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German Pages 238 [268] Year 1966
LEHRBUCH
FÜR K R A N K E N P F L E G E S C H U L E N
BANDI
Lehrbuch für Krankenpflegeschulen Band I Physiologie — Pathologische Physiologie — Pharmakologie
V o n Dr. med. Ciaire Dietrich Fachärztin für innere Medizin Bonn, Berliner Freiheit 26, früher Oberärztin an der inneren Abteilung des Westend-Krankenhauses, Berlin Mit einem Geleitwort von Professor Dr. med. Dr. h. c. Hans Freiherr von Kress, Berlin
6., durchgesehene und verbesserte Auflage Mit 15 Abbildungen im Text und 22, meist farbigen Bildern auf 12 Tafeln
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. vormals G . J. Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp.
Berlin 1966
© Copyright 1966 by Walter de Gruyter & Co., vormals G . J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit Sc Comp., Berlin 30. — Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Ubersetzung, vorbehalten. — Archiv-Nr. 51 77/66 2 Printedin German? — Satz und Druck: Walter de Gruyter & Co., Berlin 30
Geleitwort Was Krankenpflegepersonen zweckmäßigerweise von Anatomie, Physiologie, Diagnostik und Therapie erfahren und behalten sollen, ist überaus schwer abzugrenzen. Nötig ist auf jeden Fall ein annäherndes Wissen vom normalen Bau und von den normalen Funktionen des menschlichen Organismus, ebenso nötig sind manche Kenntnisse von den Bedingungen, unter denen es zu krankhaften Veränderungen der Organe und ihrer Leistungen kommt und ebenso nötig ist schließlich ein gewisses Verständnis für die angewandte Therapie. Eine in die Tiefe gehende Ausbildung auf diesen immensen Gebieten ist weder möglich noch zumutbar, auch für die von den Pflegepersonen zu erfüllenden Aufgaben nicht nötig, ja aus verschiedenen Gründen nicht einmal erwünscht. So kann die medizinische Ausbildung keinesfalls über eine propädeutische Schulung hinausgehen. Die Dinge müssen deshalb in einem Krankenpflegelehrbuch da und dort einfacher dargestellt werden, als sie in Wirklichkeit sind, selbst wenn die Kritik der Ärzte hieran vielfach Anstoß nimmt. Die Darstellung des pflegerischen Sektors, der Hauptdomäne derjenigen, für die ein Krankenpflegelehrbuch geschrieben wird, kommt gewöhnlich dann, wenn es sich um ein kurz gefaßtes und im Preis niedrig gehaltenes Lehrbuch handeln soll, etwas zu kurz, und dieser Umstand ist oft auch an früheren Krankenpflegelehrbüchern bemängelt worden. Gewiß ist manches Pflegerische in der Theorie lehrbar, und ein Großteil der pflegerischen Technik kommt ja auch in diesem Buch zur Sprache, aber viel, vielleicht sogar das Wichtigste in der Krankenpflege, kann nur durch konsequente praktische Übung erlernt werden und ist vor allem an Vorbildern zu orientieren, wie sie bewährte ältere und erfahrene Pflegepersonen darstellen. Das weite Feld der richtigen und alles berücksichtigenden Pflege muß durch Lehr- und Stationsschwestern in der täglichen Arbeit den Schwesternschülerinnen übermittelt werden. Frau Dr. Dietrich hat sich — wie ich glaube — mit Recht darauf beschränkt, in diesem Buch denjenigen Bestandteil der Krankenpflege bevorzugt zu behandeln, der die Mithilfe des Krankenpflegepersonals bei der Erfüllung medizinischer Aufgaben betrifft. Ihr Lehrbuch hat, wie sie ausführt, in erster Linie denjenigen zu dienen, die sich während der Lehrzeit einen im Staatsexamen geforderten Wissensstoff nicht geringen Umfangs einzuprägen haben und instand gesetzt werden müssen, während der Vorbereitungszeit und später im Beruf die einzelnen, oft schwer zu behaltenden Fakten immer wieder rekapitulieren zu können. In jahrelang mit besonderem Erfolg erteiltem Unterricht in der Schwesternschule des Krankenhauses Berlin-Westend hat Frau Dr. Dietrich große Erfahrungen gesammelt, und sie hat sich im Zusammenhang mit ihrer Lehrtätigkeit viel Gedanken über die zu beschreitenden Ausbildungswege gemacht. Ich wünsche diesem Buch, daß es gerade auf Grund der wohlabgewogenen Beschränkungen den Zielen dient, die Frau Dr. Dietrich bei seiner Abfassung vor Augen standen, nämlich einen Krankenpflegenachwuchs heranbilden zu helfen, der den verantwortungsvollen Beruf, soweit er medizinisches Wissen erfordert, mit dem entsprechenden Verständnis ausübt und auch dadurch in ihm Befriedigung findet. Daß die Krankenpflege noch viel mehr an Kenntnissen und vor allem an Können nötig hat, als im Lehrbuch steht und stehen kann, ist meiner ehemaligen Mitarbeiterin natürlich völlig klar. Berlin, im April 1956
Hans Freiherr von Kress
Vorwort zur i. Auflage Das Lehrbuch soll allen, die dem Arzt bei der Erfüllung seiner Aufgabe zur Seite stehen, Lehrer, Helfer und Begleiter sein. Die theoretisch und praktisch gut ausgebildete Schwester ist in der Krankenpflege unentbehrlich. Arzt und Schwester, vom gleichen Pflichtbewußtsein erfüllt, haben nur ein gemeinsames Ziel: dem kranken Menschen zu helfen. Der behandelte Stoff des Lehrbuches ist systematisch aufgegliedert, so daß es vor allem der Krankenschwesternschülerin leicht gemacht ist, das große Gebiet der Krankheiten zu überblicken. Die einzelnen Stoffgebiete sind nur so weit behandelt, als sie für den Arbeitsbereich der Krankenschwester von Bedeutung sind. Das Lehrbuch soll der Schülerin während ihrer Lehrzeit zur Vorbereitung auf das Staatsexamen nützlich sein. Darüber hinaus will das Buch der in der Praxis schon bewährten Schwester ein Ratgeber und gleichzeitig ein Nachschlagebuch zur Erleichterung der täglichen Arbeit sein. Für die wertvollen Ratschläge bei der Bearbeitung des Manuskriptes bin ich Frau Oberin Bertha Kaboth und Herrn Dr. med. Karl Tauschwitz, beide am Stadt. WenckebachKrankenhaus, Berlin-Tempelhof, zu besonderem Dank verpflichtet. Bonn, Frühjahr 1956
Ciaire Dietrich-Kehren
Vorwort zur 2. Auflage Das große Interesse an der ersten Auflage und viele Vorschläge aus der Praxis der Krankenpflegeschulen ermöglichten es, die vorliegende zweite Auflage zu ergänzen, zu verbessern und mit einer größeren Anzahl, zum Teil farbiger Bilder auszustatten. Zwei Hinweise erscheinen mir wichtig: i. Der Inhalt eines Lehrbuches muß-umfassender als das vom Lernenden geforderte Wissen sein. Jeder Lehrer wird die Schwerpunkte nach seinen Erfahrungen verteilen. Überlegungen, das Buch sei zu anspruchsvoll, bitte ich auch von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten. 2. Die praktische Krankenpflege wurde bewußt nicht berücksichtigt. Die Gebiete: Anatomie — Histologie — Allgemeine Chirurgie — Spezielle Chirurgie — werden in Band II behandelt. Der Band III bringt ausgewählte Spezialkapitel (Neurologie, Gynäkologie, Geburtshilfe, Orthopädie, Augen- und Hals-Nasen-Ohrenheilkunde). Bonn, im April 1957
Ciaire Dietrich-Kehren
Vorwort zur 5. Auflage In dieser 5. Auflage, die nur 2 Jahre nach der vorherigen erscheint, sind einige wesentliche Änderungen vorgenommen worden: der Scharlach wird nun im Kapitel der bakteriellen Infektionen besprochen. Auf die zunehmende Bedeutung der Cortisone und ihrer Derivate — insbesondere bei akut bedrohlichen Zuständen — wird an entsprechender Stelle hingewiesen. Neue Antibiotika, sofern sie für die Klinik von Bedeutung sind, werden in ihrer Wirkungsweise besprochen. Die Schutzimpfungen gegen Kinderlähmung nach Sabin und Salk werden eingehend dargetan, da besonders dieses Problem in den letzten Jahren auch bei uns in Deutschland an Interesse und Bedeutung gewonnen hat. Die Tabelle über die Meldepflicht von übertragbaren Erkrankungen wurde durch die neueste ersetzt, die durch das Bundesseuchengesetz vom 18. 7. 61 wirksam geworden ist. Um der Schwester in der Praxis die Arbeit zu erleichtern und um ihr überall und jederzeit die Möglichkeit zu geben, sich über den neusten Stand zu orientieren, wurde eine ausführliche Tabelle über neue Desinfektionsmittel aufgenommen. Bonn, Herbst 1963
Ciaire Dietrich-Kehren
Vorwort zur 6. Auflage In der nun vorliegenden, überarbeiteten 6. Auflage wurden wieder einige Änderungen vorgenommen. Es wird auf die neueren Laboruntersuchungsmöglichkeiten der Lebererkrankungen" eingegangen, u. a. auf die Fermentdiagnostik, die Transaminasen. Aufgrund von Hinweisen aus dem Kollegenkreise, für die ich sehr dankbar bin, wurde die intramuskuläre Injektionstechnik noch verständlicher dargelegt, um Mißverständnisse zu verhüten. Das Problem der „überalterten Erstimpflinge" wird erörtert. Neue Gesichtspunkte in der Behandlung des Coma diabeticum werden besprochen. Im Kapitel der Antibiotika werden die Versuche, die zur Behandlung der Viruserkrankungen gemacht wurden, ergänzend erwähnt. Bonn, Frühjahr 1966
Ciaire Dietrich-Kehren
Inhaltsübersicht Einführung i Atmungsorgane 6 A. Nasen-Kehlkopfraum 6 i. Physiologie des Nasen-Kehlkopfraumes 6 z. Krankheiten im Nasen- und Kehlkopfraum 7 a) Adenoide Vegetation 7 b) Schnupfen 7 c) Heuschnupfen 7 d) Chronischer Schnupfen 8 e) Nasenbluten 8 f) Kehlkopfkatarrh 8 g) Kehlkopftuberkulose 9 h) Kehlkopfgeschwülste 9 B. Physiologie der Atmung 9 C. Erkrankungen der Atmungsorgane 12 1. Erkrankungen der Luftröhre 12 a) Die akute Entzündung 12 b) Chronische Entzündung 12 c) Hämorrhagische Tracheitis 12 d) Geschwülste 12 2. Erkrankungen der Bronchien 13 a) Akute Bronchitis 13 b) Chronische Bronchitis 13 c) Bronchopneumonie 14 d) Bronchiektasien 14 e) Bronchiolitis 15 f) Das Asthma bronchiale 16 g) Lungenemphysem 16 3. Erkrankungen des Lungengewebes 17 a) Lobäre Pneumonie 17 b) Lungenabszeß 18 c) Die Lungengangrän 19 d) Lungentuberkulose 19 e) Staublunge 19 f) Lungenlues 19 g) Aktinomykose 19 h) Hodgkinsche Erkrankung 20 4. Lungengeschwülste 20 a) Lungenkrebs 20 b) Lungenechinokokkus 20 j . Erkrankungen des Rippenfells und des Mittelfellraumes 21 a) Pleuritis sicca 21
b) Pleuritis exsudativa 21 c) Pleuraempyem 22 d) Pneumothorax 22 e) Erkrankungen des Mittelfellraumes 22 Hers^ — Blutkreislauf — Gefäße 24 A. Physiologie des Herzens und des Kreislaufes 24 1. Physiologie des Herzens 24 a) Tätigkeit des Herzens 24 b) Herzbewegung 24 c) Elektrokardiogramm 25 2. Physiologie des Kreislaufes 26 a) Blutdruck 26 b) Gefäßnerven 27 c) Puls 27 B. Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufes 28 1. Erkrankungen des Herzens 28 a) Klappenfehler 28 b) Entzündungen der Herzwand 30 c) Reizleitungs- und Reizbildungsstörungen 32 d) Erkrankungen der Herzkranzgefäße 33 2. Erkrankungen des Kreislaufes und der Gefäße 34 a) Hypertonie 34 b) Hypotonie 34 c) Embolie 35 d) Thrombose 35 3. Der „akute Herzanfall" 35 Magen-Darmkanal 36 A. Physiologie des Stoffwechsels und der Verdauung 36 1. Ernährung 36 a) Kohlenhydrate 36 b) Eiweiße 37 c) Fette 38 d) Kalorienlehre 38 e) Zusätzliche Nahrungsmittel 41 f) Vitamine 42 2. Physiologie der Verdauung 44 a) Speichel 45 b) Magensaft 45 c) Pankreassaft 47 d) Galle 48 e) Darmsaft 49
X
Inhaltsübersicht 3. Der intermediäre Stoffwechsel 49 a) Resorption der Kohlenhydrate 49 b) Resorption der Fette 50 c) Resorption der Eiweiße 51 4. Erkrankungen des Stoffwechsels 51 a) Zuckerkrankheit 51 b) Gicht 56 5. Nahrung 57 a) Zubereitung 57 b) Wichtige Nahrungsmittel 5 8 c) Einzelne Kostformen 61
B. Erkrankungen des Magen-Darmkanals 66 1. Erkrankungen der Speiseröhre 66 a) Entzündung der Speiseröhre 66 b) Verengungen der Speiseröhre 67 c) Erweiterungen der Speiseröhre 67 2. Erkrankungen des Magens 68 a) Gastritis 68 b) Magengeschwür 69 c) Magenkrebs 72 d) Zwölffingerdarmgeschwür 73 3. Wurmfortsatzentzündung 73 4. Darmerkrankungen 73 a) Darmkatarrh 73 b) Darmkrebs 74 c) Ileus 75 d) Hämorrhoiden 75 e) Obstipation 75 Leber 76 A. Physiologie der Leber 76 B. Erkrankungen des Leberzellgewebes und der Gallengänge 77 1. Leberzellenentzündung 77 2. Die akute gelbe Leberatrophie ( = Leberdystrophie) 78 3. Leberzirrhose 78 4. Leberabszeß 79 5. Leberkarzinom 80 6. Gallenblasenleiden 80 7. Gallenblasenkarzinom 82 8. Nachweis von Gallenfarbstoffen in Urin und Blut 82 a) Nachweis von Urobilinogen nach Ehrlich 82 b) Nachweis von Bilirubin 82 c) Nachweis von Urobilin nach Schlesinger 82 d) Der quantitative Bilirubingehalt 83 9. Leberfunktionsproben 83 a) Galaktosebelastungsprobe 83 b) Lävulose Belastungsorobe 8»
c) Die Bromsulphalein-Belastungsprobe 83 d) Die Methylenblau-Probe 83 e) Die Takata-Ara-Reaktion und die Elektrophorese. Enzymbestimmung (Transaminasen) 84 Die Bauchspeicheldrüse 8 5 A. Physiologie der Bauchspeicheldrüse 85 B. Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse 85 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Untersuchungsmethoden 85 Akute Pankreatitis 86 Akute Pankreasnekrose 86 Chronisch indurierende Pankreatitis 86 Pankreaskarziom 87 Pankreassteine 87
Nieren und ableitende Harnorgane 88 A . Physiologie der Niere 88 B. Urinuntersuchungen proben 89
und
Nierenfunktions
C. Erkrankungen der Niere 90 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Nephritis 90 Nephrose 92 Niereninfarkt 92 Nierenbeckenentzündung 92 Nierengeschwülste 93 Zystenniere 93 Sackniere 93 Harnsteine 94 Renaler Diabetes 94
D. Krankheiten der Harnblase 94 1. Physiologie der Blase 94 2. Untersuchungsmethoden der Blase und instrumenteile Nierenfunktionsprüfung 95 3. Blasenkatarrh 95 a) Akuter Katarrh 95 b) Chronischer Katarrh 96 4. Nervöse Blasenstörungen 96 a) Die Reizblase 96 b) Bettnässen 96 5. Geschwülste der Blase 96 Geschlechtsorgane 97 A. Physiologie der Geschlechtsorgane 97 B. Erkrankungen der Geschlechtsorgane 97 1. Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane 97 2. Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane 97
Inhaltsübersicht a) Erkrankungen der Vorsteherdrüse 97 b) Erkrankungen des Hodens und Nebenhodens 98 Blut 100 A. Physiologie des Blutes 100 1. 2. 3. 4.
Aufgaben des Blutes 100 Blutbildende Organe 100 Der periphere Blutstrom 101 Bestandteile des Blutes 101 a) Blutkörperchen 101 b) Blutplasma 103
B. Erkrankungen des Blutes 104 1. Erkrankungen der rotes Blut bildenden Organe 104 a) Blutungsanämie 104 b) Chronische Eisenmangelanämie 105 c) Symptomatische Anämien 105 d) Perniziöse Anämie 105 e) Erythroblastose 105 f) Aplastische Anämie 106 g) Polyzythämie 106 h) Hämolytischer Ikterus 106 2. Erkrankungen des weißen Blutbildes 107 a) Leukämie 107 b) Die Agranulozytose 108 3. Bluttransfusion 108 a) Blutgruppen 108 b) Gefahren der Bluttransfusion 109 c) Blutkonserve 109 Milz u"d Lymphe 110 A. Physiologie der Milz 110 B. Erkrankungen der Milz 110 C. Lymphgefäßsystem
m
Drüsen mit innerer Sekretion 112 A. Hypophyse 112 1. Physiologie der Hypophyse 112 2. Erkrankungen der Hypophyse 113 a) Akromegalie 113 b) Dystrophia adiposogenital 114 e) Cushingsche Krankheit 114 d) Hypophysäre Kachexie 114 e) Diabetes insipidus 115 B. Zirbeldrüse 115 1. Physiologie der Zirbeldrüse 115 2. Erkrankung der Zirbeldrüse 115 a) Pubertas praecox 115 C. Epithelkörperchen 115 1. Physiologie der Epithelkörperchen 115 2. Erkrankungen der Epithelkörperchen 116
XI
D . Schilddrüse 117 1. Physiologie der Schilddrüse 117 2. Erkrankungen der Schilddrüse 117 a) Hypothyreose 117 b) Myxödem 117 c) Basedowsche Krankheit 118 d) Thyreotoxikose 118 E. Thymus 118 F. Nebenniere 119 1. Physiologie der Nebenniere 119 2. Erkrankungen der Nebenniere 119 a) Addinsonsche Krankheit 119 b) Geschwülste der Nebenniere 120 G . Keimdrüsen 120 1. Physiologie der Keimdrüsen 120 2. Ausfallerscheinungen der Keimdrüsen 122 a) Ausfall männlicher Keimdrüsen 122 b) Ausfall weiblicher Keimdrüsen 122 H. Bauchspeicheldrüse 122 Infektionskrankheiten 123 A . Allgemeiner Teil 123 1. Geschichte der Infektionskrankheiten 123 2. Zum Begriff der Infektion 123 3. Erreger der Infektionskrankheiten 124 a) Bakterien 125 b) Protozoen 125 c) MetaZoen 125 d) Spirochäten 125 e) Viren 125 f ) Rickettsien 126 4. Übertragungsmöglichkeiten der Infektionskrankheiten 126 5. Klinisches heiten 126
Bild
der
Infektionskrank-
6. Bekämpfung der Infektionskrankheiten 128 a) Körpereigene Abwehrkräfte 128 b) Körperfremde Abwehrkräfte 129 c) Hygiene 132 7. Vernichtung vorhandener Keime 134 a) Desinfektion 134 b) Praktische Durchführung der Desinfektion 137 B. Spezieller Teil 140 1. Akute bakterielle Infektionen 140 a) Angina catarrhalis 140 b) Scharlach 140 c) Angina diphtherica 145 d) Serumkrankheit 148 e) Serumschock 149
XII
Inhaltsübersicht f) g) h) i) j) k) 1) m) n)
Keuchhusten 150 Bauchtyphus 150 Paratyphus 152 Cholera 152 Nahrungsmittelvergiftung 153 Botulismus 153 Bazillenruhr 153 Bangsche Krankheit 154 D i e wichtigsten Formen der bakteriellen Hirnhautentzündungen 154
0) p) q) r) s) t)
Lepra — Aussatz 156 Pest 156 Rotz 156 Milzbrand 157 Wundstarrkrampf — Tetanus 157 Tularämie 158
2. Chronische bakterielle Infektionen 158 a) Tuberkulose 158 3. Viruskrankheiten 167 a) Masern 167 b) Windpocken 168 c) Pocken — Pockenschutzimpfung 168 d) Röteln 169 e) Parotis epidemica 170 f ) Poliomyelitis 170 g) Grippe 173 h) Die infektiöse Entzündung des Gehirns 174 1) Trachom 175 j) Tollwut 175 k) Papageienkrankheit 175 1) Herpeserkrankungen 176 m) Bornholmer Krankheit 176 4. Spirochätenerkrankungen 177 a) Leptospirosen 177 b) Rückfallfieber 178 c) Syphilis 178 5. Rickettsienerkrankung 178 6. Krankheiten durch tierische Erreger 179 a) Protozoen-Erkrankungen 179 b) Metazoen-Erkrankungen 182 7. Geschlechtskrankheiten 187 a) Gonorrhoe 187
b) Syphilis 188 c) Weicher Schanker 189 8. Rheumatische Erkrankungen 189 a) Akuter Gelenkrheumatismus 189 b) Chronischer Gelenkrheumatismus 190 c) Bechterewsche Krankheit 190 d) Arthrosis deformans 190 Meldepflichtige fälle 191
Erkrankungen
und
Sterbe
Desinfektion bei Tuberkulose 192 Arzneimittellehre —• Pharmakologie 194 A . Vorbemerkungen 194 B. Verschiedene Formen der Arzneimittel und ihre Anwendung 196 1. Innerlich angewandte Arzneimittel 196 a) Innerlich angewandte Arzneimittel flüssiger Form 196 b) Innerlich angewandte Arzneimittel fester Form 197
in in
2. Äußerlich angewandte Arzneimittel 199 3. Injektion 200 C. Aus der Pharmakologie 202 1. Schlafmittel 202 2. Alkaloide 203 3. Die Herzglykoside 207 a) Digitalisglykoside 207 b) Strophanthine 208 c) Digitaloide 208 4. Synthetische Antipyretika 208 5. Ätherische ö l e 209 6. Analeptika 209 7. Abführmittel 210 a) Mechanische, salinische Abführmittel 210 b) Vegetabilische Abführmittel 210 Zubereitungen des deutschen Arzneibuches und chemisch einheitliche Desinfektionsmittel 211 Handelspräparate 212 Register 217
Einführung Wesen und Ursachen der Krankheiten Um auf dem Gebiet der Krankenpflege etwas zu leisten, muß man mehr verstehen und beherrschen als nur die handwerklichen Griffe. Wer Kranke pflegen will, muß vieles über das Wesen und die Ursachen der Krankheiten wissen; nur dann kann er das nötige Verständnis für die Bedürfnisse der ihm anvertrauten Patienten aufbringen. Was ist nun unter dem Begriff K r a n k h e i t zu verstehen? Wir wissen: ein gesunder Mensch fühlt sich wohl und ist beschwerdefrei, und die zahlreichen, meist komplizierten Funktionen seiner Organe kommen ihm nicht zum Bewußtsein. Morgens steht er nach 8- bis iostündiger Nachtruhe auf und beginnt frisch und voller Energie einen neuen Tag. Es ist natürlich, daß er am Abend müde ist, aber nach einem erholsamen Schlaf geht er anderen Tags wieder gestärkt an seine Arbeit. Der gesunde Organismus vermag sich auch gesteigerten körperlichen und geistigen Anforderungen in den verschiedenen Lebenslagen anzupassen. Unregelmäßigkeiten in der Ernährung und klimatische Unterschiede können ihm weder das körperliche noch das seelische Gleichgewicht nehmen. Beim Kranken dagegen ist es anders. Er leidet unter den krankhaften Vorgängen seines Organismus. Er fühlt sich elend, kraftlos und unfähig zu arbeiten. Oft klagt er über Schmerzen, die er manchmal nicht zu lokalisieren oder näher zu beschreiben vermag. Die Anpassungsfähigkeit seines Körpers, gesteigerte geistige oder körperliche Anforderungen zu erfüllen, ist gemindert. Das Gleichgewicht im Organismus ist gestört. Was hat sich nun aber im Körper des bis dahin gesunden Menschen geändert, daß er uns krank erscheint ? — Die Ursachen sind mannigfacher Art. Der Pathologe 1Zirchow (1821—1902 in Berlin) erkannte in der Z e l l e die Trägerin des Lebens und der Krankheiten. Er schrieb ihr drei Aufgaben zu: 1. Eine spezifische Leistung. (Wir wissen z. B., daß jede Drüsenzelle ein bestimmtes Sehret bildet, eine Leistung, zu der sie nur durch das lebende Protoplasma befähigt ist.') 2. Stoffwechsel und Ernährung und 3. Vermehrung.
Bei der Vermehrung spielt der Zellkern eine wichtige Rolle. Nach äußeren Reizen beginnt die Zelle zu arbeiten. Ein bekanntes und allgemeingültiges Gesetz in der Krankheitslehre besagt, daß der Reiz, der in schwacher Form die Zelle zur Tätigkeit anregt, in stärkerer Form ihren Tod verursachen kann. Krankheiten können von außen an den Körper herangetragen werden. Hierher gehören alle Infektionskrankheiten, deren Krankheitskeime, pflanzlicher und tierischer Art, durch Anhusten, durch Berührung infizierter Gegenstände oder durch den Genuß D i c t r i c h , Bd. I
I
2
Einführung
verunreinigter Nahrungsmittel von außen her in den Körper hineingebracht werden. In geringer Konzentration regen sie den Körper zur Bildung von Abwehrstoffen an („Impfung"); in stärkerer Konzentration machen sie den Organismus krank. Sodann gehören in das Gebiet der äußeren Krankheitsursachen auch mechanische Reize, die zu Wunden und Verletzungen führen und deren Versorgung im allgemeinen zum Gebiet der Chirurgie gehört. Vergiftungen mit chemischen Mitteln — z. B. Schlafmittel, Blausäure, Salzsäure •— können, in starker Konzentration eingenommen, zu Krankheitszuständen führen. Auch physikalische Energien wie Blitzschlag, thermische Einflüsse (Überhitzung, Kälte) und intensive Sonnenbestrahlung, besonders bei Schneedecke, können zu Störungen des menschlichen Organismus führen. Demgegenüber stehen die Krankheiten, die sich „von innen heraus entwickeln". Wir sprechen von „anlagebedingten" Krankheiten, die ihren „schicksalhaften Verlauf" nehmen. Die Konstitution eines Menschen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Konstitution stellt die Summe aller erbbedingten Anlagen dar; sie ist bis zu einem gewissen Grade durch die Umwelt zu beeinflussen (Disposition). Es ist bekannt, daß ein Patient, der einmal an einem schweren Rheumatismus erkrankt ist, leicht wieder davon befallen wird; er ist für diese Krankheit empfänglich geworden. Wie wir später noch hören werden, liegt es in der Art einiger Berufe (z. B. Bergbau), daß die Menschen eher Lungenveränderungen aufweisen als andere Menschen mit der gleichen Konstitution, die nicht in diesen Berufen arbeiten ( = Exposition). Auch hormonale Störungen — Unter- oder Überfunktionen — führen zu Krankheiten, die sich „von innen heraus" entwickeln. Fehlleistungen ( = Dysfunktionen) vereinzelter Drüsen, die sich nicht ohne weiteres als Über- oder Unterfunktion erklären lassen, sind für einzelne Stoffwechselstörungen verantwortlich. Diese Gruppe der Stoffwechseldysregulationen, wie die Zuckerharnruhr, die Gicht oder Steinleiden, beruhen in der überwiegenden Zahl der Fälle auf einer ererbten Anlage. Sie müssen nicht in jeder Generation in Erscheinung treten, sind aber in der Konstitution versteckt vorhanden. Man spricht in diesen Fällen von einem „verdeckten" ( = latenten) Erbgang. Zu diesen Krankheiten rechnen die Epilepsie (Fallsucht), die Hämophilie (Bluterkrankheit), einzelne Nerven- und Geisteskrankheiten; sie treten innerhalb einer Familie in mehreren Generationen auf. Streng zu trennen von den ererbten Krankheiten, deren Anlage im Keimplasma verankert sein muß, sind die angeborenen Krankheiten. Bei ihnen wird der kindliche Organismus im Mutterleib infiziert — ein typisches Beispiel hierfür ist die „angeborene Syphilis". Eine ererbte Syphilis gibt es nicht. Zu den anlagebedingten Erkrankungen müssen wir auch die gut- und bösartigen Geschwülste rechnen. Wir bezeichnen eine Geschwulst (= Tumor) als gutartig, wenn sie keine Stoffwechselstörungen, keine Allgemeinschäden und kein zerstörendes Wachstum entfaltet (Fettgeschwulst, Muskelgeschwulst). Die gutartigen Tumoren lassen sich zumeist komplikationslos operativ entfernen. Die bösartigen Geschwülste hingegen sind durch ihr zerstörendes Wachstum charakterisiert. Durch Verschleppung kleinster Teile dieser bösartigen Gewebe auf dem Blutund Lymphwege in andere Organe entstehen Tochtergeschwülste (= Metastasen). Sie zerstören den Organismus gemeinsam mit der zuerst entstandenen Geschwulst. Der
Einführung
3
Mensch zehrt ab und entkräftet, er wird kachektisch und geht an dieser Auszehrung zugrunde. Die bösartigen Geschwülste, die von den Deckzellen (Epithel) der Haut, der Schleimhäute und der Drüsen ausgehen, bezeichnen wir als Karzinome — und die, welche vom Stütz- und Bindegewebe aus ihren Ursprung nehmen, als Sarkome. Schon seit Hippokrates (griechischer Arzt, 460—377 v. Chr.) beschäftigt sich die Wissenschaft mit der Frage der Entstehung bösartiger Geschwülste. Bis heute ist das Problem noch nicht gelöst, weshalb plötzlich im menschlichen Organismus Zellen in abnormer Weise zu wuchern beginnen, um so den Körper zu zerstören. Einen Erbfaktor, eine Überempfindlichkeitsreaktion und einen Infektionserreger können wir nicht mit Sicherheit ausschließen. So viel gilt als sicher: Das Krebsproblem ist ein Zellproblem. Schon vor mehr als 3 Jahrzehnten konnte Professor Warburg1) einen grundlegenden Unterschied zwischen der gesunden Zelle und der Krebszelle feststellen: während die gesunde Zelle „atmet" und dabei Sauerstoff aufnimmt, um die Nahrungsstoffe zu verbrennen, atmet die Krebszelle nicht; sie gewinnt ihre Energien durch Gärung; dazu braucht sie keinen Sauerstoff. Praktisch kann sich überall im Körper, wo wir Epithelzellen haben, ein Krebs entwickeln. Chronische Reize und chemische Substanzen können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Als klassisches Schulbeispiel wird der Lippenkrebs der Pfeifenraucher angeführt. Die Tatsache, daß heute doppelt so viele Menschen an Krebs sterben als um die Jahrhundertwende, ist nicht zu leugnen. Zwar leben die Menschen heute länger, und damit ist auch die Möglichkeit, im späteren Alter an Krebs zu erkranken, größer. Die heutigen Untersuchungsmethoden sind besser als früher — aber alle diese Gründe erklären nicht die Zunahme der bösartigen Geschwülste. I m Anfangsstadium sind die meisten bösartigen Tumoren operabel; der Chirurg kann die Erstgeschwulst entfernen, oder der Röntgenologe bestrahlt sie, ehe sie ihr verhängnisvolles Wachstum entfalten kann. Die Schwester kann beobachtend und oftmals aufklärend die Bedeutung des Krebsproblems bei den Patienten wecken und sie veranlassen, zeitig den Arzt aufzusuchen.
Zu den natürlichen Abnutzungserkrankungen des menschlichen Körpers gehört die Verkalkung der Arterien. Die Verengung der Gefäße hat eine mangelnde Durchblutung zur Folge; an den Beinen klagen die Patienten über ein anhaltendes Kältegefühl, „als ob sie abgestorben wären". Ein Fortbestehen dieser mangelnden Blut- und damit Sauerstoffzufuhr kann zum Gewebstod führen. Auch am Gehirn und am Herzen macht sich ein Sauerstoffmangel zeitig bemerkbar: die Koronarsklerose führt zum klinischen Bild der Angina pectoris ( = Brustenge). Eine Verkalkung der Hirngefäße führt häufig zum Schlaganfall (= Apoplexie). Die Apoplexie, bei der der Kranke plötzlich wie von unsichtbarer Hand niedergeschlagen wird, beruht auf einem Riß eines verkalkten Blutgefäßes und der daraus erfolgenden Blutung in das Hirngewebe hinein. Die natürlichen Abnutzungserscheinungen gehen im allgemeinen mit einem Elastizitätsschwund einher. So schwinden bei zunehmendem Alter auch die Knorpelscheiben in den Gelenken: die Wirbelsäule verliert ihre Biegefähigkeit, und an den Gelenken — an den statisch am meisten belasteten häufig zuerst — kommt es zu knöchernen Umbildungen und Wucherungen, zur Arthrosis. Der Elastizitätsschwund der Augenlinse zeigt sich daran, daß das Lesen in der Nähe immer schwieriger wird — die Patienten benötigen eine Lesebrille. Durch äußere Einflüsse können wir dem Entstehen von Krankheiten Vorschub leisten oder es weitgehend verhindern. Jeder denkende Mensch weiß, daß eine zweckmäßige und vernünftige Lebensweise und Ernährung Körper und Geist leistungsfähiger hält. Übermäßiger Genuß von Nikotin, Alkohol und Rauschgiften fügt dem Körper auf die Dauer irreparable Schäden zu. Übermäßiges oder unregelmäßiges Essen können genau so schaden wie das Hungern oder eine vitaminarme Kost. Unterernährung und feuchte Warbwg,
Physiologe, geb. 1883, 1931 Nobelpreis. 1»
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Einführung
Kellerwohnungen sind die Schrittmacher zahlreicher Krankheiten. Der Körper braucht frische Luft und Bewegung ebenso wie eine zweckmäßige Bekleidung. Die Typeneinteilung nach Kretschmer (Psychiater und Psychologe in Marburg, geb. 1888). Es sind vielfach Versuche unternommen worden, aus der Konstitution eines Menschen seine Neigung zu irgendwelchen Krankheiten zu erkennen. Kretschmer stellte nach dem Erscheinungsbild verschiedene Typen heraus. Unter dem leptosomen Typ versteht er den schmalen, hochgeschossenen und schwächlichen Menschen. Muskulatur und Fettpolster sind wenig ausgebildet. Der Brustkorb ist schmal und abgeplattet; die obere Brustöffhung ist klein, wodurch die Lungenspitzen schlecht durchlüftet werden. Diese Menschen erkranken eher an einer Lungentuberkulose als andere. Die inneren Organe sind, im Verhältnis zur Länge des Körpers, klein angelegt; die Eingeweide sind, da das Stütz- und Bindegewebe sich nicht kräftig entwickelt, häufig gesenkt. Magengeschwüre und Krampfadern beobachten wir in dieser Gruppe häufig. Der Athlet hingegen ist breit und kräftig gebaut. Sein Körperbau läßt ihn hervorragende sportliche Leistungen vollbringen. Sein Gesundheitszustand ist gut. Der Pjkniker ist von gedrungener Gestalt und oft als „dick" anzusprechen. Häufig beobachten wir bei einem massiven Körperbau grazile Extremitäten. Diese Menschen sind in ihrer Stimmungslage überwiegend vergnügt. Ihre Neigung zu Stoffwechselkrankheiten ist ausgesprochen groß (Fettsucht, Zuckerharnruhr, frühzeitige Gefäßverkalkungen, Steinbildungen). Kretschmer ging in seiner Typeneinteilung so weit, daß er behauptete, auch zwischen dem äußeren Erscheinungsbild und der Psyche bestünden enge Beziehungen. Während die Pykniker häufig manisch-depressiv seien, neigten die Leptosomen eher zur Schizophrenie (Seelenspaltung). Die Abwehrkräfte des Körpers. Wird der Körper von einer Krankheit befallen, so versucht er, sofern er kräftig genug ist, selbst damit fertig zu werden, um den gesunden Zustand wieder herzustellen. Er versucht, den erkrankten Körperteil ruhig zu stellen und zu schonen. Die Schmerzfasern des Nervensystems sind als Warnzeichen eingeschaltet und dulden keine überflüssigen Bewegungen. Giftstoffe versucht der Körper auf dem kürzesten Wege zu entfernen. Dringt nun beispielsweise ein Krankheitserreger in den Körper ein, so mobilisiert er ein ganzes System von Abwehrkräften, um den „Feind" zu vernichten. Eine wichtige Rolle spielt bei der Beherrschung von Infektionskeimen das Abwehrsystem des Körpers (das Retikulo-endotheliale System = RES). Das neugeborene Kind, dessen Organe erst nach der Geburt selbständig zu arbeiten beginnen, wird durch Abwehrstoffe aus dem mütterlichen Organismus geschützt, die es durch den Mutterkuchen und später durch die Muttermilch erhält. So sind Kinder im ersten Lebensjahr gegen Masern durch mütterliche Immunkörper gefeit. Später sind sie selbst in der Lage, Abwehrkörper zu bilden. Wir bezeichnen dieses Verhalten als aktive, selbsterworbene Immunität. Über die passive Immunisierung wird später noch ausführlich gesprochen. Mit Hilfe der Haut, der Lymphknoten und des abwehrkörperbildenden Systems schützt sich der Körper vor Krankheiten. Der Arzt wird diesen natürlichen Schutzvorrichtungen genügend Zeit lassen, ihre Tätigkeit zu entfalten und nur dort mit Medikamenten helfend eingreifen, wo die Natur es nicht allein schafft, die Krankheitsursache zu beseitigen; im übrigen
Einführung
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aber soll er bestrebt sein, den natürlichen Heilungsverlauf zu unterstützen. Nicht jedes Fieber muß künstlich heruntergedrückt werden; es ist dem Arzt in vielen Fällen ein Zeichen der guten Abwehrfähigkeit des Körpers. Ein völlig erschöpfter Organismus ist manchmal nicht mehr in der Lage, eine Fieberreaktion aufzubringen. In Fällen chronischer Krankheitszustände wird darum das Fieber gelegentlich künstlich erzeugt, um die Abwehrkräfte zu mobilisieren. Die Krankheitszeichen — Symptome — helfen dem Arzt, die Ursache zu erkennen. Wir müssen in ihnen die sichtbaren Zeichen der Abwehr- und Ausgleichsvorgänge sehen, die einen Heilungsprozeß einleiten. Nicht der Helfer ist der beste, der beim geringsten Anlaß sofort ein Mittel gibt, sondern der, der den rechten Zeitpunkt zum Eingreifen erkennt. Von entscheidender Wichtigkeit ist dabei allerdings auch die Einstellung des Kranken selbst zu seiner Krankheit und der Wille zum Gesundwerden. Es gibt Menschen, die nicht gesunden wollen, die ihre Krankheit „pflegen" und sich in diesen Zustand des Mitleiderregens hineinflüchten. Zumeist spielen persönliche Wünsche oder ein Versagen in irgendeiner wichtigen Situation eine Rolle. Diesen Menschen können wir nicht mit einem Medikament helfen, sie bedürfen unseres guten Zuspruchs und eines verständnisvollen Rates. Gerade die Schwester, die den ganzen Tag um den Patienten ist, kann ihm mit einer freundlichen, hilfsbereiten Art, aber gelegentlich auch mit einem energischen Wort — in Güte gesprochen — auf den Weg zu sich selbst zurückzufinden helfen.
