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German Pages 232 [248] Year 1957
LEHRBUCH
FÜR
KRANKENPFLEGESCHULEN
BANDI
Lehrbuch für Krankenpflegeschulen Band I Physiologie — Pathologische Physiologie — Pharmakologie
V o n Dr. med. Ciaire Dietrich Fachärztin für Innere Medizin, früher Oberärztin an der Inneren Abteilung des Westend-Krankenhauses, Berlin Mit einem Geleitwort von Professor Dr. med. Dr. h. c. Hans Freiherr von Kress, Berlin 2., verbesserte und ergänzte Auflage
W A L T E R D E G R U Y T E R & CO. vormals G. J. Göschen'sche Verlagshandlung, J. Guttentag, Verlagsbuchhandlung Georg Reimer, Karl J. Trübner, Veit & Comp.
Berlin 1957
Mit 15 Abbildungen im Text und 21, meist farbigen Bildern auf 12 Tafeln
Copyright 1956, 1957 by Walter de Gruyter & Co., vormals G. J . Göschen'sche Verlagshandlung, J . Guttentag, Verlagsbuchhandlung, Georg Reimer, Karl J . Trübner, Veit & Comp., Berlin W 35. Alle Rechte, auch die des auszugsweisen Nachdrucks, der photomechanischen Wiedergabe, der Herstellung von Mikrofilmen und der Ubersetzung vorbehalten. — Archiv-Nr. j 1 77 5 7 — Printed in Germany Satz: Walter de Gruyter & Co., Berlin W 3 j . Druck: Franz Spiller, Berlin SO 36
Geleitwort Was Krankenpflegepersonen zweckmäßigerweise von Anatomie, Physiologie, Diagnostik und Therapie erfahren und behalten sollen, ist überaus schwer abzugrenzen. Nötig ist auf jeden Fall ein annäherndes Wissen vom normalen Bau und von den normalen Funktionen des menschlichen Organismus, ebenso nötig sind manche Kenntnisse von den Bedingungen, unter denen es zu krankhaften Veränderungen der Organe und ihrer Leistungen kommt und ebenso nötig ist schließlich ein gewisses Verständnis für die angewandte Therapie. Eine in die Tiefe gehende Ausbildung auf diesen immensen Gebieten ist weder möglich noch zumutbar, auch für die von den Pflegepersonen zu erfüllenden Aufgaben nicht nötig, ja aus verschiedenen Gründen nicht einmal erwünscht. So kann die medizinische Ausbildung keinesfalls über eine propädeutische Schulung hinausgehen. Die Dinge müssen deshalb in einem Krankenpflegelehrbuch da und dort einfacher dargestellt werden, als sie in Wirklichkeit sind, selbst wenn die Kritik der Ärzte hieran vielfach Anstoß nimmt. Die Darstellung des pflegerischen Sektors, der Hauptdomäne derjenigen, für die ein Krankenpflegelehrbuch geschrieben wird, kommt gewöhnlich dann, wenn es sich um ein kurz gefaßtes und im Preis niedrig gehaltenes Lehrbuch handeln soll, etwas zu kurz, und dieser Umstand ist oft auch an früheren Krankenpflegelehrbüchern bemängelt worden. Gewiß ist manches Pflegerische in der Theorie lehrbar, und ein Großteil der pflegerischen Technik kommt ja auch in diesem Buch zur Sprache, aber viel, vielleicht sogar das Wichtigste in der Krankenpflege, kann nur durch konsequente praktische Übung erlernt werden und ist vor allem an Vorbildern zu orientieren, wie sie bewährte ältere und erfahrene Pflegepersonen darstellen. Das weite Feld der richtigen und alles berücksichtigenden Pflege muß durch Lehr- und Stationsschwestern in der täglichen Arbeit den Schwesternschülerinnen übermittelt werden. Frau Dr. Dietrich hat sich — wie ich glaube — mit Recht darauf beschränkt, in diesem Buch denjenigen Bestandteil der Krankenpflege bevorzugt zu behandeln, der die Mithilfe des Krankenpflegepersonals bei der Erfüllung medizinischer Aufgaben betrifft. Ihr Lehrbuch hat, wie sie ausführt, in erster Linie denjenigen zu dienen, die sich während der Lehrzeit einen im Staatsexamen geforderten Wissensstoff nicht geringen Umfangs einzuprägen haben und instand gesetzt werden müssen, während der Vorbereitungszeit und später im Beruf die einzelnen, oft schwer zu behaltenden Fakten immer wieder rekapitulieren zu können. In jahrelang mit besonderem Erfolg erteiltem Unterricht in der Schwesternschule des Krankenhauses Berlin-Westend hat Frau Dr. Dietrich große Erfahrungen gesammelt, und sie hat sich im Zusammenhang mit ihrer Lehrtätigkeit viel Gedanken über die zu beschreitenden Ausbildungswege gemacht. Ich wünsche diesem Buch, daß es gerade auf Grund der wohlabgewogenen Beschränkungen den Zielen dient, die Frau Dr. Dietrich bei seiner Abfassung vor Augen standen, nämlich einen Krankenpflegenachwuchs heranbilden zu helfen, der den verantwortungsvollen Beruf, soweit er medizinisches Wissen erfordert, mit dem entsprechenden Verständnis ausübt und auch dadurch in ihm Befriedigung findet. Daß die Krankenpflege noch viel mehr an Kenntnissen und vor allem an Können nötig hat, als im Lehrbuch steht und stehen kann, ist meiner ehemaligen Mitarbeiterin natürlich völlig klar. Berlin, im April 1956
Hans Freiherr von Kress
Vorwort zur i. Auflage Das Lehrbuch soll allen, die dem Arzt bei der Erfüllung seiner Aufgabe zur Seite stehen, Lehrer, Helfer und Begleiter sein. Die theoretisch und praktisch gut ausgebildete Schwester ist in der Krankenpflege unentbehrlich. Arzt und Schwester, vom gleichen Pflichtbewußtsein erfüllt, haben nur ein gemeinsames Ziel: dem kranken Menschen zu helfen. Der behandelte Stoff des Lehrbuches ist systematisch aufgegliedert, so daß es vor allem der Krankenschwesternschülerin leicht gemacht ist, das große Gebiet der Krankheiten zu überblicken. Die einzelnen Stoffgebiete sind nur soweit behandelt, als sie für den Arbeitsbereich der Krankenschwester von Bedeutung sind. Das Lehrbuch soll der Schülerin während ihrer Lehrzeit zur Vorbereitung auf das Staatsexamen nützlich sein. Darüber hinaus will das Buch der in der Praxis schon bewährten Schwester ein Ratgeber und gleichzeitig ein Nachschlagebuch zur Erleichterung der täglichen Arbeit sein. Für die wertvollen Ratschläge bei der Bearbeitung des Manuskriptes bin ich Frau Oberin Bertha Kaboth und Herrn Dr. med. Karl Tauschwitz, beide am Städt. WenckebachKrankenhaus, Berlin-Tempelhof, zu besonderem Dank verpflichtet. Bonn, Frühjahr 1956
Ciaire Dietrich geb. Kehren
Vorwort zur 2. Auflage Das große Interesse an der ersten Auflage und viele Vorschläge aus der Praxis der Krankenpflegeschulen ermöglichten es, die vorliegende zweite Auflage zu ergänzen, zu verbessern und mit einer größeren Anzahl, zum Teil farbiger Bilder auszustatten. Zwei Hinweise erscheinen mir wichtig: i. Der Inhalt eines Lehrbuches muß umfassender als das vom Lernenden geforderte Wissen sein. Jeder Lehrer wird die Schwerpunkte nach seinen Erfahrungen verteilen. Überlegungen, das Buch sei zu anspruchsvoll, bitte ich auch von diesem Gesichtspunkt aus zu betrachten. 2. Die praktische Krankenpflege wurde bewußt nicht berücksichtigt. Die Gebiete: Anatomie — Histologie — Allgemeine Chirurgie — Spezielle Chirurgie — werden in einem zweiten Band, der im Herbst erscheinen wird, behandelt. Es ist beabsichtigt, in einem dritten Band ausgewählte Spezialkapitel (Neurologie, Gynäkologie, Geburtshilfe, Orthopädie, Augen- und Hals-Nasen-Ohrenheilkunde) zu bringen. Bonn, im April 1957
Ciaire Dietrich, geb. Kehren
Inhaltsübersicht Einführung i Atmmgsorgane 6 A. Nasen-Kehlkopfraum 6 i. Physiologie des Nasen-Kehlkopfraumes 6 z. Krankheiten im Nasen- und Kehlkopfraum 7 a) Adenoide Vegetation 7 b) Schnupfen 7 c) Heuschnupfen 7 d) Chronischer Schnupfen 8 e) Nasenbluten 8 f ) Kehlkopfkatarrh 8 g) Kehlkopftuberkulose 9 h) Kehlkopfgeschwülste 9 B. Physiologie der Atmung 9 C. Erkrankungen der Atmungsorgane 12 1. Erkrankungen der Luftröhre 12 a) Die akute Entzündung 12 b) Chronische Entzündung 12 c) Hämorrhagische Tracheitis 12 d) Geschwülste 12 2. Erkrankungen der Bronchien 13 a) Akute Bronchitis 13 b) Chronische Bronchitis 13 c) Bronchopneumonie 14 d) Bronchiektasien 14 e) Bronchiolitis 15 f ) Das Asthma bronchiale 16 g) Lungenemphysem 16 3. Erkrankungen des Lungengewebes 17 a) Lobäre Pneumonie 17 b) Lungenabszeß 18 c) Die Lungengangrän 19 d) Lungentuberkulose 19 e) Staublunge 19 f ) Lungenlues 19 g) Aktinomykose 19 h) Hodgkinsche Erkrankung 20 4. Lungengeschwülste 20 a) Lungenkrebs 20 b) Lungenechinokokkus 20 5. Erkrankungen des Rippenfells und des Mittelfellraumes 21 a) Pleuritis sicca 21
b) Pleuritis exsudativa 21 c) Pleuraempyem 22 d) Pneumothorax 22 e) Erkrankungen des Mittelfellraumes 22 Herz —Blutkreislauf — Gefäße 24 A. Physiologie des Herzens und des Kreislaufes 24 1. Physiologie des Herzens 24 a) Tätigkeit des Herzens 24 b) Die Herzbewegung 24 c) Das Elektrokardiogramm 25 2. Physiologie des Kreislaufes 26 a) Blutdruck 26 b) Gefäßnerven 27 c) Puls 27 B. Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufes 28 1. Erkrankungen des Herzens 28 a) Klappenfehler 28 b) Entzündungen der Herzwand 30 c) Reizleitungs- und Reizbildungsstörungen 32 d) Erkrankungen der Herzkranzgefäße 33 2. Erkrankungen des Kreislaufes und der Gefäße 34 a) Hypertonie 34 b) Hypotonie 34 c) Embolie 35 d) Thrombose 35 3. Der „akute Herzanfall" 35 Magen-Darmkanal 36 A. Physiologie des Stoffwechsels und der Verdauung 36 1. Ernährung 36 a) Kohlenhydrate 36 b) Eiweiße 37 c) Fette 38 d) Kalorienlehre 38 e) Zusätzliche Nahrungsmittel 41 f ) Vitamine 42 2. Physiologie der Verdauung 44 a) Speichel 45 b) Magensaft 45 c) Pankreassaft 47 d) Galle 48 e) Darmsaft 49
Inhaltsübersicht
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c) Die Bromsulphalein-Belastungsprobe 83 d) Die Methylenblau-Probe 83 e) Die Takata-Ara-Reaktion und die Elektrophorese 84
3. Der intermediäre Stoffwechsel 49 a) Resorption der Kohlenhydrate 49 b) Resorption der Fette 50 c) Resorption der Eiweiße 51 4. Erkrankungen des Stoffwechsels 51 a) Zuckerkrankheit 51 b) Gicht 56 5. Nahrung 57 a) Zubereitung 57 b) Wichtige Nahrungsmittel 5 8 c) Einzelne Kostformen 61 B. Erkrankungen des Magen-Darmkanals 66 1. Erkrankungen der Speiseröhre 66 a) Entzündung der Speiseröhre 66 b) Verengungen der Speiseröhre 67 c) Erweiterungen der Speiseröhre 67
Die Bauchspeicheldrüse 85 A. Physiologie der Bauchspeicheldrüse 85 B. Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse 85 1. 2. 3. 4. 5. 6.
Untersuchungsmethoden 85 Akute Pankreatitis 86 Akute Pankreasnekrose 86 Chronisch indurierende Pankreatitis 86 Pankreaskarzinom 87 Pankreassteine 87
Nieren und ableitende Harnorgane 88 A. Physiologie der Niere 88
2. Erkrankungen des Magens 68 a) Gastritis 68 b) Magengeschwür 69 c) Magenkrebs 72 d) Zwölf fingerdarmgeschwür 73
B. Nierenfunktionsproben 89
3. Wurmfortsatzentzündung 73
C. Erkrankungen der Niere 90
4. Darmerkrankungen 73 a) Darmkatarrh 73 b) Darmkrebs 74 c) Ileus 75 d) Hämorrhoiden 75 e) Obstipation 75 Leber 76 A. Physiologie der Leber 76 B. Erkrankungen des Leberzellgewebes und der Gallengänge 77 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Leberzellenentzündung 77 Die akute gelbe Leberatrophie 78 Leberzirrhose 78 Leberabszeß 79 Leberkarzinom 80 Gallenblasenleiden 80 Gallenblasenkarzinom 82
8. Nachweis von Gallenfarbstoffen in Urin und Blut 82 a) Nachweis von Urobilinogen nach Ehrlich 82 b) Nachweis von Bilirubin 82 c) Nachweis von Urobilin nach Schlesinger 82 d) Der quantitative Bilirubingehalt 83 9. Leberfunktionsproben 83 a) Galaktosebelastungsprobe 83 b) Lävulose Belastungsprobe 8 3
1. Verdünnungsversuch 89 2. Konzentrationsversuch 90 3. Eiweißprobe 90
1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8. 9.
Nephritis 90 Nephrose 92 Niereninfarkt 92 Nierenbeckenentzündung 92 Nierengeschwülste 93 Zystenniere 93 Sackniere 93 Harnsteine 94 Renaler Diabetes 94
D. Krankheiten der Harnblase 94 1. Physiologie der Blase 94 2. Untersuchungsmethoden der Blase und instrumenteile Nierenfunktionsprüfung 95 3. Blasenkatarrh 95 a) Akuter Katarrh 95 b) Chronischer Katarrh 96 4. Nervöse Blasenstörungen 96 a) Die Reizblase 96 b) Bettnässen 96 5. Geschwülste der Blase 96 Geschlechtsorgane 97 A. Physiologie der Geschlechtsorgane 97 B. Erkrankungen der Geschlechtsorgane 97 1. Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane 97 2. Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane 97
Inhaltsübersicht a) Erkrankungen der Vorsteherdrüse 97 b) Erkrankungen des Hodens und Nebenhodens 98 Blut 100 A. Physiologie des Blutes 100 1. 2. 3. 4.
Aufgaben des Blutes 100 Zusammensetzung des Blutes 100 Der periphere Blutstrom 101 Bestandteile des Blutes 101 a) Blutkörperchen 101 b) Blutplasma 103
B. Erkrankungen des Blutes 104 1. Erkrankungen der rotes Blut bildenden Organe 104 a) Blutungsanämie 104 b) Chronische Eisenmangelanämie 105 c) Symptomatische Anämien 105 d) Perniziöse Anämie 105 e) Erythroblastose 105 f ) Aplastische Anämie 106 g) Polyzythämie 106 h) Hämolytischer Ikterus 106 2. Erkrankungen des weißen Blutbildes 107 a) Leukämie 107 b) Die Agranulozytose 108 3. Bluttransfusion 108 a) Blutgruppen 108 b) Gefahren der Bluttransfusion 109 c) Blutkonserve 109 Mi/z ""d Lymphe 1 1 0 A. Physiologie der Milz 1 1 0 B. Erkrankungen der Milz 1 1 0 C. Lymphgefäßsystem 1 1 1 Drüsen mit innerer Sekretion 112 A. Hypophyse 1 1 2 1. Physiologie der Hypophyse 1 1 2 2. Erkrankungen der Hypophyse 1 1 3 a) Akromegalie 1 1 3 b) Dystrophia adiposogenitalis 1 1 4 e) Cushingsche Krankheit 1 1 4 d) Hypophysäre Kachexie 1 1 4 e) Diabetes insipidus 1 1 5 B. Zirbeldrüse 1 1 5 1. Physiologie der Zirbeldrüse 1 1 5 2. Erkrankung der Zirbeldrüse 1 1 5 a) Pubertas praecox 1 1 5 C. Epithelkörperchen 1 1 5 1. Physiologie der Epithelkörperchen 1 1 5 2. Erkrankungen der Epithelkörperchen 1 1 6
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D. Schilddrüse 1 1 7 1. Physiologie der Schilddrüse 1 1 7 2. Erkrankungen der Schilddrüse 1 1 7 a) Hypothyreose 1 1 7 b) Myxödem 1 1 7 c) Basedowsche Krankheit 118 d) Thyreotoxikose 118 E. Thymus 118 F. Nebenniere 1 1 9 1. Physiologie der Nebenniere 1 1 9 2. Erkrankungen der Nebenniere 1 1 9 a) Addinsonsche Krankheit 1 1 9 b) Geschwülste der Nebenniere 120 G. Keimdrüsen 120 1. Physiologie der Keimdrüsen 120 2. Ausfallerscheinungen der Keimdrüsen 122 a) Ausfall männlicher Keimdrüsen 122 b) Ausfall weiblicher Keimdrüsen 122 H. Bauchspeicheldrüse 122 Infektionskrankheiten 123 A. Allgemeiner Teil 123 1. Geschichte der Infektionskrankheiten 123 2. Zum Begriff der Infektion 123 3. Erreger der Infektionskrankheiten 124 a) Die Bakterien 125 b) Die Protozoen 125 c) Die Metazoen 125 d) Die Spirochäten 125 e) Die Viren 125 f ) Rickettsien 126 4. Übertragungsmöglichkeiten der Infektionskrankheiten 126 5. Klinisches Bild der Infektionskrankheiten 126 6. Bekämpfung der Infektionskrankheiten 128 a) Körpereigene Abwehrkräfte 128 b) Körperfremde Abwehrkräfte 129 c) Hygiene 132 7. Vernichtung vorhandener Keime 134 a) Desinfektion 134 b) Praktische Durchführung der Desinfektion 137 B. Spezieller Teil 140 1. Akute bakterielle Infektionen 140 a) Angina catarrhalis 140 b) Angina diphtherica 142 c) Serumkrankheit 145 d) Serumschock 146
Inhaltsübersicht
XII e) f) g) h) i) j) k) 1) m) n) 0) p) q) r) s)
Keuchhusten 147 Bauchtyphus 147 Paratyphus 149 Cholera 149 Nahrungsmittelvergiftung 150 Botulismus 150 Bazillenruhr 151 Bangsche Krankheit 151 Die wichtigsten Formen der bakteriellen Hirnhautentzündungen 151 Lepra — Aussatz 153 Pest 154 Rotz 154 Milzbrand 154 Der Wundstarrkrampf — Tetanus 15 4 Tularämie 155
2. Chronische bakterielle Infektionen 156 a) Tuberkulose 156 3. Viruskrankheiten 164 a) Masern 164 b) Scharlach 165 c) Windpocken 168 d) Pocken — Pockenschutzimpfung 168 e) Röteln 169 f ) Parotis epidemica 170 g) Poliomyelitis 170 h) Grippe 173 1) Die infektiöse Entzündung des Gehirns 174 j) Trachom 175 k) Tollwut 175 1) Papageienkrankheit 175 m) Herpeserkrankungen 176 n) Bornholmer Krankheit 176 4. Spirochätenerkrankungen 177 a) Leptospirosen 177 b) Rückfallfieber 178 c) Syphilis 178 5. Rickettsienerkrankung 178 6. Krankheiten durch tierische Erreger 179 a) Protozoen-Erkrankungen 179 b) Metazoen-Erkrankungen 182
7. Geschlechtskrankheiten 187 a) Gonorrhoe 187 b) Syphilis 188 c) Weicher Schanker 189 8. Rheumatische Erkrankungen 189 a) Akuter Gelenkrheumatismus 189 b) Chronischer Gelenkrheumatismus 190 c) Bechterewsche Krankheit 190 d) Arthrosis deformans 190 Meldepflichtige Erkrankungen und fälle 191
Sterbe-
Arzneimittellehre — Pharmakologie 194 A. Vorbemerkungen 194 B. Verschiedene Formen der Arzneimittel und ihre Anwendung 196 1. Innerlich angewandte Arzneimittel 196 a) Innerlich angewandte Arzneimittel in flüssiger Form 196 b) Innerlich angewandte Arzneimittel in fester Form 197 2. Äußerlich angewandte Arzneimittel 199 3. Injektion 200 C. Aus der Pharmakologie 202 1. Schlafmittel 202 2. Alkaloide 203 3. Die Herzglykoside 207 a) Digitalisglykoside 207 b) Strophanthine 208 c) Digitaloide 208 4. Synthetische Antipyretika 208 5. Ätherische ö l e 209 6. Analeptika 209 7. Abführmittel 210 a) Mechanische, salinische Abführmittel 210 b) Vegetabilische Abführmittel 210 Register 2 1 1
Einführung Wesen und Ursachen der Krankheiten Um auf dem Gebiet der Krankenpflege etwas zu leisten, muß man mehr verstehen und beherrschen als nur die handwerklichen Griffe. Wer Kranke pflegen will, muß vieles über das Wesen und die Ursachen der Krankheiten wissen; nur dann kann er das nötige Verständnis für die Bedürfnisse der ihm anvertrauten Patienten aufbringen. Was ist nun unter dem Begriff K r a n k h e i t zu verstehen? Wir wissen: ein gesunder Mensch fühlt sich wohl und 4st beschwerdefrei, und die zahlreichen, meist komplizierten Funktionen seiner Organe kommen ihm nicht zum Bewußtsein. Morgens steht er nach 8- bis jostündiger Nachtruhe auf und beginnt frisch und voller Energie einen neuen Tag. Es ist natürlich, daß er am Abend müde ist, aber nach einem erholsamen Schlaf geht er anderen Tags wieder gestärkt an seine Arbeit. Der gesunde Organismus vermag sich auch gesteigerten körperlichen und geistigen Anforderungen in den verschiedenen Lebenslagen anzupassen. Unregelmäßigkeiten in der Ernährung und klimatische Unterschiede können ihm weder das körperliche noch das seelische Gleichgewicht nehmen. Beim Kranken dagegen ist es anders. Er leidet unter den krankhaften Vorgängen seines Organismus. Er fühlt sich elend, kraftlos und unfähig zu arbeiten. Oft klagt er über Schmerzen, die er manchmal nicht zu lokalisieren oder näher zu beschreiben vermag. Die Anpassungsfähigkeit seines Körpers, gesteigerte geistige oder körperliche Anforderungen zu erfüllen, ist gemindert. Das Gleichgewicht im Organismus ist gestört. Was hat sich nun aber im Körper des bis dahin gesunden Menschen geändert, daß er uns krank erscheint ? — Die Ursachen sind mannigfacher Art. Der Pathologe Virchow (1821—1902 in Berlin) erkannte in der Z e l l e die Trägerin des Lebens und der Krankheiten. E r schrieb ihr drei Aufgaben zu: 1. Eine spezifische Leistung. (Wir wissen z. B., daß jede DrüsenZelle ein bestimmtes Sekret bildet, eine Leistung, zu der sie nur durch das lebende Protoplasma befähigt ist.) 2. Stoffwechsel und Ernährung und 3. Vermehrung.
Bei der Vermehrung spielt der Zellkern eine wichtige Rolle. Nach äußeren Reizen beginnt die Zelle zu arbeiten. Ein bekanntes und allgemeingültiges Gesetz in der Krankheitslehre besagt, daß der Reiz, der in schwacher Form die Zelle zur Tätigkeit anregt, in stärkerer Form ihren Tod verursachen kann. Krankheiten können von außen an den Körper herangetragen werden. Hierher gehören alle Infektionskrankheiten, deren Krankheitskeime, pflanzlicher und tierischer Art, durch Anhusten, durch Berührung infizierter Gegenstände oder durch den Genuß Dietrich Bd.I
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Einführung
verunreinigter Nahrungsmittel von außen her in den Körper hineingebracht werden. In geringer Konzentration regen sie den Körper zur Bildung von Abwehrstoffen an („Impfung"); in stärkerer Konzentration machen sie den Organismus krank. Sodann gehören in das Gebiet der äußeren Krankheitsursachen auch mechanische Reize, die zu Wunden und Verletzungen führen und deren Versorgung im allgemeinen zum Gebiet der Chirurgie gehört. Vergiftungen mit chemischen Mitteln •— z. B. Schlafmittel, Blausäure, Salzsäure — können, in starker Konzentration eingenommen, zu Krankheitszuständen führen. Auch physikalische Energien wie Blitzschlag, thermische Einflüsse (Überhitzung, Kälte) und intensive Sonnenbestrahlung, besonders bei Schneedecke, können zu Störungen des menschlichen Organismus führen. Demgegenüber stehen die Krankheiten, die sich „von innen heraus entwickeln". Wir sprechen von „anlagebedingten" Krankheiten, die ihren „schicksalhaften Verlauf" nehmen. Die Konstitution eines Menschen spielt dabei eine entscheidende Rolle. Die Konstitution stellt die Summe aller erbbedingten Anlagen dar; sie ist bis zu einem gewissen Grade durch die Umwelt zu beeinflussen (Disposition). Es ist bekannt, daß ein Patient, der einmal an einem schweren Rheumatisihus erkrankt ist, leicht wieder davon befallen wird; er ist für diese Krankheit empfänglich geworden. Wie wir später noch hören werden, liegt es in der Art einiger Berufe (z. B. Bergbau), daß die Menschen eher Lungenveränderungen aufweisen als andere Menschen mit der gleichen Konstitution, die nicht in diesen Berufen arbeiten (= Exposition). Auch hormonale Störungen — Unter- oder Überfunktionen — führen zu Krankheiten, die sich „von innen heraus" entwickeln. Fehlleistungen (= Dysfunktionen) vereinzelter Drüsen, die sich nicht ohne weiteres als Uber- oder Unterfunktion erklären lassen, sind für einzelne Stoffwechselstörungen verantwortlich. Diese Gruppe der Stoffwechseldysregulationen, wie die Zuckerharnruhr, die Gicht oder Steinleiden, beruhen in der überwiegenden Zahl der Fälle auf einer ererbten Anlage. Sie müssen nicht in jeder Generation in Erscheinung treten, sind aber in der Konstitution versteckt vorhanden. Man spricht in diesen Fällen von einem „verdeckten" ( = latenten) Erbgang. Zu diesen Krankheiten rechnen die Epilepsie (Fallsucht), die Hämophilie (Bluterkrankheit), einzelne Nerven- und Geisteskrankheiten; sie treten innerhalb einer Familie in mehreren Generationen auf. Streng zu trennen von den ererbten Krankheiten, deren Anlage im Keimplasma verankert sein muß, sind die angeborenen Krankheiten. Bei ihnen wird der kindliche Organismus im Mutterleib infiziert — ein typisches Beispiel hierfür ist die „angeborene Syphilis". Eine ererbte Syphilis gibt es nicht. Zu den anlagebedingten Erkrankungen müssen wir auch die gut- und bösartigen Geschwülste rechnen. Wir bezeichnen eine Geschwulst (= Tumor) als gutartig, wenn sie keine Stoffwechselstörungen, keine Allgemeinschäden und kein zerstörendes Wachstum entfaltet (Fettgeschwulst, Muskelgeschwulst). Die gutartigen Tumoren lassen sich zumeist komplikationslos operativ entfernen. Die bösartigen Geschwülste hingegen sind durch ihr zerstörendes Wachstum charakterisiert. Durch Verschleppung kleinster Teile dieser bösartigen Gewebe auf dem Blutund Lymphwege in andere Organe entstehen Tochtergeschwülste (= Metastasen). Sie zerstören den Organismus gemeinsam mit der zuerst entstandenen Geschwulst. Der
Einführung
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Mensch zehrt ab und entkräftet, er wird kachektisch und geht an dieser Auszehrung zugrunde. Die bösartigen Geschwülste, die von den Deckzellen (Epithel) der Haut, der Schleimhäute und der Drüsen ausgehen, bezeichnen wir als Karzinome — und die, welche vom Stütz- und Bindegewebe aus ihren Ursprung nehmen, als Sarkome. Schon seit Hippokrates (griechischer Arzt, 460—-3 77 v. Chr.) beschäftigt sich die Wissenschaft mit der Frage der Entstehung bösartiger Geschwülste. Bis heute ist das Problem noch nicht gelöst, weshalb plötzlich im menschlichen Organismus Zellen in abnormer Weise zu wuchern beginnen, um so den Körper zu zerstören. Einen Erbfaktor und einen Infektionserreger können wir mit Wahrscheinlichkeit ausschließen. So viel gilt als sicher: Das Krebsproblem ist ein Zellproblem. Praktisch kann sich überall im Körper, wo wir Epithelzellen haben, ein Krebs entwickeln. Chronische Reize und chemische Substanzen können dabei eine entscheidende Rolle spielen. Als klassisches Schulbeispiel wird der Lippenkrebs der Pfeifenraucher angeführt. Die Tatsache, daß heute doppelt so viele Menschen an Krebs sterben als um die Jahrhundertwende, ist nicht zu leugnen. Zwar leben die Menschen heute länger, und damit ist auch die Möglichkeit, im späteren Alter an Krebs zu erkranken, größer. Die heutigen Untersuchungsmethoden sind besser als früher — aber alle diese Gründe erklären nicht die Zunahme der bösartigen Geschwülste. Im Anfangsstadium sind die meisten bösartigen Tumoren operabel; der Chirurg kann die Erstgeschwulst entfernen, oder der Röntgenologe bestrahlt sie, ehe sie ihr verhängnisvolles Wachstum entfalten kann. Die Schwester kann beobachtend und oftmals aufklärend die Bedeutung des Krebsproblems bei den Patienten wecken und sie veranlassen, zeitig den Arzt aufzusuchen. Zu den natürlichen Abnutzungserkrankungen des menschlichen Körpers gehört die Verkalkung der Arterien. Die Verengung der Gefäße hat eine mangelnde Durchblutung zur Folge; an den Beinen klagen die Patienten über ein anhaltendes Kältegefühl, „als ob sie abgestorben wären". Ein Fortbestehen dieser mangelnden Blut- und damit Sauerstoffzufuhr kann zum Gewebstod führen. Auch am Gehirn und am Herzen macht sich ein Sauerstoffmangel zeitig bemerkbar: die Koronarsklerose führt zum klinischen Bild der Angina pectoris (= Brustenge). Eine Verkalkung der Hirngefäße führt häufig zum Schlaganfall (= Apoplexie). Die Apoplexie, bei der der Kranke plötzlich wie von unsichtbarer Hand niedergeschlagen wird, beruht auf einem Riß eines verkalkten Blutgefäßes und der daraus erfolgenden Blutung in das Hirngewebe hinein. Die natürlichen Abnutzungserscheinungen gehen im allgemeinen mit einem Elastizitätsschwund einher. So schwinden bei zunehmendem Alter auch die Knorpelscheiben in den Gelenken: die Wirbelsäule verliert ihre Biegefähigkeit, und an den Gelenken — an den statisch am meisten belasteten häufig zuerst — kommt es zu knöchernen Umbildungen und Wucherungen, zur Arthrosis. Der Elastizitätsschwund der Augenlinse zeigt sich daran, daß das Lesen in der Nähe immer schwieriger wird —• die Patienten benötigen eine Lesebrille. Durch äußere Einflüsse können wir dem Entstehen von Krankheiten Vorschub leisten oder es weitgehend verhindern. Jeder denkende Mensch weiß, daß eine zweckmäßige und vernünftige Lebensweise und Ernährung Körper und Geist leistungsfähiger hält. Übermäßiger Genuß von Nikotin, Alkohol und Rauschgiften fügt dem Körper auf die Dauer irreparable Schäden zu. Übermäßiges oder unregelmäßiges Essen können genau so schaden wie das Hungern oder eine vitaminarme Kost. Unterernährung und feuchte
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Einführung
Kellerwohnungen sind die Schrittmacher zahlreicher Krankheiten. Der Körper braucht frische Luft und Bewegung ebenso wie eine zweckmäßige Bekleidung. Die Typeneinteilung nach Kretschmer (Psychiater und Psychologe in Marburg, geb. 1888). Es sind vielfach Versuche unternommen worden, aus der Konstitution eines Menschen seine Neigung zu irgendwelchen Krankheiten zu erkennen. Kretschmer stellte nach dem Erscheinungsbild verschiedene Typen heraus. Unter dem leptosomen Typ versteht er den schmalen, hochgeschossenen und schwächlichen Menschen. Muskulatur und Fettpolster sind wenig ausgebildet. Der Brustkorb ist schmal und abgeplattet; die obere Brustöffnung ist klein, wodurch die Lungenspitzen schlecht durchlüftet werden. Diese Menschen erkranken eher an einer Lungentuberkulose als andere. Die inneren Organe sind, im Verhältnis zur Länge des Körpers, klein angelegt; die Eingeweide sind, da das Stütz- und Bindegewebe sich nicht kräftig entwickelt, häufig gesenkt. Magengeschwüre und Krampfadern beobachten wir in dieser Gruppe häufig. Der Athlet hingegen ist breit und kräftig gebaut. Sein Körperbau läßt ihn hervorragende sportliche Leistungen vollbringen. Sein Gesundheitszustand ist gut. Der Pjkniker ist von gedrungener Gestalt und oft als „dick" anzusprechen. Häufig beobachten wir bei einem massiven Körperbau grazile Extremitäten. Diese Menschen sind in ihrer Stimmungslage überwiegend vergnügt. Ihre Neigung zu Stoffwechselkrankheiten ist ausgesprochen groß (Fettsucht, Zuckerharnruhr, frühzeitige Gefäßverkalkungen, Steinbildungen). Kretschmer ging in seiner Typeneinteilung so weit, daß er behauptete, auch zwischen dem äußeren Erscheinungsbild und der Psyche bestünden enge Beziehungen. Während die Pykniker häufig manisch-depressiv seien, neigten die Leptosomen eher zur Schizophrenie (Seelenspaltung). Die Abwehrkräfte des Körpers. Wird der Körper von einer Krankheit befallen, so versucht er, sofern er kräftig genug ist, selbst damit fertig zu werden, um den gesunden Zustand wieder herzustellen. Er versucht, den erkrankten Körperteil ruhig zu stellen und zu schonen. Die Schmerzfasern des Nervensystems sind als Warnzeichen eingeschaltet und dulden keine überflüssigen Bewegungen. Giftstoffe versucht der Körper auf dem kürzesten Wege zu entfernen. Dringt nun beispielsweise ein Krankheitserreger in den Körper ein, so mobilisiert er ein ganzes System von Abwehrkräften, um den „Feind" zu vernichten. Eine wichtige Rolle spielt bei der Beherrschung von Infektionskeimen das Abwehrsystem des Körpers (das Retikulo-endotheliale System = RES). Das neugeborene Kind, dessen Organe erst nach der Geburt selbständig zu arbeiten beginnen, wird durch Abwehrstoffe aus dem mütterlichen Organismus geschützt, die es durch den Mutterkuchen und später durch die Muttermilch erhält. So sind Kinder im ersten Lebensjahr gegen Masern durch mütterliche Immunkörper gefeit. Später sind sie selbst in der Lage, Abwehrkörper zu bilden. Wir bezeichnen dieses Verhalten als aktive, selbsterworbene Immunität. Über die passive Immunisierung wird später noch ausführlich gesprochen. Mit Hilfe der Haut, der Lymphknoten und des abwehrkörperbildenden Systems schützt sich der Körper vor Krankheiten. Der Arzt wird diesen natürlichen Schutzvorrichtungen genügend Zeit lassen, ihre Tätigkeit zu entfalten und nur dort mit Medikamenten helfend eingreifen, wo die Natur es nicht allein schafft, die Krankheitsursache zu beseitigen; im übrigen
Einführung
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aber soll er bestrebt sein, den natürlichen Heilungsverlauf zu unterstützen. Nicht jedes Fieber muß künstlich heruntergedrückt werden; es ist dem Arzt in vielen Fällen ein Zeichen der guten Abwehrfähigkeit des Körpers. Ein völlig erschöpfter Organismus ist manchmal nicht mehr in der Lage, eine Fieberreaktion aufzubringen. In Fällen chronischer Krankheitszustände wird .darum das Fieber gelegentlich künstlich erzeugt, um die Abwehrkräfte zu mobilisieren. Die Krankheitszeichen — Symptome — helfen dem Arzt, die Ursache zu erkennen. Wir müssen in ihnen die sichtbaren Zeichen der Abwehr- und Ausgleichsvorgänge sehen, die einen Heilungsprozeß einleiten. Nicht der Helfer ist der beste, der beim geringsten Anlaß sofort ein Mittel gibt, sondern der, der den rechten Zeitpunkt zum Eingreifen erkennt. Von entscheidender Wichtigkeit ist dabei allerdings auch die Einstellung des Kranken selbst zu seiner Krankheit und der Wille zum Gesundwerden. Es gibt Menschen, die nicht gesunden wollen, die ihre Krankheit „pflegen" und sich in diesen Zustand des Mitleiderregens hineinflüchten. Zumeist spielen persönliche Wünsche oder ein Versagen in irgendeiner wichtigen Situation eine Rolle. Diesen Menschen können wir nicht mit einem Medikament helfen, sie bedürfen unseres guten Zuspruchs und eines verständnisvollen Rates. Gerade die Schwester, die den ganzen Tag um den Patienten ist, kann ihm mit einer freundlichen, hilfsbereiten Art, aber gelegentlich auch mit einem energischen Wort — in Güte gesprochen — auf den Weg zu sich selbst zurückzufinden helfen.
