes siglos, Edición de Duncan W. Moir, S. 31). Auch Armona verweist in den Memorias cronológicas sobre el teatro en España (1785) auf diesen - vermutlich auf 1650 zu datierenden - Brief. Bibliografía, S. 45f. Vitse revidiert das Urteil von Garcia Berrio auf dieser Grundlage und zählt Maria de Agreda zu den Theaterverteidigern. Eléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S.39 und S. 86. Der betreffende Brief ist allerdings in der Korrespondenz zwischen der Franziskanerin und dem Monarchen bis heute nicht aufgefunden worden. Im Vorjahr waren die Aufführungen durch die Besteuerung des Fleischkonsums finanziert worden. Die Villa de Madrid hatte schon damals gefordert, die autos auch in den Corra/-Theatern aufzufuhren, um die Finanzierung der Hospitäler zu sichern und dem Volk, das durch die Steuern indirekt für die Fronleichnamsfeierlichkeiten aufkam, auch die Möglichkeit zu geben, die Stücke zu sehen. Die Anfrage der Stadtverwaltung war 1647 aber unbeantwortet geblieben. John E. Varey/Norman D. Shergold: »Datos históricos sobre los primeros teatros de Madrid: prohibiciones de autos y comedias y sus consecuencias (1644-1651)«, S. 291 ff. So erinnerten die theaterbefurwortenden Mitglieder des Consejo an die »celebración en la venida de la Reina nuestra Señora á quien no es posible que con frecuencia y en muchos días se hagan fiestas mayores, para cuya prevención importa que desde luego corra la licencia, se formen las compañías y se empiecen á servir y disponer las representaciones y se traigan las personas que fueren á propósito para que con el interés que adquieren en este tiempo puedan salir lucidos.« »Consulta del Consejo Real de Castilla á su Magestad, dando dictamen para que se continuase la representación de las comedias en el año de 1648, que se habían mandado suspender«, in: Cotarelo: Bibliografía, S. 165-169, hier S. 169. Nach der erneuten Hochzeit Philipps IV. war die Hoftrauer offiziell beendet, so dass auf der Palastbühne bereits seit Dezember 1648 wieder Aufführungen stattfanden. Mariana de Austria wurde zudem nicht nur bei ihrer Ankunft in Tarragona mit einer Auffuhrung an Bord des Schiffs empfangen und von der Schauspieltruppe bis nach Valencia und Denia begleitet, auch ihr Einzug in Madrid wurde mit »arcos triunfales, danzas y comedias en tablados por las calles« gefeiert und das Auffuhrungsverbot für profane Theaterstücke somit ignoriert. Varey/Shergold: »Datos históricos [...]«, S. 296f. und S. 301.

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wiederholte Öffnung der Theater zur Finanzierung der autos sacramentales hatten aber schließlich in Madrid auch eine »licen9ia tacita« der Comedia zur Folge.7 Vor diesem Hintergrund beriefen die - durch das dreijährige Theaterverbot in finanzielle Schwierigkeiten geratenen - Verwalter des Hospital General von Valencia am 26. August 1649 eine Versammlung von Universitätsprofessoren, Zensoren des Heiligen Offiziums und Theologen der ortsansässigen Orden ein, um durch ein offizielles Votum auch in Valencia die Wiedereröffnung der Theater durchzusetzen. Die Mehrheit der Junta sprach sich mit dem Hinweis auf die Tugend der Eutrapelie und unter der Maßgabe, »[que no haya] cosas muy torpes y muy provocativos á sensualidad en ellas« für die Wiederaufnahme der Auffuhrungen aus.8 Der bekannte Priester Luis Crespi de Borja, der das Votum ebenfalls unterzeichnet hatte, widerrief sein Urteil jedoch einen Tag nach dem Erscheinen der von den - an einer schnellen Entscheidung interessierten - Krankenhausverwaltern rasch veröffentlichten Resolución und konstatierte aufgrund der von ihm ausgemachten moralischen Unmöglichkeit, die Auffuhrungen von Unsittlichkeiten zu befreien: »siento que no se deben conducir á Valencia, ni permitir en ninguna parte de la cristiandad.«9 Der Breve discurso von Diego de Vieh, der das Votum der im Hospital General einberufenen Kommission bestärkt, liest sich vor diesem Hintergrund wie eine Replik auf den Widerruf von Crespi de Borja, den Vieh zwar nicht namentlich nennt, auf dessen scharfe Predigten gegen das Theater er aber mehrfach anspielt.10

7

8

Der Verpächter der corrales Juan García de Albertos hatte bereits 1648 bessere Konditionen gefordert, als die zwanzigtägige Aufführungserlaubnis fflr die autos sacramentales zur Finanzierung derselben um weitere zwanzig Tage verlängert worden war, »porque [...] los autores no tienen si[no] autos viexos y echos y las conpafiias no son formadas de ración y representación y nos a de costar mucho el azerlos representar por el poco vtil que tienen«. Varey/ Shergold: »Datos históricos [...]«, S. 316. Die Konsequenz hieraus musste die Duldung der Aufführung profaner Stücke sein, die sich dann auch zum Ende des selben Jahres allmählich durchsetzte. So verpflichtete sich García de Albertos in einem Vertrag, der Stadt »todos los maravedís que montare el aprouechamiento de los dichos corrales de las comedias de los autos o comedias que en ellos [...] se representaren desde [...] que comento la comedia de Agradecer y no amar en adelante por todo el tienpo que para ello vbiere permission o licencia tacita o expresa« (S. 318) zu zahlen. Diese Entwicklung legt die Bedeutung der religiösen Stücke für die Erhaltung bzw. Wiedereröffnung des profanen Theaters offen, hatte doch die AufTührungserlaubnis für die autos in den öffentlichen Theatern schließlich zur Tolerierung der Comedia geführt.

Cf. die »Resolución de lo que se decretó en la Junta del Hospital general de Valencia, en 26 de Agosto de 1649. Valencia 1649«. Cotarelo: Bibliografía, S. 578f. 9 Cf. die »Retractación« von Crespi de Boija bei Cotarelo: Bibliografía, S. 198. 10 Da Viehs Schrift nicht datiert ist, können nur Vermutungen über den Zeitpunkt ihrer Erstellung geäußert werden. Ohne den Widerruf von Crespi de Borja wäre eine Bestärkung des Entschlusses der Junta jedoch kaum nötig gewesen, so dass die »Retractación« vom 8.9.1649 als wahrscheinlicher Terminus post quem gelten kann. Das Urteil von Crespi de Boija musste aufgrund der Bekanntheit des Priesters zudem von besonderem Gewicht sein. So hatte Crespi nach einer Italienreise die von Philipp Neri gegründete Priestergemeinschaft der Oratorianer, die u.a. die Seelsorgetätigkeit der Priester fordern sollte, in Valencia eingeführt. Zudem war er in Valencia für seine theaterfeindlichen Predigten bekannt, die er 1649 auch als moraltheologische Abhandlung verfasst und den »Jurados« von Valencia gewidmet hatte: Respvesta a vna consvlta, sobre si son licitas las comedias qve se vsan en España. Dala con vn sermón qve predico de la materia el Doctor Don Luis Crespi de Borja, Presbítero de la Congregación del Oratorio de San Felipe Neri, Arcediano de Morviedro, y Pauordre en la Santa Iglesia Metropolitana de Valencia, Catedrático de prima de Teología, y Examinador della en la Vniversidad de la misma Ciudad, Calificador del Santo Oficio, y Examinador Sinodal. Dedícala a los mvy ilvstres señores Iurados de la insigne ciudad de Valencia, Seuerino Feo Esforcia generoso, primero de los Caualleros, Iusepe Luis Gómez, primero de los Ciudadanos, Martin Perez de Roa generoso, Pedro luán Pujadas, Vicente Luis

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Erst die Bemühungen der Stadtverwalter von Valencia, die im Mai 1650 eine weitere Petition an den Monarchen richteten, um die Wiedereröffnung der Theater zu erwirken,11 führten 1651 schließlich zur offiziellen Aufhebung des 1646 verhängten und in Madrid bereits seit 1649 weitgehend ignorierten Aufführungsverbots. 12

1.3

Die Sonderstellung des Breve discurso innerhalb der /ici7i#Theater< mit seinen Schauspielern und Zuschauern nicht in den Blick. Als humanistisch geprägtem Laien geht es ihm vielmehr darum, die grundsätzliche Zulässigkeit dieses profanen Vergnügens gegenüber dem Zugriff der theologischen Kultur zu verteidigen, wobei er sich inhaltlich an das Urteil der Mitglieder des Kastilienrats anlehnt, die 1648 mit einer ähnlich selbstbewussten Argumentation, in der sie darauf hinwiesen, »[que] no es posible reducir toda una república á vida perfecta«, für die Wiedereröffnung der Theater plädiert hatten.14

Vallès olim Especies, y Vicente Esquerdo, al mesmo Iusepe Luis Gómez Racional, y Mateo Moliner Sindico de la misma Ciudad. Con Licencia. En Valencia, en casa de los heredores de Chrysostomo Garriz, por Bemado Noguès, junto al molino de Rouella, Año 1649. Vom Bekanntheitsgrad des Oratorianers und späteren Bischofs (ab 1651 von Orihuela, 1658 von Plasencia) zeugt auch der Wiederdruck dieser Schrift innerhalb der Polemik um die Theaterverteidigung des Trinitariers Manuel de Guerra y Ribera (cf. Exkurs IV, 2.). 11 Cf. die »Exposición que los Jurados de la ciudad de Valencia y los Administradores de su Hospital, dirigieron al Rey«. Cotarelo: Bibliografía, S. 578. 12 So nahm das Dekret zur Aufhebung des Theaterverbots vom 15.2.1651 auch auf die inoffizielle Tolerierung der Auffuhrungen in Madrid Bezug und erteilte auf dieser Grundlage eine ausdrückliche Auffuhrungserlaubnis auch für Valencia: »En esta corte se ha ido tolerando el que haya comedias de historias, y en la forma que el Consejo tendrá entendido; y si este año se permitieren podrá correr en Valencia lo mismo, precediendo su examen y moderación al ejemplo de lo que se hiciere aquí, pues el conceder á los pueblos algún lícito desahogo parece preciso.« Cotarelo: Bibliografía, S. 635. (Die Hervorhebungen sind von Cotarelo. Die Einschränkung »si este año se permitieren« erklärt sich daraus, dass die Verfügung während der Fastenzeit veröffentlicht wurde, während der die Theater freilich geschlossen waren). 13 So beendet er seinen kurzen Traktat mit den Worten: »Pues a Dios gracias, de que aya Comedias, o las dexe de auer, se me da muy poco.« Vich: Breve discurso, S. 8. 14 Bibliografia, S. 167. Die Consulta del Consejo Real de Castilla wird im Folgenden zitiert, ohne jeweils daraufhinzuweisen, dass es sich hierbei um ein Minderheitsvotum handelt. Cf. supra: Anm. 6.

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Viehs Sicht des »oeio« und der Freizeitgestaltung: Aufhebung des Gegensatzes zwischen Theater und Predigt

Vieh erkennt, dass die Comedia als Ausdruck der neu aufkommenden profanen Kultur eine Konkurrenz für die bisher dominante theologische Kultur darstellt, und entlarvt die auf das Theater bezogenen Verbotsforderungen der klerikal geprägten Theatergegner als fehlgeleiteten Versuch, ihre gesellschaftliche Vormachtstellung beizubehalten und den >Kampf< um die Freizeit der Menschen zu gewinnen. So erklärt er ohne Umschweife, dass auch ein Theaterverbot die Kirchen nicht ipso facto fülle und das Volk zu Askese und Ordenszucht treibe: »Y persuadirse, que la privación de las Comedias ha de ser medio proporcionado para atraer inmediatamente Cachibeatos al Oratorio, y al silicio y diciplina, es dictamen por lo violento peligroso« (S. 7).

Statt auf Zwang und Disziplinierungsmaßnahmen, setzt er folglich auf Nachsicht und gütige Milde und appelliert an seine Adressaten: »Concédasele, pues, a la misera condicion humana, algún desahogo, y mas en estos tiempos tan afligidos y amenazados, no sea todo asombros, infiernos, condenación y llanto: ni lo rígido ocupe siempre el mejor lugar, tenga alguno la blandura, pues en nuestra enseñanza se le dio tan bueno el Maestro de Maestros en su predicación, y discurso de vida« (S. 7).

Indem Vieh betont, dass die condition humaine gerade in Zeiten der Not nach Zerstreuung und Ablenkung verlangt, stellt er sich gegen die Argumentation der klerikal geprägten Theatergegner, dass sich der Mensch in Zeiten der Misere erst recht den Vergnügungen des Lebens zu verschließen habe, um Gott für die weltlichen Angelegenheiten gnädig zu stimmen. Damit weist er implizit auch die Interpretation der Theatergegner zurück, die sozialen und politischen Krisen Spaniens seien die Strafe Gottes für die - durch das profane Theater verursachten - Sünden der Menschen, wodurch er auch die Begründung des gegenwärtigen Theaterverbots geschickt aushebelt.15 Dies macht deutlich, dass Vieh von einer weltimmanenten Sicht des Menschen ausgeht, ohne aber von der christlichen Doktrin abzuweichen. Vielmehr ergänzt er den Perspektivenwechsel von der bisher dominanten theozentrischen zu einer anthropozentrischen Weltsicht durch einen Paradigmenwechsel, der das Gottesbild betrifft: So ersetzt er mit Berufung auf das Vorbild Christi den fordernden und strafenden durch einen nachsichtig-liebenden Gott und plädiert für eine Religion, die auf Gottesliebe statt auf Gottesfurcht basiert. Gleichzeitig führt er den Vertretern der klerikalen Kultur pointiert vor Augen, dass eine auf Repression beruhende Religion weder bei allen Gläubigen den gewünschten Erfolg erziele noch im Sinne des christlichen Glaubens sei.16 Damit 15 Cf. supra: Anm. 4. Auch die Mitglieder des Consejo de Castilla hatten die übliche Argumentation der Theatergegner, der Verzicht auf alle Vergnügungen sei gerade in Krisenzeiten erforderlich, bereits umgedreht und ausgehend von der Zulässigkeit der Comedia unter Philipp III. argumentiert: »Y pues esto fué justo en aquel tiempo en que se gozaba paz y tranquilidad y los enemigos de esta corona, no la fatigaban con tan continuas guerras, agora que se hallan los vasallos afligidos con ellas y con las calamidades y agravaciones que siempre traen consigo, es más forzoso no negarles este alivio.« Cotarelo: Bibliografía, S. 166. Mit der Betonung eines anthropologischen Bedürfnisses nach Zerstreuung repliziert Vieh zudem auf Crespi de Boija, der in seiner Predigt ebenfalls auf der gegenwärtigen Krisensituation Spaniens insistiert hatte: »Dexadme, pues, amigos y fieles, llorar, pues veo sin remedio males tan grandes; las guerras nos oprimen, las calamidades nos cercan, las insolencias no menguan.« Cotarelo: Bibliografía, S. 195. 16 »[...]; y esto de la dirección de las almas, ya se sabe que requiere mas la maña que la fuerza, y que la Naturaleza, no en vano puso en los humores de los hombres la misma variedad que en los rostros, y aun

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weist Vieh den Versuch der klerikalen Kultur zurück, den Laienstatus als unzureichende Imitation eines gottgeweihten Lebens zu definieren und setzt der strengen Frömmigkeit der sich als auserwählt begreifenden perfecti einen frommen Humanismus entgegen, der sich trotz seiner anthropozentrischen Ausrichtung nicht von der christlichen Lehre entfernt. Da er den auf Kulpabilisierung und Zwang beruhenden Alleingeltungsanspruch der theologischen Kultur ablehnt, weist er auch der Comedia als Ausdruck der sich neu entwickelnden profanen weltzugewandten Kultur einen legitimen Platz in der christlichen Lebensführung zu, wobei er Predigt und Comedia explizit in Beziehung zueinander setzt und ihre von den Theatergegnern hervorgehobene gut-böse-Opposition programmatisch aufhebt, wenn er bemerkt: »[...] y puede ser, que no de todos los Sermones se haya sacado el fruto que se pretende, ni de todas las Comedias el dafio que se presume« (S. 8).

Indem Vieh die verallgemeinernde Gegenüberstellung von schädlicher Comedia und nutzbringender Predigt auf die »exageraciones vozeadas [de los Sermones]« (S. 8) zurückführt, kritisiert er zudem den manipulativen Ton der Predigt und stellt ihren - für das Selbstverständnis der theologischen Kultur konstitutiven - Wahrheitsanspruch in Frage. So erkennt er aus der Perspektive des humanistisch gebildeten Laien, dass die Forderungen der theologischen Kultur nach Weltabkehr und Entsagung aller Vergnügungen mit der Lebenswirklichkeit und Alltagspraxis der Laien unvereinbar sind, und weist sie als für den Laien nicht in Frage kommendes Vollkommenheitsideal zurück.17 Indem er für eine Religion plädiert, die Liebe und Nachsicht verkündigt und die Bedürfnisse des Einzelnen in den Blick nimmt, anstatt sich auf Disziplinierung und normative Allzuständigkeit zu berufen, nähert er sich einem säkularen, sich nicht konstitutiv auf die religiöse Praxis beziehenden Selbstverhältnis und -Verständnis des Menschen, der die ihn betreffenden Entscheidungen - so auch, das Theater zu besuchen oder zu meiden - in Selbstverantwortung treffen kann.

3 3.1

Die Beurteilung der Comedia aus der Perspektive eines Laien Wider die Allzuständigkeit des Klerus: Plädoyer für die Autonomie des Menschen

Vieh leitet seinen Diskurs programmatisch mit der Hervorhebung der Autonomie des Einzelnen gegenüber dem Allzuständigkeitsanspruch der klerikalen Kultur ein und stellt den Besuch der Comedia in den Entscheidungs- und Verantwortungsspielraum des Individuums: los brutos nos lo enseñan, pues el mismo freno que reporta la furia de vn cauallo, precipita a otro. [...] Y puesto que la prouidencia conserue en iguales balanças al amor y al temor, lo que veo es; Que quien ama a Dios, le ha de temer por fuerça; y muchas vezes, el que le teme no le ama.« Vich: Breve discurso, S. 7f. Durch die chiastische Verschränkung von Gottesliebe und Gottesfurcht unterstellt Vich den rigoristischen Theologen subtil, Furcht und Liebe miteinander zu verwechseln, wobei er hierdurch nicht nur andeutet, dass sie in der Glaubensunterweisung der Laien fehlgehen, sondern auch die Angemessenheit ihrer Glaubensgrundlage in Frage stellt. 17 Auch hier lehnt er sich an das ebenso deutliche Votum der Mitglieder des Kastilienrats an: »El pueblo, en la estimación de los cuerdos y bien entender de políticos, se debe regir por diferentes atenciones que las comunidades pequeñas y asidas á la estrecheza [sic!] y profesión religiosa, [...], y no es posible reducir toda una república á vida perfecta estando declinada la naturaleza, introducidas ya sus quiebras en los vivientes menos fuertes y más delicados, es conveniencia sobrellevarlos dentro de los términos de la razón«. Cotarelo: Bibliografía, S. 167.

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»Siempre he tenido por acuerdo bien escusado remitir semejantes platicas a la sagrada Teología, pues en quanto al oir Comedias, cada vno puede y deue ser, como en otros casos de nuestra Católica Religion, el mejor Teologo de si mismo.« 18

Sein Vertrauen auf das Urteilsvermögen des Einzelnen muss für die klerikale Kultur eine Beschneidung ihres traditionellen Einflussbereichs sowie eine Herausforderung ihres Weltund Menschenbildes bedeuten, rechtfertigt sie ihre Disziplinierungs- und Kontrollmaßnahmen doch auf der Grundlage eines anthropologischen Pessimismus, der dem Menschen jede Entscheidungsfahigkeit in moralischen Angelegenheiten abspricht. Während Vieh somit die Zuständigkeit der Theologen für alle genuin weltlichen Angelegenheiten offensiv in Frage stellt, entfernt er sich aber auch hier keineswegs von der Kirche, sondern begründet die Legitimität der Comedia im Gegenteil - unter Andeutung der Inkonsequenz der Vertreter der klerikalen Kultur - mit ihrer allgemeinen Akzeptanz seitens der Kirche, indem er sich auf die »ordinaria assistencia [...] de tantos Principes seculares y Eclesiásticos« und das »auella [sc. la comedia] oido muchas vezes en el Palacio del Señor Arzobispo Don Ysidoro, y algunas en la Inquisición, y en Predicadores« (S. 6)

beruft. Folglich bezichtigt er die Theatergegner subtil, der Kirche zu unterstellen, bisher einer Irrmeinung gefolgt zu sein und ironisiert in Anspielung auf Crespi de Borja, der mit seinen Predigten auftrete »como Elias en los [tiempos] del Ante-Christo, á quitar la benda á tantos ojos santos y Doctos«, nicht nur die pastoralen Bemühungen, die Comedia zur Todsünde zu erklären, sondern stellt die Theatergegner durch den Vergleich mit Elija auch in den paganen Kontext der Kirchenväter,19 von deren Theaterkritik er sich selbst ausdrücklich löst. Mit subtiler Ironie bezeichnet er das Engagement der Theologen für das ComediaVerbot dabei als »zelo santo«, den er aber noch im selben Satz als »sutileza diabólica« entlarvt: So legt Vieh schonungslos offen, dass die Theologen aufgrund der Beschäftigung mit lauter - zudem nicht in ihre Zuständigkeit fallenden - Nebensächlichkeiten die wirklich wichtigen Angelegenheiten vernachlässigen, was er in Anspielung auf die von Philipp IV.

18 Vieh: Breve discurso, S. 5. Die Brisanz dieser Aussage wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass sich der Großteil der Theatergegner - so Guzmán, Hurtado und auch Crespi de Boija - dem Appell des Jesuiten Francisco de Ribera zur gemeinschaftlichen Agitation gegen die Comedia angeschlossen hatte. Eines der wohl prägnantesten Beispiele für die von den Theologen beanspruchte Zuständigkeit für das Theater sind die Briefe des bekannten Erzbischofs von Sevilla, Pedro de Tapia, der 1649 Juan de Santo Tomás aufforderte, seine Position als Beichtvater Philipps IV. zu nutzen, um den Monarchen zur Abschaffung der Theater zu bewegen. Tapia schließt seinen Brief über die Unzulässigkeit der Comedia mit den Worten: »Otras cosas que tocan al gobierno político dejo por no ser tan propias de mi profesión.« In einem weiteren Brief unterstreicht er seine Zuständigkeit als Bischof erneut: »Lo mucho que deseo el bien de su Magestad me hace entrar en este género de negocios y cosas, y el ver que su Magestad da título de su Consejo á los obispos, y no sé en qué materia les toque más propiamente que en estas cosas.« Bibliografía, S. 563-566. 19 »[...]; y no quiero creer, que la Yglesia en esta parte aya viuido engañada hasta oy, y que Dios tenia reseruado el sugeto que me dizen ha predicado por pecado mortal el componellas, oillas, y representallas, para que viniesse en nuestros tiempos, como Elias en los del Ante-Christo, á quitar la benda á tantos ojos santos y Doctos, y nos alumbrasse á todos de la ceguera en que hasta oy en su opinion hemos viuido.« Vich: Breve discurso, S. 6. Elija galt in der alten Kirche als Eiferer für Gott, der mit seinem vorbildlichen Gebets- und Tugendleben das christliche Mönchtum inspirierte und dessen Wiederkunft erwartet wurde. Johannes M. Nützel: »Elija. V. Kirchengeschichte«, in: LThK, Bd. 3 (1995), Sp. 597f. Auch dieser ironische Vergleich legt offen, dass sich Vich von einer monastisch konzipierten Frömmigkeit, die auch außerhalb der Klostermauern zu verwirklichen ist, distanziert.

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dekretierte Kleiderreform bis zur Lächerlichkeit bzw. z u m Vorwurf der sozialen Verantwortungslosigkeit steigert: »Inundaua los días pasados de sangre Christiana esta Ciudad y Reyno [...] y rompíanse las cabegas, y los pulpitos los Predicadores: en si las mugeres auian de atacarse de pescuezos, y circuncidarse de faldas, [...].«

3.2

Die historische Entwicklung der Comedia und die Bedrohung ihrer Existenz

N a c h d e m Vieh klargestellt hat, »[que] la Comedia de que se trata, no es la que condenan los Santos antiguos, y de su autoridad algunos Autores modernos«, 2 1 rekapituliert er kurz die geschichtliche Entwicklung der spanischen Comedia: »Sacaronla despues a la luz del dia, los Autores Lope de Rueda, y Naharro. Era de quatro jornadas, y nuestro Capitán Artieda, fue el primero que la puso en tres Y luego en mayores chapines Lope de Vega, y Miguel Sanchez en Castilla, Gaspar Aguilar, y el Canonigo Tarrega en Valencia« (S. 5). Indem er R e y de Artieda die Reduzierung der Comedia auf drei Akte zuschreibt und mit Aguilar und Tárrega z w e i weitere Theaterautoren aus Valencia nennt, hebt er nicht nur die reiche Theaterkultur seiner Geburtsstadt hervor, sondern verbindet die Theatertradition von Valencia auch implizit mit der Entstehung der Comedia Nueva. A u s g e h e n d v o n diesen ästhetischen Überlegungen, die V i e h nicht zuletzt als Befürworter einer humanistisch-klassizistischen Theatertradition kennzeichnen, 2 2 geht er zur Darstellung der moralischen Debatte über. S o verweist er auf die existenzielle Bedrohung der Comedia unter Philipp II., die er auf das Engagement der Jesuiten zurückfuhrt, 23 lässt das v o m Monarchen 1598 verhängte

20 Vieh: Breve discurso, S. 7. Vieh scheint hier auf die blutigen Aufstände der vierziger Jahre in Katalonien, Aragón und Andalusien anzuspielen, denen er die - offensichtlich von Theologen angestoßene Kleiderreform durch Philipp IV. (cf. supra: Anm. 4) entgegenstellt. Die Gesetzesinitiative der Theologen wird von Casiano Pellicer bestätigt, der die 1644 als Bedingung zur Wiedereröffnung der Theater geforderte Mäßigung der Kleider - vor allem der Dekolletees der Schauspielerinnen - wie folgt kommentiert: »Esta moda llamada el Degollado [...] consistía en usar las mugeres unos jubones escotados, que daban lugar á descubrir la garganta, la espalda y los pechos, cuyo escandaloso uso, despues de haber dado copiosa materia á los Teologos moralistas, dió motivo á un Real Decreto, que le prohibió, permitiendole solamente á las mugeres publicas.« Tratado histórico, T. 1, S. 218. 21 Auch hier folgt er dem Urteil der sechs Mitglieder des Kastilienrats, die ausgehend von der zeitlichen Einordnung der Kirchenvätertexte konstatiert hatten, »que bien examinadas las autoridades y los tiempos en que escribieron manifiestamente se prueba que tratan no de la calidad de las comedias que hoy se hacen sino de aquellas representaciones antiguas«. Cotarelo: Bibliografía, S. 168. 22 So nennt er mit Artieda, Tárrega und Aguilar drei Autoren, die in der Bemühung um eine Literarisierung des Theaters eine Symbiose zwischen dem anspruchsvollen humanistischen Theater und der vornehmlich auf Unterhaltung ausgerichteten spanischen Theaterpraxis zu schaffen versuchten. Auch die moderne Kritik weist den drei Autoren eine bedeutende Rolle in der Entwicklung der Formel der Comedia Nueva zu. Unbestritten ist zumindest, dass sich der wegen Liebeshändel zwei Mal nach Valencia verbannte Lope de Vega von der dortigen Theaterkultur beeinflussen ließ. Cf. Manuel Sito Alba: »El teatro en el siglo XVI (desde finales de la Edad Media a comienzos del Siglo XVII). II. El hecho literario«, in: José María Diez Borque (Hg.), Historia del teatro en España, T. 1, vor allem S. 319-371. Auch der von Vieh genannte Miguel Sánchez Requejo wird bisweilen - so von Stefano Arata - als »modelo para una reformulación de la gestación y el nacimiento de la Comedia Nueva« vorgeschlagen. Héctor Urzáiz Tortajada: »1.28.5. Miguel Sánchez«, in: Javier Huerta Calvo (Hg.): Historia del teatro español, T. 1, S. 866. Die Erwähnung des Autors von Vieh im Zusammenhang mit der Entwicklung der Comedia könnte diese These unterstützten. 23 Vieh behält hier die schon für die Darstellung der theatergeschichtlichen Entwicklung gewählte positiv konnotierte Wachstumsmetaphorik bei: »Siendo ya mayorcilla [sc. la comedia], padeció naufragios

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Theaterverbot - im Konflikt zwischen seiner eigenen Auffassung und dem gebotenen Respekt gegenüber der Entscheidung des Monarchen, in dessen Dienst er zudem stand, - allerdings unerwähnt. 2 4

3.3

Widersprüche (1): die Zulässigkeit der Bordelle versus das Verbot der Comedia

In Anspielung auf die Mehrheit der Theatergegner, die das Verbot der Comedia aufgrund ihrer Breitenwirkung für dringlicher erachtet als die Abschaffung der - aus ihrer Sicht zudem größere Übel verhindernden - Bordelle, stellt V i e h die Paradoxie heraus, dass die Comedia verbannt, die »Casa publica, [...], donde la ofensa de D i o s no tiene replica« (S. 6) aber toleriert werde. Damit setzt er den klerikal geprägten Theatergegnern geschickt eine christlich inspirierte Argumentation entgegen, die er zudem auf ironischer Ebene mit dem Schaden bzw. Nutzen verbindet, der dem Krankenhaus durch beide Institutionen entsteht, »[...] pues de la vna [sc. la casa pública] solamente le resulta aver de acoger las mugeres que allá se van como á Picina cierta y propia para dexar en ella las inmundicias del pecado, y boluerse a el mas esforzadas: y de la Comedia vemos todos, que el subsidio con que se socorre cada día (es tan importante que sin el, y supuesta la calamidad de los tiempos) dudan las personas que en su administración tienen la mano y el entendimiento, que pueda aquel prodigio de caridad y limosna continuarse, aun horas sin milagro« (S.5). Hiermit hebt V i e h nicht nur die Abhängigkeit der Krankenhäuser von der Subventionierung durch die öffentlichen Theater hervor, 25 sondern stilisiert die Aufführung profaner Theaterstücke gleichsam zum Werk der christlichen Nächstenliebe. grandes, y se vio muy apique de perecer; porque la Señora Infanta Doña Ysabel Eugenia Clara á instancia de los Padres de la Compañía, emprendió viuamente su destierro. El Señor Rey don Felipe Segundo á quien seruia yo entonces de paje, quiso dar gusto á su hija. Mandó tener sobre el caso muchas y graues juntas.« Vich: Breve discurso, S. 5. Der Name der Infantin taucht - geht man von den Exzerpten bei Cotarelo aus - in keiner anderen Schrift der licitud-Debatte auf. Vielleicht versucht Vich die Bedeutung der Verbotsforderung herunterzuspielen, indem er die Einberufung der Junta als Entgegenkommen des Monarchen an seine Tochter darstellt. Möglich ist aber auch, dass seine Darstellung korrekt ist, da er als Knappe Philipps II. direkten Einblick in die Geschehnisse am Hof hatte. Dass Vich die Societas Jesu als Initiatorin des Verbots nennt, mag sich auf die Jesuiten Francisco de Ribera, Pedro de Rivadeneira und Juan de Mariana beziehen, die das Theater zur Zeit Philipps II. verurteilt hatten. Zudem hat er aber gewiss auch die anhaltende Gegnerschaft der Mehrheit des Ordens im Blick. So sei verwiesen auf Jaime Albert (1629), Hurtado de Mendoza (cf. supra), Diego de Celada (1635) und Alonso de Andrade (1648). Cf. die jeweiligen Artikel in der Bibliografía von Cotarelo y Mori. 24 Stattdessen konstatiert Vich, dass die Debatte zu einem Gesetz führte, das den in Männerrollen auftretenden Schauspielerinnen das Tragen eines »trage de baquerillos« vorschrieb, und fugt vielleicht hiermit auf das Theaterverbot Philipps II. anspielend - hinzu: »y aun esse decreto se desuanecio por leue«. Breve discurso, S. 6. Die von Vich erwähnte Verfügung ist bei Cotarelo y Mori nicht verzeichnet. Vielmehr wurde Frauen der Bühnenauftritt 1596 gänzlich verboten. 1608, 1615 und 1641 wurde das Auftreten der Schauspielerinnen in Männerkleidung untersagt, wobei der Text von 1641 dem von Vich erwähnten »trage de baquerillos« am nächsten kommt: »Que las mujeres representen en hábito decente de mujeres, y no salgan á representar en faldellín sólo, sino que por lo menos lleven sobre él ropa, baquero ó basquiña, y no representen en hábito de hombres.« Eine spezielle Kleidungsvorschrift für die »mujer vestida de hombre« ist bei Cotarelo erst 1653 zu finden: So schreibt die Real orden [...] sobre el decoro en la representación de comedias von 1653 den Schauspielerinnen in Männerrollen vor, »que de ninguna manera se les descubran las piernas ni los pies, sino que esto esté siempre cubierto con los vestidos ó trajes que ordinariamente usan, ó con alguna sotana, de manera que sólo se diferenzie el traje de la cintura arriba«. Cf. den Appendix zur Gesetzgebung in der Bibliografia. 25 Die diesbezügliche Argumentation des Consejo de Castilla, an dessen theaterbefürwortendes Votum sich Vich anlehnt, ist durch ihre pragmatischen Beispiele hier um einiges krasser: »[...] es tanta la nece-

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3.4

Widersprüche (2): die Zulässigkeit der Comedia-Lektüre versus das Verbot ihrer Aufführung

D i e Verurteilung der »pobre comedia« weist Vieh auch mit der Begründung zurück, dass die Comedia-Bücher nicht in den Indices der Inquisition genannt werden. S o argumentiert er mit dem größeren Verfuhrungspotential des Buches gegenüber der Aufführung, »pues fei libro] penetra las clausuras mas retiradas, donde la imaginación sabe pintar y encarecer harto mas eficazmente que la vista« (S. 7). Mit der Hervorhebung der Imaginationskraft nimmt Vieh nicht nur geschickt eine Vorstellung der ignatianischen Exercitia spiritualia auf, sondern erklärt vor dem Hintergrund, dass die Inquisition den - viel gefahrlicheren - Druck der Comedia-Texte nicht verbiete, auch deren Aufführung für zulässig. 2 6 Hiermit repliziert er erneut auf Crespi de Borja, der betont hatte, dass die Theateraufführungen aufgrund der Unberechenbarkeit der schauspielerischen Umsetzung noch verwerflicher seien als die ohnehin unsittlichen Comedia-Bücher.27 Durch die Berufung auf die Inquisition, der die Zensur obliege w i e allen anderen die Unterwerfung unter ihr Urteil, klagt V i e h die Theasidad que padece el Hospital de los niños expósitos de San José y el General [...], que habiendo en el año pasado 500 niños, murieron más de 200, por no haber como pagarles las amas, y viendo esto quien los echaba, se resolvieron á arrojarlos en el río, donde se hallaron dos recién nacidos«. Cotarelo: Bibliografía, S. 168. Bemerkenswert ist im Zusammenhang mit der finanziellen Unterstützung der Hospitäler auch, dass Philipp IV. in der kurzen Zeit der Wiedereröffnung der Theater zwischen Ostern 1645 (nach der halbjährigen Unterbrechung der Aufführungen wegen des Todes der Königin) und ihrer endgültigen Schließung 1646 die Eintrittspreise der Comedia zur Versorgung der in den Sezessionskriegen mit Portugal und Katalonien verletzten Soldaten erhöht und dies ebenfalls als einen Dienst an Gott dargestellt hatte: »Habiendo reconocido lo mucho que importa al servicio de Dios nuestro Señor y míos y á la conservación de mis ejércitos el que los hospitales de ellos estén con la provisión cumplida y necesaria para la cura y regalo de los soldados heridos y enfermos, y deseando proveer y remediar esto y destinar para este efecto renta fija, segura, por hallarse mi Real hacienda muy gastada por tantos y continuos gastos inexcusables que se han ofrecido y ofrecen, y no poderse proveer de ella, mandé se buscasen medios, y habiéndome propuesto algunos, el menos gravoso y sin inconveniente á los vasallos de estos mis reinos, pareció el que todas las personas de ellos que entrasen á ver comedias pagasen un cuarto más de lo que al presente se ha acostumbrado [...]« (Bibliografla, S. 634). Dies legt nicht nur die finanzielle Abhängigkeit der Krankenhäuser vom Theater, sondern vor allem die wechselnde Instrumentalisierung der göttlichen Instanz offen: Argumentieren die Theatergegner mit der »ofensa de Dios« und interpretieren die Kriege folglich als seine - gerechte - Strafe für die sündige Vergnügung der Menschen im Theater, so wird Gott hier als >Bürge< für die notwendige Versorgung der Soldaten angeführt und ihm die Aufführung der Comedia folglich zu deren Sicherstellung >zugemutetocio urbano< und zur Verhinderung öffentlicher Unruhen auffasst. So versucht er zwar den Geltungsanspruch der Religion in weltlichen Belangen einzuschränken und plädiert für die Emanzipation des Gewissens aus der Kuratel der Kirche, indem er dem profanen Theater einen legitimen Platz in der Alltagsrealität der Laien zuspricht und den Besuch der Comedia in die Selbstverantwortung des Individuums stellt. Mit der Befürwortung eines Zensursystems, das die Übereinstimmung der Aufführungen mit den gesellschaftlich gültigen (moralischen) Normen sicherzustellen hat, unterwirft aber auch Vieh die Comedia letztlich der Vormundschaft von Staat und Kirche. Weit davon entfernt, dem Theater einen Autonomiestatus zuzugestehen, verteidigt er die Comedia somit als eine Art staatlich überwachtes und kontrolliertes regnum hominis. So spiegelt seine Position einerseits das Spannungsverhältnis zwischen dem frommen Humanismus und der strengen Frömmigkeit eines Teils des Klerus, das für den spanischen Barock charakteristisch ist,32 und legt andererseits die zentrale Integrationsrolle der Religion offen, die als Sozialisationsort der gesamten ständisch gegliederten Gesellschaft im Siglo de Oro eine so signifikante kulturelle Kraft darstellte, dass eine vollständige Loslösung von ihren Moral- und Normvorstellungen kaum denkbar war. Vor diesem Hintergrund bleibt der Breve discurso - abgesehen von der umfassenden Verteidigung der profanen Literatur eines Cervantes33 - sicherlich die »defensa más cumplida que podía pedirse de las representaciones escénicas« 34 .

32 Enrique Rivera de Ventosa: »§ 19. Kasuistik und Probabilismus«, in: Friedrich Ueberweg (Begr.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des 17. Jahrhunderts, Bd. 1/1: Jean-Pierre Schobinger (Hg.), Allgemeine Themen. Iberische Halbinsel. Italien. Völlig neubearbeitete Ausgabe. Basel: Schwabe & Co AG 1998, S. 476-486, hier S. 479. 33 Es sei daran erinnert, dass Cervantes in der viel zitierten Passage des Don Quijote die Legitimität und den Nutzen des dramatischen Vergnügens herausstellt, ohne eine - wie auch immer geartete - Zensur für nötig zu erachten: »[...] el principal intento que las repúblicas bien ordenadas tienen permitiendo que se hagan públicas comedias es para entretener la comunidad con alguna honesta recreación, y divertirla a veces de los malos humores que suele engendrar la ociosidad, y que pues éste se consigue con cualquier comedia, buena o mala, no hay para qué poner leyes, ni estrechar a los que las componen y representan a que las hagan como debían hacerse, pues, como he dicho, con cualquiera se consigue lo que con ellas se pretende.« Miguel de Cervantes: Don Quijote de la Mancha. Edición del Instituto Cervantes. Dirigida por Francisco Rico. Barcelona: Crítica 1998, S. 554f. 34 E. Serrano y Morales: Discurso de D. Diego Vich en favor de las comedias, S. 5. Diesem Urteil schließt sich auch García Berrio an. Cf. Intolerancia de poder y protesta popular en el Siglo de Oro, S. 62ff. Marc Vitse formuliert anhand der Schrift von Diego de Vich seine These von der - sowohl quantitativen als auch inhaltlichen - »indéniable laïcisation« der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters. Éléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S. 41. Die Argumentation aus einer genuin laikalen Perspektive ist - wie ausführlich dargelegt wurde - für Diego de Vich sicherlich zutreffend und gilt auch für das zitierte Minderheitsvotum des Consejo de Castilla. Ob eine solche Tendenz aber für die licitud-Texte nach 1650 insgesamt festzumachen ist, müsste anhand der Untersuchung eines breiteren von Laien verfassten Textkorpus' nachgewiesen werden.

V, V Manuel de Guerra y Ribera: Aprobación. Theaterverteidigung eines Trinitariers zur Genehmigung der Verdadera Quinta Parte von Calderóns Comedias. 1 Kurzpräsentation von Autor und Werk 1.1 Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext Manuel de Guerra y Ribera wurde am 2. Februar 1638 in Madrid geboren und trat mit Fünfzehn in den Trinitarierorden ein. Nach dem Theologiestudium übernahm er den Lehrstuhl für Philosophie in Salamanca und stieg innerhalb seines Ordens zum Oberen der Ordensprovinzen von Kastilien, León und Navarra auf. 1676 wurde er - vermutlich unter positiver Einflussnahme durch Calderón de la Barca - von Karl II zum Hofprediger ernannt.1 Bemerkenswerter als seine Karriere als Geistlicher ist jedoch Guerras Involvierung in die spanische Politik und seine Parteinahme für den unehelichen Sohn Philipps IV., Juan José de Austria: So hatte Mariana de Austria, die nach dem Tod Philipps IV. die Regentschaft für den erst vierjährigen Karl II. übernahm, die Regierungsgeschäfte de facto ihrem Beichtvater, dem deutschen Jesuitenpater Eberhard Niethart übertragen, den sie 1666 zum Generalinquisitor ernannte und in den Staatsrat erhob. Der in Spanien beliebte Juan de Austria, den Philipp IV. zwar als Sohn anerkannt, jedoch von der Mitwirkung an der Regentschaft ausdrücklich ausgenommen hatte, mobilisierte 1669 die Opposition gegen Niethart und setzte dessen Verbannung durch. Als Anhänger von Juan de Austria zog Guerra folglich auch die Gegnerschaft Nietharts auf sich, den er zudem in einer Predigt vor Juan de Austria - derzeit Vicario General von Aragón - öffentlich angegriffen hatte. Die von Juan de Austria veranlasste Veröffentlichung des Predigtbandes führte zum offenen Konflikt zwischen Guerra und der Societas Jesu,2 der in eine »guerra sorda que se tradujo en papeles satíricos manuscritos«3 mündete. Der Austausch der Schmähschriften stieg an, als Juan de Austria 1776 nach einem Putsch die Führung der Regierungsgeschäfte übernahm und Guerra den neuen Regenten in einer weiteren Schrift gegen die Angriffe der Jesuiten ver-

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Guerra bezeichnet Calderón in seiner Aprobación als »Informante en mis pruebas de Predicador de su Magestad«. Calderóns Einfluss auf die Amtvergabe ist jedoch nicht nachgewiesen. Andrés Soria Ortega: El Maestro Fray Manuel de Guerra y Ribera y la oratoria sagrada de su tiempo. Estudio preliminar por Francis Cerdán. Granada: Servicio de Publicaciones de la Universidad de Granada 1991, S. 61. Laut Cotarelo wurde Guerra von dem zum Generalinquisitor ernannten Niethart für die Veröffentlichung des Predigtbandes mit einem zweijährigen Exil bestraft, von dem er jedoch durch Einflussnahme von Juan de Austria begnadigt wurde. Bibliografía, S. 330. Soria Ortega weist allerdings auf die ungesicherte Informationslage hin. El Maestro Fray Manuel de Guerra y Ribera y la oratoria sagrada de su tiempo, S. 64. In der gegen Guerra gerichteten Schrift Arbitrage politico-militar, die dem Jesuiten Juan Cortés Ossorio zugeschrieben wird (cf. infra), wird Guerras Aufbruch nach Portugal als Flucht vor dem Urteil der Inquisition dargestellt. Arbitrage politico-militar. [...]. Salamanca: Lucas Perez 1683, S. 14. Der Austausch der Schmähschriften und die Gegnerschaft zwischen dem Trinitarier und der Societas Jesu, die sowohl für Guerras Intervention in die licitud-Debatte eine Rolle spielten als auch die durch seine Theaterverteidigung entfachte Polemik intensivierten, werden aus zeitgenössischer Perspektive von Antonio Carrillo dargestellt, dessen Werk Cotarelo als >articulo-guia< für die von Guerras Aprobación ausgelöste Polemik bezeichnet: Theatro de la contienda trágica de las Comedias, en que se proponen los papeles de diferentes Authores, y se resuelve la controversia-polytica ventilada en la corte en este año de 1683. Bibliografía, S. 138-140, hier S. 138. Carrillo entschlüsselt auch die Pseudonyme der Abhandlungen, die auf die Aprobación replizieren. Das interessante Manuskript, das Cotarelo in Teilen exzerpiert, konnte bisher nicht aufgefunden werden. Ein Antonio Carrillo ist auch bei Sommervogel und Palau y Dulcet nicht verzeichnet.

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teidigte. 4 Mit dem Tod von Juan de Austria, der auf die jesuitischen Schmähschriften mit einer Reihe von Gefängnis- und Exilstrafen reagiert hatte, war die Bedrohung fiir die Jesuiten ausgelöscht. S o wurde Guerra seit N o v e m b e r 1679 von Nietharts Anhängern, die 1680 auch das Verbot seines Predigtbandes durchsetzten, o f f e n verfolgt. 5 1691 z o g er sich aus Krankheitsgründen in ein Konvent bei Valencia zurück, w o er am 19.1.1692 starb.

1.2

Entstehungskontext der Aprobación

Guerras Aprobación erscheint, als sich das Theater nach dem Tod von Calderón bereits in der Phase des Niedergangs befindet. N a c h einer einjährigen Schließung der Theater anlässlich des Todes Philipps IV. waren die corrales durch den Mehrheitsbeschluss des Consejo de Castilla zwar seit 1666 wieder geöffnet, 6 in der Folgezeit erschien j e d o c h - auch von Regierungsmitgliedern 7 - eine Reihe theaterfeindlicher Schriften, die immer wieder das Verbot der Aufführungen forderten. N a c h d e m der bekannte Rechtsgelehrte Francisco Ram o s del Manzano 1677 in seiner juristischen Abhandlung Ad Leges konstatiert hatte, »que

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Visita de la esperanza, y el tiempo. Dialogo en obsequio de la verdad y convencimiento de las calumnias que fomenta la malicia de las justas operaciones del señor D. Juan de Austria. (Texto impreso posterior a 1675). Die Societas Jesu reagierte auf Guerras Werk mit der - Juan Cortés Ossorio zugeschriebenen - Schrift Conferencia verdardera en la Venta de Viveros, en que se examina el papel intitulado: La visita de la Esperanza, y el Tiempo. Cotarelo: Bibliografía, S. 331. Palau y Dulcet: Manual del librero hispanoamericano, T. 4 (1951), S. 149. Cortés Ossorio verfasste eine Reihe scharfer Polemiken gegen Juan de Austria. Cf. Carlos Sommervogel: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus, T. 2 (1891), Sp. 1489-1492 und Bartolomé José Gallardo: Ensayo de una Biblioteca Española de libros raros y curiosos, T. 2 (1866), Sp. 595-606. Bei Gallardo (und in dessen Nachfolge bei Cotarelo und Palau a.a.O. sowie bei Uriarte: Catálogo razonado de obras anónimas y seudónimas de autores de la Compañía de Jesús pertenecientes à la antigua asistencia española, T. 1 (1904), S. 48f.) wird der Jesuit zudem als Autor der gegen Guerras Aprobación gerichteten theaterfeindlichen Schmähschrift Arbitrage politico-militar identifiziert, was wiederum auf eine Verbindung der licitud-Debatte mit der politischen Debatte um Juan de Austria hindeutet bzw. die Gegnerschaft zwischen Guerra und den Jesuiten als maßgeblichen Hintergrund der langen Polemik um die theaterverteidigende Schrift des Trinitariers ausweist.

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Aus einem Cortés Ossorio zugeschriebenen Brief geht hervor, dass eine breite Öffentlichkeit die Ereignisse um Guerra und Juan de Austria verfolgt haben muss, so konstatiert der Verfasser am 20.6.1680: »Ha sido materia muy ruidosa, y en que discurre el vulgo criminalmente.« Zitiert nach Gallardo: Ensayo de una Biblioteca Española de libros raros y curiosos, T. 4, Sp. 1254. Die bei Gallardo exzerpierten Briefe berichten zudem von den Personen, die aufgrund der schriftlichen Anfeindung von Juan de Austria inhaftiert und exiliert wurden. Die Königinregentin hatte die Theater zunächst schließen lassen »hasta que el Rey, mi hijo, tenga edad para gustar de ellas«. Eine Petition der Villa de Madrid konnte diese lange Schließung jedoch verhindern. So wurden die Theater nach Befragung des Kastilienrats, dessen Mehrheit sich fiir die Fortsetzung der Aufführungen aussprach, am 30.11.1666 wiedereröffnet. Cf. Coterelo: Bibliografla S. 635f., S. 425 undS. 171-183. So richtete der Marqués de Montealegre, Vorsitzender des Kastilienrats, 1672 ein Plädoyer für die Schließung der Theater an Mariana de Austria mit der Bitte, die Angelegenheit erneut dem Consejo zu übergeben (Cotarelo: Bibliografía, S. 469f.). Die von der Regentin daraufhin einberufene Junta superior beschloss einstimmig, »que conviene y se debe prohibir absolutamente el uso de las comedias, [...] y que todas las razones de buen gobierno cristiano y político necesitan esta resolución, y tolerar estas representaciones á la vista de los inconvenientes que quedan ponderados, se opone igualmente á los dictámenes de buena conciencia y á los políticos de buen gobierno« (S. 390). Das Votum der Junta, an dem der bekannte - und im Verlauf der Debatte viel zitierte - Jurist Francisco Ramos del Manzano maßgebend mitgewirkt hatte, blieb jedoch wirkungslos.

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la prohibición de [las comedias] corresponde á las autoridades civil y eclesiástica«,8 mehrte sich neben der Druckpolemik auch die Aktivität der Missionare und Prediger gegen die profanen Aufführungen. So gelang es dem Jesuiten Tirso González de Santalla 1679 durch massiven Gewissensdruck ein einhundert Jahre andauerndes Theaterverbot in Sevilla durchzusetzen.9 In diesem theaterfeindlichen Klima nutzt Manuel de Guerra y Ribera die ihm als Geistlichem übertragene Aufgabe, eine Aprobación für die Verdadera Quinta Parte de Comedias de Don Pedro Calderón de la Barca zu verfassen,10 zu einer umfassenden Verteidigung der zeitgenössischen Comedia und wählt zudem den Jesuiten Hurtado de Mendoza

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Laut Cotarelo sind Kapitel 43 und 47 des 2. Buchs der Schrift Ad Leges Ivliam et Papiam et qvae ex libris ivrisconsvltorvm fragmenta ad illas inscribvntvr, commentarii, et reliqvationes (Madrid 1678) betitelt mit: »De Hodierna hispana comedia«. Cotarelo verweist auf eine Einstellungsänderung des Juristen, der als Mitglied des Kastilienrats 1666 noch für die Wiedereröffnung der Theater votiert habe. Im Gegenteil ist Ramos aber auch beim zweigeteilten Votum des Consejo auf der Seite der Gegner. Cf. Bibliografia, S. 517ff. sowie S. 171 und 176. O'Connor übernimmt Cotarelos Irrtum sowie seine Begründung von Ramos' vermeintlicher Einstellungsänderung mit dessen zwischenzeitlich erfolgter Priesterweihe. Love in the Corral, S. 41. González de Santalla versicherte den Sevillanern in seinen Predigten, dass die in einigen Dörfern von Andalusien ausgebrochene Pest nicht nach Sevilla übergreife, wenn die Stadt die Theater zerstöre. Cotarelo: Bibliografia, S. 327. Der rigoristische Jesuit wurde 1687 auf Vorschlag von Innozenz XI. zum Ordensgeneral der Societas Jesu gewählt und wandte sich als solcher auch vehement gegen die Tendenz des Ordens zur moraltheologischen Lehre des Probabilismus. Sein umstrittenes Werk Fundamentum theologiae moralis, id est, Tractatus de recto usu opinionum probabilium wurde 1694 veröffentlicht. Cf. Isaac Vázquez: »Las controversias doctrinales postridentinas hasta finales del siglo XII. IV. Sistemas morales: Probabilismo. Laxismo. Probabiliorismo«, S. 465-469.

10 Es sei an dieser Stelle daraufhingewiesen, dass - wie Edward Wilson schon Ende der sechziger Jahre bemerkt hat - eine umfassende Erforschung der Textgattung der »aprobación« sowie ihrer Voraussetzungen und Wirkungen fehlt. Wilson macht bei seiner diachronen Analyse der Befürwortungstexte der Colección de comedias nuevas escogidas eine zunehmende, mit der Parte oncena von 1658 massiver werdende Tendenz zur Verteidigung des zeitgenössischen Theaters fest. Dabei scheinen die Zensoren, darunter die Theaterautoren selbst sowie Gelehrte und Theologen, in den aprobaciones zum Teil auf die Argumente der Theatergegner zu replizieren, wenn sie etwa das Theater als »honesto, y lícito diuertimiento« verteidigen oder seinen moralischen Nutzen hervorheben. Als herausragende Replik auf die Theaterfeinde hebt Wilson die Aprobación der Parte 22 von Tomás de Avellaneda hervor, die bereits Argumentationsansätze beinhaltet, die Guerra aufzunehmen und auszuführen scheint. So stellt Wilson auch die wichtige Vorläuferfunktion der Befürwortungen der Comedias escogidas für Guerras Aprobación sowie für die Theaterverteidigung von Bances Candamo (cf. infra) heraus. Die Sonderstellung und Originalität der beiden Werke muss vor diesem Hintergrund folglich relativiert werden. Cf. Edward Wilson: »Nuevos documentos sobre las controversias teatrales: 1650-1681«. Der Großteil der von Wilson skizzierten Argumente der Befürwortungstexte lässt sich allerdings bereits auf die Carta »AI Apolo de España, Lope de Vega Carpio« von Francisco Cascales zurückfuhren, die - als innerhalb der licitudDebatte relativ frühe Schrift (um 1613) eines bereits im zeitgenössischen Spanien bekannten Autors eine der grundlegenden Quellen der Theaterbefürworter zu sein scheint. Die Bedeutung des Briefs, dessen grobe Argumentationslinien (Definition der Comedia als imago veritatis, Überlegenheit der Poesie gegenüber der Geschichte, pädagogisch-unterweisende Funktion des Theaters und moralische Mustergültigkeit der Comedia durch ihre Zensur) sich zweifelsohne in allen theaterbefürwortenden Texten des Siglo de Oro wiederfinden, wurde bisher nur für den Fortlauf der Debatte im 18. Jahrhundert festgestellt. So erfuhr die Carta des bekannten Humanisten, provoziert durch jeweils konkrete Ereignisse, zwei Neuauflagen (Madrid 1756 in Zusammenhang mit der theaterfeindlichen Mission des Jesuiten Calatayud und Murcia 1790 anlässlich der Mission von José de Cádiz), die ihrerseits wiederum eine Reihe theaterfeindlicher Repliken nach sich zogen. Zu diesem letzten Aspekt cf. Juan Barceló Jiménez: »La epístola de Cascales a Lope con motivo de la licitud de las comedias«.

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aus, um die These von der Unzulässigkeit des Theaters zu widerlegen. War Hurtado de Mendoza bereits von den Theaterverteidigern Tomás de Hurtado und Gaspar de Villarroel stellvertretend für die Position der Theatergegner angeführt worden," und wurde die Haltung des gesamten Jesuitenordens allmählich als theaterfeindlich wahrgenommen, 1 2 so musste es Guerra, der durch die Verbindung zu Juan de Austria in eine konfliktreiche Auseinandersetzung mit der Societas Jesu verwickelt war, durchaus gelegen kommen, mit seiner Schrift die Autorität eines der angesehensten Vertreter des Ordens in Frage zu stellen. 1 3 Guerras Verteidigung des zeitgenössischen Theaters ist j e d o c h nicht nur durch seine Feindschaft gegenüber den Jesuiten, sondern auch durch seine liberale Haltung und eine persönliche Verbundenheit zu Calderón motiviert, für den er im Mai 1681 während der von den Schauspielern von Madrid organisierten Trauerfeier die Totenrede gehalten hatte. 14

1.3

Adressatenkreis der Aprobación

Guerras Veröffentlichung seiner Theaterverteidigung als Aprobación der Verdadera Quinta Parte de Comedias de Don Pedro Calderón de la Barca15 verstößt g e g e n mehrere Prinzi-

11 Cf. die Schrift Goviemo eclesiástico pacifico y vnion de los dos cvchillos pontificio y regio (1646) des Augustiners Gaspar de Villarroel und die Tractatus varii Resolutionum Moralium (1651) des Minoriten Tomás de Hurtado. Cotarelo: Bibliografia, S. 595-605 und S. 362. Cf. auch supra: V, III, Anm. 19 und Anm. 38. 12 So hatten z.B. die Mitglieder des Kastilienrats, die 1666 gegen die Wiedereröffnung der Theater votierten, betont, »que la sentencia que las [sc. las comedias] condena por ofensivas á la conciencia y no indiferentes, no sólo es más segura y más probable, [...], sino referida y seguida por los teólogos de todas escuelas y profesiones que han escrito con especialidad del uso de las comedias de España, como lo son de la religión de la Compañía de los PP. Francisco de Ribera, Francisco Suárez, Pedro de Rivadeneira, Juan de Mariana, Hurtado y Mendoza y comunmente todos de la misma religión«. Cotarelo: Bibliografia, S. 178. 13 García Lorenzo interpretiert die politischen Auseinandersetzungen, in die Guerra verwickelt war, sogar als Motiv des Trinitariers, sich in die licitud-Debatte einzuschalten: »La relación del Padre Guerra con don Juan José de Austria fue muy estrecha y sólo puede entenderse la participación de este trinitario en la polémica sobre la licitud de teatro como consecuencia, en gran parte, de esta relación.« Luciano García Lorenzo: »Ideología y moralismo. El padre Manuel de Guerra y Ribera y su aprobación a las comedias de Calderón de la Barca«, in: María Luisa Lobato/Aurelia Ruíz Sola/Pedro Ojeda Escudero/ José Ignacio Blanco (Hg.), Mito y Personaje. III. y IV. Jornadas de Teatro. Burgos: Universidad de Burgos 1995, S. 61-71, hier S. 64. 14 Die Rede ist nicht überliefert. Cf. hierzu Soria Ortega: El Maestro Fray Manuel de Guerra y Ribera y la oratoria sagrada de su tiempo, S. 65f. Soria Ortega weist - über Calderóns mögliche Einflussnahme bei Guerras Ernennung zum Hofprediger hinaus - auch auf ein mögliches entferntes Verwandtschaftsverhältnis der beiden hin, das die »lazos de amistad entre el dramaturgo y el trinitario, sobre los que no cabe la menor duda« (S. 55) zusätzlich motivieren würde. 15 »Aprobación del Reveren"™ P. M. Fr. Manuel de Guerra y Ribera, Doctor Theologo, y Cathedratico de Filosofía en la Vniversidad de Salamanca, Predicador de Su Magestad, y Su Theologo, Examinador Synodal del Arzobispado de Toledo, del Orden de la Santissima Trinidad, Redención de Cautiuos«, in: Verdadera quinta parte de Comedias de Don Pedro Calderón de la Barca. Madrid 1682 (Die ersten Seiten des Exemplars der BN: T/1844 fehlen, der Titel wurde handschriftlich ergänzt, es handelt sich aber zweifelsohne um die Ausgabe von 1682, da Guerra die Aprobación in den späteren Ausgaben leicht verändert hat. Die Prätexte sind nicht paginiert). Da die Aprobación eine scharfe Polemik entfachte, verfasste Guerra eine Verteidigungsschrift, die - da unvollendet - erst posthum veröffentlicht wurde: Apelación al tribunal de los doctos, justa defensa de la aprobación a las comedias de Don Pedro Calderón de la Barca, impressa en 14. Abril del año de 1682: impugnación eficaz de los papeles, que salieron contra ella hasta el año de 1683; [...]. Sacala a luz y la dedica a los Eruditos de España, Don Gonzalo Xaraba. Madrid: Imprenta del Mercurio 1752. In diese Verteidigungsschrift hat Guerra

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píen des traditionellen theologischen Diskurses: So macht Guerra die bisher weitgehend theologisch geführte Debatte einem breiten Laienpublikum zugänglich, indem er seinen Traktat in einen Comedia-Band integriert und ihn zudem auf Spanisch verfasst. D i e s e Grenzüberschreitung hin zu einem Laienpublikum musste für die klerikale Kultur die Gefahrdung ihres traditionellen Einflussbereichs bedeuten: Betrachtete die Mehrheit der Geistlichen es als ihre Aufgabe, die Ansprüche des Glaubens an die Lebensführung der Laien autoritativ festzulegen, und beschränkte das Mitspracherecht der Laien folglich auf die Gehorsamspflicht, so gibt Guerra den Laien durch den Publikationskontext seiner Schrift die Möglichkeit, an der bisher moraltheologisch geführten Debatte teilzuhaben. Er treibt durch seine Aprobación aber nicht nur das grundsätzliche Entstehen eines eigenständigen laikalen Diskurses voran, sondern gibt den Laien auch theologische Argumente an die Hand, die mit der profanen Comedia eine genuin laikale - und zudem ihre beliebteste - Freizeitbeschäftigung verteidigen. Der Verkaufserfolg der Verdadera Quinta Parte, den Antonio Carrillo aus zeitgenössischer Perspektive polemisch dem »saínete de aprobación tan bien quista« 16 zuschreibt, zeugt denn auch v o m breiten Interesse der Laien an der - bisher in erster Linie theologisch geführten - Theater-Debatte, 1 7 wobei die Aprobación so verkaufsfördernd ist, dass sie auch der Sexta Parte vorangestellt und ihr Fehlen in der Séptima Parte ausdrücklich entschuldigt wird. 18

die zweite Fassung der Aprobación (cf. infra, Anm. 18) als Grundlage seiner Verteidigung integriert (S. 43-99). Da dies die einzig paginierte Fassung der Aprobación ist und die Veränderungen von erster und zweiter Version nur minimal sind, wird die Aprobación im Folgenden nach dieser Ausgabe unter dem Kurztitel Aprobación zitiert. 16 So berichtet Carrillo: »[...] y tuvo tanto aplauso este tratado que publicó con el nombre de Aprobación que en breve tiempo se hicieron y despacharon tres impresiones y por el saínete de aprobación tan bien quista se compraban las comedias de la quinta y sexta parte de Calderón, donde también se añadió con mucha ganancia de los libreros y agradecimiento de los de la farsa.« Cotarelo: Bibliografia, S. 138. 17 Vitses These einer progressiven >Laisierung< der licitud-Debatte, deren Beginn er auf die Jahre nach der Theaterschließung von 1646-1649 datiert (Éléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S. 41), ist vor diesem Hintergrund neu zu bewerten: Zwar intervenieren mit Melchor de Cabrera (Defensa por el uso de los comedias y suplica al Rey nuestro señor para que se continúen, 1646, veröffentlicht 1650), Luis de Ulloa y Pereira (»Defensa de libros fabulosos, y poesías honestas«, 1649) und Diego de Vieh bereits vereinzelt Laien in die Debatte, erst Guerras Aprobación rückt die Debatte jedoch ins Zentrum des öffentlichen Interesses, indem sie an eine breite laikale Leserschaft adressiert ist und den Laien so die Teilnahme an der bisher vornehmlich von Theologen geführten Kontroverse überhaupt erst ermöglicht: So wird die Aprobación auch primär von Laien (Francisco Templado, Tomás de Guzmán und Andrés Dávila y Heredia, cf. die folgenden Kapitel) - verteidigt. 18 So konstatiert Vera Tassis y Villarroel im Vorwort der Séptima Parte in Anspielung auf die Polemik um die Aprobación: »Si en este Libro (Lector Discreto) echares menos la eruditissima Aprobación del Reuerendo Padre Manuel Guerra, yà la hallarás donde con nueua estimación la veneres, por verla de Su Doctissimo Autor tan adelantada, y excedida, que él solo pudiera entre los estudiosos adelantarse, y excederse à si mismo, para que acaben de romper sus dientes los mordazes detractores, que ociosamente han intentado mellar el inmortal Simulacro de su fama.« »Al Discreto y Prvdente Lector«, in: Séptima Parte de Comedias del celebre Poeta español Don Pedro Calderón de la Barca [...]. Madrid: 1683 (Die Prätexte sind nicht paginiert). Entgegen dieses Versprechens ist die Aprobación allerdings auch in der Octava Parte von 1684 und der Novena Parte von 1698 nicht abgedruckt, stattdessen wird - wie schon in der Séptima Parte - zusammenfassend daraufhingewiesen, dass am 14. April 1682 »aprobó [sc. el Guerra] este Tomo de la Octava Parte, y todos los demás de Comedias de Don Pedro Calderón de la Barca«. Octava parte de Comedias del Celebre Poeta español Don Pedro Calderón de la Barca, [...]. Madrid: 1684 (Die Prätexte sind nicht paginiert). Cotarelo gibt fälschlicherweise an, dass

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1.4

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Brisanz und sprachliche Gestalt der Aprobación

Guerra leitet seine Aprobación mit d e m Hinweis ein, dass er dem Auftrag, die »Libros de Comedias, que compuso D o n Pedro Calderón de la Barca« zu genehmigen, nicht nachk o m m e n könne, ohne die Frage der Zulässigkeit des Theaters grundsätzlich zu klären, »porque n o podrá ser una Comedia particular buena, si la Comedia en común es mala« (S. 43). So legt er gleich zu Beginn seine beiden - die Argumente der Theaterverteidiger prägnant zusammenfassenden - Thesen dar, »la primera, que la Comedia es indiferente en lo Christiano: la segunda, que es conveniente en lo Político« (S. 44). N e u ist aber nicht nur die Konzision, mit der Guerra die Position der Theaterbefürworter hier auf den Punkt bringt, sondern vor allem die o f f e n s i v e und dezidierte Verteidigung des profanen Theaters durch einen - durch sein A m t als Hofprediger zudem gewichtigen und bekannten - Geistlichen. U m die Brisanz seiner Thesen wissend, stellt sich Guerra folglich explizit in die N a c h f o l g e v o n Thomas v o n Aquin und François de Sales 1 9 und erklärt die Verteidigung des zeitgenössischen Theaters zu seiner Pflicht als Seelsorger, dessen Aufgabe es sei, dem unsicheren G e w i s s e n Sicherheit im Handeln zu geben. 2 0 Kritisiert er bereits hiermit subtil die Position der klerikalen Theatergegner, so polemisiert er auch gegen die Verurteilung des Theaters in der zeitgenössischen Predigt und verwirft die von den Kirchenvätern inspirierten theaterfeindlichen Argumente, die er durchaus treffend auf einen Satz reduziert, gleich zu Beginn seiner Schrift als »nulidades«. 2 1 Guerra zu einer Änderung der Aprobación nicht gekommen sei (Bibliografía, S. 353f). Die zweite Edition der Aprobación, in der Guerra nur minimale Änderungen vorgenommen hat (cf. infra), befindet sich aber u.a. in der Sexta Parte von 1715, der Verdadera Quinta Parte von 1730 und in der Apelación al Tribunal de los Doctos. 19 »Pido con toda reverencia à quien me huviere culpado de que en la estrechèz de Religioso, no es decente aprobar Comedias, repare, que las aprueba un Santo Thomas, y un San Francisco de Sales.« Guerra bezieht sich bei Thomas von Aquin wie üblich auf die quaestio 168, 2 und zitiert von François de Sales die Introduction à la vie dévote (I, 23) in der Übersetzung von Francisco de Quevedo: »Los juegos, bayles, los festines, las pompas, las Comedias, en substancia no son de ninguna manera cosas malas, antes indiferentes; porque pueden mal, ó bien exercitarse.« Aprobación, S. 85. (Die Kursiva weisen wie üblich auf Zitate hin). Der Hinweis auf François de Sales befindet sich nur in der zweiten Auflage der Aprobación. 20 So konstatiert er einleitend: »[...] he desnudado el dictamen de toda humana conocida passion, pareciendome indispensable en la profession de mi estado, no socorrer con avisos á quien desea lo mejor, ó con desengaños á quien prosigue en lo errado.« Aprobación, S. 44. Auch beschuldigt er die Theatergegner, den Gläubigen die Wahrheit zu verbergen: »[...] debo sossegar tantos escrúpulos, como personas inocentes tienen, oyendo decir, que las Comedias están condenadas por los Padres; y fuera delinquente inhumanidad, negar la luz al que desea sinceramente cumplir su obligación« (S. 75). 21 »El pretendido daño de las Comedias se ha reducido en estos tiempos mas à voces, que à escritos: hombres muy sabios, y de virtud muy ceñida predican, y publican gravissimos daños de las Comedias. Lo general en que se fundan, es decir, que son reprobadas de los Santos Padres, que no son indiferentes, que à lo menos, de conocido son pecado venial, que prudentemente son madres de mayores vicios en quien las exercita, y quien las frequenta; y por ultimo, que son una escuela de la incontinencia, y lascivia. A estos reparos me parece que se reducen todas las nulidades que las oponen.« Aprobación, S. 44. Auch der Prämonstratenser Tomás de Avellaneda, in dessen Tradition Guerra steht, hatte in seiner Aprobación der Parte 22 explizit sein Anliegen hervorgehoben, seine Auffassung über die Comedia kundtun zu wollen, »[por] auer entendido, que en diuersos tiempos, y lugares, especialmente en España, algunos Ministros Euangelicos con zelo de apartar los Fieles de la ocasion de pecar, han predicado contra las Comedias, condenando por pecado mortal, el componerlas, leerlas, representarlas, y irlas a ver, y oir«. »Aprobación del R.P.M. Fray Tomas de Auellaneda«, in: Parte veinte y dos de Comedias nueuas, escogidas de los mejores ingenios de España (Madrid: 1665, die Prätexte sind nicht paginiert).

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Vor dem Hintergrund, dass die Aprobación an einen laikalen Adressatenkreis gerichtet ist, muss Guerras Urteil von den theologischen Theatergegnern folglich als Angriff auf ihre Integrität und ihre Interpretationskompetenz der christlichen Doktrin aufgefasst werden und für die klerikale Kultur zugleich die Gefahr bergen, die Kontrolle sowohl über die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters als auch über das profane Theater selbst zu verlieren. Dass sich Guerra dabei über die provokative, nahezu systemsprengende Wirkung seiner Schrift durchaus bewusst ist, zeigt auch der Appell, mit dem er die Aprobación beschließt: »[...]; si fuere errado [sc. mi dictamen], pido que le corrijan; pero también suplico que no se apasionen. No suenen, ni se escrivan las injurias comunes, de que son corruptores de las costumbres, Maestros de relaxaciones, &c. los que juzgan indiferentes las Comedias: escrivanse razones, y no afrentas« (S. 98).

Zwar ist die Bitte um Korrektur ein üblicher Topos, Guerras Nachsatz zeigt jedoch, dass er - um die polemische Theologie seiner Epoche sowie die kontroverse Beurteilung des profanen Theaters wissend - eine heftige Reaktion auf seinen Traktat geradezu erwartet. Während er die Theatergegner implizit bezichtigt, emotional und unsachlich zu argumentieren, insistiert er auf seiner eigenen seriösen Absicht, »porque no es mi animo impugnar tanto lo que otros han escrito, como declarar por obligación lo que siento« (S. 99). Guerras Schrift zeichnet sich zwar durch ein hohes Argumentationsniveau aus, die Tugend der Nüchternheit, die er wiederholt für sich reklamiert, bleibt aber - zumindest in Bezug auf seinen Gegner Hurtado de Mendoza - weitgehend unerfüllt. So geht der Trinitarier immer wieder über die objektive Beurteilung, Diskussion und Widerlegung von Hurtados Thesen hinaus und greift den Jesuiten auch in seiner theologischen Kompetenz an. Auch auf stilistischer Ebene steht das von Guerra beanspruchte puritas-Ideal einer äußerst affektgeladenen und bisweilen affektierten Diktion gegenüber, die ihm immer wieder dazu dient, sich selbst als Schüler und Verehrer der Patristen und bibeltreuen Anhänger der katholischen Religion darzustellen.22

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Guerras Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Rücksichtnahme auf die condition humaine und Anerkennung einer gewissen moralischen Autonomie des Menschen

In Replik auf Hurtado de Mendoza, der die zeitgenössische Comedia auf der Grundlage der quaestio 168, 2 verurteilt hatte, ohne auf das von Thomas von Aquin betonte Erholungsbedürfnis des Menschen einzugehen, legt Guerra die Doktrin des Kirchenlehrers ausführlich dar und insistiert auf dessen These von der Notwendigkeit der remissio animi. So verweist

Die Predigt wurde neben Druckpolemik und Beichte im Laufe des 17. Jahrhunderts zum dritten - überaus wirksamen - Kanal der Theaterverurteilung. So versuchten die Bischöfe ihren Einfluss in den Diözesen geltend zu machen und massenwirksame Missionare bemühten sich, Stadt- und Gemeinderäte zu überzeugen, den Schauspielern keine Auffuhrungserlaubnis zu erteilen, wodurch sich die theaterfeindliche Kampagne auf die lokale bzw. regionale Ebene ausdehnte. Als wichtige Aktivisten seien neben dem erwähnten González de Santalla, der Dominikaner Francisco de Posadas, der 1694 den Abriss der Theater in Córdoba durchsetzte, der Jesuit Jerónimo Dutari, der 1715 ein Theaterverbot in Navarra erwirkte sowie Kardinal Beiluga y Moneada erwähnt, der die Wiedereröffnung der Theater in Murcia verhinderte. Cf. Cotarelo: Bibliografía, S. 509-512, S. 240-244 und S. 85-89. 22 So führt er Augustin z.B. als »divino Ingenio, excesso de todo lo humano, que lo supo, y escrivió todo« ein und präsentiert sich selbst als »enamorado de su eloquencia, venerador de su sabiduría«. Aprobación, S. 47. Auch Thomas von Aquin nennt er immer wieder »mi Angel Santo Thomás« (S. 81).

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er auf die aristotelische Tugend der Eutrapelie und führt auch die Metapher des B o g e n s an, der nicht immer gespannt sein kann. Vor diesem Hintergrund lehnt Guerra eine auf A s k e s e und Weltabkehr beruhende Frömmigkeit ab und stellt heraus, dass die religiöse Doktrin sich an der condition humaine zu orientieren habe, um sich nicht selbst ad absurdum zu fuhren, »porque mandar un impossible, n o es ser bueno el mandato, sino hacer el precepto ridiculo« (S. 80). S o leitet er aus der Bibel ab, dass ein Gesetz immer in Relation zu seiner Realisierbarkeit stehen müsse, und stellt damit den universalen Gültigkeitsanspruch der klerikalen Kultur, der sich darauf gründet, dass das Wort Gottes zeitlos und somit weder weltlichen Veränderungen noch kritischen Erweiterungen unterworfen ist, mit theologischen Argumenten in Frage. 2 3 Die notwendige Anpassung der Glaubensvorschriften an die historischen Gegebenheiten appliziert Guerra nicht nur in einem Syllogismus auf die Comedia,24 die er auf dieser Grundlage für zulässig erklärt, sondern illustriert die geforderte Relativierung der Glaubensansprüche auch anhand weiterer Beispiele, die seine humane und realistische Beurteilung der condition humaine verdeutlichen und die traditionelle sexualfeindliche Position der klerikalen Kultur herausfordern. 25 Dabei weist er die Verfechter

23 Guerra gründet seine Argumentation darauf, dass Gott den Hebräern den Hass der Feinde erlaubt, Christus das Gebot der Nächstenliebe aber auf die Feinde ausgedehnt habe (cf. Mt 5, 43f. und Joh, 13, 34f.) und nimmt die Bedenken seiner Leser durch eine rhetorische Frage vorweg: »Pues como un Dios anda mudando leyes, y decretos? Porque son los Pueblos distintos.« Gottes Handeln erklärt er wie folgt: »Yo digo, que siempre mandó Dios lo mejor: yá veo que me replican, que no es assi, porque mejor es amar á los enemigos, que aborrecerlos; pues no me retrato. Es mejor en si, no era mejor para aquellos sugetos; y las leyes, y preceptos no tienen la bondad precisamente absoluta, sino relativa. No es mejor la ley en si, sino la ley que se ha de guardar. Porque la ley mira su correlativo, que es la execucion.« Aprobación, S. 82. So versucht er die notwendige Relativierung der Moral theologisch zu motivieren, wobei er sich - taktisch geschickt - auf die Autorität des jesuitischen Bibelexegeten Juan de Maldonado (1533/367-1583) beruft, um gerade seinen jesuitischen Gegnern den Widerspruch und die Zurückweisung dieser theologischen Position zu erschweren. Zum Gebot der Feindesliebe im Neuen Testament cf. Joseph Mausbach: Katholische Moraltheologie, Bd. 2, § 24, S. 142 - 147. 24 »Destas verdades claras, y solidas soy de parecer muy nuevo, y es, que no es lo mejor que no aya Comedias, sino que las aya; porque no es lo mejor lo mejor, sino lo que causa lo mejor: Mas consigue de bueno la permission que aya Comedias, que la ley de que se quitaran; luego lo mejor es permitirlas.« Aprobación, S. 82. Guerras Argumentation ist allerdings nicht neu. Vielmehr folgt er dem - später auch von ihm erwähnten (cf.infra: Anm. 39) - Dichter und Theaterautor Luis de Ulloa y Pereira, der 1649 in seiner Verteidigungsschrift des Theaters als ausschlaggebende Frage formuliert hatte, »si dado que sea mejor no auer Comedias, es hazer lo mejor, lo mas conueniente en el gouierno, ö por dezirlo mas bien, sino hazerlo mejor, contentándose con lo bueno, es en el gouierno lo mejor: que lo mejor sea lo mas dificultoso, y esto lo menos practicable, no recibe dnda [sie!]: [...] Dios todo poderoso, principio de la sabiduría, y la prudencia, no quiso dar (según Autores graues) las mas estrechas leyes a su Pueblo, sino las mas conuenientes a la flaqueza de su natural, [...]«. »Defensa de libros fabvlosos y poesías honestas«, S. 359-361. Guerra übernimmt diese Argumentation und unterfuttert sie mit den entsprechenden biblischen und doktrinären Belegen. Die vielzitierte Schrift von Ulloa y Pereira ist entgegen des Eindrucks, der bei Cotarelo {Bibliografía, S. 574ff.) erweckt wird, durchaus interessant und innovativ. So stellt Ulloa, der auch die Pro- und Contra-Argumente der licitud-Debatte skizziert und ihre Autoren bereits in drei Interessengruppen einteilt (cf. supra: 1., Anm. 18), die Liebe als proprium des Menschen heraus: »Sin amor, no puede auer cosa loable, ni luzida: él conserua la correspondencia del vniuerso, es autor de la cortesía, maestro de las gracias, tiene general señorío en todas las criaturas: por él se mueuen las virtudes; nada es tan propio del hombre. El alma, que no ama está en tinieblas, sus principales ministros son los Poetas.« (S. 358). Auch hieran scheint sich Guerra anzulehnen, wenn er die Ehe als Bedingung für den Erhalt der Welt verteidigt, cf. infra: Anm. 25. 25 Guerra folgt einem teleologischen Ansatz, der die Berechtigung einer Norm oder Handlung von ihrer Wirkung her ableitet. Mit dieser argumentatio ex consequentiis unterstreicht er zunächst das Erho-

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eines vergnügungsfeindlichen Rigorismus' unmissverständlich darauf hin, dass sie die psyc h o p h y s i o l o g i s c h e Realität des Menschen verkennen, denn »obrar siempre con la alma, es alhaja de Angeles«. 2 6 A u c h fuhrt er den Kontroll- und Disziplinierungswillen der theologischen Kultur ad absurdum, indem er herausstellt, dass selbst die umfassendsten Verbotsmaßnahmen aufgrund der Komplexität der condition humaine und der Individualität j e d e s Menschen letztlich fehlgehen müssen. 2 7 S o macht Guerra deutlich, dass j e d e doktrinäre Position Gefahr läuft, an der konkreten Welterfahrung vorbeizugehen und setzt den autoritativen Vorgaben der klerikalen Kultur die moralische Autonomie des Menschen entgegen, der j e nach seiner eigenen Erfahrung »el Autor de su opinion« (S. 88) sein müsse. Hiermit stellt er der bisher unhinterfragten Gültigkeit eines theologisch vorgegebenen ordo justus eine den j e w e i l i g e n Fall berücksichtigende, sich am G e w i s s e n des Einzelnen orientierende Handlungsfreiheit entgegen und gesteht dem Laien Entscheidungskompetenz in Angelegenheiten zu, die bisher exklusiv in die Zuständigkeit des Klerus' gestellt wurden. Mit dieser probabilistisch geprägten Auffassung 2 8 entlarvt er zudem, dass auch die Theologie nicht immer Gewissheit für sich bean-

lungsbedürfnis des Menschen: »Mejor es que no tuviera el animo ninguna delectación sensible de recreo. Es mejor en si, pero no en sus efectos, porque no pudiera vivir, sino es de milagro.« Aprobación, S. 83. Weiterhin stellt er aber heraus, dass die Keuschheit besser sei als die Ehe, ihre Konsequenz aber der Untergang der Welt. Der Witwenstand sei besser als die erneute Heirat, aber doch sei es besser zu heiraten als vor Leidenschaft zu vergehen. Zwar lässt sich Guerras Haltung auf 1 Kor 7, 9 zurückführen. Eine dermaßen offensive Verteidigung der Ehe - und vor allem der zweiten Ehe - musste jedoch für die konservativen Anhänger der augustinischen Erbsündenlehre - und damit für den großen Teil des Klerus - als Angriff auf ihr Welt- und Menschenbild aufgefasst werden. 26 So weist Guerra ein monastisch konzipiertes Frömmigkeitsideal aufgrund der Unterschiedlichkeit der Menschen und ihrer Lebensbedingungen zurück: »Puede un millón de hombres encerrados en una Corte, de tan varios entendimientos como semblantes; de tan encontradas costumbres, como inclinaciones; de tan varios cuidados, como empleos; de tan distintas ocupaciones, como estados: estár siempre obrando lo mejor?« Aprobación, S. 80. Auch hier ist seine Argumentation von Ulloa inspiriert, der ebenfalls konstatiert hatte: »Gouernar hombres de esta compostura, no puede ser con la pureza de Angeles, ni con la servidumbre de brutos: forzoso es dexar algo a su arbitrio, que en mayor juizio tiene reseruado premio, y castigo: Dios, que lo es de todo, dexó a los racionales el alvedrio libre, para que hallassen con esto que ofrecerle, sin que no tuviera mérito su sacrificio: estrechar a los que su Criador permitió tanto, sin consentirles divertimientos en que la voluntad pueda vsar con indiferencia, sino fuesse oprimirles mucho, seria concederles nada; [...].« »Defensa de libros fabvlosos y poesías honestas«, S. 364f. Ulloa konnte als Laie allerdings noch unmissverständlicher als Guerra formulieren: »Diferente ha de ser el imperio, y gouierno Real con los vassallos, del que se professa entre Recoletos: el instituo Regio no es despoblar el Reyno, sino conseruarle, y mantenerle, aumentándole en quanto fuera possible sin nouedad, con leyes justas, y executadas con clemencia: [...]« (S. 379). Die Argumentation von Ulloa und Guerra steht auch in der Nachfolge der Mitglieder des Kastilienrats, die 1648 mit einem ähnlich deutlichen Hinweis für die Wiedereröffnung der Theater plädiert hatten (cf. supra: V, IV, Anm. 17). 27 Guerra formuliert als Aufgabe der Moraltheologie, zu unterscheiden, ob die Sünde aus dem Wesen einer Sache oder ihrem Missbrauch resultiert. Unter Berufung auf den Jesuiten Tomás Sánchez bemerkt er, dass es auch erlaubt sei, Gift zu verkaufen, Waffen zu schmieden und erotische Bilder zu malen, da das potentiell von diesen Dingen ausgehende Übel nicht von den Verkäufern bzw. Herstellern beabsichtigt sei, sondern durch Missbrauch entstehe. Hieraus folgert Guerra: »Fuera necessario anatematizar todos los objetos del Mundo, porque mientras huviere hombres, podrán nacer de las mayores perfecciones muchos vicios accidentales.« Aprobación, S. 86. 28 Wenn Guerra auch nicht dem reinen Probabilismus eines Bartolomé de Medina folgt, so zeigt er sich mit der Auffassung, dass das moralische Handeln nicht immer Gewissheit für sich beanspruchen kann, doch von der thomistischen Schule von Salamanca beeinflusst. Mit Tomás Sánchez zitiert er zudem ei-

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spruchen kann, weshalb er jeden Rigorismus als inhuman und unchristlich zurückweist und für ein moderates Frömmigkeitsideal plädiert, das d e m Menschen lässliche Sünden als anthropologische Konstante nachsieht. 2 9 Indem Guerra die überkommenen moralischen Gewissheiten an die neuen sozialen Herausforderungen s o w i e an die anthropologische Beschaffenheit des Menschen anzupassen versucht, zeigt er die Möglichkeit eines christlichen W e g s unter zunehmend säkularisierten Lebensbedingungen auf, anstatt j e d e profan orientierte Lebensweise als unchristlich zu verurteilen. S o akzeptiert er aufgrund der Erkenntnis, dass der M e n s c h nach Zerstreuung verlangt, auch die Berechtigung eines dritten Bereichs der Freizeit neben den traditionellen Bereichen des »ora et labora« und stellt ihn in den Verantwortungsspielraum des Individuums. Zudem schließt er aus der Notwendigkeit der Zerstreuung auf ihre (politische) Ratsamkeit und stellt den Theatergegnern, die das Theater für die Verbreitung der »ociosidad« verantwortlich machen, - ähnlich w i e D i e g o de Vieh - die These entgegen, dass die Come-

nen der bekanntesten jesuitischen Probabilisten. Dass sich Guerra gerade auf einen Jesuiten beruft, der sich zudem in seinem umstrittenen Werk De saneto matrimonio mit den heiklen Fragen der Ehe beschäftigt, in denen auch Guerra für Toleranz plädiert, ist sicher kein Zufall. Sánchez hatte zudem auch das Theater als Adiaphoron ausgewiesen (Cotarelo: Bibliografía, S. 535). Auch Guerras Forderung, dass sich die kirchliche Moral den historischen Gegebenheiten anzupassen habe, entspricht im Grunde der vorwiegend von Jesuiten entwickelten kasuistischen Moraltheologie, die die christliche Moral in den gesellschaftlichen Kontext zu situieren und an die Praktikabilität anzupassen versuchte. Innerhalb der Societas Jesu entwickelte sich in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts eine starke Reaktion gegen Probabilismus und Laxismus, die von González de Santalla angeführt wurde, der den Probabilismus fflr die Lockerung der Moral der Gläubigen und Kleriker verantwortlich machte. Derselbe González de Santalla setzte den Abriss der Theater von Sevilla durch (cf. supra). Insofern besteht vor allem bei den Mitgliedern der Societas Jesu eine - nachvollziehbare - Wechselbeziehung zwischen Probabilismus und Theaterakzeptanz bzw. Ablehnung des Probabilismus und Verurteilung der Comedia, die weiter zu verfolgen wäre. Zum spanischen Probabilismus cf. Enrique Rivera de Ventosa: »§ 19. Kasuistik und Probabilismus«. 29 Guerra fuhrt hier Eccl 7, 21 (in der Einheitsübersetzung Koh 7, 20) mit der quaestio 168, 2 des Thomas von Aquin zusammen: »Non est enim homo iustus in terra, qui faciat bonum, & non peccet. Hay algunos defectillos, que mas merecen lastimas, que justicias, son deslices de las humanas fragilidades. [...] No puede el animo, dice Santo Thomás, estár siempre tirante la cuerda, porque faltará, como lo prueba con el exemplo de San Juan Evangelista, el arco.f...] No ha de haver para esta floxedad justicia, sino indulgencia.« Aprobación, S. 80. Nachdem er als größtmögliches Übel der Comedia eine lässliche Sünde herausgestellt hat, folgert er dezidiert: »Y no poder permitir la buena Política venialidades, para escusar males mayores, será Teología tan severa, que no la quieran admitir leyes divinas, ni profanas« (S. 84). Guerca zitiert mit Kohelet bzw. Ecclesiastes einen Teil der alttestamentlichen Weisheitsliteratur, der sich mit den Bedingungen und Möglichkeiten des menschlichen Glücks auseinandersetzt und sich auch mit der Relativierung der traditionellen Werte befasst. So wendet sich Kohelet gegen die asketische Frömmigkeit und ruft angesichts der Vergänglichkeit des menschlichen Daseins zur Freude auf. Ludger Schwienhorst-Schönberger: »Kohelet«, in LThK, Bd. 6 (1997), Sp. 169f. Diethelm Michel: »Koheletbuch«, in: TRE, Bd. 19 (1990), S. 345-356. Guerras Argumentation mag hier erneut von Tomás de Avellaneda inspiriert sein, der mit Berufung auf den großen mittelalterlichen Schriftsteller Johannes Gerson auf Eccl 7, 17 (»Noli esse iustus multum«) verwiesen und dem »Predicador« den Rat gegeben hatte, »que en materias opinables no prefiera su parecer a los demás, calificando por pecado lo que en algún caso, grauissimos Autores lo tienen calificado por virtud«. »Aprobación del R.P.M. Fray Tomas de Auellaneda«. Auch diesen Folgegedanken von Avellaneda nimmt Guerra in seiner Argumentation auf.

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dia als staatlich gelenkte Form der Unterhaltung ein ideales Instrument zur Steuerung des >ocio urbano< sei.30 Während Guerra die - zensierte - Comedia als adäquateste Möglichkeit der >Freizeitgestaltung< ausweist, spricht er dem Stierkampf die Funktion eines »divertimiento« gänzlich ab.31 So betont er in ausdrücklicher Distanzierung von Hurtado de Mendoza und der Mehrzahl der Theatergegner, die eine Art domestizierten Stierkampf billigen: »no tienen para mi pretexto, que las disculpe, causa que las honeste, ni motivo que no las desvie«. 32

3

Die Verteidigung der Comedia als Angriff auf die Jesuiten

3.1

Rekurs auf die Kirchenväter: die Unterscheidung von antikem und zeitgenössischem Theater

Anders als die Theatergegner, die die Übereinstimmung von antikem Drama und zeitgenössischer Comedia als gegeben voraussetzen und die spectacula- Verurteilung der Kirchenväter relativ unreflektiert auf die Comedia applizieren, untersucht Guerra ausführlich, »quales eran las Comedias antiguas, quales sus principios, instituciones, y progressos, quales sus diferencias, y fines, quales sus representaciones; y finalmente, qué parentesco dicen con las nuestras, y de qué Comedias hablan los Santos Padres« (S. 44).

Nachdem er mit Verweis auf den Humanisten Julius Caesar Scaliger den Ursprung der Tragödie als Fest für Bacchus und den der Komödie als Huldigung Apollos erklärt hat, stellt er die patristische Theaterkritik33 systematisch in Bezug auf »institución, estilo y daño« der antiken Dramen dar: So hebt er die Verbindung des antiken Theaters mit der Idolatrie hervor34 und insistiert auf der Unsittlichkeit von Handlung und Aufführung der Stü-

30 Auch dies fuhrt Guerra auf Thomas von Aquin zurück: »Debo el fundamento á quien lo debo todo, que es á Santo Thomás: no dixo, que era algún juego útil, sino necessario, porque lo que es necessario es indispensable, y conveniente. Conviene entretener los ánimos, ö cansados, ö ociosos: conviene en las Repúblicas muy numerosas buscar exercicios, y empleos, que diviertan los entendimientos inquietos, y quexosos.« Aprobación, S. 79. 31 »No sé que tiene este llamado regocijo, que pueda tenerse por divertimiento: en él padece el entendimiento, porque no tiene ocupacion el discurso. [...] los ojos solo miran sangre, y peligros. Triste diversión de ojos, que ha de ser á costa de peligros ágenos.« Aprobación, S. 90f. Bemerkenswert ist vor allem Guerras Argument, dass der Verstand beim Stierkampfbesuch leide, billigen die klerikal geprägten Theatergegner den Stierkampf doch gerade, weil er - im Gegensatz zum Theater - keine Denkprozesse anregt und so nicht in ein ideologisches Konkurrenzverhältnis zu den von ihnen verkündeten Wahrheiten treten kann. 32 Aprobación, S. 91. In Replik auf die probabilistische Argumentation von Hurtado (cf. supra: V, III, Anm. 62), dessen Rücksichtnahme auf die Theatererlaubnis des Consejo de Castilla Guerra als Heuchelei verspottet (cf. infra: Anm. 44), konstatiert Guerra: »para mi tienen intrínseca probabilidad las Comedias, y los teatros; pero solo extrínseca los Toros« (S. 90) und betont, dass er bezüglich des Stierkampfes zu keinerlei Konzessionen bereit ist. 33 Guerra zitiert Tertullian, Laktanz, Arnobius, Chrysostomus, Hieronymus, Cyprian, Gregor von Nazianz, Ambrosius, Athanasius, Cyrill, Firmicius Maternus und Augustin, wobei er die Direktzitate zumeist auf Latein in seinen Text integriert und eine Übersetzung folgen lässt. In der Randglosse gibt er die jeweilige Quelle an. 34 Um die Berechtigung der patristischen Theaterverurteilung vor dem Hintergrund der Idolatrie hervorzuheben, vergleicht er den Theaterbesuch eines Christen in der Antike mit dem Moscheebesuch eines zeitgenössischen Christen: »Ni es muy agria la censura que dán de llamarlos desertores de la Fé, y como tácitos apostatas de la Religion; porque si oy fuera algún Christiano á escuchar las explicaciones

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cke. 3 5 Folglich begründet er den Schaden der antiken Theatervorstellungen vor allem mit der Kanonisierung und Autorisierung der dargestellten Laster. 36 Zudem weist er das - auch nachts besuchte - antike Theater als Ort der Sünde und Gefahr für die Integrität der z w i s c h e n »mancebos locos, y plebeyos enagenados« (S. 54) platzierten Frau aus und betont, dass die Darsteller ausschließlich Heiden g e w e s e n seien. N a c h der ausfuhrlichen Behandlung der immer wieder als rechtmäßig herausgestellten - Verurteilung des antiken Theaters durch die Kirchenväter, fragt er die Leser suggestiv, »si en el rostro feo, que he pintado de las Comedias antiguas, han hallado alguna faccion de las nuestas [sie!]« und reduziert die Gemeinsamkeit v o n antikem und zeitgenössischem Theater auf die Bezeichnung des Genus. 3 7 Indem Guerra die Schriften der Kirchenväter in ihrem historischen Kontext analysiert, anstatt sie unreflektiert auf die zeitgenössische Comedia zu übertragen, geht er über den Prototyp der bisherigen Theaterkritik hinaus. So wertet er die spectacula- Verurteilung der Patristen nicht als B e w e i s für die Unzulässigkeit der Comedia, sondern schließt i m Gegenteil aus der Unterschiedlichkeit von antiken und zeitgenössischen Theateraufführungen: »sus m i s m o s testimonios han de ser agrias censuras para unas, y tacitas aprobaciones para otras«. 38

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del falso, y ridiculo Alcorán, y frequentára sus Mezquitas, es cierto que no fuera excesso darle este severo vocablo. El exemplo es tan cabal, que no hallo desigualdad en él.« Aprobación, S. 52. Die Handlung der antiken Dramen beschreibt er - wie die Theatergegner, die allerdings die gleichen Sujets auch der zeitgenössischen Comedia zuschreiben - mit »estrupos de las virgines, [y] amores de las mugeres perdidamente fáciles« für die Komödie und »patricidios, y incestos de Reyes delinquentes« für die Tragödie und konstatiert dann: »Estos eran los argumentos de aquellos corruptos siglos«. Aprobación, S. 55. Durch den Gebrauch der Demonstrativpronomina >estos< und >aquellos< hebt er die antiken Dramen von der zeitgenössischen Comedia ab und schafft sich bereits ein Fundament zur Verteidigung des zeitgenössischen Theaters. Wie die Kirchenväter hebt Guerra hervor, dass die Zuschauer um so mehr zur Imitation des Dargestellten veranlasst worden seien, als die Protagonisten der Dramen Götter waren und betont: »Nunca dán [sc. los Padres] otra razón, sino que hacian con sus Comedias religiosos los delitos, y ambiciosos los pecados.« Aprobación, S. 61. Anhand von Zitaten der Patristen stellt Guerra folglich dar, dass die Zuschauer zu Raub, Täuschung, Mord, Ehebruch und Inzest angeregt worden seien und fragt dann: »Qué Christiano podia, sin grave culpa, autorizar tales abominaciones con su assistencia? De testigo passava á cómplice« (S. 64). So fasst Guerra noch einmal zusammen: »Fueron las Comedias antiguas (como han visto) hijas de la Idolatría, reliquias de la superstición, madres de la torpeza, desahogos de la ira, Cathedras de la mentira, y Universidades de la licencia: sus argumentos siempre profanos, sus artificios mentirosos, hacian los delitos soberanos, canonizaban los vicios, divinizaban los pecados, los Representantes eran Gentiles, y las fiestas honor de sus Deidades. Aun los moderados Gentiles, como Catón, Scipion, Platón, y Cicerón las abominaron; pues como avian de consentirlas los Padres? Me han de permitir que diga, que nuestras Comedias solo se parecen á estas en el vocablo: no tiénen mas parentesco con ellas, que en el vano titulo.« Aprobación, S. 71. Aprobación, S. 47. Zwar hatten bereits die theaterbefiirwortenden Mitglieder des Kastilienrats (1648) wie auch Diego de Vieh (1650) daraufhingewiesen, dass die patristische Theaterverurteilung nicht auf die Comedia übertragen werden kann (cf. supra: V, IV). Das provokative Potential von Guerras Bezeichnung der patristischen Zeugnisse als »tacitas aprobaciones« der Comedia wird jedoch deutlich, wenn man das Urteil der Junta superior dagegenhält, die noch 1672 betont hatte, »se leen tan al vivo pintados en sus [sc. los Padres] palabras más ha de mil y trescientos años los excesos de las comedias y representaciones de estos tiempos, que no se descubre diferencia sustancial que pueda excusarnos de aquella reprensión«. Cotarelo: Bibliografía, S. 388.

Manuel de Guerra y Ribera: Aprobación

3.2

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Widerlegung der Theatergegner: der Angriff auf Hurtado de Mendoza

Da Guerra die Notwendigkeit erkennt, die Theaterverurteilung der Patristen in ihrem historischen Kontext zu beurteilen, erklärt er, dass die gegenwärtige Verurteilung der Comedia jeglicher Basis entbehre, da die Theatergegner die Zeugnisse der Kirchenväter geltend zu machen versuchen, ohne Hintergrund und Umstände des antiken Theaters zu berücksichtigen. 3 9 Seine Unterscheidung zwischen antikem Drama und zeitgenössischer Comedia stilisiert er als göttlich inspiriertes Urteil 4 0 und betont die Relevanz dieser differenzierten Sichtweise, »porque como es terrible culpa escusar de pecado lo que es, es igual hacer pecado lo que no es. Es el de las conciencias un juego muy delicado, donde tanto se puede errar por carta de mas, como por carta de menos«. Hiermit klagt er nicht nur implizit die Theatergegner an, zur Sünde zu erklären, w a s in den A u g e n Gottes keine Sünde ist, sondern macht - seiner laikalen Leserschaft - auch deutlich, dass auch die Theologen bei der Auslegung der - keineswegs eindeutigen - christlichen Doktrin fehlgehen können. U m die Vereinbarkeit von Theaterbesuch und christlicher Lebensführung herauszustellen, widerlegt Guerra den Jesuiten Hurtado de Mendoza, »que mas agriamente, y con mas latitud escriviö contra [las comedias]« (S. 72). Während er immer wieder seine eigene Aufrichtigkeit und Unbefangenheit betont, unterstellt er Hurtado blinden Eifer, ein unzureichendes Quellenstudium und die absichtliche Verfälschung der Tatsachen. S o klagt er ihn an, Thomas von Aquin falsch ausgelegt und verkürzt zitiert zu haben, und berichtigt ihn mit der ausführlichen Analyse der quaestio 168, 2. 4 2 Hurtados Verurteilung der Schauspieler

39 »Sinceramente digo, que he echado menos en los que impugnan nuestras Comedias con los testimonios de los Padres, que censuran las antiguas, que no passassen los ojos á ver qué contenían, quienes las representaban, y á quien se hacían. Sin este conocimiento perfecto, no se puede hablar fundado.« Aprobación, S. 51. Als Beweis für die unzureichende Auseinandersetzung der Theatergegner mit der antiken spectacula-Kr\i\k beruft er sich auf Luis de Ulloa, der bei seiner Zusammenstellung aller Pro- und Contra-Argumente der Debatte keins der von ihm vorgebrachten Zeugnisse erwähne (S. 67). 40 »[...] y sabe Iesús y su Madre, á quien pongo por testigos, que todos estos dias he pedido á Dios en la Missa, me alumbre, y inspire lo que fuere de su mayor agrado, y que me borre este juicio, si acaso yerro en él, como hombre.« Aprobación, S. 70. 41 Aprobación, S. 71. Das tridentinische Dekret über das Sakrament der Buße erklärt den Priester, der dem Büßenden eine falsche Genugtuung auferlegt, auf der Basis von 1 Tim 5, 22 für mitschuldig an der fremden Sünde. Heinrich Denzinger: Enchiridion symbolorum definitorum de rebus fidei et morum, S. 548. Guerras Argumentation scheint hier von Tomás de Avellaneda inspiriert zu sein, der sich auf Gerson berufen hatte (cf. supra: Anm. 29). Mit der gleichen Argumentation fordert Guerra die Theatergegner auch auf, die Stierkämpfe zu verurteilen, die er - im Gegensatz zur Comedia - als Relikte der antiken spectacula auffasst: »Para este barbaro, y sangriento espectáculo suplica mi buena intención á las plumas que escriven contra las Comedias, que apliquen sus altos estudios, siempre venerados de mi respeto. Estas fiestas si que son reliquias de los Circos Gentiles, fragmentos son de sus crueldades, deshechos pedazos de sus sangrientos ojos. Las Comedias mudaron especie, este espectáculo solo ha mudado individuación; baxöse de Roma á España, todas las Naciones le han desterrado, ninguna le conserva; no seamos tan crueles, que sangre humana nos sirva de lisonja« (S. 92f.). 42 Guerras Vorwurf musste die Jesuiten um so härter treffen, als die Summa theologica ihre offizielle Lehrgrundlage darstellte (cf. supra: V, III, Anm. 21). Dass Guerra sich im Gegenzug als Schüler des Kirchenlehrers stilisiert, deutet auch auf eine Rivalität der verschiedenen Orden hinsichtlich der richtigen Lehrmeinung. So konstatiert der Trinitarier: »El ser discípulo (aunque indigno) de tal Santo, y la

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verwirft Guerra nicht nur als Thomas v o n Aquin entgegengesetzt, sondern rügt seine B e richte über die Lebensweise der Schauspieler auch als Verleumdungen, die »agenos de una Religiosa pluma« sind. 43 Zudem beschuldigt er den Jesuiten (zurecht), die zeitgenössischen Theaterverteidiger als Gewährsmänner für die These der Unzulässigkeit der Comedia anzuführen, w o b e i er erkennt, dass sich die Debatte nur auf der Grundlage einer Analyse konkreter Theaterstücke eindeutig klären lässt. D i e s e nimmt aber auch er nicht vor, sondern gibt sich vielmehr mit der - Hurtado entgegengesetzten - Beteuerung zufrieden, dass die gegenwärtigen Auffuhrungen sittenkonform seien: »Cita [sc. Hurtado] estos Autores [i.e. Thomàs Sánchez, Bonacina, Navarro, Mendoza] (y pudiera à todo el Mundo) porque dicen, que exercer juegos torpes, è inhonestos, es pecado: [...]. Qué tiene que vèr este dictamen con que los Representantes viven en pecado mortal? Para esto debia probar, que exercitan palabras torpes, y deshonestas; es cierto que no las dicen, ni exercitan; y sino, cite algunas. Pues qué citas son estas?« (S. 78). In B e z u g auf Hurtado stellt Guerra seine historisch informierte Textexegese erneut der blinden Übertragung der Kirchenvätertexte auf die zeitgenössische Theaterpraxis gegenüber und macht sich über den Jesuiten lustig, der - obwohl er v o m »fere universo Patrum exercitu« (cf. supra) spreche - , »trae quatro testimonios, que hablando sinceramente, no son del caso« (S. 78). D a Hurtados Argumentation auf dieser unzureichenden Basis beruhe, hält Guerra, der dem Jesuiten zuvor noch Arroganz vorgeworfen hatte, eine weitere Auseinandersetzung mit dessen Thesen nicht für nötig. 4 4

4

Die Verteidigung des zeitgenössischen Theaters und seiner Beteiligten

4.1

Die Vereinbarkeit der Comedia mit einer laikalen christlichen Lebensführung

Guerra fuhrt seine beiden theaterbezüglichen Thesen, »que la Comedia es indiferente en lo Christiano, y conveniente en lo Politico«, ausdrücklich auf Thomas von Aquin zurück (S. 75) causa de la verdad, me obliga à decir, que se equivocò tanto el Padre Hurtado, que mi Angel Santo Thomàs dixo lo contrario.« Aprobación, S. 72. Nachdem er die Doktrin des Thomas von Aquin erklärt hat, unterstreicht er emeut: »[...] es cosa dura, que el Padre Hurtado no siga à Santo Thomas, y se valga de su autoridad, para autorizar lo que escrive contra él« (S. 75). 43 So hebt Guerra immer wieder das Missverhältnis zwischen Hurtados äußerlichem Glaubenseifer und übertriebenem Rigorismus und seiner fehlenden Realisierung der christlichen Werte hervor. Seine Distanzierung von dem Jesuiten unterstreicht Guerra dabei, indem er betont, dessen Berichte über die Schauspieler aufgrund ihrer Unvereinbarkeit mit dem geistlichen Status nicht wiederzugeben: »Esta severissima pluma no halla camino para que pueda vivir ajustadamente la gente ocupada en el teatro. Terrible juicio! Refiere algunos sucessos, que me deberá [...] que no los refiera, porque son agenos de una Religiosa pluma: [...].« Aprobación, S. 89. 44 So konstatiert er aufgrund von Hurtados Behauptung, die Unzulässigkeit der Comedia mit dem Urteil der Kirchenväter bewiesen zu haben: »No sè qué diga destas arrogancias; solo diré que no me parece sincero animo de buscar la verdad. Olvido todos sus restantes argumentos, porque son todos sobre estos principios.« Aprobación, S. 78. Auch klagt er Hurtado, der sein theaterfeindliches Urteil von der Erlaubnis der Comedia durch den Monarchen explizit abgegrenzt hatte (cf. supra), der Heuchelei an: »Admírame el Padre Hurtado [...] trata de la permission de las Comedias, y no sé como compone en el §. 372. hacer una salva rendida al Rey, y à su Consejo Supremo de Castilla, y decir luego, §. 377. estas voces: Unde deduco permissionem Comaediarum esse per se illicitam: aun no se contentò con Per accidens: luego si per se es ilícita, para qué es la salva à su Magestad, y à su Consejo? No lo percibo« (S. 89).