I. Atmungsorgane A.
Nasen-Kehlkopfraum
B. Physiologe der Atmung
C. Erkrankungen der Atmungsorgane
A. Nasen-Kehlkopfraum i.
Physiologie des Nasen-Kehlkopfraumes
2. Krankheiten im Nasen-Kehlkopfraum
1. Physiologie des Nasen-Kehlkopfraumes
Die Luft, die der Mensch einatmet, muß, ehe sie die Luftröhre und die Bronchien erreicht, den Nasen-Rachen- und Kehlkopfraum passieren. Hier wird sie gereinigt, erwärmt und angefeuchtet. Zahlreiche Riechkörperchen sind in die Nasenschleimhaut, die das Naseninnere in vielen Buchten auskleidet, eingelassen. Sie nehmen schädliche Beimengungen der Luft wahr und mobilisieren gegebenenfalls die Schutzvorrichtungen des Körpers. Das N i e s e n dient meist zur Entfernung von Fremdkörpern (Schleim, Staub) aus den oberen Atemwegen: Es beginnt mit einer tiefen Einatmung (= Inspiration). Bei geschlossenem Munde folgt dann ein plötzlicher Exspirationsstoß (= Ausatmung) durch die Nase; gleichzeitig wird der vom weichen Gaumen geschlossene Nasen-Rachenraum gesprengt. Eine ähnliche Schutzmaßnahme für die tieferen Luftwege ist das H u s t e n : Der geschlossene Kehlkopfdeckel wird mit einem kräftigen Exspirationsstoß gesprengt; dabei werden Fremdkörper oder Schleim herausgebracht. Der K e h l k o p f (Larynx) bildet den oberen Abschluß der Luftröhre; er verbindet den Nasen-Rachenraum mit der Luftröhre (Trachea). Der Kehlkopf wird von drei Knorpeln gebildet: dem großen Schildknorpel, der am oberen und unteren Ende je zwei Hörner trägt, dem darunterliegenden Ringknorpel und den paarigen Gießbeckenknorpeln. Diese drei Teile sind untereinander durch Bänder und Gelenke verbunden. Im Rachenraum nimmt der Luftstrom mit den Speisen einen gemeinsamen Weg. Ein rechtzeitiges Schließen des Kehlkopfdeckels verhindert ein „Verschlucken", d. h. ein Hineinrutschen von Speiseteilen in die Luftwege. Wird die Kehlkopfschleimhaut durch Fremdkörper oder beizende Dämpfe gereizt, so schließt sich de Kehlkopfdeckel reflektorisch. Im Kehlkopf wird auch die Stimme gebildet. Bei der Stimmgebung (Phonation) wird der Luftstrom im Nasen-Rachenraum durch die gespannten Stimmbänder in Schwingungen versetzt. Die Tonhöhe hängt von der Zahl der Schwingungen ab. Wenn die Stimmbänder nicht mitschwingen, wird die Flüstersprache gebildet, bei der die Stimmritze offen steht. Die Kehlkopfmuskeln spannen die Stimmbänder und erweitern oder verengen die Stimmritze (Glottis). Je nach dem Spannungszustand wird ein hoher
Krankheiten im Nasen- und Kehlkopfraum
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oder ein tiefer Ton erzeugt. Der Klang kommt erst durch die Resonanz im NasenRachenraum zustande. 2. Krankheiten im Nasen- und Kehlkopfraum a) b) c) d)
Adenoide Vegetationen Schnupfen Heuschnupfen Chronischer Schnupfen
e) Nasenbluten f ) Kehlkopfkatarrh g) Kehlkopftuberkulose h) Kehlkopfgeschwülste
a) A d e n o i d e V e g e t a t i o n e n Ursache: Bei Kindern beobachtet man häufig Wucherungen des lymphatischen Gewebes im hinteren Nasenraum, sog. „Adenoide Vegetationen", im Volksmund „Polypen" genannt. Symptome: Die Kinder fallen dadurch auf, daß sie mit geöffnetem Munde und nicht, wie es natürlich ist, durch die Nase atmen. Sie hören schwer und bleiben daher in der Schule zurück. Therapie: Durch ein operatives Herausschälen dieser Wucherungen wird den Kindern schlagartig geholfen. b) S c h n u p f e n (Rhinitis) Ursache: Der Erreger ist noch unbekannt, aber aus seiner leichten Übertragbarkeit schließt man, daß es sich um eine Infektionskrankheit handeln muß. Da die Nasenschleimhaut entzündlich geschwollen ist, atmen die Patienten durch den geöffneten Mund aus und ein. Somit fallen auch die Schutzvorrichtungen fort, die die Nase sonst erfüllt; Kehlkopf- und Luftröhrenschleimhaut trocknen aus. Symptome: Der Schnupfen ist ein oberflächlicher Katarrh der Nasenschleimhaut mit vermehrter Schleim- und Eitersekretion. Er beginnt meist mit Kratzen und Brennen im Hals. Die Rachenschleimhaut ist entzündlich geschwollen. Ein Kitzelgefühl in der Nase löst einen starken Niesreiz aus. Meist klingt der Katarrh in wenigen Tagen ab. Höheres Fieber und starke Kopfschmerzen legen den Verdacht einer Nasennebenhöhlenbeteiligung nahe. Therapie: Die Behandlung besteht in Schwitzpackungen und Gaben von heißem Tee und Aspirin sowie Mitteln, die die Schwellung der Schleimhaut vermindern. Zur Lösung des Schleimes dient das Inhalieren von Wasserdampf. c) H e u s c h n u p f e n Ursache: Der Heuschnupfen (Heufieber) ist eine allergische Krankheit. Der Begriff Allergie wird im allgemeinen Teil der Infektionskrankheiten besprochen. Sie tritt besonders zur Zeit der Weidenblüte im März und während der Gräserblüte vom Mai bis Juni bei disponierten Menschen auf. Ausgelöst wird der Heuschnupfen durch die Reizwirkung der Pollenkörper. Viele Patienten erkranken regelmäßig in jedem Jahr. Symptome: Eine starke Schwellung und Sekretion der Nasenschleimhaut führt zu heftigem Niesreiz. Die Beschwerden können wochenlang fortbestehen. Therapie: Wenn die Ursache bekannt ist, empfiehlt es sich, den Kranken nach Möglichkeit aus dem Bereich der schädigenden Stoffe herauszunehmen: Aufenthalt an der
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Atmungsorgane
See oder im Hochgebirge zur Zeit der Gräserblüte. Zur medikamentösen Behandlung werden antiallergische Mittel und neuerlich Cortisonpräparate verwendet. d) C h r o n i s c h e r S c h n u p f e n Ursache: Der chronische Schnupfen (Stockschnupfen) wird in den meisten Fällen durch anhaltende berufliche Schädigungen, wie Einwirkung von Dämpfen und Gasen, ausgelöst. Er kann zur Hypertrophie oder zur Atrophie der Schleimhaut führen. Symptome: Die Krankheitszeichen sind zunächst die gleichen wie bei der akuten Rhinitis. Therapie: In vielen Fällen wird der Arzt zu einem Arbeitsplatzwechsel raten. Wucherungen müssen operativ entfernt werden. Komplikationen: Durch besondere Krankheitserreger kann es zu einer zerstörenden und austrocknenden Schleimhautentzündung mit Borkenbildung kommen, die durch ihren üblen Geruch gekennzeichnet ist. Die Krankheit wird als Ozaena oder Stinknase bezeichnet. Der unangenehme Geruch wird dem Patienten selbst kaum bewußt, da er mit dem Schwund des Epithels und der Schleimhaut auch seine Riechfähigkeit einbüßt. Therapie: In der Behandlung gilt es zunächst, die Borken zu entfernen. Das geschieht durch lauwarme Kaliumpermanganat- oder Borwasserlösung. Mit antibiotischen Mitteln wird die Eiterung in den meisten Fällen beherrscht. e) N a s e n b l u t e n (Epistaxis) Ursache: Das Nasenbluten (Epistaxis) wird häufig durch äußere Gewalteinwirkung ausgelöst; bei manchen empfindsamen Patienten genügt schon ein heftiges Schnauben. Schwere Infektionskrankheiten können durch ihre Giftstoffe die Nasengefäße so schädigen, daß Blutungen auftreten (z.B. beim Scharlach). Ort des Nasenblutens ist in der Regel der „Locus Kiesselbachi" (Kiesselbach, Hals-Nasen-Ohrenarzt in Erlangen, 1839— 1 9° 2 ). der vorn im Bereich der knorpligen Nasenscheidewand liegt. Therapie: Die Behandlung richtet sich nach dem zugrundeliegenden Leiden. Die Schwester muß sich im Ernstfalle zu helfen wissen: Der Patient wird ruhig gelagert, er soll möglichst nicht schnauben, evtl. Eisblase in den Nacken. Bis der Arzt kommt und die blutende Stelle aufsucht, ist es zweckmäßig, den entsprechenden Nasenflügel gegen die Nasenscheidewand zu drücken. Oft steht die Blutung dann in ganz kurzer Zeit. Der Arzt entscheidet über die weiteren Maßnahmen (Tamponade, Verödung des blutenden Gefäßes). f) K e h l k o p f k a t a r r h (Laryngitis) Ursache: Der Kehlhopfkatarrh ist zumeist eine Teilerscheinung eines katarrhalischen Infektes der oberen Luftwege. Mit dem Laryngoskop (Kehlkopfspiegel) kann der Arzt den Kehlkopf gut übersehen und vorhandene Veränderungen, Entzündungen und Stimmbandlähmungen erkennen. Symptome: Die Stimme ist heiser bis zur Stimmlosigkeit. Der Kranke klagt über Kratzen im Hals und über Hustenreiz. Therapie: Die Behandlung besteht in Stimmruhe. Der Kranke soll heiße Getränke bekommen, feuchtwarme Kompressen auf den Hals und, wenn nötig, hustenstillende Mittel.
Krankheiten im Nasen- und Kehlkopfraum
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g) K e h l k o p f t u b e r k u l o s e Ursache: Die Kehlkopftuberkulose ist häufig eine Begleiterscheinung der Lungentuberkulose. Symptome: Sie ist durch eine chronische Heiserkeit charakterisiert. Bei tiefgreifenden Veränderungen an den Stimmbändern kann die Stimme völlig schwinden. Therapie: Neben strenger Stimmruhe spricht die Kehlkopftuberkulose sehr gut auf tuberkulostatische Mittel an. h) K e h l k o p f g e s c h w ü l s t e Gutartige Geschwülste sind die Polypen. Bösartig ist das Karzinom, das sich im Kehlkopf vorzugsweise an den Stimmbändern entwickelt. Die Therapie besteht in einer möglichst frühzeitigen Entfernung ( = Exstirpation) des Kehlkopfes. B. Physiologie der Atmung Solange ein Organismus oder ein Organ leben, brauchen sie Sauerstoff. Der Mensch entnimmt seiner Nahrung die zum Leben notwendigen Energien. Sie werden unter Verbrauch von Sauerstoff frei. Dieser Vorgang wird als Verbrennung bezeichnet. Durch die Atmung wird dem Körper Sauerstoff zugeführt, eine Aufgabe, die im wesentlichen von den Lungen geleistet wird; daneben kommt auch noch die Haut als Atmungsorgan in Frage (etwa ein Prozent). Als Endprodukte der Verbrennung werden Kohlendioxyd und Wasser ausgeschieden. Man unterscheidet eine äußere und eine innere Atmung. Als äußere Atmung bezeichnet man den Gasaustausch zwischen der äußeren Luft und dem Blut — als innere Atmung den Gasaustausch zwischen dem Gewebe und dem Blut. venös
I
Blut arteriell |
co2
CO, Lunge
5 5,5 8,5 6 8
9 7,5 11 9 6,5 i,5 16,5 18 18
4,5 2
°,5 1 °,5 i,5 1 i,5 1 3.5 i 1 i,5
68
44 14 o,5 7 8,5 6,5 3,5 o,7 ij 30
4 1,2 82
96
100
i,5 1 0 0,5 1 1 1 M 2
°,5 °,5 °,5 0 o,5 °,5 o,5 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0 0
Kohlenhydrate 0 0 3 0 0 0 17,5 0 0 0 o,3 4,7 4,7 3,5 1,8 4,5 4,o °,5 0 0 71 74 82
56,5 45 52 48 69
73 7° 72 76 20,5 45 44,5 40
Kalorien 110 290 TI
5
410
65 5 512 240
75 125 165 85 65 40
165 400 185
95 765
910
93° 35° 345 34° 258
235
230 230 320
35° 335 337 343
90
255
260
245
io,5 5,5 1 5,5 3,5 i,5
60 30
4 4 8,5 7 5,5 7
20 20 40 30 30
2
5 25
15 15 15
35
Magen-Darmkanal
4°
100 g enthalten ohne Abfälle Radieschen Kohlrabi Sellerie Pilze (frisch) i. D Pilze (getrocknct) i. D Milei Hefenährflocken (Waldhof) Äpfel, Birnen i. D Steinobst, Pflaumen u. ä. i. D Apfelsinen (mit Schale gewogen) Zitronen Bananen Dörrobst (Äpfel, Birnen) i. D Feigen Datteln Nüsse (trocken, geschält) i. D Himbeeren, Erdbeeren Weintrauben Marmeladen (mit Zucker gekocht) Honig, Kunsthonig Zucker
Eiweiß
Fett
1 0 i
0 0 0 o,5 1 1 3 0 0 0 0
2 21
32 5° o.5 °>5 o.5 o,5 1 2 2.8 1.6 12 1 o.5 o,5
0 0
0
Kohlenhydrate 3 5 7.5 M 24 5° 30 12 16 12 8 22
Kalorien 15
20
35
20
195 335 350 55 7° 55 7°
96 240 250 300 600 40
0 0 0 56.5 0 0
56 58 72
0
60
250
0 0
79 98
400
6
7 17
75
325
Der Grundumsatz (Ruhenüchternwert) ist der Mindestkalorienverbrauch des Organismus in Ruhe; denn zur Erhaltung lebenswichtiger Vorgänge muß der Körper eine Mindestmenge an Nährstoffen umsetzen. Zur Verbrennung der Nahrungsmittel wird Sauerstoff benötigt. Als „Verbrennung" bezeichnet man in der Ernährungslehre alle Oxydationsprozesse; das sind chemische Reaktionen, bei denen Sauerstoff verbraucht wird. Man kann daher auch die Verbrennungsvorgänge mit Hilfe des Gaswechsels bei der Atmung messen. Die Menge des eingeatmeten Sauerstoffes und des ausgeatmeten Kohlendioxyds (man spricht nicht ganz korrekt auch von Kohlensäure) zeigen das Ausmaß der im Körper ablaufenden Verbrennungsvorgänge an. Das Verhältn s dieser beiden Faktoren zueinander — eingeatmeter Sauerstoff und ausgeatmetes Kohlendioxyd — nennt man den „respiratorischen Quotienten". Bei der Bestimmung des Grundumsatzes ist folgendes zu beachten: Der fieberfreie Patient muß j Tage vor Beginn der Grundumsatzbestimmung eiweißfrei ernährt werden, um die stoffwechselsteigernde Komponente der Eiweiße auszuschalten. Er darf außerdem nicht unter dem Einfluß von Beruhigungsoder Schlafmitteln stehen, und selbstverständlich muß vor dem Versuch auch die geringste körperliche Leistungssteigerung vermieden werden (also auch nicht ins Labor laufen I). Der Patient muß mindestens 12 Stunden vor der Grundumsatzbestimmung nüchtern bleiben. Dann läßt man ihn aus einem geschlossenen, mit Sauerstoff gefüllten Behälter etwa 10 Minuten lang einatmen und fängt die Ausatmungsluft in einem anderen Gefäß auf. An Hand des verbrauchten Sauerstoffes und des ausgeatmeten Kohlendioxyds läßt sich berechnen, wieviele Kalorien bei den Verbrennungsvorgängen im Körper umgesetzt worden sind. Durch eine einfache Rechnung läßt sich dann der entsprechende Tageswert ermitteln.
Ernährung
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Der Grundumsatz ist von bestimmten Faktoren abhängig — von der Größe, vom Gewicht, vom Alter, von der Körpertemperatur, vom Geschlecht und unter anderem auch von der Tätigkeit der Schilddrüse; er ist aber nicht allein abhängig von der Schilddrüsentätigkeit. Man rechnet pro kg Körpergewicht mit einem täglichen Kalorienbedarf von 25 Kalorien •— demzufolge benötigt ein Mensch mit 70 kg Körpergewicht täglich einen Mindestsatz von 1750 Kalorien—-beim Säugling ist der Bedarf dreimal so groß, bei Jugendlichen doppelt so groß. Durch körperliche Arbeit wird der Stoffwechsel gesteigert — so benötigt ein körperlich schwer arbeitender Mann 3000 bis 5000 Kalorien. e) Z u s ä t z l i c h e N a h r u n g s m i t t e l 1. Wasser dient als Lösungsmittel für Nahrungsmittel und Salze. Ohne Wasser wäre ein Transport von Zelle zu Zelle nicht möglich. Der tägliche Bedarf an Flüssigkeit Tabelle des Kochsalzgehaltes der wichtigsten Speisen (mg%) nach Rindfleisch Kalbfleisch Schweinefleisch Aal Flußfische Seefische: Kabeljau Seezunge ölsardinen Kaviar Ei Eigelb Kuhmilch Sahne Butter, ungesalzen Margarine ungesalzen Palmin Quark Gervais, ungesalzen Rahmkäse, ungesalzen Mehle Hafergrütze Haferflocken Reis Mais (Mondamin, Maizena) Zwieback Teigwaren: Nudeln Makkaroni Kartoffeln, geschält Gelbe Erbsen Weiße Bohnen Grüne Erbsen
0,11 0,13
. . . .
. . . . . . .
0,021 0,01—0,06 0,16 0,41 0,12 3.0 0,084 0,03 0,16 0,13 0,69 1,56 0,1 0,002 0,18 °»I3 0,2 —
0,028 0,2 0,006
. . . . . . . .
0,06 0,046 0,067 0,067 0,082 0,1 0,09 0,05
Schall
Blumenkohl Kohlrabi Kohl, sonst Sauerkraut Rüben Rettich Sellerie Salate Tomaten Melone Gurke Zwiebel Spargel Spinat Obst: Kernobst Steinobst Beeren Rosine Backpflaumen Korinthe Nüsse Pilze etwa getrocknet Schokolade Kakao Gewürze: Kapern Maggi Zwiebel Getränke: Bier Lagerbier Weißbier
0,04 0,09 0,06—0,09 0.73 0,06 0,12 0,25 0.13 0,1 0,01 0,07 0,05 0,06 0,21 0,002—o,oj 0,003—o.1 0,001—0,02 0,16 0,08 0,09 0,002—0,1 0,03 0,17 0,07 0,12 0,2 1,8 2,6 0,03 0,016 0,16 0,015
Magen-Darmkanal
4*
beträgt 1500 bis 2000 cm3. Der größte Teil wird als Harn durch die Niere ausgeschieden, ein geringerer Teil durch die Haut, durch die Lunge und mit dem Kot. 2. Mineralien 3. Vitamine.
f) Vitamine
Vitamine sind keine Kalorienträger, sie stellen jedoch lebensnotwendige „Zusatzstoffe" dar. Bei Mangel oder längerem Fehlen treten lebensbedrohliche Störungen auf (Avitaminosen). Es sind fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) und wasserlösliche (B, H und C) zu unterscheiden. Die meisten Vitamine sind nicht kochbeständig •— eine Tatsache, die bei der Zubereitung berücksichtigt werden muß. Vitamin A (auch als Epithelschutzvitamin oder als antixerophthalmisches Vitamin bezeichnet) schützt das Epithel vor Verhornung. Die Verhornung des Epithels der Tränendrüse führt zum Versiegen der Tränensekretion und damit zur Schädigung der Hornhaut. Es kommt zur Blindheit ( = Xerophthalmie). Eine weitere Störung, die bei Fehlen von Vitamin A auftritt, ist die Nachtblindheit, die Unfähigkeit, im Dunkeln zu sehen; sie wird ausgelöst durch Regenerationsstörungen des Sehpurpurs in der Netzhaut. Die Netzhaut ist das Gewebe des menschlichen Körpers, das den höchsten Gehalt an Vitamin A aufweist. Bei längerem Fehlen kann es auch zu Schädigungen anderer Organe kommen, die mit Epithel ausgekleidet sind (z. B. des Scheidenepithels); bei Kindern führt es zur Hemmung des Wachstums. Vitamin A kommt vor im Lebertran, in der Butter, im Eidotter, im Spinat, im Salat und in Tomaten. Eine Vorstufe, das Provitamin A, ist das Karotin in den gelben Möhren. Ein Handelspräparat ist Vogan. Vitamin A ist ein Gegenspieler ( = Antagonist) des Schilddrüsenhormons. Vitamin B — treffender der Vitamin-B-Komplex, da es mehrere gibt. Die ersten Erkenntnisse stammen auch hier aus dem Tierversuch: man gab Hühnern nur polierten Reis; sie bekamen schwere neuritische Störungen (Neuritis = Nervenentzündung) und gingen an Krämpfen und Lähmungserscheinungen zugrunde. Das Vitamin B 1 ( darum handelt es sich hier, ist im Silberhäutchen von unpoliertem Reis enthalten. Wir bezeichnen es auch als antineuritisches Vitamin. In der täglichen Nahrung findet es sich u. a. im Vollkornbrot. Eine Mangelerkrankung von B j ist die Beri-Beri, die zuerst in Ostasien beobachtet wurde, wo sich ein großer Teil der ärmeren Bevölkerung überwiegend von poliertem Reis ernährte. Zugeführt wird B j dem Körper in Hefe- und Malzextrakten, in der Leber und in Hülsenfrüchten (medikamentös mit exakt dosierten Handelspräparaten). Beim Menschen sind die Symptome des Vitamin-B ^Mangels die gleichen, wie sie bei den Versuchstieren geschildert wurden: neuritische Störungen, später Ödeme und schwere Veränderungen der Herzfunktion. Im Blut zeigt sich eine Lipämie (Verfettung des Blutes).
Ernährung
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Die Pellagra ist eine Erkrankung, die bei Mangel an B 2 und B 6 auftritt und durch Hautveränderungen, Haarschwund, Durchfall und schließlich durch seelische Veränderungen charakterisiert ist. Bei Fehlen von B 2 ( = Laktoflavin) kann es zu Wachstumsstörungen kommen; daher auch WachstumsvitaminI Die Vitamine B 2 und B e befinden sich in Getreidekeimlingen und in der Leber. Von großer Bedeutung im menschlichen Organismus ist schließlich noch das B 1 2 , ein Reifungsfaktor der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), über das beim Besprechen der Bluterkrankungen noch eingehend zu berichten sein wird. Vitamin B 1 2 ist in der Medizin bekannt als der „Antiperniziosafaktor". Vitamin C, antiskorbutisches Vitamin, ist außer für den Menschen nur bei zwei Tieren von Bedeutung: beim Affen und beim Meerschweinchen. Andere Tiere, z. B. Ratten, Hunde und Vögel können Vitamin C selbständig in der Leber aufbauen — sie brauchen es nicht in der Nahrung aufzunehmen. Bei Fehlen von Vitamin C in der Nahrung kommt es zum Skorbut: Zahnfleischblutungen, Haut- und Schleimhautblutungen und Herzstörungen durch Blutungen im Herzmuskel. Bei Säuglingen führt der Mangel an Vitamin C zu Blutungen unter die Knochenhaut, unter das Periost (Möller-Barlowsehe Krankheit). Folgezustände bei Mangel von Vitamin C: Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, allgemeine Leistungsschwäche und Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten. Skorbut trat früher häufig bei langen Seereisen, bei arktischen Expeditionen und immer dann auf, wenn der Körper lange Zeit mit konservierten Nahrungsmitteln ernährt wurde. Im Körper des Menschen findet sich Vitamin C in den hormonbildenden Organen, in der Hypophyse, in der Nebenniere und im Gelbkörper der Eierstöcke; daraus schließt man, daß es wahrscheinlich zur Bildung dieser Hormone notwendig ist. Der tägliche Bedarf des menschlichen Organismus liegt bei 30 bis 50 mg. Es kommt u. a. vor in Zitronen, Orangen, Grapefruits, Tomaten, Hagebutten, Kartoffeln und in fast allen Gemüsen. Beim Tier finden wir es in der Nebenniere in gespeicherter Form. Pharmazeutische Präparate gibt es in größerer Zahl. Vitamin D = antirachitisches Vitamin. Bei Mangel dieses Vitamins in der Nahrung kommt es zur Rachitis. Diese Störung tritt vorwiegend im Wachstumsalter des Kindes in Erscheinung; es kommt zu einer Störung des Längenwachstums der Knochen und zu einer Hemmung der Verkalkung an der Knorpel-Knochengrenze. Auf Grund einer Entmineralisierung (Fehlen von Kalzium und Phosphor) der Knochen werden sie unter der Last des Körpergewichtes weich und verbiegen sich. Am übrigen Knochensystem kommt es auch zu Veränderungen: der rachitische Rosenkranz an den Rippen, die Harrisotisc\\& Furche am Brustkorb und das rachitische Becken, das bei Geburten eine besondere Komplikation darstellen kann. Auch beim Erwachsenen kommt es beim Fehlen von Vitamin D zu Knochenveränderungen, zur Osteomalazie (Knochenerweichung). Das osteomalazische Becken spielt in der Geburtshilfe eine Rolle. Beim Vitamin D besteht die Gefahr einer Überdosierung (Hypervitaminose). Durch künstliche Überdosierung können vorzeitige Verkalkungen der Gefäße des Herzens und der Niere auftreten. Chemisch gibt es mehrere Vorstufen, Provitamine, die durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht (Sonnenlicht) zum Vitamin D werden. Das wichtigste dieser Provitamine ist das Ergosterin, das aus dem in allen Körper-
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Magen-Darmkanal
Zellen vorhandenen Cholesterin entsteht. Daher müssen kleine Kinder, falls ärztlicherseits keine Gegenindikation besteht, einer vernünftig dosierten Sonnenbestrahlung ausgesetzt werden. Das Vitamin ist hitzebeständig und leicht fettlöslich. Mit der Muttermilch erhält der Säugling sein notwendiges Vitamin D. Es kommt ferner vor im Lebertran (hierbei entstammt das Vitamin D den Meeresalgen), in der Milch, in der Butter, im Eigelb u. a. im Bückling. Ein Medikament, das Vitamin D in konzentrierter Form enthält, ist das Vigantol. Es muß vorsichtig und unter ärztlicher Kontrolle gegeben werden. Es kann sonst zu unerwünschten Kalkablagerungen kommen. Vitamin E = Antisterilitätsvitamin. Das Wissen über dieses Vitamin erstreckt sich bis heute im wesentlichen auf Erkenntnisse im Tierreich. Die Honigbiene wird nur dann Königin, wenn sie dieses Vitamin E besitzt; bei Ratten führt das Fehlen zum Ausfall der Geschlechtsfunktionen, zum Muskelschwund und schließlich zu Lähmungen. — Bei Pflanzen ist es zum Austragen der Frucht notwendig. Vitamin H wird in der Niere und in der Leber gespeichert. Ohne Vitamin H kommt es, vorwiegend bei Kindern, zu einer Erkrankung der Haut und der Talgdrüsen: zur Seborrhoe. Es nimmt unter den Vitaminen eine Sonderstellung ein, weil es weder wasser- noch fettlöslich ist, und erst nach vorhergehender Eiweißverdauung im Darm freigelegt wird. Daher muß es bei Störungen im Eiweißstoffwechsel zu Resorptionsstörungen des Vitamin H und dadurch zu Hauterkrankungen kommen. Chemisch ist bis heute über dieses Vitamin noch recht wenig bekannt. Es ist in Getreidekeimlingen enthalten. Vitamin K ist als blutungshemmender Faktor bekannt und spielt im Leberstoffwechsel eine wichtige Rolle. Unter seinem Einfluß wird Prothrombin gebildet, das in der Blutgerinnung eine wesentliche Vorstufe darstellt (s. dort). Es wird dem Patienten bei Leberschäden und vor Gallenblasen- und Leberoperationen gegeben, um eine Blutungsgefahr zu verhüten. Der Vitamin-K-Test ist als Leberfunktionsprobe von Bedeutung. Das Vitamin wird von Darmbakterien gebildet und nur dann ausreichend resorbiert, wenn der Galleabfluß in den Darm intakt ist, da es fettlöslich ist. 2. Physiologie der Verdauung (Die Lehre von den normalen Verdauungsvorgängen) a) Speichel b) Magensaft e)
c) Pankreassaft d) Galle Darmsaft
Die Verdauung hat den Zweck, die Nahrungsstoffe in einfache, aufnahmefähige Spaltprodukte zu zerlegen. Das geschieht auf dem Wege von der Mundhöhle bis zum Dünndarm in verschiedenen Etappen und unter der Einwirkung von Fermenten. Sie gehören zu den Katalysatoren, jenen Stoffen, die durch ihre bloße Anwesenheit einen chemischen Vorgang hemmen oder beschleunigen können. Bei organischen Vorgängen nennt man sie Fermente. Ein Ferment ist ein Wirkstoff, der in einen Verdauungsvorgang eingreift, ihn in entscheidender Weise beeinflußt, selbst aber nicht verändert wird, sondern am Ende dieses physiologisch-chemischen Vorganges un-
Physiologie der Verdauung
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verändert erscheint. So entstehen unter der Wirkung von spezifischen Fermenten aus den Eiweißen Aminosäuren, aus den Polysacchariden Monosaccharide und aus den Fetten Fettsäuren und Glyzerin. Die Bausteine der Kohlenhydrate und Eiweiße werden, nachdem sie von der Darmwand aufgenommen worden sind, auf dem Blutwege, Fettsäuren auf dem Lymphwege transportiert. a) S p e i c h e l In der Mundhöhle wird mit Hilfe der Zähne die Nahrung mechanisch zerkleinert, d.h. ihre Oberfläche wird vergrößert, wodurch sie den verschiedenen Wirkstoffen eine bessere Angriffsmöglichkeit bietet. Gleichzeitig wird beim Kauen die Speise mit Speichel vermischt, schlüpfrig gemacht und mit Ferment und Schleim gemischt. Täglich werden etwa 1 1 / 2 l Speichel im Mund gebildet. Er enthält das Sekret von drei großen, paarigen Drüsen, die mit ihren Ausführungsgängen in der Mundhöhle enden: die Ohrspeicheldrüse, die Unterzungen- und Unterkieferdrüse. Die Parotis ( = Ohrspeicheldrüse) ist eine sog. „Eiweißdrüse", die überwiegend Fermente liefert, während die beiden anderen, weil sie mehr Schleim liefern, als „Schleimdrüsen" bezeichnet werden. Die Sekretion dieser Drüsen setzt reflektorisch ein. „Das Wasser läuft im Munde zusammen" — beim Anblick oder bei der Vorstellung einer besonders leckeren Speise. Neben Ptyalin, Maltase und Schleim sind im Speichel noch Lymphozyten, Leukozyten, abgeschilferte Epithelien, Bakteien, Speichelkörperchen und Salze, wie Natrium, Kalium, Kalzium und Rhodan vorhanden. Rhodan soll eine bakterientötende Wirkung haben. Durch Adrenalin wird die Sekretion angeregt, durch Atropin gehemmt. Die mit Speichel vermischte und zerkleinerte Nahrung gelangt beim „Schlingakt" in den Magen. Hier wirkt das Ptyalin weiter auf die Kohlenhydrate ein, bis auch die inneren Schichten des Speisebreis sauer werden. Speichel enthält kein eiweißund kein fettspaltendes Ferment. Speichel:
Ferment:
Wirkung (im alkalischen Milieu):
1. Ptyalin 2. Maltase
Stärke ( = Polysaccharid) wird in Maltose gespalten ( = Disaccharid), Maltose wird weiter abgebaut zum Traubenzucker ( = Monosaccharid).
b) M a g e n s a f t Täglich werden etwa i1/2 l Magensaft produziert, der aus Salzsäure (0,4 bis 0,6%; das Chlor wird dem NaCl des Blutes entnommen), Muzin (Schleim), Fermenten (Pepsin) und Salzen besteht. Im Magensaft des Säuglings findet man Labferment, ebenfalls im Kälbermagen. Lab spaltet das Milcheiweiß, Kasein, in Parakasein und Molkeneiweiß (Gerinnung) 1 ). Die Salzsäure wird von den Belegzellen der Fundusdrüsen gebildet. Sie hat verschiedene Aufgaben in der Verdauung: 1.
Quellung und Denaturierung der Eiweiße, die dadurch für Fermente leichter angreifbar werden.
2. Aktivierung des Pepsinogens, einer Vorstufe des eiweiß wirksamen Fermentes Pepsin. Dann wirkt sie 3.
antiseptisch und übt
4.
eine Wirkung auf den Pylorusverschluß (Magenschließmuskel) aus.
' ) Das Molkeneiweiß wird bald in den Dünndarm weiterbefördert, während das ausgefällte Parakasein im Magen verbleibt und der Fermentwirkung zugänglich ist. F ü r den Säugling ist die Labgerinnung v o n größter Bedeutung, da er noch keine Salzsäure bilden und somit kein Pepsin aktivieren kann.
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Magen-Darmkanal
Nach der Nahrungsaufnahme wird ein Teil der Salzsäure (HCl) an Eiweiße gebunden. Wir bestimmen chemisch die „freie" und die „gebundene" Salzsäure; beide stehen in einem bestimmten Mengenverhältnis zueinander. Gesamtsalzsäure (Gesamtazidität)
Eiweiß + HCl ( = gebundene HCl)
HCl ( = freie HCl)
Magensonde — Zwölffingerdarmsonde Um über die Magensaftverhältnisse ein klares Bild zu gewinnen, wird der Magen des nüchternen Patienten ausgehebert. 1. Die einfache Magenaushebertmg zeigt, welche Saft- und Schleimmengen beim nüchternen Patienten im Magen vorhanden sind. In manchen Fällen genügt es dem Arzt zu wissen, ob Salzsäure vorhanden ist. 2. Beim Probefrühstück nimmt der Patient nüchtern eine trockene Semmel und einen halben Liter Tee zu sich; 20 Minuten später wird der gesamte Mageninhalt mit einem dicken Magenschlauch ausgehebert und filtriert, um die Speisereste zurückzuhalten; der Magensaft wird dann titriert. ). In der inneren Medizin ist die „fraktionierte Aushebung", die Vermilsonde, die am häufigsten angewandte Methode, um sich ein klares Bild über die Magensaftverhältnisse zu schaffen. Man läßt den Patienten einen dünnen Schlauch schlucken. Zunächst wird in io Minuten Abstand jeweils der gesamte Nüchternsaft abgezogen — dann wird der Coffeinprobetrunk (300 ccm Wasser -f- 0,2 g Coffein pur., zur Kontrolle ist er mit Methylenblau angefärbt) als Reizlösung eingegeben; anschließend werden alle 10 Minuten 10 bis 15 ccm Magensaft abgezogen, bis der gewonnene Magensaft farblos geworden ist, d. h., die angefärbte Reizlösung den Magen verlassen hat. Der nun produzierte farblose, reine Magensaft wird alle 10 Minuten in ganzer Menge abgezogen und später ebenfalls titriert. 4. Bei der Duodenalsondierung wird der dünne Schlauch nach Einführung in den Magen bei Rechtslage des Patienten durch den Pförtner weiter in den Zwölffingerdarm geführt (90 cm). Der gewonnene Duodenalsaft wird auf Gallenfluß, Gallenfarbstoffgehalt (Galle I und Galle II) und nach Ätherreflex auf Pankreassaft (Pankreas = Bauchspeicheldrüse) untersucht. Der Gallenblasenreflex wird mit Magnesium sulfuricum, Eigelb, Hypophysin oder Olivenöl, der Pankreasreflex mit Äther ausgelöst. Ätherreflex. 4 ccm Narkoseäther werden in 2 Portionen zu je 2 ccm, getrennt durch eine Injektion von 5 ccm Luft, durch die Verweilsonde eingespritzt. Danach tritt, auch bei einer gesunden Bauchspeicheldrüse, nach 1 bis 2 Minuten ein heftiger Schmerz auf, der aber nach wenigen Minuten abklingt. Liegt keine Pankreasstörung vor, so fließt nach 5 bis 10 Minuten eine hellgelbe Flüssigkeit ab, die vermehrt Pankreasfermente enthält ( = positiver Ätherreflex). Bleibt dieser Reflex aus, so liegt der Verdacht einer entzündlichen Pankreasstörung oder einer mechanischen Abflußbehinderung nahe. Auf der Höhe des Ätherreflexes werden 2 bis 4 ccm des abfließenden Sekretes entnommen und im Labor untersucht. Nach Möglichkeit soll man von einer Sondierung des Magens oder des Zwölffingerdarms absehen, wenn in diesem Bereich ein Karzinom oder ein blutendes Geschwür wahrscheinlich ist. Zeigt sich bei der Sondierung hellrotes Blut, muß die Untersuchung abgebrochen werden. Folgende Abweichungen vom normalen Salzsäuregehalt im Magensaft sind zu unterscheiden: 1. Hyperazidität, wie sie häufig beim Magengeschwür erkennbar ist (Hyperazidität = Zuviel an Salzsäure). 2. Anazidität, die in den meisten Fällen von Magenkrebs beobachtet wird (Anazidität = Fehlen an Salzsäure). }. Achylie, das völlige Fehlen von Fermenten und HCl ist für die Anaemia perniciosa typisch. 4. Hypazidität ( = Subazidität) zu wenig Salzsäure.
Physiologie der Verdauung
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Pepsin ist das eiweißspaltende Ferment des Magens, das die Eiweiße bis zu den Peptonen aufschließt. Die Hauptzellen im Magenanfangsteil (Fundus) bilden das Pepsinogen, das durch die Salzsäure aktiviert wird. Im Magen werden die Peptone noch nicht in die kleinsten Bausteine der Eiweiße, in die Aminosäuren aufgespalten. Die Absonderung des Magensaftes erfolgt auf verschiedene Reize: 1. Psychisch — durch die Vorstellung, den Anblick oder den Geruch eines besonders leckeren Gerichtes läuft das „Wasser im Munde und Magen zusammen". Der äußere Reiz wird über die Großhirnrinde und von dort über den Nervus Vagus geschaltet und löst so die Sekretion des „Appetitsaftes" aus (J?awloTVsehe Scheinfütterungsversuche an Hunden; Pawlow, Physiologe in Petersburg, 1849—1936).
2. Chemisch — durch Kochsalz, Alkohol, Coffein, Gewürze, Fleischextrakt u. a b e i direkter Berührung dieser Saftlocker mit der Magenschleimhaut bildet sich „Freßsaft". 3. Reiz der Magensaftsekretion durch subkutan injiziertes Histamin (Histamin = körpereigener Stoff, der im Darm gebildet wird).
Abb. 7. Bauchspeicheldrüsengang und Lebergänge münden im Bereich der K i r s c h e n Papille {Vater: Anatom in Wittenberg 1684—1751) in den Zwölffingerdarm
Abgesehen von der Verdauungsarbeit erfüllt der Magen noch weitere Funktionen als Vorratskammer, als Schutzorgan des Darmes, in dem später die eigentliche Aufnahme in den Körper vor sich geht (Resorption). c) P a n k r e a s s a f t Täglich produziert der Körper 1 bis iV 2 l Bauchspeicheldrüsensaft ( = Pankreassekret), dessen chemische Reaktion alkalisch ist. Die Bauchspeicheldrüse, die wichtigste Verdauungsdrüse des menschlichen Organismus, liefert folgende Fermente: 1. Trypsin, ein Fermentgemisch zur Weiterspaltung der Peptone. Es kann sämtliche Eiweißstufen spalten bis zu den Aminosäuren. 2. Diastase und Maltase, zur Verdauung der Kohlenhydrate bis zu den Monosacchariden. 3. Lipase ( = Steapsin), das Hauptferment zur Fettverdauung. Bei Vorhandensein von Gallensäuren spaltet sie die Nahrungsfette in Glyzerin und Fettsäure.
Magen-Darmkanal
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Wie a r b e i t e t die B a u c h s p e i c h e l d r ü s e ? Bei Übertritt des sauren Mageninhalts in den Zwölffingerdarm ( = Duodenum) kommt es zu einer kräftigen Pankreassekretion: das Prosekretin der Darmschleimhaut wird durch Salzsäure zu Sekretin aktiviert. Das Sekretin gelangt auf dem Blutweg ins Pankreas und löst dort die Sekretion aus. d) G a l l e Der menschliche Körper bildet täglich einen Liter Galle (Reaktion alkalisch). Galle ist das Sekret der Leberzellen, das sich mit dem Pankreassaft in den Zwölffingerdarm ergießt. Galle enthält keine Fermente! Bestandteile: 1. 2. 3. 4.
Muzin (Schleim) verleiht der Galle eine fadenziehende Konsistenz. Gallenfarbstoffe: Bilirubin und Biliverdin (Oxydationsprodukt). Gallensäuren. Cholesterin, Lezithin und Salze.
Z u 2. Der Blutfarbstoff der zerfallenen Blutkörperchen kann nicht zum Wiederaufbau neuer Blutkörperchen verwandt werden. E r wird als Abfallprodukt in Form von Gallenfarbstoffen ausgeschieden. Sie haben für die Verdauung keine Bedeutung (wichtiges Diagnostikum!). Im Darm etsteht durch Bakterientätigkeit Urobilinogen, das zum größten Teil im K o t ausgeschieden, z. T . aus dem Darm resorbiert (resorbieren = zurückschlürfen) und im Urin ausgeschieden wird. Ein dritter Teil wird zur Leber rückresorbiert und wieder zu Bilirubin verarbeitet. Die Farbe des Kotes ist bedingt durch Sterkobilin, einem Farbstoff, der aus Bilirubin entsteht. Z u 3. Cholesterin und Lezithin stammen auch aus den in der Leber zugrunde gegangenen Erythrozyten. Sie werden ebenfalls als Abfallprodukte in der Galle ausgeschieden. Z u 4. Die Gallensäuren sind v o n der Galle die allein spezifisch wirksamen Bestandteile. Die wichtigsten Gallensäuren sind die Cholsäure, die Desoxycholsäure und die Lithocholsäure.
W i r k u n g der G a l l e n s ä u r e n im O r g a n i s m u s Obgleich die Galle keine Fermente enthält, hat sie doch wichtige Verdauungsfunktionen zu erfüllen: 1. Die Oberflächenspannung wird niedriger, und somit werden die Fette für die Yerdauungsfermcnte besser angreifbar. Die Gallensäuren verbinden sich mit den Fettsäuren zu wasserlöslichen Choleinsäuren 2. Aktivierung der Pankreaslipase, die die Fette verseift. 3. Die Gallensäuren ermöglichen die Aufnahme der Fette aus dem Darm in die Lymphgefäße. Danach werden die Gallensäuren abgespalten und wieder der Leber zugeführt (Aufnahme ohne Gallensäuren nicht möglichl).
Folgen einer gestörten
Gallenabsonderung
Zunächst leidet die Fettverdauung, besonders ihre Aufnahme aus dem Darm. Dann wird auch der Eiweißstoffwechsel gestört, weil die unverdauten Fette die Eiweißbausteine umhüllen und dadurch ihre restliche Aufspaltung verhindern (stinkende Fettstühle). Außerdem gehen bei Stauung der Galle die Gallenfarbstoffe ins Blut über: Gelbsucht. Urobilin und Urobilinogen fehlen im Harn, wenn keine Galle in den Darm fließt. Braunfärbung des Urins ist durch Bilirubin bedingt, der Stuhl wirkt durch das Fehlen von Sterkobilin grau = farblos. Man spricht von einem acholischen Stuhl.