I. Atmungsorgane A. Nasen-Kehlkopf räum B. Physiologie der Atmung C. Erkrankungen der Atmungsorgane
A. Nasen-Kehlkopfraum i. Physiologie des Nasen-Kehlkopfraumes
2. Krankheiten im
Nasen-Kehlkopfraum
i. Physiologie des Nasen-Kehlkopfraumes
Die Luft, die der Mensch einatmet, muß, ehe sie die Luftröhre und die Bronchien erreicht, den Nasen-Rachen- und Kehlkopfraum passieren. Hier wird sie gereinigt, erwärmt und angefeuchtet. Zahlreiche Riechkörperchen sind in die Nasenschleimhaut, die das Naseninnere in vielen Buchten auskleidet, eingelassen. Sie nehmen schädliche Beimengungen der Luft wahr und mobilisieren gegebenenfalls die Schutzvorrichtungen des Körpers. Das N i e s e n dient meist zur Entfernung von Fremdkörpern (Schleim, Staub) aus den oberen Atemwegen: Es beginnt mit einer tiefen Einatmung (= Inspiration). Bei geschlossenem Munde folgt dann ein plötzlicher Exspirationsstoß (= Ausatmung) durch die Nase; gleichzeitig wird der vom weichen Gaumen geschlossene Nasen-Rachenraum gesprengt. Eine ähnliche Schutzmaßnahme für die tieferen Luftwege ist das H u s t e n : Der geschlossene Kehlkopfdeckel wird mit einem kräftigen Exspirationsstoß gesprengt; dabei werden Fremdkörper oder Schleim herausgebracht. Der K e h l k o p f (Larynx) bildet den oberen Abschluß der Luftröhre; er verbindet den Nasen-Rachenraum mit der Luftröhre (Trachea). Der Kehlkopf wird von drei Knorpeln gebildet: dem großen Schildknorpel, der am oberen und unteren Ende je zwei Hörner trägt, dem darunterliegendem Ringknorpel und den paarigen Gießbeckenknorpeln. Diese drei Teile sind untereinander durch Bänder und Gelenke verbunden. Im Rachenraum nimmt der Luftstrom mit den Speisen einen gemeinsamen Weg. Ein rechtzeitiges Schließen des Kehlkopfdeckels verhindert ein „Verschlucken", d. h. ein Hineinrutschen von Speiseteilen in die Luftwege. Wird die Kehlkopfschleimhaut durch Fremdkörper oder beizende Dämpfe gereizt, so schließt sich der Kehlkopfdeckel reflektorisch. Im Kehlkopf wird auch die Stimme gebildet. Bei der Stimmgebung (Phonation) wird der Luftstrom im Nasen-Rachenraum durch die gespannten Stimmbänder in Schwingungen versetzt. Die Tonhöhe hängt von der Zahl der Schwingungen ab. Wenn die Stimmbänder nicht mitschwingen, wird die Flüstersprache gebildet, bei der die Stimmritze offen steht. Die Kehlkopfmuskeln spannen die Stimmbänder und erweitern oder verengen die Stimmritze (Glottis). Je nach dem Spannungszustand wird ein hoher
Krankheiten im Nasen- und Kehlkopfraum
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oder ein tiefer Ton erzeugt. Der Klang kommt erst durch die Resonanz im NasenRachenraum zustande. 2. Krankheiten im Nasen- und Kehlkopfraum
a) b) c) d)
Adenoide Vegetationen Schnupfen Heuschnupfen Chronischer Schnupfen
e) Nasenbluten f ) Kehlkopfkatarrh g) Kehlkopftuberkulose h) Kehlkopfgeschwülste
a) A d e n o i d e V e g e t a t i o n e n Ursache: Bei Kindern beobachtet man häufig Wucherungen des lymphatischen Gewebes im hinteren Nasenraum, sog. „Adenoide Vegetationen", imVolksmund„Polypen" genannt. Symptome: Die Kinder fallen dadurch auf, daß sie mit geöffnetem Munde und nicht, wie es natürlich ist, durch die Nase atmen. Sie hören schwer und bleiben daher in der Schule zurück. Therapie: Durch ein operatives Herausschälen dieser Wucherungen wird den Kindern schlagartig geholfen. b) S c h n u p f e n (Rhinitis) Ursache: Der Erreger ist noch unbekannt, aber aus seiner leichten Übertragbarkeit schließt man, daß es sich um eine Infektionskrankheit handeln muß. Da die Nasenschleimhaut entzündlich geschwollen ist, atmen die Patienten durch den geöffneten Mund aus und ein. Somit fallen auch die Schutzvorrichtungen fort, die die Nase sonst erfüllt; Kehlkopf- und Luftröhrenschleimhaut trocknen aus. Symptome: Der Schnupfen ist ein oberflächlicher Katarrh der Nasenschleimhaut mit vermehrter Schleim- und Eitersekretion. Er beginnt meist mit Kratzen und Brennen im Hals. £>ie Rachenschleimhaut ist entzündlich geschwollen. Ein Kitzelgefühl in der Nase löst einen starken Niesreiz aus. Meist klingt der Katarrh in wenigen Tagen ab. Höheres Fieber und starke Kopfschmerzen legen den Verdacht einer Nasennebenhöhlenbeteiligung nahe. Therapie: Die Behandlung besteht in Schwitzpackungen und Gaben von heißem Tee und Aspirin sowie Mitteln, die die Schwellung der Schleimhaut vermindern. Zur Lösung des Schleimes dient das Inhalieren von Wasserdampf. c) H e u s c h n u p f e n Ursache: Der Heuschnupfen (Heufieber) ist eine allergische Krankheit. Der Begriff Allergie wird im allgemeinen Teil der Infektionskrankheiten besprochen. Sie tritt besonders zur Zeit der Weidenblüte im März und während der Gräserblüte vom Mai bis Juni bei disponierten Menschen auf. Ausgelöst wird der Heuschnupfen durch die Reizwirkung der Pollenkörper. Viele Patienten erkranken regelmäßig in jedem Jahr. Symptome: Eine starke Schwellung und Sekretion der Nasenschleimhaut führt zu heftigem Niesreiz. Die Beschwerden können wochenlang fortbestehen. Therapie: Wenn die Ursache bekannt ist, empfiehlt es sich, den Kranken nach Möglichkeit aus dem Bereich der schädigenden Stoffe herauszunehmen: Aufenthalt an der
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Atmungsorgane
See oder im Hochgebirge zur Zeit der Gräserblüte. Zur medikamentösen Behandlung werden antiallergische Mittel verwendet (Antihistamin-Präparate). d) C h r o n i s c h e r S c h n u p f e n Ursache: Der chronische Schnupfen (Stockschnupfen) wird in den meisten Fällen durch anhaltende berufliche Schädigungen, wie Einwirkung von Dämpfen und Gasen, ausgelöst. Er kann zur Hypertrophie oder zur Atrophie der Schleimhaut führen. Symptome: Die Krankheitszeichen sind zunächst die gleichen wie bei der akuten Rhinitis. Therapie: In vielen Fällen wird der Arzt zu einem Arbeitsplatzwechsel raten. Wucherungen müssen operativ entfernt werden. Komplikationen: Durch besondere Krankheitserreger kann es zu einer zerstörenden und austrocknenden Schleimhautentzündung mit Borkenbildung kommen, die durch ihren üblen Geruch gekennzeichnet ist. Die Krankheit wird als Ozaena oder Stinknase bezeichnet. Der unangenehme Geruch wird dem Patienten selbst kaum bewußt, da er mit dem Schwund des Epithels und der Schleimhaut auch seine Riechfähigkeit einbüßt. Therapie: In der Behandlung gilt es zunächst, die Borken zu entfernen. Das geschieht durch lauwarme Kaliumpermanganat- oder Borwasserlösung. Mit antibiotischen Mitteln wird die Eiterung in den meisten Fällen beherrscht. e) N a s e n b l u t e n (Epistaxis) Ursache: Das Nasenbluten (Epistaxis) wird häufig durch äußere Gewalteinwirkung ausgelöst'; bei manchen empfindsamen Patienten genügt schon ein heftiges Schnauben. Schwere Infektionskrankheiten können durch ihre Giftstoffe die Nasengefäße so schädigen, daß Blutungen auftreten (z. B. beim Scharlach). Ort des Nasenblutens ist in der Regel der „Locus Kiesselbachi" (Kiesselbach, Hals-Nasen-Ohrenarzt in Erlangen, 1839—1902), der vorn im Bereich der knorpligen Nasenscheidewand liegt. Therapie: Die Behandlung richtet sich nach dem zugrundeliegenden Leiden. Die Schwester muß sich im Ernstfalle zu helfen wissen: Der Patient wird ruhig gelagert, er soll möglichst nicht schnauben, evtl. Eisblase in den Nacken. Bis der Arzt kommt und die blutende Stelle aufsucht, ist es zweckmäßig, den entsprechenden Nasenflügel gegen die Nasenscheidewand zu drücken. Oft steht die Blutung dann in ganz kurzer Zeit. Der Arzt entscheidet über die weiteren Maßnahmen (Tamponade, Verödung des blutenden Gefäßes). f) K e h l k o p f k a t a r r h (Laryngitis) Ursache: Der Kehlhopfkatarrh ist zumeist eine Teilerscheinung eines katarrhalischen Infektes der oberen Luftwege. Mit dem Laryngoskop (Kehlkopfspiegel) kann der Arzt den Kehlkopf gut übersehen und vorhandene Veränderungen, Entzündungen und Stimmbandlähmungen erkennen. Symptome: Die Stimme ist heiser bis zur Stitnmlosigkeit. Der Kranke klagt über Kratzen im Hals und über Hustenreiz. Therapie: Die Behandlung besteht in Stimmruhe. Der Kranke soll heiße Getränke bekommen, feuchtwarme Kompressen auf den Hals und, wenn nötig, hustenstillende Mittel.
Krankheiten im Nasen- und Kehlkopfraum
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g) K e h l k o p f t u b e r k u l o s e Ursache: Die Kehlkopftuberkulose ist häufig eine Begleiterscheinung der Lungentuberkulose. Symptome: Sie ist durch eine chronische Heiserkeit charakterisiert. Bei tiefgreifenden Veränderungen an den Stimmbändern kann die Stimme völlig schwinden. Therapie: Neben strenger Stimmruhe spricht die Kehlkopftuberkulose sehr gut auf tuberkulostatische Mittel an. h) K e h l k o p f g e s c h w ü l s t e Gutartige Geschwülste sind die Polypen. Bösartig ist das Karzinom, das sich im Kehlkopf vorzugsweise an den Stimmbändern entwickelt. Die Therapie besteht in einer möglichst frühzeitigen Entfernung ( = Exstirpation) des Kehlkopfes. B. Physiologie der Atmung Solange ein Organismus oder ein Organ leben, brauchen sie Sauerstoff. Der Mensch entnimmt seiner Nahrung die zum Leben notwendigen Energien. Sie werden unter Verbrauch von Sauerstoff frei. Dieser Vorgang wird als Verbrennung bezeichnet. Durch die Atmung wird dem Körper Sauerstoff zugeführt, eine Aufgabe, die im wesentlichen von den Lungen geleistet wird; daneben kommt auch noch die Haut als Atmungsorgan in Frage (etwa ein Prozent). Als Endprodukte der Verbrennung werden Kohlendioxyd und Wasser ausgeschieden. Man unterscheidet eine äußere und eine innere Atmung. Als äußere Atmung bezeichnet man den Gasaustausch zwischen der äußeren Luft und dem Blut — als innere Atmung den Gasaustausch zwischen dem Gewebe und dem Blut. CO,
CO,
Blut
Lunge
Gewebe
arteriell
O,
o2
Äußere Atmung
Blut
|
Innere Atmung
B e s t a n d t e i l e der L u f t
Sauerstoff ( = O a )
. . . .
Kohlensäure ( = C O a ) . . . Stickstoff ( - N ) Edelgase
Inspirationsluft
Exspirationsluft
«%
16%
0,03% (Spuren) 78%
4% 79% 1%
Der Gasaustausch findet in der Lunge nur in den Lungenbläschen (Alveolen) statt. Der Sauerstoff ist im Körper an den Blutfarbstoff, Hämoglobin, gebunden; arterielles Blut enthält etwa zo% Sauerstoff, venöses Blut 1 2 % . Arterielles Blut enthält 50% Kohlensäure, venöses Blut 55%.
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Atmungsorgane
Der Mechanismus des Atemholens besteht in dem Wechsel von Erweiterung ( = Einatmung = Inspiration) und Verengung ( = Ausatmung = Exspiration) des Brustkorbes. Die äußere Oberfläche der Lunge liegt mit ihrem glatten, feuchten Lungenfell (Pleura pulmonales) dem Rippenfell (Pleura parietalis), das die Innenfläche der Brustwand auskleidet, völlig luftdicht an. So muß die Lunge jeder Ausdehnung und Verkleinerung des Brustkorbes folgen; ihre Bewegung ist also passiv. Vermöge ihrer vollkommenen Elastizität ist sie in der Lage, jedem Raumwechsel der Brusthöhle zu folgen, ohne daß die beiden Pleurablätter jemals voneinander weichen. Durch die Luftbewegungen innerhalb der Bronchien entstehen die Atemgeräusche, die bei krankhaften Veränderungen in typischer Weise verändert sind und dem Arzt wertvolle Hinweise geben. Das Einatmen erfolgt aktiv, mit Hilfe der Atemmuskeln. Die Kohlensäure im Blut übt einen Reiz auf das im verlängerten Rückenmark ( = Medulla oblongata) gelegene Atemzentrum aus. Von hier aus ergehen Impulse an die Atemmuskulatur: an das Zwerchfell (Diaphragma) und an die Zwischenrippenmuskeln (Rippenheber = äußere Zwischenrippenmuskeln). Das Zwerchfell, das vom Nervus phrenicus innerviert wird, tritt bei der Einatmung tiefer, und gleichzeitig heben die Interkostalmuskeln die Rippen. Das A.usatmen erfolgt passiv; das Zwerchfell tritt wieder hoch, und die Zwischenrippenmuskeln erschlaffen: die Rippen senken sich. Bei Frauen herrscht der Typ der Brustkorbatmung, bei den Männern die Bauchatmung vor. Der Luftwechsel in der Lunge ist bei der Atmung nicht vollständig; sie wird weder beim Ausatmen völlig entleert, noch beim Einatmen gänzlich gefüllt. Für gewöhnlich werden bei einem Atemzug 500 ccm Luft bei der Inspiration aufgenommen und bei der Exspiration abgegeben. Durch stärkeres Einatmen können weitere 15 00 bis 2 5 00 ccm aufgenommen werden. Diese Luftmenge bezeichnen wir als Ergänzungsluft (Komplementärluft) . Durch verstärktes Ausatmen können ebenfalls 15 00—2 5 00 ccm Luft zusätzlich ausgeatmet werden. Komplementärluft, Respirationsluft und Reserveluft zusammen ergeben die Vitalkapa^ität. Diese Luftmenge dient zur meßbaren Feststellung der mechanischen Atmungskapazität. Auch nach tiefster Exspiration verbleiben etwa 1200 ccm Luft in der Lunge. Diese Luftmenge wird als Residualluft bezeichnet. Nur bei einer Öffnung des Brustkorbraumes, bei einer Punktion der Pleura oder bei einer Lungenverletzung vermag Luft in den Pleuraraum einzutreten, so daß sich die Lunge zusammenzieht und die Luft aus ihrem Inneren entweicht. Ein Lungenteil kann auf diese Weise von der Atmung ausgeschaltet werden. Praktisch wird dieses Verfahren beim Anlegen des Pneumothorax in der Behandlung der Lungentuberkulose angewendet. Aber auch bei völligem Kollaps der Lunge verbleibt ein Rest Luft in der Lunge. Diese Luftmenge bezeichnen wir als Minimalluft. Ihr Vorhandensein wird in der Gerichtsmedizin untersucht, um festzustellen, ob ein totes neugeborenes Kind außerhalb des Mutterleibes gelebt hat. Der Mechanismus der menschlichen Atmung läßt sich am Lungenmodell von Donders verdeutlichen. Das Modell besteht aus einer bauchigen Flasche; die untere Öffnung wird von einer Gummiplatte verschlossen (= Zwerchfell). Der Flaschenhals trägt einen Stopfen mit 2 Röhren. Am unteren Ende der einen Röhre
Krankheiten im Nasen- und Kehlkopfraum
Abb. 1. Lungenmodell nach Donders a) bei Ruhestellung — b) bei Inspirationsstellung des Zwerchfells.
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wird eine Kaninchenlunge so fest gebunden, daß an der Verbindungsstelle keine Luft entweichen kann-, sie soll die Luftröhre darstellen. Das 2. Rohr verbindet den Raum zwischen Lungenoberfläche und Flaschenwand, — er soll dem intrapleuralen Spalt entsprechen —, mit einem Manometer. (Es besteht ein grundsätzlicher Unterschied zwischen der beatmeten menschlichen Lunge und dem Modell: beim Menschen befindet sich zwischen Lungenoberfläche und Brustwand kein Luftraum; bei ihm ist der intrapleurale Spalt mit einer dünnen Flüssigkeitsschicht gefüllt.) Modellversuch: Wird die Gummimembran nach unten gezogen, so entsteht im intrapleuralen Raum ein Unterdruck: die Lunge dehnt sich aus (Einatmungsstellung). Kehrt die Membran wieder in ihre Ausgangsstellung zurück, so fällt die Lunge zusammen (Ausatmungsstellung). Dieser Modellversuch veranschaulicht, daß die Lunge beatmet wird, d. h. daß sie bei der Atmung eine passive Rolle spielt.
Die Atemfrequen% — die Zahl der Atemzüge in der Minute — liegt beim Neugeborenen bei 70, bei Kindern zwischen dem 5.—15. Lebensjahr etwa bei 20—25 und beim Erwachsenen nur noch bei 15—16. Verschiedene Atmungstypen-. Die normale Atmung wird als Eupnoe bezeichnet. Dyspnoe nennen wir die beschleunigte und vertiefte Atmung, bei der der Patient Atemnot, Lufthunger verspürt (z. B. bei mechanischen Hindernissen, bei großen Blutverlusten oder bei dekompensierten Herzkranken). Apnoe ist der Atemstillstand, der durch eine willkürliche Überventilation erzielt werden kann, wobei das Blut mit Sauerstoff „überladen" ist: es fehlt Kohlensäure, die einen Reiz auf das Atemzentrum ausübt. Die fetale
a)
' b) Abb. 2 a) Graph. Darstellung d. Cheyne-Stokes sehen Atmung b) Graph. Darstellung d. Kussmaul sehen Atmung
Apnoe ist physiologisch. Bei krankhaft verminderter Erregbarkeit des Atemzentrums, was bei der Poliomyelitis (Kinderlähmung) vorkommen kann, tritt ebenfalls ein Atemstillstand ein. Im Gegensatz dazu kommt es bei Übersättigung des Blutes mit CO a ( = Kohlendioxyd) zu Atemkrämpfen. Steigt die Kohlensäure im Blut weiter an, so droht die Asphyxie, der Erstickungstod durch Sauerstoffmangel und Lähmung des Atemzentrums. Cheyne-Stokessches Atmen nennen wir das periodische Atmen: nach einer langen Pause setzt die Atmung mit kleinen Atemzügen ein, die sich dann bis zu ganz tiefen, angestrengten Atemzügen steigern (Cheyne und Stokes waren englische Ärzte, die im 18. und 19. Jahrh. lebten [Abb. 2 a]). Kussmaul (Heidelberger Kliniker, 1822—1902) beschrieb „die große Atmung" mit verlangsamten und vertieften Atemzügen — in klassischer Form im diabetischen Koma zu beobachten (Abb. 2 b).
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Atmungsofgane
C. Erkrankungen der Atmungsorgane 1. Erkrankungen der Luftröhre ). Erkrankungen des Lungengewebes 2. Erkrankungen der Bronchien 4. Lungengeschwülste j. Erkrankungen des Rippenfells und des Mittelfellraumes 1. Erkrankungen der Luftröhre a) Akute Entrundung c) Hämorrhagische Tracheitis b) Chronische Entzündung d) Geschwülste
a) D i e a k u t e E n t z ü n d u n g Die akute Entsendung der „oberen Luftwege" schließt häufig den Kehlkopfkatarrh (Laryngitis) und den Luftröhrenkatarrh (Tracheitis) mit ein. Ursache: Als Erreger werden gefunden: Pneumokokken, Streptokokken, Staphylokokken und Viren. Symptome: Diese „Erkältungen" machen Beschwerden, die jeder aus eigener Erfahrung kennt: allgemeine Mattigkeit, Kopfschmerzen, Schnupfen, Heiserkeit, trockener Reizhusten und oft ein unangenehmes Gefühl des Wundseins hinter dem Brustbein. Manchmal leichte Temperaturerhöhungen. Vom 3.—4. Tage an wird ein schleimig-zäher Auswurf abgehustet. Therapie: Eine große Zahl erprobter Hausmittel soll den Verlauf der Erkältung verkürzen und günstig beeinflussen. Am besten haben sich Schwitzpackungen bei Bettruhe mit Lindenblüten- oder Fliedertee, unterstützt durch ein aspirinhaltiges Präparat und einen feuchtwarmen Brustumschlag bewährt. Inhalieren mit Emser Salz oder Eukalyptusöl bringt ein Gefühl der Erleichterung. Zu Beginn der Erkrankung kann ein Chininpräparat oder eine stark verdünnte Jodlösung die Erkältung kupieren. Die Kehlkopfentzündung erfordert strenge Stimmruhe. b) C h r o n i s c h e E n t z ü n d u n g Ursachen: Physikalische Reize (Staub) und chemische Reize (Dämpfe) können nicht nur zu Katarrhen, sondern auch zu schweren und bleibenden Schädigungen der Luftröhrenwand führen. Das zeitige Erkennen der Ursache ist für die Behandlung richtungweisend. c) H ä m o r r h a g i s c h e T r a c h e i t i s Symptome: Die hämorrhagische Tracheitis ist eine unangenehme Komplikation, die bei der Virusgruppe zu beobachten ist. Die Luftröhrenschleimhaut ist blutig entzündet; jeder Atemzug schmerzt und ruft einen qualvollen Reizhusten hervor. Dem Auswurf ist frisches Blut beigemischt. Therapie: Ein gegen das Grippevirus gerichtetes Chemotherapeutikum kennt man noch nicht; darum kann die hämorrhagische Tracheitis nur symptomatisch mit Wärme und mit schmerzlindernden Mitteln behandelt werden. d) G e s c h w ü l s t e Da die Luftröhre mit einem Epithel ausgekleidet ist, ist die Möglichkeit zur Krebsentstehüng gegeben. Geschwülste der Umgebung können die Trachea von außen her einengen. Die Symptomatik wird vom Sitz der Geschwulst bestimmt. Bei zeitigem Erkennen kann der Chirurg den Tumor operativ entfernen.
Erkrankungen der Bronchien
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2. Erkrankungen der Bronchien
a) Akute Bronchitis d) Bronchiektasien b) Chronische Bronchitis e) Bronchiolitis c) Bronchopneumonie f ) Asthma bronchiale g) Lungenemphysem
a) A k u t e B r o n c h i t i s Ursachen: Der Infekt der oberen Luftwege kann auch auf die Bronchien und Bronchiolen übergreifen. Erreger: Pneumokokken, Streptokokken, Staphylokokken und Viren. Symptome: Die Beschwerden sind die gleichen wie bei der Tracheitis. An der Entzündung ist die Schleimhaut der Bronchien beteiligt, die ein zunächst zähes, später flüssiges Sekret absondert. Von einer katarrhalischen Reizung bis zur eitrigen und blutigen Entzündung gibt es alle Übergänge. Der Auswurf wird schleimig-eitrig, reineitrig oder blutig. Die Krankheitszeichen sind, wie bei der Tracheitis, vorwiegend allgemeiner Natur: Mattigkeit, Fieber um 38°, Kopfschmerzen, Husten, Auswurf, Gefühl des Wundseins unter dem Brustbein. Die nicht selten beobachteten Brustschmerzen sind meist bedingt durch die häufige Beanspruchung der Brustmuskulatur beim Husten. Therapie: Die Behandlung ist die gleiche wie bei der Tracheitis und Bronchopneumonie. Es können vereinzelte Bronchienäste befallen sein, es können aber auch alle Bronchien bis in ihre feinsten Verästelungen, die Bronchiolen, erkranken. Es besteht die Gefahr, daß die Entzündung auch auf das Lungengewebe übergreift. Man spricht dann von einer Bronchopneumonie. b) C h r o n i s c h e B r o n c h i t i s Ursachen: Klingt die akute Bronchitis nicht ab oder tritt sie wiederholt auf, so kann sich eine chronische Bronchitis entwickeln. Krankheitsbegünstigend wirken anhaltende chemische oder mechanische Reize. Sie tritt gehäuft als Berufserkrankung bei Gewerben, die mit Staubbildung einhergehen, auf (Bäcker, Kohlen- und Steinbrucharbeiter). Auch Stauungen im kleinen Kreislauf können der Entstehung einer chronischen Bronchitis Vorschub leisten. Manchmal ist die „Stauungsbronchitis" das erste Zeichen der beginnenden Herzschwäche. Symptome: Husten, Atemnot und Auswurf sind die Beschwerden, die den Patienten zum Arzt führen. Therapie: Zur Behandlung dieser Krankheit ist es wichtig, die Ursache zu erkennen. Mit sekretlösenden oder -hemmenden Mitteln allein ist es nicht getan. Bisweilen ist ein Arbeitsplatzwechsel notwendig. Je hochgradiger die Veränderungen sind, um so schwieriger gestaltet sich die Behandlung. Zweckmäßig ist die Inhalation von balsamischen Ölen (Eukalyptus z. B.), die jedoch nur in Form eines feinstverteilten Nebels in die kleinsten Luftwege eindringen können. Luftwechsel und Inhalierkuren können das Leiden günstig beeinflussen. Bei der Stauungsbronchitis muß sich das Hauptaugenmerk auf die Behandlung des Herzens richten. Bei älteren Leuten wirkt sich eine zu lange Bettruhe unter Umständen schädlich aus, weil damit die Entstehung der Stauungsbronchtis oder der Stauungspneumonie begünstigt wird. Die Patienten
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Atmungsorgane
sollen mehrmals am Tage — und nicht nur beim Betten — vorsichtig aufgerichtet werden. Kampferabreibungen und Abklatschen mit feucht-warmen Tüchern regen die Zirkulation des Lungenkreislaufs an. c) B r o n c h o p n e u m o n i e U r s a c h e n : Die Bronchopneumonie entwickelt sich manchmal aus einer schweren Bronchitis. In anderen Fällen beobachtet man sie als Begleitsymptom, z. B. beim Bauchtyphus. Nicht selten tritt sie als „Schluckpneumonie" (Aspirationspneumonie) infolge Verschluckens von Fremdkörpern oder bei Störung des Schluckaktes auf (bei Bewußtlosen, bei Typhus und Fleckfieber, bei Gaumensegellähmung). S y m p t o m e : Entsprechend dem pathologisch-anatomischen Befund sind bei der Bronchopneumonie die ersten Krankheitszeichen oft die gleichen wie bei der Bronchitis 1 ). Nach Lage des Entzündungsherdes kann der Arzt an den akustischen Phänomenen ihre Ausdehnung erkennen. Der Auswurf ist uncharakteristisch, die Menge meist gering. Durch eine bakteriologische Untersuchung können die Erreger — gelegentlich Pneumokokken, meist eine Mischflora — ermittelt werden. Im Blutbild entsteht eine Leukozytose. Während die Bronchitis keine röntgenologisch nachweisbaren Veränderungen zeigt, ist die Bronchopneumonie in den meisten Fällen im Röntgenbild zu erkennen. Der Verlauf der Bronchitis und der aus ihr hervorgehenden Bronchopneumonie hängt in erster Linie von der Gesamtabwehrlage des Körpers und vom Grundleiden ab. Bei infektgeschwächten oder kreislaufdekompensierten Patienten ist sie eine sehr ernste Komplikation. T h e r a p i e : Durch Antibiotika, Kampferinjektionen, Inhalieren mit Emser Salz und Brustwickel kann man versuchen, den katarrhalischen Infekt zu verhindern oder ihn günstig zu beeinflussen. Es ist wichtig, den Mund und den Rachenraum sorgsam zu pflegen und mehrmals täglich zu reinigen. Durch Absaugen des Schleimes aus den oberen Luftwegen, durch häufige Mundspülungen und sorgfältigste Mundpflege bei Bewußtlosen kann man die Entstehung des Infektes weitgehend verhindern. d) B r o n c h i e k t a s i e n U r s a c h e : Ein chronischer Reizzustand der Bronchien kann durch Verlust der elastischen Fasern und durch narbige Veränderungen der Wand zu einer zylindrischen oder sackförmigen Erweiterung der Bronchien, der Bronchiektasie, führen. In seltenen Fällen sind sie angeboren. S y m p t o m e : Charakteristisch für Bronchiektasien sind die besonders morgens auftretenden heftigen Hustenanfälle, die nach Entleerung einer großen Menge eines eitrigen Sputums nachlassen. Dieses oft mit „maulvoller Expektoration" herausgebrachte Sputum hat einen süßlichen Geruch und zeigt, wenn es in einem Spitzglas aufgefangen wird, eine typische Dreischichtung (Abb. 3). *) Diese Form der Lungenentzündung zeigt im Beginn keinen Schüttelfrost, der wiederum für die Lappenpneumonie typisch ist.
Erkrankungen der Bronchien
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Die Art des Auswurfes läßt manchmal einen Schluß auf die Veränderung in der Lunge zu. Sputumarten: 1. blutig dort, w o Gefäße verletzt werden z. rostbraun; typisch für die Lappenpneumonie; die Farbe wird durch den Hämatin umgewandelten Blutfarbstoff ( = Hämoglobin) hervorgerufen
in
3. serös beim Lungenödem; dann, wenn sich Flüssigkeit in den Lungenbläschen ansammelt 4. schleimig beim Katarrh der oberen Luftwege und der Bronchien 5. eitrig; a) geballt — bei der Tuberkulose b) dreischichtig — beim Lungenabszeß, bei Bronchiektasien.
Komplikationen: Schwere Bronchiektasien zeigen neben der starken Belästigung durch Husten und Auswurf Folgeerscheinungen auf das Allgemeinbefinden. Durch Sekretstauungen kommt es häufig zu Temperatursteigerungen, die gelegentlich zu Bronchopneumonien oder zur Einschmelzung größerer Lungenbezirke (Lungengangrän) führen. Es können auch stärkere Blutungen auftreten, die zunächst an eine Tuberkulose denken lassen. Die erweiterten Bronchien lassen sich mit einem Kontrastmittel füllen und so röntgenologisch nachweisen. Therapie: Es gibt keine Möglichkeit, die pathologisch-anatomischen Veränderungen rückgängig zu machen. Symptomatische Maßnahmen, wie sie bei der chronischen Bronchitis gelten, können nur Linderung bringen. Bei Besiedlung mit Bakterien zeigt die antibiotische Behandlung gute Resultate, wenn die Art der Keime bekannt ist und wenn die wirksame Substanz mit geeigneter Technik an die Entzündungsherde herangebracht werden kann. Mit besonderen Inhalationsapparaten (Aerosol-Inhalator, Drägerschet Apparat) kann das Medikament so zerstäubt werden, daß die einzelnen Teilchen kleiner als 2 ¡1 sind. Beschränken sich die Bronchiektasien auf einen Lungenlappen, so kann der Chirurg den erkrankten Teil operativ entfernen (Lobektomie). e) B r o n c h i o l i t i s Ursachen: Breitet sich bei einer schweren Bronchitis, bei Kindern gelegentlich bei Masern, der Entzündungsprozeß auch auf die kleinsten Bronchien, die Bronchiolen, aus, so entwickelt sich ein sehr ernstes Krankheitsbild. Es kommt zur Schwellung der Bronchiolenschleimhaut, die zur Verstopfung der Bronchiolen mit schleimigeitrigem Sekret führen kann. Symptome: Werden größere Lungenbezirke betroffen, so kommt es zu schweren Störungen der Atmung und zur Beeinträchtigung des Herzkreislaufes. Die Patienten
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werden kurzatmig, ihre Haut erscheint blaß-bläulich (zyanotisch) und der Puls ist klein und beschleunigt. Komplikationen: Mit einer kräftigen Inspiration pressen die Patienten häufig noch Luft in die verengten Bronchien und Bronchiolen, während die Kraft zu einer forcierten Ausatmung nicht mehr reicht; es entsteht die gefürchtete Lungenblähung (Lungenemphysem). Therapie: Die Erreger werden mit Antibiotika vernichtet; häufig müssen Herz und Kreislauf gestützt werden. Gelegentlich kann ein Aderlaß oder die Zufuhr hochkonzentrierter Zuckerlösungen in die Vene intravenös, wenn die Gefahr des Lungenödems besteht, lebensrettend wirken. f) D a s A s t h m a b r o n c h i a l e Ursachen: Eine nervöse, anlagebedingte Komponente spielt beim Asthma eine wesentliche Rolle. Eine nähere Befragung ergibt fast in jedem Fall, daß die Asthmatiker aus Familien stammen, in denen häufiger „Überempfindlichkeitsreaktionen" (Allergie) beobachtet werden. Ein Teil der Asthmaanfälle beruht selbst auf einer solchen Allergie, einer Überempfindlichkeit gegenüber Blumen, Tierhaaren oder gegenüber gewissen Nahrungsmitteln, wie z. B. Erdbeeren oder Eiern. Ein anderer Teil wird durch eine gesteigerte Empfindsamkeit gegenüber seelischen Belastungen ausgelöst. Symptome: Das Asthma bronchiale ist charakterisiert durch Anfälle von hochgradiger Atemnot. Plötzlich kommt es zu einer krampfartigen Zusammenziehung ( = Spasmus) der Bronchien bei gleichzeitiger Schwellung und gesteigerter Sekretion der Schleimhaut. Im Asthmaanfall, der häufig nachts auftritt, ist das Exspirium erschwert. Die Patienten sitzen, von Schweißperlen überdeckt, zyanotisch verfärbt, aufrecht im Bett und atmen unter Zuhilfenahme der Atemhilfsmuskulatur. Zu jedem echten Asthmaanfall gehört, wenn dieser beendet ist, der Auswurf. In diesem lassen sich manchmal Chanot-Leydensche Kristalle nachweisen (Charcot, Kliniker in Paris, 1825—95 ;v. Leyden, Kliniker in Berlin, 1832—1910). Therapie: Im Anfall gilt es, den Bronchialkrampf zu lösen. Hierzu werden Atropin, Theophyllin, Hypophysenpräparate, Adrenalin, gelegentlich auch Stechapfelpräparate und Nitrite sowie Beruhigungsmittel verwendet. Wegen der großen Gefahr der Gewöhnung werden Morphinpräparate nach Möglichkeit vermieden In jüngster Zeit sind mit dem aus der Hypophyse hergestellten Adrenocorticotropen Hormon (ACTH) und den Cortisonen weitere Heilmittel gewonnen worden. Um die Anfallbereitschaft herabzusetzen, ist es nötig, nach der asthmaauslösenden Ursache zu suchen und nach Möglichkeit zur Lösung seelischer Konflikte beizutragen. Ausschaltung von Herdinfekten, die allergische Zustände auslösen können. Das Meiden von Schädlichkeiten und die Wiederherstellung des seelischen Gleichgewichtes vermögen die Genesung wesentlich zu unterstützen. Klimawechsel, Milieuwechsel, Atemübungen und Bindegewebsmassagen wirken sich günstig aus. g) L u n g e n e m p h y s e m ( L u n g e n b l ä h u n g ) Ursachen: Immer wiederkehrende Asthmaanfälle und chronischer Husten führen zur Überbeanspruchung der elastischen Elemente der Lunge, es kommt zur Lungenblähung, zum Lungenemphysem.
TAFEL
I
Bild i L o b ä r p n e u m o n i e rcchts bei einem 14jährigen J u n g e n
Bild 2 L u n g e n t u m o r rechts bei einem 4 1 j ä h r i g e n M a n n (wahrscheinlich L y m p h o s a r k o m ) ausgehend v o n den Hilusdrüsen. 4 W o c h e n später verstorben an Hirnmetastasen. ( D r . med. E . W ü l f i n g , B o r k c n / W e s t f . ) ( A u s D c n n i g , L e h r b u c h der inneren Medizin, I/1950, G e o r g T h i e m e V e r l a g , Stuttgart)
T A F E L II
Bild i Zahlreiche hämatogene Karzinom-Metastasen in beiden Lungen in typischer Rundform (Medizinische Universitätsklinik, Bonn)
Bild 2 Typischer Primärkomplex der rechten Lunge bei einem 7jährigen Mädchen. Aktive Tuberkulose wurde sicher ausgeschlossen (Aus Dennig, Lehrbuch der inneren Medizin, I/1950, G e o r g Thieme Verlag, Stuttgart)
Erkrankungen des Lungengewebes
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Symptome: Die Lungenbläschen bleiben erweitert, das Lungenvolumen nimmt zu; der knöcherne Thorax verändert sich, wird faßförmig und starr (Faßthorax). Das Zwerchfell tritt tief, und die Atembreite beim Aus- und Einatmen verringert sich, d. h. die Vitalkapazität nimmt ab. Dabei klagen die Patienten über Atemnot, die im fortgeschrittenen Stadium schon bei geringer körperlicher Anstrengung in Erscheinung tritt. Therapie: Bei der Behandlung von Emphysempatienten kann der Arzt zwar die Beschwerden lindern, aber ein chronischer Blähungszustand läßt sich nicht mehr beseitigen. 3. Erkrankungen des Lungengewebes a) b) c) d)
Lobäre Pneumonie Lungenabs^eß Lungengangrän Lungentuberkulose
e) f) g) h)
Staublunge (Pneumokoniose) Lungenlues A.ktinomykose Hodgkinsche Erkrankung
a) L o b ä r e P n e u m o n i e (Tafel I, Bild 1) Ursachen: Eine häufige Erkrankung des Lungengewebes ist die lobäre Pneumonie ( = genuine, kruppöse Pneumonie), wobei ein Lappen akut befallen wird. Als Erreger kommen verschiedene Keime in Betracht (Pneumokokken und der Friedländer-QiJziWus). Symptome: Die Patienten erkranken plötzlich aus voller Gesundheit mit Schüttelfrost, hohem Fieber (39—40°) und einem stechenden Schmerz auf der betroffenen Seite beim Atmen. Die Zahl der Atemzüge ist beschleunigt (30 und mehr in der Minute). Die Pulsfrequenz steigt auf 120 Schläge pro Minute. Es besteht Nasenflügelatmen, der Kranke ist unruhig, sein Bewußtsein von hohem Fieber beeinträchtigt (Delirium). Im Blutbild sind die weißen Blutkörperchen stark vermehrt (bis zu 25—30000) (Leukozytose). Verlauf: Während des Verlaufes der kruppösen Pneumonie ( = Lobärpneumonie) können auf Grund des pathologisch-anatomischen Vorganges verschiedene Stadien unterschieden werden: 1. Das Stadium der entzündlichen Anschoppung: Die Alveolen (Bläschen) des betroffenen Lungenabschnittes werden mit einer serösen Flüssigkeit, die rote und weiße Blutkörperchen enthält, gefüllt. Die Flüssigkeit tritt aus den feinsten Blutgefäßen aus, deren Endothelwände durch das krankhafte Geschehen durchlässig geworden sind. 2. Das Stadium der roten Hepatisation: Wegen ihres hohen Fibrinogengehaltes gerinnt die entzündliche Flüssigkeit zu einer starren Masse, die dem erkrankten Lungengewebe eine „leberähnliche" Konsistenz ( = Hepatisation) verleiht. 3. Das Stadium der grauen Hepatisation: In dieser Phase der Abwehr des Körpers gegen den Entzündungsvorgang werden auf dem Blutwege Leukozyten zum Entzündungsherd gebracht und wirken hier lösend. Die infiltrierte Lunge nimmt eine graue Farbe an ( = graue Hepatisation). Stadium der Lösung oder Resolution: Unter dem Einfluß fermentativer und phagozytärer Vorgänge erfolgt eine Verflüssigung des geronnenen Materials. Die Kranken können durch Husten einen Teil davon entleeren, der andere Teil wird auf dem Lymphwege abtransportiert. —- Mit fortschreitender Heilung nimmt die betroffene Lunge ihren ursprünglichen Zustand wieder an. D i e t r i c h Bd. I
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Während unter der Behandlung mit Antibiotika oder Sulfonamiden heute der Verlauf meist verändert wird, wurde früher während der geschilderten pathologisch-anatomischen Stadien ein charakteristischer Krankheitsverlauf beobachtet. Würden uns keine Antibiotika oder Chemotherapeutika zur Verfügung stehen, so ergäbe sich folgender Verlauf: Im Stadium der entzündlichen Anschoppung kommt es unter Schüttelfrost zu hohem Temperaturanstieg, der mit kontinuierlichem Fieber während 7 bis 9 Tagen anhält. Die Lippen des Kranken zeigen Wasserbläschen (Herpes labialis). Durch den entzündlichen Lungenprozeß kommt es zu einer Reizung der Pleura mit heftigen stechenden Schmerzen, die dazu führen, daß der Kranke die betroffene Brustkorbhälfte bei der Atmung schont und nur oberflächlich atmet. Am Ende der Fieberperiode tritt ein plötzlicher Temperaturabfall ein. Dieser Vorgang, der sich durch einen Schweißausbruch ankündigt, wird als Krisis bezeichnet. Die Krisis stellt an den Kreislauf des Kranken hohe Anforderungen. Therapie: Aus der modernen Therapie der Lungenentzündung sind Chemotherapeutika nicht mehr fortzudenken. Die physikalischen Maßnahmen — PrzV/fozY^-Umschlag (.Prießnitnaturheilkundiger Bauer in Schlesien; 1790—1851), Abreibungen — haben daneben keineswegs an Bedeutung verloren. Da die Atmung bei Lungenerkrankungen häufig sehr erschwert ist, müssen Herz und Kreislauf ständig sorgfältig kontrolliert werden. In der Pflege dieser Kranken kann die Schwester in besonderem Maße die Verantwortung des Arztes mit tragen helfen (Mundpflege, Beobachtung von Kreislaufund Atmung, gute Pflege—s. „Lehrbuch der praktischen Krankenpflege"). Prognose und Komplikationen: Die Lobärpneumonie heilt in den meisten Fällen komplikationslos aus. ohne bleibende Veränderungen in der Lunge zu hinterlassen. Selten befällt die Infektion andere Lappen (Wanderpneumonien) oder geht in eine chronische Pneumonie über. Gelegentlich bildet sich ein postpneumonischer Abszeß durch eitrige Einschmelzung des Lungengewebes. b) L u n g e n a b s z e ß Ursache: Im Anschluß an eine Lungenentzündung, nach einem Lungensteckschuß, nach einem Lungeninfarkt 1 ) oder nach einer hämatogenen Verschleppung von Eitererregern, nach einer Amöbenruhr, kann es an einer oder mehreren Stellen zur Einschmelzung von Lungengewebe kommen. Symptome: Entwickelt sich der Abszeß im Anschluß an eine fieberhafte Erkrankung der Lunge, so gehen die klinischen Symptome mehr oder weniger ineinander über. Das Fieber hält an, das Allgemeinbefinden ist beeinträchtigt. Der physikalische Nachweis des Abszesses richtet sich nach der Größe und Lage. Mit der Röntgenuntersuchung lassen sich auch schon kleine Herde erkennen, die sich der physikalischen Diagnose entziehen. Gelegentlich bricht der Eiter in einen benachbarten Bronchus durch und wird abgehustet. Im Eiter finden sich keine Fäulniserreger; er enthält neben Bakterien massenhaft weiße Blutkörperchen und Lungengewebsfetzen. Therapie: Wenn konservative Maßnahmen und die antibiotische Therapie den Prozeß nicht ausheilen lassen, muß operativ vorgegangen werden. ') infarzieren = verstopfen.