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und deklariert den mittelalterlichen Kirchenlehrer - letztlich ebenso anachronistisch vorgehend w i e die von ihm kritisierten Theatergegner - zum Verfechter des profanen Theaters. 45 Aufgrund der Unterbrechung der Aufführungen zu den üblichen Messzeiten und in der Fastenzeit sieht er die von Thomas von Aquin für das Spiel aufgestellten Bedingungen als erfüllt an, 4 6 und weist auch auf die Sitzordnung im Theater hin, die - anders als beim Stierkampf - männliche und weibliche Zuschauer trennt (S. 93). Vor dem Hintergrund, dass der Mensch aufgrund seiner anthropologischen Disposition zudem nach Vergnügen verlangt, konstatiert Guerra folglich, »juzgo (con la reverencia que debo á los Magistrados) que ningún juego puede ser mas conveneinte [sie!], que el de la Comedia, en la forma que oy la tiene ceñida la vigilancia del Consejo Supremo Real, con su Conservador, Censor, y Fiscal« (S. 78f.). Mit diesem Hinweis auf den gut organisierten Zensurapparat des zeitgenössischen Theaters macht er die Einwände der Theatergegner bezüglich der Unsittlichkeit der Aufführungen hinfallig und stellt die Verurteilung der Comedia zudem als eine Beleidigung der zensierenden Instanzen dar. 47 Hurtados totalitären Standpunkt, die Comedia sei »intrinsecé mala« (cf. supra), revidiert Guerra zudem mit dem spitzfindigen Argument, dass eine von ihrem W e s e n her schlechte Aktivität nicht ohne Sünde ausgeübt werden könne, es sei jedoch bekannt, dass die Comedia von denen aufgeführt werde, die sie verurteilen. 48 S o verbindet er die Widerlegung von Hurtados These mit einem subtilen Angriff auf die - ihre eigenen Theaterstücke zur Aufführung bringende - Societas Jesu und appelliert an die Theatergegner, die Comedia nicht zu verurteilen, sondern für ihre sittengemäße und normkonforme Aufführung Sorge zu tragen,

45 So suggeriert er seinen Lesern: »Sepa, pues todo el Mundo, que Santo Thomàs, Maestro de todos los Sabios, y el iluminado por Dios, no reprueba las Comedias, sino que las permite, y tolera; sepan, que dice, que es necessario algún juego para la vida humana: Necessarius, no dixo útil, sino necessario, porque le juzgó preciso, [...]. Sepan, que los Representantes no están en pecado mortal por su oficio: sepan, que la República puede licitamente señalar estos oficios que pertenecen al regocijo publico.« Aprobación, S. 75f. 46 So merkt er an, dass die Theater »por la mañana, que debe darse à Dios, y cumplir con los cuidados de la alma, y en el tiempo religioso de la Quaresma« geschlossen seien und stellt befriedigt fest: »Hasta en esto siguen nuestras Comedias la opinion del Santo.« Aprobación, S. 76. Den Hinweis auf die Theaterschließung während der Fastenzeit fugt er allerdings erst - wohl in Replik auf seine Gegner - in der Überarbeitung der Aprobación hinzu. Der Consejo de Castilla hatte 1600 Aufführungen vor 12 Uhr verboten, »porque no se pierda la misa y por otros respetos«. Cotarelo: Bibliografìa, S. 163. Das Verbot wurde 1608 und 1615 wiederholt, was auf seine mangelnde Befolgung schließen lässt. In der Fastenzeit, die den Truppen zudem für Proben und die Rekrutierung neuer Mitglieder diente, waren die Aufführungen seit 1603 verboten. Cf. den Appendix in der Bibliografia. 47 Das Zensursystem wird je nach Perspektive als Argument für oder gegen die Comedia vorgebracht. Besonders deutlich wird dies am geteilten Urteil des Kastilienrats von 1666: Hatten die Befürworter der Wiedereröffnung auf die Vorzensur der Stücke, die Anwesenheit des Zensors bei der ersten Aufführung, die Präsenz eines alcalde de casa y corte zur Disziplinierung der Zuschauer und das umfassende Bestrafungssystem bei jeglicher Art von Missbrauch verwiesen, um die Sittenkonformität der Comedia zu unterstreichen, so entgegneten die Theaterfeinde: »[...] y antes la providencia y superintendencia referida, demás que no es aprobación de las comedias, como se ha dicho, es demostración del peligro á que se provee«. Cotarelo: Bibliografia, S. 174 und S.179. 48 »La Comedia, por mas que pretendan estos Autores viciarla, no es intrinsecamente mala, porque si assi fuera, no pudiera executarse ni una vez siquiera: y saben todos, que la han executado los mismos que la desfavorecen; [...].« Aprobación, S. 84.

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Claire-Marie Jeske »y procurar que [el estilo] fuesse enteramente limpio, para que no perdiesse, por el mal vestido, la bondad que puede tener, quando sale con puro aliflo al teatro« (S. 84).

S o w i e er jede in den A u g e n der Theatergegner entstehende Gefahr nicht der Comedia, sondern ihrer unzureichenden Zensur zuschreibt, 4 9 lastet er auch die potentiell sündhafte Lebensweise der Schauspieler nicht dem Theater, sondern dem defizitären Eingriff der Justiz an. 50 Im Gegensatz zu Hurtado, der alle am Theater Beteiligten der Todsünde bezichtigt hatte, konstatiert Guerra: »la mayor maldad que puede tener la Comedia en si, es una venialdad« (S. 84). D a er für Nachsicht gegenüber den lässlichen Sünden plädiert und den aus der Comedia resultierenden Schaden zudem als »mal contingente« herausstellt, weist er die Verbotsforderung der Theatergegner als »pesadissima obligacion« zurück und assoziiert sie mit der Grausamkeit der antiken Kaiser Tiberius und Domitian, w o b e i er sowohl den politischen Entscheidungsträgern als auch seinen laikalen Adressaten, denen er hiermit ein rhetorisch wirksames Argument gegen die Theaterschließung an die Hand gibt, suggeriert, »que no ay razon aora, que obligue ä querer firmar Decretos de un Tiberio, y Domiciano.« 5 1 S o weist Guerra - w i e D i e g o de Vieh - auf den Nutzen des anthropologisch notwendigen und staatlich gelenkten Phänomens Theater hin 5 2 und schreibt j e d e s potentiell entstehende Übel

49 Guerras parenthetische Zusätze machen dabei deutlich, dass er selbst die gegenwärtige Zensur als ausreichend beurteilt und den Gegnern nur auf rhetorischer Ebene weitere Maßnahmen anheim stellt, die Comedia auch aus ihrer Sicht vom Makel der Unzulässigkeit zu befreien: »[...] es constante, que en su opinion no es intrínsecamente mala, sino por el accidente de la mezcla de los sexos, que afirman, que provocan, y por los afectos amatorios, que juzgan, que encienden: y siendo esta su opinion, juzgaba yo, que no debian oponerse á las Comedias, si al estilo de ellas; censurar el estilo, y procurar que fuesse enteramente limpio.« Aprobación, S. 84. 50 Mit diesem Argument rehabilitiert Guerra nicht nur die von Hurtado verurteilten Schauspieler, sondern auch die ebenso angeklagten Dichter: »Del escandalo (si ay alguno) que resulta de la vida de los aplicados á la Comedia, firmemente creo, que no han de ser residenciados en el Tribunal Divino los pobres Poetas, sino las Señoras Varas.« Aprobación, S. 89. 51 »Del astuto, avaro, lascivo, cruel, y falso [...] Tiberio, dice Cornelio Tácito, que desterró los Comicos. El vicioso Emperador Domiciano, monstruo de costumbres, prohibió las Comedias publicas, y permitió solo las privadas, [...]. Si de esto quisieren argüir, que son tan malas, que aun tan viciosos hombres las juzgaron feas, no podré convenir, porque dan horror las maldades que al mismo tiempo executaban: [...].« Aprobación, S. 88f. Es ist unklar, in wie weit Guerra hier ein bevorstehendes Theaterverbot abzuwenden versucht. So stand die Forderung der Junta Superior, die Auffuhrungen abzuschaffen, seit 1672 im Raum. Zudem hatte González de Santalla 1679 die Schließung der Theater in Sevilla zur Abwendung der Pest durchgesetzt (cf. supra: Anm. 9). Dass auch Kastilien von der Pest bedroht war, lässt sich aus dem im Juli - drei Monate nach der Aprobación - aufgrund der Pest verhängten Theaterverbot schließen, auf das Guerras Gegner anspielen (cf. infra). Das Verbotsdekret ist allerdings bei Pellicer nicht erwähnt und auch Cotarelo hat den Text selbst nicht aufgefunden. Bibliografía, S. 636. 52 »La buena Medicina, dice Hipócrates, ha de observar ayre, lugar, y tiempo: el ayre de las Cortes pide, que se dé [sie!] á los entendimientos ociosos, algunos voluntarios empleos.« Aprobación, S. 94. Mit dieser Argumentation repliziert Guerra auch auf die Theatergegner des Kastilienrats: Während er die politische Zweckmäßigkeit der Comedia betont, hatten diese herausgestellt, dass die römischen Kaiser das Theater zur Unterdrückung und Ruhigstellung des Volkes einsetzten und der Regentin 1666 suggeriert: »[...] el imperio justo de V. M. no ha menester adormecer con delicias á los pueblos para que obedezcan, sino despertarlos del letargo de ellas para los ejercicios de la paz y de la guerra«. So schließt sich Guerra dem Votum der Theaterbefürworter innerhalb des Consejo an, die darauf insistiert hatten, dass ein Theaterverbot der Staatsraison widerspreche, »que consiste en permitir á los vasallos estos divertimientos guiados, porque de apretar y subir mucho las clavijas del instrumento suelen hacerse quebrar las cuerdas y quebrar el arco de muy tirante«. Cotarelo: Bibliografía, S. 175 und S. 182.

Manuel de Guerra y Ribera: Aprobación

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nicht der - durch die Zensur normkonformen - Comedia, sondern ihrem Missbrauch zu.53 Dies macht deutlich, dass auch Guerra nicht für ein autonomes, sondern vielmehr für ein kontrolliertes Theater plädiert, das im Sinne der Eutrapelie der Unterhaltung dient und frei von jeglicher Anstößigkeit ist.

4.2

Die Verteidigung der Comedia auf der Basis einer moralisch orientierten Rezeptionsästhetik

Guerra unterscheidet drei Subgattungen der zeitgenössischen Comedia, wodurch seine Aprobación erneut über die traditionelle Theaterkritik hinausgeht: »Las Comedias que aora se escriven, se reducen á tres classes, de Santos, de Historia, y de Amor, que llama el vulgo de Capa, y Espada: todas son tan ceñidas á las leyes de la modestia, que no son peligro, sino doctrina« (S. 71).

Hiermit verneint der Trinitarier nicht nur die von den Theatergegnern als gewiss vorausgesetzte sozialschädliche und sittenverderbende Wirkung des Theaters, indem er allen drei Typen der Comedia mit Verweis auf die Wirksamkeit der Zensur moralischen Nutzen attestiert. Er bezeichnet die Comedia sogar als adäquate moralische Doktrin für den Laien und wendet damit einen bisher ausschließlich religiös besetzten Begriff auf eine profane Freizeitbeschäftigung an, was für die klerikal geprägten Theatergegner, die die Unvereinbarkeit von zeitgenössischer Comedia und christlicher disciplina hervorheben, äußerst provokativ sein muss. Den Nutzen der Comedia spezifiziert Guerra anhand der drei von ihm unterschiedenen Subgattungen: So evozieren die comedias de santos ein positives Andachtsgefuhl, die Geschichtsdramen erziehen im Sinne des buen ejemplo und der didaktische Stimulus der Liebeskomödien, die Guerra als die »menos morales« ausweist, besteht darin, dass die Zuschauer die Sittlichkeit der Darstellung überwachen, wobei Guerra betont, dass selbst die kleinste Abweichung von der moralischen Norm mit Pfiffen sanktioniert werde.54 Hiermit setzt der Trinitarier dem anthropologischen Pessimismus der Theatergegner, die - wie Guzmán und Hurtado - unterstellen, dass das Publikum die Auffuhrung von Anstößigkeiten verlange, ein positives Menschenbild entgegen, das dem Laien nicht nur eine moralische Unterscheidungsfahigkeit zugesteht, sondern darauf vertraut, dass er auch entsprechend der verinnerlichten Moral urteilt und handelt. Diese Fähigkeit spricht Guerra allerdings nur den »discretos« - den Klugen - zu. So macht er die geistige Reife des Christen zum entscheidenden Faktor für die Moralität des Theaterbesuchs und entwirft analog zu den drei Thea-

53 »Puede ser la Comedia ocasion de mal: admito que lo puede ser; pero no es mal nacido de si, con que su vicio no recae en su naturaleza, sino en la malicia, ó facilidad de quien la vicia.« Aprobación, S. 85. Auch hiermit folgt Guerra den Theaterbefürwortern des Kastilienrats, die 1666 konstatiert hatten, die Comedia sei »un entretenimiento enderezado á la conservación de la vida humana para divertir los hombres y mujeres de sus congojas y aflicciones, y, que no es en sí ilícito, ni los que las ejercen están en pecado ni los oyentes, porque cada uno de ellos puede aplicarse á lo bueno y apartarse de lo malo y que lo tuviesen por tal; y si hubiese alguno que por su malicia sacase de ellos incentivo de pecar, será por su malicia y no porque el acto en sí sea ilícito ni le obligue á ello«. Cotarelo: Bibliografía, S. 173. 54 »Si son historiales, los avisos doctrinan, los sucessos escarmientan, los desengaños atemorizan. Si son de passos amatorios (que son las menos morales) están tratados con tal honestidad, que ni se permite indecencia ligera en los afectos, ni voz menos pura, que no saliesse castigada á silvos.« Aprobación, S. 71.

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tergenera eine differenzierte Rezeptionsästhetik, die die Zuschauer nach ihren intellektuellen Voraussetzungen klassifiziert: »Tienen las Comedias tres classes, porque se reducen á tres classes los genios. Para los medianamente avisados son indiferentes. Para los discretos son buenas. Para los necios pueden ser malas« (S. 87).

Während die mittelmäßig Intelligenten die Comedia als bloßes Hör- und Sehvergnügen rezipieren, »sin passar á penetrar mas allá lo escondido de los objetos« (S. 87), ziehen die Klugen, die über die rein oberflächliche Wahrnehmung des Dargebotenen hinausgehen, eine Lehre aus der Auffuhrung, zumal ihre reflexive Haltung das reine Sinnesvergnügen verhindert.55 Aus demselben Grund kann die Comedia für die Einfaltigen schlecht sein, denn »es fácil, que faltando el ayo del entendimiento se deslice algún sentido« (S. 88). Für diese wäre das Theater auch nach Guerras Auffassung besser geschlossen, da - wenn auch die Wahrscheinlichkeit des Schadens gering sei - eine positive Wirkung der Comedia bei ihnen ebenso ausbleibe. Guerra betont aber, dass die sittliche Gefahrdung des Einzelnen nicht dazu berechtige, diese pauschal für alle anzunehmen,56 weshalb er die Entscheidung, das Theater zu besuchen oder zu meiden, entsprechend seines anthropologischen Optimismus der Verantwortung und Selbstwahrnehmung des Individuums überlässt: »Conforme lo que experimentáre en si, ha de ser cada uno el Autor de su opinion. Permitan que diga, que es tan raro Tribunal el de la Comedia, que los reos han de ser los Juezes, porque conociendo en si, que no le daña, sigue bien el verlas; si halla que le distrae, debe huirlas« (S. 88).

Stellt sich Guerra bereits mit dieser positiven Bewertung des menschlichen Urteilsvermögens der theologischen Tradition entgegen, die dem Laien ein moralisches Bewusstsein und die Fähigkeit, die passiones zu beherrschen weitgehend abspricht, so macht er zudem deutlich, dass der umfassende Reglementierungswillen der klerikalen Kultur fehlgehen muss: »En estas materias universales, que pueden practicarse por genios tan desiguales, no puede la prudencia dar leyes comunes, porque fueran errores; es preciso acomodarlas á cada genio, y conociendo cada uno su genio, obrar conforme la obligación que interiormente reconoce en si« (S. 87).

Indem Guerra - ähnlich wie Vieh, der als Laie den hinter der Theater-Debatte stehenden Allzuständigkeitsanspruch der klerikalen Kultur freilich noch unbedenklicher äußern kann - die Übertragung der Entscheidungskompetenz auf das Individuum mit der Unmöglichkeit begründet, allgemeingültige Regeln aufzustellen, entlarvt er auch, dass es keine universal gültige christliche Doktrin gibt, die moraltheologischen Forderungen und Prinzipien also nicht zwingend aus dem kirchlichen Dogma hervorgehen, sondern auf persönlichen Meinungen und Erfahrungen beruhen. So erkennt Guerra an, dass sich das Theaterpublikum wie die Gesellschaft insgesamt - aus verschiedenen Individuen mit unterschiedlicher intellektueller Einsichtsfahigkeit und Imaginationskraft zusammensetzt. Indem er die Wirkung 55 »Para los discretos es buena, porque si es de Santo, como penetran el primor de los números, les mueve á ternura; si es de historia, reparan el exemplo, si es de passos amatorios, se irritan, si no ván tan puros. De todas sacan utilidad, estos no tienen peligro; y la razón es, porque ocupado el entendimiento en atender los defectos, ö los primores, no dexa lugar á que puedan distraerse los sentidos.« Aprobación, S. 88. 56 So stellt er dem anthropologischen Pessimismus der klerikalen Kultur immer wieder die Notwendigkeit entgegen, die Unterschiedlichkeit der Menschen zu berücksichtigen: »Buelvo á advertir, que no por algún daño particular, se ha de medir el común: no por lo que á mi me sucede, he de ajuiciar lo que á todos: el que reconociere inconveniente, no las vea; su experiencia ha de ser á quien consulte.« Aprobación, S. 93f.

Manuel de Guerra y Ribera: Aprobación

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der Comedia aber an die geistigen Voraussetzungen der Zuschauer knüpft, die je nach ihrer Erfahrung für sich selbst über den moralischen Schaden oder Nutzen der Aufführung entscheiden müssen, legt auch er keine ästhetischen Maßstäbe zur Beurteilung des Theaters an. Vielmehr bewertet er das Theater anhand der etablierten Moral und betrachtet es somit in seiner Verklammerung mit dem theologischen Diskurs, vor dem er es als Institution zu entkulpabilisieren versucht.

4.3

Die comedia de santos als Anleitung zur praxis pietatis

Im Gegensatz zu den Theatergegnern, die in der comedia de santos die Verspottung und blasphemische Darstellung der Heiligen wahrnehmen, sieht Guerra im gefühlsbetonten Erleben der comedia de santos eine potentielle Hinfuhrung zum positiven religiösen Empfinden: »Muchos me asseguran, que en una Comedia de la Virgen Santissima, ö de Santo (que son muchas) se llenan de lagrimas. Personas (bien discretas cierto) me han jurado que los mueve mas una Comedia de estas, que un Sermon« (S. 86).

Zwar gesteht er den Theatergegnern zu, »que en buen ayre de razon deben mover mas los Sermones, que las Comedias« (S. 87), begründet die potentiell glaubensfestigende Funktion der Comedia aber mit der Verschiedenheit der Charaktere und der Neigung des Menschen, sich mehr von Emotionen als von Vernunftgründen leiten zu lassen. Auch hier plädiert Guerra dafür, die Unterschiedlichkeit der Menschen zu berücksichtigen,57 und macht deutlich, dass auch die Theatergegner demjenigen, der beteuere, nur in der Comedia religiöses Erleben zu verspüren, diese »ocasion de sus progressos« nicht verwehren dürfen.58 So scheint Guerra die für die Religiosität des Barock konstitutive formale Ähnlichkeit von Bühne und Kanzel zu erkennen und plädiert dafür, diese zu nutzen, indem er der profanen Comedia eine komplementäre Funktion zur Glaubensunterweisung der Kirche einräumt. Dass der Trinitarier die Übernahme kirchlicher Aufgabenbereiche durch das profane Theater akzeptiert, bedeutet nicht nur einen Paradigmenwechsel in der traditionellen christlichen Wahrnehmung darüber, welchen moralischen Effekt das profane Theater auf die Zuhörer hat, sondern ist vor allem vor dem Hintergrund einer von der klerikalen Kultur wahrgenommenen Konkurrenz zwischen liturgischer und profaner Aktivität ein provokatives Novum: Indem Guerra die emotionale Aufladung des Bühnengeschehens nicht nur positiv bewertet, sondern der comedia de santos sogar einen möglichen Erbauungseffekt zuweist, 57 Dabei nutzt er die Gelegenheit, als Beispiel seine eigene Bibeltreue hervorzuheben: »No ay que irritarse contra los genios; sino saber, que cada genio tiene su especial mocion. Las inclinaciones á lo sagrado son tan dessemejantes, que admiran. A unos les mueve un mysterio, á otros el encontrado; á unos un Santo, á otros otro; á unos un libro, á otros el diverso. Yo soy muy inclinado á leer la Biblia, [...].« Aprobación, S. 86. 58 Aprobación, S. 87. Guerra folgt hiermit wiederum der probabilistischen Lehre, nach der der Beichtvater die Pflicht hat, dem Gläubigen das Vollkommenere anzuraten, nicht aber das Recht, ihm seine Meinung aufzudrängen, wenn die gegenteilige Ansicht eine »sententia vere probabilis« ist. Folglich muss der Priester auch den Büßenden absolvieren, der eine von ihm abweichende Ansicht hat und diese für wahrscheinlicher hält. Heribert Jone: Katholische Moraltheologie auf das Leben angewandt. Paderborn: Schöningh 18 1961, S. 70. Joseph Mausbach: Katholische Moraltheologie, Bd. 1: Die allgemeine Moral. Die Lehre von den allgemeinen sittlichen Pflichten der Nachfolge Christi zur Gleichgestaltung mit Christus und zur Verherrlichung Gottes in der Auferbauung seines Reiches in Kirche und Welt. Neunte, verbesserte Auflage von Gustav Ermecke. Münster: Aschendorffsche Verlagsbuchhandlung 1959, S. 186.

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bindet er den Glauben nicht mehr ausschließlich an die Institution Kirche, sondern sieht ihn gerade durch die Institution unterstützt, die von der Mehrheit des Klerus als konkurrierendes Sinndeutungsangebot erlebt und folglich abgelehnt wird. Verurteilen die klerikal geprägten Theatergegner die Comedia s o w o h l aus der Angst, ihr Interpretationsmonopol zu verlieren als auch aufgrund der grundsätzlichen Tendenz des Theaters zu Erotik und Körperlichkeit, so nimmt Guerra die Koexistenz von profaner und theologischer Kultur nicht als Konkurrenz wahr, sondern betont vielmehr die Möglichkeit der beiden Kulturen, einander zu befruchten, und führt den Theatergegnern den Nutzen des profanen Theaters für die Belange der Kirche vor Augen. 5 9

5

Die Mustergültigkeit des Theaters von Calderón de la Barca

Nur die letzten fünf Seiten seiner Schrift widmet Guerra seinem eigentlichen Vorhaben: der Approbation der comedias von Calderón de la Barca. Für Guerra ist mit Calderón der Idealzustand des Theaters erreicht, so stellt er den Dramaturgen als denjenigen dar, der die Comedia i m moralischen Sinn >gereinigt< und das Theater von j e d e m Skrupel befreit hat. Während er betont, dass alle antiken Dichter Epigonen seien, gesteht er Calderón zu, eine völlig neue dramatische Tradition geschaffen zu haben, w o m i t er Lope de V e g a als Schöpfer der Comedia Nueva, in deren Tradition Calderón unstreitbar steht, bewusst ausklammert, um Calderón von dieser durch die licitud-Debatte negativ belegten Theaterpraxis abzugrenzen.

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59 Vergleicht man Guerras Sichtweise der comedia de santos mit den Ausführungen des Jesuiten Alonso de Andrade, der 1648 im Itinerario historial qve deve gvardar el hombre para caminar al cielo die Konkurrenz zwischen Predigt und Theater thematisiert, so wird der Paradigmenwechsel besonders deutlich: So berichtet der Verfasser von Marianas Vita von zwei Jesuiten, die während einer Mission in Extremadura auf eine Schauspieltruppe stoßen und das Volk überzeugen, von deren Aufführungen fernzubleiben. Die Schauspieler reagieren mit Verleumdungen gegen die Geistlichen; da die Zuschauer aber ausbleiben, »tomó otro medio el autor de las comedias, y fué oponerse á la predicación evangélica y hacerse predicador de almas«. So lädt er zur unentgeltlichen Aufführung einer comedia de santos ein, um zu beweisen, »que hacemos más fruto con una comedia que ellos [se. estos envidiosos Teatinos] con todos sus sermones«. Gott aber erhört die Gebete der Geistlichen, dem Volk die Augen zu öffnen: »Empezó [la] farsa, y á las primeras palabras se trocó en tragedia, porque no permitiendo el Señor amancillar su palabra en la boca de un pecador, le quitó luego allí de repente la vida. Cayó en tierra [...], el que venía vestido de Santo siendo público pecador; [...].« Neben der wirkungsvollen Enttäuschung des Volkes hat die wunderbare Strafe Gottes laut Andrade auch die Konversion und den Berufswechsel einiger Schauspieler zur Folge. Cf. Cotarelo: Bibliografía, S. 56-59. Vor dem Hintergrund dieser gegenteiligen Sichtweisen der comedia de santos ist Vitses These von der »lutte sourde entre deux stratégies pour la captation des âmes« (Éléments pour une théorie du théâtre espagnol duXVlIe siècle, S. 47) in Hinblick auf Guerra, der entgegen der vorwiegend negativen Wahrnehmung der comedia de santos die These von ihrem religiösen Nutzen vertritt, zutreffend. - Es sei an dieser Stelle bemerkt, dass Garcia Berrio die licitud-Debatís nur »hasta el comienzo del declive barroquista en torno a 1650« verfolgt, hier - wie auch bei der Behandlung der weiteren Traktate - also nicht mehr berücksichtigt werden kann. 60 So konstatiert Guerra: »Lo que mas admiro, y admiré en este raro ingenio, fue, que à ninguno imitó; nació para Maestro, y no Discípulo, rompió senda nueva al Parnaso, sin guia escaló su cumbre: esta es para mi la mas justa admiración, porque bien saben los eruditos, que han sido rarissimos en los siglos los inventores.« Aprobación, S. 95. Es sei daran erinnert, dass die Verurteilung des profanen Theaters vor allem mit Lopes Namen verbunden war. So war Lope von Hurtado de Mendoza und Pedro de Tapia zum gegenreformatorischen Erzfeind, »que [...] había hecho más daño con sus comedias en España que Martín Lutero con sus herejías en Alemania« stilisiert und die Aufführung seiner Stücke 1644 vom Kastilienrat verboten worden. Cf. supra: V, III, Anm. 37f.

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A u c h Calderóns Theaterschaffen, das fiir Guerra »la cumbre de lo C o m i c o « darstellt, unterteilt der Trinitarier in die drei von ihm unterschiedenen Subgattungen und unterstreicht deren moralische Makellosigkeit, wobei er auf den klassischen aristotelischen Topos anspielt, dass die Dichtung die Geschichte verbessere: »Las Comedias de Santo son de exemplo, las historiales de desengaño, las amatorias de inocente diversión, sin peligro. [...] Nunca se [se. Calderón] desliza en puerilidades, nunca se cae en baxeza de afectos. Mantiene una tan alta magestad en el argumento que sigue, que si es de Santo, le ennoblece las virtudes; si es de Principe, le enciende a las mas heroyeas acciones: si es de particular, le purifica los afectos« (S. 94f.). Hatte Guerra die Comedia bereits als adäquate Doktrin für ein laikales Leben bezeichnet, so wird auch hier deutlich, dass er den Laienstatus nicht als unzureichende Imitation des religiös zentrierten Lebens der perfecti auffasst, sondern vielmehr erkennt, dass ein säkulares Leben v o n eigenen Parametern und Verpflichtungen regiert wird. 61 S o rehabilitiert er auch die Liebe als natürlichen Bestandteil des christlichen Lebens eines Laien, w e n n er ihre Thematisierung im Theater als »inocente diversión« bezeichnet. 6 2 D i e moralische Akzeptabilität der Liebe, deren Anerkennung die rigoristisch eingestellten Geistlichen schockieren musste, unterstreicht Guerra mit dem Hinweis, dass Calderón in seinen comedias »lo amatorio con lo decente« (S. 95) vereint habe, wobei er die - folglich auch aus seiner Sicht nahezu unmögliche - Synthese von Liebeshandlung und Sittlichkeit als einzigartigen Verdienst Calderóns hervorhebt, »[quien] diö en sus Comedias muchos impossibles vencidos«. Calderóns Theater erfüllt für Guerra somit nicht nur das thomistische Ideal einer moderaten Unterhaltung, sondern vermittelt sogar positive Verhaltens- und Imitationsmodelle s o w i e moralische Lehren, w o b e i Guerra auf dem - für das docere wichtigen - Prinzip der verosimilitud, der Wahrscheinlichkeit, insistiert: »Casó [sc. Calderón] con dulcissimo artificio la verosimilitud con el engaño, lo posible con lo fabuloso, lo fingido con lo verdadero, lo amatorio con lo decente, lo magestuoso con lo tratable, lo heroyco con lo inteligible, lo grave con lo dulce, lo sentencioso con lo corriente, lo conceptuoso con lo claro, la dotrina con el gusto, la moralidad con la dulzura, la gracia con la discreción, el aviso con la templanza, la reprehensión sin herida; las advertencias sin molestia, los documentos sin pesadez; y en fin, los desengaños tan caidos, y los golpes tan suavizados, que solo su entendimiento pudo dar tantos impossibles vencidos« (S. 95).

61 Insofern ist es auch nicht inkonsequent, dass Guerra - wie es aus einem Visitationsbuch aus den Jahren 1684 und 1685 hervorgeht - den Ordensgeistlichen den Theaterbesuch untersagt. Soria Ortega: El Maestro Fray Manuel de Guerra y Ribera y la oratoria sagrada de su tiempo, S. 66. Im Diccionario de Escritores Trinitarios wird Guerras Theaterbefürwortung noch Ende des 19. Jahrhunderts auf dieser Grundlage apologetisch korrigiert, so wird klargestellt: »No se crea, sin embargo, que el P. Guerra era aficionado á las comedias, pues nunca le agradó que las personas religiosas gastasen el tiempo en ver las comedias en teatros públicos, y [...] siendo Provincial de Castilla y visitando el convento de Toledo en 25 de Diciembre de 1684 y luego, en 27 del mismo mes de 1685, mandó en virtud de santa obediencia, bajo la pena de excomunión mayor ipso facto incurrenda con privación de conventualidad, [...], que ningún religioso se atreviese á ver comedias en teatros públicos [...].« S.v. »Guerra y Ribera, Manuel«: Antonino de la Asunción: Diccionario de escritores trinitarios de España y Portugal. Con un apéndice latino de escritores de toda la orden, T. 1. Roma: Fernando Kleinbub 1898. 62 Entsprechend seiner Auffassung der Comedia als einer Feier der Liebe im ehelichen Kontext begreift O'Connor Guerras Darstellung - vielleicht etwas zu weitgehend - als Aufwertung der Ehe innerhalb der katholischen Doktrin bzw. als Rückbesinnung auf die Rolle, die ihr in der christlichen Tradition mit der Hochzeit zu Kana ursprünglich zustand. Love in the Corral, S. 177.

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Mögliche Mängel sieht Guerra Calderón nicht nur als »defectillos ligeros« (S. 96) nach, sondern interpretiert sie als v o m Autor absichtlich eingebaute Schönheitsfehler. D e n Höhepunkt von Calderóns Theater stellen für Guerra die autos sacramentales dar, 63 w o b e i er den profanen Kontext der Auffuhrungen unerwähnt lässt und die stattliche Kleidung der Schauspieler sogar als Teil der gelungenen Inszenierung lobt. A u c h den autos schreibt Guerra eine Komplementärfunktion zu den Aufgaben der Kirche zu, indem er betont, dass sie die Zuschauer über die Bewunderung des Dargestellten in ihrem Glauben bestärken: »Son tan divinos los argumentos que sigue, tan hermosos los conceptos, tan galanes los vestidos, tan embebidas las moralidades, tan gustosas las doctrinas, tan taraceado lo discreto con lo santo, tan compañero del gusto el provecho, que de un golpe admira el entendimiento, y enciende la voluntad. Salen los ánimos admirados, y devotos, gustosos, y atritos, recreados, y encendidos; y entre los alhagos del oído introduce venerables respetos al Sacramento.« S o ist fíir Guerra auch die - von theologischer Seite teils scharf verurteilte - Mischung von Theologie und Poesie k e i n e s w e g s verwerflich, vielmehr sieht er in den autos sacramentales das Diktum von der göttlichen Inspiration des Dichters verifiziert, 6 5 wobei sein - wahrscheinlich v o n Scaliger, den er an anderer Stelle zitiert (cf. supra), inspirierter - Vergleich des Dichters mit einem alter deus die rigoristisch geprägten Theologen erneut herausfordern musste. Im Gegensatz zur - i m Barock dominierenden - augustinisehen Doktrin, die nur in der Abtötung der Sinne die Möglichkeit z u m Sieg über die menschlichen Leidenschaften sieht, schreibt Guerra der an die A f f e k t e appellierenden Comedia eine reinigende Wirkung zu, w o b e i er die aristotelische Katharsis moralisch interpretiert und auf Calderóns Dichtung überträgt. S o legt er unter Berufung auf den athenischen Komödiendichter Timokles dar,

63 »Donde con publica admiración de todos se excedió á si este eminente Varón, fue en los Autos Sacramentales: la devocion de su espirita le encendía el animo, [...].« Aprobación, S. 97. Bemerkenswert ist, dass Guerra Calderóns Frömmigkeit betont ohne auf dessen Priesterschaft hinzuweisen. Als Freund des Dramaturgen mag er um die von kirchlicher Seite geäußerte Unverträglichkeit des schöngeistigen Schaffens mit dem pastoralen Amt, auf die Calderón mit der Carta al Patriarca de las Indias reagiert hatte, gewusst und diese grundsätzliche Frage somit bewusst vermieden haben. Zur Carta al Patriarca cf. supra: I., Anm. 46. 64 Aprobación, S. 97. Guerras Beurteilung der autos sacramentales bestätigt aus zeitgenössischer Perspektive die These der modernen Forschung, dass die hochkomplexen von theologischen Fachtermini durchsetzten Stücke kaum auf diskursives Verständnis, sondern vielmehr auf emotionale Bewunderung und fraglose Zustimmung abzielten. Cf. hierzu Manfred Tietz: »Descontextualización histórica y mitificación de Calderón: la creación de un poeta teólogo«, in: Jesús G. Maestro (Hg.), Teatro hispánico y literatura europea: teatro y Weltliteratur. IV. Congreso Internacional de Teoría del Teatro. Vigo, 14-15 de marzo de 2002. Vigo: Universidad de Vigo 2002, S. 49-79. (Theatralia 4). 65 »Alli se debia de verificar la mentira bien recibida, que engrandece Cicerón, de ser los Poetas divinos, y altamente inflamados.« Aprobación, S. 97. Mag das Bild, das Guerra hier von Calderón entwirft, den Eindruck erwecken, der Trinitarier antizipiere bereits die - im Zuge des historischen Rezeptionsprozesses vor allem durch die deutschen Romantiker vorangetriebene - Mythifizierung Calderóns als >poeta theologus< und seiner Bühnenkunst als »Verkörperung des katholischen Hochbarock« (Dietrich Briesemeister), so ist zu betonen, dass Guerra hier die Apologie von Calderóns Theater innerhalb einer religiös dominierten Kultur im Blick hat und folglich den Nutzen seines Theaters für die katholische Doktrin und ihre Moral hervorheben muss. Die Calderón bis heute unterstellte missionarische Absicht zur Propagierung einer katholischen Weltsicht ist - gerade vor dem Hintergrund der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters - sicherlich als problematisch zu betrachten. Zur Revision dieser Sichtweise cf. Manfred Tietz: »Descontextualización histórica y mitificación de Calderón: [...]«.

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dass die Comedia durch die Darstellung paradigmatischer Handlungen Mitleid erzeugt und den mitfühlenden Zuschauer so zu einer moralisch positiven Haltung hinführt. D e n so beschriebenen Nutzen des Dramas sieht Guerra in Calderóns comedias, die für alle »accidentes humanos« (S. 98) Beispielsituationen liefern, vorbildlich verwirklicht. 6 6

6

Guerras Theaterverteidigung als Ausgangspunkt einer Polemik: Trinitarier versus Jesuiten

Auch Guerra, dessen Aprobación - vor allem in ihrem panegyrischen Tonfall - von der Gattung der Predigtapprobation beeinflusst ist, 67 argumentiert zwar von der theologischen Tradition aus, die sich mehr mit den Urteilen der Kirchenväter befasst, als die zeitgenössische Theaterrealität in den Blick zu nehmen. Die Auseinandersetzung mit der patristischen Theaterkritik ist im Kontext der Epoche für einen Theologen, der über das profane Theater urteilt, j e d o c h unumgänglich, da die christliche Tradition nicht ignoriert werden kann und die Kirchenväter - neben der heiligen Schrift - die göttlich inspirierte Quelle der katholischen Doktrin darstellen. 68 D i e Aprobación ist aber insofern ein Kulminations- und Wendepunkt der zeitgenössischen Theaterkritik, als Guerra im Gegensatz zu den pauschalen Verurteilungen der Theatergegner eine bemerkenswert differenzierte Bewertung der patristischen Schriften vornimmt und zudem einige markante Charakteristika von Calderóns Theaterschaffen, aus dem er das teatro breve sicher bewusst ausklammert, herausstellt. 69

66 Guerras Argumentation scheint von Cascales Brief »AI Apolo de España, Lope de Vega Carpió« inspiriert zu sein, auf den er in der Apelación auch verweist (cf. Apelación, S. 102f. bzw. infra: V, IX, Anm. 39). So hatte Cascales ebenfalls Timokles zitiert, um die Comedia als »imitación de las costumbres y imagen de la verdad« auszuweisen (S. 52ff.). 67 Soria Ortega: El Maestro Fray Manuel de Guerra y Ribera y la oratoria sagrada de su tiempo, S. 62. Als Beispiel fflr Guerras überaus panegyrischen Sprachduktus mag der Nachruf dienen, mit dem Guerra die Aprobación beschließt: »Sirva este rasgo de sus [sc. Calderón] Obras de venerable lisonja á sus respetadas cenizas, y viva eterno en la mente de los estudiosos, para viva idea de los aciertos.« Aprobación, S. 98. 68 Ist der Rekurs auf die göttlich inspirierten Patristen im katholischen Kontext offensichtlich obligatorisch, so wird er im protestantischen Kontext aus demselben Grund abgelehnt. So stellt der englische Theaterverteidiger John Dennis in seinem Werk Usefulness of the Stage, to the Happiness of Mankind (To Government, and to Religion. London 1698) nicht nur die Autorität der Kirchenväter in Frage, sondern greift auch den puritanischen Theatergegner Jeremy Collier an, der sich zur Verurteilung des englischen Restaurationsdramas auf diese berufen hatte, »and asks Collier roundly whether he is Catholic or Protestant, and how, if he is the latter, he can presume to cite the authority of the Fathers as inspired.« Joseph Wood Krutch: Comedy and Conscience after the Restoration, S. 138. Vor diesem Hintergrund wäre ein Vergleich der offensichtlich national bzw. konfessionell geprägten Argumentationsmuster der Theaterdebatten in den verschiedenen europäischen Ländern von Interesse. 69 Moir stellt heraus, dass die von Guerra verfolgte »tendencia sintética« der Theaterkritik, die das Werk eines Autors in seiner Gesamtheit beurteilt, ohne sich auf einzelne comedias zu beziehen, charakteristisch für das spanische 17. Jahrhundert sei, und betont, dass Guerras Urteil nur aus einer genauen Analyse einer großen Anzahl von comedias resultieren könne. Duncan W. Moir: »Prólogo«, in: ders. (Hg.), Francisco Antonio de Bances Candamo: Theatro de los theatros de los passados y presentes siglos, S. xv-cii, hier S. lxvii-lxx. Eine absolute Ausnahme bildet insofern die von Vitse abgedruckte Carta en que, con ocasión de haber aprobado el P. Guerra, de la Santísima Trinidad, las comedias del tiempo presente en la 5 Parte de Calderón, dice los inconvenientes que hay en su representación. Der anonyme Autor dieses handschriftlichen Briefs versucht die Affinität von antikem und zeitgenössischem Theater auf der Basis der Unsittlichkeit zu beweisen. So bezeichnet er die zeitgenössische Comedia als »Arte amandi representado«

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Mit seiner kategorischen Verteidigung des spanischen Theaters dreht Guerra die Position der klerikal geprägten Theatergegner exakt um: So rühmt er Sittenreinheit, wo sie Unsittlichkeit wahrnehmen, und erhebt zur Doktrin, was sie als Seelengefahr verurteilen. In den Augen der rigoristischen Theologen musste aber nicht nur die Beurteilung der Comedia als Doktrin für eine säkulare Lebensführung die Relevanz der Religion für die Gesellschaft einschränken. Auch Guerras liberale anthropologische Grundauffassung, die dem Laien eine gewisse moralische Autonomie und so die Fähigkeit zugesteht, über Schaden und Nutzen der Theateraufführungen eigenständig zu entscheiden, musste für die klerikale Kultur eine Beschneidung ihres traditionellen Einflussbereichs bedeuten. So wird an der auf die Aprobación folgenden massiven Polemik gegen den Trinitarier manifest, dass hinter der /ic//u a la Aprobación del Maestro Fray Manuel de Guerra y Ribera«, in: Estudios escénicos 6 (1960), S. 47-63. Cotarelo erwähnt nur die Existenz der Schrift, die er selbst nicht rezipiert hat. Bibliografia, S. 240. Die von Wilson publizierten Dudas curiosas bestehen aus einer dreieinhalbseitigen Aneinanderreihung von 22 Fragen, weshalb im Folgenden beim Zitieren nur die Nummer der jeweiligen Duda angegeben wird. Es sei auf die Spanien innenpolitisch lähmenden Kompetenzstreitigkeiten zwischen Juan de Austria und Mariana de Austria bzw. ihrem jesuitischen Günstling Eberhard Niethart verwiesen, innerhalb denen Guerra dezidiert Position für Juan de Austria bezogen hatte (cf. Kapitel V, V). So könnten die Dudas curiosas von einem Anhänger Nietharts stammen und durch politische oder persönliche Feindschaft und Rachenahme gegenüber Guerra, der die Jesuiten in seinen Predigten und Schriften angeklagt hatte, motiviert sein. Bis auf Duda 9 a werden nur die Dudas, die nicht auf die Aprobación replizieren, sondern allgemeine Anklagen gegen Guerra darstellen (Duda 2, 3, 20 und 22), nicht im Discurso teologico aufgegriffen. Inwiefern dies auf die Autorschaft von Agustín de Herrera auch für die Dudas curiosas schließen lässt, bleibt freilich offen. Angesichts der breiten Übereinstimmung der Kritikpunkte der beiden Schriften, ist aber durchaus denkbar, dass Herrera Guerra zunächst mit den Dudas in rein polemischer Form bekämpft, um seinem Zorn mit dieser direkten Reaktion Luft zu machen, und ihm dann - nach einer gründlicheren Auseinandersetzung mit Hurtados Traktat wie auch mit der /¿cift«/-Debatte insgesamt eine fundiertere Replik entgegensetzt. Im Kapitel über Agustín de Herrera (V, VI) wird jeweils auf die mit Herreras Argumentation übereinstimmende Duda verwiesen. So erwähnt Guerra die Dudas curiosas in seiner posthum veröffentlichten Verteidigungsschrift: »Corrió [sc. la Aprobación] con tan favorable engaño, que casi me pudo persuadir á que no mirasse mi estudio con desestimación, quando para curarme (sin duda) esta justissima presunción, salió contra mi una Satyra con nombre de Dudas curiosas ä mi Aprobación. (El original tengo en mi poder.) Tocó a mi

Exkurs I: Dudas curiosas sobre la aprobación de las comedias

3

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Inhaltliche Darstellung der Dudas curiosas

Die scharfe Satire gegen Guerra bringt dem Trinitarier keine sachlichen Argumente entgegen und geht auch mit keinem Wort auf das eigentliche Sujet der Debatte - die (Un-) Zulässigkeit des zeitgenössischen Theaters - ein. Vielmehr versucht der anonyme Autor Guerra durch Übertreibungen, Unterstellungen, Spott und Ironie zu diskreditieren und die Positionen sowie die persönliche Integrität des Trinitariers in Frage zu stellen. Das Fehlen jeder inhaltlichen Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Streitpunkt der Debatte legt offen, dass der Autor an der Frage der Zulässigkeit des Theaters kaum interessiert ist, sondern es ihm vielmehr darum geht, die Societas Jesu zu rehabilitieren und Guerra im Gegenzug zu diffamieren. So sind die Dudas curiosas auch kein in sich kohärenter Text, der argumentative Stringenz anstrebt, sondern stellen ein zusammenhangloses Kompendium provokativer Fragen dar, die sich thematisch in vier Kategorien einteilen lassen: (1) Anklagen ad hominem, (2) Ironisierung von Guerras Sprachstil, (3) Verteidigung der Societas Jesu sowie die Unterstellung, Guerra habe die Aprobación aus Feindschaft gegenüber dem Orden verfasst, und (4) Anzweiflung einzelner Argumente, mit denen Guerra die Zulässigkeit des Theaters verteidigt. Die Dudas werden im Folgenden nach dieser Klassifikation dargestellt, wobei Kategorie eins und zwei zusammen behandelt werden.

3.1

Guerra als leidenschaftlicher Anhänger des profanen Theaters

Der Großteil der Dudas richtet sich gegen Guerra als Person und stellt die hinter der Aprobación stehende Absicht sowie die Vereinbarkeit von Guerras Theaterverteidigung mit seinem Status als Theologen in Frage (1-4, 7, 13, 14, 18-20, 22). So unterstellt der anonyme Autor Guerra, durch die Aprobación nur Popularität erheischen zu wollen und deutet an, dass den Trinitarier statt des angestrebten Ruhms auch das Urteil der Inquisition treffen könne(l-3). 5 Dies untermauert er mit einer Aufzählung von Guerras Schriften, von denen der Großteil bereits verboten worden sei (19, 22).6 Auch das in der Aprobación von Guerra

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obligación el sufrirla, y á mi profession el perdonarla. Assi lo hice, y revalido por instantes.« Manuel de Guerra y Ribera: Apelación al tribunal de los doctos, S. 1 f. »3.a Si este Phenix de España deba tener la fortuna que aquel de Arania acabando su pluma porfiada en Oguera y no de Arogmas?« Vera Tassis hatte Guerra in der Einleitung der Verdadera Quinta Parte von 1682 (»Fama, Vida, y Escritos de D. Pedro Calderón de la Barca Henao y Riafio, [...]«. Ohne Seitenzählung) als »Fenix Orador« gerühmt. Auf wessen Inquisitionsurteil der Autor der Dudas hier anspielt ist allerdings unklar. »22. Si a la pluma del Guerra le pronostica el exitu de la porfiada Maripossa este curioso Índice de sus Obras? Dos sermones predicados en Zaragoza prohibidos por la SK. Inqu°". Vn tomo de sermones prohiuido también. Vn Dialogo de la Esperanza y el Tpo reprobado, y Descomulgado. Vn papelón manuscrito, caydo de la manga con la prissa de la partida Incognito. Vna aprobazion de las Comedias como se Ve. Vn Teatro de Passiones como se Vera.« Bei dem von der Inquisition verbotenen Predigtband (cf. supra: V, V, S. 188) handelt es sich laut Wilson entweder um die Sermones de varios Santos (Madrid 1677) oder um die Primera parte de la quaresma continua (Madrid 1679). Palau y Dulcet gibt allerdings an, dass das Werk Quaresma continua erst 1747 der Zensur zum Opfer fiel. Manual del librero hispanoamericano, T. 6 (1953), S. 434. Da García Lorenzo konstatiert, dass Guerra die gegen Niethart gerichtete Predigt in Zaragoza gehalten habe, als Juan de Austria dort Vicario General war (»Ideología y moralismo«, S. 6), könnte es sich bei dem verbotenen Predigtband auch um die bei Palau aufgeführten Sermones, que se predicaron al Serenissimo Señor [...] Juan de Avstria, en sv Capilla de Palacio, en los años de 1670 y 1671 (Zaragoza: luán de Ybar 1671) handeln. Ob weitere Schriften des Trinitariers verboten wurden, ist nicht geklärt. Über das vom Autor der Dudas erwähnte »papelón manuscrito caydo de la manga«, das Wilson nicht identifizieren konnte (»Las (Dudas Curiosas) a la Apro-

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angekündigte Werk Teatro de Passiones1 gibt der Autor der Lächerlichkeit preis, indem er Guerra durch ein originelles Wortspiel mit dem Titel des Werks mangelnde Leidenschaftslosigkeit bei der Beurteilung der Comedia - und Theaterleidenschaft - vorwirft und die passiones gleichzeitig als konstitutiven Bestandteil des Theaters herausstellt: »18. Si en su Teatro de Passiones habra visto el Pe, Guerra la Passion que le inzita? y que como hay Teatro de Passiones hay también passiones de Teatro?«

Die Verteidigung des Theaters durch einen Geistlichen, die der Autor schon im Titel seiner Schrift, in dem er Guerra als »Theologo, y Maestro del casso, y benerable gremio de los señores farssantes« apostrophiert, hervorhebt, stellt er als Widerspruch dar, wobei er diese Kritik mit einer subtilen Polemik gegen Guerras Orden verbindet: So spottet er, dass Guerra, dessen Aufgabe als Trinitarier es sei, die gefangenen Christen vom Islam loszukaufen,8 die befreiten Seelen der heilsgefahrdenden - an der paganen Antike orientierten - Comedia zuführe: »4.a Si vn Redemptor obligado a sacar Xtianos del Paraysso de Mahoma podrá honrradamte, introduzirlos en los Elysseos de las Comedias?«

Auch weist der anonyme Autor die von Guerra akzeptierte Funktionsgleichheit von Predigt und comedia de santos zurück9 und bezweifelt, »(7.a) [si] el P6. Guerra tiene tanto de Agustinico, y Thomistico como de Comico, y Académico?« Wirft er Guerra hiermit einerseits vor, dem weltlichen Vergnügen des Theaters zugeneigter zu sein als der Theologie, so verspottet er andererseits den Sprachstil des Trinitariers, der sich in der Aprobación immer wieder mit pathetischen Formulierungen als demütigen Verehrer von Augustin und Thomas von Aquin präsentiert hatte. Dabei bezieht sich die Ironisierung von Guerras Diktion, die von allen Gegnern des Trinitariers aufgenommen wird, zum einen auf den Pathos, mit dem sich Guerra in die Nachfolge der Patristen stellt und zum anderen auf Guerras Bestreben,

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bación del Maestro Fray Manuel de Guerra y Ribera«, S. 63), bietet die zeitgenössische Schrift Theatro de la contienda trágica de las Comedias, [...] von Antonio Carrillo Aufschluss. So berichtet Carrillo, dass Guerra nach dem Verbot seines Predigtbandes nach Lissabon gegangen sei, »y al marchar dejó un papel manuscrito en defensa de la doctrina de San Agustín y Santo Tomás, lleno de ataques á los jesuítas«. Cotarelo: Bibliografía, S. 139 Guerra gibt in der Aprobación an, die These der politischen Zweckmäßigkeit des Theaters in dem Werk Teatro de Passiones ausfuhren zu wollen. Aprobación, S. 79. Guerras Nachlass wurde laut Gonzalo Xaraba, der Guerras Verteidigungsschrift posthum veröffentlicht, von seinen Ordensbrüdern geplündert. Xaraba fugt der Apelación die ersten drei Seiten des Teatro de Passiones mit dem Appell hinzu, dass der Besitzer der restlichen Seiten das Werk nun vollständig publizieren möge. Apelación, S. 516. Es ist allerdings unklar, ob Guerra die Abhandlung überhaupt vollendet hat. Die Hauptaufgabe des Ordo Trinitatis et redemptionis captivorum ist neben der Verehrung der heiligen Dreifaltigkeit der Loskauf bzw. Austausch gefangener Christen. Karl Suso Frank: »Trinitarier, Trinitarierinnen«, in: LThK. Bd. 10 (2001), Sp. 238f. Der Orden unterhielt u.a. Hospitäler in Algier und Tunis zum geistigen und körperlichen Beistand der gefangenen Christen, half aber auch Andersgläubigen, was viele Konversionen zum Katholizismus zur Folge hatte. Namhaft wurde der Orden durch die Befreiung von Miguel de Cervantes. Enciclopedia universal ilustrada europeaamericana (Madrid: Espansa-Calpe), T. 64 (1958), S. 673-676. »13. Si al Indiscreto que porfiasse, sentía mas Debozion con las Comedias de los Corrales, que con los Sermones, deuia el Confessor dejarle con las Comedias mas vtiles a su Alma?« Cf. Aprobación, S. 87 bzw. supra: V, V, S. 204.

Exkurs I: Dudas curiosas sobre la aprobación de las comedias

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sich als treuen Anhänger der Heiligen Schrift und seine Darlegungen als göttlich inspiriert darzustellen.10

3.2

Guerra als Gegner der Societas Jesu

Die Dudas 9, 15-17 und 21 legen die Autorschaft eines Jesuiten besonders nahe. So weist der Autor Guerras subtile Gleichsetzung der profanen Comedia mit den Aufführungen der Societas Jesu (cf. Aprobación, S. 84 bzw. V, V, Anm. 48) als schamlos zurück und spricht den Laien die ihnen von Guerra zugestandene moralische Autonomie ab, indem er sie als »niños« bezeichnet: »9.a Si es tolerable desberguenza garificar [sie!] las representazion 05 , de los Estud~R s con las Comedias de los Corrales públicos? y si en todo rigor se Iustifica el suso dho aprobante deua ser entregado al brazo seglar de aquellos niños con su Corrector?«

Weiterhin unterstellt er Guerra, die Comedia allein aus Feindschaft gegenüber den Theatergegnern zu verteidigen und den Stierkampf aus demselben Grund zu verurteilen." Die vorletzte Duda bezieht sich konkret auf den von Guerra angegriffenen Hurtado de Mendoza: So bezichtigt der anonyme Autor Guerra, den Ruf des Jesuiten posthum geschädigt zu haben: »21. Si en casso milagrosso que el Desfauorecedor de las Comedias bolbiesse de la otra Vida a volber por su honrra contra las injuriosas temeridades del F , Guerra, podría lehitam te [sie!] dezirle en su cara, que mentía de intenzion, y no po r casualidad?« 12

Der Autor beschuldigt Guerra hier zwar der üblen Nachrede, rehabilitiert Hurtado aber letztlich nicht durch eine Gegendarstellung, sondern verlangt vielmehr von Guerra, die bei Hurtado ausgemachte Fehldarstellung als Versehen und nicht als absichtliche Täuschung zu bewerten. Dieses Absehen von jeder inhaltlichen Auseinandersetzung legt den Schluss nahe, dass der Autor der Dudas curiosas, der Hurtado auch nicht namentlich nennt, sondern nur als »el Desfauorecedor de las Comedias« anführt, Hurtados Traktat (noch) nicht gelesen hat, was wiederum offen legt, dass ihn das eigentliche Anliegen der licitud-Debatte weniger interessiert als die Diskreditierung des Trinitariers und die damit einhergehende Verteidigung der Societas Jesu. 10 So fragt die fünfte Duda, »[si] es creíble que el Spíritu Sancto P e . de las Lumbres por la Orazión y missas de Pe. Guerra le inspirasse esta tan importante Appología por las Comedias, Comediantes, Corrales y Cazuelas?« Cf. Aprobación, S. 70 bzw. supra: V, V, Anm. 40. Die sechste Duda bezieht sich auf Guerras Bemerkung, der Bibellektüre zugeneigt zu sein: »Si de las obrillas del Pe. Guerra se puede colegiar que es inclinado a leer la Bliuia [sie]? Y si le arezera que la Biblia queda mas authorizada, con esta nueua aprobazion que la del buen gusto de su Ra.« Cf. Aprobación, S. 86 bzw. supra: V, V, Anm. 57. Die achte Duda ironisiert Guerras affektgeladenen Sprachstil und beschuldigt ihn durch die Raubvogel-Metaphorik implizit, die patristischen Schriften auf illegitime Weise für seine Zwecke zu instrumentalisieren und auszubeutenTheaterfrage< peripher interessiert sein, so wird im Verlauf seines Traktats immer wieder deutlich, dass er sich durch Guerras Angriff auf Hurtado in seinem Ordensstolz verletzt fühlt und die Lehrautorität und Machtstellung der Societas Jesu - gerade durch die bis in alle Gesellschaftsschichten reichende Rezeption der Aprobación - gefährdet sieht.9 Dabei signalisiert er durch die Wahl des Pseudonyms Antonio Puente Hurtado de Mendoza die Identifikation mit seinem Ordensbruder Pedro Puente Hurtado de Mendoza, was bereits offen legt, dass die Ordenszugehörigkeit für Herrera bedingungslose Parteinahme bedeutet. Die Veröffentlichung seiner Schrift unter Pseudonym, die innerhalb der Polemik um die Aprobación zunehmend Usus wird, zeigt aber gleichzeitig, wie wenig Vertrauen Herrera in seine argumentative Überlegenheit gegenüber dem Trinitarier hat.

1.3

Äußerer Aufbau des Discurso teologico

Herrera teilt seine Schrift in sechs Kapitel, wobei nur eine der Kapitelüberschriften auf das zeitgenössische Theater Bezug nimmt: So rechtfertigt Herrera zunächst seinen Schreibanlass (I) und stellt im Gegenzug Guerras Absicht vor dem Hintergrund seines Priesteramtes und den damit verbundenen Verpflichtungen in Frage (II). Der größte Teil des Discurso teologico ist der Problematisierung von Guerras Thesen gewidmet (III), wobei Herrera sowohl auf Guerras Beurteilung des zeitgenössischen Theaters repliziert als auch auf die theologischen Positionen, auf die der Trinitarier seine Argumentation stützt. Dabei nehmen die theaterfremden Erörterungen mindestens genau so viel Raum ein wie die theaterbezügliche Argumentation, was wiederum die inhaltliche Verlagerung der Debatte durch das Erscheinen der Aprobación und die zunehmende Entfernung von ihrem eigentlichen Sujet aufzeigt. Kapitel vier und fünf sind denn auch ausschließlich der Rehabilitierung von Hurtado gewidmet, wobei Herrera Guerras Angriffe systematisch auflistet und ausführlich zi-

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»Union« und »conformidad« sind Schüsselbegriffe in den Satzungen der Jesuiten. So ist die Bereitschaft, die eigene Meinung zugunsten der vom Orden vertretenen aufzugeben, Voraussetzung für die Aufnahme in die Societas Jesu und die »unión de los ánimos« wird als Grundlage für den Erhalt der Ordensgemeinschaft hervorgehoben: »En cuanto sea posible idem sapiamus, idem dicamus omnes, conforme al apóstol, y doctrinas diferentes no se admitan de palabra en sermones ni lecciones públicas, ni por libros. [...] Y aun en el juicio de las cosas agibles, la diversidad, cuanto es posible, se evite, que suele ser madre de la discordia y enemiga de la unión de las voluntades. La cual unión y conformidad de unos y de otros debe muy diligentemente procurarse y no permitirse lo contrario, [...].« Herreras Bemühen, die Theaterablehnung als Einheitsauffassung der Jesuiten herauszustellen, wird um so verständlicher als gerade in theologisch kontrovers diskutierten Themen Gleichförmigkeit verlangt wird: »En las opiniones que tienen doctores católicos diversas o contrarias entre sí, también la conformidad se debe procurar en la Compañía.« »Tercera Parte Principal: I, 18«, in: Constituciones de la Compañía de Jesús. Hg. von S. Arzubialde/J. Corella/ J. M. García-Lomas. Bilbao: Mensajero 1993.

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So betont Herrera unermüdlich, dass »el Padre Guerra tan sin ocasion, y valiéndose de la que es tan leue como el aprobar vn libro de Comedias, injurió tan grauemente al Padre Hurtado, y en él á los suyos, tocándoles con poca verdad en los puntos mas delicados de su alta, y sagrada veneración.« Discvrso teologico, S. 80.

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tiert,10 um dann alle gegen seinen Ordensbruder gerichteten Beleidigungen an den Trinitarier zurückzugeben. Das letzte Kapitel versucht zu beweisen, »cuan insuficientemente apoya el Padre Guerra ser lícitas las comedias« (VI). Im Gegensatz zu Guerra, der deutlich gemacht hatte, dass die Comedia mit den von den Kirchenvätern rechtmäßig bekämpften spectacula nicht vergleichbar ist, legt Herrera hier dar, dass das Urteil der Patristen aufgrund der Liebeshandlung der Comedia noch Gültigkeit besitze und wirft Guerra - nicht ganz zu unrecht - vor, die Sittenreinheit der zeitgenössischen Comedia nicht bewiesen zu haben.

1.4

Sprachliche Gestalt und Adressatenkreis des Discurso teologico

Zwar ist Herrera bereit, Guerras Abhandlung wesentlich ernster zu nehmen als sein anonymer Vorgänger, und versucht die Aprobación durch systematische Punkt für Punkt Widerlegungen ihrer Argumente und Anklagen zu entkräften. Intellektuell zeigt er aber wenig von der analytischen Stärke und komplexen Beweisführung seines Gegners. Wie Guerra verweist auch Herrera auf seine Unparteilichkeit und innere Unabhängigkeit und rühmt sich gerade gegenüber den Angriffen auf seinen Ordensbruder eines geduldigen Gleichmuts." Auch er ergeht sich jedoch immer wieder in polemischen Seitenhieben und sophistischen Spitzfindigkeiten gegen den Trinitarier und versucht durch Analogien und gedankliche Weiterführungen von dessen Argumenten, die er mit Übertreibungen, Unterstellungen, Spott und Ironie würzt, Guerras Argumentation ad absurdum zu führen und ihn moralisch zu diskreditieren. So stellt er der - die Wahrheit verschleiernden - »sutileza ingeniosa« von Guerras Ausfuhrungen immer wieder die wahrheits- und evidenzbasierte »llaneza eficaz« (S. 27) seiner eigenen Argumentation entgegen.12 Herrera ist zwar - was er schon durch den Titel Discurso teologico signalisiert - bestrebt, die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters wieder in die Abgeschiedenheit der theologischen Fachwelt zurückzufuhren. Da Guerra seine Schrift aber einem breiten Laienpublikum zugänglich gemacht hat, muss auch er auf spanisch schreiben, um mit seiner Replik eben dieses Publikum zu erreichen. Dies macht deutlich, dass die von allen Gegnern des Trinitariers als Eingriff in ihren Kompetenzbereich verurteilte Öffnung der Debatte für einen breiteren Adressatenkreis letztlich irreversibel ist. So weisen die vier Auflagen des Discurso teologico sowie Vera Tassis' Anspielung auf die Polemik gegen Guerra im Vorwort der Séptima Parte de Comedias auf das wachsende Interesse des Laienpublikums an dem -

10 »Despues en pocos renglones le maltrata quatro vezes, dos quando le trata de poco erudito, y que la erudición que trae no es del caso, con aquellas palabras. [...] Maltratale despues otras dos vezes notándole de arrogante, y de poco sincero en el buscar la verdad, por estas palabras. [...].« Discvrso teologico, S. 42. 11 So betont er immer wieder: »No tuuiera mucha dificultad, ni mucha sinrazón [...] el responder al Padre Guerra, desuerte, que al leer la respuesta se le cayessen los ojos de vergüenza. Pero no lo haré por el respeto que yo me debo á mi mismo; y por el que se debe también al Sacerdocio, y habito Religioso del Padre Guerra.« Discvrso teologico, S. 43. 12 Dabei unterstellt er Guerra subtil die Absicht der Täuschung: »[...] y aunque el ingenio del Padre Guerra sea tan viuo, y su estilo tan eloquente, y hermoso, como juzgarán sus mas apassionados, sobre lo qual no disputo, no por esso me embarazaré en proponer lo que en su tratado me haze dificultad, declarando mi sentimiento, mas con verdad sincera, que con aliños de estudiado artificio: pues puede suceder, que la agudeza del ingenio, y esfuerzos de la eloquencia, no se emplean en hallar la razón, sino en huir con mas arrebatada carrera la verdad: la qual no está vinculada al mas ingenioso, y eloquente, sino al que Dios asistiere mas, [...].« Discvrso teologico, S. 2.

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zuvor ausschließlich gelehrten Kreisen vorbehaltenen - Disput um die laikale Freizeitbeschäftigung >Theater< hin.13

2

Herreras Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Gottesfurcht und Erfüllung der Christenpflichten als Voraussetzungen der Heilsbewahrung

Da es Herrera, wie er unablässig betont, nicht um die Beurteilung der zeitgenössischen Comedia, sondern um die Widerlegung von Guerra geht, nimmt er auch zum Phänomen der Freizeitgestaltung nicht ausdrücklich Stellung. So behandelt er die quaestio 168, 3 der Summa theologica nur, um Hurtado gegenüber Guerras Anklage der Fehlinterpretation zu verteidigen, geht aber auf die von Thomas von Aquin postulierte und von Guerra unermüdlich wiederholte Notwendigkeit der remissio animi mit keinem Wort ein. Mag dies mit seiner Prämisse zusammenhängen, sich nicht primär mit der Frage der Zulässigkeit des Theaters befassen zu wollen, so wird an der abfalligen Bezeichnung des Comedia-Bandes, dem Guerras Aprobación vorangestellt ist, als »trasto común del ocio de los vulgares« (S. 44) aber seine generelle Geringschätzung der Muße und deren Zuordnung zur minderwertigen Lebensführung der Laien deutlich. In Abgrenzung zu Guerra, der auf die moralische Urteilsfähigkeit und die vernunftgeleitete Entscheidung des Individuums vertraut und angesichts der Kontingenz des Lebens alle doktrinären Positionen zurückweist, betont Herrera, dass die Disziplinierung des Willens und der körperbedingten Leidenschaften nur durch das gottesfürchtige Befolgen der christlichen Pflicht zu erreichen sei.14 Aus seinem anthropologischen Pessimismus, der auf der Schwäche des seinen Trieben rückhaltlos ausgelieferten Menschen insistiert, folgt das Postulat, alle Anreizmöglichkeiten der Sinne und der Leidenschaften zur Erhaltung des Seelenheils zu meiden, weshalb gerade die auf Sinnesvergnügen ausgerichtete Comedia für Herrera heilsgefahrdend und insofern als Möglichkeit der Freizeitgestaltung nicht zu billigen ist.15

13 Vera Tassis' Anspielung auf die Polemik um die Aprobación im Vorwort der Séptima Parte de Comedias (cf. supra: V, V, Anm. 18) lässt auf die breite Rezeption der auf die Aprobación folgenden Schriften schließen. Es ist auch durchaus vorstellbar, dass der Disput zwischen den beiden Parteien, der sich zunehmend weniger durch eine intellektuelle Beweisführung als durch seine mit Spott und Ironie arbeitenden rhetorischen Taktiken, den Gegner in Misskredit zu bringen, auszeichnete, eine amüsante Unterhaltung für ein lesekundiges Laien-Publikum dargestellt haben mag. 14 So setzt er Guerras Differenzierung der Theaterzuschauer nach deren intellektuellen Voraussetzungen (cf. Aprobación, S. 88 bzw. supra: V, V, S. 202f.) entgegen: »El Ayo que detiene a los sentidos para que no se deslicen, no es el entendimiento como ocupado en primores, ö defectos de versos, sino el entendimiento como ilustrado de dictámenes Christianos, y voluntad preuenida con el temor de Dios. Esse conocimiento de la obligación Christiana, y esse temor renerente [sie!], y filial del desagrado diuino, son los que ponen leyes a los sentidos para que no miren, ni oygan lo que puede introducirles por los ojos, y oidos el veneno del alma: y quien también preuiene al coraron, para que no se dexe arrebatar de lo alhagueño, y atractiuo que ö por necesidad, contingencia, ö descuido llegó a los ojos y oidos. Estos Ayos no están vinculados a los de mayor ingenio, sino a los que conociendo su flaqueza, huyen de la ocasion de experimentarla, a los que no buscan el peligro fiados en su discreción: y en fin a los que aplican su entendimiento, y atención a las verdades, dictámenes, y desengaños Christianos, y no a los primores, ö defectos de versos amorosos, que se representan en los Teatros.« Discvrso teologico, S. 17f. 15 So fordert Herrera mit Berufung auf die Kirchenväter, »si queremos guardar el alma, cerremos las puertas de los sentidos« (Discvrso teologico, S. 7) und bezeichnet die Comedia als »una Iunta de objetos,

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Auch den Stierkampf behandelt Herrera nur in Bezug auf Hurtado. So stimmt er obwohl er sich für das Verbot der Stierkämpfe ausspricht - der von Guerra verurteilten Aussage seines Ordensbruders zu, dass die Todesgefahr beim Stierkampf - im Gegensatz zur Heilsgefahrdung in der Comedia - durch entsprechende Vorkehrungen abwendbar sei. Guerras Appell an die Theatergegner, gegen die Stierkämpfe zu schreiben, hält er entgegen, dass dies bereits geschehe und die Kirche zudem ihre Pforten öffne, um die Menschen durch das - viel effektivere - Gegenangebot wohlklingender Predigten vom Stierkampfbesuch abzuhalten: »Y para apartar el Pueblo de esta peligrosa assistencia, abre sus Sagrados Templos, expone patente la Soberana Magestad de Christo Sacramentado, procurando lisonjear sagradamente el gusto de los que assisten con Orador eloquente, con adorno elegante, y con dulce, y sacra consonancia de vozes harmoniosas. No serän todos estos medios tan eficazes, como las vozes muertas de vn escrito?« (S. 28, i.e. S. 82).

Diese Ausfuhrungen machen deutlich, dass das einzig zulässige Funktionsäquivalent zur Unterhaltung freier Zeit und zur geistigen Erholung anstelle von Theater und Stierkampf fiir Herrera im Besuch der Messe und dem Hören der Predigt besteht, auf deren Eloquenz und schöne Rhetorik der Jesuit gewiss nicht zuletzt hinweist, um sie als - ebenso attraktives und der Comedia in nichts nachstehendes - Alternativangebot für den Theaterbesuch auszuweisen.

3 3.1

Die Begründung der Theaterkritik auf der Widerlegung Guerras Theaterverteidigung versus Priesteramt, Diskurskontrolle versus Diskursöffnung

Ist die Verteidigung des zeitgenössischen Theaters für Herrera mit dem für das Seelenheil der Menschen Sorge tragenden Amt des Priesters grundsätzlich inkompatibel, so verstößt Guerra um so mehr gegen seine priesterliche Pflicht, als er das Theater sowohl unaufgefordert als auch einschränkungs- und bedingungslos verteidigt. So ist ein Geistlicher, der das Theater approbiert, aus Herreras Sicht verpflichtet, sein Urteil mit den nötigen Vorbehalten und Reformbestimmungen zu versehen, die zeitgenössische Theaterpraxis - so Kleidung, Tänze und Musik - zu kritisieren und die Billigung des Theaters mit dem Hinweis auf die Heilsgefahrdung sowie mit der Ermahnung zum Fortbleiben zu verbinden.16 Da Guerra die Comedia aber nicht nur als heilsirrelevantes adiaphoron billigt, sondern sogar als Doktrin rühmt, klagt er ihn an, die Menschen geradezu zum Theaterbesuch aufzufor-

que por todos los sentidos se entra á combatir con el alma« (S. 13). Da die Theateraufführungen an die passiones des Menschen appellieren, ist die mit ihnen verbundene Gefahr aus seiner Sicht durch keinerlei Vorkehrungen zu verhindern. 16 So betont Herrera, dass Guerra nicht vom Consejo de Castilla zur Ratifizierung berufen wurde, sondern »el leue titulo, y ligero pretexto de aprobante de vn libro de comedias, cuya obligación se satisface con quatro lineas« genutzt hat, um eine ausführliche Verteidigung der zeitgenössischen Comedia zu verfassen: »Notable assumpto para vn Sacerdote Religioso, autorizado con los títulos que ostenta en su papel. Hazerse defensor de las Farsas, y Protector de los Comediantes: y esto no á fuerza de preguntado, ö mandado, sino voluntariamente introducido si su Magestad le huuiera consultado como á su Teologo. Si el Consejo Real de Castilla le huuiera pedido su dictamen, debia darle: pero con tal moderación de palabras, tan ceñido á lo preciso que pedia la respuesta, y tan atento al decoro de su persona, y Religion, y al respeto debido á las demás, que en la misma permission del teatro, como licito, mostrasse el zelo de que le euitasse como peligroso.« Discvrso teologico, S. 3.

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dem. 1 7 A u c h moniert er, dass Guerra die Entscheidungskompetenz über Theaterbesuch oder -abstinenz d e m Individuum überträgt und nur den Mangel an Verstand und Vernunft, nicht aber die Gottesfurcht als Grund nennt, das Theater zu meiden. 1 8 S o stellt Herrera der von Guerra vorangetriebenen humanen Selbstbehauptung einen theologischen Absolutismus entgegen, der die Religion als Ausgangspunkt allen Denkens und Handelns setzt. Guerras Veröffentlichung der Aprobación in e i n e m Comedia-Band, durch die er seine laikalen Adressaten mit theologischen Argumenten zur Verteidigung des Theaterbesuchs wappnet, bedeutet für Herrera folglich, die Autorität der Kirche zu untergraben, weshalb er Guerra immer wieder vorwirft: »Que no se contente con representar su dictamen á los Magistrados, para que pueden sin quexa de la conciencia contentar á la razón de estado, diuirtiendo Pueblo tan libre y numeroso, sino que este defensorio le escriua en Castellano, y incorpore con el mismo libro de comedias, para que buele por toda España hasta las cocinas de la mas rustica aldea? Que es esto sino querer que hagan escudo de la aprobación del Padre Guerra contra todos los tiros de fervorosos Predicadores, y Confessores, que exortan á huir el peligro de los Teatros?« (S. 3f.). Herreras Ausführungen legen offen, dass er die Publikation der vorbehaltlosen Theaterverteidigung eines Theologen in einem Comedia-Band als Gefahr für die Vormachtstellung der klerikalen Kultur und deren Kontrolle über den gesellschaftlichen Diskurs auffasst. Guerras Stilisierung seiner Theaterverteidigung als Eingebung Gottes ist für ihn folglich um so alarmierender, weshalb er den Trinitarier des Missbrauchs seines Priesteramtes beschuldigt und immer wieder versucht, ihn durch Spott und subtile Vorwürfe als Theologen zu diskreditieren 19 : So ernennt er Guerra zum »defensor de las Farsas y Protector de los Comediantes« (S. 3) und macht deutlich, dass allein die Tatsache, dass sein N a m e zusammen mit Calderóns Comedias im selben Buchtitel erscheine, g e g e n seine Priesterwürde verstoße:

17 »No solo absuelve las Comedias de la culpa presente del oirías, sino que sossiega los temores de frequentarlas. Con la honra de Dotrina las acredita. De la nota de Peligro las defiende.« Discvrso teologico, S. 4. Folglich bezeichnet er Guerras Aprobación als »eloquente Sermon, en que exorta a todos á que frequenten los Corrales de las Comedias« und verbindet diesen Vorwurf mit dem Zweifel an Guerras Orthodoxie und einer subtilen Mahnung an das Gottesgericht: »No sé si passará en el juyzio diuino este zelo por muy Apostolico« (S. 13f.). 18 »Quiere que sea duda de la discreción el temerlas, y que solo en la necedad, y no en el temor de Dios, aya justa razón de rezelarlas, [...].« Discvrso teologico, S. 4. 19 »Glorioso fruto de los estudios, de la Teología, de la eloquencia, del zelo, de las oraciones, y Missas del Padre Maestro Fray Manuel Guerra, &c. el Ínclito, y valiente defensor de los Comediantes, y el Protector de los bayles, de las castañuelas, de las músicas; de los saynetes, y de todas las demás austeridades penitentes, que se professan en la Religion de la Farsa.« Discvrso teologico, S. 4. Herrera betont, dass die Berufung auf die göttliche Inspiration nur dem Papst zukomme: »Estas palabras son muy proprias para vna Bula Pontificia, que pudiesse ser parte del Derecho Canonico. Pero no parecen tan á proposito para vna aprobación hecha por vn Religioso particular, para incorporarla con vn libro de comedias« (S. 5). Dabei zeigt seine ständige Gegenüberstellung von göttlich inspiriertem theologischen Urteil und weltlich-profanem Theater (cf. auch: »[...], queriendo [sc. Guerra] que passen por inspiración diuina la defensa, y exortacion á profanidad tan humana«), dass er im Gegensatz zu Guerra jegliche Versöhnung von christlichem Geist und Weltgeist ablehnt. Guerras Bemerkung, die Bibellektüre entspreche seiner persönlichen Neigung, wertet er zudem als Beleidigung für alle anderen Priester. Sowohl Guerras Berufung auf die göttliche Eingebung als auch die Deklaration der Bibellektüre zu seiner individuellen Vorliebe, hatte auch der Autor der Dudas curiosas ironisierend zurückgewiesen. Cf. Duda 5 und 6.

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Claire-Marie Jeske »Y ya que, como dize, esté protervo en el dictamen de lo licito de las Comedias, no escriua en fauor de ellas en tratado Castellano incorporado con las mismas Comedias, porque es contra el decoro de su religiosa persona, de su autoridad, puestos, y virtud conocida en la Corte, que se lea su nombre en el mismo cartel en que se exponen vendibles las Comedias de Don Pedro Calderón, diziendo el cartel: Verdadera quinta parte de las Comedias de Don Pedro Calderón, con la aprobación del Reuerendissimo Padre Maestro Fray Manuel Guerra. De que debiera afrentarse su religiosa autoridad« (S. 28, i.e. S. 82).

Spiegeln Herreras Ausführungen einerseits das Bewusstsein, dass die Veröffentlichung der Aprobación in einem allgemein zugänglichen Comedia-Buch entscheidende Folgen für die Vormachtstellung der theologischen Kultur hat, so wird andererseits deutlich, dass Herrera Guerras publizistische Offensive aufgrund der Anklage eines gewichtigen Mitglieds der Societas Jesu als um so bedrohlicher einschätzt. So erklärt er die Verteidigung des Theaters angesichts der öffentlichen Akzeptanz der Comedia, ihrer Billigung durch eine Vielzahl von Beichtvätern und ihrer Autorisierung durch die Präsenz hochgestellter Personen für überflüssig und weist folglich die von Guerra dargelegte Absicht, den Theaterbesuch von Skrupel zu befreien {Aprobación, S. 75), zurück, um dem Trinitarier zu unterstellen, die Aprobación vielmehr aus Streben nach Ansehen und Popularität bzw. persönlicher Kränkung und - ungerechtfertigter - Rachenahme verfasst zu haben.20 Da Guerra aus Herreras Sicht mit seinem Traktat gegen mehrere grundlegende Prinzipien der klerikalen Kultur verstößt, fordert er ihn auf, die Aprobación aus den ComediaBüchern zu tilgen oder - wenn dies nicht möglich sei - seine Theaterverteidigung zu dementieren, um die Societas Jesu wie auch seine eigene Priesterwürde zu rehabilitieren und den Schaden derer zu verhindern, die ihm vorbehaltlos glauben. Dies macht erneut deutlich, dass Herreras Hauptsorge der Teilhabe der Laien an einer aus seiner Sicht in den Zuständigkeitsbereich der Kirche fallenden Debatte gilt, weshalb für ihn die einzig mögliche Form der Schadensbegrenzung darin besteht, Guerras Aprobación - und vor allem die darin enthaltene Kritik an der Lehrautorität der Societas Jesu - offiziell widerrufen zu sehen und das Laien-Publikum wieder aus der innertheologischen - und >inter-kongregationären< - Kontroverse auszuschließen.

3.2

Angriff auf Guerra und Rehabilitierung von Hurtado

Herreras Ausführungen zeigen, dass die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters innerhalb der Polemik um Guerra mehr durch die Rivalität zwischen der Societas Jesu und dem Trinitarier als durch das Interesse bestimmt ist, Position zum zeitgenössischen Theater zu beziehen, weshalb hier auch die rein polemische Ebene seines Traktats berücksichtigt werden 20 »Es cierto también, que a lo indiferente de las Comedias fauorece la practica común de estos Reynos, el dictamen de muchos, que han sentido lo mismo que el Padre Guerra. Tantos Confessores, que passan por esta costumbre. Y en fin ser este vn estilo, no solo permitido, sino autorizado con reales assistencias. Pues aqui de la razón, y de la prudencia. A quien no bastaren para sossiego de su escrupulosa conciencia estas consideraciones, ha de bastar el papel del Padre Guerra? A quien todos estos fundamentos aun son insuficientes para quietar su temeroso remordimiento, será bastante vn discurso cortesano, y artificioso, tan apasionado por las Comedias, que vnido con ellas como su galan las acompaña? [...] Y assi el Padre Guerra dá ocasion á que la malicia discurra, que el motiuo de escriuir este papel, fue aspirar a lo ruidoso, y popular, ö a lisongear su sentimiento, lastimando a quien sin razón presume causa de su dolor.« Discvrso teologico, S. 5f. So wird der hinter der Polemik um Guerra stehende Konflikt zwischen dem Trinitarier und der Societas Jesu auch in Herreras Traktat deutlich. Cf. Duda Ia: »Si el ruido del Escurial le haze el P° guerra por hazer ruydo?« sowie die Dudas 15 und 16, die auf Guerras Jesuitenfeindlichkeit anspielen.

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muss. Hierbei Rede und Widerrede sukzessive zu verfolgen, wäre mühsam und ob der Zirkularität von Herreras Argumentation unergiebig, weshalb nur seine Hauptargumentationsstrategien, die zwischen sachlicher Begründung, subtiler Beschuldigung, ironischer Distanznahme, Beweisführung durch reductio ad absurdum und der direkten Anklage des Trinitariers sowie der Hervorhebung von Hurtados Integrität wechseln, dargestellt werden. So führt Herrera Guerras Unterscheidung der Theaterbesucher nach ihren geistigen Voraussetzungen ad absurdum21 und weist dessen These, die reflexive Rezeptionshaltung der Gescheiten verhindere die Hingabe an das reine Sinnesvergnügen mit dem Hinweis auf die Schwäche des Menschen und seine natürliche Neigung zur Konkupiszenz zurück. Auch hier beschränkt er sich - sich seines laikalen Publikums, das unterhalten werden will, offensichtlich bewusst - aber nicht auf eine sachliche Argumentationsebene, sondern fuhrt Guerras Ausfuhrungen - auf für den Leser belustigende Weise - erneut ad absurdum.22 Entlarvt Herreras Argumentation so einerseits die Diskrepanz zwischen seinem Anspruch eine Gelehrtendebatte - einen Discurso teologico - führen zu wollen und dem inhaltlich bisweilen sehr niedrigen Niveau der Beweisführung, so legt sie andererseits die diametrale Grundauffassung der beiden Geistlichen offen: Während der Trinitarier eine von der Renaissance beeinflusste Haltung vertritt, die dem Individuum aufgrund der Erkenntnis der Kontingenz des Lebens und der Welt eine gewisse moralische Freiheit zuerkennt, plädiert Herrera für eine - für die Gegenreformation charakteristische - »religiosidad patemalista, protegida y amparada«23, die jeglichen moralischen Pluralismus als Gefahr auffasst und die ständige Intervention der Kirche zur Disziplinierung des Menschen für unverzichtbar erachtet. Dementsprechend weist der Jesuit auch Guerras permissiv-flexible Moralkriterien zurück und setzt der - auf der konkreten Welterfahrung basierenden - anthropologischen Einsicht des

21 Herrera argumentiert, dass sich jeder aus Eitelkeit die von Guerra für den Nutzen der Theaterauffiihrung geforderten intellektuellen Voraussetzungen zuspreche, weshalb »todos en virtud de esta enseñanza, y exortacion, irán al Teatro como a lugar Santo, y mirarán la Comedia como empleo positiuamente bueno, y virtuoso«. Discvrso teologico, S. 14. Guerras These, der Nutzen der comedias amatorias bestehe für die discretos darin, die Sittlichkeit der Darstellung zu überprüfen, fuhrt er, Guerras theologische Kompetenz bezweifelnd, ad absurdum: »Singularísima Teologia: que el fundamento de la bondad de las Comedias para los discretos consista, no en que sean en todo decentes, y decorosas, porque de essa suerte no se irritará la discreción, sino en que sean menos puras, para que tenga la discreción los aciertos de sus castos enojos. Y cierto, que según esta dotrina, parece, que será consejo prudente, que los discretos, antes de ir a las Comedias, se informen de si los passos vàn muy puros, ò no: para que sabiendo que les falta essa pureza, vayan a la Comedia a tener el merito de irritarse, y si son en todo decentes, no vayan a perder ociosamente el tiempo, pues no han de tener el merito del enojo« (S. 14). 22 »[...] según esta dotrina, vna hermosura simple, y boba, auia de ser mayor peligro para vn entendido, que vna hermosura sumamente discreta, y entendida. Porque vn discreto oyendo a vna entendida (por hermosissima que sea) el concepto discreto, el chiste sazonado, la respuesta prompta, y ajustada, la cortesanía garbosa, y el picante gustoso: tendrá tan ocupado el entendimiento (como en la Comedia en los primores de los versos) aquí en atender a los primores de tanta discreción, que no darà lugar a que se distraygan los sentidos, con que estarà libre del peligro de la vista. Pero como en la hermosa, y boba, tienen su empleo los ojos, y queda el entendimiento desocupado, distraense los sentidos, porque como el entendimiento no tiene en que ocuparse, aplica entonces el entendido todos sus sentidos al ver (discurso es del Padre Guerra) y es fácil, que faltando el ayo del entendimiento se deslice algún sentido.« Discvrso teologico, S. 16. Die kursiven Einschübe sind Zitate der Aprobación. Herrera verdreht Guerras Argumentation aber, so sind die Zitate, die sich bei Guerra auf den fehlenden Verstand der Einfaltigen (»los necios«) beziehen, verändert und falsch kontextualisiert. Cf. Aprobación, S. 88. 23 José Luis Abellán: Historia crítica del pensamiento español, T. 2, S. 575.

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Trinitariers, dass der K o m p l e x der Leidenschaften nicht aus der Definition des Menschseins getilgt werden kann, das dogmatische Konstrukt einer monarchisierten Spiritualität als einzig mögliche Form des status perfectionis und daher als auch für den Laien anzustrebende Religiosität entgegen. 2 4 Hatte Guerra aufgezeigt, dass die christliche Doktrin kein geschlossenes ethisches System, sondern vielmehr eine nach vielen Seiten hin o f f e n e Moral ist, so lässt die Evidenz der authentischen katholischen Lehre für Herrera weder Gegenmeinungen noch Entscheidungsspielräume zu, weshalb er den von der gegenreformatorischen Generallinie abweichenden Nonkonformismus des Trinitariers als Häresie verurteilt. 25 Auch bei der Zurückweisung von Guerras theologischen Positionen geht Herreras Kritik aber kaum über die Erörterung terminologischer und syntaktischer Belanglosigkeiten hinaus, sondern insistiert vielmehr auf dem - bereits v o m Autor der Dudas curiosas formulierten - Vorwurf, Guerra lasse sich statt von der - von seinem Status geforderten - theologisch-scholastischen Stringenz von einer - freilich als minderwertig erachteten - humanistisch-weltlichen Gelehrtheit leiten. 2 6 Während Herrera Guerras theologische Kompetenz in Z w e i f e l zieht, präsentiert er Hurtado als europaweit anerkannten Theologen. 2 7 Seine Argumentation legt aber immer wieder 24 So weist er Guerras Akzeptanz der Ehe als sakramentale Verbindung zur Erhaltung der Menschheit mit der Propagierung einer zölibatären Entsagungsmoral zurück, was offen legt, dass er den Laienstatus im Gegensatz zu Guerra - als unzureichende und mittelmäßige Imitation des auf die Religion zentrierten Lebens der perfecti auffasst. Mit Berufung auf 1 Kor 7, 25-38 repliziert er somit auf Guerra: »[...] el excesso de perfección que haze la castidad al Matrimonio [...] es por los mejores efectos que tiene«. Die liberale Position des Trinitariers verwirft Herrera mit puristischer Geste: So räumt er zwar ein, »que para que se conserve el mundo, es necessario que algunos se casen, estos, ö aquellos«, erklärt aber, dass die Ehe erst besser als die Keuschheit sei, wenn es nicht mehr genug Menschen gebe, »[lo] que nunca sucederá«. Discvrso teologico, S. 36. Diese Haltung macht deutlich, dass Herrera Guerras Rücksichtnahme auf die condition humaine (cf. Aprobación, S. 83 bzw. supra: V, V, Anm. 25) ein klösterliches Modell für die gesamte Gesellschaft entgegensetzt, das der Lebenswirklichkeit der Laien widerspricht. 25 So bezeichnet er Guerras Position, den Hebräern sei der Hass der Feinde erlaubt gewesen (Aprobación, S. 81f.), nach ausfuhrlicher Richtigstellung, die sich aber weniger auf die inhaltliche Aussage als auf Guerras fehlerhafte Formulierung bezieht, als »proposicion heretica« und »dotrina escrupulosa«. Discvrso teologico, S. 30f. Cf. auch Duda 14: »Si el odio de los Enemigos como esta prohiuido a los Xptianos les fue permitido a los Hebreos redondamente hablando?« 26 So widerspricht Guerras anthropologische Auffassung, der Verstand könne die Leidenschaften disziplinieren, für Herrera der theologischen Wahrheit, weshalb er konstatiert: »Esta clausula es vna discreción de calidad, que no puedo hazer tanto agrauio al juyzio, y letras de el Padre Guerra, que entienda que lo dize con las veras que professa el rigor Escolástico, sino que lo escriue con la licencia, que suele auer en vna academia, ö Tertulia, de apoyar vna paradoxa ingeniosa: donde el primor está en oponerse con alguna apariencia sophistica a la euidencia de la verdad.« Discvrso teologico, S. 15 f. Cf. die ganz ähnlich formulierte Duda T. Zudem versucht Herrera immer wieder, Guerra Übersetzungs- und Zitierfehler nachzuweisen und untersucht jede seiner Formulierungen auf mögliche Missverständnisse, mit denen er sich dann ausfuhrlich auseinandersetzt, um Guerra der wissenschaftlichen Nachlässigkeit und der bloßen Rhetorik zu bezichtigen. Dabei befasst er sich häufig mit Wortklaubereien, um Guerra zu widerlegen. So resultiere z.B. Guerras Unterscheidung von antikem und zeitgenössischem Theater aus der falschen Übersetzung von Chrysostomus' >verba lasciua< mit >palabras obscenaso »Será ignorar el Latin (Graue culpa para vn erudito) porque las palabras: lasciuum, lasciuia, y lasciuire, admiten mas decente significación en Latin que en Castellano: pues qualquiera palabra amorosamente alhagueña, se dize en Latin verbum lasciuum. Y ya saben todos, que en nuestras Comedias Españolas ay muchas de estas palabras« (S. 69). 27 »El Padre Puente Hurtado de Mendoza [...] fue vno de los mayores Maestros que admiró Salamanca, Superior á muchos, inferior á ninguno. Tuuo la Cátedra de Prima del Colegio de la Compañía de Iesus en aquella Vniversidad, y ocupar el puesto mas eminente en esfera tan alta de letras, y dotrina, arguye

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offen, dass seine Parteinahme für den Jesuiten mehr aus der Identifikation mit seinem Orden und dem B e m ü h e n resultiert, die Lehrmeinung der Societas Jesu als uniform darzustellen, als aus wirklicher Überzeugung von der Richtigkeit der Ausführungen seines Ordensbruders: S o versucht Herrera oft durch verklausulierte Sätze seine grundsätzliche Anerkennung v o n Guerras Kritik zu verschleiern, um Hurtado Rückendeckung zu geben und dessen Ausfuhrungen als normkonform darzustellen, wodurch die Rehabilitierung des Jesuiten bisweilen weniger in der argumentativen Widerlegung von Guerras Anschuldigungen besteht als bloße Apologie bzw. Gegenangriff auf den Trinitarier zu sein. S o entschuldigt Herrera Hurtados scharfe Verurteilung der Schauspieler mit dessen »genio eficaz, y ardiente en lo que mira c o m o escandaloso« und stellt Hurtados - den Erfordernissen der Theologie und dem legitimen Wunsch nach Sittenreform entsprechende rigoristische Strenge immer wieder dem - zu theologischen Ungenauigkeiten und Fehldarstellungen neigenden - affektiert-eloquenten Sprachstil des Trinitariers gegenüber. 2 8 Ebenso hält er der legitimen Veröffentlichung von Hurtados lateinischer Theaterkritik in einer theologischen Abhandlung die unseriöse - die Exklusivität der Debatte und damit die gesellschaftliche Hierarchie gefährdende - Publikation von Guerras Schrift in einem Comedia-Band entgegen, 2 9 w o b e i er mit dem unermüdlich wiederholten Hinweis auf den - sowohl für einen mucho resplandor de sabiduría. Dura, y durará por muchos siglos en aquella grande escuela la veneración de su nombre.« Herrera zählt im Folgenden Hurtados theologische Veröffentlichungen auf, die ihm die Verehrung aller katholischen Universitäten Europas eingebracht hätten, wobei er - sicher in Anspielung auf die Verurteilung von Guerras Predigtband (cf. auch Duda 22) - betont, dass keins von Hurtados Werken zensiert worden sei. Discvrso teologico, S. 40. Auch Herreras pathetische Bezeichnung seines Ordensbruders als »gigante de sabiduría« geht auf die Dudas curiosas zurück. So fragt Duda 17, darauf anspielend, dass Guerra Calderón in der Aprobación seinen »padrino« genannt hatte (Aprobación, S. 94): »Si los Señores Tertullicos, o Tertullios, pueden con buena conzienzia ser Padrino de vn Nene en el Duelo contra vn Gigante?« 28 »Confiesso que el genio del Padre Hurtado es eficaz, y ardiente en lo que mira como escandaloso. Pero pues es consejo del Padre Guerra, que no ay que irritarse contra los genios. Bien será que el Padre Guerra obserue tan prudente dictamen.« Wie hier versucht Herrera immer wieder, Guerra mit seinen eigenen Waffen zu schlagen. Auch ironisiert er - ähnlich wie der Autor der Dudas (cf. Duda 8a) - Guerras Sprachstil und wirft ihm implizit vor, den Kirchenvätern und Calderón unterschiedslose Ehrerbietung entgegenzubringen: »Exemplos tenemos no pocos en el estilo del Padre Guerra en esta aprobación. Varias vezes repite. Mi Angel Tomás. Mi venerado Agustino. Mi amado Pablo, llamando también al buen viejo Don Pedro Calderón intimo dueño mió.« Discvrso teologico, S. 54. Er akzeptiert Guerras Sprachduktus zwar vorgeblich als »hermosa dulzura de su genio«, macht jedoch durch das Dagegenhalten von Hurtados Stil deutlich, dass nur dieser dem rhetorischen Aptum eines Theologen entspricht: »El Padre Hurtado tuuo vn genio seuero: no melindroso; vn estilo robusto; no afeminado; vn ingenio verídico; no lisonjero; vnos discursos proprios de vn Varón Escolástico, Religioso, y zeloso, ajustados al rigor exacto de las escuelas, en que gastó toda la vida. No fueron sus discursos sofisterías de academia cortesana, sino con solidez, con verdad, con valentía, y con ardor de zelo Christiano« (S. 54f.). 29 Auch hier ist er jedoch um eine Apologie seines Ordensbruders bemüht, wenn er bemerkt, dass die Theatertänze zu Hurtados Zeit lasziver gewesen seien und Hurtados sprachliche Direktheit mit dessen Absicht rechtfertigt, vom Theaterbesuch abschrecken zu wollen. Guerra unterstellt er hingegen, mit seiner geschmückten Rhetorik die Wahrheit absichtlich zu beschönigen: »La ocasion que puede auer de culpas en estas representaciones, assi de parte de las personas que tienen este oficio, como de parte de los bayles lasciuos, que en tiempo del Padre Hurtado se vsauan en las Comedias, las propone el zelo de este Religioso Padre con tan verdaderos, y viuos colores, que puedan hazer horror a las conciencias. Iba a declarar la verdad, iba a hazer horrible el delito, y assi no buscaua frases melindrosamente afectadas, sino palabras significatiuas de las culpas que pretendía euitar. No iba a hermosear la liuiandad, sino a quitarla el velo con que en los Teatros se disimula. Pluguiesse a Dios, que los que escriuen de estos

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Theologen als auch für die Angelegenheit unpassenden - Publikationskontext der Aprobación eine Reihe weiterer Vorwürfe verbindet: S o bemerkt er, dass Guerra sich mit der unnötigen Anhäufung unnützer Autoritäten, der Ostenstation seiner Gelehrsamkeit und der Darstellung v o n Evidentem als Neuheit, nur an einen nicht gebildeten Adressatenkreis richten könne. 3 0 A u c h wirft er Guerra fehlende Objektivität und mangelnde Sachlichkeit s o w i e Populismus und Gefallsucht vor 31 und klagt ihn an, Hurtado aus Hass angegriffen zu haben, 3 2 w o b e i die abfällige Bezeichnung v o n Guerras Traktat als »seis pliegos de papel de impression muy menuda« (S. 53) Herreras Sorge um den Ruf seines Ordens angesichts der Verbreitung der Aprobación spiegelt. Herreras Rehabilitierung seines Ordensbruders geht aber nicht nur zu Lasten des Trinitariers, den er als einzigen Kritiker von Hurtados Traktat hinstellt, sondern auch zu Lasten der Schauspieler, denen er - um Hurtado in Schutz zu nehmen - den Anspruch auf eine würdige Behandlung rundweg abspricht. 33 Herreras

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puntos no buscassen tintas de lisonjeros, y dorados colores para hazer bien quisto el peligro, sino que escriuiessen con la tinta de la verdad, y de la sinceridad Christiana, que es la tinta propria de vna religiosa pluma. Y en fin el Padre Hurtado (como ya hemos advertido) [escriuió] en Latín. Y esto en vn tratado Teologico, cuyo estudio es proprio empleo de los que en las vniuersidades ocupan las Cátedras, ö se habilitan para tenerlas, no en vulgar Castellano siendo considerable parte de vn libro de Comedias (que de esto se afrentará el Padre Hurtado) [...].« Discvrso teologico, S. 48f. Herreras Anmerkung bezüglich der Tänze ist durch die zeitgenössische Theatergesetzgebung nicht zu belegen. Vielmehr war die Auffuhrung von »bailes, [...] cantares [y] meneos lascivos« schon seit 1615 - also vor dem Erscheinen von Hurtados Traktat - verboten. Das Verbot wurde allerdings 1641 wiederholt, was eine strengere Befolgung nach sich gezogen haben mag. In Replik auf Guerras Vorwurf, dass Hurtado sein Urteil nicht zureichend mit den Zeugnissen der Kirchenväter bewiesen habe (Aprobación, S. 78), zählt er die von Hurtado zitierten Patristen auf und erklärt, dass Hurtado für weitere Zitate zudem auf Mariana, Guzmán und Ribera verweise. Folglich konstatiert er mit einem Seitenhieb auf Guerra: »Esto no es falta de erudición, sino tener juizio para no molestar, y no tener pueril ambición de amontonar ociosamente erudiciones.« Discvrso teologico, S. 49. Als Versuch, seine Gelehrsamkeit zur Schau zu stellen, weist er auch Guerras Gleichsetzung der Verbotsforderungen der Theatergegner mit den Dekreten von Tiberius und Domitian zurück und geht seinerseits ausführlich auf die beiden römischen Kaiser ein, um Guerras Vergleich als unchristlich herauszustellen. Cf. auch Duda 10. Zudem bestreitet er den Neuigkeitswert von Guerras Argumentation, um Guerras Wertschätzung bei den Laien zu mindern. So beschuldigt er den Trinitarier, Allgemeinplätze (»lo que se halla en los mas vulgares Autores«) ais »erudición exquisita« auszugeben (S. 50). So repliziert er auf Guerras Bitte, die Aprobación objektiv und sachlich zu beurteilen (Aprobación, S. 98): »Quien dá mas señas de estar apasionado? Quien escriue en fauor de la austeridad, contra el gusto de tantos? Contra la inclinación de todos los populares, y de la practica mas autorizada de Europa, haziendose naturalmente mal visto de tantos, como assisten á las Comedias: ó quien escriue, dando gusto á la inclinación del Pueblo, publicando vando general de que son tan licitas, y honestas las Comedias, que no ay en ellas peligro, sino dotrina?« Auch hier entschuldigt er aber Hurtados Strenge: »Errara por ventura en alguna ocasion el dictamen en lo rígido; pero poquissimas vezes es efecto de voluntad apasionada: que á esta mas la lleua la passion del aplauso, y del complacer á otros, que no de hazerse malquista; dando dictámenes austeros contra el gusto, y inclinación de los otros.« Discvrso teologico, S. 81. Cf. Duda 18. So bemerkt Herrera bezüglich der Aprobación: »[...], también se puede rezelar no se origine del odio ageno, porque el odio es artifice mentiroso para fabricar culpas en el aborrecido. Y suele suceder, y es muy digno de notar, que algunos aborrecen, no porque están ofendidos, sino porque han ofendido. Siendo razón para el aborrecimiento el auer anticipadamente agrauiado.« Discvrso teologico, S. 44. »No juzgo [sie!], ni ha juzgado nadie hasta aora sino el Padre Guerra, ö a lo menos nadie ha tenido atreuimiento para escriuirlo, que el Padre Hurtado excedió en este punto de las Comedias. Pero demos, por contentar el antojo de el Padre Guerra, que huuiesse excedido en algo en la claridad con que habló de las licenciosas costumbres de los Comediantes. Algo se ha de dar al genio seuero, y zeloso; algo se le ha de permitir a vn hombre grande, á quien mueue el deseo ardiente de la reformación de las

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Hauptaugenmerk bleibt aber auf Guerra gerichtet: So unterstellt er ihm weiterhin, die gängigsten Moralprinzipien nicht zu verstehen bzw. zu leugnen, wobei er sich zur Verteidigung seines Ordensbruders in eine lange Debatte um den - ansonsten zugunsten einer tutioristischen Haltung abgelehnten - Probabilismus und seine richtige Anwendung verstrickt, letztlich jedoch auch hier eine gewisse Widersprüchlichkeit von Hurtados Argumentation eingestehen muss.34 Aufgrund der Fundierung der jesuitischen Theologie auf Thomas von Aquin, trifft Guerras Anschuldigung, Hurtado versage in der Interpretation des Kirchenlehrers, Herreras Ordensstolz besonders,35 weshalb er Guerra als »injusto calumniador del Padre Hurtado« (S. 45) beschimpft und Hurtados Übereinstimmung mit Thomas von Aquin

costumbres. Y mas quando todo viene a parar en el sentimiento que pueden tener vnos Comediantes. O que Sagradas Virgines consagradas a Christo, sino vnas Farsantas, que tienen con infamia jurídica el oficio de ser diuersion de la República.« Discvrso teologico, S. 55. Herrera, der über die Theater-Debatte ansonsten recht gut informiert ist, scheint hier absichtlich zu verschweigen, dass Gaspar de Villarroel und Tomás de Hurtado die rigoristische Theaterverurteilung von Hurtado de Mendoza ebenfalls kritisiert hatten. Cf. supra: V, V, Anm. 11. 34 Die in der katholischen Moraltheologie im 16. Jahrhundert im Kontext der Beichtberatung entwickelten Moralsysteme unterscheiden grundsätzlich vier Positionen zur Lösung der Fälle, in denen das Gewissen im Zweifel ist: So den Tutiorismus (tutior - sicherer), der vorschreibt, im Zweifelsfall der strengeren Meinung zu folgen, den Probabilismus, nach dem man einer nur wahrscheinlichen Meinung auch dann folgen darf, wenn die Gegenmeinung wahrscheinlicher ist, den Probabiliorismus (probabilior - wahrscheinlicher), der verlangt, der wahrscheinlicheren Meinung zu folgen und den Äquiprobabilismus, nach dem man einer Meinung nur dann folgen darf, wenn sie ebenso wahrscheinlich wie die Gegenmeinung ist. Der Laxismus ist kein eigenes theoretisches System. Als Laxismus wird vielmehr die Neigung einzelner Probabilisten bezeichnet, zweifelhafte Thesen als wahrscheinliche Meinungen anzuerkennen. Obwohl der Probabilismus teilweise als ethisch bedenklich galt, wurde er - anders als Laxismus (1665) und Rigorismus (1690) - vom kirchlichen Lehramt nicht offiziell zurückgewiesen. Weitgehend durchgesetzt als moralisches Beurteilungssystem hat sich der Äquiprobabilismus, der zwischen Probabiliorismus und Probabilismus vermitteln und dem Missbrauch des letzteren vorbeugen sollte. Helmut Weber, Allgemeine Moraltheologie, S. 206f. Joseph Mausbach: Katholische Moraltheologie, Bd. 1, S. 179-182. Nimmt Herrera gegenüber Guerras permissiver Moral und seinem Zugeständnis einer gewissen sittlichen Selbstbestimmung des Menschen immer wieder tutioristisch geprägte Positionen ein, so verteidigt er Hurtado auf der Grundlage des Probabilismus: So erklärt er in Replik auf Guerra, dass Hurtado die Comedia »á prinicipio intrínseco« (Discvrso teologico, S. 57) für unzulässig halten könne, ohne ihr die extrinsische Wahrscheinlichkeit, die der Consejo de Castilla ihr zugesteht, abzusprechen. Er zitiert und übersetzt die entsprechenden Passagen von Hurtado ausfuhrlich und bemerkt in Bezug auf Guerra subtil: »Muy de estrañar es, que quien ha viuido en las Vniuersidades mas celebres de España, diga, que no percibe lo que debe entender, y percibir el mas vulgar Teologo del mundo« (S. 55). Zur Unterscheidung von intrinsischer und extrinsischer Wahrscheinlichkeit in der Moraltheologie, cf. supra: V, III, Anm. 62. Auch hier verbindet er aber die Vorwürfe, Guerra argumentiere »olvidándose de todos los principios morales« (S. 59) und habe Hurtados Traktat nicht bzw. nur kursorisch gelesen, mit dem beiläufigen Zugeständnis, dass Hurtados Argumentation unter Umständen Schwachstellen aufweise: »Podrá ser que esta dotrina padezca algunas dificultades, como todas las demás de grauissimos Autores. Pero que contenga manifiesta implicación, no lo puede dezir, sino es quien no la huuiere leído« (S. 59). 35 Hierbei wird immer wieder Herreras Sorge um den Ruf seines Ordens angesichts des breiten Adressatenkreises der Aprobación deutlich: »Pues con que razón, con que justicia, con que verdad se publica á todo el mundo en vn libro de Comedias, que llega hasta los mas despreciados rincones, que el Padre Hurtado falta al respeto que se deba á vn Santo Tomás? Que se vale de su dotrina para autorizar lo que escriue contra el Santo? Que yerra, no de casualidad, sino de intención? Que haze graue injuria a Santo Tomás, y su dotrina? Y toda la demás tempestad de pesares que la nube del enojo del Padre Guerra graniza contra el Padre Hurtado, pretendiendo en él infamar á los que les tocan.« Discvrso teologico, S. 48.

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ausfuhrlich darlegt. D a b e i erkennt Herrera den anachronistische U m g a n g mit der Doktrin d e s mittelalterlichen Scholastikers: S o macht er deutlich, dass T h o m a s v o n A q u i n allgem e i n g ü l t i g e R e g e l n aufstelle o h n e Einzelfalle - g e s c h w e i g e denn die z e i t g e n ö s s i s c h e media

Co-

- z u b e h a n d e l n , w e s h a l b der D i s s e n s nicht z w i s c h e n Hurtado und T h o m a s v o n

A q u i n , sondern z w i s c h e n Guerra und Hurtado liege, die bei der A u s l e g u n g und A n w e n d u n g d e s Kirchenlehrers v o n v e r s c h i e d e n e n Prämissen b e z ü g l i c h der Unsittlichkeit b z w . Sittlichkeit des z e i t g e n ö s s i s c h e n Theaters a u s g e h e n . 3 6 In Replik auf Guerras A n d e u t u n g , dass die Schriften der Theatergegner aufgrund ihrer f e h l e n d e n A u s e i n a n d e r s e t z u n g mit d e n patristis c h e n Z e u g n i s s e n wertlos seien, spricht Herrera der Aprobación

in ähnlich subtiler, aber

d o c h dezidierter W e i s e daher ebenfalls j e d e Legitimität ab. 3 7

3.3

Die Gültigkeit der patriotischen spectacula-Kritik für das zeitgenössische Theater

Herreras in B e z u g auf T h o m a s v o n A q u i n dargelegte grundsätzliche Erkenntnis, dass die Übertragung historischer Urteile a u f die z e i t g e n ö s s i s c h e Comedia

anachronistisch ist, hin-

dert ihn allerdings nicht daran, die Distanz z w i s c h e n d e n patristischen Q u e l l e n und der Gegenwart w i e die übrigen Theatergegner mit g e w a l t s a m e r Aktualisierung zu überspringen: S o konstatiert er in Replik a u f Guerra, dass e i n Großteil der patristischen A r g u m e n t e auch d i e z e i t g e n ö s s i s c h e Comedia

betreffe und unterstellt Guerra, z u sehr a u f der Idolatrie d e s

antiken Theaters und den - s c h o n z u Z e i t e n A u g u s t i n s ü b e r w u n d e n e n - »torpezas abom i n a b l e s « der antiken A u f f ü h r u n g e n z u insistieren und v o r w i e g e n d unpassende Kirchenväterzeugnisse anzubringen. 3 8 36 »Esta question no la trató Santo Tomás, assi porque el Santo no alcanfö las Comedias Españolas de este tiempo, como porque escriuiendo como Maestro vniuersal del mundo, no examina las especialidades que de hecho auia en estas, ö en aquellas Comedias, sino dio reglas generales por donde se pudiessen gouernar la razón, y la conciencia en los casos singulares. [...] Es verdad, que el Padre Hurtado entra suponiendo desde luego, que en las Comedias de aora ay muchas indecencias, y incentiuos de lasciuia. Y con esso gouernado por la regla [de] Santo Tomás, dize ser pecaminosas: lo qual el Padre Guerra mira como blasfemia, porque las venera con decoroso respeto, por decentissimas, honestissimas, y purissimas. Pero esse será pleyto del Padre Guerra con el Padre Hurtado, no del Padre Hurtado con Santo Tomas.« Discvrso teologico, S. 47f. 37 So erwidert Herrera auf Guerras subtile Bemerkung, dass seit Erfindung des Buchdrucks gute und schlechte Schriften unterschiedslos veröffentlicht würden (Aprobación, S. 67): »No es pequeña vitoria de la modestia teniendo oídos para la injuria, cerrar los labios para la respuesta. Deba en esta ocasion a la mia el P. Guerra no responderle, lo que fácilmente pudiera sobre la distinción de escritos buenos, y malos, y porque reglas hemos de conocer los que son dignos, ö indignos de la luz publica de la estampa.« Discvrso teologico, S. 76. 38 Herrera unterteilt die Zeugnisse der Kirchenväter in zwei Gruppen: Jene, die sich gegen den spectaculaBesuch der Heiden richten und jene, die den Theaterbesuch der Christen verurteilen. Die erste Sorte sei für den zeitgenössischen Kontext der Debatte, die den Theaterbesuch von Christen betreffe, untauglich. Von den an die Christen gerichteten Schriften der Kirchenväter seien diejenigen, die mit der Idolatrie argumentieren, ebenso obsolet. Auf das zeitgenössische Theater applizierbar sind nach Herreras Auffassung aber all jene Zeugnisse, die die Verführungskraft und Unsittlichkeit von Darstellung und Darstellern sowie deren sozialschädigende Wirkung verurteilen. Discvrso teologico, S. 74f. Herrera beschränkt sich auf die gleiche Zahl der Kirchenväter wie Hurtado de Mendoza. So fügt er den von seinem Ordensbruder zitierten Patristen nur einen Stellenverweis auf Clemens von Alexandrien hinzu. Dabei insistiert er vor allem auf der Übertragbarkeit von Chrysostomus' Theaterverurteilung auf das zeitgenössische Theater: »Y que pintura puede auer mas propria de los Teatros de nuestros tiempos? Pues si San Chrisostomo reprehendió las Comedias por lo mismo que se hallan en las nuestras, claro está que las nuestras son también contra la dotrina de San Chrisostomo.« Discvrso teologico, S. 69.