Der intermediäre Stoffwechsel (Zwischenstoffwechsel)
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e) Darmsaft Die Hauptverdauung findet im Dünndarm statt. Die Darmwand selbst liefert auch Fermente (Erepsin, Diastase), die in ihrer Bedeutung jedoch hinter den übrigen Fermenten zurücktreten. Der Darmsaft wird von den Brmnerschen und den Lieberkähnschen Drüsen (Brunner, 1653—1727; Lieberkähn, Arzt in Berlin, 1711—1756) im gesamten Dünndarm geliefert. Der Speisebrei wird durch die Bewegungen des Darms mit den verschiedenen Verdauungssäften gut vermischt, Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße werden in ihre kleinsten Bausteine aufgespalten. Die Yerdauungsvorgänge sind im Dünndarm abgeschlossen. Der Rest der Nahrungsbestandteile, die nicht zur Resorption kommen, besteht hauptsächlich aus Wasser, Schleim, Epithelien und unverdaulichen Nahrungsresten. Die Stoffe werden im Dickdarm durch Einwirkung von Bakterien in Kot umgewandelt und dann auf natürlichem Wege unter Beimischung von Urobilinogen und Sterkobilin aus dem Körper ausgeschieden. Ein Dickdarmsekret gibt es nicht. Die Dickdarmschleimhaut liefert lediglich Schleim. Eine vorwiegend pflanzliche Nahrung liefert viele Schlacken — daher „schlackenreiche Kost". Sie enthält unverdauliche Zellulose, die die Darmtätigkeit anregt. Bei krankhaften Voraussetzungen kann es im Darm zu Gärungs- und Fäulnisprozessen kommen. Gärung entsteht durch die Spaltung N-freier Verbindung in einfache Stoffe unter Mitwirkung von Mikroorganismen, Fäulnis beim Abbau N-haltiger Substanzen. 3. Der intermediäre Stoffwechsel (Zwischenstoffwechsel) a) Resorption der Kohlenhydrate
h) Resorption der Fette
c) Resorption der Eiweiße
Nach der fermentativen Aufspaltung der Nahrungsstoffe ist die 1. Phase des Stoffwechsels beendet. Es beginnt ihre Aufsaugung durch die Darmwand. Diese „Resorption" geht z. T. mit dem Spaltungsprozeß parallel. Das Hauptorgan der Resorption ist der obere und mittlere Dünndarm. Die Frage nach den Kräften, die für das Zustandekommen der Resorption verantwortlich sind, ist viel diskutiert worden und auch heute noch umstritten. Sie ist nicht nur als eine einfache Filtration vom Darmvolumen in die Blutbahnen und Lymphbahnen zu verstehen; sicher schaltet sich auch die Darmwand selbst aktiv in diesen Prozeß ein. Die gespaltenen Nahrungsstoffe werden vom Körper auf zweierlei Weise verwandt. Bei sofortigem Bedarf werden sie auf dem Blut- oder Lymphwege den entsprechenden Körperteilen zugeführt und dort verbrannt. Über die freiwerdenden Energien kann der Körper sofort verfügen. Besteht für den Körper kein sofortiger Bedarf, werden die aufgenommenen Stoffe in Depots abgelagert. a) R e s o r p t i o n der K o h l e n h y d r a t e Sie ist erst nach Aufspaltung in ihre einfachsten Bausteine, die Monosaccharide, möglich. Sie gelangen in einem komplizierten chemischen Vorgang durch die Pfortader in die Leber. Hier findet unter Mitwirkung von Insulin, dem Inkret der Bauchspeicheldrüse, der Aufbau von Monosacchariden1) zu Glykogen statt. Glykogen wird in der 1
) Glukose, Fruktose, Galaktose, Mannose. D i e t r i c h , Bd. I
4
Magen-Darmkanal
5°
Leber und in der Muskulatur als Depot abgelagert. Es dient als Energiequelle und wird bei Bedarf durch das Nebennierenhormon — Adrenalin — wieder mobilisiert und abgebaut. Der Blutzuckerspiegel zeigt den Gehalt des strömenden Blutes an Zucker. Er ist im wesentlichen konstant: 60 bis 120 mg%. Ein komplizierter Regulationsmechanismus sorgt auch in extremen Fällen, bei großer Zufuhr von Kohlenhydraten und bei anstrengender Muskeltätigkeit, für seine Konstanz. Bei erhöhter Kohlenhydrataufnahme wird Glukose1) zu Glykogen aufgebaut. Diese Aufbauvorgänge werden in der Ernährungsphysiologie ganz allgemein als „Assimilation" bezeichnet. Bei gesteigerter Muskelarbeit veranlaßt das Adrenalin die Leberzellen zum Abbau von Glykogen zu Glukose. Die chemischen Vorgänge, die zum Abbau von Stoffen führen, nennt man „Dissimilationsprozesse". Die Regulierung dieses komplizierten Mechanismus erfolgt über das im Zwischenhirn gelegene Zuckerzentrum.
Milchsäure (ausgeschieden als C 0 2 u. HsO)
Glykogen (Monosaccharide)
Abb. 8
Vorwiegend durch Verbrennung von Zucker deckt der Körper seinen Energiebedarf. Die Leber ist in sämtliche Stoffwechselvorgänge, nicht nur in den Zwischenstoffwechsel der Kohlenhydrate, sondern auch in den der Eiweiße und Fette eingeschaltet. Ihre völlige Entfernung führt in kürzester Zeit zum Tode. b) R e s o r p t i o n der Fette Die Fette werden, wie bereits beschrieben, in Glyzerin und Fettsäuren aufgespalten. Mit Hilfe der Gallensäuren werden die Fettsäuren resorbiert und gelangen über die Chylusgefäße (Chylus=Darmlymphe) und den Ductus thoracicus (Milchbrustgang) in den venösen Kreislauf. Neben ihrer Funktion als Reserve- und EnergiestofF dienen sie dem Wärmeschutz des Körpers. Es gibt Depot- und Organfette. Das Depotfett wird in erster Linie in den Zellen des Unterhautzellgewebes abgelagert, um die Nieren, um die Bauchspeicheldrüse, im Mesenterium (= Dünndarmgekröse) und im großen Netz. Bei Bedarf wird das Depotfett mobilisiert, und es gelangt zur Verarbeitung in die Leber. Das Zell- oder Organfett ist ein unentbehrlicher Bestandteil jeder Zelle, das auch in Hungerzeiten kaum angegriffen wird. Die Fette werden nach dem Prinzip der „ßOxydation" zu C0 2 und H 2 0 abgebaut (s. S. 54). ZumVerständnis späterzu beschreibender ') = Dextrose = Traubenzucker.
Erkrankungen des Stoflwechsels
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Stoffwechselstörungen ist es wichtig zu wissen, daß dabei /S-Oxybuttersäure, Azetessigsäure und Azeton entstehen. Dieser stufenweise erfolgende Abbau ist eng an den Abbau der Kohlenhydrate gekoppelt. c) R e s o r p t i o n der E i w e i ß e Die bei der Verdauung aus dem Eiweiß entstehenden Aminosäuren werden resorbiert und auf dem Blutwege den Körperzellen, hauptsächlich der Leber zugeführt, wo sie zu „körpereigenem Eiweiß" aufgebaut werden. Die Eiweiße dienen vornehmlich dem Aufbau und der Erhaltung der Körperzellen. Beim Erwachsenen gibt es kein Organ, das Eiweiß in nennenswerter Menge speichern könnte. Daher ergibt sich die dringende Forderung nach dem „täglichen Eiweißminimum" in der Nahrungsaufnahme. Beim Abbau der Eiweiße entstehen Aminosäuren und Fettsäuren; letztere werden wie die übrigen Fettsäuren zu COa und H a O abgebaut und ausgeschieden. Was geschieht beim Eiweißabbau mit dem Stickstoff (N) im Organismus ? Zunächst erscheint er als Ammoniak, der in der Leber z. T. zu Harnstoff verarbeitet und durch die Niere im Harn ausgeschieden wird. Ein kleinerer Rest des Ammoniaks dient zur Neutralisation von Säuren im Körper, die im Verdauungsprozeß entstehen; es wirkt also entgiftend. Beim Menschen, bei Säugetieren und Fischen ist Harnstoff das Endprodukt des Aminosäurestoffwechsels, bei Vögeln, Reptilien und Wirbellosen ist es die Harnsäure. Eiweiße Trypsin Aminosäure
Fettsäuren
N H j (Ammoniak)
Oxydation - bei Zuckerharnruhr
f Harnstoff (Mensch)
Azetonkörper (Kohlendioxyd u. Wasser)
Harnsäure (Vögel)
4. Erkrankungen des Stoffwechsels a) Zuckerkrankheit (Diabetes rühr, Pankreasdiabetes)
mellitus,
Zuckerharn-
b)
Gicht
Zuckerkrankheit Ursache: Nach Entfernung oder bei Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse werden Blut und Gewebe mit Zucker überschwemmt (Hyperglykämie), und es wird Zucker im Harn ausgeschieden (Glykosurie). Der Grund hierfür liegt in der fehlenden oder mangelnden Produktion des Insulins durch die Langerhansschen Inseln in der Bauchspeicheldrüse1). Die Leber ist außerstande, aus den durch die Darmwand aufgenomLangerhans,
Pathologe in Madeira, 1847—1888. 4'
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Magen -Darmkanal
menen Monosacchariden, den einfachen Zuckern, den Speicherstoff Glykogen aufzubauen. Wir bezeichnen dieses Krankheitsbild als Zuckerharnruhr, Diabetes mellitus. Er befällt vorwiegend Menschen im mittleren Lebensalter und Männer häufiger als Frauen; aber auch Jugendliche und Kinder können erkranken. Im Orient und den Mittelmeerländern tritt die Zuckerharnruhr besonders häufig auf. Die Anlage, sogar zur Schwere der Erkrankung, ist erblich; es können aber auch gelegentlich Infekte oder im Alter verkalkende Gefäßprozesse als Ursache der Zuckerharnruhr in Betracht kommen. Das Insulin ist das Inkret der Bauchspeicheldrüse. Es ist heute unbestritten, daß auch die anderen hormonbildenden Organe, allen voran die Hypophyse, Einflüsse auf das Pankreas ausüben. („Inkrete" sind Stoffe, die von den Drüsen direkt ins Blut abgegeben werden. Im Gegensatz hierzu bezeichnet man als „Sekrete" Absonderungen, die dem Körper durch Drüsenausführungsgänge zugeleitet werden.) Die Grundlagen für die Untersuchungen der Zuckerharnruhr legten die beiden deutschen Kliniker von Mehring und Minkowski. Schon 1889 entfernten sie beim Meerschweinchen die Bauchspeicheldrüse und untersuchten dann den Kohlenhydrat-Stoffwechsel. Zül^er gelang es 1908 als erstem, einen Wirkstoffaus dem Pankreas zu extrahieren. 1 9 2 2 konnten Best und Banting in Amerika einen reineren Extrakt darstellen, den sie Insulin nannten. E s war eine gute Tat, daß sie sofort und ohne Vorbehalt ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten und sie allen Menschen in der ganzen Welt zugänglich machten. Chemisch betrachtet ist Insulin ein Eiweiß, das durch Fermente, wie jeder andere Eiweißkörper abgebaut wird. Daher kann man es bis heute nur parenteral ( = unter Umgehung des Magendarmkanals; in diesem Falle: intravenös, intramuskulär, subcutan) verabreichen; am häufigsten wird es subcutan gespritzt. Eine „Internationale Insulineinheit" ist jene Menge, die den Blutzucker eines 2 K i l o schweren, nüchternen Kaninchens in drei Stunden auf 45 m g % herabsetzt ( =
Krampfgrenze. Normaler Blut-
zuckerspiegel des Menschen: 80 bis 1 2 0 m g % ) .
Symptome: Hat sich die Stoffwechselentgleisung im Zuckerhaushalt bis zu einer gewissen Höhe entwickelt, so klagen die Patienten über ein starkes Durstgefühl, über allgemeine Mattigkeit und Unlust, über Depression und Abmagerung infolge mangelhafter Ausnutzung der Kohlenhydrate; manche auch über anhaltende Nervenschmerzen, Haarausfall oder Neigung zu Eiterungen. Die Harnmengen sind stark vermehrt; 3000 bis 8000 cm 3 in 24 Stunden sind keine Seltenheit. Die in einem Tage im Urin ausgeschiedenen Zuckermengen schwanken zwischen wenigen und über hundert Gramm, wovon die Erhöhung des spezifischen Gewichtes des Harnes abhängt. Bei Fortbestehen der Krankheit kommt es zum Schwinden des Leber- und Muskelglykogens. Aus therapeutischen und prognostischen Gründen unterscheidet man, je nach Schwere der Erkrankung, verschiedene Formen: die leichte, die mittelschwere und die schwere Form des Diabetes mellitus. Maßgebend für diese Einteilung ist nicht die in 24 Stunden im Urin ausgeschiedene Zuckermenge, nicht die Höhe des Blutzuckerspiegels, sondern die Frage, ob und bei welcher Diät sich der Patient zuckerfrei halten läßt. Und wenn er zuckerfrei ist, bei welcher Kohlenhydratmenge er zuckerfrei gehalten werden kann (Toleranzgrenze). Diese „Einstellung" erfolgt am besten in einem Krankenhaus. Man kann dabei so vorgehen, daß man mit einem Gemüsetag beginnt, wodurch die allgemeine Stoffwechsellage gebessert wird. Dann reicht man eine kalorisch berechnete Kost, in der 1 bis 3 g Kohlenhydrat je kg Körpergewicht des Patienten, 1 g Eiweiß je kg und so reichlich Fett enthalten sind, daß der Kalorienbedarf ohne Überschuß gedeckt wird. Ein besonders geeignetes Kohlenhydrat sind Haferflocken, da sie langsam verwertet werden und den Zuckerhaushalt nur wenig belasten. Bei günstiger Stoffwechsellage
Erkrankungen des Stoffwechsels
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kann die Kohlenhydratmenge bis zur Toleranzgrenze erhöht werden. Gelegentlich wird der Begriff der Zulage verwendet, wobei 1 2 g K h = 13 g Zucker = 20 g Weißbrot = 2 5 g Graubrot = 5 0 bis 60 g Kartoffeln entsprechen. Die Zulagen können gegen andere Nahrungsmittel ausgetauscht werden. Austauschtabelle Eine Zulage = = = = = =
= = = = =
13 g Zucker 20 g Weißbrot (eine dünne Scheibe eines 1000 g Brotes) 25 g Vollkorn-, Graham-, Schwarz-, Schrotbrot oder Pumpernickel 1 5 g Zwieback 1 5 g Weizen- bzw. Roggenmehl, Maizena, Mondamin, Reis, Sago, Grieß ( = 1 gehäufter Eßlöffel) 20 g Haferflocken 18 g Nudeln, Makkaroni, Graupen 60 g Kartoffeln (hühnereigroß) 25 g Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen usw.) 120 g Äpfel, Birnen, Kirschen, Apfelsinen, Mandarinen, nicht ganz ausgereifte Aprikosen, Pfirsiche und Ananas
12 g K h 150 g 200 g 60 g 375 g 100 g V4 / V8 l Vi l
Vi l V3 l Vül 40 g
Pflaumen, Erdbeeren Johannis- und Heidelbeeren Bananen, Feigen, Datteln, Weintrauben Paranüsse Mandeln, Walnüsse, Erdnüsse, Haselnüsse helles Bier Malzbier herben Wein, Rotwein oder reinen ungesüßten Fruchtsaft, z . B . Apfel-, Kirschoder Johannisbeersaft Voll- oder Magermilch Sauer- oder Buttermilch Sahne Kakaopulver
Therapie: Ergibt sich aus der Schwere der Zuckerkrankheit die Notwendigkeit der Insulingabe, so kann man es z. B. als Depotinsulin einmal täglich spritzen oder auch als Altinsulin vor jeder Mahlzeit. Das zu entscheiden ist Aufgabe des Arztes. Es gilt die Faustregel, daß für 2,0 g ausgeschiedenen Harnzucker eine Insulin-Einheit gespritzt wird. Die Insulinmengen werden solange variiert, bis der Blutzucker unter höchstens 200—220 mg % liegt. Eine Harnzuckerfreiheit sollte nicht unbedingt erzwungen werden, keinesfalls durch Hungern. 14—16 W E genügen meist als Kohlenhydratzufuhr — bei mittleren Altinsulindosen (z. B. 3 X 20 I. E.) •—, um das Körpergewicht konstant und den Patienten leistungsfähig zu halten. In jüngster Zeit haben sich — insbesondere bei leichten Fällen und beim Altersdiabetes—Sulfonamide bewährt, die den Blutzuckerspiegel senken. Orale Antidiabetika mit Sulfonamidcharakter sind Invenol, Rastinon, Redul undArtosin. Diese Präparate dürfen keinesfalls beim Coma diabeticum angewandt werden, ebenfalls nicht bei bestehender Lebererkrankung. Wir wissen heute, daß in den „Langerhansschen Inseln" zwei verschiedene Zelltypen zu unterscheiden sind: a-Zellen und /J-Zellen. Die ^-Zellen produzieren Insulin, während in den «-Zellen wahrscheinlich ein insulinhemmender Wirkstoff gebildet wird, das Glukagon.
Tierexperimentelle Untersuchungen lassen den Schluß zu, daß diese blutzuckersenkenden Tabletten nicht, wie anfangs angenommen wurde, durch Hemmung der a-Zellen wirken, sondern das körpereigene Insulin der /J-Zellen mobilisieren. Dadurch wird die Gesamtstoffwechsellage der Diabetiker gebessert. Es muß sich durch die Erprobung zeigen, ob diese Mittel auch bei längerer Anwendung unschädlich sind. Die Einstel1
) OL = Alpha = a; ß = Beta = b (a und ß = griechische Buchstaben).
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lung sollte möglichst in klinischer Beobachtung erfolgen, da sonst schwere Komplikationen auftreten können. Diabetische Komplikationen: Retinopathia diabetica, (Bd. III,), Nephropathia diabetica, periphere Durchblutungsstörungen, diabetische Gangrän, diabetische Neuritis.
Coma d i a b e t i c u m Komplikation: Bei der Zuckerharnruhr, wenn Insulin mangelt, entgleist auf die Dauer nicht nur der Kohlenhydrat-Stoffwechsel, sondern es kommt auch häufig zu einer Störung des Fettsäureabbaus; diese wiederum kann zu einer für den Diabetes mellitus spezifischen, bis zur Entdeckung des Insulins sehr oft tödlichen Ausgangsform führen, dem Coma diabeticum (Koma = Tiefe Bewußtlosigkeit). Ursache: Wenn im Organismus die Kohlenhydrate nicht verbrannt werden, was beim Diabetes mellitus der Fall ist, dann kommt es auch zu einer Störung des Fettsäureabbaues. Die als normale Zwischenprodukte beim Abbau der Fettsäuren entstehenden Ketonstoffe, /3-Oxybuttersäure, Azetessigsäure und Azeton, können nicht mehr weiter abgebaut werden, so daß es zur Anhäufung dieser Stoffe in Blut und Harn kommt (Ketonurie). Diese sich ansammelnden Keton-StofFe vergiften den Körper und können schließlich zur Bewußtlosigkeit, zum Coma diabeticum führen. Unter normalen Stoffwechsel Verhältnissen werden die Ketonkörper sofort zu C 0 2 und H a O (Kohlendioxyd und Wasser) abgebaut und ausgeschieden. Der Abbau erfolgt, wie der Physiologe es treffend nennt, „im Feuer der Kohlenhydrate". Diese Wechselbeziehungen sollen durch die folgende Skizze verdeutlicht werden: Die Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate Glykogen
Fettsäuren
(Monosaccharide)
/?-Oxybuttersäure Azetessigsäure Azeton
r ~ COü und H 2 0
Das oben Gesagte wird durch die Erfahrung bestätigt, daß die Zahl der diabetischen Komafälle in fettarmen Zeiten, wie Krieg und Nachkriegszeiten, auffallend gering ist. Symptome: Zur Klinik des Coma diabeticum ist noch einiges zu sagen. In manchen Fällen gehen gewisse warnende Symptome voraus, die zu erkennen auch für die auf der Zuckerstation arbeitende Schwester von entscheidender Bedeutung sind: Auffallende Apathie bei motorischer Unruhe, Übelkeit und Brechreiz, Durchfälle. Manchmal bricht die Katastrophe aber auch ohne Vorboten herein. Im ausgeprägten Koma sind die Atemzüge vertieft und z. T. beschleunigt (sog. große Kußmaulsche. Atmung), die Ausatmungsluft hat einen typischen Fruchtgeruch nach Azeton, die Apathie führt zur vollkommenen Bewußtlosigkeit. Der Tonus ( = Spannungszustand) der Augäpfel nimmt ab, der Blutdruck sinkt, der Puls wird klein und stark beschleunigt. Das Ver-
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halten des Kreislaufs ist entscheidend für das Schicksal des Patienten. Der Harn enthält massenhaft Ketonkörper, die Zuckerwerte in Harn und Blut sind erhöht. Die Dauer des Komas beträgt von den ersten Zeichen der Bewußtseinstrübung an bis zum Tode oft nicht mehr als 24 Stunden, häufig sogar noch weniger. T h e r a p i e : Seit der Entdeckung des Insulins ist die Sterblichkeit im Coma diabeticum von über 60 auf 1 0 % gesunken. A u c h heute noch gilt der Grundsatz, daß die Bewußtlosigkeit nicht länger als 1 2 Stunden andauern sollte. Andernfalls ist die Stoifwechsellage derart gestört, daß es nur sehr schwer gelingt, normale Verhältnisse wieder herzustellen. Beim diabetischen K o m a versucht der A r z t mit großen Dosen von Insulin (intravenös und intramuskulär) eine normale Stoffwechselsituation herzustellen. Der Insulinbedarf in 24 Std. liegt beim diabetischen Coma etwa zwischen 500 und 800 E . In den ersten Stunden besteht nicht selten eine Insulinresistenz, die durch intravenöse Gaben von 2 5 — 5 0 m g Prednisolon durchbrochen werden kann. Gleichzeitig gibt der A r z t Traubenzuckerunfusionen, um die angestauten, toxischen Ketonkörper „ i m Feuer der Kohlenhydrate" verbrennen zu lassen und um den Energiebedarf zu decken. Herz und Kreislauf müssen genauestens kontrolliert werden, weil es sonst geschehen kann, daß der Patient mit normalen Stoffwechselwerten an einem Herzversagen stirbt. E s gilt neben der Insulinsubstitution dem Flüssigkeits- und Elektrolytersatz (Natrium, Kalium) die Hauptaufmerksamkeit. D e r Körper benötigt bei einem mittelschweren Coma in 24 Std. etwa 3 , 5 — 5 1 Flüssigkeit, die wir ihm durch eine Dauertropfinfusion zuführen.
Ist es gelungen, den Patienten aus der Gefahr des Coma diabeticum herauszubringen, so gilt die weitere Aufmerksamkeit der Behandlung seiner Zuckerkrankheit. Häufig wußten die Patienten schon lange vorher von ihrer Krankheit, oft spritzten sie sich selbst ihr Insulin und wußten genauestens über ihre erforderliche Kost Bescheid. Dabei kommt es auch gelegentlich vor, daß zu viel Insulin gespritzt wird. Der Blutzuckerspiegel sinkt unter die Norm. Bei 40 mg% tritt ein „hypoglykanischer Schock" auf: kalter Schweiß, Zittern, Unruhe bis zu Krämpfen, Bewußtlosigkeit. Wird dieser Zustand nicht bald behoben — man kann es, bei richtigem Erkennen, schlagartig durch sofortige intravenöse Traubenzuckergaben — so kann der Tod durch Atemlähmung eintreten. Meist genügt es jedoch, wenn sich die ersten Anzeichen bemerkbar machen, eine Kohlenhydratzulage in Form von Zucker zu geben, um Schlimmeres zu verhüten. Z u c k e r n a c h w e i s im Harn Nylander-Probe: Sie beruht auf dem Reduktionsvermögen (Fähigkeit Sauerstoff zu entziehen) des Traubenzuckers in alkalischer Lösung. Ny¡anders Reagens enthält basisches Wismutnitrat, das bei A n wesenheit v o n Traubenzucker in metallisches Wismut überführt wird und als schwarzer Niederschlag erkennbar ist. Eine Harnprobe wird mit Nylanders Reagens versetzt und dann bis zum kurzen A u f kochen erhitzt. Im positiven Falle tritt ein schwarzer Niederschlag auf.
A z e t o n - N a c h w e i s im Harn Legalscbe Probe: E t w a 5 ccm Harn
werden mit 2 ccm Nitroprosidnatrium versetzt und geschüttelt. Dann werden 2 ccm einer 2 5 % igen Natronlauge hinzugegeben. Uberschüttet man das ganze nun mit konzentrierter Essigsäure, so verstärkt sich bei Anwesenheit von Ketonkörper die purpurrote Farbe und geht in eine burgunderrote Färbung über. Die gebräuchlichsten Bestimmungen des Blutzuckers sind die nach Crecelius-Seifert und Hagedorn-Jensen. Sie werden jedoch v o m A r z t oder von der medizinisch-technischen Assistentin ausgeführt und erfordern eine gewisse Übung, um die Genauigkeit der Ergebnisse zu garantieren.
Z u c k e r b e l a s t u n g s p r o b e (Staub-Traugott-ESekt) Um z. B. einen versteckten Diabetes, einen „latenten Diabetes" aufzudecken, wird in der Klinik die Dextrose-Doppelbelastung nach Staub und Traugott durchgeführt. Nach
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Magen-Darmkanal
einer morgendlichen Gabe von 50 g Dextrose wird i1/^ Stunden später nochmals eine gleiche Menge gegeben. Der Blutzucker wird während des Versuches 4 Stunden lang in halbstündlichen Abständen kontrolliert und graphisch registriert. Aus der sich ergebenden Kurve kann die Stärke der Eigeninsulinproduktion abgelesen werden. Erklärung:
Durch den ersten Zuckerstoß wird normalerweise die Insulinproduktion angeregt, so daß
der zweite Stoß bereits v o m Insulin abgefangen wird. E s fehlt dann ein zweiter Blutzuckeranstieg über den ersten Gipfel. Das ist der „positive SlaubcSckt"
(Staub ist ein Schweizer Pharmakologe).
Bei manifestem oder latentem Diabetes zeigt sich ein Insulinmangel sehr deutlich am Kurvenverlauf: Nach dem zweiten Zuckerstoß steigt die Blutzuckerkurve wieder deutlich über den ersten Gipfel an: negativer ¿"/(/»¿-Effekt.
Blutzucker mg % hSO r
Blutzucker mg % U50
60 posit
90 120 150 Staub-Traugott i normal)
60 90 120 150 negat Staub-Traugott (pathologisch)
min
210 min
Abb. 9
b) Gicht (Arthritis urica) Ursache: Eine Erkrankung, die sich an den Gelenken abspielt, durch Stoffwechselstörungen verursacht wird, ist die Gicht, die Arthritis urica. Harnsäure wird im Blut und in den Geweben angereichert. Normaler Hamsäurespiegel: 2—4 mg%. Die Gicht kommt in einzelnen Familien gehäuft vor. Auch äußere Momente, überreichliche Fleischnahrung, sollen zur vermehrten Harnsäureansammlung im menschlichen Organismus führen. Symptome: Ablagerungen von Harnsäurekristallen in den knorpeligen Gelenkflächen, in der Nachbarschaft der kleinen Gelenke, an Händen und Füßen und am Ohr sind typisch für die Gicht; man tastet sie bei chronischer Gicht als kleine Knötchen, „tophi". Der Gichtanfall tritt meistens nachts mit heftigen Schmerzen auf, die sich anfangs häufig auf die Großzehe (Podagra) beschränken und erst allmählich auf die anderen Zehen oder Finger übergreifen. Die großen Gelenke werden sehr viel seltener befallen.
Nahrung
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D e r Gichtanfall, der sich wiederholen kann, ist v o n einem gestörten Allgemeinbefinden und einem geringen Temperaturanstieg begleitet. Therapie: Sehr bewährt hat sich Benemid; auch das Colchizin, das aus der Herbstzeitlosen gewonnen wird, reguliert den Harnsäurestoffwechsel. I m übrigen müssen diese Patienten in ihrer Nahrung Fleisch, vor allem Thymus, Leber, Lunge, Niere, Milz und A l k o h o l meiden. Safttage einschalten. 5. Nahrung a) Zubereitung b) Wichtige Nahrungsmittel
c) Kostformen
A l s Vorbereitung für eine gute Verdauung ist die richtige Zubereitung der Nahrungs • mittel v o n großer Bedeutung. Dabei werden die Zellwände der einzelnen Nahrungsbestandteile aufgelockert oder zertrümmert, u m den Verdauungssaften des K ö r p e r s eine bessere Angriffsmöglichkeit, eine bessere Verdauungsmöglichkeit zu bieten. a) Z u b e r e i t u n g Garkochen bedeutet Auslaugen im Wasser. Man wird es anwenden, wenn die Brühe allein verwandt werden soll — z. B. als Fleisch- oder Gemüsebrühe. Sie wird besonders gehaltvoll, wenn man das Fleisch in kaltem Wasser ansetzt; dann schließen sich die äußeren Zellporen nicht, was sie unter großer Hitze durch Eiweißausfällung sofort tun würden. Dämpfen — Garmachen durch Wasserdampf, w o z u ein T o p f mit einem Siebeinsatz verwendet wird. Das Gemüse kommt nicht mit dem Wasser in Berührung und wird daher nicht ausgelaugt; es behält seine Vitamine und Mineralien und ist darüber hinaus auch bei salzarmer K o s t f o r m schmackhaft. Dünsten — Die Nahrungsstoffe werden im „eigenen Saft", meist mit Zusatz v o n etwas Fett, gar gemacht (Spinat, Fisch). Braten — Garmachen mit Fett bei großer Hitze. Man gibt das Fleisch in das heiße Fett, u m ein Auslaugen zu verhindern (Braten, Bratkartoffeln). E s bildet sich eine „braune K r u s t e " , bestehend aus geronnenem Eiweiß und geröstetem Fett, die appetitanregend und saftlockend ist. Schmoren •—• Garmachen in geschlossenem T o p f mit wenig Fett und Wasser (Schmorbraten). Backen — Garmachen in „schwimmendem F e t t " (Pommes frites, Strohkartoffeln) und Garmachen in trockener, heißer Luft. D i e Temperatur im Backofen beträgt 200 bis 300° C (Brot, K u c h e n gegrilltes Fleisch). Allgemein gilt für alle Zubereitungsarten, daß ein mehrmaliges A u f w ä r m e n oder langes Erhitzen immer ungünstig ist. A u c h sind die Nahrungsmittel in ihrer Haltbarkeit begrenzt. Sie sind unter Einwirkung v o n Wärme und Feuchtigkeit f ü r Pilze und Bakterien ein idealer Nährboden. Die Speisen werden zersetzt und können so für den menschlichen K ö r p e r schädlich werden. Diese Zersetzung kann auch in scheinbar gut verschlossenen Gefäßen erfolgen (Einmachgläser, Konservendosen). D i e erfahrene Hausfrau erkennt diese Gefahr sofort an der Schaumbildung oder an den vorgewölbten Konservendeckeln. Saure Soeisen dürfen nie in beschädigten Emailleschüsseln, K u p f e r -
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Magen-Darmkanal
oder Zinkgefäßen bewahrt werden. Frisch zubereitete Speisen halten sich am besten in Glas- oder Porzellanschüsseln im Kühlschrank oder an einem anderen kühlen, trockenen Ort. Durch sachgemäßes Tiefkühlen, Sterilisieren, Pasteurisieren, Trocknen, Einwecken, Einsäuern, Pökeln und Räuchern kann man die verschiedenen Nahrungsmittel längere Zeit haltbar und genießbar machen. Farbzusätze, z. B. das Buttergelb, sind streng zu meiden und gesundheitspolizeilich zum größten Teil verboten. b) W i c h t i g e N a h r u n g s m i t t e l (Pflanzliche und tierische Nahrungsmittel, Würzstoffe, Genußmittel)
Unter den pflanzlichen Nahrungsmitteln stehen die Getreidearten an erster Stelle: Weizen, Roggen, Hafer, Mais, Reis und Gerste. Die Getreidekörner enthalten in ihrer Hülle, der Kleberschicht, Eiweiß, Vitamine und Mineralien sowie im Kern Stärke. Durch diesen Stärkegehalt wird ihr Nährwert bestimmt; denn der Eiweißgehalt ist mit 7 bis 11 % sehr gering. Durch Zerquetschen der ganzen Körner entstehen Flocken und Grützen, durch verschiedene Mahlprozesse Grieß und Mehl. Die „feinen Mehlsorten" enthalten nur Stärke und sind backtechnisch leichter zuzubereiten, während die voll ausgemahlenen Mehle auch die ernährungstheoretisch wertvollere Kleberschicht mitenthalten. Aus ihnen werden Kommiß- und Vollkornbrote hergestellt, die von Gesunden und Menschen, die an Darmträgheit leiden, gut vertragen werden. Kranken und darmempfindlichen Menschen bereiten diese „dunklen Brotsorten" gelegentlich Beschwerden wie Blähungen, Leibschmerzen, Völlegefühl oder Durchfall. Für sie ist das Weißbrot besser bekömmlich. Feuchtigkeitsgehalt und Säuregrad sind in der Verträglichkeit von Bedeutung. Zwieback wird aus frischem Weizen-Milch-Brot hergestellt, in dünne Scheiben geschnitten und dann nochmals gebacken; er ist leicht bekömmlich. Knäckebrot wird aus Vollkornmehl gewonnen und muß vor dem Backen mehrere Hefeund Säuregärungen durchmachen. Als „Diabrot" wird es in der diabetischen Diät wegen seines geringen Kohlenhydratanteiles verwandt. Grahambrot gereicht.
ist ein Weizenschrotbrot und wird zur Anregung bei Darmträgheit
Breie und Aufläufe werden ebenfalls aus Mehl hergestellt. Die zur Ernährung von Darmkranken wichtigen Schleimsuppen werden aus Haferflocken oder Reis zubereitet, die durch ein feines Haarsieb gestrichen werden. Sie sind praktisch zellulosefrei und belasten die Darmwand nicht. Wenn sie nur mit Wasser gekocht werden, dann ist ihr Nährwert gering; sie können, je nach ärztlicher Anordnung, mit Milch, Ei oder Fett angereichert werden. Aufläufe, in feuerfesten Formen im Backofen zubereitet, werden durch Käse, Schinken oder Tomatenmark schmackhaft. Teigwaren-. Makkaroni, Nudeln, Spätzle werden auch aus Mehl gewonnen. Sie sind fast zellulosefrei, daher leicht verdaulich und besonders für Magen-Darm-Kranke sehr bekömmlich. Hülsenfrüchte: getrocknete Linsen, Bohnen, Erbsen sind vorwiegend Kohlenhydratträger, ihr Eiweißanteil ist relativ groß. Sie werden in der Krankenkost gemieden, weil sie Blähungsbeschwerden und Völlegefühl verursachen.