Erkrankungen des Lungengewebes
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c) Die L u n g e n g a n g r ä n (Gangrän = Absterben durch Fäulniserreger)
Ursache: Als Lungengangrän bezeichnet man ebenfalls einzelne oder multiple Herde von eingeschmolzenem Lungengewebe. Im Gegensatz zum Abszeß ist die Gangrän durch Fäulnisbakterien entstanden. Symptome: Die klinischen Symptome sind denen des Lungenabszesses ähnlich. Der Eiter ist durch einen stark fauligen Geruch gekennzeichnet. Therapie: Gelingt es nicht, durch eine antibiotische Therapie und durch gleichzeitige Hebung der allgemeinen Abwehrkräfte den Prozeß ausheilen zu lassen, so muß auch hierbei wiederum der Chirurg zu Rate gezogen werden. d) L u n g e n t u b e r k u l o s e Die Lungentuberkulose und ihre verschiedenen klinischen Erscheinungsformen und Behandlungsmethoden werden ausführlich im Kapitel „Chronische Infektionskrankheiten" besprochen. e) S t a u b l u n g e Ursachen: Muß der Mensch längere Zeit größere Mengen von Staub einatmen, so bildet sich eine Staublunge (Pneumokoniose). Sie ist meist eine Berufskrankheit. Normalerweise wird der Staub durch Flimmerbewegungen der Bronchialschleimhaut nach außen befördert oder durch die Lymphspalten abtransportiert. Wird jedoch die Lunge mit Staub „überschwemmt", so wirkt er als chronischer Reiz. Symptome: In den Frühstadien verläuft die Erkrankung im allgemeinen symptomlos. Erst allmählich spürt der Kranke bei größeren körperlichen Anstrengungen Atemnot. Husten, Auswurf und zunehmende Atemnot führen ihn zum Arzt. In der Lunge haben sich inzwischen kleine Entzündungsherde und Knötchen gebildet; ganz langsam tritt eine Lungenschrumpfung ein. Entscheidend ist wiederum das Röntgenbild. Ablagerungen von Kohlenstaub führen zur Anthrakose, Ablagerungen von Steinstaub zur Chalikose und Eisenablagerungen zur Siderose. Therapie: Vorbeugende Maßnahmen sind bei der Staublunge wichtiger als die Therapie, die nur symptomatisch sein kann, da sich die anatomischen Veränderungen nicht mehr rückgängig machen lassen (Wechsel des Berufes). f) Lungenlues Die Lungenlues, hervorgerufen durch die Syphilisspirochäte, ist heute sehr selten geworden. Wenn sie auftritt, ist sie zumeist angeboren: Pneumonia alba (= weiße Pneumonie). Es bestehen gleichzeitig stets auch andere luetische Veränderungen. Therapie: Die Behandlung muß gegen die Lues gerichtet sein. g) A k t i n o m y k o s e Ursache: Die Aktinomykose der Lunge, hervorgerufen durch den Strahlenpilz, kommt gelegentlich beim Menschen vor. Durch die Unsitte, an Getreidehalmen zukauen, gelangen die Strahlenpilze, beispielsweise durch einen kariösen Zahn, in die Gefäße, von dort in einen Bronchus und verursachen hier eine lokale Entzündung im Sinne der Bronchopneumonie.
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Symptome: Sie können denen der Bronchopneumonie ähnlich sein. Im Auswurf werden Strahlenpilze nachgewiesen. Eine gefürchtete Komplikation ist die eitrige Einsc.hmelzung. Die Pilze sind aureomycinempfindlich. h) Hodgkin s e h e E r k r a n k u n g Die Hodgkinschc Krankheit (Hodgkin = engl. Arzt, 1798—1869) ist eine bösartige Erkrankung des Lymphsystems und befällt vorzugsweise die mediastinalen Lymphdrüsen (s. dort). Über Entstehung und Klinik des Lungeninfarktes s. Band II. 4. Lungengeschwülste a) Lungenkrebs
bj Lungenechinokokkus
a) L u n g e n k r e b s (Lungenkarzinom) Ursachen: Die Lungengeschwülste (-tumoren) sind nicht selten. Die gutartigen Tumoren treten in ihrer Bedeutung ganz hinter den bösartigen zurück, unter denen der Lungenkrebs an erster Stelle steht. Das primäre Lungenkarzinom, das zu 9 5 % von den Bronchien ausgeht, nimmt zweifellos an Häufigkeit zu. Männer erkranken häufiger als Frauen. Bei der Suche nach einer auslösenden Ursache werden auch hier die chronischen Reize angeführt, u. a. das Nikotin. Bekannt ist das gehäufte Auftreten in bestimmten Bergwerksbetrieben, wie der Schneeberger Lungenkrebs (Schneeberg im Erzgebirge), bei dem es sich wahrscheinlich um eine Radiumschädigung handelt (Tafel I, Bild 2; Tafel II, Bild 1). Symptome: Häufig sind die Patienten schon jahrelang zuvor wegen einer chronischen Bronchitis in ärztlicher Behandlung gewesen; plötzlich zeigt sich dann blutiger „himbeergeleeartiger" Auswurf. Die Röntgenaufnahme oder die Bronchusspiegelung mit dem Bronchoskop helfen, die Ursache zu erkennen. Therapie: Sind noch keine Metastasen (Tochtergeschwülste) vorhanden, so ist die operative Entfernung des betroffenen Lungenlappens oder einer Lungenhälfte — die Lobektomie oder Pneumektomie — die Therapie der Wahl. Sind Metastasen vorhanden, so ist die Prognose infaust (ungünstig). Weder mit den Zellgiften Urethan oder Stickstoff-Lost noch mit der Röntgentherapie werden bleibende Erfolge erzielt. Die Röntgenstrahlen scheinen sogar die Metastasierung beim Lungenkarzinom anzuregen, so daß sie nur noch bei schwerster Atemnot — ausgelöst durch eine Behinderung der Atemwege durch die Krebsgeschwülste selbst oder ihre Metastasen — angewandt werden. Halsdrüsen- und Hirnmetastasen sind beim Lungenkrebs häufig zu beobachten. b) L u n g e n e c h i n o k o k k u s (Taenia echinococcus = Hundebandwurm) Ursache: Der Echinokokkus bildet in der Lunge Zysten (Blasen), die klinisch und röntgenologisch als Geschwülste imponieren. Sie entwickeln sich häufig, nach Durchbruch von der Leber her, im rechten Unterlappen. Die Eier des Hundebandwurms gelangen in den menschlichen Darm, entwickeln sich hier zu Embryonen, die die Darmwand durchbohren und so in andere Organe, am häufigsten in die Leber, gelangen. Symptome: Der Beginn der Erkrankung kann symptom- und beschwerdefrei verlaufen. Manchmal hustet der Patient, oder er beobachtet im Auswurf geringe Blutbeimengungen. Gelegentliche Fieberschübe führen ihn zum Arzt. Im Sputum lassen
Erkrankungen des Rippenfells und des Mittelfellraumes
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sich Echinokokkushäkchen nachweisen; das Blutbild zeigt eine Eosinophilie; entscheidend ist das Röntgenbild. Mitunter stirbt der Inhalt der Echinokokkusblase ab, es bleibt eine Kalkschale, die röntgenologisch immer nachzuweisen ist. Therapie: Im günstigsten Falle kann der Patient die Echinokokkuszyste aushusten. Ist die Zyste klein und verursacht keine Beschwerden, so wird der Arzt beobachten und abwarten. Im anderen Falle kommt die chirurgische Behandlung in Frage, möglichst ehe es zum Durchbruch in die Pleurahöhle oder ins Mediastinum gekommen ist.
5. Erkrankungen des Rippenfells und des Mittelfellraumes a) Pleuritis sicca (trockene Rippenfellentzündung) b) Pleuritis exsudativa (feuchte Rippenfellentzündung)
c) Pleuraempyem (eitrige Rippenfellentzündung) d) Pneumothorax (Luftbrust)
e) Erkrankung des Mittelfellraumes
P l e u r i t i s (Rippenfellentzündung) Ursache: Die Entzündung des Rippenfells, Pleuritis, ist recht häufig. Sie kommt in trockener (Pleuritis sicca) und in feuchter Form (Pleuritis exsudativa) vor. Das Exsudat kann serös, eitrig und blutig sein. Als primäre Pleuritis tritt sie bei Rippenbrüchen und bei der Tuberkulose auf. Die häufigste Form ist die sekundäre Pleuritis, z. B. bei Pneumonien, bei rheumatischen Gelenkerkrankungen, bei Abszessen oder bei metastatischen Prozessen. a) P l e u r i t i s sicca Symptome: Die akute trockene Pleuritis zeigt sich durch Hustenreiz und heftige Schmerzen beim Atmen an; reflektorisch stellt der Patient die erkrankte Seite ruhig und atmet vorwiegend mit der gesunden. Physikalisch sind ganz typische Geräusche zu hören: Pleurareiben; beide Blätter reiben sich aneinander, es erinnert an Lederknarren. Therapie: Unter Wärme, Schwitzpackungen und einem Pyramidonstoß klingt die trockene Pleuritis zumeist ab. b) P l e u r i t i s e x s u d a t i v a Symptome: Die trockene Pleuritis kann in eine feuchte (Pleuritis exsudativa) übergehen. Die Atemnot nimmt beim Ansteigen der Flüssigkeit weiter zu und kann zu einer ernsten Gefahr für den Kreislauf werden. Das Fieber steigt bis zu 400 an, die Harnmenge ist vermindert. Die Behandlungsdauer ist viel langwieriger als bei der trockenen Form. Therapie: Als erstes Zeichen der späteren Resorption setzt eine Harnflut ein. Bei jüngeren Menschen kommt es oft innerhalb weniger Wochen zur spontanen Resorption. Bei älteren Menschen muß bei Verdrängungserscheinungen und großer Atemnot die Flüssigkeit punktiert werden. Lange bestehende Exsudate können die Lunge so komprimieren, daß sie schrumpft und sich später nicht mehr entfalten kann, oder das Exsudat wird bindegewebig organisiert und zu einer ausgedehnten Schwarte. Das Exsudat ist eiweißreich, das spezifische Gewicht größer als 1015, die Eiweißprobe nach Rivaita ist positiv (Rivaita, Pathologe in Bologna). Liegt das spezifische Gewicht unter 1015, so spricht das für eine nicht entzündliche Flüssigkeit, für ein Transsudat.
Atmungsorgane
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c) P l e u r a e m p y e m U r s a c h e : Die eitrige Pleuritis, das Empyem, entsteht durch Eitererreger im Exsudat. S y m p t o m e : Das Krankheitsbild verläuft meist stürmisch mit hohem Fieber und Schüttelfrösten, schweren Allgemeinerscheinungen und einem weichen, kleinen und beschleunigten Puls. T h e r a p i e : Zur spontanen Resorption kommt es hierbei wohl in den seltensten Fällen, Spülungen mit Penicillin oder einem anderen Antibiotikum sind langwierig, führen aber oft zur Ausheilung. — Durch die Buelausche Saugdränage wird für einen dauernden Eiterabfluß gesorgt ( B u e l a u , Internist in Hamburg, 1835—1900). Ist das nicht der Fall, so muß die Pleurahöhle durch Resektion einer oder mehrerer Rippen geöffnet werden, um dem Eiter Abfluß zu schaffen. d) P n e u m o t h o r a x (Luftbrust) Unter Pneumothorax, Luftbrust, versteht man die Anwesenheit v o n Luft in der Pleurahöhle. Sie kann nach Verletzungen der Brustwand v o n außen oder nach Rissen im Lungenfell auf dem Wege über die Bronchien dort eindringen; sie kann aber auch aus therapeutischen Erwägungen zur Entspannung der Lunge künstlich mit einem Pneumothoraxapparat eingeblasen werden. Beim akut entstandenem Pneumothorax ist zunächst die Atemnot und die Kreislaufschwäche zu behandeln — eventuell muß mit Hilfe des Pneumothoraxapparates die L u f t abgesaugt werden. Pneumothoraxapparat: Dieser Apparat besteht aus einem Behälter, der Gas (am besten Luft!) über einer i°/ 00 igen Sublimatlösung enthält. Diese Luft kann unter Druck gesetzt werden. Dann gehört dazu ein mit dem Gas verbundenes Wassermanometer, mit dem der Druck im Pleuraspalt gemessen werden kann. Mit einer kurzgeschliffenen Hohlnadel, die seitlich eine Öffnung hat (um die Lungenoberfläche nicht zu verletzen), sticht der Arzt nach vorangehender Lokalbetäubung in den Pleuralspalt ein. Die „Pneumothoraxnadel" ist durch Schlauchleitung mit dem Manometer und dem Gasbehälter verbunden. Bei normalen Verhältnissen und bei richtiger Lage der Nadel zeigt das Manometer unter Atemschwankungen einen negativen Druck von minus 6 bis minus 8 cm Wasser an. Bei Überdruck kann der Arzt mit Hilfe des Pneumothoraxapparates Luft absaugen — im Falle der künstlichen Luftbrust läßt er Luft in den Pleuraspalt zur Entspannung der erkrankten Lunge einströmen.
e) E r k r a n k u n g e n d e s M i t t e l f e l l r a u m e s (Mediastinum) U r s a c h e : Der Mittelfellraum wird umschlossen v o n den beiden Pleuraräumen, der Wirbelsäule und dem Brustbein. Er enthält wichtige Organe: das Herz mit den großen Gefäßen, die Luft- und die Speiseröhre, den Thymus und Lymphgefäße. Veränderungen, Entzündungen oder Geschwülste, die v o n einem dieser Organe ausgehen, können auf das Mediastinum übergreifen. Die Mediastinitis S y m p t o m e : Die Mediastinitis, die akut oder chronisch verlaufende Entzündung im Mediastinalgewebe, ist schon -zu Beginn der Erkrankung durch heftige Schmerzen hinter dem Brustbein charakterisiert. Daneben bestehen die Zeichen der Entzündung: Fieber, Veränderungen im Blutbild (Leukozytose), erhebliche Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens. K o m p l i k a t i o n e n : Eine eitrige Entzündung kann zur Abszeßbildung führen.
Erkrankungen des Rippenfells und des Mittelfellraumes
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Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem Grundleiden, von dem die Mediastinitis ihren Ursprung genommen hat. M e d i a s t i n a l t u m o r e n (Tafel I, Bild 2) Ursache: Sie sind relativ selten. Sie nehmen von den im Mittelfellraum gelegenen Organen ihren Ausgang. Gutartige Geschwülste gehen gelegentlich von der Schilddrüse aus. Am häufigsten sind unter den bösartigen Tumoren die, die von Lymphdrüsen (Hodgkinsche Erkrankung, Leukämien) und von Thymusresten ihren Ursprung nehmen. Symptome: Ihr gemeinsames Leitsymptom sind Verdrängungs- und Kompressionserscheinungen. Dabei stehen fast immer die Zeichen eines Druckes auf die Venen im Vordergrund. In ausgeprägten Fällen können Hals und Gesicht zyanotisch gedunsen aussehen: Stokesschet Kragen (Stokes, engl. Arzt, 1804—1878). Entscheidend für die Diagnose ist die Röntgenuntersuchung. Die Differentialdiagnose ist meist äußerst schwierig. Therapie: Die Therapie richtet sich nach dem Grundleiden. Ein chirurgischer Eingriff kommt nur bei gutartigen Geschwülsten in Betracht. Sonst bleibt der Versuch einer Röntgentiefenbestrahlung. Eine medikamentöse Behandlung kann bei hämatologischen Grundleiden erfolgreich sein. Das Mediastinalflattern Es stellt eine sehr gefürchtete, lebensbedrohende Komplikation dar, die gelegentlich bei Thorakoplastiken auftreten kann. Der Mittelfellraum ist normalerweise beweglich; er wird durch elastisches, festes Bindegewebe zusammengehalten. Durch Steigerung des Brustinnendruckes (intrathorakaler Druck) der einen Seite kann es zu starken Verschiebungen der anderen Seite kommen. Das führt zu lebensbedrohlichen Folgen für Herz und Atmung.
II. Herz — Blutkreislauf — Gefäße A.
Physiologie des Herfens und des Kreislaufes
B. Erkrankungen des Herfens und der Gefäße
A. Physiologie des Herzens und des Kreislaufes i . Physiologie des Hetzens a) Tätigkeit des Herfens c)
b) Ursache der Her^bewegung
Elektrokardiogramm
a) T ä t i g k e i t des H e r z e n s Das Herz (Cor) ist ein Hohlmuskel, der durch rhythmische Kontraktionen das Blut in das Gefäßsystem treibt. Die Atrioventrikularklappen (links: Mitralis, rechts: Tricuspidalis) sind dreieckige Segelklappen, die an der Grenze vom Vorhof zur Kammer angebracht sind. Durch Sehnenstränge (Chordae tendineae), die mit den Papillarmuskeln in Verbindung stehen, werden sie an ihrem freien Rand gehalten, um ein Zurückschlagen in den Vorhof während der Kammerkontraktion zu verhindern. Durch diese Befestigung liegen die Segelklappen in der Diastole ( = Ruhephase und Auffüllungszeit des Herzens) in offener Trichterform im Blutstrom. Bei Beginn der Systole werden sie geschlossen. Die Systole ist die Arbeits- und Entleerungsphase des Herzens. Die Semilunarklappen (Taschenklappen) liegen an den Austrittsstellen der großen Gefäße (Pulmonal- und Aortenklappe). Sie sind in der Systole geöffnet; ihr Schluß in der Diastole verhindert ein Rückströmen des Blutes in die Kammern (Ventrikel). Wenn sich die Klappen nicht genügend schließen ( = Insuffizienz) oder nicht genügend zu öffnen vermögen ( = Stenose) — als Folge einer abgeklungenen Entzündung — , so ergeben sich daraus für den Kliniker bestimmte Symptome, die wir im allgemeinen als Geräusche bezeichnen. Normalerweise hört man über dem schlagenden Herzen zwei Töne: der erste T o n wird zu Beginn der Systole — der zweite beim Schluß der Semilunarklappen wahrgenommen. b)
Herzbewegung
Die Reize, welche zur Zusammenziehung des Herzens führen, werden im Herzen selbst gebildet. Für die Erregungsausbreitung dient ein besonderes Reizleitungssystem, welches aus spezifischen Muskelfasern besteht. Im rechten Vorhof (Atrium dextrum) ist der Sinusknoten (Keith-Flacksche,i Knoten) gelegen. V o n ihm gehen in der Minute 60 bis 70 Erregungen in gleichmäßigen Abständen aus. Er gilt auch als Schrittmacher. Der Rhythmus, der aus der ungestörten Tätigkeit dieses Erregungszentrums resultiert, wird als Sinusrhythmus bezeichnet. V o n hier aus breiten sich die Reize über die Vorhofmuskulatur aus, um an der Vorhofkammergrenze auf den Atrioventrikularknoten {Aschoff- Tawara-YLnottn) zu stoßen. Hier wird die Erregung aufgefangen und durch das /Ärsche Bündel und die beiden Schenkel in die rechte und linke Kammer gleichzeitig geleitet. Durch eine feine Verästelung der reizleitenden Muskelfasern, die wir
Physiologie des Herzens
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als Purkinje sehe Fasern bezeichnen, wird die Erregung auf die gesamte Kammermuskulatur übertragen. Über das Zustandekommen der normalen Reize ist noch wenig bekannt. Wahrscheinlich sind die Reize chemischer Natur, wobei ein bestimmtes Verhältnis von Kalzium, Natrium und Kalium im Blut bedeutungsvoll ist. Die Weiterleitung der Erregung im Reizleitungssystem erfährt im Vorhof-KammerKnoten (Aschoff-Tawara) eine Verzögerung. Daher kontrahieren sich Vorhöfe und Kammern nicht gleichzeitig, sondern in einem bestimmten zeitlichen Abstand hintereinander (0,15 sec.). Diese Zeit wird als Überleitungszeit bezeichnet. Durch organische Erkrankungen im Reizleitungssystem (z. B. Diphtheriegifte, mangelnde Blutzufuhr) kann die Überleitungszeit verlängert oder auch unterbrochen sein. Werden keine Reize vom Vorhof zur Kammer geleitet, so spricht der Kliniker von einem „Totalen Herzblock", wird jeder 2. oder 3. Reiz übergeleitet von einem „Partiellen Herzblock". Beim „Totalen Herzblock" schlägt die Kammer im Eigenrhythmus von 35—40 Schlägen in der Minute ( = Kammerautomatie). Neben der Automatie der Herzschlagfolge kann das Herz auch nervös in seiner Tätigkeit gesteuert werden. Der Vagus wirkt hemmend, der Sympathikus fördernd. c) E l e k t r o k a r d i o g r a m m ( = E k g = Aufzeichnung der Herzaktionsströme)
Bei jeder Muskelbewegung entstehen elektrische Ströme. Auch die Bewegungen des Herzens sind mit elektrischen Vorgängen verbunden. Jede erregte Stelle in der Herzmuskulatur verhält sich gegenüber der nicht erregten elektrisch negativ. Mit sehr empfindlichen Meßinstrumenten, die schnell reagieren müssen, lassen sich die elektrischen Spannungsänderungen registrieren.
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Abb. 4 Normales Elektrokardiogramm (Ekg)
Die Ströme, die vom Herzmuskel ausgehen, nennen wir, wie in der Muskelphysiologie, „Aktionsströme". Die Summe der vom Herzen ausgehenden Ströme breitet sich über den Körper aus. Die heute zur Verfügung stehenden Elektrokardiographien registrieren nicht den Strom, sondern die Spannungsdifferenzen. Die Kurve, welche mit dem Gerät geschrieben wird, nennen wir das Elektrokardiogramm. Das Elektrokardiogramm gestattet, zur Ergänzung der übrigen klinischen Befunde auch den Ablauf der elektrischen Vorgänge im Herzmuskel zu beobachten. Zu diesem Zweck wird die Spannungsdifferenz mit Neusilberelektroden, die einen feuchten Stoffüberzug haben, von beiden Armen und vom linken Bein sowie mit Hilfe einer Brustwandelektrode abgeleitet. Wir unterschei-
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Hetz-— Blutkreislauf—• Gefäße
den die Standardableitung I rechter Arm/linker Arm, II rechter Arm/linkes Bein, III linker Arm/linkes Bein, die unipolaren Extremitätenableitungen und die Brustwandableitungen. Auf diese Weise gelingt es, allgemeine oder umschriebene Schädigungen des Herzmuskels zu erkennen. Die einzelnen Wellen und Zacken werden mit den Buchstaben P, Q, R, S, T bezeichnet und entsprechen der Erregungsausbreitung und dem Erregungsrückgang im Herzmuskel. Die folgende Tabelle zeigt neben den drei Standard-Ableitungen noch eine synchrone Aufzeichnung des Herzschalls ( = Herztöne). Der erste Ton, den der Arzt auch mit dem Stetoskop über dem Herzen wahrnehmen kann, fällt in die Systole, der zweite in den
Systole
Diastole
Abb. 5. 2. Physiologie des Kreislaufes a) Blutdruck
b) Gefäßnerven
c) Puls
Der Herzmuskel pumpt das lebensnotwendige Blut in die Arterien. Durch ihre Elastizität fangen diese den stoßweise, ruckartig mit jeder Systole hinausgeschleuderten Blutstrom auf und führen ihn in eine kontinuierliche Flüssigkeitswelle über ( = Windkesselfunktion). a) B l u t d r u c k Unter dem Blutdruck versteht man den Druck, den das strömende Blut auf die Gefäßwand ausübt. Er ist abhängig von der Herzarbeit, vom Widerstand in den Gefäßen und von der Blutmenge. Der Blutdruck wird nach der unblutigen Methode von RivaRocci1) bestimmt (z. B. 140/80). Die Fortbewegung des Blutes in den Venen geschieht Riva-Rocci, Pädiater in Pavia, 1863—1937.
Physiologie des Kreislaufes
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durch die Arbeit des Herzens. Venenklappen in den Gefäßen verhindern ein Zurückströmen des Blutes. In den „abhängigen Partien", vor allem in den Beinen, kommt es leicht zu Stauungen und Erweiterungen des Gefäßrohres: Krampfadern ( = Varizen). Die Geschwindigkeit des Blutstromes beträgt in der Aorta etwa 20 cm/sec. In den Kapillaren, deren Gesamtquerschnitt etwa 260 mal größer als der der Aorta ist, beträgt die Strömungsgeschwindigkeit nur 0,5 mm/sec. b) G e f ä ß n e r v e n Die Blutgefäße besitzen eine ringförmige, aus glatten Muskelfasern bestehende Muskelschicht, die in den Arterien am stärksten ist. Diese Muskelschicht steht unter dem Einfluß von Gefäßnerven (Vasomotoren), die dem unbewußten (autonomen = vegetativen) Nervensystem angehören. Die meist sympathischen Vasokonstriktoren verengen die Gefäße im Gebiet der Baucheingeweide; sie erweitern Haut-, Gehirn- und Herzkranzgefäße. Die meist parasympathischen Vasodilatatoren wirken im Bauchgefäßsystem erweiternd, in anderen Gefäßbezirken verengend. Die Vasomotoren stehen unter dem Einfluß des im verlängerten Rückenmark (Medulla oblongata) gelegenen Vasomotorenzentrums, das durch Sauerstoffmangel oder Anreicherung des Kohlendioxyds im Blut erregt wird. c) P u l s Der Puls ist die rhythmische Ausweitung der Arterienwände durch den Blutdruck. Die Ausweitung erfolgt, von der Aorta ausgehend, wellenartig über die Arterien wände. Dieser Vorgang ist ebenso zu betrachten wie die kreisförmigen Wellen, die dann entstehen, wenn man einen Stein ins Wasser wirft. Die Pulswelle ist also eine Druckwelle, die sich in elastischen Blutgefäßen langsamer, in starren Blutgefäßen schneller fortpflanzt (in der Aorta 4—5 m/sec., in derArteria radialis 9 m/sec.). Hiermit steht im Einklang, daß die Pulswellengeschwindigkeit bei alten Menschen größer ist als bei Jugendlichen. Zur Beurteilung des Herzens und des Kreislaufes dient das Tasten des Pulses. Hierfür sind besonders diejenigen Stellen geeignet, an denen die Arterie über einer festen Unterlage verläuft (A. radialis = Speichenarterie, A. carotis = Halsarterie und die A. femoralis = Beinarterie). Wir unterscheiden verschiedene Pulsqualitäten: 1. Pulsus frequens oder rarus: häufiger oder seltener Pulsschlag. Die Pulsfrequenz gibt die Herz frequenz an. 2. Pulsus regularis oder irregularis: Regelmäßiger oder unregelmäßiger Puls. 3. Pulsus magnus oder parvus: Groß oder klein, je nach der Größe des Ausschlages. 4. Pulsus celer oder tardus : Celer = schnellender Puls (nicht zu verwechseln mit der Frequenz), wenn der Puls rasch ansteigt und rasch abfällt. Im Gegensatz hierzu steht der Pulsus tardus, welcher langsam ansteigt und langsam abklingt. 5. Pulsus durus oder mollis: Die Härte des Pulses wird nach der Kraft beurteilt, die man aufwenden muß, um die Arterie zusammenzudrücken. Wenn die Pulsfrequenz beschleunigt ist, d. h. wenn das Herz schneller schlägt, sprechen wir von Tachykardie, schlägt es langsamer als gewöhnlich, von Bradykardie.
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Herz—Blutkreislauf—• Gefäße
B. Erkrankungen des Herzens und des Kreislaufs a) Klappenfehler b) Entrundungen
des Herfens
i . Erkrankungen des Herzens c) Reizleitungsstörungen (= Pankarditis) d) Erkrankungen der
und Rei^bildungsstSrungen Her^kran^gefäße
a) K l a p p e n f e h l e r Eine Untersuchung des Herzens kann in den ersten Stadien der unausgeglichenen Herztätigkeit (Dekompensation) einen völlig negativen Befund ergeben. Ein Geräusch, das über einer Herzklappe zu hören ist, legt zwar den Verdacht einer krankhaften Veränderung dieser Klappe nahe, beweist aber noch keineswegs ihre organische Veränderung. Echte Klappenfehler führen zu einer Störung in derVentilfunktion der Klappe, d.h. der Blutstrom fließt durch ein Ostium zu einer Zeit zurück, wo dieses normalerweise geschlossen sein müßte ( = Klappeninsuffizienz), oder der Blutstrom muß durch eine verengte Klappe „hindurchgepreßt" werden ( = Klappenstenose). Solange sich nun im Blutstrom vor der leistungsunfähigen Klappe keine größere Menge von Restblut ansammelt, ist der Herzfehler ausgeglichen, „kompensiert". Sammelt sich jedoch mehr und mehr Blut in der Kammer vor der Klappe an, z. B. wenn das Herz bei körperlicher Arbeit oder bei Fieber mehr arbeiten muß, dann versucht das Herz zunächst noch durch schnellere Arbeit den Anforderungen gerecht zu werden (Tachykardie). Wenn es das Mehr an Arbeit nicht schaffen kann, wird es leistungsunfähig: es staut sich im rückwärtigen Zuflußgebiet immer mehr Blut, und das Herz ist im Stadium der Unausgeglichenheit, der „Dekompensation". Die Anforderungen, die an das Herz gestellt werden, sind größer, als daß sie von ihm erfüllt werden könnten. Mitralinsuffizienz Die Mitralinsuffizienz, die Schließunfähigkeit der Zweizipfelklappe zwischen dem linken Vorhof ( = Atrium) und der linken Kammer (= Ventrikel), ist der häufigste aller Klappenfehler. Er bleibt nicht selten als narbiger Rest einer rheumatischen Herzinnenhautentzündung ( = Endokarditis) zurück. Hierbei fließt in der Systole, in der das Blut aus der linken Herzkammer in den großen Körperkreislauf getrieben wird, Blut in den linken Vorhof zurück. Es kommt dann rückläufig allmählich zur Stauung in dem dem linken Vorhof vorgelagerten Lungenkreislauf, dann zur Stauung im rechten Herzen und schließlich zur Abflußbehinderung in den Venen des ganzen Körpers. Aus den prall gefüllten Venen tritt langsam Flüssigkeit in das Gewebe über, die „Ödem" genannt wird. Symptome: Im kompensierten Zustand verursacht die Mitralinsuffizienz häufig keine subjektiven Beschwerden. Der Arzt kann auf Grund der physikalischen Veränderungen (Geräusche, Änderung der Herzform) den Klappenfehler bereits erkennen. Die dekompensierte Mitralinsuffizienz zeigt eine Zyanose (Blaufärbung) der Lippen und Stauungserscheinungen, wie sie schon beschrieben wurden: Stauungsbronchitis, Leberstauung, Ödeme. Exakte Kontrolle der Flüssigkeitsein- und -ausfuhr und des Körpergewichtes. Therapie: Durch Ruhe, Salz- und Flüssigkeitsentzug und herzwirksame Medikamente — z. B. Digitalis und Strophanthin — kann man das Herz aus dem Stadium der Dekompensation wieder in das der Kompensation zurückführen. Anregung der Diurese (Harnabsonderung) durch entquellende Mittel (Coffein, Salyrgan, Novurit, Diamox u. a. m.), die nur auf Anordnung des Arztes gegeben werden dürfen. Kleinere Mahlzeiten ohne blähende Speisen. Bei ausgeprägter Zyanose ist es zweckmäßig, den Kopf hochzulagern und die Beine herabhängen zu lassen.
Erkrankungen des Herzens
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Mitralstenose Ursache: Bei der Mitralstenose, die entweder angeboren ist oder den Endzustand einer abgelaufenen Entzündung darstellt, ist der Abfluß des Blutstromes vom linken Vorhof zur linken Kammer erschwert. Dadurch erhält die Peripherie zu wenig Blut, während es sich im linken Vorhof und später auch im Lungenkreislauf staut. Symptome: Die Patienten klagen schon bei geringen Anstrengungen über Atemnot. Bei einer Überanstrengung kann es zur schwersten Dekompensation kommen: Lungenstauung, Leberstauung. Die Neigung zu Ödemen der unteren Extremitäten ist geringer als bei der Mitralinsuffizienz. T h e r a p i e : In der Behandlung muß auf Ruhe, Flüssigkeitseinschränkung und Salzentzug geachtet werden. Eine Verordnung von Herzglykosiden, Digitalis und Strophanthin, geschieht nur durch den Arzt.
Aorteninsuffizienz Ursache: Sie entsteht bei einer Aortenlues oder durch Herzinnenhautentzündung, die narbige Schrumpfungen hinterläßt. Die Insuffizienz der Aortenklappe bewirkt in der Diastole ein Zurückfließen von Blut aus der Aorta in die linke Herzkammer, während gleichzeitig der normale Blutstrom vom linken Vorhof zur linken Kammer fließt. Damit muß die linke Herzkammer in jeder Systole vermehrte Arbeit leisten. Es kommt zur Arbeitshypertrophie der linkenHerzkammerundspäterzur Dilatation (Erweiterung). Symptome: Die Aorteninsuffizienz macht in vielen Fällen lange Zeit keine oder nur geringe Beschwerden. Die Patienten klagen manchmal über Herzklopfen, über störende Ohrgeräusche und neigen zu Ohnmachtsanfällen. Eine ausgeprägte Klappeninsuffizienz ist durch typische Auskultations- und Röntgenbefunde charakterisiert (auskultieren = abhorchen). Die diastolischen Blutdruckwerte liegen sehr niedrig, gelegentlich bei 00 mm. Die Pulswelle ist schnellend (celer) mit steilem, hohem' Anstieg (altus) und jähem Abfall. Dieser „hüpfende Puls" ist häufig an zahlreichen peripheren Arterien zu erkennen. Therapie: Im gegebenen Falle kommt neben einer allgemeinen antiluetischen Behandlung die gleiche Therapie in Betracht, wie bei den anderen Klappenfehlern. Aortenstenose Die Aortenstenose ist in reiner F o r m ein äußerst seltener Klappenfehler; häufiger ist sie mit einer Aorteninsuffizienz kombiniert. Tri kuspidal Insuffizienz Bei der Trikuspidalinsuffizienz fließt in der Systole aus der rechten Herzkammer Blut in den rechten V o r h o f Zurück; dabei entwickeln sich dann langsam Stauungen im großen Körperkreislauf, während der kleine Kreislauf relativ lange unbeeinflußt bleibt.
P u l m o nalsten ose Ursache: Der häufigste angeborene Klappenfehler ist die Stenose der Lungenarterie (Pulmonalstenose). Symptome: Schon seit der Geburt —• oder auch in den ersten Lebensjahren — besteht eine intensive Zyanose ( = Blaufärbung) der Haut. Sie wird durch das Stagnieren ( = Stauen) des venösen Blutes hervorgerufen. Man nennt die Kinder daher auch „blaue Babies" — blue babies —, wie sie im amerikanischen Schrifttum heißen. Dieser angeborene Klappenfehler wird häufig zusammen mit einem Defekt der Vorhofscheidewand, dem sogenannten „offenen Foramen ovale" beobachtet. Dieses ovale Fenster liegt
3°
Herz— Blutkreislauf— Gefäße
zwischen den beiden Vorhöfen und dient dem Blutstrom beim fetalen Blutkreislauf zum Übertritt vom rechten zum linken Vorhof (fetal = zum Foetus gehörig; Foetus = Leibesfrucht vom 3. Monat an). Bis zur Geburt erfolgt die Arterialisierung durch den Mutterkuchen ( = Plazenta) und nicht durch die kindlichen Lungen. Kinder mit diesen Mißbildungen sterben meist frühzeitig, häufig vor den Pubertätsjahren. Heute gelingt es in manchen Fällen, durch einen operativen Eingriff Abhilfe zu schaffen. Weiteres über angeborene Herzfehler s. Bd. II. b) E n t z ü n d u n g e n der H e r z w a n d (Pankarditis) Die akute Entzündung der Herzwand kann alle Schichten einzeln oder gleichzeitig betreffen. Klinisch werden sie dementsprechend als Endokarditis ( = Entzündung der Herzinnenhaut), Myokarditis ( = Herzmuskelschichtentzündung), Perikarditis ( = Herzbeutelentzündung) oder als Pankarditis ( = Entzündung aller Schichten der Herzwand) bezeichnet. Sie entstehen zumeist durch Einwirkung von nachweisbaren Infektionserregern und beim Gelenkrheumatismus. A k u t e E n d o k a r d i t i s (Herzinnenhautentzündung) Ursache: Entzündungen des Endokards lokalisieren sich vorzugsweise im Bereich der Herzklappen, besonders an der Mitralis und an der Aorta. Nicht selten werden beide gleichzeitig befallen. Man unterscheidet bei den akuten Entzündungen pathologischanatomisch die „einfache oder warzenförmige Herzinnenhautentzündung" ( = Endocarditis simplex, verrucosa) und die septische, geschwürsbildende Herzinnenhautentzündung (Endocarditis septica, ulcerosa). Ursache der Endocarditis simplex (verrucosa): Sie tritt auf als akute Krankheit beim Gelenkrheumatismus (häufig in der 2. Woche), ferner bei Scharlach, bei Pneumonien und nach Anginen. Zu Beginn der Erkrankung zeigen sich bei der Endocarditis verrucosa kleine, grauweiße Warzen, die in einem späteren Stadium bindegewebig umgewandelt werden. So kommt es zu bleibenden Verdickungen, Schrumpfungen und Vernarbungen der betroffenen Klappen, die in ihrer Ventilfunktion gestört werden. Symptome der Endocarditis simplex: Zu den Störungen allgemeiner Art gehört vor allem das Fieber, das entweder im Verlauf der Krankheit fortbesteht oder das nach bereits erfolgter Entfieberung neu auftritt. Die Herzbeschwerden sind meist gering: Herzklopfen und Druckgefühl; der Puls ist beschleunigt, meist regelmäßig und weich. Es ist für den Arzt oft nicht leicht, die Endokarditis im Beginn zu erkennen, da die am Herzen wahrnehmbaren Geräusche nicht charakteristisch zu sein brauchen und der Nachweis von Bakterien im Blut nur selten gelingt. Therapie der Endocarditis simplex: Durch große Mengen von Antibiotika kann es in manchen Fällen gelingen, die entzündlichen Prozesse an den Klappen abheilen zu lassen, ohne daß größere Narben zurückbleiben. Es muß strikte Bettruhe eingehalten werden. Durch eine eiweiß- und vitaminreiche Kost wird die Abwehrkraft des Patienten wirkungsvoll unterstützt. Ursache der Endocarditis septica (ulcerosa): Die häufigsten Erreger sind Streptokokken und Pneumokokken; sie lassen sich in zahlreichen Fällen im Blut nachweisen.