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Herrera zeigt hierbei bereits eine - bei Navarro Castellanos später im Mittelpunkt stehende (cf. infra) - Tendenz zur Apologie des antiken lateinischen Dramas, wenn er die Komödien von Plautus und Terenz sowie die Tragödien von Seneca mit der zeitgenössischen Comedia gleichsetzt 3 9 und Guerra berichtigt, dass in der antiken Tragödie die Verfehlungen der Könige nicht gerühmt, sondern zur Läuterung der Zuschauer von den Leidenschaften dargestellt worden seien. 4 0 Folglich erkennt er Guerras Zurückweisung jeglicher Übereinstimmung zwischen antikem Drama und zeitgenössischer Comedia nicht an: »No ay duda, que las Comedias de aora, ni son Idolatrías Gentílicas, ni tan detestablemente torpes, como fueron algunas de las antiguas. Pero puede dudarse, que tienen muchas facciones en que se les parezcan? Las Comedias de aora no tratan de correspondencias amorosas? No se refieren en ellas muchas vezes, aunque con palabras decentes, sucessos harto torpes? No ay mugeres profanas, libres, y licenciosas, que representan? No ay lo poco modesto de algunos bayles? No ay palabras amorosas, dulces, y tiernas, aunque no sean obscenas? No ay músicas alhagueñas, y atractiuas? Estas no son facciones de las Comedias antiguas? Estos no son colores de las representaciones de los Teatros Griegos, y Romanos?«41

39 »Y es cierto, que si miramos las Comedias de Plauto, y Terencio, y las tragedias de Seneca, que no hallaremos en ellas razón para la censura, que no se halle en las Comedias, y saynetes, ö entremeses, que se representan en nuestros tiempos.« Discvrso teologico, S. 66f. Plautus und Terenz gelten tatsächlich als >Väter der Komödie der NeuzeitZöglings< im Rahmen der kirchlichen Normativität bewegt. Als bekannte Seelenführer weltlicher Christen waren u.a. François de Sales und François Fénelon tätig. Gerade für die Verwirklichung einer christlichen Lebensführung in der Welt wurde die Wahl eines Seelenführers, dessen Anweisungen in blindem Gehorsam befolgt werden mussten, als unverzichtbar erachtet. Auch die Ordensgeistlichen hatten aber einen »directeur spirituel«. Das Amt konnte zwar auch von theologisch geschulten Laien ausgeübt werden, nur dem Priester wurde aber als »Jésus visible« die Fähigkeit zugesprochen, die Intimität der Seele zu durchdringen und den Frommen richtig zu lenken. Freilich führte die als Kontrolleinrichtung der Kirche entwickelte Institution zu allerhand Missbräuchen sowohl was die Beratungskompetenz als auch was die Bewahrung von Geheimnissen und die zwischen »directeur« und »dirigé« entstehende intime Beziehung anbelangte. Zum Phänomen der »direction spirituelle« und seiner Problematik cf. den entsprechenden Artikel im 3. Band des Dictionnaire de spiritualité. Ascétique et mystique; doctrine et histoire. Publié sous la direction de Marcel Viller et al. Paris: Beauchesnel937ff. Vor allem: Charles Berthelot du Chesnay: »Direction spirituelle. III. En occident. III. Du 17e siècle a nos jours«, S. 1119-1142; Gabriel de Sainte-Marie-Madelaine: »V. Justification Théologique«, S. 1174-1194 und Antoine Delchard: »Direction spirituelle par des laïques«, S. 1194-1202.

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nur die absolute Theaterabstinenz den Menschen vor Sünde bewahren könne.62 Da Herrera die kognitiven und moralischen Fähigkeiten des Menschen durch die passiones außer Kraft gesetzt sieht, weist er auch Guerras Forderung zurück, dem Individuum eine auf seiner moralischen Urteilsfähigkeit begründete sittliche Autonomie zuzuerkennen. So setzt er der von Guerra geforderten Individualisierung der theologischen Vorgaben zugunsten der moralischen Selbstbestimmung eine normative Theologie entgegen, die die moralisch-geistliche Lenkung auch des Alltagsverhaltens aufgrund der wesensmäßigen Triebhaftigkeit und Schwäche des Menschen für unabdingbar erklärt. Wie die übrigen Theatergegner - so Mariana, Guzmän und Hurtado - besteht dabei auch für Herrera die größte vom Theater ausgehende Gefahr für die ohnehin zur Liebe disponierte und noch unwissende Jugend, die ihre sündhaften Annäherungsversuche an das andere Geschlecht in der Comedia positiv bestätigt findet und im Theater zudem von ihrer - aus moraltheologischer Sicht heilsbewahrenden - Unwissenheit befreit und in Liebesangelegenheiten unterwiesen wird.63

7

Die Verurteilung der Comedia zur Rehabilitierung der Societas Jesu und als Kampfansage gegen Guerra

Die einzige Möglichkeit der Heilsgefahrdung in den zeitgenössischen Theaterauffuhrungen vorzubeugen, ist für Herrera, »si fueran otras de las que son, sin amores, sin musicas afectuosas, sin bayles licenciosos, sin profanidades, ni indecencias en los traxes, y sin las demäs circunstancias, de donde (como estä ya ponderado) nace el peligro de las conciencias« (S. 60).

Die diametralen Bewertungen desselben Phänomens durch Guerra und Herrera, die beide relativ gut über die Comedia des Siglo de Oro informiert zu sein scheinen, machen deutlich, dass die Beurteilung des zeitgenössischen Theaters weniger auf der konkreten Analyse der Theaterpraxis - die je nach Perspektive angemessene Verhaltensmodelle vermittelt oder sexuelle Freizügigkeit und falsches Ehrgefühl propagiert - als auf der anthropologischen Sicht des Urteilenden und seiner damit verbundenen Auffassung basiert, welche Position der klerikalen Kultur innerhalb der Gesellschaft zukommt: So setzt Herrera der von Guerra

62 Herrera repliziert hier erneut auf Guerras Einteilung des Publikums nach seinen intellektuellen Voraussetzungen: »Pero bolviendo a la inmunidad del peligro de lo lasciuo en las Comedias, con que honra el Padre Guerra a la discreción, siempre haze graue dificultad el que la discreción del entendimiento sea bastante para quitar el peligro de los ojos. El discreto que asiste a la Comedia, oye la discreción de los versos, pero mira también la hermosura, gala, y profanidad de la Comedianta, en que ay los incentiuos que ya están ponderados. [...] no es aqui donde se tapan los ojos con los oidos, sino donde los oidos esfuerzan a los ojos para inclinarse a lo que miran.« Discvrso teologico, S. 15f. Wie üblich fiihrt er den Hinweis auf den heiligen Hieronymus an, der in seinem Eremitendasein von der Erinnerung an eine tanzende Römerin gepeinigt wurde und hält dem entgegen, »que quiera el Padre Guerra, que vn cortesano en medio de las delicias de la Corte no tenga peligro alguno en la vista atenta de mugeres hermosas, licenciosas, y profanas« (S. 17). Hieran wird erneut deutlich, dass die Beurteilung des profanen Theaters eng mit der anthropologischen Auffassung des jeweiligen Autors verbunden ist. So repliziert der theaterbefurwortende Laie Andrés Dávila y Heredia (cf. infra) wiederum auf den Jesuiten: »Los discretos con gran dificultad se inclinarán a lo lasciuo. Porque el entendimiento es superior al sentido de la vista.« Respvesta al Bven Zelo, al Discvrso Teologico, y a los demás Papeles (Alcalá de Henares: 1683), S. 5. 63 So betont er mit Berufung auf die Kirchenväter: »[...], pues el mofo diuertido, y la muger poco recatada, se alegran auiendo visto en el Teatro aplaudido lo que obran en sus galanteos, y amantes correspondencias, o á lo menos auiendo visto, y oido lo que pueden obrar, y de que medios se pueden valer para lograr su passion: [...].« Discvrso teologico, S. 73.

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vertretenen probabilistischen Auffassung, die an einer authentischen kirchlichen Bezugnahme auf göttliches und natürliches Recht zweifelt und dem Menschen folglich eine gew i s s e moralische Autonomie zugesteht, eine tutioristisch geprägte Haltung entgegen, die jeglichen moralischen Pluralismus aufgrund der natürlichen N e i g u n g des Menschen zur Sünde als heilsgefahrdend zurückweist und die einzige Möglichkeit für das Individuum, die Leidenschaften zu beherrschen, in der Befolgung einer konsequenten - der anthropologischen Wirklichkeit freilich widersprechenden - Vermeidungsstrategie sieht. 6 4 D a Herrera aber immer wieder zwischen der Verfechtung probabilistischer Lehrmeinungen und der Propagierung tutioristischer Auffassungen wechselt 6 5 und seine Ausführungen eine g e w i s s e Vertrautheit mit der Comedia kaum leugnen lassen, liegt der Schluss nahe, dass der Jesuit nur zur Verteidigung seines Ordensbruders bzw. zur Verwerfung von Guerras liberaler Position als theologischer Irrmeinung in eine derart rigoristische Haltung gegenüber dem Theater verfallt, die aus eben diesem Grund im Laufe der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters zur charakteristischen Position für die - selbst dramaturgisch tätigen und ursprünglich als Vertreter einer laxeren Morallehre bekannten - Jesuiten wird. 6 6

64 So betont Herrera in Replik auf Guerra, der Hurtado angeklagt hatte, die Möglichkeit einzuräumen, die Todesgefahr im Stierkampf, nicht aber die Heilsgefahrdung in der Comedia zu verhindern: »Es certissimo también, desuerte, que solo vna muy candida ignorancia pueda negarlo, que para cautelar este peligro del alma, que tienen las Comedias, dexandolas como se están, no ay preuenciones que pueda hazer la República, porque este peligro nace de la hermosura profana, de las acciones desahogadas, y de los bayles licenciosos, que se entran por la vista, y juntamente de las materias amorosas, de los dictámenes vengatiuos, y de la enseftança, aunque con vozes pulidas, de todos los lances de vn amor lasciuo, que por los oidos se introducen en el alma. Contra estas fieras de nuestras passiones humanas, que nos hazen la guerra en el retirado silencio de nuestro coraçon, que defensas puede poner el exterior gouierno de la República? que guaridas puede preuenir? de que defensas nos puede armar? Claro está, que de ningunas. Porque como todo este peligro está dentro de nuestro entendimiento, y voluntad, donde no puede introducirse agena jurisdicion, no ay poder humano, que entrándose el objeto peligroso por los sentidos, puede cautelar, ni disminuir el riesgo que nos ocasiona en el alma.« Discvrso teologico, S. 61f. 65 So verteidigt Herrera Hurtados probabilistische Haltung gegenüber dem Stierkampf und gegenüber der Theatererlaubnis durch den Kastilienrat (cf. supra). Um Guerras Ausführungen zu widerlegen, bezieht er jedoch immer wieder tutioristische Positionen, die dem Individuum jegliches sittlich-moralische Empfinden und Handeln aberkennen und Religion und Kirche als sein einziges Lebens- und Orientierungszentrum anerkennen. 66 Das Denken der Jesuiten - soweit man ein solches fur den ganzen Orden postulieren kann - war gegenüber dem Theozentrismus anderer Orden ursprünglich anthropozentrisch geprägt und viele Jesuiten waren entschiedene Befürworter des Probabilismus, den jesuitische und dominikanische Theologen zum anerkannten moraltheologischen System gemacht hatten. Die Kritik der jesuitischen Position als laxe Morallehre führte aber zu einer vermehrten Einnahme rigoristischer Positionen auch innerhalb der Societas Jesu. Cf. Enrique Rivera de Ventosa: »§ 10. Der philosophische Beitrag der Jesuiten«, in: Friedrich Ueberweg (Begr.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des 17. Jahrhunderts, Bd. 1/1, S. 389-392 und ders.: »§ 19. Kasuistik und Probabilismus«, in: op. cit. S. 481-486. Diese allmähliche Haltungsändeiung des Ordens ist auch bezüglich des profanen Theaters festzumachen. Ausdruck dieser Entwicklung, zu der auch Guerras - als Anklage der Societas Jesu aufgefasste - Theaterverteidigung beigetragen haben mag, ist die Stellungnahme von Francisco Antonio de Larramendi, der sich 1742 in der Approbation der theaterfeindlichen Schrift seines Ordensbruders Gaspar Díaz dagegen wehrt, die Zurückweisung der Comedia als »tema de solos Jesuítas« bezeichnet und damit als marginale Ordensmeinung abgewertet zu sehen. Cf. supra: III., Anm. 40. O'Connor geht davon aus, dass die Verurteilung des profanen Theaters im Verlauf des 17. Jahrhunderts zu einer Art uniformen Ordensposition der Jesuiten wurde. Love in the Corral, S. 195. Vitse erwähnt Herrera nur am Rande und ordnet ihn in seinem Tableau den Theatergegnern zu. Éléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVUe siècle, S. 86.

* RESPONDE Z>. FRANCISCO TEMPLADO a los die^ pliegos » y medio de D. Antonio Puente Hurtado de Mendoza , en >n pliego de pape/.

A

V I E N D O l e í d o v n t i t u l o tan h e r m o f o , c o m o D i f c u r f o T h e o l o g i c o , y Pol tico; y mirando el A u t o r , q u e d e z i a fer D o n A n t o n i o d e T a l . q u e es lo m i f m o q u c Et cetera. í o f p e c h c , q u e era n o m b r e u p u e ( l o , y q u e era algún i n f í g n c M a e f trazo: q u á d o . e n t e r a d o d e f u d i f c u r f o , m e retrate d e m¿ j u i z i o t e m e r a r i o , y c r e i firmemente f e r del tal D . A n t o n i o d e T a l , p o r q u e el papel es lego» y llano, aunque n o se fi h a d e f e r a b o n a d o ; y a n i m a d o c o n efto de que t a m b i é n p u e d o y o f a l i r á c a m p a ñ a d e l e g o s , va m i reípuefta en d o b l o n e s > para que le a g r a d e . E n t r a e n el § . I . y dÍ2e : Motiuos de eferiuir efie Difcurfo. S i n i n g u n o f e los ha d e c r e e r , n o se para que g a í l ó t a n t o p a p e l . D i z e q u e l e y ó el Papel del P a d r e G u e r r a c o n SoJJegdda atención-, mas le h u v i e r a a p r o u e c h a d o c o n b u e n a i n t e l i g e n c i a , q u e n o es lo m l f m o a t e n d e r , q u e e n t e n d e r . L l e g a á los T í t u l o s q u e t i e n e e l P a d r e G u e r r a , y le quita el roas plaufible, n o le n o m b r a C a t e d r á t i c o d e S a l a m a n c a : H a L a d r ó n de Títulos'. R e f l i t u y e , m i r a q u e v i e n e la S e m a n a S a n t a . T r a e vn c e n t ó n de S a n A g u f t i n , q u e v i e n e a t o d o , m e n o s p a r a l o q u e el le t r a e : y entra m u y f r e í c o , d i z i e n d o : Wo es mi intento en efie Dijcurfo cenfurar las Comedias, juejro por aora ni ¡as apr uebo por licitas* ni las repuebo por ¿clt nlego< hier auf ironischer Ebene zunutze. So spielt er auf die juristische Wendung »lego, llano y abonado« an, die in ihrem originären Kontext den von einem Bürgen verlangten Status definiert, »que no goce [sc. el fiador ü depositario] de fuero Eclesiástico, ni del de nobleza, y que tenga hacienda«. S.v. »Lego, llano y abonado« im Diccionario de Autoridades. So macht er sich immer wieder über Herreras vermeintliche Unwissenheit lustig: »Aqui está el Lego gracioso, porque vna proposición redonda como vna bola, sin esquina alguna, de San Pablo, dize que le haze dificultad, y lo mejor es, que le impugna.« Respuesta, S. 5. Entsprechend seiner Behandlung des Jesuiten als Laien, gibt er auch dessen Tadel, Guerra versage im Umgang mit den Moralsystemen, in ironischem, aber scharfem Ton an den Jesuiten selbst zurück: »Señor Lego, no dispute lo que no entiende. Probabilidad intrínseca es a ratione; probabilidad extrínseca es ab auctoritate. Por su vida que me perdone el Latin« (S. 8). Auch nutzt er Herreras in Replik auf Guerra vorgebrachte Erklärungen, wie der Stierkampf ohne Todesrisiko ausgeübt werden könne, um den Jesuiten als nur um weltliche Angelegenheiten bekümmerten Laien zu verspotten: »[...] yo passo a dexarle entre maromis, y demás instrumentos de componer la graciosa Fiesta de Toros, que trae en su Papel« (S. 8). So durchschaut Templado Herreras Taktik, Guerras Behauptungen absichtlich misszuverstehen, um sie dann zu berichtigen.: »Pues Lego mió, para qué infiere esta consequencia: Si dixera el Padre Guerra, que para aquellos hombres era mejor la permission del odio, que el precepto del amor, lo creeré fácilmente? Pues si dize esto mismo (y algo mejor dicho) para qué es el Si dixera? Habla de amor mandado, y odio permitido.« Respuesta, S. 4. Auch verspottet er die Bemühungen des Jesuiten, Guerra Zitierfehler nachzuweisen, als belanglos. Herreras Rechtfertigung von Hurtados rhetorischen Exzessen weist er als unchristlich zurück und wirft Herrera - zurecht - vor, die Schauspieler von der Nächstenliebe auszuschließen: »Dize que confiessa que el genio del P. Hurtado fue eficaz, y ardiente; pero que por genio suyo le debia disimular el Padre Guerra: no hé leído mejor doctrina Christiana. Si es malo el genio, se ha de disimular por genio, ö acusar por malo? Passa a que no importa La honra de vnos Comediantes, miren que Principes, ó Prelados. Bello Cathecismo! Los Comediantes no son proximo?« (S. 8).

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dem Discvrso teologico und zeigt mit süffisanter Geste immer wieder die Inkohärenz von Herreras Argumentation auf, die nichts als zum Lachen sei.10 Tempiados Zynismus richtet sich aber nicht nur gegen Herrera, sondern auch gegen den von ihm verteidigten Hurtado, was auf seine feindliche Haltung gegenüber der Societas Jesu schließen lässt: So weist er - während er Guerras akademische Leistungen hervorhebt - spottend daraufhin, dass der von Herrera als Inhaber der cátedra de prima gerühmte Hurtado de Mendoza nur die - ihm zudem von seinem Orden und nicht aufgrund akademischer Verdienste zugeteilte - Position eines Lektors innehatte. Auch spricht er den Schriften des Jesuiten jeden Wert ab und ironisiert Herreras emphatisches Lob seines Ordensbruders als »gigante de sabiduría«.11 Aus den wesentlichen Streitpunkte der Debatte hält sich Tempiado aber heraus: So geht er nicht auf Herreras - zutreffende - Erkenntnis ein, dass Thomas von Aquin von beiden Parteien der Theaterkritiker anachronistisch ausgelegt und instrumentalisiert wird, sondern bestätigt Guerras Behauptung, Hurtado verstoße gegen die Doktrin des Thomas von Aquin. Auch die von Herrera hervorgehobene Brisanz der Veröffentlichung einer auf spanisch verfassten Theaterverteidigung in einem Comedia-Band erwähnt er mit keinem Wort: So repliziert er auf Herreras unermüdliche Empörung über den - die Exklusivität der Debatte gefährdenden - Publikationskontext der Aprobación nur beiläufig - und mit einem Seitenhieb auf Hurtado, der auf Latein geschrieben hatte - , »que mas vale escriuir en buen Romance, que en mal Latin« (S. 7). Vor dem Hintergrund, dass die Respuesta - wie schon die gegen Guerra gerichteten Dudas curiosas - eine reine Satire ist, die die grundlegenden Fragen der Debatte ausspart, wird erneut deutlich, dass es innerhalb der Kontroverse um Guerra längst nicht mehr um Begründung und Argumentation - geschweige denn um das ursprünglich in Frage stehende Seelenheil des Theaterbesuchers - , sondern vielmehr um eine zweckgebundene, psychologisch berechnende Polemik geht, mit der die Teilnehmenden allein beabsichtigen, Partei für eine bestimmte Position bzw. für deren Vertreter zu ergreifen und den Gegner - sei es, weil er Anhänger der Gegenposition oder weil er Gegner bzw. Konkurrent in einem anderen

10 » E n el §. 2. [...] entra diziendo, que como no es su intento condenar por ¡licitas las Comedias, no tratará el punto con la doctrina que pide; pues si no há de tratar el punto, como ha de impugnar al P. Guerra? De verdad que es para carcaxada.« Respuesta, S. 8. Cf. Discvrso teologico, S. 62. 11 »Aqui entra la canonización del Padre Hurtado: Entra con vnos centones diziendo, que el Padre Guerra, por hazerse famoso, le quiso hazer competencia: lo que sabe todo el Mundo, es que compitió Cathedras en la Vniuersidad de Salamanca con mayores Sugetos, y que por votos del Real Consejo, se la lleuo bien mozo, y a hombres que hán escrito mas libros y mejores, que el Padre Hurtado: [...]. Dize que el Padre Hurtado tuvo la Cathedra de Prima. Qué es esso de Cathedra de Prima? Es Espanta villanos? El Padre Hurtado fue vn Lector nombrado de su Prouincial, como todos los Lectores de las demás Religiones, los quales no toman semejantes títulos, que estos se quedan para los Cathedraticos de oposicion, y no de nombramiento por vn pliego de papel. Dize que escriuió vnos libros, y los abulta bellamente; no hizieran mucha falta, aunque no los huviera escrito, porque de aquellos libros están llenos los libros. Dize que es Gigante de sabiduría. N o le conocí, pregunté á quien le auia conocido, que estatura tenia? Y me hán jurado, que con bonete, y todo, no passaua de dos varas; con que tengo por cierto que el Lego se há engañado, y que no era Gigante.« Respuesta, S. 6. Cf. Discvrso teologico, S. 40. Templados subtile Kritik an der Besetzungspraxis der theologischen Lehrstühle sowie seine Abqualifizierung der letras sagradas in Bezug auf Hurtados theologische Schriften legen wiederum die Autorschaft eines Laien nahe. Diese Vermutung wird auch durch die Verspottung von Herreras Rehabilitierungsversuch als >Heiligsprechung< gestützt, die Tempiado mit der spitzfindigen Bemerkung beschließt: »Onze hojas gasta en la canonización, no me admiro, las informaciones de Canonizaciones son largas: [...]«(S. 7).

Exkurs II: Responde D. Francisco Tempiado

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Kontext ist - zu diskreditieren. So verzweigt sich die Kontroverse, die von ihren Teilnehmern auch genutzt wird, um sich durch die Identifikation mit einer bestimmten Partei und die Abgrenzung von der Gegenpartei selbst darzustellen, innerhalb der Polemik um Guerra in eine Reihe gegenseitiger Diffamierungskampagnen, die vom eigentlichen Sujet der Debatte immer weiter abkommen.

¡¿»ra

£L BVEN ZELO O EXAMEN DE VN PAPEL»

Q V E C O N NOMBRE D E EL REVERENDISIMO P. Ai.Fr. Manuel de Guerra,y Ribera, Dodor de Theotogia, fíe. correen vulgar, impreflb por Aprobación de la Quinta Parte Verdadera de Comedias de Don Pedro Cutieron c, P O N E N S E E N P R I M E R LVGAR L A S SENTENCIAS de los Padres« y Santos de la Igleíia, á cerca de la Comedia,deíuerte que los pueda entender todo genero de perfonas.

REFIERENSE LVEGO POR SIGLOS. Y SVCESSION DE T I E M P O S LOS VARIOS ESTADOS, y Reformas, que han tenido Theatros, Comedias, y Comediantes. LO QVE LOS PADRES, Y SANTOS HAN SENTIDO de ellos en todos tiempos.

Y VLTIMAMENTE SE COTEjAN COMEDIAS ANTIGVAS,Y M O D E R N A S , declarando algunos Cánones de Sagrados Concilios, Leyes de Repúblicas, Sentencia« de Philofophos, y reduciendo a Examen de Razón lo Chriftiano,y Político de cito Punto.

Emprcflo en Valencia en cafa de Sebaftian de Cormellas. Año de ti 8 j .



m 0

V, Vil Pedro de Fomperosa y Quintana: El Bven Zelo. Ein moraltheologischer Traktat eines jesuitischen Theaterautors gegen Guerra und die zeitgenössische Comedia. 1

Kurzpräsentation von Autor und Werk.

1.1

Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext

Pedro de Fomperosa y Quintana wurde am 2 9 . 9 . 1 6 3 9 in Madrid geboren und trat 1654 der Societas Jesu bei. W i e in den einführenden Kapiteln dargestellt (cf. III., 2.1), war er gefeierter Autor und Regisseur der Jesuitenbühne.' Obwohl die von ihm verfassten Stücke sich stilistisch an Calderón anlehnen - seine Comedia über den jesuitischen Ordensgeneral Francisco de Borja gilt als Umarbeitung eines Stücks von Calderón - greift der Jesuit mit zwei Abhandlungen in die licitud-Debatte ein, in denen er Guerras Verteidigung der Comedia, in deren Mittelpunkt das Werk von Calderón steht, heftig kritisiert und das profane Theater verurteilt. 2 N e b e n den genannten dramatischen und theaterfeindlichen Werken verfasste Fomperosa ein didaktisches Lehrwerk zur Lateinvermittlung in den Jesuitenkollegien s o w i e einen mehrfach aufgelegten Kommentar zu Nebrijas Grammatik, den er - w i e alle seine Werke ebenfalls unter Pseudonym veröffentlichte. 3 Er starb am 19. März 1689.

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So verfasste er als Studienpräfekt des Kollegs von Madrid eine Comedia über Francisco de Boija (aufgeführt zu dessen Heiligsprechung 1671) und veröffentlichte - unter dem Namen seines Bruders - auch einen Bericht über die von ihm organisierten Feierlichkeiten zur Heiligsprechung des Ordensgenerals. Ebenso werden ihm die Comedia alegórica Vencer á Marte sin Marte, ó Cadmo y Armonía, 1681 von den Jesuitenschülern zur Hochzeit Karls II. aufgeführt, und das Stück El cerco de Viena en el año 1680 zugeschrieben. Palau führt vier weitere Theaterstücke unter seinem Namen auf, die aber von Faustino Arévalo, Barrera y Leirado und Sommervogel nicht genannt werden. Cf. auch supra: III., Anm. 43fF. Von Fomperosas Wertschätzung und Bekanntheit als Theaterautor zeugt ein Brief seines Ordensbruders Francisco Vázquez (1629-1689), der über Fomperosa berichtet: »De la experiencia, y estimación que se tenia de su [se. Fomperosa] caudal, nació, que apenas, por el discurso de estos años se a ofrecido función publica de yngenio, asi en la Corte, como en Este Collegio Imperial que no aya fiado y cometido ö en todo ö en la parte mas principal al Pe Fomperosa; [...].« Zitiert nach Uriarte: Catálogo razonado de obras anónimas y seudónimas de autores de la Compañía de Jesús, T. 3 (1906), S. 133. Nach dem im Folgenden behandelten Bven Zelo verfasst Fomperosa La Evtrapelia(1683), der aufgrund des veränderten Publikationskontextes ein eigenes Kapitel (V, VIII) gewidmet wird. Beide Werke werden von Arévalo, Uriarte, Sommervogel, Cotarelo und Palau Pedro Fomperosa y Quintana zugeschrieben. Moir weist allerdings darauf hin, dass eine handschriftliche Anmerkung auf der Titelseite eines Exemplars des Bven Zelo der Bodleian Library von Oxford als Autor »P. Juan Perosa, Prefecto de los estudios en el colegio imperial de la compañía de Iesus de Madrid« angibt. Duncan W. Moir: »Prólogo«, Anm. 150. Ein Juan Perosa ist jedoch weder bei Sommervogel noch bei Uriarte verzeichnet. Auch könnte Perosa ein weiteres Pseudonym von (Fom-)perosa sein, der seine Werke unter einer Vielzahl verschiedener Namen veröffentlicht hat. Die Observaciones selectas del Methodo, con que en breue, y fácil, y elegante estilo se enseñan los rudimentos de la lengua Latina en los Estudios de la Compañía de Iesvs (Madrid 1671) sind laut Uriarte der erste Teil des bekannteren Nebrija-Kommentars El Gramatico curioso (Madrid 1671). Beide Abhandlungen sind unter dem Pseudonym Pedro Miguel de Quintana erschienen. Catálogo razonado de obras anónimas y seudónimas de autores de la Compañía de Jesús, T. 1 (1904), S. 169f. und S. 366f. Überblickt man Fomperosas Werke, so fallt auf, dass er nicht ein Werk unter seinem Namen veröffentlicht hat. Menéndez Peláez gibt für die anonyme Verfasserschaft der Jesuitendramen die allgemeine Erklärung: »[Los jesuítas] no buscan la gloria personal a través de sus obras; permanecen en el anonimato

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1.2

Entstehungskontext und Adressatenkreis des Bven Zelo

W i e der Titel bereits ankündigt, ist der Bven Zelo1 ebenfalls eine Replik auf Guerras Verteidigung der zeitgenössischen Comedia. S o erkennt auch Fomperosa das systemsprengende Potential der Aprobación und moniert, dass Guerra die moraltheologische Frage, ob der Theaterbesuch unter moralischen und christlichen Gesichtspunkten zulässig ist, einem breiten - per se unwissenden - Laienpublikum zugänglich gemacht hat. 5 Sich bewusst, dass die ehemalige Exklusivität der Debatte irreversibel zerstört ist, adressiert er seine Schrift aber ebenfalls an ein laikales Publikum, um die Unwissenden über Guerras theologische Irrtümer und Fehldarstellungen aufzuklären und das - ursprünglich auf einem Wissens- und Informations-Ungleichgewicht basierende, durch Guerras Publikation verletzte - traditionelle Kräfteverhältnis z w i s c h e n der dominanten theologischen und der sich langsam etablierenden laikalen Kultur wiederherzustellen. Dabei ist Fomperosa - w i e sein Vorgänger auch um die Rehabilitierung seines Ordensbruders Hurtado vor einer möglichst breiten Öffentlichkeit bemüht. Fomperosa spricht seine verschieden informierten und disponierten Leser differenziert an 6 und macht - w i e Herrera - deutlich, dass es ihm vor allem um die Aufklärung der »gen-

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que les impone el propio grupo social del que forman parte.« Los Jesuítas y el Teatro en el Siglo de Oro, S. 45. Diese Erklärung scheint aber - bedenkt man auch, dass nicht alle Jesuitendramen anonym veröffentlicht wurden - zu eindimensional. Gerade bei Autoren wie Fomperosa, der gleichzeitig gegen das profane Theater schreibt, mag die anonyme Verfasserschaft eher eine Strategie sein, sich - und den Orden, der laut Satzung für jede Veröffentlichung seiner Mitglieder firmiert - vor möglichen Angriffen zu schützen. So waren die Buchzensoren nach dem Beschluss der XI. Generalkongregation von 1661, die u.a. auf die Rufschädigung durch den immer laxeren Probabilismus der Jesuiten reagierte, dazu verpflichtet, »nichts auch nur zweifelhaft Gefahrliches für den Ruf der Gesellschaft durchgehen [zu] lassen«. Eberhard Zirngiebl: Studien über das Institut der Gesellschaft Jesu mit besonderer Berücksichtigung der pädagogischen Wirksamkeit dieses Ordens in Deutschland. Leipzig: Fues's Verlag 1870, S. 53. Dabei war die Veröffentlichung unter Pseudonym zur Wahrung der Ordensinteressen durchaus üblich. Gleiches gilt für anonyme Publikationen: So verzeichnet der Catálogo razonado de obras anónimas y seudónimas de autores de la Compañía de Jesús von Uñarte allein für Spanien und seine Kolonien zwischen 1540 und 1773 3690 anonyme Werke. Bven zelo o examen de vn papel qve con nombre de el Reverendissimo P. M. Fr. Manuel de Guerra, y Ribera, Doctor de Theologia, &c. corre en vulgar, impresso por Aprobación de la Quinta Parte Verdadera de Comedias de Don Pedro Calderón, &c. Ponense en primer lvgar las sentencias de los Padres, y Santos de la Iglesia, á cerca de la Comedia, desuerte que los pueda entender todo genero de personas. Refierense lvego por siglos, y svcession de tiempos los varios Estados, y Reformas, que han tenido Theatros, Comedias, y Comediantes. Lo qve los Padres, y Santos han sentido de ellos en todos tiempos. Y vltimamente se cotejan Comedias antiguas, y modernas, declarando algunos Cánones de Sagrados Concilios, Leyes de Repúblicas, Sentencias de Philosophos, y reduciendo á Examen de Razón lo Christiano, y Político de este Punto. Impresso en Valencia en casa de Sebastian Cormellas. Año de 1683. Das Werk wird im Folgenden unter dem Kurztitel Bven Zelo zitiert. So betont er ähnlich wie Herrera: »[...] ni el amor de la verdad, que él [se. Guerra] dize, ni otra alguna causa, ö motiuo puede executarle [sic!, i.e. exculparle], ni menos honestarle el poner en vulgar vn punto Theologico, Escolástico, y Moral, con doctrinas, y términos de las escuelas. Si habla, y escriue solo para doctos, no es essa su lengua. Si para todos, quien duda que en manos de ignorantes, Legos, Mugeres, &c. vá auenturada su inteligencia con peligro de errores?« Bven Zelo, S. 3. So beschließt er seinen Traktat mit dem Appell: »Esto es, Christiano Lector, lo que el Bven Zelo te ofrece deste punto por aora. Si eres docto, y hallares algo que corregir, te oirá con rendimiento, prompto a la enmienda. Si no lo eres, te avran enseñado los Santos lo que por ventura hasta aora no sabias; y si salieres conuencido, ö aprouechado, dale a Dios en ellos las gracias. Si eres deuoto verdadero, te confirmarás en tus maximas. Si eres zeloso, estarás admirado de que se patrocinen las Comedias tan a

Pedro de Fomperosa y Quintana: El Bven Zelo

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te ignorante lega, ü de pocas letras« (S. 3) gehe, deren Seelenheil durch die Aprobación besonders gefährdet sei, da sie Guerra vorbehaltlos glauben. So versucht er den Leser bereits im Vorwort auf den Glauben zu fixieren, indem er ihn als »christiano lector« apostrophiert und betont, dass er allein auf dessen - freilich auf das Seelenheil bezogenen - Nutzen bedacht sei. Begibt er sich hiermit in die Position des Seelsorgers, so macht er auch einen absoluten Wahrheits- und Gültigkeitsanspruch für sich und seine Ausführungen geltend, indem er sich als Sprachrohr der kirchlichen Autoritäten und ihrer authentischen Textzeugnisse präsentiert.7

1.3

Äußerer Aufbau und sprachliche Gestalt des Bven Zelo

Fomperosa unterteilt seine Abhandlung, deren Vorgehen er bereits im Titel programmatisch ankündigt, in drei »Exámenes«, die implizit auf die Aprobación Bezug nehmen. So wirft er Guerra vor, gegen die Prinzipien des angemessenen Debattierens, mit denen er die Kapitel seiner Abhandlung überschreibt - »De la Prudencia« (I), »De la Religion«(II) und »De la Razon« (III) - , zu verstoßen. Im Gegensatz zu Herrera hält sich Fomperosa nicht mit langen Digressionen auf, die sich argumentativ von der licitud-Debatte entfernen, indem sie auf Guerras theologische Positionen eingehen. Auch sieht er nicht - wie sein Vorgänger es zumindest vorgeblich tut - von einer grundsätzlichen Auseinandersetzung mit der >Theaterfrage< ab. Vielmehr setzt sich der Jesuit, nachdem er im ersten >Examen< Guerras unpassenden - gegen die Klugheit (I) verstoßenden - Publikationskontext herausgestellt hat, ausfuhrlich mit den Patristen auseinander, um die Gültigkeit ihrer Urteile für die Comedia zu beweisen (II). Hierbei zitiert er mit - bisher unerreichter - Vollständigkeit alle theaterbezüglichen Kirchenväterzeugnisse von Tertullian bis Isidor von Sevilla und diskutiert auch die Argumentation des Thomas von Aquin, wodurch sein Traktat gewissermaßen eine exemplarische und systematische Zusammenfassung und Aufarbeitung des gesamten auf die Comedia des Siglo de Oro übertragenen christlichen Gedankenguts von Mittelalter und Antike darstellt.8 Die letzte und längste Untersuchung seiner Abhandlung (III) teilt sich in sieben Unterkapitel: So stellt Fomperosa erneut heraus, »[que] los Padres de la Iglesia, y Santos han

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rostro descubierto, que se ponga en los cantones la defensa, y se tire a eternizarse en los libros; pero no te desedifiques, ni desconsueles, que Prelados tiene Dios en su Iglesia, en quienes viuen aun espíritus de Augustinos, Chrysostomus, Cyprianos, &c. [...]. Si eres diuertido, y apassionado de las Comedias, sean como fueren, [...]. No te desconsueles, que este Papel no será el vltimo: puede ser que llegues a rendirte, que es lo que se pretende.« Bven Zelo, S. 93. »Qvien escriue este Papel, yá en el nombre te ha dicho, que si no saliere á tu gusto, se contentará con sacar el precio de tu prouecho. En la mayor parte de él te hablan los Santos Padres, y Doctores de la Iglesia, Prelados, y Obispos casi todos, que emplearon sus vozes, y sus Plumas en la enseñanfa de la Ley, y de la perfección Euangelica, tomando con el empeño que verás, el punto de los Theatros, para el común prouecho de los Fieles. Vnos escriuieron en Griego, otros en Latin: no te desconsueles; que si no sabes la vna, ni la otra lengua, todos te hablan aqui en Romance.« Bven Zelo: »Al christiano Lector. Advertencia«. Hieran wird wiederum der durch Guerras Aprobación eingeleitete Paradigmenwechsel deutlich: So ist auch Fomperosa, der wie Herrera eigentlich für den Ausschluss der Laien aus der Theater-Debatte plädiert, durch die Aprobación gezwungen, seine Ausführungen allen verständlich zu machen und auch die Kirchenvätertexte auf spanisch zu übertragen. Bezüglich der Ausführlichkeit von Fomperosas Darstellung der Kirchenväterzeugnisse sei angemerkt, dass die 94seitige Schrift großformatig ist und im ansonsten üblichen Quartformat um die 300 Seiten umfassen würde.

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sentido, y predicado en todo tiempo contra las Comedias« (1), wobei er die Patristen und antiken Autoren - in Replik auf Guerra, der jede Chronologie missachte - hier nach ihren Lebensdaten geordnet auffuhrt. Im zweiten Kapitel versucht Fomperosa die Übereinstimmung von antikem Drama und zeitgenössischer Comedia zu beweisen. Kapitel drei bis sechs befassen sich mit dem zeitgenössischen Theater - so mit den Zuschauern (3), der comedia de santos (4), dem Auffiihrungsort bzw. der Institution Theater (5) und den Schauspielern (6). Das letzte Kapitel, das Fomperosa als »Conclusion de este [vlitmo] Examen« betitelt, ist eine Replik auf Guerras Angriff auf Hurtado de Mendoza, zu dessen Rehabilitierung Fomperosa die Doktrin des Thomas von Aquin ausfuhrlich und unter Hinzunahme einer >neuen< - bisher nicht im Zusammenhang mit der Frage der Zulässigkeit des Theaters zitierten - quaestio der Summa theologica darstellt. Betrachtet man die Konzeption des Bven Zelo, so fallt auf, dass Fomperosa eine andere Strategie verfolgt als Herrera, dessen Discurso teologico er - obwohl kurz zuvor erschienen und ihm als Herreras Ordensbruder gewiss bekannt - mit keinem Wort erwähnt: Hatte Herrera zwar bereits wesentlich ernster auf die Aprobación repliziert als der Autor der Dudas curiosas, den größten Teil seiner Abhandlung jedoch immer noch auf Sophistereien und polemische Seitenhiebe gegen den Trinitarier verwendet und auf eine systematische Auseinandersetzung mit den theologischen Autoritäten weitgehend verzichtet, so zeichnet sich Fomperosas Abhandlung - trotz des gelegentlich scharfen Tonfalls und der geradezu gattungstypischen Angriffe auf Ausfuhrungen und Person des ideologischen Gegners durch eine systematische Auseinandersetzung mit Patristik und Scholastik und ein relativ hohes Argumentationsniveau aus, bei dem Sachbezug und - wenn auch subjektive, so doch rationale - Argumentation im Vordergrund stehen. Hierbei ist Fomperosa stets darauf bedacht, Kontakt zu seinen Lesern aufzunehmen, auf deren Bedürfhisse er im Hinblick auf die Lesbarkeit und Verständlichkeit seiner Schrift ausdrücklich Rücksicht nimmt, um sich ihres Nachvollzugs seiner Argumente zu versichern. So ist sein systematisierendes Zusammentragen des gegebenen Materials zum einen - wie er subtil bemerkt - eine Replik auf Guerras Vorwurf, Hurtado habe seine Argumentation nicht ausreichend mit den Zeugnissen der Kirchenväter belegt. Zum anderen ist es aber auch als Ausbreitung seines Normativität und Authentizität beanspruchenden Wissens gegenüber dem zu unterweisenden laikalen Leser zu betrachten, dem er immer wieder Leseanweisungen gibt und den er mit suggestiven Formulierungen für sich einzunehmen versucht.9 Fomperosas Schrift zeigt sowohl seine Vertrautheit mit dem zeitgenössischen Theater als auch seine Kenntnis der üblichen Argumente und widerstreitenden Positionen der licifwi/-Debatte. So stellt er seine Ausfuhrungen in die Nachfolge der fast einhundert Jahre zuvor von Philipp II. einberufenen Theologenkommission, deren Beschluss zum Theaterverbot gefuhrt hatte, und zitiert - abgesehen von Hurtado und Guerra - die >Theatertraktate
Examen< neben den üblichen Stellenangaben auch in kurzen plakativen Ellipsen die jeweils behandelte These - so auch zehn Gründe gegen die Comedia - an.

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von Francisco de Ribera (1586), Alonso de Mendoza (1587), Juan de Mariana (1598/1609), Pedro de Guzmän (1614) und Juan de Palafox y Mendoza10 (1665).

2

Fomperosas Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: die Notwendigkeit der moralisch-geistlichen Lenkung des Menschen

Zwar erkennt Fomperosa mit Thomas von Aquin die Notwendigkeit des Spiels zur Erholung des Geistes an, das legitime Vergnügen erfordert jedoch aus seiner Sicht totale Selbstbeherrschung, damit es den von Thomas von Aquin aufgestellten Bedingungen entspricht und die Seele nicht vom wahren christlichen Ernst entfremdet. Da der Mensch - aufgrund seiner »deprauada naturaleza inclinada de suyo al mal« (S. 52) - jedoch ohne die Hilfe Gottes zur Disziplinierung seiner Leidenschaften nicht fähig ist, hat er jede die Sinne ansprechende Beschäftigung - zumal die nutzlose, aus dem von Thomas von Aquin für die Erholung vorgegebenen Rahmen herausfallende - zu meiden. Jedes ausschließlich weltliche Vergnügen und jeder unmotivierte Zeitvertreib ist für Fomperosa somit Sünde." Die spezifische Gefahr des weltlichen Vergnügens besteht für ihn vor allem in der »relaxacion de la vida« (S. 62), die den Menschen dem Laster zugeneigt macht und ihn von Gott als dem eigentlichen Lebensziel abkehrt. Die - durchweg negativ konnotierte - ociosidad widerspricht aus seiner Sicht aber nicht nur der christlichen Lebensführung, sondern schadet auch dem Gemeinwesen, wobei er sich auf Mariana beruft, der die disciplina militaris gegenüber dem moralisch und physisch zersetzenden Müßiggang hochgehalten hatte. Aus den genannten Gründen spricht Fomperosa dem profanen Theater, das er mit all diesen - der christli-

10 Der Bischof (zunächst vom mexikanischen Puebla de los Angeles, später vom spanischen Osma) und Berater Philipps IV., der in jahrelange - schließlich dem Papst angetragene und erst durch eine offizielle concordia beigelegte - Kompetenzstreitigkeiten mit den Jesuiten verwickelt war, hatte 1665 eine Epistola exortatoria a los Curas y beneficiados de Puebla de los Angeles zum Verbot der Aufführungen in den Konventen verfasst. Cotarelo: Bibliografia, S. 495f. Fomperosas Bezugnahme auf Palafox y Mendoza ist bemerkenswert, da die Jesuitenfeindlichkeit des Bischofs durchaus bekannt war. So wurde dessen Seligsprechung noch 1766 von den Gegnern der Societas Jesu vorangetrieben, um sie - kurz vor der Vertreibung der Jesuiten - gegen diese zu instrumentalisieren. Cf. Teófanes Egido: »La expulsión de los jesuítas de España«, in: Historia de la Iglesia en España T. 4, S. 745-792. 11 Er beruft sich auf Tertullians De spectaculis 14: »Como si huuiera dicho poco contra los Spectaculos la ley, que condena las concupiscencias del siglo. Porque assi como ay concupiscencia del dinero, ù de la dignidad, ù de la gula, ò la liuiandad, ò la gloria; assi también la ay del deleyte. Y estos Spectaculos que otra cosa son, sino especies del deleyte?« Bven Zelo, S. 14. Ebenso betont er, dass die von Philipp 11. einberufene Theologenkommission den »deleyte« mit Piaton als »cebo de todos los vicios, y maldades« verurteilt hatte (S. 66). Thomas von Aquin macht er - in Replik auf Guerra und zur Verteidigung seines Ordensbruders Hurtado - zum Gegner des zeitgenössischen Theaters. So stellt er mit Berufung auf die quaestiones 167, 2 (De curiositate, cf. infra: Anm. 24) und 168, 2 die rhetorische Frage: »[...]; pues si es superfluo todo aquello, que no và regulado, dirigido, y conforme con la regla de la razón. Si la curiosidad de los sentidos, quando es inútil, ò [consiste] en algún daño del alma, es viciosa. Si el diuertimiento para ser licito, no ha de buscar el recreo en acciones, ni en palabras, no solamente torpes, pero ni nociuas. No ha de descomponer la grauedad Christiana, ni destemplar el orden harmonioso de las virtudes, y en todas las demás circunstancias de persona, lugar, tiempo, &c. debe ser congruente, y ajustarse a la decencia. Si para que en él se exercite la virtud de la Eutrapelia, se han de conuertir los dichos, y las acciones en vn honesto recreo, enfrenando el animo para que no se passe a alguna demasía, y se contenga el recreo en la especie, y en los términos de modestia [...] quien dirà, que si bolviera Santo Thomàs al mundo, y entrara en vno de nuestros Theatros, no hallaría el mas leue reparo, que hazer contra la pureza de todas aquellas leyes?« (S. 93).

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chen Tugend sowie der Staatsraison entgegenstehenden - Eigenschaften identifiziert, die Stellung eines »diuertimiento« gänzlich ab (S. 67). Überrascht Fomperosas scharfes Urteil gegenüber dem profanen Theater aufgrund seiner eigenen Tätigkeit als Dramaturg und Regisseur der Jesuitenbühne, so wird es vor dem Hintergrund einer allmählichen Pluralisierung der Orientierungsmöglichkeiten, die die Kirche zunehmend aus dem Lebens- und Orientierungszentrum des Menschen verdrängen, durchaus verständlich: So distanziert sich Fomperosa ausdrücklich von der Verurteilung des Mediums Theater als solchem. Auch lassen seine Ausführungen erkennen, dass sein Misstrauen nicht eigentlich der Literatur und dem Theater, sondern der Loslösung der profanen Kultur aus der Allzuständigkeit des Klerus gilt.12 Entsprechend seiner Sorge um den sich abzeichnenden Macht- und Kontrollverlust der Kirche sowie seiner negativen anthropologischen Grundauffassung weist er auch Guerras These zurück, der mit der entsprechenden geistigen Reife ausgestattete Christ könne über Schaden und Nutzen des Theaters für sich selbst entscheiden: »[...] cosa admirable, es ver como haze [sc. Guerra] Iuezes de sus conciencias a todos los que vén Comedias, aunque sean los mosqueteros, y toda gente ignorante, y vulga (porque nadie exceptúa) en orden a lo licito, ö ilícito de la Comedia para gouernar su conciencia. La regla, que dá es esta.

Conforme lo que experimentare en si, ha de ser cada vno el Autor de su opinion. [...] si cada vno ha de ser para si mismo la Regla, y el Autor de su opinion, para que es aueriguar la doctrina de los Santos? Para que la sentencia de los Theologos? Para que se consulta? Para que la dirección de los Padres de espirita? Mucho tiempo, mucho estudio, y mucho papel han gastado ociosamente los que han escrito este punto, teniendo aqui vna Regla tan clara, con que no necesitan los penitentes de su voto, ni de su dirección« (S.83).

Fomperosas scharfe Ironisierung von Guerras vorsichtiger Konzeptualisierung einer sich aus den theologischen Vorgaben emanzipierenden Anthropologie macht deutlich, dass die wahre christliche Lebensgestaltung für ihn nicht durch den Gebrauch der Vernunft, sondern allein durch das Befolgen der Autoritätsdiktate von Kirche und Klerus zu verwirklichen ist. Dabei legen seine Ausführungen offen, dass er Guerras in der Aprobación dargelegte liberale Haltung als Bedrohung für die klerikale Kultur auffasst, bedarf es ihrer Vermittlung doch nicht mehr, wenn der Christ moralische Entscheidungen selbst treffen kann. Folglich setzt er Guerras Zugeständnis einer subjektiv-individuellen Entscheidungsfreiheit die obligatorische Orientierung an objektiv-normativen Handlungsvorgaben entgegen. So plädiert Fomperosa für eine moralisch-geistliche Lenkung auch des Alltagsverhaltens, die eine von den Normen der Kirche entbundene autonome Lebensgestaltung unmöglich macht und anders als Guerras auf Vernunft, Gewissen und die Erfahrung des Einzelnen setzende moraltheologische Auffassung - für individuelle Freiheits- und Lebensgestaltungsansprüche keinen Raum lässt. Hinter dieser divergierenden Grundauffassung steht aber nicht nur der Machtwille und Allzuständigkeitsanspruch der an Einfluss verlierenden klerikalen Kultur, die sich im Konkurrenzkampf mit der neuen profanen Kultur weiß, den Fomperosa als Autor der Jesuitenbühne besonders zu spüren bekommen haben dürfte.13 Hinter den diametralen Positionen 12 So verbindet er die profane Lektüre mit Häresie und Ketzerei, wobei er sich - wie Pedro de Guzmin (cf. supra: V, II, Anm. 59) - auf den italienischen Jesuiten Antonio Possevino beruft. Bven Zelo, S. 62. 13 So ist seine Feindschaft gegenüber dem profanen Theater - neben dem sicher im Vordergrund stehenden Angriff auf Guerra bzw. der Rehabilitierung seines Ordensbruders - gewiss auch mit einer professionellen Rivalität zu begründen. Die Blütezeit des Jesuitentheaters (zwischen 1550 und 1650) war bereits vorbei und die Aufführungen der Kollegien mussten sich zunehmend dem Corral-Theater anglei-

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der beiden Ordensleute steht auch eine unterschiedliche Auffassung über die condition humaine, die mit der - theologisch kontrovers diskutierten - zentralen Frage zusammenhängt, wie viel Fähigkeit zur Selbstbestimmung dem Menschen nach dem Sündenfall zugestanden werden kann.14

3

Systematische Auseinandersetzung mit den Zeugnissen der Kirchenväter als Replik auf Guerra

3.1

Guerra als Demagoge und Gegenspieler der Kirche

Wie Herrera moniert Fomperosa, dass Guerras Aprobación gleichsam ein Appell zum Theaterbesuch sei, und stellt klar, dass sowohl das Verfassen einer Verteidigungsschrift des profanen Theaters als auch ihre Veröffentlichung in einem Comedia-Band gegen den Status und die Würde eines Ordensgeistlichen und Priesters verstoße.15 Auch greift er die Unterstellungen auf, Guerra zitiere fehlerhaft, übersetze falsch und verkürze und verdrehe die Zeugnisse der antiken Autoritäten »para afeytar su assumpto« (S. 13). Wie Herrera gibt er dabei die von Guerra gegen Hurtado gerichteten Vorwürfe an den Trinitarier zurück und spricht ihm den Neuigkeitswert seiner Ausfuhrungen, mit dem er nur das ungebildete Publikum täuschen wolle, ab.16 Fomperosa fugt Herreras Anklagen jedoch auch neue Mónita

chen, um weiterhin Publikum anzuziehen. So mag Fomperosa die Konkurrenz der klerikalen Kultur mit der an Terrain gewinnenden profanen Kultur in der Konkurrenz um die Publikumsgunst konkret erfahren haben. 14 Der theologische Streit um die Freiheit und Mitverantwortung des Menschen für seinen Heilsprozess ist eine der existentiellen Fragen der frühen Neuzeit. Während Guerra dem Einzelnen eine gewisse moralische Urteilsfähigkeit zugesteht und eine kirchliche Moralpraxis problematisiert, die das Gewissen auf die Funktion reduziert, die Vorgaben der klerikalen Kultur zu erfüllen, folgt Fomperosa Augustins Vorstellung der Menschheit als »massa peccati«, die mit der Erbsünde die Freiheit zum Guten verloren hat und folglich der moralisch-sittlichen Lenkung bedarf. Cf. Helmut Hoping: »Erbsünde. II. Historischtheologisch. III. Systematisch-theologisch«, in: LThK, Bd. 3 (1995), Sp. 744-747. Eberhard Amelung: »Autonomie«, in: TRE, Bd. 5 (1980), S. 4-17. 15 Fomperosas Ausfuhrungen machen hier erneut deutlich, dass er die Entscheidung über die Zulässigkeit des profanen Theaters als genuin theologische Fragestellung auffasst: »Y que parecerá vn punto proprio de las partes del Angélico Doctor Santo Thomás, tratado de proposito en vn libro de Comedias? Que pareciera entre ellas impresso vn Sermon? No ay duda que estaría puesto á la v e r g u e t a . Y quien no vé, que el habito Sagrado de la Religion grauissima, doctissima, y Santissima, en que viue, los grados de Maestro, y Predicador le empeñan á escritos de mas calidad, que al de vn assumpto, que mas que á zelo, podrá atribuírselo la malicia á instancias de Poetas, Comediantes, y gente Moza mortificados en el ocio de esta suspensión; vnos, porque se vén priuados de su diuertimiento, y otros, porque no corre el oficio?« Bven Zelo, S. 3. Zu der hier angedeuteten Unterbrechung der Theateraufführungen im Jahr der Veröffentlichung án Aprobación, cf. infra: Anm. 17. 16 Guerras Umgang mit den kirchlichen Quellen stellt Fomperosa als Respektlosigkeit dar, weshalb er das >Examen II.< >De la Religiom betitelt und immer wieder betont: »[...] vea [el Lector] si el Autor de el Papel cumple con la Religion, que se debe á los Santos en referir sus sentencias, y citar sus testimonios; entresacando de estos los que hazen á vn sentido, y omitiendo otros muchos, y aun más sin comparación, que contextuados con los primeros hazen otro sentido muy diuerso, y aun contrario.« Bven Zelo, S. 38. Auch erklärt er, dass Guerras Argumente schon von den Verteidigern der antiken spectacula vorgebracht worden seien, und ironisiert den Trinitarier: »Tan antiguas, como esto son estas razones, que aora se alegan en abono de las Comedias mutatis mutandis, y le cuestan tanto trabajo, estudio, y oraciones al Autor del Papel, creyendo que las pone de su casa, no pequeña parte del vulgo« (S. 58). In theologischen Fragen, bei denen es freilich keine neue Interpretation geben kann, unterstellt er Guerra hingegen, »proposiciones, que él mismo se haze de su cabera« (S. 79) vorzubringen.

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hinzu. S o unterstellt er Guerra, die Aprobación zum Zeitpunkt des von Karl II. aufgrund der Pest verhängten Theaterverbots veröffentlicht zu haben, und wirft ihm folglich Respektlosigkeit gegenüber dem Monarchen und seiner frommen - zur Befriedung Gottes getroffenen - Entscheidung vor. 1 7 Während er einerseits ironisiert, dass Guerra als Priester die Sündhaftigkeit der Comedia in Frage stellt, 18 insistiert er andererseits immer wieder auf der grundsätzlichen Akzeptanz des Theaters auch seitens der klerikalen Theatergegner. S o wirft er dem Trinitarier vor, die Gegner der zeitgenössischen Comedia absichtlich zu Feinden jeder Art von Comedia zu deklarieren, um das V o l k g e g e n sie aufzubringen. 1 9 D i e s e Unterstellung hält Fomperosa allerdings nicht davon ab, Guerra aufgrund seiner Gegnerschaft gegenüber Hurtado, der die »Comedias honestas, honestamente representadas« akzeptiere, ebenso undifferenziert als Verteidiger auch der »Comedias torpes, torpemente representadas« darzustellen (S.77f.). W i e Herrera wirft er Guerra zudem vor, die moralische Makellosigkeit der zeitgenössischen Aufführungen nicht b e w i e s e n zu haben, und deutet an, dass Guerra mit seiner Aprobación nicht in erster Linie die Verteidigung der zeitgenössischen Comedia bezwecke, sondern ein anderes - aus persönlicher Feindschaft motiviertes - Ziel verfolge. 2 0 Aufgrund des Mangels

17 »El Tiempo, en que divulga este Papel, adelanta mas este discurso, y arguye ofensiua de la Magestad su pluma, pues quando debemos al Real Zelo, y piedad de nuestro Catolico Monarcha Carlos Segundo, que para aplacar la ira de Dios, declarada en la peste, y trabajos destos Reynos, las prohiba con tan augusto, y heroyco acto de Religion, como es sacrificar el mas apetecido diuertimiento, priuandose de sus mismas Fiestas Reales, por el amor que tiene á sus Vassallos; [...] habla el autor del Papel desta Real prohibición, diziendo: Lo que yo puedo dezir, es, que no ay razón aora, que obligue ä querer firmar decretos de vn Tyberio, y Domiciano.« Bven Zelo, S. 2f. Auch hier wird deutlich, dass Fomperosa das Theater nicht gänzlich verurteilt, sondern dem Monarchen als legitime Freizeitbeschäftigung zugesteht, das Hoftheater also von seiner - ansonsten kompromisslosen - Verurteilung der profanen Comedia ausnimmt. Die von Fomperosa erwähnte Theaterschließung wurde laut Guerra, der sich in der Apelación al Tribunal de los Doctos (S. 102) gegenüber Fomperosas Vorwurf rechtfertigt, erst drei Monate nach der Veröffentlichung der Aprobación ausgesprochen. Das entsprechende Dekret ist allerdings nicht nachweisbar. Cf. auch supra: V, V, Anm. 51. Aus Fomperosas Ausfuhrungen geht hervor, dass die Theater bereits wieder geöffnet waren als er den Bven Zelo verfasst: »Pues algo menos perceptible parece, para cumplir con lo que se debe al Principe, y a sus Ministros, llamar Decretos de Tiberio, y Domiciano los que firman Philipo Segundo, y Carlos Segundo, y llamar vozes mas que razones, el dictamen, que dá a su Magestad vna Consulta de su Consejo, y Theologos, y el que oy en dia algunos de los Señores, que componen el Supremo Senado firmaran por ventura muy gustosos para bolverlas a desterrar« (S. 82). Cf. auch supra: Anm. 15. 18 »[...] bendito sea nuestro Señor que hemos llegado a tiempo tan reformado, que vn Predicador del Euangelio duda que aya algún escandalo nacido de las Comedias.« Bven Zelo, S. 82. Cf. hierzu Aprobación, S. 89. 19 »[...] sabiendo, ö debiendo saber lo que los Theologos, que impugnan las Comedias sienten, y dizen; él [se. Guerra] desde el principio les haze el cargo de vna proposición tan barbara, como es, que estos Autores reprueban, y condenan a carga cerrada (como vulgarmente se dice) todas las Comedias. Esta proposición que les impone, es tan barbara, y tan indigna, no solo de hombres doctos, sino de racionales, como a proposito para teñir a la gente ignorante, é indiscreta de vn odio mortal contra los que impugnan las Comedias, para irritar las plumas de los Poetas, y hombres de habilidad, a quienes Dios ha dado la prenda, y la gracia de saber escriuir: para quitar el miedo a las Comedias, obscureciendo la razón de los que las impugnan, y dexar lastimados, é irreconciliables a los Comediantes.« Bven Zelo, S. 76. 20 Auch Fomperosas Ausführungen machen hierbei deutlich, dass die Aprobación seinen Ordensstolz verletzt: »El fin principal era, probar que las Comedias modernas, como se representan, en lo Christiano son licitas, y en lo político conuenientes. Este era el fin, y no disputar [...]. Ni tampoco impugnar de

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an Sachlichkeit tut er Guerras Argumente, die sich auf »desprecios de viuos, y muertos« statt auf der Vernunft begründen, als - zudem den geistlichen Stand beschmutzende - »argumentos de verduleras« ab.21

3.2

Die Gültigkeit der patristischen spectacula-Kritik für das zeitgenössische Theater

Im Gegensatz zu Guerra, der den Theatergegnern und insbesondere Hurtado vorgeworfen hatte, die spectacula- Verurteilung der Patristen unkritisch auf die gegenwärtige Comedia zu beziehen und dabei in der Interpretation des historischen, sozialen und dramatischen Kontextes der antiken Zeugnisse fehlzugehen, betrachtet Fomperosa das Gedankengut der Antike als adäquates Material für die Entscheidung über die Sündhaftigkeit des zeitgenössischen Theaters und wirft dem Trinitarier vor, zu sehr auf der - für die zeitgenössische Comedia freilich unzutreffenden - Idolatrie des antiken Theaters zu beharren. Hierbei formuliert Fomperosa - was allerdings auch Guerra getan hatte - die Prämisse, dass bereits ein einziger von den Kirchenvätern vorgebrachter und auf die zeitgenössische Comedia zutreffender Tadel ausreiche, um die Gültigkeit der patristischen Verurteilung auch für das zeitgenössische Theater zu beweisen (S. 4). Folglich zitiert er die Urteile der Kirchenväter mit bisher unerreichter Ausführlichkeit, wobei er immer wieder betont, im Gegensatz zu Guerra der einzig authentischen Interpretation zu folgen. So gibt er Augustins psychologische Auseinandersetzung mit den im Theater hervorgerufenen Affekten wieder und zitiert ebenso ausführlich Cyprian, Tertullian, Chrysostomus, Laktanz und Salvian.22 Der größte Raum kommt den am besten auf das zeitgenössische Theater >übertragbaren< Homilien des Chrysostomus zu, die die moralische Gefahrdung durch die Schauspielerin betonen, das Theater für Sittenlosigkeit und Unzucht verantwortlich machen und den Verlust von Glauben und Gottesfurcht durch den Besuch der ludi sowie den generellen Antagonismus von Theater und Kirche herausstellen. Dabei insistiert Fomperosa auf der Einstimmigkeit der patristischen Urteile und erklärt den »horror á los theatros« (S. 38) folglich zum Kennzeichen des Christentums. So skizziert er mit einem Seitenhieb auf Guerra, der die Chronologie der Kirchenväterzeugnisse missachte, die Geschichte der christlichen Theaterverurteilung von

proposito al Padre Hurtado; porque son otros muchissimos, y grauissimos los Theologos, que sienten contra las Comedias; y sin que huuiesse auido tal Padre Hurtado en el mundo, se quedaua su question en pie, y no le auia menester para su intento. Pues de tantos intentos, como sigue, sepamos qual es el intento del Papel? El principal se dexa sin seguir, y sin probar. Los demás no son del caso. Pues qual es el intento? Mejor es que se quede en Enigma, [...].« Bven Zelo, S. 83. 21 Drückt schon diese despektierliche Bezeichnung die - für Fomperosa sowohl empörende als auch besorgniserregende - Tatsache aus, dass Guerra ein ursprünglich exklusiv theologisches Thema zum allgemeinen Tagesgespräch gemacht hat, so legen Fomperosas Darstellungen immer wieder offen, dass er gerade ob des breiten Adressatenkreises der Aprobación um den Ruf seines Ordens sowie die Kontrollgewalt der Kirche besorgt ist. So weist er den Trinitarier immer wieder zurecht: »Para euitar la nota, podia auer escrito en Latin, lengua, en que se explican con mas viueza los sentimientos, con menos testigos, aunque no con tanta facilidad.« Bven Zelo, S. 79. 22 Hierbei fuhrt er alle in Kapitel IV, 1 (cf. supra) dargestellten Argumente an, wobei er den Inhalt von Tertullians De spectaculis Kapitel für Kapitel wiedergibt und mit langen Zitaten untermauert. Neben Chrysostomus zitiert er auch Salvian besonders ausfuhrlich, da Guerra ihn mit dem Argument ausgelassen hatte, dass er nur die Argumente seiner Vorgänger wiederhole. Fomperosa betont hingegen, dass Salvian die Theater auch nach dem Ende des Heidentums und der Umsetzung zahlreicher Theaterreformen noch verurteilt habe.

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den Apologeten »hasta estos vltimos Siglos«, 2 3 wobei er betont, dass die Theater durch die Bemühungen der Kirchenväter im Laufe der Jahrhunderte mehrfach reformiert, die A u f f ü h rungen dem Dekorum angepasst und sogar ein »Tribuno de los Festejos publicos« zur Sicherung der Sittenreinheit eingerichtet worden sei, ohne dass die Reformen der christlichen Anathematisierung des Theaters ein Ende gesetzt hätten. Fomperosas Bemühen, die Einstimmigkeit und Kontinuität der christlichen Theaterverurteilung bis in die Gegenwart aufzuzeigen, zeigt, dass er sich bewusst ist, dass Guerra mit der These, die patristische spectacula-Kiitik sei auf das gegenwärtige Theaterwesen nicht anwendbar, der zeitgenössischen Theaterablehnung ihr wesentliches - auf d e m Wahrheitsanspruch der Kirche begründetes - Fundament in Abrede gestellt hat. Mit Parteinahme für Hurtado erklärt er folglich auch Thomas von Aquin z u m Gegner des zeitgenössischen Theaters, w o b e i er nicht nur die allerorten zitierte quaestio 168, 2, sondern auch die quaestio 167,2, »utrum vitium curiositatis sit circa sensitivam cognitionem«, für seine Argumentation vereinnahmt. 2 4 Anders als seine Vorgänger, die sich mit der oberflächlichen Bekundung der Gleichheit von antikem Drama und zeitgenössischer Comedia zufrieden gegeben hatten, erkennt Fomperosa aber, dass der »punto critico« (S. 4 6 ) in dem N a c h w e i s besteht, ob die gegenwärtigen Theaterstücke die von den Kirchenvätern kritisierten Missstände aufweisen. Freilich 23 Er führt die Apologeten Justin den Märtyrer, Theophilus von Antiochien, Minucius Felix und Athenagoras an, die den Theaterbesuch als Unterscheidungszeichen der Christen herausgestellt hatten. Sodann verweist er in chronologischer Reihenfolge auf Tertullian, Cyprian, Clemens von Alexandrien, Arnobius, Laktanz, Basilius Magnus, Gregor von Nazianz, Ambrosius, Hieronymus, Chrysostomus, Augustinus, Isidor von Pelusium, Salvian, Cassiodor, Isidor von Sevilla und Johannes von Damaskus. Aus dieser - mit Zitaten und Informationen zum zeithistorischen Kontext sowie zur historischen Entwicklung des Theaterwesens untermauerten - Aufzählung schließt Fomperosa, »que los Padres de la Iglesia han sentido, y predicado en todo tiempo contra las Comedias, [...] siendo este horror heredado de vnos ä otros desde la primitiua Iglesia, como queda visto; y constante hasta estos vltimos Siglos«. Bven Zelo, S. 45. Als Vertreter der »vltimos Siglos« nennt er den Hl. Laurentius Justinian und den bekannten Bischof von Avila Alonso Tostado (zitiert als »el Abulense«), die im 15. Jahrhundert lebten. 24 Thomas von Aquin erklärt hier, dass das Streben nach sinnlicher Erkenntnis in zweifacher Hinsicht Sünde sein kann, so, (I) wenn es sich nicht auf etwas Nützliches richtet bzw. von Nützlichem abhält und (2) wenn es auf etwas Schädliches hingeordnet ist. Als Beispiel für letzteres führt er das - zur Begierde führende - Anschauen der Frau an. Da er in der dubitatio dargelegt hatte, dass Augustin Neugier mit dem Zuschauen bei Spielen verbindet, klärt er in der abschließenden Stellungnahme, dass der Schauspielbesuch sündhaft werde, wenn der Mensch durch das Dargestellte zur Sünde der lasciva - der Ausschweifung - oder der crudelitas - der Grausamkeit - geneigt gemacht wird. Er schließt diese Überlegungen mit der Aussage ab: »Unde Chrysostomus dicit [....] quod adulteros et inverecundos constituunt tales inspectiones.« Thomas von Aquin: Summa Theologica II/II. 167, 2, ad 2. Damit steht für Fomperosa, der die quaestio ausfuhrlich zitiert, fest, dass Thomas von Aquin »se conform[e] con lo riguroso de su [sc. Chrysostomo] sentir, y de el sentir comun de los Padres«. Bven Zelo, S. 90. Die quaestio 168, 2 legt er ebenso ausführlich dar, wobei er die von Thomas von Aquin geforderten Zulässigkeitsbedingungen von der zeitgenössischen Comedia als nicht erfüllt erachtet und Guerra vorwirft als »tiempo indebido« nur den Morgen zu nennen (S. 86, cf. hierzu supra: V, V, Anm. 46). Folglich erklärt er Thomas von Aquin zum »glorioso Patron [...] de el que condena las Comedias con los abusos, que se exercitan« - gemeint ist Hurtado - und fuhrt zur Bestätigung auch die von Philipp II. bestellte Theologenversammlung an (S. 93). Auch beruft er sich mit ausführlichen Zitaten auf die Autorität des Cajetan de Vio, dessen Kommentar zur Summa theologica (1507-1522) die Thomas von AquinRezeption geprägt und die Summa - in Ablösung der Sentenzen des Petrus Lombardus - als theologisches Unterrichtswerk etabliert hatte. Barbara Hallensleben: »Cajetan de Vio«, in: LThK, Bd. 2 (1994), Sp. 884f.

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kommt auch Fomperosa hierbei zu dem Schluss, dass antike und moderne Theater zwar in der »dissolucion, y maldad de la torpeza« nicht vergleichbar sind, »por auer llegado los antiguos al extremo abominable de merecer el nombre de Burdeles« (S. 61), die zeitgenössische Comedia aber doch »aquellas mismas malas doctrinas, de que predicauan los Santos« (S. 49) lehre.

4

Die Verurteilung der Institution

4.1

Die Comedia als in der Verführungskunst perfektionierte Kopie des antiken Dramas

Dem Zugeständnis, dass die Comedia nicht »aquel extremo de dissolucion« (S. 46) des antiken Dramas aufweist, hält Fomperosa entgegen, dass ihre künstlerische Überlegenheit die Verführungskraft potenziere. 25 So betont er, dass auch die zeitgenössische Comedia die von den Kirchenvätern getadelte »mala, y perniciosa doctrina« lehre, wobei ihre Überzeugungskraft durch die Präsentation von adäquaten Identifikationsmodeilen größer sei als die der antiken Dramen, deren Protagonistinnen üblicherweise »mugeres perdidas, y de mal viuir« seien. Aufgrund des Personeninventars setzt er die antiken Komödien mit den »saynetes, y entremeses, que se hazen entre jornada, y jornada« (S. 47) gleich, die zwar durch die auf das Lachen abzielende Darstellung des Schwankhaft-Ordinären gegen die christliche disciplina verstoßen, aber weniger sittengefahrdend seien als die zur Imitation anregende Inszenierung der Liebesgeschichte einer christlich erzogenen - zumeist adeligen - jungen Frau in der Comedia. Anders als seine Vorgänger setzt Fomperosa aber zu einem - was die antiken Dramen betrifft - erstaunlich detaillierten Vergleich der lateinischen Komödien mit den zeitgenössischen »comedias amatorias« an, wobei er die Handlung der Komödien des Terenz jeweils kurz skizziert, für die zeitgenössischen Comedias, denen er das gleiche - nur in der Kunst und der Realitätstreue verbesserte - Themenrepertoire zuweist, allerdings - wie gehabt nur typische Szenen, Motive und Handlungsabläufe anfuhrt, ohne konkrete Stücke zu benennen: »Veanse las inuenciones de las de Terencio. En el argumento de el Andria, que es la primera de sus Comedias, que diferencia ay de las amatorias de capa y espada de estos tiempos mas de que la competencia de amores, y zelos de Pamphilo, y Charino, está mucho mas subida de punto, y de empeños en las modernas. Que las dissimulaciones de los viejos Simon, y Chremes en orden á las conueniencias de sus hijos están ya declaradas con quanto puede caber aun indignamente en la codicia, y otras passiones de esta edad. Que las astucias del criado Dauo en cooperar á los amores de Pamphilo, y engañar al viejo para embaraíar las Bodas, de que no gustaua el Mofo, están el dia; de oy tan de arte, y de malicia en las figuras de criados, y criadas que sacan á las tablas, que no ay soborno, infidelidad, traycion, insolencia contra el sagrado de vna casa honrada, que allí no se represente, y se aplauda por ingenio, y buen gusto. Los modos de introducir papeles, de abrir

25 Seine Ausführungen bezeugen seine Vertrautheit mit dem Aufbau der antiken und der zeitgenössischen Stücke: »Comparadas las Comedias antiguas, y modernas en las demás partes de su adorno, y artificio; como es cierto que estas están adelantadas, auentajadas, y primorosas en todo, en la Loa, que los antiguos llamauan Prologo: en la proposición del argumento, que aora se haze en la primera jornada, y ellos llamauan Protasis\ en el empeño, y aprieto de los lances, en que ván primera, y segunda, y llamauan Epitasis; y vltimamente en la solucion de los lances, y declaración de toda la fabula con sucessos peregrinos, é inopinados, que se haze en la tercera, y ellos llamauan Catastrophe: assi también es cierto, que está también su mala doctrina mas sensiblemente contagiosa: porque enseña mas, pues es mas fácil adelantar lo hallado, que hallar de nueuo.« Bven Zelo, S. 48.

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puertas de jardines, de correspondencias torpes por minas ocultas, de esconder hombres en casas de mugeres principales, y otras cosas de este genero, que doctrina enseñan al auditorio? Que impression harán en el criado, y en la criada de poco entendimiento, poca Christiandad, y de mucha codicia, que no sabian aquellas artes, para quando se hallen con la tentación de la dadiua?« 26 D i e s e r V e r g l e i c h v o n antikem und z e i t g e n ö s s i s c h e m Theater, d e n er auch d e m »curioso, y casto Lector c o n la cautela d e n o mancharse« - w o h l eher als rhetorischen A p p e l l zur Wahrheitsbekundung d e n n als wirkliche A u f f o r d e r u n g - a n h e i m stellt, gilt F o m p e r o s a als B e w e i s , dass die Urteile der Patristen »están aun e n p i e contra los Theatros m o d e r n o s « . 2 7 A u c h hier ist sein Urteil j e d o c h differenzierter als das seiner Vorgänger, w e i s t er d o c h dara u f hin, dass es s c h o n bei den antiken D r a m e n p o s i t i v e A u s n a h m e n w i e Plautus'

Captivi

g e g e b e n habe. 2 8 Insistiert F o m p e r o s a einerseits a u f der E i n s t i m m i g k e i t und Kontinuität der christlichen Theaterablehnung, s o betont er andererseits, dass die Theatergegner nicht den » g e n e r o de C o m e d i a s ö la C o m e d i a en c o m ú n , sino la e s p e c i e d e C o m e d i a s malas, dañosas« (S. 2 ) verurteilen, und plädiert mit Piaton, der nur die schlechte Dichtkunst und deren Autoren aus s e i n e m Staat a u s w e i s e , für eine A n p a s s u n g der Theaterstücke an die N o r m e n v o n Kirche und Staat. 2 9 A u c h holt er z u einer Rehabilitierung der D i c h t u n g i m N a m e n der t h e o l o g i s c h e n Theatergegner aus. S o führt er d e n Ursprung der P o e s i e auf die H e i l i g e Schrift zurück und bringt das H o h e l i e d als B e w e i s vor, dass w e d e r die Darstellungsform des Theaters n o c h das Sujet der Liebe - und s o m i t auch nicht die Comedia

b z w . die D i c h t u n g an sich -

v o n d e n T h e o l o g e n verurteilt werde, sondern nur »las circunstancias, y abusos, q u e las vician, y las entorpecen«. 3 0 D i e s e sind für F o m p e r o s a in der Comedia

freilich reichlich vorhan-

26 Bven Zelo, S. 48. Neben der Andria stellt Fomperosa die Handlung der Komödien Eunuchus, Heauton Timorumenos, Adelphoe, Hecyra und Phormio dar. Als Begründung, keine zeitgenössischen »Comedias escritas, en que ay muchas torpes, y con torpe estilo« zu benennen, gibt er an anderer Stelle an, »[que] no le toca a la pluma, que esto escriue, el censurar sus Autores«. Bven Zelo, S. 84. So betont er trotz seines Misstrauens gegenüber dem profanen Theater immer wieder seinen grundsätzlichen Respekt gegenüber der Kunst und den Autoren. 27 Bven Zelo, S. 61. Hierbei versucht er immer wieder deutlich zu machen, dass sich einzelne Handlungskonstellationen sowie Theaterintrigen und -requisiten der antiken Dramen in den zeitgenössischen Stücken wiederfinden: »Vea [sc. el Lector] en la que intitula Adelphos, que en Castellano es lo mismo que: los dos hermanos: los malos exemplares de los dos M090S, en el vno por la aspereza, y rusticidad de la condicion de su Padre: en el otro por la demasiada condescendencia de el suyo. Vea en la de la Hecyra; en Castellano, la Suegra, la sortija con que se descubre el enredo. En el Phormion las trampas del Truhán, ö gracioso. Vea las de Plauto, en la que intitula Miles gloriosus, que es lo mismo que el Soldado fanfarrón, el tabique por donde se comunican las casas, &c. Véalo, y cotejelo todo, y lo hallará en las modernas mas disfrazado de cortesanía, discurrido de ingenio; pero no mejorado de enseñanza. Estos ardides, y estos medios de rendir el recato para el delito, que llaman traza, y lances de la Comedia son reprehendidos de los Santos: [...]« (S. 48). 28 Bven Zelo, S. 47. In der Tat nimmt die Komödie Captivi eine Sonderstellung in der Theaterproduktion des Plautus ein, so fehlen die üblichen Typen wie meretrix mala, Kuppler und miles gloriosus. Auch Frauenrollen und Liebschaften sind ausgelassen. Richard Mellein: »Plautus. Captivi«, in: KNLL, Bd. 13 (1988), S. 428f. 29 »Enseñen las Comedias a Padres, a Madres, a hijos, y a todo el Pueblo cosas conformes a las leyes diuinas, y a la ley verdadera de el Santo Euangelio, y no opuestas a las que los Predicadores predican en los pulpitos, y los Iuezes zelan en los Tribunales, y no tendrán la censura, ni padecerán la oposicion de los Teologos.« Bven Zelo, S. 55. 30 »Los Theologos, que impugnan las Comedias están tan lexos de tomar en su boca está necia, esta indigna, y esta impia proposición de condenar a carga cerrada las Comedias, que como Catolicos, a la Poesia la hincan la rodilla, y la veneran en la Sagrada Escritura, de la qual vna parte muy considerable,

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den: So macht bereits seine Definition der Liebe als »amor, que es la misma pureza, enseña, y haze castos« deutlich, dass seine Akzeptanz der Liebe als dramatisches Sujet die in der Comedia dargestellte erotische Liebe ausschließt.31 Seine inhaltliche Darstellung der Comedia ist dabei mit Herreras Sujetkatalogen vergleichbar, mehr als sein Ordensbruder insistiert er aber auf den negativen Folgen der Fiktion für die Realität.32 Da der Theaterbesuch in seinen Augen eine »vida relajada« zur Folge hat, die eine christliche Lebensgestaltung vereitelt und den Menschen von Gott entfernt, definiert Fomperosa das Theater als »Cathedra opuesta á la de la virtud de Iesu Christo« (S. 63), weshalb die Comedia für ihn »de suyo, de si y de su naturaleza« Anlass zur und Ursache von Sünde - und damit unzulässig - ist.33 Mit dem Argument der »vida relajada« weist Fomperosa auch die von Guerra hervorgehobene politische Opportunität des Theaters zurück.

es Poética, como el Psalterio de Dauid, &c. y alguna de ella Dramatica, quiere dezir de coloquio (especie, en que se escriuen las Comedias) como es la de los Cantares: de donde Theocrito, y de él otros Poetas profanos tomaron el methodo, y las leyes del Epithalamio, [...]. Desuerte, que la parte de coloquio, y la parte de amor, que lleua de suyo la composicion de la Comedia, están canonizadas en este, ö ya sea Ecloga Pastoricia por su estilo bucolico, como quieren algunos, ö ya sea Real, nupcial, amatorio, y sagrado Epithalamio de los Cantares, como quieren Ambrosio, Athanasio, Basilio, y otros, [...]. Pero qual coloquio, y qual amor? Coloquio, que es la misma doctrina, verdad, y santidad, enseña, y haze Santos. Amor, que es la misma pureza, enseña, y haze castos. Pues como auian de reprobar hombres racionales, discretos, y doctos las Comedias precisamente por Comedias, ni por la Poesia, ni por el amor? Sino por las circunstancias, y abusos, que las vician, y las entorpecen. [...] Pues como auian de condenar á los que escriuen Comedias, precisamente a titulo de escriuirlas, ö a titulo de Poetas?« Bven Zelo, S. 76f. 31 Fomperosa akzeptiert zwar die Ehe für den Laien, weist aber die - weitgehend domestizierte - Darstellung der erotischen Liebe in der zeitgenössischen Comedia zurück, wenn er wie Herrera die suggestive Frage stellt, »quien ha dicho, que la honestidad del fin, puede quitar la malicia de los medios?« Bven Zelo, S. 47. 32 »Muchas de las comedias amatorias modernas contienen doctrinas, que enseñan modos de pecar, solicitar doncellas por medios ilícitos, papeles, sobornos, tercerías, &c. venganzas, y otras libertades, y algunas de ellas, deshonestidades sobradamente claras en el verso, pinturas de mugeres desnudas, acciones liuianas de abraparse, tomarse las manos, y otras monerías amatorias de los saynetes, con mucho mayor peligro en los pocos años de perder la castidad a vista de la hermosura desembuelta de aquellas mugeres, y otras muchas ocasiones, que lleuan los Theatros.« Bven Zelo, S. 56. Wie seine Vorgänger macht er die Comedia auch verantwortlich fiir »disgustos domésticos de matrimonios, y de familias, amores torpes« und »perdidas de la hazienda« (S. 51). Ebenso kritisiert er das Duell als Relikt der antiken Tragödie und Verstoß gegen das Evangelium, wobei er auch hier das Bühnengeschehen auf die reale Lebenswelt überträgt: »Que desafíos, que pendencias alli mismo antes de salir de los patios, que muertes tragicas no han ocasionado [nuestros Comicos]?« (S. 49). Folglich konstatiert er, dass während der Unterbrechung der Theateraufführungen 1598 zahlreiche Sünden vermieden worden seien (S. 51). Den Einwand der Fiktionalität des Dargestellten sieht er bereits durch die Kirchenväter widerlegt. 33 Bven Zelo, S. 80. Den Antagonismus von Theater und Kirche stellt Fomperosa auch heraus, als er auf den Einwand der Theaterverteidiger repliziert, die sittliche Gefährdung durch die »muger hermosa« bleibe auch in der Kirche nicht aus: »[...] te engañas: porque la Iglesia ni te la pone a la vista para que tu la mires, ni para que la veas exercitar sus habilidades, ni te la permite mirar, ni hablar: porque solo te llama la Iglesia a enseñarte con sus Sermones, y a cumplir con las obligaciones de Christiano, oracion, oficios diuinos, &c. El Teatro te la pone a la vista, y te llama a diuertirte con todo lo que se ha enseñado, que es peligro« (S. 50). Wie seine Vorgänger weist er das Theater auch als Ort promiskuitiver Begegnungen aus, an dem die Zuschauer »se miran, se hablan, se hazen señas [...]« (S. 61). Folglich steht für ihn fest: »Lugar de diuertimientos, que con los excessos de la locura, su vanidad, profanidad, derramamiento de coraron, y de espíritu, indecencias, y perdida de tiempo vá poco á poco entibiando las costumbres Christianas, relaxando la vida, apartando de las buenas obras, quitando el

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Die comedia de santos als unautorisierte Konkurrenz zur wahren Heilsverkündigung: die mangelnde theologische Kompetenz der Dichter

Auch zur Akzeptanz der comedia de santos erklärt sich Fomperosa grundsätzlich bereit, macht aber sogleich deutlich, dass die zeitgenössischen Stücke weit davon entfernt seien, den Zweck der Erbauung und Belehrung zu erfüllen. So weist er wie seine Vorgänger darauf hin, dass die Verquickung mit »episodios de amores torpes« (S. 56) und die Einschiebung der anzüglich-derben Zwischenaktspiele die Beispielhaftigkeit des Heiligen - die »buena doctrina« - zerstöre und jede vermeintlich fromme Haltung pervertiere. 34 Wie üblich insistiert er auch auf dem Missverhältnis zwischen den Darstellern und den darzustellenden Heiligen und betont, dass die Schauspielerinnen immer wieder zwischen dem »trage de la penitencia« und dem »de la risa« wechseln, weshalb das beim Zuschauer kurzfristig erreichte Andachts- bzw. Reuegefühl unweigerlich in weltliche Begierde und »voracidad [de] la carne« umschlage. 3 5 Erkennt Fomperosa das Theater theoretisch als Formträger zur Vermittlung des Evangeliums an, so erklärt auch er die Theologen zu den einzig autorisierten Interpreten der christlichen Doktrin, wobei er zu einer differenzierten Begründung mit dem fehlenden Bildungshorizont sowie der mangelnden Kompetenz des Dichters in spiritualibus ausholt: »[...], como la facultad de la Cómica no tiene examen, no todos que escriuen Comedias tienen aquella ciencia vniuersal, que requiere Platón en el que ha de ser Poeta, y no versificante. Ni todos tienen aquella discreción que es necessaria para distinguir, y hablar de los vicios, y las virtudes. Ni tampoco aquella lección de las doctrinas místicas, que enseñan los caminos del espíritu, y los medios de vencer tentaciones, y passiones. Ni tampoco aquel Santo temor de Dios, que enseña a tocar, y tratar santamente las cosas santas. De aqui nace, que ay muchas Comedias de Santos escritas con tanta ignorancia, y dureza en las doctrinas, con tanta frialdad en la proposición, y en los discursos de las virtudes, y con tanta indecencia, indignidad, y falta de respeto a los mismos Santos,

temor de Dios, y engendrando vna disposición, que puede serlo de llegar á perder la Fe; no puede ser licitio, y es peligro de la salvación del alma, de que cada vno tiene obligación á cuydar« (S. 65). 34 »[...] si ay alguna mocion en el auditorio, ó por algún passo deuoto, que se representa, ö por algún desengaño, ö coloquio del Santo, quando están todos al parecer mas mouidos, y llorosos, sale el compañero con vna bota, y con la merienda, ö con alguna bufonada, ö algún dicho muchas vezes de aquellos, que se aplauden en las ventas, y en los mesones, y todo aquel aparato de lagrimas, que prometía vn acto de contrición, pára en vna chocarrería, con que se celebra vna deshonestidad.« Bven Zelo, S. 58. So beklagt Fomperosa wie seine Vorgänger auch die unwürdige und respektlose Darstellung sowohl der Heiligen als auch ihrer »compañeros con los hábitos santos de las Religiones«, die zur Freude der Zuschauer als gefräßige Trunkenbolde und unsittliche Tölpel dargestellt würden, was die Geringschätzung der Ordensgeistlichen in der realen Lebenswelt zur Folge habe. 35 So hebt Fomperosa immer wieder den Widerspruch der - innere Sammlung erfordernden - praxis pietatis und der bei aller Beispielhaftigkeit des Sujets stets auf Zerstreuung, Lachen und sexuelle Begierde ausgerichteten Theateraufführung hervor, wobei er vor allem die Herrschaft der Schauspielerin über die Affekte des Zuschauers ablehnt: »y la que aora tenia el auditorio al parecer deuoto, y compungido, ya con la castañuela, con el bayle, y la letrilla lasciua le tiene alborotado, y loco en risas, y en aplausos descompuestos«. Folglich fragt er empört: »Que junta es esta de afectos de penitencia, y de liuiandades?« Bven Zelo, S. 57f. Auch wiederholt er die vielzitierte (cf. Mariana, Guzmán) Anekdote der stadtbekannten Maria-Darstellerin, die »con risa, y chocarerria de todo vn Pueblo Christiano« dem Engel ihre sexuelle Unschuld beteuert (S. 58). Diese Szene mag für Fomperosa um so empörender sein, als die Darstellung der Gottesmutter sowie der Dreifaltigkeit im Jesuitentheater aus Pietätsgründen untersagt war. Jesús Menéndez Peláez: Los Jesuítas y el Teatro en el Siglo de Oro, S. 87.

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que en lugar de obsequio suyo, enseflanya, y exemplo de los auditorios, son ofensa de los Santos, frialdad de la deuocion, dolor de los hombres sabios, y de virtud, y risa del Pueblo« (S. 56f.).

Fomperosa erkennt hierbei durchaus, dass sich Theater und Kirche grundsätzlich der gleichen Mittel bedienen, um ihre Adressaten in Bann zu ziehen. Hatte Guerra jedoch auch dem Theater die Funktion einer kirchlich geforderten purgatio vitiorum zugesprochen, so stellt Fomperosa dagegen, dass das Theater durch sein Spiel mit den Affekten und die Indienstnahme ursprünglich religiös motivierter Gefühle einen genuinen Zuständigkeitsbereich der Kirche in Beschlag nimmt, um diesen zu pervertieren.36 Dies macht deutlich, dass er allein die Theologen als maßgebliche Vermittler der autoritativen Rede sowohl über die condition humaine als auch über Religion und Glauben akzeptiert. So betont er immer wieder den Antagonismus von Theater und Kirche, wobei er die Gefahr von Guerras Doktrin nicht nur bezüglich der Heilsgefahrdung der Unwissenden herausstellt, sondern auch den gefiirchteten Besucherzuwachs des profanen Theaters zulasten der Kirche - und damit die Sorge, das Theater könne der Kirche ihr bisher unhinterfragtes Glaubens- und Weltdeutungsmonopol streitig machen - offen thematisiert.37 Anders als Herrera begründet er die Ablehnung jeglicher durch die Comedia vermittelten Transzendenzerfahrung nicht nur mit dem Authentizitätsdefizit jeder nicht kirchlich gelenkten Vermittlung und dem daraus resultierenden Allzuständigkeitsanspruch der alleinseligmachenden Kirche, sondern insistiert auch auf dem biblisch begründeten Monopol des Mannes als einzigem »medio legitimo, por donde Dios quiere mouer ä los Fieles« (S. 60). Da Paulus selbst die »muger Santa, sabia, discreta, fervorosa« aufgrund ihrer - der Weiblichkeit inhärenten - sexuellen Verfuhrungskraft vom Priesteramt ausgeschlossen habe, kann die comedia de santos, deren affektives Überzeugungspotential im Wesentlichen von der darstellerischen Kompetenz der Schauspielerin abhängt, aus Fomperosas Sicht keinesfalls eine religiös autorisierte Vermittlungsfunktion in Glaubensangelegenheiten übernehmen.38 36 »Pues si vna muger quando representa vna amante despreciada, ofendida, y llorosa [...] mueue á ternura, y lagrimas el auditorio, que será al representar vna Magdalena hermosa, y penitente, quando la misma Religion de lo que representa, acuerda lo Christiano, y la naturaleza, y el arte se valen del sagrado de la piedad, para mandar con mayor imperio en los afectos: [...].« Bven Zelo, S. 57. Ebenso stellt er immer wieder die »lagrimas hijas de la palabra de Dios, que es el Santo Euangelio« den »lagrimas, que nacen de las palabras de vn Poeta, de la representación de vna Comedianta, y de la santidad de vn patio de Comedias« gegenüber, die er - im Gegensatz zu Guerra, der auch der Comedia eine mögliche Erbauungswirkung zugestanden hatte - als »lagrimas inmundas« und »lagrimas carnales« (S. 58) ablehnt. 37 »Verdaderamente es cosa digna de gran dolor, que veamos en nuestros tiempos por vn Maestro, y vn Predicador del Euangelio (a cuya pluma pensarán no pocos pueden fiar la seguridad de su conciencia) aprobado, calificado, y firmado por legitimo, y mayor progresso de espíritu en algunas personas, la deuocion bastarda, y las lagrimas impuras, é inmundas de vna Comedia, que la de las palabras de Iesu Christo, pospuesto el Santo Euangelio á las mezclas de fabulas profanas, los Predicadores, y Ministros suyos á Comediantes, y Comediantas, la Iglesia de Dios á lo que llamaron los Padres, y oy dia llaman Religiosos, y doctos Varones Iglesia de el diablo. El peligro, que esta doctrina puede traer á personas de poco entendimiento, y de poco saber, de seguir las Comedias para promouerse en espíritu; de aparroquiar los corrales, y desaparroquiar las Iglesias con desestimación de los Templos de Dios, y de sus ministros no es menester ponderarlo, sino leuantar presto de aquí la pluma para que no se tome mas licencia de la que permite el buen zelo.« Bven Zelo, S. 60f. 38 So schließt er aus 1 Tim 2, 12: »quanto mas excluida quedará de estas gracias de enseñar, y mouer vna muger profana en vn lugar profano? Si la mocion de vna muger Santa, adornada de tantas prendas, no es mocion legitima, que será la de vna Comedianta al hazer vna Imagen de burlas de Santa Catalina, con el genio, y la vida de veras de vna Ramera?« Bven Zelo, S. 60. Guerras auf dem Probabilismus be-

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Die Schauspieler: berufsbedingte Schamlosigkeit

Wie Fomperosa beteuert, dass die geistlichen Theatergegner nicht grundsätzlich die schöne Literatur und ihre Autoren verurteilen, konstatiert er auch bezüglich der Schauspieler: »[...] la habilidad de el representar, es vna gracia, que se exercita en las escuelas, y se practica en los Templos. Pues como auian [sc. los hombres racionales, discretos, y doctos] de condenar al Representante precisamente a titulo de Representante?« (S. 77).

Als dramaturgisch tätiger Jesuit betont er folglich, dass die Schauspielerei an sich nicht sündhaft ist, sondern - »tomado con templanpa, con discrecion, y no por empleo« (S 63) sogar von Nutzen sein kann. Bezüglich des Schauspielberufs verstrickt er sich allerdings in allerhand Widersprüche, wenn er ihn einerseits für zulässig erklärt, andererseits aber herausstellt, dass die Schauspielerei »tomado por ocupacion, es malogro de muchos buenos ingeniös« (S. 63). Dabei bedauert er nicht nur die Verschwendung des geistigen Potentials der Darsteller, die sich zulasten des »conocimiento de la verdad« nur mit fiktiven Inhalten auseinandersetzen, sondern macht sie auch dafür verantwortlich, die schöne Literatur - »las buenas letras« - sowohl für sich selbst als auch für andere moralisch zu verderben.39 Wird hier bereits deutlich, dass Fomperosa durchaus um das für den Beruf erforderliche Talent und die geistigen und memorativen Fähigkeiten der Schauspieler weiß, so bedauert er auch, dass sich die Truppen oftmals aus »dignos hombres, y mugeres« zusammensetzen, wobei er ebenso über die Zwänge des sich vornehmlich aus sich selbst regenerierenden Berufsstandes informiert ist.40 Obwohl Fomperosa auf der grundsätzlichen Zulässigkeit und Heilsirrelevanz des »oficio de representar« insistiert, stellt er die Bewahrung der Tugend »en el exercicio de esta arte« (S. 67) als nur mit Hilfe Gottes zu erreichende Ausnahme heraus und lässt ebenso wenig Zweifel darüber, dass die zeitgenössischen Schauspieler aufgrund der untrennbaren Verbindung der Comedia mit »cosas torpes« in Sünde leben.41 Dabei besteht die Sünde der gründete These, auch die Theatergegner müssten die comedia de santos als Vermittlerin eines für den Glauben disponierenden Andachtsgefuhls akzeptieren, weist er folglich als Verstoß gegen das Evangelium »y las verdades de nuestra Santa Fe« zurück. 39 »Hazen malas para si, y para otros las buenas letras. Salen doctos en fabulas, en la genealogía de los Dioses, en los Metamorphoseos de Ouidio, y en la lección sola, é inútil de Comedias, estudiando perpetuamente en estos libros, sin llegar al conocimiento de ta verdad.« Bven Zelo, S. 63. Auch hier wird wieder Fomperosas Tendenz deutlich, die Schauspieler zu verurteilen, um die >schöne Literatur< und ihre Autoren zu entlasten. So berichtet er auch, dass Lykurg Sophokles, Aischylos und Eurípides für ihre Tragödien prämiert, den Schauspielern die Inszenierung der Stücke aber aus moralischen Bedenken verboten und die Stücke folglich unter Verschluss gehalten und nur durch Staatsbeamte rezitieren lassen habe (S. 72). 40 So betont er, dass viele Schauspieler ihren Beruf - weil in den Berufsstand hineingeboren - unfreiwillig ausüben, erkennt allerdings nicht, dass das Entstehen der weitgehend geschlossenen >Schauspielzunft< auch die Folge des - von klerikal geprägten Moralisten durchgesetzten - Heiratsgebots der Schauspielerinnen war, das die Familienbildung innerhalb des Berufsstandes zwingend nach sich zog: »Basta la lastima, de que son dignos hombres, y mugeres, que viuen en aquellas compañías con estremadas habilidades, y naturales prendas, y talentos, que Dios les dio, con tan mal empleo; muchos de ellos con este conocimiento siguiendo aquel oficio a fuerija de su negra necesidad, ü de auerlos criado sus Padres en él desde niños, confessando ellos mismos por sus vozes, quan contra su voluntad le exercitan, la malicia de él, su triste, y mala vida, [...].« Bven Zelo, S. 81. 41 Dabei ist er stets um eine theologisch fundierte Beweisführung bemüht: »Esta proposición se funda en dos principios claros, y sentados en buena Theologia. El primero es. Nadie puede vsar licitamente de aquella arte, que licitamente no se puede exercitar. El segundo es. El deleyte que se recibe de

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Schauspieler für Fomperosa einerseits in der Gefahrdung ihres eigenen Seelenheils und resultiert andererseits aus dem »escandalo que dän« (S.68) - der Verführung des Nächsten. Während der Jesuit bezüglich der von den Schauspielern verantworteten Sünden die üblichen Gründe - so die Verfuhrungskraft der Schauspielerin und die Darstellung freizügiger Liebesszenen - anführt, 42 lässt sein lebhafter Bericht über den Schauspielberuf seine Vertrautheit mit dem zeitgenössischen Bühnenwesen erkennen und bietet - trotz der nötigen Abstriche aufgrund seiner feindlichen Haltung - einen informativen Einblick in das Theaterleben des Siglo de Oro: S o macht Fomperosa die - von allen Theatergegnern als grundlegende Konstante des Schauspielerlebens herausgestellte - Promiskuität der Bühnendarsteller am gemeinsamen Einstudieren der Liebesszenen fest. Hierbei erklärt er, dass die Männer den Frauen oftmals ihre Rollen vorläsen, um den Lernvorgang zu beschleunigen und Analphabeten die Berufsausübung zu ermöglichen. Die Häufigkeit der Proben z w i n g e die Schauspielerinnen zudem » c o m o de casa, y m e d i o desnudas« zu erscheinen und habe darüber hinaus zur Folge, dass sie nicht unter ständiger Aufsicht ihrer Ehemänner stehen könnten, w a s Fomperosa angesichts des mit dem Beruf einhergehenden Mangels an Gottesfurcht und Schamgefühl als um so gefahrlicher herausstellt. A u c h weist er auf die aktive Rolle der Schauspieler bei der Gestaltung der Inszenierung hin, w o b e i er ihnen freilich auch hier einen auf Zügellosigkeit und Unsittlichkeit bedachten Gestaltungswillen unterstellt. 43 qualquiera cosa torpe, es pecado. [...] Del arte de representar con los abusos, que se executa de acciones, y cantares lasciuos, &c. ninguno puede vsar licitamente: porque seria recibir deleyte de cosa torpe. [...] Luego es de suyo mala vestida de estos abusos.« Bven Zelo, S. 69. Aus dem sündhaften Leben der Schauspieler und der »calidad de las Comedias amatorias« folgt für Fomperosa, »[que] los Comediantes, representando con aquellas circunstancias, y abusos, viuen en pecado, y son ocasion manifiesta, y de suyo de que otros cometan pecados« (S. 75f.). 42 Erwähnenswert ist hierbei Fomperosas Verurteilung der Hosenrolle, die seine misogyne Haltung spiegelt. Er übernimmt die Passage allerdings von seinem Ordensbruder Ribera, der mit Berufung auf Cyprian, der die Verweiblichung der männlichen Pantomimen beklagt hatte, konstatiert: »No declina el hombre al sexo de muger; la muger se sube a vsurpar la gentileza del de varón. Esta misma sale a las tablas a representar vn amante perdido: arde, llora, desfallece, mata, y pone a los ojos de todo el mundo lo que encubre, y debe encubrir el recato de las mugeres.« Bven Zelo, S. 50. Die Ausfuhrungen machen deutlich, dass das Auftreten der Frau in - im Vergleich zu den langen Kleidern - körperbetonter und zudem die Füße freilegender Männerkleidung als Erotikon galt. So hatte auch Crespi de Borja, um den Theaterbesuch als »delectación venerea« herauszustellen, suggestiv gefragt: »porqué se pagan mejor las primeras sillas, que no ven muchas vezes las caras [de las comediantas], sino los pies?« Respvesta a vna consvlta, sobre si son licitas las comedias qve se vsan en España, S. 25. 43 »Este [sc. el peligro de los Comediantes] se puede reconocer por el trato que entre si tienen, y los empleos de cada dia que lleua consigo el arte, como oy se exercita. Estos se reducen a tomar de memoria por la mayor parte versos amatorios, ocupando con estas especies los entendimientos; a las mugeres muchas vezes se los leen los hombres; vnas por no saber leer, otras por abreuiar en este exercicio con lo que han de tomar de memoria. Ensayan luego todos juntos, sientanse promiscuamente, miranse, y habíanse cara a cara sin reparo, ni nota, ni miedo. A estos ensayos, como son de cada dia, es preciso estar las mugeres como de casa, y medio desnudas. Concurren de todas edades mofos galanes, y desahogados, y ellas muchas vezes hermosas, agraciadas, y no menos libres. Vense cada dia exercitar sus habilidades, no con descuido, ni con medianía, sino con todo estudio, y muchos primores, representar, cantar, baylar, tocar. En los bayles, y saynetes para dar mas gusto al Pueblo, fuera de lo que suele lleuar de suyo el verso de alusiones torpes, &c. añaden ellos la Mimica estudiando acciones, y ademanes liuianos, con que acompañar lo representado, y lo cantado, inuentando alli, y puliendo cada vno conforme a su gusto. En estas juntas de los ensayos es impossible que assistan siempre los maridos a sus mugeres, con que quedan estas acompañadas de otros, fuera de que en este exercicio, según la común reputación de los hombres, ni el temor de Dios, ni el punto, ni la verguenpa son guardas tan

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Disponiert durch die ständige Rezitation von Liebesversen - und durch den alltäglichen U m g a n g miteinander frei von Scham - werde die sexuelle Begierde so z u m Wesensmerkmal der Bühnendarsteller, die sich ununterbrochen in lasziven Berührungen ergehen und sich in der gemeinsamen Umkleide - durch die Erfordernisse des schnellen Szenenwechsels - gegenseitig beim Frisieren, An- und Auskleiden helfen. 4 4 A u s der von allen kirchlichen Autoritäten s o w i e von Vernunft und Erfahrung bestätigten Gefahr des vertrauten U m g a n g s z w i s c h e n Mann und Frau folgt für Fomperosa, dass es für die einen solchen U m g a n g pflegenden Schauspieler moralisch unmöglich ist, nicht in Sünde zu fallen. 4 5 Ebenso w e n i g Z w e i f e l besteht für ihn daran, dass auch die zeitgenössischen Schauspieler mit d e m antiken Verdikt der »infamia« - der Ehr- und Rechtlosigkeit - behaftet sind. 4 6 Deshalb plädiert er mit Berufung auf den bereits von Hurtado zum Theatergegner ernannten Theaterverteidiger A l o n s o de Mendoza und die v o n Philipp II. einberufene Theologenkommission für die Verbannung der Schauspieler, w o b e i er das harte Urteil g e g e n sie - in Replik auf Guerra, der Hurtados Verurteilung der Schauspieler als Verstoß g e g e n die Nächstenliebe und sein Priesteramt angeklagt hatte - mit der Sorge um ihr Seelenheil rechtfertigt. 47

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seguras, como en las demás professiones.« Bven Zelo, S. 67f. Joseph Oehrlein legt diesen - bei Cotarelo abgedruckten - Bericht seiner Rekonstruktion der Schauspielproben des Siglo de Oro zugrunde. Cf. Der Schauspieler im spanischen Theater des Siglo de Oro (1600-1681), S. 96f. Fomperosas Ausführungen lehnen sich hier an Hurtado an. So weist er wie dieser auch auf die gemeinsame Reisetätigkeit der Schauspieler hin, die sie »en carros, ö coches por caminos, posadas« ebenfalls ausgiebigst für promiskuitive Begegnungen nutzen. Wie seine Vorgänger beschränkt sich Fomperosa auf pauschale Vorwürfe, die er nicht durch konkrete Vorkommnisse belegt, was er - mit Blick auf den in seinen Angriffen gegen die Schauspieler konkreter werdenden, aber auf Latein schreibenden Hurtado - mit dem laikalen Adressatenkreis seiner Schrift begründet: »[...] no se ponen aqui casos particulares, que en Latín se dizen con decencia, porque no tienen el peligro de los poco advertidos, ignorantes, mugeres, pocos años, &c.« Bven Zelo, S. 68. Er stellt dies eindrücklich heraus, indem er betont, »que es tan dificultoso el trato familiar de vn hombre con vna muger, aunque sea recatada, y honesta, sin perder vno, y otro la castidad, como [...] alhagar en el seno la serpiente, sin que muerda« und dann suggestiv fragt: »que será el trato de toda la vida, y a todas horas, con mugeres de la calidad, que se ha dicho, y con innumerables ocasiones? Será moralmente impossible dexar de caer en ellas.« Bven Zelo, S. 68. Fomperosa stellt die Gültigkeit des >infamia-Urteils< für die zeitgenössischen Schauspieler keineswegs in Frage, sondern zieht - wie dies bereits Tertullian getan hatte - vielmehr aus ihrer Ehrlosigkeit den Rückschluss auf die Unzulässigkeit der zeitgenössischen Schauspielkunst (S. 69). Nachdem er sämtliche Konzile gegen die Schauspieler aufgelistet und auf den Rechtsstatus der römischen Schauspieler hingewiesen hat, verweist er als zeitgenössischen Gewährsmann erneut auf Tostado (cf. supra: Anm. 23), der die Schauspieler ebenfalls von den kirchlichen Sakramenten ausschließe und die Aufnahme des Schauspielberufs zum Enterbungsgrund erkläre. So konstatiert er mit einem Seitenhieb auf Guerra: »Esto es lo que dizen, y escriuen los Santos antiguos, y modernos, y Theologos de gran doctrina, y virtud ceñida (como la quiere en los suyos Iesu Christo) a cerca de los Comediantes, sin temer que la tinta, siendo tan negra se les buelva colorada. Porque como en estos aman, y aprecian lo mejor, que es el alma, y su salvación, mas, que su habilidad mal exercitada con peligro de condenarse, no dexan arma, con que no los sigan, y los den batería, para que hagan Christianamente su oficio, y sino puede ser, le dexen, porque no se pierdan.« Bven Zelo, S. 75. Cf. Aprobación, S. 44 bzw. supra: V, V, Anm. 21.