Nahrung
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Milch ist mit ihren Nebenprodukten Butter und Käse ein wertvoller Bestandteil unserer normalen Ernährung. Die Kuhmilch enthält Eiweiß, Fett, Milchzucker, Vitamine A, B, C, K und D, Phosphor und Kalk. Sie unterliegt einer besonderen behördlichen Kontrolle, um Bakterienverunreinigungen zu verhindern; denn sie kann Bazillen der 'Tuberkulose, des Typhus, des Paratyphus und der BangscYi&n Krankheit enthalten. Nach längerem Stehen setzt sich unter Einwirkung von Milchsäurebakterien geronnenes Milcheiweiß ab. Diese Dickmilch, aus der auch Quark hergestellt wird, ist sehr bekömmlich. Käse wird mit Hilfe von Lab gewonnen und dann dem Reifungsprozeß unterworfen. Nach seinem Fettgehalt unterscheiden wir die vollfetten Sorten von den halbfetten. Yoghurt, ebenfalls ein Milchprodukt (Vollfett- und Zehr-Yoghurt) entsteht durch Beimischung von Pilzkulturen. Butter entsteht durch Zentrifugieren der abgesetzten Sahne — zurück bleibt die Buttermilch, die in der Krankenkost eine vielfache Verwendung findet. Der Hauptbestandteil der Margarine sind Pflanzenfette, denen Vitamine und EigelbStoffe beigefügt werden, so daß sie als brauchbares Nahrungsfett gelten kann. Das Hühnerei enthält neben Lipoiden Eiweiß und Fett (von jedem etwa 6,0 g Reinsubstanz). Das weichgekochte Ei (4 Minuten) ist am leichtesten verdaulich und auch den Kranken, denen eine Gallenschonkost verordnet wurde, meist bekömmlich. Dagegen ist das mit Wein oder Kognak gequirlte rohe Ei schwerer verträglich. Das Ei wird hauptsächlich als Binde- und Lockerungsmittel und als Geschmacksverfeinerer verwandt. Fleisch und Fisch sind die Haupteiweißträger unserer Nahrung. Fleisch enthält, abgesehen vom Kalbfleisch und vom Geflügel, mehr Bindegewebe als Fisch und ist deshalb für den Organismus schwerer verdaulich. Das Schweinefleisch insbesondere enthält noch einen erheblichen Prozentsatz an Fett, weshalb es in der Gallenschondiät nicht verwandt wird. Abgelagertes Fleisch ist zarter als das frischgeschlachtete und für die Krankenkost geeigneter. Das rohe Fleisch, Tartar oder Schabefleisch, ist zwar gut verdaulich, wird aber in der Schonkost gemieden, weil es gelegentlich die Gefahr einer Bandwurminfektion in sich birgt. Bei den Gemüsen unterscheiden wir Blatt- (Salat, Spinat, Kohl) und Knollengemüse (Kartoffeln, Sellerie, Rüben). Beim Spargel und bei der Schwarzwurzel werden die Stengel genossen, bei den Gurken die Früchte. Gemüse enthalten durchschnittlich 80 bis 90% Wasser, praktisch kein Fett und nur geringe Mengen von Eiweiß. Durch ihren Gehalt an unverdaulicher Zellulose regen sie die Darmtätigkeit an. Die Kartoffel enthält etwa 20% Kohlenhydrate und einen ganz geringen Teil hochwertigen pflanzlichen Eiweißes. Die Gemüse sind durch ihren hohen Gehalt an Vitaminen und Mineralien, die beim Kochen zum größten Teil zerstört werden, besonders wertvoll (Rohkost). Für den Kranken sind die frisch ausgepreßten Gemüsesäfte von großem Nutzen; sie belasten seinen Organismus nicht, weil sie keine Zellulose mehr enthalten. Der Wert des Obstes in unserer Nahrung beruht auf seinem Gehalt an Vitaminen und Mineralien. Der Kaloriengehalt wird im wesentlichen durch den Gehalt an Kohlenhydraten, durch den Fruchtzucker bestimmt. Sein Kochsälzmangel macht das Obst zu
6o
Magen-Darmkanal
einem wichtigen Bestandteil der kochsalzf teien Diäten. Manche Obstarten, wie Quitten, Äpfel und Johannisbeeren enthalten Pektinstoffe, die unter Zusatz von Zucker beim Kochen gelieren. Dieses Pektin übt unter Umständen auch einen heilenden Einfluß auf die krankhaft veränderte Darmschleimhaut aus. Geschabte rohe Äpfel haben sich bei bestimmten kindlichen Durchfällen sehr gut bewährt (Aplona). Fruchtsäfte, durch Auspressen des Obstes gewonnen, werden in der Krankenkost vielfach verwandt. Die Fruchtkerne sind zum Teil auch genießbar (Nüsse und Mandeln). Sie enthalten 40 bis 50% Fett und 10 bis 1 5 % Eiweiß. Manchen Rohkostformen werden sie als Kalorienträger beigefügt. Wür^stoffe reizen Geschmack- und Geruchsinn. Eine gut gewürzte Kost ist bekömmlicher als eine eintönige und ungewürzte. Das billigste und meist gebrauchte Gewürz ist das Kochsalz, das der Körper dringend braucht. Eine gemischte Normalkost enthält täglich etwa 12 bis 15 g. Bei der in manchen Fällen erforderlichen Kochsalzeinschränkung muß man an gelegentlich auftretende Mangelschäden denken. Pfeffer, Ingwer, Koriander, Zimt und Muskat sind ausgezeichnete Geschmacksverbesserer, die sich in der Krankenkost durch Küchenkräuter gut ersetzen lassen. Kaffee und Tee sind wegen ihrer anregenden Wirkung sehr beliebte Getränke. Jedoch kann der Mißbrauch zu Schlaflosigkeit, Nervosität und Herzbeschwerden führen. Das gilt besonders für den Genuß von Kaffee. Sein Geschmack wird vom Aroma und von den Röstprodukten bestimmt, seine erregende Wirkung durch das Coffein. Erschöpften und manchen Herzkranken kann er als „Medizin" gereicht werden. Zur Zubereitung einige Worte: am bekömmlichsten ist der gefilterte Kaffee; jedoch darf man nach einem kurzen Angießen nur zweimal das kochende Wasser nachgießen, weil sonst die Röstprodukte mit in das Filtrat geschwemmt werden. Und gerade diese Röstprodukte reizen den empfindlichen Magen und werden von Magen- und Gallenkranken nicht vertragen. Der Tee hat eine ähnlich anregende Wirkung wie der Kaffee. Die Leistungskurve steigt zwar nicht so steil an wie nach Coffein, aber sie bleibt beim Tee dafür länger auf einer gleichmäßigen Höhe. Im Tee ist weiterhin ein harntreibender Stoff, das Theophyllin, enthalten. Der Geschmack des Tees wird durch das chlorhaltige Leitungswasser stark beeinträchtigt. Kenner werden darum das Wasser entchloren oder, was allerdings teuer ist, Mineralwasser nehmen. Kakao enthält Theobromin und das die Darmtätigkeit hemmende Tannin. Durch seinen Gehalt an Fett und Eiweiß wird er bei Zubereitung mit Sahne oder Vollmilch zu einem kalorienreichen Getränk. Zu den Genußmitteln zählen auch noch Tabak und Alkohol. Das im Tabak enthaltene Nikotin ist ein Gefäßgift und begünstigt das Entstehen der Arteriosklerose und der Angina pectoris. Außerdem führt gewohnheitsmäßges starkes Rauchen zum Bronchialkatarrh und zu Reizungen der Magen- und Darmschleimhaut. Alkohol ist zwar ein Kalorienspender (1 g = 7 Kalorien), aber er wird wegen seiner sehr rasch eintretenden Giftwirkung bei Genuß größerer Mengen nicht zu den Nahrungsmitteln, sondern zu den Genußmitteln gerechnet. Alkohol enthemmt den Menschen; seine Verträglichkeit ist sehr unterschiedlich. Es ist bekannt, daß erschöpfte
Nahrang
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und kranke Menschen sehr viel eher in einen pathologischen Rausch verfallen als der Gesunde, der kräftig und fettreich gegessen hat. Durch Alkoholmißbrauch entstehen Schäden im Bereich des Magen- und Darmtraktes, der Leber, der Nieren, der Blutgefäße, des Zentralnervensystems und wahrscheinlich auch der Keimdrüsen. Aus all diesen Gründen findet der Alkohol in der Krankenkost nur wenig Verwendung. Gelegentlich regt er in kleinen Mengen vor der Mahlzeit den Appetit an. Rotwein wird wegen seines Gerbstoffgehaltes manchmal bei Durchfallerkrankung verordnet. Der Wert der „Nährbiere" liegt in ihrem Kohlenhydratgehalt. c) E i n z e l n e K o s t f o r m e n Ein Teil der Kranken, so z. B. in den chirurgischen, neurologischen, dermatologischen Kliniken, bedürfen im allgemeinen keiner besonderen Ernährungsvorschriften. Sie dürfen essen, was ihnen schmeckt (ausgenommen sind selbstverständlich Frischoperierte). Dabei ist nur zu bedenken, daß der Bettlägerige weniger Kalorien benötigt als der Arbeitende. Eine gemischte Kost, in der tierische und pflanzliche Nahrungsmittel enthalten sind, hat sich für den gesunden Menschen als optimal erwiesen und gilt zu Recht als „Normalkost". Eine einseitige Form wird auf die Dauer von Schaden sein. Zur Beseitigung vieler Krankheitszustände, überwiegend in der Medizinischen Klinik, hat sich eine geregelte Ernährung — die sog. „Diät" — bestens bewährt. Der Leitgedanke jeder Diätform gilt der Schonung eines bestimmten, erkrankten Organes. So kann dem Herzkranken erlaubt sein, was dem Magenpatienten streng verboten ist, und umgekehrt. Zur „Diät", zur Pflege eines Kranken gehört selbstverständlich nicht nur ein sachgemäßes Anrichten, sondern auch ein freundliches, persönliches Darreichen der Mahlzeiten. Eine für das Auge gefällig angerichtete Platte und ein aufmunterndes Wort fördern den Appetit. Es folgen einige Beispiele, die als Richtlinien gelten sollen. Im übrigen wird bei der Besprechung der einzelnen Krankheitsbilder noch darauf hingewiesen. K o s t der F i e b e r k r a n k e n Ein länger anhaltendes Fieber erfordert wegen des gesteigerten Stoffwechsels und des gesteigerten Zellzerfalls und Flüssigkeitsverlustes eine eiweiß- und flüssigkeitsreiche Kost. Der Körper benötigt 130 bis 150 g Eiweiß pro Tag. Zumeist lehnt der Fiebernde Fleisch und feste Speisen ab und verlangt breiige und flüssige Kost. Für ihn ist die Milch, die mit Fett, Eiern und Kohlenhydraten angereichert werden kann, unentbehrlich. Sein Vitamin- und Mineralienhunger wird mit Obst- und Gemüsesäften gestillt. Eis und Fruchtgelee schaffen eine angenehme Abwechslung; sie haben sich besonders in der Typhusdiät hervorragend bewährt. Gerade der Typhus, dessen Geschwüre den ganzen Dünndarm befallen können, erfordert eine kalorienreiche, darmschonende Kost. Nach Beeendigung der Durchfälle wird von der zweistündlich gereichten, flüssigen Nahrung langsam auf eine breiig-festere übergegangen. Bei Blutungsoder Perforationsgefahr muß die Nahrungsaufnahme durch den Mund sofort abgebrochen werden. Auch die Ruhr verlangt eine darmschonende Kost. Nach gründlichem Abführen läßt man den Patienten 1 bis 2 Tage fasten und nur bei größerer Austrocknung schwarzen,
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Magen-Darmkanal
ungezuckerten Tee trinken. Dann reicht man ihm kleinste Mengen eines durchpassierten,, nur mit Wasser gekochten Schleimes, der durch eine Prise Salz oder einen Löffel Rotwein schmackhaft gemacht werden darf. Erst wenn die Stühle geformt sind und frei von Blutbeimengungen bleiben, darf man auf eine leicht verdauliche, schlackenarme Kost übergehen. Bei der Rohkost erfolgt die Zellzertrümmerung mechanisch (sorgfältig waschen). Sie ist besonders geeignet, den Körper zu entschlacken. Soll sie ausschließlich über eine längere Zeit gereicht werden, so muß sie, um als vollwertige Nahrung gelten zu können, mit Eiweiß und Fett angereichert werden. Beim Vollfasten ist es wesentlich, dem Körper nicht von heute auf morgen die Nahrung zu entziehen, sondern den Organismus durch ein dreitägiges Vorfasten mit Obst, Salat und Fruchtsäften vorzubereiten. Ein Abführmittel und tägliche Darmspülungen befreien den Körper von restlichen Stoffwechselprodukten. Die erfolgreiche Durchführung einer Fastenkur bedarf auch einer inneren Bereitschaft des Menschen. Eine vorherige sorgfältige Untersuchung, besonders des Herzens und des Kreislaufs, darf keinesfalls unterbleiben, da sonst irreparable Schäden entstehen können. Das Saftfasten ist leichter zu ertragen. Die Patienten erhalten an i bis 3 Tagen in 4 Portionen 600 bis 1000 cm2 ungesüßten Obstsaft. Auch die Beendigung des Fastens, das Fastenbrechen, darf nicht plötzlich erfolgen. Salzarme Kost wird in der internen Medizin sehr häufig verordnet: bei Nierenentzündungen, insbesondere bei denen, die zur Retention von Eiweißreststoffen führen, bei kardialen und renalen Ödemen. Unsere sog. „salzarme K o s t " enthält immerhin noch 5 bis 6 g Kochsalz. Da aber bestimmte Formen der Nierenerkrankungen (z. B. die Nephritis) eine absolut salz- und eiweißfreie Kost erfordern, ist in diesen Fällen die Rohkost besonders wertvoll. Hirn, Seefisch und Salm müssen wegen ihres hohen Kochsalzgehaltes gemieden werden. An Gewürzen sind Thymian, Kresse, Kümmel und Bohnenkraut erlaubt. Herzkranke bedürfen einer salzarmen, flüssigkeitsbeschränkten Kost. Eine „saure Kost", die zur Ansäuerung der Gewebe führt, wird bei der Tuberkulose und Harnblasenentzündung gefordert. S c h o n k o s t f ü r M a g e n - und D a r m k r a n k e Aus ernährungsphysiologischen Erkenntnissen haben sich besondere Kostvorschriften für Erkrankungen des Magen-Darmtraktes entwickelt, wobei auch wiederum die Schonung des erkrankten Organs im Vordergrund steht. Alles was die Schleimhaut mechanisch oder chemisch reizen kann, muß gemieden werden. Akute Reizzustände bedürfen einer kurzdauernden, chronische einer wochen-, evtl. monatelangen Schonkost. Der akute Magenkatarrh klingt am schnellsten nach 24 bis 48 stündigem Fasten ab. Nachdem der Magen so geschont wurde, werden Schleimsuppen und Zwieback gut vertragen werden, ehe man allmählich zur Vollkost übergeht. Kartoffelbrei und passiertes junges Gemüse sind gut verträglich. Bei frischen Magen- und Darmblutungen sind einige Tage strengen Fastens unumgänglich. Nur der Arzt kann entscheiden, ob eisgekühlte Speisen gereicht werden dürfen, oder ob lediglich der Mund ausgespült werden darf. Erst wenn die Blutung steht, darf der Auf- und Ausbau der Ernährung beginnen.
Nahrung
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Auch beim Magenschwür (Ulcus ventriculi) und bei der Magenschleimhautent2Ündung (Gastritis) müssen alle Säurelocker, Süßigkeiten, Kaffee, Alkohol, Nikotin, gewürzte Speisen und in der Pfanne Gebratenes streng gemieden werden. Dunkle Brotsorten, Hülsenfrüchte und grobe Gemüse werden von Ulkuspatienten im allgemeinen schlecht vertragen; Gerichte aus „feinen Mehlsorten", mit Butter angemacht, bekommen sehr viel besser. Es ist hierbei besonders wichtig, die Mahlzeiten regelmäßig und in Ruhe einzunehmen und die Speisen gut zu zerkauen. Bei Ubersäuerung des Magens sind ebenfalls sämtliche Säurelocker zu meiden, während bei fehlender Magensalzsäure (Anazidität) eine kräftige, gewürzte Kost von Nutzen ist. Bei Erkrankung der Leber- und Gallenwege ist es zweckmäßig, das Fett in der Ernährung einzuschränken. „Strenge Gallendiät", eine absolut fettfreie Schonkost, kann über eine längere Zeit gereicht werden. Nach 2 bis 3 Wochen ist es bei komplikationslos verlaufenden Fällen ratsam, ein „Fettminimum" von 8,0 g im Hinblick auf die „fettlöslichen Vitamine" zu erlauben. Wir stehen heute auf dem Standpunkt, im Gegensatz zur jüngsten Vergangenheit, daß bei Leberzellerkrankungen eine ei weiß- und kohlenhydratreiche Kost die beste ist, wobei der besondere Wert auf dem Eiweiß liegt. Insbesondere der Quark wird hierbei den Anforderungen gerecht. Sind die schwersten Symptome abgeklungen, geht die Gelbfärbung zurück und färbt sich der Stuhl wieder, dann werden im allgemeinen Kartoffelbrei, zarte, passierte Gemüse und weiße Fleischsorten gut vertragen. Geröstete und in der Pfanne gebratene Gerichte sind neben Alkohol für lange Zeit streng verboten. K o s t bei Fettsucht Der Körper kann Kohlenhydrate nur in geringen Mengen als Glykogen in der Leber und in den Muskeln speichern; er ist aber fähig, überschüssige Kohlenhydrate in Fett umzuwandeln und als Fett abzulagern. Es ist demnach zweckmäßig, Kohlenhydrate und Fette in der Nahrungszufuhr zu drosseln und den Energiebedarf durch Eiweiße zu decken. Es ist Aufgabe des Arztes festzustellen, inwieweit eine endogene Komponente, eine mangelnde Hormonproduktion, als Ursache für die Fettsucht mit in Betracht kommt. Schilddrüsen- und Hypophysenpräparate dürfen nur unter ständiger ärztlicher Kontrolle gereicht werden. Rohkosttage und Obst- und Milchtage können die Gewichtsabnahme beschleunigen. Da Trinkkuren in der Behandlung der Stoffwechselerkrankungen häufig verordnet werden, sei noch ein Wort über die Mineralwasser erlaubt. Je nach der Art der gelösten Quellsalze unterscheiden wir verschiedene Wässer. Sprudel entsteht durch künstliches Einpressen von Kohlensäure in das Wasser. Im Gegensatz dazu haben die „stillen Wasser" einen natürlichen, meist geringen Kohlensäuregehalt. Sprudel verursacht leicht Aufstoßen und Völlegefühl; deshalb werden die „stillen Wasser" in der Krankenkost, insbesondere bei Herz- und Gallenerkrankungen, vorgezogen. Zu kalte Getränke und hastiges Trinken können dem Magen schaden. Künstliche Ernährung Bei Bewußtlosen oder bei Lähmung der Schlundmuskulatur werden wir eine „künstliche Ernährung" durchführen. Praktische Bedeutung haben die Schlundsonde, die Duodenalsonde und das Nährklysma.
Ulkus-Diätschema Tage nach der Magenblutung
1
Eier
3
2
Zucker (zum Ei) Milch Rohes Hackfleisch Milchreis Zwieback Roher Schinken Butter Kalorien
—
4
3
2
200
300
—
—
—
—
—
6
4
5
6
7
20
20
30
30 700
eingeschlagen
—
5
400
500
600
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
280
420
637
777
955
.—
35
—. —
"35
Ulkus-Diätschema
s
s
s
25—4o%ige Traubenzuckerlösung .
ccm
Tropfeinlauf 5,4%ige Invertzuckerlösung
ccm
3X20
3X20
5% ige Rohrzuckerlösung . . . . ccm Milch ccm Mondamin g Zucker g Haferschleimsuppe ccm Eier Grießbrei g Mondamin oder Reisstärke g Zwieback (aufgeweicht in Milch) . . . . Grießbrei oder Reisbrei g Butter (ungesalzen) g Grieß-, Reis- oder Haferbrei g Kartoffelbrei g Schleim-, Grieß- oder Reissuppe . ccm Schinken (roh, entsalzt, geschabt) . . g Schleim-, Grieß-, Reis- oder Nudelsuppe . . . ccm Weißbrot (ohne Rinde) g Nudeln g Alle Suppen (außer Fleischbrühe, Erbsen-, Bohnen-, Linsen- und Fruchtsuppe) . g Leichte Mehlspeisen, Pudding (ohne Fruchtsoßen), Creme . ... g Zartes gewiegtes Fleisch (Kalb, Huhn, Taube) g Gemüse (keine Rüben, Rettich, Salat, Weißkraut, Rotkraut, rote Rüben, Bohnen, Linsen) g Kalorien etwa
3 X 20
400
60 £
H
2 X 20
1X30
400
300
100
200 10 10 200
250
bis
300
bis 35°
300
350
bis
400
400
bis
430
55°
nach henhart£ 7
8
9
8 4 eingeschlagen
8 4 eingeschlagen
4 gek-
10
8
12
11
14—28
13
8
8
8
8
8
5° 1000
5°
5°
5°
1000
1000
1000
40
40
5°
5°
800
900
IOOO
1000
2 X 3 5 200
2 X 3 5
2 X 3 5 300
2 X 3 5
2 X 3 5
2 X 3 5
200
300
300
300
40
40
60
60
80
100
5° 20
5°
50 40
5°
5°
40
40
40
2478
2941
2941
3007
3°73
2 X 3 5
2 x 3 5
IOO
100
—
20 g - - 1 Stück
—
—
—
—
1588
I72I
2138
Tag
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18.
T SP
Tag
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16.—17.
Tag
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M rt H
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Magen-Darmkanal
Das Einführen der Magensonde erfordert eine besondere Erfahrung, da die Gefahr des Abgleitens in den Bronchialbaum gegeben ist. Eine dünne Sonde, die gegebenenfalls über längere Zeit liegenbleiben kann, ist schonender als ein dicker Magenschlauch. Es versteht sich von selbst, daß die so dem Körper gereichte Nahrung leicht verdaulich, d. h. aufgeschlossen sein muß. Milch, Rahm, Butter, Eier und Schleim — die Speise wird lauwarm gereicht — eignen sich hierfür im besonderen Maße. Während die Magensonde nur dann gelegt werden kann, wenn der Magen funktionstüchtig ist, hat die Duodenalsonde den Vorteil, auch den Magen zu schonen. So kann sie z. B. bei Magengeschwüren angewandt werden, die auf andere konservative Maßnahmen nicht angesprochen haben. Der Patient schluckt die dünne Sonde in Rechtslage bis 90 cm. Zeigt sich dann beim Absaugen kein alkalischer Duodenalsaft, so ist eine röntgenologische Kontrolle erforderlich. Nährklysma: Der ernährende Wert der Nährklistiere ist sehr umstritten. Man steht auf dem Standpunkt, daß eine Resorption von Nährstoffen aus den untersten Darmabschnitten nicht möglich ist.
Von großer Bedeutung sind Tropfeinläufe, die rektal, intravenös und subkutan gegeben werden können. Mit 5,0-proz. Traubenzucker- oder physiologischer Kochsalzlösung wird der Blutflüssigkeitsspiegel des Patienten aufgefüllt. B. Erkrankungen des Magen-Darmkanals /. Erkrankungen der Speiseröhre 2. Erkrankungen des Magens und des Zwölffingerdarms
}. Wurmfortsat^ent^ündung 4. Darmerkrankungen
1. Erkrankungen der Speiseröhre1) a) Entzündungen
b) Verengungen
c) Erweiterungen
Physiologie des Schluckaktes: Die Speiseröhre hat eine Länge von durchschnittlich 25 bis 30 cm. Sie verläuft im medialen, hinteren Anteil des Brustraumes (im Mediastinum), wo sie den Aortenbogen und den linken Hauptbronchus kreuzt. Die Entfernung von der Zahnreihe bis zum Speiseröhrenanfang beträgt etwa 15 cm, so daß eine eingeführte Sonde den Magenanfangsteil nach 40 bis 45 cm erreicht. Der sehr komplizierte Schluckakt zerfällt in zwei Teile: zunächst wird der in der Mundhöhle zerkleinerte und mit Speichel vermischte Speisebrei durch die Zungen- und Zungenbeinmuskulatur in den hinteren Rachenraum befördert. Inzwischen hebt sich reflektorisch der Kehlkopf, der Kehldeckel legt sich schützend auf ihn und verhindert so, daß Speiseteile in die Luftröhre rutschen. Dann drückt die Schlundmuskulatur den Bissen in die Speiseröhre, die ihn in wurmartigen Bewegungen bis zum Mageneingang befördert. Mit Hilfe der Röntgenuntersuchung (Röntgen, Physiker in München, 1845 bis 1923) oder durch Einführung des Ösophagoskopes (optisches Gerät zur Spiegelung der Speiseröhre) kann sich der Arzt ein Bild über den Zustand und über die Funktion der Speiseröhre machen. a) E n t z ü n d u n g der S p e i s e r ö h r e Ursache: Durch Schlucken ätzender Flüssigkeiten — insbesondere von Laugen oder konzentrierten Säuren — werden Veränderungen der Speiseröhrenschleimhaut hervorgerufen, die zu einfachen Schleimhautreizungen, häufiger aber zu einem Absterben von ') Weitere Erkrankungen der Speiseröhre (Geschwülste, Krebs) s. Bd. II.
Erkrankungen der Speiseröhre
6?
Schleimhautschollen führen können. Bei schweren Verätzungen kann die Gewebszerstörung bis zur Muskelschicht reichen: es kann sogar zum Durchbruch in den Mittelfellraum (Mediastinum) kommen. Symptome: Schmerzen beim Schlucken zwischen den Schulterblättern. In schweren Fällen treten die lokalen Beschwerden häufig hinter den Allgemeinerscheinungen zurück. Therapie: Mit narkotischen Mitteln wird der Arzt versuchen, die Schmerzen zu lindern; vielleicht gelingt es, mit Antibiotika die Entzündung zu beherrschen. Ein Teil dieser schweren Speiseröhrenverätzungen wird tödlich enden. Regelmäßig aber hinterbleiben im günstigeren Falle narbige Verengungen; durch eine zeitgerechte Sondierung muß dann versucht werden, gefahrvolle Stenosen (Verengungen) zu verhindern. b) V e r e n g u n g e n der S p e i s e r ö h r e Es gibt drei physiologische Engen ( = normale Engen): 1. hinter dem Ringknorpel, 2. in Höhe der Luftröhrenteilung in einen rechten und einen linken Bronchus und 3. beim Durchtritt durch das Zwerchfell.
Ursachen der krankhaften Verengungen: Neben diesen „physiologischen Engen" spielen die krankhaften Einengungen der Speiseröhre eine große Rolle. Steckengebliebene Fremdkörper, narbige Strikturen nach Verätzungen, der Speiseröhrenkrebs oder Geschwülste, die von außen her das Lumen einengen, können die Ursachen sein. Symptome: Die Symptomatik ist bei ausgeprägten Fällen typisch: zunächst verspüren die Patienten einen Druck hinter dem Brustbein, dann wird das Schlucken in zunehmendem Maße erschwert; anfangs sind es die gröberen und festen Bissen, die nicht recht rutschen wollen, dann bleibt auch die breiige und später die flüssige Nahrung stecken und wird erbrochen. Es fehlt aber der säuerliche Geruch, der für das Erbrochene aus dem Magen typisch ist, weil die Speisen noch gar nicht mit der Salzsäure des Magens in Berührung kamen. Die Diagnose wird mit Hilfe des Röntgenschirmes, der Ösophagus-Spiegelung und der histologischen Untersuchung gesichert. Therapie: Wenn das Hindernis, das den Speisen den Weg verlegt, nicht zeitig entfernt werden kann — z. B. operativ oder durch Röntgenbestrahlung —, so treten die Zeichen der Abmagerung in den Vordergrund und entscheiden über das Schicksal des Patienten. Die Anlage einer Magenfistel nach Wittel kann den Kräfteverfall unter Umständen aufhalten (Wittel, Chirurg 1856—1925). c) E r w e i t e r u n g e n der S p e i s e r ö h r e Ursachen: Außer den Verengungen begegnen wir auch Erweiterungen der Speiseröhre; diese Dilatationen können sich auf umschriebene Stellen erstrecken, sie können aber auch die gesamte Speiseröhre in einen diffus erweiterten Sack verwandeln. Die lokalisierten Erweiterungen werden „Divertikel" genannt; sie kommen entweder durch einen anhaltenden Zug von außen (Traktionsdivertikel) oder durch einen ständigen Druck von innen her (Pulsionsdivertikel) zustande. Symptome: Im Vordergrund der sich meist langsam entwickelnden Beschwerden stehen auch wieder Schluckstörungen, die den behandelnden Arzt zu den weiteren Untersuchungen veranlassen. Therapie: Die sicherste Therapie ist die operative Behandlung.
Magen-Darmkanal
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2. Erkrankungen des Magens und des Zwölffingerdarmes a) Gastritis b) Geschwür
c) Magenkrebs d) Zwölffingerdarmgeschtvür
Vorbemerkung: Anatomisch besteht der Magen aus drei Hauptteilen: dem Magenanfangsteil (Pars cardiaca), dem Magenkörper (Corpus ventriculi) und dem Magenausgangsteil (Pars pylorica). Die physiologische Bedeutung des Magens ist bereits beschrieben worden. Sie besteht einmal darin, daß der Magen ein Reservoir für die Speisen darstellt, zum anderen wird in ihm die Verdauung, speziell der Eiweiße, eingeleitet. Die Entleerung des Magens I
Abb. 10
in den Zwölffingerdarm durch den Magenpförtner erfolgt nicht regellos, sondern nach einem gewissen Rhythmus, der durch die Art der Nahrung und durch die Sekretionsverhältnisse im Magen beeinflußt wird. a) G a s t r i t i s (Magenschleimhautentzündung) Die Gastritis stellt einen entzündlichen Reizzustand der Magenschleimhaut dar und kann sowohl in akuter als auch in chronischer Form in Erscheinung treten. Die Schleimhaut ist geschwollen, gerötet und sezerniert vermehrt Schleim. Seit Einführung des Gastroskops (optisches Gerät zur Spiegelung der Magenwände) erhält der Arzt ein genaues Bild über die Beschaffenheit der Magenschleimhaut. Ursachen: Zur akuten Gastritis können u. a. Diätfehler, eine Überladung des Magens, hastiges Essen, Genuß von zu kalten oder zu heißen Speisen oder verdorbene Nahrungsmittel führen. Symptome: Appetitlosigkeit, Druckgefühl in der Magengegend mit Widerwillen gegen alle Speisen, meist belegte Zunge („Spiegel des Magens"), häufig Erbrechen, gelegentlich Temperatur j8°. Therapie: Die wirksamste Therapie ist in jedem Fall eine Schonung des Magens durch Nahrungskarenz. Warme Umschläge und schwarzer Tee unterstützen das schnellere Abklingen des Reizzustandes. Die Gastritis kann aber auch die Vorstufe werden für die chronische Gastritis.
Erkrankungen des Magens
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Ursachen der chronischen Gastritis: Auch hierfür kommen die gleichen ursächlichen Momente in Betracht; vor allem können gesteigerter Alkohol- und Nikotingenuß zu einem chronischen Reizzustand der Magenschleimhaut führen. Die entzündlich geschwollene Schleimhaut weist einen schmierigen Belag auf. Die chronische Gastritis ist eine häufige Begleiterscheinung des Magengeschwürs. Besonders hervorzuheben ist die Stauungsgastritis, die durch eine chronische Stauung im venösen Abflußgebiet der Baucheingeweide bei Herzleiden hervorgerufen wird. Symptome: Es sind die gleichen wie bei der akuten Gastritis. Therapie: Die wirksamste Therapie besteht darin, zunächst die schädigenden Noxen auszuschalten. Nur dann kann eine durchgreifende Magenschonkost erfolgversprechend sein. Rollkuren mit Kamille nnd Targesin haben sich bewährt. Komplikation: Wird der chronische Reizzustand nicht beseitigt, so kann es zum Schwund (Atrophie) der Magenschleimhaut mit gleichzeitigem Schwinden der sekretproduzierenden Drüsen kommen. Die Supera^idität ( = Hyperazidität) ist ein krankhafter Zustand des Magens, der durch abnorm hohe Magensäurewerte gekennzeichnet ist. Die Ursache ist meist in einer gesteigerten nervösen Erregbarkeit zu suchen. Die Patienten klagen über saures Aufstoßen oder Sodbrennen, das 1 bis 2 Stunden nach dem Essen auftritt. Die Superazidität ist ein häufiges Symptom einer weiteren organischen Magenerkrankung, des Magengeschwürs. Sodbrennen tritt nicht nur bei Hyperazidität, sondern auch bei Subazidität auf, besonders bei Gallerückfluß in den Magen. Supersekretion bezeichnet eine allgemein gesteigerte Produktion von Saftmengen, von Salzsäure, Pepsin und Schleim.
b) M a g e n g e s c h w ü r = Ulcus v e n t r i c u l i (Tafel III, Bild 1 a u. b) Ursachen: Unter „Geschwür" verstehen wir keine eitrige Gewebseinschmelzung, wie es von Laien häufig gesagt wird, sondern einen Defekt der Magenschleimhaut. Das Magengeschwür ist ein häufiges Leiden, das vorwiegend Jugendliche und Menschen im mittleren Lebensalter befällt. Es wird im allgemeinen, was versorgungstechnisch von großer Bedeutung ist, zur Gruppe der „anlagebedingten" Leiden gerechnet. Man sieht es meist bei nervösen Menschen, die häufig wechselnden Stimmungsschwankungen unterworfen sind. Mit der Frage, wie es zur Ausbildung eines Geschwürs kommen kann, haben sich bedeutende Wissenschaftler beschäftigt: v. Bergmann vertrat die heute vorherrschende, oben angedeutete „neurogene Theorie", die besagt, daß es zunächst zu einer nervös-bedingten Durchblutungsstörung des Magens kommt, der sich dann eine peptische Verdauung der in ihrer Funktion gestörten Zellen anschließt. Lieblingssitz des Magengeschwürs ist die „Kleine Kurvatur", 3 cm vom Pylorus oder direkt am Pylorus. Anatomisch ist das oberflächlich sitzende Geschwür (Ulcus simplex) von dem in die tieferen Gewebsschichten eindringenden, nicht selten in die Bauchhöhle durchbrechenden Geschwür (Ulcus penetrans, ulcus perforans) zu unterscheiden. Typisch für das Magengeschwür ist das gehäufte Auftreten im Frühjahr und Herbst. Symptome: In den meisten Fällen bestehen zunächst über längere Zeit uncharakteristische Magenbeschwerden. Der Patient klagt über ein Druck- und Völlegefühl in der Magengrube, dem sich manchmal allmählich ein Schmerzgefühl beifügt. Typisch ist, daß er unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme davon befallen wird. Der Appetit
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Magen-Darmkanal
ist im allgemeinen gut und wird höchstens aus Angst vor dem Schmerz beeinträchtigt. Saures Aufstoßen, Abmagerung, manchmal noch eine chronische Darmträgheit (Obstipation) führen den Patienten zum Arzt. Mit Hilfe der fraktionierten Magensafttitration, die die Salzsäurewerte aufzeigt, durch die Röntgenkontrolle und evtl. unter Zuhilfenahme der Magenspiegelung wird die Diagnose gestellt. Die Röntgendiagnostik (Röntgen, Physiker in München, Nobelpreisträger, 1845—1923) bedient sich der Durchleuchtung mit Hilfe eines besonderen „Fluoreszenzschirmes" und der Röntgenaufnahme auf einem lichtempfindlichen Film. Röntgenbilder sind Schattendifferenzbilder. Im Körper sind die Knochen die dichtesten, d. h. die am stärksten strahlenabsorbierenden Gewebe; am leichtesten werden die lufthaltigen Organe — Lungen —• von den Röntgenstrahlen durchdrungen. Hohlorgane im Körper lassen sich durch Einbringen von schattengebenden, d. h. für Röntgenstrahlen undurchlässigen Flüssigkeiten sichtbar machen. Speiseröhre, Magen und Darm werden durch Bariumbrei dargestellt. Jodhaltige Präparate (Teridax, Biligrafin i. v., Urografin, Uroselektan u. a.) dienen zur Röntgendarstellung der Gallenblase und der Nierenbecken mit den harnableitenden Organen. Die Durchleuchtung ermöglicht es, die Organe in ihren Bewegungen zu beobachten. Die Röntgenaufnahme hält den Befund fest und läßt Feinheiten erkennen. Auf dem Röntgenfilm erkennt man das Ausgußbild des kontrastmittelgefüllten Magens. Ist die Schleimhaut an einer Stelle defekt (Ulkus), so wird dieses „ L o c h " von Bariumbrei ausgefüllt und imponiert als „Nischensymptom" (Tafel III, Bild 1 a u. b). Im Gegensatz hierzu kann auch derBrei verdrängt sein; eine „Aussparung" spricht für eine Wucherung der Schleimhaut (z. B. Magenkrebs—-Tafel I V , Bild 1 a u. b). Zur Vorbereitung der Magen- und Darmdurchleuchtung sei ein Hinweis erlaubt, der dem Röntgenologen die Arbeit sehr erleichtert: da durch einen zu starken Gasgehalt des Darmes die richtige Beurteilung sehr erschwert ist, darf der Patient 24 Stunden vor der Untersuchung keine blähenden Speisen essen und kein stark wirkendes Abführmittel bekommen. Es ist günstig, am Tage davor mehrmals 1 bis 2 Teelöffel Adsorgan zu geben und am Morgen, etwa 1 / 2 Stunde vor der Untersuchung, einen kleinen Einlauf zu machen.
In der Klinik spielt die Stuhluntersuchung auf Blut eine wichtige Rolle. Es ist bedeutungsvoll, daß der Patient drei Tage lang fleisch- und fischfrei ernährt wird und mehrere Stuhlentleerungen hat. Auch Zahnfleischblutungen müssen ausgeschlossen werden. Tritt während der Magenausheberung eine Blutung auf, so kann diese künstlich, durch den Schlauch, hervorgerufen sein. Komplikationen: Blutung und Durchbruch (Perforation) eines Magengeschwürs. Ursache: Neben dem sich langsam entwickelnden Magengeschwür steht jenes, das zunächst längere Zeit symptomlos bleibt, bis es eines Tages zu einer schweren Blutung (Bluterbrechen) oder gar zu einem Durchbruch in die freie Bauchhöhle kommt. Der gesamte Mageninhalt kann sich in die Bauchhöhle ergießen, es kommt zu einer Entzündung des Bauchfells, zur Peritonitis. Das ist das Bild der „offenen Perforation". Symptome der „großen" Ulkusblutung: die offene ( = große) Magenblutung muß von der verborgenen, kleinen (sog. „latenten") unterschieden werden. Kommt es zu einer großen Magenblutung, so erbricht der Patient Blut oder eine geronnene blutige Masse; bei der kleinen Blutung lassen sich nur chemisch Blutspuren im Magensaft oder im Stuhl nachweisen. Zur großen Blutung kommt es, wenn durch den Magensaft ein größeres Gefäß angeätzt wird. Das Blut ergießt sich in den Magen und löst einen Brechreiz aus. Wird es sofort erbrochen, so ist es hellrot, bleibt es längere Zeit im Magen, so wird es unter der Einwirkung von Salzsäure dunkel und „kaffeesatzartig". Klinisch beginnt die Blutung meist mit einem Schwäche- und Schwindelgefühl. Der Patient wird unruhig und ängstlich. Kommt es dann zum Bluterbrechen, so wird der Kranke aschfahl; der Puls ist beschleunigt, fadenförmig und leicht unterdrückbar. Eine Blutung kann das einzige Zeichen einer Geschwürsbildung sein. Therapie: s. folgende Seite und Band II. Symptome des perforierten Ulkus: Die Patienten verspüren manchmal plötzlich einen heftigen Schmerz in der Magengrube; alles weitere entwickelt sich sodann in kürzester Zeit. Sie bieten sehr bald
Erkrankungen des Magens das Bild eines „akuten Bauches", wie es in der Chirurgie genannt wird: brettharte Bauchdecken, Erbrechen, spitze Nase mit eingefallenem Gesicht, anfangs verlangsamter Puls (Reiz des Nervus vagus), der später mit der Temperatur ansteigt; in manchen Fällen tritt noch eine Darmlähmung (Paralytischer Ileus) komplizierend hinzu. Therapie des perforierten Magengeschwürs: In diesem Zustand kann nur eine sofortige Operation helfen (s. Band II). Neben dieser akut verlaufenden sog. „offenen Perforation" sei die „gedeckte Perforation" — der „gedeckte Durchbruch" — erwähnt. Dabei hat sich das Geschwür langsam in die tieferen Magenwandschichten „hineingefressen". Häufig greift es auf benachbarte Organe, wie Leber, Bauchspeicheldrüse und Dickdarm über. Der Körper versucht, einen offenen Durchbruch des Geschwürs in die freie Bauchhöhle oder in ein anderes Organ Zu verhindern: entweder deckt das Netz, oder es kommt zu entzündlichen Verklebungen und zur Verdickung einzelner Gewebsschichten um das sich ausbreitende Geschwür. So wird manchmal ein „offener Durchbruch" verhindert. Die Symptome bei der „gedeckten Perforation" sind ähnlich denen der „offenen Perforation", aber insgesamt sehr viel gemäßigter. Der klinische Verlauf entscheidet über die Therapie: operativ oder konservativ.
T h e r a p i e des M a g e n g e s c h w ü r s und der f r i s c h e n M a g e n b l u t u n g Sieht man von einer großen Blutung und dem geschilderten Durchbruch in den Bauchraum ab, so kommt für die Behandlung des Geschwürs zunächst eine diätetische sowie eine medikamentöse Behandlung in Betracht. Bei häufigen Rückfällen muß die Operation vorgenommen werden. Die Diätbehandlung (z. B. benannt nach den Klinikern Lenhart% oder Kalk) spielt ganz besonders in der medizinischen Klinik eine große Rolle (S. 64f.). Entscheidend sind dabei zwei Gesichtspunkte: einmal soll die Magenschleimhaut nicht durch „Säftelocker" (Gewürze, Nikotin, Alkohol, Marmelade, Gebratenes aus der Pfanne) zusätzlich gereizt werden, zum anderen gilt es, durch eine kalorienreiche Kost den geschwächten Körper zu kräftigen. Damit ist die Voraussetzung zur Heilung gegeben, die sich durch eine medikamentöse Therapie wirkungsvoll unterstützen läßt. Es haben sich Präparate bewährt, die das vegetative Nervensystem dämpfen. Bei Superazidität wirkt das Atropin günstig — für die Dauerbehandlung eignen sich eher Belladonna- oder Papaverinpräparate. Der Versuch, die überschüssige Säure lediglich durch Natriumbikarbonat (Bullrichsalz) zu neutralisieren, mißlingt bei längerer Anwendung; es wirkt durch die freiwerdende Kohlensäure als zusätzlicher Säurelocker. Neben der Bettruhe sollten, sofern keine Blutung vorliegt, feuchtwarme Umschläge nicht vernachlässigt werden. Außerdem werden immer wieder neue Präparate hergestellt, die, von den verschiedensten Gesichtspunkten ausgehend, den Heilungsprozeß beschleunigen sollen. Ein eindeutiger Effekt konnte bisher nur von Hormonpräparaten beobachtet werden. Neben ihnen stehen altbewährt: Diät, Wärme und Ruhe. Das Morphin soll nach Möglichkeit vermieden werden, da es durch die Schmerzausschaltung die Diagnose verwischen kann und zum anderen die Säurebildung anregt. Bei der frischen Magenblutung sind einige Tage Fasten unvermeidlich. Das Ausmaß des Blutverlustes bestimmt die Therapie. Auch der Chirurg wartet in vielen Fällen ab, bis die Blutung steht. Mit Hilfe von Bluttransfusionen oder Blutersatzmitteln wird das Blutgefäßsystem aufgefüllt. Ständige Blutfarbstoffkontrollen (Hämoglobinbestimmung) sind unerläßlich. Der Arzt entscheidet darüber, ob der Patient völlig ruhiggestellt werden soll. Mundspülen oder Austupfen mit Kamillen- und Salbeitee ist erlaubt und wird von dem Patienten als sehr angenehm empfunden. A m
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Magen-Darmkanal
zweckmäßigsten ist völlige Nahrungskarenz und die Zufuhr von Opiumtropfen auf kleinen Eisstückchen (Milch gerinnt im Magen und führt zu gesteigerter Peristaltik). Billroth (Wiener Chirurg, 1829—1894) hat bereits 1881 zwei Hauptmethoden zur operativen Ausschaltung des Magengeschwürs angegeben. Im Prinzip geht der Chirurg auch heute noch nach der von Billroth vorgeschlagenen Weise vor, wenngleich seine Methoden verschiedene Wandlungen erfuhren, die sich aus der praktischen Erfahrung und den neueren Erkenntnissen ergeben haben (Näheres s. Band II). c) M a g e n k r e b s (Magenkarzinom [Tafel IV, Bild ia u. b]) Symptome des Magenkrebses: Der Magenkrebs tritt meist zwischen dem 50. und 70. Lebensjahr auf. Häufig werden jene Menschen befallen, die „immer alles vertragen konnten". Vorboten sind anhaltende Appetitlosigkeit mit ausgesprochenem Widerwillen gegen Fleisch, Übelkeit, häufiges Aufstoßen. Diese nicht sehr typischen Anzeichen werden meist übersehen, zumal Schmerzen im allgemeinen erst spät hinzutreten. Erst dann, wenn Kräfteverfall und Abmagerung augenfällig geworden sind, wird der Arzt zu Rate gezogen. Die Blutkörperchensenkungsreaktion ist beschleunigt; es besteht eine Anämie (Verminderung des Blutfarbstoffes); im Stuhl wird Blut nachgewiesen, und die chemische Beschaffenheit des Magensaftes ist in typischer Weise verändert: oft fehlt die freie Salzsäure, während Milchsäure vorhanden ist. Durch die Röntgendarstellung oder durch die chirurgische Öffnung der Bauchhöhle ( = Laparotomie) wird die Diagnose gesichert. Der Krebs kann sich schüsseiförmig in der Magenwand ausbreiten oder in die Bauchhöhle hineinwachsen, bis er diese völlig verschließt. Metastasen ( = Tochtergeschwülste) finden wir häufig in der Leber, im Knochensystem und in der Lymphdrüse, die in der linken oberen Schlüsselbeingrube liegt und die „Virchoivsche. Drüse" heißt, weil Virchow sie zum ersten Male beim Magenkarzinom beschrieb (Virchow, 1821—1902, Pathologe in Würzburg und Berlin). Therapie: Bei frühzeitigem Erkennen, was leider selten der Fall ist, kommt nur die operative Entfernung des betroffenen Magenteiles in Betracht. In vereinzelten Fällen wird eine Röntgenbestrahlung angewandt. Die Röntgentherapie beruht auf der Fähigkeit der Röntgenstrahlen, in die Zellen einzudringen. J e nach Stärke der Dosierung hemmen sie die bestrahlte Zelle in ihrer Tätigkeit oder sie zerstören sie. Unreife Zellen, also auch die Krebszellen, sind besonders empfindlich. Mit „weichen" Strahlen, die nur die oberflächlichen Zellen der Haut und des Unterhautzellgewebes erreichen, bestrahlt man den Hautkrebs. „Harte" Röntgenstrahlen dringen in tiefergelegene Organe ein und vermögen die Krebszellen zu vernichten (sog. „Tiefentherapie"). Durch zu langes oder zu häufiges Bestrahlen können Schäden entstehen: Röntgenverbrennung, Röntgengeschwür, Röntgenkrebs.
Kommt ein operativer Eingriff nicht in Betracht, so muß sich der Arzt mit einer rein symptomatischen Behandlung begnügen. Die Kost muß leicht, breiig oder flüssig sein. Durch Azidolpepsin (Salzsäure-Pepsin) kann er versuchen, den Appetit anzuregen. Die Schmerzen werden zu Beginn durch feuchte Wärme gelindert, im fortgeschrittenen Stadium wird der Arzt nicht ohne Morphin-Präparate auskommen.