Erkrankungen des Herzens
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D i e ulzeröse Endokarditis ist in ihrem V e r l a u f bösartiger. D i e Herzklappen w e r d e n unter G e s c h w ü r s b i l d u n g zerstört. D a b e i besteht die G e f a h r der L o s l ö s u n g v o n G e websteilchen und ihrer V e r s c h l e p p u n g in die Blutbahn ( = Embolie). Symptome der Endocarditis septica: D i e Endocarditis septica stellt eine Teilerschein u n g einer allgemeinen Sepsis dar (Sepsis ist ein Sammelbegriff f ü r eine g r o ß e G r u p p e schwerer bakterieller Allgemeininfektionen). D i e H e r z s y m p t o m e treten klinisch oft hinter den Z e i c h e n der Allgemeinsepsis zurück. D a s Krankheitsbild w i r d dann v o n der W i r k u n g der Bakteriengifte beherrscht: hohes Fieber, nicht selten mit Schüttelfrost, die Gesichtsfarbe ist blaß-zyanotisch ( =
bläulich), der Puls ist beschleunigt
(100—140), w e i c h , leicht unterdrückbar, manchmal unregelmäßig. Niere, M i l z und L e b e r sind o f t mitbeteiligt. I m Blutbild besteht eine deutliche V e r m e h r u n g der w e i ß e n Blutkörperchen ( = L e u k o z y t o s e ) . Therapie der Endocarditis septica: Entsprechend der Schwere des Krankheitsbildes ist auch mit der antibiotischen B e h a n d l u n g ( A u r e o m y c i n , kombiniert mit Penicillin u n d Streptomycin) die septische Endokarditis nur selten z u beherrschen. D i e ulzeröse Endokarditis endet meist tödlich. E i n e besondere F o r m der chronischen Endokarditis ist die Endocarditis lenta. D e r Erreger ist der Streptococcus viridans. Symptome: D e r B e g i n n ist häufig schleichend mit geringen T e m p e r a t u r e r h ö h u n g e n ; H e r z b e s c h w e r d e n w e r d e n selten geäußert. M a n c h m a l w i r d die K r a n k h e i t erst durch Nierenerscheinungen (blutiger Urin) oder durch V e r ä n d e r u n g e n i m Blutbild (Anämie) erkannt. Therapie: B e i zeitigem E r k e n n e n der Endocarditis lenta kann es mit g r o ß e n D o s e n v o n A u r e o m y c i n , meist kombiniert mit Streptomycin und Penicillin, gelingen, Streptok o k k e n u n d Fieber z u beseitigen. D a u e r e r f o l g e sind dann gar nicht so selten. Myokarditis
(Herzmuskelentzündung)
Ursache: D i e akute Myokarditis tritt bei und nach Infektionskrankheiten d u r c h die W i r k u n g der Bakteriengifte auf
(Diphtherie, T y p h u s ,
Scharlach, auch bei
akuter
Polyarthritis rheumatica). Pathologisch-anatomisch bilden sich diffuse oder h e r d f ö r m i g e E n t z ü n d u n g e n i m H e r z m u s k e l g e w e b e aus. D i e Myokarditis kann isoliert oder als T e i l e r k r a n k u n g einer Pankarditis auftreten. Symptome: E s bestehen allgemeine Mattigkeit, ängstliches Erregtsein, Übelkeit, gelegentlich Erbrechen. D i e Patienten zeigen eine auffallend blasse Gesichtsfarbe. D e r Puls ist beschleunigt, o f t arrhythmisch, w e i c h , leicht unterdrückbar. S c h o n die geringste B e w e g u n g läßt die Z a h l der Pulsschläge hochschnellen. D a s E k g ist d e m A r z t ein w e r t v o l l e r Helfer im zeitigen E r k e n n e n der Myokarditis. Therapie: D i e Therapie richtet sich nach der G r u n d k r a n k h e i t . —
D i e Myokarditis
kann durch A n t i b i o t i k a g ü n s t i g beeinflußt, aber o f t nicht verhindert werden. D i e Typhusmyokarditis
heilt i m allgemeinen ohne eingreifende Therapie aus. A m
un-
günstigsten zeigt sich die Diphtherie-Myokarditis. D i e Patienten müssen strenge Bettruhe einhalten. D i e K o s t ist salzarm u n d frei v o n blähenden Bestandteilen z u reichen. D i e medikamentöse B e h a n d l u n g m u ß sehr v o r s i c h t i g d u r c h g e f ü h r t w e r d e n und wird v o m A r z t bestimmt.
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H e r z — Blutkreislauf— Gefäße
Die akute Myokarditis kann in eine chronische übergehen; die Symptome sind meist weniger ausgeprägt.
P e r i k a r d i t i s (Entzündung des Herzbeutels) Die Ent2ündung des Herzbeutels kommt als trockene Perikarditis (Pericarditis sicca) und als feuchte Perikarditis (Pericarditis exsudativa) vor. Oft bestehen gleichzeitig dabei eine Endokarditis und eine Myokarditis ( = Pankarditis). Ursache: In den meisten Fällen ist die Perikarditis eine Begleiterscheinung einer anderen Grundkrankheit, am häufigsten der Polyarthritis rheumatica und der Tuberkulose. A b b . 6. Querschnitt des Herzens (frei nach E. B. Koch) 1
V e n a Cava sup.
2
V e n a Cava inf.
3
Rechte Kammer
4
Atrioventrikularknoten
5
///jsches Bündel
6
Rechter und linker Schenkel
7
Purkinje sehe Fasern
8
Sinusknoten
g
Vorhofseptum
10
Pulmonal venen
11
Linke Kammer
12
Segelklappe
13
Sehnenfäden
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Papillarmuskel
15
Kammerseptum
Die Patienten verspüren bei der Pericarditis sicca oft heftige Schmerzen, während bei der Pericarditis exsudativa eher uncharakteristische Beschwerden geäußert werden. Der Flüssigkeitsmantel im Perikard behindert indessen die Herztätigkeit beträchtlich. Der Puls wird klein, frequent und weich. T h e r a p i e : Der Verlauf der Perikarditis wird in den meisten Fällen durch das Grundleiden bestimmt. Danach richtet sich auch die Therapie. Bei größeren Flüssigkeitsansammlungen kann eine Punktion notwendig werden. Die Folge einer abgeklungenen Perikarditis können Verwachsungen zwischen dem Herzbeutel und dem Herzen sein (Concretio pericardii). c) R e i z l e i t u n g s - u n d
Reizbildungsstörungen
Störungen der Herztätigkeit — Reizleitungs- oder Reizbildungsstörungen — sind meist schon am Pulsschlag zu erkennen. Extrasystolen, die absolute Arrhythmie, die Tachykardie und die Bradykardie verschiedener Entstehung werden der Aufmerksamkeit beim Tasten des Pulses nicht entgehen. Gelegentlich ist es notwendig, daß Arzt und Schwester gleichzeitig Herzschlagfolge und Pulsfrequenz bestimmen. Bei schwerkranken Herzen kann es vorkommen, daß sich der Herzmuskel vergeblich zusammenzieht ( = frustrane Kontraktion), ohne daß eine Puls welle zustande kommt. Man spricht dann von einem Pulsdefizit, das auf der Patientenkurve vermerkt werden muß. Es schwindet, sobald sich der Zustand des Herzens bessert.
Erkrankungen des Herzens
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d) E r k r a n k u n g e n der H e r z k r a n z g e f ä ß e ( = Koronarien) Die krankhaften Veränderungen der Herzkranzgefäße bedeuten für den Herzmuskel durch die jeweils damit verbundenen Ernährungsstörungen eine schwere Schädigung. Ursache: Ursächlich kommen nervöse, krampfartige Verengungen der Gefäße, verkalkende und luetische Veränderungen der Aortenwand in Betracht. Koronarinsuffizienz Ursache: Die Koronarinsuffizienz tritt dann in Erscheinung, wenn der Blutbedarf des Herzmuskels größer als das Blutangebot ist, z. B. bei extremen körperlichen Anstrengungen, bei Kohlenoxydvergiftung, bei nervösen Verkrampfungen der Herz kranzgefäße. Symptome: Die Patienten klagen oft nurüber ein uncharakteristisches Druckgefühlinder Herzgegend, gelegentlich über „Herzstiche". Die ersten Anzeichen lassen sich schon zeitig im Ekg erkennen. Therapie: Die Störungen werden durch nervenberuhigende Medikamente gedämpft; Aufenthalt, Schlafen und Spaziergänge in frischer (d.h.sauerstoffreicher) Luft,, Meiden körperlicher Überanstrengungen. A n g i n a p e c t o r i s (Brustenge) Ursache: Sie tritt auf bei anhaltenden Spasmen, Verkalkung ( = Arteriosklerose) oder bei Lues der Aortenwand mit Einengung des Abgangs der Herzkranzgefäße. Symptome: Die Angina pectoris ist durch ihre stenokardischen Anfälle gekennzeichnet: heftige Schmerzen hinter dem Brustbein, Beklemmung und ein Angstgefühl, das sich zur Todesangst steigern kann. Es ist ein sehr ernst zu nehmendes Leiden, wobei der erste Anfall tödlich sein kann. Die Dauer des Anfalls kann Minuten, auch Stunden betragen. Die Patienten schildern einen bohrenden, krampfenden Schmerz in der Gegend der Herzspitze, der oft in den linken Arm und in die kleinfingerwärts gelegene Hälfte der linken Hand ausstrahlt •—• seltener zum Kopf oder in den rechten Arm. Die Anfälle können nach körperlicher Anstrengung, aber auch aus völliger Ruhe (Schlaf) auftreten. Die zweite Form ist im allgemeinen prognostisch ernster zu beurteilen. Der Kranke sieht im schweren Anfall blaß und verfallen aus, er ist mit kaltem Schweiß bedeckt und meidet jede Bewegung. Sogar das Sprechen fällt ihm schwer. Gelegentlich muß er erbrechen. In den meisten Fällen ist es so, daß. der Patient um seine Krankheit weiß oder daß das Ekg, wenn es sich um den ersten Anfall gehandelt hat, später die Diagnose bestätigt. Therapie: Die Behandlung muß zwei Ziele verfolgen: einmal gilt es, die Grundkrankheit zu bessern, zum anderen — im Anfall — müssen die Herzkranzgefäße erweitert werden, damit dem Herzmuskel genügend Sauerstoff zugeführt wird. Dies kann durch Nitrokörper geschehen. Nikotin, ein Gefäßgift, muß gemieden werden.
Herzmuskelinfarkt Ursache: Der Herzmuskelinfarkt (infarzieren = hineinstopfen) beruht häufig auf einer Thrombose einer sklerotischen Herzkranzader: durch die Verstopfung eines Gefäßes wird ein ganzer Herzteil von der Sauerstoffzufuhr abgeschnitten. Symptome: Man beobachtet den Herzinfarkt bei Männern häufiger als bei Frauen (9: 1). Das gefährliche Alter ist die Zeit zwischen 50 und 60 Jahren. Das Krankheitsbild wird in der Regel von einem schweren, schmerzhaften Anginapectoris-Anfall beherrscht. Dem anginösen Dauerschmerz mit Todesangst folgt eine Dietrich Bd.I
3
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Hetz—-Blutkreislauf— Gefäße
Herzschwäche mit Blutdruckabfall. Die Temperatur kann ansteigen (38°), im Blutbild besteht eine Leukozytose. Ein Fehlen des Schmerzes spricht nicht gegen einen Infarkt. In anderen Fällen tragen die anginösen Schmerzen eine Maske: der Patient klagt über Schmerzen im Leib, der Leib ist aufgetrieben wie bei einer akuten Erkrankung im Bauchraum. Das Ekg spielt eine bedeutende Rolle in der Erkennung des Herzinfarktes, wenngleich es auch „stumme Infarkte" gibt, die sich nicht elektrokardiographisch nachweisenlassen. Verlauf: Der Herzinfarkt ist eine sehr ernste und schwere Krankheit. Nach Statistiken großer Kliniken sterben fast 50% der Kranken im ersten Anfall. Bei denen, die ihn überleben, besteht noch in etwa einem Drittel der Fälle die Gefahr eines Rezidivs. Therapie: Im Anfall wird der Arzt ein Betäubungsmittel verordnen. Es ist seine Aufgabe zu entscheiden, ob der Patient kleine Strophanthindosen und periphere Kreislaufmittel benötigt. In den ersten Tagen läßt man den Kranken eine mit Sauerstoff angereicherte Luft (Sauerstoffbombe, Sauerstoffzelt) atmen. 2. Erkrankungen des Kreislaufs und der Gefäße a) Hypertonie (Bluthochdruck) b) Hypotonie (Blutdruckerniedrigung)
c) Embolie d) Thrombose
a) H y p e r t o n i e Ursache: Die Hypertonie, der erhöhte Blutdruck, beruht häufig auf einer Erhöhung der Widerstände im großen Blutkreislauf. Die Verkalkung der Arteriolen, welche den Kapillaren vorgeschalten sind, erfordert eine vermehrte Kraft, um das Blut aus dem linken Herzen in die Peripherie zu bringen. Der Herzmuskel vergrößert sich — er hypertrophiert — um dieser Anforderung zu genügen. Es gibt auch einen Bluthochdruck, der bei intakten Gefäßen und normaler Nierenfunktion ohne bisher erkennbare Ursache entsteht: der „essentielle Hochdruck". Symptome: Der Verlauf ist wechselnd, ein Teil dieser Patienten leidet an Kopfschmerzen, Ohrensausen und Schwindelerscheinungen. Die systolischen Blutdruckwerte liegen durchschnittlich zwischen 200—250 mm Hg (Hg = Quecksilber). Therapie: Die Behandlung richtet sich nach dem Grundleiden: kochsalz- und fleischarme Kost sind neben Einschränkung von Nikotin, Kaffee und Alkohol sehr zu empfehlen. b) H y p o t o n i e Ursache: Eine Erniedrigung des Blutdrucks, eine Hypotonie, beobachten wir oft bei akuten und chronischen Infektionskrankheiten, bei einer Nebennierenerkrankung, dem Morbus Addison, bei Erschöpfungszuständen, bei großen Blutverlusten und infolge einer Vasomotorenlähmung (z. B. durch Diphtheriebakteriengifte). Symptome: Die Patienten ermüden schnell, sind leistungsschwach und klagen über Kopfschmerzen und Schwindelerscheinungen. Die systolischen-Blutdruckwerte sind nicht höher als 105—100 mm Hg. Therapie: In der Therapie muß zunächst die auslösende Ursache berücksichtigt werden. Arsen- und phosphorhaltige Stärkungsmittel haben sich neben peripher angreifenden Kreislaufmitteln bewährt. In manchen Fällen sind Massagen, gymnastische Übungen und Bürstenbäder nützlich.
Der „akute Kreislauf kollaps"
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c) E m b o l i e Ursache: Embolie ist die Verschleppung eines Blutgerinnsels in eine Arterie. Das Gerinnsel stammt in den meisten Fällen aus dem Herzen oder aus einer Vene. Die letzteren gelangen durch das Herz in die Lunge: Lungenembolie; die Gerinnsel aus dem linken Herzen, der Aorta, und den Lungenvenen werden in die Arterien des großen Kreislaufes getrieben. Symptome: Embolien verursachen Infarkte. Ihnen folgen Ernährungsstörungen in den Geweben, die von der betroffenen Arterie versorgt wurden. Unter Umständen kann es, sofern die verstopfte Arterie eine Endarterie ist, zur völligen Nekrose (Gewebstod) kommen. Das Schicksal des betroffenen Gewebsteiles hängt von dem Umfang arterieller Verbindungsbahnen ab (= Kollateralenbildung). In allen Organen können Embolien auftreten. Manchmal können die Patienten einen plötzlichen, lokalisierten Schmerz angeben; sitzt der Embolus in einem hautnahen Gefäß, so kann man deutlich an der blassen Farbe die von der Sauerstoffzufuhr abgeschnittenen Gewebsteile erkennen. Embolien in die Hirngefäße bieten das klinische Bild eines Schlaganfalles (=Apoplexie). Eine häufige und sehr ernste Form der postoperativen Embolie ist die Lungenembolie. Bei kleinen verschleppten Thromben in die Lunge spricht man von „Lungeninfarkten". d) T h r o m b o s e Ursache: Verlangsamung des Blutstromes und Veränderungen der Venenwand begünstigen das Entstehen eines Blutgerinnsels in einer Vene: Thrombose. Am häufigsten werden die Venen der unteren Körperhälfte, besonders bei bettlägerigen, herzkranken Patienten befallen. Tritt zur Thrombose ein entzündlicher Prozeß, so sprechen wir von einer Thrombophlebitis. Symptome: Die Kranken verspüren einen intensiven Schmerz in dem befallenen Körperteil. Häufig bildet sich dann, bedingt durch eine Abflußbehinderung, ein Ödem. In der Behandlung ist dringend darauf zu achten, daß die thrombosierte Vene ruhiggestellt wird, um ein Mobilisieren und Verschleppen des Thrombus zu verhüten. Therapie: In der Behandlung der Embolien und Thrombosen sind die gerinnungshemmenden Mittel (Antikoagulantien) unentbehrlich geworden. Darüber hinaus verfolgen alle Maßnahmen das Ziel, die Sauerstoffzufuhr in dem von der arteriellen Versorgung abgeschnittenen Organteil und Gewebe wieder zu ermöglichen. Patienten, die mit Antikoagulantien behandelt werden, müssen besonders sorgfältig beobachtet werden; denn bei Uberdosierung droht eine neue Gefahr: die Blutung. Sie kann sich an der äußeren Haut (blaue Flecken), an den sichtbaren Schleimhäuten (Zahnfleisch und Nasenschleimhaut), aber auch an den inneren Schleimhäuten (Niere, Darm) zeigen.
Der „akute Kreislaufkollaps" Für die Krankenschwester ist es wichtig zu wissen, wie sie sich — bis zum Erscheinen des Arztes — bei einem plötzlichen Kreislaufversagen zu verhalten hat. Grundsätzlich gilt folgendes: bei ausgeprägter Zyanose der Lippen (des Kopfes) und bei Dyspnoe (Atemnot, Kurzatmigkeit) wird der Kopf hochgelagert, während man die Beine herabhängen läßt. Erscheint der Patient hingegen blaß, ist seine Haut feucht-kalt, ist der Puls beschleunigt, fadenförmig und leicht unterdrückbar, so ist es ratsam, den Kranken flach zu lagern, so daß Kopf und Beine in einer Horizontalen liegen. Daneben ist es wichtig, für Frischluft und absolute Ruhe zu sorgen. Beengende Kleidungsstücke lösen. Die weiteren Anordnungen trifft der Arzt. 3*
III. Magen-Darmkanal A. Physiologie des Stoffwechsels und der Verdauung — Stoffwechselkrankheiten
B. Erkrankungen des Magen-Darmkanales
A. Physiologie des Stoffwechsels und der Verdauung 1. Ernährung ). Zwischenstoffwechsel 2. Physiologie der Verdauung 4. Stoffwechselerkrankungen /. Nahrung
1. Ernährung a) Kohlenhydrate b) Eiweiße c) Fette
d) Kalorienlehre e) Zusätzliche Nahrungsmittel f ) Vitamine (A, B, C, D, E, H, K)
Jede für die Erhaltung eines Lebewesens ausreichende Nahrung muß eine große Zahl verschiedener Stoffe enthalten; die meisten von ihnen sind körperfremde Stoffe und müssen durch geeignete Umformung so vorbereitet werden, daß aus ihnen körpereigene aufgebaut werden können. Fehlt einer dieser lebensnotwendigen Stoffe, so kommt es zu Ausfallerscheinungen oder Fehlleistungen des Körpers — wir bezeichnen das allgemein als Krankheit. Eine ausreichende Nahrung muß folgende Bestandteile enthalten: Kohlenhydrate, Eiweiße, Fette, Salze (Mineralien), Wasser und Vitamine. Die Ernährung dient dem Aufbau der einzelnen Körperzelle und damit dem Körper insgesamt; sie ist unsere Energieund Wärmequelle. Die Nahrung ist abhängig von der Jahreszeit, von der Körpergröße, vom Geschlecht und von verschiedenen Drüsen mit innerer Sekretion. Das Eiweiß dient vornehmlich dem Aufbau der Körperzelle, Kohlenhydrate und Fette vorwiegend der Wärmebildung und der Kraftentfaltung. Das Wasser spielt eine sehr entscheidende Rolle im menschlichen Organismus. Es ist der Hauptbestandteil unseres Körpers und der meisten Nahrungsmittel. Durst ist weit schlechter zu ertragen als Hunger. Große Wasserverluste — beziehungsweise Flüssigkeitsverluste — können das Leben gefährden. Die wichtigsten Mineralien, die der Körper benötigt, sind Natrium, Kupfer, Eisen, Kalium, Kalzium, Chlor, Phosphor, Schwefel und Jod. Er benötigt sie zur Aufrechterhaltung physikalisch-chemischer Zustände seiner Säfte und Gewebe. a) K o h l e n h y d r a t e Die Gruppe der Kohlenhydrate umfaßt eine große Zahl von Stoffen, die vorwiegend im pflanzlichen Organismus vorkommen und sehr verschiedene Funktionen zu erfüllen haben. Wie alle organischen Bausteine der lebendigen Substanz werden die Kohlenhydrate im pflanzlichen Organismus unter Ausnutzung der Energie des Sonnenlichts aufgebaut. Die Kohlenhydrate bestehen aus Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H) und Sauerstoff (O). Chemisch betrachtet wirken die Zucker reduzierend, d. h. Sauerstoff entziehend; sie sind optisch aktiv und vergärbar.
Ernährung
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Es sind zu unterscheiden: Monosaccharide (einfache Zucker), bestehend aus einem Molekül Zucker Disaccharide (Doppelzucker), bestehend aus zwei Molekülen Zucker Polysaccharide (mehrfache Zucker), die sich jeweils aus mehreren Zuckeranteilen zusammensetzen.
Als Molekül bezeichnet man den kleinsten, mechanisch nicht mehr zerlegbaren Baustein eines Stoffes. Einfache Zucker (Monosaccharide) (echte Zucker) Traubenzucker Fruchtzucker Galaktose Mannose
( = Glukose, = Dextrose) ( = Fruktose, = Laevulose) (im Milchzucker enthalten) (kommt frei in Pflanzen vor)
Doppel^ucker (Disaccharide) Rohrzucker (Saccharose) besteht aus je einem Molekül Glukose und Fruktose Milchzucker (Laktose) besteht aus je einem Molekül Glukose und Galaktose Cellobiose besteht aus zwei Molekülen Glukose Malzzucker (Maltose) besteht ebenfalls aus zwei Molekülen Glukose
Mehrfache Zucker (Polysaccharide) Pflanzliche Stärke (Reservekohlenhydrat der Pflanze) Tierische Stärke ( = Glykogen, Reservekohlenhydrat für den tierischen Organismus) Cellulose (Gerüstsubstanz der Pflanzen)
Die Hauptkohlenhydratträger unserer täglichen Nahrung sind Brot, Mehl, Stärke, Kartoffeln und Zucker. Sie werden durch verschiedene Verdauungssäfte ( = Fermente) aus den hochmolekularen Polysacchariden abgebaut zu den einfachen Monosacchariden; als solche werden sie von der Darmwand in die Blutbahn aufgenommen und, soweit ein Überschuß an Traubenzucker im Blut vorhanden ist, als Glykogen ( = tierische Stärke) im Muskel und in der Leber gespeichert, um von dort bei Bedarf wieder mobilisiert zu werden. Die Kohlenhydrate werden im Körper „verbrannt" zu CO ä und H a O (Kohlendioxyd und Wasser). Der Mensch nimmt täglich etwa 500,0 g Kohlenhydrate zu sich. b) E i w e i ß e Die Eiweiße zeigen ebenfalls, ähnlich den eben besprochenen Polysacchariden, einen zusammengesetzten Aufbau aus verschiedenen Bestandteilen. Die einzelnen Bausteine sind die „Aminosäuren", von denen bisher 20 verschiedene bekannt sind, charakterisiert durch eine chemische Gruppe, die Aminogruppe. „Einfache Eiweißstoffe" bestehen nur aus Aminosäuren; die „zusammengesetzten Eiweißstoffe" enthalten neben den Aminosäuren noch andere chemische Gruppen. Jeder einzelne Baustein enthält wiederum Kohlenstoff (C), Wasserstoff (H), Sauerstoff (O), Stickstoff (N) und in geringem Maße Schwefel (S). Wegen des Stickstoffes sind die Eiweiße besonders wertvoll und durch nichts zu ersetzen: Denn nur sie sind fähig, den wachsenden Organismus aufzubauen und zugrunde gegangene Zellen zu ersetzen. Der Körper kann nur in geringem Maße Eiweiße in Depots speichern — z. B. in der Leber. Es sind tierische Eiweiße (in Eiern, Milch, Fleisch) und pflanzliche Eiweiße (in Hülsenfrüchten und im Gemüse) zu unterscheiden. Im Körper werden die Eiweiße zunächst zu den hochmolekularen
3»
Magen-Darmkanal
Spaltprodukten, den Peptonen und Albumosen aufgespalten. Eine weitere Aufspaltung erfolgt über die Polypeptide bis zu den Aminosäuren. In diese Bausteine zerlegt, werden die einzelnen Bestandteile in dem erforderlichen Umfange zur Ergänzung des körpereigenen Eiweißbestandes herangezogen. Beim endgültigen Abbau werden sie in niedermolekulare Stickstoffträger, Wasser und Kohlendioxyd zerlegt und als solche ausgeschieden. Die stickstoffhaltigen Schlacken werden durch die Niere mit dem Harn ausgeschieden. Wichtige Eiweiße sind z. B.: Albumin, Globulin, Glykokoll und die schwefelhaltigen Eiweiße — wie Zystin, Zystein und Methionin. Eine anhaltend eiweißarme Ernährung führt zu schwersten Schäden. Die täglich notwendige Eiweißmenge ( = das biologische Eiweißminimum) beträgt i g pro Kilo Körpergewicht. Uber kürzere Zeiträume kann der Körper auch einmal mit kleineren Mengen auskommen: im letzten Kriege z. B. betrug die Zuteilung in Deutschland nur 30,0 g täglich. Die Qualität der einzelnen Eiweiße ( = biologische Wertigkeit) ist verschieden. So beträgt die Wertigkeit für Milcheiweiß 100%, für Fleisch 90%, für die Kartoffel 80% und für Hülsenfrüchte nur 25 %. Physikalisch-chemisch betrachtet sind auch die meisten Eiweiße optisch aktiv, d. h. sie drehen die Ebene des polarisierten Lichtes. c) F e t t e Fette sind Verbindungen des dreiwertigen Alkohols Glyzerin mit Fettsäuren (Palmitin-, Stearin- und Ölsäure). Sie sind nicht in Wasser löslich, sondern nur in sog. „organischen" Lösungsmitteln, wie Tetrachlorkohlenstoff, Äther, Chloroform, Benzin, Azeton. Sie bestehen ebenfalls aus Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Es gibt tierische Fette (Butter, Talg, Lebertran) und pflanzliche Fette (Olivenöl, Mandelöl und Rizinusöl). Nach langem Stehen und bei Hinzutritt von Luft werden Fette ranzig; chemisch gesehen, werden sie dabei in ihre Bausteine, in Glyzerin und in Fettsäuren aufgespalten. Die Fettsäuren werden weiter abgebaut zu Aldehyden und Ketonen. Die Fette dienen der Wärmeerzeugung — daher ist im Winter der Verbrauch größer als in den übrigen Jahreszeiten. Als tägliche Fettmenge gelten 56,0g als ausreichend. Einige Erkrankungen (z. B. Leberschäden) erfordern eine Einschränkung der Fettmenge. Man kann, in Anlehnung an das notwendige tägliche Eiweißminimum, auch von einem täglichen „Fettminimum" sprechen, das etwa 8,0 g beträgt: einige sog. „fettlösliche Vitamine" (A — D — E — K) kann der Körper nur mit Hilfe der Fette aufnehmen. Weiter benötigt der Körper zum Aufbau noch einige „fettähnliche Stoffe": die Lipoide, Zerebroside, Phosphatide, Cholesterine und Lezithine; sie sind im Eigelb und in der Hirnsubstanz enthalten. Ihre Ähnlichkeit mit den Fetten beschränkt sich lediglich auf ihre Löslichkeit in organischen Lösungsmitteln. d) K a l o r i e n l e h r e Der Wert der einzelnen Nahrungsmittel wird in Wärmeeinheiten ausgedrückt. Nach dem Ernährungswissenschaftler Rubner liefern 1,0 g Fett 9,3 Kalorien, 1,0 g Eiweiß 4,1 Kalorien und 1,0 g Kohlenhydrate ebenfalls 4,1 Kalorien. Eine sog. „große" Kalorie ist die Wärmemenge, die benötigt wird, um 1 / Wasser von 15 ° C auf 16 ° C (also um i°) zu erwärmen. Die Kenntnis dieser Zahlen ist die Voraussetzung für die kalorische Berechnung einer Kostform.
Ernährung
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Zusammensetzung und Kaloriengehalt verschiedener Nahrungsmittel (gekürzt aus: H. Schall, Nahrungsmitteltabelle, 1947) 100 g enthalten ohne Abfälle Fleisch, mager (auch Wild) Fleisch, fett (auch fettes Geflügel) Leber Schinken, gekocht Speck, gesalzen und geräuchert Wurst, hart Wurst, Streichwurst Fisch, mager (Schellfisch) Fisch, fett (Hering) .' Geräucherter Fisch, fett (Bückling) 1 Hühnerei Vollmilch Magermilch, Buttermilch Rahm i. D Rahmkäse (50% Fett) Magerkäse Quark (aus Magermilch) Butter, Margarine Schmalz Öl, Tran Weizen, Vollkornmehl Roggen, Vollkornmehl Stärkemehl (Mondamin u. ä.) Weißbrot (friedensmäßig) Vollkornbrot i. D Schwarzbrot (Roggen) Weizenbrot i. D Knäckebrot Zwieback Nudeln, Makkaroni Grieß, Puddingmehl Reis Kartoffeln, frisch Erbsen, getrocknete Linsen Bohnen, getrocknete Grüne Erbsen Grüne Bohnen Gurken Kürbis Tomaten Spinat Grüner Salat Kohl (weiß, rot) Sauerkraut (eingemacht) Grüner Kohl Gelbe Rüben, Möhren Rote Rüben u. ä Rettich
Eiweiß
Fett
20,5
3 3 3,5 34 68
18 17,5 3>5 6
2
2
44 14
15
7
o.5
20
8,5
7
6,5 3,5 o,7 15
3 2 3 32
17
Kalorien
0 0
110 290
3 0 0 0
" 5 410
2
5 11 16
3.i 3.3
Kohlenhydrate
17,5 0 0 0
4.7 3,5 1,8
4.5 4,0
1,2 82 96 100
11,0 8
1
1.5
75 125 165 85
o.3 4,7
3° 4
°>5 0 0
655 5I2 24O
°,5 0 0 71
74
65
40 165 400 185 95
765
910 930
35° 345
0
82
o,5
8
1 1 1
56,5 45 52
48
34o 258 235 230 230
9
i,5
69
320
°.5 5.5 8.5 6
7.5
2
73
9
o,5 °,5
7 °2
°,5 0
76 20,5
11
6,5 M 16,5 18 18
4.5 2
o,5 1
o.5 i.5 1
M 1
3.5
1 1
i>5
o,5 o,5 o,5 0 0 0 0 0 0 0 0
0 0 0 0 0
7
350 335 337 343 90
45
2
44,5
260
io.5
60
5,5
3° 5 2 5 15 15 15
40
1
5,5 3.5 i,5
2
4 4 8,5 7
2
55
45
20 20 40
5,5
3° 30
7
35
40
Magen-Darmkanal 100 g enthalten ohne Abfälle
Radieschen Kohlrabi Sellerie Pilze (frisch) i. D Pilze (getrocknet) i. D Milei Hefenährflocken (Waldhof) Äpfel, Birnen i. D Steinobst, Pflaumen u. ä. i. D Apfelsinen (mit Schale gewogen) Zitronen Bananen Dörrobst (Äpfel, Birnen) i. D Feigen Datteln Nüsse (trocken, geschält) i. D Himbeeren, Erdbeeren Weintrauben Marmeladen (mit Zucker gekocht) Honig, Kunsthonig Zucker
Eiweiß
Fett
1 0 1
0 0 0 °>5 1 1 3 0 0 0 0 0 0 0 0 56,5 0 0 0 0 0
2 21
32 5° o,5 °>5 °>5 o,5 1 2
2,8 1,6 12
1 o,5 o.5 0 0
Kohlenhydrate 5 5 7.5 2.5 24 5° 30 12 16 12
8 22
56 58 72 6
7 17
60
79 98
Kalorien 15
20
35 20
195 335 350
55 7° 55 7° 96 240 250 300 600 40
75 250 325 400
Der Grundumsatz (Ruhenüchternwert) ist der Mindestkalorienverbrauch des Organismus in Ruhe; denn zur Erhaltung lebenswichtiger Vorgänge muß der Körper eine Mindestmenge an Nährstoffen umsetzen. Zur Verbrennung der Nahrungsmittel wird Sauerstoff benötigt. Als „Verbrennung" bezeichnet man in der Ernährungslehre alle Oxydationsprozesse; das sind chemische Reaktionen, bei denen Sauerstoff verbraucht wird. Man kann daher auch die Verbrennungsvorgänge mit Hilfe des Gaswechsels bei der Atmung messen. Die Menge des eingeatmeten Sauerstoffes und des ausgeatmeten Kohlendioxyds (man spricht nicht ganz korrekt auch von Kohlensäure) zeigen das Ausmaß der im Körper ablaufenden Verbrennungsvorgänge an. Das Verhältnis dieser beiden Faktoren zueinander — eingeatmeter Sauerstoff und ausgeatmetes Kohlendioxyd — nennt man den „respiratorischen Quotienten". Bei der Bestimmung des Grundumsatzes ist folgendes zu beachten: Der fieberfreie Patient muß 3 Tage vor Beginn der Grundumsatzbestimmung eiweißfrei ernährt werden, um die stoffwechselsteigernde Komponente der Eiweiße auszuschalten. Er darf außerdem nicht unter dem Einfluß von Beruhigungsoder Schlafmitteln stehen, und selbstverständlich muß vor dem Versuch auch die geringste körperliche Leistungssteigerung vermieden werden (also auch nicht ins Labor laufen!). Der Patient muß mindestens 12 Stunden vor der Grundumsatzbestimmung nüchtern bleiben. Dann läßt man ihn aus einem geschlossenen, mit Sauerstoff gefüllten Behälter etwa 10 Minuten lang einatmen und fängt die Ausatmungsluft in einem anderen Gefäß auf. An Hand des verbrauchten Sauerstoffes und des ausgeatmeten Kohlendioxyds läßt sich berechnen, wieviele Kalorien bei den Verbrennungsvorgängen im Körper umgesetzt worden sind. Durch eine einfache Rechnung läßt sich dann der entsprechende Tageswert ermitteln.
Ernährung
41
D e r Grundumsatz ist v o n bestimmten Faktoren abhängig — v o n der Größe, v o m Gewicht, v o m Alter, v o n der Körpertemperatur, v o m Geschlecht und unter anderem auch v o n der Tätigkeit der Schilddrüse; er ist aber nicht allein abhängig von der Schilddrüsentätigkeit. M a n rechnet pro kg Körpergewicht mit einem täglichen Kalorienbedarf v o n 25 Kalorien — demzufolge benötigt ein Mensch mit 70 kg Körpergewicht täglich einen Mindestsatz v o n 1 7 5 0 Kalorien—-beim Säugling ist der Bedarf dreimal so groß, bei Jugendlichen doppelt so groß. Durch körperliche Arbeit wird der Stoffwechsel gesteigert — so benötigt ein körperlich schwer arbeitender Mann 3000 bis 5000 Kalorien. e) Z u s ä t z l i c h e 1.
Nahrungsmittel
Wasser dient als Lösungsmittel für Nahrungsmittel und Salze. Ohne Wasser wäre ein Transport v o n Zelle zu Zelle nicht möglich. D e r tägliche Bedarf an Flüssigkeit
Tabelle des Kochsalzgehaltes der wichtigsten Speisen ( m g % ) nach Rindfleisch Kalbfleisch Schweinefleisch Aal Flußfische Seefische: Kabeljau Seezunge ölsardinen Kaviar Ei Eigelb Kuhmilch Sahne Butter, ungesalzen Margarine ungesalzen Palmin Quark Gervais, ungesalzen Rahmkäse, ungesalzen Mehle Hafergrütze Haferflocken Reis Mais (Mondamin, Maizena) Zwieback Teigwaren: Nudeln Makkaroni Kartoffeln, geschält Gelbe Erbsen Weiße Bohnen Grüne Erbsen
. . . .
. . . . . .
0.11 0,13 0,1 0,021 0,01—0,06 0,16 0,41 0,12 3.0 0,084 0,03 0,16 0,13 0,69 1,56 0,1 0,002 0,18 0,13 0,2 •—
0,028 0,2 0,006
. . . . . . . .
0,06 0,046 0,067 0,067 0,082 0,1 0,09 0,05
Schall
Blumenkohl Kohlrabi Kohl, sonst Sauerkraut Rüben Rettich Sellerie Tomaten Melone Gurke Zwiebel Spargel Spinat Obst: Kernobst Steinobst Beeren Rosine Backpflaumen Korinthe Nüsse Pilze etwa getrocknet Schokolade Kakao Gewürze: Kapern Maggi Senf Zwiebel Getränke: Bier Lagerbier Weißbier
0,04 0,09 0,06—0,09 o,73 0,06 0,12 0,25 0,13 0,1 0,01 0,07 0,05 0,06 0,21 0,002—0,03 0,003—0,1 0,001—0,02 0,16 0,08 0,09 0,002—0,1 0,03 0.17 0,07 0,12 0,2 1,8 2,6 0,03 0,016 0,16 0,015
Magen-Darmkanal
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beträgt 15 00 bis 2000 cm3. Der größte Teil wird als Harn durch die Niere ausgeschieden, ein geringerer Teil durch die Haut, durch die Lunge und mit dem Kot. 2. Mineralien • 3. Vitamine. £) V i t a m i n e Vitamine sind keine Kalorienträger, sie stellen jedoch lebensnotwendige „Zusatzstoffe" dar. Bei Mangel oder längerem Fehlen treten lebensbedrohliche Störungen auf (Avitaminosen). Es sind fettlösliche Vitamine (A, D, E, K) und wasserlösliche (B, H und C) 2u unterscheiden. Die meisten Vitamine sind nicht kochbeständig — eine Tatsache, die bei der Zubereitung berücksichtigt werden muß. Vitamin A (auch als Epithelschutzvitamin oder als antixerophthalmisches Vitamin bezeichnet) schützt das Epithel vor Verhornung. Die Verhornung des Epithels der Tränendrüse führt zum Versiegen der Tränensekretion und damit zur Schädigung der Hornhaut. Es kommt zur Blindheit ( = Xerophthalmie). Eine weitere Störung, die bei Fehlen von Vitamin A auftritt, ist die Nachtblindheit, die Unfähigkeit, im Dunkeln zu sehen; sie wird ausgelöst durch Regenerationsstörungen des Sehpurpurs in der Netzhaut. Die Netzhaut ist das Gewebe des menschlichen Körpers, das den höchsten Gehalt an Vitamin A aufweist. Bei längerem Fehlen kann es auch zu Schädigungen anderer Organe kommen, die mit Epithel ausgekleidet sind (z. B. des Scheidenepithels); bei Kindern führt es zur Hemmung des Wachstums. Vitamin A kommt vor im Lebertran, in der Butter, im Eidotter, im Spinat, im Salat und in Tomaten. Eine Vorstufe, das Provitamin A, ist das Karotin in den gelben Möhren. Ein Handelspräparat ist Vogan. Vitamin A ist ein Gegenspieler ( = Antagonist) des Schilddrüsenhormons. Vitamin B — treffender der Vitamin-B-Komplex, da es mehrere gibt. Die ersten Erkenntnisse stammen auch hier aus dem Tierversuch: man gab Hühnern nur polierten Reis; sie bekamen schwere neuritische Störungen (Neuritis = Nervenentzündung) und gingen an Krämpfen und Lähmungserscheinungen zugrunde. Das Vitamin Bj, darum handelt es sich hier, ist im Silberhäutchen von unpoliertem Reis enthalten. Wir bezeichnen es auch als antineuritisches Vitamin. In der täglichen Nahrung findet es sich u. a. im Vollkornbrot. Eine Mangelerkrankung von B j ist die Beri-Beri, die zuerst in Ostasien beobachtet wurde, wo sich ein großer Teil der ärmeren Bevölkerung überwiegend von poliertem Reis ernährte. Zugeführt wird B x dem Körper in Hefe- und Malzextrakten, in der Leber und in Hülsenfrüchten (medikamentös mit exakt dosierten Handelspräparaten). Beim Menschen sind die Symptome des Vitamin-B ^Mangels die gleichen, wie sie bei den Versuchstieren geschildert wurden: neuritische Störungen, später Ödeme und schwere Veränderungen der Herzfunktion. Im Blut zeigt sich eine Lipämie (Verfettung des Blutes).