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Die Zuschauer: Hingabe an die Sinnenlust und Verführung zum Schauspielerberuf

Aufgrund der Gefahren sowohl für das Seelenheil der Schauspieler als auch für das der Zuschauer erklärt Fomperosa den Theaterbesuch, der für alle Beteiligten den »loco amor« zur Folge habe, zur Sünde und empfiehlt als einzig sicheren Weg, das Theater zu meiden.48 Betont Fomperosa mit Berufung auf Tertullian und Chrysostomus, dass sich grundsätzlich niemand der Heilsgefahrdung im Theater entziehen könne, so beurteilt auch er die Gefahr für die Jugend als am größten, wobei er die Pflicht der Eltern hervorhebt, kein schlechtes Beispiel zu geben und ihre Kinder von allem fernzuhalten, was ihnen Anlass zur Sünde sein könnte - so auch von der unkontrollierten Lektüre und dem Besuch der Comedia.*9 Auch hier fügt er der üblichen Argumentation jedoch eine neue Dimension hinzu, wenn er die Sittenverderbnis der Jugend und den sich hieraus ergebenden Verlust von >Humankapital< als einen vom Theaterbesuch ausgehenden Teufelskreis skizziert: So mache die Jugend das Theater - einmal in seinen Bann gezogen - nicht nur zu ihrer Hauptbeschäftigung und vernachlässige dafür die Beschäftigung mit ernsten Dingen, sondern strebe sogar den Schauspielberuf an und versuche sich im Verfassen von - entsprechend des schlechten Lehrobjekts - schlechter Dichtung.50 Hierbei führt Fomperosa seinen - da lesekundigen, vor-

48 Wie Hurtado stellt er ein Beziehungsgeflecht auf, nach dem alle an der Comedia Beteiligten - »el que escriue la tal Comedia, el que la vé, y la paga, y el que la representa« (Bven Zelo, S. 80) - sündigen. Zur Verinnerlichung der Gefahr empfiehlt er seinen Lesern den Brief des Isidor von Pelusium, in dem der Kirchenlehrer vor dem »amor loco de los Theatros de Comedias« warnt, - mit detaillierter bibliographischer Angabe - zur täglichen Lektüre (S. 42). 49 Wie üblich argumentiert Fomperosa hierbei mit der natürlichen Schwäche des Menschen. Neu ist aber seine Erklärung derjenigen, die behaupten, von den passiones des Theaters unberührt zu bleiben, zu Sündern: »[...] por tener contento, y saciado su apetito por otro lado, viuen en paz con él, y assi no padecen en el Teatro la guerra, que otros es preciso, y natural, que padezcan.« Bven Zelo, S. 51. Die Verletzung der elterlichen Erziehungspflicht ist für Fomperosa ebenso Sünde: »Muchas de las Comedias amatorias modernas contienen doctrinas, que enseñan modos de pecar, [...]. Luego pecan los Padres Christianos, que lleuan a sus hijos a Comedias de esta calidad, ö sabiendo que ván a ellas, frequentan los Theatros, y leen sin tassa, ni elección toda esta especie de malas Comedias, no lo embarazan« (S. 56). 50 »[...]; el aplauso los [se. los tiernos años] combida á la atención, esta á fixar mas aquellas especies: buelven á sus casas, y repiten en ellas lo bueno, y lo malo sin discreción. Imitan al Comediante, y á la Comedianta; esto passa por gracia, y por donayre. Crece con la aprobación el afecto: este se confirma con la lección de los libros de las Comedias, que dexan á su arbitrio: pierden el amor al estudio, y á las buenas artes, y si antes iban vna vez con licencia, y al lado de sus Padres, ya cada dia frequentan los Theatros: aprenden con gusto lo malo de la poesia, y no lo bueno; empiezan con vn romance amatorio, vna pintura en la edad mas peligrosa de la vida. [...]: apoderase de ellos vna afición torpe, y llenos de sobervia por quatro coplas, que hazen de natural, ö imitación sin estudio, quedan sin ciencia, sin oficio, sin salud muchas vezes, y sin conciencia para toda la vida.« Bven Zelo, S. 52f. Fomperosas Darstellung des Theaters als Initialzündung zu einem - aus christlicher Sicht - verlorenen Leben, legt auch seine von der Antike geprägte Vorstellung von der Dichtkunst als Bildungsdichtung offen. So antizipiert er in Ansätzen die gegen Ende des 17. Jahrhunderts aus dem Lager der Humanisten aufkommende Kritik am weitgehend regellosen Theater des Siglo de Oro. Seine Schrift ist folglich eine erste Vorankündigung der zunehmenden Verknüpfung der licitud-Debatte mit poetologisehen Fragestellungen. Die Untersuchung der Wechselwirkung von ethischer und ästhetischer Theater-Debatte wurde in der Forschung mehrfach gefordert. So von Vitse (passim), Florit Durán (»Los Diálogos de las comedias y el arte reformado de hacer comedias en aquellos tiempos«) und Suárez García (»Presentación«, in, Cotarelo: Bibiliografia, S. XI-XXIV).

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nehmlich aus der gehobenen Schicht stammenden - Adressaten geschickt vor Augen, dass viele vornehme Häuser vom Verlust ihrer Söhne und Töchter an die Schauspieltruppen betroffen seien,51 und entwirft das - dem christlichen Gesellschaftsentwurf entgegenstehende - Szenario einer »habitual distracción, con que huyen [sc. los mofos] de lo bueno, de las Iglesias, de los Predicadores, que predican á Christo Crucificado, siguen, y buscan el gusto de los Sermones, y no el prouecho, y hasta en las Iglesias (que es el mayor dolor) miran, hablan, accionan, y pisan, como si estuuieran en el Theatro« (S. 62).

Folglich ist das profane Theater für Fomperosa nicht nur Ursache zahlreicher Sünden, indem es die männlichen Zuschauer auf ihre Triebhaftigkeit zurückwirft und den Zuschauerinnen jeden Standes negative Imitationsmodelle - von der »doncella noble, Christiana, y recatada« bis hin zur »criada de poco entendimiento, [y] poca Christiandad« (S. Ali.) - bereitstellt. Es ist auch mit einer christlichen Lebensführung nicht vereinbar, wobei Fomperosa die Häufigkeit des Theaterbesuchs seiner Zeitgenossen besonders tadelt. Beklagt er dabei einerseits den Verlust der zum Heilsgewinn bestimmten Lebenszeit, so stellt er andererseits immer wieder die grundsätzliche Inkompatibilität von auf Abtötung und Disziplinierung der Sinne ausgerichtetem Gottesdienst und im Zeichen der passiones stehender Comedia heraus.52 Da der Zuschauer zudem die Sünde des Schauspielers verantwortet und den Nächsten zum Theaterbesuch verfuhrt, beurteilt Fomperosa die Sünde der Zuschauer in Nachfolge von Hurtado als »mayor culpa« (S. 72). Aufgrund ihrer Vorbildfunktion tragen die »hombres graues« und die durch ihr Amt zum Theaterverbot verpflichteten (S. 65) »Clérigos, Sacerdotes, Religiosos, ö Prelados«, die das Theater besuchen, die größte Schuld an der Sünde des Nächsten. Nennt Fomperosa als einzige Möglichkeit sich zu bewahren immer wieder das Fernbleiben vom Theater, so gibt er dem Zuschauer, der der Comedia unwissend beiwohnt, mit Cajetan den schon von Hurtado vorgebrachten - realitätsfernen - Rat, zur Bewahrung des eigenen Seelenheils sowie zur Unterweisung der übrigen Zuschauer die Augen zu schließen.53

51 So konstatiert er, dass die Theaterauffuhrangen, »han dado que llorar en los tiempos modernos á algunas casas nobles, que han visto á sus hijos faltar de ellas, dexar las Vniuersidades, y los estudios, y seguir las Compañías de Comediantes; hechizados, y arrastrados del amor torpe de aquellas mugeres, y no pocas vezes salir a las tablas á representar, y cantar por ellas; de que se pudieran señalar exemplares.« Bven Zelo, S. 62. 52 Mit Bezug auf Chrysostomus' Urteil »Ninguno puede servir á dos Señores, yendo vn dia á la Iglesia, y otro dia á la Comedia« fragt Fomperosa: »Que dixera el Santo Doctor de los que en este tiempo quieren en vn mismo dia cumplir con ambos Señores? [...], pues vnos no dexan passar Comedia, que no vean, otros si sale á su gusto buelven á ver la misma; otros, especialmente del vulgo tienen alli su conuersacion, y su diuertimiento de cada dia. Pues como puede este excesso contenerse en los términos de lo indiferente, y lo licito?« Bven Zelo, S. 63ff. Auch verweist er auf die »doctrina de los Santos y de los Theologos misticos, con que enseñan á los que entran por los caminos del espíritu la mortificación de sus passiones, la guarda, y el recato de los sentidos, especialmente de las vistas vanas, inútiles, y profanas conuersaciones, &c para poder tratar pacificamente con Dios, y aprouechar en los exercicios deuotos« und schließt daraus »el no poder componerse la verdadera deuocion con la vista, y frequencia de las Comedias«. 53 »Y aunque ninguno deue ir á estas Comedias indecentes, aunque le combiden, si tiene yá noticia de que son indecentes; pero si vá ignorante de su indecencia, y se hallare yá dentro, sin poder salir, imite á Alipio, cerrando sus ojos, para que de esta suerte, en quanto puede alli hazer de su parte, se conserve á

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Fomperosa y Quintana: Theaterautor und Theatergegner zwei Seelen in einer Brust?

Als gefeierter Autor der Jesuitenbühne und Gegner des profanen Theaters ist Fomperosa sicher eine der komplexesten Persönlichkeiten der licitud-Debatte. Verlegt er im Bven Zelo seine ganze Kraft darauf, dem profanen Theater seine Abstammung vom antiken Theater nachzuweisen, um es unter das Verdammungsurteil der Kirchenväter zu fassen, so stellt er das Jesuitentheater in seinem Bericht über die Ordensfeierlichkeiten zur Heiligsprechung Francisco de Borjas wie selbstverständlich in die Nachfolge der heidnischen spectacula: »Bien sabe la erudición, que al genio consagró la Antigüedad las aras de el gusto, dedicando al diuertimiento aliuios de aquella fatiga, que contraen los espíritus en el empleo serio de los Estudios, el trabajo, ó los negocios. Esto fueron los dias, que por essa razón llamauan geniales, en que celebraua Grecia sus Certámenes, Olypios, Pythios, Ñemeos, Isthmios, consagrados al culto Religoso, aunque Gentílico de sus Dioses: y Roma con la misma superstición sus juegos Megalenses, Circenses, Palatinos, y otros muchos celebrados en varios tiempos, y á diuersas Deydades. Variauanse estos dias con otros espectáculos, [...] representándose en sus Teatros la Fabula, la Comedia, la Tragedia, la Satira, y otras obras de ingenio en que florecían con otra estimación los espíritus Cortesanos. Quitaron a los ritos destos dias, los Estudios Reales de el Colegio Imperial, lo supersticioso, y lo barbare, y tomando de ellos la parte de el ingenio, vistiéndola de la deuocion discreta consagraron á San Francisco de Boija, mejorados sus dias geniales en dos representaciones Sacras de su vida, y vn Certamen Poético« (Dias sagrados, y geniales, S. 85f.).

Auch zeigt sein Bericht über das religiöse Kollektiverlebnis, dass die Inszenierungen der Jesuitenbühne sich der gleichen Mittel der theatralen Suggestion bedienen wie das profane Theater und auch dessen Auffuhrungspraxis mit den Zwischenaktspielen übernehmen: So lobt Fomperosa bei der Beschreibung der Auffuhrung der von ihm und seinem Ordensbruder Calleja zur Feier der Heiligsprechung verfassten Comedias die prunkvolle Kleidung und die grazilen - von Kastagnettenspiel begleiteten - Tanzbewegungen der Jesuitenschüler. Was er im profanen Theater also als Teil der Verführungsmaschinerie zur Sünde der Konkupiszenz verurteilt, dient bei den Ordensaufführungen zur Mehrung von Ansehen und Ruhm.54 Schon diese unterschiedliche Beurteilung der gleichen dramatischen Mittel macht deutlich, dass Fomperosa nicht Theater und Kunst an sich verurteilt, sondern ihren Einsatz in einem von der Institution Kirche und deren Glaubensinhalten losgelösten Rahmen. Dabei erkennt er durchaus die formale Übereinstimmung von Jesuitenbühne und profaner Bühne, distanziert sich aber explizit von den Aufführungen des profanen Theaters. So beschließt er die inhaltliche Darstellung der beiden zur Feier der Heiligsprechung aufgeführten Jesuitendramen: »Todos estos sucessos vestido de Musa Cómica Castellana, de verso casto, y sentencioso, introducidas todas las partes de Comedia con ternura, y deuocion en los passos, con discreción en el verso, sin violencia en los lances, y con decencia en todo, merecieron tan benigna la censura, que en el sentir mas escrupuloso se escuchó esta vez el nombre de Comedia sin aquel horror, con que suele oiría« (Dias sagrados, y geniales, S. 88).

si mismo, y enseñe á los demás, lo que deuen hazer: [...].« Bven Zelo, S. 91. Fomperosa zitiert hier Cajetans Thomas von Aquin-Kommentar. 54 So konstatiert er: »Las entradas, y Batalla, eran de caxa, y clarin: lo demás al Arpa, y otros instrumentos, rematando en lazos de castañeta con mucha gala en los vestidos, y singular gracia, donayre, y destreza de los danzarines.« Dias sagrados, y geniales, S. 89. Gerade Tanz und Kastagnettenspiel hatte er - wie alle Theatergegner - in der profanen Comedia verurteilt (cf. supra: Anm. 35).

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Legitimiert Fomperosa folglich das Medium als solches, so gilt seine Ablehnung zum einen der Thematisierung der erotischen Liebe als Teil einer profan orientierten Lebenskonzeption sowie den Umständen der Aufführung, die den im Zeichen der Disziplinierung der Leidenschaften sowie der propaganda fldei stehenden Jesuitendramen entgegenstehen.55 Zum anderen hat Fomperosa als Vertreter der klerikalen Kultur Vorbehalte gegenüber der zunehmenden Verselbständigung des profanen Theaters und der weithin säkularisierten Theaterlust, die den Menschen immer weiter vom ehemals religiös zentrierten Leben entfernt. Es wäre aber sicher zu kurz gegriffen, Fomperosa als totalen Gegner der profanen Literatur darzustellen, der jede Art von Kunst nur als Accessoire der Liturgie duldet. So fallt sein Blick auf Literatur, Theater und Dichtung im Vergleich zu den pauschalen Angriffen der übrigen Theatergegner wesentlich differenzierter aus. Auch setzt er im Bven Zelo immer wieder zu einer allgemeinen Rehabilitierung von Dichtung und Dichtern an, wobei seine Polemik gegen das Dichten als narzisstische Betätigung von Amateurlyrikern (cf. supra: Anm. 50) seine von der Antike ererbte Vorstellung von der Dichtkunst als Bildungsdichtung offen legt und ihn als Anhänger einer humanistisch geprägten Poetik ausweist, die vom Dichter neben dem »ingenium« - der natürlichen Begabung - das Beherrschen einer erlernbaren Technik sowie gelehrtes Wissen - »ars« und »doctrina« - verlangt. Mag hier einerseits die Kritik am auf imitación und Publikumserfolg statt auf den klassischen Regeln basierten Theater des Siglo de Oro anklingen, so hebt Fomperosa mit der Forderung einer »ciencia vniuersal« (cf. supra) sicher auch auf die breite humanistische Bildung der Jesuiten ab, die folglich über die idealen Voraussetzungen zum Verfassen von Poesie verfugen und auf der Jesuitenbühne als »Deuter, Mahner und Richter«56 tätig werden können. Seine Wertschätzung gilt aber nicht der Jesuitenbühne allein, so lobt er in den Dias sagrados, y geniales auch Calderón, der im sich an die Theaterauffuhrungen anschließenden Dichterwettbewerb prämiert wurde, wobei Fomperosa seine Lobrede auf den Theaterautor mit den - von Guerras Auszeichnung des Dramaturgen letztlich nicht weit entfernten - Worten beschließt:

55 So betont er, dass Guerra Thomas von Aquin zum Verteidiger aller zeitgenössischen Aufführungen »con todas las letras, que se cantan (en que ay algunas lasciuissimas), con las pinturas de hermosuras profanas, hasta darse por entendidas de lo que el pecado de nuestros primeros Padres, obligo ä vestir, y cubrir del recato, con todos los entremeses (en que ay muchos torpissimos en el argumento, y en estilo,) con todos los bayles desahogados, zarabandas, zarambeques, mogigangas, matachines (en que se duran reliquias de la mimica) con acciones bien indecentes« mache. Bven Zelo, S. 84. Die onomatopoetische Aufzählung der Theatertänze lässt seine ablehnende Haltung gegenüber allem, was den Disziplinierungsmaßnahmen der Kirche entgegensteht und sich ihrer Kontrolle entzieht, besonders deutlich werden. Zu den genannten Tänzen cf. deren kurze Charakterisierung in der Colección de entremeses, loas, bailes, jácraras y mojigangas desde fines del siglo XVI á mediados del XVIII von Cotarlo y Morí (T. 1, S. CCXXXIII ff.): Der von Fomperosa als Relikt des antiken Theaters ausgewiesene matachines bezeichnet neben einem aus »movimientos descompuestos y exagerados« bestehenden Tanz auch ein hier wahrscheinlich gemeintes - pantomimisches Zwischenaktspiel (op. cit. S. CCCVIII). 56 Jean-Marie Valentin: »Jesuitentheater«, in: Manfred Brauneck /Gérad Schneilin (Hg.), Theaterlexikon. Begriffe und Epochen, Bühnen und Ensembles. Reinbek: Rowohlt 31992, S. 462-466, hier S. 464.

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»[...]; bien pueden los que aspiran a ser Terencios de nuestro tiempo jurar en este Principe de la Cómica Castellana todos sus desvelos para sacarlos con acierto de la censura publica de los Teatros.« W i e Guerra erhebt Fomperosa Calderón hier also z u m Modellautor des zeitgenössischen Theaters, ohne das profane Theater dabei mit einem grundsätzlichen Tadel abzustrafen. Sowohl dieses lobende Urteil als auch Fomperosas Bemühen, Calderón in seinen Dramen zu imitieren, machen deutlich, dass seine Verurteilungsschrift nicht dem von Guerra ausgezeichneten Theater Calderóns - und damit dem eigentlichen Anliegen der Aprobación gelten kann. Vielmehr scheint sich der Jesuit an Guerras umfassender >Entkulpabilisierung< des zeitgenössischen Theaters gegenüber einem breiten Laienpublikum s o w i e an dem Trinitarier selbst als Gegner des Jesuitenordens und öffentlichem Ankläger von Hurtado de Mendoza zu stoßen. S o befürchtet er durch Guerras freimütiges Zugeständnis gegenüber den Laien, über den - in der Aprobación zudem als lehrreich ausgewiesenen - Theaterbesuch selbst zu entscheiden, die Wegorientierung der Laien von der Institution Kirche und ihre Emanzipation von den Vorgaben der Theologen. 5 8 W i e bereits seine Vorgänger sieht er zudem den Ruf und das Prestige seines Ordens durch Guerras Angriffe auf Hurtado gefährdet. Nur vor diesem Hintergrund lässt sich Fomperosas Intervention in die licitudDebatte, die O'Connor als »one o f the strängest episodes in the notoriously bizarre string o f events« beschreibt, erklären. 59

57 Dias sagrados, y geniales, S. 114. Fomperosa betont zudem, dass Calderón bereits bei anderen Ordensveranstaltungen prämiert wurde: »Don Pedro Calderón de la Barca, Cauallero del Abito de Santiago, ingenio tan habituado á los laureles, que parece nació con acción natural á ellos: pues en sus tempranos años no tuuieron que esperarle para ceñirle dos vezes las seines en el Certamen de San Ignacio, y San Francisco Xauier, celebrado en el otro siglo de la Compañía, y estos presentes no ha podido el tiempo jubilarle los méritos, coronándose con las mejores hojas de la inmortalidad« (S. 113). In dem zur Heiligsprechung von Francisco de Boija veranstalteten Dichterwettbewerb wurden zudem der Theaterautor und -Verteidiger Luis de Ulloa und Calderóns Herausgeber Juan de Vera Tassis y Villarroel prämiert (S. 191 und 199), was die ambivalente Haltung der Jesuiten gegenüber der (profanen) Literatur und ihren Autoren erneut offen legt. 58 Folglich zieht Fomperosa auch immer wieder gegen die Theaterverteidiger ins Feld, wobei er betont, dass sich die zeitgenössischen Verteidiger der gleichen Argumente bedienen wie die der Antike, von denen er berichtet: »huuo hombres Christianos, y de letras, de aquellos, que nacen para destruir lo que otros edifican, los quales salieron á defender los Teatros, honestándolos con lugares, y autoridades de la Escritura mal traídas; pero peor explicadas.« Mit Bezugnahme auf die zeitgenössischen Theaterverteidiger stimmt er mit Cyprian darin überein, »que les estuuiera muchissimo mejor á estos hombres el ser de el todo ignorantes, y sin letras, que el tener algunas para entender tan mal las diuinas« und bemerkt zugleich nicht ohne Eigenlob: »Pero Dios, cuya prouidencia siempre tuuo en su Iglesia Varones insignes en santidad, en letras, y en zelo, que la defiendan, sacó á campo contra ellos no menos, que el cuerpo de su batalla, [...].« Bven Zelo, S. 40. 59 Love in the Corral, S. 199. Vitse ordnet Fomperosa in seiner tabellarischen Aufstellung den Theatergegnem zu. Elements pour une théorie du théátre espagnol du XVIIe siécle, S. 86.

RES PV ESTA A V N PAPELON QVE

EL

PVBLICO

B VEN

ZELO

MAHVLLADOR. A L I A S , M A R R A MALVIZ, EN

CON

QVE

MVERDE,Y

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DE

Y

INVIDIA,

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DE

LAS

INGENIO,

COMEDIAS,

APROBACIONES.

D O N D E EN T E R M I N O S

ESCOLASTICOS

LE E N S E ñ A C O N C A R I f i O S D E MIZ, Y le reprehende con rigores de Zape, DON ¿TOMAS DE C V Z M J N Profiflor de Gramatical Lógica en ta Infigne Vniuerfidad de Salamanca. EN

SALAMANCA:Por Gregorio Ortiz,Impreflbrde Libros,

Exkurs III: Tomás de Guzmán: Respvesta a vnpapelón qve pvblicó el Bven Zelo. Satire eines Laien gegen Fomperosa und die Theaterfeindlichkeit der Jesuiten. 1

Autor, Entstehungskontext und Adressatenkreis der Respvesta

Die Respvesta a vn papelón qve pvblicó el Bven Zelo mahvllador, alias, marramaqviz, en qve mverde, y araña con frialdades de ingenio, y ardores de invidia, contra las comedias, y svs aprobaciones1 von Tomás de Guzmán ist - wie der Titel bereits ankündigt - eine Polemik gegen Fomperosas Bven Zelo und damit zugleich eine Parteinahme für Guerras Aprobación. Über den Autor, der sich selbst als »Professor de Gramatica, y Lógica en la Insigne Vniuersidad de Salamanca« ausgibt, sind keine Informationen bekannt.2 Während seine Herkunft aus dem universitären Umfeld von Salamanca durchaus plausibel ist, da sowohl Guerra als auch der von ihm angegriffene Hurtado de Mendoza dort gelehrt hatten, ist seine Selbstdarstellung als »Professor de Gramatica, y Lógica« gleichzeitig Programm: So reduziert Guzmán den Bven Zelo auf die drei Kernpunkte »autoridades de Santos, y de varios Autores«, »razones del Buen Zelo« und »defensorio del Padre Hurtado« (S. 2), auf die er in dieser Reihenfolge repliziert. Hierbei bedient er sich einer syllogistischen mit lateinischen Termini durchsetzten Argumentationsform, um seine scholastisch-systematisierende Beweisführung herauszustellen und Fomperosa, dessen Selbsternennung zum Buen Zelo er ironisierend übernimmt, im Gegenzug einer unlogischen und inkohärenten Argumentation zu überführen.3 Ist die demonstrative Vorführung dieser - eigentlich von den Jesuiten gepflegten und ihnen von den Ordenssatzungen vorgeschriebenen - Diskursform bereits ein subtiler Seitenhieb auf die Societas Jesu? so verbindet Guzmán seine Angriffe auf Fompe1

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Donde en términos escolásticos le enseña con cariños de miz, y le reprehende con rigores de Zape, Don Tomas de Gvzman, Professor de Gramatica, y Lógica en la Insigne Vniuersidad de Salamanca. En Salamanca: Por Gregorio Ortiz. Año de 1683. Die Schrift wird im Folgenden unter dem Kurztitel Respvesta al Bven Zelo zitiert. Wie die unter dem Namen Francisco Tempiado veröffentlichte Verteidigungsschrift der Aprobación wurde auch die Respvesta a vn papelón qve pvblicó el Bven Zelo dem Trinitarier selbst zugeschrieben. So konstatiert der Autor der gegen Guerra gerichteten Schmähschrift Arbitrage politico-militar (cf. hierzu Exkurs IV, 1): »Quiso su [sc. Guerra] mala suerte, que sacó Don Antonio Puente Hurtado [i.e. Agustín de Herrera] vn Papel, muy medido al Estilo Politico, y Ayrecillo de la Corte. Sacó otro Papel el Bven Zelo, desembolviendo las mejores Noticias de la Erudición, que se pueden alegar para el Intento. [...] assi sacó [se. Guerra] aquellos dos Papelillos Vergonzosos, haziendo Alarde de la Forma Silogística, y reduciendo a ella la Controuersia.« Arbitrage, S. 37. Guerra distanziert sich jedoch ausdrücklich von der Autorschaft der beiden Schriften. Apelación, S. 2 (cf. supra: Exkurs II, Anm. 2). Guzmán fasst Fomperosas Thesen jeweils in einen Syllogismus, um dann Unter- oder Obersatz für nichtig zu erklären und die Schlussfolgerung außer Kraft zu setzen. Cf. z.B. seine Argumentation bezüglich der Nicht-Anwendbarkeit der patristischen Urteile auf die Comedia, die er mit den Worten beschließt: »Este es el silogismo, y bien puesto. Pues Negó minorem, y bolaron las diez y ocho hojas de autoridades.« Respvesta al Bven Zelo, S. 3. Hierbei formuliert er in Bezug auf Fomperosa, was im Grunde für alle Autoren der licitud-Debatte gilt: »No se estrañe, que vn papel escrito con la tinta de la passion, él mismo dá las mas fuertes armas contra si proprio« (S. 10). So muss der Philosophieprofessor laut Satzungen seine Schüler lehren, sich beim Disputieren für nichts mehr zu schämen, als für das Abweichen von der syllogistischen Methode. Als richtiges Vorgehen wird das - von Guzmán befolgte - Verfahren vorgegeben, die Auffassung des Gegners zunächst darzustellen und sie dann mit den Worten »„Negó" vel „Concedo" „majorem, minorem, consequentiam"« zu wi-

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rosa stets mit einer scharfen Kritik des Ordens, den er der Doppelmoral bezichtigt. Der überaus publikumswirksame satirisch-ironische Ton der kurzen Schrift lässt dabei auf einen mittlerweile breiten an der Polemik um Guerra interessierten Adressatenkreis schließen, den es zu unterhalten und zu polarisieren, d.h. für die eigene Position zu gewinnen galt.

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Die Verteidigung der Comedia und ihrer Aprobación durch Guerra

2.1

Die Zulässigkeit und Heilsirrelevanz der zeitgenössischen Comedia

W i e Guerra stellt Guzmán heraus, dass die Urteile der Kirchenväter auf die - weder idolatrische noch »abominables torpezas« (S. 16) aufweisende - Comedia nicht zutreffen. Hatte der Trinitarier dies ausführlich mit patristischen Zitaten zu b e w e i s e n versucht, so insistiert Guzmán ganz pragmatisch auf der zeitlichen Differenz, indem er die Suggestivfrage stellt: »si no conocieron [sc. los Santos] á Lope, á Montalvan, ni á Calderón, &c. como los Santos hablavan de las comedias de Calderón, Montalvan, y Lope?« (S. 14). Zwar schließt er aus Fomperosas Verurteilung der Comedia zunächst, dass auch das Schreiben und Lesen von Geschichtsbüchern, die gleichen Inhalts seien, verurteilt werden müsse, 5 stellt aber dann sogleich klar, dass die Comedia den Erfordernissen von Sitte und Moral entspreche. S o hält er Fomperosa, der auf der Verurteilung des Theaters durch die Kirchenväter auch nach der Durchführung zahlreicher Reformen insistiert hatte, die Vorstellung eines sukzessiven Reformprozesses entgegen, der in einen so umfassenden Zensurapparat gemündet sei, dass die Sittenreinheit der zeitgenössischen Comedia - und durch das anwesende Wachpersonal auch die Disziplinierung des Publikums - gegenwärtig absolut sichergestellt sei. 6

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derlegen. Ratio studiorum (1599), S. 342. Bedient sich Guzmán dieser Argumentationsform gewiss einerseits, um die Jesuiten um so wirkungsvoller mit ihren eigenen Waffen zu schlagen, so macht er sich damit andererseits sicherlich auch über ihre starr formalistische Debattierform lustig, die wirkliche Erkenntnis durch das schablonenhafte Befolgen rein formaler Fragen weitgehend verhindern musste. So argumentiert er: »Demos que todas las Comedias sean de Capa, y Espada; el argumento de las Comedias es de lances de amantes de adulterios, de duelos, de donzellas contrastadas, de honras perdidas, de fragilidades publicas, aunque sin nombrar personas: Sed sic est, que vèr, y oir lances de amantes, [...], ex se, & intrinsecò es malo y pecado; ergo ex se, & intrinsecò es malo, y pecado vèr estas Comedias. [...] si fuera verdad, era intrinsecamente malo escrivir, y leer libros historiales, donde se leen lances de amantes, de adulterios, de duelos, de donzellas contrastadas, de honras perdidas, de fragilidades publicas; pero con diferencia, que en las historias se nombran los sugetos, y en las comedias se callan, ò ocultan, con otro supuesto.« Respvesta al Bven Zelo, S. 4. So erklärt er: »[...] las comedias han tenido muchos estados; el superlativo de malas estava en las de los Gentiles, despues se reformaron los teatros en tiempo de los Santos que cita [se. El Buen Zelo]; pero no tan del todo, que aunque se quitó el superlativo de la idolatria, no quedasse mucha maldad en torpes deshonestidades; [...] pero donde ay muchissimo que quitar es menester muchas reformas, si no se quita de una vez. Ha llegado en nuestro tiempo à ser de calidad la reforma, que ay vn Tribunal señalado por el Cosejo Supremo, con Iuez, Revisor, Fiscal, y Ministros, para que se vean, y examinen las Comedias antes de representarse, y no se permita que se cante, ò represente verso alguno, sin que passe por riguroso examen, donde el menos decente se borra al punto; esto es cierto y se practica con toda puntualidad: fuera desto, todos los dias de comedias, asiste vno de los señores Alcaldes de Corte, con Ministros, y se sienta en el mismo teatro, para ver si en las acciones ay alguna indecencia, y para

Exkurs III: Tomás de Guzmán: Respvesta a vn papelón

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Neben dieser historisch hergeleiteten Argumentation versucht Guzmán Fomperosa auch mit theologischen Argumenten zu widerlegen. So betont er ähnlich wie Tempiado, dass die Auffassung von der Heilsirrelevanz der Comedia von der Mehrzahl der anerkannten Autoritäten gegenüber »quatro Teatinos«, die das Gegenteil behaupten, vertreten werde.7 Da eine von gewichtigen Autoritäten gestützte Meinung nach dem - gerade von den Jesuiten praktizierten - Probabilismus als »opinión probable« gilt, weist er Fomperosa in seine Grenzen, indem er darlegt, dass der Jesuit das profane Theater zwar persönlich ablehnen, den Theaterbesuch im Kontext der Beichte aber nicht als Sünde anrechnen könne: »Suponga el Buen Zelo, que yo me llego à confessar con su Señoría, y que le digo: Padre (que no mentiré) yo he visto Comedias, y las veo cada dia que ay Comedia nueva; pero yo no hago escrupulo de pecado, porque sé que obro en opinion probable de muchos, y graves Autores. Qué me dirà en este caso el Buen Zelo? Que pequé mortalmente? Digole desde luego, que es vn barbaro ignorante. Pues no sabe, que lo que se ha hecho con opinion probable, no es pecado; [...]. Luego me avrà de responder: Hijo, es verdad que no pecaste; pero te pido, y te aconsejo, que de aquí adelante no vayas à las Comedias. Esto es lo mas que puede hazer. Pues si por vltimo han de dezir en el Confessionario, que no peca el que vé Comedias, para qué son tan lamentables, y necios papelones? Aconseje en su Papel, y pida, por amor de Dios, que no vayan à vèr Comedias, que ya avrà quien dé alguna limosna; pero no nos quiebre los cascos con dezir muchas vezes, que es evidente lo que dize acerca de ser pecado el vèr Comedias; que es lastima cargarme la conciencia en publico, aviendo de descargarmela, aunque no quiere, en vn Confessionario: [...].«

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advertirla; y también, para que si ay alguna pesadumbre entre los oyentes, que es natural en los concursos [...] se remedia con su assistencia, y de los demás Ministros.« Respvesta al Bven Zelo, S. 15f. Guzmán konstatiert, dass die These von der Gültigkeit der patristischen Urteile für das zeitgenössische Theater »está negada por quantos dizen, que son indiferentes estas Comedias ex se, que son tantos, que para quatro Teatinos que la conceden, ay quarenta gravissimos Doctores que la niegan; porque no pueden ser indiferentes, si ex se tienen tan raras maldades«. Respvesta al Bven Zelo, S. 3. Da Templado die Theaterverurteilung mit einer ganz ähnlichen Formulierung als Sondermeinung der Jesuiten abgetan hatte (Respuesta, S. 2), repliziert der Autor des Arbitrage politico-militar, der Guerra für den Verfasser der beiden Schriften hält, hierauf: »Qué dizes [sc. Guerra], Hombre, Espantajo [...]. Mira siquiera esse Tratado que escriuö de las Comedias el Señor Ramos del Mariano, y allí verás citados mas de cinquenta Autores, que se conforman a la Doctrina de Puente Hurtado, y se oponen a lo que tu pretendes Apoyar. Añade, que los que cita el Señor Ramos no son la centessima parte de los que ay. Porque los Thomistas ván todos por ahi siguiendo la Dotrina del Angélico Doctor Santo Thomas. Los de la Compañía, sin exceptuarse ninguno, siguen en esta parte a los Thomistas. Pues considera aora el numero de Autores que tienes contra ti solo de estas dos Escuelas, y lleuate de camino esta prueba, de que tu te opones a la Verdad.« Arbitrage, S. 40. Wird hier einerseits der Rechtfertigungsdruck des jesuitischen Autors deutlich, seinen Orden nicht ins Abseits einer allgemein zurückgewiesenen Position manövriert zu sehen, so versucht der Autor andererseits - wie bereits Herrera - zur Wahrung der Außendarstellung die Uniformität der jesuitischen Auffassung herauszustellen, die laut Satzungen von den Mitgliedern des Ordens gefordert wurde. Respvesta al Bven Zelo, S. 6. Es sei daran erinnert, dass die von anerkannten Autoritäten vertretene Meinung nach Auffassung des Probabilismus »probabilitas extrínseca« besitzt und somit zur Handlungsgrundlage gemacht werden darf. Cf. supra: V, III, Anm. 62. Dabei ist sich Guzmán sicher bewusst, dass die Ratio Studiorum dem Professor für Gewissensfalle - also gewissermaßen dem >Ausbilder< der Beichtväter - vorschreibt, eine gut begründete und von anerkannten Autoritäten vertretene Meinung als probabel anzuerkennen: »Ita suas confirmet opiniones, ut, si qua alia fuerit probabilis et bonis auctoribus munita, eam etiam probabilem esse significet.« 5. Regel der »Regulae Professoris Casuum Conscientiae«, Ratio Studiorum (1599), S. 324. Die von Guzmán in seinem fiktiven Beichtdialog skizzierte Auffassung wurde zudem von der Mehrheit der Jesuiten vertreten. So konstatiert Antonio de Escobar y Mendoza in seinem bekannten Liber theologiae moralis: »[Der Beichtvater] ist verpflichtet, seine eigene probablere Ansicht gegen eine probable Meinung des Beichtenden aufzugeben und dieser zu folgen,

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Guzmán tritt in diesem fiktionalen Dialog nicht nur mit bemerkenswertem Selbstbewusstsein auf, indem er seine eigene Theaterleidenschaft pointiert hervorhebt und den Theaterbesuch als nach probabilistischer Auffassung erlaubt und damit als kirchlich akzeptiert herausstellt. Er korrigiert auch Fomperosas Auftreten mit der Haltung eines selbstgewissen Theologen, indem er ihn darauf hinweist, dass ihm aufgrund der Heilsirrelevanz der Comedia nur der priesterliche Rat zukomme, das Theater zu meiden, nicht aber die kirchenamtliche Verurteilung der Comedia. Mit dieser Argumentation verteidigt er auch Guerra gegen die Angriffe seiner Gegner: So habe der Trinitarier die Aprobación nicht als »Padre de espíritu« verfasst, dessen A u f g a b e es sei, die Seelen zur Perfektion zu fuhren, sondern als Theologe, dem es nur zukomme, die Sündhaftigkeit einer Handlung festzustellen. 9 Trifft Guzmán diese Unterscheidung einerseits, um Guerra gegenüber dem Vorwurf zu rehabilitieren, er habe mit der Aprobación g e g e n sein Priesteramt verstoßen, so macht er damit andererseits deutlich, dass der von den rigiden Moralisten zur einzig wahren Frömmigkeit erklärte Status christlicher Perfektion für den Laien k e i n e s w e g s verbindlich ist. Dabei stellt er den v o n der Vorstellung einer normativen Moral abgehenden Probabilismus in Replik auf seine jesuitischen Gegner geschickt als sententia communis der Jesuiten dar, indem er ihnen ihre Verurteilung des Probabilismus-Gegners Miguel de Elizalde in Erinnerung ruft. 10

da der Beichtende ein auf der probablen Ansicht ruhendes Recht auf die Absolution hat.« Zitiert nach Eberhard Zirngiebl: Studien über das Institut der Gesellschaft Jesu, S. 53. 9 »Ay tratar de las Comedias como Theologo, y ay tratar de las Comedias como Padre de espíritu, que trata de adelantar las almas en el aprovechamiento. [...] el Theologo no tiene mas de dos cosas que dezir; esto es pecado, ò esto no es pecado: [...]. A los Padres de espíritu, que crian almas para la cumbre de la perfección, les tocará el aconsejar todo lo que conduce para tan grande fin, y que huyan de quanto para esto les puede embarazar. Si el Padre Guerra escriviera vn libro, à quien intitulàra, Guia de la Virtud, ò Exercicios de San Ignacio, es cierto que no aconsejara el vèr Comedias, aunque fuessen en Lugares Sagrados, sino mucho amor de Dios, y mucho silencio, mucha modestia, y mucha diciplina; porque este es el camino de la perfección. Pero como trata con la formalidad de Theologo, Vtrùm las Comedias destos tiempos sean intrinsecamente malas, tiene obligación à responder si, ò no: dize que no, y lo prueba; luego responde à proposito, y bien.« Respvesta al Bven Zelo, S. 5. Auch hier wird Guzmáns subtile Kritik an der Doppelmoral der klerikalen Kultur - und vor allem der Jesuiten - deutlich, wenn er ganz nebenbei auch den Besuch der Aufführungen »en Lugares Santos« als unangemessen für eine christliche Perfektion anstrebende Lebensführung herausstellt. 10 »Es esto lo del Padre Elizalde, que nos quiso encaxar por pecado mortal todo lo que no era ajustarse con todo el rigor de la ley, y lo mas perfecto, cosa, que si no son quatro, ò cinco, no lo ha dicho ningún Moralista desde que ay Moralistas en el Mundo? Contra quien los Padres de la Compañía (y con razón) publicaron algunas materias manuscritas que tengo en mi poder.« Respvesta al Bven Zelo, S. 5f. Der Rektor und Studienpräfekt des Jesuitenkollegs von Neapel Miguel de Elizalde (1617-1678) verfasste, unterstützt durch Kardinal Pallavicini, das Werk De Recta Doctrina morum, in dem er den von den Jesuiten als eine Art Ordensdoktrin angenommenen Probabilismus scharf verurteilt. So konstatiert Elizalde: »Das Evangelium ist einfach und widerspricht aller Doppelzüngigkeit; es kennt nur Ja, Ja, Nein, Nein. Der moderne Moralismus aber ist nicht einfach, sondern gebraucht jenen doppelzüngigen Probabilismus und hat Ja und Nein zusammen, da seine Regel die Probabilität einander widersprechender Sätze ist.« Zitiert nach Johann Joseph Ignaz von Döllinger/Franz Heinrich Reusch: Geschichte der Moralstreitigkeiten in der römisch-katholischen Kirche seit dem 16. Jahrhundert. Mit Beiträgen zur Geschichte und Charakteristik des Jesuitenordens. Auf Grund ungedruckter Aktenstücke bearbeitet, Bd. 1 : Darstellung. Aalen: Scientia Verlag 1968 (Neudruck der Ausgabe von 1889), S. 56. Da Elizalde die Druckerlaubnis von den Ordensoberen verweigert wurde, veröffentlichte er das Werk unter Pseudonym in Lyon (1670), was zahlreiche Gegenschriften nach sich zog. Der heftige Streit um das Werk wurde erneut virulent, als der Ordensgeneral Tirso González de Santalla Anfang der neunziger Jahre des 17. Jahrhunderts die Druckerlaubnis für seinen ebenfalls gegen den Probabilismus gerichteten Traktat Fun-

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Folglich weist er den Allzuständigkeitsanspruch und umfassenden Reglementierungswillen der klerikalen Theatergegner in seine Grenzen und erklärt dezidiert unter Hinweis auf die Existenz der Adiaphora: » N o ay medio entre n o ser vna cosa perfecta, y n o ser pecaminosa? Si, señor, el ser indiferente« (S. 6). Indem Guzmán die Akzeptanz unterschiedlicher moralischer Auffassungen als Wesensmerkmal des Probabilismus herausstellt und den Theaterbesuch z u m Adiaphoron erklärt, weist er nicht nur die Zuständigkeit der Theologen für das profane Theater zurück. Er stellt auch den Absolutheitsanspruch der theologischen Lehrmeinungen zur Disposition und legt dabei den Widerspruch zwischen der (jesuitischen) Anerkennung des Probabilismus und der Verurteilung des zeitgenössischen Theaters offen.

2.2

Die Fiktionalität der Comedia und die Realitätsblindheit der Theatergegner

Bemerkenswert an Guzmáns parodistisch-polemischer Darstellung ist vor allem, dass er die Realitätsblindheit des von den theologischen Theatergegnern proklamierten Welt- und Menschenbildes mit entlarvender Deutlichkeit herausstellt. So folgert er aus dem von ihnen unablässig wiederholten Argument, die männlichen Zuschauer seien durch das Betrachten der Schauspielerinnen sittlich gefährdet, mit ironischem Pragmatismus: »Si [el vèr mugeres hermosas, bien vestidas, con ricas galas, ayrosas, buenas músicas, dan?arinas, y que ponen gran cuidado en parecer bien] es intrinsecamente malo, tenemos obligación de irnos à vivir à los desiertos, y salir luego especialmente de la Corte, porque todo lo malo [...] se halla, y aun con mas liviandad, en las calles, y en los Templos.«

damentum theologiae moralis durchzusetzen versuchte. Auch der auf Wunsch von Innozenz XI. zum Ordensgeneral ernannte González de Santalla wurde von seinem Orden heftig bekämpft. Dabei ist die Haltung gegenüber dem Probabilismus, die die Auffassung über das profane Theater mitbestimmt, für die Jesuiten auch eine Frage der Macht, setzen sie doch ihre Stellungen als Beichtväter an den großen Fürstenhöfen aufs Spiel, wenn sie einer zu rigiden - tutioristisch geprägten - Moral folgen. Paul von Hoensbroech: Der Jesuitenorden. Eine Enzyklopädie aus den Quellen, Bd. 1. Bern/Leipzig: Paul Haupt 1927, S. 743. 11 Hierbei macht Guzmán deutlich, dass die sittliche Gefährdung in der realen Lebenswelt größer ist, weil hier im Gegensatz zur Öffentlichkeit des Theaters auch heimliche Begegnungen möglich sind, und der Mensch zudem alle seine Sinne einsetzen und - im Gegensatz zur vornehmlich rezeptiven Haltung im Theater - selbst aktiv werden kann: »En las calles se hallan mugeres hermosas, bien vestidas, con ricas galas, y airosas, y que ponen gran cuidado en parecer bien: esto mismo se vé en los Templos, y aun con mas desemboltura que en los Teatros de las Comedias; la razón es evidente sobre la experiencia: porque en el Teatro están las mugeres à vista de vn Pueblo que las mira; en los Templos y calles están con menos testigos, porque vn manto tirado por vn lado, haze el delito algo mas secreto: y no dirà luán Guango, que à vna muger la dà mas licencia vna publicidad, que vn retiro. Mas: En las Comedias solo se vé, y se oye: en las calles, y Templos se vé, se oye, se habla, se huele, se toca; y es boberia dezir, que cabe mas veneno en dos sentidos, que en todos juntos.« Auch hier verbindet er seine Argumentation mit einem subtilen Angriff auf die Jesuiten, die er als prestigesüchtige Flaneure darstellt: »Luego peco mortalmente en entrar en los Templos, y en andar por las calles de Madrid: esto no ha de dezir el Buen Zelo, pues él, y todos los de su Familia no tienen mas ansia, que estàr en Madrid, verle, passearle, y graduarse en los estrados, Ergo, tic.« Respvesta al Bven Zelo, S. 3f. Der Autor des Arbitrage repliziert auf Guzmáns die tradierten katholischen Verhaltensnormen zur Disposition stellende Sicht empört: »[...] quiere con su pueril Latiniparla adelgazar el Sexto Mandamiento, de suerte, que apenas se venga a quedar en vn hilo«. Arbitrage, S. 48.

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Macht er hiermit deutlich, dass die von den Theologen empfohlene Vermeidungsstrategie zur Disziplinierung der Leidenschaften an der Realität scheitert, so stellt er gleichzeitig heraus, dass die Comedia zwar ein Abbild der Wirklichkeit ist, nicht aber auf diese zurückwirkt. S o repliziert er auf die von Herrerra und Fomperosa vorgebrachte Kritik an der Darstellung von Duellen auf der Bühne, »que las tablas aprenden de las calles, n o las calles de las tablas«. 1 2 Anstatt - w i e Vieh, Guerra und Tempiado - die Angemessenheit der Liebesdarstellung in der zeitgenössischen Comedia für das laikale Publikum aufzuzeigen, macht Guzmán auch hier auf pragmatischer Ebene deutlich, dass die fiktive Welt des Theaters nicht in die reale Lebenspraxis umsetzbar ist, weil im Theater alles arrangiert ist, es keine Kontingenz gibt: »[...] en las Comedias de oy, no sé que aya escuela que enseñe maldades, ni torpezas en sus argumentos, porque no es fácil el executar sus lecciones, dado, y no concedido que lo sean. Lo primero, apenas ay Comedia donde el Galán entre à vèr la Dama, sino es que sea por la puerta falsa del jardin; con que la que no tuviere en su casa jardín, y con puerta falsa, no sacará maldita cosa deste lance. Pero demos que entre el Galan por la puerta principal, lo mas común es entrar el padre, ó hermano de la Dama à esta ocasion, y ser preciso que el dicho Galán se esconda en vn retrete, que siempre està muy a mano; con que la que no tuviere mas que sala, y alcoba en su casa, bien puede ir à ver la Comedia: Fuera de que para esconder vna muger a vn Galan, quando entra su padre, si tiene donde, no es cosa que es menester ir à Salamanca, ni à la Comedia, para aprenderlo; [...] Comunmente los lances de la Comedia, en orden à rondar la casa de la dama, se hazen en noches obscuras, y de Invierno, donde no se conocen vnos à otros; con que el que quisiere enamorar en Verano, por no acatarrarse, no sacará cosa alguna de la escuela; [...]. Otrosí, los lances de las comedias casi siempre se fraguan por medio de vn lacayo astuto, ó vna criada sagàz; con que el que tuviere el criado zafío, ò la que tuviere criada torpe, no sacará de la escuela cosa. El criado comunmente se esconde, si và solo, detrás de vnos tapizes, o tafetanes, quando viene el padre de la dama; con que la que tuviere su casa sin tapizes, ò tafetanes, no tendrá que executar lo que aprendió« (S. 19f.). S o stellt Guzmán einerseits heraus, dass die Comedia Fiktion ist und ihre hoch artifiziellen Handlungsmuster nicht in die Realität umgesetzt werden können. Andererseits macht er deutlich, dass d e m Theater die gesellschaftliche Realität als Referenzmodell zugrunde liegt, die Zuschauer in der Comedia also nur sehen, w a s sie aus eigener Erfahrung kennen und w a s ihrem Vorstellungshorizont ohnehin entspricht. Dabei hebt er hervor, dass auch die Zuschauer um die Fiktionalität der Darstellung wissen, weshalb die - v o n den Theatergegnern immer wieder heraufbeschworene - Gefahr der Imitation der Comei&'a-Handlung ausbleibe. 1 3 Stellt Guzmán die Comedia durch den - unterhaltsamen - A b g l e i c h mit der konkreten Welterfahrung als literarisches Konstrukt heraus und hebelt somit das Argument mit der 12 So hält Guzmán der von den Theatergegnern behaupteten sozialschädigenden Wirkung der Darstellung von Duellen zunächst entgegen, »[que] en las comedias comunmente tiene el Poeta prevenido quien meta paz« und stellt dann heraus: »[...] los Poetas no inventan duelos nuevos, sino que aquellas razones del duelo, que están practicadas en España, las executan alli de burlas; y cierto que yo dixera, que los Poetas aprenden los duelos de acá fuera, no acá fuera de las comedias; porque si alli se viera vna razón de duelo, que no fuera según lo que se practica, la silvaran: luego es menester saber, qué duelos se practican, para ajustados: con que las tablas aprenden de las calles, no las calles de las tablas.« Respvesta al Bven Zelo, S. 20. 13 »Comunmente, si se le dize, al que ha visto la comedia, si haze juizio de que aquello sucedió en la realidad, responde: Como avia de suceder? Que es impossible que esto pueda ser assi. Pues si salen en juizio, y dictamen de que es impossible practicarlo, con este juizio como quiere el Buen zelo, que lo pongan por obra, ni aun lo intenten?« Respvesta al Bven Zelo, S. 20.

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sozialschädigenden Wirkung der Auffuhrungen aus, indem er die Befürchtungen der Theatergegner ad absurdum fuhrt, so misst er deren gesamte Kritik auf parodistische Weise an der Realität. Hierbei entlarvt er zunächst die Misogynie der Theatergegner, indem er anmerkt, dass Fomperosas Verurteilung nur die weiblichen Schauspieler trifft. 14 Folglich hält er ihm entgegen, dass die sittliche Gefahrdung beide Geschlechter gleichermaßen treffe, weshalb er als einzige Möglichkeit, die moralische Gefahr zu verhindern, ironisierend formuliert: »que la Villa diesse papeles de Damas ä los Capuchinos, y papeles de Galanes ä los Frayles Descalfos: como esto lo consiga, yo dare ä real de ä ocho por cada entrada« (S. 18).

Verspottet Guzmän hier bereits die realitätsfernen Zensur- und Disziplinierungsversuche der klerikal geprägten Theatergegner, so widmet er einen Großteil seiner Schrift der - überaus belustigenden - Darstellung eines von Fomperosa akzeptierten Theaters. Da alle von dem Jesuiten an der zeitgenössischen Comedia kritisierten Elemente in einem solchen Theater getilgt sein müssten, sieht dieses Theater für Guzmän wie folgt aus: Weibliche und männliche Schauspieler dürfen nicht gemeinsam proben und auch auf der Bühne nur rücklings oder durch eine Trennwand kommunizieren, um jeden Blickkontakt zu verhindern.15 Auch müssen Schauspielerinnen wie Schauspieler hässlich, unmusikalisch und darstellerisch inkompetent sein, um die Zuschauer nicht zur Sünde zu verführen. Diese Schauspieler, so spottet Guzmän weiter, müsse man erst aus dem Genesungsheim holen und könne ihnen dann beruhigt Almosen geben, »porque mas parecerän pobres de sopa, que Representantes en comedia«.16 Macht sich Guzmän hier einerseits über die obsessive Sexualmoral und die allgegenwärtigen Disziplinierungsbemühungen der klerikalen Theatergegner lustig, so folgert er andererseits - wohl mit Anspielung auf das gleichnamige Stück von Calderon - : »Estas Comedias creo que avrän de ser de la Dama Duende« (S. 17) und macht damit deutlich, dass die von Fomperosa immer wieder betonte grundsätzliche Akzeptanz des Theaters auch seitens der Comedia-Gegner gegenstandslos ist. So müssten die von ihnen geduldeten Schauspieler erst gebacken werden, das ihren Moralvorstellungen entsprechende Theater existiere nicht.17

14 »Pero hablando con seriedad, he echado menos en el Papel del Buen Zelo, que no ponga defectos, ni cargue la mano en orden á los hombres, y todo vá en orden á las mugeres Cómicas. Este Zelo es zeloso de la salvación de los hombres, que vén Comedias, pero no de la de las mugeres; porque á vna Comedia acuden mugeres en la Cazuela, y hombres en las Gradas; [...].« Die von allen Theatergegnern angeführte - auf Hieronymus und Chrysostomus zurückgehende - Suggestivfrage nach der moralischen Standhaftigkeit des Menschen formuliert Guzmán folglich auf ironisierende Weise um: »Son de bronce las mugeres para con los hombres, y de cera los hombres para con las mugeres?« Respvesía al Bven Zelo, S. 18. 15 »Luego en las Comedias que el Zelo tiene por licitas, no se han de ensayar todos juntos, ni se han de sentar, ni mirarse, ni hablarse: con que avrán de representar, sin aver ensayado, para dezir desatinos, sin averse sentado en los ensayos promisquamente, sino apartados, y ha de aver tabique de por medio, ö se han de bolver de espaldas vnos á otros, como Aguilas Imperiales.« Respvesía al Bvert Zelo, S. 18. Cf. hierzu Fomperosas Darstellung der Schauspielerproben: Bven Zelo, S. 67f. (cf. supra). 16 Respvesía al Bven Zelo, S. 18. Guzmán spielt hiermit auf das von den Theatergegnern stets wiederholte - auf Augustin zurückgehende - Verbot an, die Schauspieler zu entlohnen, das er zuvor auch mit der Feststellung zurückgewiesen hatte: »San Agustín no habla de los Comediantes de nuestros tiempos« (S. 13). 17 So spottet Guzmán: »Las calumnias que ponen á estas Comedias de oy [...] son, que en estas comedias se vén mugeres hermosas, ayrosas, ricamente vestidas, &c. Luego para que las comedias sean licitas,

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3

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Gegenangriff auf Fomperosa und die Societas Jesu'. Theateraufführungen in den Ordenshäusern

Guzmán unterstellt Fomperosa - wie auch Herrera, den er als Don Antonio Hurtado ebenfalls erwähnt - , Guerra aus Unwissenheit und blindem Zorn angegriffen zu haben, und bringt damit im Grunde die gleichen Anklagen gegen die beiden Jesuiten vor, die diese gegen den Trinitarier gerichtet hatten.18 So bezichtigt er sie, Guerras Worte zu verdrehen, um die Unwissenden gegen den Trinitarier aufzubringen, und stellt auch Fomperosas Behauptung richtig, Guerra habe die Aprobación während des Theaterverbots veröffentlicht.19 Auf las han de representar mugeres feas, rusticas, mal vestidas, que no sepan baylar, ni cantar; y añado, que ni sepan representar; [...] Pues hazme merced, amigo Lector, de vèr que comediantas han de ser estas; porque sino las sacas de alguna convalecencia de Hospital, no sé donde has de ir por ellas. Mira qué desesperado ha de dàr su dinero por ir a vèr, y oir a vnas mugeres feas, rusticas, mal vestidas, que ni canten, ni bailen, ni representen bien. Esto será vèr comediantas, ò Espantajos? Veamos el impedimento de parte de los hombres: este será, el vèr vnos hombres galanes, ayrosos, bien vestidos, que dancen, y representen bien: luego para que sean licitas las Comedias, han de ser los hombres patizambigos, como Sepultureros; desayrados, como Gallegos; mal vestidos, que ni darben, ni representen bien: [...].« Respvesta al Bven Zelo, S. 17f. Auf den fiktiven Einwand, dass es zwischen hübsch und hässlich ein Mittelmaß gebe, entgegnet er, »para semejante medianía, será menester vn molde de Comediantes, y Comediantas« (S. 19) und folgert weiter, dass die Zuschauer dann auch nur die extrem hübschen oder hässlichen Frauen begehren dürften. So macht er mit seiner die Einwände der Theatergegner ad absurdum führenden Darstellung immer wieder deutlich, dass die Moralvorstellungen der klerikal geprägten Theatergegner der anthropologischen Wirklichkeit widersprechen und es ein Theater, das ihren Vorstellungen entsprechen würde, nicht geben kann, weshalb er abschließend konstatiert: »Pues donde están estas comedias que aprueba el P. Hurtado? Son de papelón« (S. 20). 18 So nennt er Fomperosas die patristischen Zeugnisse ausbreitenden Traktat »vn valumbo de gente para hazer ruido« (Respvesta al Bven Zelo, S. 2) und klagt ihn an, diesen mit »ceguedad, colera, rabia, passion, enojo, y despecho« (S. 7) verfasst zu haben. Auf Fomperosas Empörung über den breiten Adressatenkreis der Aprobación repliziert er nur: »Aora conocerá, que hizo bien el Padre Guerra en escrivir en Romance; porque si aun el Romance no le sabe el Buen Zelo entender, como entendería el Latin?« (S. 9). So versucht er dem Jesuiten immer wieder Dummheit, Unlogik und den Verstoß gegen jegliche scholastische Diskursregeln nachzuweisen und verflucht ihn aufgrund seiner unlauteren Argumentation unter Androhung der Inquisition: »Maldita sea el alma de tu Buen Zelo; quemadas sean tus palabras« (S. 8). Guzmáns jesuitenfeindliche Haltung wird auch in seiner Replik auf Fomperosas Folgerung deutlich, Guerra verteidige aufgrund seiner Gegnerschaft gegenüber Hurtado auch die »comedias torpes«. So zeigt er den Widersinn von Fomperosas Argumentation anhand eines scharfen Vergleichs auf: »Los Padres de la Compaflia, v.g. sienten lo opuesto totalmente à lo que sienten los Padres Dominicos; pues por esso los escogen para impugnarlos, y por esso los impugnan: los Padres Dominicos sienten, que Dios es Trino, y Vno; luego los Padres de la Compañía sienten, que Dios no es Trino, y Vno? Qué te parece desta consequencia? Dirás que es iniqua? Pues en qué hallas la falta, porque en rigor silogístico es la misma, solo se diferencia en que aquel silogismo tome por medio las Comedias, y este el Misterio de Dios Trino, y Vno; [...]« (S. 7). Guzmán spielt hiermit wohl auf die heftige dogmatische Kontroverse zwischen Dominikanern und Jesuiten über das Verhältnis von göttlicher Gnadenwirksamkeit und menschlicher Freihit an. Der sogenannte Gnadenstreit war 1607 ohne sachliche Entscheidung mit dem Verbot der gegenseitigen Verketzerung durch Paul V. offiziell beigelegt worden. Leo Scheffczyk: »Gnadenstreit«, in LThK, Bd. 4 (1995), Sp. 797f. 19 Hierbei nimmt er Fomperosas Pseudonym spöttisch auf: »Vea el Buen Zelo, como le viene el titulo de Zelo, ni de Bueno, sino es de Zelo Mahullador, que fastidia a todos con los desentonados, prolixos, y repetidos gritos que da su ciega, irracional, y embidiosa passion.« Respvesta al Bven Zelo, S. 9. Fomperosas zeitliche Kontextualisierung der Aprobación während der Theaterschließung (cf. Bven Zelo, S. 2f.) bezeichnet er als »falsissimo, pues la fecha de la aprobación dize à catorze de Abril, y la prohibición fue por Iulio« (S. 12).

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die v o n den Jesuiten beklagte Rufschädigung ihres Ordensbruders durch den Trinitarier repliziert Guzmán mit einer amüsanten Parabel, mit der er klar stellt, dass erst die nicht abreißenden Rehabilitierungsversuche der Jesuiten auf Guerras Angriff auf Hurtado aufmerksam gemacht und Hurtados N a m e n in aller Munde gebracht haben. 2 0 Dabei sind Guzmáns vielfaltige parodistisch-satirische Einschöbe ein Hinweis auf seinen - g e w i s s gelungenen - Versuch, das Interesse einer breiten laikalen Leserschaft für die Theaterdebatte zu w e c k e n bzw. wach zu halten, w o b e i es ihm auch darum zu gehen scheint, die Jesuiten vor einer möglichst breiten Öffentlichkeit zu diskreditieren. 21 Kulminationspunkt der versteckten Seitenhiebe gegen die Jesuiten - und sicher auch Anlass für Fomperosa, mit der Eutrapelia (cf. das folgende Kapitel) erneut in die licitudDebatte einzugreifen - ist dabei die Anklage ihrer Doppelmoral, die Guzmán entlarvt, als er das die die der

von den Theatergegnern mit Berufung auf Augustin vorgebrachte Argument widerlegt, Entlohnung der zeitgenössischen Schauspieler sei Sünde. S o führt er als G e g e n b e w e i s zu Weihnachten üblichen Aufführungen von Berufsschauspielern in den Ordenshäusern Jesuiten an: »No ha de dezir el Buen Zelo, que lo que hazen Santissimos Religiosos en Comunidad, es malo, y pecado; pues sepa que muchas Santissimas Religiones, assi Calcadas, como Descalcas, en Madrid, para tomar algún breve alivio de su continuo rigor, y aspereza, suelen los dias de Pascua de Navidad llamar Comediantes, para que les representen vna, ú dos Comedias, y se las pagan; y demás desto los regalan. Pudiera señalarle muchas; pero vaya vna en mi estimación por todas. La Gravissima, Santissima, y Doctissima Religion de la Compañía de Iesvs, bien sabrá lo que es pecado, ö lo que no es; pues esta Comunidad Doctissima del Colegio Imperial los suele llevar para los dias de entre pascuas, dos vezes, y por cada vna les da docientos, y cinquenta reales, que en las dos montan quinientos. Esto a los Comediantes se dá, y a los Comediantes de estos tiempos« (S. 14).

Die möglichen Einwände der Jesuiten vorwegnehmend, betont Guzmán weiter: »Ni vale el dezir, que assi en esta gravissima Comunidad, como en las otras no representan mugeres, sino hombres; porque se saca esta consequencia. Luego será licito dar algo ä los Comediantes hombres, ya que no á las mugeres. Y aunque fuera cierto que no representassen mugeres (que no lo es) por lo menos, las comedias son las mismas que ellos representan en las Tablas: [...]«(S. 14). Stellt Guzmán hiermit die Doppelmoral der klerikalen - und vor allem der jesuitischen Theatergegner heraus, so hatte er gleich zu Beginn seiner Schrift darauf hingewiesen, »[que] nadie puede negar, que para Comedias, es mejor el Teatro de la Cruz, que la Capilla

20 So konstatiert er zunächst, dass Guerras »modo de impugnar« nicht unüblich sei und berichtet dann von einem Vorkommnis in Madrid: »Querellose á vn Alcalde de Corte vna muger, de que otra la avia llamado puta: hizose la causa, llegóse el dia de hazer relación della; y como el Relator dixesse muchas vezes, por cumplir con lo actuado: Fulana llamó puta á Fulana; porque tal testigo dize, que oyó llamarla puta. Viendo la querellante, que tanto la puteavan, dixo: Señor, suplico á V. md. mande al Relator, que lo dexe, que yo me aparto de la querella. Porqué replicó el Iuez. A que respondió: Señor, porque aquella muger no me llamó puta mas de vna vez, y este con referirlo, me lo ha llamado muchas.« Respvesta al Bven Zelo, S. 20. 21 Dass es Guzmán nicht nur um die Widerlegung der Theatergegner, sondern speziell um den Angriff der Societas Jesu geht, zeigt auch seine abschließende Drohgebärde: »[...] no me apartaré yo de proseguir en responder al Buen Zelo, y a todos los suyos; pero será con mano mas pesada de aqui adelante: Trate de callar, y sossegarse, que esso es lo que yo deseo, y pido á Dios, que le guarde.« Respvesta al Bven Zelo, S. 20. Fomperosa antwortet auf Guzmáns Schrift mit der Evtrapelia, eine weitere Replik von Guzmán ist jedoch nicht bekannt.

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de la Concepción« (S. 3). So machen seine Ausführungen immer wieder deutlich, dass Guzmán das Nebeneinander der dominanten klerikalen Kultur und der sich etablierenden profanen Kultur wahrnimmt. Dabei erkennt er, dass beide Kulturen jeweils eigenen ethischmoralischen Maßstäben gehorchen und spricht der sich allmählich behauptenden profanen Kultur ein gewisses Recht auf Eigenständigkeit zu, wenn er der theologischen Kultur ihre Grenzen aufzeigt und den Versuch der Theologen abwehrt, ihre ehemals integrative Rolle durch die apodiktische Verteidigung ihres Normativitäts- und Allzuständigkeitsanspruchs zu erhalten bzw. wiederzuerlangen. Stellt er hierbei das Weltbild und die Lebensführung der klerikalen Kultur in Frage, die die Laien einem Normsystem unterwirft, das der anthropologischen Lebenswirklichkeit widerspricht und dem sie zudem selbst nicht vollends Folge leistet, so versucht er der laikalen Kultur zu ihrem Recht zu verhelfen, indem er immer wieder die - auch von der Theologie bestätigte - Zulässigkeit und Heilsirrelevanz des Theaterbesuchs hervorhebt. Statt sich also vom Denkmuster der klerikalen Kultur vollständig zu lösen, bedient er sich ihrer Beurteilungssysteme, um der laikalen Kultur den ihr zustehenden Freiraum zu erkämpfen.22

22 Vitse nennt Tomás de Guzmán in Zusammenhang mit seiner These von der allmählichen - quantitativen wie inhaltlichen - >Laisierung< der Debatte, die für den Zeitraum nach Guerras Aprobación, die die Kontroverse einem breiten Adressatenkreis erst zugänglich gemacht hat, sicher zutrifft. Cf. supra: V, V, Anm. 17.

SttttftMtttttMttteiMftficttlS: T A L A **

1 EVTRAPELIA | 2§ M E D I O , Q ^ V E D E B E N T E N E R JÜ los juegos, Divertimientos , y Come2§ dias, para que no aya en ellas pecado, J§g y puedan exercitarfe licita, y ordre en la Sanea Tglefia Metropolitana de Valencia,Catedratieo de prima de Teologia^y Examinador iella en la Vniuerfidad déla mi( maCivdad>Calificador del Santo Oficio9 y Examinador Synodal\y def pues Obifpo deOrihuela* y Tlafenciat I V N T A M E N T E CON LA RETRACTACION DE SV firma» en que fe dize auia aprobado las comedias.

EN VALENCIA: Al Molino de la Robella A

*

I V N T A SE A C O R T E S LA EVROPA, para ver el Papel del Arbitrage Politico Militar, Sentencia definitiva del Señor de la Garena , Ingeniero ¡ngeniofode las Maquinas Bélicas de Efpaña. Aleman'w» Ol anda. Francia» Dinamarca* Inglaterra. Venecia. Portero Don luán de Monte-Negro» L gran Aplaufo d é l a s Facultades de los Ingenios de E f p a ñ a , cu'idadofa laEuropa.de aprenderdcfus A r t e s , Ciencias, y Matemáticas . t u vieron noticia, que fe a via da do a la E (lampa vn Papel en la Corte del Gran Carlos Segundo, Rey de Efpaña, grande en lo mordaz jgrande «n la ignorancia ; g r a n d e e n e l Tema •, grande en la deíverguen« i grandeenla c h a n c a ; g r a n d e en 1 o s t e n t o s , ypcqucnoen A

b

Exkurs IV: Fortgang der Debatte um Guerras Aprobación. Die Verselbständigung der Polemik um Guerra: vom moraltheologischen Traktat zur Satire. D a die folgenden fiinf Werke, die zur Polemik um die Aprobación von Guerra y Ribera gehören, vornehmlich polemischen Inhalts sind und bereits Gesagtes wiederholen, werden sie hier in einem Exkurs zusammengefasst. 1 Z w e i der fünf Schriften, die 1683 - zur Hochzeit der Polemik u m Guerra - veröffentlicht wurden, richten sich g e g e n die Aprobación, die anderen drei Werke replizieren auf diese Gegenschriften und ergreifen Partei für Guerras theaterfreundliche Position. U m Redundanzen zu vermeiden, werden im Folgenden zunächst die beiden Guerra- bzw. Theatergegner und im Anschluss die drei Verteidigungsschriften behandelt.

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Juan Cortés Ossorio (?): Arbitragepolitico-militar eine Satire gegen Guerra

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Das bereits mehrfach erwähnte Werk Arbitrage politico-militar1, das dem Jesuiten Juan Cortés Ossorio zugeschrieben wird, ist eine allegorische Streitschrift gegen Guerra. 3 Die harten Anklagen der Satire legen offen, dass hier nicht mehr die Beurteilung des zeitgenössischen Theaters, sondern vielmehr der Machtkampf zwischen den jesuitischen Gegnern von Juan de Austria und dem Trinitarier, der den unehelichen Sohn Philipps IV. in seinen Werken und Predigten verteidigt hatte, im Mittelpunkt steht. 4 D a die vielfältigen Anspielungen und Allegorien der Schrift kaum vollends zu entschlüsseln sind, 5 kann es im Fol-

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Ein Versuch der chronologischen Ordnung aller an der Gwerra-Debatte beteiligten Autoren und Werke ist als Anhang beigefügt. Sentencia difinitiva del Señor de la Garena, Ingeniero ingenioso de las Maquinas Bélicas de España. Pronvnciada en el fantástico Congresso del Espacio Imaginario; concurriendo á la Dieta los Personages siguientes. El Señor de la Garena, Presidente. El Piscator de Sarrabal. Doña Fantasía. La Idea de la Escuela. El Muchacho Golilla. El Niño del Mentidero. La Idea Atheniense. La Idea Maldiciente. La Idea Zayna, Roma, y Boquiancha. La Idea Bien-Intencionada. La Idea de Azauache. Micer Elmanu Errabi Arregu. La Idea Malacondicionada. La Idea Zumbatica. La Idea del Hospicio. La Idea del Desengaño. La Idea de la Fisga. La Idea del Gorrón. La Idea de Almanakes. La Idea Deuota. La Idea Fiscalizante. La Idea Concluyente. La Idea de Erudición. La Idea Gallarda. La Idea de todos los Diablos. La Idea de luán de Araña. La Idea de la Mendez. La Idea de las Ideas. En Salamanca: Por Lucas Perez. Año de 1683. Im Folgenden zitiert als Arbitrage. Zur wahrscheinlichen Autorschaft des Jesuiten Juan Cortés Ossorio cf. supra: V, V, Anm. 4. Da Cortés Ossorio Guerra auch die Texte von Francisco Tempiado und Tomás de Guzmán zuschreibt (cf. supra: Exkurs III, Anm. 2), repliziert er auch auf diese Schriften, deren Substanzlosigkeit er immer wieder betont. Cortés Ossorio war vehementer Juan de Austria-Gegner. So verfasste er gegen ihn die scharfe Polemik Desvergüenzas de la Plaza mayor en el Senado de Picaros (abgedruckt bei Gallardo, Ensayo de una Biblioteca Española de libros raros y curiosos, T. 2 (1866), Sp. 598ff.). Ebenso eine Reihe weiterer Schriften, unter denen sich auch die Conferencia verdadera en la Venta de Viveros befindet, in der er auf Guerras Verteidigung von Juan de Austria repliziert. Cf. supra: V, V, Anm. 4. Somit findet bereits eine polemische Auseinandersetzung zwischen dem Jesuiten und dem Trinitarier statt, bevor sich beide in die Theater-Debatte einschalten. Allein die Tatsache, dass Cortés Ossorio als Pseudonym den Beinamen »Señor de la Garena« wählt, was das Eingreifen von Andrés Dávila y Heredia - dem wirklichen Señor de la Garena - in die licitudDebatte zur Folge hatte (cf. infra), zeigt, dass die Debatte mit anderen Kontroversen verwoben ist bzw. den Teilnehmern eine Art >Aufhänger< für das Austragen anderer Streitfragen bot. So finden sich so-

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genden nur darum gehen, die Feindschaft des jesuitischen Autors gegenüber Guerra, den er unter dem Anagramm »Micer Elmanu Errabi Arregu« 6 in seiner dialogisierten Satire auftreten lässt, herauszustellen sowie die Einschätzungen des Autors über die Comedia darzulegen, die Neues aufweisen.

1.1

Guerra als Teufelsdiener und Versucher der Christen

Bereits die Verurteilung von Guerras Predigten, die der Jesuit spöttisch mit Calderóns Theaterdialogen gleichsetzt, legt die zunehmende Verlagerung der Konfliktebene von der Beurteilung des zeitgenössischen Theaters hin zu einem personen- bzw. ordensbezogenen Streit offen. 7 S o klagt Cortés Ossorio Guerra für seine Theaterverteidigung der Häresie wohl in den Dudas curiosas (cf. Duda 2) als auch im Arbitrage Anspielungen auf einen - offensichtlich ebenfalls um 1682 virulenten - Streit um die heilende Wirkung des »Agua de la vida«. In diesen Streit war wiederum der Señor de la Garena verwickelt, der eine Apología en defensa de la Medicina substancial y vniversal del Auga de la Vida (Zaragoza 1682) verfasst hatte. Cortés Ossorio spielt im Arbitrage zudem auf weitere Werke von Dávila y Heredia an und nennt eine der allegorischen Figuren des Arbitrage »Piscator de Sarrabal« (cf. den Untertitel des Arbitrage). Der »Piscator de Sarrabal« war ein meteorologisch-astrologischer Almanach, den Dávila y Heredia nach mailändischem Vorbild in Spanien eingeführt und populär gemacht hatte. S.v. »Piscator de Sarrabal« im Diccionario de Autoridades und Cotarelo: Bibliografía, S. 205. Insofern scheint die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters hier auch mit einer (pseudo-) wissenschaftlichen Kontroverse um astrologische und medizinische Fragen verquickt zu sein. Dies nimmt vor dem Hintergrund eines Kampfes um die Vormachtstellung der klerikalen Kultur kaum wunder, drohten diese Wissenschaften doch ebenfalls - freilich auf anderer Ebene als das Theater - der Kirche ihr Glaubensmonopol streitig zu machen. Eine Auseinandersetzung mit der Vielschichtigkeit der hier in die licitud-Debatte einspielenden Streitfragen wie auch mit den vielfaltigen Bezügen des Arbitrage, der folglich nicht nur gegen Guerra, sondern auch gegen Andrés Dávila y Heredia polemisiert, würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Eine Monographie über Cortés Ossorio, der in eine Vielzahl von polemischen Debatten der Epoche verstrickt war, wäre aber von Interesse. Mehr Aufschluss über einige Anspielungen des Jesuiten im Arbitrage scheint das - bisher nicht aufgefundene - Werk Theatro de la contienda trágica von Antonio Carrillo zu bieten, das bei Cotarelo mit einigen Auszügen exzerpiert ist. Cf. Bibliograßa, S. 138-140. 6

7

Schon der Titel »Micer«, den Cortés Ossorio seinem Gegner verleiht, verweist als Ehrentitel der Krone von Aragón auf die hinter der Polemik stehende politische Auseinandersetzung, da Juan de Austria Vicario General von Aragón war. - Das Anagramm Arregu für Guerra wird im Folgenden nicht mehr aufgelöst. So legt der Jesuit der Figur Micer Arregu in den Mund, die Aprobación nur verfasst zu haben, um seine Predigten zu verteidigen und spielt dabei auch auf die - von der Inquisition verbotene (cf. supra) - Lobpredigt des Trinitariers für Juan de Austria an: »Por malos de mis pecados compuse [sc. Arregu] para la Guitarra vnos Sermoncillos, que a pesar de la Embidia, y la Fortuna, de que adolecemos siempre todos los Titeres, tuuieron su aplausillo entre Barbiponientes, y sirvieron de Instrucción para los Cathecumenos de la Tertulia; pero no sé, por que desgracia se prohibieron estos Saynetes de la Amenidad, y auiendo llegado ä ajuyziar, que este fracaso podia auer nacido de que mis Sermones symbolizauan mucho con las Comedias, me puse a Profundizar, y Discurrí, que me convenia en buen Ayre de Razón, defender las Tablas, para que quedasse condecorado mi Pulpito: [...] y es cierto, que sino se permiten aquellas galanterías del Teatro, mucho menos se deben tolerar las Garatusas de mi Predicación; y que no es buena Pastilla para la Iglesia lo que ofende al Sentido en los Corrales. Este fue el verdadero Motiuo, que me puso la Pluma en la mano para hazer esta Aprobación, y juntamente ver si podia vencer la disonancia de vn Sermoncillo de Mandato, que Prediqué en la Capilla Real, tan de Capa, y Espada, que el mismo Calderón, intimo Dueño mió, pudiera aprender Afectos para introducir mejor sus Damas, y sus Galanes: y porque alguna Impertinencia Escrupulosa le censuró de Profano, suspendí el Imprimirle hasta auer autorizado bastantemente lo Comico.« Arbitrage, S. 12f. Guerra hatte Calderón in der Aprobación (S. 94) ais »intimo Dueño mio« bezeichnet. Manuel de Cuéllar y Medrano, der als Dominikaner allerdings nicht ganz unparteiisch gegenüber dem Jesuiten gewesen sein mag (cf.

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an8 und macht ihn in seiner allegorischen Darstellung zum Apostaten, der zum Lager des Teufels übergelaufen ist und sein Priesteramt zur Verfuhrung der Seelen missbraucht. Dabei ist er sich durchaus bewusst, dass sich das Theater 1683 bereits im Niedergang befindet, wenn er Guerra vorwirft, den einbrechenden Verkaufserfolg von Calderóns Comedias durch die Aprobación neu belebt zu haben.9 Aufgrund von Guerras Renegatentum spricht er dessen Urteil jede Probabilität ab und tadelt Fomperosa und Herrera, die autoritätsverleihenden Titel des Trinitariers zu sehr herausgestellt zu haben.10 Seine eigene Schrift lässt er folglich

8

9

supra: Exkurs III, Anm. 18), schließt aus Cortés Ossorios Ausführungen, dass er den Arbitrage aus Neid gegenüber Guerras Erfolg als Prediger verfasst habe: »En fray Manuel de Guerra y Ribera, aquel fénix de los oradores y los ingenios, notó [se. Cortés Ossorio] la discreta defensa que escribió de las comedias, y sirviéndole de pretexto este tratado, vomitó la envidiosa venganza de sus imposiciones: siendo en la realidad el motivo no poder sufrir aquel tan justo como universal aplauso de sus sermones.« Zitiert nach Gallardo: Ensayo de una Biblioteca Española de libros raros y curiosos, T. 2 (1866), Sp. 598. Abgesehen von dessen positiver oder negativer Bewertung ist Calderóns Einfluss auf Guerras Predigtstil zutreffend. Dies weist Soria Ortega an einzelnen Predigten des Trinitariers nach und bemerkt auch, dass Guerra sich von der für die Barock-Homiletik typischen Sittenkritik löse. El Maestro Fray Manuel de Guerra y Ribera y la oratoria sagrada de su tiempo, S. 96ff. Er beschuldigt Guerra, der den Neuigkeitswert seiner Argumentation betont, Luis de UUoa plagiiert zu haben. Während er Ulloas Argumentation grundsätzlich anerkennt, unterstellt er dem Trinitarier, diese durch seine biblische Beweisführung zur Häresie gemacht zu haben: »[...] gloriándose de que es nouedad vnicamente suya, [...], la apoya, y confirma con conceptos de Pulpito [...] lo dize con mas gracia, porque lo dize en sonsonete de heregia.« Arbitrage, S. 10. Guerra hatte die Argumentation, dass ein Gesetz mit Rücksicht auf seine Umsetzbarkeit etabliert werden muss, auf die der Jesuit hier Bezug nimmt, tatsächlich von Ulloa übernommen und mit Bibelzitaten belegt. Cf. supra: V, V, Anm. 24. Dass Cortés Ossorio den Theaterautor und -Verteidiger Ulloa nicht verurteilt und ihn pathetisch »nuestro Vlloa« (S. 50) nennt, macht wiederum deutlich, dass es ihm mehr um den Angriff auf Guerra als um die Verurteilung des profanen Theaters geht. Auch konstatiert er, dass Ulloa und Calderón »no tienen comparación, porque el vno [sc. Ulloa] es Lyrico, y heroyco, y el otro [se. Calderón] es Comico« (S. 8). Verurteilt er Calderóns Theater gewiss in erster Linie, weil Guerra es als vorbildlich gefeiert hatte, so sollte seine Bezeichnung Calderóns als »[Autor] Comico« dennoch Anstoß geben, das seit der deutschen Romantikrezeption etablierte Calderón-Bild als >poeta theologus< zu überdenken. Cf. hierzu Manfred Tietz: »Descontextualización histórica y mitificación de Calderón: la creación de un poeta teólogo«.

So lobt in der allegorischen Darstellung des Aribitrage >Bercebü< Guerra für dessen tatkräftige Unterstützung und antwortet auf die Frage, warum der Trinitarier das Volk effektiver verführe als er - der Teufel - selbst: »Por tres razones [...]: Lo primero, porque como se passó [se. Arregu] del otro Vando azia nosotros, haze mucha fuerfa para persuadir. Lo segundo, porque estando la gente empalagada ya destas Comedias, sin quererlas comprar, con el peregil desta Aprobación se han hecho, y gastado ya tres Impressiones. Lo tercero, porque yo no he tenido descaro para dar abiertamente por honestos estos Recreos del Buen Gusto; pero estotro, enmascarándolos con el trage de la virtud, engaña a muchos deuotos, dándoles Gato por Liebre, y vendiendoles la culpa por santidad: Luego este engaña, y tienta mucho mejor que yo, [...].« Arbitrage, S. 43f. 10 So apostrophiert er Herrera, den er mit dessen Pseudonym spöttisch »Antofiuelo« nennt: »Si tu assunto era desengañar al vulgo ignorante del ruydo, que le hazian las cacophonias desta Aprobación, como contraveniste tanto a lo que debias, quedando cuerpo al ayre, y adornando de títulos honoríficos, y pomposos a este piquinino [se. Arregu], hiziste de trapos viejos vn Fantasmón de autoridad, que engañando a los que no le conocen, puede inducirlos a que piensen que su nombre añade alguna probabilidad a aquella sentencia.« Arbitrage, S. 15f. Auch gegenüber Fomperosa konstatiert er: »Es menester castigar a este Buen Zelo, y a todos los que parecieren Cómplices en el error de que Arregu puede dar Probabilidad ninguna á nada que llegue a tocar en Filosofía, y en Teología« (S. 25). Hiermit macht er auch das Argument von Tomás de Guzmán zunichte, dass die Zulässigkeit des Theaterbesuchs als probable Auffassung anerkennt werden müsse (Respvesta al Bven Zelo, S. 6).

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mit einer ausgiebigen - offensichtlich auf Publikumswirksamkeit angelegten - B e s c h i m pfung des Trinitariers enden. 1 '

1.2

Calderóns comedias als »manifiestamente lasciuas« und die gleichzeitige Akzeptanz des Hoftheaters sowie der Aufführungen in Privat- und Ordenshäusern

W i e alle Theatergegner fasst Cortés Ossorio die zeitgenössische Comedia unter das Verdikt der Kirchenväter, w o b e i er mit Berufung auf die Dramen von Seneca, Plautus und Terenz betont, »que n o ay Seena ni Passo en las Antiguas, que no exceda en Modestia a las Modernas«. Eine ähnliche Gewichtung nimmt er auch z w i s c h e n Renaissance- und Barocktheater vor, indem er - wohl in Replik auf Guzmán, der mit einem kontinuierlichen Reinigungsproz e s s des Theaters argumentiert hatte, - konstatiert: »En estos cien A ñ o s passados, las Comedias antes han empeorado en el modo, y en el assunto, que mejorado«. 1 2 D e n Inhalt der Comedia reduziert der Jesuit auf »amores y mas amores« und scheut - anders als seine Vorgänger - auch nicht davor, konkret Calderóns Theaterstücke, die Guerra als vorbildlich gelobt hatte, als »manifiestamente Lasciuas« zu verurteilen. 13 Folglich bezichtigt er die Autoren und Darsteller der »Comedias Amatorias de Capa, y Espada« als Gehilfen des Teufels 1 4 und weist die Zuschauer auf ihre Heilsgefahrdung durch den Theaterbesuch hin. D a er aber erkennt, dass ein absolutes Theaterverbot nicht durchsetzbar ist, und zudem um

11 Die Beleidigung des Trinitariers, die aus einer Aneinanderreihung - auch blasphemischer - Spottnamen besteht, nimmt gut eine Seite ein. So beschimpft Cortés Ossorio Guerra u.a. als »Golosina de Muchachos; Arcipreste de los Títeres; [...] Aborto de la Chacona; Padre de la Zarabanda; Hermano del Zarambeque; Monstruo de los Zurris-Burris; [...] Papagayo de Entremés; Arlequín de presumidos; Verdura de la Cajuela; [...] Quinta Essencia de Boberias; y el Agua de la Vida de los Tontos.« Arbitrage, S. 53f. Dass die Schrift des Jesuiten innerhalb von acht Tagen drei Neuauflagen erfuhr, bezeugt den Erfolg seiner Polemik. Bibliografia, S. 64. 12 Bezeichnenderweise legt er diese Worte der >Idea de Erudicion< in den Mund, wobei er als Ausgangspunkt des Verschlechterungsprozesses die - bereits von Fomperosa erwähnte - Theaterverurteilung des Kardinal Borromeo im Jahr 1560 nennt. Arbitrage, S. 30f. Seine Einschätzung ergibt sich zweifelsohne aus der Absicht, das von Guerra approbierte Theater zu verurteilen, war doch das dem kosmopolitischen Ambiente der Renaissance verpflichtete Theater des 16. Jahrhunderts weitaus kritischer als die weitgehend systemkonforme Comedia des spanischen Barock. 13 »La materia de las Comedias, que v.m. [sc. Arregu] aprueba, y que están contenidas en esse Libro, que como Casa de la Mancha tiene a la entrada esse largo Corral de su prolixa Aprobación de v.m. no es otra cosa que amores, y mas amores, galanteos, ternezas, solicitaciones, tercerías, artes, y mañas para conseguir el logro de vna hermosura.« Arbitrage, S. 31. Hatten Herrera und Fomperosa die Anschuldigung, Guerra billige auch die unsittlichen Theaterstücke, mit dessen Gegnerschaft zu Hurtado begründet und dabei Calderóns Werk aus dem Spiel gelassen, so konstatiert Cortés Ossorio explizit: »El [sc. Arregu] Aprueba las Comedias Amatorias, que están en la Quinta Parte de Calderón, y todas las demás que se les parecen, no solo como están Escritas, sino como se suelen ver representadas. Sed sie est, que las tales Comedias son tan manifiestamente Lasciuas, que él mismo no lo puede Ignorar: Luego Aprueba las Comedias manifiestamente Lasciuas, y que él sabe que lo son« (S. 39). 14 Mit einem Seitenhieb auf Guerra und wohl auf die erbaulichen Dramen der Jesuiten anspielend, erklärt er: »Y como ay vnos Hombres del Diablo, y otros de Dios, ay también vnas Comedias de Dios, y otras del Diablo. Micer Arregu porfía en que son benditas estas Comedias del Diablo, y que se pueden escriuir, como se escriuen, representar, como se representan, y frequentar, como se frequentan.« Folglich bezeichnet er die Autoren und Schauspieler dieser Stücke als »interpretes de las mas poderosas sugestiones del Demonio«. Arbitrage, S. 48.

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die grundsätzliche Notwendigkeit einer Erholungsmöglichkeit für den Menschen weiß, 1 5 plädiert er dafür, die »Comedias Amatorias« zu verbieten, erklärt die »Comedias de Historias Indiferentes, que recreen, y diuiertan el tiempo« s o w i e die »Comedias de Assuntas Heroycos, y Virtuosos, que tienen por blanco persuadir, y exortar á la Constancia, a la Lealtad, al Valor, a la Amistad, a la Piedad, y a todas Virtudes Morales« (S. 49f.) aber für zulässig. Während er folglich auch den Schauspielberuf an sich von Sünde freispricht, fordert er ein Darstellungsverbot heiliger und biblischer Personen für Berufsschauspieler, w a s er ausdrücklich auch auf die autos sacramentales bezieht. 1 6 S o konzipiert der Jesuit letztlich ein Theater, das sowohl hinsichtlich des Sujets als auch der moralischen Funktion dem erbaulichen Tugend- und Lasterschema des Jesuitentheaters entspricht, aber nicht befugt ist, in die D o m ä n e der Kirche einzugreifen, der es allein obliegt, das von ihr kanonisierte Bild des Heiligen zu kontrollieren. N o c h bemerkenswerter ist allerdings seine Beurteilung des Hoftheaters und der Aufführungen in den Ordenshäusern. S o erklärt er: »Las Representaciones en Palacio, y en los Conuentos, por razón del lugar, y las Personas, mudan de Naturaleza, y no pueden tener aquella interpretatiua significación que en los Corrales. Quando en las casas Particulares, y en los Estudios se representa, para exercitar la juuentud, y que se descubran, y logren sus buenas habilidades, no puede interpretarse a mal, [...].« Statt also w i e Fomperosa Ausflüchte gegenüber dem Vorwurf zu suchen, dass in den Ordenshäusern profane Theateraufführungen stattfinden (cf. supra: Evtrapelia, S. 39f.), rechtfertigt Cortés Ossorio diese mit dem Argument, dass der Ort den moralischen Charakter der Stücke bestimme. Dabei argumentiert er - anders als Fomperosa, der vorsichtig angedeutet hatte, dass sich die Schauspieler gegenüber einem sozial höhergestellten Publikum den Erfordernissen des Dekorums anpassen - aus der Perspektive der Rezipienten: S o scheint

15 So konstatiert er: »Mas fácil seria quitar el Tabaco, y el Vino a los Hombres, y las Cintas, y los Escotados a las Mugeres, que quitar las Comedias en España.« Arbitrage, S. 49. Aufgrand der Notwendigkeit der Erholung verteidigt er auch den Stierkampf, wobei auch hier deutlich wird, dass sein eigentliches Anliegen der Angriff auf Guerra ist. So klagt er den Trinitarier an: »[...] por aumentar el Concurso a la Comedia, prohibe como ¡licitas las Fiestas de Toros, para que los que quisieren diuertirse no tengan mas recurso que a los Corrales« (S. 45). Die Folge des Theaterbesuchs ist für Cortés Ossorio - auch hier wird er konkreter als seine Vorgänger - die freilich als abnormal verurteilte Neigung zur Homosexualität, die er auch Guerra subtil unterstellt: »Pues qué, quería v.m. [sc. Arregu] que entorpeciendose los ánimos con el Regalo, y enerbandose las fuerzas con el Ocio de las Comedias, se hiziessen todos los Españoles Maribarbas? Hanle visto, y como le suenan mejor las Castañetas, que los Clarines!« (S. 45). Dabei wird die auf Publikumswirksamkeit angelegte Rhetorik des Jesuiten erneut deutlich, wenn er abschließend konstatiert: »Esso si, pese a mis Hígados, haya si quiera alguna Fiesta en gracia de Dios; porque si vnos nos quitan las Comedias, y otros los Toros nos vendremos a quedar a Buenas Noches« (S. 46). 16 Hierbei wird seine Geringschätzung der Berufsschauspieler deutlich, wenn er fordert, »que ningún Picaron abigarrado Represente a alguna Persona Diuina, aunque sea en los Autos del Corpus; y que ninguna Persona indecente haga al Papel de Angel, Santo, ni Santa, y sobre todo que ninguna Cantonera Desollada Represente a la Virgen Santissima, sino es que sea para entrarse luego Monja, ö en tal recogimiento, que no se manche con la profanidad, la que fue imagen de tan Candida Pureza.« Arbitrage, S. 52. 17 Arbitrage, S. 51. Gegen diese Rechtfertigung der Aufführungen in Konventen und Ordenshäusern polemisiert der Theaterverteidiger Juan Pablo Forner noch 1795 in seiner Respuesta á los Desengaños útiles y avisos importantes del Literato de Erija: »Estos ojos, que ha de comer la tierra han visto más de una funcioncita de esta calaña en las casas del silencio y de la austeridad: porque ya se ve las comedias sólo son malas cuando las representan y las oyen las gentes profanas y de mundo.« Cotarelo: Bibliografía, S. 283.

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die adelige Geburt bzw. die Entscheidung für ein gottgeweihtes Leben den Menschen aus seiner Sicht zu befähigen, seine natürliche Schwäche und Neigung zur Konkupiszenz zu überwinden. Damit stellt der Jesuit der Argumentation der Theaterverteidiger, die dem Menschen - wie Diego de Vieh - grundsätzlich eine moralische Urteilsfähigkeit zugestehen oder diese - wie Guerra - von seinen intellektuellen Voraussetzungen abhängig machen, eine hierarchisch geprägte anthropologische Auffassung entgegen, die die sittliche Disziplinierungsfahigkeit des Einzelnen in Abhängigkeit von seinem sozialen Status definiert. Seine ständespezifische Klassifizierung der Zuschauer resultiert dabei auch aus seiner Bewertung der »interpretatiua significación«, der weder durch Zensur noch durch Verbote kontrollierbaren Freiheit der Imagination, als einer der Hauptgefahren des Theaters: So ist das Abweichen von den etablierten Konventionen und sanktionierten Lebensformen von der gesellschaftlichen Elite, die am Erhalt der bestehenden Ordnung interessiert ist, freilich kaum zu erwarten. Gleichzeitig spiegelt die Warnung des Jesuiten vor der imaginativen Freiheit aber auch die Sorge der klerikalen Kultur, durch das profane Theater ihr Deutungsmonopol und die Herrschaft über Denken und Handeln der Menschen zu verlieren. Folglich fordert er auch für das von ihm akzeptierte auf kirchlich sanktionierte Themen reduzierte Theater eine umfassende Zensur.18

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Neudruck der Theaterverurteilung von Crespi de Borja als Replik auf Guerra

Im Zuge der Polemik um die Aprobación wird die Respvesta a vna consvlta, sobre si son licitas las comedias qve se vsan en España19 von Luis Crespí de Borja neu aufgelegt. Der anonyme - sicherlich jesuitische - Herausgeber20 gibt in der »Advertencia« an, die Neuauflage aufgrund der »nueua celebridad de la controuersia« zu besorgen, und hebt - neben der Überzeugungskraft von Crespis Argumenten - vor allem die Autorität des verstorbenen Bischofs hervor, dessen kirchliche Ämter und Ehrentitel er detailliert auffuhrt. Zwar nimmt er

18 Auch hier wird seine feudalistisch geprägte Gesellschaftssicht deutlich, so weist er die Aufsicht über die Zensur einem »Ministro de toda Autoridad, y Rectitud« zu und hält im Falle, dass der als »Superintendente, y Zelador« eingesetzte Funktionär seine Pflicht verletze, neben der Amtsenthebung keine Sanktionen für nötig, »por la confiarla de que el Habito de la Garnacha es de vna Religion de Hombres de Bien«. Arbitrage, S. 52. Die - im Siglo de Oro verbreitete - Vorstellung vom Zusammenhang zwischen Status der Person und sittlich normkonformem Verhalten wird gerade von den Jesuiten viel thematisiert. So wird den Ordensmitgliedern der Umgang mit Frauen verboten, »quae illustres non sunt«, da diese »dem Verdachte und der Gefahr mehr ausgesetzt« seien. Paul von Hoensbroech: Der Jesuitenorden, Bd. 1 (1926), S. 384f. 19 Dala con vn sermón qve predico de la materia el Doctor Don Luis Crespi de Borja, Presbytero de la Congregación del Oratorio de San Felipe Neri, Arcediano de Morviedro, y Pavordre en la Santa Iglesia Metropolitana de Valencia, Catedrático de prima de Teología, y Examinador della en la Vniversidad de la misma ciudad, calificador del Santo Oficio, y Examinador Synodal; y despues Obispo de Orihuela, y Plasencia, &c. Ivntamente con la retractación de sv firma, en que se dize auia aprobado las comedias. Aflo 1683. En Valencia: Al Molino de la Robella. Das Werk wird im Folgenden unter dem Kurztitel Respvesta a vna consvlta zitiert. 20 Cotarelo identifiziert den Herausgeber als »un enemigo encubierto del Padre Guerra, tal vez jesuita«. O'Connor weist daraufhin, dass das Werk wie der Bven Zelo und die Evtrapelia 1683 in Valencia veröffentlicht wurde, was ihn zu der - plausiblen - Annahme veranlasst, dass deren Autor Fomperosa auch Herausgeber dieser Neuauflage ist. Love in the Corral, S. 207, Anm. 38. Die Annahme wird dadurch erhärtet, dass Fomperosa in der Evtrapelia auf Crespis Widerruf seiner Theaterbilligung Bezug nimmt. Evtrapelia, S. 46 (cf. supra).

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- abgesehen von dem Hinweis auf die erneute Virulenz der Debatte - keinerlei Bezug auf die Polemik um Guerra. Bemerkenswert ist aber, dass er der Abhandlung von Crespi einen Auszug aus dessen Vita, verfasst von dem Trinitarier Tomás de la Resurrección, voranstellt.21 Der Trinitarier stellt hierin ausführlich Crespis Widerruf der von ihm 1649 unterzeichneten Theaterbilligung dar und lässt dabei keinen Zweifel über seine eigene Aversion gegenüber dem profanen Theater, wenn er Crespi als »saeta encendida contra este venenoso contagio de la ociosidad, y juventud Christiana« und »capital enemigo destos perniciossos diuertimentos« lobt.22 Vor dem Hintergrund der Feindschaft zwischen den Jesuiten und dem Trinitarier Guerra - und einer möglicherweise insgesamt konkurrierenden Haltung der beiden Orden - ist es sicher kein Zufall, dass der jesuitische Herausgeber dem Wiederdruck von Crespis Abhandlung die theaterfeindlichen Ausführungen eines Trinitariers voranstellt, um in der Debatte um die Aprobación Position gegen Guerra zu beziehen. Es kann hier nicht darum gehen, den Traktat von Crespi de Borja inhaltlich darzustellen.23 Vielmehr muss der Grund geklärt werden, warum aus der Masse der theaterfeindli21 Dabei hebt er hervor, dass die Ausführungen des Trinitariers von großem Nutzen seien: »[...], y por el fruto que se puede seguir del santo zelo, y exemplo de tan gran Prelado [sc. Crespí], añado el capitulo 41. del lib. 2. de su vida, que con graue estilo, y no menos eloquencia, escriuió el P. Fray Tomás de la Resurrección, del Orden de la Santissima Trinidad, Redención de Cautiuos, añadiendo de su parte vna doctrina tan prouechosa, y eficaz para el intento, que no debe hazer poco peso en materia tan graue.« Respvesta a vna consvlta: »Advertencia«. 22 So beschreibt der Trinitarier die licitud-Debatte auch mit der Metaphorik der Patristen als blutigen Kampf gegen die Hydra von Lerna: »Este punto de las comedias, es vna de las batallas mas sangrientas, y dilatadas, que se han controvertido en nuestra Nación Española; y aunque varias vezes, por el dictamen, y razones fuertes de hombres consumados en virtud y letras, se ha interrumpido el exercicio de ellas, ha parecido esta monstruosa ocupacion insuperable, y fiera hydra de siete abominables cabefas, que cortándole vna el cvchillo de la prohibición, vuelve de la sangre del degvello a renacer otra en el arcaduz de su garganta.« Respvesta a vna consvlta: »Consvltase en Valencia, si eran licitas las comedias, y refierese la Retractación humilde que el Venerable Don Luis hizo sin tener culpa de la aprobación, que escandalosamente podia imputarse en defensa destos inútiles expectaculos« (die Prätexte sind nicht paginiert). Zu Crespis Widerruf cf. supra: S. 111 f. 23 Die Neuauflage ist bis auf die Hinzufugung des Exzerpts aus Crespis Vita unverändert. Für die weitere Erforschung der licitud-Debatte und ihre Situierung innerhalb des breiteren Kontextes der Zensur der profanen Literatur sei darauf hingewiesen, dass Crespi seine Verurteilung der Comedia auch mit dem Verbot der Celestina motiviert: »[...] si se cotejan los libros de comedias que aora se vsan, con el libro de arte amandi de Ouidio, con las comedias de Terencio, con la Celestina, y otros prohibidos por la Santa Inquisición, como contrarios á las buenas costumbres, y prouocatiuos, ö maestros de los males, y de pecados, se verá claramente que ay mucho mas de amatorio, y de lasciuo, y con modo mas artificioso, y mas agudo en los de que hablamos, que en aquellos; y que el artificio, y agudeza destos, es mayor ocasion de que se imprima en la voluntad, y la memoria lo lasciuo que lleua embuelto. Aquellos están prohibidos por juzgarse incitatiuos al mal, y que de leerlos se puede seguir perdida de la castidad: luego con mas razón se debe rezelar en estos, y son dignos de la misma prohibición.« Respvesta a vna consvlta, S. 18f. Im gleichen Jahr wie Crespi (1649) verweist auch Ulloa auf die Zensur der Celestina, zieht aber den gegenteiligen Schluss: »Frenetico Calixto, con la passion amorosa, y reprehendido de Sempronio, dize: que se me dá a mi? Y replicándole, pues tu no eres Christiano? Repsonde: Yo Melibeo soy, y prosigue con desatinados encarecimientos, que justa, y santamente se mandaron borrar en el vltimo expurgatorio, no queriendo fiar mas tiempo a la expeculacion de los vulgares, lo que muchos años se auia dissimulado, en consideración de la moralidad que se emboluia en aquellos delirios, aduirtiendose en ellos la fuerza del afecto amoroso, que turbando el juizio, ocasiona semejantes locuras, para que todos estén preuenidos [...] y permitióse lo demás del libro, en que no faltan tropiezos, por ser su intento mostrar los malos fines, que tienen quantos tratan amores deshonestos, y sus solicitadores, y terceros: que escarmentar en males ágenos, es prudencia: tenerlos a la vista, medicina:

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chen Schriften genau diese gewählt wurde, um innerhalb der Polemik um die Aprobación die Seite der Theatergegner zu stärken. Mag dies einerseits, w i e der Herausgeber angibt, an der Autorität des mit dem Bischofsamt beehrten und von Philipp IV. zum Papst entsandten Crespi de Boija liegen, so scheint die theaterfeindliche Haltung des trinitarischen Verfassers von Crespis Vita andererseits eine günstige Gelegenheit g e w e s e n zu sein, Guerra auch die Rückendeckung seines Ordens streitig zu machen. Zudem stützt sich Crespi in seiner Argumentation auf Hurtado de Mendoza, 2 4 dessen Autorität Guerra in Frage gestellt hatte. D i e s legt wiederum nahe, dass die von einem Jesuiten besorgte Neuauflage des theaterfeindlichen Traktats in erster Linie dazu bestimmt war, einen erneuten Angriff g e g e n Guerra zu lancieren.

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Andrés Dávila y Heredia: drei Polemiken eines Laien gegen die Theatergegner

Der Señor de la Garena, Andrés Dávila y Heredia, den Cotarelo aufgrund der Bandbreite seines Schrifttums als »una especie de periodista del siglo X V I I « bezeichnet, 2 5 verfasste Antonio Carrillo zufolge vier Schriften, die der Polemik um die Aprobación zuzuordnen sind. 2 6 In Replik auf den Autor des Arbitrage, der sich als Señor de la Garena ausgegeben und g e g e n ihn polemisiert hatte (cf. supra), gibt Dávila y Heredia an, in die Debatte zu intervenieren, »porque m e han llamado«, 2 7 ist aber darüber hinaus auch durch seine Sympa-

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vsar mal dellos, ignorancia, ö malicia: Y si porque puede tomarse lo peor de las Comedias, se han de quitar, lo mismo se avria de hazer de las Historias, [...].« »Defensa de libros fabvlosos y poesías honestas«, S. 352ff. Die beiden Beurteilungen weisen die Celestina als Schlüsseltext aus, der das Auseinanderdriften von religiöser und profaner Kultur signalisiert. So stellt die Celestina die passiones einerseits als integralen Bestandteil der Welt und des Menschseins dar und markiert damit die Abkehr von der theologischen Konzeptualisierung der Leidenschaften als zu tilgendem Komplex der Affekte. Andererseits werden die passiones aber durch die Bestrafung der beiden Protagonisten mit dem Tod im Rückgriff auf die theologische Tradition verurteilt. Gerade Ulloas Beurteilung des Werks als Warnung vor den Gefahren der Liebe, das aber gleichzeitig die Leidenschaften auf gefährliche Weise darstellt, legt dabei die ambivalente Sinnstruktur des Textes offen: So kann sich nur der religiös geprägte Leser über die Bestrafung der Protagonisten freuen, der an der Literatur Interessierte wird sich hingegen an der Darstellung der leidenschaftlichen Liebe delektieren. So macht Crespi den Augustiner Alonso de Mendoza mit Berufung auf Hurtado ebenfalls zum Theatergegner. Auch insistiert er auf Hurtados Argument, dass alle an der Comedia Beteiligten - so Verfasser, Schauspieler und Zuschauer - sich durch Kooperation der Todsünde schuldig machen. Respvesta a vna consvlta, S. 44f. Bibliografía, S. 205f. Tatsächlich verfasste Dávila y Heredia, der sich in seinen Werken selbst als »Capitan de Cauallos, Ingeniero militar, Professor de las Mathematicas« ausgibt, Schriften verschiedensten Inhalts von medizinischen über agrarökonomische bis hin zu (pseudo-)naturwissenschaftlichen Themen. Laut Gallardo ist er zudem Autor einer »Comedia sin mvsica«. Ensayo de una Biblioteca Española de libros raros y curiosos, T. 2 (1866), Sp. 744ff. Dabei scheint er sich oftmals in aktuelle Debatten einzuschalten (cf. supra: Anm. 5). Seine Debattierfreude zeigt auch der Appell, mit dem er die Respvesta a la Respvesta de vna Consulta, sobre si son licitas las Comedias que se vsan en España beendet: »Y pues en la repuesta del Buen Zelo dexé algunos puntos, espero serán motiuo para que me respondan, y con esta ocacion seré mas largo« (S. 4). So nennt Carrillo neben den drei hier behandelten Schriften die - nicht nachweisbare - Relación de como han laureado en Amsterdam al Bachiller Carambola, deren Bezug zur licitud-Debatte allerdings fraglich ist. Bibliografía S. 139f. Cf. die Auflistung der zur Guerra-Debatte gehörenden Werke am Ende dieser Untersuchung. So konstatiert er: »Considerando la prisa que ay a escriuir Papelones contra las Comedias, y que ninguno los fauorece, me ha obligado a tomar la pluma, por dos motiuos: el primero, por cumplir con el

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thie für Juan de Austria, dem er ein von Guerra approbiertes Werk gewidmet hat, mit dem Trinitarier verbunden.28 Seine erste Replik auf den Arbitrage ist die Schrift Ivntase a Cortes la Evropa, para ver el Papel del Arbitrage Politico Militär,29 die rein polemischen Inhalts ist: So stellt er in einem allegorischen Gespräch zwischen Deutschland, Frankreich, England, Holland, Dänemark und Venedig dar, dass die Beliebtheit des Arbitrage ein schlechtes Licht auf die spanische Nation werfe. 30 Dabei bezichtigt er den Autor der polemisch als »peor que las Comedias de Capa, y Espada« bezeichneten Schrift der Verleumdung und der blasphemischen Verhöhnung eines Geistlichen und stellt ihm Guerras priesterliche und moralische Tugenden entgegen.31

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punto; el segundo, porque me han llamado, para que vea el mundo, que no ay diferencia de Químico a Comico.« Dávila y Heredia: Respvesta al Bven Zelo, S. 3. Dávila y Heredia repliziert hiermit auf den Arbitrage, dessen Autor sich als Señor de la Garena ausgegeben und in Anspielung auf diesen gespottet hatte: »Pues yo me resuelvo a dar sobre las Comedias mi parecer, porque de Quimico a Comico vá muy poca diferencia.« Arbitrage, S. 4. So hatte Guerra das Werk Demostrar la inteligencia de Archimedis, que con el Espejo quemo la Armada enemiga (Materia qve hasta el dia de oy no la ha escrito nadie. Dedicado al serenissimo Señor Don luán de Austria, Principe de la Mar, Protector de esta Monarquía de las Españas, Gran Prior de San luán en estos Reynos de España. Madrid: luán García Infanzón 1679) von Dávila y Heredia approbiert. Der Trinitarier lobt »la erudición de la pluma que le escriue« und bemerkt abschließend: »Todo quanto encierra este Tratado es digno parto del grande estudio del Autor, á quien mayores obras han grangeado sus merecidos aplausos«. Cf. die - nicht paginierte - Aprobación des genannten Werks. Bedenkt man, dass Cortés Ossorio gegen das Schrifttum von Dávila y Heredia polemisiert (cf. supra: Anm. 5), so ist auch hier wieder eine übergeordnete Konfliktebene festzumachen. Sentencia difinitiva del Señor de la Garena, Ingeniero ingenioso de las Maquinas Bélicas de España. Alemania. Francia. Inglaterra. Olanda. Dinamarca. Venecia. Portero Don luán de Monte-Negro. Ohne Ort und Jahr. Wie der Titel andeutet und Antonio Carrillo bestätigt {Bibliografía S. 139f.) hält Dávila y Heredia Juan de Montenegro, mit dem er in eine Kontroverse über den Piscator de Sarrabal (cf. supra: Anm. 5) verwickelt war, für den Autor des Arbitrage. Das - von Cotarelo nicht aufgefundene (Bibliografía, S. 207) - Werk befindet sich in der Biblioteca Valenciana San Miguel de los Reyes. Es wird mit dem Kurztitel Ivntase a Cortes la Evropa zitiert. Er fingiert, dass Europa aufgrund der Nachricht zusammenkomme, »que se avia dado á la Estampa vn Papel en la Corte del Gran Carlos Segundo, Rey de España, grande en lo mordás; grande en la ignorancia, grande en el Tema; grande en la desvergüenza; grande en la chanca; grande en los quentos, y pequeño en la substancia«. Ivntase a Cortes la Evropa, S. 1. Die Nationen, die durch die Lektüre des Arbitrage »las prendas, ciencia, y sabiduría de los que manejan el Aplauso de [la] Corte Española« (S. 2) herausfinden wollen, fühlen sich durch dessen spöttischen Inhalt abgestoßen: »[...] la putrefacción de su [sc. el Arbitrage] chanza causó á la Europa asco, diziendo: Quien assi escrive, combida á que hagan burla del Entendimiento« (S. 4). Dávila y Heredia lässt die Länder über die Teilhabe der allegorischen Figuren des Arbitrage (cf. den langen Untertitel des Werks: Anm. 2) an dem Werk diskutieren. So sei z.B. die >Idea Maldiziente< allenthalben zu finden, während die >Idea Bienintencionada< und die >Idea del Desengaño< nicht nur fehlten, sondern durch den blinden Zom, mit dem das Werk verfasst sei, konterkariert würden. So bemerkt er in Anspielung auf die europäischen Konfessionskonflikte, dass der Autor, der es mit einem »Religioso, Docto, y Virtuoso« aufnehme, Holland und England keinen Spott mehr übrig lasse und wiederholt mehrfach: »Con los Sacerdotes gastas charca! Como se conoce, que eres poco Christiano; pues te lleva más el odio, que el respeto« (S. 4f.). Dabei fasst er den Arbitrage zwar auch als Angriff auf seine Person auf, wenn er feststellt: »Traerle [sc. al Señor de la Garena] al Teatro Comico porque de Quimico, á Comico, vá muy poca diferencia, parece que es buscarle«, nimmt sich aber gegenüber Guerra zurück, da dessen Verspottung auch zu Lasten seiner »facultad« - des Klerus - gehe. So schreibt er die Verhöhnung des Trinitariers der »Idea de todos los Diabios« zu und erklärt auf den

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Beschränkt sich diese Schrift auf die polemische Abrechnung mit dem Autor des Arbitrage, so steigt Dávila y Heredia in seinen beiden Folgeschriften auch in die Materie der licitud-Debatte ein. D i e s e beiden Werke, die Respvesta al Bven Zelo, al Discvrso Teologico, y a los demás Papeles32, die auf Herrera, Fomperosa s o w i e erneut auf die - despektierlich unter »los demás Papeles« gefasste - Arbitrage repliziert, und die Respvesta a la Respvesta de vna Consulta, sobre si son licitas las Comedias que se vsan en España33, die eine Replik auf den Neudruck der Abhandlung von Crespi de Borja darstellt, werden im Folgenden - aufgrund ihrer ähnlichen Argumentation zusammen - dargestellt. Beide Schriften nehmen in ihrem Aufbau auf die genannten theaterfeindlichen Texte Bezug. S o zitiert Dávila y Heredia j e w e i l s einzelne Stellen der Gegenschriften, um sie zu widerlegen, weshalb seine Repliken einer eigenen Argumentationsstruktur entbehren, inhaltlich aber durchaus kohärent und innovativ sind.