Weitere Veränderungen des Magens, denen wir in der Praxis häufiger begegnen als in der Klinik, seien der Vollständigkeit wegen angeführt: 1 . Magensenkung (Gastroptose), die gelegentlich bei Mehrgebärenden oder bei stark abgemagerten Menschen beobachtet wird. 2. Atonie des Magens, Bewegungsschlaffheit und 3. Magenneurose — „nervöser Magen". Beide sind häufig anlagebedingt.
T A F E L III
sogenannter
Ulkusfinger
Bild i a und b
b)
a) Die A b b i l d u n g läßt das Ausgußbild des kontrastgefüllten Magens erkennen. D e r Bariumbrei erscheint weiß, Magen und U m g e b u n g sind schwarz. Die K o n t u r der Kleinen K u r v a t u r ist durch eine linsengroß erscheinende Nische, in die der Bariumbrei hineingeflossen ist, unterbrochen ( = Schleimhautdefckt = Ulkus). b) Skizzenhaft ist das Mageninnere aufgezeichnet. D i e Ulkusnische (Pfeil) ist deutlich zu erkennen. D e r U l k u s f i n g e r in der G r o ß e n K u r v a t u r zeigt auf den Schleimhautdefekt der gegenüberliegenden Seite (Pfeil).
TAFEL IV
Karzinom an der
großen
Magen-Kurvatur
Bild i a und b a) Die Abbildung zeigt ein Ausgußbild des kontrastgefüllten Magens. Der Bariumbrei erscheint wiederum weiß, Magen und Umgebung sind schwarz. Die Verdrängung des Bariumbreis in der Magenmitte ist deutlich zu erkennen. Der Weg, den die Speisen nehmen können, ist durch eine Wucherung, die von der Großen Kurvatur ihren Ursprung nimmt, stark eingeengt. b) Die Skizze läßt das Mageninnere erkennen. Die Magenwand ist im Bereich der Großen Kurvatur durch eine Wucherung verdickt. Dieses Karzinom füllt einen Teil des Mageninneren aus und hat das Magenlumen eingeengt (Pfeil).
Darmerkrankungen
73
d) Z w ö l f f i n g e r d a r m g e s c h w ü r (Ulcus duodeni) Symptome: Das Zwölffingerdarmgeschwür, Ulcus duodeni, ist in seiner Entstehung und in seiner Symptomatik dem Magengeschwür sehr ähnlich. Charakteristisch ist der Spätschmer2, der dann auftritt, wenn sich der Magen entleert. Er wird daher auch als „Nüchternschmerz" oder „Hungerschmerz" von den Patienten bezeichnet. Die Perforationsgefahr ist geringer als beim Magengeschwür — zum Bluterbrechen kommt es selten. Wird ein größeres Gefäß durch das Geschwür „angenagt", dann entleert sich das Blut in den Darm und läßt sich im Stuhl nachweisen. Therapie: Die Therapie ist weitgehend die gleiche wie beim Magengeschwür: Liegekur, Wärme, Diät. Durchbruch und unstillbare Blutungen sind auch hier eine Indikation zur Operation. 3. Wurmfortsatzentzündung ( = Appendizitis; im Laiensprachgebrauch: „Blinddarmentzündung")
Ursache: Der Wurmfortsatz •— die Appendix — hat eine durchschnittliche Länge von 6 bis 8 cm Das Sektionsmaterial lehrt uns, daß etwa bei 75 % aller Obduzierten Zeichen einer abgelaufenen Entzündung vorhanden sind. In dieser „anatomischen Sackgasse" haften sehr leicht krankhafte Keime und Fremdkörper, die dann zu lokalen Reizerscheinungen führen können. Dem Röntgenologen gelingt es, den Wurmfortsatz mit Kontrastbrei zu füllen — eine Untersuchungsmethode, die nur bei häufig wiederkehrenden Beschwerden Erkenntnisse bringt. Symptome: Sehr häufig tritt aber gerade die Appendizitis ganz akut auf: Intensive Schmerzen im rechten Unterbauch, die sich in einem typischen Punkt lokalisieren lassen, dem „Mac i?w»y"-Druckpunkt (Mac Burnej, amerikanischer Arzt, 1845—1913). Erbrechen, als Zeichen der Bauchfellreizung, Temperaturanstieg (Differenz zwischen axillarer und rektaler Messung größer als i° C), Leukozytose (Anstieg der weißen Blutkörperchen), zunehmende Abwehrspannung der Bauchdecken und Anstieg der Pulsfrequenz. Therapie: Da die entzündlichen Erscheinungen selten unter konservativen Maßnahmen abklingen, muß die Appendix in den meisten Fällen operativ entfernt werden. Komplikationen: Aus der akuten Appendizitis kann eine chronisch-rezidivierende Form werden, die wiederum weitere Komplikationen in sich birgt (Blinddarmabszeß, perityphilitischer Abszeß, näheres s. Bd. II). 4. Darmerkrankungen a) Katarrh c) Ileus b) Darmkrebs d) Hämorrhoiden e) Gbstipation
a) D a r m k a t a r r h (Dünndarmentzündung = Enteritis, Dickdarmentzündung =
Colitis)
Unter dem „einfachen Darmkatarrh" verstehen wir eine entzündliche Veränderung des jeweils betroffenen Darmabschnittes. Ursache: Abgesehen von Bakteriengiften, von denen hier nicht gesprochen werden soll, kommen chemische Gifte in Betracht.
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Magen-Darmkanal
Symptome: Das Hauptmerkmal für den Darmkatarrh ist der wäßrige Stuhl (Durchfall = Diarrhöe), dem vermehrt Schleim, in schweren Fällen auch Blut und Eiter beigemischt sind. Therapie: Feuchtwarme Umschläge, schlackenarme Kost; darmberuhigende Medikamente (Papaverin und Belladonna), Mexaform —S. Gärungsdyspepsie Ursache: Die Gärungsdyspepsie ist eine Verdauungsstörung, die dann eintritt, wenn zu viele gärungsfähige Kohlenhydrate in die unteren Darmabschnitte gelangen, anstatt in dem oberen Abschnitt des Verdauungskanals resorbiert zu werden. Durch Darmbakterien werden sie dann zersetzt. Das kann eintreten bei vermehrter Zufuhr von Kohlenhydraten, bei beschleunigter Darmperistaltik oder bei schlackenreicher Kost. Dabei ist es den Darmfermenten nicht möglich, die von derben Zellulosehüllen eingeschlossenen Kohlenhydrate zu verdauen. Die Gärungsdyspepsie tritt vorzugsweise im Sommer auf — nach reichlichem Genuß von rohem Obst oder gärendem Most. Symptome: Übelkeit, Leibschmerzen, Erbrechen, Blähungen; mehrere Entleerungen eines dünnen, hellgelben Stuhles von stechendem Geruch (Buttersäure, Essigsäure). In schweren Fällen ist der Stuhl schaumig. Therapie: Nach i- bis 2tägiger Teepause (ungezuckert) langsam mit KH-freier Kost beginnen. Milch und gute Fette sind erlaubt. Wärme — darmkrampflösende Mittel. Komplikation: Bei länger bestehender Gärungsdyspepsie kann die Darmschleimhaut gereizt werden. F ä u l n i s d y s p e p sie Ursache: Im Gegensatz zur Gärungsdyspepsie handelt es sich bei der Fäulnisdyspepsie um eine gesteigerte Zersetzung von Eiweißen. Nach Genuß von übermäßigen Fleischmengen — vor allem im rohen Zustand gegessen — oder bei gesteigerter Sekretion eines eiweißreichen Darmsaftes kann es zur Fäulnisdyspepsie kommen. Symptome: Die Symptome ähneln denen der Gärungsdyspepsie. Die Stühle sind dunkelbraun und von üblem, fauligem Geruch. Schleim und Blut fehlen. Im Brutschrank entwickeln die Stühle vermehrt Gas. Therapie: Nach 1- bis 2tägiger Teepause vorsichtig mit einer eiweißfreien Kost beginnen. Verboten sind Fleisch und alle darmsaftlockenden Speisen (saftige Gemüse, grobes Brot, Fleischextrakt, Kaffee, Alkohol, scharf gewürzte Speisen). b) D a r m k r e b s Er tritt ausschließlich im Dickdarm auf und da vorwiegend in seinen unteren Abschnitten. Symptome: Neben den allgemeinen Symptomen, die sich bei jeder Krebsform zeigen können, klagt der Patient über wäßrigen, blutigen Stuhl. Der Röntgenschirm und, bei Veränderung des unteren Darmabschnittes, die Darmspiegelung (Rektoskopie) sichern die Diagnose. Therapie: Bei vorhandenem Karzinom, das rechtzeitig erkannt wird, kann nur der Chirurg helfen.
Darmerkrankungen
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c) I l e u s (Darmverschluß) Als Darmverschluß bezeichnet man die akute oder chronische Entwicklung der Unwegsamkeit des Darmes. Man unterscheidet zwei Arten: den mechanischen und den paralytischen Ileus (Paralyse = Lähmung). Näheres darüber im II. Band. d) H ä m o r r h o i d e n Ursache: Hämorrhoiden sind die venösen Erweiterungen der Mastdarmvenen. Nach ihrem Sitz, innerhalb oder außerhalb des Schließmuskels, werden „innere" und „äußere" Hämorrhoiden unterschieden. Symptome: Sie können dem Patienten durch Juckreiz, Schmerzen oder Blutungen Beschwerden machen. Therapie: Die lokalenBeschwerden lassen sich durch schmerzstillende Zäpfchen lindern. Wichtiger aber ist es in den meisten Fällen, die allgemeine Lebensweise zu regulieren, eine chronische Verstopfung zu vermeiden, eine überwiegend sitzende Beschäftigung durch eine zweckmäßige Bewegungstherapie auszugleichen. Manchmal ist die Ursache in einer chronischen Stauung im Leberkreislauf oder in einer kardialen Dekompensation zu suchen. Dort, wo eine konservative Therapie nicht zum Ziele führt, bleibt es dem Chirurgen vorbehalten, die Knoten und Schleimhauterweiterungen operativ zu entfernen. Analfissuren sind oberflächliche Schleimhautrisse. Analfisteln (Fistel = röhrenförmiger Gang) werden häufiger bei Männern als bei Frauen beobachtet. Vereiterte Hämorrhoiden und die Tuberkulose spielen in ihrer Entstehung eine große Rolle. e) O b s t i p a t i o n (Verstopfung) Unter Obstipation verstehen wir ein langes Verweilen des Kotes im Darm. Ursache: Als Ursache kommen sitzende Beschäftigung, Gallengangerkrankungen, unzweckmäßige Ernährung und eine nervöse Übererregbarkeit, die zu Darmspasmen führt, in Frage. Therapie: Sie richtet sich nach den Ursachen. Ein wahlloses Einnehmen von Abführmitteln ist oft schädigend. Gleitmittel (Paraffinöl, Obstinol, morgens nüchtern i bis 2 Eßlöffel) sind erlaubt. Durch eine schlackenreiche Kost (Weizen- und Roggenschrotbrot), getrocknete Pflaumen, Yoghurt und rohes Obst, wird die Darmtätigkeit angeregt. Bisweilen bringen Trinkwasserkur in Bad Kissingen oder in Bad Mergentheim Besserung. Die Darmtuberkulose und die Darmsyphilis sind selten und seien nur der Vollständigkeit wegen aufgeführt.
IV. Leber A. Physiologie der Leber
B. Erkrankungen der Leber
A. Physiologie der Leber Die Leber nimmt als größte Drüse im menschlichen Organismus eine hervorragende Stellung ein. Ihre völlige Entfernung führt zum Tode. Sie muß die ihr durch die Pfortader (Vena portae) zugeführten Nahrungsstoffe umformen und nach den Erfordernissen des Stoffwechsels in das Blut abgeben. Sie hat im einzelnen folgende Aufgaben: 1. Sie dient als Depotorgan. 2. Im Stoffwechsel spielen sich hier zahlreiche Vorgänge ab. Man hat sie daher auch „chemische Fabrik" genannt. 3. Sie bildet Galle, Fibrinogen (ein Stoff, der bei der Blutgerinnung von großer Bedeutung ist) und Heparin (ein Stoff, der die Blutgerinnung verzögert). 4. Sie hat eine entgiftende Funktion. 5. Der Abbau des Blutfarbstoffes (Hämoglobin) vollzieht sich hauptsächlich in der Leber. Z u 1. Die Leber dient als Vorratskammer zur zeitweiligen Aufbewahrung von Nahrungsstoffen, hauptsächlich der Kohlenhydrate in Form von Glykogen, dann von Fetten und in geringem Maße auch von Eiweißen. Bei Bedarf werden diese gespeicherten Stoffe wieder an das strömende Blut abgegeben und den einzelnen Organen zugeführt. Die Leber wirkt als Blutspeicher, sie kann bis zu 20% der Gesamtblutmenge aufnehmen, um sie bei Bedarf und Gefahr dem allgemeinen Kreislauf zuzuführen (bei Erstickung, bei großen Blutverlusten, bei Aufenthalt in verdünnter Luft!). Z u 2. Es gibt im Zwischenstoffwechsel (Intermediärer Stoffwechsel) wohl keinen Vorgang, in den die Leber nicht direkt oder indirekt eingeschaltet ist. Sie nimmt Anteil am Zwischenstoffwechsel: a) der Kohlenhydrate, b) der Eiweiße und c) der Fette. a) Die Kohlenhydrate, die durch Verdauungsfermente in einfache Zucker (Monosaccharide) aufgespalten werden, können als Glykogen in der Leber und in der Muskulatur gespeichert -werden. Zuvor müssen Lävulose, Galaktose und Mannose in Dextrose (Traubenzucker) umgelagert werden. Auch das geschieht in der Leber. Dadurch, daß die Zucker in der Leber abgefangen und als Glykogen abgelagert werden, wird eine plötzliche Überschwemmung des Blutes mit Zucker verhütet. Nur langsam wird das Glykogen wieder in Zucker —• es ist in jedem Falle Traubenzucker — umgewandelt und dem Bedarf entsprechend dem Körper zugeführt. Unter der Einwirkung von Insulin ( = Inkret des Pankreas) wird Glykogen aufgebaut. Ist das strömende Blut an Traubenzucker verarmt, so wird dadurch ein Reiz auf das Zuckerzentrum ausgeübt. Von hier aus ergehen nervöse Reize an die Nebenniere, die vermehrt Adrenalin (Stoff des Nebennierenmarks) ausschüttet. Das Adrenalin regt in der Leber den Abbau des Glykogens zu Traubenzucker an. b) Der im Eiweißstoffwechsel abgespaltene Stickstoff wird als Ammoniak in der Leber in Harnstoff verwandelt.
Leberzellentzündung
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c) Wie das Glykogen, so werden auch Fette als Fettsäuren in der Leber gestapelt. Der normale Fettgehalt beträgt etwa 3 % ; nimmt er zu, so spricht man von „Fettleber". Wenn der Kohlenhydratabbau gestört ist (s. Diabetes mellitus), bilden sich im Fettsäureabbau, der auch in der Leber erfolgt, Azetonkörper, die nicht so schnell wie gewöhnlich mitverbrannt werden können.
Zu 3. Die Leber liefert den für die Fettresorption notwendigen gallensäurehaltigen Gallensaft (vgl. S. 48). Fibrinogen, ein Eiweißkörper, der bei der Blutgerinnung in Fibrin übergeführt wird, wird in der Leber gebildet. Auch das Heparin, ein die Blutgerinnung hemmender Stoff, stammt aus der Leber. Außerdem wird ein sehr wichtiger Stoff gespeichert: Antiperniziosafaktor (s. VIII — Erkrankungen des Blutes). Zu 4. Bedeutungsvoll ist die entgiftende Funktion der Leber. Sie hat u. a. die Aufgabe, gewisse Eiweißspaltprodukte, die sich bei der Verdauung bilden, zu entgiften: Durch die Umwandlung des Ammoniaks in Harnstoff wird der Körper vor der giftigen Wirkung des Ammoniaks geschützt. Auch körperfremde Gifte (Metalle, Pflanzengifte) werden in der Leber entgiftet. Zu 5. Die roten Blutkörperchen haben, da sie kernlos sind, nur eine begrenzte Lebensdauer (bis zu 100 Tagen). Ihre Auflösung erfolgt in der Leber: unter Abspaltung des Eisens wird der Blutfarbstoff (Hämoglobin) in Gallenfarbstoff (Bilirubin) umgewandelt. B. Erkrankungen des Leberzellgewebes und der Gallengänge 1. Leber%ellent%iindung (Hepatitis) 2. Akute gelbe Leberatrophie (= Leherdjstrophie) 3. Leberzirrhose 4. Leberabs^eß
6. 7. S. 9.
j. Leberkar^inom Gallenblasenent^ündung Gallenblasenkarzinom Nachweis der Gallenfarbstojje Leberbelastungsproben
1. Leberzellentzündung (Hepatitis) Die akute Leberentzündung — früher als Icterus catarrhalis oder simplex bezeichnet — gilt heute nicht mehr als so harmlos, wie sie in der Vergangenheit angesehen wurde. Wir wissen heute, daß sich besonders aus der vernachlässigten Hepatitis gefährliche Leberzellschädigungen entwickeln können (s. Akute Leberatrophie). Die Hepatitis geht häufig mit einer Gelbfärbung der Skleren (Augeniederhaut) und Schleimhäute einher (daher auch „Gelbsucht"). Ein Ikterus tritt dann auf, wenn die 'BWirubinbildung die Bilirubinausscheidung in einem bestimmten Verhältnis übersteigt. Durch eine Störung im Zellgefüge der Leber kommt es zu einer Entgleisung von Galle in das Blut.
Ursache: Man führt die akute Hepatitis in den meisten Fällen auf eine Virusinfektion zurück (Virushepatitis). Auch ernährungstoxische Schäden können zu einer Entzündung der Leberzelle führen. Von diesen Formen der echten Leberzellentzündung müssen die Cholangitiden (Entzündung der Gallengänge) getrennt werden, die klinisch häufig ebenfalls von einem Ikterus begleitet sind, die aber durch aus der Gallenblase oder dem Zwölffingerdarm aufwandernde Keime — meist aus der Koligruppe —• hervorgerufen werden (aszendierende Cholangitis). Symptome der Hepatitis: Die Patienten klagen nach voraufgegangener Magenverstimmung über Übelkeit und Brechreiz, Aufstoßen, allgemeine Mattigkeit, gelegentlich über Gelenkbeschwerden, Hautjucken (hervorgerufen durch vermehrte Gallensäuren im Blut) und Temperaturerhöhungen nur, wenn auch die Gallenwege mitergriffen sind. Der Urin ist bierbraun verfärbt, der Schaum des geschüttelten Urins gelb, der Stuhl ist entfärbt, d. h. acholisch; blutchemisch steigt der Bilirubingehalt im Serum (Normalwert 0,5 mg%) an, gleichzeitig auch die Gallensäuren.
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Leber
Besondere Formen: Von diesem Krankheitsbild der Hepatitis ist weder klinisch noch pathologisch-anatomisch das Bild der sog. „Homologen Serumhepatitis" zu unterscheiden. Die Krankheit wird wahrscheinlich auch durch ein — parenteral eingebrachtes — Virus hervorgerufen. Die meisten Kliniker fassen sie ebenfalls als eine infektiöse Hepatitis auf, die sich von der Hepatitis epidemica nur durch eine längere Inkubationszeit unterscheidet. Sie kann bei der „Homologen Serumhepatitis" bis zu 100 Tagen betragen. Um eine Virusübertragung zu vermeiden, müssen Spritzen, Kanülen und Duodenalsonden von Ikteruskranken sorgfältig desinfiziert und sterilisiert werden, ehe sie bei anderen Patienten verwandt werden (Dampfsterilisation bei 13 4° C oder Trockensterilisation bei 200° C ; Duodenalsonden dürfen nur der Dampfsterilisation ausgesetzt werden). Therapie: Neben strenger Bettruhe eine kohlenhydrat- und eiweißreiche, fettarme, vitaminreiche Schonkost, bei der sämtliche gebratenen und gerösteten Speisen und alkoholische Getränke streng verboten sind. Feuchtwarme Leibumschläge und morgens nüchtern Karlsbader Wasser haben sich bewährt. Barbitursäurehaltige Schlaf- und differente Abführmittel müssen streng gemieden werden. In die medikamentöse Behandlung sind in den letzten Jahren—jedoch nicht zu Beginn der Erkrankung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt—schwefelhaltige Aminosäurengemische, wie z. B. Methionin, Sulfactin, Litrison und Prohepar eingeführt worden. Vorsichtiger Versuch einer Cortisontherapie (Gefahr einer Leberverfettung). Prognose: Auch bei den anscheinend leichten Verlaufsformen ist eine sorgfältige Überwachung der Leberfunktion erforderlich. 2. Die akute gelbe Leberatrophie ( = Leberdystrophie [Tafel V, Bild 2]) Die akute gelbe Leberatrophie war bisher ein fast ausnahmslos zum Tode führendes Leiden. Es kam hierbei unter schwersten Allgemeinerscheinungen zu einem rasch fortschreitenden Zerfall des Leberzellgewebes mit Daniederliegen der Leberfunktion (Hepatargie) und schweren Vergiftungszeichen. Heute gelingt es in manchen Fällen, die akute und subakute Leberdystrophie zum Stillstand zu bringen. Es resultiert die postnekrotische Narbenleber (Kartoffelleber), die keine Funktionsausfälle nach sich ziehen muß. Ursache: Oft erfahren wir aus der Vorgeschichte dieser Kranken eine Lues, eine Salvarsanbehandlung oder eine Pilzvergiftung. Anatomisch findet sich ein akuter Schwund des Lebergewebes mit starker Einlagerung von Fett. Hieraus erklärt sich auch die Bezeichnung akute „gelbe" Leberatrophie. Symptome: Häufig schließt sich das schwere Krankheitsbild an die zunächst unauffällig erscheinende Hepatitis an. Es ist gekennzeichnet durch hohen Temperaturanstieg, Verwirrungszustände und Krämpfe (Coma hepaticum). Die Krankheit kann auch ohne vorangehende Gelbsucht so schnell verlaufen, daß sich die sonst richtungweisenden klinischen Zeichen, wie Gelbsucht, nicht mehr zu entwickeln vermögen. Therapie der akuten gelben Leberatrophie: Nebennierenrindenpräparate, Cortison, B A L ( = Sulfactin) Dauertropfinfusion mit Tutofusin, Laevocholin, Kaliumchloridlösung, Vitamin B-Komplex, Vitamin C und Vitamin K . Therapie des Coma hepaticum: Einschränkung der Eiweißkost (zusätzliche Vergiftungsgefahr!) — Antibiotika, Dauertropf mit Tioctsäure, Kreislaufmittel. Cortison ist nach den Erfahrungen auf diesem Gebiet besonders erfahrener Kliniker völlig wirkungslos.
Leberzirrhose
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3. Leberzirrhose (Chronische Leberentzündung [Tafel V, Bild 1])
Ursache: Sie tritt als chronischer Leberschaden auf u. a. nach Lues, Tuberkulose, Malaria und nach ständigem, reichlichem Genuß von Alkohol. Pathologisch-anatomisch kommt es zu einer allmählichen Verdrängung der Leberbälkchen durch Wucherung des dazwischenliegenden Bindegewebes. Die Leber zeigt eine höckrige Oberfläche. Symptome: Das Bindegewebe hat die Neigung zu schrumpfen. Das Blut aus der Vena portae kann die Leber nicht mehr ungehindert durchströmen, und es kommt zu Stauungserscheinungen im Bauchraum. Nach einem uncharakteristischen Vorstadium treten bei klinisch nachweisbaren Funktionsstörungen in der Leber mehr und mehr für den Kranken bemerkbar die Stauungszeichen im Bauchraum in den Vordergrund. Der Kranke klagt über Appetitlosigkeit, Völlegefühl nach den Mahlzeiten und Blähungen. Häufig leiden die Kranken unter Hämorrhoiden. Wenn die Erkrankung einen bestimmten Schweregrad erreicht hat, tritt Flüssigkeit aus den Kapillaren durch den serösen Überzug der Bauchorgane in die freie Bauchhöhle über. Diese Flüssigkeit nennen wir Aszites ( = Bauchwassersucht). Häufig wird bei diesen Patienten auch durch Störung der Gallensekretion eine mäßiggradige Erhöhung des Gallenfarbstoffes im Serum gefunden (Subikterus). Die Milz ist meist vergrößert. Therapie: Leberextrakte, Laevulose, Vitamin-B-Komplex, Diät; bei Ascites schafft der Arzt dem Patienten eine Erleichterung durch Punktion; jedoch bleibt das krankhafte Geschehen in der Leber hierdurch unbeeinflußt. Eine kausale Therapie kommt nur in Betracht, wenn die Ursache der Erkrankung eine Lues ist; im übrigen gelten die gleichen Gesichtspunkte wie bei der Hepatitis. Verlauf: Je nach der Schwere der Erkrankung erstreckt sich die Dauer des Leidens über ein bis mehrere Jahre. Selbst in Fällen mit Aszites sind bei zweckmäßiger Behandlung Verläufe mit längerer Dauer beschrieben worden. Gelegentlich kommt der Krankheitsprozeß zum Stillstand, und das Lebergewebe erscheint wieder ausreichend funktionstüchtig. Mitunter endet das Leiden durch eine schwere tödliche Blutung aus den Speiseröhrevenen (Ösophagusvarizen, siehe auch Hämorrhoiden). Die Blutung tritt gewöhnlich plötzlich und in großer Menge ein. Das Blut aus den geplatzten Speiseröhrevenen fließt in den Magen und wird von hier stoßweise erbrochen, oder es gelangt vom Magen in den Darm. Der Stuhl ist teerfarben. In anderen Fällen treten banale Infekte hinzu, die den Krankheitsverlauf beschleunigen. Selten kommt es zu einer totalen Leberinsuffizienz mit Vergiftungserscheinungen, wie sie bei der akuten Leberatrophie geschildert wurde.
Eine Stauungsleber kann bei einer Insuffizienz des rechten Herzanteiles auftreten, wobei sich das Blut im Gebiet der unteren Hohlvene staut. Bessert sich die Herzleistung, so schwindet auch die Stauung in der Leber. Die Lebersjphilis ist durch die moderne Therapie sehr selten geworden. Die angeborene Lues verursacht in der Leber sehr typische Veränderungen, die der Pathologe als „Feuersteinleber" bezeichnet. Bei der antiluetischen Behandlung mit Salvarsan kann es gelegentlich zu einer Hepatitis oder auch zur akuten Leberatrophie 1 ). Die Lebertuberkulose tritt fast immer als Begleittuberkulose bei einer miliaren Aussaat auf. Eine isolierte Lebertuberkulose ist sehr selten. Bei Bluterkrankungen — wie bei der lymphatischen und myeloischen Leukämie und bei der Lymphogranulomatose — ist die Leber in typischer Weise mitbefallen. 1)
Die moderne Behandlung der Lues erfolgt mit Penicillin.
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Leber 4. Leberabszeß
Ursache: Ein Leberabszeß (oder auch mehrere) kann sich nach einer Amöbenruhr oder bei einer Sepsis bilden; dabei wird das infektiöse Material auf dem Wege der Arteria hepatica vom Herzen zur Leber geschleppt. Durch direkte Fortleitüng kann sich auch einmal nach einer eitrigen Blinddarmentzündung ein Leberabszeß bilden. Symptome: Es treten uncharakteristische Fieberschübe mit Schüttelfrost auf — manchmal gefolgt von einer Gelbfärbung der Skleren und Schleimhäute. Therapie: Sie richtet sich nach Zahl und Lage der eitrigen Einschmelzungen. Die Behandlung wird vom Chirurgen oder konservativ vorgenommen. Hohe Dosen von Antibiotika über längere Zeit. 5. Leberkarzinom (Leberkrebs)
Ursache: Der Pathologe unterscheidet ein primäres und ein sekundäres Leberkarzinom. Primär heißt, das Karzinom tritt zuerst in der Leber auf. Diese Form ist sehr selten; sie metastasiert in die Lunge, in das Knochensystem und in das Gehirn. Diese Metastasen haben die Fähigkeit, Galle zu bilden. Dem „sekundären" Leberkarzinom — d. h. die Muttergeschwulst des Krebses sitzt in einem anderen Organ, und die Tochtergeschwülste entwickeln sich in der Leber — begegnet man häufiger. Dabei kann das primäre Karzinom linsengroß irgendwo im Körper versteckt sein und dem Auge des klinischen Beobachters verborgen bleiben. Die sich sekundär entwickelnden Lebermetastasen können wesentlich größer werden. Symptome: Die klinischen Erscheinungen können sehr uncharakteristisch sein. Ist das primäre Karzinom —• etwa der Brust (Mamma), des Magens, der Gallenblase —• bekannt, so weiß der Arzt, daß er mit der Möglichkeit einer Metastasierung in die Leber zu rechnen hat. Er kann sie nicht verhindern. Die Zeichen des allgemeinen Körperverfalls, denen wir bei fast allen Fällen von Krebs begegnen, beherrschen das Krankheitsgeschehen. In manchen Fällen kann der Arzt eine höckrige Leberoberfläche tasten. Die Gelbfärbung von Haut und Skleren ist meist gering. Therapie: Eine wirksame Therapie gibt es weder beim primären noch beim sekundären Leberkrebs. A n Leberparasiten ist vor allem der zystenbildende Echinokokkus (Hundebandwurm) anzutreffen. Neben typischen Häkchen wird Bernsteinsäure im Punktat nachgewiesen. Die Embryonen des Hundebandwurmes dringen vom Darm in die Leber ein. 6. Gallenblasenleiden ( = Cholezystopathie)
Neben den Erkrankungen der Leber^Ä gibt es die Veränderungen der Gallengänge, besonders der Gallenblase, dem Reservoir für die Galle. Die Cholelithiasis, das Gallensteinleiden, beruht auf der Bildung von Steinen in den Gallenwegen, besonders in der Gallenblase. Sie befällt Frauen viermal häufiger als Männer. Obduktionsstatistiken besagen, daß jeder zehnte Mensch Steinträger ist, aber nur x/s von ihnen zu Lebzeiten Gallenbeschwerden hatte. Steinarten: Die weißen Gallensteine bestehen fast ganz aus schichtweise abgelagerten Cholesterinkristallen (Cholesterin = Gallenfett). Ihr Größendurchmesser beträgt etwa 1 cm; sie erreichen aber auch Walnußgröße, besonders dann, -wenn sie einzeln vorhanden sind (Solitärsteine). Röntgenologisch sind die reinen Cholesterinsteine nicht darzustellen, da sie strahlendurchlässig sind. Als „zusammengesetzte
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Gallenblasenleiden
Steine" bezeichnet man die Cholesterinpigmentkalksteine. Ihre Gestalt ist facettiert, gerundet, gestreckt, tonnenförmig; auf der Bruchfläche läßt sich eine konzentrische Schichtung erkennen. Sie kommen als kleine, aber auch als Riesensteine vor. Die braunen Steine bestehen aus Bilirubinkalk, Kalkkarbonat und -phosphat, oft mit Eisen, Kupfer und anderen Schwermetallen vermischt. Ihre Form und Größe ist wechselnd.
Beim Zustandekommen des Steinleidens spielt die Konstitution neben anderen Faktoren — Obstipation oder Behinderung des Gallenabflusses bei Schwangerschaft — eine wichtige Rolle. Das Vorhandensein von Steinen fördert eine aufsteigende Entzündung ebenso wie die Entzündung zur Bildung von Steinen führen kann. Durch einen Diätfehler, eine äußere oder eine seelische Erschütterung, oder durch eine Infektion mit Lamblien (= tierähnliche Darmparasiten), kann es zur Cholezystitis (Gallenblasenentzündung) kommen. Symptome: Im klinischen Bild der Gallenblasenentzündung müssen wir zwischen dem akut auftretenden und akut verlaufenden Steinanfall und der von vornherein chronischrezidivierenden Gallenblasenentzündung unterscheiden. Ein typisches Zeichen ist die Gallenkolik, jener heftige Schmerzanfall, der häufig nachts oder in den späten Abendstunden, meist ohne jeden Vorboten, auftritt. Es ist die Zeit der Verdauung im Zwölffingerdarm, wo reichlich Galle abfließen muß. Der Schmerz ist krampfend und steigert sich zu einer fast unerträglichen Heftigkeit. Der Kranke krümmt sich, ist blaß und von Angstschweiß bedeckt. Er schildert den Schmerz in der Gegend des rechten Rippenbogens, ausstrahlend in die rechte Schulter. Mit dem Schmerzanfall nimmt auch die Übelkeit zu, bis galliges Erbrechen folgt. Die Gallenkolik ist Ausdruck einer krampfhaften Zusammenziehung der Gallenblase, bei der ein Stein die Ursache sein kann. Der Krampf läßt nach, wenn der Stein aus dem Gallenblasenhals wieder in die Gallenblase zurückfällt oder wenn es gelingt, den Stein durch den Ductus choledochus in den Zwölffingerdarm zu befördern. Eine isolierte Entzündung der Gallenblasenwand allein ist auch fähig, eine Gallenkolik mit den gleichen Symptomen herbeizuführen. Komplikation: Vereitert der Gallenblaseninhalt (Empyen der Gallenblase), so kommt es meist zu heftigen Schmerzanfällen mit hohen Temperaturanstiegen und Schüttelfrost. Bleibt die Eiterung auf die Gallenblase beschränkt und greift nicht auf die Umgebung über, so kann die Entzündung unter Umständen allmählich abklingen und der Gallenblaseninhalt sich in den harmlosen, sterilen Hydrops umwandeln (sog. „weiße Galle"). Greift die eitrige Infektion auf die tieferen Gallengänge über, so entwickelt sich das klinische Bild der eitrigen Cholangitis. Therapie: Die Therapie richtet sich nach der Art und Schwere des Krankheitsbildes. Wenn eine Gallenkolik offenbar mit einem Diätfehler in Zusammenhang steht, vermag der Arzt dem Kranken durch ein Opiat Erleichterung zu bringen. In jedem Falle muß zunächst geklärt werden, ob ein schwerwiegender Befund (z. B. eine Perforation der Gallenblase) vorliegt, der durch das Betäubungsmittel verschleiert werden könnte. Auf Grund der Untersuchungen muß über die weitere Behandlung — konservativ oder chirurgisch — entschieden werden. Die chronisch-rezidivierende Cholezystitis spricht auf konservative Maßnahmen in vielen Fällen gut an: feuchtwarme Umschläge, Trinken von Mineralwasser (Karlsbad, Bad Bertrich, Mergentheim), Regulierung der Darmtätigkeit, eine fettarme, nur leicht gewürzte Diät. Steinauflösende Mittel gibt es nicht. D i e t r i c h Bd. I
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Leber
Die Röntgendarstellung der Gallenblase gelingt mit jodhaltigen Kontrastmitteln, die oral oder intravenös zugeführt werden und sich in der Gallenblase und in den Gallenwegen anreichern. Etwa drei Tage vor der angesetzten Röntgenuntersuchung soll der Patient leicht verdauliche, schlackenarme, nicht blähende Speisen (keine Hülsenfrüchte, keinen Kohl) zu sich nehmen. Bei Blähungen und Verstopfung ist es zweckmäßig, zwei Tage zuvor morgens nüchtern ein mildes Abführmittel zu reichen. A m Tage vor der Röntgenaufnahme wird das Kontrastmittel Biliselektan (Biloptin, Teridax) nach einem leichten Abendbrot (in Breiform) eingenommen. Der Inhalt einer Packung wird in drei bis vier Portionen eingeteilt und mit Wasser oder einem anderen Getränkt in kurzen Abständen unzerkaut eingenommen. Nach der Einnahme empfiehlt es sich, den Patienten noch 15 Minuten auf die rechte Seite zu lagern. Er darf dann bis zur Röntgenaufnahme am folgenden Morgen nicht mehr essen, nicht mehr trinken und nicht rauchen. Die Vorbereitungen zur Gallenblasendarstellung mit Biligrafin (Endografin) sind die gleichen. Eine abendliche Einnahme des Kontrastmittels erübrigt sich, da es etwa 1 / 2 Stunde vor der Röntgenaufnahme vom Arzt intravenös verabreicht wird. Die Untersuchung erfolgt ebenfalls nüchtern. 7. Gallenblasenkarzinom (Gallenblasenkrebs)
Das Karzinom der Gallenblase oder der Gallengänge tritt oft unter dem Bilde eines primären Leberkarzinoms auf und ist wie dieses unheilbar. 8. Nachweis von Gallenfarbstoffen in Urin und Blut
a) N a c h w e i s v o n U r o b i l i n o g e n im H a r n n a c h Ehrlich (Ehrlich, Arzt und Biologe in Frankfurt, 1854—1915) Eine frische, auf Zimmertemperatur abgekühlte Harnmenge wird tropfenweise mit Ehrlich-Aldehyd-Reagenz versetzt und gut durchgeschüttelt. Tritt bereits in der Kälte eine Rotfärbung der Harnprobe auf, so ist Urobilinogen vermehrt (z. B. bei Erkrankung des Lebergewebes). Hierbei hat die Leberzelle vorübergehend die Fähigkeit eingebüßt, die reduzierten Gallenfarbstoffe wieder aus dem Darm rückzuresorbieren. Eine Rotfärbung der Harnprobe nach Erwärmen zeigt einen normalen Urobilinogengehalt an. Tritt keine Rotfärbung auf, auch nicht nach Erwärmen, so ist das Urobilinogen vermindert oder es fehlt ganz (z. B. beim Verschlußikterus). b) N a c h w e i s v o n B i l i r u b i n im H a r n Eine sehr einfache und dabei sehr empfindliche Probe zum Nachweis von Bilirubin ist die Schichtprobe mit Lugokcb&i Lösung: mit dieser Jodlösung wird die Harnprobe vorsichtig überschichtet: Bei Vorhandensein von Bilirubin bildet sich an der Berührungsstelle der Flüssigkeiten ein grüner Ring. Normaler Urin enthält kein Bilirubin; Bilirubinausscheidung spricht für eine Gallenstauung, hervorgerufen durch eine mechanische Behinderung des Gallenabflusses (z. B. durch Steine, Geschwülste). c) N a c h w e i s v o n U r o b i l i n im H a r n n a c h Schlesinger (Schlesinger, Internist in Wien, 1869 — 1947) Eine Harnprobe wird zu gleichen Teilen mit Schlesinger-Reagens (Zinkazetat) versetzt, filtriert und gegen einen schwarzen Hintergrund betrachtet. Bei Anwesenheit von Urobilin tritt eine deutlich erkennbare, grünliche Fluoreszenz auf. Frisch gelassener, normaler Harn enthält kein Urobilin; es bildet sich aus der Vorstufe Urobilinogen,
Leberfunktionsproben
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wenn Harn dem Licht ausgesetzt einige Zeit stehenbleibt. Für krankhafte Zustände gilt daher das gleiche, was schon zur vermehrten Urobilinogenausscheidung gesagt wurde. d) Der quantitative Bilirubingehalt im Serum Der quantitative Bilirubingehalt im Blutserum wird nach der Methode von Hijmans van den Bergh bestimmt (Hijmans van den Bergh, Pathologe in Utrecht, geb. 1869). Da es eine Aufgabe des Labors ist, soll es in diesem Buch nicht weiter besprochen werden. Die Bestimmung des Serumbilirubins ist nur bei ikterischen Verlaufsformen verwertbar. Sie bietet keine Differentialdiagnose gegenüber dem Verschlußikterius. Zur Nomenklatur: „direkt positiv" fällt sie bei hepatogenem Ikterus aus; aus „indirekt positiv" wird das außerhalb der Leber, im strömenden Blut gebildete Bilirubin bei sog. „extrahepatogenem Ikterus" gefällt. Beide Werte zusammen ergeben das „Gesamtbiiirubin" (Normalwert: 0,45 bis 0,60 mg%). 9. Leberfunktionsproben
Die Differentialdiagnose der Lebererkrankungen — die häufig ein gemeinsames Symptom aufweisen, das „Gelbsein" — kann für den Arzt sehr schwierig sein. Wichtig für die Schwester ist es, etwas über die in der Medizinischen Klinik durchgeführten Leberfunktionsproben und über die Art ihrer Durchführung zu wissen. Es sind im wesentlichen Belastungsproben (Toleranzprüfung) der intermediären Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechselvorgänge in der Leber. Einige wichtige Proben seien aufgeführt. a) Galaktosebelastungsprobe P r i n z i p : D e r Aufbau der Galaktose zu Glykogen erfolgt in der Leberzelle. Ist die Leberzelle in ihrer normalen Funktion gestört, so wird die nicht zu Glykogen aufgebaute Galaktose im Urin wieder ausgeschieden. Nach Entleerung der Blase erhält der Patient morgens nüchtern 40,0 g Galaktose, gelöst in 200 bis 250 ccm Tee. Der Urin wird in den folgenden 6 Stunden gesammelt, gemessen und polarimetrisch auf seinen Zuckergehalt untersucht. Eine funktionstüchtige Leber scheidet nicht mehr als 3,0 g Galaktose im Urin aus. Erst ab Mittag darf der Patient wieder seine gewohnte Kost essen. b) L ä v u l o s e - B e l a s t u n g s p r o b e Diese Probe ist ähnlich der Galaktosebelastungsprobe. Der Patient erhält morgens nüchtern und nach Entleerung der Blase 100,0 g Lävulose, gelöst in 200,00 Tee. Dann wird der Urin in den folgenden 6 Stunden gesammelt, gemessen und polarisiert. c) Die B r o m s u l p h a l e i n - B e l a s t u n g s p r o b e Ein intravenös angewandter Test, der wegen großer Zuverlässigkeit in der Medizinischen Klinik gern angewandt wird. P r i n z i p : Untersuchungen aus jüngerer Zeit haben ergeben, daß es Stoffe gibt, die ziemlich fest und weitgehend quantitativ an das Albumin gebunden sind. Die Albumine sind neben den Globulinen die wichtigsten Bausteine der Eiweiße (ca. 60—80%). Da die Albumine durch die Leber ausgeschieden 6*
Leber
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werden, müssen auch diese Stoffe — zu ihnen gehören das Bromsulphalein, Jodtetragnost und Biliselectan — auf dem gleichen Wege ausgeschieden werden. Sie eignen sich daher in besonderem Maße zur Leberdiagnostik. d) D i e M e t h y l e n b l a u - P r o b e Zunächst wird eine Duodenalsonde gelegt, sodann 3 ccm einer 2%igen Methylenblaulösung subkutan injiziert. Bei normal arbeitender Leber ist der Farbstoff erst nach 1 bis 1V2 Stunden im Duodenalsaft, bei einer Leberzellerkrankung bereits nach 10 bis 30 Minuten erkennbar. e) D i e Takata-Ara-'Kts.ktiori
und die E l e k t r o p h o r e s e
Die Modifikation der Takata-Ara-'R&Tik'Liori nach Mancke-Sommer, das Weltmannsche Koagulationsband mit seiner Abwandlung nach Wuhrmanti und Wunderly ( = Nephelogramm) und die Elektrophorese sagen etwas sehr Wesentliches über das Verhältnis der Bluteiweiße (Albumin und Globulin) zueinander, aber sie sind keine leberspezifischen Proben. Sie decken bei Lebererkrankungen Verschiebungen der Eiweiße auf und können so im Zusammenhang mit den übrigen Befunden in der Diagnose und Prognose wertvolle Hinweise geben. Der größte diagnostische Wert unter den „traditionellen" Leberfunktionsproben wird dem „Tymoltrübungstest" beigemessen, der bei einer akuten Hepatitis in 80% der Fälle pathologisch ausfällt. In der Differenzierung — Entzündung oder Verschluß — werden die Bestimmung der Serumphosphatasen (normale Werte bei der Hepatitis, erhöhte Werte bei allen Erkrankungen, die mit einer Gallenstauung einhergehen) und die Bestimmung des Serumeisenspiegels herangezogen (Erhöhung bei akuten und chronischen Formen der Hepatitis — Erniedrigung bei mechanischem Verschluß, insbesondere bei einem bösartigen Verschluß). Während wir mit den oben beschriebenen „traditionellen" Leberfunktionsproben im günstigen Falle 85% der unter dem Bild eines Ikterus erkrankten Fälle klären konnten, sind diese Ergebnisse in jüngster Zeit durch die Einführung der Enzymbestimmung im Serum wesentlich verbessert worden. Enzyme, oder auch Fermente, sind Substanzen, die in einen Stoffwecbselvorgang entscheidend eingreifen, ohne sich selbst zu verändern. Sie sind im normalen Blutserum enthalten. In der Diagnostik der Lebererkrankungen interessieren uns die „Transaminasen" (sie erwirken im Eiweißstoffwechsel eine Umgruppierung der Aminogruppe), es sind die Glutamat-Oxalacetat-Transaminase ( = G O T ) und die Glutamat-Pyruvat-Transaminase ( = G P T). Sie sind bei jeder Hepatitis regelmäßig vermehrt im Serum nachweisbar — und, was besonders wichtig ist, bereits im Frühstadium, noch bevor das Serumbilirubin ansteigt, und bei den anikterischen Formen. Differentialdiagnostisch gegenüber dem Verschlußikterus lassen sich allerdings die Transaminasen alleine nicht verwerten. In der Klinik wird bei allen ungeklärten Fragen einer Leberstörung oder Lebervergrößerung eine Biopsie ausgeführt. Der histologische Befund bringt eine sichere Diagnose der oftmals klinisch nicht zu klärenden Erkrankung.
V. Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) A. Physiologie
der Bauchspeicheldrüse
B. Erkrankungen
der
Bauchspeicheldrüse
A. Physiologie der Bauchspeicheldrüse Die täglich abgesonderte Menge des Pankreassekretes beträgt i bis iV 2 t. Der Bauchspeichel ist färb- und geruchlos, seine Reaktion schwach alkalisch. Auf den Mechanismus der auf hormonalem Wege ausgelösten Sekretion wurde bereits hingewiesen (S. 48). Daneben können auch nervöse Impulse zu einer Absonderung von Bauchspeichel führen. Der Pankreassaft enthält kohlenhydratspaltende (Diastase und Maltase), eiweißspaltende (Trypsin) und fettspaltende (Steapsin-Lipase) Fermente (S. 47). Neben diesen für die Verdauung sehr wichtigen Sekreten produziert das Pankreas noch ein nicht minder wichtiges Hormon ( = Inkret): das Insulin (S. 49 u. 51). Es wird in den Langerhansschzn. Inseln gebildet. In diesen Inselzellen unterscheidet man histologisch zwei Zelltypen: «- und /3-Zellen. Die ß-Zellen produzieren das Insulin, während den a-Zellen eine insulinhemmende Wirkung zukommt (Glukagon). B. Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse 1. Untersuchungsmethoden 2. Akute Pankreatitis 3. Akute Pankreasnekrose
4. Chronische Pankreatitis /. Pankreaskar%inom 6. Pankreassteine
1. Untersuchungsmethoden
Die auf physiologischen Erkenntnissen aufgebaute „funktionelle Pankreasdiagnostik" sucht eine Störung in der Tätigkeit der Bauchspeicheldrüse im Ablauf der Verdauung festzustellen. Die Schmidtsche Probekost (Schmidt, Kliniker in Bonn, 1865—1918) ist eine in der Klinik häufig durchgeführte Pankreasbelastungskost. Sie besteht hauptsächlich aus Fett und Eiweiß. Insuffizienzerscheinungen werden damit sehr bald aufgedeckt. Unverdautes Fett erscheint in Form von Neutralfett (flüssig) oder als Fettsäurenadeln im Stuhl; unverdautes Fleisch kann mikroskopisch an Hand intakter Muskelfasern ebenfalls im Stuhl nachgewiesen werden. Wertvoll für den Nachweis einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung können auch Fermentuntersucbungen sein. Durch den „Ätherreflex" (S. 46) gewinnt man Pankreassaft, der im Labor auf seinen Trypsingehalt untersucht wird. Diagnostische Bedeutung haben die Diastasebestimmungen im Harn und Blut. Sie können bei Reizungen der Bauchspeicheldrüse erhöht sein (über 128 E nach Wohlgemutb \ Wohlgemuth, Internist in Berlin; geb. 1874]).
86
Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) 2. Akute Pankreatitis
Ursache: Als „akute Pankreatitis" sei jene Form der Pankreaserkrankung bezeichnet, die durch eingewanderte Bakterien (auf dem Blutwege oder nach Aufsteigen aus dem Darm) verursacht wird. Erschreckend ist die Zunahme der durch Alkoholabusus hervorgerufenen Pankreatitis. Symptome: Ein gelegentlich geäußerter Schmerz im Oberbauch und Verdauungsbeschwerden lassen den Arzt die Krankheit erkennen. Als Zeichen der Funktionsschwäche des Prankreas zeigt sich eine schlechte Fettverdauung (Butterstühle). Komplikationen: Kreislaufkollaps. Eitrige Einschmelzungen (Abszesse) sind sehr selten. Therapie: Antibiotika; Trasylol, fettarme Diät, feuchtwarme Leibumschläge. 3. Akute Pankreasnekrose
Ursache: Die akute Pankreasnekrose, auch Pankreasapoplexie genannt, beruht auf einer Selbstverdauung des Pankreas und wird fast immer bei Gallenkranken beobachtet; z. B. bei Steinen, die sich eingeklemmt haben, im unmittelbar vor der Vaterschen Papille ( = Papilla duodeni) gelegenen Gallenausführungsgang. Das Pankreassekret, normalerweise auf dem Blutwege vom Darm her aktiviert, kann auch durch gestaute, zurückfließende Galle aktiviert werden und verdaut dann, da es nicht abfließen kann, die eigenen Pankreaszellen. Durch das zerfallende Gewebseiweiß kommt es zur Selbstvergiftung des Körpers. Symptome: Klinisch erinnert das Krankheitsbild an eine Sepsis, an eine Magenperforation oder an einen Ileus. Verfallenes Aussehen (Facies abdominalis), Kollapserscheinungen, Blässe, Erbrechen, hochgradige Unruhe und unerträgliche Schmerzen im linken Oberbauch sind Kennzeichen. Der Schmerz strahlt häufig zum linken Schulterblatt aus, seltener zum linken Darmbeinkamm. Später kann Fieber um 39 bis 40° C auftreten, der Oberbauch scheint aufgetrieben. Komplikationen: Kreislaufkollaps; es kann zu einer Pankreasblutung kommen — daher auch Pankreasapoplexie —, wenn ein größeres Gefäß angedaut wird. Der Pankreassaft kann sich ungehindert in die freie Bauchhöhle ergießen und seine verdauende Wirkung ausüben. Therapie: Die Behandlung wird nach Möglichkeit konservativ durchgeführt. Es ist wichtig, daß der Patient völlig ruhiggestellt wird. Er darf weder durch den Anblick, noch durch den Geruch von Speisen irritiert werden. Auch bei dem früher üblichen operativen Vorgehen ist die Sterblichkeitsziffer, die bei 50 bis 60% liegt, sehr hoch. 4. Chronisch indurierende Pankreatitis (Pankreaszirrhose)
Ursache: Durch Wucherung des zwischen den Zellen gelegenen Bindegewebes kommt es zur Verdrängung der Pankreaszelle und damit zur Schrumpfung des Organs. Als Ursache für diesen Umwandlungsprozeß gelten neben Alkoholismus eine Gefäßverkalkung und die Lues. Symptome: Klinisch ist die Diagnose sehr schwer zu stellen, da sich die Pankreasmangelerscheinungen nur langsam zeigen. Allmählich leidet der Ernährungszustand infolge mangelhafter Nahrungsausnutzung. Manchmal klagen die Kranken über Verdauungsstörungen, über massige Entleerungen eines stechend-stinkenden Stuhles.
Pankreasstein
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Therapie: Behandlung des Grundleidens. Bei deutlicher Funktionsstörung fettarme Diät. Manchmal bewähren sich Pankreaspräparate. 5. Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldrüsenkrebs)
Das Pankreaskarzinom kann primär auftreten, wobei der Kopfteil bevorzugt ist, aber die Krebsgeschwulst kann auch von dem benachbarten Magen- und Darmtrakt übergreifen. Symptome: Die ersten Symptome sind auch hierbei wieder so uncharakteristisch, daß sie leicht übersehen werden. Sind erst die allgemeinen Zeichen eines bösartigen Prozesses da — Abmagerung, Leistungsschwäche, Beschleunigung der Blutkörperchensenkungsreaktion —, dann sind auch schon Metastasen vorhanden, und jede wirksame Hilfe kommt zu spät. Daher ist die Prognose des Pankreaskarzinoms im allgemeinen infaust. 6. Pankreassteine
Pankreassteine, die aus Kalziumkarbonat oder Kalziumphosphat bestehen, sind selten. Als ursächliche Momente gelten auch hier Stauung und Entzündung. Bei den Steinanfällen — den Koliken — strahlen die Schmerzen zum linken Schulterblatt aus.
VI. Nieren und ableitende Harnorgane A. Physiologie der Niere JB. Urinuntersuchungen u. Nierenfunktionsproben
C. Erkrankungen der Niere D. Erkrankungen der Harnorgane
A. Physiologie der Niere Die Niere spielt als Ausscheidungsorgan — neben dem Darm — eine hervorragende Rolle. Sie hat die Aufgabe, den Harn 2u bereiten. Dabei werden ihr die Harnbestandteile zum großen Teil fertig mit dem Blut zugeführt; nur wenige werden in der Niere selbst gebildet. Durch die Bildung des Harns wird das Blut von Stoffwechselschlacken und körperfremden Stoffen befreit. Die Aufrechterhaltung eines physikalisch-chemischen Gleichgewichts im Blut ist eine der Hauptbedingungen, unter denen ein Organismus leben kann. Diese Aufgabe erfüllt die Niere. Sie wird von drei paarigen Arterien—• Arteriae renales —versorgt und von etwa iooo bis 15 oo / Blut täglich durchströmt. Die Niere scheidet außer Wasser, Salzen und Hormonen „harnpflichtige" Stoffe aus, die zum größten Teil in der Leber gebildet werden. Sie befreit das Blut von überschüssigen Säuren oder Alkalien, vor allem von giftigen Endprodukten aus dem Eiweißstoffwechsel. Eine Anhäufung dieser Substanzen führt sehr bald zur Eigenvergiftung des Organismus — zum Coma uraemicum. Sitz der spezifischen Funktion der Niere ist ihre Rinde. Die Blutgefäße werden hier in feinste Knäulchen aufgeteilt (sog. „Glomeruli") und sind von einer Kapsel umgeben. Die Bowmansshs. Kapsel (Bon/man, englischer Arzt, 1816—1892) ist der Anfangsteil eines Harnkanälchens, welches sich in einem vielgewundenen Drüsenschlauch (Tubulus contortus), in der Hen/eschen Schleife, (Henle, Anatom in Göttingen, 1809—1895) einem weiteren gewundenen Drüsenteil (Schaltstück) und in den Sammelkanälchen fortsetzt. Die Sammelkanälchen münden in das Nierenbecken. Die Menge des fertigen Blasenurins ist abhängig von der Größe der Filtration in den Glomeruli und der Größe der Wasserrückresorption in den Harnkanälchen. Der primäre, in die Boivmansche Kapsel abgegebene Harn kann als eiweißfreies Filtrat des Blutplasmas (Ultrafiltrat), in dem außer Eiweiß alle gelösten Bestandteile des Blutes in gleicher Konzentration wie im Blutplasma enthalten sind, angesehen werden. In den Tubuli erfolgt Wasserrückresorption und Rückresorption von Schwellenstoffen und auch eines Teiles der Schlackenstoffe. Hierdurch erfolgt eine Eindickung des ursprünglichen dünnen Harnes zum fertigen Blasenharn. Die Sekretion des Harnes erfolgt kontinuierlich; sie wird jedoch von verschiedenen Faktoren beeinflußt: vom Flüssigkeitsgehalt der Nahrung und des Blutes sowie vom Blutdruck. Insgesamt wird die Nierentätigkeit von der Hypophyse gesteuert. Bei einer normalen Ernährung scheidet der gesunde Mensch täglich etwa 1,5 l Harn aus. Die chemische Reaktion ist „schwach sauer", bei Pflanzenkost alkalisch; das spezifische
Verdünnungsversuch
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Gewicht beträgt 1015 bis 1030. An anorganischen Bestandteilen enthält der Urin Kochsalz, Schwefel, Phosphor, Natrium, Magnesium und Kalzium. A n organischen Bestandteilen werden täglich 30 g Harnstoff, 0,5 bis 1,0 g Harnsäure, Harnfarbstoffe, Vitamine und Hormone ausgeschieden. Bowman sehe Kapsel
A b b . 11
B. Urinuntersuchungen und Nierenfunktionproben Die wichtigsten U n t e r s u c h u n g e n des U r i n s sind folgende: 1. Bestimmung der täglich ausgeschiedenen Harnmenge und des spezifischen Gewichtes 2. Chemische Reaktion (neutral, sauer, alkalisch) 3. Zuckerproben (S. 55) 4. Bestimmung der Gallenfarbstoffe ( S. 82) 5. Eiweißproben Der normale Harn ist praktisch frei von Eiweiß. Die Ursachen für eine Albuminurie können sowohl in einer Erkrankung der Niere als auch in Schädigungen anderer Organe, so bei schweren Bluterkrankungen und Herzkrankheiten, zu suchen sein. Der Harn soll vor der Durchführung der Eiweißproben möglichst klar sein und muß deshalb vorher filtriert werden. Sulfosali^yhäureprobe: eine angesäuerte Harnprobe wird mit Sulfosalizylsäurelösung tropfenweise versetzt. Im eiweißhaltigen Harn entsteht eine Trübung. Essigsäurekochprobe-, etwa 10 cm 2 werden erhitzt; kommt es beim Sieden zu einer Trübung, so kann diese auf Eiweiße oder auf ausfallende Salze zurückzuführen sein. Setzt man nun tropfenweise eine 3%ige Essigsäure hinzu, so bleibt nur die aus Eiweiß bestehende Trübung bestehen. Quantitative Urineiweißbestimmung nach Esbach: Das Esbachröhrchen zeigt eine bestimmte Graduierung. Bis zur Marke „ U " wird es mit Urin gefüllt, bis zur Marke „ R " mit Esbach-Reagens (Gemisch v o n Pikrin- und Zitronensäure). Das Röhrchen wird mit einem Gummistopfen verschlossen, mehrmals umgeschüttelt und in die Holzhülse gestellt; es muß dunkel stehen. Nach 24stündigem Stehen bei Zimmertemperatur wird die Höhe des sich bildenden Niederschlages an der Gradeinteilung des A l b u minimeters abgelesen. 20 „Promille Esbach" bedeuten einen Eiweißverlust von 20 g in 1 / Harn. Das muß die Schwester bei der Kost beachten; denn sie muß es dem Kranken zusätzlich geben. Hat der Arzt dem Patienten ein tägliches Eieweißminimum v o n 60 g zugebilligt, so muß der Kranke, bei einer Harnausscheidung v o n 1,5 l, 90 g Eiweiß bekommen.
Nieren und ableitende Harnorgane
9°
Bei der mikroskopischen Untersuchung des Schleudersatzes (Sediment) muß auf folgende Bestandteile geachtet werden: auf rote und weiße Blutkörperchen, Bakterien, Epithelzellen, Zylinder (das sind Eiweißausgüsse der Harnkanälchen) und auf Salze (Kristalle verschiedener Art). Nierenfunktionsproben: i. Verdünnungsversuch; 2. Konzentrationsversuch. Der Verdünnungs- und Konzentrationsversuch nach Volhard Q/olhard, Internist in Frankfurt, 1872—1950) bietet einen guten Einblick in die Leistungsfähigkeit der Niere, zumal hierbei physiologische Vorgänge zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden und man keine weiteren Laboruntersuchungen benötigt. 1. Verdünnungsversuch
Nach morgendlicher Blasenentleerung erhält der Patient nüchtern l Wasser oder ganz dünnen Tee zu trinken und bleibt bis zur Beendigung des Versuches nüchtern und im Bett (etwa vier Stunden). Von dem halbstündlich gelassenen Harn werden in einzelnen Portionen Menge und spezifisches Gewicht bestimmt. Die gesunde Niere scheidet die gesamte Flüssigkeit innerhalb der nächsten vier Stunden aus — 2/s etwa in den ersten beiden Stunden—, wobei das spezifische Gewicht auf 1001 bis 1002 sinkt. Bei der kranken Niere ist die Ausscheidung verzögert, oder sie erfolgt gar nicht. Eine Gewichtskontrolle vor und nach Beendigung des Versuches darf nicht vergessen werden. In Fällen schwerer Nierenschädigung zeigt der Harn sowohl beim Dursten als auch beim Wasserversuch annähernd das gleiche niedrige spezifische Gewicht von 1008 bis 1012 (Isosthenurie). Herzkranken mit verminderter Herzleistungsfähigkeit wird der Arzt keinen Verdünnungsversuch zumuten. 2. Konzentrationsversuch
Der Patient erhält für 24 Stunden Trockenkost, nachdem sein Gewicht, der Kochsalzspiegel im Blut und Harn und die Ein- und Ausfuhr von Flüssigkeiten drei Tage lang zuvor beobachtet wurden, um Erkrankungen anderer Organe auszuschließen. Während der Gesunde bis zu einem spezifischen Gewicht von 1030 konzentrieren kann, ist die kranke Niere nicht fähig, einen konzentrierten Harn zu liefern (Hyposthenurie oder Isosthenurie). Der Harn wird während dieser Zeit zweistdl. gemessen und gewogen. Weitere Methoden zur Prüfung der Nierenfunktion (Farbstoffausscheidungsprobe nach intravenöser Phenolrotlösung, Urographie, Bestimmung des Reststickstoffes und des Kreatininspiegels im Blutserum, Clearance-Test) werden im 3. Band im Kapitel „Erkrankungen der Niere und ableitenden Harnwege" besprochen. C. Erkrankungen der Niere 1. Nephritis 2. Nephrose
j. Niereninfarkt 4. Nitrenbeckemnt%üidung 9. Renaler
/. Nierengeschmilste 6. Angeborene Zystenniere Diabetes
7. Sackniere 8. Harnsteine
1. Nephritis
Bei der „akuten Glomerulonephritis" spielt sich die Entzündung an den Kapillaren der Glomeruli ab. Es müssen nicht alle Glomeruli erkranken, der entzündliche Prozeß kann herdförmig beschränkt bleiben. Man unterscheidet daher eine „diffuse" und eine „herdförmige" Nephritis.
Nephritis
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Ursache: Beide Formen beobachtet man als Komplikation nach Infekten: nach Infektionen der Tonsillen oder des Nasen- und Rachenraumes, nach Scharlach, nach Lungenentzündung, bei Tuberkulose oder auch bei schweren infektiösen Hauterkrankungen. Möglicherweise werden die Gifte der Infektionserreger auf dem Blutwege in die Niere geschleppt, wo es zu Entzündungen der Glomeruli kommt. Betrachten wir noch einmal die Skizze des Malpighischen Körperchens, so ist es verständlich, was sich abspielt. Die Kapillarknäuel schwellen entzündlich an, es kommt zur Ansammlung eines eiweißhaltigen Exsudates im Kapselraum, dem weiße und rote Blutkörperchen beigemischt sind. J e mehr Kapillarknäuel so verändert sind, um so weniger Harn kann produziert werden; d. h. Flüssigkeit und „harnpflichtige Stoffe" verbleiben im Körper.
Symptome: Die Nierenentzündung beginnt mit Störungen des Allgemeinbefindens. Die Patienten sind müde, unlustig und klagen über Kopfschmerzen. Häufig geben sie einen dumpfen Schmerz in der Nierengegend an. Die Haut erscheint blaß und gedunsen (Ödem), auffällig sind morgens die geschwollenen Augenlider. Der Patient nimmt, da die Harnproduktion abnimmt, an Gewicht zu. Die Flüssigkeit, die nicht mehr durch die Nieren ausgeschieden werden kann, sammelt sich im Unterhautzellgewebe; es bilden sich Ödeme. Der Blutdruck steigt auf systolische Werte von 180 bis 200 mm Hg; die diastolischen liegen bei und über 100 mm Hg. Die Harnmenge ist vermindert (Oligurie), in schweren Fällen bis zur Anurie. Der Harn ist blutig; die Blutung stammt aus den Glomeruli (Durchwanderung der Erythrozyten). Verlauf: Der Verlauf der Krankheit richtet sich nach dem Grundleiden und nach der Schwere der pathologisch-anatomischen Veränderungen im Gebiet der Nierenrinde. Sie kann fast unbemerkt verlaufen: nur bei sorgfältiger Harnsedimentkontrolle zeigen sich vereinzelte rote Blutkörperchen. In schwereren Fällen veröden die Kapillaren; es kommt zur Schrumpfniere. Die gefährlichste Komplikation stellt das völlige Versiegen der Harnbereitung dar, dem eine Eigenvergiftung des Körpers, die Urämie folgt (s. später). In jedem Falle muß die akute Glomerulonephritis ernst genommen werden; sie birgt immer die Gefahr eines Rückfalles und des Überganges in eine chronische Form in sich. Einen wichtigen Anhalt in der Beurteilung der Erkrankung bietet dem Arzt der Augenhintergrund.
Therapie: Die Therapie erfordert strenge Bettruhe und eine Diät, bei der die Niere geschont wird. 2 bis 3 Hunger- und Dursttage sind am geeignetsten. Dann können Obst und salzfreie Trockenkost (Reis, Gebäck, Kartoffeln) langsam zugelegt werden. Besonders während der Karenztage ist auf peinlichste Mundpflege zu achten. Eiweißhaltige Kost darf erst nach Abklingen der Ödeme, bei normalem Blutdruck und bei normalen Bluteiweißwerten gereicht werden. Die eingeführte Flüssigkeitsmenge bleibt beschränkt und wird genau — wie die ausgeschiedene — kontrolliert. Schwinden die Ödeme nicht durch Diät, so wirken Schwitzpackungen und hochprozentige Traubenzuckerinfusionen entquellend. Eine intensive Wärmebehandlung und eine Kurzwellendurchströmung der Niere können die Harnsekretion anregen. Komplikation: Sind die Glomeruli so stark geschädigt, daß sie ihre Arbeit nicht mehr erfüllen können, so kommt es durch Verbleiben giftiger Stoffwechselschlacken im Körper zur Eigenvergiftung des Organismus, zur Urämie. Wahrscheinlich sind diese toxischen Substanzen auch für das klinisch zu beobachtende Ansteigen des Blutdruckes verantwortlich. Symptome der Urämie: Schläfrigkeit, Erbrechen, Durchfälle, Kopfschmerzen, Benommensein. Mit dem Fortschreiten der Urämie kommt es schließlich zur Bewußtlosigkeit und zu Krampfanfällen. Theraphie: Urämische Zustände bessern sich manchmal nach einem großen Aderlaß mit nachfolgender Frischbluttransfusion. In einzelnen Fällen kann durch eine operative Spaltung der Nierenkapsel eine
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Nieren und ableitende Harnorgane
Besserung erzielt werden, wobei die entzündlich geschwollene Niere vom schädigenden Druck befreit wird. Das Verfahren, mit einer „künstlichen Niere" 1 ) das Blut zu entschlacken, hat sich auch in Deutschland durchgesetzt. Mit diesem Apparat versucht man, die Filtervorgänge der normal arbeitenden Niere nachzuahmen. Sein Prinzip: das urämische Blut wird einer Arterie entnommen und durch einen Schlauch der sog. „künstlichen Niere" zugeleitet. Hier durchströmt es einen 10—20 m langen Zellophanschlauch, der um einen Zylinder aus rostfreiem Stahl gewickelt ist, und den außen eine Salzlösung von bestimmter Konzentration umspült. So wandern die giftigen Abfallstoffe aus dem Blut durch die winzigen Poren dieser Membran in die Flüssigkeit, die etwa alle 2—3 Stunden erneuert werden muß. Das entschlackte Blut wird durch eine Vene wieder dem Patienten zugeführt.
2. Nephrose
Ursache: Sie stellt eine degenerative, nicht entzündliche Veränderung der gewundenen Harnkanälchen dar. Chemische Gifte, u. a. Sublimat, Quecksilber, Veronal, Salvarsan und Bakteriengifte (Diphtherie, Cholera und Lues) können die Epithelzellen der Harnkanälchen so schädigen, daß sie zugrunde gehen. Die Lipoidnephrose ist eine besondere Art der Nephrose; man betrachtet sie heute als eine Stoffwechselerkrankung, bei der es zu Fettablagerungen in den gewundenen Harnkanälchen kommt. Symptome: Die Nephrose beginnt schleichend. Der Kranke wird blaß und gedunsen. Starke Eiweißausscheidung im Harn, Esbachwerte von 10 °/00 (pro Mille) und mehr sind keine Seltenheit. Die Ausscheidung der Endprodukte aus dem Eiweißstoffwechsel ist nicht gestört und daher besteht auch keine Blutdruckerhöhung und keine Urämiegefahr. Der Augenhintergrund zeigt keine typischen Veränderungen. Durch die Eiweißverarmung des Blutes treten auch bei der Nephrose allmählich hochgradige Ödeme auf. Im Harnsediment zeigen sich abgestoßene, zum Teil degenerierte Nierenepithelien und -Zylinder. Therapie: Es gilt zunächst, den Eiweiß Verlust durch erhöhte Zufuhr in der Nahrung auszugleichen. Günstige Ergebnisse hat man in einigen Fällen unter der Behandlung mit A C T H = Adrenocorticotropes Hormon, der Wirkstoff, der von der Hypophyse her die Nebennierenrinde anregt und Cortison ( = Wirkstoff der Nebennierenrinde) gesehen. 3. Niereninfarkt
Ursache: Der Niereninfarkt entsteht durch Verschleppung eines Blutgerinnsels aus dem linken Herzen in eine Nierenarterie. Symptome: Klinisch kann er völlig symptomlos verlaufen; in anderen Fällen ermöglichen plötzlicher Schmerz und Erythrozytennachweis im Harn die Diagnose. Therapie: Eine ursächliche Therapie kommt im allgemeinen nicht in Betracht. 4. Nierenbeckenentzündung (Pyelitis)
Ursache: Die Nierenbeckenentzündung ist eine bakterielle Entzündung des Nierenbeckens. Sie kann sich hämatogen (auf dem Blutwege) oder durch Aufsteigen der *) Die klassische Indikation zur Dialyse ist das akute Nierenversagen, wenn die dadurch entstehende Azotämie, Acidose und Kaliumintoxikation nicht mit konservativen Mitteln beherrscht werden können.
Sackniere
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Keime aus der Blase entwickeln (Zystopyelitis). Greift die Entzündung auch auf das Nierengewebe über, so spricht man von einer Pyelonephritis. Symptome: Sie setzt meist plötzlich mit hohem Fieber und gelegentlichen Schüttelfrösten ein. Manchmal schildern die Patienten einen dumpfen Schmerz auf der Seite der betroffenen Niere. Der Harn ist bei der katarrhalischen Form der Nierenbeckenentzündung oft nur wenig verändert, bei der eitrigen Form ist er trübe, reich an Schleim, Eiter und Epithelien. Therapie: Wärme und reichlich Flüssigkeit, um das Nierenbecken durchzuspülen, sind die Grundlagen der Behandlung. Medikamentös: Euvernil; in schweren Fällen Paraxin, Leucomycin, Furadantin. 5. Nierengeschwülste
Unter den Geschwülsten der Niere spielt das Hypernephrom, der Grawitische Tumor (GrawitPathologe in Greifswald, 1850—1932) eine bedeutende Rolle. Symptome: Das Hauptsymptom für alle bösartigen Nierengeschwülste ist die Hämaturie (Nierenblutung). Sie muß nicht kontinuierlich sein, sondern kann sich periodisch wiederholen. Therapie: Eine wirksame Therapie kann nur in einer chirurgischen Entfernung des erkrankten Organes bestehen, wobei auch hier die gleichen Grundsätze gelten, wie bei den übrigen bösartigen Geschwülsten. 6. Zystenniere
Die angeborene Zystenniere kann gelegentlich das Bild eines Nierentumors hervorrufen. Zysten sind flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, die ihrer Natur nach im allgemeinen gutartig sind. Je nach Größe und Zahl können kleine Zysten völlig beschwerdefrei bleiben. 7. Sackniere
Ursache: Der Sackniere (Hydronephrose) liegt eine abnorme Größe des Nierenbeckens und der Nierenkelche zugrunde. Sie entwickelt sich als Folge einer Harnstauung im Bereich der ableitenden Harnwege, z. B. bei Steinen, die in den Harnleitern steckengeblieben sind, bei Abklemmung der Ureteren, von außen her durch Geschwülste im kleinen Becken oder durch einen graviden Uterus. Symptome: Der Beginn ist in den meisten Fällen schleichend; erst allmählich tritt ein dumpfer Schmerz im betroffenen Nierenlager ein. Komplikation: Es kann zur einseitigen und auch zur beidseitigen Erweiterung der Nierenbecken kommen. Tritt eine Infektion hinzu, so spricht man von einer Pyonephrose. Wenn das Abflußhindernis nicht rechtzeitig beseitigt werden kann, so verödet allmählich das Nierengewebe: Hydronephroiische Schrumpfniere. Die Diagnose wird in den meisten Fällen mit Hilfe des Urogramms gestellt. Die Röntgenkontrastdarstellung des Nierenbeckens gelingt mit dem intravenös zu spritzenden Uroselectan oder Urographin. A m Tage der Untersuchung soll der Patient bis zur Röntgenaufnahme nicht essen und trinken.
Therapie der Hydronephrose: Möglichst frühzeitige operative Beseitigung der auslösenden Ursache, ehe es zu bleibenden Veränderungen des Nierengewebes gekommen ist.
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Nieren und ableitende Harnorgane 8. Harnsteine
Ursache: Ein häufiges Krankheitsbild sind die Harnsteine, die nach ihrem Sitz als Nierensteine, Harnleitersteine oder Blasensteine bezeichnet werden. Kleinere Steine bezeichnet man als Nierensand und Nierengrieß. Sie bestehen aus phosphor-, oxal- oder harnsauren Salzen. Symptome: Das typische Symptom ist neben der Blutung die Kolik, der plötzlich einsetzende, heftige Schmerzanfall. Der Kranke verspürt bei Nierensteinen in der Lendengegend einen krampfenden, sich steigernden Schmerz, der zur Blase hin ausstrahlt. Mit dem Krampf setzt gleichzeitig häufig Erbrechen und ein qualvoller Drang zur Blasenentleerung ein; dabei werden oft nur wenige Tropfen entleert. Der Krampf kann mehrere Stunden anhalten und dann plötzlich nachlassen. Therapie: Kleine Steine lassen sich konservativ beseitigen durch Wasserstoß, oder Glyzeringabe (50 bis 100 ccm) mit heißen Wickeln und heißen Bädern. Das Seilhüpfen bewährt sich, wenn es gilt, einen Ureterstein in die Blase zu treiben. In der Behandlung der Nierenkolik wird der Arzt nicht ohne krampflösende Mittel auskommen. E r bevorzugt im allgemeinen an Stelle von Morphinpräparaten AtropinPapaverin, Buscopan, Avafortan u. a. Außerdem: strenge Bettruhe, keine Nahrungsaufnahme, heiße Umschläge auf das Nierenlager. Große Steine müssen chirurgisch behandelt werden. 9. Renaler Diabetes
Ursache: Der „renale Diabetes", der gelegentlich bei einer Schwangerschaft beobachtet wird, ist im allgemeinen harmlos und hat auch nichts mit einem Insulinmangel zu tun. Die Ursache ist ungeklärt. Symptome: Der Blutzucker bleibt normal, während im Harn vermehrt Traubenzucker ausgeschieden wird. Nach der Schwangerschaft ist er nicht mehr nachweisbar, so daß sich eine Therapie erübrigt. D. Krankheiten der Harnblase 1. Physiologie der Blase 2. Untersuchungsmetboden der Blase und instrumentelle Nierenfunktionsprüfung
}. Blasenkatarrb 4. Nervöse Blasenstörungen /. Blasengeschwülste
1. Physiologie der Blase
Die Harnblase ist eine unpaare, sackartige Erweiterung der ableitenden Harnwege, die mit Schleimhaut ausgekleidet ist; ihre Wand besteht aus glatter Muskulatur. Die Harnleiter treten durch die Blasenwand in schräger Richtung (=Ventilwirkung), wodurch ein Zurückfließen des Harns ins Nierenbecken verhindert wird. Amunteren Ende der Harnblase entspringt die Harnröhre. Die Harnentleerung wird durch einen willkürlichen Ringmuskel geregelt. Die Harnröhre der Frau ist kurz und weit und mündet in den Scheidenvorhof — die des Mannes hingegen ist lang und eng und dient gleichzeitig zur Entleerung der Samenflüssigkeit. Die Harnblase ist im leeren Zustand hinter dem Schambein nicht fühlbar; bei stärkerer Füllung steigt sie an der hinteren Bauchwand hoch und kann im extremen Falle bis zum Nabel reichen. Sie kann dann leicht mit einer Geschwulst verwechselt werden. Kann der Kranke nicht spontan Harn lassen (bei Blasenlähmung, vor und nach einer Operation, bei Bewußtlosen, bei Harnverhaltung), so muß ein Katheter in die Harnblase eingeführt werden.
Blasenkatarrh
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2. Untersuchungsmethoden der Blase und instrumentelle Nierenfunktionsprüfung
Die Zjstoskopie (Blasenspiegelung) ist eine sehr wichtige Untersuchungsmethode, die es dem Arzt erlaubt, das Innere der Blase und den Eintritt der Harnleiter zu betrachten. E r bedient sich dazu des Zystoskopes. Es ist ein katheterähnliches, metallenes Instrument, das die Möglichkeit zur Beleuchtung des Blaseninneren und seiner Betrachtung durch eine geeignete Optik gibt. Vor der Zystoskopie muß die Blase klargespült werden; dann wird sie mit einer klaren, antiseptischen Flüssigkeit (3 %ige Borsäurelösung) oder sterilem Wasser gefüllt und entfaltet. Das Ureteren^ystoskop ist besonders konstruiert. Es ermöglicht unter Kontrolle des untersuchenden Auges, Ureterenkatheter in die einzelnen Harnleitermündungen einzuführen, sie hochzuschieben, um aus jedem Nierenbecken den Urin in ein gesondertes Reagensröhrchen aufzufangen. Durch die vergleichende Untersuchung des Harnes beider Nieren kann der Arzt die Erkrankung lokalisieren. Eine weitere Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der einzelnen Niere zu prüfen, bietet die Farbstoffprobe. Sie beruht darauf, daß eine funktionstüchtige Niere 0,08 g Indigokarmin (intravenös injiziert) bereits nach 5 bis 6 Minuten als blauen Farbstoff auszuscheiden beginnt, während bei der erkrankten Niere die Blauausscheidung verzögert einsetzt. Abschließend sei die ,,retrograde Pyelographie" erwähnt (im Gegensatz zur vorher erwähnten „intravenösen Urographie"). Bei der „retrograden Pyelographie" wird (vorsichtig) das Kontrastmittel durch die Ureterenkatheter ins Nierenbecken eingeführt. Dann werden Röntgenaufnahmen der kontrastgefüllten Niere gemacht. 3. Blasenkatarrh
a) Akuter Katarrh
b) Chronischer Katarrh
a) A k u t e r K a t a r r h Ursache: Der akute Blasenkatarrh (Zystitis), eine Entzündung der Blasenschleimhaut, wird in den meisten Fällen durch lymphogen eingewanderte oder aufsteigende Bakterien (Kolibakterien, Kokken) hervorgerufen, gelegentlich auch durch chemische oder mechanische Reize. Zystoskopisches Bild: Die Schleimhaut ist entzündlich gerötet, geschwollen und in schweren Fällen geschwürig verändert. Die seltene Blasendiphtherie zeigt zusammenhängende fibrinöse Beläge. Symptome: Unüberwindlicher, anhaltender Harndrang, Schmerzen und Brennen hinter der Symphyse und in der Harnröhre. Nur in schweren Fällen tritt Fieber und eine Störung des Allgemeinbefindens auf. Der Harn ist durch Leukozytenbeimischung stark getrübt, oft eitrig — im Sediment finden sich massenhaft Bakterien. Therapie: In der Therapie muß zunächst die Ursache berücksichtigt werden. Der akute Blasenkatarrh klingt unter Bettruhe, Wärme (Umschläge, Sitzbäder) und Harndesinfizientien ab. Eine bakterielle Infektion wird am ehesten durch Sulfonamide oder Antibiotika beherrscht werden. In hartnäckigen Fällen haben sich täglich vorgenommene Blasenspülungen bewährt. E s ist zweckmäßig, keinen Alkohol zu trinken und eine reizlose Kost zu reichen.
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Nieren und ableitende Harnorgane
b) C h r o n i s c h e r K a t a r r h Ursache: Als Ursachen des chronischen Blasenkatarrhs kommen vor: nicht abgeheilte, akute Zystitiden, Nieren- und Blasentuberkulose, Blasensteine (in der Hauptsache Kalziumurat und Phosphatsteine), gut- und bösartige Geschwülste der Blase selbst und der Prostata. Symptome: Harndrang, Schmerzen beim Harnlassen, evtl. Blutbeimengungen im Urin; im allgemeinen kein Fieber. Therapie: Die Therapie richtet sich nach der Ursache; im übrigen gilt das gleiche, was zur Behandlung der akuten Zystitis gesagt wurde. Blasenspülungen mit physiologischer Kochsalzlösung oder 0,1 bis i %oig er Argentum-nitricum-Lösung haben sich sehr bewährt. 4. Nervöse Blasenstörungen a) Rei^blase
b) Bettnässen
a) R e i z b l a s e Es gibt nervöse Menschen, die bereits bei geringem Füllungsgrad der Blase tagsüber einen unwiderstehlichen Harndrang verspüren — in der Kälte häufiger als in der Wärme, so daß sie, wenn sie ihm nicht sofort Folge leisten können, den Harn in die Kleider entleeren. Ein organischer Befund liegt nicht vor. Es handelt sich um eine funktionelle Störung. b) B e t t n ä s s e n ( = Enuresis nocturna) Auch hierbei handelt es sich um eine funktionelle Störung. Ursache: Vom Bettnässen — Enuresis nocturna — werden zumeist Jugendliche betroffen. Es handelt sich häufig um übernervöse Kinder oder Epileptiker. Symptome: Charakteristisch ist das nächtliche Einnässen. Gelegentlich finden sich Entwicklungsstörungen am Kreuzbein ( = Spina bifida). Therapie: Pädagogische Maßnahmen und Flüssigkeitsentzug beim Abendessen bessern diesen unangenehmen Zustand. In einer Vielzahl der Fälle verliert sich das Bettnässen mit der Pubertät. 5. Geschwülste der Blase
Zu den gutartigen Geschwülsten der Blase rechnen die Blasenpapillome (Zotten), die der Blasenschleimhaut häufig gestielt aufsitzen und im Harn flottieren. Die Zotten reißen leicht ab und bluten häufig. Andere gutartige Geschwülste der Blase sind Fibrome und Myome. An bösartigen Geschwülsten werden Sarkome und Karzinome beobachtet. Symptome: Das Hauptsymptom der Blasengeschwülste, besonders der Papillome, ist die Blutung; sie kann so stark sein, daß der Patient anämisch wird. Das Wasserlassen ist erschwert, wenn sich Zotten vor die Harnröhre legen. Die Diagnose kann durch die Zystoskopie frühzeitig gestellt werden. Therapie: Operativ, Bestrahlung mit radioaktivem Kobalt.