Ernährung
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Die Pellagra ist eine Erkrankung, die bei Mangel an B 2 und B 6 auftritt und durch Hautveränderungen, Haarschwund, Durchfall und schließlich durch seelische Veränderungen charakterisiert ist. Bei Fehlen von B 2 ( = Laktoflavin) kann es zu Wachstumsstörungen kommen; daher auch Wachstumsvitamin! Die Vitamine B 2 und B 0 befinden sich in Getreidekeimlingen und in der Leber. Von großer Bedeutung im menschlichen Organismus ist schließlich noch das B 1 2 , ein Reifungsfaktor der roten Blutkörperchen (Erythrozyten), über das beim Besprechen der Bluterkrankungen noch eingehend zu berichten sein wird. Vitamin B 1 2 ist in der Medizin bekannt als der „Antiperniziosafaktor". Vitamin C, antiskorbutisches Hormon, ist außer für den Menschen nur bei zwei Tieren von Bedeutung: beim Affen und beim Meerschweinchen. Andere Tiere, z. B. Ratten, Hunde und Vögel können Vitamin C selbständig in der Leber aufbauen — sie brauchen es nicht in der Nahrung aufzunehmen. Bei Fehlen von Vitamin C in der Nahrung kommt es zum Skorbut: Zahnfleischblutungen, Haut- und Schleimhautblutungen und Herzstörungen durch Blutungen im Herzmuskel. Bei Säuglingen führt der Mangel an Vitamin C zu Blutungen unter die Knochenhaut, unter das Periost (Mö/Ier-Bar/owsche Krankheit). Folgezustände bei Mangel von Vitamin C: Schlaflosigkeit, Appetitlosigkeit, allgemeine Leistungsschwäche und Anfälligkeit gegenüber Infektionskrankheiten. Skorbut trat früher häufig bei langen Seereisen, bei arktischen Expeditionen und immer dann auf, wenn der Körper lange Zeit mit konservierten Nahrungsmitteln ernährt wurde. Im Körper des Menschen findet sich Vitamin C in den hormonbildenden Organen, in der Hypophyse, in der Nebenniere und im Gelbkörper der Eierstöcke; daraus schließt man, daß es wahrscheinlich zur Bildung dieser Hormone notwendig ist. Der tägliche Bedarf des menschlichen Organismus liegt bei 30 bis 50 mg. Es kommt u. a. vor in Zitronen, Orangen, Grapefruits, Tomaten, Hagebutten, Kartoffeln und in fast allen Gemüsen. Beim Tier finden wir es in der Nebenniere in gespeicherter Form. Pharmazeutische Präparate gibt es in größerer Zahl. Vitamin D = antirachitisches Vitamin. Bei Mangel dieses Vitamins in der Nahrung kommt es zur Rachitis. Diese Störung tritt vorwiegend im Wachstumsalter des Kindes in Erscheinung; es kommt zu einer Störung des Längenwachstums der Knochen und zu einer Hemmung der Verkalkung an der Knorpel-Knochengrenze. Auf Grund einer Entmineralisierung (Fehlen von Kalzium und Phosphor) der Knochen werden sie unter der Last des Körpergewichtes weich und verbiegen sich. Am übrigen Knochensystem kommt es auch zu Veränderungen: der rachitische Rosenkranz an den Rippen, die Harrüonsche Furche am Brustkorb und das rachitische Becken, das bei Geburten eine besondere Komplikation darstellen kann. Auch beim Erwachsenen kommt es beim Fehlen von Vitamin D zu Knochenveränderungen, zur Osteomalazie (Knochenerweichung). Das osteomalazische Becken spielt in der Geburtshilfe eine Rolle. Beim Vitamin D besteht die Gefahr einer Überdosierung (Hypervitaminose). Durch künstliche Überdosierung können vorzeitige Verkalkungen der Gefäße des Herzens und der Niere auftreten. Chemisch gibt es mehrere Vorstufen, Provitamine, die durch Bestrahlung mit ultraviolettem Licht (Sonnenlicht) zum Vitamin D werden. Das wichtigste dieser Provitamine ist das Ergosterin, das aus dem in allen Körper-
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Magen-Darmkanal
zellen vorhandenen Cholesterin entsteht. Daher müssen kleine Kinder, falls ärztlicherseits keine Gegenindikation besteht, einer vernünftig dosierten Sonnenbestrahlung ausgesetzt werden. Das Vitamin ist hitzebeständig und leicht fettlöslich. MitderMuttermilch erhält der Säugling sein notwendiges Vitamin D. Es kommt ferner vor im Lebertran (hierbei entstammt das Vitamin D den Meeresalgen), in der Milch, in der Butter, im Eigelb u. a. im Bückling. Ein Medikament, das Vitamin D in konzentrierter Form enthält, ist das Vigantol. Es muß vorsichtig und unter ärztlicher Kontrolle gegeben werden. Es kann sonst zu unerwünschten Kalkablagerungen kommen. Vitamin E = Antisterilitätsvitanjin. Das Wissen über dieses Hormon erstreckt sich bis heute im wesentlichen auf Erkenntnisse im Tierreich. Die Honigbiene wird nur dann Königin, wenn sie dieses Vitamin E besitzt; bei Ratten führt das Fehlen zum Ausfall der Geschlechtsfunktionen, zum Muskelschwund und schließlich zu Lähmungen. —• Bei Pflanzen ist es zum Austragen der Frucht notwendig. Vitamin H wird in der Niere und in der Leber gespeichert. Ohne Vitamin H kommt es, vorwiegend bei Kindern, zu einer Erkrankung der Haut und der Talgdrüsen: zur Seborrhoe. Es nimmt unter den Vitaminen eine Sonderstellung ein, weil es weder wasser- noch fettlöslich ist, und erst nach vorhergehender Eiweißverdauung im Darm freigelegt wird. Daher muß es bei Störungen im Eiweißstoffwechsel zu Resorptionsstörungen des Vitamin H und dadurch zu Hauterkrankungen kommen. Chemisch ist bis heute über dieses Vitamin noch recht wenig bekannt. Es ist in Getreidekeimlingen enthalten. Vitamin K ist als blutungshemmender Faktor bekannt und spielt im Leberstoffwechsel eine wichtige Rolle. Unter seinem Einfluß wird Prothrombin gebildet, das in der Blutgerinnung eine wesentliche Vorstufe darstellt (s. dort). Es wird dem Patienten bei Leberschäden und vor Gallenblasen- und Leberoperationen gegeben, um eine Blutungsgefahr zu verhüten. Der Vitamin-K-Test ist als Leberfunktionsprobe von Bedeutung. Das Vitamin wird von Darmbakterien gebildet und nur dann ausreichend resorbiert, wenn der Galleabfluß in den Darm intakt ist, da es fettlöslich ist. 2. Physiologie der Verdauung (Die Lehre von den normalen Verdauungsvorgängen) a) Speichel b) Magensaft
c) d) e)
Pankreassaft Calle
Darmsafi
Die Verdauung hat den Zweck, die Nahrungsstoffe in einfache, aufnahmefähige Spaltprodukte zu zerlegen. Das geschieht auf dem Wege von der Mundhöhle bis zum Dünndarm in verschiedenen Etappen und unter der Einwirkung von Fermenten. Sie gehören zu den Katalysatoren, jenen Stoffen, die durch ihre bloße Anwesenheit einen chemischen Vorgang hemmen oder beschleunigen können. Bei organischen Vorgängen nennt man sie Fermente. Ein Ferment ist ein Wirkstoff, der in einen Verdauungsvorgang eingreift, ihn in entscheidender Weise beeinflußt, selbst aber nicht verändert wird, sondern am Ende dieses physiologisch-chemischen Vorganges un-
Physiologie der Verdauung
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verändert erscheint. So entstehen unter der Wirkung von spezifischen Fermenten aus den Eiweißen Aminosäuren, aus den Polysacchariden Monosaccharide und aus den Fetten Fettsäuren und Glyzerin. Die Bausteine der Kohlenhydrate und Eiweiße werden, nachdem sie von der Darmwand aufgenommen worden sind, auf dem Blutwege, Fettsäuren auf dem Lymphwege transportiert. a) S p e i c h e l In der Mundhöhle wird mit Hilfe der Zähne die Nahrung mechanisch zerkleinert, d.h. ihre Oberfläche wird vergrößert, wodurch sie den verschiedenen Wirkstoffen eine bessere Angriffsmöglichkeit bietet. Gleichzeitig wird beim Kauen die Speise mit Speichel vermischt, schlüpfrig gemacht und mit Ferment und Schleim gemischt. Täglich werden etwa i1/^ Speichel im Mund gebildet. Er enthält das Sekret von drei großen, paarigen Drüsen, die mit ihren Ausführungsgängen in der Mundhöhle enden: die Ohrspeicheldrüse, die Unterzungen- und Unterkieferdrüse. Die Parotis ( = Ohrspeicheldrüse) ist eine sog. „Eiweißdrüse", die überwiegend Fermente liefert, während die beiden anderen, weil sie mehr Schleim liefern, als „Schleimdrüsen" bezeichnet werden. Die Sekretion dieser Drüsen setzt reflektorisch ein. „Das Wasser läuft im Munde zusammen" — beim Anblick oder bei der Vorstellung einer besonders leckeren Speise. Neben Ptyalin, Maltase und Schleim sind im Speichel noch Lymphozyten, Leukozyten, abgeschilferte Epithelien, Bakterien, Speichelkörperchen und Salze, wie Natrium, Kalium, Kalzium und Rhodan vorhanden. Rhodan soll eine bakterientötende Wirkung haben. Durch Adrenalin wird die Sekretion angeregt, durch Atropin gehemmt. Die mit Speichel vermischte und zerkleinerte Nahrung gelangt beim „Schlingakt" in den Magen. Hier wirkt das Ptyalin weiter auf die Kohlenhydrate ein, bis auch die inneren Schichten des Speisebreis sauer werden. Speichel enthält kein eiweißund kein fettspaltendes Ferment. Speichel:
Ferment:
Wirkung (im alkalischen Milieu):
1. Ptyalin 2. Maltase
Stärke ( = Polysaccharid) wird in Maltose gespalten ( = Disaccharid) Maltose wird weiter abgebaut zum Traubenzucker ( = Monosaccharid).
b) M a g e n s a f t i1/
Täglich werden etwa i l Magensaft produziert, der aus Salzsäure (0,4 bis 0,6%; das Chlor wird dem NaCl des Blutes entnommen), Muzin (Schleim), Fermenten (Pepsin) und Salzen besteht. Im Magensaft des Säuglings findet man Labferment, ebenfalls im Kälbermagen. Lab spaltet das Milcheiweiß, Kasein, in Parakasein und Molkeneiweiß (Gerinnung) 1 ). Die Salzsäure wird von den Belegzellen der Fundusdrüsen gebildet. Sie hat verschiedene Aufgaben in der Verdauung: 1. Quellung und Denaturierung der Eiweiße, die dadurch für Fermente leichter angreifbar werden. 2. Aktivierung des Pepsinogens, einer Vorstufe des eiweißwirksamen Fermentes Pepsin. Dann wirkt sie 3. antiseptisch und übt 4. eine Wirkung auf den Pylorusverschluß (Magenschließmuskel) aus. *) Das Molkeneiweiß wird bald in den Dünndarm weiterbefördert, während das ausgefällte Parakasein im Magen verbleibt und der Fermentwirkung zugänglich ist. Für den Säugling ist die Labgerinnung von größter Bedeutung, da er noch keine Salzsäure bilden und somit kein Pepsin aktivieren kann.
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Magen-Darmkanal
Nach der Nahrungsaufnahme wird ein Teil der Salzsäure (HCl) an Eiweiße gebunden. Wir bestimmen chemisch die „freie" und die „gebundene" Salzsäure; beide stehen in einem bestimmten Mengenverhältnis zueinander. Gesamtsalzsäure (Gesamtazidität)
Eiweiß + HCl ( = gebundene HCl)
HCl ( = freie HCl)
Magensonde — Zwölffingerdarmsonde Um über die Magensaftverhältnisse ein klares Bild zu gewinnen, wird der Magen des nüchternen Patienten ausgehebert. 1 . Die einfache Magenausheberimg zeigt, welche Saft- und Schleimmengen beim nüchternen Patienten im Magen vorhanden sind. In manchen Fällen genügt es dem Arzt zu wissen, ob Salzsäure vorhanden ist. 2. Beim Probefrühstück nimmt der Patient nüchtern eine trockene Semmel und einen halben Liter Tee zu sich; 20 Minuten später wird der gesamte Mageninhalt mit einem dicken Magenschlauch ausgehebert und filtriert, um die Speisereste zurückzuhalten; der Magensaft wird dann titriert. 3. In der inneren Medizin ist die „fraktionierte Aushebung", die Verweilsonde, die am häufigsten angewandte Methode, um sich ein klares Bild über die Magensaftverhältnisse zu schaffen. Man läßt den Patienten einen dünnen Schlauch schlucken. Zunächst wird in 10 Minuten Abstand jeweils der gesamte Nüchternsaft abgezogen — dann wird der Coffeinprobetrunk (300 ccm Wasser + 0,2 g Coffein pur., zur Kontrolle ist er mit Methylenblau angefärbt) als Reizlösung eingegeben; anschließend werden alle 10 Minuten 10 bis 15 ccm Magensaft abgezogen, bis der gewonnene Magensaft farblos geworden ist, d. h., die angefärbte Reizlösung den Magen verlassen hat. Der nun produzierte farblose, reine Magensaft wird alle 10 Minuten in ganzer Menge abgezogen und später ebenfalls titriert. 4. Bei der Duodenalsondierung wird der dünne Schlauch nach Einführung in den Magen bei Rechtslage des Patienten durch den Pförtner weiter in den Zwölffingerdarm geführt (90 cm). Der gewonnene Duodenalsaft wird auf Gallenfluß, Gallenfarbstoffgehalt (Galle I und Galle II) und nach Ätherreflex auf Pankreassaft (Pankreas = Bauchspeicheldrüse) untersucht. Der Gallenblasenreflex wird mit Magnesium sulfuricum, Eigelb, Hypophysin oder Olivenöl, der Pankreasreflex mit Äther ausgelöst. Ätherreflex. 4 ccm Narkoseäther werden in 2 Portionen zu je 2 ccm, getrennt durch eine Injektion von 5 ccm Luft, durch die Verweilsonde eingespritzt. Danach tritt, auch bei einer gesunden Bauchspeicheldrüse, nach 1 bis 2 Minuten ein heftiger Schmerz auf, der aber nach wenigen Minuten abklingt. Liegt keine Pankreasstörung vor, so fließt nach 5 bis 10 Minuten eine hellgelbe Flüssigkeit ab, die vermehrt Pankreasfermente enthält ( = positiver Ätherreflex). Bleibt dieser Reflex aus, so liegt der Verdacht einer entzündlichen Pankreasstörung oder einer mechanischen Abflußbehinderung nahe. Auf der Höhe des Ätherreflexes werden 2 bis 4 ccm des abfließenden Sekretes entnommen und im Labor untersucht. Nach Möglichkeit soll man von einer Sondierung des Magens oder des Zwölffingerdarms absehen, wenn in diesem Bereich ein Karzinom oder ein blutendes Geschwür wahrscheinlich ist. Zeigt sich bei der Sondierung hellrotes Blut, muß die Untersuchung abgebrochen werden. Folgende Abweichungen vom normalen Salzsäuregehalt im Magensaft sind zu unterscheiden: 1. Hyperazidität, wie sie häufig beim Magengeschwür erkennbar ist (Hyperazidität = Zuviel an Salzsäure). 2. Anazidität, die in den meisten Fällen von Magenkrebs beobachtet wird (Anazidität = Fehlen an Salzsäure). 3. Achylie, das völlige Fehlen von Fermenten und HCl ist für die Anaemia perniciosa typisch. 4. Hypazidität ( = Subazidität) zu wenig Salzsäure.
Physiologie der Verdauung
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Pepsin ist das eiweißspaltende Ferment des Magens,, das die Eiweiße bis zu den Peptonen aufschließt. Die Hauptzellen im Magenanfangsteil (Fundus) bilden das Pepsinogen, das durch die Salzsäure aktiviert wird. Im Magen werden die Peptone noch nicht in die kleinsten Bausteine der Eiweiße, in die Aminosäuren aufgespalten. Die Absonderung des Magensaftes erfolgt auf verschiedene Reize: 1. Psychisch — durch die Vorstellung, den Anblick oder den Geruch eines besonders leckeren Gerichtes läuft das „Wasser im Munde und Magen zusammen". Der äußere Reiz wird über die Großhirnrinde und von dort über den Nervus Vagus geschaltet und löst so die Sekretion des „Appetitsaftes" aus {Pawlow%ohs, Scheinfütterungsversuche an Hunden; Paivlow, Physiologe in Petersburg, 1849—1936). 2. Chemisch — durch Kochsalz, Alkohol, Coffein, Gewürze, Fleischextrakt u. a.; bei direkter Berührung dieser Saftlocker mit der Magenschleimhaut bildet sich „Freßsaft". 3. Reiz der Magensaftsekretion durch subkutan injiziertes Histamin (Histamin = körpereigener Stoff, der im Darm gebildet wird).
Dudus crw/eMiii Abb. 7. Bauchspeicheldrüsengang und Lebergänge münden im Bereich der Va/erschcn Papille {Vater: Anatom in Wittenberg 1684—1751) in den Zwölffingerdarm
Abgesehen von der Verdauungsarbeit erfüllt der Magen noch weitere Funktionen als Vorratskammer, als Schutzorgan des Darmes, in dem später die eigentliche Aufnahme in den Körper vor sich geht (Resorption). c) P a n k r e a s s a f t Täglich produziert der Körper 1 bis i 1 / 2 1 Bauchspeicheldrüsensaft ( = Pankreassekret), dessen chemische Reaktion alkalisch ist. Die Bauchspeicheldrüse, die wichtigste Verdauungsdrüse des menschlichen Organismus, liefert folgende Fermente: 1. Trypsin, ein Fermentgemisch zur Weiterspaltung der Peptone. Es kann sämtliche Eiweißstufen spalten bis zu den Aminosäuren. 2. Diastase und Maltase, zur Verdauung der Kohlenhydrate bis zu den Monosacchariden. 3. Lipase ( = Steapsin), das Hauptferment zur Fettverdauung. Bei Vorhandensein von Gallensäuren spaltet sie die Nahrungsfette in Glyzerin und Fettsäure.
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Magen-Darmkanal
W i e a r b e i t e t die B a u c h s p e i c h e l d r ü s e ? Bei Übertritt des sauren Mageninhalts in den Zwölffingerdarm ( = Duodenum) kommt es zu einer kräftigen Pankreas Sekretion: das Prosekretin der Darmschleimhaut wird durch Salzsäure zu Sekretin aktiviert. Das Sekretin gelangt auf dem Blutweg ins Pankreas und löst dort die Sekretion aus. d) G a l l e Der menschliche Körper bildet täglich einen Liter Galle (Reaktion alkalisch). Galle ist das Sekret der Leberzellen, das sich mit dem Pankreassaft in den Zwölffingerdarm ergießt. Galle enthält keine Fermente! Bestandteile: 1. Muzin (Schleim) verleiht der Galle ein fadenziehende Konsistenz. 2. Gallenfarbstoffe: Bilirubin und Biliverdin (Oxydationsprodukt). 5. Gallensäuren. 4. Cholesterin, Lezithin und Salze. Z u 2. Der Blutfarbstoff der zerfallenen Blutkörperchen kann nicht zum Wiederaufbau neuer Blutkörperchen verwandt werden. Er wird als Abfallprodukt in Form von Gallenfarbstoffen ausgeschieden. Sie haben für die Verdauung keine Bedeutung (wichtiges Diagnostikum!). Im Darm entsteht durch Bakterientätigkeit Urobilinogen, das zum größten Teil im K o t ausgeschieden, z. T . aus dem Darm resorbiert (resorbieren = zurückschlürfen) und im Urin ausgeschieden wird. Ein dritter Teil wird zur Leber rückresorbiert und wieder zu Bilirubin verarbeitet. Die Farbe des Kotes ist bedingt durch Sterkobilin, einem Farbstoff, der aus Bilirubin entsteht. Z u 3. Cholesterin und Lezithin stammen auch aus den in der Leber zugrunde gegangenen Erythrozyten. Sie werden ebenfalls als Abfallprodukte in der Galle ausgeschieden. Z u 4. Die Gallensäuren sind von der Galle die allein spezifisch wirksamen Bestandteile. Die wichtigsten Gallensäuren sind die Cholsäure, die Desoxycholsäure und die Lithocholsäure.
W i r k u n g der G a l l e n s ä u r e n i m O r g a n i s m u s Obgleich die Galle keine Fermente enthält, hat sie -doch wichtige funktionen zu erfüllen:
Verdauungs-
1. Die Oberflächenspannung wird niedriger, und somit werden die Fette für die Verdauungsfermente besser angreifbar. Die Gallensäuren verbinden sich mit den Fettsäuren zu wasserlöslichen Choleinsäuren. 2. Aktivierung der Pankreaslipase, die die Fette verseift. 3. Die Gallensäuren ermöglichen die Aufnahme der Fette aus dem Darm in die Lymphgefäße. Danach werden die Gallensäuren abgespalten und wieder der Leber zugeführt (Aufnahme ohne Gallensäuren nicht möglichl).
F o l g e n einer gestörten
Gallenabsonderung
Zunächst leidet die Fettverdauung, besonders ihre Aufnahme aus dem Darm. Dann wird auch der Eiweißstoffwechsel gestört, weil die unverdauten Fette die Eiweißbausteine umhüllen und dadurch ihre restliche Aufspaltung verhindern (stinkende Fettstühle). Außerdem gehen bei Stauung der Galle die Gallenfarbstoffe ins Blut über: Gelbsucht. Urobilin und Urobilinogen fehlen im Harn, wenn keine Galle in den Darm fließt. Braunfärbung des Urins ist durch Bilirubin bedingt, der Stuhl wirkt durch das Fehlen von Sterkobilin grau = farblos. Man spricht von einem acholischen Stuhl.
Der intermediäre Stoffwechsel (Zwischenstoffwechsel)
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e) D a r m s a f t Die Hauptverdauung findet im Dünndarm statt. Die Darmwand selbst liefert auch Fermente (Erepsin, Diastase), die in ihrer Bedeutung jedoch hinter den übrigen Fermenten zurücktreten. Der Darmsaft wird von den Brunnerschen und den Lieberkühnschen Drüsen (Brunner, 1653—1727; Lieberkühn, Arzt in Berlin, 1 7 1 1 — 1 7 5 6 ) im gesamten Dünndarm geliefert. Der Speisebrei wird durch die Bewegungen des Darms mit den verschiedenen Verdauungssäften gut vermischt, Kohlenhydrate, Fette und Eiweiße werden in ihre kleinsten Bausteine aufgespalten. Die Verdauungsvorgänge sind im Dünndarm abgeschlossen. Der Rest der Nahrungsbestandteile, die nicht zur Resorption kommen, besteht hauptsächlich aus Wasser, Schleim, Epithelien und unverdaulichen Nahrungsresten. Die Stoffe werden im Dickdarm durch Einwirkung von Bakterien in K o t umgewandelt und dann auf natürlichem Wege unter Beimischung von Urobilinogen und Sterkobilin aus dem Körper ausgeschieden. Ein Dickdarmsekret gibt es nicht. Die Dickdarmschleimhaut liefert lediglich Schleim. Eine vorwiegend pflanzliche Nahrung liefert viele Schlacken •—• daher „schlackenreiche Kost". Sie enthält unverdauliche Zellulose, die die Darmtätigkeit anregt. Bei krankhaften Voraussetzungen kann es im Darm zu Gärungs- und Fäulnisprozessen kommen. Gärung entsteht durch die Spaltung N-freier Verbindung in einfache Stoffe unter Mitwirkung von Mikroorganismen, Fäulnis beim Abbau N-haltiger Substanzen. 3. Der intermediäre Stoffwechsel (Zwischenstoffwechsel) a) Resorption der Kohlenhydrate
b) Resorption der Fette
c) Resorption der Eiweiße
Nach der fermentativen Aufspaltung der Nahrungsstoffe ist die 1. Phase des Stoffwechsels beendet. Es beginnt ihre Aufsaugung durch die Darmwand. Diese „Resorption" geht z. T. mit dem Spaltungsprozeß parallel. Das Hauptorgan der Resorption ist der obere und mittlere Dünndarm. Die Frage nach den Kräften, die für das Zustandekommen der Resorption verantwortlich sind, ist viel diskutiert worden und auch heute noch umstritten. Sie ist nicht nur als eine einfache Filtration vom Darmvolumen in die Blutbahnen und Lymphbahnen zu verstehen; sicher schaltet sich auch die Darmwand selbst aktiv in diesen Prozeß ein. Die gespaltenen Nahrungsstoffe werden vom Körper auf zweierlei Weise verwandt. Bei sofortigem Bedarf werden sie auf dem Blut- oder Lymphwege den entsprechenden Körperteilen zugeführt und dort verbrannt. Über die freiwerdenden Energien kann der Körper sofort verfügen. Besteht für den Körper kein sofortiger Bedarf, werden die aufgenommenen Stoffe in Depots für später abgelagert. a) R e s o r p t i o n der K o h l e n h y d r a t e Sie ist erst nach Aufspaltung in ihre einfachsten Bausteine, die Monosaccharide, möglich. Sie gelangen in einem komplizierten chemischen Vorgang durch die Pfortader in die Leber. Hier findet unter Mitwirkung von Insulin, dem Inkret der Bauchspeicheldrüse, der Aufbau von Monosacchariden 1 ) zu Glykogen statt. Glykogen wird in der Glukose, Fruktose, Galaktose, Mannose. D i e t r i c h Bd.t
4
5o
Magen-Darmkanal
Leber und in der Muskulatur als Depot abgelagert. Es dient als Energiequelle und wird bei Bedarf durch das Nebennierenhormon — Adrenalin — wieder mobilisiert und abgebaut. Der Blutzuckerspiegel zeigt den Gehalt des strömenden Blutes an Zucker. Er ist im wesentlichen konstant: 60 bis 120 mg%. Ein komplizierter Regulationsmechanismus sorgt auch in extremen Fällen, bei großer Zufuhr von Kohlenhydraten und bei anstrengender Muskeltätigkeit, für seine Konstanz. Bei erhöhter Kohlenhydrataufnahme wird Glukose 1 ) zu Glykogen aufgebaut. Diese Aufbauvorgänge werden in der Ernährungsphysiologie ganz allgemein als „Assimilation" bezeichnet. Bei gesteigerter Muskelarbeit veranlaßt das Adrenalin die Leberzellen zum Abbau von Glykogen zu Glukose. Die chemischen Vorgänge, die zum Abbau von Stoffen führen, nennt man „Dissimilationsprozesse". Die Regulierung dieses komplizierten Mechanismus erfolgt über das im Zwischenhirn gelegene Zuckerzentrum. M^eitsp/^
Milchsäure (ausgeschieden als C 0 2 u. H 2 0 )
Glykogen (Monosaccharide)
phase Abb. 8
Vorwiegend durch Verbrennung von Zucker deckt der Körper seinen Energiebedarf. Die Leber ist in sämtliche Stoffwechselvorgänge, nicht nur in den Zwischenstoffwechsel der Kohlenhydrate, sondern auch in den der Eiweiße und Fette eingeschaltet. Ihre völlige Entfernung führt zum Tode. b) R e s o r p t i o n der F e t t e Die Fette werden, wie bereits beschrieben, in Glyzerin und Fettsäuren aufgespalten. Mit Hilfe der Gallensäuren werden die Fettsäuren resorbiert und gelangen über die Chylusgefäße (Chylus=Darmlymphe) und den Ductus thoracicus (Milchbrustgang) in den venösen Kreislauf. Neben ihrer Funktion als Reserve- und Energiestoff dienen sie dem Wärmeschutz des Körpers. Es gibt Depot- und Organfette. Das Depotfett wird in erster Linie in den Zellen des Unterhautzellgewebes abgelagert, um die Nieren, um die Bauchspeicheldrüse im Mesenterium (== Dünndarmgekröse) und im großen Netz. Bei Bedarf wird das Depotfett mobilisiert, und es gelangt zur Verarbeitung in die Leber. Das Zell- oder Organfett ist ein unentbehrlicher Bestandteil jeder Zelle das auch in Hungerzeiten kaum angegriffen wird. Die Fette werden nach dem Prinzip der „ßOxy dation" zu CO a und H a O abgebaut (s. S. 5 4). Zum Verständnis später zu beschreibender ') == Dextrose =
Traubenzucker.
Erkrankungen des Stoffwechsels
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Stoffwechselstörungen ist es wichtig zu wissen, daß dabei /3-Oxybuttersäure, Azetessigsäure und Azeton entstehen. Dieser stufenweise erfolgende Abbau ist eng an den Abbau der Kohlenhydrate gekoppelt. c) R e s o r p t i o n d e r E i w e i ß e Die bei der Verdauung aus dem Eiweiß entstehenden Aminosäuren werden resorbiert und auf dem Blutwege den Körperzellen, hauptsächlich der Leber zugeführt, wo sie zu „körpereigenem Eiweiß" aufgebaut werden. Die Eiweiße dienen vornehmlich dem Aufbau und der Erhaltung der Körperzellen. Beim Erwachsenen gibt es kein Organ, das Eiweiß in nennenswerter Menge speichern könnte. Daher ergibt sich die dringende Forderung nach dem „täglichen Eiweißminimum" in der Nahrungsaufnahme. Beim Abbau der Eiweiße entstehen Aminosäuren und Fettsäuren; letztere werden wie die übrigen Fettsäuren zu CO a und H a O abgebaut und ausgeschieden. Was geschieht beim Eiweißabbau mit dem Stickstoff (N) im Organismus ? Zunächst erscheint er als Ammoniak, der in der Leber z. T. zu Harnstoff verarbeitet und durch die Niere im Harn ausgeschieden wird. Ein kleinerer Rest des Ammoniaks dient zur Neutralisation von Säuren im Körper, die im Verdauungsprozeß entstehen; es wirkt also entgiftend. Beim Menschen, bei Säugetieren und Fischen ist Harnstoff das Endprodukt des Aminosäurestoffwechsels, bei Vögeln, Reptilien und Wirbellosen ist es die Harnsäure. Eiweiße
! Trypsin Aminosäure
! I
r NHj (Ammoniak)
I
Fettsäuren
Jl
Jl
I
^-Oxydation bei Zuckerharnruhr Harnstoff
Harnsäure
(Mensch)
(Vögel)
Azetonkörper (Kohlendioxyd u. Wasser)
4. Erkrankungen des Stoffwechsels
a) Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus, Zuckerharnrühr, Pankreasdiabetes)
h) Gicht
Zuckerkrankheit Ursache: Nach Entfernung oder bei Unterfunktion der Bauchspeicheldrüse werden Blut und Gewebe mit Zucker überschwemmt (Hyperglykämie), und es wird Zucker im Harn ausgeschieden (Glykosurie). Der Grund hierfür liegt in der fehlenden oder mangelnden Produktion des Insulins durch die Langerhansschcn Inseln in der Bauch4'
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Magen-Darmkanal
speicheldrüse1). Die Leber ist außerstande, aus den durch die Darmwand aufgenommenen Monosacchariden, den einfachen Zuckern, den Speicherstoff Glykogen aufzubauen. Wir bezeichnen dieses Krankheitsbild als Zuckerharnruhr, Diabetes mellitus. Er befällt vorwiegend Menschen im mittleren Lebensalter und Männer häufiger als Frauen; aber auch Jugendliche und Kinder können erkranken. Im Orient und den Mittelmeerländern tritt die Zuckerharnruhr besonders häufig auf. Die Anlage, sogar zur Schwere der Erkrankung, ist erblich; es können aber auch gelegentlich Infekte oder im Alter verkalkende Gefäßprozesse als Ursache der Zuckerharnruhr in Betracht kommen. Das Insulin ist das Inkret der Bauchspeicheldrüse. Es ist heute unbestritten, daß auch die anderen hormonbildenden Organe, allen voran die Hypophyse, Einflüsse auf das Pankreas ausüben. („Inkrete" sind Stoffe, die von den Drüsen direkt ins Blut abgegeben werden. Im Gegensatz hierzu bezeichnet man als „Sekrete" Absonderungen, die dem Körper durch Drüsenausführungsgänge zugeleitet werden.) Die Grundlagen für die Untersuchungen der Zuckerharnruhr legten die beiden deutschen Kliniker von Mehring und Minkowski. Schon 1889 entfernten sie beim Meerschweinchen die Bauchspeicheldrüse und untersuchten dann den Kohlenhydrat-Stoffwechsel. Zül^er gelang es 1908 als erstem, einen Wirkstoff aus dem Pankreas zu extrahieren. 1 9 2 2 konnten Best und Banting in Amerika einen reineren Extrakt darstellen, den sie Insulin nannten. E s war eine gute Tat, daß sie sofort und ohne Vorbehalt ihre Forschungsergebnisse veröffentlichten und sie allen Menschen in der ganzen Welt zugänglich machten. Chemisch betrachtet ist Insulin ein Eiweiß, das durch Fermente, wie jeder andere Eiweißkörper abgebaut wird. Daher kann man es bis heute nur intramuskulär und intravenös verabreichen. Eine „Internationale Insulineinheit" ist jene Menge, die den Blutzucker eines 2 K i l o schweren, nüchternen Kaninchens in drei Stunden auf 45 m g % herabsetzt ( = Krampfgrenze. Normaler Blutzuckerspiegel des Menschen: 80 bis 1 2 0 m g % ) .
Symptome: Hat sich die Stoffwechselentgleisung im Zuckerhaushalt bis zu einer gewissen Höhe entwickelt, so klagen die Patienten über ein starkes Durstgefühl, über allgemeine Mattigkeit und Unlust, über Depression und Abmagerung infolge mangelhafter Ausnutzung der Kohlenhydrate; manche auch über anhaltende Nervenschmerzen, Haarausfall oder Neigung zu Eiterungen. Die Harnmengen sind stark vermehrt; 3000 bis 8000 cm2 in 24 Stunden sind keine Seltenheit. Die in einem Tage im Urin ausgeschiedenen Zuckermengen schwanken zwischen wenigen und über hundert Gramm, wovon die Erhöhung des spezifischen Gewichtes des Harnes abhängt. Bei Fortbestehen der Krankheit kommt es zum Schwinden des Leber- und Muskelglykogens. Aus therapeutischen und prognostischen Gründen unterscheidet man, je nach Schwere der Erkrankung, verschiedene Formen: die leichte, die mittelschwere und die schwere Form des Diabetes mellitus. Maßgebend für diese Einteilung ist nicht die in 24 Stunden im Urin ausgeschiedene Zuckermenge, nicht die Höhe des Blutzuckerspiegels, sondern die Frage, ob und bei welcher Diät sich der Patient zuckerfrei halten läßt. Und wenn er zuckerfrei ist, bei welcher Kohlenhydratmenge er zuckerfrei gehalten werden kann (Toleranzgrenze). Diese „Einstellung" erfolgt am besten in einem Krankenhaus. Man kann dabei so vorgehen, daß man mit einem Gemüsetag beginnt, wodurch die allgemeine Stoffwechsellage gebessert wird. Dann reicht man eine kalorisch berechnete Kost, in der 1 bis 3 g Kohlenhydrat je kg Körpergewicht des Patienten, 1 g Eiweiß je kg und so Langerhans, Pathologe in Madeira, 1 8 4 7 — 1 8 8 8 .
Erkrankungen des Stoffwechsels
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viel Fett enthalten sind, daß der Kalorienbedarf ohne Überschuß gedeckt wird. Ein besonders geeignetes Kohlenhydrat sind Haferflocken, da sie langsam verwertet werden und den Zuckerhaushalt nur wenig belasten. Bei günstiger StofFwechsellage kann die Kohlenhydratmenge bis zur Toleranzgrenze erhöht werden. Gelegentlich wird der Begriff der Zulage verwendet, wobei 12 g Kh = 13 g Zucker = 20 g Weißbrot = 25 g Graubrot = 50 bis 60 g Kartoffeln entsprechen. Die Zulagen können gegen andere Nahrungsmittel ausgetauscht werden. Ausiauschtabelle Eine Zulage = i2gKh
= 13,0 g Zucker = 20 g Weißbrot (eine dünne Scheibe eines iooo-g-Brotes) = 25 g Vollkorn-, Graham-, Schwarz-, Schrotbrot oder Pumpernickel = 15 g Zwieback = 15 g Weizen- bzw. Roggenmehl, Maizena, Mondamin, Reis, Sago, Grieß ( = 1 gehäufter Eßlöffel) = 20 g Haferflocken = 18 g Nudeln, Makkaroni, Graupen = 60 g Kartoffeln (hühnereigroß) = 25 g Hülsenfrüchte (Bohnen, Erbsen usw.) = 120 g Äpfel, Birnen, Kirschen, Apfelsinen, Mandarinen, nicht ganz ausgereifte Aprikosen, Pfirsiche und Ananas = 150 g Pflaumen, Erdbeeren = 200 g Johannis- und Heidelbeeren = 60 g Bananen, Feigen, Datteln, Weintrauben = 575 g Paranüsse = 100 g Mandeln, Walnüsse, Erdnüsse, Haselnüsse = Vi l helles Bier = V8 / Malzbier 1/4 / herben Wein, Rotwein oder reinen ungesüßten Fruchtsaft, = z. B. Apfel-, Kirsch- oder Johannisbeersaft 1 j i 1 Voll- oder Magermilch = = V3 l Sauer- oder Buttermilch 1/2 / Sahne = = 40 g Kakaopulver
Therapie: Ergibt sich aus der Schwere der Zuckerkrankheit die Notwendigkeit der Insulingabe, so kann man es z. B. als Depotinsulin einmal täglich spritzen oder auch als Altinsulin vor jeder Mahlzeit. Das zu entscheiden ist Aufgabe des Arztes. Es gilt die Faustregel, daß für 2,0 g ausgeschiedenen Harnzucker eine Insulin-Einheit gespritzt wird. In jüngster Zeit wird ein Sulfonamid erprobt, das in entscheidender Weise in den Kohlenhydratstoffwechsel eingreift und den Blutzuckerspiegel senkt. Dieses Präparat trägt den Namen BZ 55 (Nadisan). Seine blutzuckersenkende Wirkung wurde rein zufällig entdeckt. Ein weiteres orales Antidiabetikum ist das Artosin. Wir wissen heute, daß in den „Langerhansszh.a\ Inseln" zwei verschiedene Zelltypen zu unterscheiden sind: a-Zellen 1 ) und /3-Zellen. Die /S-Zellen produzieren Insulin, während in den a-Zellen wahrscheinlich ein insulinhemmender Wirkstoff gebildet wird, das Glukagon. Das Präparat BZ 55 hemmt wahrscheinlich die Produktion des in den a-Zellen gebildeten Glukagons. Es kommt zu einem relativen Überwiegen des in den /3-Zellen a = Alpha = a; ß = Beta = b (a und ß — griechische Buchstaben).