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Die Comedia als »legitima ocupacion de los ociosos y [de] los ánimos cansados« und »mejor alhaja de las Cortes«

Hauptargument von Dávila y Heredia ist, dass alle von den Theatergegnern beschworenen Heilsgefahrdungen d e m Menschen in der realen Lebenswelt ohnehin - und zwar geballter und aufgrund der Authentizität der Situationen intensiver als im fiktiven Spiel des Theaters - begegnen. 3 4 Somit misst er die von den Theatergegnern propagierten Verhaltensnormen vermeintlichen Autor Montenegro anspielend: »[...] porque sino es vn Demonio, no puede perder el respeto á los Religiosos; y mas á vno tan grande como el Reverendissimo Padre Maestro Fr. Manuel Guerra y Ribera, &c. grande por las Escuelas, grande por el Entendimiento, grande en la Predicación, grande en el Ingenio, grande en el Estudio, y grande en la Virtud; y creo, que aunque se buelvan Carne Momia todos los Montes-Negros, no han de manchar con su polvareda sus prendas« (S. 5). Er beschließt das polemische Werk mit der Venedig in den Mund gelegten Bemerkung: »Mala Política es hazer gala de las chan?as, y que passe la mofa por Erudición, contra los Religiosos, siendo esta doctrina peor que las Comedias de Capa, y Espada« (S. 7). 32 Por Don Andres Dauila y Heredia, Señor de la Garena, Capitan de Cauallos, Ingeniero Militar, y Professor de las Mathematicas. Año de 1683. Alcalá de Henares, por Francisco Garcia. Da der Titel von Tomás de Guzmáns Schrift ähnlich ist (cf. supra), wird das Werk wie folgt zitiert: Dávila: Respvesta al Bven Zelo. 33 Por Don Andres de Auila y Heredia, Señor de la Garena, Capitan de Cauallos, Ingeniero Militar, y Professor de las Matematicas. Im Folgenden zitiert als Respvesta a la Respvesta. 34 So betont er, dass die realen »visitas« von Männern und Frauen gefährlicher sind als »seis mugeres, que puede auer en una Comedia«. Dávila: Respvesta al Bven Zelo, S. 4. Hierbei weist er wie Tomás de Guzmán daraufhin, dass sich in der Realität nicht nur mindestens ebenso schöne Frauen wie im Theater finden, sondern auch ein authentischer Kontakt stattfinden kann. Folglich betont er immer wieder »[...] mas ocasion tienen los hombres fuera de la Comedia, que en la Comedia; porque en las tablas suele auer dos mugeres, ö tres, que dan el aplauso a lo Comico, y en tan poca causa, es preciso ser proporcionado el efecto; lo que no sucede en lo mucho que se vé, y que se mira, y se habla« (S. 11). Gleiches bemerkt er auch bezüglich der von den Theatergegnern herausgestellten Gefahr des Ehebruchs als Folge des Theaterbesuchs: »[...] no ay exemplos de adulterios, ni se explican, ni se trazan; y suponer, que por lo amoroso de los galanes se aperciba la imaginación al adulterio, mas lances se hallarán sin buscarse en lo hermoso de vna Corte, donde los galanes son muchos, que no en las tablas, donde son dos.« Respvesta a la Respvesta, S. 2. Vor diesem Hintergrund beurteilt er auch die Tänze außerhalb des Theaters als gefährlicher, da dort echte Berührungen stattfinden und die Frauen ihre Füße und Beine zeigen, weshalb er - in Anspielung auf die Theatergesetzgebung, die den Schauspielerinnen das Tragen langer Röcke vorschrieb - konstatiert: »Esto es permitido, y los bayles de las Comediantas, con las basquiñas arrastrando por las tablas, son pecaminosos, porque están en las tablas: no ay razón para que lo vno sea malo, y lo otro bueno« (S. 2).

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ähnlich wie Tomás de Guzmán - an der gesellschaftlichen Realität und stellt heraus, dass der Mensch weder in der von Herrera und Fomperosa kritisierten Rachenahme durch das Duell noch in der Kunst des Liebeswerbens der Unterweisung durch das Theater bedarf, weil ihn das Leben beides um so wirkungsvoller lehrt.35 Hierbei betont er einerseits, dass das Lernen im sozialen Kontext der Gesellschaft durch die Authentizität der Erfahrung effektiver ist als das auf der medialen Inszenierung der Wirklichkeit beruhende Imitationslernen im Theater. Andererseits spielt er - wie Cortés Ossorio das mit anderer Absicht getan hatte - auf die Dekadenz der Comedia an, indem er konstatiert, dass vor allem die Zuschauerinnen im Theater nichts Neues lernen, da kaum mehr neue Stücke inszeniert werden und ihnen die aufgeführten Comedias so bereits durch die Lektüre bekannt seien: »[...] es de aduertir, que la doctrina de enseñar a los galanes, todos los medios de obligar a las damas, no es necessario que la Comedia lo enseñe, porque en la sociedad de los hombres cabe esta doctrina, y aun con mas estension, porque el amor haze a viuar el discurso: que enseñe a las damas el modo de corresponder a los galanes, tampoco lo apruebo, porque las mas van a las Comedias, que han leido, y como yá no son continuas las Comedias nueuas, que las mas son viejas, y antiguas, que andan en los libros impressas, quando las damas las vén, no tienen nada de nueuo para ellas, con que en esta misma practica están en la entera noticia de lo demás.«

Spricht Dávila y Heredia hier bereits das Lesen an, so insistiert er auch auf der Vergänglichkeit der Bühnendarstellung gegenüber dem Buch, das detailliertere Beschreibungen sowie die Möglichkeit zur Wiederholungslektüre bietet und durch seine Leer- und Unbestimmtheitsstellen37 die - von den Theatergegnern als gefahrlich beurteilte - Imagination des Lesers um so stärker aktiviert. Folglich erachtet er die Romanlektüre als gefahrlicher als das Anschauen von Theaterstücken und hebt - wie Tomás de Guzmán - auch die moralische Gefahrdung durch die Geschichtsbücher hervor, die - im Gegensatz zur Comedia -

35 Wie er darauf hinweist, dass der Ehebruch in der Comedia nicht dargestellt wird (cf. supra: Anm. 34), bemerkt er auch, dass nur selten Duelle auf die Bühne gebracht werden und konstatiert: »[...] y es reparable, que esta parte de duelo no necesita de Maestros, porque por si misma dá hartas vozes su malicia en los sucessos Cortesanos, y mas incita la experiencia de ellos, que lo representado.« Dávila: Respvesta al Bven Zelo, S. 4f. 36 Die Wahrnehmung eines Niedergangs des Theaters ist durchaus zutreffend. So erhielt das Theater des Siglo de Oro nach dem Tod Calderóns kaum mehr neue Impulse. Die folgenden Autoren verführen vermehrt epigonal, es wurden refundiciones und Parodierungen bekannter Stücke aufgeführt und Comedias in Gemeinschaftsarbeit verfasst. Das Interesse an den corrales ließ zudem durch die Öffnung des Hoftheaters für ein breites Publikum nach, da die Zuschauer, von den Sensationsdarstellungen der Palastbühne verwöhnt, mit den einfacheren Möglichkeiten der öffentlichen Theater kaum mehr zufrieden zu stellen waren. Gleichzeitig mussten die Schauspieler die Corra/-Bühne vernachlässigen, um die aufwendigen Inszenierungen für das Hoftheater einzuüben. 37 Der von Ingarden und Iser geprägte Begriff der Leer- bzw. Unbestimmtheitsstelle, die nach Auffassung der rezeptionsästhetischen Literaturtheorie aufgrund ihrer Offenheit bzw. Bedeutungsvielfalt eine individuelle Konkretisation des Lesers verlangt, ist auf Dávila y Heredias Ausführungen mit aller Vorsicht durchaus anwendbar. So stellt Dávila y Heredia die phantasieanregende Lektüre der konkreten Anschaulichkeit der Theateraufführung gegenüber: »Pregunto, las Nouelas no están llenas de ideas amorosas? No están en prosa los lances tan escandalosos como en las Comedias? Mas enseña vn libro de Nouelas, que vna Comedia, porque en lo vno ay mucho que leer, y que premeditar: y en la Comedia, con la promptitud de lo corto del verso se borran las especies de lo que se ha visto. Mas peligroso es lo que se lee, que lo que se mira, porque en la continuación del estudio de vna cosa está la imaginación mas viua, siendo ella bastante para mouer las passiones, y afectos del animo.« Dávila: Respvesta al Bven Zelo, S. 4. Auch er stellt die Beurteilung der Comedia also in den übergreifenden Kontext der Beurteilung der fiktionalen Literatur.

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ausnahmslos von Liebschaften und verwerflichen Ereignissen handeln. 3 8 Die Liebesdarstellung der Comedia befreit er hingegen v o m Stigma der Sünde, indem er die von den Theatergegnern kritisierte Darstellung des gegenseitigen Umwerbens gutheißt und - in Replik auf Herrera - konstatiert, »que estos medios son para buenos fines«.39 Deutet er hiermit an, dass die Comedia den Laien adäquate Verhaltensmuster bereitstellt, so formuliert er in seiner Folgeschrift noch deutlicher: »Y pues el amor no puede tenerse sin engendrarse, pregunto: Que materias tratan las Comedias que son de ordinario amores lasciuos, que sean ocasion de engendrar amor? No son vnas disposiciones naturales para el fin del matrimonio, en las de capa, y espada?« (Respvesta a la Respvesta, S. 2). W a s die Theatergegner somit als »cosas torpes« verurteilen, lobt Dävila y Heredia als »lances cortesanos, donde se regula la vrbanidad de los galanes al punto de las damas« (S. 3) und macht damit deutlich, dass die Moralvorstellungen der Theatergegner der Lebensrealität der Laien, die v o n innerweltlichen statt v o n jenseitsorientierten Maßstäben regiert wird, nicht gerecht werden. S o führt er seinen Gegnern vor Augen, dass ihre theaterbezüglichen Disziplinierungsversuche an der Realität scheitern und ihre eindimensionale Weltsicht, die Weltabkehr und Keuschheit für alle Gläubigen fordert, die Verschiedenheit der Menschen verkennt. 4 0 D a das Theater aus seiner Sicht somit adäquate U m g a n g s f o r m e n vermittelt, befreit er auch die - zumal in den Häusern der Herrscher auftretenden - Schauspieler v o m Vorwurf der Ehrlosigkeit 4 1 und ernennt sie im Gegenzug zu Lehrmeistern der Moral und der guten Sitten, die das Land - und vor allem die Hauptstadt (»las Cortes«) - von der verbreiteten

38 »No ay libro historico, y político en que no se traten correspondencias amorosas, y las mismas familias, vnas, con otras las publican: menos se aprende en los Teatros desto, porque no siempre se representan correspondencias amorosas, y sucessos torpes, y siempre se leen, y se pueden tener de memoria. Luego mas peligroso es vn libro, de tantos que ay que tratan desto, que no vna Comedia. [...] las palabras amorosas, dulpes, y tiernas, mas dilatadas las ay en los libros, que en las Comedias; [...] muchos vén las Comedias, con ansia de saber, y todos leen los libros, con el mismo deseo, y son mas peligrosos los libros que las Comedias.« Dávila: Respvesta al Bven Zelo, S. 6f. 39 Dávila: Respvesta al Bven Zelo, S. 8. Herrera hatte genau das Gegenteil konstatiert. Discvrso teologico, S. 11 (cf. supra). 40 So erklärt er, dass es »templados« und »destemplados« gebe, Menschen, die sich an guten und solche, die sich an bösen Dingen erfreuen, und konstatiert in Replik auf Herrera, der betont hatte, dass die comedia de santos Begierde und nicht Frömmigkeit wecke: »[...] el que es bueno, ama los deleytes que son verdaderamente hermosos, y el que no tiene bondad, ni hermosura verdadera, sino solamente apariencia, le arrebatará mas vna dama, que vna copla, [...]. También entre estos dos se hallan medios compuestos de entrambos [...].« Dávila: Respvesta al Bven Zelo, S. 5. Folglich spricht er dem Heiligendrama - wie Guerra - eine potentiell erbauliche Funktion zu, indem er bemerkt, »[que] puede tener fuerza la propiedad, y afecto de la representación de vna Santa Virgen, a mouer el corapon a vna sensible ternura, y desagrado de la culpa« (S. 6). 41 Wie die Theatergegner appelliert er dabei an das in der Katholizität begründete Nationalgefuhl der Spanier: »[...] y es de considerar, que los Representantes van a los Palacios, y no ay razón para que se diga, poniéndose delante de la Magestad de vn Rey de España, que son hombres infames, por naturaleza, ni por arte, quando la Nación Española es el exemplo de las virtudes, y la que ha puesto el Trono al mundo para honrar; quien vá a festejar a vn Rey, y a la casa de vn Grande de Castilla, queda fauorecido con la vista de los Principes, y por esta razón con diferencia de los primeros Representantes.« Respvesta a la Respvesta, S. 1. Während er die Comedia vom Vorwurf der Sittenschädigung befreit, schreibt er den Traktaten der Theatergegner pointiert eine solche Wirkung zu. So repliziert er auf Crespi de Boija, der die Schauspielerinnen als Prostituierte diskreditiert hatte: »AI punto de rameras respondo: Que esto no es escriuir para la educación de las costumbres« (S. 1).

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»peste de los vicios« erlösen können. Diese besteht für ihn eben nicht wie für die Theatergegner in der Comedia, sondern in der »demasiada ociosidad, y poca aplicación a las Artes, y Ciencias, teniendose por loco aquel que no sigue el camino de los demás« (Respvesta a la Respvesta, S. 3).

Klingt hier bereits eine scharfe Kulturkritik mit, die auf die Homogenisierungsmaßnahmen der Inquisition, den Mangel an geistiger Offenheit und das verbreitete Misstrauen (der klerikalen Kultur) gegenüber allem Neuen anspielt, so wird Dávila y Heredia noch deutlicher, indem er die Dichtung zur »mejor alhaja de las Cortes« erhebt und als Folge des von den Theatergegnern geforderten Comedia- Verbots den mentalen Tod Spaniens herausstellt: »[...] desterrando los Poetas, y las Comedias, se reformarán las Cortes, y se podrá dezir lo que dixo Prencio quando le desterraron de Roma: Yo voy a morir, porque me destierran adonde no ay que leer, ni que vèr, ni que mirar, ni en que diuertirse.« (Respvesta a la Respvesta, S. 2)

Um die Dichtung als historische Konstante und proprium des Menschen auszuweisen, verweist er auf ihre lange Tradition42 und spricht den Dichtern mit Piaton »dignidad diuina« zu. Folglich bezeichnet er die Comedia, die nicht nur angemessene Umgangsformen für ein laikales Publikum bereitstellt, sondern auch zur Tugend erzieht und vor dem Laster warnt,43 als »la legitima ocupacion de los ociosos«. Hierbei betont er die politische Zweckmäßigkeit des Theaters, das besser als das Spiel die städtischen Mußezeiten okkupieren und als instrumentum regni der Loyalitätssicherung dienen könne: So hält er die negativen Folgen des trotz zahlreicher Verbote zugelassenen Spiels - wie Zeitverschwendung, Mord und Besitzverlust44 - der positiven Wirkung der Comedia, die dem Zuschauer eine für den Laienstatus angemessene ars conjugalis vor Augen stellt, aber dennoch stets vom Verbot bedroht ist, entgegen. Zwar steht die Notwendigkeit der Abwendung der >ociosidad< spätestens seit Marianas De spectaculis auch für die Theatergegner außer Frage, das Theater wird von ihnen aber als Teil der Kultur des Müßiggangs verurteilt. Dávila y Heredia setzt dieser Sicht - wie bereits Diego de Vieh - die gegenteilige Auffassung vom Theater als effektivem politischen Massenlenkungs- und -ablenkungsinstrument entgegen und betont mit Antonio Pérez, »[que] la

42 So konstatiert er, »[que] Veneto Obispo de Puzol, grande investigador de historias, quiere que sea mas antigua que Moyses, [...].« Respvesta a la Respvesta, S. 2f. Er entnimmt diese These wahrscheinlich Boccaccios Genealogie deorum gentilium libri, die Bances Candamo, der die These allerdings negiert, im Theatro de los theatros als Quelle angibt. Dávila y Heredia scheint Bances inspiriert zu haben, so beruft sich der Theaterautor auch auf den von ihm zitierten Antonio Pérez (cf. infra). 43 Er betont, »que los escarmientos de los vicios, encaminen a los más a las virtudes« (Respvesta al Bven Zelo, S. 12), und konstatiert bezüglich der Liebeskomödien, »que antes auisan que enseñan; y no ay razón para que el auiso sea reprehensible, porque dar a entender lo que es possible, es enseñar a los hombres a la desconfiaba, y es bueno: [...].« Respvesta a la Respvesta, S.3. 44 Nachdem er sämtliche Verbotsedikte des Karten-, Würfel- und Gewinnspiels aufgezählt hat, konstatiert er: »[...] y no obstante de ser malo se permite, porque es peor que los hombres se junten con la ociosidad, sin estar empleados en algo.« Dávila: Respvesta al Bven Zelo, S. 7. Während er die - von den Theatergegnern verurteilte - Identifikation der Zuschauer mit der Darstellung der comedia de capa y espada als ihren Lebensverhältnissen entsprechend - und damit positiv - bewertet, konstatiert er bezüglich des Spiels: »Qué horas no ha marchitado el juego? Qué muertes no ha ocasionado? Qué haziendas no se han perdido? [...] pues con mas justa razón deben ser prohibidos los juegos, que las Comedias, y se permiten; porque aunque los juegos son malos, de la ociosidad de los hombres puede ocasionarse otra cosa peor, y lo mejor es lo menos malo« (S. 8).

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ociosidad en diuertimiento, no es ociosidad, y no ay peligro Politico«. 45 Um die Comedia auch aus kirchlicher Sicht für zulässig zu erklären, weist er darauf hin, dass sich das Theater gegenüber allen bisherigen Verurteilungen und Verbotsforderungen als resistent erwiesen hat, weshalb es nunmehr durch das - auch innerhalb der Kurie geltende - Gewohnheitsrecht legitimiert sei. 46

3.2

Die Verteidigung der Comedia und der schönen Literatur aus der Perspektive eines Laien: Rückbesinnung auf das Anliegen der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters

Obwohl der Anlass für Dävila y Heredia, in die licitud-Debatte zu intervenieren, das Erscheinen des Arbitrage politico-militar zu sein scheint, dessen Hauptanliegen die Verurteilung von Guerra ist, geht er nicht auf die Polemik um den Trinitarier ein, sondern fuhrt die Debatte vielmehr auf ihr ursprüngliches Thema - die Beurteilung der zeitgenössischen Comedia - zurück. Dabei nimmt er eine genuin laikale Perspektive ein, indem er deutlicher als seine Vorgänger herausstellt, dass das Theater den Zuschauern ein fiktives Spiel darbietet, das ihrem Erfahrungshorizont entspricht und mit dem sie sich folglich nicht nur schadlos identifizieren, sondern von dem sie auch angemessene Verhaltensmuster lernen können. Er argumentiert aber nicht nur mit der politischen Opportunität und der religiösen sowie sittlich-moralischen Unschädlichkeit des Theaters, das durch die Inszenierung gesellschaftlich sanktionierter Verhaltensmuster auch eine soziale Kontrollfunktion ausüben kann, sondern betont auch den Wert von Kunst und Literatur für die Gesellschaft: So stellt er heraus, dass die Borniertheit der - klerikal geprägten - Theatergegner die geistige Entwicklung des Landes lähmt und führt ihnen geschickt vor Augen, dass das Verbot der Lite-

45 So erklärt er: »Luego no siendo torpes son conuenientes, porque la ociosidad de los grandes los grandes [sie!] Pueblos es mucha, y es conueniente que estén diuertidas las horas del día, porque la ociosidad vnida, es vna serpiente, y la ociosidad en diuertimiento, no es ociosidad, y no ay peligro Politico; y es reparable lo de Antonio Perez: Los Reyes deben buscar Artifices a sus vassallos, porque cada vno busca el instrumento según la obra a que se inclina, considerando, que no se cura vn humor sin ayuda de los otros, ni se templa vn elemento sin ayuda de otro. Las fiestas publicas de lo Comico son vtiles, y necessarias: lo vno, porque se vá a ellas, y no se busca otro instrumento; lo otro, porque la destemplanza de los humores de los hombres, hallándose diuertidos, ni piensa en otro elemento, y se assegura la quietud con el regozijo: [...].« Respvesta a la Respvesta, S. 3f. Vor dem Hintergrund, dass Dávila y Heredia gegen die Nivellierungsbestrebungen der Kirche polemisiert, ist seine Berufung auf Antonio Pérez, dessen Schriften im 17. Jahrhundert verboten waren, sicher eine absichtliche Provokation. Auch Bances Candamo bezieht sich auf den von Philipp II. bei der Inquisition angeklagten Staatssekretär, nennt allerdings dessen Namen nur in der ersten Version und bezeichnet ihn in der 3. Version vorsichtiger als »un gran Pollitico [sie!] moderno, a quien no es lícito nombrar«. Theatro de los theatros, S. 56 und S. 119. Zum Inquisitionsprozess gegen Antonio Pérez cf. Juan Antonio Llórente: Historia crítica de la Inquisición en España. Dirigida por Jesús Munárriz, T. 3. Madrid: Hiperión 1980 (Neuauflage der Ausgabe von 1870), S. 211- 248. 46 »Pregunto, auiendose dicho tanto sobre que son nociuas las Comedias, que causa auido al efecto de que las aya, y que se ayan continuado tantos años? De que arguyo, que la causa legitima de que las Comedias son licitas, y conuenientes, es que auiendose dicho tanto contra ellas permanecen, acreditándolas el derecho de las costumbres, pues en la curia, y en todas las causas, y en el derecho es la costumbre, la que confirma y anula los estatutos, y las leyes; [...].« Dávila: Respvesta al Bven Zelo, S. 9f.

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ratur die Menschen gerade in den Zustand der »ociosidad« treibt, den sie als gefahrliche Folge des Theaterbesuchs heraufbeschwören.47

47 Cotarelo, der kaum mehr als drei Sätze aus der Respvesta a la Respvesta exzerpiert, konstatiert: »Todo en este papel es insignifiante; y lo mismo puede decirse de los otros de este autor, que encubre la falta de ideas concretas con una erudiön [sic!] empalagosa é inoportuna y un estilo que pretende ser sentencioso y es machacön y trivial.« Bibliograßa, S. 206. Dieses - von O'Connor übernommene (Love in the Corral, S. 207, Anm. 36) - Urteil muss angesichts des Selbstbewusstseins, mit dem Dâvila y Heredia die Lebensform der Laien verteidigt und den Vertretern der klerikalen Kultur die Konsequenzen ihres Disziplinierungs- und Uniformierungswillens vor Augen fuhrt, revidiert werden. Vitses These von der zunehmenden »laïcisation« der Debatte, in deren Zusammenhang er auch Dâvila y Heredia nennt, wird durch die obige Untersuchung hingegen bestätigt. Elements pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S. 41.

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Exkurs V: Neuaufnahme der Debatte um die Aprobación um 1750 und Weiterführung der Polemik mit neuen Protagonisten der gleichen Orden: Veröffentlichungskontext von Guerras Apelación al tribunal de los doctos 1

Agustín Sánchez: Dictamen - die Rehabilitierung von Guerra durch einen Trinitarier im Zuge der Verteidigung von Calderóns Theater gegenüber den Neoklassizisten

Nachdem die wichtigsten Texte der Polemik um Guerra aufgearbeitet sind,1 wird die chronologische Behandlung der Schriften der licitud-Debatte hier unterbrochen, um die Polemik um die Aprobación mit der - erst 1752 veröffentlichten - Verteidigungsschrift des Trinitariers abzuschließen. Die Apelación al tribunal de los doctos2, die - trotz ihrer voluminösen 515 Seiten - Fragment geblieben ist, wird veröffentlicht, als sich die Debatte um die Aprobación rund siebzig Jahre nach ihrem Erscheinen neu belebt: Anlass bzw. Vorlauf dieser Neuaufnahme der Polemik um Guerra ist die Veröffentlichung des Discurso critico sobre el origen, calidad, y estado presente de las comedias de España3, dessen Autor Ignacio Loyola Oyánguren Lope de Vega und Calderón gegenüber dem Vorwurf der Neoklassizisten verteidigt, das Theater ästhetisch und moralisch verdorben zu haben.4 Loyola Oyánguren hatte sein Werk vor der Veröffentlichung zur Rezension »varios sugetos doctos« übergeben, deren Urteile er seiner Abhandlung voranstellt. Eins dieser Urteile stammt von dem Trinitarier Agustín Sánchez, der in seinem Dictamen nicht nur Calderón als

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Zwar sind auch die Discvrsos políticos, y morales von Navarro Castellanos von ihrem Veröffentlichungszeitpunkt her der Polemik um Guerra zuzurechnen. Das gegen die Theaterverteidiger gerichtete Werk enthält jedoch - anders als von Cotarelo behauptet - keine direkte Replik auf Guerras Aprobación. Cf. infra: V, X, S. 2. Der vollständige Titel des - bereits mehrfach zitierten - Werks lautet: Apelación al tribunal de los doctos, justa defensa de la aprobación a las comedias de Don Pedro Calderón de la Barca, impressa en 14. Abril del año de 1682: impugnación eficaz de los papeles, que salieron contra ella hasta el año de 1683; en que dá clara, y á favor la mente de los padres en las autoridades que le oponen. Apología que dexó escrita el Rmo P.M. Fr. Manuel de Guerra y Ribera, Doctor Theologo, y Cathedratico de la Universidad de Salamanca, Predicador de su Magestad, y su Theologo, Examinador, y Theologo de la Nunciatura, Examinador Synodal del Arzobispado de Toledo y Padre de la Provincia de Castilla, del Orden de la Ssma. Trinidad, Redempción de Cautivos, Natural de Madrid. Sacala a luz y la dedica a los Eruditos de España, Don Gonzalo Xaraba. Con licencia. Madrid: Imprenta del Mercurio 1752. Die Schrift wird im Folgenden als Apelación zitiert. Die Prätexte sind nicht paginiert. Contra el dictamen, que las supone corrompidas, y en favor de sus mas famosos Escritores el Doctor Frey Lope Felix de Vega Carpió, y Don Pedro Calderón de la Barca. Escrito por un ingenio de esta corte. Quien le dedica a la M.I.S. la Señora Marquesa de Torrecilla, &c. En Madrid. En la Imprenta de Juan de Zuñiga. Año 1750. Con todas las Licencias necessarias. Die im Folgenden zitierten Prätexte des Discurso critico sind nicht paginiert. Das Werk von Loyola Oyánguren, der mit dem Pseudonym Don Thomas de Erauso y Zavaleta firmiert, ist eine Replik auf die »Dissertacion sobre las Comedias de España«, die der bibliotecario mayor Blas Antonio Nasarre 1749 der Ausgabe von Cervantes' Comedias vorangestellt hatte. Nasarre hatte hierin das Theater von Lope und Calderón unter poetologischen und moralischen Gesichtspunkten verurteilt. Cf. Cotarelo: Bibliografía, S. 245ff. sowie die kommentierte Ausgabe von Jesús Cañas Murillo: Blas Nasarre: Disertación o Prologo sobre las comedias de España. Cáceres: Universidad de Extremadura 1992. Die Schrift wird nach dieser Ausgabe zitiert.

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»singularissimo Ingenio, inimitable en lo Christiano«5 lobt, sondern im Zuge der Verteidigung des Barocktheaters auch seinen Ordensbruder Guerra rehabilitiert. So zitiert er einen Brief des Augustiners Antonio de Barrientos, der Guerras Aprobación würdigt und deren Urteil über Calderón bestätigt, 6 und geht auch selbst ausfuhrlich auf Guerras Theaterverteidigung ein. 7 Legt das noch 70 Jahre nach der Polemik um die Aprobación - und lange nach Guerras Tod - zutage tretende Bestreben des Trinitariers, seinen Ordensbruder zu verteidigen, einerseits offen, dass die //ciYurf-Debatte erheblich von den B e - und Empfindlichkeiten der verschiedenen Orden mitbestimmt wird, so wird an diesem Schnittpunkt der Debatte andererseits die Verknüpfung der seit Ende des 16. Jahrhunderts geführten moraltheologischen Kontroverse mit der im 18. Jahrhundert aufkommenden Debatte um die poetologische Ausrichtung des spanischen Theaters manifest. So ist Agustín Sánchez - w i e der Basilianer Alejandro Aguado, der ebenfalls ein »Dictamen« zum Discurso critico verfasst 8 - darum bemüht, das Theater von Lope und Calderón als spanisches Nationaltheater gegenüber den Vorwürfen der Neoklassizisten zu verteidigen. 9 Die Verteidigung der vom Regelwerk der Antike ab5

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»Dictamen del M.R.P.M. Fr. Agustín Sánchez, Calificador de la Suprema General Inquisición, y de su Junta Secreta: Theologo de S.M. en la Real Junta de la Concepción: Su Predicador de los del Numero: Theologo, y Examinador de la Nunciatura: Examinador Synodal del Arzobispado de Toledo, y Padre de Provincia del Orden de la Santissima Trinidad de Calzados, Redempcion de Cautivos«, in: Discurso critico sobre el origen, calidad, y estado presente de las comedias de España. Im Folgenden zitiert als Dictamen de Agustín Sánchez. So berichtet der Trinitarier: »Ay otro elogio á Don Pedro Calderón, que hasta aora no ha salido á luz; y es del Rmo. P. M. Fr. Diego Antonio de Barrientos, hijo del Gran P. S. Agustin, y uno de los sugetos mas doctos, y eruditos de su tiempo. Leyó éste la Aprobación, que de las Comedias que compuso Don P. Calderón, hizo el M. Guerra, y le escrive una Carta, (que original tengo presente) que empieza de esta forma: Con singularissimo gozo, y aprovechamiento mió he leído la Censura, que V. Rma. dá á las Comedias, que compuso Don Pedro Calderón de la Barca, cuyos rasgos (hablo de los que tal vez llegaron á mi mano) siempre los juzgué dignos de immortal memoria, por lo dulce de sus números, por lo elegante de sus frases, por lo profundo de sus conceptos, por la doctrina de sus sentencias, por lo modesto de sus voces, y por lo christiano de su methodo. Lo mismo juzgo serán los que no he visto; porque Ingenios de tal soberanía, por maravilla decaen de su grandeza &c. Esto dice en su Carta firmada el dia 20. de Octubre de 1682.« Dictamen de Agustín Sánchez. So moniert er in Bezug auf die Polemik um Guerra: »[...] escrivieron algunos papeles contra él [sc. Guerra], en los que, para ser en todo impugnadores, impugnan, no solo lo que aprueba, sino también lo que reprehende.« Dictamen de Agustín Sánchez. Auch betont er, dass Guerra nachgewiesen habe, dass die Urteile der Kirchenväter nicht auf die zeitgenössische Comedia zutreffen, ohne sich dabei - wie ihm von seinen Gegnern vorgeworfen wurde - allein auf die nicht mehr vorhandene Idolatrie des zeitgenössischen Theaters zu stützen. »Dictamen del Rmo. P. Mro. Don Alexandra Aguado, Doctor, y Cathedratico de Theologia en la Universidad de Alcalá; Calificador de la Suprema general Inquisición, y de sus Juntas Secretas: Abad, Difinidor de la Provincia de Castilla, y Vicario General que ha sido de las Provincias de España, del Orden de San Basilio Magno, &c.«, in: Discurso critico sobre el origen, calidad, y estado presente de las comedias de España. Im Folgenden zitiert als Dictamen de Alejandro Aguado. Hierbei fällt Sánchez ein eindeutiges Urteil für Calderóns Theater und gegen den Versuch der Etablierung eines teatro clasicista durch Cervantes. So wirft er Nasarre vor, Calderón zu verurteilen, um Cervantes posthum die Vorrangstellung einzuräumen, die ihm zu Lebzeiten innerhalb der dramatischen Literatur versagt blieb: »[...] y assi conseguirá [sc. Nasarre], despues de muerto, lo que el pobre [sc. Cervantes] no pudo conseguir estando vivo«. Calderóns Theater stellt er als Ausdruck des spanischen Nationalcharakters dar, weshalb er Nasarre beschuldigt, »[de olvidarse] de ser Español, si acaso lo es.« Dictamen de Agustin Sánchez. Die Argumentation mit dem National stolz wurde allerdings auch von neoklassizistischer Seiten vorgebracht. So hatte Nasarre ebenfalls beteuert, allein vom »celo de la patria« geleitet zu sein. Disertación o Prologo sobre las comedias de España, S. 89. Aguado argumen-

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weichenden spanischen Bühnentradition als »teatro nacional« hat wiederum zur Folge, dass beide Ordensgeistliche die zuvor im Kreuzfeuer der klerikalen Kritik stehende Comedia zum Höhepunkt christlicher Dichtkunst erheben und Lope und Calderón als katholische Modellautoren feiern, wobei sie den Theaterautoren eine bisher ungekannte ästhetische Gestaltungsfreiheit zugestehen.10

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Der Triumpho sagrado de la conciencia als Replik auf den Dictamen: Jesuit versus Trinitarier

Vor diesem Hintergrund ist das Werk Triumpho sagrado de la conciencia11 zu situieren, dessen Autor Francisco Moya y Correa die Unzulässigkeit der zeitgenössischen Comedia propagiert und dabei die Angriffe seiner Ordensbrüder auf Guerra erneuert. So behandelt

tiert ähnlich wie Sánchez, indem er die Abwendung vom Regelwerk der Antike als nationalen Königsweg verteidigt: »[...] aunque hay reglas, que dexaron los Antiguos para lo Cómico y Trágico, distintamente con separación, también es cierto, que las puede variàr el gusto, según las circunstancias de las Naciones; porque cada una tiene su particular carácter.« Auch er spielt polemisierend auf Cervantes' Misserfolg an: »[...] será desgracia; pero no es razón que porque el Prologuista [se. Nasarre] sea apasionado de un desgraciado, quiera detraher la fama de los que son justamente aplaudidos.« Dictamen de Alejandro Aguado. 10 So lobt Aguado das Werk von Lope und Calderón als Ausdruck göttlich inspirierter katholischer Dichtkunst und hebt dabei auch den Priesterstatus der beiden Autoren hervor: »Es, sin duda, ignominioso à la Nación, que unas Obras Poéticas de dos honrados Sacerdotes, que han merecido la fama de todos, y se representan con aplauso, à vista, y con aprobación de nuestros Monarcas, se censuren, llamándoles Corruptores y Lascivos; porque es improperar al Rey, y Reyno tan Christiano, como Catholico.« Dictamen de Alejandro Aguado. Bei der Verteidigung des Barocktheaters gegenüber dem Vorwurf, mit der aristotelischen Poetik zu brechen, setzt er die Übereinstimmung der Comedia mit den Vorgaben der Theologie als gegeben voraus. So unterstreicht er die »invención ingeniosa, con moderación Christiana, à lo que nunca faltaron [sc. Lope y Calderón], porque se desarreglassen de Plauto, y Terencio« und stellt den Neoklassizisten die provokative Frage: »Querrán los Críticos prescribir mas reglas para lo honesto del Arte, que las que señala la Theologia en los Juegos?« Folglich plädiert er dafür, poetologische Fragen den Autoren zu überlassen: »Será bueno que los Philosophos Morales, mas rigidos, supuestas las doctrinas generales de los entretenimientos, dexen al arbitrio de los Inventores las reglas de esta virtud para los casos particulares, [...].« In Replik auf die von Nasarre betonte Verpflichtung der Dichtung zur Imitation der Natur, spricht er Lope und Calderón zu, gerade durch die - gegen die klassischen Regeln verstoßende - Zusammenfiihrung tragischer und komischer Elemente ein Abbild des Lebens geschaffen zu haben und damit in Nachfolge Gottes getreten zu sein: »[...] si la Comedia, como la Pintura, hà de ser un simil de la vida humana, a tanto se elevó el Arte de nuestros Heroes en sus Obras Cómicas, que imitaron à Dios, como Christianos Poetas. [...] Sabian que era el hombre hecho à imagen y semejanza de Dios, y quisieron acreditar ser imagen suya en la nueva invención de sus Comedias, arreglándose à lo Christiano en el enlace de lo Trágico, y Cómico, con algunos passages de lo gracioso, y urbano; aunque faltassen al nivèl Terenciano, y Plautino.« 11 Ciencia divina del humano regocijo. Bienaventuranza de los pueblos, ciudades, y reinos, cifrada en aquellas palabras celestiales, Beatus populos, qui seit jubilationem. Psalm. 88, v. 16. Obra utilissima para el bien de las almas, y acertada dirección de las conciencias. Compuesta por D. Ramiro Cayorc y Fonseca, Presbitero. Depende del prologo la plena inteligencia de esta obra; lease sin falta, y con reflexion. Con privilegio. En Salamanca: Por Antonio Joseph Villagordo, y Alcaràz. Año de 1751. Im Folgenden zitiert unter dem Kurztitel Triumpho. Das Pseudonym Ramiro Cayorc y Fonseca ist Anagramm von Francisco Moya y Correa. Der Jesuit scheint über seine theaterfeindliche Schrift hinaus auch den Abriss des Theaters von Burgos veranlasst zu haben. Sommervogel: Bibliothèque des écrivains de la Compagnie de Jésus T. 5, Sp. 1349. Cotarelo: Bibliografía, S. 473ff.

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der Jesuit, neben der Untersuchung der Zulässigkeit des Theaters s o w i e der Erörterung der Kompetenz der Stadtverwalter ( R e g i d o r e s ) bezüglich der Theatererlaubnis, die Frage: »Qué es lo que puede fiarse de la Aprobación del Rmo. Padre Maestro Frai Manuel Guerra, que dio sobre este punto, y anda inserta entre las obras de Don Pedro Calderón de la Barca?« (Triumpho, S. lf.). Dabei nimmt er im Vorwort seiner Schrift ausfuhrlich auf den Discurso critico Bezug. 1 2 Zwar geht er hierbei nicht explizit auf das Dictamen v o n Agustín Sánchez ein, seine Neuaufnahme der Polemik g e g e n Guerra lässt aber vermuten, dass er mit der Veröffentlichung des Triumpho auf Guerras posthume Verteidigung durch Sánchez repliziert. Entsprechend seines Selbstverständnisses als »mero relator« ist die umfangreiche Abhandlung des Jesuiten eine kompilatorische Schrift, in der er großenteils das Argumentarium seiner Vorgänger wiederholt und mit punktuellen Referenzen einzelne Ereignisse der licitud-Debatte aufgreift, weshalb die Schrift hier nicht genauer untersucht w i r d . 1 3 Erwähnenswert ist im Hinblick auf die Neuaufnahme der Polemik um Guerra aber M o y a s Bestreben, seinen Orden zu verteidigen, indem er einerseits die uniforme Gegnerschaft der Jesuiten gegenüber dem profanen Theater erneut hervorhebt 14 und andererseits - in Replik auf Guerras Vorwurf der

12 So zitiert er lange Passagen aus dem Discurso critico, den er auch als Replik auf Nasarres Prolog ausweist. Diese Bezugnahme lässt darauf schließen, dass er die Anklage gegen Guerra wieder aufnimmt, um auf dessen erneute - dem Discurso critico vorangestellte - Verteidigung durch Agustín Sánchez zu replizieren. Somit ergibt sich rund 70 Jahre nach Erscheinen der Aprobación erneut die Konstellation Jesuit versus Trinitarien. 13 Unter dem Aspekt der Rückschau auf die Debatte aus zeitgenössischer Perspektive wäre die Abhandlung aber einer eingehenderen Untersuchung wert. So beruft sich Moya y Correa auf die Jesuiten Francisco de Ribera, Pedro de Guzmán, Alonso de Andrade, Jerónimo Dutari und Ignacio Camargo und zitiert die Carta pastoral von Francisco de Valero y Losa sowie Feijoos Teatro critico. Auch stellt er die Ereignisse um Crespi de Boija ausführlich dar, ebenso die Theaterverurteilung des Jesuiten Gaspar Díaz sowie die darauf replizierende Verteidigungsschrift des Schauspielers Manuel Guerrero, die 1743 die Stellungnahme des Kastilienrats nach sich zog. Zudem rechtfertigt er die Verurteilung der Abhandlungen seiner Ordensbrüder Camargo und Díaz, die nur aus formalen Gründen von der Inquisition verboten worden seien. Moya y Correa fugt die theaterfeindlichen Materialien - teils mit, teils ohne Angabe seiner Quelle - akkumulativ aneinander, wobei er ganze Argumentationsstränge von anderen Theaterkritikern übernimmt, ohne sie als Zitate zu kennzeichnen (so vor allem von Pedro de Guzmán und Gaspar Díaz). Auch kommentiert er realhistorische Ereignisse wie die Aufhebung des Theaterverbots in Pamplona, zu dem sich die Stadt 1721 aufgrund der Pest in Marseille verpflichtet hatte (cf. Bibliografia, S. 183ff), und die Real cédula de Felipe V. zur Reform des profanen Theaters (cf Bibliografía, S. 640f.). 14 Er widmet der Auflistung der zeitgenössischen Theatergegner ein ganzes Kapitel: »XIV Citase parte de el numero prodigioso de Autores, que siguen en este punto á Santo Thomás; y se vindica á otros, que sin razón se alegan por la parte oppuesta« (Triumpho, S. 101-108). Nachdem er einige Jesuiten genannt hat, konstatiert er: »[...] dexo de citar á toda esta sapientissima Religion, que ya en el Pulpito, ya en las conversaciones particulares esgriman su zelo contra las Comedias. Todos los Escritores, sin quitar uno de esta zelosissima Religion, que escribieron sobre este punto, estuvieron siempre contra esta vanissima recreación de las Comedias inflexibles« (S. lOlf). Wie seine Vorgänger macht er auch die Dominikaner mit dem Argument ihrer Thomas von Aquin-Nachfolge zu Theatergegnern und lässt, um zu zeigen, »quan fuerte está, y llena de autoridad la que el vulgo llama thema, y capricho«, eine lange Auflistung weiterer Theatergegner mit den Kurztiteln ihrer Werke folgen. Neu - und für eine komparatistisch angelegte Erforschung der licitud-Debatte interessant - ist seine Aufzählung einer großen Zahl französischer Theatergegner, die er ebenfalls mit den Kurztiteln ihrer Schriften benennt (S. 104f.).

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Doppelmoral - das ordenseigene Theater als v o m profanen Theater völlig distinktes Phänomen verteidigt 15 . Seine Replik auf Guerra speist sich nahezu ausschließlich aus den Schriften von Herrera und Fomperosa, auf die er sich als »dos Escritores Antipologeticos« beruft und deren Argumentation er sich fast wörtlich zu eigen macht. 1 6 N i m m t M o y a hierbei auch die Widerlegung von Guerras theologischer Argumentation s o w i e die Rehabilitierung des - nunmehr bereits 100 Jahre toten - Hurtado de Mendoza in aller Ausführlichkeit wieder auf, so blendet er die - im Discurso critico im Vordergrund stehende - ästhetische Debatte, die mit der Veröffentlichung von Luzáns Poetik virulent geworden war, vollständig aus. D i e s legt w i e derum offen, dass es dem Jesuiten, der w i e üblich unverblümt zugibt, das öffentliche Theater nie besucht zu haben, 1 7 weniger um das profane Theater als um die Verteidigung der Societas Jesu und das Festschreiben einer Art »Ordensposition« geht.

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Die Veröffentlichung der Apelación als Replik auf den Triumpho: Trinitarier versus Jesuit

Aufgrund der umfassenden Erneuerung der Angriffe gegen Guerra ist die Abhandlung von M o y a y Correa für Gonzalo de Xaraba Anlass, die von Guerra rund 70 Jahre zuvor verfasste Verteidigungsschrift der Aprobación zu veröffentlichen. Xaraba leitet Guerras Verteidigungsschrift, deren Veröffentlichung er als Akt der Nächstenliebe darstellt, mit einer

15 So grenzt er in Replik auf Guerras Bemerkung, dass die jesuitischen Theatergegner selbst Dramen aufführen (Aprobación, S. 84, cf. supra), die auf Sinnlichkeit und Promiskuität ausgerichtete täglich aufgeführte Comedia von den selten und mit aller Vorsicht dargebotenen erbaulichen Jesuitendramen ab: »Y si todos saben, que los mismos que las desfavorecen, las han executado, debiera también saber el Padre Guerra, que esso es, y ha sido siempre con una notabilissima differencia: porque lo primero, las representan purissimas, sin el menor equivoco alusivo á cosas de el sexto Precepto, que puedan levantar pensamiento alguno deshonesto. Segundo, no se admite concurso de hombres, y mugeres. Tercero, no hai los Saínetes, Músicas, ni Bailes de mugeres. Y en una palabra, no representan cosas de amores como los Farsantes de profession, interpolados hombres, y mugeres, en lo qual está el mayor mal, [...]. Parecele á V.S. hai corta differencia entre una única Comedia, que al cabo de un año pueden celebrar con tanta circunspección los mismos que impugnan las Comedias, y tantas otras, como se executan por los Farsantes, en las quales se carece de essa circunspección, y con un modo totalmente diverso?« Triumpho, S. 314f. Guerras Anspielung auf das Jesuitentheater weist er folglich als »argumento ad hominem« zurück. 16 So teilt er seinem fiktiven Adressaten bezüglich Guerras Aprobación mit, »no puede haber cosa mas opportuna, que lo que voi á recopilarle de dos valientes Apologías, á excepción de tal qual cosa mía«. Triumpho, S. 287. Vor allem Herreras Argumentation übernimmt er bis auf kleine Veränderungen in Syntax und Wortwahl und setzt sogar dessen Appell, Guerra solle gegen die Comedia schreiben, aus seiner Perspektive ins Konjunktiv Perfekt: »Lo que yo con respeto, y veneración á las relevantes, y altas prendas de el Padre Fr. Manuel Guerra le hubiera supplicado, y con todas las veras de una sincera, y buena voluntad seria, si le hubiera alcanzado, que empleasse su pluma contra las Comedias« (S. 379). Cf. die Formulierung des Discvrso teologico, S. 28, i.e. S. 82. 17 »Esta especie de Comedias nunca las he visto: con que no puedo resolver experimentalmente, sino por consequencias. En fuerza de las que encuentro detestables, y lamentables, y de las que me demuestra un crecidissimo numero de Doctores, me inclino á que en las representaciones de Farsa de estos nuestros tiempos, con los adjuntos de Entremeses, Bailes, Sainetes, Músicas, Desenfado, Ornato, y compostura de las Comediantes [...] haya sobrada malicia de pungentes envenenadas, y mortales espinas.« Triumpho: »Al que leyere«.

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Lobrede auf den Trinitarier und dessen Aprobación ein 1 8 und stilisiert sich als Guerras Mittler auf Erden, der das fragmentarische Werk vervollständigt und publiziert, um den posthum angegriffenen Trinitarier zu rehabilitieren. 19 S o ergänzt er Guerras Verteidigungsschrift nicht nur um die Widmung an »los Eruditos de España« und ein Vorwort an den Leser, in d e m er ausführlich auf den Triumpho eingeht, sondern fugt auch ganze Kapitel in das Werk ein und ergänzt andere Kapitel um Angriffe auf M o y a y Correa und die Widerlegung des Triumpho?0 Legt Xarabas Bemühen, Guerra zu verteidigen und im G e g e n z u g den Jesuiten anzuklagen, bereits die Vermutung nahe, dass die Apelación von einem Trinitarier redigiert und veröffentlicht wurde, so entlarvt die Übereinstimmung einiger Passagen des Dictamen von Agustín Sánchez mit Guerras Verteidigungsschrift, dass Sánchez unter dem Pseudonym Gonzalo de Xaraba auch Herausgeber der Apelación ist. 21 D i e s macht w i e derum deutlich, dass die Polemik um Guerra auch eine Ordensdebatte zwischen Trinitariern und Jesuiten darstellt, die - rund 6 0 Jahre nach Guerras Tod - mit neuen Protagonisten besetzt weitergeführt wird. Sánchez nimmt zwar in der Widmung der Apelación in einem N e bensatz auch B e z u g auf die - in seinem Dictamen zum Discurso critico im Vordergrund

18 Hierbei betont er die breite Anerkennung der Aprobación und stellt die (jesuitischen) Gegner als skrapelbehaftete Randgruppe dar: »El Rmo. P. M. Fr. Manuel de Guerra y Ribera, Oráculo de la Theologia, Phenix de la Oratoria, verbi gratia de los mayores Sabios, Lustre immortal de la Religion Trinitaria, una de las Columnas en que estriva la grande opinion de la Universidad de Salamanca, y fuerte argumento de la Ciencia de los Españoles, aprobó, como saben V.ms. los Libros de Comedias del Principe de los Poetas Dramáticos Don Pedro Calderón de la Barca. [...] Mereció elogios la Aprobación, y pudo, á soplos del aplauso, volar en breve tiempo por las manos de casi innumerables. Todos la encarecieron, á reserva de algunos, que, ó escrupulosos, ó espantadizos, la denunciaron de sospechosa ante unos Juezes mal acondicionados, [...]« Apelación: »A los eruditos de España«. 19 Hierbei erklärt er, dass Guerra die Apelación nicht beenden konnte: »[...] graves motivos obligaron á pausar en la persecución del pleyto, y se pausó tanto, que sin perficionar la tela del juicio, cortó la muerte la de la vida á aquel docto Litigante de buena fe [se. Guerra], de quien pudo ser caracter el sufrimiento de calumnias. Por esta razón pensaron algunos, que yá el M. Guerra havia desamparado la Apelación. Mas se han engañado, pues aun despues de muerto la mejora oy por medio de este su venerador, y amigo, con animo irrevocable de seguirla, hasta que los verdaderamente doctos decidan si es él el precipitado, ó los que le satyrizan, y baldonan.« Apelación: »A los Eruditos de España«. 20 So fügt er dem zweiten und dritten Disput jeweils das letzte Kapitel (S. 105-126 und 194-221 der Apelación) hinzu und leitet den letzten Disput mit einem kurzen Kommentar ein. Seine häufig auch zwischengeschalteten Eingriffe in Guerras Text werden dabei zumeist nur durch den Perspektivenwechsel von der ersten in die dritte Person oder durch die Erwähnung des Triumpho deutlich. 21 So finden sich fast wörtliche Übereinstimmungen zwischen dem Diclamen von Agustín Sánchez und der Apelación (vgl. das Dictamen mit Apelación, S. 284 und S. 288f.), was darauf schließen lässt, dass Guerras Verteidigungsschrift in Sánchez' Besitz war. Xaraba erklärt im Vorwort der Apelación, dass Guerras Schriften durch dessen Ordensbrüder geplündert wurden und die Apelación »á diligencias de un pariente mio« an ihn gelangt sei, was seine Verbindung zum Trinitarierorden offen legt. Zudem wird Agustín Sánchez zwar im Diccionario de Escritores Trinitarios de España y Portugal (T. 2, 1899), bei Aguliar Piñal (Biblioteca de Autores españoles del Siglo XVIII, T. 7, 1993) und in dem ihm gewidmeten Artikel bei Cotarelo (Bibliografía, S. 533f.) nur mit diesem Namen aufgeführt. Im Artikel über Antonio Carrillo erwähnt Cotarelo den Trinitarier aber als Agustín Sánchez y Jaraba (S. 140). So erklärt sich das Pseudonym Gonzalo Xaraba, unter dem die Apelación veröffentlicht ist. Agustín Sánchez und Agustín Sánchez y Jaraba, die im Index nominum der Bibliografla als zwei Personen aufgeführt werden, sind folglich dieselbe Person und ebenfalls identisch mit dem Herausgeber der Apelación Gonzalo Xaraba. Da hier von dieser These ausgegangen wird, wird Xaraba im Folgenden als Agustín Sánchez zitiert.

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stehende - ästhetische Debatte um die Comedia,22 sein Hauptanliegen ist jedoch zweifelsohne, Guerra zu rehabilitieren und durch den Gegenangriff auf Moya einen Sieg über die Societas Jesu zu erzielen. So merkt er subtil an, dass die detaillierte Beschreibung der verführerischen Auftritte der Schauspielerinnen im Triumpho lasziver sei als die Liebesszenen der profanen Literatur selbst23, und unterstellt dem Jesuiten Voreingenommenheit gegenüber Guerra sowie mangelnde Sachlichkeit. Auch betont er, dass Moyas Angriffe gegen Guerra die fast wörtliche Erneuerung einer bereits rund 70 Jahre zuvor ausgetragenen Polemik darstellen, und deutet damit an, dass hinter der Veröffentlichung des Triumpho allein das Bestreben der Jesuiten stehe, sich durch den Angriff auf die Vertreter anderer Orden und deren Lehrmeinung zu profilieren.24 Dabei bezeichnet er den Triumpho als Höhepunkt

22 So verbindet er das Lob von Calderón erneut mit einem Seitenhieb auf Cervantes und nennt dabei auch eine Reihe weiterer zeitgenössischer Theaterautoren: »Lo cierto es, que en España no es nuevo que las Comedias se escriban con decoro, y se representen con decencia. Mas que digo? En el referido Calderón, Lope, Solis, Candamo, Roxas, y Zamora hay algunas, que no solo se pueden executar sin desgarro, sino que perderían toda su gracia, si se mezclára en la representación algún desmán, ö falta de modestia. Cervantes escrivió hasta doce, que por parte ninguna tienen picante, y (en dictamen de los que no saben donde aprieta el chiste) ni aun sal.« Apelación: »A los eruditos de España«. 23 »Don Ramiro [...] abortó el año passado un tomo, ocupando gran parte de él en morder la Aprobación del M. Guerra, y en desfigurar la opinion de su literatura. [...] y lo que mas me enoja en Don Ramiro [...] es, que forme de los afeytes, miradas, bueltas, y esguinces de las Comediantas, descripciones tan largas, tan patheticas, y tan expressivas, que ni el Griego á su Penelope, ni Ovidio á su Corinna, ni Propercio á su Cynthia, ni Catulo á su Lesbia, ni el otro ä su Laura pintaron con primores tan hechiceros, y coloridos tan resplandecientes.« Apelación: »A los eruditos de España«. Dieses Zitat lässt Cotarelo zu der Einschätzung kommen, »[que] viene á ser la obra [se. El Triumpho] uno de esos libros ascético-obscenos, tal vez más perniciosos que las obras que combate, por la minuciosidad y detenimiento que emplea en ciertos análisis y descripciones«. Bibliografía, S. 476. Moyas Ausführungen unterscheiden sich in ihrem suggestiven Tonfall indes kaum von den Werken anderer Theatergegner. So ist in allen theaterfeindlichen Schriften eine Tendenz zu der von Foucault für das 17. Jahrhundert erörterten »Diskursivierung des Sexes« zu erkennen, tragen die Theatergegner mit ihrer ständigen Warnung vor der Konkupiszenz doch dazu bei, die Sexualität zum Ausstrahlungspunkt von Diskursen und - unterstützt durch die nachtridentinische Beichtpraxis - zum Gegenstand des Geständnisses par excellence zu machen. Auch die »Lust an der Wahrheit der Lust« sowie die von Foucault analysierte Dialektik zwischen der Etablierung immer neuer Disziplinierungsmechanismen und ihrer anreizenden diskursvermehrenden Wirkung, derer sich auch die Vertreter der klerikalen Kultur selbst nicht entziehen können, wird an der licitud-Debatte manifest. So sei nur an die architektonisch vorgegebene und von eigens dafür bestellten alguaciles überwachte Geschlechtertrennung in den corrales erinnert, die belegt, dass die Sexualität mit dem Ziel ihrer Unterdrückung ständig in Rechnung gestellt - und somit gerade ins Bewusstsein der Menschen gerückt - wurde. Cf. Michel Foucault: Sexualität und Wahrheit, Bd. 1: Der Wille zum Wissen. Übersetzt von Ulrich Raulf und Walter Seitter. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1979. 24 So stellt er Moya y Correa durch ein ironisches Wortspiel mit den Schriften seiner Ordensbrüder Herrera und Fomperosa als Plagiator dar und weist die Selbstdarstellung des Jesuiten als neutralem Berichterstatter mit dem Hinweis auf die Einseitigkeit seiner Darstellung zurück: »Hace la acusación [sc. Moya] reproduciendo todo lo que escrivieron sus [se. Guerra] contrarios en el siglo passado con Buen Zelo, sin reparar en que es Hurtado todo. En esto solo cumple con su oficio, pues nada dice el Relator de suyo; [...] Pero calla, dexando ya su empleo, la respuesta que dio [...] D. Francisco Templado, como calla también lo que estampó en Salamanca D. Thomas de Guzmán; y todas estas piezas las oculta, por ser alegatos á favor de Guerra.« Apelación: »Prevención al que leyere«. Auch fragt er nach Moyas Absicht, die er implizit auf die Profilierungssucht der Jesuiten zurückführt: »Si me respondes, que ha sido preciso bolver por el honor del Padre Hurtado, á quien Guerra agravió en su Aprobación, yá le pusieron á él de oro, y azul los muchos que escribieron contra él, como sabes muy bien por lo que imprimes,

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der Angriffe auf Guerra und tadelt vor allem die Perfidie, den Trinitarier posthum anzuklagen. Während Guerra seine Verteidigung explizit auf die Widerlegung der Sachargumente seiner Gegner beschränkt hatte, fügt Sánchez immer wieder Kommentare und Erklärungen in die Apelación ein, die o f f e n legen, dass er im Grunde mehr um die Verteidigung von Guerras Position und Person s o w i e den Angriff auf die Gegenposition der Jesuiten bemüht ist als Guerra selbst. 2 5 S o holt er auch zu einem Gegenangriff auf die Societas Jesu aus, indem er mit Berufung auf die patristische Verurteilung der Pantomimen die Übernahme v o n Frauenrollen durch Männer im Jesuitentheater verurteilt und die Jesuiten subtil der Verweiblichung anklagt. 26 Die profane Comedia verteidigt er hingegen - trotz der Beteuerung im Vorwort, »a mi no m e hacen falta las Comedias« - mit dem Argument ihrer Fiktionalität und stellt auch den Interpretationsspielraum bei der Auslegung der patristischen Zeugnisse heraus, der die Debatte bereits über zwei Jahrhunderte in B e w e g u n g gehalten

pues es lo mismo que imprimieron antes.« So stehe hinter dem Triumpho allein der Angriff auf Guerra: »[...] desde que comienza hasta que acaba, es un tocar al Arma contra Guerra, como si huviera sido un Ateísta, que no tuvo mas Dios que las Comedias« (S. 210). Dabei insistiert Sánchez auf Moyas undifferenzierter Übernahme auch der Fehldarstellungen seiner Ordensbrüder, wobei er die Anstrengungen der Jesuiten, Guerra zu widerlegen und sich dabei in Einklang mit ihren Ordensbrüdern zu zeigen, immer wieder ironisiert. So polemisiert er gegen Fomperosa und dessen Plagiator Moya: »Cierto que admira, que un Zelo tan sano, que quiere ser tenido por Buen Zelo, no registrasse estos testimonios antes de resolverse á lo que dixo; pero su Zelo no le dio lugar para que hiciesse esta reflexión. Pues mas de admirar es, que copie el Triumpho, passados yá sesenta y ocho años, tan á la letra lo que escrivió el Zelo, sin haverle passado por la mente registrar en Salviano estos lugares; mas con el sobrescrito de Buen Zelo, fue preciso creerle como Oráculo« (S. 194). 25 So setzt er sich ausführlich mit Herreras und Moyas Vorwürfen gegen Guerra auseinander und erklärt ausdrücklich: »[...] aunque al Padre Guerra, como dice [...] no le assustaron sus [sc. las de Antonio Puente que el Autor del Triumpho buelve á estampar] interpretaciones, y por esso no escrivió sobre ellas, mas de lo que incientemente toca, quando le viene al caso en estas disputas; me ha parecido añadir algunas á esta lista, que en la misma Aprobación están satisfechas, y el sentido en que el P Guerra las dixo.« Apelación, S. 103. Da der Triumpho alle Anklagen gegen Guerra zusammenführt, bewertet Sánchez die Schrift als Kulminationspunkt der Polemik gegen Guerra: »Culpan á Guerra mucho los Papeles [...] y mas que todos el autor del Triumpho, porque traslada lo que culpan todos; y él de suyo pone su cantito« (S. 197). Er beendet die Apelación mit dem Appell an Moya, »[...] dexe á los muertos sepultar sus muertos, y no junte los muertos con los vivos, si no quiere que mueran apestados« (S. 515). So legen Sánchez' Stellungnahmen immer wieder seine Identifikation mit dem angegriffenen Guerra - und damit den verletzten Ordensstolz des Trinitariers - offen. 26 So wirft er Moya vor, nur das Ordenstheater zu akzeptieren, was er mit einer subtilen Kritik dieses Theaters verbindet: »No pide [sc. Moya] aqui, que sean Capuchinos, ni la opinion, y fama de Cartujos, sino es Estudianticos, sobre hermosos, hijos de Cavalleros, bien criados. De esta pintura quiere la Comedia, que la de farsa es Comedia mala, como expone [...] su pintura. La disputa no es essa, ni lo sueña; ni ay question sobre las dos pinturas, y sabe Dios qual será mas mala. No se habla de Comedias de Frayles, que hacen hombres papeles de mugeres, y el homo fr actus, que abomina Cypriano, no le hemos de meter en los Conventos, porque aqui fuera mas escandaloso.« Apelación, S. 211. Er beruft sich hierbei auch auf das biblische Verbot des Kleidertauschs (Dtn 22, 5) und entlarvt subtil die Misogynie der (jesuitischen) Theatergegner: »Abominable es, dice [sc. el Deuteronomio], para Dios el hombre que se viste de muger: lo mismo les sucede á las mugeres, que llegan á vestirse como hombres: [...] Y mucho mas sin duda en el consejo de un Presbytero, y sagrado Ministro (que assi se firma el Autor del Triumpho) que se insinúa tan escrupuloso, que aun se quiere hacer Juez de pensamientos. Quien le ha dicho, ö quien le ha assegurado, que no puede haver tanto, y mas peligro en los hombres vestidos de mugeres, que en las mugeres sin vestirse de hombres, que assi vestidas son abominables?« (S. 212).

Exkurs V: Neuaufnahme der Debatte um die Aprobación um 1750

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hat.27 Hierbei ironisiert er die sexualrepressive rigide Haltung der jesuitischen Theatergegner und setzt ihr in der Nachfolge von Guerra eine liberale Sichtweise entgegen.28 So machen die Kommentare des Trinitariers deutlich, dass er die Veröffentlichung des Triumpho, der die Anklagen gegen Guerra erneuert, als Angriff auf den Trinitarierorden und dessen liberalere Haltung auffasst und die Apelación folglich auch zur Verteidigung seines Ordens publiziert.

27 Während er betont, dass die Bibel keine autoritative Aussage über das Theater macht, unterstreicht er die Auslegbarkeit der patristischen Textzeugnisse: »[...] se vé, que no ay en la Escritura texto alguno que expresse las prohiba; y á las autoridades de los Padres las dán diversas interpretaciones, conforme la sentencia que promueven; [...] Los Theologos también se contradicen, fundando sus contrarias opiniones con razones, y doctos pareceres, y que autorizan con los Santos Padres, que aplican á su intento unos, y otros, tomando aquello que les viene al caso, y dando soluciones á lo opuesto.« Apelación, S. 206f. Hatte er den theaterspielenden Jesuiten vorgeworfen, durch die Übernahme von Frauenrollen homoerotische Tendenzen zu entwickeln, so unterscheidet er bei den Berufsschauspielern zwischen ihrer Rolle auf der Bühne und ihrem Status als Privatperson und unterstreicht die Fiktionalität der Aufführung, die den Zuschauern genauso bewusst sei, wie den Ausübenden selbst: »Esto lo saben todos los que assisten, y no ignoran quien son los Comediantes, pues los conocen por sus mismos nombres, y saben, que Agueda de la Calle es muger propia que Juan Angel tiene« (S. 215). 28 So repliziert er auf die Verurteilung der Schauspieler als promiskuitiv: »El interior no toca á nuestro juicio, que es privativo del Confessonario« (Apelación, S. 215), womit er gewiss auch auf die bei den Jesuiten übliche Gewissenserforschung abzielt. Provokativ - und aufschlussreich für die heutige Forschung, die zur Überbewertung der comedia-Texte neigt - ist auch sein Vergleich von Theater- und Kirchenliedern bezüglich der Unmöglichkeit, den Text zu verstehen: »Aquel golpe de Música que escucha [el auditorio], no passa del oido su eficacia, sin llevar á la mente otra noticia, que de aquella dulzura armoniosa, mas del verso uinguna [sie!] inteligencia. Esto se experimenta cada dia en las Músicas qué hay en las Iglesias. Yo de mi digo, que por mas cuidado que he puesto muchas veces en oírlos, nunca he podido percebir el verso, sino es que sea quando uno solo canta el O admirable Sacramento« (S. 216).

APELACION AL TRIBUNAL DE LOS DOCTOS,

JUSTA DEFENSA D E LA APROBACION A LAS COMEDIAS de Don Pedro Calderón de la Barca, imprefla en 1 4 . de Abril del año de 16% t .

IMPUGNACION DE

LOS

EFICAZ

PAPELES,

QJ7E S A L I E R O N C O N T R A ELLA hafta elaño de 1683. En que da clara , y á fufa vor la mente de los Padres en las autoridades que le oponen. A

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,

QUE DEXO ESCRITA EL Rmo. P, M. Fr. MANUEL de Guerra y Ribera , Doíior Theologo, y Cathedratico de la Unioerfidad de Salamanca t Predicador de fu Magefiad% y fu Theologo,Examinador,y Thtologo de la Nunciatura,Examinador Synodal del Arzobi/pado de Toledo,y Padre déla Provincia de Cafiilla, del Orden de la SSma.Trinidad, Redempcion de Cautivos, Natural de Madrid.

S A C A L A A L U Z , Y LA D E D I C A

A LOS ERUDITOS DE ESPAfiA m^d *-

gOü^ZALO XA'RA'BA. CON

LICENCIA.

EN M A D R I D : £n la Imprenta del M£Rcunro,por Impreílor. Año de M D C C L I I .

^ JOSEPHDE O R G A ,

V, IX

Manuel de Guerra y Ribera: Apelación al tribunal de los doctos. Eine Schrift zur Verteidigung der theologischen Lehrmeinung.

1

Guerras Verteidigung seiner Kirchenväterexegese und seiner theologischen Lehrmeinung

1.1

Äußerer Aufbau und sprachliche Gestalt der Apelación al tribunal de los doctos

Die Apelación, die Guerra als Replik auf die Anklageschriften seiner Gegner verfasst hat, ist in fünf Dispute unterteilt.1 Im ersten Disput (S. 7-126) geht Guerra - nach einer Introducción, in der er den Grund seiner Verteidigung ausfuhrlich dargelegt hat - auf die gegen ihn veröffentlichten Schriften ein und erklärt seine Pflicht, auf diese zu replizieren. Auch stellt er den breit angelegten Plan seines Werks dar, das sich neben der Widerlegung und Korrektur seiner Gegner ausfuhrlich mit den spectacula sowie der diesbezüglichen Lehrmeinung der Kirchenväter und antiken Autoren befassen will. Abschließend beabsichtigt er, auf die Fragen der Zulässigkeit der zeitgenössischen Comedia und der Stierkämpfe einzugehen, die für ihn aufgrund der Herleitung des Urteils aus den ebenfalls Theaterauffuhrungen und Tierhetzen umfassenden antiken ludi untrennbar miteinander verbunden sind. Dieses - wie auch andere2 - Vorhaben realisiert er jedoch nicht mehr. Als Angelpunkt seiner Verteidigung fügt Guerra in den ersten Disput zudem die Aprobación ein, um seinen Lesern die Überprüfung seiner Aussagen sowie den Nachvollzug der einzelnen Streitpunkte der Polemik zu ermöglichen. Der zweite Disput (S. 127-221) befasst sich mit den »espectáculos antiguos«, wobei Guerra ihren Ursprung klärt und auf die notwendige Unterscheidung zwischen Wagenrennen, Athleten- und Gladiatorenkämpfen, Tierhetzen und Theaterauffuhrungen hinweist. Hierbei stützt er seine Ausfuhrungen vornehmlich auf die Abhandlungen über die spectacula des Kenners der Antike Justus Lipsius und des Jesuiten Jules César Bulenger sowie auf die Textzeugnisse der Kirchenväter. Nach der Differenzierung der antiken ludi geht 1

2

Da das Werk Fragment geblieben ist, bleibt unklar, welchen Anteil Sánchez an der Redaktion und Gliederung des Textes hatte. So scheint er die Schrift auch als Apelación al tribunal de los doctos betitelt zu haben, da er sie den »Eruditos de España« widmet. So setzt er sich mit dem Arbitrage und der Eutrapelia, die er nach dem Bven Zelo und Herreras Discvrso teologico widerlegen will, nicht mehr auseinander. Auch befasst er sich in Hinblick auf die zeitgenössische Comedia nicht mit »el numeroso esquadron de Autores, y Universidades, practica de Reynos, Tribunales, y quanto pudiere conducir á una firme incontrastable probabilidad.« Apelación, S. 37. Da seine Gegner - vor allem der Autor des Arbitrage (cf. supra) - seinem Urteil jegliche Probabilität abgesprochen hatten, kündigt Guerra zudem an, Kriterien für eine probable - und folglich anzuerkennende Aussage aufzustellen, was ebenfalls unrealisiert bleibt. Guerras Plan war wohl zu breit angelegt. Möglich ist auch, dass er im Laufe der Jahre - mit dem Verstummen der Polemik - das Interesse an der Replik verloren hat. Sánchez weist jedoch auch auf die mögliche Existenz weiterer Fragmente neben dem von ihm veröffentlichten Teil der Schrift hin: »Ni todo lo que ofrece sale aora; sea porque dexó correr la pluma [...] en la Defensa de su Aprobación, y con solo esto ha crecido este Libro demasiado; de que me alegro, porque se conozca, que solo he concurrido á la Defensa de un honor combatido en el Sepulcro; mas con las armas que manejó vivo, que [...] hacen victorioso, si no invencible, á todos sus contrarios. O yá porque no hay en mi poder de esta Obra cabal original, sino solo uno, ú otro borrador, en que se vé, que toda la havia escrito, pues se remite á lo que ha tratado, y no es á lo que aora sale impresso; y assi esta Obra, como sus Sermones, se dividió entre muchos en su muerte, [...].« Apelación: »Prevención al que leyere«.

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Guerra ausfuhrlich auf die Abschwörung der spectacula in der Taufe ein, die er als Beweis für den götzendienerischen Charakter des antiken Theaters wertet. In Replik auf Fomperosa, der betont hatte, dass die Kirchenväter die spectacula auch nach Ende des Heidentums noch verurteilen, setzt sich Guerra zudem mit der Dauer des Heidentums in Europa auseinander und skizziert anhand von Kirchenväter- und Konziltexten die Geschichte der Christianisierung. Der dritte und vierte Disput der Apelación sind der Doktrin der »Padres, y Escritores antiguos« gewidmet (S. 221-462), wobei Guerra auf die Textzeugnisse von Justin dem Märtyrer, Athenagoras, Theophilus, Tatian dem Syrer, Minucius Felix, Tertullian, Cyprian, Clemens von Alexandrien, Laktanz, Firmicius Maternus, Orígenes, Athanasius, Pacianus, Cyrill von Jerusalem, Basilius, Gregor von Nazianz, Irenäus von Lyon, Epiphanius, Asterius von Amasea, Basilius von Seleuka, Chrysostomus, Salvian, Isidor von Sevilla und Augustin eingeht.3 Nachdem er Lebensdaten und Werk der jeweils behandelten Patristen benannt hat, bezieht er sich zunächst selbst auf dessen Textzeugnisse und sichert seine Auslegung dann mit den anerkannten Kommentatoren der Kirchenväter ab, wobei er alle Zitate innerhalb seines Textes ins Spanische überträgt und zur Verifikation die lateinischen Originalzitate der Kirchenväter sowie der maßgebenden Exegeten an den Rand stellt.4 Nach der ausfuhrlichen Darlegung der patristischen Zeugnisse korrigiert Guerra jeweils deren falsche oder verkürzte - Widergabe durch Herrera und Fomperosa und verteidigt seine Interpretation gegenüber ihren Anklagen. Der letzte Disput, der trotz des Fragmentcharakters knapp 60 Seiten umfasst, behandelt die Frage, »si en la ley antigua se permitió el odio de los enemigos«, wobei Guerra seine in der Aprobación zur Verteidigung der Comedia vorgebrachte - These von der Toleranz des Feindeshasses im Gesetz Mose in Replik auf Herrera, der ihn hierfür der Häresie bezichtigt hatte, mit einer langen Auflistung von Bibelzitaten und Kirchenväterzeugnissen belegt.5 Schon diese kurze Darstellung zeigt, dass Guerra in seiner Verteidigungsschrift vom Ausgangspunkt der Debatte - der Verteidigung der zeitgenössischen Comedia in der Aprobación - gänzlich abgerückt ist und stattdessen die Apologie seiner Kirchenväterexegese sowie seiner theologischen Aussagen in den Mittelpunkt stellt. Zwar mag die fehlende Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Theater dem Fragmentcharakter der Schrift

3

4

5

Am Intensivsten befasst er sich mit Tertullian, dessen De spectaculis er vollständig referiert. Mit Augustins Theaterkritik setzt sich Guerra nur in Replik auf die von Fomperosa zitierten Stellen auseinander, die er in ihrer Mehrzahl dem Zirkus und dem Gladiatorenkampf zuordnet. So stellt er die - von den Theatergegnern in den Kontext des Theaters übertragene - Verführung des Alypius im Amphitheater richtig (cf. supra: IV, Anm. 76) in den Kontext der Gladiatorenkämpfe und bezieht sie folglich auf die zeitgenössischen Stierkämpfe. Während er auf die - ebenfalls auf Augustin zurückgehende - Frage eingeht, ob man die Schauspieler entlohnen dürfe, die er freilich bejaht, klammert er Augustins psychologische Überlegungen zur Theaterleidenschaft völlig aus. Dieses Vorgehen bricht gegen Ende der Schrift ab. So integriert Guerra die lateinischen Zitate ab der Darstellung von Chrysostomus' Lehrmeinung (S. 411) ohne Übersetzung in seinen Text, was auf sein Bestreben, das Werk schneller fertig zu stellen bzw. auf den Fragmentcharakter der Apelación zurückzufuhren sein mag. Der Disput wird von Sánchez, der seine Intervention an dieser Stelle erstmals kenntlich macht, beendet. So bemerkt er in der Randglosse »Hasta aqui escirviö Guerra«. Apelación, S. 511. Zu Guerras These über den Feindeshass und deren Verurteilung durch Herrera cf. Aprobación, S. 81 f. /Discvrso teologico, S. 30f. (cf. supra).

Manuel de Guerra y Ribera: Apelación al tribunal de los doctos

365

geschuldet sein. Wie sehr die eigentliche Frage der licitud-Debatte aber in den Hintergrund gerückt ist, zeigt allein die Ausführlichkeit, mit der Guerra zu den Kontroversen Stellung nimmt, die um seine Interpretation der patristischen Schriften sowie seine theologische Lehrmeinung entstanden sind.

1.2

Replik auf die Angriffe der Societas Jesu

Nachdem Guerra die Abfolge der gegen ihn erschienen Schriften dargelegt hat,6 widmet er sich ausfuhrlich der Rechtfertigung seiner Replik. Hierbei betont er, dass er die Beleidigungen seiner Person nachsichtig vergebe, die Angriffe auf seine Lehrmeinung jedoch aufgrund ihrer Fundierung auf den Schriften der kirchlichen Autoritäten nicht dulden könne. Während er als Motiv für seine Verteidigungsschrift somit einerseits die Rehabilitierung der von ihm zitierten Autoritäten angibt, betont er andererseits die Pflicht, für die Integrität seines Namens Sorge zu tragen, da der Ruf des Geistlichen unweigerlich auf seine Religion zurückfalle. Ebenso besorgt zeigt sich Guerra um das Seelenheil seiner Gegner, denen er mit Berufung auf Augustin erklärt, sich durch die Verleumdung eines Priesters der Todsünde schuldig gemacht zu haben. Folglich stilisiert er seine Verteidigungsschrift zur Medizin für die Seelen seiner Gegner und zum Kreuzzug gegen die Anklage der Häresie.7 Dabei stellt er seine seriöse Vorgehensweise immer wieder den illegitimen Taktiken seiner Gegner gegenüber, die ihre Schriften anonym und ohne die notwendige kirchliche und staatliche Genehmigung veröffentlicht und sich aus Mangel an Argumenten mit dem Schild fremder Autoritäten gewappnet haben. So bewertet er den Wiederdruck der Abhandlung 6

Als erste Gegenschrift nennt er die »Satyra con nombre de Dudas curiosas á mi Aprobación«, deren substanzlose Angriffe gegen seine Person er erduldet und gemäß seiner priesterlichen Pflicht verziehen habe. Weiterhin nennt er »[primero] un Papel con nombre supuesto de D. Antonio Puente Hurtado de Mendoza« (i.e. Herreras Discurso teologico), »segundo, con nombre de Buen Zelo: tercero con nombre de Eutrapelia, [...] quarto, un Sermon antiguo del Ilustrissimo Señor D. Luis Crespi de Boija, buelto á reimprimir«. Ebenso ist er über die zu seiner Verteidigung verfassten Schriften von Tempiado und Guzmán informiert, deren - ihm von seinen Gegnern unterstellte - Autorschaft er unter Priestereid zurückweist. Cf. supra: Exkurs II, Anm. 2. Als letztes erwähnt er »otro Papel, con nombre de Arbitrage Político Militar« und kommentiert die gesamte Polemik: »En tanta complicación de Plumas, se vén mezcladas las injurias de la persona, con las censuras de ta doctrina.« Apelación, S. 2.

7

So betont er immer wieder: »Cómo tengo de callar quando escucho, que la opinion de Santos, y de los mejores Autores, se llama heretica, errónea, y escandalosa? Esta no es causa mia, causa es de Dios.« Apelación, S. 25f. Sein Erdulden der Attacken ad hominem setzt er mit der Passion Christi gleich. So habe auch Jesus die Angriffe auf seine Person erduldet, seine Doktrin aber verteidigt. Folglich wiederholt er unermüdlich: »A las injurias, pues, respondo con el perdón, y la tolerancia: a los argumentos responderé con la doctrina; porque tanta obligación es perdonar á quien me ofende, como enseñar á quien no sabe« (S. 5). Auch verweist er auf seinen Priesterstatus, der ihn als öffentliche Person zur Verteidigung seiner Ehre im Namen der christlichen Doktrin verpflichte: »Si se atiende la calidad de la fama, se mira mas obligatoria, porque es fama de persona publica, que tiene, aunque indigno, la ocupacion de Ministro Evangélico, y su doctrina [...] oída, y comunmente aceptada« (S. 11). Vor allem hebt er aber hervor, dass die Verurteilung seiner Doktrin »no solo es injuria contra mi verdad, sino es contra Santos, Doctores, y Universidades, que enseñan esta opinion, [...] y causa admiración á la prudencia humana, que quatro Papeles sin nombre, se arrojen á censurar de errada una opinion, por cuyo peso están los mayores Autores con su doctrina, y la practica de casi todo el Universo con su assistencia. [...] y fuera grave culpa no bolver por tan sagrados respetos, y feissima ingratitud a los que me han enseñado lo que escrivi, y escriviré, sino alagara todo el poder de mi flaco brazo para que no se pretenda anegar la reputación Christiana de tantas veneradas Plumas« (S. 14). So stellt er seine in der Aprobación vertretenen Thesen geschickt als opinio communis der kirchlichen und weltlichen Autoritäten dar.

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366

v o n Crespí d e Borja als Fälschung und verweist auf deren auffallende Ähnlichkeit mit F o m p e r o s a s Argumentation. 8 Im G e g e n z u g betont er seine e i g e n e Integrität und versichert, in der Aprobación

nicht die B e l e i d i g u n g v o n Hurtado, sondern allein die W i d e r l e g u n g v o n

d e s s e n L e h r m e i n u n g beabsichtigt z u haben. S o bietet er auch an, die vermeintlich verletz e n d e n P a s s a g e n aus der Aprobación

z u tilgen, und bekundet s e i n e n Respekt vor der A u t o -

rität d e s Jesuiten s o w i e s e i n e Verehrung d e s g e s a m t e n Ordens. D i e vordergründige Ehrerbietung verbindet er aber stets mit einer subtilen Ironie, die z u m e i n e n die (verletzte) Eitelkeit der Societas

Jesu

in F o l g e s e i n e s A n g r i f f s a u f ihren Ordensbruder entlarvt u n d z u m

anderen die Strenge s o w i e den Kontroll- und M a c h t w i l l e n des s i c h als Organ der g e g e n r e formatorischen Sittendisziplinierung b e g r e i f e n d e n Ordens anklagt. 9 Während er seinen G e g n e r n M a n g e l an N a c h s i c h t und christlicher N ä c h s t e n l i e b e vorwirft, w e c h s e l t s e i n e eig e n e Haltung z w i s c h e n d e m

floskelhaften

Zugeständnis der Rechtmäßigkeit ihrer A n k l a -

gen, der demonstrativ zur Schau gestellten N a c h s i c h t g e g e n ü b e r ihren Fehldarstellungen und der apodiktischen V e r t e i d i g u n g seiner Position. S o distanziert er sich auch v o n d e n Wortstreitereien und d e n polemisch-polarisierenden Argumentationstaktiken seiner Gegner, die i m Verlauf der P o l e m i k u m die Aprobación

Überhand g e w o n n e n haben. Betont er hier-

8

Guerra betont gleich zu Anfang: »Mi respuesta vá con mi nombre, por cumplir la obligación Christiana, y Política; pues el Concilio nos manda pidamos la licencia al Arzobispo, ü Obispo Diocesano, y su Magestad á su Real Consejo.« Apelación, S. 5f. Spielt er hiermit bereits implizit auf das illegitime Vorgehen seiner Gegner an, so konstatiert er bezüglich des Wiederdrucks von Crespis Abhandlung: »Empeñados los Papeles sin nombre en condenarme, buscaron patrocinio de autoridad, adonde no llegaba su razón. Eligieron uno muy de mi respeto, que fue al Illmo. Don Luis Crespi de Borja« (S. 284). Guerra bezeichnet den Neudruck der Schrift als Fälschung, da Crespi das antike Theater hierin als »de su naturaleza indiferente« beurteilt, was für Guerra, der von der absoluten Unsittlichkeit des antiken Theaters ausgeht, nicht das Urteil eines »Varon tan sabio« (S. 297) sein kann. Während er wahrscheinlich richtig vermutet, dass die Neuauflage der Schrift von Fomperosa besorgt wurde - so deutet er immer wieder an: »Este discurso del Zelo, y el del Reimpressor de Crespi parece el mismo« stimmt die Neuauflage von Crespis Abhandlung aber mit der Originalausgabe von 1649 überein (cf. supra). Da es unwahrscheinlich ist, dass der ansonsten auf Genauigkeit bedachte Guerra sich nicht die Mühe eines Vergleichs der beiden Auflagen gemacht hat, ist seine Anklage der Fälschung als Gegenangriff auf seine Gegner zu werten.

9

Nachdem er seine Wertschätzung gegenüber Hurtado ausgedrückt hat, ironisiert er das Bemühen der Jesuiten, Hurtado als »gigante de sabiduría« (cf. supra) darzustellen: »Reconozco al Padre Hurtado por Escritor muy docto en Theologia, y Philosophia, muy acertado en sus escritos, y muy bien fundadas sus sentencias [...] Bastaba para mi veneración ser hijo de una Religion tan grave, que la mira mi respeto como Universidad de las Ciencias; pues no ha havido Facultad [...] que no tenga tan graves Autores, que merecen llamarse Principes. Es la tierra de promission de los frutos de la sabiduría, adonde todos son Gigantes.« Apelación, S. 40. Da Guerra für eine tolerantere Religion plädiert, die dem Einzelnen ein gewisses Maß an Selbstbestimmung zugesteht, ist auch sein Lob des kulturellen Homogenisierungsbestrebens der Societas Jesu als Polemik gegen ihre Kontroll- und Disziplinierungsmaßnahmen zu werten: »Concluyo, pues, mi dolor, protestando, que al Padre Hurtado, y á todos los suyos, los venero, estimo, y amo, no como merecen sus insignes prendas, pero quanto cabe en las atenciones de un respeto, que los mira como á doctos, y virtuosos, y que tanto han promovido la Fé, batallando contra los hereges, y adelantando tanto las ciencias con sus continuas vigilias« (S. 41). Bezüglich des wohl ironisch gemeinten Lobs, die Societas Jesu treibe die Wissenschaften durch ihre Kontrollmaßnahmen voran, sei daran erinnert, dass der von Guerra vielzitierte Jesuit Bellarmin Galilei 1616 die Verurteilung des kopemikanischen Systems mitgeteilt hatte. Thomas Dietrich: »Bellarmin«, in: LThK, Bd. 2 (1994), Sp. 189ff. Auch die strenge Sexualmoral seiner jesuitischen Gegner weist Guerra erneut zurück, wenn er bei der Auseinandersetzung mit den Kirchenvätern in einem Nebensatz seine These von der Erlaubnis der zweiten Ehe wiederholt (S. 227).

Manuel de Guerra y Ribera: Apelación al tribunal de los doctos

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durch, dass es ihm um Inhalte und nicht um formale Nebensächlichkeiten und gekränkte Eitelkeiten geht, so gibt er die gegen ihn gerichteten Vorwürfe doch an seine Gegner zurück, indem er nebenbei auf ihre falschen Stellenangaben, falschen bzw. fehlenden Kontextualisierungen, (absichtlichen) Auslassungen sowie ihre mangelnde Zitiertreue hinweist.10 Zeigen Guerras lange Verteidigungen seiner Kirchenväterexegese sowie seiner These von der Toleranz des Feindeshasses im Gesetz Mose, dass er die gegen seine theologische Lehrmeinung gerichteten Anklagen ernst nimmt und um die Verteidigung seiner Integrität als Priester bemüht ist, so repliziert er auf den Vorwurf, seine Theaterverteidigung auf spanisch verfasst und in einen Comedia-Band integriert zu haben, absichtlich mit naiver Arglosigkeit: »[...] me acusa [sc. el Buen Zelo] imprudente, porque escrivo en la lengua vulgär la Aprobacion ä los libros escritos en vulgär, ignorando que escriviendo en Latin, les viniera tan bien, como en Frances. Pero dice, que el punto lo requiere, por tratarse de materias morales, bien que por imitarme, no le sigue« (S. 102).

Auf den eigentlichen Vorwurf seiner Gegner, die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters einem breiten Laienpublikum zugänglich gemacht und damit die Vormachtstellung der klerikalen Kultur gefährdet zu haben, geht Guerra also nicht ein, sondern wirft seinen Gegnern, die ihre Schriften in Folge der von ihm zerstörten Exklusivität der Debatte gezwungenermaßen auf Spanisch verfassen mussten, inkonsequentes Handeln vor. Indem er sich gegenüber der eigentlichen Anklage seiner Gegner unverständig stellt und sich zur Rechtfertigung auf Gonzalez de Critana und Cascales beruft, die ihre theaterbezüglichen Traktate bereits vor ihm auf spanisch veröffentlicht haben," macht er deutlich, dass das Recht der 10 Guerra erneuert auf diese Weise auch den Angriff auf Hurtado. So tadelt er - ohne Hurtados Namen zu nennen - dessen unchristliche Verurteilung von Lope de Vega (De spe, S. 1572b, cf. supra), als er herausstellt, dass Basilius sogar den Heiden Homer lobe: »Assi habla Basilio de un Gentil Homero; y ha havido Autor Christiano, que tiene impresso que hizo Lope de Vega, con las mil Comedias que compuso, mas daño, que pudieran haver hecho mil demonios. Para verdad es excesso; para ponderación es horrorosa.« Apelación, S. 390. Wird hier einerseits deutlich, dass sich Guerra - wie in der Aprobación (cf. supra: V, V, Anm. 60) - implizit von Lopes Theater distanziert, wenn er die Verurteilung seiner Stücke als häretisch nur als »excesso« bewertet, so ist das Zitat andererseits beispielhaft für Guerras Kritik des Fehlens christlicher Tugenden bei seinen Gegnern. Im Gegenzug unterstreicht er seine christliche Demut, indem er auf rhetorischer Ebene seine Unzulänglichkeit betont: »Publican de mi estos Papeles derramados por el mundo, que soy ignorante. Esto se lo firmo de mi nombre« (S. 13). Auf inhaltlicher Ebene macht er aber einen Wahrheitsanspruch für seine Aussagen geltend: »Pues cómo se pretende obscurecer una verdad tan patente como el Sol?« (S. 264). Gleiches gilt für die Auseinandersetzung mit den Schriften seiner Gegner: Während er betont: »no hagamos question de vocablo« (S. 274), befasst er sich doch ausführlich mit ihren Übersetzungs- und Zitierfehlern. Seine Anklagen kulminieren im gegen Fomperosa gerichteten Vorwurf der absichtlichen Verfälschung und inkompetenten Übersetzung der kirchlichen Autoritäten: »Protesto á Dios, que pido licencia para preguntar, y decir admirado, si es esto traducir, ö engañar? Es ser Traductor, ö Tradditor? [...] El traducir á los Santos, no es para puros Gramáticos, es para Latinos« (S. 419). Dabei übergibt er das Urteil nach seiner subjektiven Darstellung stets dem Leser, cf. z.B. »Juzguen los Doctos este pleyto; que será faltar á lo venerable de las Leyes introducirme á Juez siendo Parte« (S. 441). 11 So entgegnet er Fomperosa: »Mas debiera advertir su gran prudencia, que se hallan en Romance muchas Sumas, que trahen la question en este Idioma. Vea al Padre Gonzalez de Critana, Del uso bueno, y malo de las Comedias, [...]. Pero si quiere percebir la mente en las autoridades de los Padres, lea á Cascales, Historiador de Murcia; y notará en sus Cartas Philologicas, quanto distan las Comedias antiguas, de las que se executan en España.« Apelación, S. 102f. Der Augustiner González de Critana

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368

Laien an der - sie betreffenden - Debatte über das profane Theater teilzuhaben, für ihn außer Frage steht.

1.3

Erneute Exegese der Kirchenväter als Replik auf die Angriffe der Gegner

Guerra formuliert zunächst einige Prämissen bezüglich der Anwendbarkeit der patristischen Zeugnisse auf die zeitgenössischen Theateraufführungen und Stierkämpfe: So stellt er - wie in der Aprobación - heraus, dass die Urteile der Kirchenväter aufgrund der historischen Distanz nur »vi consequentiae« auf die zeitgenössische Theaterrealität übertragen werden können, »esto es, si acaso contienen nuestras Comedias lo que acusaban en aquellas antiguas«.12 Zudem betont er, dass die Patristen nicht nur »pecados manifiestos« verurteilen, sondern auch lässliche Sünden und Gefahren tadeln, wobei er ausfuhrlich zwischen dem Unzulässigen, das in der faktischen Gesetzesübertretung besteht, und dem Gefahrlichen, das aus der - in allen Lebensbereichen gefährdeten - menschlichen Schwäche resultiert, unterscheidet.13 Schafft er sich hiermit eine Basis, um das zeitgenössische Theater zu legitimieren, so hebt er zudem hervor, dass nur wenige patristische Zeugnisse sich ausschließlich auf das Theater beziehen. Guerras systematische Auseinandersetzung mit den antiken spectacula und den Zeugnissen der Kirchenväter ist dabei zunächst Replik auf den Vorwurf seiner Gegner, er habe in der Aprobación einzig auf der Idolatrie des antiken Theaters beharrt, um die zeitgenössische Comedia vom Verdikt der Kirchenväter zu befreien. Folglich betont er immer wieder: »Yo condeno (de los Padres) las Comedias por tres razones capitales que elijo, á las quales se reducen todas. Por su institución, porque se instituyeron á honor de los Idolos. Por su estilo, porque decian, y hacían abominables torpezas. Por su daño, porque torpezas vistas, y executadas por sus Dioses, divinizaban los delitos« (S. 272).

In Replik auf Fomperosa, der betont hatte, dass die Kirchenväter das Theater auch nach Ausgang des Heidentums noch verurteilen, belegt Guerra das Bestehen des Heidentums anhand der Aussagen der Patristen und der Kanones de cultoribus Idolorum der Konzile von Toledo bis ins 7. Jahrhundert. Hierbei beruft er sich auf die Annales ecclesiastici des Baronius und weist Mariana, auf den sich Fomperosa gestützt hatte, mit dem üblichen Seitenhieb auf die Societas Jesu eine falsche Zeitrechnung sowie eine Reihe historischer Fehldarstellungen in seiner Historia General de España nach.14 Ausgehend von der Absage an

hatte sich in der Tercera parte del Confesionario (1610) für die Akzeptanz eines zensierten Theaters moralischen Inhalts ausgesprochen. Bibliografía, S. 325f. Francisco Cascales hat Lope de Vega eine seiner bekannten Cartas filológicas gewidmet (cf. supra). 12 Apelación, S. 32. Während er die Unsittlichkeit des antiken Theaters als Beweis vorbringt, dass die Comedia von den Urteilen der Kirchenväter unberührt bleibt, appliziert er die Verurteilung der Gladiatorenkämpfe und Tierhetzen auf den Stierkampf. Auch er legt die antiken Zeugnisse also ahistorisch aus, wenn es seiner Argumentation dienlich ist. 13 So betont er: »[...] tantos peligros hay en todos los objetos, aunque sean honestos, como deslices pueden tener nuestras frágiles passiones.« Vom Gefährlichen auf das Unzulässige zu schließen, bedeutet für Guerra deshalb, aus dem Risiko ein Gesetz zu machen, wobei er das - für seine Gegner, die ihm gegenüber die Keuschheit als absoluten Wert propagiert hatten (cf. supra), - sowohl provokative als auch schlagkräftige Beispiel anführt: »Peligrosissimo es guardar castidad. Es ilictio guardarla? Antes por esso mas meritorio.« Apelación, S. 32ff. 14 Auch hier betont Guerra auf rhetorischer Ebene seine Nachsicht gegenüber der menschlichen Fehlbarkeit: »Ni puede ser admiración, que en estos computos de Historias [...] tropiece el mas leído, porque

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die spectacula bei der Taufe als »apostasia de la Fe« (S. 150), die er ausführlich belegt,15 wertet er die Idolatrie als gewichtigsten Vorwurf gegen das antike Theater und klagt die zeitgenössischen Theatergegner an, diesen abzumildern, um seine Position zu widerlegen. Dabei hält er der Strenge der klerikal geprägten - jesuitischen - Theatergegner, die auch die vanitas zur Todsünde erheben und auf der sittenverderbenden Wirkung der Comedia insistieren, immer wieder seine bereits in der Aprobación vertretene nachsichtigere Haltung entgegen.16 In Replik auf den Vorwurf seiner Gegner, er habe unter dem Vorwand der Scham die wesentlichen - auf die Comedia übertragbaren - Textstellen der Kirchenväter ausgelassen, legt Guerra alle auf die spectacula bezogenen Zeugnisse der Patristen ausfuhrlich dar, wobei er auf der realen Ausübung sexueller und grausamer Akte sowie der Anwesenheit von Prostituierten auf der antiken Bühne insistiert.17 Dabei gilt ihm die menschenverachtende, vor nichts zurückschreckende Realität der antiken Auffuhrungen als Beweis für die unmögliche Vergleichbarkeit von antikem und zeitgenössischem Theater, weshalb er sich anders als die Mehrzahl der Theatergegner - von jeder Anerkennung für das antike Drama distanziert.18 Während er immer wieder moniert, dass seine Gegner die spectacula-Kritik

homines sumus. El P. Mariana fue docto, y leído; pero el P. Moret, también Jesuita, que como hermano de Religion es preciso que le mire con respetos duplicados de amor, en la Historia, que escrivió de Navarra, le averigua, y le impugna trece defectos de Historia (todos ván margenados) solo en la parte que toca á Navarra.« Apelación, S. 193. 15 So zitiert er als seine Gewährsmänner Papst Clemens als direkten Nachfolger Petri, sowie Dionysius, Tertullian, Cyrill von Jerusalem, Cyprian, Orígenes, Basilius, Hieronymus, Pacianus, Ambrosius, Chrysostomus, Augustin, Bernhard, Salvian, Isidor, Alkuin, Rupert, Remigius von Reims, Papst Leon, Basilius von Seleuka und Gregor I. Zur Absicherung seiner Ausfuhrungen beruft er sich auf die anerkannten Exegeten der Patristen und erwähnt mit besonderer Betonung die Jesuiten Juan Luis de la Cerda, Francisco Vázquez, Théophile Raynaud, Juan de Mariana, Claude Dausque und Jules César Bulenger, um seinen jesuitischen Gegnern vor Augen zu führen, dass er in der Nachfolge ihrer Ordensbrüder argumentiert. 16 So unterstellt er seinen Gegnern: »voluntariamente se obligaron á escrivir lo menos eficaz para impugnar mi Aprobación«. Apelación, S. 299. Bezüglich ihrer Verurteilung der Zeitverschwendung sowie der vanitas und der otiositas als für das Theaterverbot hinreichende (Tod-)Sünden betont er, »[...] ni San Cypriano lo dice, ni puede decirse [...]. Aconsejar (como lo hace) que no se emplee el tiempo en vanidades, si; condenar por delito, que se gaste, no« (302). Folglich wirft er seinen Gegnern übertriebene Strenge vor: »Si tuvieran [las comedias] solo el titulo de vanidad ociosa, las condenara el Santo de grave culpa? Qué Theologia es esta?« (S. 311). Dabei stellt er der sexualfeindlichen Haltung der Theatergegner mit Berufung auf Laktanz erneut eine liberale - die condition humaine berücksichtigende Haltung entgegen, wenn er erklärt: »Tan prompta vive al desliz nuestra fragilidad, que á no perdonar Dios nuestras fragilidades, pocos cumplieran largas vidas« (S. 317). 17 So verweist er mit Tertullian auf die - real dargestellte - Kastrierung des Attis und die Verbrennung des Herkules (cf. hierzu Kapitel IV). Zudem betont er immer wieder, »acabada la Comedia, subian las mugeres perdidas ä executar publicamente sus horrorosas fragilidades« (Apelación, S. 133), wobei er weiterhin mit seinem Schamgefühl spielt, um die Grausamkeit des antiken Theaters besonders wirkungsvoll hervorzuheben. So unterbricht er sich bisweilen mitten im Satz oder wechselt ins Lateinische. Cf. z.B.: »[...] francamente obraban sus licencias, como advierte también Lipsio, diciendo, que en el Teatro exercebatur publicus coitus, lib. I. Elect. Cap //« (S. 135). 18 So betont er: »En las Comedias de aora, los oyentes no obran, solo escuchan. Y en las antiguas? Obraban las licencias que gustaban. Para esso, dice el mismo Santo [sc. Cyprian], [...] que subian las meretrices al Teatro. Luego habla de las torpissimas obras, que no passan en nuestras Comedias.« Apelación, S. 336. Dabei gibt er die gegen ihn gerichteten Vorwürfe, die ausschlaggebenden Kirchenväterzeugnisse ausgelassen und die Übersetzung verfälscht zu haben, stets an seine Gegner zurück. So macht

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der Kirchenväter undifferenziert auf das Theater - und infolge dessen auf die Comedia beziehen, unterscheidet er nicht nur die einzelnen spectacula, sondern erklärt unter Hinweis auf die Vielzahl der antiken ludi ebenso, dass die Theaterbauten auch für andere Aufführungen genutzt wurden. 1 9 S o steht im Mittelpunkt seiner Auseinandersetzung mit den patristischen Textzeugnissen zum einen die Hervorhebung des götzendienerischen Charakters s o w i e der realen - und nicht bloß fingierten - Unsittlichkeit des antiken Theaters und z u m anderen die Kritik an der interessengeleitet-verfalschenden E x e g e s e sowie der philologischen Ungenauigkeit und übersetzerischen Inkompetenz seiner Gegner. D a sich Guerras Auseinandersetzung mit den Kirchenvätern j e w e i l s auf diese Argumente beschränkt, wäre es müßig, hier auf alle von ihm behandelten Patristen einzugehen. Erwähnenswert ist aber seine Korrektur v o n Fomperosas Salvian-Exegese: S o betont er in Replik auf den Jesuiten, dass Salvian die Theaterleidenschaft der Römer nicht für den Untergang R o m s verantwortlich mache, sondern vielmehr moniere, dass die Römer trotz ihrer N o t die spectacula aufsuchten. Entgegen der von den Theatergegnern suggerierten Kausalbeziehung z w i s c h e n Theaterbesuch und Niedergang des römischen Reichs bzw. Spaniens, stellt Guerra dezidiert fest: »No se pierden (por malo que fuera, y sea) los Imperios, ni se han perdido por amor ä los Teatros, sino por injusticias« (S. 443). Fomperosas Salvian-Exegese bewertet er folglich als gefahrlich: S o sei der Souverän betrogen, der glaube, mit der Schließung der Theater seine Pflicht zu erfüllen und sein Reich vor dem Niedergang zu bewahren. Deshalb hält Guerra den apokalyptischen Drohungen der

er die Zulässigkeit der zeitgenössischen Comedia auch an der - von Herrera und Fomperosa verschwiegenen - Unsittlichkeit des antiken Theaters fest: »Con este etcaetera saltò [sc. el Zelo] lo que importaba; [...] Obligación era escrivirlo, para que conste la torpeza que condena el Santo [se. Chrisostomo], y de ai se saque buen argumento, para vèr si condena las torpezas que dicen que tienen las Comedias Españolas« (416). Während er sich vom antiken Theater, das Fomperosa zum Teil rehabilitiert hatte, vollständig distanziert, tadelt er Fomperosas Verurteilung der comedia de santos: »Si havia algunas fabulas, que no eran muy torpes, las galas de su representación eran solo torpezas. Qué importa que el argumento sea decoroso, si no se trata con pureza? No puede ser mas alto, que Dios, y sus Santos, y el Zelo dice, que de estos argumentos son peores las Comedias« (288). Auch Herreras positive Bewertung der antiken Tragödie weist er zurück, indem er dessen Erklärung, die Darstellung von Sünden habe der Abschreckung gedient, auf einen - freilich in allen grammatikalischen Details diskutierten - Übersetzungsfehler zurückfuhrt. Dabei macht er Herreras Argumentation mit der kathartischen Wirkung des antiken Theaters auch durch den provokativen Vergleich von Theater und Predigt zunichte: »Si estas fueron sus Tragedias, pudieran llamarse unos Sermones Morales« (S. 367f.). Zeigen so auch Guerras Ausführungen einerseits, dass die licitud-Debatte immer mehr zu einem philologischen Streit über die richtige Übersetzung und Auslegung der Kirchenvätertexte wird, so legen die widersprüchlichen Übersetzungen von Guerra und seinen Gegnern andererseits auch die breiten Deutungsmöglichkeiten und den grundsätzlichen Interpretationsspielraum der patristischen Texte offen. 19 So erklärt Guerra mit Berufung auf den Jesuiten Bulenger, dass in der Antike zwischen 36 Typen von Bühnendarstellern unterschieden und in den Theatern »mil generös de infames espectáculos« aufgeführt wurden, wobei er mit einem Seitenhieb auf seine Gegner bemerkt: »Tanto hay que leer, y que estudiar para poder entender algunas veces la profunda concission de los Padres.« Apelación, S. 370f. Während er seinen Gegnern vorhält, nicht zwischen den verschiedenen spectacula zu unterscheiden, stellt er durch die Kommentierung anderer antiker Riten wie der Maiuma und der Lupercalia seine Kenntnis und differenzierte Sicht des antiken Theaters unter Beweis. Um seinen Lesern die vielfaltige Nutzung der antiken Bühne nachvollziehbar zu machen und sich als Kenner auch des zeitgenössischen Theaterwesens auszuweisen, konstatiert er: »En los Teatros de las Comedias de España hay también Titeres, Bolatines, y Follas, y no solo se representan Comedias« (S. 417f.).