VII. Geschlechtsorgane A.
Physyologie der Geschlechtsorgane
B. Erkrankungen der Geschlechtsorgane
A. Physiologie der Geschlechtsorgane Auf die physiologische Wirkung der Geschlechtshormone wird im Kapitel der „Drüsen mit innerer Sekretion" eingegangen. B. Erkrankungen der Geschlechtsorgane 1. Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane
Sie werden wegen ihrer großen Bedeutung gesondert besprochen (s. Band III). 2. Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane a) Erkrankungen der Vorsteherdrüse (Prostata)
b) Erkrankungen des Hodens und Nebenhodens
a) E r k r a n k u n g e n d e r V o r s t e h e r d r ü s e Prostatitis Die Prostata ist ein drüsiges Geschlechtsorgan. Ursache: Die akute Prostatitis entwickelt sich am häufigsten im Anschluß an eine spezifische Urethritis (Harnröhrenentzündung). Erreger: häufig Gonokokken, seltener werden Bakterien auf hämatogenem Wege eingeschleppt. Symptome: Bei schweren Fällen kommt es zu einer starken Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens; daneben bestehen starke, lokale Beschwerden beim Wasserlassen. Komplikation: Übergang der serösen Entzündung in eine eitrige: Gefahr einer Phlegmone des Beckenbindegewebes. Die Diagnose wird vom Arzt durch Betasten der Prostata gestellt. Therapie: Die Behandlung richtet sich nach dem Grundleiden. Die gonorrhoische Prostatitis spricht auf Penicillin an. Daneben Wärmebehandlung mit Sitzbädern und Kurzwellenbestrahlungen. Eine eitrige Einschmelzung muß chirurgisch versorgt werden. Prostatahypertrophie Ursache: Die Vergrößerung der Prostata ist eine Erkrankung älterer Männer, die durch hormonale Einflüsse ausgelöst wird. Die Vorsteherdrüse kann sich im ganzen vergrößern, es können auch nur einzelne Teile befallen sein. Die Vergrößerung kommt durch Bindegewebswucherungen und Wucherungen der Drüsengänge zustande. Symptome: Die vergrößerte Prostata umschließt ringförmig die Harnröhre und komprimiert sie. Die ersten Symptome stellen sich nur allmählich ein. Die Kranken müssen nachts 3- bis 4 mal aufstehen, um Wasser zu lassen. Später stellt sich auch eine Störung der Harnentleerung ein. Der Harnstrahl wird dünner. Schließlich steigert sich die EntD i e t r i c h Bd. I
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Geschlechtsorgane
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leerungsSchwierigkeit derart, daß die Harnblase nach der Miktion ( = Harnlassen) größere Harnreste zurückhält ( = Restharn). Um die Menge des Restharns zu bestimmen, läßt man den Patienten stehend Wasser lassen. Der nach der Miktion noch in der Blase verbleibende Harnrest wird durch Katheterismus gewonnen und gemessen (man findet Werte von 50 ccm bis zu 3000 ccm!). Die Harnblase erweitert sich, so daß sie manchmal als Geschwulst imponiert und bis zum Nabel reicht. Der Allgemeinzustand wird zunehmend schlechter.
Komplikation: Mit Zunahme des Restharns stellen sich zystitische Beschwerden ein. Durch eine bakterielle Verunreinigung kann es zur aufsteigenden Zystopyelitis kommen. Der Endzustand einer unbehandelten Prostatahypertrophie mit großen Mengen von Restharn führt zur Hydronephrose. Therapie: Im 1. Stadium, wenn noch kein Restham vorhanden ist, lassen sich die Reizerscheinungen durch eine eiweiß- und kochsalzarme, leichte Kost, viel Bewegung und Stuhlregulierung günstig beeinflussen. Entwickelt sich das 2. Stadium — mit Restharn — wird der Arzt eine operative Entfernung der Prostata vorschlagen. Die akute Harnverhaltung bei der Prostatahypertrophie verlangt eine sofortige Entleerung der Blase. In einigen Fällen wird es unmöglich sein, einen Katheter in die verengte Harnröhre einzuführen, dann muß der Arzt die Harnblase oberhalb der Symphyse punktieren (suprapubische Fistel). G e s c h w ü l s t e der P r o s t a t a Unter den Geschwülsten der Vorsteherdrüse spielt das Karzinom eine große Rolle. Der Krebs kann auf die Prostata beschränkt bleiben, er kann den Beckenboden durchsetzen, und er kann frühzeitig ins Knochensystem metastasieren. Symptome: Sie sind zunächst den Symptomen der Prostatahypertrophie ähnlich; die differentialdiagnostische Unterscheidung ist zu Beginn nicht einfach. Alarmierende Zeichen sind Harnbluten und Schmerzen. Therapie: Wenn möglich, operative Entfernung der Geschwulst; daneben erzielt man mit einer gegengeschlechtlichen Hormontherapie — d. h. in diesem Fall mit weiblichen Keimdrüsenhormonen — sehr gute Resultate. Röntgentiefenbestrahlungen zeigen keine überzeugenden Erfolge. b) E r k r a n k u n g e n des H o d e n s u n d N e b e n h o d e n s A k u t e E n t z ü n d u n g des H o d e n s (Orchitis) Ursache: Die Orchitis tritt am ehesten als Komplikation beim Mumps auf (Parotitis epidemica). Im Verlauf einer Sepsis wird sie nur gelegentlich beobachtet. Symptome: Hohes Fieber, Beeinträchtigimg des Allgemeinbefindens, Schwellung des Hodens und starke Schmerzen. Die Entzündung klingt meist nach 8 bis 14 Tagen ab. Therapie: Bettruhe, Hochlagerung des Hodens, kühlende Umschläge mit 3%igem Borwasser. Bei Eiterung: Antibiotika, Sulfonamide. Komplikation: Vereiterung mit nachfolgender Atrophie des Hodens. A k u t e E n t z ü n d u n g des N e b e n h o d e n s Ursache: Die akute Nebenhodenent^iindung ist meist durch eine gonorrhoische Infektion verursacht.
Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane
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Symptome: Entzündliche, schmerzhafte Schwellung des Nebenhodens, Fieber. Therapie: Durch die heutige Therapie der Gonorrhoe mit Antibiotika ist das Krankheitsbild sehr selten geworden. Im übrigen: Bettruhe und Hochlagerung des erkrankten Hodens. C h r o n i s c h e E n t z ü n d u n g des Hodens und des Nebenhodens. Ursache: Die häufigsten Ursachen einer chronischen Entzündung des Hodens und Nebenhodens sind Tuberkulose und Syphilis. Die Hoden- und Nebenhodentuberkulose tritt selten isoliert auf, meist besteht gleichzeitig eine tuberkulöse Entzündung anderer Organe. Die Syphilis befällt in der Regel nur den Hoden. Symptome: Bei beiden Formen lassen sich Knoten tasten, beide verursachen keine Schmerzen. Die Diagnose läßt sich nur nach dem klinischen Allgemeinbild stellen (Wassermannsche. Reaktion, s. später). Therapie: Sie richtet sich nach der Ursache; die Heilchancen der Hoden- und Nebenhodentuberkulose sind nicht ungünstig, sofern nicht die Gefahr der Erweichung und Fistelbildung besteht. Bei rechtzeitiger antisyphilitischer Behandlung hat auch die luetische Hoden-Nebenhodeninfektion gute Aussichten auf Heilung. Sonst besteht Gefahr der Sterilität. Die Hydro^ele ( = Wasserbruch) entsteht durch eine Flüssigkeitsansammlung zwischen den Hodenhüllen. Sie kann nur operativ beseitigt werden. Der Kryptorchismus ist eine angeborene Mißbildung. Beim männlichen Embryo werden die Keimdrüsen in der Bauchhöhle angelegt. Sie wandern kurz vor der Geburt aus der Bauchhöhle durch den Leistenkanal in den Hodensack. Auf diesem Wege können die Hoden im Bauchraum oder im Leistenkanal steckenbleiben: Kryptorchismus. Als Phimose (wörtlich: Maulkorb) bezeichnet man eine Verengung der Vorhaut, so daß sie nicht über die Eichel geschoben werden kann. Zumeist ist diese Mißbildung angeboren, gelegentlich wird sie durch chronische Entzündungen erworben (Gonorrhoe, Lues).
7*
VIII. Blut A. Physiologie des Blutes
B. Erkrankungen des Blutes
A. Physiologie des Blutes 1. Aufgaben des Blutes 2. Blutbildende Organe
). Der periphere Blutstrom 4. Bestandteile des Blutes
x. Aufgaben des Blutes
Das Blut ist der Träger des Lebens. Es ermöglicht Stoffwechsel und Gewebsatmung. Die im Blut transportierten Stoffe unterliegen einem ständigen Ortswechsel. Aus der Lunge und aus dem Magen-Darmkanal entnimmt das Blut Sauerstoff und Nahrungsstoffe und trägt sie zu den einzelnen Organen. Gleichzeitig führt es die im Stoffwechsel entstandenen Schlacken den Ausscheidungsorganen zu: Lunge, Niere und Haut. Auch Salze, Hormone und Immunkörper werden auf dem Blutwege transportiert. Es zirkuliert in einem geschlossenen Röhrensystem, den Blutgefäßen. Der Austausch der Stoffwechselprodukte findet in den zartwandigen Kapillaren, den Haargefäßen, statt. Die zuleitenden Gefäße — Arterien oder Schlagadern — und die ableitenden Gefäße — Venen oder Blutadern —• dienen lediglich dem Transport vom und zum Herzen. Der Organismus hat die bemerkenswerte Fähigkeit, trotz der vielen Einflüsse, denen das Blut unterliegt, eine gleichbleibende Konzentration der einzelnen Bestandteile aufrecht zu halten. In einem lebenden Organismus nimmt das Blut an allen Vorgängen teil; krankhafte Veränderungen müssen eine Einwirkung auf das Blut haben. Durch Kreislaufbewegung des Blutes wird die Körpertemperatur reguliert: das Blut nimmt die Verbrennungswärme, die im Stoffwechsel entsteht, auf und führt sie der Haut zu, von wo sie nach außen abgegeben wird. 2. Blutbildende Organe
Hämatologie ist die Lehre vom Blut; treffender wäre, sie als „Lehre der blutbildenden Organe" zu übersetzen. Das strömende Blut ist dabei nur das „Bild", aus dem wir diagnostische Schlüsse abzuleiten versuchen. Das Blutbild kann vorübergehend auch bei schweren Erkrankungen der blutbildenden Organe (Knochenmark, Milz und Lymphdrüsen) normal erscheinen. Die Hämatologie hat eine Geschichte von nur 100 Jahren — eine relativ kurze Zeit im Vergleich zur Geschichte der Infektionskrankheiten. Die Hauptbildungsstätte der Blutzellen ist das Knochenmark. Beim Erwachsenen sind nur 50% des Knochenhohlraumes mit „Blutmark" ausgefüllt, das übrige von Fett. Das Blut wird unmittelbar nach dem Tode durch autolytische Fermente verändert, so daß die Pathologie in zweifelhaften Fällen der Klinik wenig helfen kann. Die von dem Russen Arinkin eingeführte Sternalpunktion ermöglicht es dem Arzt, sich ohne Schwierigkeiten beim Lebenden jederzeit ein Bild über den Zustand des Knochenmarks zu verschaffen.
Bestandteile des Blutes
IOI
3. Der periphere Blutstrom
Die Gesamtblutmenge beträgt etwa 7,6% des Gesamtkörpergewichtes. Einem Körpergewicht von 60 bis 70 kg entspricht eine Menge von 4 bis 5 /, wovon nur 3,5 / zirkulieren. Ein Drittel Verlust der Gesamtmenge kann ohne Schaden vertragen werden. Die chemische Reaktion ist schwach alkalisch. Pflanzliche Kost macht sie alkalischer, Fleischnahrung saurer. Blut ist keine einheitliche Lösung, sondern besteht aus den Blutkörperchen und dem Plasma. 4. Bestandteile des Blutes
a) Blutkörperchen
b) Blutplasma
a) B l u t k ö r p e r c h e n (Tafel VIII, Bild 1) R o t e B l u t k ö r p e r c h e n (Erythrozyten) Beim Manne sind in einem Kubikmillimeter 5 Millionen rote Blutkörperchen enthalten, bei der Frau 4,5 Millionen; im Hochgebirge steigt die Zahl auf 7,5 Millionen. Insgesamt hat der Mensch etwa 2 5 Billionen. Bildungsstätten sind das rote Knochenmark der platten Knochen und die Wirbelkörper. Im Mark sind die roten Blutzellen kernhaltig; im peripheren Blutstrom normalerweise kernlos; ihre Lebensdauer ist mit etwa 100 bis 120 Tagen begrenzt. Sie werden in Leber und Milz zerstört. Ein rotes Blutkörperchen besteht zu 60% aus Wasser und zu 40% aus Trockensubstanz ( = 10% Eiweiß und etwa 30% Farbstoff). Der Blutfarbstoff, das Hämoglobin, ist auf Grund seines Eisengehaltes fähig, eine lockere Verbindung mit dem Sauerstoff einzugehen. Er dient dem Sauerstofftransport und ist darin durch nichts zu ersetzen. Außerdem hat er die Aufgabe, auch das Kohlendioxyd zu transportieren und die chemische Blutreaktion aufrechtzuerhalten. Er hat eine große Färbekraft, die seine Bestimmung verhältnismäßig leicht macht. Man benutzt allgemein heute den Apparat nach Sahli {SahIi, Kliniker in Bonn, 1856—1933). Die absolute Hämoglobinmenge beträgt 16%, d.h. in 100 ccm Blut sind 16 g Hämoglobin enthalten. Dieser normale Farbstoffgehalt wird gleich 100% gesetzt. Wenn also der Farbstoffmesser einen Wert von 80% feststellt, so besagt das, daß das untersuchte Blut nur 80% des normalen Hämoglobingehaltes enthält. Die Zahl der Erythrozyten geht mit dem Gehalt an Hämoglobin ziemlich parallel. Nur unmittelbar nach einem starken Blutverlust ist der Blutfarbstoffwert scheinbar noch normal. Erst allmählich fällt er zu seinen echten Werten ab, wenn nämlich die Blutmenge in den nächsten Tagen durch Gewebsflüssigkeit aufgefüllt wird. Der Färbeindex stellt den durchschnittlichen Hämoglobingehalt des einzelnen Erythrozyten dar. Er kann eine große diagnostische Bedeutung haben — z. B. bei der Anaemia perniciosa (S. 105). Er errechnet sich aus dem Verhältnis der Hämoglobinmenge zur Erythrozytenzahl. Dabei wird der normale Hämoglobinwert mit 100 und die normale Erythrozytenzahl gleichfalls mit 100 angenommen, so daß das normale Erythrozyten-Hämoglobinverhältnis 100: 100 = 1 wäre. Praktisch geht man so vor, daß man die Hb-Prozent-Zahl mit 50000 multipliziert: FI =
100 Hb x (50000)
— :
r= I
S 000 000 (Erythrozyten)
102
Blut
Pathologischer Fall:
_
7° Hb x (;oooo)
5 000 000 (Erythrozyten) = o.V
Eine weitere Methode zur Bestimmung des Färbeindex: •/„Hb FI = FI =
Pathologischer Fall:
FI :
2 x die ersten beiden Zahlen der Erythrozyten 100 •/„
2 x 50 (Erythrozyten) 7°°/o
;
2 x 50
°>7
Die roten Blutkörperchen erscheinen in den Ausstrichpräparaten nach einem speziellen Färbeverfahren als rote, runde Plättchen mit einem Durchmesser von 7,5 u 1 ). Unter krankhaften Verhältnissen treten Abweichungen der Form auf: Anisozyten (unterschiedlich große Zellen), Sichelzellen, Kugelzellen. Die Megalo2yten (abnorm große Erythrozyten) sind charakteristisch für die Perniziosa. Sie sind sehr farbstoffreich und regelmäßig oval. Weiße B l u t k ö r p e r c h e n (Leukozyten) Die weißen Blutkörperchen unterscheiden sich von den normalen roten vor allem durch ihre Kernhaltigkeit. In den verschiedenen Reifestadien, die ein solcher Leukozyt durchläuft, zeigt der Kern eine variierende Form: vom runden, blasigen Kern bis zum gelappten, segmentierten Kern. Hinsichtlich der Verschiedenheit des Zytoplasmas unterscheiden wir durch besondere Färbemethoden neutrophile Granulationen (=70%)—eosinophile (2bis 3%) undbasophile (0,5 bis 1%). ImKubikmillimeter Blut sind 5000 bis 8000 Leukozyten enthalten (Leukopenie = Verminderung der Leukozyten; Leukozytose = Vermehrung der Leukozyten). Eine weitere Form weißer Blutkörperchen sind die Lymphozyten. Es ist bekannt, daß sie von den Granulozyten verschieden sind und daß sie keine gemeinsame Mutterzelle haben. Sie werden in den Lymphknoten und in der Milz gebildet. Charakteristisch für die Lymphozyten ist der hellblaue, schmale Zytoplasmasaum, in dem man gelegentlich Azurgranula erkennt und der teils strukturlose, teils radspeichenförmige, runde Kern. Eine besondere Zellform des normalen, peripheren Blutes sind die Monozyten (2 bis 10% im normalen, peripheren Blut). Hb.
B
F. J.
Erythr.
Eo
J
M
St.
Leuko.
S
Blutbildstempel x)
|i = griechischer Buchstabe (m); 1 n =
1
/10mmm.
Ly
Mo
103
Bestandteile des Blutes
Die Aufgabe der weißen Blutkörperchen liegt in ihrer Abwehrkraft. Sie haben die Fähigkeit, Fremdkörper (Staub, Bakterien) aufzunehmen, zu verdauen (Phagozytose) und abzutransportieren. Darüber hinaus bilden sie Schutzstoffe im Organismus. Wenn sie sich in größerer Menge ansammeln und zugrunde gehen, spricht man von Eiter. B l u t p l ä t t c h e n (Thrombozyten) Thrombozyten: 200000 bis 300000 in einem Kubikmillimeter Blut. Das sind bei bestimmter Färbemethode kleine, kernlose Gebilde von hellblauer Farbe mit leuchtend roter Granulation. Sie entstehen aus den Knochenmarksriesenzellen, den Megakaryozyten. Die Thrombozyten spielen eine wesentliche Rolle bei der Blutgerinnung. Sie bilden den primären Wundverschluß und sondern die Thrombokinase ab. Bei der Thrombopenie sind sie vermindert. b) B l u t p l a s m a Das Plasma des Blutes besteht aus dem Serum und dem Fibrinogen. Im Plasma kommen vorwiegend Albumine und Globuline vor (5 : 3). Dieses Verhältnis zueinander wird durch den Eiweißquotienten ausgedrückt; er steht mit der Blutkörperchensenkungsreaktion in enger Beziehung. Diese erhält man, indem man das Blut durch Zusatz von Natriumzitrat ungerinnbar macht und in senkrechten, graduierten Röhren aufstellt. Die Blutkörperchen sinken dann zu Boden. Das Absinken der roten Blutkörperchen wird nach der 1. und 2. Stunde abgelesen. Die Senkung hängt nicht allein vom Eigengewicht der Blutzellen ab, sondern mehr von ihrer elektrischen (negativen) Ladung. Je mehr sie geladen sind, um so langsamer sinken sie. Eiweiße erhöhen ihre Ladung als Ladungsträger. Eine Abnahme des Eiweißquotienten — durch Vermehrung der Globuline — bewirkt ein beschleunigtes Absinken, eine erhöhte B K S ( = Blutkörperchensenkung). Zunehmend erkennt man die Bedeutung des Plasmaeiweißgefüges als Ausdruck der Lebensvorgänge. Die Elektrophorese ist eine wichtige Untersuchungsmethode in der Klinik geworden. Serum ist die klare, gelbliche Blutflüssigkeit, die wir über dem geronnenen Blut im Reagensglas sehen. Sie enthält die gelösten Eiweißbestandteile, Mineralien, Wasser und Wirkstoffe. Das Fibrinogen ist ein im Plasma gelöster Eiweißstoff; es verwandelt sich bei der Blutgerinnung in den unlöslichen Faserstoff, das Fibrin. Die Gerinnung, die von verSchema der Blutgerinnung Thrombogen (im Plasma) (Prothrombin) Thrombokinase + Kalzium-Salze
}
Fibrinogen (löslich) Y
Thrombin
Y Fibrin (unlöslich)
io4
Blut
schiedenen Faktoren abhängig ist, u. a. von der Thrombokinase (aus zerfallenden Blutplättchen), vom Kalzium und v o m Thrombogen ( = Prothrombin), stellt einen lebenswichtigen Vorgang dar, auf dem der Verschluß blutender Wunden beruht. Das Fibrinogen wird in der Leber gebildet. Unter normalen Umständen findet im strömenden Blut keine Gerinnung statt. Bei der Bluterkrankheit ist die Gerinnungsfähigkeit herabgesetzt oder sogar aufgehoben, so daß schon eine geringfügige Verletzung, eine Zahnextraktion, eine tödliche Blutung auslösen kann. Die Bluterkrankheit ist eine geschlechtsgebundene Erbkrankheit, die durch einen merkwürdigen Erbgang praktisch nur bei Männern in Erscheinung tritt, aber von den Frauen vererbt wird. Wahrscheinlich ist die Blutungsbereitschaft durch eine stark verzögerte Thrombinbildung bedingt. B. Erkrankungen des Blutes j. Erkrankungen der rotes Blut bildenden Organe (Anämien) a) b) c) d) e)
Blutungsanämie Chronische Eisenmangelanämie Symptomatische Anämie Perniziöse Anämie (= byperchrome Anämie) Erythroblastose h) Hämolytischer Ikterus 2. Erkrankungen des „weißen a) Leukämie
=
hypochrome Anämie
f ) Aplastische Anämie g) Polyzythämie
Blutbildes"
b) Agranulozytose Bluttransfusion
a) Blutgruppen
b) Gefahren der Transfusion c) Blutkonserve
i . Erkrankungen der rotes Blut bildenden Organe (Anämien)
Unter Anämie ( = kein Blut) versteht man die Verminderung des Hämoglobins oder der Erythrozyten im Blut. Sie ist nur in seltenen Fällen mit einer Verminderung der Gesamtblutmenge verbunden, beispielsweise nach einem großen Blutverlust. Eine Anämie tritt auf, wenn die Neubildung der roten Blutkörperchen zu gering oder ihre Zerstörung zu groß ist. Man trennt die Anämien in solche mit vermindertem (hypochrom) und solche mit vermehrtem ( = hyperchrom) Farbstoffgehalt des einzelnen Erythrozyten. a) B l u t u n g s a n ä m i e Ursache: Blutaustritt aus einem größeren Gefäß: Zerreißen durch Gewalt, Zerreißen eines syphilitischen oder verkalkten Gefäßes, Gefäßblutung bei Magengeschwür. Symptome: Verluste bis zu einem halben Liter werden, von einer geringen Schwäche und Müdigkeit abgesehen, meist reaktionslos vertragen. 2 Liter Blutverlust bringen den Patienten in Lebensgefahr: Gefäßkollaps, schneller, weicher Puls, Blässe, Ohrensausen und anhaltendes Gähnen. Die Hämoglobinwerte, d. h. die Blutfarbstoffkonzentration am einzelnen Erythrozyten, sinken erst in den folgenden Tagen ab, wenn die Flüssigkeit aus den Geweben in die Blutbahn nachströmt. Man glaubt heute, daß der Tod bei diesen Patienten infolge Leerpumpen des Herzens und nicht als Folge von Sauerstoffmangel eintritt.
TAFEL V
Bild i Leberzirrhose
Bild 2 Status nach akuter gelber Leberatrophie Aus (den „Laparoskopischen T a f e l n " der Deutschen Hoffmann-La Roche A G , Grenzach/Baden)
T A F E L VI
Bild i Blutbild einer chronischen lymphatischen Leukämie. Das Übersichtsbild zeigt die enorme Vermehrung der Leukozyten, und zwar ausschließlich der Lymphozyten, denen die Gumprecht sehen Schatten zuzurechnen sind. Einige Lymphozyten sind nacktkernig, fast alle ohne Azurgranula (Aus Dennig, Lehrbuch der inneren Medizin, I, Georg Thieme Verlag, Stuttgart)
TAFEL VII
Bild i Zellen des normalen Blutes (Angaben über die zahlenmäßige Verteilung vgl. Seite i o i f f ) a) basophiler Granulozyt
b) eosinophiler Granulozyt
d) neutrophiler segmentkerniger Granulozyt
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e) Lymphozyt
c) neutrophiler stabkerniger Granulozyt f) Monozyt
g) Erythrozyten
h) Blutplättchen
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Bild 2 Chronische myeloische Leukämie (Vergr. 1:750)
Bild 3 Megaloblastose bei perniziöser Anämie (Aus Schumann, Leitfaden der Morphologie des Knochenmarkes, Georg Thieme)
T A F E L VIII
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Bild i Normales Mark Linke Bildhälfte : einem basophilen Erythroblasten sind zwei Myelozyten und ein eosinophiler Myelozyt angelagert. Bildmitte: zwischen zwei Kernresten eine speichernde Retikulumzelle (Lipophag) ( t ). Rechte Bildhälfte: von oben nach unten: Thrombozytenanhäufungen, ein Kernschatten, ein Stabkerniger, ein Segementierter, ein Lymphozyt und rechts davon ein Normoblastenkern (Aus Schumann, Leitfaden der Morphologie des Knochenmarkes, Georg Thieme)
a
b Bild 2 a u. b
Entwicklung des Kammes beim kastrierten Hahn nach Zufuhr von männlichem Sexualhormon, a V o r , b nach Behandlung. (Nach Schöller und Göbel) (Aus Lehnartz, Chemische Physiologie, Springer Verlag, Berlin)
Erkrankungen der rotes Blut bildenden Organe
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Therapie: Die Behandlung der Blutungsanämie ist in erster Linie ein Kreislaufproblem. Vordringliche Aufgabe ist es, das Blutgefäßsystem mit Flüssigkeit aufzufüllen (oral oder durch Infusion einer blutisotonischen Kochsalzlösung). Besser und von anhaltender Wirkung sind Infusionen von Plasma, Serum oder Kollidon. Später wird Frisch- oder Konservenblut übertragen. b) C h r o n i s c h e E i s e n m a n g e l a n ä m i e Ursache: Der Organismus ist an Eisen verarmt. Symptome: Müdigkeit, Leistungsschwäche, zunehmende Blässe der Haut und Schleimhäute. Therapie: Eisenhaltige Präparate; Leberpräparate sind dabei wirkungslos. c) S y m p t o m a t i s c h e A n ä m i e n Ursache: Infektionskrankheiten (Lues, Tuberkulose, Endokarditis, Malaria), bösartige Geschwülste, chronische Vergiftungen, Wurmkrankheiten, Nieren- und Lebererkrankungen. Die Therapie richtet sich nach der Ursache. d) P e r n i z i ö s e A n ä m i e (perniziös = verderblich, bösartig [Tafel VII, Bild 3]) Die Biermersche Anämie (Biermer, Kliniker in Breslau, 1827—1892) ist nicht mehr gefährlich, seitdem man sie mit Leberpräparaten sicher behandeln kann. Ursache: In der Entstehung spielen Erbfaktoren eine Rolle; gelegentlich wird sie nach einer totalen Magenresektion beobachtet. Folgende Theorie kommt dem Verständnis des Krankheitsgeschehens am nächsten: Der Perniziosakranke verliert die Fähigkeit, Salzsäure und andere Magensaftstoffe zu bilden. Einer dieser Stoffe ist das Castle-Ferment (— Intrinsic Factor; Castle, englischer Internist). Es bildet mit dem aus der Nahrung aufgenommenen „Extrinsic Factor" den ,,Antiperniziosastoff", der in der Leber gespeichert wird. Das Vorhandensein dieses Antiperniziosastoffes ( = B 1 2 ) ist zur normalen Reifung der roten Blutkörperchen im Knochenmark unerläßlich. Fehlt er, so entwickelt sich eine perniziöse Anämie. Symptome: Histaminrefraktäre Achylie (refraktär = unempfänglich, d. h. selbst Histamin, der stärkste Säurelocker, vermag keine Sekretion von Salzsäure oder Verdauungssäften herbeizuführen). Körperliche Schwäche, „strohgelbe" Hautfarbe, Zungenbrennen und Atrophie der Zungenränder ( = Huntersche Glossitis; Hunter, englischer Chirurg des 18. Jahrhunderts) — Parästhesien an Händen und Füßen — bis zur funikulären Myelose 1 ) (=strangförmigeRückenmarksdegeneration).Das typischeBlutbild zeigt Zeichen einer überstürzten Erythrozytenreifung: Megaloblasten und Megalozyten. Therapie: Seit Einführung der Lebertherapie durch die Amerikaner Minot und Murphy 1925 kann man in fast allen Fällen die perniziöse Anämie bessern. Vor dem Anstieg der Gesamterythrozytenzahl kommt es 2—3 Tage nach Beginn der Therapie zur Vermehrung der jugendlichen Erythrozyten, der Retikulozyten ( = Retikulozytenkrise). Heute wird B 1 2 fast ausschließlich verwendet. e) E r y t h r o b l a s t o s e Bei den Säuglingen spielt die Erythroblastose eine große Rolle. Ursache: Nach dem heutigen Stand der Forschung hängt das Auftreten dieser Erkrankung mit der Bildung von Antikörpern gegen den RH-Faktor zusammen. Väter 1) Heute bezeichnet man sie als „Funikuläre Spinalerkrankung" (s. Bd. III).
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und Kinder sind RH-positiv, die Mütter rh-negativ; nun bildet die Mutter Antikörper gegen den RH-Faktor des Kindes, die diaplazentar auf den Fetus wirken. Symptome: Die Kinder kommen mit einem schweren Ikterus auf die Welt. Therapie: Durch sog. „Austauschtransfusionen" mit i bis 2 / rh-negativen Blutes kann man diese Kinder retten. f ) Aplastische Anämie Ursache: Der aplastischen Anämie fehlt die Regenerationsfähigkeit der blutbildenden Organe; das bedeutet den langsameren oder schnelleren Untergang des Blutes. Wodurch das Blutmark seine Regenerationsfähigkeit verliert, ist nicht in allen Fällen zu klären. Chronische Infekte, toxische Einflüsse und physikalische Strahlenwirkungen (Röntgenstrahlen, Radiumstrahlen, Atomstrahlungen) können herangezogen werden. Symptome: Zur Anämie, mit Müdigkeit, Entkräftung und Blässe tritt frühzeitig eine gesteigerte Blutungsneigung (Nasenbluten, Zahnfleischblutungen). Das Blutbild zeigt typische Veränderungen: Hb-Werte von 20 bis 30% sind keine Seltenheit. Die Erythrozyten können bis auf eine Million vermindert sein. Die Thrombozyten können auf wenige Tausend absinken. Verlauf: Da der Prozeß meist nicht aufzuhalten ist, treten häufig unter dem Einfluß der Blutveränderung geschwürige Prozesse an den Schleimhäuten auf. Unter zunehmenden Blutungen läßt sich der Verfall auch durch Bluttransfusionen und Antibiotika nicht aufhalten. Die Patienten sterben unter dem Zeichen des Kreislaufversagens. g) Polyzythämie Unter Polyzythämie versteht man eine Vermehrung der roten Blutkörperchen und der gesamten Blutmenge. Die Ursache ist nicht bekannt. Symptome: Die Krankheit beginnt langsam und meist nicht vor dem 40. Lebensjahr. Die Patienten klagen über Kopfschmerzen, Ohrensausen und Hitzegefühl. Das Gesicht ist rotgedunsen, Lippen und Schleimhäute sind intensiv gerötet. Die vermehrte Blutmenge belastet den Kreislauf und vergrößert die Leber. Im Blutbild können die roten Blutkörperchen bis zu 10 Millionen in 1 mm3 vermehrt sein, die Hämoglobinwerte können bis 200% ansteigen. Therapie: Aderlässe bringen eine vorübergehende Erleichterung. Gute Erfolge zeigt die Behandlung mit Radioisotopen (Phosphor 3 2). h) H ä m o l y t i s c h e r I k t e r u s Ursache: Als hämolytischer Ikterus wird im allgemeinen jeder Fall von Ikterus bezeichnet, bei dem außerhalb der Leberzelle vermehrt Bilirubin gebildet wird. Die Niere ist für dieses anhepatische Bilirubin nicht durchlässig. Symptome: Der Urin enthält in diesen Fällen kein Bilirubin, und nur die „indirekte Bilirubinprobe" nach Hijmans van den Bergh zeigt positive Werte. Man kann nach großen Blutergüssen, bei denen massenhaft rote Blutkörperchen zerstört werden, eine leichte Gelbfärbung der Haut und der Skleren feststellen. Besondere Form: Zur anhepatischen Form gehört auch der Ikterus der Neugeborenen, Icterus neonatorum. Er gilt als physiologisch und bedarf keiner Behandlung. In der ersten Woche nach der Geburt tritt bei etwa der Hälfte aller Neugeborenen eine Gelb-
Erkrankungen des weißen Blutbildes
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färbung der Haut auf. Sie beruht auf einem erhöhten Zerfall von roten Blutkörperchen. Besonderer Erwähnung bedarf der chronische hämolytische Ikterus. Ursache: E r beruht auf einer erblichen Anlage. Die Erythrozyten, von kugliger Gestalt (daher auch „Kugelzellanämie"), sind auf Grund erblicher Anomalien von verminderter Resistenz und daher leicht zu zerstören. Symptome: Die Träger dieses Leidens zeigen häufig noch weitere Zeichen erblicher Defekte: Turmschädel, Spitzbogengaumen, Spaltbildungen der Wirbelsäule (Spina bifida) und Mißbildungen der Extremitäten. Die Krankheit ist dadurch charakterisiert, daß, bei gesunder Leber, in gesteigertem Maße in der Milz rote Blutkörperchen zerfallen. Die Galle ist daher besonders reich an Gallenfarbstoff. Besonders nach Infekten treten „Krisen" auf, mit Fieber, Leibschmerzen, Milzschwellung, Haut- und Schleimhautblutungen. Nach einer solchen Krise ist der Hämoglobingehalt des Blutes vermindert. Es wird daher auch von „hämolytischer Anämie" gesprochen. Therapie: In manchen Fällen tritt nach der operativen Entfernung der Milz (Milzexstirpation, Splenektomie) eine Besserung ein. Ikterus und Anämie schwinden, und der Kranke fühlt sich wohl. 2. Erkrankungen des weißen Blutbildes a) Leukämie
b) Agranulozytose
a) L e u k ä m i e (Tafel VI, Bild 1 ; Tafel VII, Bild 2) Leukämien zählen zu den Geschwülsten. Sie befallen sehr zeitig ein gesamtes Blutzellensystem. Eine echte Metastasenbildung fehlt, aber der bösartige Verlauf ist dem der übrigen malignen Tumoren sehr ähnlich. Histologisch sind die myeloischen streng von den lymphatischen Leukämien zu trennen. Ein großer Teil verläuft chronisch, ein kleinerer Teil akut unter dem Bilde einer Sepsis. Ursache: Die Ursache der Leukämien ist unbekannt. Symptome: Die Krankheit beginnt, abgesehen von den akuten Fällen, schleichend. Die Kranken fühlen sich in zunehmendem Maße schwächer, ihre Leistungsfähigkeit schwindet. Sie klagen über Kopfschmerzen, sind reizbar und sehen auffallend blaß aus. Bei der lymphatischen Leukämie treten tastbare Lymphdrüsenschwellungen auf. Entscheidend ist das Blutbild. Im Knochenmark, im Milzpunktat und auch im strömenden Blut zeigen sich charakteristische Veränderungen. In klaren Fällen zeigt sich eine deutliche Vermehrung der lymphatischen oder myeloischen Zellen (200000 bis 500000 Leukozyten-mm3 sind keine Seltenheit). Die myeloischen sind „oxydasepositiv" (Oxydase ist ein sauerstoffübertragendes Ferment, das in den myeloischen Zellen vorhanden ist). (Blutbild einer chronischen lymphatischen Leukämie s. Abb. 12.) Therapie: Röntgen-Bestrahlung 1 ); medikamentös mit Arsen, Lost, Urethan, T E M ( = Triethylenmelamin), Endoxan ( = Stickstoff-Lost-Abkömmlung), Vincaleukoblastin ACTH, Cortison, Prednison, Prednisolon, Bluttransfusionen. Zu den Pseudoleukämien rechnet man das maligne Granulom, die Hodgkinschc Erkrankung. Man nimmt an, daß es sich um eine Infektionskrankheit handelt. Die Symptome sind weniger typisch als bei den echten Leukämien. Eine Lymphdrüsenpunktion klärt die Diagnose: das Punktat enthält die für diese Krankheit typischen Sternbergschen Riesenzellen (Sternberg, Pathologe in Wien). Zweckmäßiger ist eine Probeexzision einer geschwollenen Lymphdrüse. Rö-Therapie bei akuten Leukosen kontraindiziert.
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b) D i e A g r a n u l o z y t o s e Als Leukopenie bezeichnet man einen Mangel an granulierten weißen Blutkörperchen. Auf solche Zustände wird mehrfach hingewiesen werden, z. B . beim Bauchtyphus. Die Giftstoffe (Toxine) des Typhusbazillus schädigen das blutbildende Knochenmark, so daß weniger Leukozyten gebildet werden. Im Gegensatz hierzu bezeichnet die Agranulozytose das völlige Schwinden der Granulozyten. Ursache: Offensichtlich hängt das gehäufte Vorkommen der Agranulozytose mit einem gesteigerten Verbrauch von Medikamenten zusammen. E s erkranken nur wenige Menschen, und zwar jene, bei denen eine besondere Überempfindlichkeit besteht. Die meisten können diese Mittel unbeschadet über lange Zeit nehmen. Z u den Medikamenten, nach denen Agranulozytosen beobachtet worden sind, zählen vor allem die Pyramidonpräparate, weiter barbitursäurehaltige Schlafmittel, Sulfonamide, Salvarsan, Gold-, Quecksilber- und Wismutpräparate und in der letzten Zeit auch die als Schilddrüsenblocker bekannten Thiouracile. Doch nicht jede Agranulozytose läßt sich medikamentös erklären. In manchen Fällen spielen auch langwährende Infekte eine ursächliche Rolle. Sypmtome: Der Körper erkrankt plötzlich unter dem Bild einer Sepsis: Temperaturanstieg mit Schüttelfrost und Tonsillitis. A n zahlreichen Schleimhäuten, zumeist beginnend an der Mundschleimhaut, bilden sich Nekrosen. Diese geschwürigen Gewebsdefekte verursachen heftige Schmerzen, Blutungen und einen üblen, fauligen Mundgeruch. Da der Körper unfähig ist, mit diesen Entzündungen fertig zu werden, greift der Gewebszerfall rasch in die Tiefe und Breite und bildet einen idealen Nährboden für Krankheitskeime. Die Ursache der völlig darniederliegenden Infektabwehr findet sich im Blutbild: die weißen Blutkörperchen fehlen fast völlig. Die Werte liegen meist unter iooo, wovon 90% zur lymphozytären Reihe gehören. Das rote Blutbild bleibt unverändert. Therapie: Eine wirksame Therapie besteht einmal im Fernhalten aller zusätzlichen Schädigungen (weitere Medikamentengabe, Infektionserreger) und zum anderen darin, die Neubildung der Granulozyten anzuregen. Bewährt haben sich wiederholte Bluttransfusionen. Sie wirken nicht nur als Blutersatzmittel, sondern üben einen Reiz auf das Knochenmark aus. Bewährt haben sich Hormonpräparate: A C T H , Cortison bzw. Prednison und Prednisolon. Trotzdem sterben nach amtlichen Statistiken 70 bei 80% aller Erkrankten. 3. Bluttransfusion (Blutübertragung) a) Blutgruppen
b) Gefahren der Bluttransfusion
c) Blutkonserve
a) B l u t g r u p p e n Verlorenes Blut wird am ehesten durch eine Transfusion fremden Blutes ersetzt; das setzt die Kenntnis der Blutgruppen voraus. Menschliche Erythrozyten haben die Eigenschaft, von gruppenfremden Seren anderer Menschen in der Kälte agglutiniert (zusammengeballt) und bei Körpertemperatur hämolysiert (aufgelöst) zu werden. Man kennt im wesentlichen zwei agglutinable Substanzen: A und B , denen zwei Agglutinine a und ß entsprechen. Wir unterscheiden;
Bluttransfusion Blutgruppe Blutgruppe Blutgruppe Blutgruppe
A mit der Eigenschaft A der Blutkörperchen — im Serum Anti-B B mit der Eigenschaft B der Blutkörperchen — im Serum Anti-A O mit der Eigenschaft O der Blutkörperchen — im Serum Anti-A und Anti-B A B mit der Eigenschaft A-(- B der Blutkörperchen — im Serum keine Agglutinine.