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Magen-Darmkanal
gebildeten körpereigenen Insulins. Dadurch wird die Gesamtstoffwechsellage der Diabetiker gebessert. Ein Ersatz für Insulin ist BZ 55 nicht. Es muß sich durch die Erprobung zeigen, ob das Mittel auch bei längerer Anwendung unschädlich ist. Coma diabeticum Komplikation: Bei der Zuckerharnruhr, wenn Insulin mangelt, entgleist auf die Dauer nicht nur der Kohlenhydrat-Stoffwechsel, sondern es kommt auch häufig zu einer Störung des Fettsäureabbaus; diese wiederum kann zu einer für den Diabetes mellitus spezifischen, bis zur Entdeckung des Insulins sehr oft tödlichen Ausgangsform führen, dem Coma diabeticum (Koma = Bewußtlosigkeit). Ursache: Wenn im Organismus die Kohlenhydrate nicht verbrannt werden, was beim Diabetes mellitus der Fall ist, dann kommt es auch zu einer Störung des Fettsäureabbaues. Die als normale Zwischenprodukte beim Abbau der Fettsäuren entstehenden Ketonstoffe, /?-Oxybuttersäure, Azetessigsäure und Azeton, können nicht mehr weiter abgebaut werden, so daß es zur Anhäufung dieser Stoffe in Blut und Harn kommt (Ketonurie). Diese sich ansammelnden Keton-Stoffe vergiften den Körper und können schließlich zur Bewußtlosigkeit, zum Coma diabeticum führen. Unter normalen Stoffwechselverhältnissen werden die Ketonkörper sofort zu C0 2 und HaO (Kohlendioxyd und Wasser) abgebaut und ausgeschieden. Der Abbau erfolgt, wie der Physiologe es treffend nennt, „im Feuer der Kohlenhydrate". Diese Wechselbeziehungen sollen durch die folgende Skizze verdeutlicht werden: Die Fette verbrennen im Feuer der Kohlenhydrate Glykogen (Monosaccharide)
L
T1
Fettsäuren /3-Oxybuttersäure Azetessigsäure Azeton
1 r
Das oben Gesagte wird durch die Erfahrung bestätigt, daß die Zahl der diabetischen Komafälle in fettarmen Zeiten, wie Krieg und Nachkriegszeiten, auffallend gering ist. Symptome: Zur Klinik des Coma diabeticum ist noch einiges zu sagen. In manchen Fällen gehen gewisse warnende Symptome voraus, die zu erkennen auch für die auf der Zuckerstation arbeitende Schwester von entscheidender Bedeutung sind: Auffallende Apathie bei motorischer Unruhe, Übelkeit und Brechreiz, Durchfälle. Manchmal bricht die Katastrophe aber auch ohne Vorboten herein. Im ausgeprägten Koma sind die Atemzüge vertieft und z. T. beschleunigt (sog. große Kußmaulschs. Atmung), die Ausatmungsluft hat einen typischen Fruchtgeruch nach Azeton, die Apathie führt zur vollkommenen Bewußtlosigkeit. Der Tonus (= Spannungszustand) der Augäpfel nimmt ab, der Blutdruck sinkt, der Puls wird klein und stark beschleunigt. Das Verhalten des Kreislaufs ist entscheidend für das Schicksal des Patienten. Der Harn ent-
Erkrankungen des Stoffwechsels
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hält massenhaft Ketonkörper, die Zuckerwerte in Harn und Blut sind erhöht. Die Dauer des Komas beträgt von den ersten Zeichen der Bewußtseinstrübung an bis zum Tode oft nicht mehr als 24 Stunden, häufig sogar noch weniger. Therapie: Seit der Entdeckung des Insulins ist die Sterblichkeit im Coma diabeticum von über 60 auf 10% gesunken. Auch heute noch gilt der Grundsatz, daß die Bewußtlosigkeit nicht länger als 12 Stunden andauern sollte. Andernfalls ist die Stoffwechsellage derart gestört, daß es nur sehr schwer gelingt, normale Verhältnisse wieder herzustellen. Beim diabetischen Koma versucht der Arzt mit großen Dosen von Insulin (intravenös und intramuskulär) eine normale Stoffwechselsituation herzustellen. Gleichzeitig gibt er Traubenzuckerinfusionen, um die angestauten, toxischen Ketonkörper „im Feuer der Kohlenhydrate" verbrennen zu lassen. Herz und Kreislauf müssen genauestens kontrolliert werden, weil es sonst passieren kann, daß der Patient mit normalen Stoffwechselwerten an einem Herzversagen stirbt. Sehr wertvoll in der Behandlung des diabetischen Komas sind Kochsalzinfusionen, weil der Körper an Flüssigkeit und Kochsalz verarmt ist. In einigen Kliniken wird versucht, mit Hilfe von Natrium die Übersäuerung des Blutes zu neutralisieren. Ist es gelungen, den Patienten aus der Gefahr des Coma diabeticum herauszubringen, so gilt die weitere Aufmerksamkeit der Behandlung seiner Zuckerkrankheit. Häufig wußten die Patienten schon lange vorher von ihrer Krankheit, oft spritzten sie sich selbst ihr Insulin und wußten genauestens über ihre erforderliche Kost Bescheid. Dabei kommt es auch gelegentlich vor, daß zu viel Insulin gespritzt wird. Der Blutzuckerspiegel sinkt unter die Norm. Bei 40 mg% tritt ein „hypoglyhämischer Schock" auf: kalter Schweiß, Zittern, Unruhe bis zu Krämpfen, Bewußtlosigkeit. Wird dieser Zustand nicht bald behoben — man kann es, bei richtigem Erkennen, schlagartig durch sofortige intravenöse Traubenzuckergaben — so kann der Tod durch Atemlähmung eintreten. Meist genügt es jedoch, wenn sich die ersten Anzeichen bemerkbar machen, eine Kohlenhydratzulage in Form von Zucker zu geben, um Schlimmeres zu verhüten. Z u c k e r n a c h w e i s im H a r n Nylander-Probe: Sie beruht auf dem Reduktionsvermögen (Fähigkeit Sauerstoff zu entziehen) des Traubenzuckers in alkalischer Lösung. Nylanders Reagens enthält basisches Wismutnitrat, das bei Anwesenheit von Traubenzucker in metallisches Wismut überführt wird und als schwarzer Niederschlag erkennbar ist. Eine Harnprobe wird mit Nylanders Reagens versetzt und dann bis zum kurzen Aufkochen erhitzt. Im positiven Falle tritt ein schwarzer Niederschlag auf.
A z e t o n - N a c h w e i s im H a r n Legalsche Probe: Etwa 5 ccm Harn werden mit 2 ccm Nitroprosidnatrium versetzt und geschüttelt. Dann werden 2 ccm einer 25%igen Natronlauge hinzugegeben. Überschüttet man das ganze nun mit konzentrierter Essigsäure, so verstärkt sich bei Anwesenheit von Ketonkörper die purpurrote Farbe und geht in eine burgunderrote Färbung über. Die gebräuchlichsten Bestimmungen des Blutzuckers sind die nach Crecelius-Seifert und Hagedorn-Jemen. Sie werden jedoch vom Arzt oder von der medizinisch-technischen Assistentin ausgeführt und erfordern eine gewisse Übung, um die Genauigkeit der Ergebnisse zu garantieren.
Zuckerbelastungsprobe
(Staub-Traugott-Effekt)
Um z. B. einen versteckten Diabetes, einen „latenten Diabetes" aufzudecken, wird in der Klinik die Dextrose-Doppelbelastung nach Staub und Traugott durchgeführt. Nach einer morgendlichen Gabe von 50 g Dextrose wird 1V2 Stunden später nochmals eine
Magen-Darmkanal
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gleiche Menge gegeben. Der Blutzucker wird während des Versuches 4 Stunden lang in halbstündlichen Abständen kontrolliert und graphisch registriert. Aus der sich ergebenden Kurve kann die Stärke der Eigeninsulinproduktion abgelesen werden. Erklärung: Durch den ersten Zuckerstoß wird normalerweise die Insulinproduktion angeregt, so daß der zweite Stoß bereits vom Insulin abgefangen wird. Es fehlt dann ein zweiter Blutzuckeranstieg über den ersten Gipfel. Das ist der „positive StaubeSekt" (Staub ist ein Schweizer Pharmakologe). Bei manifestem oder latentem Diabetes zeigt sich ein Insulinmangel sehr deutlich am Kurvenverlauf: Nach dem zweiten Zuckerstoß steigt die Blutzuckerkurve wieder deutlich über den ersten Gipfel an: negativer ¿'/«»¿-Effekt. Blutzucker mg % ¡tSOv
Blutzucker mg % U50
60 posit
90 120 ISO Staub-Traugott 1 normal 1
60 90 120 150 negat Staub-Traugott ¡pathologisch}
mm
210 mm
Abb. 9
b) G i c h t (Arthritis urica) Ursache: Eine Erkrankung, die sich an den Gelenken abspielt, durch Stoffwechselstörungen verursacht wird, ist die Gicht, die Arthritis urica. Harnsäure wird im Blut und in den Geweben angereichert. Die Gicht kommt in einzelnen Familien gehäuft vor. Auch äußere Momente, überreichliche Fleischnahrung, sollen zur vermehrten Harnsäureansammlung im menschlichen Organismus führen. S y m p t o m e : Ablagerungen von Harnsäurekristallen in den knorpeligen Gelenkflächen, in der Nachbarschaft der kleinen Gelenke, an Händen und Füßen und am Ohr sind typisch für die Gicht; man tastet sie bei chronischer Gicht als kleine Knötchen, „tophi". Der Gichtanfall tritt meistens nachts mit heftigen Schmerzen auf, die sich anfangs häufig auf die Großzehe (Podagra) beschränken und erst allmählich auf die anderen Zehen oder Finger übergreifen. Die großen Gelenke werden sehr viel seltener befallen.
Nahrung
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Der Gichtanfall, der sich wiederholen kann, ist von einem gestörten Allgemeinbefinden und einem geringen Temperaturanstieg begleitet. Therapie: Das Colchizin, das aus der Herbstzeitlosen gewonnen wird, reguliert den Harnsäurestoffwechsel. Im übrigen müssen diese Patienten in ihrer Nahrung Fleisch, vor allem Thymus, Leber, Lunge, Niere, Milz und Alkohol meiden. 5. Nahrung a) Zubereitung b) Wichtige Nahrungsmittel
c) Kostformen
Als Vorbereitung für eine gute Verdauung ist die richtige Zubereitung der Nahrungsmittel von großer Bedeutung. Dabei werden die Zellwände der einzelnen Nahrungsbestandteile aufgelockert oder zertrümmert, um den Verdauungssäften des Körpers eine bessere Angriffsmöglichkeit, eine bessere Verdauungsmöglichkeit zu bieten. a) Z u b e r e i t u n g Garkochen bedeutet Auslaugen im Wasser. Man wird es anwenden, wenn die Brühe allein verwandt werden soll — z. B. als Fleisch- oder Gemüsebrühe. Sie wird besonders gehaltvoll, wenn man das Fleisch in kaltem Wasser ansetzt; dann schließen sich die äußeren Zellporen nicht, was sie unter großer Hitze durch Eiweißausfällung sofort tun würden. Dämpfen •— Garmachen durch Wasserdampf, wozu ein Topf mit einem Siebeinsatz verwendet wird. Das Gemüse kommt nicht mit dem Wasser in Berührung und wird daher nicht ausgelaugt; es behält seine Vitamine und Mineralien und ist darüber hinaus auch bei salzarmer Kostform schmackhaft. Dünsten — Die Nahrungsstoffe werden im „eigenen Saft", meist mit Zusatz von etwas Fett, gar gemacht (Spinat, Fisch). Braten — Garmachen mit Fett bei großer Hitze. Man gibt das Fleisch in das heiße Fett, um ein Auslaugen zu verhindern (Braten, Bratkartoffeln). Es bildet sich eine „braune Kruste", bestehend aus geronnenem Eiweiß und geröstetem Fett, die appetitanregend und saftlockend ist. Schmoren — Garmachen in geschlossenem Topf mit wenig Fett und Wasser (Schmorbraten). Backen — Garmachen in „schwimmendem Fett" (Pommes frites, Strohkartoffeln) und Garmachen in trockener, heißer Luft. Die Temperatur im Backofen beträgt 200 bis 300° C (Brot, Kuchen, gegrilltes Fleisch). Allgemein gilt für alle Zubereitungsarten, daß ein mehrmaliges Aufwärmen oder langes Erhitzen immer ungünstig ist. Auch sind die Nahrungsmittel in ihrer Haltbarkeit begrenzt. Sie sind unter Einwirkung von Wärme und Feuchtigkeit für Pilze und Bakterien ein idealer Nährboden. Die Speisen werden zersetzt und können so für den menschlichen Körper schädlich werden. Diese Zersetzung kann auch in scheinbar gut verschlossenen Gefäßen erfolgen (Einmachgläser, Konservendosen). Die erfahrene Hausfrau erkennt diese Gefahr sofort an der Schaumbildung oder an den vorgewölbter Konservendeckeln. Saure Speisen dürfen nie in beschädigten Emailleschüsseln, Kupfer-
58
Magen-Darmkanal
oder Zinkgefäßen bewahrt werden. Frisch zubereitete Speisen halten sich am besten in Glas- oder Porzellanschüsseln im Eisschrank oder an einem anderen kühlen, trockenen Ort. Durch sachgemäßes Tiefkühlen, Sterilisieren, Pasteurisieren, Trocknen, Einwecken, Einsäuern, Pökeln und Räuchern kann man die verschiedenen Nahrungsmittel längere Zeit haltbar und genießbar machen. Farbzusätze, z. B. das Buttetgelb, sind streng zu meiden und gesundheitspolizeilich zum größten Teil verboten. b) W i c h t i g e N a h r u n g s m i t t e l (Pflanzliche und tierische Nahrungsmittel, Würzstoffe, Genußmittel)
Unter den pflanzlichen Nahrungsmitteln stehen die Getreidearten an erster Stelle: Weizen, Roggen, Hafer, Mais, Reis und Gerste. Die Getreidekörner enthalten in ihrer Hülle, der Kleberschicht, Eiweiß, Vitamine und Mineralien sowie im Kern Stärke. Durch diesen Stärkegehalt wird ihr Nährwert bestimmt; denn der Eiweißgehalt ist mit 7 bis 1 1 % sehr gering. Durch Zerquetschen der ganzen Körner entstehen Flocken und Grützen, durch verschiedene Mahlprozesse Grieß und Mehl. Die „feinen Mehlsorten" enthalten nur Stärke und sind backtechnisch leichter zuzubereiten, während die voll ausgemahlenen Mehle auch die ernährungstheoretisch wertvollere Kleberschicht mitenthalten. Aus ihnen werden Kommiß- und Vollkornbrote hergestellt, die von Gesunden und Menschen, die an Darmträgheit leiden, gut vertragen werden. Kranken und darmempfindlichen Menschen bereiten diese „dunklen Brotsorten" gelegentlich Beschwerden wie Blähungen, Leibschmerzen, Völlegefühl oder Durchfall. Für sie ist das Weißbrot besser bekömmlich. Feuchtigkeitsgehalt und Säuregrad sind in der Verträglichkeit von Bedeutung. Zwieback wird aus frischem Weizen-Milch-Brot hergestellt, in dünne Scheiben geschnitten und dann nochmals gebacken; er ist leicht bekömmlich. Knäckebrot wird aus Vollkornmehl gewonnen und muß vor dem Backen mehrere Hefeund Säuregärungen durchmachen. Als „Diabrot" wird es in der diabetischen Diät wegen seines geringen Kohlenhydratanteiles verwandt. Grahambrot ist ein Weizenschrotbrot und wird zur Anregung bei Darmträgheit gereicht. Breie und Aufläufe werden ebenfalls aus Mehl hergestellt. Die zur Ernährung von Darmkranken wichtigen Schleimsuppen werden aus Haferflocken oder Reis zubereitet, die durch ein feines Haarsieb gestrichen werden. Sie sind praktisch zellulosefrei und belasten die Darmwand nicht. Wenn sie nur mit Wasser gekocht werden, dann ist ihr Nährwert gering; sie können, je nach ärztlicher Anordnung, mit Milch, Ei oder Fett angereichert werden. Aufläufe, in feuerfesten Formen im Backofen zubereitet, werden durch Käse, Schinken oder Tomatenmark schmackhaft. Teigwaren: Makkaroni, Nudeln, Spätzle werden auch aus Mehl gewonnen. Sie sind fast zellulosefrei, daher leicht verdaulich und besonders für Magen-Darm-Kranke sehr bekömmlich. Hülsenfrüchte-, getrocknete Linsen, Bohnen, Erbsen sind vorwiegend Kohlenhydratträger, ihr Eiweißanteil ist relativ groß. Sie werden in der Krankenkost gemieden, weil sie Blähungsbeschwerden und Völlegefühl verursachen.
Nahrung
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Milch ist mit ihren Nebenprodukten Butter und Käse ein wertvoller Bestandteil unserer normalen Ernährung. Die Kuhmilch enthält Eiweiß, Fett, Milchzucker, Vitamine A , B, C, K und D, Phosphor und Kalk. Sie unterliegt einer besonderen behördlichen Kontrolle, um Bakterienverunreinigungen zu verhindern; denn sie kann Bazillen der Tuberkulose, des Typhus, des Paratyphus und der Äwrgschen Krankheit enthalten. Nach längerem Stehen setzt sich unter Einwirkung von Milchsäurebakterien geronnenes Milcheiweiß ab. Diese Dickmilch, aus der auch Quark hergestellt wird, ist sehr bekömmlich. Käse wird mit Hilfe von Lab gewonnen und dann dem Reifungsprozeß unterworfen. Nach seinem Fettgehalt unterscheiden wir die vollfetten Sorten von den halbfetten. Yoghurt, ebenfalls ein Milchprodukt (Vollfett- und Zehr-Yoghurt) entsteht durch Beimischung von Pilzkulturen. Butter entsteht durch Zentrifugieren der abgesetzten Sahne — zurück bleibt die Buttermilch, die in der Krankenkost eine vielfache Verwendung findet. Der Hauptbestandteil der Margarine sind Pflanzenfette, denen Vitamine und Eigelbstoffe beigefügt werden, so daß sie als brauchbares Nahrungsfett gelten kann. Das Hühnerei enthält neben Lipoiden Eiweiß und Fett (von jedem etwa 6,0 g Reinsubstanz). Das weichgekochte Ei (4 Minuten) ist am leichtesten verdaulich und auch den Kränken, denen eine Gallenschonkost verordnet wurde, bekömmlich. Dagegen ist das mit Wein oder Kognak gequirlte rohe Ei schwerer verträglich. Das Ei wird hauptsächlich als Binde- und Lockerungsmittel und als Geschmacksverfeinerer verwandt. Fleisch und Fisch sind die Haupteiweißträger unserer Nahrung. Fleisch enthält, abgesehen vom Kalbfleisch und vom Geflügel, mehr Bindegewebe als Fisch und ist deshalb für den Organismus schwerer verdaulich. Das Schweinefleisch insbesondere enthält noch einen erheblichen Prozentsatz an Fett, weshalb es in der Gallenschondiät nicht verwandt wird. Abgelagertes Fleisch ist zarter als das frischgeschlachtete und für die Krankenkost geeigneter. Das rohe Fleisch, Tartar oder Schabefleisch, ist zwar gut verdaulich, wird aber in der Schonkost gemieden, weil es gelegentlich die Gefahr einer Bandwurminfektion in sich birgt. Bei den Gemüsen unterscheiden wir Blatt- (Salat, Spinat, Kohl) und Knollengemüse (Kartoffeln, Sellerie, Rüben). Beim Spargel und bei der Schwarzwurzel werden die Stengel genossen, bei den Gurken die Früchte. Gemüse enthalten durchschnittlich 80 bis 90% Wasser, praktisch kein Fett und nur geringe Mengen von Eiweiß. Durch ihren Gehalt an unverdaulicher Zellulose regen sie die Darmtätigkeit an. Die Kartoffel enthält etwa 20% Kohlenhydrate und einen ganz geringen Teil hochwertigen pflanzlichen Eiweißes. Die Gemüse sind durch ihren hohen Gehalt an Vitaminen und Mineralien, die beim Kochen zum größten Teil zerstört werden, besonders wertvoll (Rohkost). Für den Kranken sind die frisch ausgepreßten Gemüsesäfte von großem Nutzen; sie belasten seinen Organismus nicht, weil sie keine Zellulose mehr enthalten. Der Wert des Obstes in unserer Nahrung beruht auf seinem Gehalt an Vitaminen und Mineralien. Der Kaloriengehalt wird im wesentlichen durch den Gehalt an Kohlenhydraten, durch den Fruchtzucker bestimmt. Sein Kochsalzmangel macht das Obst zu
6o
Magen-Darmkanal
einem wichtigen Bestandteil der kochsalzfreien Diäten. Manche Obstsarten, wie Quitten, Äpfel und Johannisbeeren enthalten Pektinstoffe, die unter Zusatz von Zucker beim Kochen gelieren. Dieses Pektin übt unter Umständen auch einen heilenden Einfluß auf die krankhaft veränderte Darmschleimhaut aus. Geschabte rohe Äpfel haben sich bei bestimmten kindlichen Durchfällen sehr gut bewährt (Aplona). Fruchtsäfte, durch Auspressen des Obstes gewonnen, werden in der Krankenkost vielfach verwandt. Die Fruchtkerne sind zum Teil auch genießbar (Nüsse und Mandeln). Sie enthalten 40 bis 50% Fett und 10 bis 1 5 % Eiweiß. Manchen Rohkostformen werden sie als Kalorienträger beigefügt. Wür^stoffe reizen Geschmack- und Geruchsinn. Eine gut gewürzte Kost ist bekömmlicher als eine eintönige und ungewürzte. Das billigste und meist gebrauchte Gewürz ist das Kochsalz, das der Körper dringend braucht. Eine gemischte Normalkost enthält täglich etwa 12 bis 15 g. Bei der in manchen Fällen erforderlichen Kochsalzeinschränkung muß man an gelegentlich auftretende Mangelschäden denken. Pfeffer, Ingwer, Koriander, Zimt und Muskat sind ausgezeichnete Geschmacksverbesserer, die sich in der Krankenkost durch Küchenkräuter gut ersetzen lassen. Kaffee und Tee sind wegen ihrer anregenden Wirkung sehr beliebte Getränke. Jedoch kann der Mißbrauch zu Schlaflosigkeit, Nervosität und Herzbeschwerden führen. Das gilt besonders für den Genuß von Kaffee. Sein Geschmack wird vom Aroma und von den Röstprodukten bestimmt, seine erregende Wirkung durch das Coffein. Erschöpften und manchen Herzkranken kann er als „Medizin" gereicht werden. Zur Zubereitung einige Worte: am bekömmlichsten ist der gefilterte Kaffee; jedoch darf man nach einem kurzen Angießen nur zweimal das kochende Wasser nachgießen, weil sonst die Röstprodukte mit in das Filtrat geschwemmt werden. Und gerade diese Röstprodukte reizen den empfindlichen Magen und werden von Magen- und Gallenkranken nicht vertragen. Der Tee hat eine ähnlich anregende Wirkung wie der Kaffee. Die Leistungskurve steigt zwar nicht so steil an wie nach Coffein, aber sie bleibt beim Tee dafür länger auf einer gleichmäßigen Höhe. Im Tee ist weiterhin ein harntreibender Stoff, das Theophyllin, enthalten. Der Geschmack des Tees wird durch das chlorhaltige Leitungswasser stark beeinträchtigt. Kenner werden darum das Wasser entchloren oder, was allerdings teuer ist, Mineralwasser nehmen. Kakao enthält Theobromin. und das die Darmtätigkeit hemmende Tannin. Durch seinen Gehalt an Fett und Eiweiß wird er bei Zubereitung mit Sahne oder Vollmilch zu einem kalorienreichen Getränk. Zu den Genußmitteln zählen auch noch Tabak und Alkohol. Das im Tabak enthaltene Nikotin ist ein Gefäßgift und begünstigt das Entstehen der Arteriosklerose und der Angina pectoris. Außerdem führt gewohnheitsmäßiges starkes Rauchen zum Bronchialkatarrh und zu Reizungen der Magen- und Darmschleimhaut. Alkohol ist zwar ein Kalorienspender (1 g = 7 Kalorien), aber er wird wegen seiner sehr rasch eintretenden Giftwirkung bei Genuß größerer Mengen nicht zu den Nahrungsmitteln, sondern zu den Genußmitteln gerechnet. Alkohol enthemmt den Menschen; seine Verträglichkeit ist sehr unterschiedlich. Es ist bekannt, daß erschöpfte
Nahrung
61
und kranke Menschen sehr viel eher in einen pathologischen Rausch verfallen als der Gesunde, der kräftig und fettreich gegessen hat. Durch Alkoholmißbrauch entstehen Schäden im Bereich des Magen- und Darmtraktes, der Leber, der Nieren, der Blutgefäße, des Zentralnervensystems und wahrscheinlich auch der Keimdrüsen. Aus all diesen Gründen findet der Alkohol in der Krankenkost nur wenig Verwendung. Gelegentlich regt er in kleinen Mengen vor der Mahlzeit den Appetit an. Rotwein wird wegen seines GerbstofFgehaltes manchmal bei Durchfallerkrankung verordnet. Der Wert der „Nährbiere" liegt in ihrem Kohlenhydratgehalt. c) E i n z e l n e K o s t f o r m e n Ein Teil der Kranken, so z. B. in den chirurgischen, neurologischen, dermatologischen Kliniken, bedürfen im allgemeinen keiner besonderen Ernährungsvorschriften. Sie dürfen essen, was ihnen schmeckt (ausgenommen sind selbstverständlich Frischoperierte). Dabei ist nur zu bedenken, daß der Bettlägerige weniger Kalorien benötigt als der Arbeitende. Eine gemischte Kost, in der tierische und pflanzliche Nahrungsmittel enthalten sind, hat sich für den gesunden Menschen als optimal erwiesen und gilt zu Recht als „Normalkost". Eine einseitige Form wird auf die Dauer von Schaden sein. Zur Beseitigung vieler Krankheitszustände, überwiegend in der Medizinischen Klinik, hat sich eine geregelte Ernährung — die sog. „Diät" — bestens bewährt. Der Leitgedanke jeder Diätform gilt der Schonung eines bestimmten, erkrankten Organes. So kann dem Herzkranken erlaubt sein, was dem Magenpatienten streng verboten ist, und umgekehrt. Zur „Diät", zur Pflege eines Kranken gehört selbstverständlich nicht nur ein sachgemäßes Anrichten, sondern auch ein freundliches, persönliches Darreichen der Mahlzeiten. Eine für das Auge gefällig angerichtete Platte und ein aufmunterndes Wort fördern den Appetit. Es folgen einige Beispiele, die als Richtlinien gelten sollen. Im übrigen wird bei der Besprechung der einzelnen Krankheitsbilder noch darauf hingewiesen. K o s t der F i e b e r k r a n k e n Ein länger anhaltendes Fieber erfordert wegen des gesteigerten Stoffwechsels und des gesteigerten Zellzerfalls und Flüssigkeitsverlustes eine eiweiß- und flüssigkeitsreiche Kost. Der Körper benötigt 130 bis 150 g Eiweiß pro Tag. Zumeist lehnt der Fiebernde Fleisch und feste Speisen ab und verlangt breiige und flüssige Kost. Für ihn ist die Milch, die mit Fett, Eiern und Kohlenhydraten angereichert werden kann, unentbehrlich. Sein Vitamin- und Mineralienhunger wird mit Obst- und Gemüsesäften gestillt. Eis und Fruchtgelee schaffen eine angenehme Abwechslung; sie haben sich besonders in der Typhusdiät hervorragend bewährt. Gerade der Typhus, dessen Geschwüre den ganzen Dünndarm befallen können, erfordert eine kalorienreiche, darmschonende Kost. Nach Beeendigung der Durchfälle wird von der zweistündlich gereichten, flüssigen Nahrung langsam auf eine breiig-festere übergegangen. Bei Blutungsoder Perforationsgefahr muß die Nahrungsaufnahme durch den Mund sofort abgebrochen werden. Auch die Ruhr verlangt eine darmschonende Kost. Nach gründlichem Abführen läßt man den Patienten 1 bis 2 Tage fasten und nur bei größerer Austrocknung schwarzen,
6z
Magen-Dajrmkanal
ungezuckerten Tee trinken. Dann reicht man ihm kleinste Mengen eines durchpassierten, nur mit Wasser gekochten Schleimes, der durch eine Prise Salz oder einen Löffel Rotwein schmackhaft gemacht werden darf. Erst wenn die Stühle geformt sind und frei von Blutbeimengungen bleiben, darf man auf eine leicht verdauliche, schlackenarme Kost übergehen. Bei der Rohkost erfolgt die Zellzertrümmerung mechanisch (sorgfältig waschen). Sie ist besonders geeignet, den Körper zu entschlacken. Soll sie ausschließlich über eine längere Zeit gereicht werden, so muß sie, um als vollwertige Nahrung gelten zu können, mit Eiweiß und Fett angereichert werden. Beim Vollfasten ist es wesentlich, dem Körper nicht von heute auf morgen die Nahrung zu entziehen, sondern den Organismus durch ein dreitägiges Vorfasten mit Obst, Salat und Fruchtsäften vorzubereiten. Ein Abführmittel und tägliche Darmspülungen befreien den Körper von restlichen Stoffwechselprodukten. Die erfolgreiche Durchführung einer Fastenkur bedarf auch einer inneren Bereitschaft des Menschen. Eine vorherige sorgfältige Untersuchung, besonders des Herzens und des Kreislaufs, darf keinesfalls unterbleiben, da sonst irreparable Schäden entstehen können. Das Saftfasten ist leichter zu ertragen. Die Patienten erhalten an i bis 3 Tagen in 4 Portionen 600 bis 1000 cm2 ungesüßten Obstsaft. Auch die Beendigung des Fastens, das Fastenbrechen, darf nicht plötzlich erfolgen. Salzarme Kost wird in der internen Medizin sehr häufig verordnet: bei Nierenentzündungen, insbesondere bei denen, die zur Retention von Eiweißreststoffen führen, bei kardialen und renalen Ödemen. Unsere sog. „salzarme Kost" enthält immerhin noch 5 bis 6 g Kochsalz. Da aber bestimmte Formen der Nierenerkrankungen (z. B. die Nephritis) eine absolut salz- und eiweißfreie Kost erfordern, ist in diesen Fällen die Rohkost besonders wertvoll. Hirn, Seefisch und Salm müssen wegen ihres hohen Kochsalzgehaltes gemieden werden. An Gewürzen sind Thymian, Kresse, Kümmel und Bohnenkraut erlaubt. Herzkranke bedürfen einer salzarmen, flüssigkeitsbeschränkten Kost. Eine „saure Kost", die zur Ansäuerung der Gewebe führt, wird bei der Tuberkulose und Harnblasenentzündung gefordert. S c h o n k o s t f ü r M a g e n - und D a r m k r a n k e Aus ernährungsphysiologischen Erkenntnissen haben sich besondere Kostvorschriften für Erkrankungen des Magen-Darmtraktes entwickelt, wobei auch wiederum die Schonung des erkrankten Organs im Vordergrund steht. Alles was die Schleimhaut mechanisch oder chemisch reizen kann, muß gemieden werden. Akute Reizzustände bedürfen einer kurzdauernden, chronische einer wochen-, evtl. monatelangen Schonkost. Der akute Magenkatarrh klingt am schnellsten nach 24 bis 48 stündigem Fasten ab. Nachdem der Magen so geschont wurde, werden Schleimsuppen und Zwieback gut vertragen werden, ehe man allmählich zur Vollkost übergeht. Kartoffelbrei und passiertes junges Gemüse sind gut verträglich. Bei frischen Magen- und Darmblutungen sind einige Tage strengen Fastens unumgänglich. Nur der Arzt kann entscheiden, ob eisgekühlte Speisen gereicht werden dürfen, oder ob lediglich der Mund ausgespült werden darf. Erst wenn die Blutung steht, darf der Auf- und Ausbau der Ernährung beginnen.
Nahrung
63
Auch beim Magenschwür (Ulcus ventriculi) und bei der Magenschleimhautentzündung (Gastritis) müssen alle Säurelocker, Süßigkeiten, Kaffee, Alkohol, Nikotin, gewürzte Speisen und in der Pfanne Gebratenes streng gemieden werden. Dunkle Brotsorten, Hülsenfrüchte und grobe Gemüse werden von Ulkuspatienten im allgemeinen schlecht vertragen; Gerichte aus „feinen Mehlsorten", mit Butter angemacht, bekommen sehr viel besser. Es ist hierbei besonders wichtig, die Mahlzeiten regelmäßig und in Ruhe einzunehmen und die Speisen gut zu zerkauen. Bei Übersäuerung des Magens sind ebenfalls sämtliche Säurelocker zu meiden, während bei fehlender Magensalzsäure (Anazidität) eine kräftige, gewürzte Kost von Nutzen ist. Bei Erkrankung der Leber- und Gallemvege ist es zweckmäßig, das Fett in der Ernährung einzuschränken. „Strenge Gallendiät", eine absolut fettfreie Schonkost, kann über eine längere Zeit gereicht werden. Nach 2 bis 3 Wochen ist es bei komplikationslos verlaufenden Fällen ratsam, ein „Fettminimum" von 8,0 g im Hinblick auf die „fettlöslichen Vitamine" zu erlauben. Wir stehen heute auf dem Standpunkt, im Gegensatz zur jüngsten Vergangenheit, daß bei Leberzellerkrankungen eine ei weiß- und kohlenhydratreiche Kost die beste ist, wobei der besondere Wert auf dem Eiweiß liegt. Insbesondere der Quark wird hierbei den Anforderungen gerecht. Sind die schwersten Symptome abgeklungen, geht die Gelbfärbung zurück und färbt sich der Stuhl wieder, dann werden im allgemeinen Kartoffelbrei, zarte, passierte Gemüse und weiße Fleischsorten gut vertragen. Geröstete und in der Pfanne gebratene Gerichte sind neben Alkohol für lange Zeit streng verboten. K o s t bei Fettsucht Der Körper kann Kohlenhydrate nur in geringen Mengen als Glykogen in der Leber und in den Muskeln speichern; er ist aber fähig, überschüssige Kohlenhydrate in Fett umzuwandeln und als Fett abzulagern. Es ist demnach zweckmäßig, Kohlenhydrate und Fette in der Nahrungszufuhr zu drosseln und den Energiebedarf durch Eiweiße zu decken. Es ist Aufgabe des Arztes festzustellen, inwieweit eine endogene Komponente, eine mangelnde Hormonproduktion, als Ursache für die Fettsucht mit in Betracht kommt. Schilddrüsen- und Hypophysenpräparate dürfen nur unter ständiger ärztlicher Kontrolle gereicht werden. Rohkosttage und Obst- und Milchtage können die Gewichtsabnahme beschleunigen. Da Trinkkuren in der Behandlung der Stoffwechselerkrankungen häufig verordnet werden, sei noch ein Wort über die Mineralwasser erlaubt. Je nach der Art der gelösten Quellsalze unterscheiden wir verschiedene Wässer. Sprudel entsteht durch künstliches Einpressen von Kohlensäure in das Wasser. Im Gegensatz dazu haben die „stillen Wasser" einen natürlichen, meist geringen Kohlensäuregehalt. Sprudel verursacht leicht Aufstoßen und Völlegefühl; deshalb werden die „stillen Wasser" in der Krankenkost, insbesondere bei Herz- und Gallenerkrankungen, vorgezogen. Zu kalte Getränke und hastiges Trinken können dem Magen schaden. Künstliche Ernährung Bei Bewußtlosen oder bei Lähmung der Schlundmuskulatur werden wir eine „künstliche Ernährung" durchführen. Praktische Bedeutung haben die Schlundsonde, die Duodenalsonde und das Nährklysma.
Ulkus-Diätschema Tage nach der Magenblutung
1
Eier
2
2
Zucker (zum Ei) Milch Rohes Hackfleisch Milchreis Zwieback Roher Schinken Butter Kalorien
4
3
6
7
20
4
5
20
3
eingeschlagen
6
5
—
—
3°
30
200
300
400
500
600
700
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
— .
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
—
280
420
637
777
955
35
—
1135
Ulkus-Diätschema tao rt H
-Sw Gc C
25—4o%ige Traubenzuckerlösung .
ccm
S B PH O
Tropfeinlauf 5,4%ige Invertzucker lösung
ccm
3 X 20
H
3 X20
5% ige Rohrzuckerlösung . . . . ccm Milch ccm Mondamin g Zucker g Haferschleimsuppe ccm Eier Grießbrei g Mondamin oder Reisstärke g Zwieback (aufgeweicht in Milch) . . . . Grießbrei oder Reisbrei g Butter (ungesalzen) g Grieß-, Reis- oder Haferbrei g Kartoffelbrei g Schleim-, Grieß- oder Reissuppe . ccm Schinken (roh, entsalzt, geschabt) . . g Schleim-, Grieß-, Reis- oder Nudelsuppe ccm Weißbrot (ohne Rinde) g Nudeln g Alle Suppen (außer Fleischbrühe, Erbsen-, Bohnen-, Linsen- u n d Fruchtsuppe) . g Leichte Mehlspeisen, P u d d i n g (ohne Fruchtsoßen), Creme . . . . g Zartes gewiegtes Fleisch (Kalb, H u h n , Taube) g Gemüse (keineRüben, Rettich, Salat, Weißkraut, Rotkraut, rote Rüben, Bohnen, Linsen) g Kalorien etwa
SP
H
H
3 X 20
400
2X20
1 X 3 0
400
300
100
200 10 10 200
250
bis
300
300
bis
55°
350
bis
400
400
bis
430
55°
nac h Lenhart% 8
7
8
4 eingeschlagen
8
4 eingeschlagen
40
40
800
900 2
2x35 100
5°
}5 100
5°
2
40
—
—
—
—
—
—
1721
5°
2138
X 35 ZOO
2
X
5°
2
35 300
X
8
8
IOOO
IOOO
14—28
13
8
8
IOOO
2X35 ZOO
12
11
8
IOOO
= 1 Stück
1588
5°
50
IOOO
IOOO
35 300
2X35 300
2X35 300
40
60
60
80
100
5° 20
5° 40
5° 40
5° 40
5° 40
2478
2941
2941
3007
3073
22. 19.—
500
500
500
20
20
20
20
20
20
20
3
3
3
3
3
2
5OO
500
500
500
S5
H
L
, Tag
400
Tag
Tag
500
60 rt H N
Tag
16.—17.
500
CN
60 rt H 0' w
II.
500
Tag
VN V 60 « H
60 rt H
8.
60 rt H
18.
Kalk
6.