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Theatergegner die realpolitischen Gründe für den Niedergang einer Nation entgegen und fordert Fomperosa zum Widerruf seiner politisch brisanten Aussage auf.20 Hiermit weist er nicht nur die seit Mariana von fast allen Theatergegnern implizit oder explizit vorgebrachte Argumentation zurück, die Hingabe des Menschen an die weltlichen Vergnügungen - und so auch an das profane Theater - habe die Strafe Gottes zur Folge. Er entlarvt auch den terrorisierenden Diskurs der klerikalen Kultur als in seiner Wirkung fehlgehendes Disziplinierungsmittel. Somit stellt er sich gegen die Propagierung eines strafenden Gottesbildes und die Instrumenta-lisierung der Religion zur Mobilisierung der Angst, wobei seine - den repressiven Taktiken der Theatergegner entgegenstehende auf die condition humaine Rücksicht nehmende - Haltung erneut in seiner Beurteilung der Sexualität zum Ausdruck kommt: So betont Guerra, dass die schlimmst mögliche Folge des Theaters - »siendo los teatros desordenados« (S. 444) - die Unkeuschheit sei. Während die klerikal geprägten Theatergegner aber ihre gesamte Argumentation auf die zerstörerischen Folgen der - aus ihrer Sicht im zeitgenössischen Theater allgegenwärtigen - Sünde der Konkupiszenz ausrichten, konstatiert Guerra, dass auch diese Sünde allein nicht den Untergang eines Staates provozieren könne. Diese Feststellung verbindet er mit einer kurzen Verteidigung des zeitgenössischen Theaters, das durch seine einzig feste Niederlassung in der Hauptstadt nicht nur im Einflussbereich des Hofes steht, sondern auch einen äußerst begrenzten Adressatenkreis und damit selbst bei Akzeptanz der Argumente der Theatergegner, wie Guerra ironisierend darlegt, ein nur geringes Potential hat, die gesamte Gesellschaft sittlich zu korrumpieren und Spaniens Niedergang zu betreiben.21

2

Von der Aprobación zur /l/?i'/«c/0«:>Enttheatralisierung< und Theologisierung der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters

Wie in der Aprobación stellt Guerra auch in seiner Verteidigungsschrift heraus, dass die zeitgenössische Comedia keinerlei Bezug zum von den Kirchenvätern rechtmäßig verur20 »Salviano dice [...] que quando se estaban perdiendo las Ciudades, estaban los hombres en los Teatros: esto es acusarlos de locos, reprehenderlos de frenéticos; pero no es decir, que la passion de los Teatros fue causa de perderse, sino que eran tan locos, y viciosos, que aun despues de perdidos, conservaban la passion de Circos, y Teatros; [...] Passando de la verdad de la Historia á la alma de la sentencia, esta proposición de que la passion de los Teatros fue causa de perderse lo mejor del Imperio, la juzgo digna de que su Autor la retrate, no solo por la falta de su verdad, sino por el grave peligro que trahe á los Reyes, Principes, y Magistrados, encubrirlos las causas verdaderas de la ruina de los Imperios, y proponerlos unas aparentes, y fingidas; pues deslumhrados con estos vistosos colores, juzgarán que hacen perpetuos sus Imperios con quitar las ocasiones fingidas, y los harán frágiles conservando las verdaderas.« Apelación, S. 443. 21 So erklärt Guerra mit Berufung auf die demographischen Angaben des Libro historico político solo Madrid es corte y el Cortesano en Madrid (1658) von Alfonso Núñez de Castro: »[...] ni este [mal, se. la lascivia] es bastante para ruina de los Imperios; porque los Teatros de oy se conservan en la Corte: en ella de seiscientas mil personas, que dice el Autor de Solo Madrid es Corte, que abriga, no concurrirán mil al Teatro con ftequencia. Las demás Ciudades tienen los Teatros muy de passo; los mas Lugares cortos, y Villas, nunca: Luego estos serán Santos, pues no tienen esta passion á los Teatros, raiz de todos los vicios, y ruina de los Imperios.« Apelación, S. 444. Auch hier verbindet er seine liberalere Haltung gegenüber dem Keuschheitsgebot mit einem polemischen Seitenhieb auf die Jesuiten, indem er mit Blick auf Fomperosa konstatiert: »Belarmino, [...] hablando del mismo Salviano, dice, que fue nimio en llorar los pecados de los Eclesiásticos de su tiempo; pero que se debe perdonar por haver nacido de su buen zelo. Lo que dice Belarmino, Jesuita, del buen zelo de un Padre de la Iglesia, bien puedo yo decirlo del Buen Zelo de un Autor sin nombre« (S. 444f).

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teilten Theater der Antike hat. Weist er somit die Verurteilung des zeitgenössischen Theaters auf der Grundlage der kirchlichen Textzeugnisse zurück, so stellt er das Theater in Hinblick auf seine moralische Beschaffenheit durchaus in den Kompetenzbereich der Theologie: »A que aora se escriven fabulas, no puedo responder en quanto al estilo de escrivirlas; porque no las leo, ni he leído, ni leeré. [...] si se escriven con alguna impureza (aunque sea la menor) es mi opinion, que se quemen: si se escriven con todo decoro, y doctrina moral, es mi sentencia, que pueden permitirse. A mi no me toca dár lecciones de escrivir Comedias, porque no soy Poeta: lo que me pertenece es decir, que si fuere indecente, se prohiba; y que se permita si fuere honesta. Esto me toca, porque escrivo como Theologo« (S. 288).

Guerras Definition seines Zuständigkeitsbereichs macht deutlich, dass auch er ein gewisses Mitsprache- und Entscheidungsrecht der Theologen bezüglich der Freizeitgestaltung der Laien als selbstverständlich beansprucht. So wendet er sich auch gegen den Vorwurf, als vorbehaltloser Verteidiger aller dramatischen Darbietungen aufzutreten, wobei er sich vom teatro menor am ehesten distanziert, die comedia de santos aber erneut als angemessene Darstellung der religiösen Wahrheiten preist.22 Dabei beschränkt sich Guerras Auseinandersetzung mit dem zeitgenössischen Theater in der Apelación ausschließlich auf Nebensätze und ex wega/i'vo-Bemerkungen, in denen er die Comedia von der manifesten Unsittlichkeit des heidnisch-antiken Theaters abhebt. Zeigt bereits die Tatsache, dass Guerras wenige Stellungnahmen zum zeitgenössischen Theater ausschließlich in seine lange Kirchenväterexegese eingeflochten sind, dass der Schwerpunkt der licitud-Débatte sich im Laufe der Polemik um die Aprobación verlagert hat, so erkennt Guerra durchaus richtig, dass er, um seine Gegner zu befriedigen und ihnen keine neue Angriffsfläche zu bieten, auf alle ihre Einwände replizieren und die Zeugnisse aller von ihnen zitierten Kirchenväter berücksichtigen muss. So stellt die Apelación den End- und vielleicht den Kulminationspunkt einer Polemik dar, die im Laufe des Abtauschs von Schrift und Gegenschrift zu einem philologischen Streit um die richtige Übersetzung und Auslegung der patristischen Zeugnisse geworden ist.23 In diesem Streit geht es weder um die Frage der Zulässigkeit 22 So betont er: »[...] yo no soy Agente de estos festejos, sino un indigno Autor, que escrive, lo que le han enseñado los libros.« Apelación, S. 101. Seine leise Distanznahme vom teatro menor lässt er einfließen, als er Fomperosa tadelt, ein Textzeugnis des Clemens von Alexandrien, das gegen die bei den Gastmählern auftretenden Narren gerichtet sei, auf die zeitgenössischen Schauspieler zu beziehen. So gesteht er Fomperosa als maximales Entgegenkommen die Anwendbarkeit dieses Urteils auf die graciosos der zeitgenössischen entremeses zu, stellt aber auch dem die Tolerierung der Narren im Königspalast entgegen: »Pudo no apretar tanto el Zelo, y contentarse con la alusión á los Graciosos de aora, que en los que llaman Entremeses, hacen algunos papeles ridiculos para mover la risa del auditorio. Pero vemos tolerados en los Palacios los Bufones« (344f.). Auch die Anerkennung der comedia de santos bindet Guerra nur in seine Kirchenväterexegese ein. So repliziert er auf Fomperosa, der Arnobius' Kritik, dass die moralisch verdorbenen Schauspieler Götter darstellen, auf die zeitgenössischen Schauspieler übertragen hatte: »Mucho dista aora un Comediante de un Santo, infinito de lo divino; pero es una distancia, que no causa horror, porque es fundada en la naturaleza, no en abominación de conocida culpa. Estos no fingen, como aquellos, deshonras divinas, sino recitan verdades sagradas« (S. 354). 23 Guerra konstatiert gleich zu Anfang: »No escrivir todo lo que alcanza mi cortedad, era que durasse mas la lid. No era apaciguarla, sino encenderla.« Apelación, S. 38. Als besonders sinnfälliges Beispiel der interessengeleiteten Auslegung und Aktualisierung der patristischen Texte sei hier abschließend auf Guerras Korrektur von Fomperosas Cyprian-Exegese eingegangen: »Arguye el Zelo otro passage, traduciendo estas voces: Cui ars sit verba manibus expedire. Y dice assi: Que tienen la habilidad en avivar con la acción el sentido del verso. Es cierto, que esta no fuera delinquente habilidad; porque también es propia del Orador.« Apelación, S. 331. Das von Fomperosa zur Verurteilung der zeitgenös-

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oder Unzulässigkeit des zeitgenössischen Theaters, die als eigentlicher Ausgangspunkt der Debatte völlig in den Hintergrund getreten ist, noch um das möglichst authentische Erfassen der Aussagen der antiken Textzeugnisse, sondern vielmehr um die Verteidigung der Rechtmäßigkeit der eigenen Lehrmeinung und die möglichst effektive Widerlegung der gegnerischen Position. Da sich die Gelehrtheit eines Autors am besten an der Quantität seiner Kenntnisse demonstrieren lässt und die klerikal geprägte Kultur des Siglo de Oro autoritätsfixiert ist, wird der Rückgriff auf das diskursive Repertoire der Patristik im Laufe der Debatte immer weiter ausgedehnt,24 wobei das von seinem Anspruch her hohe - und in Hinblick auf die lateinischen und griechischen Originale - durchaus exklusive Argumentationsniveau der Debatte von den mit Akribie ausfindig gemachten und detailliert dargelegten Zitier- und Bibliographierfehlern des jeweiligen Gegners sowie den gegenseitigen Vorwürfen des Auslassens und Verfalschens der maßgeblichen Textzeugnisse konterkariert wird. Dabei wird auch der Interpretationsspielraum der antiken Quellen deutlich: So löst sich die Debatte nicht nur aus dem Kontext der Gegenwart und wird als theologisch-hermeneutische Kontroverse gefuhrt. Indem die patristischen Zeugnisse aus ihrem historischen, literarischen und doktrinären Zusammenhang gerissen - und zum Teil wohl auch der antiken Kompilationsliteratur entnommen - werden,25 bietet der Rückgriff auf die patristische Literatur sowohl den Theatergegnern als auch den Theaterverteidigern die Möglichkeit einer interessengeleiteten Exegese. Dabei kann der manipulative Eingriff in die antiken Quellen und deren Auslegung von einer nicht theologisch geschulten Leserschaft kaum nachvollzogen werden und verlangt auch den Theologen ein eingehendes - und aufgrund der oft fehlenden bzw. ungenauen Stellenangaben aufwendiges - Quellenstudium ab.

sischen Schauspieler vorgebrachte Zitat bezieht Guerra folglich auf die Laszivität der antiken Pantomimen. Macht er sich dabei den Vergleich von Predigt und Theater zur Verteidigung der Schauspieler zunutze, so hatte Crespi de Boija sie auf der Grundlage dieses Vergleichs der Todsünde bezichtigt, indem er - im Gegensatz zu Guerra - konstatiert hatte: »[...] pintar vna figura deshonesta, es pecado mortal, [...], mayor pintura es la misma representación de la deshonestidad, porque no ay cosa que persuada mas que lo que se vé; y assi es arte de los Oradores sacar alguna imagen, ö hazer alguna acción, ö figura que represente al viuo lo que ván diziendo para mouer, y persuadir al Auditorio.« Respuesta a vna consvlta, S. 22. 24 So wird der zunächst nur sporadische, aber unsystematische Rückgriff auf die patristischen Schriften, der noch in den Werken von Mariana, Pedro de Guzmán und Hurtado de Mendoza vorherrscht, im Laufe der Polemik um Guerra immer ausführlicher und systematischer bis hin zum Anspruch auf Vollständigkeit, den Fomperosa im Bven Zelo für sich reklamiert und auf den Guerra mit der Apelación repliziert. Die immer ausgedehntere Behandlung der - in ihrem Aussagewert gleichen - antiken Textzeugnisse ist dabei zugleich eine Taktik, den Gegner allein durch die Anzahl der zitierten Autoritäten einzuschüchtern und mundtot zu machen. 25 Es sei daran erinnert, dass es schon seit der ausgehenden Patristik sogenannte Tabulae gab, in denen die Lesefnichte verschiedener Autoren zusammengestellt waren, was den eklektischen Zugriff der Autoren des 17. Jahrhunderts erleichtern, die richtige Kontextualisierung und das Erfassen des ursprünglichen Sinnzusammenhangs der Texte aber erschweren musste. Bernhard Geyer (Hg.): Friedrich Ueberwegs Grundriss der Geschichte der Philosophie. 2. Teil: Die patristische und scholastische Philosophie. Basel/Stuttgart: Schwabe ,3 1956, S. 156.

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V, X Gonzalo Navarro Castellanos: Discvrsos políticos, y morales. Humanistische Abhandlung eines Priesters gegen die zeitgenössische Comedia. 1 1.1

Kurzpräsentation von Autor und Werk Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext

Die einzigen Informationen über Gonzalo Navarro Castellanos gehen aus dem Vorwort der Discvrsos políticos, y morales1 hervor, das von seinem Neffen Jospeh Navarro Castellanos, der das Werk posthum veröffentlicht hat, verfasst wurde. Gonzalo Navarro Castellanos wurde 1616 in Villanueva de los Infantes geboren. Er betrieb humanistische Studien2 und studierte Kirchen- und Zivilrecht. Nach einer mehrjährigen Anstellung als Lehrer von Juan de Austria, an dessen Hof er sich laut Cotarelo zeitgleich mit Calderón aufhielt,3 ließ er sich zum Priester weihen und wurde schließlich vom Bischof von Cuenca mit der Erziehung von dessen Neffen Juan Manuel Fernández Pacheco, dem Marqués de Villena und späteren Gründer der Real Academia Española, betraut. Er starb 1682 im Haus des Marqúes de Villena. Jospeh Navarro Castellanos ist in der den Discvrsos políticos, y morales vorangestellten »Noticia del avtor« zudem darum bemüht, die breite humanistische Bildung sowie das von strenger Askese und christlicher Nächstenliebe geprägte Leben von Gonzalo Navarro Castellanos herauszustellen, um durch die Hervorhebung der Identität von Werk und Leben des Autors die Glaubwürdigkeit und Überzeugungskraft von dessen Schrift zu unterstreichen.

1.2

Entstehungskontext und Adressatenkreis der Discvrsos políticos, y morales

Navarro Castellanos hat sein Werk ursprünglich verfasst, als die Zulässigkeit des Theaters nach der Schließung der corrales 1665 aufgrund des Todes Philipps IV. - kontrovers diskutiert wurde. So war das von Mariana de Austria auf Petition der Villa de Madrid eingeholte

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Discvrsos políticos, y morales en cartas apologéticas, contra los que defienden el vso de las Comedias Modernas que se Representan en España, en comparación del Teatro antiguo, y fauorecen nuestros desordenes, desacreditando las virtudes de algunos Filosofos de los mas principales. Primera, y segvnda parte. Obra posthvma. Por el Licenciado Don Gonzalo Navarro Castellanos, Maestro que fue del Serenissimo Señor D. Iuan de Austria. Ofrecela al Excelentissimo Señor D. Ivan Manvel Fernandez Pacheco Cabrera y Bobadilla, Marques de Villena, y Moya, [...], Escriuano Mayor de Priuilegios, y Confirmaciones destos Reynos, &c. D. Ioseph Navarro Castellanos. Con Privilegio: En Madrid. Por Mateo de Llanos. Año de 1684. Im Folgenden unter dem Kurztitel Discvrsos zitiert. Die Seitenzahlen beziehen sich - wenn nicht mit Discvrsos II angegeben - auf den ersten Teil. Wie der Herausgeber der Discvrsos angibt, studierte Navarro Castellanos bei Bartolomé Jiménez Patón, der einige Theaterstücke verfasste und als »lopista declarado« gilt. Rozas - und ihm folgend - Elizalde werfen vor diesem Hintergrund die Frage auf, woraus Navarro Castellanos' »fobia al teatro« resultierte. Juan Manuel Rozas: »La licitud del teatro y otras cuestiones literarias en Bances Candamo, escritor límite«, S. 258. Ignacio Elizalde: »Teoría del teatro de F. A. Bances Candamo«, in: Diálogos Hispánicos 8 (1998), S. 219-231, S. 228. Möglich ist, dass Navarro Castellanos nach seiner Priesterweihe bemüht war, sich innerhalb der klerikalen Kultur zu profilieren. Auch scheint er darauf bedacht zu sein, die antike Literatur zu rechtfertigen und sein Selbstverständnis als Humanist mit dem (neuen Selbstverständnis) als Vertreter des Klerus in Einklang zu bringen. Cotarelo: Bibliografía, S. 481.

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Votum des Kastilienrats gespalten: Während vier Minister - so Contreras, Ramos del Manzano, García de Medrano und Vidania - für die Aufrechterhaltung des Theaterverbots plädierten,4 schloss sich die Königinregentin dem Mehrheitsvotum des Consejo an und ließ die Theater am 30.11.1666 wieder eröffnen. Der Herausgeber der Discvrsos políticos, y morales trennt das hiermit kurz umrissene Motiv des Autors, zum profanen Theater Stellung zu beziehen, explizit vom aktuellen Anlass, das Werk zu veröffentlichen, den er mit der erneuten Virulenz der Debatte begründet.5 Da er anmerkt, dass Navarro Castellanos 1682 über der Vorbereitung der Publikation seiner fast 20 Jahre zuvor verfassten Schrift starb, ist kaum festzumachen, inwiefern dieser sein Werk nachträglich auf die Polemik um Guerras Aprobación abgestimmt haben mag. Während Cotarelo den letzten Brief des ersten Teils der Discvrsos, »Responde a vna Censura de vn libro de Comedias«, als Replik auf Guerra ausweist, wird hier von der Ansicht ausgegangen, dass die genannte »Censura« die 1665 der Parte veinte y dos de comedias nuevas y escogidas vorangestellte Aprobación von Tomás de Avellaneda ist,6 die - als Vorläuferin von Guerras Aprobación - das zeitgenössische Theater ebenfalls verteidigt. Ungeachtet dessen ist die Veröffentlichung der Discvrsos durch Joseph Navarro Castellanos gewiss von dem Wunsch getragen, innerhalb der bereits ausgehenden Polemik um Guerras Aprobación die Rechtmäßigkeit der gegnerischen Position abschließend noch einmal zu bestärken. Neu an Navarro Castellanos' Abhandlung ist dessen Absicht, nicht gegen die Theater zu schreiben, »sino contra los que los escusan, y defienden, ö engañados de los encantos del siglo, ö de la vana esperanza de algún premio« (S. 14). Da das Theater wie auch die zeitgenössische Kleidermode, die er ebenfalls verurteilt, für ihn untrennbar mit der luxuria - der Wollust und der sündhaften Konkupiszenz - verbunden ist, die aus seiner Sicht wiederum den Niedergang Spaniens als Strafe Gottes nach sich zieht, sieht er es als seine priesterliche Pflicht, sowohl das Volk als auch die Regierenden über die fatalen Folgen dieser »dos escándalos« aufzuklären, um die göttliche Strafe abzuwenden. Dabei führt er die Akzeptanz und Beliebtheit des Theaters auf die Vergnügungslust der Menschen zurück, die sich von den - ebenfalls dem deleyte erlegenen - Theaterverteidigern gern täuschen lassen, um ihre Begierden ungestört befriedigen zu können. So tadelt er auch die Genusssucht der Regierenden und das Schweigen der Prälaten, deren Aufgabe im desengaño bestehe, und beklagt unter Berufung auf 2 Tim 4, 3f., dass es mehr schmeichelnde Demagogen als aufrichtige 4 5

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Cf. Bibliografía, S. 176-183. Navarro Castellanos lehnt sich in seiner Argumentation diesem Votum an. »Esta fue la ocasion de escrivir estos discursos. La que aora ay para publicarlos, ha sido el averse dado estos dias a luz diversos papeles sobre estas mismas materias, en que, si bien plumas doctissimas, y muy Christianas con toda solidez, y claridad han procurado quitar el velo a las falsas imágenes, con que los defensores de los Teatros han procurado disminuir el horror que de sus abominaciones nos ponen la Iglesia, y los Padres en sus Cánones, y doctrinas; tiene sin embargo esta Hydra tantas caberas, y tantos rodeos este Laberinto, que ha parecido necessario atajar, con estos discursos, su multiplicación, y desenmarañar su enredo.« Discvrsos, S. 2f. Diese Ansicht vertritt auch Duncan W. Moir: Francisco Antonio de Bances Candamo: Theatro de los theatro, S. 54, Anm. e. Zur Aprobación des Prämonstratensers Avellaneda cf. supra: V, V, passim. Cotarelo ordnet die Discvrsos políticos, y morales hingegen dem Polemikzyklus um 1682 zu und unterstellt Navarro Castellanos die - nicht belegbare - Absicht: »No pensó en publicarla [sc. la obra] por entonces [i.e. alrededor de 1666], pero sí en 1682, después que apareció la célebre Aprobación de las comedias de Calderón, hecha por el P. Fr. Manuel Guerra, y que tantas impugnaciones suscitó; [...].« Bibliografía, S. 482. Folglich interpretiert er den 34. Brief der Schrift als Replik auf Guerras Aprobación und erklärt, hier wiederum dem Herausgeber der Discvrsos folgend, dass Navarro Castellanos über der Überarbeitung des Werks verstorben sei (S. 489).

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Mahner gebe, die sich dafür einsetzen, den bevorstehenden Untergang Spaniens abzuwenden. Seine Kritik legitimiert er mit der christlichen Pflicht der Caritas, die es gebiete, die Sünden des Nächsten zu dessen Heilsgewinn anzuprangern, und fühlt sich auf der Grundlage von Jes 58, 1 nicht nur berechtigt, dem Volk seine Sünden darzulegen, sondern vor allem die Sünden der - im Prophetenwort mit dem Haus Jakob angesprochenen - »Casa Real« anzuklagen, da deren positives oder negatives Exempel das Verhalten der Untertanen bestimme.7 Navarro Castellanos bedient sich einer sich durch sein gesamtes Werk ziehenden bildmächtigen Metaphorik, die das Volk als Herde Christi darstellt: So erklärt er, dass es den Hirtenhunden - den Predigern und Beichtvätern - zukomme, die im Angesicht der hungrigen Wölfe sorglos schlafenden Schafe zu schützen. Da die kirchlichen Autoritäten angesichts der verbreiteten Sünden aber schweigen, nehme er, wenn auch nur als >Kläffer< der Herde Christi, seine Pflicht wahr, Alarm zu schlagen, um die Schafe zu beunruhigen und die Verantwortlichen zum Handeln zu bewegen. Den Verteidigern der zeitgenössischen Lustbarkeiten weist er in dieser auf Mt 7, 15 zurückgehenden Metaphorik die Rolle der Wölfe im Schafspelz zu, die das profane Theater unter falschen Vorwänden - so mit dem Erhalt der Krankenhäuser - und mit geschickten Verschleierungs- und Argumentationstaktiken - wie der Verleumdung des antiken Theaters - zu rechtfertigen versuchen.8 Während sich Navarro Castellanos als Priester dazu berufen fühlt, die »lobos con piel de oveja« zu entlarven, um das Volk aus deren Fängen zu befreien und Gott gnädig zu stimmen, ist ihm als Humanist zugleich daran gelegen, »las costumbres de los antiguos Filosofos Gentiles, y sus doctrinas Morales, y Politicas« (S. 21), die er durch die Schriften der Theaterverteidiger beschädigt sieht, zu rehabilitieren. Ebenfalls aus dem Geist des Humanismus, der neben der intensiven Auseinandersetzung mit den Sprachen der Antike die Aufwertung der kastilischen Muttersprache betreibt, betont er, seine Abhandlung auf spanisch zu verfassen und alle Zitate zu übersetzen, »por-

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»Manda Dios a su Profeta, y dize: Dà gritos sin cessar: anuncia sus delitos a mi Pueblo, y sus pecados a la Casa de Iacob. Donde reparo, que no se contentò su Divina providencia [...] con mandar a su Ministro, que predicasse al Pueblo: mas también quiso con distinción dèi, y le mandò que predicasse demàs a màs a la Casa de Iacob, que era la Casa Real. Muchos hablan con libertad al Pueblo: pocos a los Reyes, que tanto necesitan mas de el desengaño, [...] porque con su exemplo solo, hazen malos a todos sus vassallos, ò los hazen buenos.« Discvrsos, S. 17. »Del Rebaño de Christo son Mastines los Predicadores, y Confessores: mas suelen los Pastores entre los Mastines tener algunos gozques, que no les dexen dormir con sus latidos donde amenazan lobos. [...] No puedo yo ladrar como Mastin en estas cartas, mas latiré como vn perrillo en ellas, temeroso de las iras, con que castiga Dios nuestros pecados, para inquietar si quiera con mis vozes el sueño de las ovejas, que duermen descuydadas a vista de los lobos, que hambrientos las rodean. [...] para que al ruido grande de mis gritos, ò ladridos despierten los Mastines, y Pastores, que a su cargo tienen la guarda del Rebaño. No son pocos los lobos que oy se esconden debaxo de las pieles de las mismas ovejas, que amenazan. Daré a conocer algunos, [...]: Lobo es con piel de oveja, el que con la costumbre de pecar quiere escusar los pecados, los trages deshonestos, y lascivos con el vso. El que para hazer desconocidas las torpezas verdaderas de los Teatros de España infama los antiguos con torpezas falsas; y el que con el pretexto de los Hospitales, y con otros, que tienen sobre cara de piedad, escusa de pecado las Comedias, como oy se representan, y escriven en España. Estos, y otros lobos, disfrazados con el mismo trage se dàn a conocer en estas cartas. [...] No los saben conocer los Pueblos ignorantes, que tienen por honesto quanto ven permitir, ò hazer a sus mayores. [...] Es menester que alguno los dè a conocer a todos; [...] para que a los vnos no escuse su ignorancia, y a los otros acuse su malicia.« Discvrsos, S. 19f.

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que escrivo para todos, hombres, y mugeres« (S. 37). Erklärtes Ziel seiner Schrift ist dabei, zur Ruhmvermehrung Gottes und Heilserlangung der Menschen beizutragen, indem er seine Adressaten über die fatalen Folgen des Theaters sowie der - weniger ausführlich behandelten - aktuellen Kleidermode aufklärt und Kirche und Staat zum Handeln ermahnt.

1.3

Äußerer Aufbau und sprachliche Gestalt der Discvrsos políticos, y morales

Navarro Castellanos teilt seine in Briefform verfasste Abhandlung in zwei Teile, wobei der erste Teil der Verurteilung des zeitgenössischen Theaters gewidmet ist und der - hier nachrangige - zweite Teil sich mit der Rehabilitierung der antiken Philosophen sowie ihrer Moralvorstellungen befasst. 9 Die Briefe des ersten Teils replizieren auf vier Verteidigungsschriften des Theaters: So sind die Briefe 3-13 Replik auf eine Abhandlung von Farinacio de Scama,10 dem Navarro Castellanos entgegenhält, dass die von den Kirchenvätern verurteilte Unsittlichkeit des antiken Theaters sich auf die szenische Darstellung und nicht auf die reale Ausübung sexueller Akte beziehe (Carta 3, sowie 5-9). Hieraus folgert er die Gültigkeit der patristischen Kritik auch für das zeitgenössische Theater und schließt einen Vergleich von antikem Drama und Comedia an (4). In den folgenden Briefen repliziert er auf einzelne Ausführungen seines Gegners, wobei er immer wieder zur Rehabilitierung des antiken Theaters ansetzt und den Theaterverteidigern unterstellt, nicht zwischen den einzelnen ludi zu unterscheiden (10-12) und die theaterfeindliche Haltung der Patristen einzig auf der Idolatrie zu begründen (13). Während sich die ersten 13 Briefe vornehmlich mit dem Theater der Antike befassen, das Navarro Castellanos aus Respekt vor der griechisch-römischen Tradition gegenüber der allgemeinen Kritik zu verteidigen versucht, steht in den Briefen 14 bis 23, die auf die Defensa de libros fabvlosos y poesías honestas von Luis de Ulloa replizieren, die Widerlegung der sich auf das zeitgenössische Theaterwesen beziehenden Argumente der Theaterverteidiger im Mittelpunkt: So erkennt Navarro Castellanos die sprachliche Makellosigkeit der Comedia nicht an (15), weist die Legitimierung des Theaters durch die Anwesenheit von Autoritätspersonen zurück (16) und akzeptiert auch die Argumente der Theaterverteidiger nicht, das Theater diene der Vermeidung von Sünden (17) sowie dem Erhalt der Krankenhäuser (18) und sei offiziell erlaubt (19) bzw. genieße mindestens die Toleranz der Herr9

Auch im zweiten Teil nimmt Navarro Castellanos die antiken Theateraufführungen in den Blick, um ihr auf der strengen Sexualmoral der Antike basierendes Dekorum zu betonen und das zeitgenössische Theater davon abzuheben. Er beschließt die Discvrsos mit einer Reflexion über den Sprachstil, den eine der Sittenreform gewidmete Abhandlung wahren muss (Discvrsos II: Apendice, S. 125-160). So besteht die einzig erfolgreiche Methode zur Disziplinierung des - von sich aus zum Bösen disponierten - Menschen für ihn in einem scharfen - durch Metaphern und Übertreibungen zu vergegenwärtigenden - Tadel der Laster und der Androhung sowohl der dies- als auch der jenseitigen Strafe. 10 Navarro Castellanos bezieht sich auf »Farinacio de Scama, celebre Iurisconsulto deste Siglo«, ohne anzugeben, auf welches Werk er repliziert (Discvrsos, S. 35). Da ein Ort des Namens »Scama« nicht ausfindig zu machen ist, scheint es sich bei dieser Namengebung nicht um die übliche Verbindung von Vornamen und Ortsbezeichnung zu handeln. Über die möglichen semantischen Anspielungen des Wortes »escama« können ebenfalls nur wenig zielführende Spekulationen angestellt werden. Ungeachtet dessen lässt die Apposition »celebre Iurisconsulto deste Siglo« aber vermuten, dass Navarro Castellanos auf den bekannten italienischen Juristen Prospero Farinacci (1544-1618) repliziert, dessen umfassendes Kompendium zum römischen Strafrecht (Praxis et theorica criminalis. Lyon 1616) internationales Renommee genoss. Als Berater und Generalstaatsanwalt des Heiligen Stuhls musste Farinacci zudem auch in kirchlichen Kreisen große Autorität besitzen.

Gonzalo Navarro Castellanos: Discvrsos políticos, y morales

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sehenden, die auch den Bordellen z u k o m m e (20). Dabei stellt er der von der Rücksichtnahme auf die condition humaine geprägten liberalen Haltung der Theaterverteidiger eine für alle Christen gültige Forderung nach Weltabkehr entgegen, die er mit Berufung auf Mt 11, 2 8 - 3 0 dennoch als leicht zu erfüllen bewertet (21, 22). D i e viel diskutierte Theaterakzeptanz des Augustiners A l o n s o de Mendoza fuhrt er auf den moralisch besseren Zustand der Comedia vor 1580 zurück (23). Die folgenden Briefe replizieren auf ein - nicht sicher zu identifizierendes - theaterbefürwortendes Manuskript (24-30), w o b e i Navarro Castellanos in Replik auf dieses die gesetzliche Ehrlosigkeit der zeitgenössischen Schauspieler unterstreicht." N a c h d e m er die Unmöglichkeit hervorgehoben hat, das zeitgenössische Theater zu reformieren (31 f.), setzt er sich mit der Theaterkritik von Santiago Ortiz 12 auseinander (33), die er als - aufgrund des Schauspielberufs ihres Autors - besonders glaubwürdige Abhandlung g e g e n das zeitgenössische Theater heraushebt. Der letzte Brief des ersten Teils der Discvrsos ist der Replik auf die oben erwähnte Aprobación eines Comedia-Bandes (34) gewidmet. Hierin wendet sich Navarro Castellanos u.a. g e g e n die Verteidigung der Comedia auf der Grundlage des Probabilismus, da die Unzulässigkeit des zeitgenössischen Theaters außer Z w e i f e l stehe und erklärt, dass auch die langjährige Praxis - »el vso, y la costumbre« - das Theater nicht legitimiere. 1 3 Er untermauert seine Ausführungen mit der »Doctrina del m u y Reverendo

11 Cotarelo exzerpiert das als Censura apologética de las comedias aufgeführte Manuskript nur über Navarro Castellanos und datiert es dementsprechend auf »1650 á 1670«. Bibliografía S. 147ff. Navarro Castellanos' Ausführungen (cf. infra: Anm. 48) lassen aber vermuten, dass die in Frage stehende Abhandlung die bei Pellicer zitierte Schrift eines »erudito Anonimo, [...], que escribía por los años de 1600« ist. Tratado histórico T. 1, S. 147f. 12 Während Pellicer Cristóbal de Santiago Ortiz als Schauspieler identifiziert, geht Cotarelo, der dessen Schrift allerdings nur über Navarro Castellanos rezipiert hat, aufgrund der teils harten Angriffe auf die Lebensweise der Schauspieler und der Gelehrtheit der Abhandlung von der Autorschaft »de algún religioso austero« aus. Auch konstatiert er, dass der von Pellicer gemeinte Schauspieler Cristóbal Ortiz 1626 gestorben, das wahrscheinlich an Philipp IV. gerichtete Memorial von Cristóbal de Santiago Ortiz aber zur Zeit der Theaterschließung zwischen 1646 und 1649 entstanden sei. Bibliografía, S. 541 ff. Auch Pellicer, der den Autor als »recitante ascético« darstellt, datiert das Werk auf die Jahre um 1647. Tratado histórico, T. 1, S. 181fF. und T. 2, S. 34. Die Identität des Autors ist folglich ungeklärt. Navarro Castellanos bedient sich der Schrift des vermeintlichen Schauspielers, um ihn gerade aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Gruppe der Schauspieler - und folglich als »testigo de vista de todo lo que informa« (Discvrsos, S. 255) - ais »mayor contrario de los Apologistas« (S. 269) vorzuführen. 13 Seine Argumentation legt nahe, dass die »Censura de vn libro de comedias« tatsächlich Avellanedas Aprobación meint. So hatte der Prämonstratenser die zeitgenössischen Prediger mit Berufung auf den französischen Theologen Gerson aufgerufen, »a regular el zelo que tienen de las mejoras espirituales de sus oyentes« und nicht zur Todsünde zu erklären, was von anderen Theologen als Tugend akzeptiert und vom »vso comun« sanktioniert werde. Zudem hatte er betont, dass die Prälaten, die selbst die Comedia besuchen, diese mit Leichtigkeit in ihren Diozösen verbieten könnten, wenn sie das Theater für schädlich hielten. »Aprobación del R.P.M. Fray Tomas de Auellaneda« (ohne Paginierung). Navarro Castellanos geht auf diese Argumente nur ausweichend bzw. ex negativo ein. So erklärt er, dass Gerson die zeitgenössische Theaterrealität nicht kannte und unterstreicht, »[que] el vso de pecar, y la costumbre, no escusan los pecados: antes los agravan mas, y hazen merecedores de mayores penas«. Folglich zählt er den Theaterbesuch nicht wie Avellaneda zu den »materias opinables«, sondern zu den evidenten Todsünden und weist daraufhin, dass die Kirche ihre Genehmigungen oft im Nachhinein revidiere, womit er auch die Gültigkeit der aprobaciones der Comedia-Bände geschickt in Zweifel zieht: »No dan mas autoridad, ni calidad las censuras ordinarias a los libros, ni a las opiniones. Considera, pues, que estimación debe hazerse en este caso de las que en la apariencia sola son censuras, y son aprobaciones, donde el estado publico, y las almas interessan tanto.« Discvrsos, S. 275f.

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Padre Fray Ioseph de Iesus Maria« (S. 277-296), dessen Verurteilung des zeitgenössischen Theaters - vor allem der comedia de santos und der autos sacramentales - er abschließend ausführlich referiert.14 Ist die offene Form des Briefes - neben Dialog und Essay - einerseits ein bevorzugtes Genre der Humanisten, so wählt Navarro Castellanos die Briefform andererseits aus dem Bewusstsein des Predigers, der sich auf seinen jeweiligen Hörer einzustellen und ihn über die direkte Ansprache für sich zu gewinnen weiß. Folglich verfasst er seine Briefe nicht als Privatmann, sondern begibt sich in die Position des geistlichen Führers, aus der er sich an seinen fiktiven Gesprächspartner Théophile richtet. Während er den verständigen Théophile, der als Repräsentant der Gläubigen stets gegenwärtig ist und seinen Lesern somit als Identifikationsfigur dient, im Ton eines Seelsorgers über die Gefahren des zeitgenössischen Theaters aufklärt, um ihn zur Heilserlangung zu führen, nimmt er gegenüber der monarchischen Macht den kritischen Ton eines Hoflehrers an, dem es zukommt, dem Souverän die Missstände in seinem Land aufzuzeigen, um die drohenden Übel abzuwenden.

2

Navarro Castellanos' Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: Forderung nach Weltabkehr und christlicher Perfektion

Zwar erkennt Navarro Castellanos die Notwendigkeit der Erholung grundsätzlich an, moniert jedoch, dass unter dem Vorwand der Eutrapelie jegliche Art von Vergnügung und Lustbarkeit - so auch Stierkampf, Theater und Kleidermode - verteidigt werde.15 Die Comedias verurteilt er als »primogénitas del ocio« (S. 28), weshalb er das Argument der Theaterverteidiger, das Theater diene der Vermeidung der aus dem Müßiggang resultierenden Sünden und Unruhen, als absurd zurückweist.16 Während die Mehrzahl der Theaterverteidiger die Weltabkehr als für den Laien nicht einlösbares Vollkommenheitsideal erkennt, erneuert Navarro Castellanos die Forderung nach innerweltlicher Askese. Zwar gesteht er ein, dass sich nicht jeder Mensch einem monastischen Leben verschreiben kann, fordert jedoch: »en su estado puede ser perfecto cada vno« (S. 169) und erhebt die Weltabkehr durch eine Anspielung auf die - auf Mt 7, 13 zurückgehende - Zweiwegemetaphorik zur Voraussetzung des Heilsgewinns.17 Hierbei erklärt er, dass der Christ durch die Taufe 14 Er zitiert lange Passagen aus der Primera parte de las excelencias de la virtud de la Castidad (1601). 15 »No parece necessario amontonar mas exemplos, de juegos, ni de vicios, que oy se escusan con la Eutropelia; porque apenas ay alguno, que los hombres del Siglo no escusen, y defiendan con su sombra. Con ella se defienden los juegos mas atrozes, y mas desvergon9ados, los Toros, los moharraches, y Comedias: las mas desordenadas demasías, y profanas: los trajes mas deshonestos, y lascivos, guardainfantes, escotados, y mangotes: las galas mas locas, y costosas; las joyas de vidrio, y precio de esmeraldas, y diamantes: telas de flores, y mantos transparentes: los delitos mas infames, y sucios, los engaños, estafas, y sobornos. Quieren que haga esta virtud el papel de todas las virtudes, de Prudencia, y de Templarla, de Iusticia, y Fortaleza; y que sirva de mascara a cada vna al vicio que mas lo contradize. Quieren [...] que la sombra de la Eutrapelia comprehenda, y abrace quanto agrada, y deleyta al apetito; y quanto la ambición, y la avaricia desean.« Discvrsos, S. 120f. 16 So suggeriert er seinen Adressaten, dass das Theater als Inbegriff des Müßiggangs gerade Urheber von Unruhen sei: »Si al ocio dan materia, y forma los Teatros, qué es lo que llaman ocio los Apologistas? O que ocupacion puede aver en la República, que sea mas ociosa, ni mas ocasionada a los tumultos.« Discvrsos, S. 140. 17 So moniert er mit Berufung auf ein Reformedikt Alexanders VII., dass »algunos ingenios mal entretenidos« den »camino angosto de la salvación, que ¡a verdad de Dios eterna y infalible, quiso, y ordenó que fuesse muy estrecho« mit ihrem unaufrichtigen, nicht evangeliumsgetreuen »modo de opinar« auszudehnen versuchen. Folglich appelliert er an seinen fiktiven Adressaten: »Sigue Theophilo

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zur Verachtung der Welt fähig sei, und stellt der Weltliebe, die dem Menschen durch die Vergänglichkeit des Diesseits stets Verlust, Unruhe und Kummer bereite, die einzig zur Glückseligkeit fuhrende Gottesliebe entgegen.18 Die wahre Klugheit liegt für Navarro Castellanos folglich in der »ignorancia [deste mundo]« (S. 139). Um den moralischen Druck auf seine Adressaten zu erhöhen und sie zu einer den christlichen Grundsätzen entsprechenden Lebensführung zu disziplinieren, hebt er zudem die Unberechenbarkeit der Strafe sowie die Unverfügbarkeit der Gnade Gottes hervor, die dem Menschen nach für ihn nicht durchschaubaren Kriterien verweigert oder zuteil wird.19 Da der Mensch Navarro Castellanos' pessimistischer anthropologischer Sicht zufolge von den passiones so sehr beherrscht wird, dass er auf sich selbst gestellt zur Disziplinierung der Leidenschaften - und somit zum maßvollen Umgang mit dem weltlichen Vergnügen - nicht fähig ist, sind der mahnende Eingriff der Priester sowie klare normative Vorgaben aus Navarro Castellanos' Sicht unabdingbare Voraussetzungen für die Heilserlangung. Daraus folgt, dass seine Konzeption der Frömmigkeit, die Weltabkehr und absoluten Gehorsam gegenüber den - für das Seelenheil der Menschen verantwortlichen - kirchlichen Autoritäten verlangt, jede anthropozentrisch orientierte Freizeitgestaltung als heilsgefahrdend ausschließt.20 Fordert er jedoch für die Gegenwart die Unterdrückung der Affekte, so lobt er im zweiten Teil der Discvrsos das staatliche Erziehungsprogramm Lykurgs, der athletische Wettkämpfe von nackten Frauen veranstaltete, um die Ehe seiner Untertanen auf dem »amor honesto« (II, S. 89) zu begründen. Auch feiert er Sparta als eine Art sozialistischen Idealstaat, in dem Zwietracht und Müßiggang unbekannt waren,21 und konterkariert damit seine

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el silvo del Pastor Vniversal, que te salva del peligro: huye de la voz de las Sirenas, que te mete en él para perderte. Ten por sospechosas las doctrinas que te alhagan los sentidos, [...].« Discvrsos II, S. 155f. Spielt er hiermit gewiss auf die Verteidigung des Theaters auf der Grundlage des Probabilismus an, der aus seiner Sicht nicht mit dem katholischen Wahrheitsanspruch kompatibel ist, so bezieht sich auch sein Hinweis auf das Reformedikt Alexanders VII. zweifelsohne auf dessen Verurteilung der laxen Morallehre. Cf. Enchiridion symbolorum definitorum de rebus fidei et morum, 2021 ff. Navarro Castellanos bietet mit der Gegenüberstellung von Diesseits und Jenseits (Discvrsos, S. 177f.) eine komprimierte Fassung von Nierembergs De la diferencia entre lo Temporal y Eterno, was seine Beeinflussung vom Gedankengut Nierembergs offen legt, mit dem er als seinem Beichtvater (S. 4) in engem Kontakt stand. So betont er: »Mas aunque [...] parece que atribuyo a la luxuria sola, y pecados de deshonestidad los castigos, y amenazas, que padecemos oy, y que tememos; no ignoro que nosotros no podemos [...] saber, ni conocer por quales pecados nos castiga Dios, quando tenemos muchos porque nos castigue. Ni ignoro, que también por otras culpas castiga los Reynos, deshaze los Imperios, y los muda de vna gente en otra; y que debemos temer a todas horas las que en nosotros conocemos, porque por todas puede castigarnos.« Discvrsos, S. 21f. Aufgrund der zum Bösen neigenden Natur des Menschen plädiert Navarro Castellanos - hier unter Berufung auf Tacitus - für ein Verbot aller weltlichen Vergnügungen: »[...] siempre nuestra naturaleza se inclina a lo peor; y halla menos dificultad en apartarse, y privarse de vna vez de todos sus deleytes, que en refrenarse (si se le permiten) dentro de los limites de la honestidad.« Discvrsos, S. 259. Dabei sieht er es als Aufgabe der »Sacerdotes, y Prelados, de los Reyes, y sus Ministros«, die Sünden zu bekämpfen und konstatiert, die Leitfunktion der zu »Médicos del Cielo« stilisierten Kleriker hervorhebend: »[...] el producir el fiuto toca a Dios, que lo dà quando es servido; y para que le dé, y le multiplique, nunca se ha de cansar la voz de sus Ministros, enseñando, predicando, rogando, persuadiendo, exortando, reprehendiendo, y porfiando, a tiempo, y fuera dèi« (S. 26). Der Schlüssel zur Vermeidung von Wollust und Konkupiszenz, die flir Navarro Castellanos Ursprung aller weiteren Sünden sind, liegt für ihn in der asketischen Haltung der Frauen, die Lykurg durch die

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für die Gegenwart dargelegte Auffassung, nur eine hierarchische Gesellschaftsordnung könne den Menschen disziplinieren. Diese ambivalente Haltung macht seine Hin- und Hergerissenheit zwischen einem auf Weltabkehr und autoritativen Normvorgaben basierten ethischen Rigorismus, der die Absage an die Welt als Voraussetzung für das Christsein fordert, und einer humanistisch geprägten Auffassung deutlich, die auf dem philosophischen Denken der Antike begründet ist und dem irdischen Dasein eine gewisse Eigenbedeutung zugesteht. Während Navarro Castellanos als Humanist bemüht ist, Ethik und Literatur der Antike zu legitimieren, tritt er bezüglich seiner Moralvorstellungen für die Gegenwart als Vertreter der klerikalen Kultur auf, die nicht - wie der anthropozentrisch ausgerichtete Humanismus - auf einem konstruktiven Einsatz der Moral beruht, um den Menschen zu Eigenverantwortung zu erziehen, sondern das Individuum vielmehr mit den Mitteln einer destruktiven Moral den Vorgaben der Theologen unterwirft und ihn ausschließlich in Hinblick auf sein Heilsstreben wahrnimmt.

3 3.1

Die Rehabilitierung des antiken und die Verurteilung des zeitgenössischen Theaters Die Widerlegung der Theaterverteidiger zur Rehabilitierung der Antike

Wie alle Autoren der licitud-Debatte wirft auch Navarro Castellanos der Gegenseite vor, die Zitate der Kirchenväter und antiken Autoritäten falsch zu kontextualisieren und zu interpretieren und somit die Aussage ihrer Textzeugnisse - absichtlich und unabsichtlich - zu verfalschen. Anders als die Mehrzahl der Theatergegner versucht er jedoch nicht, die Comedia als weniger unsittliches, aber dennoch gegen die christliche Moral verstoßendes Duplikat der heidnischen Theaterauffiihrungen darzustellen, um daraus die Gültigkeit der patristischen Theaterverurteilung für das zeitgenössische Theater abzuleiten, sondern ist vielmehr darum bemüht, das antike Theater zumindest partiell vom Makel der Unsittlichkeit zu befreien. So wirft er den Theaterverteidigern vor, die Moralvorstellungen der Antike zu verunglimpfen und die Unsittlichkeit des antiken Theaters zu übertreiben, um die der Comedia zu verdecken. Die aus seiner Sicht falsche Darstellung der antiken Theaterrealität fuhrt er somit zum einen auf den absichtlichen Täuschungsversuch der Theaterverteidiger und zum anderen auf deren Inkompetenz im Umgang mit den antiken Quellen zurück: Hatten alle Theaterkritiker des Siglo de Oro bisher auf die von den Kirchenvätern verurteilte Unsittlichkeit der antiken Bühne Bezug genommen, um davon ausgehend entweder die Unsittlichkeit jeglicher Form von Theater zu konstatieren oder die Comedia von der Unsittlichkeit der antiken Auffuhrungen abzuheben, so stellt Navarro Castellanos heraus, dass die Einbeziehung der weiblichen Athletik in sein Erziehungsprogramm erreicht habe: »Quiso con ellas [sc. las leyes] prevenir Licurgo los daños, y peligros que a las costumbres antiguas ocasionan las galas ricas, y trages deshonestos, las puntas, y mantos de humo, las telas transparentes, los brocatos, las medias de cristal, y pelo, los mangotes, los afeytes asquerosos de las caras, de las espaldas, y pechos, los chocolates, y garapiñas, ö la afrentosa embriaguez, dissimulada en búcaros de barro, y finalmente, las conversaciones de los estrados, tan poco limpias, como mal seguras, con los otros vicios, que nacen del ocio, que ni pueden tener quenta ni cabo.« Discvrsos II, S. 82. Hier wird wiederum deutlich, dass Navarro Castellanos jede Art von Weltzuwendung ablehnt, wobei er auch die Veranstaltung gemeinsamer Mahlzeiten, die aufgrund der sozialen Kontrolle Völlerei verhindert habe, sowie das Verbot von Goldmünzen, das Bestechung und Raub unterband, als vorbildlich lobt. So habe die von Arbeit geprägte asketische Lebensweise aller Bürger jegliche im ocio begründete Laster und Sünden vereitelt.

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Kirchenväter die Unsittlichkeit des antiken Theaters zur Steigerung der Effektivität ihrer Kritik durch Metaphern vergegenwärtigt haben, ihre Kritik von Ehebruch, Geschlechtsakten und Nacktheit also nur deren szenische Andeutung, nicht aber deren reale Ausübung auf der antiken Bühne meine. Folglich wirft er den Theaterverteidigern vor, die metaphorische Kritik der Kirchenväter - absichtlich oder unabsichtlich - wörtlich zu nehmen, und wertet die Tatsache, dass sie ihre Aussagen nicht anhand der antiken Dramen beweisen, als B e l e g für die Fundamentlosigkeit ihrer Einwände. 2 2 W i e ansonsten zumeist die Theaterverteidiger tadelt Navarro Castellanos als Verteidiger der antiken Kultur und ihrer literarischen Erzeugnisse auch die fehlende Unterscheidung der spectacula, um das dramatische Erbe der Antike v o m Stigma der Unsittlichkeit zu befreien. Spricht er den Theaterverteidigern aus der Perspektive des Humanisten jegliche Kompetenz bezüglich der Auseinandersetzung mit der antiken Kultur ab, so wehrt er sich als Vertreter der klerikalen Kultur gegen ihren - von ihm als besonders perfide bewerteten - Versuch, ihre Argumentation theologisch zu begründen. 2 3 D a alle Theaterverteidiger für Navarro Castellanos »vnos hombres Cortesanos, y del siglo« sind, erkennt er ihnen nicht nur jede Autorität, mit der ihre Meinung als probabel gelten könnte, ab, sondern moniert auch, dass sie sich illegitimerweise in den Zuständigkeitsbereich der »hombres doctos«

22 So unterstellt er den Theaterverteidigern: »De las Comedias antiguas fingen, y suponen abominaciones tan escandalosas, que a vista de sus torpezas pueden las nuestras parecer a algunos muy decentes, muy honestas, ô quizá muy Santas.« Discvrsos, S. 35. Auch wirft er ihnen vor: »No prueban, ni verifican lo que presuponen con ningún Poeta Comico, Trágico, ni Latino de los que han quedado de la antigüedad: no con Aristófanes, con Sofocles, Eurípides, Plauto, Terencio, ni Seneca; ni oy se vé, ni se lee en algunos de ellos ninguna de las torpezas desnudas que suponen. [...] De donde se colige, que solo hallaron lo que fingen en sus fantasias, fundadas [...] en algunas sentencias hyperbolicas, y palabras metafóricas, que por no averias entendido, las interpretan en sentido propio, ö porque no las quisieron entender« (S. 44). Dass Guerra in der Apelación entgegengesetzt - mit der realen Ausübung sexueller Akte im antiken Theater - argumentiert, mag darauf hinweisen, dass er die Discvrsos vor dem Verfassen seiner Verteidigungsschrift gelesen hat. Allerdings hatte auch der anonyme Autor der bei Vitse abgedruckten Carta konstatiert: »Quien dice que en público se hacían deshonestidades cómicas para conohestar [sic!] nuestras comedias se engaña; [...].« Eléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIIe siècle, S. 152. 23 »Passan los Apologistas desde el Teatro al Pulpito, y como si fuera el Teatro escuela de virtudes, discurren: Sobre la vanidad, y brevedad de la vida; sobre la certidumbre de la muerte, y lo estrecho de la quenta, y sobre la sordez, y ceguedad de aquellos, que no lo dexan todo, y siguen la voz que clama en el Desierto.«. Discvrsos, S. 167. Navarro Castellanos spielt hiermit auf die Argumentation von Luis de Ulloa an, der zunächst die Richtigkeit der theologischen Weltsicht bestätigt, dann jedoch herausgestellt hatte, dass die geforderte Weltabkehr fflr den Laien nicht umsetzbar ist: »Si algunos varones virtuosos [...] regulando por sus conciencias las agenas, todo quisieran muy perfecto, no puede negarse, que fuera esto lo mejor; que toda nuestra vida es vanidad, y tiempo mal gastado, quanto no se ocupa en contemplar la breuedad della, la incertidumbre de la muerte, la estrechez de la cuenta, la impotencia de la sentencia. [...] pero esto fuera cortar la cabeça al engaño sobre que está fundado el globo de la tierra, y acabar de vna vez con el mundo. Diferente ha de ser el imperio, y gouierno Real con los vassallos, del que se professa entre Recoletos: [...].« Luis de Ulloa: »Defensa de libros fabvlosos y poesías honestas«, S. 378f. Auch auf diese realitätsbasierte Haltung repliziert Navarro Castellanos: »[...] se engañará sin duda el que dixere, que no puede la verdad de Christo, sobre que está fundado el Orbe de la Christiandad, cortar la cabeça a la mentira, y engaño del Demonio, sobre que el Orbe del Gentilismo se fundava, y funda. Poco discurre con el evangelio, quien assi discurre.« Discvrsos, S. 160. Die entgegengesetzten Haltungen von Ulloa und Navarro Castellanos machen wiederum deutlich, dass hinter den beiden Positionen gegenüber dem zeitgenössischen Theater zwei entgegengesetzte Weltbilder und anthropologische Auffassungen stehen.

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einmischen. D i e wenigen »hombres doctos« aber, die Comedia-Bände genehmigt haben, erliegen für ihn einer Täuschung und werden ihr Urteil revidieren, sobald sie diese erkannt haben. 2 4 D a die Theaterverteidiger aus Navarro Castellanos' Sicht eine evidente Wahrheit in Zweifel ziehen und so das bestehende Wertesystem und die christliche Lehre pervertieren, beurteilt er ihre Schriften als gefahrlicher als die Comedias selbst und appelliert in geradezu missionarischem Ton an seine Adressaten, sich vor den heilsgefahrdenden Urteilen der Theaterbefurworter zu bewahren. 2 5

3.2

Die Gültigkeit der patristischen spectacula-Kritik für das zeitgenössische Theater und die moralische Überlegenheit des antiken Theaters

Anders als die Mehrzahl der Theatergegner stellt Navarro Castellanos nicht die ausfuhrliche Darlegung und Interpretation der Zeugnisse der Kirchenväter in den Mittelpunkt, 2 6 sondern setzt die zeitgenössische Comedia vielmehr in B e z u g zum antiken Drama, um vor diesem Hintergrund die Gültigkeit der patristischen Zeugnisse auch für das zeitgenössische Theater zu beweisen. Dabei geht es ihm nicht nur darum, die Comedia als unzulässig zu definieren, sondern auch das antike Drama zu rehabilitieren, dessen Sittenwidrigkeit Theaterverteidiger w i e auch -gegner bisher als Fakt vorausgesetzt hatten. S o betont er unablässig, dass die von den Kirchenvätern verurteilten »fornicaciones y adulterios« (S. 54) sich im figurativen Wortsinn auf die anstößige Sprache und die unsittlichen B e w e g u n g e n der Schauspieler sow i e auf den in Mt 5, 2 8 verurteilten Ehebruch der Zuschauer »in corde« beziehen. 2 7 D i e s e 24 So konstatiert er: »[...] los que defienden las Comedias, son vnos hombres Cortesanos, y del siglo, aunque professan mas, y con noticias muy cortas, aun de aquellas letras de que más presumen. Y no pueden tener autoridad para poder hazer probable su opinion: antes deben humillar sus juizios, a los juizios de los hombres doctos, que pueden, ò que deben enseñarlos, y no meterse en lo que no les toca. [...] los hombres doctos, que han aprobado libros de Comedias [...] los aprobaron, lleuados y engañados del error común, y retratarán sin duda, luego que conozcan el engaño, sus censuras y pareceres.« Discvrsos, S. 275. Vor dem Hintergrund, dass sich Navarro Castellanos hier im Plural auf die »hombres doctos, que han aprobado libros de Comedias« bezieht, wird einmal mehr die zentrale Bedeutung der aprobaciones für die Erforschung der licitud-Debatte deutlich (cf. supra: V, V, Anm. 10). Sind die aprobaciones einerseits die Vorläufer der großen Theaterverteidigungen von Guerra und Bances Candamo, so musste die Tatsache, dass die Veröffentlichung profaner Theaterstücke von kirchlichen Zensoren genehmigt wurde, andererseits auch den Rechtfertigungsdruck der Theatergegner erhöhen. 25 So konstatiert er: »Puede ser que estos elogios, no menos livianos, y falsos, que imprudentes, sean de mayor escandalo que las Comedias mismas.« Discvrsos, S. 41. Da die Sündhaftigkeit des Theaters tur ihn eine theologische Gewissheit ist, warnt er immer wieder vor den demagogischen Lehren der Theaterverteidiger: »Los Santos nos enseñan las virtudes con que ellos se salvaron. La Iglesia nuestra Madre aprueba, y canoniza sus doctrinas; no podemos engañarnos en seguirlas. Verdades son, y seguras, y con tranquilidad, y quietud nos encaminan a la vida eterna. Guardémonos de las doctrinas falsas, y penosas, que nos descaminan, ò encaminan a la muerte [...] con las palabras de los mismos Santos, no bien entendidas, ò mal interpretadas« (S. 128). 26 So zitiert er Tertullian, Chrysostomus, Augustin, Salvian, Cyprian Laktanz und Isidor nur punktuell, um mit ihren Zeugnissen zu beweisen, dass im antiken Theater sexuelle Anzüglichkeiten nur rezitiert bzw. schauspielerisch dargestellt, nicht aber ausgeübt wurden. Dabei distanziert er sich explizit von der systematischen Darbietung aller patristischen Urteile: »Para quien [...] busca [el desengaño] en las doctrinas de los Santos Padres, y Escritores antiguos, las referidas bastan. Para quien huye dèi, ningunas son bastantes: [...].« Discvrsos, S. 62. 27 So erklärt er: »Las fornicaciones, y los adulterios, que los Santos reprehenden en las Comedias antiguas, no fueron verdaderos adulterios, y fornicaciones executadas, como dizen, a vista de todo el Pueblo, en el Teatro: sino que en él imitavan los Representantes, con las palabras, y cantares, y con los

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Art von sexuellen Anzüglichkeiten und mentalem Ehebruch aber werde weitaus häufiger und zügelloser - im zeitgenössischen Theater dargestellt: S o stellt Navarro Castellanos Pamphilas Bad in Terenz' Eunuchus den vielen - und viel detaillierteren - Badeszenen in der Comedia gegenüber, ohne allerdings für die Gegenwart einen Autor bzw. ein Theaterstück zu benennen. 2 8 Während er betont, dass im antiken Drama - so im Amphitruo von Plautus, der Andria von Terenz und in Senecas Troades - sowohl unsittliche Liebes- als auch grausame Todesszenen ausschließlich durch Botenbericht dargestellt wurden, tadelt er - wohl in Anspielung auf die im Siglo de Oro beliebten Ehrendramen - die realitätsgetreue Inszenierung toter Ehebrecher auf der zeitgenössischen Bühne. 2 9 A u c h macht er in den antimovimientos lascivos de sus bayles; y las mismas, sin diferencia alguna, que las que en nuestros Teatros se representan oy, quizá con mas licencia; a que llaman adulterios los Santos, incestos, estupros, y fornicaciones; porque las ocasionan en los deseos, y en las voluntades.« Discvrsos, S. 54. Folglich bezieht er die Verurteilungen der Patristen immer wieder auf die Gegenwart: »Considera oy, amigo, vna Ramera, ö Comedianta, baylando medio vestida, ö por mejor dezir, medio desnuda, vn Escarraman, Zarabanda, ó Zarambeque, en el Teatro, ö entonando vn rufayfa, con gran descompostura, y desvergüenza; [...] Pues estos solos son los adulterios, y fornicaciones que los Santos Padres, los Filosofos, y los Poetas reprehenden en sus escritos, no los que en el Teatro representavan, ö executavan, sino los que en él imitavan los Representantes, y los que cometían en sus corazones los que tenian ojos para verlos, y orejas, para oírlos representados con serena frente« (S. 74). 28 »Pero si queremos comparar nuestras Comedias con las de Terencio, que San Agustín reprehende, y abomina tanto; nos parecerán, sin duda, mucho mas honestas, y decentes, que muchas Españolas, [...]. Si comparamos el baño de vna Dama en el Eunuco, con el baño de otra en la Comedia de vn Poeta nuestro, hallaremos, que en el baño de Terencio tiene la castidad menos peligro; porque aunque perdieron ambos el respeto al decoro, y a la honestidad, parece que lo perdió [sie!] mas nuestros Poetas. Este baño lascivo se halla solo entre todos los Poetas Comicos antiguos: y en él mete Terencio la Dama que introduce tan de priessa, y con tan pocas palabras, que apenas el baño fue visto, ni oido. Mas no es solo vn Poeta, son muchos los Españoles que hazen bañar a sus damas a competencia de quien mas provoca con su desnudez. Pintanlas de los pies a la cabesa, muy de espacio, miembro a miembro, y en cada vno se ván muy poco a poco saboreando, deleytando, y renovando escandalosamente memorias torpes, dispiertas, ó dormidas en todas la edades, con lastimoso estrago de las almas. Aun no dexan Luzeros en el Cielo para hermosear la asquerosa fealdad de su pintura; ni flores en la tierra, para suavizar su lasciva, y venenosa hediondez.[...] Con tal estruendo de desatinos pintan nuestros Poetas sus damas en el baño, y se bañan ellos con ellas, por ventura, muy de espacio, mas no en agua rosada.« Discvrsos, S. 45f. Ähnlich wie Herrera interpretiert Navarro Castellanos die metaphernreiche Sprache der zeitgenössischen Theaterautoren, die - nicht zuletzt aufgrund der strengen Moralvorstellungen der Theatergegner - auf die Personifizierung von Naturelementen zurückgreift, als Taktik, die Schäbigkeit und Sündhaftigkeit ihrer Darstellung zu verschleiern. Zur Badeszene in der Comedia des Siglo de Oro cf. supra: V, VI, Anm. 52. 29 Navarro Castellanos bezieht sich auf die zeitgenössischen Inszenierungen der lateinischen Stücke, wobei er auch seine Kenntnis des antiken Theaters unter Beweis stellt: »De las Comedias, y tragedias mas celebres que viö Roma, no pocas vémos oy de Plauto, de Terencio, y de Seneca: y no se vé, que el lecho de la Orchestra sirva en el Anfitrión del primero al adulterio de lupiter, y Alemana: ni en la Andria del segundo a los amores de Glyzeria, y Pamphilo; mas Mercurio, y Davo refieren al Pueblo lo que passa dentro: ni en el tercero se vén manchadas las tablas del Teatro con la sacrificada sangre de Polyxena, [...] mas el nuncio haze relación al Pueblo de sus desastrados fines.« Discvrsos, S. 53. In Hinblick auf das zeitgenössische Theater betont er folglich: »No vieron los Teatros Griego, ni Latino, corriendo las cortinas de la Seena, a los adúlteros muertos en la cama, despues de aver violado, y ofendido las orejas de todos, y los ojos con sus amores lascivos, y torpezas. O quanto de esto se vé, y se oye oy en el nuestro, sin que se repare!« (S. 46). Er spielt hiermit wohl auf die Ehren- und Eifersuchtsdramen des Siglo de Oro an, die mit dem Tod des Vergewaltigers (Lopes El mejor alcalde, el rey und Calderóns Alcalde de Zalamea), der - in der Regel nur vermeintlichen - Ehebrecherin (Calderón: El médico de su honra etc.) oder beider Ehebrecher (Lope: El castigo sin venganza) enden konnten. Leavitt weist in sei-

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ken Komödien keine unsittlichen Liebesszenen aus bzw. erklärt, hierin der Argumentation anderer Theatergegner folgend, dass diese höchstens zwischen »rameras, y rufianes« dargestellt wurden, nicht aber - w i e im zeitgenössischen Theater - unter sozial hochgestellten Personen. 30 Während er in Replik auf die Theaterverteidiger herausstellt, dass die Kirchenväter ihre Theaterverurteilung mehr auf der Unsittlichkeit als auf der - bereits zur Zeit des Chrysostomus ausgehenden - Idolatrie begründen, insistiert er darauf, dass alle von den Patristen verurteilten Elemente des antiken Theaters im zeitgenössischen Theater um so potenzierter vorkommen, da die verbreitete Überzeugung, dass Nacktheit und die Ausübung sexueller Akte integrativer Bestandteil des antiken Theaters gewesen seien, zur Duldung einer um so größeren Zügellosigkeit des zeitgenössischen Theaters gefuhrt habe. 31 Gleichzeitig hebt er die Untadeligkeit der antiken Sitten hervor, die den Schauspielern das Tragen langer Kleider und Unterkleider vorschrieben und Schauspielerinnen nur in den seltensten Fällen zuließen, womit er der Vorstellung v o m öffentlich ausgeübten Geschlechtsverkehr das Fundament entzieht. Das Tragen von Masken im antiken Theater interpretiert Navarro Castellanos als Zeichen der Schamhaftigkeit der Schauspieler. 32 Welche Bedeutung er dabei der ner Untersuchung über die »Scenes of Horror in Golden Age Drama« auf die Beliebtheit solcher Todesinszenierungen hin, die zumeist beim letzten Aufzug als wirkungsvolle Schlusstableaus präsentiert wurden. Golden Age Drama in Spain, S. 55ff. Im antiken Theater wurden Bluttaten - sei es aus religiöser Vorsicht oder aufgrund von technischen Schwierigkeiten - tatsächlich zumeist durch Botenszenen berichtet. Horst-Dieter Blume: »Theater. III. Kulturgeschichte des antiken Theaters«, in: Der neue Pauly, Bd. 12/1 (2002), Sp. 266-274. 30 Diese Kritik findet sich auch bei Hurtado, Herrera und Fomperosa (cf. supra). Wie die beiden letzten lehnt Navarro Castellanos auch die Verteidigung der Comedia mit dem Argument ab, die Handlung ende im christlich sanktionierten Stand der Ehe. So erkennt auch er die Ehe zwar als Abstraktum an, fasst sie jedoch nicht als Status auf, dessen Erreichen aktiv verfolgt werden darf, sondern als Konzession an die menschliche Schwäche, deren sexuelle Komponente er aus dem Bewusstsein der Menschen - und folglich auch aus der öffentlichen Darstellung im Theater - getilgt wissen will: »Honesto sin duda, es el matrimonio, mas no siempre los medios para él son honestos, y no pueden publicarse en el Teatro, sin escandalo, y peligro de la jubentud en ambos sexos.« Discvrsos, S. 47. 31 »Porque nada de lo que los Filosofos, y Santos Padres reprehendieron, y las leyes Sagradas, y Profanas castigaron en las Comedias antiguas, se echa menos oy en las de España. Antes debemos temer [...] que concurren en las nuestras mucho mayores causas, y mas graves de reprehensión, por el engaño (ya casi común) de que en el Teatro antiguo representavan desnudos hombres, y mugeres, y se mezclavan torpemente en él los vnos, con los otros, delante de todo el Pueblo: porque a vista de torpeza semejante, y de abominación tan increíble, no nos han parecido todas las demás (que son las que los Santos reprehenden) dignas de reformación, ni de censura, y las avernos dexado correr quanto han querido.« Discvrsos, S. 117. 32 So erklärt er, dass Frauenrollen im antiken Theater zumeist von Männern ausgefüllt wurden und nur in einigen Stücken Frauenstimmen aus dem Off zu hören waren. Discvrsos, S. 63. Bezüglich des Gebrauchs von Masken im antiken Theater, der ihm als Beleg für die »honestidad de las costumbres antiguas« (II, S. 21) gilt, fragt er suggestiv: »Si tanto se avergonpavan los Representantes, hombres, y mugeres, de desnudarse en publico sus caras, como sin vergüenza desnudavan en publico sus cuerpos? O que adulterios, y fornicaciones eran las que se veian executar en el Teatro, donde las mugeres no representavan, y eran hombres, los que hazian sus personges!« (S. 65). Mag Navarro Castellanos mit dieser Funktionszuweisung für die Masken bezogen auf die von römischen Bürgern gespielten Atellanen Recht haben, so wurden Masken weder in allen Theaterepochen noch in allen Theatergenera - so z.B. nicht im besonders anzüglichen Mimus - benutzt. Auch hatte das Tragen von Masken eher kultische und vor allem dramaturgische Gründe, so die Erkennbarkeit des typenartig festgelegten Gesichtsausdrucks auch aus der Ferne. Im Mimus, der die anspruchsvolleren Arten des Lustspiels zu Beginn der Kaiserzeit verdrängte, traten zudem auch Frauen auf. Cf. K.G. Kachler: »Antikes Theater«, in:

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Rehabilitierung der antiken Sitten beimisst, wird auch daran deutlich, dass er sogar seine Mitstreiter im Kampf gegen die Comedia - so vor allem Mariana - bezüglich der Annahme der Nacktheit im antiken Theater korrigiert, wobei seine langen Ausfuhrungen über die Art der Nacktheit in den spectacula sowie über den Kleidungsstil in Antike und Gegenwart vom Niveau einer Gelehrtendebatte gänzlich abweichen und bisweilen pornographische Züge annehmen.33 Wird an Navarro Castellanos' Darstellungen so immer wieder sein Bemühen deutlich, die klassische Kultur als gesellschaftliches Ideal zu rühmen, so gilt seine Rechtfertigung vor allem dem Theater der Antike, das er - aufgrund der ablehnenden Urteile der Kirchenväter sowie mancher antiker Philosophen selbst - freilich vollständig nicht gutheißen kann. Sein Vergleich von antikem und zeitgenössischem Drama gereicht aber der Comedia stets zum Nachteil, wobei er die Comedia zwar in die Nachfolge von Plautus' Komödiendichtung stellt, jedoch - wohl erneut mit Blick auf die zeitgenössischen Ehrendramen - konstatiert: »Las nuestras tienen mas de Tragedias, que de Comedias, aunque mezclan algunas burlas, y bufonerías fuera de tiempo con la gravedad. Mejor lo hizieron despues de los Actos, ó lomadas los Griegos, y Latinos, que en todo tuvieron mas cuydado con el decoro« (S. 216).

Wird hier bereits seine Kritik an der Mischung tragischer und komischer Elemente im Theater des Siglo de Oro deutlich, so kann Navarro Castellanos mit seinem Insistieren auf den Regeln der Kunst durchaus als Vorläufer der spanischen Neoklassizisten gelten: So tadelt er - mit Berufung auf Cervantes' vielzitierten Dialog von Kanonikus und Priester im Don Quijote - den Verstoß der Comedia gegen die aristotelische Poetik, weshalb er das zeitge-

Carl Andresen et al. (Hg.), Lexikon der Alten Welt. Zürich/Stuttgart: Artemis 1965, Sp. 3027-3036 und Horst-Dieter Blume: »Theater. III.«. 33 So nimmt Navarro Castellanos auf die rigiden Sittengesetze der Antike Bezug und betont: »[...] no es de presumir de dos Naciones las más nobles, y racionales, que en el mundo ha ávido, que aprobassen con su autoridad las mismas deshonestidades, y torpezas, que con sus propias leyes reformavan, y castigavan [...].« Discvrsos, S. 32. Im zweiten Teil der Discvrsos liefert er eine Reihe von Erklärungen für die von den Kirchenvätern getadelte Nacktheit: Zum einen beziehe sie sich auf die athletischen Kämpfe, in denen die Kämpfer aber einen Lendenschurz trugen und von denen Frauen ausgeschlossen waren (II, S. 30ff.), zum anderen meine Nacktheit bisweilen die Unbedecktheit des Hauptes (II, S. 79). Prokopios Bericht über Theodoras nacktes Auftreten im antiken Theater weist er als apokryph zurück (II, S. 48). Auf Marianas Hervorhebung der Nacktheit im antiken Theater, der die übrigen Theaterkritiker gefolgt seien, repliziert er mit einem eigenen Brief und erklärt, dass sich die von Mariana zitierten Stellen des Chrysostomus nicht auf das Theater, sondern auf die Maiuma bezögen: »Mariana, acérrimo perseguidor de los Teatros, parece que habla desta desnudez, llevado, como otros del común engaño, quando escrive, que en los tiempos antiguos salian mugeres a las Tablas, que con toda desvergüenza desnudavan sus cuerpos, [...] son muchos los que incurrieron en vn mismo error, siguiéndose los vnos a los otros« (II, S. 35). Im Gegenzug stellt Navarro Castellanos ausführlich die Angemessenheit der antiken Kleidung dar, wobei er erwähnt, dass Cicero seine Tunika bis zu den Füßen fallen ließ, und dann wohl zur Unterhaltung der Leser - mitteilt: »Medio, de que en nuestros dias se sirvió Don Francisco de Quevedo, vistiéndose de largo, para poder encubrir con los faldones, y la capa larga, la gran fealdad de sus pies torcidos ázia dentro« (II, S. 54). Nimmt seine Argumentation bereits hier >Klatschzeitungsniveau< an, so erklärt er im Zuge der Rehabilitierung der Antike auch, dass der Blick auf den Schambereich eines Mannes nicht zulasten der römischen Kleidung, sondern der Unachtsamkeit der Person gehe, was auch heute noch passiere, wenn ein Mann versehentlich seinen Hosenschlitz aufließe. Zwar entschuldigt er sich abschließend: »Poco tiene el discurso de la limpieza para egemplo: pero no tiene mas de verdad para testimonio« (II, S. 57f.). Seine Ausführungen stoßen jedoch auch durch die ständige Wiederholung der Worte »fornicar« und »fornicación« an die Grenze der Pornographie.

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nössische Theater bezüglich seiner literarischen Qualität fiir nicht vergleichbar mit den künstlerisch anspruchsvollen Dramen der Antike erklärt. 34 Dies macht wiederum seine von den übrigen Theatergegnern abweichende Argumentationsstrategie und sein Anliegen deutlich, die antike Kultur zu rehabilitieren: War die logische Konsequenz der Verurteilung der Comedia bisher zumeist die gleiche - wenn nicht heftigere - Verurteilung des antiken Theaters, so kann Navarro Castellanos als Humanist, dessen Gelehrtheit auf der Auseinandersetzung mit der klassischen Literatur beruht, diese Konsequenz nicht akzeptieren und versucht folglich, das auf den Regeln der Kunst basierte, den Verstand ansprechende Theater der Antike, vom aus seiner Sicht einzig auf die »sensualidad« ausgerichteten zeitgenössischen Bühnenwesen abzuheben. So lobt er die intellektuelle Leistung des antiken Theaters, weist das spanische Theater aber als Werkzeug der Konkupiszenz aus, das die Sinne nicht nur erfreue, sondern auch verderbe. Zwar diktiert ihm sein Nationalstolz, den spanischen Dichtern das für das Verfassen von Theaterstücken nötige »ingenium« zuzusprechen. Der Verstoß gegen die klassischen Regeln, der - so deutet er an - auch Ungelehrte zum Verfassen von Theaterstücken ermutigt habe, habe die Comedias aber künstlerisch so wertlos gemacht, »que en pocos anos las mas servirän de embolver epecias«. Ebenfalls inspiriert von Cervantes, der die Regellosigkeit der Comedia auf die Kommerzialisierung des Theaters zurückführt, erklärt er die negative Entwicklung des zeitgenössischen Theaters mit dem einzig nach Sinnesvergnügen trachtenden Verlangen des Publikums, das die Dichter fatalerweise aus ökonomischem Interesse zu befriedigen versuchen. 3 5 Diese Ausführungen ma34 Er betont, sich auf Cervantes zu berufen, weil die Gegenseite den Theaterautor nicht für »apassionado« - für parteiisch - halten könne und übersieht bzw. übergeht damit Cervantes' Konkurrenzverhältnis zu Lope de Vega, hatte Lopes am >gusto< des Publikums orientierte Comedia doch erheblich dazu beigetragen, dass Cervantes' Bemühungen, sein teatro clasicista aufzufuhren, scheiterten. Auch lässt er bezeichnenderweise die direkt auf die zitierte Stelle folgende Passage des Quijote aus, in der Cervantes klarstellt, dass jede - gute wie schlechte - Comedia, der Erholung und Unterhaltung des Menschen dienlich sei (cf. supra: V, IV, Anm. 33). So konstatiert er: »[...] porque no tengas mi parecer por sospechoso, podrás ver el juizio que haze dellas Miguel de Cervantes Saavedra en su D. Quixote, donde dize: Los Estrangeros, que con mucha puntualidad guardan las leyes de la Comedia, nos tienen por barbaros, é ignorantes, viendo los absurdos, y disparates de las que hazémos. [...] Verás en él [se. Cervantes] quanto pecan contra el arte, contra el decoro, y contra la prudencia, y quan lexos están de poder competir, ni compararse con las Comedias Griegas, y Latinas; [...] Con estas se deleytava el entendimiento, mas que los sentidos: las nuestras deleytan mas los sentidos, que el entendimiento. Obra en las nuestras la sensualidad, lo que en las antiguas obrava el artificio.« Discvrsos, S. 206f. Auch hier wird jedoch die problematische Beziehung zwischen theologischer Kultur und profaner Literatur deutlich. So fühlt sich der humanistisch gebildete Navarro Castellanos als Kleriker offensichtlich verpflichtet, seinen argumentativen Rückgriff auf einen profanen Autor zu rechtfertigen: »Harne obligado la necesidad a repetir los estudios, que ya tenia dexados, y olvidados, por responder a cada vno en su estilo; y por si puedo en mi vejez sacar algún provecho, no menos para mi, que para otros, del tiempo que en mi jubentud pude aver desperdiciado con ellos« (S. 207). 35 »No niego, que ha ávido muy ingeniosos Poetas en España, y que han escrito algunas Comedias, que pudieran compararse con las Latinas, y Griegas. No se echa menos en ellos el ingenio, sino el arte, y el estudio; que son los que goviernan el juyzio, y asseguran el acierto en todo. Mas hanse mal logrado sin duda muchos, que pudieran competir con los Antiguos, si huvieran ayudado los ingenios con el arte, al passo que fueron ingeniosos. Pero los más haziendo menos caso de su fama, que de su interés, se acomodan al gusto de los Actores de Compañías, que no hazen diferencia entre las Comedias buenas, y las malas, y pagan mas aquellas, que se acomodan a las torpes desembotaras del Teatro, con que juntan mucho Pueblo, que es en lo que consiste su mayor ganancia. Esta es la causa de no aver lucido algunos grandes ingenios Españoles, porque viéndolos humillarse, y abatirse tanto al gusto del vulgo, se atrevieron otros a lo mismo que ellos, y escrivieron Comedias, tan poco artificiosas, que en pocos años

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chen deutlich, dass Navarro Castellanos, der die Dichtung als göttlich inspiriert betrachtet und die Wertschätzung der »poesias honestas« vonseiten der klerikalen Kultur betont, 3 6 entsprechend der humanistischen Vorstellung nur den >poeta eruditus< anerkennt, dessen Dichtung auf der Rezeption der klassischen Literatur und der Anwendung ihres Regelkanons beruht.

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Lope de Vega als Verderber des zeitgenössischen Theaters

Ein weiteres N o v u m an Navarro Castellanos' Argumentation ist die interpretative (Um-)Deutung der spanischen Theatergeschichte, um den - bereits von Hurtado de Mendoza zum Theatergegner deklarierten - Augustiner A l o n s o de Mendoza als Gegner der Comedia Nueva auszuweisen. S o legt er dar, dass die Comedia vor 1580, die A l o n s o de Mendoza bei seiner Theaterakzeptanz im Blick hatte, den von den Theologen mit Thomas von Aquin geforderten Bedingungen entsprochen und als »recreacion honesta« nur Lachen provoziert, nicht aber w i e die zeitgenössische Comedia die Wollust entfacht und alimentiert habe. A l s >Verderber< des spanischen Theaters stellt er folglich - hierin ebenfalls neoklassizistisches Gedankengut antizipierend - Lope de V e g a dar, der mit der Comedia Nueva Spanien dem sündhaften »deleyte« zugeneigt gemacht und die Sitten der Spanier praktisch über Nacht verdorben habe. 37 Seine Verteidigung des realistisch-kruden, durchaus kritischen und bis-

las mas servirán de embolver especias; [...].« Discvrsos, S. 208. Cf. die entsprechende Passage von Cervantes: Don Quijote de la Mancha I, 48, S. 554f. 36 So konstatiert er: »[...] la Comedia en su genero es indiferente [...] porque ninguno [de los Doctores] duda, que es vna de las especies de Poesia, que dio Dios a los hombres, como las otras Artes liberales para buenos fines, sino los tuerce la malicia humana.« Discvrsos, S. 31. Folglich betont er, dass die »Poesias honestas« keiner Verteidigung bedürfen und seit jeher von »Escritores Sagrados, y profanos« gelobt und verfasst wurden (S. 84). Als Humanist hat er auch selbst Gedichte verfasst (»Noticia del avtor«, S. 7). Im zweiten Teil der Discvrsos übersetzt Navarro Castellanos einige lateinische Liebesverse, um herauszustellen, dass diese gegenwärtig als höfisch gelobt, in der Antike aber als anstößig empfunden worden seien. Legt seine ausgefeilte Übersetzung dabei seine Wertschätzung dieser Verse offen, so zeigt sie zudem, dass er sich als Vertreter der klerikalen Kultur offensichtlich autorisiert fühlt - zwar zu Lehrzwecken - die von ihm als lasziv verurteilten Verse zu übersetzen und wiederzugeben. So konstatiert er: »He trasladado a nuestra lengua, no sus palabras mismas, sino todos sus afectos amorosos, y más tiernos quizá, que en la Romana, ö más lascivos. Y en ellos sin embargo, no podrán conocer torpeza alguna, los que no la conocen en los tonos que oy se cantan, y en los amores que se representan en publico Teatro: antes puede ser que los alaben muchos de muy Cortesanos, y de muy honestos« (II, S. 27f.). 37 So erklärt er, um sich in Übereinstimmung mit Alonso de Mendoza zu zeigen: »No hablo aqui de las Comedias antiguas que antes del año de 1580 se vsavan en España, porque en ellas concurrían, y se hallavan aquellas calidades que piden los Teologos, con Santo Thomas, [...]. Provocavan por las Plazas, y cantones, y por las casas de los particulares, la risa de la gente, con su simpleza, y desaliño: no la publica luxuria con músicas, y bayles deshonestos, con adornos lascivos, y con galas: ni en las almas dispertavan los deseos muertos, ö dormidos, con palabras tiernas, y amorosas, ni con movimientos, y ademanes torpes. Regozijavan el Pueblo, no lo relajavan. Hablo de las Comedias que introduxo por entonces Lope de Vega Carpió, renovando los Teatros en España, que Scipion Nasica desterró de Roma. Salió a luz este parto prodigioso de las Musas el año de 1562. Puede presumirse, que en vez de leche mamó las aguas de Helicona, y que fueron Metricas las primeras vozes que articuló. Desde su niñez escrivió trobas, y casi antes que saliesse de la edad pueril, miraron, y admiraron los públicos Teatros sus Comedias; que fueron poco a poco con el pretexto vano, y afectado de la Eutrapelia, y honesta recreacion, inclinando las voluntades de los Españoles al deleyte, y afeminando con él sus antiguas, y varoniles costumbres, casi sin sentir, y muy de prisa. [...] No se lee en las Historias ruina mas apresurada, de también fundada Monarquía. Apenas la ensalmaron sobre sus virtudes, quando de la

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w e i l e n antiklerikalen Theaters vor 1580 gegenüber der weitgehend systemkonformen auf der Affirmation der feudalen Standesideologie und der religiösen Werte basierenden Comedia des Barock gründet dabei auf der bei ihm positiv konnotierten »simpleza« und »sencillez« (S. 186) des frühen spanischen Theaters: S o besteht die Gefahr der Comedia Nueva für Navarro Castellanos in ihrer künstlerischen >Gesamtkomposition< - d e m artifiziellen Charakter, der metaphernreichen Sprache und der Verführung aller Sinne durch Musik, Tanz und die reizvolle Kleidung vor allem der Schauspielerinnen. Demgegenüber betont er, dass die Comedia vor Lope de V e g a nur auf harmlosen Spott und ebenso harmloses - w e n n auch anzügliches - Gelächter abzielte. Zwar bezeichnet er die frühen Theaterstücke als »barbaras [...], y rudas«, erkennt jedoch, dass sie - w i e die entremeses, die bei ihm stets besser w e g k o m m e n als die Comedia selbst - auf der schnellen und damit folgenlosen Triebabfiihr basierten, während die Comedia Nueva mit ihrer bildmächtigen Metaphorik, ihrer reichen Bühnenausstattung und ihren manifesten und subtilen Sinnesreizen die Imagination des Zuschauers anregt und so eine durchdringendere und - da sich im Geist des Zuschauers fortsetzende - nicht kontrollierbare Wirkung hat. 38 S o macht seine Gegenüberstellung der beiden Theaterepochen deutlich, dass seine Bevorzugung des Renaissance-Theaters gegenüber dem Theater des Barock weniger auf der Unkenntnis der tatsächlichen Theaterrealität - er fuhrt als B e w e i s für die »honestidad« des frühen Theaters auch die Stücke selbst an 3 9 - als auf einer psychologischen Annahme über die Einbildungskraft des Menschen begründet ist, dessen imaginative Freiheit Navarro Castellanos offensichtlich als Bedrohung für die bestehende Gesellschaftsordnung auffasst. Insistiert er schon bei der Kritik noche a la mañana [...] la derribaron sus vicios, y humillaron a los pies de todas. [...] Lo mismo que a nosotros nos sucede, sucedió antiguamente a los Romanos: [...].« Discvrsos, S. 184f. Zwar lässt Navarro Castellanos' humanistische Einstellung zunächst vermuten, dass er mit dem Theater vor Lope de Vega den im 16. Jahrhundert von humanistischer Seite unternommenen Versuch der Etablierung eines an das Theater der Antike anknüpfenden Gelehrtentheaters vor Augen hat. Die Bemühungen vor allem der Valencianer Theaterautoren, das Theater zu literarisieren, fanden jedoch erst nach 1580 mit der Gründung der Akademie Los nocturnos ihren Höhepunkt. Zudem belegt die Tatsache, dass Navarro Castellanos Märkte und Plätze als Spielorte nennt und auf die Tradition der juglares verweist (cf. infra), dass er die volkstümliche Theaterpraxis vor 1580 meint. Auch das volkstümliche Theater, bei dem das von ihm betonte Lachen im Mittelpunkt stand, griff freilich auf die lateinische Komödientradition zurück. 38 So unterstreicht Navarro Castellanos immer wieder die »retoricos colores« der zeitgenössischen Comedía und betont: »No se borran tan de priessa en el alma; porque a todas horas le repite la memoria, con nuevo deleyte, su pintura, y las imagines torpes que le representan, en las mismas palabras que repite.« Discvrsos, S. 55. Entsprechend der seine gesamte Abhandlung beherrschenden laudatio temporis acti geht er dabei von der kontinuierlichen moralischen Verschlechterung des anfänglich harmlosen Theaters aus: »Barbaras fueron, y rudas en España las primeras Comedias, como en las demás Naciones. Por las calles, y las Plazas entretenían los juegos Iuglares al Pueblo, y lo alegravan con diversas representaciones ridiculas. Mas que de lascivas, tenian de burlescas: mas que de Comedias, de Entremeses, aun no se avian consagrado en este Reyno alcazares a la publica luxuria. [...] Despues algunos ingenios, mal entretenidos, convirtieron en juegos del amor lascivo aquellas burlas, y los fueron afeitando poco a poco con amorosos cantos, y saynetes, con versos alhagueños, y elegantes, con träges, y ademanes poco honestos; que no contentos ya con divertir, como antes, los sentidos del cuerpo con la risa, hazen con el deleyte, a todas horas, en los sentidos del alma lastimoso estrago« (S. 229f.). 39 Auch hier nennt er allerdings keine konkreten Stücke, sondern konstatiert nur: »Pruebase también su honestidad, y decoro, en quanto a lo escrito, con las mismas Comedias, que oy se leen de las primeras.« Discvrsos, S. 187. Als Beweis für die Akzeptabilität der Aufführungen vor 1580 beruft er sich auf Santiago Ortiz, der in seinem Memorial an Philipp IV. als Zielvorstellung einer Theaterreform den Zustand des Theaterwesens zur Zeit von Alonso de Mendoza veranschlage.

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der Werbeschilder der Comedia auf der machtvollen Wirkung der Einbildungskraft,40 so moniert er auch, dass die Vorstellungsbildung des - durch die vielfältigen Sinnesreize völlig dem »deleyte« hingegebenem - Zuschauers gerade durch die perfekt inszenierten visuellen Suggestionsreize und die mit Zweideutigkeiten spielende Sprache der Comedia aktiviert werde. Folglich setzt er sich ausfuhrlich mit der Metaphorik des Barocktheaters auseinander, die - da sie die Affekte der erotischen Liebe mit Naturerscheinungen beschreibt aus seiner Sicht die Schöpfung beschmutzt und die christlichen Werte pervertiert. Die metaphorische Sprache gilt ihm somit als besonders perfide Verführungstaktik der Autoren, um die Sündhaftigkeit der Comedia zu verschleiern und den ignoranten »vulgo« zu verfuhren. Dabei ist die pervertierende Wirkung der Comedia aus seiner Sicht bereits so weit vorgedrungen, dass ihre metaphorischen Affekt- und Liebesbeschreibungen in das Alltagsvokabular Eingang gefunden haben und den Spaniern weder als dem Theater entlehnt noch als anstößig auffallen, sondern im Gegenteil als besonders angemessene und vornehme Ausdrucksweise gelten.41 So wie er moniert, dass sich der Sprachcode des Theaters in den 40 Seine Verurteilung der Werbeträger stellt seine Kenntnis des zeitgenössischen Theaterwesens erneut unter Beweis. So ist er über Rollenverteilung und Starkult der Schauspieler sowie über die Eintrittspreise der Aufführungen informiert, wobei er moniert, dass die Phantasie deijenigen, die das Theater nicht besuchen können, durch die Anpreisungen der Werbeschilder stimuliert werde: »Ponense [sc. los carteles] en las Plazas, y lugares públicos, y en ellos se da a todos noticia de la Comedia que se representa, del Poeta, del Actor, y del Teatro: de la Farsanta, que buela, de la que representa, ó danfa vestida de hombre: del Bufón, de los bayles, entremeses, y demás saynetes, que mas le parecen convenir para llamar, ó arrastrar al miserable, y engañado Pueblo: [...] No se publica oy el precio de la entrada, porque lo saben todos, sino es que la Comedia sea de tramoyas, donde no se peca barato; que entonces se dá a entender, aun a los que no necesitan de saberlo, [...]. Porque a ninguno salve esta ignorancia, y los que no pueden beber con los sentidos, por su estado, ó por su sexo, beban desde su retiro, con los deseos si quiera este infernal veneno, no menos mortal deseado, que bebido.« Discvrsos, S. 70. 41 So argumentiert er in Replik auf die Theatergegner, die die moralisch einwandfreie Sprache der zeitgenössischen Comedia hervorheben: »[...] la castidad, y limpieza del estilo no consiste solo en las palabras, sino en lo que con ellas se quiere significar. Hermosas, bellas, y limpias son las flores: [...] altos son, y brillantes los Luzeros; [...] mas que importa su limpieza, su belleza, y hermosura, [...] si contra la voluntad de su Criador las hazen servir las metáforas a los mas desordenados apetitos, significando con ellas cosas feas, torpes, y lascivas. Quieren que las cosas mas hediondas huelan a rosas, a claveles, y jazmines. A las centellas mas ardientes de luxuria dan nombre de Luzeros: y estos modos de dezir se han hecho ya tan vulgares, que muchas caricias, ö torpezas destas, no son conocidas por sus propios nombres sino por los que las significan. [...] Comparan la mayor fealdad, con la mayor hermosura; la mayor torpeza, con la mayor limpieza; la luxuria, con la castidad; los vicios, con las virtudes, trocándoles los nombres: con que engañado el ignorante vulgo, desconoce la cara a los pecados; [...] y pensando sin rezelo alguno, que no son tan feos, tan torpes, no mortales como nos enseña la doctrina de Christo, de esta confianza toma ossadia para cometerlos, sin temor, ni reparo alguno. No han perdonado nuestros Poetas a la fragancia del clavel para honestar las torpezas de el mas profano amor, y mas lascivo; ni a la hermosura de la rosa, ni a la suavidad del jazmin, ni a las demás flores. [...] Mas que mucho, si se atreven a violar la limpieza sin mancha de los Angeles; la pureza ardiente de los Serafines, y a profanar la Deidad, sin hazer reparo en la blasfemia. Será razón, ó Religion, que llama, quien arde de vn asqueroso infierno de luxuria, Angel a su Dama? Qué la nombre Serafín, ó la diga Deidad? [...] Temamos beber en estos vasos el vino del error, que S. Agustin bebió en vn tiempo, acosta de copiosas lagrimas que despues lloró. Tanto es el veneno mas dañoso, quanto es mas sin sospecha el vaso en que se bebe.« Discvrsos, S. 123ff. Die Theater haben für Navarro Castellanos somit »[el] mayor estremo de la desvergüenza« erreicht, wobei er vor allem moniert: »Las palabras afeytadas, que con especie de honestas significan cosas torpes, las tienen los Cortesanos por vrbanidad, quando son las que condenan los Santos por lascivas; [...] Los entremeses, bayles, afeytes, movimientos

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Grundwortschatz seiner Zeitgenossen eingeschlichen habe, tadelt er auch, dass die gesellschaftliche Wertschätzung des Theaters so gestiegen sei, dass Theaterauffuhrungen zum integrativen Bestandteil jeglicher Hoffeierlichkeiten und - was noch schlimmer sei - sogar der kirchlichen Feste geworden seien. Kritisiert er so einerseits, »que han llegado a ser vno de los mayores cuydados de la Corte« (S. 230), und wendet dabei auch den Topos vom Theater als Fürstenspiegel um, indem er erklärt, dass das Theater den König von seinen Pflichten ablenke und der Usurpation der Macht somit das Tor öffne, 42 so nimmt er andererseits die im 17. Jahrhundert häufigen Privataufführungen vor »personas graves de ambos sexos« (S. 130) - wie Cortés Ossorio - von der Verurteilung des Theaters aus. Dort, wo die disziplinierende Wirkung des Veranstaltungsortes und der anwesenden Personen aber fehlt, ist die Comedia für Navarro Castellanos nicht von ihrer fundamentalen Verbindung mit der luxuria zu trennen. So erklärt er, dass die Dichter zwar Theaterstücke ohne Liebeshandlungen verfassen könnten, dies aber, da sie den Applaus des einzig nach Sinnenkitzel verlangenden Publikums suchen, de facto nicht tun. Ist er sich folglich bewusst, dass die Comedia ihre Breitenwirkung der Amalgamierung der Wünsche und Bedürfnisse aller Bevölkerungsschichten verdankt und die Ausrichtung am Publikumsgeschmack sie zum Massenkommunikationsmedium gemacht hat, so weiß er auch um den ökonomisch bedingten Erfolgszwang der Autoren, die - würden sie sich vom »gusto« des Publikums lösen - »se morirán de hambre en pocos días« (S. 252). Aufgrund der sich hieraus ergebenden untrennbaren Verbindung der Comedia mit der sündhaften Konkupiszenz ist das Theater für Navarro Castellanos weder mit dem Argument der Toleranz der Bordelle zu verteidigen, da diese aus seiner Sicht zur Eindämmung der sexuellen Begierde dienen, jene aber die Begierde stimulieren, noch mit dem aristotelischen Topos der moralischen Überlegenheit der Poesie gegenüber der Geschichte, den er aufgrund der demoralisierenden Wirkung der Comedia zurückweist. Entsprechend seiner - von Nieremberg beeinflussten - ständigen Abwägung zwischen Diesseits und Jenseits, stellt er folglich heraus, dass die Comedia »en lo temporal« zum Verlust der Ehre, »en lo Eterno« (S. 139) aber zum - schwerwiegenderen - Verlust der Seele führe. Da er mit Jesús María karitative Handlungen zum Mittel der individuellen Sündentilgung und der Gütigstimmung Gottes für die Geschicke der Menschen erklärt, lehnt er die finanzielle Unterstützung des Armenwesens durch die sündhaften Theater

torpes, y melindres, y otros ademanes poco honestos, que imitan las burlas, y juegos del amor, que los Santos llaman fornicaciones, y adulterios, los hombres Cortesanos, y del siglo los admiran, y alaban por galantería: términos de que vsan para persuadir, que no es pecado todo lo que en publico se peca contra las costumbres« (S. 242f.). Seine kontrastive Gegenüberstellung der >simpleza< des frühen Theaters mit der rhetorischen Subtilität der Comedia Nueva wirft die Frage auf, ob der von ihm kritisierte Sprachduktus des Barocktheaters, der durch Zweideutigkeiten und Anspielungen die Vorstellungsbildung des Lesers um so stärker aktiviert, nicht auch Folge der Zensur war, die jede sprachliche Direktheit, der sich das realistisch-krude - in den Verbotsindices der Inquisition häufig auftauchende - Theater der Renaissance noch bedient hatte, verhinderte. 42 »Son vno de los mayores encantos las Comedias con que divierten a sus Reyes de sus oficios los sabios encantadores de Palacio, que aspiran a vsurparles las Coronas con nombre de leales: a resplander con la sombra de la Magestad, y a obscurecer los resplandores desta con su sombra; a reynar sobre sus Reyes.« Discvrsos, S. 260. Er verweist hierbei er auf den - durch ähnliche Bedingungen provozierten Untergang Roms.

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als für die Gnadenerlangung des Einzelnen und die Bewahrung Spaniens kontraproduktive Almosenvergabe ab. 43

4.1

Ablehnung der comedia de santos und des auto sacramental: wider die funktionale und formale Annäherung von Bühne und Kanzel

Wie die Mehrzahl der Theatergegner bewertet Navarro Castellanos die comedia de santos als Beleidigung Gottes, w o b e i er sich der üblichen - teils in ihrer Drastik gesteigerten Bilder und Vergleiche bedient: So setzt er die Aufführung v o n Heiligendramen mit der Kreuzigung und Verspottung Christi durch die Juden gleich und zitiert die üblichen >Anekdoten< der von einer stadtbekannten Schauspielerin vorgetragenen Unschuldsbekundung Mariens und der mit einem durchsichtigen Schleier (un-)bekleideten Magdalena-Darstellerin. 44 A u c h hierbei schürt er die Gewissensangst seiner Adressaten, indem er die gegenwärtigen Finanz-, Kriegs- und Hungersnöte Spaniens als Indikatoren des göttlichen Zorns ausweist und mahnt, dass die Spanier - anstatt Buße zu tun - weiterhin Ablenkung durch den Besuch v o n Theaterauffuhrungen und Stierkämpfen suchen. 4 5 Ebenso warnt er vor dem Spott der Ketzer, der durch die respektlose Darstellung des Klerus in der comedia de santos genährt werde. Vor allem aber weist Navarro Castellanos die - für den Barock charakteristische - Assimilation von Theater und Kirche zurück: S o betont er, dass nur Engel der Darstellung der christlichen Mysterien würdig seien, w a s offen legt, dass er keine Vermittlungsform des Glaubens neben der Predigt anerkennt. A u c h verurteilt er die im Barock verbreitete Exempelpredigt, die mit dem dramaturgischen Einsatz gestischer Ausdrucksmittel formal auf die

43 Hierbei führt er alle Argumente der Theatergegner bezüglich der Unterstützung der Hospitäler durch das Theater zusammen (Gleichsetzung mit dem Bau des Venustempels durch Pompejus, Bezeichnung als Judaslohn, der mehr zum Erhalt der Theater als der Krankenhäuser diene etc.) und zitiert ausfuhrlich José de Jesús Maria, der auch die ökonomischen und politischen Argumente der Theaterverteidiger zurückgewiesen hatte. Cf. Discvrsos, S. 292ff. 44 Er beruft sich für diese >Geschehnisse< auf Pedro de Guzmán als »Soldado de la Compañía de Iesvus, y buen Soldado« und dementiert dabei erneut die Nacktheit im antiken Theater. Discvrsos, S. 149. 45 So betont er, dass die Menschen für die »avisos, y amenazas del Cielo« (Discvrsos, S. 145) natürliche Erklärungen suchen, um ihre Vergnügungen nicht aufgeben zu müssen, wobei er immer wieder an den Katholizismus der Spanier appelliert: »Los Cosos, y Teatros que al Demonio ofrecían los Gentiles ofrecemos a Christo los Christianos, como si fuera Christo Dios de los Cosos, y Teatros; de Espinas coronamos su cabera; [...] por Cetro le ponemos vna cafia, como en sus manos pusieron los ludios, quando por sacrificio le ofrecemos los juegos lascivos, y profanos que mas aborrece. [...] en lugar de darle gracias le ofendemos, y tomamos su culto por achaque, para holgamos, y darnos a los vicos. [...] Mas que mucho, si al tiempo que gemimos oprimidos con el grave peso de tributos, mas intolerables que las pestes, hambres, y guerras, que por todas partes nos afligen; y mucho mas lamentables que las perdidas, y desolaciones de los Reynos, y Provincias, en lugar de pedir a Dios misericordia, y de solicitarla con la penitencia, queremos aliviar nuestros dolores con Toros, y Comedias! [...] Possible puede ser, que los Christianos discurramos tan aciegas en España, que lleguémos a creer, ö a pensar que se agrada Dios nuestro Señor de sus ofensas, y que con lo que ofendemos le servimos?« (S. 146f.). Da Spanien - nachdem es seine europäische Vormachtstellung 1659 verloren hatte - in den sechziger Jahren, in denen Navarro Castellanos seine Abhandlung verfasst, weitere Teile seiner überseeischen Kolonien einbüßte und auch der Versuch der Wiedereingliederung Portugals in eine Reihe militärischer Niederlagen mündete, musste Navarro Castellanos' psychologisch geschickte Argumentation um so wirkungsvoller sein.

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Bühnenpraxis zurückgreift. 4 6 D a er folglich nur die traditionelle Form der Vermittlung von Transzendenzerfahrungen akzeptiert und den Schauspielern zudem Respektlosigkeit selbst vor dem Allerheiligsten unterstellt, lehnt er mit José de Jesús Maria auch die autos mentales ab. 47

5

sacra-

Die Schauspieler: Ehrlosigkeit und strafloses Leben im Exzess

Für Navarro Castellanos ist die »infamia constante, y n o dudosa« (S. 233) des Schauspielberufs eine durch das Kirchen- und Zivilrecht festgeschriebene s o w i e von allen klerikalen und weltlichen Autoritäten bestätigte Tatsache, weshalb er auch den - die Schauspieler benachteiligenden - römischen Gesetzen noch volle Gültigkeit zuspricht. 4 8 D i e Ehrlosigkeit der Schauspieler gründet für ihn auf der untrennbaren Verbindung von Schauspielerei, Verfuhrung und Verkauf der Person. S o rückt er den Schauspielberuf in die Nähe der Prostitution, w o b e i er den niedrigen Eintrittspreis der Comedia einerseits ironisierend auf die fehlende Ehre der Schauspieler zurückfuhrt und ihn andererseits als List des Teufels ausweist, um möglichst viele Seelen zu verfuhren. 4 9 A u c h betont er, dass die zeitgenössischen Schau-

46 So weist er die gegenseitige Beeinflussung von Predigt und Theater zurück: »Muchos Predicadores, que estudian, mas que en S. Pablo, en los Poetas, se suben a los Pulpitos; como a los Teatros; y en ellos mas que predican representan. [...] Muchos ay que creen, ö que dizen, que con las Comedias se convierten mas almas, que con los Sermones; esto es, con las fabulas, y mentiras del Demonio, mas que con la palabra, y la verdad de Christo en su Evangelio. Qué mucho que los discípulos lo crean, si ay también Maestros que lo dizen?« Discvrsos, S. 244. Auch zitiert er Jesús María, der den Vergleich von Comedia und Predigt als Sakrileg verurteilt (S. 286). 47 So zitiert er ausführlich José de Jesús María: »[...] qué conveniencia ay para que celebren la mayor de las Solemnidades gente tan adultera, y escandalosa, que no solo en sus rincones, mas también en el mismo tablado de la fiesta hazen cosas tan feas, que dá empacho referirlas? [...] Y como están connaturalizados, y habitados en sus malos vsos, dizen, y hazen muchas vezes delante del Santissimo Sacramento, cosas agenas del nombre Christiano, y dignas de grave castigo.« Discvrsos, S. 288f. 48 Da Navarro Castellanos hier auf einen Theaterverteidiger repliziert, der die Differenz von antiken und zeitgenössischen Schauspielern auf ihrer unterschiedlichen Bezeichnung begründet, betont er, dass bereits die Berufsbezeichnung der Schauspieler ihre Ehrlosigkeit bezeuge: »Nosotros los llamamos oy Comediantes, Farsantes, y Representantes. Los Italianos, gli Mimi, gli Histrioni, y gli Giocatori di Farse. Los Franceses Farcenos, y Ioueurs de Farces, [...]; estos, y otros nombres, todos significan en diversas lenguas vn mismo oficio, 6 son synonomos del en vna lengua; y todos juntamente testifican su infamia, y su vileza, en todas las gentes, y en todas las edades.« Discvrsos, S. 197f. Wahrscheinlich repliziert er auf die von Pellicer zitierte Textstelle eines »erudito Anonimo«: »[...] dice que estas prohibiciones eclesiásticas, y las declamaciones de los Padres, aunque justísimas, se dirigían y disparaban contra un genero de Representantes, infames y disolutos, llamados Mimos, y en castellano Momos, ó Remedadores, gente perdidísima, y que sin detenerse en lo honesto y deshonesto, remedaban y contrahacían todo quanto se les antojaba; que salían á representar desnudos, y que sin ninguna reverencia ni temor del cielo ni de la tierra, ni respeto del auditorio, imitaban estrupos y acciones desvergonzadas, contra los quales declamaban los mismos gentiles, como Juvenal, Plauto, y Marcial: y para colmo de estas lascivas representaciones se agregaba una publica mancebía, fabricada debaxo del teatro.« Tratado histórico, T. 1, S. 147f. 49 So betont er mit Bezug auf die von Tertullian verurteilten jährlich stattfindenden ludi Florae, bei denen Dirnen nackt auftraten: »No hallarás mas diferencia entre las Rameras antiguas [...] y nuestras Comediantas, ni mas causa de avergonzarse las vnas, y no las otras. Aquellas, despues de largo tiempo, vna vez sola se veían en el Teatro: estas se ven todos los días en él.« Discvrsos, S. 79. In Replik auf den anonymen Theaterverteidiger, der zur Verteidigung der Schauspieler betont hatte, dass der Eintrittspreis keine Bezahlung, sondern ein »premio honorífico« sei, polemisiert er: »Pero que diremos de los que a todos se venden cada dia, y a cada vno, por tres, ö quatro quartos? Diremos, que confiessan que no tienen honra que perder, ni que vender, y venden la que no tienen, pues la venden tan barata. [...] es

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spieler - mehr als die antiken, die ihre Identität durch Masken zu verbergen suchten - jeglichen Schamgefühls entbehren s o w i e Außenseiter und Kriminelle in ihre Reihen aufnehmen. Das Heiratsgebot der Berufsschauspieler entlarvt er mit Santiago Ortiz als Deckmantel für ein um so zügelloseres Leben und beklagt, dass die Schauspieler aufgrund ihrer vagabundierenden Lebensweise und ihrer Protektion durch einflussreiche Personen straflos gegen alle Gesetze verstoßen. 5 0

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Die Zuschauer: Selbsttäuschung zum ungehinderten Ausleben der Sinnenlust

Navarro Castellanos klagt seine Zeitgenossen an, so von der Vergnügungssucht verblendet zu sein, dass sie sich ohne Angst vor Schuld und Strafe j e d e m Selbstbetrug hingeben, um ihren Lastern weiter frönen zu können. Stellt er dabei heraus, dass die Theatergänger sich durch ihr der »vanagloria« und den »vanidades« (S. 127f.) gewidmetes Leben freiwillig dem Teufel verschreiben, so macht er als B e w e i s für das instinktive Wissen - zumindest der Gebildeten und Gläubigen - um die Sündhaftigkeit des Theaterbesuchs geltend, dass sich »los hombres graves, y las mugeres castas« in die aposentos begeben und im Theater Umhänge tragen, um ihre Identität zu verbergen. Während sie so jedoch vor den Menschen unentdeckt blieben, so argumentiert er mit seiner üblichen Anspielung auf die unausweichliche Strafe im Jenseits, entgehe dem Gericht Gottes nichts." A u c h hier unterscheidet Navarro Castellanos also z w i s c h e n dem einfachen Volk, das die Sündhaftigkeit des Theaters nur schwerlich zu erkennen vermag und - da es keine Scham kenne - die Schauspieler zu

traza del Demonio, [...] el vendernos las ocasiones de pecar a todos tan baratas. Porque si cada vno huviera de pagar al Comediante por entero, lo que según la estimación del siglo vale honra, y trabajo, que le vende; pocos quisieran, ö pudieran pecar a tanta costa. Esta sin duda ha sido la más sutil astucia del Demonio, para que ninguno dexasse de pecar, y de perderse por falta de ocasion, y de dinero« (S. 226). 50 Hierbei hebt er immer wieder die in dessen Theaterberuf begründete Objektivität von Santiago Ortiz hervor: »Informa mas este zeloso Actor de las Comedias: Que a esta gente perdida suelen agregarse hombres facinerosos Clérigos, y Frayles Apostatas, y fugitivos que se acogen como a asilo a estas Compañías, para poder andar libres, y desconocidos a la sombra dellas. Maridos, que solo sirven de escusa a sus mugeres, y mugeres, que solo sirven de escusa a sus maridos falsos, o verdaderos, [...]. Y en las personas mas, ö menos graves, de qualquier estado, hallan por todas partes muchos valedores para todos; con que nunca sus delitos pueden refrenarse con algunas penas. Burlanse de todas, a la sombra del poder que los ampara; y con mudarse de vn lugar a otro, como gente vaga, y que no tiene fuero, ni domicilio alguno, en ninguno pueden ser sus delitos, y excessos castigados, por mas atrozes que sean.« Discvrsos, S. 257f. Wenn die zitierte Schrift wirklich von einem Schauspieler verfasst wurde (cf. supra: Anm. 12), können diese Ausführungen des Autors nur darauf abzielen, sich als Mitglied einer offiziellen Schauspieltruppe von den ambulanten compañías de la legua abzugrenzen. Navarro Castellanos verwischt hingegen die Grenze zwischen den hochprofessionalisierten von weiten Kreisen der Gesellschaft geachteten Berufsschauspielem, deren Truppen beim Kastilienrat genehmigungspflichtig waren und so kaum Kriminelle aufnehmen konnten, und den - 1646 verbotenen - vagabundierenden Theaterleuten. 51 So suggeriert er: »[...] porqué razón los hombres graves, y las mugeres castas, se avergüenzan de assistir en ellas [sc. las Comedias] en publico? Porqué los vnos guardan sus frentes con las zelosias, y las otras con sus mantos? Porqué no ván con la cara descubierta a los Teatros como a los Templos? Porque sin duda, se avergüenza naturalmente la razón, de dexarse vencer del apetito: [...] Menos tememos el Tribunal de Dios, que el de los hombres. A este podémos esconder nuestras conciencias; en aquel, se juzgará lo mas escondido de nuestros corazones.« Discvrsos, S. 205.