Daraus ergibt sich, daß Gruppe O ein sog. „Allesspender" und Gruppe A B ein Allesempfänger ist. Nun wird diese Unterteilung dadurch kompliziert, daß nicht nur A bekannt ist, sondern auch A j und A 2 . Von den weiteren Blutgruppeneigenschaften ist noch die Eigenschaft RH und rh wesentlich, weil hiergegen in seltenen Fällen spezifische Agglutine gebildet werden können RH ( = 85%) ist gegenüber rh ( = 15%) im Erbgang dominant (dominant = vorherrschend, überdeckend) (S. 105 f.) Die praktische Bedeutung dieser Blutgruppen liegt, neben der Transfusionsmöglichkeit von einem Menschen zum anderen, in der Tatsache, daß sie absolut konstant sind und daß sie zur Ausschließung der Vaterschaft eine Rolle spielen können. b) G e f a h r e n der B l u t t r a n s f u s i o n Gefürchtet ist der Schock bei falschen Blutgruppen: Vor jeder Transfusion empfiehlt sich die Kreuzprobe: Es werden Spender-Erythrozyten mit Empfängerserum gekreuzt und ihr Verhalten mikroskopisch kontrolliert. Häufig kommt es nach der Transfusion zu einem kurzdauernden Temperaturanstieg mit Schüttelfrost, der durch das Fremdeiweiß des Spenders, ungenügende Sterilität oder durch große Mengen Kochsalzlösung verursacht sein kann. An Spätschäden seien die Übertragungsmöglichkeiten von Infektionen wie Lues, Malaria oder Hepatitis erwähnt. Um diesen Gefahren zu begegnen, werden die Blutspender in Blutspenderorganisationen zusammengeschlossen und fortlaufend gesundheitlich überwacht. Sie besitzen einen Blutspenderpaß, in denen Blutgruppe, Untersuchungsbefunde und Daten der Blutspende eingetragen werden. Die Schädigungsmöglichkeit für den Spender ist gering. Es kann sich durch zu häufige Blutentnahme eine „chronische Blutungsanämie" entwickeln. Bei der direkten Transfusion kann durch falsche Hahnstellung Empfängerblut zum Spender gelangen und bei ihm zu einer Infektion führen. c) B l u t k o n s e r v e Man steht heute auf dem Standpunkt, daß die Blutkonserve der Frischblutübertragung klinisch und biologisch gleichwertig ist. In der modernen Chirurgie ist es praktisch unmöglich, genügend Spender zu einem bestimmten Zeitpunkt bereitzustellen. Die Konserve hat den Vorteil, immer griffbereit zu sein; ihre Blutgruppe ist genau überprüft; eine Infektionsgefahr ist so gut wie ausgeschlossen. Es lassen sich in kurzer Zeit größere Mengen Blut entnehmen (Blutbank), und auch der Spender verliert keine Zeit durch Warten. Allerdings ist die Blutkonserve nur begrenzt haltbar: 14 bis 21 Tage unter bestimmten Temperaturverhältnissen. Danach kann sie nur zur Plasmakonserve aufgearbeitet werden und ist so annähernd 6 Monate zu verwenden.
IX. Milz und Lymphe A.
Physiologie der Milz
B. Erkrankungen der Milz
C. Lymphgefäßsystem
A. Physiologie der Milz Die Milz (Lien, Spien) gilt als Anhangsorgan des Kreislaufs, als Blutspeicherorgan. Sie bewahrt einen Teil des Blutes außerhalb des großen Kreislaufes auf, um es zu Zeiten größeren Bedarfs wieder abzugeben: bei Erstickungsgefahr, bei Aufenthalt in verdünnter Luft oder bei größeren Blutverlusten. Die Milz spielt bei der Bildung und Zerstörung der Blutzellen eine Rolle — sie ist „Wiege der weißen und Grab der roten Blutkörperchen". Zur Zeit der embryonalen Entwicklung ist sie ein Bildungsort für die roten Blutkörperchen; diese Funktion übernimmt beim Menschen nach der Geburt das rote Knochenmark. Bei größeren Blutverlusten kann sich die Milz wieder an der Neubildung roter Blutkörperchen beteiligen. Die Erythrozyten werden, wenn ihre Lebensdauer vorüber ist, in der Milz eingeschmolzen. Das Hämoglobin der zugrunde gegangenen Blutkörperchen wird in Gallenfarbstoff (Bilirubin) umgewandelt und mit dem Blut zur Leber getragen. Die Bildung der Lymphozyten findet auch beim Erwachsenen in den Keimzentren der ,,MalpighiscYicn Körperchen" statt. Die neugebildeten Lymphozyten gelangen durch die Milzvene in den allgemeinen Kreislauf. Über die Aufgaben, die der Milz im Stoffwechsel zufallen, ist noch nicht viel bekannt. Sie scheint im Eisenstoffwechsel eine wichtige Rolle zu spielen. Sie ist das eisenreichste Organ; wahrscheinlich speichert sie das im Stoffwechsel freiwerdende Eisen. Die Milz ist an der Bildung von Antikörpern hervorragend beteiligt. Daher ist die Milzschwellung ein fast regelmäßig auftretendes Symptom bei vielen Infektionskrankheiten. B. Erkrankungen der Milz Isolierte Erkrankungen der Milz, wie Milzinfarkt und Milztuberkulose, sind sehr selten. Sie verlaufen meist so unauffällig, daß es nicht möglich ist, typische Symptome zu schildern. Das sekundäre Milzkarzinom ist äußerst selten. Die Milz ist bei allen Erkrankungen der weißen Blutkörperchen mitbeteiligt. Sie kann bei einer chronisch-myeloischen Leukämie so vergrößert sein, daß ihr unterer Pol bis ins kleine Becken hinabreicht. Bei schweren Unfällen kommt es gelegentlich zur Milzruptur ( = Milzzerreißung), die die Gefahr der Verblutung in sich birgt. Krankheiten, bei denen der Zerfall der roten Blutkörperchen erhöht ist — z. B. beim hämolytischen Ikterus —, zeichnen sich durch eine starke Milzschwellung aus. Durch eine Milzexstirpation ( = operative Herausnahme der Milz) wird eine deutliche
Lymphgefäßsystem
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Besserung erzielt, manchmal eine völlige Heilung. Die Milzentfernung hat anscheinend keine Störungen zur Folge, da ihre Aufgaben sehr bald von anderen Organen übernommen werden. C. Lymphgefäßsystem Die Lymphgefäße bilden ein System von Kanälen, in denen nur eine Bewegungsrichtung zu erkennen ist: von der Peripherie zum Herzen. Jede Zelle ist von Lymphflüssigkeit umgeben. Die Lymphwege beginnen in jedem Organ und sammeln sich in immer größer werdenden Bahnen, schließlich im Milchbrustgang. Dieser Ductus thoracicus entsteht als Cisterna chyli in Höhe des i. Lendenwirbelkörpers und mündet in die obere Hohlvene dort, wo sich auf der linken Seite Vena jugularis und Vena subclavia vereinen. Die Lymphe aus der rechten Kopfhälfte und dem rechten Arm sammelt sich im Ductus lymphaticus dexter, welcher in den rechten Venenwinkel mündet. (Vereinigungsstelle r. Vena jugularis und V. brachialis.) Die Lymphknoten, nicht sehr treffend auch als Lymphdrüsen bezeichnet, sind zahlreich als Filter in die Lymphbahnen eingeschaltet. Ein Lymphknoten setzt sich aus vielen Lymphzellnestern zusammen, zwischen denen die Lymphe hindurchfließt. Die Lymphe besteht aus Flüssigkeit, die aus den Blutgefäßen austritt; sie enthält neben Lymphozyten auch ein Lymphplasma, das ebenso wie das Blutplasma Albumine, Globuline und Fibrinogen aufweist. Ihre Aufgabe ist es, Umsetzungsprodukte der Gewebe und Stoffwechselschlacken zu befördern. Der Teil des Lymphsystems, der die Fettsäuren nach ihrer Resorption aus dem Darm transportiert, stellt einen ziemlich selbständigen Teil des Lymphsystems dar und unterscheidet sich durch seine milchige Trübung (daher Chylus oder Milchsaft genannt) von der „echten" klaren Lymphe. In den Lymphknoten werden Fremdkörper, Bakterien und andere Entzündungsstoffe zurückgehalten und zerstört. Dadurch schwellen sie an; eine eitrige Entzündung wird immer von einer „regionären Lymphdrüsenschwellung" begleitet, denn hier versucht der Organismus, die Entzündung aufzuhalten und eine weitere Ausbreitung im Körper zu verhindern. In den Gelenkbeugen liegen zahlreiche Lymphknoten. So in der Ellbeuge, Achselhöhle, in der Leistenbeuge, aber auch im kleinen Becken und am Hals. Hierbei sei der lymphatische Rachenring als Schutzwall zwischen Mundhöhle und Rachenraum besonders erwähnt; er kann den Körper nur so lange schützen, wie die Lymphknoten gesund sind. Vereitern sie aber, so schaden sie dem Körper und werden zur Pforte für krankmachende Keime. Diesen Zeitpunkt muß der Arzt erkennen und seinem Patienten zur Tonsillektomie raten (operatives Herausschälen der Gaumenmandeln).
X . Drüsen mit innerer Sekretion (Hormone) A. B. C. D.
Hypophyse Zirbeldruse Epithelkörperchen Schilddrüse
E. F. G. H.
Thymus Nebennieren Keimdrüsen Pankreas
Hormone — abgeleitet von dem Griechischen „ich treibe an" — sind Wirkstoffe, die der höher entwickelte Organismus selbst bildet und bei deren Fehlen es zu schwerwiegenden Ausfallserscheinungen kommt. Sie werden in den „Drüsen mit innerer Sekretion" gebildet und direkt, ohne einen Ausführungsgang, ins Blut gegeben. Die „Blutdrüsen" oder ihre Produkte werden auch „Inkrete" genannt. 1849 brachte Berthold in Güttingen zum ersten Male den Beweis von dem Vorhandensein solcher Wirkstoffe. Er entfernte seinen Versuchstieren — Hähnen — die Keimdrüsen; sie verloren damit nicht nur ihre Fähigkeit sich fortzupflanzen, sondern auch ihre sekundären Geschlechtsmerkmale. Als Berthold danach seinen Versuchstieren wieder Keimdrüsengewebe implantierte, konnte er damit die Ausfallserscheinungen beseitigen. Die Hormone beeinflussen den Stoffwechsel, das nicht dem Willen unterworfene Nervensystem (sog. „vegetatives Nervensystem") und das Wachstum; darüber hinaus bestehen auch Wechselbeziehungen unter den einzelnen Drüsen. Steigerungen und Verminderungen der Drüsentätigkeit können zu Krankheiten, zu dysregulatorischen Störungen führen ( = Fehlregulationen). Hormonbildende Organe sind Hypophyse, Zirbeldrüse, Epithelkörperchen, Schilddrüse, Nebenniere, Keimdrüsen und der Inselapparat im Pankreas.
Thymus,
A. Hypophyse 1. Physiologie der Hypophyse
2. Erkrankungen der Hypophyse
1. Physiologie der Hypophyse
Eine übergeordnete Rolle in dem „Spiel der Hormone" nimmt die Hypophyse ein. Sie wiegt 0,5 g und liegt im Türkensattel ( = Sella turcica) im Bereich der Schädelbasis. In ihr werden mehrere Hormone gebildet. Man unterscheidet einen Vorder-, einen Mittel- und einen Hinterlappen. Die Hypophyse nimmt in der Reihe der Drüsen mit innerer Sekretion auch insofern eine Sonderstellung ein, als sie ihre Wirkstoffe nicht in das Blut, sondern durch den Hypophysenstiel in den Liquor des dritten Ventrikels abgibt. Von dort gelangen sie direkt an das Zentralnervensystem. Entfernt man die Hypophyse bei jungen Tieren, so kommt es zu schweren Wachstumsstörungen: Durch mangelnde Kalkablagerung sind die Knochen weich und zeigen auffällige Verkrümmungen. Dann wird vermehrt Fett abgelagert, und die Entwicklung der äußeren Geschlechtsorgane und der inneren Keimdrüsen bleibt zurück. Bei wachsenden Tieren mit noch nicht abgeschlossenem Wachstum ruft sie bei Überfunktion Riesenwuchs hervor.
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Erkrankungen der Hypophyse
Die Inkrete des Hypophysenvorderlappens, der aus drüsigen Zellen besteht, üben beim Menschen einen fördernden Einfluß auf das Wachstum aus. Zwei wichtige Hormone des HVL ( = Hypophysenvorderlappen) sind das Prolan A und B ( = Gonadotrope Hormone)1). Prolan A ruft im Eierstock die Follikelreifung hervor, Prolan B die Follikelblutung (Follikel = Bläschen). Da im Harn schwangerer Frauen vermehrt gonadotropes Chorionhormon ausgeschieden wird, wird der Nachweis dieses Hormons zur frühzeitigen Feststellung einer Schwangerschaft verwandt. Diese Reaktion wurde 1927 v o n den G y n ä k o l o g e n Aschheim und Zondek bekanntgegeben
(Aschheim-Zondek-TLvak.-
tion). Außerdem sind im HVL Hormone enthalten, die fördernd auf die Schilddrüse wirken ( = thyreotropes Hormon), auf die Nebennierenrinde (Adrenocorticotropes Hormon = ACTH), auf den Fett- und Kohlenhydratstoffwechsel, auf die Laktation (Milchproduktion) und hemmend auf die Insulinproduktion im Pankreas. Im Mittellappen wird wahrscheinlich ein den Fettstoffwechsel regulierendes Hormon hergestellt; aber seine Wirkung beim Menschen ist noch nicht sicher geklärt. Der Hinterlappen, bestehend aus Nervenzellen, produziert das Vasopressin, das beim schwangeren Uterus Wehentätigkeit auslöst und außerdem eine antidiuretische Wirkung hat. 2. Erkrankungen der Hypophyse a) Akromegalie c) Cusbitigscbe Krankheit b) Dystrophia adiposogenitalis d) Hypophysäre Kachexie e) Diabetes insipidus
a) A k r o m e g a l i e ( = Riesenwuchs) Ursache: Eine krankhaft gesteigerte Funktion des Hypophysenvorderlappens führt zu einer Steigerung des Längen- und Dickenwachstums der Körper spitzen, zur Akromegalie. Die Ursache ist ein eosinophiles Adenom (Adenom = gutartige Geschwulst, vom Drüsengewebe ausgehend) oder eine Uberfunktion der eosinophilen Zellen des Hypophysenvorderlappens (eosinophil = mit Eosinfarbstoff farbbar). Symptome: Charakteristisch sind die Veränderungen im Gesicht: Vorspringen der Jochbögen und des Unterkiefers, Vergrößerung der Lippen und Zunge, die „plötzlich in der Mundhöhle keinen Platz mehr hat"; außerdem zeigen Hände und Füße ein klobiges Wachstum. Setzt die Uberfunktion des Hypophysenvorderlappens schon zeitig ein, so vergrößern sieh alle Teile des Körpers gleichmäßig; es kommt zum Riesenwuchs. Bei wachsendem Tumor treten Kopfschmerzen, Erbrechen und Sehstörungen hinzu. Die Sehstörungen werden durch Druck auf die unter der Hypophyse gelegene Sehnervenkreuzung (Chiasma opticum) ausgelöst. Therapie: Mit der Therapie muß versucht werden, das Wachstum des Adenoms zu hemmen. Das kann durch Röntgenbestrahlung oder durch eine Operation geschehen. Die Erfolge sind ermutigend. Verlauf: Der Verlauf der Akromegalie kann sich über 20 bis 30 Jahre erstrecken. Bei den schnell verlaufenden Fällen handelt es sich um Karzinome des HVL. Im Gegensatz zum Riesenwuchs bei der Überproduktion des HVL tritt bei Unterfunktion Zwergwuchs auf. 1
) Gonaden = Keimdrüsen. Dietrich, Bd. I
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Drüsen mit innerer Sekretion (Hormone)
b) Dystrophia adiposogenitalis (Fröblichsche. Krankheit) Ursache: Sie tritt dann auf, wenn die Beziehungen der Hypophyse zum Hypothalamus unterbrochen sind. (Thalamus = Sehhügel; Hypo-thalamus = Region unter dem Sehhügel.) Durch Zysten, durch gut- und bösartige Geschwülste, durch Verletzungen oder tuberkulöse Entzündungen kann der Hypophysenstiel abgeklemmt oder zerstört sein. Die Krankheit tritt am häufigsten bei männlichen Kindern zwischen dem 10. bis 12. Lebensjahre auf. Symptome: Neben einer Unterentwicklung oder auch Rückbildung der Geschlechtsorgane besteht eine erhebliche Fettsucht, die den Knaben weibliche Züge verleiht. In fortgeschrittenen Stadien klagen die Patienten über Kopfschmerzen und Sehstörungen. Therapie: Beseitigung des Hindernisses im Hypophysenstiel. Zufuhr von HVLExtrakten zeigt keine sicheren Erfolge. c) Cushitigsche
Krankheit
Ursache: Cushing (amerikanischer Chirurg, 1869—1939) beschrieb 1932 zum ersten Male ein Krankheitsbild, das durch ein Adenom des HVL hervorgerufen worden war. Seither nennt man diese Krankheit, die auf einer Hypertrophie der basophilen Zellen im HVL (basophil = mit basischen Farbstoffen färbbar) oder auf einem Adenom der Nebennierenrinde beruht, „Cushingsche. Krankheit". Symptome: Auffallend ist eine rasch zunehmende Fettsucht mit eigentümlicher Verteilung an Nacken, Gesicht und Rumpf, während das Gesäß freibleibt. Auffallende Schmerzhaftigkeit des Fettes, Entkalkung der Knochen, sexuelle Störungen—bei Frauen eine Amenorrhoe (Ausbleiben der Monatsblutung) — sind die Hauptsymptome. Die Haut erscheint dunkel mit blau-rötlichen Streifen ( = Striae). Bei Frauen entwickelt sich Bartwuchs. In den meisten Fällen ist der Blutdruck erhöht. Therapie: Die basophilen Adenome sprechen gut auf Röntgenbestrahlung an. d) H y p o p h y s ä r e Kachexie (Simmondssche. Krankheit) (Kachexie =
schlechtes Befinden, Kräfteverfall)
Ursache: Simmonds (Pathologe in Hamburg, 1855—1925) hat 1914 zum ersten Male einen Fall von septischer Hypophysennekrose (Nekrose = Gewebstod) beschrieben. Es handelte sich damals um eine Frau, die 11 Jahre zuvor an Kindbettfieber erkrankt war. In anderen Fällen, die zu einem ähnlichen Krankheitsbild führten, war der HVL durch Embolien, durch Karzinome oder durch tuberkulöse Wucherungen zerstört worden. — Die Krankheit wird häufiger bei Frauen als bei Männern beobachtet. Symptome: Vorzeitiges Altern, starke Auszehrung, Muskelschwäche, geistige Stumpfheit, Schwindel und Ohnmachtsanfälle, Blutarmut, Ausfall der Augenbrauen, Achselhaare, Schamhaare, Amennorrhoe, erniedrigte Hauttemperatur, blasse Haut, fehlende Schweißsekretion, herabgesetzter Grundumsatz, Appetitmangel, Verstopfung. Verlauf: Durch das Versagen aller von der Hypophyse gesteuerten Drüsen, und durch das Versagen des vegetativen Nervensystems kommt es zur Kachexie. Therapie: Die Therapie ist fast immer aussichtslos. Durch HVL-Präpaxate kann kein Stillstand erzielt werden.
Physiologie der Epithclkörperchen
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e) D i a b e t e s i n s i p i d u s (Wasserharnruhr) Ursache: Der Diabetes insipidus, eine Störung im Wasserstoffwechsel, beruht wahrscheinlich auch auf einer Erkrankung des Hypophysenhinterlappens. Er wurde beobachtet bei Tumoren, Unfallblutungen im Hypophysenbereich, bei Hirnlues und nach Enzephalitis (Entzündung des Gehirns). Symptome: Der Harn enthält, im Gegensatz zum Diabetes mellitus, keine krankhaften Bestandteile. Die Patienten trinken täglich große Mengen von Flüssigkeit und scheiden dementsprechend einen dünnen wäßrigen Harn aus — dabei sind Mengen bis zu 20 l am Tage keine Seltenheit. Das spezifische Gewicht des Urins ist sehr niedrig. Therapie: Richtet sich zunächst nach der Grundkrankheit, daneben haben sich Injektionen von Hypophysen&Vz/erlappenpräparaten bewährt. Bevorzugt werden von den Patienten Schnupfpulver. Daneben kochsalzlose, durstlöschende Kost. B. Zirbeldrüse (Glandula pinealis) I. Physiologie der Zirbeldrüse
2. Erkrankung der Zirbeldrüse
Die Zirbeldrüse, Epiphyse, ebenfalls im Zwischenhirn gelegen, hat ein durchschnittliches Gewicht von 0,2 g und entwickelt ihre Hauptproduktion vom 8. Lebensjahr an bis zur Geschlechtsreife; dann verkalkt sie. 1. Physiologie der Zirbeldrüse
Sie hat einen Einfluß auf das Wachstum und eine dämpfende Funktion auf die Geschlechtsorgane. Ist sie in ihrer Arbeit gestört, so kommt es zu einer vorzeitigen Geschlechtsreife — zur Pubertas praecox. 2. Erkrankung der Zirbeldrüse
a) P u b e r t a s p r a e c o x ( = vorzeitige Geschlechtsreife) Ursache: Die Ursache dieses Krankheitsbildes, dem man bei Jugendlichen begegnet, sind in den meisten Fällen Epiphysengeschwülste. Symptome: Es kommt schon in den ersten Lebensjahren zur vorzeitigen Geschlechtsreife: es werden reife Geschlechtszellen gebildet, und die innere Sekretion der Keimdrüsen ist gesteigert. Gleichzeitig mit der vorzeitigen Reife der Geschlechtsdrüsen setzt eine überstürzte Entwicklung von Körpergröße und -gewicht ein. Die „sekundären Geschlechtsmerkmale" (Achsel- und Schambehaarung, Entwicklung der weiblichen Brust, männlicher Bartwuchs) sind voll entwickelt. Therapie: Manche Tumoren der Zirbeldrüse sprechen gut auf Röntgenbestrahlung an. C. Epithelkörperchen ( = Nebenschilddrüse, Parathyreoidea) 1. Physiologie der Epithelkörperchen
2. Erkrankungen der Epithelkörperchen
1. Physiologie der Epithelkörperchen
Die Epithelkörperchen, meist zweipaarig angelegt und von 3 bis 15 mm2 Größe, liegen in der Kapsel des Schilddrüsenhinterlappens. Ihre Ausschaltung führt zum Krankheitsbild der Tetanie. In einzelnen Muskeln treten Zuckungen auf, die sich zu Krämpfen größerer Muskelgruppen und schließlich des ganzen Körpers steigern. Dabei sind Herz8»
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Drüsen mit innerer Sekretion (Hormone)
und Atemtätigkeit gesteigert, die Körpertemperatur ist erhöht. Ergreift der Krampfanfall die Atemmuskulatur, so kann der Tod eintreten. Der Stoffwechsel zeigt eine auffällige Erniedrigung des Blutkalziumspiegels (von 9 bis 11 mg% auf 5 bis 6 mg%). In welcher Weise die Epithelkörperchen die tetanischen Krankheitszeichen verhindern, ist nicht bekannt. Man nimmt an, daß das von ihnen gebildete Hormon den Kalkstoffwechsel reguliert. Der Kanadier Collip hat es isoliert und nannte es Parathormon. Bei Minderfunktion der Epithelkörperchen spricht man von „Latenter Tetanie". 2. Erkrankungen der Epithelkörperchen
Ursache: Bei einer operativen Entfernung der Schilddrüse (Strumektomie) ist es gelegentlich vorgekommen, daß die Nebenschilddrüsen mitentfernt worden sind. Nach Infektionskrankheiten, Typhus, Angina, Gelenkrheuma und Masern sind selten tetanische Zustände beobachtet worden. In der Schwangerschaft kann der mütterliche Kalkspiegel durch den gesteigerten Bedarf des kindlichen Organismus rapide absinken. Durch Überventilation ( = anhaltend übermäßiges Atmen) kann man eine „symptomatische Tetanie" auslösen: Eine Alkalose (Alkalose = Zustand, bei dem die Alkalireserve im Blut vermehrt ist) des Blutes ist die Ursache der tetanischen Zuckungen. Symptome: Die Krankheit ist durch eine Steigerung der mechanischen und elektrischen Erregbarkeit der peripheren Nerven gekennzeichnet. Im tetanischen Krampfanfall, häufig ausgelöst durch seelische Erregung oder körperliche Anstrengung, verfallen die Arme, später auch die Beine und die übrige quergestreifte Muskulatur in einen starren Beugekrampf. Die Hände zeigen typische Pfötchenstellung. Der Anfall tritt selten halbseitig auf; das Bewußtsein bleibt erhalten. Der Blutkalziumspiegel liegt unter 7 mg% (normal 10 bis 11 mg%). Besondere Form: Bei Kindern ist häufig ein Stimmritzenkrampf (Laryngospasmus) zu beobachten. Bei dieser Störung im kindlichen Mineralhaushalt spricht man von einer Spasmophilie. Sie tritt gelegentlich nach großen Vigantolgaben auf, wodurch es zu einem rapiden Sturz des Kalziumspiegels kommen kann. Ob dieser kindlichen Tetanie eine echte Erkrankung der Nebenschilddrüsen zugrunde liegt, ist noch umstritten. Therapie der Tetanie: Durch eine intravenöse Kalziumgabe kann der tetanische Anfall sofort gelöst werden. In der anfallfreien Zeit sind häufige Kalziumgaben und nervenberuhigende Mittel wirksam. Zur Dauertherapie hat sich der Kalzinosefaktor A T 10, bei vorsichtiger Dosierung, sehr bewährt. Sie erfordert jedoch eine stete Kontrolle des Blutkalziumspiegels, um eine Hyperkalzämie zu vermeiden (Hyperkalzämie = zuviel Kalzium). Prognose: Die während einer Schwangerschaft auftretende Tetanie, ausgelöst durch den gesteigerten Kalkbedarf des kindlichen Organismus, kann für die Mutter zu einer ernsten Gefahr werden, die unter Umständen eine Unterbrechung der Schwangerschaft erforderlich macht.
Erkrankungen der Schilddrüse
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D. Schilddrüse (Glandula thyreoidea) i. Physiologie der Schilddrüse
2. Erkrankungen der Schilddrüse
1. Physiologie der Schilddrüse
Die Schilddrüse, bestehend aus zwei Lappen und einer verbindenden Brücke (Isthmus), liegt der Luftröhre und dem Kehlkopf seitlich auf. Die Vergrößerung der Drüse nennt man Kropf. Charakteristisch für die Schilddrüse ist ihr hoher Jodgehalt; er ist ein Hauptbestandteil ihrer spezifischen Eiweißkörper, des Tyrosins und des Dijodtyrosins. Die Unentbehrlichkeit der Schilddrüse beruht darauf, daß in ihr ein spezifischer, für den normalen Ablauf fast aller Lebensvorgänge notwendiger Stoff, das Thyroxin, gebildet wird. Die Schilddrüse fördert bei Jugendlichen das Wachstum, besonders das Längenwachstum. Sie beschleunigt die Entwicklung der Geschlechtsorgane und greift in entscheidender Weise in die Stoffwechselvorgänge ein. Thyroxin wirkt stoffwechselsteigernd. Bei Verminderung des Schilddrüsenhormons verdickt sich die Haut, sie neigt zu Entzündungen; die Haare fallen aus. Das Nervensystem bleibt nicht unbeeinflußt: bei Mangel zeigen sich Apathie und geistige Trägheit. Ein langanhaltender Jodmangel führt zum „Jodmangelkropf", wie er in manchen Gebirgsgegenden zu beobachten ist. Heute wird in den Gegenden, wo das Wasser jodarm ist, dem Trinkwasser oder dem Kochsalz Jod mit gutem Erfolg zugesetzt. 2. Erkrankungen der Schilddrüse a) Hypothyreose h) Myxödem
c) Basedomehe Krankheit d) Thyreotoxikose
a) H y p o t h y r e o s e Ursache: Es kann auf Grund anlagebedingter Mißbildung oder nach operativer Entfernung der Thyreoidea zur Verminderung der Schilddrüsenfunktion (Hypothyreose) kommen. Symptome: Wird ein Jugendlicher von diesem Mangel betroffen, so entwickelt sich das Bild des Kretinismus mit Zwergwuchs, mangelhaftem Stoffwechsel und Idiotie. Therapie: Durch Zufuhr von'Schilddrüsensubstanz — mittels Implantantion oder mit Thyroxin-Präparaten — lassen sich die Ausfallserscheinungen bessern. Bei der „Implantation" wird frisches, tierisches Schilddrüsengewebe unter die Haut oder in das Bauchfell eingenäht. Spätestens nach einem halben Jahr ist das Transplantat v o n dem Wirtsorganismus abgebaut und damit wirkungslos geworden.
b) M y x ö d e m Ursache: Als „Myxödem" bezeichnet man beim Erwachsenen eine mangelnde Schilddrüsenproduktion. Eine bestimmte, auslösende Ursache läßt sich nicht immer angeben. Manchmal geht eine Entzündung der Schilddrüse vorauf; manchmal ist das nach einer Kropfoperation verbliebene Drüsengewebe atrophiert. Symptome: Die auffallendste Veränderung zeigt die Haut, die in eigentümlicher Weise polsterartig aufgequollen ist; beim Fingereindruck bleiben jedoch keine Dellen bestehen, wie es sonst für Ödeme typisch ist. Daneben ist der Puls verlangsamt, die Haare werden strähnig und borstig, der Grundumsatz ist vermindert, und die geistigen Interessen schwinden bis znr Stumpfheit und Geistesschwäche.
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Drüsen mit innerer Sekretion (Hormone)
Therapie: Es ist für den Arzt eine dankbare Aufgabe, diese Patienten zu behandeln, weil er durch Zufuhr von Schilddrüsenhormon eine sofortige Besserung erzielen kann. Nur ist zu bedenken, daß diese krassen Fälle sehr selten sind und daß die meisten Patienten mit einer Insuffizienz nur dieses oder jenes Zeichen bieten. c) Basedow sehe K r a n k h e i t Ursache: Die Basedowsche Krankheit (Basedow, Arzt in Merseburg, 1799—1854) wird durch eine Überproduktion an Schilddrüsenhormon hervorgerufen. Als auslösende Ursachen lassen sich mitunter seelische und körperliche Erschütterungen, in anderen Fällen akute Infektionskrankheiten feststellen. Frauen erkranken sehr viel häufiger als Männer. Symptome: Der Merseburger Arzt Basedow hat sie schon in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts beschrieben und als Hauptsymptome den Kropf, das Hervortreten der Augen (= Exophthalmus) und die Pulsbeschleunigung (Tachykardie) aufgezeigt. Weitere Symptome: Erregbarkeit, Schlaflosigkeit, Steigerung des Grundumsatzes, Abmagerung, Herzbeschwerden durch Pulsbeschleunigung, Zittern, besonders der Hände (= Tremor), Neigung zu Durchfällen, Schweißausbrüche und Haarausfall. Geistig sind die Menschen zumeist sehr rege, werden in ihrer Erregbarkeit jedoch an einer produktiven Konzentration gehemmt. Der Vollbasedow kann durch „Krisen", die zur Bewußtlosigkeit führen können (= Coma basedowicum) kompliziert werden. Die Krise beginnt fast immer mit einer Aufregung oder einem Infekt, dann folgen Durchfälle, der Kranke ist appetitlos, die Pulsfrequenz steigt auf 120 bis 140 Schläge an, die Temperatur steigt auf 390 bis 40°, und bei zunehmender motorischer Unruhe wird der Patient, wenn nicht zeitig eingegriffen wird, bewußtlos. Therapie: Therapeutisch kann man den Versuch machen, die nervöse Erregbarkeit durch Beruhigungsmittel zu beeinflussen; das Eiweiß ist in der Ernährung wegen seiner bekannten stoffwechselsteigernden Wirkung auszuschalten. Milieuwechsel und Klimakuren haben sich bewährt. Bringen diese konservativen Maßnahmen keinen Erfolg, so wird eine operative Ausschaltung die beste Therapie sein. Heute kann man in vielen Fällen bei sicherem Nachweis einer gesteigerten Schilddrüsentätigkeit — wobei der Radiojodtest am zuverlässigsten ist —, mit radioaktivem Jod die Hormonproduktion einschränken. Allerdings ist die Radiojodbehandlung bei jugendlichen Patienten (unter 3 5 J) aus Strahlenschutzerwägungen streng kontraindiziert. d) T h y r e o t o x i k o s e Unter einer Thyreotoxikose versteht der Arzt eine Fehlleistung der Schilddrüse — eine Dysfunktion. Manchmal wird sie durch eine Überproduktion von Schilddrüsenhormon ausgelöst (= Hyperthyreose). Es sind dann die beim Vollbasedow geschilderten Symptome einzeln, zu mehreren oder auch nur angedeutet vorhanden. Die nervöse Übererregbarkeit ist wohl immer dabei; häufig kann der Arzt erst nach exakten klinischen Untersuchungen sagen, ob es sich um eine gesteigerte Erregbarkeit des vegetativen Nervensystems (= Vegetative Dystonie) oder um eine echte Schilddrüsenstörung handelt. E . Thymus
Der Thymus (= das Briesel), als plattes Organ hinter dem Brustbein gelegen, besteht vorwiegend aus lymphatischem Gewebe. Bis zum 15. Lebensjahr übt er einen Einfluß
Erkrankungen der Nebenniere
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auf das Wachstum, besonders des knöchernen Skelettsystems aus, wobei er wahrscheinlich auch die übrigen hormonbildenden Drüsen blockiert. Danach verfettet er. Kinder mit vergrößerter Thymusdrüse sterben nicht selten plötzlich aus voller Gesundheit — z. B. in Narkose — einen „ T h y m u s t o d " . F. Nebenniere 1. Physiologie der Nebenniere
2. Erkrankungen der Nebenniere
1. Physiologie der Nebenniere Die Nebennieren sitzen dem oberen Nierenpol kappenförmig auf; ihr Gewicht beträgt 11 bis 12 g. Sie enthalten zwei völlig differente Organsysteme: Mark und Rinde. Ihre große Bedeutung ist auch daran erkennbar, daß sie v o n drei Arterienpaaren versorgt werden: aus der Aorta, aus den Nieren- und aus den Zwerchfellarterien. Ihre Exstirpation würde in wenigen Tagen zum T o d e führen; dabei ist der Ausfall der Rinde entscheidend. Die Patienten sterben unter den Zeichen des Schocks; vorher schwinden Natrium und Chlor im Körper. Das Nebennierenmark produziert zwei Hormone: Adrenalin und Noradrenalin (Suprarenin = synthetisches Adrenalin). Das Noradrenalin übt in erster Linie einen Einfluß auf den Blutkreislauf aus: bei drohendem Kollaps verengt es die Gefäße der peripheren Strombahn — der Blutdruck steigt an — und erweitert gleichzeitig Herzkranz- und Lungengefäße. Adrenalin besitzt vorwiegend Stoffwechselfunktionen. Man nimmt an, daß es ein Gegenspiegler (Antagonist) des Insulins ist, weil man nach parentalen 1 ) Gaben v o n Adrenalin einen Anstieg des Blutzuckers beobachten kann. Schließlich ist bekannt, daß der Nebennierenmarkstoff auch eine Wirkung auf die Pigmentierung der Haut ausübt (s. unten).
Wichtiger als das Mark scheint die Rinde zu sein. Aus ihr wurden bisher etwa 30 Stoffe isoliert, die Hormoncharakter haben; erst sieben dieser Wirkstotffe konnten exakt definiert werden. Die Rindenstoffe gehören zu den Mineralocorticosteroiden und zu den Glucocorticosteroiden; während die erste Gruppe den Mineralstoffwechsel kontrolliert — sie halten Natrium zurück und scheiden Kalium aus — schaltet sich die zweite Gruppe in den Zuckerstoffwechsel ein. D i e Glucocorticosteroide hemmen die periphere Zuckerverwertung und vermögen Zucker aus Eiweiß neu zu bilden. A m bekanntesten aus der letztgenannten Gruppe sind Cortison, Hydrocortison und die daraus entwickelten, besser verträglichen Prednison ( = Dehydro-cortison) und Prednisolon (Dehydro-hydrocortison). Ihre Produktion wird von der Hypophyse durch das an anderer Stelle bereits erwähnte Adrenocorticotrope Hormon ( A C T H ) gesteuert und angeregt. Die Steroide lassen sich chemisch im Urin nachweisen. Der Eosinophilentest ist klinisch zu einer Belastungsprobe ausgebaut worden (Thorn-Test). Der hohe Gehalt an Vitamen C berechtigt zu dem Schluß, daß die Nebennierenrinde im Abwehrsystem des menschlichen Organismus v o n großer Bedeutung ist. Die Cortisonpräparate haben insbesondere in der Notfalltherapie, wenn es gilt, akut lebensbedrohliche Zustände abzuwenden, — neben der kausalen Therapie — eine große Bedeutung erlangt, z. B. beim schweren Schock und Kollaps, bei schweren allergischen Zuständen (anaphylaktischer Schock, Status asthmaticus), unter gewissen Voraussetzungen auch bei schweren, akuten infektiösen Erkrankungen, beim Coma diabeticum und beim Coma hepaticum. Der Arzt kennt die Erkrankungen, bei denen er keine Corticoide anwendenwird, z. B. bei Magenund Darmgeschwüren, bei extrem hohem Blutdruck und bei der Osteoporose. 2. Erkrankungen der Nebenniere a) Addisonsche Krankheit
a) Addisonsche.
Krankheit
b) Geschwülste
(Bronzekrankheit)
U r s a c h e : Sie beruht, wie 1855 von dem englischen Arzt Addison beschrieben, auf einer Hypofunktion der Nebenniere. Die Ursache ist meist eine Tuberkulose, seltener Lues, Geschwülste oder Gefäßerkrankungen. Die Krankheit ist nicht häufig und beginnt schleichend. l)
(parenteral = unter Umgehung des Magendarmkanals)
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Drüsen mit innerer Sekretion (Hormone)
Symptome: Ihr Hauptsymptom ist eine ständig zunehmende Muskelschwäche und Ermüdbarkeit. Hinzu kommen Nachlassen der Konzentrationsfähigkeit, Verdauungsstörungen und Absinken des Blutdrucks. Allmählich entwickelt sich eine typische braune Hautpigmentierung, wovon die unbedeckten Körperstellen besonders betroffen werden (Bronzekrankheit). Charakteristisch ist das Ausbleiben einer sonst normalen Glykosurie bei größerer Dextrosezufuhr (100 g). Therapie: Die Therapie ist bei der Bronzekrankheit eine rein symptomatische und substituierende (Substitution = Ersatz). Durch hohe Dosen von Cortison, Kochsalz und Askorbinsäure ( = Vitamin C) gelingt es manchmal, den Verlauf aufzuhalten und das Leiden vorübergehend zu bessern. b) G e s c h w ü l s t e der N e b e n n i e r e Die Geschwülste des Nebennierenmarks nennt man Phäochromozytome. Sie sind klinisch durch anfallsweise auftretende Blutdrucksteigerungen, sog. Blutdruckkrisen charakterisiert, die nach operativer Entfernung der Geschwulst ausbleiben. Bösartige Geschwülste der Niere (Gramt^scher Tumor) können auf die Nebenniere übergreifen. G. Keimdrüsen i. Physiologie der Keimdrüsen
2. Ausfallerscheinungen der Keimdrüsen
1. Physiologie der Keimdrüsen
Die Keimdrüsen, Hoden und Ovarien, produzieren nicht allein Samen und Eizellen, sie liefern darüber hinaus spezifische Geschlechtshormone, die in der Entwicklung des Menschen eine entscheidende Rolle spielen. Man hat die endokrine Komponente der Keimdrüsen auch als Pubertätsdrüse bezeichnet. Das Testosteron ist das wirksame männliche Inkret. Im Ovar (Eierstock) sind mehrere Hormone wirksam, u. a. das Follikelhormon ( = Brunsthormon) und das Corpus-luteum-Hormon ( = GelbkörperHormon). Das Follikelhormon steuert in der 1. Phase des weiblichen Zyklus den Aufbau der Gebärmutterschleimhaut ( = Proliferationsphase), damit sich das befruchtete Ei einnisten kann. Kommt es nicht zur Befruchtung, so wird die Gebärmutterschleimhaut unter Einwirkung des Gelbkörperhormons abgebaut und ausgestoßen ( = Sekretionsphase). Die Bildung der Ovarialhormone wird von der Hypophyse gesteuert (s. Prolan). Die Wirkung der Sexualhormone kommt weiterhin im Geschlechtstrieb und in der Entwicklung der „sekundären Geschlechtsmerkmale" (Körperform und -proportionen, Haar- und Bartwuchs, Stimme, Temperament, Form des Beckens und Kehlkopfes) zur Geltung. Aus dem Tierreich konnte man hierüber wichtige Erfahrungen sammeln. (Ochsen sind kastrierte Bullen, "Wallache kastrierte männliche Pferde.) Von einem gewissen Lebensalter ab (Klimax), beim Manne später als bei der Frau, stellen die Keimdrüsen ihre Funktion ein. Durch Röntgenstrahlen kann man die Zeugungsfähigkeit der Keimdrüsen ausschalten, die hormonelle Komponente bestehen lassen. In diesem Zusammenhang sei auch auf die Beziehungen zwischen Keimdrüsen und Krebswachstum hingewiesen. Bösartige Geschwülste, die von den Geschlechtsdrüsen (einschl. Brustdrüsen) ausgehen, werden durch „gegengeschlechtliche Hormongaben" gehemmt (z. B. Follikelhormon beim Prostatakarzinom). (Tafel VIII, Bild 2 a und b)
Physiologie der Keimdrüsen
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