Tag
8
4 gek.
zog
—
nach
X
10
9
r7 CA N
0» H
IOOO 200
100
300
300
20
20
15 400
15 500
I
20
20
20
20
500
500
500
500
2
2
2
2
2
3
3
200
200 20
20
20
20
20
20
2
2
4
6
6
6
6
6
30 400
40
5° 500
50 500
5° 500
60
60
60
60
400
300
300
300
300
100
200
200
200
200
200
200
200
500
500
400 20
40
40
40
500
500
100
100
150
150
150
200
200
200
200
500
500
500
200
200
ZOO
5°
100
100
100 820
1040
Dietrich Bd. I
1190
165O
1810
2090
2490
2570
2760
2860
3100
3100
5
J200
66
Magen-Darmkanal
Das Einführen der Magensonde erfordert eine besondere E r f a h r u n g , da die G e f a h r des Abgleitens in den Bronchialbaum gegeben ist. Eine dünne Sonde, die gegebenenfalls über längere Zeit liegenbleiben kann, ist schonender als ein dicker Magenschlauch. E s versteht sich v o n selbst, daß die so dem K ö r p e r gereichte Nahrung leicht verdaulich, d. h. aufgeschlossen sein muß. Milch, Rahm, Butter, Eier und Schleim •— die Speise wird lauwarm gereicht — eignen sich hierfür im besonderen Maße. Während die Magensonde nur dann gelegt werden kann, wenn der Magen funktionstüchtig ist, hat die Duodenalsonde den Vorteil, auch den Magen zu schonen. So kann sie z. B . bei Magengeschwüren angewandt werden, die auf andere konservative Maßnahmen nicht angesprochen haben. D e r Patient schluckt die dünne Sonde in Rechtslage bis 90 cm. Zeigt sich dann beim Absaugen kein alkalischer Duodenalsaft, so ist eine röntgenologische Kontrolle erforderlich. Nährklysma: Der ernährende Wert der Nährklistiere ist sehr umstritten. Man steht auf'dem Standpunkt, daß eine Resorption von Nährstoffen aus den untersten Darmabschnitten nicht möglich ist.
V o n großer Bedeutung sind Tropfeinläufe, die rektal, intravenös und subkutan gegeben werden können. Mit 5,o-proz. Traubenzucker- oder physiologischer Kochsalzlösung wird der Blutflüssigkeitsspiegel des Patienten aufgefüllt.
B. Erkrankungen des Magen-Darmkanals 1. Erkrankungen der Speiseröhre 2. Erkrankungen des Magens und des Zwölffingerdarms
Wurmforlsat^entxündung 4. Darmerkrankungen
I. Erkrankungen der Speiseröhre a) Entzündungen
b) Verengungen
' c) Erweiterungen
Physiologie des Schluckaktes: D i e Speiseröhre hat eine Länge von durchschnittlich 25 bis 30 cm. Sie verläuft im medialen, hinteren Anteil des Brustraumes (im Mediastinum), w o sie den Aortenbogen und den linken Hauptbronchus kreuzt. Die Entfernung von der Zahnreihe bis zum Speiseröhrenanfang beträgt etwa 15 cm, so daß eine eingeführte Sonde den Magenanfangsteil nach 40 bis 45 cm erreicht. D e r sehr komplizierte Schluckakt zerfällt in zwei Teile: zunächst wird der in der Mundhöhle zerkleinerte und mit Speichel vermischte Speisebrei durch die Zungen- und Zungenbeinmuskulatur in den hinteren Rachenraum befördert. Inzwischen hebt sich reflektorisc hder K e h l k o p f , der Kehldeckel legt sich schützend auf ihn und verhindert so, daß Speiseteile in die Luftröhre rutschen. Dann drückt die Schlundmuskulatur den Bissen in die Speiseröhre, die ihn in wurmartigen Bewegungen bis zum Mageneingang befördert. Mit Hilfe der Röntgenuntersuchung (Röntgen, Physiker in München, 1845 bis 1923) oder durch Einführung des Ösophagoskopes (optisches Gerät zur Spiegelung . der Speiseröhre) kann sich der Arzt ein Bild über den Zustand und über die Funktion der Speiseröhre machen. a) E n t z ü n d u n g d e r
Speiseröhre
Ursache: Durch Schlucken ätzender Flüssigkeiten — insbesondere v o n Laugen oder konzentrierten Säuren — werden Veränderungen der Speiseröhrenschleimhaut hervorgerufen, die zu einfachen Schleimhautreizungen, häufiger aber zu einem Absterben v o n
Erkrankungen der Speiseröhre
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Schleimhautschollen führen können. Bei schweren Verät2ungen kann die Gewebszerstörung bis zur Muskelschicht reichen: es kann sogar zum Durchbruch in den Mittelfellraum (Mediastinum) kommen. Symptome: Schmerzen beim Schlucken zwischen den Schulterblättern. In schweren Fällen treten die lokalen Beschwerden häufig hinter den Allgemeinerscheinungen zurück. Therapie: Mit narkotischen Mitteln wird der Arzt versuchen, die Schmerzen zu lindern; vielleicht gelingt es, mit Antibiotika die Entzündung zu beherrschen. Ein Teil dieser schweren Speiseröhrenverätzungen wird tödlich enden. Regelmäßig aber hinterbleiben im günstigeren Falle narbige Verengungen; durch eine zeitgerechte Sondierung muß dann versucht werden, gefahrvolle Stenosen (Verengungen) zu verhindern. b) Verengungen der Speiseröhre Es gibt drei physiologische Engen ( = normale Engen): 1. hinter dem Ringknorpel, 2. in Höhe der Luftröhrenteilung in einen rechten und einen linken Bronchus und 3. beim Durchtritt durch das Zwerchfell.
Ursachen der krankhaften Verengungen: Neben diesen „physiologischen Engen" spielen die krankhaften Einengungen der Speiseröhre eine große Rolle. Steckengebliebene Fremdkörper, narbige Strikturen nach Verätzungen, der Speiseröhrenkrebs oder Geschwülste, die von außen her das Lumen einengen, können die Ursachen sein. Symptome: Die Symptomatik ist bei ausgeprägten Fällen typisch: zunächst verspüren die Patienten einen Druck hinter dem Brustbein, dann wird das Schlucken in zunehmendem Maße erschwert; anfangs sind es die gröberen und festen Bissen, die nicht recht rutschen wollen, dann bleibt auch die breiige und später die flüssige Nahrung stecken und wird erbrochen. Es fehlt aber der säuerliche Geruch, der für das Erbrochene aus dem Magen typisch ist, weil die Speisen noch gar nicht mit der Salzsäure des Magens in Berührung kamen. Die Diagnose wird mit Hilfe des Röntgenschirmes, der Ösophagus-Spiegelung und der histologischen Untersuchung gesichert. Therapie: Wenn das Hindernis, das den Speisen den Weg verlegt, nicht zeitig entfernt werden kann — z. B. operativ oder durch Röntgenbestrahlung —, so treten die Zeichen der Abmagerung in den Vordergrund und entscheiden über das Schicksal des Patienten. Die Anlage einer Magenfistel nach Wittel kann den Kräfteverfall unter Umständen aufhalten (Wittel, Chirurg 1856—1925). c) E r w e i t e r u n g e n der Speiseröhre Ursachen: Außer den Verengungen begegnen wir auch Erweiterungen der Speiseröhre; diese Dilatationen können sich auf umschriebene Stellen erstrecken, sie können aber auch die gesamte Speiseröhre in einen diffus erweiterten Sack verwandeln. Die lokalisierten Erweiterungen werden „Divertikel" genannt; sie kommen entweder durch einen anhaltenden Zug von außen (Traktionsdivertikel) oder durch einen ständigen Druck von innen her (Pulsionsdivertikel) zustande. Symptome: Im Vordergrund der sich meist langsam entwickelnden Beschwerden stehen auch wieder Schluckstörungen, die den behandelnden Arzt zu den weiteren Untersuchungen veranlassen. Therapie: Die sicherste Therapie ist die operative Behandlung. s
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2. Erkrankungen des Magens und des Zwölffingerdarmes a) Gastritis b) Geschwür
c) Magenkrebs d) Zwölfjingerdarmgeschwür
Vorbemerkung: Anatomisch besteht der Magen aus drei Hauptteilen: dem Magenanfangsteil (Pars cardiaca), dem Magenkörper (Corpus ventriculi) und dem Magenausgangsteil (Pars pylorica). Die physiologische Bedeutung des Magens ist bereits beschrieben worden. Sie besteht einmal darin, daß der Magen ein Reservoir für die Speisen darstellt, zum anderen wird in ihm die Verdauung, speziell der Eiweiße, eingeleitet. Die Entleerung des Magens I Fundus ventriculi
Große Magenkurve {Große Curvatur)
Abb. 10
in den Zwölffingerdarm durch den Magenpförtner erfolgt nicht regellos, sondern nach einem gewissen Rhythmus, der durch die Art der Nahrung und durch die Sekretionsverhältnisse im Magen beeinflußt wird. a) Gastritis (Magenschleimhautentzündung) Die Gastritis stellt einen entzündlichen Reizzustand der Magenschleimhaut dar und kann sowohl in akuter als auch in chronischer Form in Erscheinung treten. Die Schleimhaut ist geschwollen, gerötet und sezerniert vermehrt Schleim. Seit Einführung des Gastroskops (optisches Gerät zur Spiegelung der Magenwände) erhält der Arzt ein genaues Bild über die Beschaffenheit der Magenschleimhaut. Ursachen: Zur akuten Gastritis können u. a. Diätfehler, eine Überladung des Magens, hastiges Essen, Genuß von zu kalten oder zu heißen Speisen oder verdorbene Nahrungsmittel führen. Symptome: Appetitlosigkeit, Druckgefühl in der Magengegend mit Widerwillen gegen alle Speisen, meist belegte Zunge („Spiegel des Magens"), häufig Erbrechen, gelegentlich Temperatur 38°. Therapie: Die wirksamste Therapie ist in jedem Fall eine Schonung des Magens durch Nahrungskarenz. Warme Umschläge und schwarzer Tee unterstützen das schnellere Abklingen des Reizzustandes. Die Gastritis kann aber auch die Vorstufe werden für die chronische Gastritis.
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Ursachen der chronischen Gastritis: Auch hierfür kommen die gleichen ursächlichen Momente in Betracht; vor allem können gesteigerter Alkohol- und Nikotingenuß zu einem chronischen Reizzustand der Magenschleimhaut führen. Die entzündlich geschwollene Schleimhaut weist einen schmierigen Belag auf. Die chronische Gastritis ist eine häufige Begleiterscheinung des Magengeschwürs. Besonders hervorzuheben ist die Stauungsgastritis, die durch eine chronische Stauung im venösen Abflußgebiet der Baucheingeweide bei Herzleiden hervorgerufen wird. Symptome: Es sind die gleichen wie bei der akuten Gastritis. Therapie: Die wirksamste Therapie besteht darin, zunächst die schädigenden Noxen auszuschalten. Nur dann kann eine durchgreifende Magenschonkost erfolgversprechend sein. Komplikation: Wird der chronische Reizzustand nicht beseitigt, so kann es zum Schwund (Atrophie) der Magenschleimhaut mit gleichzeitigem Schwinden der sekretproduzierenden Drüsen kommen. Die Supera^idität ( = Hyperazidität) ist ein krankhafter Zustand des Magens, der durch abnorm hohe Magensäurewerte gekennzeichnet ist. Die Ursache ist meist in einer gesteigerten nervösen Erregbarkeit zu suchen. Die Patienten klagen über saures Aufstoßen oder Sodbrennen, das 1 bis 2 Stunden nach dem Essen auftritt. Die Superazidität ist ein häufiges Symptom einer weiteren organischen Magenerkrankung, des Magengeschwürs. Sodbrennen tritt nicht nur bei Hyperazidität, sondern auch bei Subazidität auf, besonders bei Gallerückfluß in den Magen. Supersekretion bezeichnet eine allgemein gesteigerte Produktion von Saftmengen, von Salzsäure, Pepsin und Schleim.
b) M a g e n g e s c h w ü r = U l c u s v e n t r i c u l i (Tafel III, Bild ia u. b) Ursachen: Unter „Geschwür" verstehen wir keine eitrige Gewebseinschmelzung, wie es von Laien häufig gesagt wird, sondern einen Defekt der Magenschleimhaut. Das Magengeschwür ist ein häufiges Leiden, das vorwiegend Jugendliche und Menschen im mittleren Lebensalter befällt. Es wird im allgemeinen, was versorgungstechnisch von großer Bedeutung ist, zur Gruppe der „anlagebedingten" Leiden gerechnet. Man sieht es meist bei nervösen Menschen, die häufig wechselnden Stimmungsschwankungen unterworfen sind. Mit der Frage, wie es zur Ausbildung eines Geschwürs kommen kann, haben sich bedeutende Wissenschaftler beschäftigt: v. Bergmann vertrat die heute vorherrschende, oben angedeutete „neurogene Theorie", die besagt, daß es zunächst zu einer nervös-bedingten Durchblutungsstörung des Magens kommt, der sich dann eine peptische Verdauung der in ihrer Funktion gestörten Zellen anschließt. Lieblingssitz des Magengeschwürs ist die „Kleine Kurvatur", 3 cm vom Pylorus oder direkt am Pylorus. Anatomisch ist das oberflächlich sitzende Geschwür (Ulcus simplex) von dem in die tieferen Gewebsschichten eindringenden, nicht selten in die Bauchhöhle durchbrechenden Geschwür (Ulcus penetrans, ulcus perforans) zu unterscheiden. Typisch für das Magengeschwür ist das gehäufte Auftreten im Frühjahr und Herbst. Symptome: In den meisten Fällen bestehen zunächst über längere Zeit uncharakteristische Magenbeschwerden. Der Patient klagt über ein Druck- und Völlegefühl in der Magengrube, dem sich manchmal allmählich ein Schmerzgefühl beifügt. Typisch ist, daß er unmittelbar nach der Nahrungsaufnahme davon befallen wird. Der Appetit
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ist im allgemeinen gut und wird höchstens aus Angst vor dem Schmerz beeinträchtigt. Saures Aufstoßen, Abmagerung, manchmal noch eine chronische Darmträgheit (Obstipation) führen den Patienten zum Arzt. Mit Hilfe der fraktionierten Magensafttitration, die die Salzsäurewerte aufzeigt, durch die Röntgenkontrolle u n d evtl. unter Zuhilfenahme der Magenspiegelung wird die Diagnose gestellt. Die Röntgendiagnostik (Röntgen, Physiker in München, Nobelpreisträger, 1845—1923) bedient sich der Durchleuchtung mit Hilfe eines besonderen „Fluoreszenzschirmes" und der Röntgenaufnahme auf einem lichtempfindlichen Film. Röntgenbilder sind Schattendifferenzbilder. Im Körper sind die Knochen die dichtesten, d. h. die am stärksten strahlenabsorbierenden Gewebe; am leichtesten werden die lufthaltigen Organe — Lungen — von den Röntgenstrahlen durchdrungen. Hohlorgane im Körper lassen sich durch Einbringen von schattengebenden, d. h. für Röntgenstrahlen undurchlässigen Flüssigkeiten sichtbar machen. Speiseröhre, Magen und Darm werden durch Bariumbrei dargestellt. Jodhaltige Präparate (Teridax, Biligrafin i. v., Urografin, Uroselektan u. a.) dienen zur Röntgendarstellung der Gallenblase und der Nierenbecken mit den harnableitenden Organen. Die Durchleuchtung ermöglicht es, die Organe in ihren Bewegungen zu beobachten. Die Röntgenaufnahme hält den Befund fest und läßt Feinheiten erkennen. Auf dem Röntgenfilm erkennt man das Ausgußbild des kontrastmittelgefüllten Magens. Ist die Schleimhaut an einer Stelle defekt (Ulkus), so wird dieses „ L o c h " von Bariumbrei ausgefüllt und imponiert als „Nischensymptom" (Tafel III, Bild 1 a u.b). Im Gegensatz hierzu kann auch der Brei verdrängt sein; eine „Aussparung" spricht für eine Wucherung der Schleimhaut (z. B. Magenkrebs—Tafel I V , Bild 1 a u. b). Zur Vorbereitung der Magen- und Darmdurchleuchtung sei ein Hinweis erlaubt, der dem Röntgenologen die Arbeit sehr erleichtert: da durch einen zu starken Gasgehalt die richtige Beurteilung des Darmes sehr erschwert ist, darf der Patient 24 Stunden vor der Untersuchung keine blähenden Speisen essen und kein stark wirkendes Abführmittel bekommen. Es ist günstig, am Tage davor mehrmals 1 bis 2 Teelöffel Adsorgan zu geben und am Morgen, etwa J / 2 Stunde vor der Untersuchung, einen kleinen Einlauf zu machen.
In der Klinik spielt die Stuhluntersuchung auf Blut eine wichtige Rolle. Es ist bedeutungsvoll, daß der Patient drei Tage lang fleisch- und fischfrei ernährt wird und mehrere Stuhlentleerungen hat. Auch Zahnfleischblutungen müssen ausgeschlossen werden. Tritt während der Magenausheberung eine Blutung auf, so kann diese künstlich, durch den Schlauch, hervorgerufen sein. Komplikationen: Blutung und Durchbruch (Perforation) eines Magengeschwürs. Ursache: Neben dem sich langsam entwickelnden Magengeschwür steht jenes, das zunächst längere Zeit symptomlos bleibt, bis es eines Tages zu einer schweren Blutung (Bluterbrechen) oder gar zu einem Durchbruch in die freie Bauchhöhle kommt. Der gesamte Mageninhalt kann sich in die Bauchhöhle ergießen, es kommt zu einer Entzündung des Bauchfells, zur Peritonitis. Das ist das Bild der „offenen Perforation". Symptome der „großen" Ulkusblutung: die offene ( = große) Magenblutung muß von der verborgenen, kleinen (sog. „latenten") unterschieden werden. Kommt es zu einer großen Magenblutung, so erbricht der Patient Blut oder eine geronnene blutige Masse; bei der kleinen Blutung lassen sich nur chemisch Blutspuren im Magensaft oder im Stuhl nachweisen. Zur großen Blutung kommt es, wenn durch den Magensaft ein größeres Gefäß angeätzt wird. Das Blut ergießt sich in den Magen und löst einen Brechreiz aus. Wird es sofort erbrochen, so ist es hellrot, bleibt es längere Zeit im Magen, so wird es unter der Einwirkung von Salzsäure dunkel und „kaffeesatzartig". Klinisch beginnt die Blutung meist mit einem Schwäche- und Schwindelgefühl. Der Patient wird unruhig und ängstlich. Kommt es dann zum Bluterbrechen, so wird der Kranke aschfahl; der Puls ist beschleunigt, fadenförmig und leicht unterdrückbar. Eine Blutung kann das einzige Zeichen einer Geschwürsbildung sein. Therapie: s. flgd. Seite und Band II. Symptome des perforierten Ulkus: Die Patienten verspüren manchmal plötzlich einen heftigen Schmerz in der Magengrube; alles weitere entwickelt sich sodann in kürzester Zeit. Sie bieten sehr bald
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das Bild eines „akuten Bauches", wie es in der Chirurgie genannt wird: brettharte Bauchdecken, Erbrechen, spitze Nase mit eingefallenem Gesicht, anfangs verlangsamter Puls (Reiz des Nervus vagus), der später mit der Temperatur ansteigt; in manchen Fällen tritt noch eine Darmlähmung (Paralytischer Ileus) komplizierend hinzu. Therapie des perforierten Magengeschwürs: In diesem Zustand kann nur eine sofortige Operation helfen (s. Band II). Neben dieser akut verlaufenden sog. „offenen Perforation" sei die „gedeckte Perforation" — der „gedeckte Durchbruch" — erwähnt. Dabei hat sich das Geschwür langsam in die tieferen Magenwandschichten „hineingefressen". Häufig greift es auf benachbarte Organe, wie Leber, Bauchspeicheldrüse und Dickdarm über. Der Körper versucht, einen offenen Durchbruch des Geschwürs in die freie Bauchhöhle oder in ein anderes Organ zu verhindern: entweder deckt das Netz, oder es kommt zu entzündlichen Verklebungen und zur Verdickung einzelner Gewebsschichten um das sich ausbreitende Geschwür. So wird manchmal ein „offener Durchbruch" verhindert. Die Symptome bei der „gedeckten Perforation" sind ähnlich denen der „offenen Perforation", aber insgesamt sehr viel gemäßigter. Der klinische Verlauf entscheidet über die Therapie: operativ oder konservativ.
T h e r a p i e des M a g e n g e s c h w ü r s und der f r i s c h e n M a g e n b l u t u n g Sieht man von einer großen Blutung und dem geschilderten Durchbruch in den Bauchraum ab, so kommt für die Behandlung des Geschwürs zunächst eine diätetische sowie eine medikamentöse Behandlung in Betracht. Bei häufigen Rückfällen muß die Operation vorgenommen werden. Die Diätbehandlung (z. B. benannt nach den Klinikern Lenhart\ oder Kalk) spielt ganz besonders in der medizinischen Klinik eine große Rolle (s. S. 64f.). Entscheidend sind dabei zwei Gesichtspunkte: einmal soll die Magenschleimhaut nicht durch „Säftelocker" (Gewürze, Nikotin, Alkohol, Marmelade, Gebratenes aus der Pfanne) zusätzlich gereizt werden, zum anderen gilt es, durch eine kalorienreiche Kost den geschwächten Körper zu kräftigen. Damit ist die Voraussetzung zur Heilung gegeben, die sich durch eine medikamentöse Therapie wirkungsvoll unterstützen läßt. Es haben sich Präparate bewährt, die das vegetative Nervensystem dämpfen. Bei Superazidität wirkt das Atropin günstig — für die Dauerbehandlung eignen sich eher Belladonna- oder Papaverinpräparate. Der Versuch, die überschüssige Säure lediglich durch Natriumbikarbonat (Bullrichsalz) zu neutralisieren, mißlingt bei längerer Anwendung; es wirkt durch die freiwerdende Kohlensäure als zusätzlicher Säurelocker. Neben der Bettruhe sollten, sofern keine Blutung vorliegt, feuchtwarme Umschläge nicht vernachlässigt werden. Außerdem werden immer wieder neue Präparate hergestellt, die, von den verschiedensten Gesichtspunkten ausgehend, den Heilungsprozeß beschleunigen sollen. Ein eindeutiger Effekt konnte bisher nur von Hormonpräparaten beobachtet werden. Neben ihnen stehen altbewährt: Diät, Wärme und Ruhe. Das Morphin soll nach Möglichkeit vermieden werden, da es durch die Schmerzausschaltung die Diagnose verwischen kann und zum anderen die Säurebildung anregt. Bei der frischen Magenblutung sind einige Tage Fasten unvermeidlich. Das Ausmaß des Blutverlustes bestimmt die Therapie. Auch der Chirurg wartet in vielen Fällen ab, bis die Blutung steht. Mit Hilfe von Bluttransfusionen oder Blutersatzmitteln wird das Blutgefäßsystem aufgefüllt. Ständige Blutfarbstoffkontrollen (Hämoglobinbestimmung) sind unerläßlich. Der Arzt entscheidet darüber, ob der Patient völlig ruhiggestellt werden soll. Mundspülen oder Austupfen mit Kamillen- und Salbeitee ist erlaubt und wird von dem Patienten als sehr angenehm empfunden. Am
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zweckmäßigsten ist völlige Nahrungskarenz und die Zufuhr von Opiumtropfen auf kleinen Eisstückchen (Milch gerinnt im Magen und führt zu gesteigerter Peristaltik). Billroth (Wiener Chirurg, 1829—1894) hat bereits 1881 zwei Hauptmethoden zur operativen Ausschaltung des Magengeschwürs angegeben. Im Prinzip geht der Chirurg auch heute noch nach der von Billroth vorgeschlagenen Weise vor, wenngleich seine Methoden verschiedene Wandlungen erfuhren, die sich aus der praktischen Erfahrung und den neueren Erkenntnissen ergeben haben (Näheres s. Band II). c) Magenkrebs (Magenkarzinom [Tafel IV, Bild ia u. b]) Symptome des Magenkrebses: Der Magenkrebs tritt meist zwischen dem 5 o. und 70. Lebensjahr auf. Häufig werden jene Menschen betallen, die „immer alles vertragen konnten". Vorboten sind anhaltende Appetitlosigkeit mit ausgesprochenem Widerwillengegen Fleisch, Übelkeit, häufiges Aufstoßen. Diese nicht sehr typischen Anzeichen werden meist übersehen, zumal Schmerzen im allgemeinen erst spät hinzutreten. Erst dann, wenn Kräfteverfall und Abmagerung augenfällig geworden sind, wird der Arzt zu Rate gezogen. Die Blutkörperchensenkungsreaktion ist beschleunigt; es besteht eine Anämie (Verminderung des Blutfarbstoffes); im Stuhl wird Blut nachgewiesen, und die chemische Beschaffenheit des Magensaftes ist in typischer Weise verändert: oft fehlt die freie Salzsäure, während Milchsäure vorhanden ist. Durch die Röntgendarstellung oder durch die chirurgische Öffnung der Bauchhöhle ( = Laparotomie) wird die Diagnose gesichert. Der Krebs kann sich schüsseiförmig in der Magenwand ausbreiten oder in die Bauchhöhle hineinwachsen, bis er diese völlig verschließt. Metastasen ( = Tochtergeschwülste) finden wir häufig in der Leber, im Knochensystem und in der Lymphdrüse, die in der linken oberen Schlüsselbeingrube liegt und die „ Virchowsche. Drüse" heißt, weil Virchow sie zum ersten Male beim Magenkarzinom beschrieb (Virchow, 1821—1902, Pathologe in Würzburg und Berlin). Therapie: Bei frühzeitigem Erkennen, was leider selten der Fall ist, kommt nur die operative Entfernung des betroffenen Magenteiles in Betracht. In vereinzelten Fällen wird eine Röntgenbestrahlung angewandt. Die Röntgentherapie beruht auf der Fähigkeit der Röntgenstrahlen, in die Zellen einzudringen. J e nach Stärke der Dosierung hemmen sie die bestrahlte Zelle in ihrer Tätigkeit oder sie zerstören sie. Unreife Zellen, also auch die Krebszellen, sind besonders empfindlich. Mit „ w e i c h e n " Strahlen, die nur die oberflächlichen Zellen der Haut und des Unterhautzellgewebes erreichen, bestrahlt man den Hautkrebs. „ H a r t e " Röntgenstrahlen dringen in tiefergelegene Organe ein und vermögen die Krebszellen zu vernichten (sog. „Tiefentherapie"). Durch zu langes oder zu häufiges Bestrahlen können Schäden entstehen: Röntgenverbrennung, Röntgengeschwür, Röntgenkrebs.
Kommt ein operativer Eingriff nicht in Betracht, so muß sich der Arzt mit einer rein symptomatischen Behandlung begnügen. Die Kost muß leicht, breiig oder flüssig sein. Durch Azidolpepsin (Salzsäure-Pepsin) kann er versuchen, den Appetit anzuregen. Die Schmerzen werden zu Beginn durch feuchte Wärme gelindert, im fortgeschrittenen Stadium wird der Arzt nicht ohne Morphin-Präparate auskommen. Weitere Veränderungen des Magens, denen wir in der Praxis häufiger begegnen als in der Klinik, seien der Vollständigkeit wegen angeführt: 1. Magensenkung (Gastroptose), die gelegentlich bei Mehrgebärenden oder bei stark abgemagerten Menschen beobachtet wird. 2. Atonie des Magens, Bewegungsschlaffheit und 3. Magenneurose — „nervöser M a g e n " . Beide sind häufig anlagebedingt.
Tafel III
Ulkus an der
kleinen
Magen-Kurvatur
Bild i a und b a) Die Abbildung läßt das Ausgußbild des kontrastgefüllten Magens erkennen. Der Bariumbrei erscheint weiß, Magen und Umgebung sind schwarz. Die K o n t u r der Kleinen Kurvatur ist durch eine linsengroß erscheinende Nische, in die der Barium, brei hineingeflossen ist, unterbrochen ( = Schleimhautdefekt = Ulkus). b) Skizzenhaft ist das Mageninnere aufgezeichnet. Die Ulkusnische (Pfeil) ist deutlich zu erkennen. Der Ulkusfinger in der Großen Kurvatur zeigt auf den Schleimhautdefekt der gegenüberliegenden Seite (Pfeil).
D i e t r i c h Bd.l
Tafel IV
Karzinom an der großen Magen-Kurvatur
Bild i a u n d b a) Die A b b i l d u n g zeigt ein Ausgußbild des kontrastgefüllten Magens. D e r Bariumbrei erscheint wiederum weiß, Magen und U m g e b u n g sind schwarz. Die V e r d r ä n g u n g des Bariumbreis in der Magenmitte ist deutlich zu erkennen. D e r Weg, den die Speisen n e h m e n können, ist durch eine Wucherung, die v o n der G r o ß e n K u r v a t u r ihren U r s p r u n g n i m m t , stark eingeengt. b) Die Skizze läßt das Mageninnere erkennen. D i e Magcnwand ist im Bereich der G r o ß e n K u r vatur durch eine W u c h e r u n g verdickt. Dieses Karzinom füllt einen Teil des Mageninneren aus und hat das Magenlumen eingeengt (Pfeil).
Darmerkrankungen
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d) Z w ö l f f i n g e r d a r m g e s c h w ü r (Ulcus duodeni) Symptome: Das Zwölffingerdarmgeschwür, Ulcus duodeni, ist in seiner Entstehung und in seiner Symptomatik dem Magengeschwür sehr ähnlich. Charakteristisch ist der Spätschmerz, der dann auftritt, wenn sich der Magen entleert. Er wird daher auch als „Nüchternschmerz oder Hungerschmerz" von den Patienten bezeichnet. Die Perforationsgefahr ist geringer als beim Magengeschwür — zum Bluterbrechen kommt es selten. Wird ein größeres Gefäß durch das Geschwür „angenagt", dann entleert sich das Blut in den Darm und läßt sich im Stuhl nachweisen. Therapie: Die Therapie ist weitgehend die gleiche wie beim Magengeschwür: Liegekur, Wärme, Diät. Durchbruch und unstillbare Blutungen sind auch hier einelndikation zur Operation. 3. Wurmfortsatzentzündung ( = Appendizitis; im Laiensprachgebrauch: „Blinddarmentzündung")
Ursache: Der Wurmfortsatz — die Appendix — hat eine durchschnittliche Länge von 6 bis 8 cm. Das Sektionsmaterial lehrt uns, daß etwa bei 75 % aller Obduzierten Zeichen einer abgelaufenen Entzündung vorhanden sind. In dieser „anatomischen Sackgasse" haften sehr leicht krankhafte Keime und Fremdkörper, die dann zu lokalen Reizerscheinungen führen können. Dem Röntgenologen gelingt es, den Wurmfortsatz mit Kontrastbrei zu füllen — eine Untersuchungsmethode, die nur bei häufig wiederkehrenden Beschwerden Erkenntnisse bringt. Symptome: Sehr häufig tritt aber gerade die Appendizitis ganz akut auf: Intensive Schmerzen im rechten Unterbauch, die sich in einem typischen Punkt lokalisieren lassen, dem „Mac Zfo/Tze/'-Druckpunkt (Mac Burney, amerikanischer Arzt, 1845—1913). Erbrechen, als Zeichen der Bauchfellreizung, Temperaturanstieg (Differenz zwischen axillarer und rektaler Messung größer als i° C), Leukozytose (Anstieg der weißen Blutkörperchen), zunehmende Abwehrspannung der Bauchdecken und Anstieg der Pulsfrequenz. Therapie: Da die entzündlichen Erscheinungen selten unter konservativen Maßnahmen abklingen, muß die Appendix in den meisten Fällen operativ entfernt werden. Komplikationen: Aus der akuten Appendizitis kann eine chronisch-rezidivierende Form werden, die wiederum weitere Komplikationen in sich birgt (Blinddarmabszeß, perityphilitiseher Abszeß). (Näheres s. Bd. II.) 4. Darmerkrankungen a) Katarrh c) Ileus b) Darmkrebs d) Hämorrhoiden e) Obstipation
a) D a r m k a t a r r h (Dünndarmentzündung = Enteritis, Dickdarmentzündung =
Colitis)
Unter dem ,,einfachen Darmkatarrh" verstehen wir eine entzündliche Veränderung des jeweils betroffenen Darmabschnittes. Ursache: Abgesehen von Bakteriengiften, von denen hier nicht gesprochen werden soll, kommen chemische Gifte in Betracht.
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Magen-Darmkanal
Symptome: Das Hauptmerkmal für den Darmkatarrh ist der wäßrige Stuhl (Durchfall = Diarrhöe), dem vermehrt Schleim, in schweren Fällen auch Blut und Eiter beigemischt sind. Therapie: Feuchtwarme Umschläge, schlackenarme Kost; darmberuhigende Medikamente (Papaverin und Belladonna). Gärungsdyspepsie Ursache: Die Gärungsdyspepsie ist eine Verdauungsstörung, die dann eintritt, wenn zu viele gärungsfähige Kohlenhydrate in die unteren Darmabschnitte gelangen, anstatt in dem oberen Abschnitt des Yerdauungskanals resorbiert zu werden. Durch Darmbakterien werden sie dann zersetzt. Das kann eintreten bei vermehrter Zufuhr von Kohlenhydraten, bei beschleunigter Darmperistaltik oder bei schlackenreicher Kost. Dabei ist es den Darmfermenten nicht möglich, die von derben Zellulosehüllen eingeschlossenen Kohlenhydrate zu verdauen. Die Gärungsdyspepsie tritt vorzugsweise im Sommer auf — nach reichlichem Genuß von rohem Obst oder gärendem Most.' Symptome: Übelkeit, Leibschmerzen, Erbrechen, Blähungen; mehrere Entleerungen eines dünnen, hellgelben Stuhles von stechendem Geruch (Buttersäure, Essigsäure). In schweren Fällen ist der Stuhl schaumig. Therapie: Nach i bis 2tägiger Teepause (ungezuckert) langsam mit KH-freier Kost beginnen. Milch und gute Fette sind erlaubt. Wärme — darmkrampflösende Mittel. Komplikation: Bei länger bestehender Gärungsdyspepsie kann die Darmschleimhaut gereizt werden. Fäulnisdyspepsie Ursache: Im Gegensatz zur Gärungsdyspepsie handelt es sich bei der Fäulnisdyspepsie um eine gesteigerte Zersetzung von Eiweißen. Nach Genuß von übermäßigen Fleischmengen — vor allem im rohen Zustand gegessen — oder bei gesteigerter Sekretion eines eiweißreichen Darmsaftes kann es zur Fäulnisdyspepsie kommen. Symptome: Die Symptome ähneln denen der Gärungsdyspepsie. Die Stühle sind dunkelbraun und von üblem, fauligem Geruch. Schleim und Blut fehlen. Im Brutschrank entwickeln die Stühle vermehrt Gas. Therapie: Nach i- bis 2tägiger Teepause vorsichtig mit einer eiweißfreien Kost beginnen. Verboten sind Fleisch und alle darmsaftlockenden Speisen (saftige Gemüse, grobes Brot, Fleischextrakt, Kaffee, Alkohol, scharf gewürzte Speisen). b) D a r m k r e b s Er tritt ausschließlich im Dickdarm auf und da vorwiegend in seinen unteren Abschnitten. Symptome: Neben den allgemeinen Symptomen, die sich bei jeder Krebsform zeigen können, klagt der Patient über wäßrigen, blutigen Stuhl. Der Röntgenschirm und, bei Veränderung des unteren Darmabschnittes, die Darmspiegelung (Rektoskopie) sichern die Diagnose. Therapie: Bei vorhandenem Karzinom, das rechtzeitig erkannt wird, kann nur der Chirurg helfen.
Darmerkrankungen
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c) I l e u s (DarmVerschluß) Als Darmverschluß bezeichnet man die akute oder chronische Entwicklung der Unwegsamkeit des Darmes. Man unterscheidet zwei Arten: den mechanischen und den paralytischen Ileus (Paralyse = Lähmung). Näheres darüber im II. Band. d) H ä m o r r h o i d e n Ursache: Hämorrhoiden sind die venösen Erweiterungen der Mastdarmvenen. Nach ihrem Sitz, innerhalb oder außerhalb des Schließmuskels, werden „innere" und „äußere" Hämorrhoiden unterschieden. Symptome: Sie können dem Patienten durch Juckreiz, Schmerzen oder Blutungen Beschwerden machen. Therapie: Die lokalen Beschwerden lassen sich durch schmerzstillende Zäpfchen lindern. Wichtiger aber ist es in den meisten Fällen, die allgemeine Lebensweise zu regulieren, eine chronische Verstopfung zu vermeiden, eine überwiegend sitzende Beschäftigung durch eine zweckmäßige Bewegungstherapie auszugleichen. Manchmal ist die Ursache in einer chronischen Stauung im Leberkreislauf oder in einer kardialen Dekompensation zu suchen. Dort, wo eine konservative Therapie nicht zum Ziele führt, bleibt es dem Chirurgen vorbehalten, die Knoten und Schleimhauterweiterungen operativ zu entfernen. Analfissuren sind oberflächliche Schleimhautrisse. Analfisteln (Fistel = röhrenförmiger Gang) werden häufiger bei Männern als bei Frauen beobachtet. Vereiterte Hämorrhoiden und die Tuberkulose spielen in ihrer Entstehung eine große Rolle. e) O b s t i p a t i o n (Verstopfung) Unter Obstipation verstehen wir ein langes Verweilen des Kotes im Darm. Ursache: Als Ursache kommen sitzende Beschäftigung, Gallengangerkrankungen, unzweckmäßige Ernährung und eine nervöse Übererregbarkeit, die zu Darmspasmen führt, in Frage. Therapie: Sie richtet sich nach den Ursachen. Ein wahlloses Einnehmen von Abführmitteln ist oft schädigend. Gleitmittel (Paraffinöl, Obstinol, morgens nüchtern i bis 2 Eßlöffel) sind erlaubt. Durch eine schlackenreiche Kost (Weizen- und Roggenschrotbrot), getrocknete Pflaumen, Yoghurt und rohes Obst, wird die Darmtätigkeit angeregt. Bisweilen bringen Trinkwasserkur in Bad Kissingen oder in Bad Mergentheim Besserung. Die Darmtuberkulose und die Darmsyphilis sind selten und seien nur der Vollständigkeit wegen aufgeführt.
IV. Leber A.
Physiologie der Leber
B. Erkrankungen
der Leber
A. Physiologie der Leber Die Leber nimmt als größte Drüse im menschlichen Organismus eine hervorragende Stellung ein. Ihre völlige Entfernung führt zum Tode. Sie muß die ihr durch die Pfortader (Vena portae) zugeführten Nahrungsstoffe umformen und nach den Erfordernissen des Stoffwechsels in das Blut abgeben. Sie hat im einzelnen folgende Aufgaben: 1. Sie dient als Depotorgan. 2. Im Stoffwechsel spielen sich hier zahlreiche Vorgänge ab. Man hat sie daher auch „chemische Fabrik" genannt. 3. Sie bildet Galle, Fibrinogen (ein Stoff, der bei der Blutgerinnung von großer Bedeutung ist) und Heparin (ein Stoff, der die Blutgerinnung verzögert). 4. Sie hat eine entgiftende Funktion. 5. Der Abbau des Blutfarbstoffes (Hämoglobin) vollzieht sich hauptsächlich in der Leber. Zu 1. Die Leber dient als Vorratskammer zur zeitweiligen Aufbewahrung von Nahrungsstoffen, hauptsächlich der Kohlenhydrate in Form von Glykogen, dann von Fetten und in geringem Maße auch von Eiweißen. Bei Bedarf werden diese gespeicherten Stoffe wieder an das strömende Blut abgegeben und den einzelnen Organen zugeführt. Die Leber wirkt als Blutspeicher, sie kann bis zu 20% der Gesamtblutmenge aufnehmen, um sie bei Bedarf und Gefahr dem allgemeinen Kreislauf zuzuführen (bei Erstickung, bei großen Blutverlusten, bei Aufenthalt in verdünnter Luft!). Zu 2. Es gibt im Zwischenstoffwechsel (Intermediärer Stoffwechsel) wohl keinen Vorgang, in den die Leber nicht direkt oder indirekt eingeschaltet ist. Sie nimmt Anteil am Zwischenstoffwechsel: a) der Kohlenhydrate, b) der Eiweiße und c) der Fette. a) Die Kohlenhydrate, die durch Verdauungsfermente in einfache Zucker (Monosaccharide) aufgespalten werden, können als Glykogen in der Leber und in der Muskulatur gespeichert werden. Zuvor müssen Lävulose, Galaktose und Mannose in Dextrose (Traubenzucker) umgelagert werden. A u c h das geschieht in der Leber. Dadurch, daß die Zucker in der Leber abgefangen und als Glykogen abgelagert werden, wird eine plötzliche Überschwemmung des Blutes mit Zucker verhütet. N u r langsam wird das Glykogen wieder in Zucker — es ist in jedem Falle Traubenzucker — umgewandelt und dem Bedarf entsprechend dem Körper zugeführt. Unter der Einwirkung von Insulin ( = I n k r e t des Pankreas) wird Glykogen aufgebaut. Ist das strömende Blut an Traubenzucker verarmt, so wird dadurch ein Reiz auf das Zuckerzentrum ausgeübt. V o n hier aus ergehen nervöse Reize an die Nebenniere, die vermehrt Adrenalin (Stoff des Nebennierenmarks) ausschüttet. Das Adrenalin regt in der Leber den Abbau des Glykogens zu Traubenzucker an. t>) Der im Eiweißstoffwechsel abgespaltene Stickstoff wird als Ammoniak in der Leber in Harnstoff verwandelt.