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immer größerer Schamlosigkeit anrege, 5 2 und der Oberschicht, die die Sündhaftigkeit ihres Tuns zumindest unbewusst erahne. N o c h deutlicher wird seine hierarchische Gesellschaftssicht aber an seiner Beurteilung der >particularesSubstrat< der humanistischen Gelehrtheit. Seine Hinweise auf konkrete Dramen wie auch auf die historische Entwicklung der Komödie stellen dabei seine Kenntnis des antiken Theaters unter Beweis,64 dessen Stücke er nicht - wie die Mehrzahl der Theatergegner - über die Kirchenväter zitiert, sondern selbst breit rezipiert zu haben scheint. Während Mariana sich einzig auf Augustins TerenzKritik gestützt und Fomperosa und Herrera die antiken Dramen nur sporadisch in ihre Argumentation eingebunden hatten, stellt Navarro Castellanos das antike Theater so aus der Perspektive eines >Spezialisten< für antike Literatur dar,65 dem daran gelegen ist, die Exis63 Erotik und Sexualität gehörten zu den Hauptthemen der antiken Literatur. So sei an Ovids Ars amatoria erinnert, in der konkrete Anleitungen für das geschlechtliche Intimleben gegeben werden oder an Martials Œuvre, das alle nur denkbaren Sexualpraktiken darstellt. Dabei ist bezeichnend, dass Navarro Castellanos die alte Komödie, in der die physische Ebene der Sexualität sehr direkt beschrieben wird und in der die Schauspieler mit einem überdimensionierten erigierten Phallus auftraten, weitgehend aus seiner Darstellung ausklammert. So nennt er Aristophanes zwar, als er den Theaterverteidigern vorwirft, ihre Aussagen nicht mit den antiken Dramen zu belegen (cf. supra: Anm. 22), bezieht sich jedoch dann nur noch auf die lateinische Komödie. Cf. Jeffrey Henderson: »Pornographie. III. Griechenland« und Hans-Peter Obermayer: »Pornographie. IV. Rom«, in: Der neue Pauly, Bd. 10 (2001), Sp. 165-171. Richard Hunter: »Erotik. I. Literatur«, in: Der neue Pauly, Bd. 4 (1998), Sp. 92-96. 64 So unterscheidet er in Replik auf die handschriftliche »Apología por las Comedias« alte, mittlere und neue Komödie und weist die griechische neue Komödie - durchaus richtig - als Vorbild der von Livius Andronicus initiierten lateinischen Komödie aus. Discvrsos, S. 191 fF. Cf. Heinz-Günther Nesselrath: »Komödie. I. Griechisch« und Eckhard Lefèvre: »Komödie. II. Lateinisch«, in: Der neue Pauly, Bd. 6 (1999), Sp. 692-704. 65 Vitses Beobachtung, dass die licitud-Debatte zu Ende des 17. Jahrhunderts zunehmend von Fachmännern geführt wird, ist durchaus zutreffend. Dies gilt freilich eher fur die Befürworter des Theaters: So

Gonzalo Navarro Castellanos: Discvrsos políticos, y morales

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tenzgrundlage seiner Disziplin zu verteidigen. Zwar kann er dabei die moralisch zweifelhaften Umstände des antiken Bühnenwesens - wie die von Tertullian und Isidor als Bordelle verurteilten »cuebas del Teatro« (S. 76) - nicht gänzlich leugnen, ist aber um so mehr darum bemüht, die antiken Dramen als literarisches Kulturerbe zu verteidigen. Während er die Vergleichbarkeit von antikem Drama und Comedia dabei hinsichtlich ihrer literarischen Qualität zurückweist, konstatiert er, um die zeitgenössischen Schauspieler unter das römische Verdikt der infamia zu fassen: »no debemos [•••] entre los Antiguos, y nuestros Comediantes, dar diferencia alguna; porque fue sin duda mas la que huvo de las Comedias a las Tragedias en los Gentiles, que ay oy de sus Comedias a las nuestras« (S. 197).

Solche Inkongruenzen ergeben sich aus seiner einerseits vom anthropozentrisch ausgerichteten Humanismus der Renaissance und andererseits vom weitabgewandten Katholizismus des Barock geprägten Haltung immer wieder: So setzt er sich zwar für die Wertschätzung der antiken Philosophen und Dichter ein, ist jedoch nicht bereit, die Kultur - wie vom Humanismus propagiert - als regnum hominis, als autonomen Bereich neben der göttlichen Natur anzuerkennen, sondern bindet die Dichtung vielmehr in die göttliche Schöpfung ein und unterstellt sie der Kuratel der Kirche. Sein hierin zum Ausdruck kommendes Bemühen um den Erhalt der kirchlichen Vormachtstellung mag - neben der ephemereren Wirkung des frühen Volkstheaters - auch ein Grund für seine Akzeptanz des teatro prelopesco sein: So ist Lope de Vega einer der ersten Theaterautoren, der von seiner literarischen Arbeit lebt. Zudem wird die Schauspielerlaubnis 1580 auf alle Werktage ausgedehnt. Die von Navarro Castellanos gewählte Zäsur zwischen einer noch akzeptablen und einer unzulässigen Form des Theaters entspricht also dem Beginn der tiefgreifenden Kommerzialisierung, Professionalisierung und Popularisierung des spanischen Theaters, das sich in den siebziger Jahren des 16. Jahrhunderts allmählich aus dem beschränkten Rahmen der höfischen Kultur und des adeligen Mäzenatentums sowie der kirchlichen Feste zu lösen beginnt und sich zumindest in den Städten - als allgegenwärtiges Unterhaltungsgewerbe etabliert. So scheint Navarro Castellanos gerade die mit Lope einsetzende massenmediale Wirkung des Theaters in die Sorge zu versetzen, das publikumswirksame Phänomen >Theater< könne Denken und Handeln der Zuschauer zunehmend auf die Erfahrungen des Diesseits lenken und der Kirche folglich die Deutungsangebote und -formein aus der Hand schlagen. Auch sein Plädoyer für die scharfe Trennung von Bühne und Kanzel scheint vor diesem Hintergrund Ausdruck der - ihm als Humanisten freilich noch bewussteren - Befürchtung zu sein, das

konstatiert der theaterfreundliche Augustiner Gaspar de Villarroel bereits 1646 in Bezug auf die - von ihm nicht geleistete - historische Kontextualisierung des Theaters: »[...] son materias todas para un maestro de buenas letras«. Bibliografia, S. 597. Ebenso betont Guerra in der Apelacion: »A mi no me toca dàr lecciones de escrivir Comedias, porque no soy Poeta.« Apelacion, S. 288. Ist Navarro Castellanos als Humanist immerhin Kenner des antiken Theaters, so wird sich Bances Candamo im Theatro de los theatros dezidiert als professioneller Sachverständiger des zeitgenössischen Theaters darstellen. Die zunehmende Verlagerung der Kontroverse auf >Spezialisten< und Theaterkenner hat auch zur Folge, dass vermehrt poetologische Themen in die moralische Debatte einfließen, was - mit Vitse gesprochen - die »impossibilité [...] de séparer les aspects complémentaires et indissolublement liés d'un débat à la fois éthique et esthétique« aufzeigt. Éléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIle siècle, S. 83.

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Theater könnte der Kirche ihren Absolutheitsanspruch streitig machen und die sakrale Institution längerfristig gar ersetzen.66 Während hier der Vertreter der klerikalen Kultur in den Vordergrund tritt, zeigt sich Navarro Castellanos' Neigung zum Humanismus wiederum, wenn er der am Unterhaltungsbedürfnis ausgerichteten Comedia die Missachtung der klassischen Regeln vorwirft:67 So macht seine Verurteilung der am Publikumserfolg orientierten Comedia Nueva als nationale Schande deutlich, dass er der Literatur nur als Bildungserlebnis, nicht aber als Unterhaltungsmöglichkeit eine Existenzberechtigung zugesteht, und folglich auch nur den für eine literarisch gebildete Elite schreibenden >poeta eruditus< akzeptiert. Als solch ein humanistisch gebildeter, in den Regeln der Kunst versierter Theaterfachmann wird sich Bances Candamo - auch in Replik auf Navarro Castellanos - im Theatro de los theatros inszenieren.68 Navarro Castellanos' ambivalente Grundhaltung bleibt jedoch auch bezüglich seiner theoretischen Anerkennung eines antikisierenden Gelehrtentheaters bestehen: So votiert er zwar mit der Verurteilung der am Publikumsgeschmack ausgerichteten Comedia implizit für ein auf der aristotelischen Poetik basiertes Theater, distanziert sich aber im 2. Teil der Discvrsos von Aristoteles, der als neidbesessener und der Welt allzu zugetaner Schüler Piatons seinen Lehrer verleumdet habe.69 Diese zwiespältige Haltung macht wiederum deutlich, dass Navarro Castellanos als vom humanistischen Gedankengut geprägter Vertreter der theologischen Disziplin zwischen der religiösen Kultur mit ihrem Macht- und Kontrollanspruch und der pagan-antiken Kultur steht, die ein Echo in der humanistischen Bildung und der profanen Literatur der Neuzeit findet: Kann er sich als Humanist von der Wertschätzung des antiken Theaters nicht vollends lösen und erweist sich somit auch als Anhänger der aristotelischen Poetik, so fordert er als Vertreter der religiösen Kultur, der er in erster Linie ist, in der Nachfolge Piatons eine theaterfreie - und damit auf die klerikale Kultur zentrierte - Gesellschaft. Der für die licitud-Debatte konstitutive Konflikt zwischen religiöser und profaner Kultur ist - was die profane Kultur der Antike betrifft - bei Navarro Castellanos somit in einer Person vereint.

66 Die Vermutung, dass Navarro Castellanos' Postulat nach der Trennung von Theater und Kirche aus der Befürchtung resultiert, die Kirche könne ihre Monopolstellung durch die Konkurrenzinstitution Theater langfristig einbüßen, wird dadurch gestützt, dass seine Zurückweisung dramatischer Mittel auf der Kanzel nicht der puristischen Haltung eines Mariana entspringt. So verteidigt Navarro Castellanos die Musik - trotz ihrer Indienstnahme durch das Theater - ausführlich als »egercicio muy honesto, y digno de alabanfa«. Cf. Discvrsos, S. 239f. 67 So fordert er die Theaterverteidiger zur Zurückhaltung auf, »[...] porque dán materia grande a los que con embidia miran nuestras cosas, para que a los Españoles nos tengan por barbaros, viendo que comparamos con las Comedias Griegas, y Latinas las mismas que Cervantes llama disparates«. Discvrsos, S. 207f. Hiermit antizipiert er erneut den - das folgende Jahrhundert prägenden - Konflikt zwischen den Verfechtern des spanischen Nationaltheaters und den Neoklassizisten, die beide auf den Topos des spanischen Nationalprestiges rekurrieren. 68 Die zweite Version des Theatro ist als Replik auf die Discvrsos políticos, y morales konzipiert. Cf. infra: V, XII. 69 Cf. Discvrsos II, S. 105ff. Wenn Navarro Castellanos Piaton gegenüber Aristoteles bevorzugt, hat er dabei sicher auch Piatons theaterablehnende Haltung im Blick. Seine Wertschätzung des heidnischen Philosophen geht jedoch auch hier über das übliche Maß hinaus und nimmt prononciert humanistische Züge an: So setzt er Piaton durch die Metaphorik des von seiner Weisheit kündenden Bienenschwarms mit Ambrosius und Isidor gleich und lobt ihn als griechischen Mose. Auch insistiert er auf der Rettung von Lykurg, Sócrates und Piaton aus der Hölle.

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EL P. IGNACIO DE C^ÍM~4RGO, DE L*4 Compañía de IES VS, Leflor de Theologia en fu Real Colegio de Salamanca.

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m probabilitas extrínseca^ nach der einer zweifelhaften Meinung gefolgt werden kann, wenn sie von anerkannten Autoritäten vertreten wird. Der Jesuitenorden, Bd. 2, S. 353f. Während der Probabilismus in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts das vorherrschende Moralsystem vor allem der spanischen Jesuiten war, bildete sich in der zweiten Jahrhunderthälfte eine starke Reaktion gegen die probabilistische Morallehre, die eine heftige Kontroverse innerhalb des Ordens entfachte. An dieser war der 1687 von Innozenz XI. eingesetzte Ordensgeneral der Jesuiten Tirso González de Santalla, der 1679 das endgültige Theaterverbot in Sevilla durchgesetzt hatte, maßgeblich beteiligt (cf. supra). So wird hier einmal mehr die Entsprechung von rigider Moralposition und Theaterablehnung deutlich. Tirso González hatte zudem die Aprobación für Camargos opus magnum - die Regula Honestatis Moralis - verfasst. So betont der Approbant des Discvrso theologico den missionarischen Eifer des von ihm als »picador de Dios« gelobten Camargo: »Díganlo quantos le han admirado, y admiran en los Pulpitos [...] reprehendiendo, y extirpando vicios con sus fervorosas missiones.« »Aprobación del RR. P. M. Fr. Ignacio Ponce Vacca«.

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1.2

Entstehungskontext, Adressatenkreis und Aufbau des Discvrso theologico

Wie Camargo selbst betont und der Approbant seines Werks, Fr. Ignacio Ponce Vacca, lobend bestätigt, ist der Discvrso theologico eine schriftliche Ausarbeitung seiner zahlreichen theaterfeindlichen Missions- und Fastenpredigten, mit der er einen breiteren Adressatenkreis zu erreichen beabsichtigt. Er verfasst sein Werk, als sich die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters nach der heftigen Polemik um Guerras Aprobación bereits vier Jahre lang beruhigt hatte und sich das Theater im Niedergang befand. So hatte das Fehlen innovativer Autoren nach Calderóns Tod einen Mangel an neuen Stücken und damit einen geringeren Publikumszulauf zur Folge, der die Vermieter der corrales zunehmend in finanzielle Schwierigkeiten stürzte. Gleichwohl blieb das profane Theater die massenwirksamste und beliebteste Freizeitbeschäftigung, weshalb Camargo, als Volksmissionar besorgt, »que á ciegas caminan los hombres en el negocio grande de su salvación guiados vnicamente de sus afectos« (S. 2), mit seiner Abhandlung die endgütige Schließung der öffentlichen Theater herbeizufuhren versucht.5 Camargo ist sich bewusst, dass er sich mit seiner Schrift in die Nachfolge einer langen Reihe von Theatergegnern stellt und beruft sich auf deren Autorität, wobei er einerseits die traditionelle Theaterfeindschaft seines Ordens hervorhebt und andererseits - wie seit Hurtado de Mendoza üblich - auch die Theaterverteidiger als Gegner der zeitgenössischen Comedia ausweist (Kapitel 1). Hat er dabei grundsätzlich die Tendenz, die Auseinandersetzung mit den Lehrmeinungen der bisherigen Theaterkritiker und das Anfuhren beweiskräftiger Zitate durch bloße Listen ihrer Namen und Werke zu ersetzen, so vermeidet er die Nennung von Guerra und lässt ihn auch bei der Umdeutung der theaterbefiirwortenden Lehrmeinungen in Co/wecZ/a-feindliche Urteile explizit aus, da dessen Werk sofort widerlegt worden und bereits in Vergessenheit geraten sei. 6 Gerade die betonte Gleichgültigkeit ge5

6

Sowohl die Ordensapprobationen als auch die königliche Drucklizenz des Discvrso theologico sind von 1688, was daraufhinweist, dass Camargo sein Werk vor der Schließung der Theater nach dem Tod von María Luisa de Orleans im Februar 1689 verfasst hat. Die Drucklegung scheint aber bis zum Zeitpunkt der Theaterschließung gedauert zu haben. So wird die »Tassa« erst am 26.1.1689 festgelegt. Das Erscheinen von Camargos Werk zum Zeitpunkt der vorübergehenden Schließung der - ohnehin im Niedergang befindlichen - corrales mag die Profiteure des öffentlichen Theaters - so Vermieter, Schauspieler und Autoren und damit auch Bances Candamo, der sein Theatro de los theatros zunächst in Replik auf Camargo verfasst - folglich um so mehr beunruhigt haben. Camargo leitet seinen Traktat mit einer knapp dreiseitigen Auflistung von Autoren ein, die das Thema angemessen - d.h. die Comedia ablehnend - behandeln, wobei er nach der Aufzählung der jesuitischen Theatergegner stolz bemerkt »todos de nuestra Compañía«. Discvrso, S. 7. Auch Crespf de Boija weist er eine exponierte Stellung zu. Nach der weiteren Auflistung der Theatergegner und ihrer Werke nennt er in der Nachfolge von Ramos del Manzano neun Theaterverteidiger, die er ebenfalls als Gegner der zeitgenössischen Comedia darstellt, und konstatiert dann, die nachhaltige Wirkung von Guerras Aprobación absichtlich herunterspielend: »Estos son los Autores mas declarados en defender las Comedias. Porque no quiero contar á vn moderno, que con ocasion de aprobar vn libro de estos piadosos assumptos, escrivió por aprobación vna larga apología en defensa de los Patios, y Comediantes de este siglo. No le quento, digo; porque esta su obra la vimos immediatamente impugnada, y deshecha con tanta eficacia, y claridad, que á modo de exhalación fugitiva passó volando á la región del olvido, y mas que para su intento, sirvió para descubrir, y ilustrar mas la verdad. Ni me puedo persuadir de la piedad, y modestia de su Autor, quiera que hagamos algún aprecio de lo que sin duda, vna, y muchas vezes tiene condenado ya el advertido reparo de su prudencia. Y si todavía algunos porfían en alegar este papel en abono de las Comedias, sera porque no vieron, ö no quieren acordarse de lo que se escrivio

Ignacio de Camargo: Discvrso theologico

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genüber Guerra legt jedoch offen, dass die von Camargo als vergessen dargestellte Aprobación, die zudem in den Neuauflagen von Calderóns comedias weiterhin abgedruckt wurde, sehr wohl noch in den Köpfen der Theaterkritiker wie auch der Theatergänger präsent war, Camargo ihr jedoch argumentativ nichts entgegenzusetzen hat bzw. die Auseinandersetzung mit ihr fürchtet. Nachdem er den »sentir de los doctores modernos« auf die »sentencia comun« (S. 12) der Theaterablehnung reduziert hat, legt Camargo das Urteil der Kirchenväter dar (Kapitel 2) und versucht im folgenden - als »alma de este Discurso« (S. 44) ausgewiesenen - Kapitel, das er mit dem apodiktischen Titel: »Las Comedias, como oy se representan en los theatros de España, son obscenas, y torpes, y ocasionan de suyo innumerables pecados« überschreibt, die Unzulässigkeit des zeitgenössischen Theaters zu beweisen. Bezichtigt Camargo hier auch die Schauspieler der Todsünde, so widmet er das vierte Kapitel den Zuschauern, wobei seine Ausführungen großenteils eine - nicht als solche kenntlich gemachte - Übersetzung von Hurtados kasuistischer Auseinandersetzung mit der Versündigung der Theaterzuschauer darstellen. Er beschließt seine Abhandlung mit der mittlerweile zum festen Inventar der theaterfeindlichen Schriften gehörenden Widerlegung der Argumente der Theaterverteidiger und insistiert darauf, dass auch eine zur Gewohnheit gewordene Aktivität Sünde sein und der Theaterbesuch somit nicht mit dem Argument des allgemeinen Usus' gerechtfertigt werden könne. Dieser kurze Überblick zeigt, dass Camargo im Wesentlichen die - im Folgenden deshalb nicht mehr in aller Ausführlichkeit dargestellten - Argumente und Topoi seiner Vorgänger wiederholt. Neu ist jedoch sein Auftreten als Volksmissionar, das ein noch stärkeres Insistieren auf der Schwäche des Menschen und der Notwendigkeit der totalen Weltabkehr zur Folge hat. Ist seine Schrift damit einerseits ein Beispiel für eine weitere - im 17. Jahrhundert Aufschwung nehmende - Textgattung innerhalb der Debatte um die Zulässigkeit des Theaters neben Fürstenspiegel (Mariana), moraltheologischem >Handbuch< für den Klerus (Hurtado de Mendoza), Genehmigungstext einer Comedia-Anthologie (Guerra), Polemik (cf. die Exkurse) und volkssprachlicher moraltheologischer Abhandlung (Pedro de Guzmán),7 so wird sie hier andererseits behandelt, weil sie die epochemachende Theaterverteidigung Theatro de los theatros des Hofdramaturgen Francisco Antonio Bances Can-

7

contra èl: y es en vano mostrar la luz à quien porfia en cerrar los ojos« (S. 14). Nach der Deklaration weiterer »Autores, que se alegan en favor de las Comedias« (S. 18) zu Comedia-Gegnem, lässt er erneut eine Auflistung theaterfeindlicher Autoren folgen, wobei er betont, die bereits von Ramos del Manzano genannten 38 Gegner um weitere Namen zu ergänzen. Diese sind allerdings zum Teil mit seiner ersten Aufzählung redundant. Als Beweis der theaterfeindlichen Haltung der genannten Autoren lässt er eine Aneinanderreihung von Zitaten ihrer Werke folgen. Eine - im beschränkten Rahmen dieser Arbeit nicht leistbare - systematische Auswertung der von Camargo genannten Quellen ist wünschenswert. So könnten hierüber eventuell neue Texte der licitud-Debatte wie auch theaterbezügliche Passagen in bekannten Werken ausfindig gemacht werden. Ähnliche - auf eine Auswertung wartende Autoren- und Titelregister finden sich auch bei Gaspar Diaz (Consulta theologica acerca de lo ilicito de representar, y vèr representor las Comedias, corno se practican el dia de oy en Espana, S. 34ff.) und Moya y Correa (cf. supra). Die Traktate von Herrera und Fomperosa sind als Repliken auf Guerra kaum einer eindeutigen Textkategorie zuzuordnen: So sind sie Polemik, Apologie des eigenen Ordens und - durch Guerras gewagten Vorstoß gezwungenermaßen volkssprachliche - moraltheologische Abhandlung und Unterweisung zugleich.

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damo nach sich zog, mit deren Perspektivierung die vorliegende Analyse der Debatte abgeschlossen wird.

licitud-

Der Discvrso theologico hatte j e d o c h nicht nur Bances Candamos theatertheoretische Abhandlung zur Folge. A u c h das - durch den autor de comedias Manuel de Mosquera vertretene - »humilde Gremio de los Representantes« forderte in einem Memorial das Verbot von Camargos Schrift. 8 Zwar fahrt Camargo das Geschütz sämtlicher kirchlicher und zivilrechtlicher Gesetze auf, um die Schauspieler als Sünder zu diskreditieren, seine Verurteilung der Bühnendarsteller und die Berufung auf faktische Gesetzestexte sind j e d o c h kein e s w e g s neu. S o mag seine Schrift weniger aufgrund ihres Inhalts und ihres apodiktischen Tons als aufgrund der spezifischen historischen Situation von den Schauspielern und Autoren, die ihre Existenzgrundlage durch die Dekadenz des Theaters seit dem T o d Calderons ohnehin gefährdet sahen, als Bedrohung für ihren Berufsstand aufgefasst worden sein. Der Discvrso theologico wurde noch im Jahr seines Erscheinens verboten, 1690 allerdings in Portugal wiederaufgelegt. 9

8

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Memorial de los representantes solicitando la recogida del libro de Camargo (Hoja suelta. BN: VE 69/75). Die beiden Repliken auf Camargos Traktat - das Memorial der Schauspieler und Bances Theatro - könnten sich auch gegenseitig inspiriert bzw. ihre Verfasser sich in dem Vorhaben bestärkt haben, gegen den Traktat des Jesuiten vorzugehen. Zumindest kannten sich die beiden Theatermänner: So hatte Bances die Comedia Por su rey y por su dama, mit der seine Karriere als Hofdramaturg begann, 1685 mit der Schauspieltruppe von Manuel de Mosquera erstaufgeführt. Die Zusammenarbeit von Bances und Mosquera ist auch für das folgende Jahr bezeugt. Manuel F. Avello: Francisco Bances Candamo, in: Vicente Bermejo Palacios/José Antonio Mases (Hg.), Asturianos universales, T. 2. Madrid: Páramo 1996, S. 55-93, hier S. 60 u. 64. Pellicer berichtet im zweiten Teil des Tratado histórico, in dem er die Viten einiger Schauspielerinnen und Schauspieler darstellt, nur von Manuel de Mosqueras Zwangshochzeit mit einer liierten Schauspielerin, scheint das Memorial also nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Tratado histórico T. 2, S. 84ff. En Lisboa. En la Emprenta de Miguel Manescal, Impressor del Santo Oficio. A costa de Antonio Leyte Pereyra, mercader de libros en la Calle Nueva. 1690. Die Neuauflage ist gegenüber der Originalausgabe von 1689 unverändert, beide befinden sich in der BN. Díaz Díaz gibt zudem eine weitere Ausgabe von 1734 (Valladolid: Alonso del Riego) an: Hombres y documentos de la filosofia española, T. 2, S. 242. Das Memorial der Schauspieler scheint tatsächlich Auslöser für das Verbot von Camargos Werk gewesen zu sein. Zwar vermutet Cotarelo als Verbotsgrund die teils gewagten theologischen Aussagen des Jesuiten wie dessen Bezeichnung Senecas als »fiscal nuestro en el Tribunal de la Iusticia de Dios« (Discvrso, S. 111 bzw. Bibliografia, S. 121); Moir weist aber auf die gemeinhin positive Wahrnehmung Senecas im Siglo de Oro hin. Er sucht den Verbotsgrund in Camargos harschem Ton gegenüber den Autoritäten. »Prólogo«, S. Ivi. Beide scheinen das Memorial der Schauspieler also nicht zur Kenntnis genommen zu haben. Das Verbot des Discvrso theologico behandelt auch Roldán Pérez in seinen Aufsätzen zur Rolle der Inquisition innerhalb der licitud-Debatte. So macht er am Indice de ValladaresMarín von 1707, der den Discvrso verbietet, »hasta que se enmiende, sin que por la prohibición de este libro intente el Santo Oficio definir ni condenar alguna de las dos sentencias, sobre lo licito, ó ilicito de vèr, escribir ó representar Comedias«, die Neutralität des Heiligen Offiziums fest. »Censura Inquisitorial y Licitud Moral del Teatro«, S. 1439. In der - in Roldán Pérez' zweitem Beitrag zitierten - Dokumentation der Inquisitionssitzung vom 12.9.1689 lautet die Verbotsbegründung jedoch: »por contener algunas proposiciones imprudentes escandalosas temerarias y denigrativas de las costumbres de todos los que oyen, ven, escriuen, leen y representan las comedias.« »Polémica sobre la licitud del teatro: actitud del Santo Oficio y su manipulación«, S. 82f. Dies scheint eine Replik auf das Memorial der Schauspieler zu sein, die genau das moniert und auf den Schaden des Discvrso für ihr Gewissen und das der Theatergänger hingewiesen hatten (cf. infra). - Das Memorial der Schauspieler wurde zum Präzedenzfall: So erfahrt die Consulta theologica acerca de lo ilicito de representar, y vèr representar las Comedias, como se practican el dia de oy en España (Cádiz 1742) von Gaspar Díaz ein ähnliches Schicksal wie Camargos Traktat: Während die Schauspieler von Cádiz vor dem - dem Kastilienrat an-

Ignacio de Camargo: Discvrso theologico

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Camargos Sicht des »ocio« und der Freizeitgestaltung: »Es como polvora el hombre en materias de lascivia«

Camargos Sicht der Freizeitgestaltung ist nicht von seiner negativen anthropologischen Grundauffassung und der daraus resultierenden Sorge um das Seelenheil der Menschen zu trennen. S o weist er immer wieder auf die überall in der Welt lauernden »peligros de los sentidos, en especial de los ojos, que son los ladrones del alma« hin und plädiert mit Berufung auf die Heilige Schrift, die »los juegos, danjuez protector< der Theater gegen das Werk klagen, stellt Manuel Guerrero den König in einem Memorial im Namen der Schauspieler von Madrid vor die Alternative, alle Comedias oder die Schrift des Jesuiten zu verbieten, wobei er sich auf das Verbot von Camargos Werk beruft. Die Schauspieler hatten auch in diesem Fall Erfolg, allerdings wurde das Verbot der Consulta theologica ausgesprochen, weil Díaz die Druckerlaubnis des Kastilienrats nicht eingeholt hatte. Cf. Cotarelo: Bibliografía S. 30f. sowie S. 341 ff. 10 Camargo stellt mit Berufung auf Gregor I. die Gefahr jeder Weltzuwendung heraus: »El que por estas ventanas de los ojos mira incautamente afuera, ordinariamente, aun sin querer, cae en la delectación del pecado.« Discvrso, S. 53. Um dem Menschen seine Schwäche zu vergegenwärtigen, zitiert er Chrysostomus: »Pon vna candela en el heno, y ten luego audacia para dezirnos que el heno no se quema. Pues lo que es el heno, esso es nuestra naturaleza« (S. 65). Folglich verweist er immer wieder auf die »grande, y perpetua batalla entre la carne, y el espíritu, el desorden de la concupiscencia, el Ímpetu furioso de el apetito ázia los deleites sensuales, aquella dura ley de los miembros contraria en todo á la ley de la razon« (S. 66) und betont, dass selbst die Beichtväter beim Gespräch über Sünden sexueller Art um ihres Heils willen nicht ins Detail gehen dürften. Hebt er somit einerseits hervor, dass niemand gegen die Sünde gewappnet ist, so betont er andererseits, dass die Kirche selbst bei der Austeilung der Sakramente, »donde los Ministros de Dios están como divinizados, y revestidos de Christo« (S. 70), Vorkehrungen zur Heilsbewahrung der Priester treffe. Hierbei hat er sicher die Satzungen der Societas Jesu im Blick, die bei der Beichtabnahme von Frauen die Observierung des Beichtvaters durch einen anderen Priester vorschrieben. Auch durfte die Beichte selbst kleiner Mädchen nur in Beichtstühlen mit Gitter gehört werden, deren Beschaffenheit »integrae [...] atque minutae« zu sein hatte. Paul von Hoensbroech: Der Jesuitenorden, Bd. 1, S. 383f. Fühlt sich der moderne Leser durch diese minutiösen Regelungen erneut an Foucaults These erinnert, dass gerade das ständige In-Rechnung-Stellen des Sexes einen Mechanismus zunehmenden Anreizes schaffte, so wird hier in Bezug auf Camargo dessen Aberkennung der Adiaphora deutlich, wenn er selbst die Austeilung der Sakramente als potentiell

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Die Gleichsetzung von antikem und zeitgenössischem Theater

A u c h bei der Darstellung der patristischen Urteile ersetzt Camargo die Auseinandersetzung mit den Zeugnissen der Kirchenväter durch ein Potpourri ihrer Theaterbezeichnungen und lässt für den interessierten Leser eine chronologische Auflistung der Patristen mit den theaterbezüglichen Stellenangaben ihrer Werke f o l g e n . " Grundsätzlich schließt er sich dabei der bereits bei Herrera und Fomperosa anklingenden und bei Navarro Castellanos z u m Hauptanliegen gewordenen Tendenz an, das antike Theater gegenüber der Comedia zu verteidigen. S o negiert auch er die reale Ausübung sexueller Akte auf der antiken Bühne und betont, dass auch die A u s s c h w e i f u n g e n der Floralia und Saturnalia sich aufgrund der römischen Strenge nur für kurze Zeit halten konnten. Folglich konstatiert er, dass die Comedia den obszönen Theateraufführungen der Antike in nichts nachstehe, sondern ihnen vielmehr gleiche » c o m o vna noche ä otra noche, y c o m o vnas tinieblas, ä otras tinieblas« (S. 39).

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Die Schauspieler: Zuspitzung des negativen Frauenbildes auf der Folie der bekannten Topoi

Camargos harte Anklage der Bühnendarsteller ist - trotz der unmittelbar folgenden Forderung vonseiten der um ihre Existenzgrundlage und ihr Ansehen bangenden Schauspieler, seinen Verleumdungen Abhilfe zu schaffen, - k e i n e s w e g s neu, sondern stellt vielmehr eine Kompilation der bisherigen Anschuldigungen der Theatergegner dar 12 : S o hebt Camargo die zivilrechtlich verankerte Ehrlosigkeit der Schauspieler hervor und erklärt sie auf der Grundlage sämtlicher kirchlicher Synoden, Kanones und Konzile zu öffentlichen Sündern und Apostaten, denen er den Empfang der Sakramente verweigert. 1 3 Während er die Schauheilsgefährdend betrachtet. Dabei nimmt er nicht einmal den Sterbenden von der Gefährdung durch die Konkupiszenz aus. So berichtet er, »que una mujer santa, y de tan ajustada vida, que en toda ella no avia cometido pecado grave, estando para espirar, y recibiendo la Extremavncion, puso los ojos incautamente en vn mozo, que iba acompañando al Cura, que se le administrava; y aquella especie sola entrando por vnos ojos, que apenas distinguían ya los objetos, bastó para encender fiiego en aquella carne yerta, y casi cadaver frió; y permitiéndolo Dios por sus altissimos juizios en pena de alguna secreta presumpcion, y confiaba demasiada de si misma, consintió en vn pensamiento torpe, por el qual se condenó« (S. 92). 11 Camargo nimmt auch »los antiguos Padres, á quienes la Iglesia Catholica no cuenta en el catalogo de los Santos« in seine Liste auf und nennt folglich Tatian, Justin den Märtyrer, Tertullian, Clemens von Alexandrien, Minucius Felix, Cyprian, Laktanz, Eusebius, den Heiligen Ephräm, Gregor von Nazianz, Cyrill, Ambrosius, Hieronymus, Chrysostomus, Paulus Orosius, Augustin, Isidor von Pelusium, Salvian, Isidor von Sevilla, den Heiligen Bernhard, den Bischof von Avila Alonso Tostado (zitiert als »el Abulense«) und Kardinal Borromeo. Hieran schließt er die Aufzählung der antiken Philosophen an. 12 So verweist Camargo u.a. auf das bei Jesús Maria abgedruckte »memorial mui largo, que vn Cavallero piadoso diö al Señor Rey Felipe II« - i.e. das Memorial von Lupercio Leonardo de Argensola (cf. supra) - , das das lasterhafte Schauspielerleben darstelle. Vor allem lehnt er sich aber an Hurtado an, dessen Ausführungen er adaptiert ins Spanische überträgt. So übernimmt er z.B. Hurtados Bericht eines befreundeten Priesters, der auf einen ehemaligen Schauspieler trifft. Cf. Camargo: Discvrso, S. 74f. und De spe, S. 1569a (cf. supra). 13 Hieran knüpfen die Schauspieler ihre Kritik an: So distanziert sich Mosquera im Namen des »humilde Gremio de los Representantes« von der Beurteilung der Zulässigkeit des Theaters, »pues no es de su profession disputar questiones«, verbindet dies allerdings geschickt mit dem Hinweis, dass die - zudem kirchlich zensierte - Comedia von Philipp IV. als »acto indiferente« anerkannt worden sei (cf. das theaterbefürwortende Urteil des Consejo de Castilla von 1648, auf das sich Mosquera hier wahrscheinlich bezieht: Bibliografía, S. 166ff.). Während die licitud-Frage nicht in der Zuständigkeit der Schauspieler liege, seien sie aber verpflichtet, ihren Glauben zu verteidigen. So betont Mosquera in Replik auf Ca-

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spieltruppe insgesamt als »legion de Demonios« (S. 73) bezeichnet, die die Städte mit dem Feuer der Konkupiszenz überziehe und den Willen der »mayor parte del Christianismo« (S. 60) tyrannisiere, insistiert er vor allem auf dem Verstoß der Schauspielerin g e g e n die ihr von der Kirche - und, so betont er, der Natur - vorgegebene Rolle. Verurteilt er die Schauspielerin dabei insbesondere w e g e n ihres zügellosen Auftretens auf der Bühne, 1 4 so wird seine generell m i s o g y n e - geradezu gynäkophobische - Haltung auch bei seiner ständigen Warnung vor dem Anblick der Frau deutlich, der den Mann von Gott entferne und in den »abismo de la culpa« (S. 53) stürze. 15

5

Die Verurteilung der Institution

5.1

Die Suggestivkraft der theatralischen Darstellung aus der Sicht eines Volksmissionars

W i e die Mehrzahl der Theatergegner erklärt Camargo die Comedia »secundum se, y mirado su propio concepto en comun, y abstracto« (S. 104) für zulässig, konstatiert aber, dass die zeitgenössische Comedia auch von Thomas von Aquin »expressamente« (S. 28) verurteilt margo, dem er mangelnde Nächstenliebe vorwirft, »que el Banquete que ofrece el Padre Celestial combida á todos igualmente«. Auch bemerkt er - wohl inspiriert durch Guerra (cf. Aprobación, S. 89) - , dass Camargos Anklage der Schauspieler zulasten der Justiz gehe und das Ärgernis derer hervorrufe, »que miraren, que algunos, ó por mejor dezir todos los del Gremio, frequentan las Aras de los Santos Sacramentos de la Penitencia, y la Eucharistia«. Die durchaus selbstbewusste Forderung, den Verleumdungen des Jesuiten Abhilfe zu schaffen, verbindet er allerdings mit einer Apologie des Schauspielberufs, was wiederum die brisante Situation der Schauspieler offen legt, die aufgrund des Niedergang der Theater um ihre Existenzgrundlage bangen. So appelliert er an den Souverän, »vse su piedad, para que ya que passen por la nota de su exercicio (que le eligió la desgracia, ó la casualidad, quando ya se hallan impossiblitados de aprender otro, ú dexarle por las muchas obligaciones en que los ha puesto la carga de hijos, y muger) no tengan la desgracia de ser notados en materia de la Fe, ni del servicio de Dios, que es lo primero«. Ähnlich wie Calderón in seiner Carta al Patriarca stellt er aber auch den Widerspruch zwischen der offiziellen Theaterakzeptanz und der Erklärung der Schauspieler zu Sündern heraus, wenn er mit Berufung auf Mose verlangt: »O borrarlos, Señor, del Libro de la Vida, que es el Bautismo, ó absuelve, como Poderoso, su ignominia; poniendo remedio á tan manifiesto daño, como se puede seguir a sus conciencias, ó á las de los que los tuvieren en el predicamento en que los pone el Padre Ignacio Camargo; [...].« Memorial de los representantes solicitando la recogida del libro de Camargo. 14 Camargo stellt das - der Frau durch 1 Kor 11,5 verbotene - öffentliche Präsentieren der Haare und die weibliche Hosenrolle als besondere Erotika heraus. So betont er, dass die Schauspielerin bisweilen sogar im Mieder auftrete, »quando está mandando el Apostol, que ni en la Iglesia tengan [sc. las mugeres] la cabeza descubierta; y S. Agustin dize, que ni aun la muger casada ha de dar lugar á que se sepa de que color es su cabello«. Den Geschlechtsrollentausch verurteilt er mit der üblichen Berufung auf das Deuteronomium und fragt empört: »Que cosa mas torpe, y provocativa, que ver á vna muger de esta calidad, que estava aora en el tablado dama hermosa afeitada, y afectada, salir dentro de vn instante vestida de Galan airoso, ofreciendo al registro de los ojos de tantos hombres todo el cuerpo, que la naturaleza misma quiso que estuviesse siempre casi todo retirado de la vista? Pues qué seria, si en esse trage danfasse, como lo hazen muchas vezes?« Camargo: Discvrso, S. 61. 15 Camargos obsessives - von der katholischen Tradition geprägtes - Frauenbild zeigt sich schon durch die programmatische Widmung seiner Schrift an die »emperatriz pvrissima de los cielos, Maria Santissima, madre de Dios, y Señora Nuestra, concebida en plenitvd de Gracia, y Iusticia original al instante primero de su ser« als Gegenpol zu den immer wieder als »licenciosas« bezeichneten und einzig als Geschlechtswesen und Verführerinnen betrachteten Schauspielerinnen. So setzt er dem üblichen »ad maiorem Dei gloriam« der Jesuiten am Ende seiner Abhandlung auch hinzu »& in honorem immaculatae Virginis sine labe conceptae«.

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werde. Seine inhaltliche Darstellung der Comedia ist dabei großenteils aus den Werken seiner Vorgänger s o w i e der Kirchenväter zusammengetragen. S o hat er zwar ein recht genaues Bild von der Auffuhrungsrealität mit Tänzen, Musik und entremeses, seine - in der N a c h f o l g e von Fomperosa und Herrera - aus der Aufzählung einzelner Handlungsmotive und -Szenarien bestehenden Inhaltsbeschreibungen sind j e d o c h mit Relikten aus den patristischen Texten durchsetzt: S o endet die Comedia für Camargo nicht, w i e Herrera und Fomperosa es richtig dargestellt hatten, in der Heirat der Protagonisten, sondern »en vna comunicación deshonesta, en vna correspondencia escandalosa, en v n incesto, en vn adulterio«.16 A u c h assoziiert er die Darstellung der profanen Liebe mit der idolatrischen Wertschätzung des Körpers in der paganen Kultur, w e n n er der Comedia »vna Gentílica idolatría ajustada puntualmente á las leyes infames de Venus, y de Cupido, y á los torpes documentos de Ovidio« (S. 45f.) zuweist. Dabei kritisiert er - w i e seit Hurtado üblich - vor allem das Personeninventar der Comedia, die »liviandades de mugeres de punto, y muchas v e z e s de Princesas« (S. 62) darstelle, und konstatiert, dass das Fehlen von Liebesszenen v o m Publikum nicht geduldet werde. Entlehnt er auch dieses Argument grundsätzlich bei Hurtado, so verweist er konkret auf das Stück Los españoles en Chile, das trotz seines heroischen - für die Spanier schmeichelhaften - Inhalts ausgepfiffen worden sei. 1 7 Dabei betont er,

16 Neben den den patristischen Texten entnommenen Signalwörtern, zählt Camargo - angelehnt an Herrera und Fomperosa - einzelne Motive der Comedia auf: »Los argumentos, 6 assumptos de las Comedias [...] son por la mayor parte impuros, llenos de lascivos amores, entretexidos de mil artificiosos enredos, de galanteos profanos, de papeles amorosos, de rondas, de músicas, de passeos, de dadivas, de visitas, de solicitaciones torpes, de finezas locas, de empeños desatinados, de chimeras, y de empressas impossibles, que las facilita ordinariamente vn criado, vna tercera, vna llave, vn jardin, vna puerta falsa, vn descuido del Padre, del hermano, del marido de la Dama: [...].« Camargo: Discvrso, S. 45. »Alli se vee vna muger hermosa mostrarse perdida de amores por su Galan, y al Galan no menos loco, y apasionado por ella: significarse su afecto con cariñosas, y ternissimas palabras, hazerse amorosas caricias: darse las manos, y aun los brazos muchas vezes, y concertar el tiempo, en que se han de ver á solas: [...]« (S. 60f.). Dabei hebt er vor allem das Zusammenspiel der verschiedenen Verfiihrungsmomente der Theaterauffiihrung hervor: »Avivado [todo esto] de mas á mas con bailes primorosos, y dantas artificiosas, [...] con mucha destreza, y con mas desemboltura. Alternado, y entretegido todo esto con la torpe fealdad de los Entremeses, y otros saínetes impuros, con el immodesto desgarro de las mugeres vestidas de hombres, y con las demás indecencias, que diximos, y otras muchas, que no se pueden dezir« (S. 63). 17 Das Nennen konkreter Stücke ist - abgesehen von der anonymen gegen Guerra gerichteten Carta, die einzelne comedias besprochen hatte (cf. supra: V, V, Anm. 69), sowie der Auflistung einiger ComediaTitel bei Herrera (cf. supra) - eine Seltenheit in der licitud-Debatte und mag Bances Candamo dazu inspiriert haben, seine Darstellung auf der Analyse einzelner comedias zu begründen. Camargo bezieht sich wahrscheinlich auf das 1665 in der Parte veinte y dos de comedias nuevas y escogidas veröffentlichte Stück Los españoles en Chile von Francisco González de Bustos, dessen Versuch, ein tugendhaftes Stück im öffentlichen Theater aufzuführen, er als Paradoxie herausstellt: »Conocí, y traté algunos años ha, vn Cavallero, discreto insigne Poeta, pero mui compuesto, y temoroso de Dios. Vino en tentación de escrivir vna Comedia, modesta, y casta, para que se representasse (qué desproposito!) en el aula de la torpeza, como llama San luán Chrisostomo al theatro. El titulo era, Los Españoles en Chile; y toda ella estava llena de esfuer90s prodigiosos de valor Christiano, y de gloriosas hazañas de aquellos immortales Españoles, que conquistaron á Chile. El concurso era de los mas graves, y discretos de España: el verso grave, y sentencioso, lleno de agudos, y briosos conceptos, y el argumento de la Comedia parece que avia de ser gustoso á gente Española. Empezaron á oiría con suspensión; pero á breve espacio, desconociendo el estilo tan ageno de aquellas personas, y de aquel sitio, y echando menos los amores lascivos, y galanteos, que son la salsa ordinaria de aquel combite de Luzifer, se declaró tanto la desazón, y el disgusto del auditorio, que silvaron publicamente á los Comediantes; y

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dass die Aufführung gegenüber der Lektüre, deren moralische Gefahr Camargo durch eine Anekdote illustriert, 18 noch wirksamer sei, was er durch den Vergleich der Wirkung von Predigt und Theater deutlich macht: »Nosotros mismos lo experimentamos en los sermones cada dia. Lo que leido en vn libro nos mueve poco, ö nada, dicho con energía, y viveza de vn Predicador fervoroso, y eloquente nos atemoriza, nos alienta, nos alegra, nos entristeze, nos resuelve muchas vezes en lagrimas, y nos haze arder el corazon en varios, y vehementes afectos. Esto en lo bueno, que se oye ordinariamente de mala gana, y es tan desabrido al gusto estragado de los hombres. Pues qué efecto harán aquellos malditos sermones de los theatros, siendo tan sabrosos, y apacibles; la materia de ellos dulce, y amorosa, que se empapa en el corazon, como el agua en vna esponja; los oyentes también dispuestos, que están bebiendo el veneno, como si bebieran néctar« (S. 48f.). Legen diese Ausführungen einerseits Camargos Bewusstsein über die formale Konvergenz von Predigt und Theater offen, so wird andererseits deutlich, dass er das Theater als Konkurrenz zur Predigt - als der ehemals einzigen Beschäftigung des Menschen neben der Arbeit - auffasst. Gleichzeitig veranschaulicht der Jesuit auch die vermeintliche Verführungskraft der Comedia. Dabei besteht die Hauptgefahr für den Theaterzuschauer, in Sünde zu fallen, für Camargo im Anblick der - alle weiblichen Reize ausspielenden - Schauspielerin sowie in der Liebesthematik, die in den entremeses um so drastischer und ungefilterter dargestellt werde. 19 Kritisiert er die entremeses aufgrund ihrer ungeschminkten Verspottung der christlichen Moral, so führt er die Verführungskraft der Comedia - hierin wiederum Navarro Castellanos folgend - auf ihre Subtilität zurück: So erliegen die Zuschauer, die ohnehin »todos los poros abiertos con el calor del deleite« (S. 57) haben, aus Camargos Sicht vor allem der Sanftheit der Musik und der Schönheit der Verse. Bedient sich der Jesuit hierbei einer von der Theatersprache gefärbten suggestiven Diktion, um seinen Adressaten - wie er auch selbst bemerkt - die betörende Wirkung des Theaters um so eindringlicher vor Augen zu führen, so lässt sich seine eigene Faszination von der blumigen Sprache

cierto que lo merecieron por aver engañado la gente convidándola para vna fiesta tan impensada, tan agena de su profession, y tan desvsada en el Patio.« Camargo: Discvrso, S. 46. Da Los españoles en Chile die üblichen Liebesverwicklungen enthält und wie die meisten comedias des Siglo de Oro in einer Reihe von Hochzeiten endet, ist zu vermuten, dass Camargo das Stück entweder nicht vollständig kennt oder nur dieses Stück kennt, ohne darin die von seinen Vorgängern angemahnte Laszivität der Comedia ausmachen zu können. Die Platzierung des Stücks in der Parte 22 direkt hinter der bekannten Aprobación von Tomás de Avellaneda (cf. supra) legt nahe, dass Camargo es zumindest kursorisch gelesen hat. 18 Camargo übernimmt die Anekdote, die wie das Handlungsgerüst einer Comedia klingt, von Crespi de Boija: »y de vna castissima muger, ä quien no pudo reducir vn mozo, que la galanteava, á que recibiesse vn papel, procurando con estratagema que leyesse vn libro de Comedias, sé yo que dentro de 15. dias consiguó todo lo que deseava.« Camargo: Discvrso, S. 47. 19 Die üblichen Handlungen der entremeses skizziert Camargo - von seiner negativen Bewertung absehend - durchaus zutreffend: »De los Entremeses, y burlas aplaudidas en los theatros no se puede hablar sin rubor, porque todos están llenos de indecentes porquerías, de chistes, y cuentos indignos de tabernas, y bodegones. [...] Qué cosa mas fea, y vergoñosa, que ver representar con charcas, con bufonadas, y risas la industria de la muger torpe, que tiene tres, ö quatro Galanes, y á todos los deslumhra, para que no sepa vno de otro? La destreza de la otra mugercilla vil en estafar á los mozos deshonestos? El genio del adultero para robar la muger casada, ö la astucia de la adultera para engañar al marido? Aqui entre el ruido de la bulla, y las risadas son las acciones mas immodestas, las palabras menos corteses, y los bailes mas dissolutos.« Camargo: Discvrso, S. 60.

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der Dichter, die auch aus seinem - nebenbei erteilten - Lob der »lengua Castellana« hervorgeht, kaum leugnen. 2 0 D i e nachhaltige Wirkung des Theaters auf die Zuschauer verdeutlicht Camargo zudem anhand der Revision ihrer - sich nur um Äußerlichkeiten drehenden - Gesprächsthemen nach dem Theaterbesuch. A u c h fuhrt er das Selbstverständnis des Adels, dessen übersteigertes Ehrgefühl er als blasphemisch verurteilt, auf den Inhalt der oftmals Ehrenrachen darstellenden Theaterstücke zurück. 21 A l s weitere Folge des Theaterbesuchs nennt er die Verweichlichung der Männer, die den »vigor de los animos tan propio de la Nacion Espanola« (S. 77) zunichte gemacht habe, w o b e i Camargos Argumentation nicht - w i e die seiner Vorgänger - in der Wehrlosigkeit Spaniens bei einem möglichen Krieg mündet, sondern entsprechend seiner misogynen Haltung bereits die Übernahme weiblicher Verhaltensweisen durch den Mann als schändliche Degradierung darstellt. 22 Aufgrund der Sündhaftigkeit der

20 So greift Camargo auf die Metaphorik der Theaterautoren zurück: »Todos los tonos, y letras, que se cantan en las Comedias, [...], son de materias amorosas, ternuras, y finezas locas, expressiones de afectos, y de cuidado, quexas de amantes, pinturas de damas, alabanzas de hermosuras: no ay mas vozes, que Cupidos, Venus, Narcisos, Adonis, Floras, Cloris, Cinthias, Anardas, y Filis, tiranías del amor, milagros de belleza, rigores de Deidades, divinos impossibles, lazos del cabello, nieve de las manos, flechas de los ojos, corales de los labios, ehtnas [sie!] de los pechos, prisión de las voluntades, fuego de los corazones.« Discvrso, S. 56f. Wie Navarro Castellanos warnt er dabei vor der Subtilität der -gleichzeitig aber als kunstfertig herausgestellten - Verse, die »[...] disimuladas, y cubiertas, como pildora dorada, con el velo de las vozes cortesanas, y discretas, se introducen sin resistencia en el alma, y embuelta en el concepto, en la agudeza, en el artificio dulce de los versos sonoros, y primorosos (en que son incomparables los de la lengua Castellana) bebe sin horror el corazon la ponzoña« (S. 50f.). Da Camargo die Theatermusik ausführlich beschreibt, zählt Tello sein Werk - das er allerdings über Cotarelo zitiert und es nicht als theaterfeindliche Schrift ausweist - zu den wenigen Dokumenten über Entwicklung und Akzeptanz des »drama musical« im 17. Jahrhundert. Francisco José León Tello: »La Música«, in, Ramón Menéndez Pidal (Hg.), Historia de la Cultura Española, T. 2.: Las Letras. Las Artes, S. 871-929, hier S. 914. 21 So weist er das Theater als Stätte promiskuitiver Begegnungen aus und tadelt die um Liebe und Körperlichkeit kreisenden Gedanken der Theaterzuschauer: »Y sino pregunto: que es lo que passa al entrar, y salir la gente moza del Patio, cerca del Tablado, y en el Vestuario mismo? De que son las conversaciones al salir de la Comedia? Si fulana tiene garbo; si fulano tiene buen gusto en comunicarla, si baila, si canta bien: si es mas hermosa, que fulana &c. y otras cosas peores, que explican bien los pensamientos que han tenido en la Comedia.« Camargo: Discvrso, S. 73. Auch moniert er, dass der Adel den Verhaltenskodex der Comedia internalisiert habe: »El duelo, el punto el desafio, la defensa del pundonor mundano, la estimación de la honra vana sobre el alma, y sobre Dios, el desprecio de la vida, y de los riesgos, el andar siempre con la espada en la mano vengando los pensamientos mismos, es el crédito, y distintivo de la nobleza, y todo lo contrario á esto es la vileza mas indecente, y la deshonra mas insufrible« (S. 75). Um die sozialschädigende Wirkung des Theaters herauszustellen, berichtet er von einem Vorfall in Salamanca:»Estavan en vna ocasion riñendo dos Lacayos de vn Cavallero de los primeros de esta Ciudad: La riña era con espadas, y tan de veras que el Cavallero huvo de salir con la suya á dividirlos: riñóles, y dióles de cintarazos: y el vno de ellos, que se mostrava mas ofendido, embainando de mala gana, dixo: Para qué va vn hombre a la Comedia, sino ha de saber vengar sus agravios?« (S. 76f.). Die Anekdote, die Camargo von dem »Cavallero mismo« erzählt bekommen haben will, zeigt - wie auch die oben zitierte Anekdote zur Darstellung der sozialschädigenden Wirkung der Comedia-Lektüre (cf. supra: Anm. 18) - Camargos Neigung zu romanhaft ausgeschmückten Geschichten. So hätte er sich hier aus der christlichen Perspektive die - als fiktives Handlungselement effektvolle - Bestrafung der Diener mit einem Degenhieb sparen können. 22 Während er die Hingabe der Frauen an die laszive Mode und ihre Sorge um ihr Äußeres als »natural achaque de vn sexo fragil, y vano« - und somit als nicht verwunderlich - darstellt, betont er: »Mas quien jamas pensara ver á los hombres nacidos solo para nobles, y varoniles empressas, abatidos á tan

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Comedia lehnt Camargo auch die Unterstützung des Armenwesens durch das Theater ab. Hierbei bedient er sich des bereits traditionellen allegorischen Topos der Sünde als lepra spiritualis, der ihn - w i e alle Theatergegner - das Seelenheil der gesamten Gesellschaft gegenüber der körperlichen Krankheit Weniger bevorzugen und somit das Wohlfahrtswesen vernachlässigen lässt. Anders als die Mehrzahl der Theatergegner macht er aber immerhin den versöhnlichen Lösungsvorschlag, den Eintrittspreis für das Theater direkt den Bedürftigen zu geben. 2 3

5.2

Die comedia de santos als Verspottung der Heiligen und des Klerus

W i e die meisten Theatergegner fasst Camargo die »Comedias, que llaman ä lo divino« (S. 130) als Verspottung der Heilligen s o w i e der stets v o m » B o b o de la Comedia« als lasterhafte Trunkenbolde dargestellten Geistlichen auf. A u c h kritisiert er die Mischung heiliger und profaner Inhalte s o w i e die Aufführungspraxis der comedia de santos mit Tänzen und Zwischenspielen und zitiert mit Berufung auf Guzmän, Mariana und Crespi die üblichen Anekdoten über die Darstellung von Maria, Josef, Jesus und Magdalena durch miteinander liierte Schauspieler, die ihrer Eifersucht auf der Bühne - unter Missachtung ihrer Rolle o f f e n Ausdruck geben (S. 13 lf.). Hierbei betont er erneut, dass eine Comedia ohne die einschlägigen Liebesszenen keine Akzeptanz finde, wobei er mit »San A l e x o « und »San Bruno« auf z w e i neue Protagonisten der Heiligenkomödie - gegenüber den obigen stets zitierten - anspielt. 2 4

baxos, y afeminados empleos, que apenas se distinguen de las mugeres? Entregados totalmente à fiestas profanas, à músicas, à paseos, à los amores lascivos, à conversaciones ociosas, à juegos, y divertimientos vanos, à peinar, trençar, y teñir el pelo, à rizar la cabellera postiza, à pulir, y componer el vestido con tanta proligidad, y melindre, como la Dama mas delicada? De donde pueden nacer estos viles, y efeminados afectos, sino de el centro de las delicias sensuales, que son los Patios de las Comedias, fuente vniversal de todos los vicios, [...].« Camargo: Discvrso, S. 77f. 23 In letzter Konsequenz gibt sich allerdings auch Camargo damit zufrieden, das Armenwesen der Fürsorge Gottes zu überlassen: »Fuera de que, si esta caridad, que alegan, es con los pobres, y no con los Comediantes, mui fácil es el remedio: den al Hospital lo que gastan en la Comedia, y con esto los pobres quedarán mas socorridos sin dependencia de los theatros. Pero aun no les pedimos esso. Dexen a Dios sus pobres, [...] que no los ha menester à ellos, ni son dignos tampoco de que los tome por instrumentos para vna obra tan de su cariño, y cuidado.« Camargo: Discvrso, S. 137. 24 »El Poeta mire como dispone las cosas, que aunque sea menester hazer violencia à la historia, aunque la Comedia sea de S. Alexo, ú de S. Bruno, ha de hazer lugar al galanteo, y à los amores profanos, y sino le dirán que es Flos Sanctorum, y no Comedia.« Camargo: Discvrso, S. 45. Camargos Wahl dieser beiden Heiligen spielt wahrscheinlich auf Moretos La vida de San Alejo (1657) und Tirso de Molinas El mayor desengaño (1621) an. Vitse: Eléments pour une théorie du théâtre espagnol du XVIle siècle, S. 162. Die verbitterte Anspielung des Jesuiten auf die Abneigung der Laien gegenüber der religiösen Literatur scheint hingegen eine Replik auf den anonym veröffentlichten Discurso apologético en aprobación de la Comedia (um 1646) zu sein, der die Comedia - in der Nachfolge von Cascales - zur besonders effektiven Lehranstalt (vor allem der Jugend) ernannt hatte, die den Zuschauer sogar zur Lektüre der Heiligenviten bewegen könne: »¿qué arbitrio se pudo buscar para enseñar la ignorancia de la juventud, que siempre aborrece la escuela, mejor que el del ingenioso poeta, [...] ¿Quántos hay que no leyeran en un Flos sanctorum la vida de un santo en toda su vida, y la van á ver allí con mucho gusto, y á vezes salen movidos á leer muchas, por lo que les deleitó una representada?« Bibliografía, S. 239. Zur Datierung des Discurso und seiner inhaltlichen Orientierung an Cascales cf. Marc Vitse: »La epístola "Al Apolo de España" de Cascales y el "Discurso apologético en aprobación de la Comedia«.

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Die Zuschauer: Verpflichtung zur Wahl des richtigen Beichtvaters

Vor allem bei der Auseinandersetzung mit der Versündigung der Zuschauer folgt Camargo der Argumentation seines Ordensbruders Hurtado, w o b e i er dessen kasuistische Ausführungen über die Kooperation zwischen Zuschauern und Schauspielern übernimmt und - an die Erbarmungslosigkeit des Gottesgerichts mahnend - vorrechnet, dass jeder an der Theateraufführung Beteiligte so viele Sünden begehe, w i e Personen anwesend seien. 2 5 Dabei insistiert er - w i e Hurtado - auf der zur Sünde verleitenden Identifikation des Zuschauers mit den dargestellten dramatis personae26 und legt die von der Moraltheologie unterschiedenen Möglichkeiten dar, d e m Nächsten ein Ärgernis zu geben, ihn also zur Sünde zu verfuhren. Stellt er hierbei heraus, dass mit dem Theaterbesuch mindestens ein scandalum pharisaicum - ein passives, auf der Schwäche des Nächsten gründendes Ärgernis 2 7 - verbunden sei, so macht er mit Verweis auf ihm bekannte Personen deutlich, dass der Theaterbesuch stets den Verlust des Seelenheils nach sich ziehe. 2 8 A u c h beruft er sich auf die 6. Generalsynode, nach der der Theaterbesuch des Laien mit Exkommunikation und der des Priesters mit Amtsenthebung bestraft werde (S. 31). Folglich verurteilt er auch den Theaterbesuch der Geistlichen, w o b e i er betont, dass die allgemeine Sittenverderbnis auch vor dem Klerus nicht halt und die Christen zudem glauben mache, sich bei aller Entfernung von der evangelikal vorgegebenen Lebensweise dennoch im Einklang mit der Kirche zu befinden. 2 9 S o

25 Dabei hebt Camargo die Sünde der Schauspieltruppenleiter hervor, was den autor de comedias Manuel de Mosquera besonders getroffen haben mag: »Que es [...] para erizar los cabellos, cometer vn hombre Christiano cada vez que vee vna Comedia, quando menos, tantos pecados mortales, quantos son los que la hazen, y los que concurren á verla, ö por lo menos vno, que monta delante de Dios tanto como todos ellos. Poco piensa en el rigor de su juizio, quien tan poco repara en abultar el processo. Pues qué será de los que buscan, y conducen los Comediantes? No ay guarismo para sumar los pecados, que cometen; pero Dios los tiene apuntados todos para el dia grande, y terrible de su ira Omnipotente.« Camargo: Discvrso, S. 107. Auch gibt er Hurtados kasuistische Überlegungen über die Beteiligung der Zuschauer an der Versündigung der Schauspieler durch das Zustandekommen eines ungeschriebenen Vertrages zwischen beiden Parteien wieder, wobei er den Schauspielern jegliche humane Behandlung verweigert: »[...] todos ellos [sc. los que alli assisten] con su presencia, con su aprobación, con su risa, con su aplauso le [se. el Comediante] mueven, y alientan á la Comedia de oy, y también á la de mañana, para la qual no combidara, si oy le apedrearan, como merece, ö le silvaran por lo menos« (S. 105). 26 »La doncella, que vee á la otra dama rendirse á la porfía de vn Galan, claro está que se ha de fingir, y idear en aquellas circunstancias, y resolver en su corazon lo que hiziera. Lo mismo en la vengarla, en el duelo, en el desafio.« Camargo: Discvrso, S. 86. 27 Johannes Gründel: »Ärgernis. II. Theologisch-ethisch«, Sp. 961. 28 Wie Hurtado unterscheidet Camargo ausfuhrlich zwischen einer ihrem Wesen nach (»per se«) und einer durch Missbrauch oder andere Umstände (»per accidens«) sündhaften Handlung und stellt heraus, dass der Christ verpflichtet ist, selbst die Handlung zu unterlassen, die ihn bzw. seinen Nächsten nur »per accidens« zur Sünde verleitet. Camargo: Discvrso, S. lOOff. Cf. De spe, S. 1572a (cf. supra). Zudem moniert er wie alle Theatergegner, dass selbst die ärmsten Zuschauer die Schauspielerinnen reich beschenken und bezeugt mit Verweis auf ihm bekannte junge Männer, die er als »muchachos virtuosos, y bien criados« kennen gelernt habe, »[que] el ver sota vna Comedia fue lo mismo que poner el pie en el camino ancho de la perdición eterna« (S. 73). 29 »Todos sabemos, que ay infinitos abusos, y pecados manifiestos, en todos estados, y professiones: en adquirir, y posseer Beneficios, y Prebendas; [...] en expender las rentas Eclesiásticas, que se gastan, y se heredan en gran parte, como las de los seglares, siendo á la verdad patrimonio de los pobres: en llevar por lo que se presta, exorbitantes intereses sin ningún legitimo titulo: en tirar precios, y derechos injustos en varios oficios de la República, teniendo solo por ley en el adquirir todo lo que

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kritisiert er - in der Nachfolge von Navarro Castellanos - auch das Schweigen der Prediger und das leichtfertige jedem Tadel ausweichende Urteil der Beichtväter, das er zum einen auf ihr mangelndes Bewusstsein über die Gewichtigkeit der Materie und zum anderen auf ihre Wahrnehmung der Comedia als unheilbare Krankheit zurückfuhrt, der Camargo die liebende Fürsorge Gottes gegenüber dem spanischen Volk entgegensetzt. 30 Ungeachtet der verfehlten und fehlenden Urteile vieler Kleriker hebt er aber - in Anlehnung an die von Navarro Castellanos eingebrachte Metaphorik - hervor, »[que] en ningún tiempo han faltado Predicadores fervorosos, que sean perros fieles de la casa del Señor, y ladren contra el theatro. Y esto basta [...] para que corra por quenta de las Obejas el dar en las garras de los Lobos infernales« (S. 119). Folglich betont er, dass die Christen, die sich mit »qualquiera [sie!] Confessor, que les da el dictamen de su gusto« (S. 129) zufrieden geben, sich ebenso schuldig machen wie die Beichtväter, die den Theaterbesuch nicht als Sünde verurteilen oder das Theater gar selbst besuchen, denn »[esto es] guiar vn ciego á otro, y despeñarse en el abismo los dos« (S. 120).31 comprehenden los términos del poder: [...] en las censuras, ayunos, y abstinencias de la Iglesia, que son ya para muchos, como cosa de burlas, y de juguete: [...] La Excomunión, que es la pena mas severa de la Iglesia, dizen que no saca sangre: el ayuno, que es para los Religiosos. Y de esta suerte sabemos que ay muchos Christianos, que apenas tienen mas ley, que su propio antojo. En medio de esto todos passan en su modo de vida, todos cumplen con la Iglesia, todos buscan, y hallan Confessores, que los absuelvan, y muchos muí á menudo, y las cosas se quedan, como se estavan.« Camargo: Discvrso, S. 120f. 30 Camargo repliziert hier auf das Argument der Theaterverteidiger, der Großteil des Klerus toleriere das Theater: »El silencio de los Predicadores, como passan oy las cosas, aun deve hazer menos fuerza. Ya se sabe, aunque no se llora, como devia, quanto ay de insustancialidad en la predicación de este siglo, en que los sermones andan al vso, y se echa en ellos la tigera con la misma facilidad, que en los träges. Vsase mui poco el reprehender los vicios de veras, porque se atiende mucho á lisongear el gusto de los oyentes, que es mui al vso del siglo. Todo es dar a beber garapiñas, y poco vino de compunción. Pues qué ay que estrañar, que no aya en muchos aliento, para predicar contra vn vicio, que es oy el idolo mas adorado en el mundo, [...]. En muchos también, aunque de buen zelo, haze el silencio en cierto modo escusable la grandeza misma del mal; porque miran este negocio de las Comedias como vna enfermedad desauciada, y incurable: [...] Pero yo creo, que se engañan mucho en este dictamen, desconocen la paternal, y amorosa providencia, con que Dios ha mirado siempre a España; y injurian por muchos títulos á los mismos, á quienes no quieren desagradar.« Camargo: Discvrso, S. 118f. Auch moniert er die unbesonnene Nachlässigkeit der Beichtväter, die das Theater aufgrund seiner Zugehörigkeit zur Alltagsrealität nicht als Sünde tadeln: »[...] los Confessores resuelven alegremente vn punto de tanta monta, sin mas estudio, ni examen, que la común aprehensión de la costumbre, y del estilo común, como si este negocio de embiar al infierno las almas, fuera cosa para resolverse tan presto« (S. 129). 31 So ermahnt er die Priester mit Berufung auf Gregor I., >x¡ue somos homicidas de tantos, quantos con nuestro descuido, y silencio permimos [sie!] que se pierdan. [...] Pues qué seria, si no solo con nuestra omission, y silencio diessemos lugar á que se perdiessen tantos, sino que con nuestros dictámenes, y palabras nosotros mismos les impeliessemos á la muerte? Ni dexa de alcanzar este peligro á los que consultan, y se conforman tan fácilmente con la respuesta, que desean, y que buscan [...]; ni se han de defender en el Tribunal de Dios con aver seguido la opinion, ö dictamen de qualquier Confessor, ö Maestro, sin mirar bien, si está fundado en razón, especialmente en vna materia, donde todos tienen tantos motivos para dudar, y temer prudentemente, que el que les aconseja, aunque en lo demás sea docto, se engañe, y los engañe á ellos; que es mui fácil en este punto, por el pretexto en la realidad verdadero, de que las Comedias no son de su concepto malas, del qual sacan muchos perniciosas consequencias; y por la fuerza de la costumbre, y del estilo común, que es tan poderoso para ocultar, y obscurecer la verdad, [...].« Camargo: Discvrso, S. 140. Geht hieraus hervor, dass die Unzulässigkeit

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»Sola fuga est remedium« - Plädoyer für ein Theaterverbot zur Bewahrung des Seelenheils sowie der spanischen Monarchie

A l s Volksmissionar, der seinen Adressaten ihre prinzipielle moralische Unzulänglichkeit s o w i e ihre Erlösungsbedürftigkeit vor A u g e n zu fuhren versucht, insistiert Camargo in besonderem Maße auf der Schwäche des Menschen, dessen natürliche Disposition zur Konkupiszenz ihn stets und allerorten gefährde. Stellt er dabei einerseits heraus, dass die »fragilidad humana« es unmöglich mache, d e m zutiefst sinnlichen Verführungszauber des Theaters zu widerstehen, so macht er andererseits deutlich, dass keine andere Heilsgefahrdung s o leicht zu meiden sei w i e das - aus seiner Sicht ohne j e d e Notwendigkeit besuchte - Theater. 32 W i e die Mehrzahl der Theatergegner erkennt er aber, dass das Theater als integrativer Bestandteil der Gesellschaft zur Alltagsrealität gehört und für seine Adressaten folglich kaum mehr w e g z u d e n k e n ist. D a er das Theaterverbot jedoch bereits in der Bibel, »que condena, y prohibe toda obscenidad, y torpeza« (S. 81), verankert sieht, zieht er hieraus nicht w i e Mariana den Schluss, es unter der Maßgabe neuer Einschränkungen und Zensurmaßnahmen zu dulden, sondern fuhrt seinen Adressaten vielmehr die pervertierende Macht der Gewohnheit vor Augen. S o erklärt er, dass die - zunächst w i e »ladrones de noche« in Spanien eingedrungenen - Comedias gerade dadurch aufrecht erhalten würden, dass jeder sich mit dem Theaterbesuch bzw. der Theaterakzeptanz seines Nächsten rechtfertige. 3 3

des Theaters für Camargo außer Zweifel steht, so lehnt er mit der Hervorhebung der Notwendigkeit, das Urteil der Beichtväter zu überprüfen, auch die Anerkennung des moraltheologischen Konzepts der >probabilitas extrinseca< ab, nach dem die Autorität des Urhebers einer Meinung genügt, um der Meinung ohne Sünde folgen zu können. 32 So stellt er die Unmöglichkeit, den Verfuhrungen des Theaters zu widerstehen, mit allen rhetorischen Mitteln heraus: »Será, digo, possible que esté vn hombre firme, y constante sin consentir en vn pensamiento torpe, sin admitir vna delectación Venerea, sin dexarse llevar de vn movimiento lascivo? [...] No me admirára mas, si viera al fuego arder en el agua. No es possible, no es possible.« Camargo: Discvrso, S. 64. Folglich mahnt er mit den Heiligen und Kirchenvätern, »que los riesgos de la lascivia son tan lisongeros, tan alagueños, y engañosos, tan fuertes, tan vehementes, y la fragilidad de los hombres tan experimentada, y conocida, que sola fuga est remedium« (S. 67). In Replik auf das Argument der Theaterverteidiger, dass auch der Kirchbesuch zu promiskuitiven Handlungen stimulieren könne, konstatiert er: »Porqué pecan en la Iglesia los hombres, sino porque están en ella, como suelen en el Patio, practicando lo que aprendieron alli? Y en el Patio, porqué pecan, sino porque están en el Patio; que, como los Santos dizen, es la casa publica de la torpeza, la feria de la dissolucion, y la escuela, donde nadie aprende, sino á pecar? [...] Pregunto mas: No ay mayor necesidad, ni mas justo titulo para venir á la Iglesia, que para ir á la Comedia? [...] Finalmente, si en los Templos confiessan que ay peligro, como niegan que los ay en los theatros? En Gerusalen se peca, y no se pecará en Babilonia?« (S. 133). Nach dieser kontrastiven Gegenüberstellung von Theater und Kirche stimmt er seine Adressaten erneut darauf ein, sich stets selbst zu misstrauen und fordert sie folglich auf, den Theaterbesuch um ihres Heils willen zu unterlassen: »Claro está que en todas partes tiene peligros la fragilidad humana, y por esso hemos de vivir siempre temblando de nosotros mismos, como nos enseña el Apóstol [...] implorando el auxilio de Dios, sin el qual cada passo es vn despeño: pero no ay en todas partes peligros tan grandes, y fáciles de evitar, como los ay en vn Patio de Comedias. Huyamos siquiera de los mayores, ó, lo que es mas fácil, no vamos por nuestro gusto á buscarlos« (S. 134). 33 Am Beispiel der - von fast allen Theatergegnern ebenso kritisierten - Dekolletés der Frauenkleider, die vom »distintivo [...] de las Rameras« zur »gala mas estimada de las Señoras, que andan medio desnudas en el rigor del Hibierno« avanciert seien, warnt Camargo: »Todo lo facilita el vso: todo lo vence el estilo: todo lo immuta, y pervierte la fuerza increíble de la costumbre, especialmente en vna metería [sie!] tan bien quista con el gusto de los hombres, [...].« Camargo: Discvrso, S. 124. Dabei stellt er die

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D e m setzt er mit Berufung auf Seneca entgegen, dass der W e i s e gerade nicht d e m - zumeist korrupten - Urteil der M e n g e folge und betont in Anspielung auf die biblische Zweiwegemetaphorik (Mt 7, 13f.), dass der »camino dilatado, y espacioso de la perdición eterna« überfüllt, »la senda angosta del cielo« (S. 111) aber menschenleer sei. Versucht er so die Furcht seiner Adressaten vor dem Jenseits zu schüren, so mahnt er auch im Hinblick auf das diesseitige Leben, »que no puede ser dichosa la Monarquía, que tiene enojado á Dios« 3 4 und suggeriert seinen Adressaten durch eine subtile Anspielung auf die Arche Noah, dass Gott auch die gesamte Menschheit ins Verderben stürzen könne. Folglich preist er die Stadt Sevilla, deren Theater durch die Bemühungen seines Ordensbruders Tirso de González bereits ein Jahrzehnt geschlossen waren, 3 5 als »blanco de los cariños de Dios, [...] depique de sus enojos, y [...] desagravio de sus injurias« (S. 116). D a die prinzipielle moralische Unzulänglichkeit des Menschen aus Camargos Sicht jede Theaterreform zum Scheitern verurteilt, appelliert er mit Francisco de Ribera an die kirchlichen und weltlichen Autoritäten, die öffentlichen Theater auszulöschen, w o b e i er seinen Traktat in N a c h f o l g e von Crespi de Borja mit der liturgischen Bekräftigungsformel »Amen, Amen, A m e n « beschließt und sich somit als Vermittler der Sache Gottes auf Erden stilisiert. 36

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Der Discvrso theologico als >Reflex< einer jahrzehntelangen Debatte und Anstoß für die Entwicklung einer Regelpoetik das Theatro de los theatros von Bances Candamo

D i e Darstellung des Discvrso theologico macht deutlich, dass Camargos Schrift im Wesentlichen eine w e n i g originelle Kompilation der theaterfeindlichen Schriften seiner - vor allem Verteidigung des Theaters mit dem Argument der Alltäglichkeit und der allgemeinen Gewohnheit des Theaterbesuchs als Teufelskreis dar: »Los presentes se defienden con los passados, y estos con los que les precedieron: los Predicadores con los Confessores, y estos con los Predicadores: los Seglares con los Eclesiásticos graves, y estos con los Seglares autorizados, y prudentes. De esta suerte se sustenta esta gran maquina de las Comedias, [...]« (S. 126). 34 Camargo: Discvrso, S. 127. Wie in den theaterfeindlichen Schriften üblich, versucht Camargo dabei psychischen Druck auf den Monarchen auszuüben. So zitiert er eine Passage aus dem Traktat De Incantationibvs sev ensalmis (Evora 1620) des Inquisitors von Evora Manuel Valle de Moura, der mit Berufung auf den Beichtvater Philipps II. Fr. Diego de Yepes berichtet, dass nichts den Monarchen im Sterbebett so sehr belastet habe, wie die Etablierung der öffentlichen Theater innerhalb seiner Regierungszeit. Dieselbe Gewissensbelastung habe auch Philipp III., der die Theater nach deren Verbot durch Philipp II. wiedereröffnete, mit ins Grab genommen (S. 128f.). Cotarelo scheint die Textstelle bei Valle de Moura, die er in seinen Worten wiedergibt, ohne Zitate aus dem lateinischen Werk anzuführen, falsch verstanden zu haben. Bibliografía S. 583. 35 Es sei daran erinnert, dass Camargo aufgrund seiner Verurteilung des Probabilismus, die innerhalb des Jesuitenordens wenig Zustimmung fand, ohnehin auf der Linie von Tirso de González lag, der 1687 zum jesuitischen Ordensgeneral ernannt worden war. Insofern ist seine Verurteilung des Theaters auch als ein Schlag mehr gegen den - innerhalb seines Ordens verbreiteten - Probabilismus zu sehen. Cf. auch supra: V, V, Anm. 9. 36 Camargo übernimmt den ganzen letzten Abschnitt seiner Schrift - einschließlich des Zitats von Francisco de Ribera - aus der 1649 erstveröffentlichten und 1683 im Zuge der Polemik um Guerra wiederaufgelegten (cf. supra) Respvesta a vna consvlta, sobre si son licitas las comedias qve se vsan en España von Crespi de Boija. Damit ist die Textstelle ein gutes Beispiel für die im Laufe der Debatte immer verschachtelteren Interferenzen zwischen den verschiedenen Schriften. So hatte sich Pedro de Guzmán, der 1614 dieselbe Textstelle von Francisco de Ribera angeführt hatte, noch auf dessen Originalschrift bezogen. Bienes, S. 333f. (cf. supra).

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jesuitischen - Vorgänger darstellt. So nehmen die Interferenzen innerhalb der Texte der licitud-Debatte nicht nur einen immer größeren Raum ein, sie werden auch immer verschachtelter: Direktzitate verschwinden zunehmend hinter Zitaten aus zweiter oder dritter Hand und werden durch argumentativ ertraglose Auflistungen von Namen, Werktiteln und Stellenangaben ersetzt. Mag dies einerseits daran liegen, dass die Fülle der Bezugstexte seit Marianas bereits 89 Jahre zurückliegendem De rege so groß geworden ist, dass die eingehende Durchsicht aller Referenztexte und die intensive Auseinandersetzung mit ihrer Argumentation kaum mehr möglich ist. Und mag das voluminöse Anhäufen von Autoritäten in einer Debatte, die ohnehin weniger mit Argumenten als mit Zitaten operiert und die Unanfechtbarkeit ihrer Beweisführung in erster Linie auf der Autorität der Kirchenväter begründet, zudem als Zeichen der besonderen Beweiskraft des Autors bzw. der Richtigkeit der von ihm vertretenen Meinung gelten, so resultiert die grundsätzliche Abnahme von Originalität und Unmittelbarkeit andererseits auch aus der banalen Tatsache, dass nichts mehr wirklich Neues gesagt werden kann. So erschöpfen sich die Texte der licitud-Debatte zunehmend in der Wiederverwertung, rhetorischen Aufbereitung und inhaltlichen Ausschmückung der bereits bekannten Zitate, Argumente, Topoi und Verurteilungsmuster. Dabei übernimmt Camargo auch die subtile - für den zeitgenössischen Theaterbesucher aber offensichtliche - Anspielungstechnik auf die Inhalte der Comedia von Herrera und Fomperosa, die die typische Comedia-Handlung durch das Aufzählen einzelner dramatischer Motive skizzieren. Ist somit kaum auszumachen, ob Camargo, der mit dem Sprachduktus des Theaters durchaus vertraut ist, die Theaterrealität des Siglo de Oro bzw. zumindest einzelne Stücke durch die Lektüre kennt, oder ob er auch die Darstellung der Comedia aus den Schriften seiner Vorgänger übernimmt, so bedeutet seine Konzentration auf die Frage der Zulässigkeit des Theaters gegenüber den Schriften seiner unmittelbaren Vorgänger aber die >Rückverlagerung< der Debatte auf ihr eigentliches Sujet: So lag das Gewicht in den Schriften von Herrera und Fomperosa auf der Polemik gegen Guerra und der Verteidigung der Societas Jesu und auch Navarro Castellanos hatte seine Discvrsos in erster Linie zur Widerlegung der Theaterverteidiger sowie zur Rehabilitierung der Antike verfasst. Nimmt Camargo explizit von der Auseinandersetzung mit Guerras Aprobación Abstand und sieht auch von der - nach deren Erscheinen üblich gewordenen - Verteidigung der Societas Jesu ab, so scheint seine rigide Verurteilung des zeitgenössischen Theaters mit der wachsenden Reaktion innerhalb seines Ordens gegen den Probabilismus zusammenzuhängen, den auch Camargo ablehnt. So wird immer wieder deutlich, dass er die mit dem Probabilismus - bei aller Möglichkeit des Missbrauchs und der moralisch zweifelhaften Auslegung - unstrittig verbundene »Grundsatzentscheidung zugunsten einer größeren Freiheit«37 rückgängig zu machen versucht: Denn in dem von Camargo gezeichneten Kontext, in dem jede Art von Weltzuwendung die Möglichkeit des Heilsverlustes impliziert und in dem Angst machende Bilder von der tödlichen Wirkung des Frauenblicks und der leichten Entzündlichkeit des menschlichen Herzens durch das vernichtende Feuer der Konkupiszenz kultiviert werden, ist jede Art von weltlichem Vergnügen und anthropozentrisch orientierter Freizeitgestaltung nicht nur Sünde, das strikte Befolgen rigider - und für Geistliche wie Laien gleichermaßen geltender - Disziplinierungsmaßnahmen ist auch unabdingbare Voraussetzung für den Heilsgewinn. Folglich lehnt Camargo jeglichen - auf die komplexe Realität und die condition humaine Rücksicht nehmenden - moralischen Pluralismus ab und setzt der durch den 37 Helmut Weber: Allgemeine Moraltheologie,

S. 207.

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Probabilismus geschaffenen Möglichkeit, einen christlichen Weg auch unter zunehmend säkularisierten Lebensbedingungen einzuschlagen, einen theologischen Absolutismus entgegen, der zu Konzessionen an die reale Lebenswirklichkeit der Laien nicht bereit ist und die Verkündigung moralischer Gewissheiten für sich reklamiert. Dementsprechend weist er die Existenz heilsirrelevanter Handlungen und Aktivitäten gänzlich zurück und entwirft das Bild eines zürnenden Gottes, der auch die kleinste moralische Erschütterung des Menschen registriert und unabwendbar mit der entsprechenden - diesseitigen und jenseitigen - Strafe sanktionieren wird. Auch dieses Gottesbild sowie Camargos fehlende Anerkennung des Laienstatus' als einer Lebensweise, die ihre eigene Berechtigung hat und von eigenen Maßstäben regiert wird, versucht Bances Candamo in seinem Theatro de los theatros zu korrigieren. Somit ist Bances' theatertheoretische Abhandlung nicht nur die - von der Forschung als singulär bewertete - Entwicklung einer eigenständigen spanischen »preceptiva dramática«, sondern auch - und in erster Linie - eine Replik auf die moralische Verurteilung des Theaters durch Camargo und seine Mitstreiter, und folglich eine auf die Verteidigung des zeitgenössischen Theaters abzielende - und für das Finden einer Kompromisslinie notwendige - Annäherung an deren moralische Kriterien. Dabei hat Camargos Schrift nicht aufgrund ihrer - ja kaum vorhandenen - Originalität oder ihrer besonderen Härte, die im mahnenden Gestus des Volksmissionars, der dem Menschen die Folgen seiner Sünden vor Augen fuhrt, durchaus auch vorhanden ist, einen so hohen - zum Verbot der Schrift führenden - Erregungswert. Die Sonderstellung des Discvrso theologico innerhalb der licitud-Debatte ergibt sich vielmehr aus der spezifischen historischen Situation, in der die Schauspieler und Theaterautoren ihre Existenz durch die Dekadenz des öffentlichen Theaters gefährdet sahen und Camargos Schrift somit als eine unmittelbare Bedrohung für ihren Berufsstand - oder wie Bances Candamo es formulieren wird - als Todesstoß für das ohnehin dahinsiechende Theater auffassen mussten.38

38 Cf. das folgende Kapitel. Auch Suárez García erkennt Camargos Schrift als »extenso ataque en un momento clave de declive del teatro tras la muerte de Calderón 1681«. José Luis Suárez García: »Licitud«, S. 196.

V, XII Francisco Antonio de Bances y López Candamo: Theatro de los theatros de los passados y presentes siglos. Theaterverteidigung und Regelpoetik eines zeitgenössischen Theaterautors. 1

Kurzpräsentation von Autor und Werk.

1.1

Der Autor in seinem soziobiographischen Kontext

Die Vita von Francisco Antonio de Bances y López Candamo sei hier - aufgrund der Bekanntheit des Theaterautors - nur kurz umrissen: Bances wurde am 26.4.1662 als Sohn einer verarmten adeligen Familie geboren. Erzogen durch seinen Onkel Antonio López Candamo, Kanonikus der Kathedrale von Sevilla, studierte er später Philosophie sowie Kirchen* und Zivilrecht. Der Durchbruch als Theaterautor und Hofdramaturg gelang ihm mit dem Stück Por su rey y por su dama, das er 1685 anlässlich des Geburtstags Karls II. mit der Schauspieltruppe von Manuel de Mosquera uraufführte und das bis ins 19. Jahrhundert zum Standardrepertoire der spanischen Bühnen zählte. Musste die Ehre, als erster Dramaturg den Titel »poeta oficial de la Corte« verliehen zu bekommen, Bances' Selbstbewusstsein als Theaterautor stärken, so brachte die Position vor allem ein festes Einkommen und damit die finanzielle Unabhängigkeit von den unsicheren Bedingungen des kommerziellen Theaters mit sich. Sein Bestreben, engagierte Literatur mit einer politischen Botschaft zu verfassen, kostete Bances jedoch schon nach kurzer Zeit seine Stellung am Hof. So scheinen ihn die gewagten Anspielungen auf die Erbfolgeproblematik in der Comedia-Trilogie El esclavo en grillos de oro, Como se curan los celos und La piedra filosofal zur Aufgabe seiner Position als Hofdramaturg gezwungen zu haben, weshalb er ab Mitte der neunziger Jahre für den König verschiedene Verwaltungstätigkeiten in der Provinz übernahm. Er starb völlig mittellos am 8.9.1704.1 Der Schwerpunkt von Bances' Schaffen liegt auf dem Verfassen von Stücken für die Palastbühne, für das er eine Reihe - hauptsächlich historischer und mythologischer - comedias sowie pompös inszenierter zarzuelas schrieb. Bekannter als für seine Theaterproduktion ist Bances jedoch für seinen theoretischen Traktat Theatro de los theatros de los passados y presentes siglos2, der heute als Schlüssel und obligatorisches Referenzwerk zum Verständnis seiner Theaterproduktion gilt und als - den Weg in die moderne Literaturkritik bereitendes - »documento más lúcido sobre el teatro escrito en el siglo XVII«3 gefeiert wird.

1

2

3

Zur Vita von Bances Candamo cf. u.a. Caridad Villar Castejón: »Un epígono con garra: Francisco Bances Candamo«, in: Boletín del instituto de estudios asturianos 35 (1981), S. 803-830 sowie den ausführlichen Prolog zu der - bereits mehrfach erwähnten - Edition des Theatro de los theatros von Duncan W. Moir. Das bis Anfang des 20. Jahrhunderts unveröffentlichte Werk wird im Folgenden nach der kommentierten Edition von Duncan W. Moir zitiert, der die Fragmente von Bances drei Textfassungen des Theatro de los theatros zu drei fragmentarischen Versionen geordnet hat. Diese werden hier als Theatro I, II bzw. III zitiert. Santiago García-Castañon: »Francisco Bances Candamo. Nota biográfica e ideas sobre el teatro«, in: José Antonio Gómez-Rodríguez/Beatriz Martínez del Fresno (Hg.), F. Bances Candamo y el teatro musical de su tiempo (1662-1704). Oviedo: Universidad Oviedo 1994, S. 59-93, hier S. 89.

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1.2

Entstehungskontext und Tenor der drei Versionen des Theatro de los theatros

Bances beginnt innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren drei Textfassungen seines theatertheoretischen Traktats, ohne sein Werk letztlich zu beenden: So konzipiert er das Theatro de los theatros zunächst 1689/90 als Replik auf Camargos Discvrso theologico, den er nicht nur als Affront gegen seinen Berufsstand, sondern - aufgrund des Erscheinens der Schrift während der Theaterschließung 1689 - auch als Bedrohung und Todesstoß für das seit Ende des 17. Jahrhunderts im Niedergang befindliche Theater auffasst. Folglich leitet er die erste Version des Theatro mit einem direkten Verweis auf Camargos Discvrso und dessen große Resonanz ein, die weniger der Bedeutung der Schrift als ihrem scharfen Ton bzw. dem mittlerweile breiten - Interesse am viel diskutierten Thema der licitud del teatro geschuldet sei.4 Seine Anspielung auf die Schwierigkeit, an ein Exemplar von Camargos Traktat zu gelangen, »ya fuese porque (como algunos dixeron) superiores y aun Sacros dictámenes le hauían hecho recoger, o ya por ser infinita en la Corte el número de los estudiosos que, aficionados a lo selecto de sus doctrinas, [...] hacían veuer a su entendimiento erudiciones en que se bañase su memoria« (I, S. 3),

lässt vermuten, dass er das von Manuel de Mosquera im Namen der Schauspieler verfasste Memorial gegen den Discvrso kennt.5 Zwar ist Bances als Protégé Karls II. und Hofdramaturg mit gesichertem Einkommen von der Schließung der Theater kaum so direkt bedroht wie die Profiteure des öffentlichen Theaters. Seine enge Zusammenarbeit mit den Schauspieltruppen der corra/-Bühne, unter denen auch Mosqueras Truppe war, sowie seine Identifikation mit seinem Beruf und seinem Berufsstand müssen ihn jedoch angesichts der Dekadenz des öffentlichen Bühnenwesens ebenfalls in Sorge versetzt und mögen ihn zum Verfassen des Theatro veranlasst haben. Zudem hatte auch Bances - wie er selbst bemerkt - den Niedergang des Theaterwesens zu spüren bekommen: So war die vorübergehende Schließung der Theater nach dem tödlichen Reitunfall von Maria Luisa de Orléans im Februar 1689 durch den Tod von Innozenz XI. im August des selben Jahres über den für die Hoftrauer anberaumten Zeitraum hinaus verlängert worden, was Bances, der als Hofdramaturg mit der Ausrichtung der Feierlichkeiten zur erneuten Hochzeit Karls II. betraut war, erhebliche Schwierigkeiten bereitete, zwei adäquate Schauspieltruppen für die Feier des königlichen Ereignisses zusammenzustellen. Vor diesem Hintergrund wirft er Camargo vor, sich durch den Angriff auf das ohnehin im Niedergang befindliche Theater dessen endgültiger Auslöschung rühmen zu wollen, da der Jesuit ansonsten nichts Neues zu der bereits breit ausgefochtenen Debatte beitrage.6 Mit einem Seitenhieb auf Camargo, der zum Be4

5 6

So konstatiert Bances einleitend: »Pocos días ha que, viniendo a la Corte, hallé introducido en ella con gran estruendo vn discvrso theológico contra las Comedias, a quien el mismo horror seruía de aplauso, solicitándole todos más por el ruido que por la acepción.« Theatro I, S. 3. Zum Memorial der Schauspieler gegen Camargos Traktat cf. das vorangehende Kapitel. So klagt er Camargo an: »[...] después de hauer escrito tantas y tan graues plumas [sobre] esta materia sin añadir a ella cosa notable, la emprende por vn grandíssimo trauajo en la decrépita edad de esta miserable arte, quando ya la comedia va por sí misma espirando y acabándose naturalmente, [...] por no hauer quien escriua ni quien execute semejantes actos, no teniendo vtil en ello vnos ni otros. Oi se está experimentando, pues para celebrar con lícitos festines las felicíssimas bodas del Rey Nuestro Señor no se han podido formar dos compañías moderadas, y en faltando dos partes o tres de las que oi mantienen

Francisco Antonio de Bances y López Candamo: Theatro de los theatros

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weis seiner Position lange Reihen von Patristen, Philosophen und Theologen angeführt hatte, wendet sich Bances explizit von der Hörigkeit gegenüber den als Wahrheitsgaranten stets zitierten Autoritäten ab und setzt auf den kritischen Verstand des - von ihm als »cortesano« definierten - eigenständig denkenden Lesers.7 Die Skizze dieser Version, in der sich Bances mit dem antiken Theater und dessen Verurteilung durch die Kirchenväter auseinandersetzen, die Zulässigkeit der Comedia beweisen und abschließend Camargos Argumente widerlegen will, entspricht dem üblichen Aufbau der >licitud-TexteApéndice II< von Moir. 18 Er orientiert sich an den drei wichtigen aristotelischen Poetiken des Siglo de oro: Der Philosophía antigua poética (Madrid 1596) von López Pinciano, den Tablas poéticas (Murcia 1617) von Cascales und der Nueva idea de la tragedia antigua (Madrid 1633) von González de Salas. Cf. die Monographie von Moir.

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schickter Replik auf Navarro Castellanos, der die moralische Verderbtheit des antiken Theaters gegenüber dem zeitgenössischen abgemildert und den Verstoß der Comedia gegen die aristotelische Poetik als Rufschädigung für die spanische Nation dargestellt hatte: »Los estrangeros que leieren estos papeles, escritos con tanta osadía entre nosotros mismos, sin hauer quien se lo contradiga, ¿no nos tendrán por bárbaros obscenos, y no creerán con mucho fundamento que a los ojos de nuestros Reyes, y nuestro Pueblo, se executa visiblemente el adulterio? [...] Si, acabando de referir las palabras del Diuino Chrysósthomo, en que tantas veces nos asegura que representauan rameras desnudas, y tan desnudas que [...] hacián patente el sexo, añaden este y otros theólogos, con gran seguridad, mucho maior torpeza a las nuestras, ¿hasta dónde podrán llegar con su imaginación los que no las han visto? Y los que, hauiéndolas visto, hallaren que quanto dice de ellas es falso, ¿qué dirán de un celo que sin ocasión fabrica a las conciencias pecados de su capricho?« (III, S. 85. Cf. Navarro Castellanos: Discvrsos, S. 58 und S. 207f. bzw. supra).

Hebt Bances hiermit erneut auf den realitätsfernen Rigorismus der Theologen ab, die alle weltlichen Vergnügungen undifferenziert verurteilen, so versucht er die Dichtung zu legitimieren, indem er sie auf die Bibel zurückführt. So erklärt er, dass die Griechen das Verfassen von Dramen von den Hebräern und diese es »de el mismo Dios« (II, S. 66) gelernt haben, und stellt - mit Berufung auf den Jesuiten Juan de Pineda - als erste Tragödie das Buch Hiob dar, das Mose den Hebräern überliefert habe, um sie in ihrer Gefangenschaft mit dem Vorbild des geduldigen Hiob zu trösten und zu ermutigen.19 Nennt Bances damit eine der wesentlichen Funktionen von Literatur, die er so vom Makel der bloßen Sinnenlust und der Verschwendung der für den Heilsgewinn bestimmten Zeit befreit, so fügt er in der dritten Version des Theatro auch eine ausführliche Rechtfertigung der Musik als Ausdruck der gottgegebenen Harmonie der Seele und des Kosmos hinzu, wobei er hiermit gewiss auf Camargos scharfe Verurteilung der Theatermusik repliziert, die ihn als - alle künstlerischen Ausdrucksmittel bedienenden - Hofdramaturgen und Autor mehrerer zarzuelas besonders getroffen haben mag. Um ausgehend von der göttlichen Abkunft der Dichtung die Idolatrie der heidnischen spectacula motivieren zu können, führt Bances als zweiten Beweis für den sakralen Ursprung des Theaters die Lobgesänge Mose an, aus denen durch die Intervention des Teufels, der alles Gottgefällige für seinen Kult pervertiere, schließlich der Chor der heidnischen Tragödie entstanden sei. Somit gelingt es Bances mit seiner geschickten Neuinterpretation der im Siglo de oro geläufigen Vorstellung vom biblischen Ursprung der Dichtung die moralisch einwandfreie - zeitgenössische Comedia von den - durch die Idolatrie verdorbenen - antiken Theaterauffiihrungen abzuheben und das Theater gegenüber den Angriffen der theologisch geprägten Theatergegner grundsätzlich als gottgegeben und gottgefällig zu legitimieren.

19 Bances setzt sich dabei ausführlich mit der Autorschaft des Buches Hiob, das entweder Hiob selbst, oder Mose niedergeschrieben habe, auseinander und bezeugt ebenso ausführlich die historische Wahrheit der biblischen Geschichte und ihrer Protagonisten. Auch versucht er, alle Elemente der Comedia in der - seiner Auffassung nach als Lesedrama konzipierten - Geschichte Hiobs festzumachen. So fuhrt er sogar die tramoya auf das alttestamentliche Buch zurück, da Gott von einer Wolke zu Hiob gesprochen habe. Cf. Theatro II, S. 61-66.

Francisco Antonio de Bances y López Candamo: Theatro de los theatros

4

Die Beurteilung der Comedia aus der Perspektive eines Theaterautors

4.1

Die Comedia als moralisch überhöhte imago veritatis und didaktisches Exempel

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Die Argumentation der theologisch geprägten Theaterkritiker aufnehmend, verweist Bances mit Thomas von Aquin und dessen Interpreten Cajetan zunächst auf die grundsätzliche Zulässigkeit des Theaters und stellt mit Berufung auf die aristotelische Eutrapelie die dem »bien público« (I, S. 32) dienende sowie die regenerative Funktion des Theaters heraus. Begründet er die Legitimität der dramatischen Kunst insgesamt auf ihrem biblischen Ursprung, so führt er die Entstehung des spanischen Theaters auf den in der Kirche von Toledo zur Illustration des christlichen Dogmas dargebotenen »Diálogo al Santíssimo Sacramento« (I, S. 28) zurück. Von diesem - bereits der Theaterapologie dienenden - Ausgangspunkt, mit dem er den Vertretern der klerikalen Kultur geschickt vor Augen führt, dass sie die Entwicklung des profanen Theaters - gewollt oder ungewollt - angestoßen haben, skizziert Bances die Geschichte des spanischen Theaters von den begrenzten dramaturgischen Möglichkeiten eines Lope de Rueda, dessen Begräbnis in der Kirche von Córdoba er hervorhebt, bis hin zur künstlerischen und moralisch-ethischen Perfektionierung der Comedia durch Calderón.20 Wie Guerra (und Fomperosa! - cf. supra - ) erhebt Bances Calderón somit zum Modellautor, der die unter Lope de Vega noch in ihrer »primera ruda infancia« (I, S. 29) befindliche Comedia in jeder Hinsicht vollendet hat. Schreibt er Lope dabei zu, die Comedia Nueva geschaffen zu haben, so ist sein Hinweis auf die mit Lope einsetzende Kommerzialisierung des Theaters - wohl in der Nachfolge von Cervantes, an dessen Prolog der Ocho comedias er sich bei der Skizzierung der spanischen Theatergeschichte anlehnt, eindeutig negativ konnotiert. Auch gesteht er das Vorkommen unmoralischer Handlungsund Sprachmotive, das er beispielhaft an Los donaires de Matico festmacht, in Lopes Theaterstücken ein und teilt die spanische Theatergeschichte damit - ähnlich wie Navarro Castellanos - in zwei Epochen. Zwar ist sein Urteil über Lope de Vega - aufgrund der Anlehnung beider Autoren an Cervantes - , was Lopes natürliches Genie, dessen außerordentliche Produktionskraft und machtvollen Eingriff in das zeitgenössische Theaterleben betrifft, durchaus mit Navarro Castellanos' Darstellung vergleichbar. Anders als für den Theatergegner, markiert Lope für Bances aber nicht die Zäsur hin zu einem moralisch inakzeptablen Theater, sondern bildet vielmehr den Übergang von einer moralisch noch angreifbaren Theaterpraxis hin zur Perfektionierung der Comedia durch Calderón, der die Zäsur zum moralisch einwandfreien Theater der Gegenwart markiert.21 Führt Bances die 20 Bances zählt hierbei eine Reihe weiterer Autoren auf, wobei er sich an Cervantes' Liste im Prolog der Ocho comedias y ocho entremeses nuevos nunca representados orientiert. Für eine differenziertere Analyse seines Versuchs einer spanischen Theatergeschichtsschreibung sei auch hier auf den ausführlichen Prolog von Moir verwiesen. 21 So schreibt Bances Calderón in Anlehnung an Guerra die Nobilitierung des zeitgenössischen Theaters zu: »Don Pedro Calderón de la Barca, Capellán de honor de su Magestad y de los Señores Reyes nueuos de Toledo, fue quien dio decoro a las tablas y puso norma a la Comedia de España, así en lo airoso de sus personages como en lo compuesto de sus argumentos, en lo ingenioso de su Contextura y fábrica, y en la pureza de su estilo. Hasta su tiempo no tubo Magestad la Cómica Española.« Theatro I, S. 28. Verbindet er mit Calderón die erste Orientierung der Comedia an bestimmten moralischen und qua-

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kontinuierliche moralische Verbesserung der Comedia einerseits auf die Sensibilität des Publikums zurück, das moralisch zweifelhafte Inszenierungen nicht dulde, so verweist er andererseits auf den Klerikerstatus von Mira de Amescua, Godinez und Tirso de Molina und hebt - in Replik auf Camargo und dessen gleichgesinnte Ordensbrüder - vor allem das Theaterschaffen des Jesuiten Valentín de Céspedes hervor, um die Comedia vom Stigma der Sündhaftigkeit zu befreien. 2 2 Camargos Behauptung, das Fehlen profaner Liebesszenen werde v o m Publikum mit Pfiffen sanktioniert, setzt er die konkrete Erfahrung entgegen, dass das Publikum vielmehr die Darstellung unmoralischer Sujets und negativer Vorbilder zurückweise und somit die Selbstzensur der Autoren fördere.23 Den mit Calderón eingeleiteten moralischen Paradigmenwechsel unterstreicht Bances zudem durch die Berufung auf die von den Theatergegnern - so auch von Camargo - vielzitierte Schrift von Crespi de Borja, deren Mónita bezüglich der Kleidung, der Tänze und der promiskuitiven Umgangsformen der Schauspieler er akzeptiert, aber für die zeitgenössische Comedia zurückweist. litativen Normen, so stellt er Lope als produktives Naturtalent dar, dem das Befolgen der erforderlichen Moralkriterien noch fremd war: »Buscó él mismo [sc. Lope de Vega] Representantes, dispuso compañías, y avasalló todos los Farsantes, en quien tubo vn absoluto dominio, porque los enseñó y los enriqueció, dándoles mil y nouecientas commedias. [...] Pero Lope de Vega, ingenio en quien con perenne facundia destilaua Apolo todos los raudales de su influencia, [...] puso en estilo las Comedias. [...] Los argumentos de Lope, ni son todos decentes ni honestos, ni la locución de sus primeras comedias es la más castigada en pureza. Ai se hallarán Los donaires de Mático, donde está vna muger disfrazada, siruiendo de paje a su galán, con bien poca decencia en sus acciones y dichos, y me cansara en vano si trajera exemplares de los argumentos y versos primeros de Lope, mui poco limados y reparados en todo en aquella primera ruda infancia del tablado« (I, S. 29f.). Bances berücksichtigt folglich die Tendenz innerhalb der licitud-Debaüe, Lopes Theaterproduktion zu verurteilen (so u.a. Francisco de Figueroa, Hurtado de Mendoza, Pedro de Tapia sowie das Verbot von Lopes Stücken durch den Kastilienrat 1644. Cf. die entsprechenden Artikel in Cotarelos Bibliografía) und scheint hier konkret die Argumentation der Theaterbefürworter innerhalb des Kastilienrats auszufuhren, die 1648 bemerkt hatten, dass die zeitgenössischen comedias »se libran de las imposiciones que padecieron algunas que añadió Lope de Vega, fingiendo acciones indecentes de mugeres ilustres«. Bibliografía, S. 168. 22 »El mesmo gusto de la gente fue adelantando cada día la lima en la censura, y escriuieron después el Doctor Mira de Mesuca, el Doctor Phelipe de Godínez, y el Maestro Tirso de Molina, que sauían harta theología y no cometerían vn tan ignorante pecado a sauer que pudiese serlo, y aquella dulce llamarada de Apolo, aquel Volcán de las Mussas, y aquella impetuosa auenida de la Helicona, Valentín de Céspedes, digo, vistiendo la sagrada ropa de la Compañía, escriuió Comedias que se recitaron en los públicos theatros, y otros de la mesma familia las han escrito en el siglo presente, sin que yo pueda persuadirme a ninguna de estas dos cosas, ni a que, si fue pecado, le ignoraron, ni a que, si supieron que lo era, le cometieron.« Thealro I, S. 30. Bances Ausführungen scheinen von der anonymen - mit »La Comedia« firmierten - Schrift an Karl II. von 1681 inspiriert zu sein, die zur Verteidigung des Theaters ebenfalls die Autorschaft der Jesuiten unterstrichen hatte. Cotarelo: Bibliografla, S. 42f. 23 Auch hier belegt er seine Ausführungen mit konkreten Theterstücken: »El maior cuidado del Poeta, y otro precepto de la Cómica, es no escoger casos horrorosos ni de mal exemplar, y el Patio tan poco los sufre. A Don Francisco de Rojas le siluaron la Comedia de Cada qual lo que le toca, por hauerse atreuido a poner en ella vn Cauallero que, casándose, halló violada de otro Amor a su esposa, y Don Pedro Calderón deseó mucho recoger la comedia De vn castigo tres venganzas, que escriuió siendo mui mozo, porque vn Galán daua vna bofetada a su padre, y, con ser caso verdadero en Aragón y aberiguar después que era el Padre supuesto y no natural, y con hacerle morir, no obstante, en pena de la irreuerencia, con todo eso Don Pedro quería recoger la comedia por el horror que daua el escandaloso caso.« Theatro I, S. 35. Moir merkt an, dass Bances das Stück De vn castigo tres venganzas mit Las tres justicias en una verwechselt, das aber kein Jugendwerk Calderóns ist und für das Calderóns Reue freilich nicht bezeugt ist. Moir: »Prólogo«, S. lxxxi.

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Folgerichtig begründet er auch die Theaterschließung durch Philipp II. mit der anfänglichen moralischen Bedenklichkeit der Comedia, die Philipp III. durch eine umfassende Theaterreform und die Einführung eines minutiös geregelten Zensursystems endgültig behoben habe. 2 4 In Replik auf Camargos Behauptung, die Comedia ende üblicherweise mit einer promiskuitiven Begegnung, mit dem Inzest oder Ehebruch der Protagonisten, unterscheidet Bances zwischen den comedias historiales, die auf historischen Quellen - der Geschichte, der Kirchengeschichte, der Bibel oder der Mythologie - basieren und »sucesos extraños« darstellen, und den comedias amatorias, deren frei erfundene Stoffe dennoch wahrscheinliche »sucesos caseros« inszenieren. 2 5 Dabei liefert er die erste kohärente - sich nicht mit der

24 Bances betont, dass Philipp II. das Theater geschlossen habe, um es zu reformieren, nicht um es abzuschaffen. Dies legt offen, dass seine Theatergeschichtsschreibung von der licitud-Debatte geprägt ist. So kommt er um einige Wegmarken - wie die von fast allen Theatergegnem (so auch von Camargo, auf den er hier in erster Linie repliziert: Discvrso, S. 128f. bzw. cf. supra) erwähnte Theaterschließung Philipps II. - nicht herum und versucht diese folglich im Sinne der kontinuierlichen Verbesserung des Theaters zu interpretieren: »Tal era el estrago de las Comedias en España que el Señor Rei Don Phelipe II el prudente, cercano ia a la meta de su aliento, escrupulizó en ellas, y hauiendo consultado a las Vniuersidades de Salamanca y Coimbra, las suspendió por reformarlas, y no por extinguirlas, como lo declaró el Señor Don Phelipe tercero por aquel decreto suio, en que las restituió, reformándolas; [...] Y oi tiene el Real Consejo vn senador para juez en esta materia, vn fiscal, vn censor, y vn Reuisor, y en fin, todo vn tribunal en forma, destinado sólo a este cuidado, de quien no se puede presumir omisión alguna, como ni de el Santo Tribunal de la Fee, que tiene también vn Censor que primero las aprueba; y éstos tienen señalados asientos en los dos theatros, a fin de que vean si ai que reformar en los trages y acciones, o si cumplen con !o que ellos han enmendado en los versos.« Theatro I, S. 30f. Der Verweis auf die Zensur, die den moralischen Status des Theaters verbessert und zugleich dessen Übereinstimmung mit der christlichen Moral bezeugt, gehört zur üblichen Argumentation der Theaterverteidiger (cf. z.B. die ganz ähnliche Stelle bei Tomás de Guzmán: Respvesta al Bven Zelo, S. 15f. bzw. supra). Initiator dieses Arguments ist Cascales, auf den Bances' Ausführungen auch hier zurückzugehen scheinen. So hatte Cascales in seiner Carta formuliert: »Pero agora ya la representación está castrada; ya tiene maniotas, que no la dejan salir del honesto paso; ya tiene freno en la boca, que no le consiente hablar cosa fea; ya vive tan reformada, que no hay ojos linceos de curioso que le ponga nota alguna. Gracias a Dios y a nuestro cristianísimo rey y a sus sapientísimos consejeros, que han examinado esto con tanta curiosidad y atención, que cuantas circunstancias podían agravar este caso las han mirado y previsto, prescribiendo a los representantes los términos de la representación, sometiendo a varones doctos el examen de las comedias, hasta mandar que no yendo firmadas o rubricadas del real Consejo no se pueden representar en parte ninguna.« »Al Apolo de España, Lope de Vega Carpió«, S. 47. 25 Während Guerra eine Klassifikation der Theatergenera nur in Korrelation zu seiner Differenzierung der Zuschauer nach deren Bildungsvoraussetzungen vorgenommen hatte (cf. supra), unterscheidet Bances die Subgattungen der Comedia somit anhand literarischer Kriterien. Eine Untersuchung der zeitgenössischen Klassifikationsversuche der Comedia, in der auch Guerra und Bances Berücksichtigung finden müssen, steht noch aus. Bances' Definition der den comedias amatorias zugeschriebenen »sucesos caseros« musste für die theologisch geprägten Theatergegner ein Affront sein: So definiert er als alltäglich, was die klerikale Kultur in den Bereich der Sünde stellt und durch Disziplinierungsmaßnahmen zu unterdrücken versucht, wenn er konstatiert: »los lances [de las comedias de capa y espada] se reducen a duelos, a celos, a esconderse el galán, a taparse la Dama, y en fin, a aquellos sucesos más caseros de un galanteo«. Theatro I, S. 33.

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Aufzählung einzelner Topoi begnügende - Definition der im Zentrum der Kritik stehenden, - wie er aber richtig erkennt - , inhaltlich bereits erschöpften comedia de capa y espada26: »El argumento de éstas, por la maior parte, se reduce al galanteo de una muger noble, con vna cortesana competencia de otro Amante, con varios duelos entre los dos, o más, por los términos decentes de la Cortesanía, que para en casarse con ella el vno, después de mui satisfecho de su honor y de que no fauoreció a los otros, y en desengañarse los demás« (I, S. 33).

Zwar macht Bances hiermit deutlich, dass die sexuellen Leidenschaften in der Comedia stets durch die Ehe kanalisiert werden und sich die Botschaft des Theaters so in den Rahmen der etablierten Gesellschaftsordnung einfügt. Als selbstbewusster Vertreter der laikalen Kultur übergeht er dabei allerdings, dass bereits die Darstellung des >galanteo< - des umeinander Werbens - für die klerikal geprägten Theatergegner, die jede Art von Liebe außerhalb der caritas nicht als nobilitierende Erfahrung, sondern als sündhafte Konkupiszenz beurteilen, unzulässig ist. Stellt sein Legitimationsversuch der Liebeshandlung der Comedia für die Vertreter der theologischen Kultur somit bereits einen Eingriff in ihren Kompetenzbereich dar, da sie den - aus ihrer Sicht aus der Definition des Menschseins zu tilgenden bzw. auf Gott hinzuordnenden - Komplex der Affekte im Sinne der Heilssorge ausschließlich in ihre Zuständigkeit stellen, so geht Bances noch weiter, wenn er das bisher dem klerikalen Diskurs vorbehaltene erbauliche Tugend- und Lasterschema auch für das Theater geltend zu machen versucht: So führt er unter Zurückweisung der von Camargo skizzierten Schlussszenen als Gattungskonvention der Comedia an, dass eine sündhafte Handlung nicht ohne die entsprechende Bestrafung dargestellt werden dürfe.27 Dementsprechend könne die comedia amatoria - neben der üblichen Heirat der Protagonisten - nur mit dem Eintritt der »Dama burlada« ins Kloster bzw. dem Tod der - seit Calderón zudem stets als unschuldig dargestellten - Ehebrecherin durch die Hand der männlichen Autorität enden. 28 Die Vergnügungs- und Sexualfeindlichkeit der rigoristisch geprägten Theologen, die 26 Bances weist daraufhin, dass die immer gleichen Intrigen und Personenkonstellationen der comedia de capa y espada seit Calderóns Tod kaum mehr neue Impulse erfahren haben und fuhrt die zurückgehende Beliebtheit der Stücke ganz richtig auf die geringen Variationsmöglichkeiten des bereits erschöpften Genus zurück. Theatro I, S. 33. 27 Eben diesem Programm folgt das Jesuitentheater; Bances hat seine Argumentation also geschickt auf Camargo abgestimmt. So erklären die Monumento paedagogica bezüglich des Jesuitendramas: »[...] podrásse tratar de vicios y otras cosas malas, como correctiones del mundo, abusos, peligros, engaños, dissoluciones, imperfectiones, y ansia de otras cosas semejantes, con tanto que en la misma composición se diga el contrario daquel, y se confirme de verdad, y se persuada y convenga el que dizia el contrario y lo assienta; o sendo tragedia, se mostrasse, el que no assienta en la verdad y estee en vicios, le acaefen miserables y estupendos éxitos y penas y cruciatos en esta vida y en la otra.« Monumento Paedagogica Societatis Iesu (1557-1572), S. 64. Eine solche Konzeption des Theaters hatte allerdings auch Cascales gefordert. 28 So konstatiert er in Replik auf Camargo: »Y ninguna [sc. comedia] ai que, como asegura el Padre Camargo, pare en vna communicación deshonesta, en vna correspondencia escandalosa, en un incesto, o en vn adulterio. [...] Yo no la he visto, ni lo he oído decir, ni puede hauer comedia que pare en eso. [...] las más fenecen en Casamiento. No pongo en duda que ai algunas Comedias en que vna Dama, después de burlada, se entra en vn Conuento, pero esto no sé que sea deshonesto ni escandaloso, y si se expuso al pueblo la fragilidad de una muger, también se expuso el fin desgraciado, siendo vna de las reglas del arte que el Poeta no alabe esto, aunque es fuerza que la figura a quien ha sucedido la desgracia busque razones con que disculparla, porque de otra suerte no fuera perfecta la imitación; [...].« Theatro I, S. 33f. Während er als einzige Darstellung eines Inzests auf die Inszenierung der Vita des heiligen Grego-

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ungeordnete Leidenschaften auch innerhalb der Ehe verurteilen, wiederum zurückweisend, erklärt Bances folglich: »[...] todo el discurso de la Comedia puede ser escuela de los buenos casados, y el fin terror de los malos« (I, S. 34). Damit kehrt er die auf Chrysostomus zurückgehende Argumentation der Theatergegner, die Liebesdarstellung der Comedia verleite die Zuschauer zu Untreue und Ehebruch, ins Positive um und erklärt die Übereinstimmung der comedia de capa y espada mit der gesellschaftlich sanktionierten Moral. Macht er mit dieser Argumentation zudem deutlich, dass die Comedia durch die Propagierung systemkonformen Verhaltens auch als Mittel der sozialen Kontrolle fungiert, so setzt er den profanen Diskurs des Theaters mit dem theologischen Diskurs gleich, w e n n er zur Rechtfertigung der Darstellung moralisch verwerflicher Handlungen in der Comedia bemerkt, »[que] en un e x e m p l o que se predique en la iglesia, para contar el castigo es fuerza contar la culpa« (I, S. 34). 2 9 D a das Theater für Bances folglich ebenso mit der Darstellung von exempla virtutis und exempla vidi befasst ist w i e die Kirche, reklamiert er für den profanen Diskurs der Comedia auch das gleiche Recht w i e für die religiöse Literatur. So konstatiert er selbstbewusst: »Si no se han de escriuir los delitos y, por lo que tienen de peligro se han de omitir lo que dan de escarmiento, digamos a las Sagradas Letras, que no nos quenten el concúbito de Judas y Thamar, el incesto de la otra Thamar y su hermano Ammón, el incesto de Loth con sus hijas, el adulterio de Dauid, la vida libre de la Magdalena, y otras cosas semejantes que quizá abrán prouocado alguno, siendo cierto que la lasciuia de los hombres llega a profanar lo más sagrado.« 30

rius verweist, die er mit der Heiligenlegende selbst legitimiert, erklärt er bezüglich der Darstellung des von den Theatergegnern erwähnten Ehebruchs: »Ninguna Comedia ai entre todas las Castellanas que acabe en vn adulterio, aunque, ai algunas que empiezan en él y acaban en la tragedia de la Venganza, porque es regla también indispensable que no se pueda poner el delito sin el castigo de él, por no dar mal exemplo, y esto más es poner horror al adulterio que incitarle« (I, S. 34). Als ideale Umsetzung dieser Regel fuhrt er Calderóns Drama El Pintor de su deshonra an, in dem der Ehemann seine unschuldige Frau und ihren vermeintlichen Liebhaber aufgrund des bloßen Verdachts des Ehebruchs tötet, was für Bances - anders als für Camargo, der das übersteigerte Ehrgefühl des Adels als nicht mit dem Primat der Gottesliebe und der christlichen Moral vereinbar getadelt hatte (cf. Discvrso, S. 75 bzw. supra) - der etablierten Moral entspricht. Folglich repliziert er auf das stets wiederholte Argument der Theatergegner, die Comedia reize - vor allem das weibliche Publikum - zur Untreue: »Pues ¿qué pluma, por seuera que sea, dirá que podrán las mugeres casadas hallar más a mano en ésta el deseo del adulterio que el horror del castigo, dándole a ueber el vno junto al otro?« (I, S. 34). 29 Auch mit diesem Vergleich zielt Bances pointiert auf Camargo ab, der sich als jesuitischer Volksmissionar zweifelsohne der auf Ignacio de Loyola zurückgehenden Exempelpredigt bediente. Bances' Ausfuhrungen scheinen allerdings auch hier von Cascales inspiriert zu sein. So hatte der Humanist aus Anlass des Theaterverbots in Murcia zur Verteidigung des Theaters gegenüber Piatons Forderung einer theaterfreien Gesellschaft argumentiert: »[...] no menos me enseña el malo con su fin desastrado, que el bueno con la gloria que alcanza de la virtud [...] y ambos, en fin, hacen en mí un mismo efecto, que es llevarme al camino de la salvación. ¿Los padres de la Compañía y otros religiosos no predican sermones que llaman de ejemplos? ¿qué ejemplos son éstos? Unos de hombres viciosos, que acabaron en mal o se convertieron milagrosamente; otros de hombres virtuosos, que con su vida y costumbres edificaron muchas almas. ¿Qué otra cosa hacen los poetas con sus imitaciones de buenos y malos? ¿no hacen lo mismo? Luego Platón no tuvo suficiente causa para la expulsión de los poetas, ni nadie para la expulsión de las comedias.« »Al Apolo de España, Lope de Vega Carpió«, S. 67f. 30 Theatro I, S. 33. Während Bances' Forderung, alle Themenressourcen der heiligen Schrift auch in der profanen Literatur zuzulassen, innerhalb der katholisch geprägten Kultur des spanischen Barock äußerst provokativ sein musste, rechtfertigt auch Luther, der eine unbefangenere Haltung gegenüber den weltli-

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Dieses Argumentationsmuster, nach dem der Comedia die Darstellung all dessen erlaubt sein muss, was in der Realität geschieht und in der (biblischen) Geschichte berichtet wird, wendet Bances mutatis mutandis auch auf die - zumeist im höfischen Ambiente spielenden - comedias de fábrica, die er ebenfalls der Gattung der comedias amatorias zuordnet, sow i e auf die comedias historiales an, zu denen er - den Wahrheitsanspruch der theologischen Kultur anerkennend - auch die comedia de santos zählt. 31 Verpflichtet er das Theater somit auf das aristotelische Konzept der Mimesis, so betont er, dass die sozial höher gestellten Personen der comedias de fábrica stets mit dem ihnen gebührenden »Magestuoso decoro« dargestellt werden, weshalb es die von Camargo erwähnten »Princesas fáciles y liuianas« (Discvrso, S. 62 bzw. cf. supra) in der zeitgenössischen Comedia nicht gebe. Das hiermit angedeutete Prinzip des >decororecreación< unweigerlich überschreitet, ist auch sein Plädoyer für das Programm des >delectare et prodesse< geprägt. So erklärt Bances in Replik auf die Theatergegner: »Quien diuierte al Rudo pueblo tiene dos obligaciones; la primera, que es de diuertirle inculpablemente,

es indispensable

en el que escriue;

la segunda, que es de

diuertirle

aprouechándole, es mui combeniente y mui conforme a su instituto. Cicerón dice que aunque el principal intento del Poeta sea deleitar, con todo eso desean enseñar, persuadir, y contar« (III, S. 80).

Hiermit bezieht Bances das der Legitimation der profanen Literatur gegenüber Staat und Kirche dienende ästhetische Programm des Siglo de oro auf das Theater: So versucht er die Comedia mit dem Verweis auf die horazische Formel vom Makel der »vana delectación del sonido« und damit vom Vorwurf der Theologen zu befreien, sie diene der bloßen Sinnenlust und verschwende die dem Menschen zum Heilsgewinn gegebene Zeit. Durch die stärkere Gewichtung des >deleitar< ist er gleichzeitig bemüht, den Verdacht auszuräumen, das Theater könne der klerikalen Kultur und ihrem Dogma eine eigene intellektuelle, religiöse oder politische Botschaft und damit ein eigenes Sinndeutungsangebot entgegenstellen.44 Über diesen apologetischen Legitimationsversuch der profanen Literatur geht Bances allerdings erneut hinaus, wenn er bezüglich der Aufgabe des >prodesse< weiterhin formuliert: »Esta precissión es maior en los Poetas cómicos assí por ser más limado y censurado su estudio, como por ser para el vulgo, que por la maior parte ni vee otras historias, ni saue otros exemplares de la vida que los que le expone la comedia, y suele oi encontrar vnos Maestros, a quien su

43 So betont er bezüglich seiner Position ais Hofdramaturg: »Para cumplir con las obligaciones de este empleo a los estudios de Philosophía y Jurisprudencia, en que fui graduado, procuré añadir quanto pude en la lección de Historia, Poessía y Antigüedad, de suerte que sobre estos (aunque débiles) fundamentos no parezca tan temerario el intento de esta obra, pues primero que la emprendiese obserué en mis Commedias todos los preceptos que las hacen lícitas, los quales pienso ir probando con ellas mismas, porque no digan que es imposible la reforma, mostrándola yo practicada.« Theatro II, S. 58. Auch betont er seine eigene Kritikbereitschaft: »Y la Commedia Española que me señalaren opuesta a los preceptos que aqui se dieren queda desde luego en mi opinión condenada, porque no es mi intención defenderlas a todas como son, sino decir cómo deuen ser« (II, S. 59). 44 Cf. hierzu die Ausfiihrungen von Manfred Tietz in seinem Beitrag: »Comedia y Tragedia«, S.163ff.

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Claire-Marie Jeske rusticidad da la lei y el arte, pues haciendo venales sus obras solo atienden en ellas al gusto de el Pueblo y a la vtilidad de las farsas, sin lleuar otro fin en su trabajo« (III, S. 80).

Mit der Darstellung des Theaters als Volksbildungsstätte überträgt Bances der Comedia wiederum einen bisher der Kirche vorbehaltenen Aufgabenbereich. Zwar versteckt er diese Funktionszuweisung hinter der Kritik, das Theater verfehle seine Aufgabe gegenwärtig aufgrund der Profitorientierung seiner Autoren. Sein Hinweis, dass die defizitäre Bildung des Volkes nur durch den Besuch der Comedia aufgefangen werden könne, muss für die Vertreter der klerikalen Kultur jedoch in doppelter Hinsicht ein Affront sein: So impliziert er einerseits das Fehlgehen der in ihrer Zuständigkeit liegenden Volksbildung und beansprucht andererseits für eine profane - und aus theologischer Sicht höchst bedenkliche, da dem weltlichen Vergnügen dienende - Institution, für die bisher exklusiv der Kanzel vorbehaltene moralische und kulturelle Unterweisung der Menschen unverzichtbar zu sein.45 Bances Ausfuhrungen stellen somit zwar den Versuch des humanistisch geprägten Theaterautors dar, die profane Literatur gegenüber der Kirche zu legitimieren, weshalb er ihren praktischen Nutzen hervorhebt und mit Basilius sogar auf den Nutzen der Dichtung für die Seele verweist. Seine Konzeption der Dramatik als eigene wissensbasierte und in breitem Umfang wissensvermittelnde Disziplin muss für die Vertreter der klerikalen Kultur jedoch gleichzeitig einen Eingriff in ihren Zuständigkeitsbereich bedeuten. Von dieser Ambivalenz ist Bances gesamter Versuch geprägt, eine Regelpoetik für das zeitgenössische Theater aufzustellen: So distanziert er sich von den Theaterautoren, die nur die hedonistischen Bedürfnisse des Publikums befriedigen und ist bestrebt, die intuitive auf der Imitation und der praktischen Erfahrung beruhende zeitgenössische Theaterpraxis auf eine rational nachvollziehbare theoretische Basis zu stellen und neben dem >ingenium< des Theaterautors folglich auch seine Unterweisung in der spezifischen Kunst sowie seine umfassende Bildung einzufordern. Bances' Programm einer anspruchsvollen Dichtung, deren Rang er anhand der Darstellung der für sie erforderlichen Kenntnisse zu untermauern versucht, impliziert aber auch, dass er das Theater nicht nur als >Zeitinsel< legitimen Vergnügens innerhalb eines ansonsten religiös geprägten und kirchlich gesteuerten Lebens verteidigt, sondern ihm gesellschaftliche Relevanz und eine eigene Existenzberechtigung zuspricht. So begründet Bances mit seiner Distanzierung von den Autodidakten und der Idealvorstellung des Theaterautors als »maestro del pueblo«, der sich sowohl seiner Kunst als auch seiner verantwortungsvollen Aufgabe bewusst ist, für die Unterweisung der ansonsten unwissend bleibenden Masse zuständig zu sein,46 auch den Beruf und das Berufsethos des Dramatikers.

45 Bances scheint sich hier wiederum an die im Namen der »Comedia« an Karl II. gerichtete Schrift anzulehnen, die dem Theater eine kompensatorische Funktion für die gescheiterten Bildungsinstitutionen zugewiesen hatte: »No menos provechosas cátedras han sido las de los Teatros que las de las escuelas: pruébase con el fixo argumento de ser generalmente más el número de los que la necesidad ó el desaliño les ha privado de los hermosos resplandores de las buenas letras, logrando y restaurando en la Comedia quanto perdieron con la falta de educación.« Cotarelo: Bibliografía, S. 42. 46 Interessant ist hierbei der Vergleich von Bances' Vorstellung des »maestro del pueblo« mit dem Urteil der Neoklassizisten, als deren Vorläufer Bances aufgrund seines Insistierens auf der Regelpoetik und der Lehrfunktion des Theaters gilt: Während Calderón für Bances als mustergültiger Autor auch die Funktion des »maestro del pueblo« erfüllen muss, spricht ihm Nasarre, der letztlich die gleiche Vorstellung vom idealen Dichter hat wie Bances, diese Position ab: »No supo Calderón que los autores de las comedias, conociendo la utilidad de ellas, se deben revestir de una autoridad pública para instruir a

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Gleichzeitig erhebt er das Kriterium des decoro jedoch zum Schlüsselkonzept seines Regelwerks und betont immer wieder, die Comedia an die von der Gegenseite geforderten Moralkriterien anpassen zu wollen, »[para] que no por leues reparos se quite al Pueblo vna de las más vtiles e inculpables diuersiones que hasta oi conoció el mundo, lo qual no se puede hacer sin imponerle preceptos fijos, ajustados al arte y al decoro« (II, S. 55).

Unterstellt Bances die Comedia mit seiner grundsätzlichen Befürwortung der Zensur einerseits der Aufsicht der Kirche und unterwirft auch die ideale Theaterpraxis der kirchlichen Moral, so überträgt er dem Theater mit der Ausweisung als Institution der erbaulichen Belehrung andererseits einen genuin kirchlichen Aufgabenbereich und fordert somit eine gewisse Gleichberechtigung des Theaters mit den klerikalen Institutionen, die seit jeher mit der Unterweisung, Sinndeutung und Weltinterpretation befasst sind. Diese Ambivalenz zwischen dem selbstbewussten Plädoyer für die Autonomie der Kunst und der Rücksichtnahme auf die Einwände der klerikal geprägten Theatergegner weist auch seine humanistisch geprägte Vorstellung von der göttlichen Sendung der Dichtung auf: So preist er das Talent des Theaterautors als göttlich inspirierte Fähigkeit, ernennt das Programm der nützlichen Unterhaltung aber zum »fin para que Dios depositó tan preciosa habilidad en sus [se. nuestros Ingenios] almas« (III, S. 105). Ausgehend vom sakralen Ursprung der Tragödie und ihrer Indienstnahme durch den Teufel appelliert er folglich an die Dichter, das Theater aus den Fängen des Teufels zu befreien, indem sie sich dem »deleitar aprouechando« verschreiben, und nimmt dem Theater damit jede Möglichkeit, den Rahmen des von der Kirche als zulässig Definierten zu überschreiten.

4.3

Das Hoftheater als politisch notwendige »arte áulica y pollítica [sie!]«

Während Bances in der ersten Version des Theatro, in der es ihm vor allem um die Widerlegung von Camargos Theaterkritik geht, das Hoftheater von seiner Verteidigung der zeitgenössischen Bühne ausnimmt, weil Camargo - so bemerkt er mit einem Seitenhieb auf die Societas Jesu - als Mitglied eines politisch so aktiven Ordens die Palastbühne kaum der Unmoral bezichtigt haben könne,47 befasst er sich in der zweiten und dritten Version seines sus conciudadanos, persuadiéndose que la patria les confia tácitamente el oficio de filósofos y de censores de la multitud ignorante, corrompida o ridicula.« Blas Nasarre: Disertación o Prologo sobre las comedias de España (1749), S. 91. Nasarres Urteil über Lope de Vega ist - zumindest was dessen nachhaltige Wirkung auf das Bühnenwesen betrifft - hingegen mit Bances Ausfuhrungen vergleichbar, da sich beide an Cervantes orientieren: »Este Monstruo de la naturaleza, como le llama Cervantes, se alzó con la Monarquía Cómica avasallando y poniendo debajo de su jurisdicción a todos los farsantes, llenando el mundo de comedias« (S. 73). Cf. die entsprechende Stelle bei Bances Theatro I, S. 29 bzw. supra: Anm. 21. 47 So konstatiert Bances: »De estos festines Reales no hablaré, porque no he de hacer tal injuria al Padre Camargo que juzgue que, criado en la sagrada escuela de una religión que ha enseñado al mundo la política, quiera dar a entender que cosa impura se pudo poner en aquel templo Real de el decoro, a los oídos de tales Magestades, ni a la escrupulosa esquiuez de sus Damas; y así, suponiendo que sólo habla contra las Vulgares Comedias, omitiremos éstas, sin que pasen ni aun por la indignidad de ser defendidas.« Theatro I, S. 29. Es sei daran erinnert, dass die Jesuiten im 17. Jahrhundert als Hofbeichtväter und Inhaber vielfältiger politischer Ämter erheblichen Einfluss auf die spanische Politik ausübten. So schließt Bances' provokative Bemerkung sicher auch den subtilen Hinweis ein, dass die Jesuiten um der

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Traktats auch mit dem teatro palaciego. Dies mag zum einen damit zusammenhängen, dass er seine eigenen - vornehmlich für den höfischen Kontext verfassten - Theaterstücke als mustergültig ausweist und seine Position als Hofdramaturg als Legitimation vorbringt, eine Regelpoetik zu verfassen, die auch Kriterien für die Zulässigkeit der Comedia aufstellt. Zum anderen - und in erster Linie - ist seine Darstellung des Hoftheaters als »arte äulica y pollitica [sie!]« (II, S. 56) aber als Replik auf Navarro Castellanos zu lesen, der den Monarchen explizit von den »personas graves de ambos sexos«, denen er die Veranstaltung privater Theateraufführungen zugebilligt hatte, ausgenommen und das Hoftheater als Instrument dargestellt hatte, mit dem die »sabios encantadores de Palacio«48 den König von den Regierungsgeschäften zerstreuen, um sich seines Amtes zu bemächtigen. Das Motiv des Theaters als Mittel zur Usurpation der Macht wendet Bances positiv um, indem er entgegen Navarro Castellanos, der immer wieder vor der betörenden Schmeichelei der Comedia und ihrer Verteidiger gewarnt hatte, darlegt, dass gerade die Comedia dem Souverän vor Augen führe, was niemand sich ihm - aufgrund des Respekts vor seiner Person und der Sorge, die königliche Gunst zu verlieren - zu sagen traue.49 So konzipiert Bances das Hoftheater als subtile Kunst, die dem Monarchen Denkanstöße vermittelt und ihm durch die didaktisch aufbereitete Darstellung historischer Präzedenzfalle die moralisch und politisch richtige Handlung suggeriert, ohne dabei durch zu große Direktheit oder gar Bevormundung gegen den ihm gebührenden Respekt und die gesellschaftliche Hierarchie zu verstoßen. Folglich stellt er das Verfassen von Stücken für die Palastbühne als besonders verantwortungsvolle und komplexe Aufgabe heraus, die nicht nur ein breitgefachertes Wissen und große Sensibilität im Umgang mit dem Potentaten verlange, sondern - da die Stücke für die PalastBeibehaltung ihrer gesellschaftlichen Positionen willen immer wieder gezwungen waren, von ihren moralischen Vorstellungen abzurücken bzw. diese an die politischen Erfordernisse anzupassen. Aus diesem Konflikt entstand auch die auf dem Probabilismus begründete - und in ihrer laxistischen Form später als >Jesuitenmoral< verurteilte - kasuistische Argumentation der Jesuiten, auf die Bances hier ebenso anspielen mag. Cf. hierzu auch supra: Exkurs III, Anm. 10. 48 Navarro Castellanos: Discvrsos, S. 260 bzw. cf. supra V, X, 4., 6. und 7, insbesondere Anm. 42. 49 Dabei stellt Bances die Gefahr dieses Geschäfts heraus: »Son las Commedias de los Reies vnas historias viuas que, sin hablar con ellos, les han de instruir con tal respecto que sea su misma razón quien de lo que ve tome las aduertencias, y no el Ingenio quien se las diga. Para este decir sin decir, ¿quién dudará que sea menester gran arte? Porque harto peligrosa es la discreción, que da más aplauso al que la sufre que al que la dice. Combiene a los Príncipes oir los sucesos passados más que a otros hombres, por que hallan en ellos la verdad que nadie se atreue a decirles.« Theatro II, S. 57. Die mit dieser Theaterintention verbundene Gefahr bekam Bances durch seine Anspielungen auf die Intrigen um die Erbfolge am Hof Karls II. tatsächlich zu spüren. Zur Umsetzung seiner theoretischen Konzeption des Hoftheaters cf. Igancio Arellano: »Bances Candamo, poeta áulico. Teoría y práctica en el teatro cortesano del postrer Siglo de oro«, in: Iberoromania 27/28 (1988), S. 42-60 und ders,: »Teoría dramática y práctica teatral. Sobre el teatro áulico y político de Bances Candamo«, in: Criticón 42 (1988), S. 169193. Auch die Originalität von Bances' - ungenommen gewagter - Konzeption des Hoftheaters muss vor dem Hintergrund von Cascales' Carta jedoch relativiert werden. So hatte Cascales die Comedia ebenfalls als Instrument dargestellt, um dem Monarchen die seinem Amt entsprechenden Verhaltensweisen zu vermitteln und ihn vor den falschen Schmeichlern zu bewahren: »Vamos, vamos al teatro escénico, que allí hallará el rey un rey que representa el oficio real; adonde se extiende su potestad; cómo se ha de haber con los vasallos; cómo ha de negar la puerta a los lisonjeros; cómo ha de usar de la liberalidad, para que no sea avaro ni pródigo; cómo ha de guardar equidad, para no ser blando ni cruel.« »Al Apolo de España, Lope de Vega Carpió«, S. 54.

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bühne, wie er erst in der dritten Version bemerkt, nicht zensiert seien - , auch ein besonderes Feingefühl für das Schickliche und moralisch Zulässige erfordere. Suggeriert Bances, der sich hier auch als besten Autor seiner Generation und ersten offiziellen Hofdramaturg in Szene setzt, hiermit wiederum, dass er durch sein ausgeprägtes moralisches Bewusstsein, das selbst die hohen sittlichen Ansprüche des unzensierten Hoftheaters zu bedienen weiß, sowohl für das Verfassen einer alle moralischen Bedenken ausräumenden Theaterpoetik prädestiniert ist als auch das zeitgenössische Theater zu beurteilen vermag, so wertet er die Tatsache, dass die Comedia einen festen Platz in der Zeitgestaltung des Monarchen besetzt, als grundsätzlichen Vertrauensbeweis in das Theater und seine »doctrina«.50 Folglich fasst Bances das Hoftheater nicht nur als Zierspiegel der absolutistischen Macht auf, sondern spricht ihm als Fürstenspiegel auch didaktisch-moralische und als Schule der Politik sogar politische Relevanz zu. Verpflichtet er schon das corra/-Theater auf das ästhetische Programm des >delectare et prodessefabula-docetdocere< nicht genüge, weshalb er - auch zur Festigung seiner eigenen Position als Hofdramaturg für eine vorsichtigere Selektion der Autoren plädiert: »Pues, ¿quién dudará que es este exercicio de gran confianza y que pone en gran empeño al que le maneja? Bien confieso que no está oi como deuiera, quando por fauores se hacen a los Reies fábulas y commedias indignas de los Reales occios, cosa en que se deuió tener maior cuidado, y en ver a quién se entregan las alabanzas y elogios de las personas Reales« (II, S. 57).

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von kompromissbereiten Theologen zugebilligte entpolitisierte - und jeglicher Botschaft entleerte - Unterhaltungsfunktion ab, sondern dringt mit der Konzeption des Theaters als eines Ortes, an dem reale Erfahrungen simuliert und dem Monarchen exemplarische Deutungsmuster vorgeführt werden, auch in den genuinen Kompetenzbereich der gegenreformatorischen Kirche vor, die sich als Inhaberin der Wahrheit< einzig zur Sinndeutung, Weltinterpretation und Unterweisung des Menschen berufen fühlt.

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Die Bedingtheit des Theatro de los theatros durch die //i/VwiZ-Debatte: Versuch des Entwurfs einer allgemein akzeptierten Theaterpraxis

Wie an dieser Perspektivierung von Bances' Theatro de los theatros deutlich wird, ist seine Theatertheorie sowohl durch seine Stellung als Hofdramaturg als auch durch den historischen Kontext der licitud-Debatte bedingt und geprägt. So resultiert sein Plädoyer, den Zuschauern gewisse Bildungsinhalte und moralische Grundsätze zu vermitteln, statt nur ihr Bedürfnis nach Unterhaltung und Evasion zu befriedigen, einerseits aus seiner privilegierten Position als Hofdramaturg, dem die finanzielle Absicherung es gestattet, das grundlegende Erfolgsprinzip der kommerziellen Bühne - die Bedürfnisbefriedigung des Publikums - zu ignorieren.52 Andererseits ist seine Abwendung vom regulativen Prinzip der Publikumszufriedenheit aber auch eine Reaktion auf die Kritik der Theatergegner, die - von Mariana bis zu Camargo - mit dem >gusto del vulgo< stets das Verlangen nach sexuell konnotierten - und damit unzulässigen - Darstellungen verbunden hatten. Dabei beabsichtigt Bances jedoch nicht, das Theaterpublikum auf eine intellektuelle Elite zu begrenzen. Vielmehr sieht er die Aufgabe des Theaterautors darin, das Befolgen der - auf dem >decoro< sowie der Absicht des >docere< begründeten - Kunstregeln mit einer publikumswirksamen Dramaturgie in Einklang zu bringen.53 Somit spricht er den Zuschauern auch nicht jegliche Intervention in das Bühnengeschehen ab, sondern etabliert das Prinzip einer gegenseitigen Kontrolle von Autor und Publikum, indem der Autor sich zwar über die Wünsche der Zuschauer hinwegsetzt, um das Unterhaltungsbedürfhis der Masse mit deren Unterweisung zu verbinden, gleichzeitig aber vom - moralisch äußerst sensiblen - Publikum in seine Grenzen gewiesen wird, wenn er seinerseits das Maß des Zulässigen überschreitet. Weicht Bances damit von der Absicht der Aufklärer ab, aus der beliebten Vergnügungsstätte aller Bevölkerungsschichten eine Institution der erbaulichen Belehrung für die Elite zu machen, so 52 Wie abhängig die Autoren der corral-Bühne von der Publikumsgunst waren, veranschaulicht Pellicer mit der Anekdote eines unbestechlichen mosquetero-Anfuhrers, »un tal Sánchez, zapatero de viejo, á quien los poetas procuraban tener contento y propicio«. Tratado histórico, T. 1, S. 214f. Zwar hatte die Ablösung der corrales durch die Hofbühne als Zentrum der Theateraktivität seit der Mitte des 17. Jahrhunderts die allmähliche Verlagerung der aus allen Bevölkerungsschichten stammenden Rezipienten auf ein ständisch und bildungssoziologisch begrenztes Publikum zur Folge. Das Theater spielte als Teil des öffentlichen Lebens aber bis ins 18. Jahrhundert eine zentrale Rolle und erreichte weiterhin ein von der sozialen Zugehörigkeit her heterogenes - den Zahlzwang großenteils umgehendes - Publikum, dessen Interessen die Autoren der kommerziellen Bühne - anders als der finanziell unabhängige Bances um ihres literarischen Erfolgs willen zu bedienen hatten. 53 So konstatiert er in der dritten Version des Theatro: »La summa dificultad de la Poessía cómmica, que no se hizo para las soledades ni para solos los Platones y las Mussas, sino para recitarse al pueblo, es sauerle agradar, sin descender de su elleuación, sin desdecir de su cultura, y sin desuiarse de su vtilidad.« Theatro III, S. 81.

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ist auch sein Insistieren auf der Notwendigkeit eines Regelkanons, mit dem er - wie Navarro Castellanos - den ästhetischen Dirigismus der Neoklassizisten antizipiert, in erster Linie vom Kontext der licitud-Debatte geprägt. So zeigt schon der - erst der dritten Version vorangestellte - Titel seines Traktats, dass es sich hierbei nicht (nur) um das Werk eines Theatertheoretikers handelt, der dem Theater mit seiner Poetik ein Profil zu geben und sich darüber selbst als Theaterautor zu profilieren versucht, sondern vielmehr um die Schrift eines Dramaturgen, der bemüht ist, das profane Theater gegenüber den Angriffen der klerikal geprägten Theatergegner zu verteidigen und zu legitimieren: Theatro de los theatros de los Passados y presentes Siglos: Historia Scènica Griega, Romana, y Castellana: Preceptos de la Comedia Española sacados de las Artes Poéticas de Horacio, y Aristóteles y de el vso y costumbre de nuestros Poetas, y theatros, y ajustados y

reformados,

conforme la mente de el Doctor Angélico y Santos Padres (III, S. 77).

Drückt der Titel einerseits Bances' Bestreben aus, als Humanist die Poetik der Antike mit der Schreibpraxis der zeitgenössischen Autoren zu verbinden, so reiht er sich andererseits in die üblichen auf die Kirchenväter rekurrierenden Titeleien der licitud-Texte ein und spiegelt damit bereits das Bemühen des Theaterautors, die Comedia mit der christlichen Lehre in Einklang zu bringen, um sie von ihrem skrupelbehafteten Dasein zu befreien. Zwar ordnet Bances das Theater damit den von Thomas von Aquin formulierten Zulässigkeitsbedingungen und folglich der Vermittlung kirchlich sanktionierter Inhalte unter. Seine avancierte - der Legitimierung der Comedia gegenüber Staat und Kirche dienende - Konzeption des Theaters als Institution der unterhaltsamen Belehrung impliziert aber unvermeidlich, dass die - bisher absolute - religiöse Wahrheit durch eine im Theater vermittelte lebenspraktisch-weltimmanente Wahrheit ergänzt wird. Muss dies für die Theologen, die sich als einzig kompetente Interpreten der Realität begreifen und die Reflexion über den Menschen sowie die Vermittlung von Ethik und Moral ausschließlich in ihre Zuständigkeit stellen, bereits die Gefahr bergen, ihre - jenseitsorientierte - Botschaft könne durch die diesseitsorientierte Botschaft des Theaters ersetzt werden, so hält Bances die Befähigung der profanen Institution Theater zur Wissensvermittlung auch mit einigem Selbstbewusstsein den - oftmals fehlgehenden - Unterweisungsbemühungen des Klerus entgegen: So betont er, dass die Vertreter der klerikalen Kultur durch ihren realitätsfernen Rigorismus das tugendhafte Verhalten der Menschen bisweilen vereiteln und stellt ihrem destruktiven Einsatz der Moral den konstruktiven Einsatz der Moral in der Comedia entgegen, die auf unterhaltsame - und deshalb effektive - Weise positive Imitationsmodelle und moralische Wertmaßstäbe vermittelt. Ist sein Plädoyer für die Meinungsfreiheit des Menschen in den ihn betreffenden - aus kirchlicher Sicht zu den Adiaphora zählenden - Angelegenheiten dabei gewiss von den mutigen Forderungen von Diego de Vieh und Tomás de Guzmán (cf. supra) inspiriert, so geht er über diese Vorkämpfer einer gewissen moralischen Autonomie des Individuums hinaus, wenn er die Beurteilung der profanen Institution Theater grundsätzlich und ausschließlich den Humanisten und Theaterkennern überträgt und damit vorsichtig die Autonomie der Kunst fordert. Vor diesem Hintergrund wird Bances immer wieder als »escritor límite« bezeichnet, der das Ende der Barock-Ästhetik markiert und mit seinem Bestreben, das Theater auf vernunftbasierte Regeln festzulegen und es der Zuständigkeit der Kirche zu entziehen, die

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Weltsicht der Aufklärung antizipiert.54 Seine moralische Funktionszuweisung für das Theater zielt aber - wie ausführlich dargestellt wurde - keineswegs darauf ab, die Kanzel zu entmachten und durch die profane Institution Theater zu ersetzen, sondern dient vielmehr der Rechtfertigung des profanen Theaters innerhalb einer von religiösen Wertmaßstäben dominierten Gesellschaft. So weist Bances das Theater zwar als regnum hominis aus und versucht es als autonomen Bereich neben die Belange der Kirche zu stellen. Er fordert für die Comedia jedoch keinen Status absoluter Eigengesetzlichkeit, sondern teilt ihr vielmehr die Aufgabe der moralisierenden Darstellung der Geschichte und der Vermittlung adäquater Verhaltensmodelle zu und stellt sie damit in den Dienst der etablierten Moral. So weist er die Theologen zwar bezüglich ihrer Beurteilungskompetenz in ihre Grenzen, schiebt ihre Einwände und Forderungen jedoch nicht völlig beiseite, sondern integriert sie vielmehr in sein Reformprogramm und spricht sich im Sinne der Sicherung der moralischen Integrität der Comedia für eine Totalreglementierung des Theaters sowie für dessen umfassende Kontrolle - auch vonseiten der Kirche - aus. Diese Ambivalenz von Bances' Position legt offen, dass sowohl sein Versuch der Theatergeschichtsschreibung von der Antike bis zur zeitgenössischen Gegenwart, der einer moralisch legitimierenden Darstellungsabsicht folgt, als auch sein Regelkanon für das zeitgenössische Theater ohne den Hintergrund der licitud-Debatte kaum richtig einzuordnen sind. So unternimmt Bances mit seiner »preceptiva del teatro nacional« zwar den »primer intento serio de una codificación de sus reglas«55. Es wurde aber deutlich, dass seine Poetik - die Moir treffend als »Arte poética cristiana« beschreibt - nicht in erster Linie von dem Interesse motiviert ist, als Theaterautor ein bestimmtes Konzept von Theater zu vertreten bzw. zu etablieren, sondern vielmehr darauf abzielt, das Theater als gesellschaftliche Einrichtung zu legitimieren.56

54 Cf. u.a. Juan Manuel Rozas (»La licitud del teatro y otras cuestiones literarias en Bances Candamo, escritor límite«), Santiago García-Castafion (»Francisco Bances Candamo. Nota biográfica e ideas sobre el teatro«) und Pérez Magallón (»Del ,Arte Nuevo* de Lope al arte ,reformado' de Bances: algunas cuestiones de poética dramática«, in: Edad de Oro 19 (2000), S. 207-222). 55 Ignacio Elizalde: »Teoría del teatro de F. A. Bances Candamo«, S. 221. 56 Vor diesem Hintergrund ist auch die Aussage zu relativieren, Bances drücke mit seinem Werk die »creencias estéticas y morales de un par de generaciones« (Moir: »Prólogo«, S. ci) aus. Bances nimmt die ästhetischen und moralischen Vorstellungen seiner Epoche zwar auf, es darf aber nicht aus dem Blick geraten, dass auch diese wesentlich durch die licitud-Debatte geprägt sind. Auch Wilsons Aufforderung, die Theaterstücke des 17. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der Genehmigungstexte der Comedias escogidas zu lesen, die aus seiner Sicht allmählich eine »teoría teatral, aristotélica y cristiana« entwickeln, ist in diesem Sinne problematisch. So suggerieren Moirs und Wilsons Bemerkungen, dass es sich bei dieser Theaterkonzeption um den künstlerischen Gestaltungswillen der zeitgenössischen Theatertheoretiker und -praktiker handele. Dies mag bis zu einem gewissen Grad - betrachtet man die Tablas poéticas von Cascales - auch so sein. Gleichzeitig muss aber bedacht werden, dass es in der Gesellschaft des spanischen Barock, in der die Kirche die grundlegende Sozialisationsfunktion aller Bevölkerungsgruppen innehatte, keine wirkliche Alternative zum offiziellen Diskurs der klerikalen Kultur gab. So ist von einem Autor wie Calderón, von dem Wilson behauptet, dass dessen Poetik der in den aprobaciones entwickelten Theatertheorie entspräche, zwar anzunehmen, dass er - zumal nach seiner Priesterweihe - kaum beabsichtigte, eine laikale Weltsicht gegenüber der dominanten klerikalen Sicht zu propagieren und dass sein Theaterschaffen folglich seiner inneren Überzeugung entsprach. Es muss aber gleichzeitig im Blick behalten werden, dass es in einer Situation der scharfen staatlichen und kirchlichen Zensur des Theaters und der ständigen theologisch begründeten Infragestellung seiner Exi-

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Wie Wilson und Vitse bereits angedeutet haben, ist Bances folglich nicht nur als Initiator der modernen Kritik, sondern auch als Fortsetzer bereits vorhandener Tendenzen zu betrachten. So sind seine Ideen und Vorstellungen im Wesentlichen den aprobaciones der Comedia-Bände sowie den Texten der licitud-Debatte entnommen, an deren theaterbefürwortende Schriften er sich anlehnt und deren Verurteilungsschriften ihm als kontrastive Folie für seine Theaterkonzeption dienen. Auch Bances' Erkenntnis, dass die - in der Mehrzahl theologischen - Protagonisten der Debatte das Phänomen >Theater< in seiner zeitgenössischen Realität nicht wahrnehmen, und sein daraus resultierendes Bestreben, einzelne Stücke zu besprechen und den generalisierenden Darstellungen der Theatergegner eine detaillierte Untersuchung der zeitgenössischen Theaterrealität entgegenzustellen, ist wenn auch noch nicht in dieser Ausführlichkeit geschehen - nicht grundsätzlich neu.57 Bances' originäre Leistung besteht vielmehr darin, die einzelnen Bausteine und Argumente der licitud-Debatte zu integrieren und seine Verteidigung des profanen Theaters mit der Etablierung eines Regelkanons zu verbinden, vor dessen Hintergrund er sowohl die historische Entwicklung des spanischen Theaters als auch die zeitgenössische Theaterproduktion einer kritischen Revision unterzieht, um das Theater durch die Fixierung allgemein akzeptierter von ihm bereits anwendungserprobter - Normen zu legitimieren. Dies macht deutlich, dass hinter dem Profil des Humanisten mit Bances nicht mehr - wie noch mit Navarro Castellanos - ein Vertreter der theologischen Disziplin, sondern vielmehr ein Vertreter der profanen Kultur steht, der sein Metier legitimiert und als eigenständige Spezialwissenschaft behandelt wissen will. So wendet sich Bances mit seinem ästhetischen Programm von einem der bloßen Unterhaltung dienenden Trivialtheater ab und versucht die Wertschätzung der dramatischen Literatur zu steigern, indem er sie als Wissensdisziplin konzipiert und die humanistisch geprägte Vorstellung des >poeta eruditus< propagiert. Dies bedeutet aber keineswegs, dass er das Theater als »säkularen Ort moralistischer und politischer Reflexion außerhalb des - damals theologisch vorgegebenen - fraglos Gültigen«58 begreift, vielmehr trägt er mit seiner an moralischen Kriterien orientierten Regelpoetik zur - bereits von Cascales als Idealvorstellung des Theaters propagierten (cf. supra: Anm. 24) - >Kastration< der Comedia Nueva bei. Zwar verhallt Bances' Frage, warum die Theologen die Zuständigkeit für das profane Theater beanspruchen nicht ganz, sondern wird von dem Schauspieler Manuel Guerrero rund fünfzig Jahre später ebenso selbstbewusst wieder aufgenommen.59 Bedenkt man jestenz kaum möglich war, eine Poetik zu propagieren bzw. Theaterstücke zu verfassen, die nicht den kirchlich und staatlich sanktionierten Maßstäben gehorcht hätten. 57 So sei vor allem an die auf Guerras Aprobación replizierende Carta erinnert, deren anonymer Autor einzelne Stücke von Calderón und Moreto besprochen hatte. Cf. supra: V, V, Anm. 69. 58 Manfred Tietz: »Die Debatte um die (moralische Zulässigkeit des Theaters> im spanischen 17. Jahrhundert und ihre Folgen«, S. 724. 59 So konstatiert Guerrero 1743 in Replik auf die theaterfeindliche Schrift des Jesuiten Gaspar Díaz: »[...] pues nadie podrá tener más noticias de una facultad que el mismo que la profesa: además que, para descubrir en el fondo lo bueno ó malo de las acciones, no hay mejor luz que la de la razón [...], y como la verdad resplandezca, [...], poco importa que las márgenes no vayan enriquecidas de citas; pues esto no pocas veces se hace más por vana ostentación del saber que por el justo anhelo de averiguar.« Cotarelo: Bibliografía, S. 343. Wie Bances verteidigt er zudem die Darstellung von Liebesszenen als »decentes expresiones de una natural pasión que se dirige al santo fin del matrimonio«, verneint die Darstellung des Ehebruchs und verteidigt die Poesie mit dem Hinweis auf die Geschichte. Während Guerreros Plä-

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doch, dass die Theatergegner bemüht sind, theaterfeindliche Schriften auch posthum noch zu veröffentlichen (cf. die Discvrsos von Navarro Castellanos) oder besonders schlagkräftige Schriften neu zu editieren (cf. die Respvesta von Crespi de Boqa), und dass auch Guerras Apelación als Verteidigungsschrift eines Ordensgeistlichen siebzig Jahre nach ihrer Abfassung noch zur Veröffentlichung gelangt, so stellt sich die Frage warum Bances vorsichtige Autonomieforderung bis ins 20. Jahrhundert unveröffentlicht blieb. Mag dies auch am Schicksal der Manuskripte liegen,60 so ist doch bemerkenswert, dass die Schriften, die auch posthum noch veröffentlicht werden, entweder theaterfeindlich und von Vertretern der klerikalen Kultur verfasst oder - wie die Apelación - theaterbefurwortend, aber von einem Ordensgeistlichen verfasst sind.61 Dies macht einmal mehr deutlich, dass die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters nicht zu den genuinen Belangen der Theaterautoren und Schauspieler gehört, die - wie auch Bances, der das Theatro zunächst in Replik auf Camargo verfasst - nur intervenieren, wenn sie ihren Beruf gefährdet bzw. ihre Zunft öffentlich diskreditiert sehen. So geht es in der licitud-Debatte auch nicht primär um die Angemessenheit bestimmter dramaturgischer Konzepte und ihrer Umsetzung. Vielmehr handelt es sich um eine - vornehmlich von den Vertretern der klerikalen Kultur geführte - Kontroverse um den angemessenen Lebensentwurf der Laien in einer sich zunehmend säkularisierenden Welt, bei der die Frage im Mittelpunkt steht, wie viel Diesseits dem Menschen in einer jenseitsorientierten Welt zugestanden werden darf.

doyer für die Zuständigkeit der Berufspraktiker - da Bances' Theatro unveröffentlicht blieb - auch von Cascales' Carta an Lope de Vega (cf. supra: Anm. 14) inspiriert sein mag, gehören seine übrigen Argumente 1743 bereits zum Standardrepertoire der Theaterverteidiger. Herausragend ist aber Guerreros Emphase des professionellen Rollenspiels, mit der er die Schauspieler gegenüber dem stets wiederholten Vorwurf der Promiskuität verteidigt. So betont er, »[que] los abrazos de las comedias existen sólo en la acotación que los previene, no en la acción que los ejecuta; pues esto se hace con tanta modestia que apenas la mano del cómico llega á tocar la superficial ropa del brazo de la cómica; [...].« Bibliografía S. 345. 60 Zur - unsicheren - Geschichte des Manuskripts des Theatro de los theatros cf. Moir: »Prólogo«, S. xxxvii. 61 Eine Ausnahme ist in diesem Sinn die zweimal aus konkretem Anlass neu aufgelegte Carta von Cascales. Mag dies einerseits an Cascales' Bekanntheit und Prestige als Humanist liegen, so ist andererseits zu berücksichtigen, dass sein theaterverteidigender Brief von 1613 erst im 18. Jahrhundert neu editiert wurde, als sich die Debatte zunehmend auf poetologische Fragen und theaterintrinsische Themen verlagerte. Cf. supra: V, V, Anm. 10.

»Funktion der Kunst ist es nicht, ein Zahnrad im Getriebe abzugeben, sondern eines Zustandes sich zu erwehren, in dem alles nur für irgend etwas funktioniert.« - Theodor W. Adorno: Dissonanzen

VI

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Die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters als Reaktion auf den Säkularisierungsprozess der frühen Neuzeit: Ergebnisse, Konsequenzen und Forschungsausblick

Die vorliegende Arbeit hat die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters innerhalb des moraltheologischen Kontexts des Barock situiert und sie als ein Folgeproblem der mit der frühen Neuzeit aufkommenden >Freizeit< behandelt, die sich - als weder dem orare noch dem laborare gewidmete Zeit - aus dem Einflussbereich der klerikalen Kultur zu emanzipieren beginnt. Dabei fugt sich die Debatte um das Theater in eine allgemeine Debatte um den Status von Literatur innerhalb der religiös geprägten Kultur des Barock ein, in deren Zentrum die - für den Machterhalt der Kirche konstitutiven - Fragen stehen, wie der Mensch den Teil seines Lebens gestalten soll, der weder von Schlaf noch von Arbeit ausgefüllt ist, und wie die christliche Lehre im Leben eines Laien umzusetzen ist. Damit ist die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters kein literarisches - und spezifisch spanisches Randphänomen; sie ist vielmehr ein integraler Bestandteil der europäischen Mentalitätsgeschichte und dokumentiert einen fundamentalen Wandel im kulturellen Selbstverständnis der Neuzeit: So trägt das Theater als direkte Manifestation der laikalen Kultur, die sich in der frühen Neuzeit aus der ideologischen Zuständigkeit der Kirche und der Bevormundung durch das theologische Denken zu emanzipieren beginnt, dazu bei, die etablierten gesellschaftlichen Strukturen zu verändern und treibt damit den Paradigmawechsel voran, der mit Hans Blumenberg gesprochen - die >Selbstschaffung der Neuzeit< und die Geburt der säkularen Moderne einleitet. Die mit Blumenberg zugrundegelegte Auffassung von der Säkularisation als Umbesetzung von Systemfunktionen und »Konstitution einer zuvor ungekannten Weltlichkeit«, die das traditionelle Konzept der »Transposition [...] eines ursprünglich theologischen Vorstellungsgehaltes« zurückweist1, lässt sich anhand der licitudDebatte, in deren Mittelpunkt die Verurteilung der passiones als der theologischen Weltdeutung entgegenstehendes proprium der neuzeitlichen Literatur steht, paradigmatisch belegen: Hatte die Theologie die Angelegenheit der Leidenschaften virulent gemacht, indem sie deren Unterdrückung und Disziplinierung betrieb, so nimmt das Theater die von der Theologie aufgeworfene Problematik auf und füllt sie mit diesseitsorientiertem - und damit dem theologischen Weltbild entgegengesetztem - Inhalt, indem es die passiones als integralen Bestandteil des Menschen darstellt. Das Bestreben des Weltlichen, sich zu behaupten - und so auch die passiones zu thematisieren und zu legitimieren - , ergibt sich somit erst aus dessen Ablehnung und Bestreitung durch die theologische Kultur. Gleichzeitig konnte 1

Blumenberg lehnt das traditionelle Konzept der Säkularisation als einer »Transformation von Gegebenem« als Teil der theologischen Selbstdeutung ab und stellt ihm die Auffassung von der Säkularisation als einer Umbesetzung vakant gewordener - durch die Theologie virulent gemachter, von ihr aber unbeantworteter - Fragen und Positionen entgegen. So sei die Neuzeit zwar durch die vorausgehende klerikal dominierte Epoche bedingt, die neuzeitliche Weltkonzeption sei aber kein Derivat einer ursprünglich theologischen Substanz. Hans Blumenberg: »„Säkularisation". Kritik einer Kategorie historischer Illegitimität«, in: Helmut Kuhn/Franz Wiedmann, Die Philosophie und die Frage nach dem Fortschritt. München: Pustet 1964, S. 240-265, hier S. 248ff. Cf. auch ders.: Die Legitimität der Neuzeit. Erneuerte Ausgabe. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2 1999.

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jede immanente Weltsicht in einer von der Theologie beherrschten Epoche nur »als Antithese zum transzendenten Erfullungsideal«2 auftreten und musste sich damit unter Bezugnahme auf die, aber auch in Abgrenzung und Konkurrenz zur dominanten theologischen Kultur entwickeln. Ist die theologisch bedingte Wahrnehmung der Säkularisation als »Umsetzung eines authentisch theologischen Gehaltes in eine säkulare Selbstentfremdung«3 auf die Identität der Funktion - hier von Theater und Kirche - zurückzuführen, eine Art des Weltverständnisses und der Weltdeutung anzubieten, so steht dieser Konstanz der Funktion - wie am Beispiel der passiones deutlich wird - die Verschiedenheit und Gegensätzlichkeit der Inhalte gegenüber. Genau diese ambivalente Beziehung von Identität der Funktion einerseits und Gegenteiligkeit der Inhalte andererseits bedingt die Debatte um die Zulässigkeit des Theaters:4 So stellt das profane Theater innerhalb der religiös geprägten Kultur des spanischen Barock ein kulturelles Novum dar, das sich als neues Kommunikationszentrum neben der Kirche etabliert und der Religion ihre Monopolstellung als Weltdeutungs- und Sinngebungsinstanz streitig macht. Dies ist für die Vertreter der klerikalen Kultur um so beunruhigender, als sich das Theater als Teil der an Terrain gewinnenden laikalen Kultur nicht nur ihrer ideologischen Kontrolle entzieht, sondern als neue Erfahrungsfelder und Realitätsaspekte aufdeckendes Phänomen in Opposition zur Kirche mit ihrem rituellen Apparat und ihrer dogmatischen Traditionsgebundenheit steht. So legen die Texte der licitud-Debatte offen, dass sich mit Theater und Kirche zwei Institutionen mit grundsätzlich verschiedenen Welt- und Menschenbildern gegenüberstehen. Am Sinnfälligsten wird diese Differenz - und damit die den Paradigmenwechsel gegenüber der tradierten theologischen Weltsicht einleitende eigenständige Konzeption der Welt in der profanen Literatur und insbesondere im Theater wiederum an der Darstellung der erotischen Liebe und der Stimulierung der Leidenschaften: Hatte die klerikale Kultur die Kontingenz der Welt durch Sinnressourcen zu ersetzen und alle Geschehnisse des Diesseits in einen allein von ihr durchschauten Zusammenhang zu integrieren versucht, so stellt das Theater dieses Programm zur Disposition, indem es die Welt als kontingent und veränderungsfahig und den - aus theologischer Sicht durch Vermeidung und den Rekurs auf die göttliche Gnade zu tilgenden - Komplex der Leidenschaften als integrales Element realer Welterfahrung präsentiert. Auch die >domestizierte< Comedia des Barock stellt der von der klerikalen Kultur geforderten und betriebenen Ablenkung von den passiones die Hinlenkung auf die Affekte und die natürliche Körperlichkeit des Menschen entgegen, indem sie die Liebe - wenn auch die unschuldig-verspielte und nicht die leidenschaftlich-bedingungslose Liebe - als gemeinsames Schicksal aller Menschen feiert. Als sinnenfrohe Unterhaltung bringt die Comedia die von der Religion geforderte Weltdistanz ins Wanken und deutet mit ihrer dem Leben zugewandten Weltsicht zudem das Vorhandensein eines immanenten Lebenssinns an. So stehen sich mit Theater und Kirche Diesseitsorientierung und Jenseitsorientierung, Weltbejahung und Weltabkehr, Vergegenwärtigung der Kontingenz des Lebens und Bestehen auf dessen göttlicher Providenz, Stimulierung der Phantasie - und damit des (kritischen) Denkens der Zuschauer und das Einschwören auf die unveränderlichen Glaubenswahrheiten entgegen. Der mit dem 2 3 4

Hans Blumenberg: »„Säkularisation". Kritik einer Kategorie historischer Illegitimität«, S. 260. Ibid., S. 250. Zum grundsätzlich problematischen Verhältnis von Kirche und Theater cf. auch: Norbert Greinacher: »Die Theologie und das Theater« sowie Dorothea Glatt: »Das Theater und die Theologie«, in: Theologische Quartalschrift 175/4 (1995), S. 347-354 und S. 354-361.

Die Wcitad-Debatte als Reaktion auf die frühneuzeitliche Säkularisierung

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Theater einhergehende Zuwachs an lebensweltlichem Wissen sowie die Vervielfachung der Wirklichkeitsmodelle in der Imagination gefährden somit die von der Kirche propagierte Weiterordnung, die aus theologischer Sicht - über die Erkenntnis der grundsätzlichen Defizienz alles Diesseitigen hinaus - von den Laien weder durchschaut noch verändert werden will. Verurteilen die klerikal geprägten Theatergegner einerseits das in der Comedia geforderte >Sehen mit den Sinnen< als einen genuin profanen - jede religiöse Haltung ausschließenden - Zugang zur Welt, so müssen sie das Theater andererseits auch als einen Ort ablehnen, an dem sich die hierarchisch gegliederte - bisher allein von der Religion integrierte und dominierte - Gesellschaft des Siglo de Oro vorübergehend homogenisiert. Als Vertreter einer gänzlich unmobilen Kultur können sie auch die Etablierung der Schauspieler als einer Gruppe nicht akzeptieren, die durch ihre reisende Existenz keinen festen Platz in der quasi theokratisch organisierten Gesellschaft einnimmt und sich der sozialen Kontrolle damit weitgehend entzieht. Auch muss die Tendenz der Schauspieler, ihre Andersartigkeit offen zur Schau zu stellen und - wenn auch nur im fiktiven Spiel des Theaters - Lizenzen zu normwidrigem Verhalten für sich zu beanspruchen, auf die Ablehnung der klerikalen Kultur stoßen, deren zentrales Bemühen im Zuge der tridentinischen Erneuerung in der Sozialdisziplinierung liegt. So trifft die pluralistisch-offene Institution Theater, die es vermag, die Grenzen des Bestehenden in Frage zu stellen, in der frühen Neuzeit auf die hierarchisch-hermetische Institution Kirche, die um des Erhalts ihrer selbst und der Bewahrung ihrer Macht willen auf der Gültigkeit dessen bestehen muss, was über Jahrhunderte tradiert und durch Dogmen und theologische Interpretation festgelegt wurde. Das hiermit skizzierte konkurrierende Programm der beiden >Weltdeutungssysteme< Kirche und Theater zeigt auf, dass die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters nur sinnvoll eingeordnet und beurteilt werden kann, wenn das konfliktive Aufeinandertreffen der traditionellen theologischen und der neu aufkommenden profanen Kultur sowie der damit verbundene Prozess der Säkularisierung als historischer Kontext in den Blick genommen werden. So ist die /z'ci7wc/-Debatte weniger ein theatergeschichtliches Phänomen, als vielmehr ein Reflex des umfassenden gesellschaftlichen Ausdifferenzierungsprozesses, innerhalb dessen sich auch die profane Literatur aus der Zuständigkeit der Theologen zu emanzipieren beginnt. Ist das Selbstverständnis der bisher alle gesellschaftlichen Bereiche integrierenden und dirigierenden - den Wahrheitsbesitz für sich beanspruchenden - Religion mit dem Status eines Subsystems und eines DeutungsangeZrote grundsätzlich nicht kompatibel, so muss sich die klerikale Kultur naturgemäß auch mit der Tradition identifizieren, in der sie sich jahrhundertelang artikuliert hat, und kann die an einer positiven Diesseitsgestaltung orientierte Weltsicht des Theaters folglich kaum als legitim erachten. Die Theologen erkennen das für sie bedrohliche Potential des profanen Theaters, einen Wandel im Selbstverständnis und Weltverhältnis des Menschen einzuleiten und die Kirche aus dessen Lebens- und Orientierungszentrum zu verdrängen. Folglich handeln sie nur kohärent und zweckrational, wenn sie die mit dem Theater aufgekommene Machtkonkurrenz für sich zu entscheiden und der zunehmenden Emanzipation der profanen Kultur entgegenzuwirken bzw. den säkularen Bereich >Theater< in die religiös zentrierte Weltsicht zu re-integrieren versuchen. So konstatiert Blumenberg: »Legitimität zu erwerben und zu behaupten ist in der Geschichte das elementare Bestreben des Neuen oder des sich als neu Ausgebenden; diese Legitimität zu bestreiten und das aus ihr resultie-

Claire Marie-Jeske

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rende Selbstbewusstsein zu verhindern oder zu erschüttern, ist die Technik der Selbstbehauptung des Bestehenden.«5

Damit erweist sich die Debatte um die moralische Zulässigkeit des Theaters als eine stellvertretende Debatte um Verlust und Erhalt der klerikalen Vorherrschaft und als Teil und Reflex eines ideologischen Abgrenzungs- und Selbstbehauptungsprozesses, innerhalb dessen die Kirche ihre Machtposition zu erhalten und das Ausscheren der einzelnen Subsysteme aus dem System >Theologie< zu verhindern versucht. Nur vor diesem Hintergrund wird auch die Entwicklung der licitud-Debatte verständlich: So ist die Debatte, die anfanglich innerhalb der Moraltheologie als ein formalistisch geprägter Diskurs ohne konkreten Gegenwartsbezug ausgetragen wird, zunächst eine systeminterne Reaktion der Theologen auf das systemexterne Phänomen >TheaterWörterbuchs der philosophischen Begriffe< von Rudolf Eisler. Hg. von Joachim Ritter und Karlfried Gründer, Bde. lff. Basel u.a.: Schwabe 1971 ff. Hoensbroech, Graf Paul von: Der Jesuitenorden. Eine Enzyklopädie aus den Quellen, 2 Bde. Bern/Leipzig: Paul Haupt 1927. Kindlers Neues Literatur-Lexikon (KNLL). Herausgegeben von Walter Jens, Bde. 1-21. Studienausgabe. München: Kindler 1988. Marti Grajales, Francisco: Ensayo de un diccionario biográfico y bibliográfico', de los poetas que florecieron en el Reino de Valencia hasta el año 1700. Madrid: Tip. de la Revista de Archivos, Bibliotecas y Museos 1927. Matute y Gaviria, Justino: Hijos de Sevilla señalados en Santidad, Letras, Armas, Artes o Dignidad. Anotados y corregidos por la Redacción del Archivo Hispalense. Sevilla: En la oficina de El Orden 1886. Neuschäfer, Hans-Jörg (Hg.): Spanische Literaturgeschichte. 1997.

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Literaturverzeichnis

513

Reichenberger, Kurt/Roswitha Reichenberger in Zusammenarbeit mit Theo Berchem und Henry W. Sullivan: Bibliographisches Handbuch der Calderón-Forschung. Manual Bibliográfico Calderoniano, Bd. 1: Die Calderón-Texte und ihre Überlieferungen. Los textos de Calderón y su transmisión. Kassel: Thiele und Schwarz 1979. Reinhold, Gerd (Hg.): Soziologie-Lexikon. München/Wien: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 42000. Simón Díaz, José: Jesuítas de los siglos XVI y XVII: Escritos localizados. Madrid: Universidad Pontifica de Salamanca; Fundación Universitaria Española 1975. Sommervogel, Carlos, SJ: Bibliothèque de la Compagnie de Jésus. Première Partie: Bibliographie, T. 1-8. Brüssel u.a.: Oscar Schepen 1960. (Nachdruck der Ausgabe 18901898). Sommervogel, Carlos, SJ: Dictionnaire des ouvrages anonymes et pseudonymes publiés par des religieux de la Compagnie de Jésus depuis sa fondation jusqu'à nos jour. Amsterdam: Israel 1966. (Nachdruck der Ausgabe Paris 1884). Strosetzki, Christoph (Hg.): Geschichte der spanischen Literatur. Tübingen: Niemeyer 2 1997. Theologische Real-Enzyklopädie (TRE), Bde. lff. hg. von Gerhard Krause, ab Bd. 22 hg. von Gerhard Müller. Berlin: de Gray ter 1976ff. Thesaurus linguae Latinae. Ed. auctoritate et consilio academiarum quinqué Germanicarum. Berlin u.a.: Teubner 1900ff. Ueberweg, Friedrich (Begr.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. 2. Teil: Bernhard Geyer (Hg.), Die patristische und scholastische Philosophie. Basel/Stuttgart: Schwabe 13 1956; 3. Teil: Max Frischeisen-Köhler/Willy Moog (Hg.), Die Philosophie der Neuzeit bis zum Ende des XVIII. Jahrhunderts. Basel/Stuttgart: Schwabe 1958. Ueberweg, Friedrich (Begr.): Grundriss der Geschichte der Philosophie. Die Philosophie des 17. Jahrhunderts. Bde. 1/1 und 1/2: Jean-Pierre Schobinger (Hg.), Allgemeine Themen. Iberische Halbinsel. Italien. Völlig neubearbeitete Ausgabe. Basel: Schwabe & Co AG 1998. Uriarte, P. José Eugenio de, SJ: Catálogo razonado de obras anónimas y seudónimas de autores de la Compañía de Jesús pertenecientes à la antigua asistencia española: con un apéndice de otras de los mismos, dignas de especial estudio bibliográfico (28 Sept. 1540 - 16 Ag. 1773), T 1-4. Madrid: Sucesores de Rivadeneyra 1904-1909. Viller, Marcel et al. (Hg.): Dictionnaire de spiritualité. Ascétique et mystique; doctrine et histoire, T. 1-16. Tables générales: T. 17. Paris: Beauchesne 1937-1995. Ximeno, Vicente: Escritores del Reyno de Valencia', chronologicamente ordenados desde el año MCCXXXVIII de la Christiana Conquista de la misma Ciudad, hasta el MDCCXL VII. Valencia: Dolz 1747-1749.

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Verzeichnis der Abkürzungen

Bibliotheken BN - Biblioteca Nacional BR-Biblioteca Real BRAH - Biblioteca de la Real Academia de la Historia BRAE - Biblioteca de la Real Academia Española BC - Biblioteca de la Universidad de Cantoblanco de Comillas

Nachschlagewerke und Reihen BAC - Biblioteca de Autores Cristianos BAE - Biblioteca de Autores Españoles BKV - Bibliothek der Kirchenväter CCL - Corpus Christianorum Series Latina CSEL - Corpus Scriptorum Ecclesiasticorum Latinorum CSIC - Consejo Superior de Investigaciones Científicas LacL - Lexikon der antiken christlichen Literatur LThK- Lexikon für Theologie und Kirche MGG - Musik in Geschichte und Gegenwart SC - Sources Chrétiennes TRE - Theologische Realenzyklopädie

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Verzeichnis der Abbildungen und Bildnachweise

Die in dieser Arbeit enthaltenen Abbildungen wurden von folgenden Bibliotheken und Archiven bereitgestellt und sind jeweils die Titelseiten der folgenden - im Literaturverzeichnis ausfuhrlich zitierten - Werke: Juan de Mariana: De Rege (Toledo 1599) (aus: José Luis Suárez García (Hg.), Juan de Mariana. Tratado contra los juegos públicos. Granada: Universidad de Granada 2004, S. 106) Pedro de Guzmán: Bienes de el honesto trabaio, y daños de la ociosidad (Madrid 1614) (Biblioteca Nacional de Madrid) Pedro Hurtado de Mendoza: Scholasticae, et morales dispvtationes. Volvmen primvm. De fide (Salamanca 1631)

S. 107

S. 143

S. 173

Volvmen secvndum: De spe, et charitate (Salamanca 1631) (Biblioteca de la Unversidad de Comillas)

S. 174

Agustín de Herrera: Discvrso teologico, y político (sin lugar, ni afio) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 241

Responde D. Francisco Templado (sin lugar, ni año) (Biblioteca Histórica de la Universidad de Valencia)

S. 269

Pedro de Fomperosa y Quintana: El Bven Zelo (Valencia 1683) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 277

Tomás de Guzmán: Respvesta a vn papelón qvepvblicó el Bven Zelo (Salamanca 1683) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 303

Pedro de Fomperosa y Quintana: La Evtrapelia (Valencia 1683) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 315

Arbitrage politico-militar (Salamanca 1683) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 329

Crespí de Borja: Respvesta a vna consvlta (Valencia 1683) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 330

Ivntase a Cortes la Evropa (sin lugar, ni año) (Biblioteca Valenciana San Miguel de los Reyes)

S. 331

Francisco Moya y Correa: Triumpho sagrado de la conciencia (Salamanca 1751) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 349

Manuel de Guerra y Ribera: Apelación al tribunal de los doctos (Madrid 1752) (Bibliothek zu Koln)

S. 361

Gonzalo Navarro Castellanos: Discvrsospolíticos, y morales (Madrid 1684) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 375

Ignacio de Camargo: Discvrso theologico (Salamanca 1689) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 405

Gaspar Díaz: Consulta theologica (Cádiz 1742) (Biblioteca Nacional de Madrid)

S. 48lf.

Index nominum Abellán, José Luis 111,115f., 126, 152 f., 196, 251 Acevedo, Pedro Pablo de, SJ 61, 65ff., 257, 320 Agreda, Sor María Jesús de, OFM 199f. Aguado, Alejandro, OSBM 352f. Aguilar y Zúñiga, Esteban de 444 Aguilar, Gaspar 199, 206 Aischylos 294 Albert, Jaime, SJ 176, 201,207 Alcaraz, José Francisco 21, 353 Alcocer, Francisco de, OFM 182f. Alexander VII. 263 Alexis 124 Alexo, Santo 417 Alfons VI. 126 Alkuin 359 Alt, Heinrich 85 Alypius (Alipio) 94f„ 193, 298, 364 Ambrosius von Mailand 98f., 150, 157, 169, 221, 288,369, 404,412 Amelung, Eberhard 285 Andrade, Alonso de, SJ 110, 207, 230, 354 Andre, Jean-Marie 80, 83, 116,153 Apulejus 124 Aranda, Conde de (Pedro Pablo Abarca de Bolea) 466 Arata, Stefano 125, 206, 396 Arbiol, Antonio de, OFMObs 463 Arellano, Ignacio 23,450 Arévalo, Faustino, SJ 243, 279 Argensola, Lupercio Leonardo 130, 148, 167, 412 Aristides 123f„ 131 Aristoteles 39, 98f., 124, 149f., 155, 318, 404, 435,453 Armona, José Antonio de 184, 200 Arnobius von Sicca 82f., 87, 91, 124, 134, 157, 168,221,288,372 Arróniz, Othón 44, 68, 73, 320 Asterius von Amasea 364 Asunción, Antonio de la, OSST 231 Athanasius von Alexandrien (Athanasio) 221, 291,364 Athenagoras 288, 364, Augustin 39ff„ 48, 57, 63, 82, 84, 93ff„ 119, 130f., 154, 169, 182ff., 193, 238, 256, 287, 313,319,352,364,402,432 Ausonius 122 Avellaneda, Tomás de, Opraem 213, 216, 220, 223,378,415,429,464 Avello, Manuel F. 410 Axt-Piscalar, Christine 167 Azpilcueta, Martín de (Navarro) 119, 176

Bacher, Susanne 187 Baltasara, Francisca 471 Balthasar Carlos, Sohn Philipps V. 199 Bances y López Candamo, Francisco Antonio 425ff. Barceló Jiménez, Juan 163, 213 Barish, Jonas 29 Barreira, Balthasar, SJ 37, 67f., 74 Barrera y Leirado, Cayetano Alberto de 70ff., 164,279 Barrientos, Diego Antonio de, OSA 352 Barth, Ferdinand 76, 84, 100 Basilius Magnus 124, 157, 288, 364, 367, 369, 448 Basilius von Seleuka 369 Baumeister, Theofried 82, 85, 88 Beiluga y Moneada, Luis 217 Bernecker, Walther L. 33, 148, 153, 176 Bernhard von Clairvaux (Heiliger Bernhard) 151, 157, 369,412 Berthelot du Chesnay, Charles 265 Binder, Gerhard 88f., 94 Bisbe y Vidal, Fructuoso, s. Ferrer, Juan Gaspar, SJ Blaicher, Günter 36,40f. Blänsdorf, Jürgen 80, 91,191 Blücher, Viggo Graf 37 Blume, Horst-Dieter 388f. Blumenberg, Hans 457f., 460 Boccaccio, Giovanni 345, 434 Boileau-Despréaux, Nicolas 194 Bonacina, Martino 224 Boija, Francisco de, SJ 42, 70f., 279, 299, 301 Borromeo, Carlo 321, 336, 412 Brady, Thomas A. 34 Braun, Karl 117, 300 Brauneck, Manfred 300 Breuer, Dieter 29, 35, 468 Briesemeister, Dietrich 19, 44, 58f., 232,470 Bruno, San 417 Bulenger, Jules César, SJ 363, 369f. Burke, Peter 152 Busenbaum, Herrmann, SJ 244 Caballero Fernández Rufete, Carmelo 135, 190 Cádiz, Diego José de, OFMCap 213 Cajetan, Thomas (Jacobus de Vio), OP 288, 298f., 321,437 Calatayud, Pedro de, SJ 63, 77, 120, 213, 243, 466 Calderón de la Barca, Pedro 28, 71, 101, 175, 211, 213ff., 230ff., 354 Calderón, Maria 184 Calleja, Diego, SJ 70, 72,299 Camacho Cisneros, Clara 471

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Claire. Marie Jeske

Camargo, Ignacio de, SJ 102, 271,407ff. Campo, Luis del 117, 154, 182 Campomanes, Conde de (Pedro Rodríguez de Campomanes) 63, 466 Camús, Honorato, OFM 62, 245 Cárdenas, Juan de 467 Carrillo, Antonio 215, 340 Cascales, Francisco 367f., 439ff., 455f. Cassiodor 122, 124, 288,435 Catalina, Santa 293 Catalina, Tochter Philipps II. 56,112 Cato 158 Catull (Catulo) 162, 355 Cayorc y Fonseca, Ramiro, i.e. Francisco Moya y Correa, SJ 102f„ 353ff. Celada, Diego de, SJ 207 Celestina 110,339, 341 Celsus 122 Cepada Adán, José 109 Cerda, Juan Luis de la, SJ 44, 369 Cerny, Václav 70 Cervantes Saavedra, Miguel de 35, 390 Céspedes, Valentin de, SJ (Zéspedes) 62, 72, 438 Chrysostomus 83, 86ff„ 93ff„ 158,168ff., 183f., 287ff„ 297f„ 364, 388,441 Cicero 124, 222, 232, 389, 445,447 Clavijo y Fajardo, José 466 Clemens von Alexandrien 83, 364 Coello y Ochoa, Antonio (Coello, Cuello) 72, 442 Cölius 122 Collier, Jeremy 79, 233,469f. Conti, Armand de Bourbon, Prince de 470 Contreras, Francisco de 63, 177 Cordoba, Gaspar de, OP 112f„ 217, 437,465 Corpus Christi, Mancio de, OP 179 Cortés Ossorio, Juan, SJ 102, 333ff., 394 Cotarelo y Mori, Emilio 18f„ 201, 205, 208f„ 338ff., 366,421, 438,444, 456 Covarrubias y Orozco, Sebastián 119f. 135, 163, 185,190 Crespi de Borja, Luis, Or 102f., 201, 205, 208f., 338ff„ 366, 4 2 1 , 4 3 8 , 4 4 4 , 4 5 6 Crespi de Valdaura, Cristóbal (Christoval) 52, 323 Cruickshank, Don William 148, 177 Cruz, Ludovicus de la, SJ 66 Cuéllary Medrano, Manuel de, OP 334 Cyprian von Kathargo 82ff., 132, 161, 169, 287, 364 Cyrill von Jerusalem 154, 221, 364, 369 Dausque, Claude, SJ 369 Dávila y Heredia, Andrés, Sefior de la Garena 102, 340ff. Deichard, Antoine 265

Delumeau, Jean 55 Dennis, John 233 Denzinger, Heinrich 165, 167, 180,223 Diaz Diaz, Gonzalo 391,410 Díaz, Gaspar, SJ 391,410 Didier, Hughes 44 Dietrich, Thomas 366 Diez Borque, José Maria 17, 21, 36, 164, 206 Diez Garrotas, María Jesús 194,467 Dingel, Joachim 257 Dionysius 369 Döllinger, Johann Joseph Ignaz von 308 Domínguez Ortiz, Antonio 21, 34, 63, 172,466 Domitian (Domiciano) 226,240, 254 Donatus, Aelius 435 Döpp, Siegmar 83 Drake, James 469f. Dutari, Jerónimo, SJ 217, 354 Eco, Umberto 40 Egido, Teófanes 283 Elias 150, 205 Elisabeth I. 442 Elizalde, Ignacio 454 Elizalde, Miguel de, SJ 308 Engelsing, Rolf 40 Enriquez de Cabrera, Alonso 184 Entrambasaguas, Joaquín de 111 Ephräm der Syrer (Hl. Ephram) 412 Epiphanius von Salamis 157f., 364 Erauso y Zabaleta, Tomás de, i.e. Ignacio Loyola Oyánguren 351 Escobar y Mendoza, Antonio de, SJ 307 Eurípides 294,385 Eusebius von Cäsarea 412 Faas, Egbert 187 Farinacio de Scarna, i. e. Prospero Farinacci 380 Fénelon, François 47, 50ff., 265 Ferdinand VI. 442 Fernández de León, Melchior 70f. Fernández Pacheco, Juan Manuel, Marqués de Villena 377 Ferrer, Juan Gaspar, SJ ( Ps. Fructuoso Bisbe y Vidal) 145, 166, 172, 176, 195,473 Figueroa, Francisco de, SJ 438 Firmicius Maternus 221, 364 Floeck, Wilfried 40 F lorit Durán, Francisco 20,28, 31,297 Fomperosa y Quintana, Pedro, SJ 68ff., 102, 279ff., 317ff.,462 Forner, Juan Pablo 337 Foucault, Michel 28, 357,411 Francisco de Osuna, OFMObs 150 Fumaroli, Marc 29 Furiò Ceriol, Fadrique II 1, 188,411

Index Gallardo, Bartolomé José 72, 184, 212, 243, 335, 340 Gallardo, Carmen 65 García Berrio, Antonio 22f., 30, 34, 61, 172, 462 García de Albertos, Juan 201 García Lorenzo, Luciano 22, 26, 71, 214, 237 García-Castafión, Santiago 425, 454 Geerlings, Wilhelm 83, 94 Geliert, Christian Fürchtegott 35 Genesius 85 Gerson, Johannes 220, 223, 381 Gertrud von Helfta 50 Geyer, Bernhard 373 Glatt, Dorothea 82,458 Godinez, Felipe de 438 Goeze, Johan Melchior 62 Gómez Rodeies, Cecilio, SJ 63 González Dávila, Gil, SJ 56 González de Bustos, Francisco 414 González de Critana, Juan, OSA 135, 148, 170, 367 González de Salas, Jusepe Antonio 435 González de Santalla, Tirso, SJ 63, 213, 217,220, 226, 308f„ 405 González Palencia, Angel 167, 177ff., 326 Granja, Agustín de la 20ff., 25 Grégoire, Pierre (Gregoire von Toulouse) 154 Gregor I., Gregorius Magnus 369, 411, 419 Gregor von Nazianz 221, 289, 364, 412 Gregorius, San 157 Greinacher, Norbert 458 Gremmels, Christian 36 Grie, Gottfried 97 Groner, Josef 97,100 Grandel, Johannes 118, 138,418 Guerra y Ribera, Manuel de, OSST 70, 101, 175, 21 lff., 333, 363ff. Guerrero, Manuel 354,411, 455f. Guomez, Blasius, SJ 37 Gutiérrez Nieto, Juan Ignacio 41, 109f. Guzmán, Diego de 135, 146, 177 Guzmán, Pedro de, SJ 101, 103,145ff„ 182, 192, 283,318,409 Guzmán, Tomás de 102, 305ff„ 317ff„ 327, 343, 443,453 Hahn, Alois 38,40, 59, 151 Hallensleben, Barbara 288 Hartzenbusch, Juan Eugenio 70 Heinz, Andreas 36 Henderson, Jeffrey 402 Hermenegildo, Alfredo 21, 170 Herrera, Agustín de, SJ 243ff„ 102, 236, 271, 305 Herrera, Antonio de, OMin 27

519 Hieronymus 82f„ 124, 138, 149f„ 221, 266, 288, 311,369,412 Hoensbroech, Paul von 309, 338,407,411 Homer 262, 367 Hoping, Helmut 166, 285 Horneado, Rafael María de 22 Hövel, Ernst 29, 65, 323 Huebner, Dietmar von 65, 323 Huerta Calvo, Javier 23,130,135, 190, 206 Hunter, Richard 402 Hurtado de Mendoza, Pedro, SJ 70, 101, 103, 175ff., 213ff., 221,223ff„ 234f„ 239, 244f„ 271ff„ 301, 305, 327, 340, 355, 391, 408f., 462 Hurtado, Tomás de, OFMConv 214, 255 Hüschen, Heinrich 65, 67 Ibañez de Aoyz, Vicente Antonio 243 Iglesias Feijoo, Luis 70f. Ignatius von Loyola 65,149 Ingarden, Roman Osipovich 343 Innozenz XI. 213, 309,407 Irenäus von Lyon 364 Isabel de Borbón 186, 199 Isabel de Portugal 149 Iser, Wolfgang 343 Isidor von Pelusium 160, 183,403 Isidor von Sevilla 83, 281, 364 Janik, Dieter 191 Jesús María, José de, OCarm 73, 131, 394, 396 Jiménez Guijarro, Pedro 109, 112 Jiménez Monteserín, Miguel 188, 262 Jiménez Patón, Bartolomé 377 Johannes I. von Aragón 400 Johannes Trithemius 131 Johannes von Damaskus 47, 288 Jone, Heribert 229 Jovellanos, Gaspar Melchor 19f. Juan de Santo Tomás, OP 205 Juan José de Austria (Ivan de Austria) 21 lff. Jügens, Heiko 79ff. Justin der Märtyrer 288, 364 Juvenal 83, 122, 124, 396 Kachler, Karl Gotthilf 388 Karlll. 211,286 Karl III. 36,466 Kilgenstein, Hubert 187 Klemens VIII. 162 Klemens XI. 407 Knobloch, Stefan 39, 62 Koslowski, Stefan 29 Kühn, Ulrich 180 Küpper, Joachim 28f. Kuschel, Karl-Josef 121 Laktanz 82, 87ff„ 123, 183, 287, 364 Lang, Franz, SJ 61, 65, 76 Larramendi, Francisco Antonio de, SJ 69, 267

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Claire. Marie Jeske

Laurentius Justinian 288 Lazcano, Juan, OP 69 Leavitt, Sturgis E. 128,262, 387 Lebrun, François 77 Lefèvre, Eckhard 257,402 Lehmann, Hartmut 34, 55, 59 Lemm, Robert 193 Leo I. (Papst Leon) 369 León Tello, Francisco José 416 Lerma, Duque de 148 Lessing, Gotthold Ephraim 62 Lipsius, Justus 363 Livius Andronicus 122,402 Llórente, Juan Antonio 346 Lobato, Maria Luisa 21ff. Londoño, Joseph, Orden, OESA 473 López Candamo, Antonio 425ff. López Pinciano, Alonso 435 Lorea, Antonio de, OP 187 Lotti, Cosme 74 Löwenthal, Leo 29 Luis de Granada, OP 48, 58, 150,471 Luther, Martin 39, 66,441 Lykurg 294, 383,404 Mac Curdy, Raymond R. 262 Machiavelli, Niccolò 126 Magdalena, Santa 129f„ 161, 166, 293, 395,417, 441 Mahoney, John 196 Maldonado, Juan de, SJ 119, 218 Mantua, Conde de (Vincenzo II. Gonzaga) 176 Maravall, José Antonio 17, 55,64, 68, 126 Maria Luisa de Orleans 71,408,426 Mariana de Austria 200, 211, 377 Mariana, Juan de, SJ 101, 109ff., 259, 283 Maron, Gottfried 33 Martens, Wolfgang 27,29 Marti Grajales, Francisco 183 Martial (Marcial) 122, 396 Martín Vega, Arturo 20, 26f., 74 Martínez de Mariana, Juan 109 Mausbach, Joseph 138, 218, 229, 255 Medina, Bartolomé de, OP 196,219 Medrano, García de 378 Mellein, Richard 290 Melquíades, Andrés Martín 34, 70 Mendoza, Alonso de, OSA 182ff., 283, 296, 381, 391 Menéndez Peláez, Jesús 62ff., 257, 279, 292,407 Menéndez Pelayo, Marcelino 20, 61 Menéndez Pidal, Ramón 34ff., 109,416 Mentzel, Elisabeth 17 Metford, John Callan James 22, 74 Michel, Diethelm 220 Michel, Walter 76

Minucius Felix 288, 364,412 Moir, Duncan W. 20, 31,200, 233, 279, 378, 415,429 Moli, José 177 Monleón, José 27 Montealegre, Marqués de (Pedro Nuñez de Guzmán) 212 Montemayor, Jorge de 110, 187 Montenegro, Juan de 341 Monzón, Francisco de 141 Monzón, Luis de 141 Mosquera, Manuel de 410ff., 417ff., 425f.. Moya y Correa, Francisco, SJ (Ps.: Ramiro Cayorc y Fonseca) 102f., 353ff. Müller, Götz 41 Nahrstedt, Wolfgang 36,43, 473 Nasarre y Férriz, Blas Antonio 351 ff., 448 Navarro Castellanos, Gonzalo 44, 102, 377ff. Navarro, Pedro, SJ 35 Naxera, Manuel de, SJ 53 Nebrija, Antonio de 279 Nesselrath, Heinz-Günther 402 Neumeister, Heddy 40,442 Neumeister, Sebastian 38 Nieremberg, Juan Eusebio, SJ 43ff. Niethart, Eberhard, SJ 195, 236f. Nonius Marcellus 122 Novatian 82, 85, 92f. Núñez de Castro, Alfonso 371 Nützel, Johannes M. 205 O'Connor, Thomas Austin 24f., 31, 301,462 Obermayer, Hans-Peter 402 Ochandiano, Juan de 191 Oehrlein, Joseph 129ff., 159,186,296 Ojeda Escudero, Pedro 194, 214,467 Olivares, Conde-Duque de San Lucar (Gaspar de Guzmán) 176, 199 Orígenes 154, 364,369 Orozco Díaz, Emilio 20, 61 ff., 119 Ortiz, Francisco 176 Ovid (Ouidio) 91, 124, 162, 165, 187, 193, 294, 339 Pacianus 364, 369 Palafox y Mendoza, Juan de 283 Palau y Dulcet, Antonio 112, 21 lf., 237, 243, 255,263 Palavesino, Hortensio Felix 72 Pallavicini, Pietro Sforza, SJ 308 Paul V. 138,312 Paulus 157, 164,318 Paulus Orosius 412 Pelagia, Santa 85 Pellicer, Casiano 18, 73 Pellicer, José de 187,191 Pérez de Montalbán, Juan 471

Index Pérez Magallón, Jesús 454 Pérez, Antonio 345f. Petras Lombardus 288 Pfandl, Ludwig 66 Philipp II. 34, 112, 169, 206, 282, 296,400,439, 444 Philipp III. 101, l l l f f . , 127, 400,439 Philipp IV. 110, 195,200, 205,211,340 Pi y Magall, Francisco 110 Pietschmann, Horst 148, 176 Pilz, Johannes Ch. 244 Pindar 150 Pineda, Juan de, SJ 436 Pinedo, Baltasar de 192, 326 Pinto, Virgilio 140, 187f., 446 Pius IV. 110 Pius V. 116 Platon 115, 124, 140, 150, 222, 283, 290, 292, 345,404,441 Plautus 66, 257, 290, 336, 387, 389 Plinius 83, 122, 124,150f. Plutarch 122, 124, 150 Polybius 124 Pompejus 79, 84, 134, 191 Posadas, Francisco de, OP 159, 217, 296 Possevino, Antonio, SJ 162, 284 Probus 124 Profeti, Maria Grazia 466 Prokop (Prokopio) 387 Properz 193 Prynne, William 470 Puente Hurtado de Mendoza, Pedro, SJ 101, 175ff„ 233,245,271 Quevedo y Villegas, Francisco de 1 lOf. Quintana, Pedro Miguel de, siehe Fomperosa y Quintana, Pedro de SJ Quintus Sempronius Sophus 82, 193 Quiroga, Gaspar de 110 Rahner, Hugo, SJ 84 Rainolds, John 470 Ramírez, Juan, SJ 66, 68, 74 Ramos del Manzano, Francisco 212, 307, 324, 378,408f., 461 Ramos Smith, Maya 470 Raynaud, Théophile, SJ 369 Reichenberger, Kurt 261 Reichenberger, Roswitha 261 Remigius von Reims 369 Resurrección, Tomás de la, OSST 339 Reusch, Franz Heinrich 308 Rey de Artieda, Andrés 206 Ribalta, Juan 183 Ribera, Francisco de, SJ 182, 187f., 205, 207, 214, 283,354,412,461 Rico Callado, Francisco Luis 59, 63f.

521 Ridpath, George 188 Rivadeneira, Pedro de, SJ 26,44, 207, 214 Rivera de Ventosa, Enrique 210, 220 Rodríguez Cuadros, Evangelina 130, 170 Rodríguez, Bernaldina 109 Rodríguez, Manuel, OFM 176 Rodríguez, Pedro, SJ 66f. Rojas Zorrilla, Francisco de 262 Roldán Pérez, Antonio 20f., 110,410, 466 Rozas, Juan Manuel 20f., 110, 410,466 Rudin, Alexander 61 Rueda, Lope de 68, 170,206,437 Ruiz de Alarcón, Juan 192 Ruiz de Montoya, Diego, SJ 44 Ruiz-Lagos de Castro, Manuel 20f. Rupert (Hl. Rupert, erster Bischof von Salzburg) 369 Saavedra Fajardo, Diego 111,243 Sáenz-Rico Urbina, Alfredo 21 Sainte-Marie-Madelaine, Gabriel de 265 Sales, François de 272, 317ff. Sallmann, Klaus 80ff. Salvianus von Marseille 83, 8 5 f f , 287, 364, 370 Sánchez Requejo, Miguel 206 Sánchez, Agustín, OSST (Ps. Gonzalo de Xaraba) 351 ff. Sánchez, Tomás, SJ 182 Sanchis Sinisterra, José 27 Sannazaro, Iacopo 187 Santa María, Juan de, OFM 176 Santamaría, Primitiva Flores 65, 67 Santiago Ortiz, Cristóbal de 381, 397 Sanz Ayán, Carmen 445 Sattler, Dorothea 180 Scaliger, Julius Caesar 221 f. Schalk, Fritz 28 Scheeben, Matthias J. 44 Scheffczyk, Leo 139,312 Schilling, Heinz 29, 34 Schilling, Otto 138, 169, 181 Schilson, Arno 62, 117 Schnusenberg, Christine 79ff., 92fF. Schöffler, Herbert 40 Schönpflug, Ute 41 Schwienhorst-Schönberger, Ludger 220 Scipio Nasica 222, 391 Seneca 57, 66, 152, 257, 336, 385,421 Serralta, Frédéric 23 Serrano y Morales, José E. 199, 210 Serrano y Sanz, Manuel 429 Sessa, Duque de 110 Shergold, Norman D. 17, 69, 74f., 186, 191, 200f., 326 Sierra, Tomás de, OP 62 Simón Diaz, José 71

522

Claire. Marie Jeske

Sito Alba, Manuel 206 Sixtus V. 116 Sokrates 150 Solís, Antonio de 357 Sommervogel, Carlos 44, 70f., 145, 175, 21 lf., 243f., 279, 353, 407 Soons, Alan 109f., 130 Soria Ortega, Andrés 211, 214, 231, 233, 335 Sotomayor, Antonio de, OP 177 Speaight, Robert 65f. Strosetzki, Christoph 31, 38, 44, 183 Suárez García, José Luis 25f. Suárez, Francisco, SJ 214 Sueton 122, 124 Suso Frank, Karl 238 Szarota, Elida Maria 178 Tacitas 83, 124,383 Tapia, Diego de, OP 469 Tapia, Pedro de 205,230, 438 Tárrega, Francisco Agustín 206 Tatian der Syrer 364,412 Templado, Francisco 102, 271 fF. Terenz (Terencio) 66, 95, 162, 257, 289, 336, 387,402 Tertullian 81, 84ff„ 122, 139, 147, 169, 195, 281, 287, 297, 364,403 Theodora, Kaiserin von Byzanz 389 Theodoret von Cyrus 323 Theokrit 291 Theophilus von Antiochien 288,364 Thirouin, Laurent 30 Thomas a Kempis, CRV 44 Thomas von Aquin 48, 58, 95ff., 147, 154ff., 221ff.,281fF„ 317ff„ 391,413,437,453 Thomas, Erzbischof von Valencia 188,401 Thomke, Helmut 29 Tiberius (Tyberio) 226, 240 Tietz, Manfred 27f. Timokles 232 Tirso de Molina, i.e. Gabriel Téllez 28, 178,438 Toledo, Francisco de, SJ 176 Torre, Felipe de la 111 Torres Rimila, Pedro de 111 Tostado, Alonso Madrigal (El Abulense) 288, 296,412 Trajan 158 Trillhaas, Wolfgang 39 Turselino, Horacio, SJ 145 Ulloa y Pereira, Luis de 23,159, 215, 218f„ 223, 301,335, 380, 385 Ulloa y Sandoval, Gonzalo de 261 Ulpianus 122 Uriarte, José Eugenio de, SJ 71, 212, 279f. Urzáiz Tortajada, Héctor 23, 206 Vaca de Castro y Quiñones, Pedro 56,112

Valderrama, Pedro de, OSA 63 Valencia, Gregorio de, SJ 178 Valentin, Jean-Marie 65, 77, 300 Valerius Maximus 122 Valero y Losa, Francisco 187,354 Valle de Moura, Manuel 421 Vallejo, Carlos 467 Varey, John E. 17, 163, 184, 200f. Varrò 122 Vázquez, Francisco, SJ 279, 369 Vázquez, Isaac 176, 179, 213 Vega Carpio, Lope Félix de 163, 213, 351, 391, 433,439ff. Vélez de Guevara, Luis 261 Vera Tassis y Villarroel, Juan de 246f. Vergil (Virgilio) 150 Vicente, Gil 170 Vich y Castelví, Diego de 101, 196ff., 339, 345, 453 Vidania, Antonio de 378 Villar Castejón, Caridad 24, 180, 186,415 Villarroel, Gaspar de, OSA 214 Vinzenz von Beauvais 131 Vitse, Marc 20ff., 445,455,462f. Völker, Ludwig 38 Weber, Helmut 118, 180,255 Weismann, Werner 80ff. Werber, Niels 41 Wesley, Samuel 188 Wilson, Edward 20, 30, 208, 242, 236,443f„ 454,464f. Wood Krutch, Joseph 29, 188,233 Xaraba, Gonzalo de, siehe Agustín Sánchez, OSST Xenophon (Xenofonte) 148, 153,444 Ximeno, Vicente 196 Yepes, Diego de, Hieronymit 112f. Zabaleta, Juan de 74 Zabel, Hermann 473 Zamora, Antonio de 357 Zedelmaier, Helmut 162 Zirngiebl, Eberhard 280, 308

Index

Index rerum Adiaphoron 39, 220, 248, 272, 309 adulterio 119, 124, 342, 387,414,436, 440f. Affekte 76, 94ff„ 135, 162, 189, 232, 265, 383, 393,440, 458 amoroso 261, 338, 330 aposentos 134, 165, 181, 397 aprobación 20, 71, 21 lff., 235ff, 305ff„ 333ff„ 351ff.,407ff. Augustiner (OSA) 63, 115, 159, 181 f., 340, 367, 391,403,461 auto sacramental 30, 73, 104, 158, 166, 395, 472 Badeszene 262, 387 Beichte 34f„ 42, 56, 68, 179f., 192, 217, 307,411 Beichtvater, confesor 42, 63, 120, 169, 238, 234f., 379, 419, 421 Blasphemie 85, 90,127, 132, 134 bürdet 79, 89, 114, 118, 127, 133ff„ 185, 195, 207fT., 289, 381,403 Christenverfolgung 82,435 cofradía 51 f., 154, 186 comedia amatoria 440 comedia de capa y espada 257, 345, 440f. compañía de título 131 concupiscentia 41, 65, 86, 167 corral 176,426,451f. Dekadenz Spaniens 124ff. deleite 22, 119ff„ 415,464 desengaño 43, 46, 52, 65, 247, 261, 317f., 333, 341, 358f., 417 Dichtkunst 199, 290,297, 300, 353,445 distracción 37, 39,41, 47, 54, 62, 64, 153, 155, 203, 220, 292 divertimiento 47, 221 Dominikaner, O.P. 62, 69, 112, 179, 196, 217, 334,354 doncella 234, 260,263, 290, 418 Duell 262f., 291, 343 Ehebruch 90, 92, 119, 129, 165, 189, 222, 343, 385ff„ 439, 441 entremés 123, 140, 157, 163, 200, 209, 289, 322, 392,414f.. entretenimiento 47, 57 146f., 153, 169 Entspannung 23, 35,48, 118, 318ff., 464 eutrapelia 38ff., 98, 118, 162, 313, 318ff. farsantes 62f„ 115, 124, 134, 158, 355, 396, 438, 449 Fiktion 92ff„ 309ff. Franziskaner, OFM 62, 182, 199f. Frömmigkeitsliteratur 43ff., 145ff., 482ff. Fronleichnam 73, 136, 192, 200 Fürstenspiegel 103, 111,113, 197, 394,409,451 Gegenreformation 28, 33ff., 60, 65, 67, 115, 127, 251

523 Gericht Gottes / Gottesgericht 45f„ 51, 55, 76, 93, 95,397,399,411,418 Heidentum 79, 84, 261, 364, 368 Heiligendrama 113, 344,442 Heilsbewahrung 247ff., 411 Heilsgefährdung 59, 90ff„ 265ff., 293, 297, 336, 342,411,420 Heilssorge 24,42, 151, 320,440 Heiratsgebot 129, 186, 294, 397 Humanist 377ff„ 401ff. Hydra von Lerna 92, 156, 170, 339 Idolatrie 83f., 124, 156, 183, 221, 256, 287, 368f„ 380, 388, 402,436. infamia 80, 87, 13, 296, 396,403 Inquisition 34, 37, 208ff„ 237, 345 Jenseits 35ff. Jesuitendrama 60, 64ff., 78,178,440 Kastilienrat / Consejo de Castilla 18, 75, 129, 138, 176, 183, 186, 191, 196ff„ 221, 225, 248, 255,323,412,466 Keuschheit / castidad 25, 52f„ 89, 97, 119, 149f., 154,219, 252, 344,368, 371 Kleider / Kleidung 24, 63, 65,67,159, 170, 232, 248, 272, 299, 389, 392, 417,438 Krankenwesen 55, 112, 132, 140, 164, 191, 201, 207f„ 379f„ 395,467 Kulpabilisierung 48, 55, 204, 301,464,471 Laxismus 220, 244, 255 licitud-Debatte 64ff„ 202ff„ 326ff„ 452ff. Liebesszenen 295, 357, 388,414,427, 438,455, 465 Literatur, profane 35,40ff., 54, 59, 162, 178, 188, 448,459, 472 lujuria / luxuria 38, 92, 116, 120, 126, 128, 138, 157, 193, 378, 383, 391ff. Mimus 80, 89, 388f. mogo 160, 165, 167, 260,263,286ff, 293,298 mujer vestida de hombre / Hosenrolle 24, 129, 161,207, 258, 295,413 Neoklassizismus 103, 351ff„ 389, 391,404,448, 453,466 Neugierde / curiositas 41,153 Pantomimus 80 Patristik / Patristen 84, 91, 94, 102,282, 373 pecado de escándalo, Skandalon 138 peccata mortalia (Todsünde) 118, 180, 323 Pestepidemie 63, 95f., 151,465 Privatauffuhrungen / particulares 138, 394, 398 Probabiliorismus 255 Promiskuität 52, 89, 129, 133, 159,165, 171, 185f„ 189, 193, 295,355,456 Prostitution 22f„ 89, 114,120,138,178, 396, 435 quaestio 168 98ff. ramera 123, 157, 160, 165, 259, 293, 344, 387f„ 396,410,436

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Claire. Marie Jeske

Ratio Studiorum 45f., 66ff., 122, 155, 192,257, 306,318 recreación 35, 112, 117, 146f„ 154f„ 196,210, 319f., 354, 391, 447 remissio animi 38ff., 58, 99f. 118, 147, 155, 180, 217, 247 Retheologisierung 28f., 42, 59 Rigorismus 40, 94, 181,219f., 224,255, 384, 429,436,453 Sakrament / sacramento 78, 88, 113, 132, 182, 188, 194, 232,261,273, 276, 312,438f„ 456 Säkularisierung 483ff. Scholastik 25, 83, 101, 106, 147, 177, 182,255, 282 Seelenführer / directeur spirituel 47, 148, 197, 265 sensualidad 56, 120, 160,201,390 Sittenreform 55,124, 127,253, 380, 398,401 Sittenverderbnis / Sittenverfall 56, 88f., 125, 127, 132, 136, 138, 140, 170, 297, 398,418 Sünde, lässliche (peccata venalia, pecado venial) 118, 128, 180, 193,220, 368 Sündenfall / Erbsünde 38,41,48, 53,94, 97, 119, 149,219,260,285,293 tacitismo 126 Taufe 78, 82, 84ff., 125, 158, 364, 369, 382 teatro palaciego 450 Theater, antikes 103, 222, 366, 369, 384,402, 412,432,435 Theaterakzeptanz 195, 220, 324, 381, 391,400, 413,420,462 Theatergesetzgebung (ordenanzas de teatros, decreto de reformación) 75, 129, 140f., 188f., 255, 342, 465f. Theaterleidenschaft 95, 127, 178,238, 318, 327, 364, 370 Theaterschließung 200, 215, 225f„ 243, 286, 312, 381,400,408,425,439,444 Tragödie 80, 89, 92, 94f. 221f„ 256f„ 291, 294, 370,435f., 449 tramoya 73, 393,436 Tridentium 28, 33, 41, 65, 70, 78, 85, 110, 118, 175, 179f., 264, 461 Trinitarier (OSST) 21 lff., 233ff., 351ff. Tutiorismus 255 vanitas 46, 51, 59, 63, 91,93, 155, 169, 369 Vergnügungssucht 91, 114,397 Verschwendung 41, 96, 109, 166, 168, 294, 345, 369,436 Volksmissionar 407ff., 441 Weltbejahung 47, 51,458 Weltverachtung 48, 58 zarabanda 113, 116, 124, 135ff„ 190, 300, 336, 387 Zeitknappheit 38,40,42, 451

Zeitverlust, -verschwendung 39,46, 48, 52, 151 Zirkus 79, 92, 99, 122, 125, 134, 364

Zitierte Theaterstücke Adelphoe (Terenz) 290 Andria (Terenz) 299f., 387 Antes que todo es mi dama (Calderón de la Barca) 261 Apolo y Climene (Calderón de la Barca) 234 Cada qual lo que le toca (Rojas Zorilla) 438 Captivi (Plautus) 290 Caropus (Pedro Pablo Acevedo, SJ) 320 Como se curan los celos (Bances Candamo) 425 Eco y Narciso (Calderón de la Barca) 234 El amor enamorado (Lope de Vega) 234 El amor haze discretos, i.e. De una causa dos efectos (Calderón de la Barca) 261 El amor haze prodigios (Vélez de Guevara; comedia supuesta de Calderón de la Barca) 261 El castigo sin venganza (Lope de Vega) 388 El cerco de Viena del año 1680 (Pedro Fomperosa y Quintana, SJ) 71 El conde de Essex (Antonio Coello y Ochoa) 442 El esclavo en grillos de oro (Bances Candamo) 425 El Fénix de España (Diego de Calleja, SJ) 71 El mayor desengaño (Tirso de Molina) 417 El mejor alcalde, el rey (Lope de Vega) 387 El pintor de su deshonra (Calderón de la Barca) 441 El Santo-Cristo de San Agustín de Sevilla (Guedeja y Quiroga) 479 Electro (Sokrates) 435 En el sueño está la muerte (Guedeja y Quiroga) 479 Eunuches (Terenz) 133, 290, 387 Heauton timorumenos (Terenz) 290 Hecyra (Terenz) 290 La mejor luz de Sevilla (Guedeja y Quiroga) 479 La piedra filosofal (Bances Candamo) 425 La vida de San Alejo (Agustín Moreto) 417 Las tres justicias en una (Calderón de la Barca) 438 Los donaires de Matico (Lope de Vega) 437f. Los españoles en Chile (González de Bustos) 414f. Los tres afectos de amor: piedad, desmayo y valor (Calderón de la Barca) 234 Nuestra Señora de los Reyes (Guedeja y Quiroga) 479 Phormio (Terenz) 290 Por su rey y por su dama (Bances Candamo) 410, 425

Index Porfiando vence amor (Ulloa y Sandoval/Lope de Vega ; comedia supuesta de Calderón de la Barca) 261 San Francisco de Borja, Duque de Gandía (Melchior Fernández de León / Pedro de Fomperosa y Quintana, SJ) 70f., 299 Troades (Seneca) 387, 435 Vencer á Marte sin Marte ó Cadmo y Armonía (Pedro Fomperosa y Quintana, SJ) 71, 279

Zitierte Bibelstellen lKor7, 9 219 1 Kor 8, 9 f f . 169 1 Kor 9 154 1 Kor 11, 5 413 1 Kor 11, 7 88 / Kor 14, 34f. 128 1 Tim 2, 12 293 / Tim 5, 22 223 2 Tim 4, 3f. 378 2 Tim 4, 4 174 Dtn 22, 5 88, 358 Eccl7, 17 220 Eph 5, 4 162, 318 Jes 58, 1 379 Joh 12, 3-6 191 Joh 13, 34f. 218 Koh 7, 20 (=Eccl 7, 21) 220 Mt5,28 89,91, 128,386 Mt 5, 43f. 218 Mt 6, 24 85 Mt 7, 13 382, 421 Mt 7, 15 379 Mt 11, 28-30 381 Mt 12, 36 93 Ps 1, 1 86 Rom 14, 13ff. 169 Rom 8, 12f. 165

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