Leberzellentzündung
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c) Wie das Glykogen, so werden auch Fette als Fettsäuren in der Leber gestapelt. Der normale Fettgehalt beträgt etwa 3 % ; nimmt er zu, so spricht man von „Fettleber". Wenn der Kohlenhydratabbau gestört ist (s. Diabetes mellitus), bilden sich im Fettsäureabbau, der auch in der Leber erfolgt, Azetonkörper, die nicht so schnell wie gewöhnlich mitverbrannt werden können.
Zu 3. Die Leber liefert den für die Fettresorption notwendigen gallensäurehaltigen Gallensaft (vgl. S. 48). Fibrinogen, ein Eiweißkörper, der bei der Blutgerinnung in Fibrin übergeführt wird, wird in der Leber gebildet. Auch das Heparin, ein die Blutgerinnung hemmender Stoff, stammt aus der Leber. Außerdem wird ein sehr wichtiger Stoff gespeichert: Antiperniziosafaktor (s. VIII — Erkrankungen des Blutes). Zu 4. Bedeutungsvoll ist die entgiftende Funktion der Leber. Sie hat u. a. die Aufgabe, gewisse Eiweißspaltprodukte, die sich bei der Verdauung bilden, zu entgiften: Durch die Umwandlung des Ammoniaks in Harnstoff wird der Körper vor der giftigen Wirkung des Ammoniaks geschützt. Auch körperfremde Gifte (Metalle, Pflanzengifte) werden in der Leber entgiftet. Zu 5. Die roten Blutkörperchen haben, da sie kernlos sind, nur eine begrenzte Lebensdauer (bis zu 100 Tagen). Ihre Auflösung erfolgt in der Leber: unter Abspaltung des Eisens wird der Blutfarbstoff (Hämoglobin) in Gallenfarbstoff (Bilirubin) umgewandelt. B. Erkrankungen des Leberzellgewebes und der Gallengänge 1. Leberzellentzündung {Hepatitis) 2. Akute gelbe Leberatrophie ). Leberzirrhose 4. Leberabszeß
/. 6. 7. 8. 9.
Leberkarzinom Gallenblasenentzündung Gallenblasenkarzinom Nachweis der Gallenfarbstoffe Leberbelastungsproben
1. Leberzellentzündung (Hepatitis) Die akute Leberentzündung — früher als Icterus catarrhalis oder simplex bezeichnet — gilt heute nicht mehr als so harmlos, wie sie in der Vergangenheit angesehen wurde. Wir wissen heute, daß sich besonders aus der vernachlässigten Hepatitis gefährliche Leberzellschädigungen entwickeln können (s. Akute Leberatrophie). Die Hepatitis geht häufig mit einer Gelbfärbung der Skleren (Augeniederhaut) und Schleimhäute einher (daher auch „Gelbsucht"). Ein Ikterus tritt dann auf, wenn die 'ßiMmbinbildung die'BiVirabinausscheidungin einem bestimmten Verhältnis übersteigt. Durch eine Störung im Zellgefüge der Leber kommt es zu einer Entgleisung von Galle in das Blut.
Ursache: Man führt die akute Hepatitis in den meisten Fällen auf eine Virusinfektion zurück (Virushepatitis). Auch ernährungstoxische Schäden können zu einer Entzündung der Leberzelle führen. Von diesen Formen der echten Leberzellentzündung müssen die Cholangitiden (Entzündung der Gallengänge) getrennt werden, die klinisch häufig ebenfalls von einem Ikterus begleitet sind, die aber durch aus der Gallenblase oder dem Zwölffingerdarm aufwandernde Keime — meist aus der Koligruppe — hervorgerufen werden (aszendierende Cholangitis). Symptome der Hepatitis: Die Patienten klagen nach voraufgegangener Magenverstimmung über Übelkeit und Brechreiz, Aufstoßen, allgemeine Mattigkeit, Hautjucken (hervorgerufen durch vermehrte Gallensäuren im Blut) und Temperaturerhöhungen nur, wenn auch die Gallenwege mitergriffen sind. Der Urin ist bierbraun verfärbt, der Schaum des geschüttelten Urins gelb, der Stuhl ist entfärbt, d. h. acholisch; blutchemisch steigt der Bilirubingehalt im Serum (Normalwert 0,5 mg%) an, gleichzeitig auch die Gallensäuren.
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Leber
Besondere Formen: Von diesem Krankheitsbild der Hepatitis ist weder klinisch noch pathologisch-anatomisch das Bild der sog. „Homologen Serumhepatitis" zu unterscheiden. Die Krankheit wird wahrscheinlich auch durch ein — parenteral eingebrachtes —• Virus hervorgerufen. Die meisten Kliniker fassen sie ebenfalls als eine infektiöse Hepatitis auf, die sich von der Hepatitis epidemica nur durch eine längere Inkubationszeit unterscheidet. Sie kann bei der „Homologen Serumhepatitis" bis zu 100 Tagen betragen. Um eine Virusübertragung zu vermeiden, müssen Spritzen, Kanülen und Duodenalsonden von Ikteruskranken sorgfältig desinfiziert und sterilisiert werden, ehe sie bei anderen Patienten verwandt werden (Dampfsterilisation bei 134 0 C oder Trockensterilisation bei 200° C; Duodenalsonden dürfen nur der Dampfsterilisation ausgesetzt werden). Therapie: Neben strenger Bettruhe eine kohlenhydrat- und eiweißreiche, fettarme, vitaminreiche Schonkost, bei der sämtliche gebratenen und gerösteten Speisen und alkoholische Getränke streng verboten sind. Feuchtwarme Leibumschläge und morgens nüchtern Karlsbader Wasser haben sich bewährt. Barbitursäurehaltige Schlaf- und differente Abführmittel müssen streng gemieden werden. In die medikamentöse Behandlung sind in den letzten Jahren schwefelhaltige Aminosäurengemische, wie z. B. Methionin, Sulfactin, Litrison und Prohepar eingeführt worden. Prognose: Auch bei den anscheinend leichten Verlaufsformen ist eine sorgfältige Überwachung der Leberfunktion erforderlich. 2. Die akute gelbe Leberatrophie (Tafel V , Bild 2)
Die akute gelbe Leberatrophie ist ein fast ausnahmslos zum Tode führendes Leiden. Es kommt hierbei unter schwersten Allgemeinerscheinungen zu einem rasch fortschreitenden Zerfall des Leberzellgewebes mit Daniederliegen der Leberfunktion (Hepatargie) und schweren Vergiftungszeichen. Ursache: Oft erfahren wir aus der Vorgeschichte dieser Kranken eine Lues, eine Salvarsanbehandlung oder eine Pilzvergiftung. Anatomisch findet sich ein akuter Schwund des Lebergewebes mit starker Einlagerung von Fett. Hieraus erklärt sich auch die Bezeichnung akute „gelbe" Leberatrophie. Symptome: Häufig schließt sich das schwere Krankheitsbild an die zunächst unauffällig erscheinende Hepatitis an. Es ist gekennzeichnet durch hohen Temperaturanstieg, Verwirrungszustände und Krämpfe (Coma hepaticum). Die Krankheit kann auch ohne vorangehende Gelbsucht so schnell verlaufen, daß sich die sonst richtungweisenden klinischen Zeichen, wie Gelbsucht, nicht mehr zu entwickeln vermögen. Prognose: Nur in seltenen Fällen kommt es zu einem Stillstand des Leidens und zur Heilung. 3. Leberzirrhose (Chronische Leberentzündung [Tafel V , Bild 1])
Ursache: Sie tritt als chronischer Leberschaden auf u. a. nach Lues, Tuberkulose, Malaria und nach ständigem, reichlichem Genuß von Alkohol. Pathologisch-anatomisch kommt es zu einer allmählichen Verdrängung der Leberbälkchen durch Wucherung des dazwischenliegenden Bindegewebes. Die Leber zeigt eine höckrige Oberfläche.
Leberabszeß
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Symptome: Das Bindegewebe hat die Neigung zu schrumpfen. Das Blut aus der Vena portae kann die Leber nicht mehr ungehindert durchströmen, und es kommt zu Stauungserscheinungen im Bauchraum. Nach einem uncharakteristischen Vorstadium treten bei klinisch nachweisbaren Funktionsstörungen in der Leber mehr und mehr für den Kranken bemerkbar die Stauungszeichen im Bauchraum in den Vordergrund. Der Kranke klagt über Appetitlosigkeit, Völlegefühl nach den Mahlzeiten und Blähungen. Häufig leiden die Kranken unter Hämorrhoiden. Wenn die Erkrankung einen bestimmten Schweregrad erreicht hat, tritt Flüssigkeit aus den Kapillaren durch den serösen Überzug der Bauchorgane in die freie Bauchhöhle über. Diese Flüssigkeit nennen wir Aszites (= Bauchwassersucht). Häufig wird bei diesen Patienten auch durch Störung der Gallensekretion eine mäßiggradige Erhöhung des Gallenfarbstoffes im Serum gefunden (Subikterus). Die Milz ist meist vergrößert. Therapie: Der Arzt schafft dem Patienten Erleichterung, wenn er den Aszites punktiert; jedoch bleibt das krankhafte Geschehen in der Leber hierdurch unbeeinflußt. Eine kausale Therapie kommt nur in Betracht, wenn die Ursache der Erkrankung eine Lues ist; im übrigen gelten die gleichen Gesichtspunkte wie bei der Hepatitis. Verlauf: Je nach der Schwere der Erkrankung erstreckt sich die Dauer des Leidens über ein bis mehrere Jahre. Selbst in Fällen mit Aszites sind bei zweckmäßiger Behandlung Verläufe mit längerer Dauer beschrieben worden. Gelegentlich kommt der Krankheitsprozeß zum Stillstand, und das Lebergewebe erscheint wieder ausreichend funktionstüchtig. Mitunter endet das Leiden durch eine schwere tödliche Blutung aus den Speiseröhrevenen (Ösophagusvarizen, siehe auch Hämorrhoiden). Die Blutung tritt gewöhnlich plötzlich und in großer Menge ein. Das Blut aus den geplatzten Speiseröhrevenen fließt in den Magen und wird von hier stoßweise erbrochen, oder es gelangt vom Magen in den Darm. Der Stuhl ist teerfarben. In anderen Fällen treten banale Infekte hinzu, die den Krankheitsverlauf beschleunigen. Selten kommt es zu einer totalen Leberinsuffizienz mit Vergiftungserscheinungen, wie sie bei der akuten Leberatrophie geschildert wurde. Eine Stauungsleber kann bei einer Insuffizienz des rechten Herzanteiles auftreten, wobei sich das Blut im Gebiet der unteren Hohlvene staut. Bessert sich die Herzleistung, so schwindet auch die Stauung in der Leber. Die Lebersjphilis ist durch die moderne Therapie sehr selten geworden. Die angeborene Lues verursacht in der Leber sehr typische Veränderungen, die der Pathologe als „Feuersteinleber" bezeichnet. Bei der antiluetischen Behandlung mit Salvarsan kommt es gelegentlich zu einer Hepatitis oder auch zur akuten Leberatrophie. Die Leber tuberkulöse tritt fast immer als Begleittuberkulose bei einer miliaren Aussaat auf. Eine isolierte Lebertuberkulose ist sehr selten. Bei Bluterkrankungen — wie bei der lymphatischen und myeloischen Leukämie und bei der Lymphogranulomatose — ist die Leber in typischer Weise mitbefallen.
4. Leberabszeß
Ursache: Ein Leberabszeß (oder auch mehrere) kann sich nach einer Amöbenruhr oder bei einer Sepsis bilden; dabei wird das infektiöse Material auf dem Wege der Arteria hepatica vom Herzen zur Leber geschleppt. Durch direkte Fortleitung kann sich auch einmal nach einer eitrigen Blinddarmentzündung ein Leberabszeß bilden.
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Leber
Symptome: Es treten uncharakteristische Fieberschübe mit Schüttelfrost auf — manchmal gefolgt von einer Gelbfärbung der Skleren und Schleimhäute. Therapie: Sie richtet sich nach Zahl und Lage der eitrigen Einschmelzungen. Die Behandlung wird vom Chirurgen oder konservativ vorgenommen. 5. Leberkarzinom (Leberkrebs)
Ursache: Der Pathologe unterscheidet ein primäres und ein sekundäres Leberkarzinom. Primär heißt, das Karzinom tritt zuerst in der Leber auf. Diese Form ist sehr selten; sie metastasiert in die Lunge, in das Knochensystem und in das Gehirn. Diese Metastasen haben die Fähigkeit, Galle zu bilden. Dem „sekundären" Leberkarzinom — d. h. die Muttergeschwulst des Krebses sitzt in einem anderen Organ, und die Tochtergeschwülste entwickeln sich in der Leber —- begegnet man häufiger. Dabei kann das primäre Karzinom linsengroß irgendwo im Körper versteckt sein und dem Auge des klinischen Beobachters verborgen bleiben. Die sich sekundär entwickelnden Lebermetastasen können wesentlich größer werden. Symptome: Die klinischen Erscheinungen können sehr uncharakteristisch sein. Ist das primäre Karzinom — etwa der Brust (Mamma), des Magens, der Gallenblase — bekannt, so weiß der Arzt, daß er mit der Möglichkeit einer Metastasierung in die Leber zu rechnenhat. Er kann sie nicht verhindern. DieZeichen des allgemeinen Körperverfalls, denen wir bei fast allen Fällen von Krebs begegnen, beherrschen das Krankheitsgeschehen. In manchen Fällen kann der Arzt eine höckrige Leberoberfläche tasten. Die Gelbfärbung von Haut und Skleren ist meist gering. Therapie: Eine wirksame Therapie gibt es weder beim primären noch beim sekundären Leberkrebs. An Leberparasiten ist vor allem der zystenbildende Echinokokkus (Hundebandwurm) anzutreffen. Neben typischen Häkchen wird Bernsteinsäure im Punktat nachgewiesen. Die Embryonen des Hundebandwurmes dringen vom Darm in die Leber ein. 6. Gallenblasenleiden ( = Cholezystopathie)
Neben den Erkrankungen der Leber^Äi? gibt es die Veränderungen der Gallengänge, besonders der Gallenblase, dem Reservoir für die Galle. Die Cholelithiasis, das Gallensteinkiden, beruht auf der Bildung von Steinen in den Gallenwegen, besonders in der Gallenblase. Sie befällt Frauen viermal häufiger als Männer. Obduktionsstatistiken besagen, daß jeder zehnte Mensch Steinträger ist, aber nur % von ihnen zu Lebzeiten Gallenbeschwerden hatte. Steinarten: Die weißen Gallensteine bestehen fast ganz aus schichtweise abgelagerten Cholesterinkristallen (Cholesterin = Gallenfett). Ihr Größendurchmesser beträgt etwa 1 cm; sie erreichen aber auch Walnußgröße, besonders dann, wenn sie einzeln vorhanden sind (Solitärsteine). Röntgenologisch sind die reinen Cholesterinsteine nicht darzustellen, da sie strahlendurchlässig sind. Als „zusammengesetzte Steine" bezeichnet man die Cholesterinpigmentkalksteine. Ihre Gestalt ist facettiert, gerundet, gestreckt, tonnenförmig; auf der Bruchfläche läßt sich eine konzentrische Schichtung erkennen. Sie kommen als kleine, aber auch als Riesensteine vor. Die braunen Steine bestehen aus Bilirubinkalk, Kalkkarbonat und -phosphat, oft mit Eisen, Kupfer und anderen Schwermetallen vermischt. Ihre Form und Größe ist wechselnd.
Gallenblasenleiden
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Beim Zustandekommen des Steinleidens spielt die Konstitution neben anderen Faktoren — Obstipation oder Behinderung des Gallenabflusses bei Schwangerschaft — eine wichtige Rolle. Das Vorhandensein von Steinen fördert eine aufsteigende Ent2ündung ebenso wie die Entzündung zur Bildung von Steinen führen kann. Durch einen Diätfehler, eine äußere oder eine seelische Erschütterung, oder durch eine Infektion mit Lamblien ( = tierähnliche Darmparasiten), kann es zur Cholezystitis (Gallenblasenentzündung) kommen. Symptome: Im klinischen Bild der Gallenblasenentzündung müssen wir zwischen dem akut auftretenden und akut verlaufenden Steinanfall und der von vornherein chronischrezidivierenden Gallenblasenentzündung unterscheiden. Ein typisches Zeichen ist die Gallenkolik, jener heftige Schmerzanfall, der häufig nachts oder in den späten Abendstunden, meist ohne jeden Vorboten, auftritt. Es ist die Zeit der Verdauung im Zwölffingerdarm, wo reichlich Galle abfließen muß. Der Schmerz ist krampfend und steigert sich zu einer fast unerträglichen Heftigkeit. Der Kranke krümmt sich, ist blaß und von Angstschweiß bedeckt. Er schildert den Schmerz in der Gegend des rechten Rippenbogens, ausstrahlend in die rechte Schulter. Mit dem Schmerzanfall nimmt auch die Übelkeit zu, bis galliges Erbrechen folgt. Die Gallenkolik ist Ausdruck einer krampfhaften Zusammenziehung der Gallenblase, bei der ein Stein die Ursache sein kann. Der Krampf läßt nach, wenn der Stein aus dem Gallenblasenhals wieder in die Gallenblase zurückfällt oder wenn es gelingt, den Stein durch den Ductus choledochus in den Zwölffingerdarm zu befördern. Eine isolierte Entzündung der Gallenblasenwand allein ist auch fähig, eine Gallenkolik mit den gleichen Symptomen herbeizuführen. Komplikation: Vereitert der Gallenblaseninhalt (Empyen der Gallenblase), so kommt es meist zu heftigen Schmerzanfällen mit hohen Temperaturanstiegen und Schüttelfrost. Bleibt die Eiterung auf die Gallenblase beschränkt und greift nicht auf die Umgebung über, so kann die Entzündung unter Umständen allmählich abklingen und der Gallenblaseninhalt sich in den harmlosen, sterilen Hydrops umwandeln (sog. „weiße Galle"). Greift die eitrige Infektion auf die tieferen Gallengänge über, so entwickelt sich das klinische Bild der eitrigen Cholangitis. Therapie: Die Therapie richtet sich nach der Art und Schwere des Krankheitsbildes. Wenn eine Gallenkolik offenbar mit einem Diätfehler in Zusammenhang steht, vermag der Arzt dem Kranken durch ein Opiat Erleichterung zu bringen. In jedem Falle muß zunächst geklärt werden, ob ein schwerwiegender Befund (z. B. eine Perforation der Gallenblase) vorliegt, der durch das Betäubungsmittel verschleiert werden könnte. Auf Grund der Untersuchungen muß über die weitere Behandlung — konservativ oder chirurgisch — entschieden werden. Die chronisch-rezidivierende Cholezystitis spricht auf konservative Maßnahmen in vielen Fällen gut an: feuchtwarme Umschläge, Trinken von Mineralwasser (Karlsbad, Bad Bertrich, Mergentheim), Regulierung der Darmtätigkeit, eine fettarme, nur leicht gewürzte Diät. Steinauflösende Mittel gibt es nicht. Die Röntgendarstellung der Gallenblase gelingt mit jodhaltigen Kontrastmitteln, die oral oder intravenös zugeführt werden und sich in der Gallenblase und in den Gallenwegen anreichern. D i e t r i c h Bd.I
Leber
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Etwa drei Tage vor der angesetzten Röntgenuntersuchung soll der Parient leicht verdauliche, schlackenarme, nicht blähende Speisen (keine Hülsenfrüchte, keinen Kohl) zu sich nehmen. Bei Blähungen und Verstopfung ist es zweckmäßig, zwei Tage zuvor morgens nüchtern ein mildes Abführmittel zu reichen. A m Tage vor der Röntgenaufnahme wird das Kontrastmittel Biliselektan nach einem leichten Abendbrot (in Breiform) eingenommen. Der Inhalt einer Packung wird in drei bis vier Portionen eingeteilt und mit Wasser oder einem anderen Getränk in kurzen Abständen unzerkaut eingenommen. Nach der Einnahme empfiehlt es sich, den Patienten noch 15 Minuten auf die rechte Seite zu lagern. E r darf dann bis zur Röntgenaufnahme am folgenden Morgen nicht mehr essen, nicht mehr trinken und nicht rauchen. Die Vorbereitungen zur Gallenblasendarstellung mit Biligrafin sind die gleichen. Eine abendliche Einnahme des Kontrastmittels erübrigt sich, da es etwa 1 / 2 Stunde vor der Röntgenaufnahme vom Arzt intravenös verabreicht wird. Die Untersuchung erfolgt ebenfalls nüchtern.
7. Gallenblasenkarzinom (Gallenblasenkrebs)
Das Karzinom der Gallenblase oder der Gallengänge tritt oft unter dem Bilde eines primären Leberkarzinoms auf und ist wie dieses unheilbar. 8. Nachweis von Gallenfarbstoffen in Urin und Blut
a) N a c h w e i s v o n U r o b i l i n o g e n nach Ehrlich {Ehrlich, Arzt und Biololge in Frankfurt, 1854—1915) Eine frische, auf Zimmertemperatur abgekühlte Harnmenge wird tropfenweise mit Ehrlich-Aldehyd-Reagens versetzt. Tritt bereits in der Kälte eine Rotfärbung der Harnprobe auf, so ist Urobilinogen vermehrt (z. B. bei Erkrankung des Lebergewebes). Hierbei hat die Leberzelle vorübergehend die Fähigkeit eingebüßt, die reduzierten Gallenfarbstoffe wieder aus dem Darm rückzuresorbieren. Eine Rotfärbung der Harnprobe nach Erwärmen zeigt einen normalen Urobilinogengehalt an. Tritt keine Rotfärbung auf, auch nicht nach Erwärmen, so ist das Urobilinogen vermindert oder es fehlt ganz. b) N a c h w e i s v o n B i l i r u b i n Eine sehr einfache und dabei sehr empfindliche Probe zum Nachweis von Bilirubin ist die Schichtprobe mit Lugokchex Lösung: mit dieser Jodlösung wird die Harnprobe vorsichtig überschichtet: Bei Vorhandensein von Bilirubin bildet sich an der Berührungsstelle der Flüssigkeiten ein grüner Ring. Normaler Urin enthält kein Bilirubin; Bilirubinausscheidung spricht für eine Gallenstauung, hervorgerufen durch eine mechanische Behinderung des Gallenabflusses (z. B. durch Steine, Geschwülste). c) N a c h w e i s v o n U r o b i l i n nach (Schlesinger,
Schlesinger
Internist in Wien, geb. 1869)
Eine Harnprobe wird zu gleichen Teilen mit Schlesinger-Reagens (Zinkazetat) versetzt, filtriert und gegen einen schwarzen Hintergrund betrachtet. Bei Anwesenheit von Urobilin tritt eine deutlich erkennbare, grünliche Fluoreszenz auf. Frisch gelassener,
Leberfunktionsproben
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normaler Harn enthält kein Urobilin; es bildet sich aus der Vorstufe Urobilinogen, wenn Harn dem Licht ausgesetzt einige Zeit stehen bleibt. Für krankhafte Zustände gilt daher das gleiche, was schon zur vermehrten Urobilinogenausscheidung gesagt wurde. d) Der quantitative Bilirubingehalt Der quantitative Bilirubingehalt im Blutserum wird nach der Methode von Hijmans van. den Bergh bestimmt (Hijmans van den Bergh, Pathologe in Utrecht, geb. 1869). Da es eine Aufgabe des Labors ist, soll es in diesem Buch nicht weiter besprochen werden. Zur Nomenklatur: „direkt positiv" fällt sie bei hepatogenem Ikterus aus; aus „indirekt positiv" wird das außerhalb der Leber, im strömenden Blut gebildete Bilirubin bei sog. „extrahepatogenem Ikterus" gefällt. Beide Werte zusammen ergeben das „Gesamtbiiirubin" (Normalwert: 0,45 bis 0,60 mg%).
9. Leberfunktionsproben
Wichtig für die Schwester ist es, etwas über die in der Medizinischen Klinik durchgeführten Leberfunktionsproben und über die Art ihrer Durchführung zu wissen. Es sind im wesentlichen Belastungsproben (Toleranzprüfung) der intermediären Kohlenhydrat-, Fett- und Eiweißstoffwechselvorgänge in der Leber. a) Galaktosebelastungsprobe Nach Entleerung der Blase erhält der Patient morgens nüchtern 40,0 g Galaktose, gelöst in 200 bis 250 ccm Tee. Der Urin wird in den folgenden 6 Stunden gesammelt, gemessen und polarimetrisch auf seinen Zuckergehalt untersucht. Eine funktionstüchtige Leber scheidet nicht mehr als 3,0 g Galaktose im Urin aus. Erst ab Mittag darf der Patient wieder seine gewohnte Kost essen. b) L ä v u l o s e - B e l a s t u n g s p r o b e Diese Probe ist ähnlich der Galaktosebelastungsprobe. Der Patient erhält morgens nüchtern und nach Entleerung der Blase 100,0 g Lävulose, gelöst in 200,00 Tee. Dann wird der Urin in den folgenden 6 Stunden gesammelt, gemessen und polarisiert. c) Die B r o m s u l p h a l e i n - B e l a s t u n g s p r o b e Ein intravenös angewandter Test, der wegen großer Zuverlässigkeit in der Medizinischen Klinik gern angewandt wird. d) Die Methylenblau-Probe Zunächst wird eine Duodenalsonde gelegt, sodann 3 ccm einer 2%igen Methylenblaulösung subkutan injiziert. Bei normal arbeitender Leber ist der Farbstoff erst nach 1 bis 1V2 Stunden im Duodenalsaft, bei einer Leberzellerkrankung bereits nach 10 bis 30 Minten erkennbar. 6*
Leber
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e) D i e Takata-Ara-'K&ii'ktlon.
und die E l e k t r o p h o r e s e
Die Modifikation der Takata- Ära-Reaktion nach Manche-Sommer, das Weltmanni,c\ic Koagulationsband mit seiner Abwandlung nach Wuhrmann und Wunderly ( = Nephelogramm) und die Elektrophorese sagen etwas sehr Wesentliches über das Verhältnis der Bluteiweiße (Albumin und Globulin) zueinander, aber sie sind keine leberspezifischen Proben. Sie decken bei Lebererkrankungen Verschiebungen der Eiweiße auf und können so im Zusammenhang mit den übrigen Befunden in der Diagnose und Prognose wertvolle Hinweise geben.
Y. Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) A.
Physiologie der Bauchspeicheldrüse
B. Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse
A. Physiologie der Bauchspeicheldrüse Die täglich abgesonderte Menge des Pankreassekretes beträgt i bis i 1 / 2 Der Bauchspeichel ist färb- und geruchlos, seine Reaktion schwach alkalisch. Auf den Mechanismus der auf hormonalem Wege ausgelösten Sekretion wurde bereits hingewiesen (s. S. 48). Daneben können auch nervöse Impulse 2u einer Absonderung von Bauchspeichel führen. Der Pankreassaft enthält kohlenhydratspaltende (Diastase und Maltase), eiweißspaltende (Trypsin) und fettspaltende (Steapsin-Lipase) Fermente (s. S. 47). Neben diesen für die Verdauung sehr wichtigen Sekreten produziert das Pankreas noch ein nicht minder wichtiges Hormon ( = Inkret): das Insulin (s. S. 49 u. 51). Es wird in den Langerhansschen Inseln gebildet. In diesen Inselzellen unterscheidet man histologisch zwei Zelltypen: a- und ^-Zellen. Die ^-Zellen produzieren das Insulin, während den «-Zellen eine insulinhemmende Wirkung zukommt (Glukagon). B. Erkrankungen der Bauchspeicheldrüse 1. Untersuchungsmethoden 2. Akute Pankreatitis 5. Akute Pankreasnekrose
4. Chronische Pankreatitis /. Pankreaskarziom 6. Pankreassteine
1. Untersuchungsmethoden
Die auf physiologischen Erkenntnissen aufgebaute „funktionelle Pankreasdiagnostik" sucht eine Störung in der Tätigkeit der Bauchspeicheldrüse im Ablauf der Verdauung festzustellen. Die Schmidtsche Probekost {Schmidt, Kliniker in Bonn, 1865—1918) ist eine in der Klinik häufig durchgeführte Pankreasbelastungskost. Sie besteht hauptsächlich aus Fett und Eiweiß. Insuffizienzerscheinungen werden damit sehr bald aufgedeckt. Unverdautes Fett erscheint in Form von Neutralfett (flüssig) oder als Fettsäurenadeln im Stuhl; unverdautes Fleisch kann mikroskopisch an Hand intakter Muskelfasern ebenfalls im Stuhl nachgewiesen werden. Wertvoll für den Nachweis einer Bauchspeicheldrüsenerkrankung können auch Fermentuntersuchungen sein. Durch den „Ätherreflex" (s. S. 46) gewinnt man Pankreassaft, der im Labor auf seinen Trypsingehalt untersucht wird. Diagnostische Bedeutung haben die Diastasebestimmungen im Harn und Blut. Sie können bei Reizungen der Bauchspeicheldrüse erhöht sein (über 128 E nach Wohlgemuth [ Wohlgemuth, Internist in Berlin; geb. 1874!).
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Die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) 2. Akute Pankreatitis
Ursache: Als „akute Pankreatitis" sei jene Form der Pankreaserkrankung bezeichnet, die durch eingewanderte Bakterien (auf dem Blutwege oder nach Aufsteigen aus dem Darm) verursacht wird. Symptome: Ein gelegentlich geäußerter Schmerz im Oberbauch und Verdauungsbeschwerden lassen den Arzt die Krankheit erkennen. Als Zeichen der Funktionsschwäche des Prankreas zeigt sich eine schlechte Fettverdauung (Butterstühle). Komplikationen: Eitrige Einschmelzungen (Abszesse) sind sehr selten. Therapie: Antibiotika; fettarme Diät, feuchtwarme Leibumschläge. 3. Akute Pankreasnekrose
Ursache: Die akute Pankreasnekrose, auch Pankreasapoplexie genannt, beruht auf einer Selbstverdauung des Pankreas und .wird fast immer bei Gallenkranken beobachtet; z. B. bei Steinen, die sich eingeklemmt haben, im unmittelbar vor der Vatersdcien Papille ( = Papilla duodeni) gelegenen Gallenausführungsgang. Das Pankreassekret, normalerweise auf dem Blutwege vom Darm her aktiviert, kann auch durch gestaute, zurückfließende Galle aktiviert werden und verdaut dann, da es nicht abfließen kann, die eigenen Pankreaszellen. Durch das zerfallende Gewebseiweiß kommt es zur Selbstvergiftung des Körpers. Symptome: Klinisch erinnert das Krankheitsbild an eine Sepsis, an eine Magenperforation oder an einen Ileus. Verfallenes Aussehen (Facies abdominalis), Kollapserscheinungen, Blässe, Erbrechen, hochgradige Unruhe und unerträgliche Schmerzen im linken Oberbauch sind Kennzeichen. Der Schmerz strahlt häufig zum linken Schulterblatt aus, seltener zum linken Darmbeinkamm. Später kann Fieber um 39 bis 40° C auftreten, der Oberbauch scheint aufgetrieben. Komplikationen: Es kann zu einer Pankreasblutung kommen — daher auch Pankreasapoplexie —, wenn ein größeres Gefäß angedaut wird. Der Pankreassaft kann sich ungehindert in die freie Bauchhöhle ergießen und seine verdauende Wirkung ausüben. Therapie: Die Behandlung wird nach Möglichkeit konservativ durchgeführt. Es ist wichtig, daß der Patient völlig ruhiggestellt wird. Er darf weder durch den Anblick, noch durch den Geruch von Speisen irritiert werden. Auch bei dem früher üblichen operativen Vorgehen ist die Sterblichkeitsziffer, die bei 50 bis 60% liegt, sehr hoch. 4. Chronisch indurierende Pankreatitis (Pankreaszirrhose)
Ursache: Durch Wucherung des zwischen den Zellen gelegenen Bindegewebes kommt es zur Verdrängung der Pankreaszelle und damit zur Schrumpfung des Organs. Als Ursache für diesen Umwandlungsprozeß gelten neben Alkoholismus eine Gefäßverkalkung und die Lues. Symptome: Klinisch ist die Diagnose sehr schwer zu stellen, da sich die Pankreasmangelerscheinungen nur langsam zeigen. Allmählich leidet der Ernährungszustand infolge mangelhafter Nahrungsausnutzung. Manchmal klagen die Kranken über Verdauungsstörungen, über massige Entleerungen eines stechend-stinkenden Stuhles. Therapie: Behandlung des Grundleidens. Bei deutlicher Funktionsstörung fettarme Diät. Manchmal bewähren sich Pankreaspräparate.
Pankreasstein 5. Pankreaskarzinom (Bauchspeicheldriisenkrebs)
Das Pankreaskarzinom kann primär auftreten, wobei der Kopfteil bevorzugt ist, aber die Krebsgeschwulst kann auch von dem benachbarten Magen- und Darmtrakt übergreifen. Symptome: Die ersten Symptome sind auch hierbei wieder so uncharakteristisch, daß sie leicht übersehen werden. Sind erst die allgemeinen Zeichen eines bösartigen Prozesses da — Abmagerung, Leistungsschwäche, Beschleunigung der Blutkörperchensenkungsreaktion —, dann sind auch schon Metastasen vorhanden, und jede wirksame Hilfe kommt zu spät. Daher ist die Prognose des Pankreaskarzinoms im allgemeinen infaust. 6. Pankreassteine
Pankreassteine, die aus Kalziumkarbonat oder Kalziumphosphat bestehen, sind selten. Als ursächliche Momente gelten auch hier Stauung und Entzündung. Bei den Steinanfällen — den Koliken — strahlen die Schmerzen zum linken Schulterblatt aus.
VI. Nieren und ableitende Harnorgane A.. Physiologie der Niere B. Nierenfunktionsproben
C. Erkrankungen der Niere D. Erkrankungen der Harnorgane
A. Physiologie der Niere Die Niere spielt als Ausscheidungsorgan — neben dem Darm — eine hervorragende Rolle. Sie hat die Aufgabe, den Harn zu bereiten. Dabei werden ihr die Harnbestandteile zum großen Teil fertig mit dem Blut zugeführt; nur wenige werden in der Niere selbst gebildet. Durch die Bildung des Harns wird das Blut von Stoffwechselschlacken und körperfremden Stoffen befreit. Die Aufrechterhaltung eines physikalisch-chemischen Gleichgewichts im Blut ist eine der Hauptbedingungen, unter denen ein Organismus leben kann. Diese Aufgabe erfüllt die Niere. Sie wird von drei paarigen Arterien — Arteriae renales —versorgt und von etwa iooo bis 15 oo / Blut täglich durchströmt. Die Niere scheidet außer Wasser, Salzen und Hormonen „harnpflichtige" Stoffe aus, die zum größten Teil in der Leber gebildet werden. Sie befreit das Blut von überschüssigen Säuren oder Alkalien, vor allem von giftigen Endprodukten aus dem Eiweißstoffwechsel. Eine Anhäufung dieser Substanzen führt sehr bald zur Eigenvergiftung des Organismus — zum Coma uraemicum. Sitz der spezifischen Funktion der Niere ist ihre Rinde. Die Blutgefäße werden hier in feinste Knäulchen aufgeteilt (sog. „Glomeruli") und sind von einer Kapsel umgeben. Die Bowmansch& Kapsel (Bowman, englischer Arzt, 1816—1892) ist der Anfangsteil eines Harnkanälchens, welches sich in einem vielgewundenen Drüsenschlauch (Tubulus contortus), in der Henleschca Schleife, {Henk, Anatom in Göttingen, 1809—1895) einem weiteren gewundenen Drüsenteil (Schaltstück) und in den Sammelkanälchen fortsetzt. Die Sammelkanälchen münden in das Nierenbecken. Die Menge des fertigen Blasenurins ist abhängig von der Größe der Filtration in den Glome'ruli und der Größe der Wasserrückresorption in den Harnkanälchen. Der primäre, in die Boivmanschc Kapsel abgegebene Harn kann als eiweißfreies Filtrat des Blutplasmas (Ultrafiltrat), in dem außer Eiweiß alle gelösten Bestandteile des Blutes in gleicher Konzentration wie im Blutplasma enthalten sind, angesehen werden. In den Tubuli erfolgt Wasserrückresorption und Rückresorption von Schwellenstoffen und auch eines Teiles der Schlackenstoffe. Hierdurch erfolgt eine Eindickung des ursprünglichen dünnen Harnes zum fertigen Blasenharn. Die Sekretion des Harnes erfolgt kontinuierlich; sie wird jedoch von verschiedenen Faktoren beeinflußt: vom Flüssigkeitsgehalt der Nahrung und des Blutes sowie vom Blutdruck. Insgesamt wird die Nierentätigkeit von der Hypophyse gesteuert. Bei einer normalen Ernährung scheidet der gesunde Mensch täglich etwa 1,5 / Harn aus. Die chemische Reaktion ist „schwach sauer", bei Pflanzenkost alkalisch; das spezifische
Verdünnungsversuch
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Gewicht beträgt 1015 bis 1030. An anorganischen Bestandteilen enthält der Urin Kochsalz, Schwefel, Phosphor, Natrium, Magnesium und Kalzium. An organischen Bestandteilen werden täglich 30 g Harnstoff, 0,5 bis 1,0 g Harnsäure, Harnfarbstoffe, Vitamine und Hormone ausgeschieden. Bowmansche Kapsel
Abb. 1 1
B. Nierenfunktionsproben 1. Verdünnungsversuch
2. Kon^entrationsversuch
}. Eiweißprobe
Der Verdünnungs- und Konzentrationsversuch nach Volhard Q/olhard, Internist in Frankfurt, 1872—1950) bietet einen guten Einblick in die Leistungsfähigkeit der Niere, zumal hierbei physiologische Vorgänge zum Gegenstand der Prüfung gemacht werden und man keine weiteren Laboruntersuchungen benötigt. 1. Verdünnungsversuch
Nach morgendlicher Blasenentleerung erhält der Patient nüchtern i 1 / 2 / Wasser oder ganz dünnen Tee zu trinken und bleibt bis zur Beendigung des Versuches nüchtern und im Bett (etwa vier Stunden). Von dem halbstündlich gelassenen Harn werden in einzelnen Portionen Menge und spezifisches Gewicht bestimmt. Die gesunde Niere scheidet die gesamte Flüssigkeit innerhalb der nächsten vier Stunden aus — 2/s etwa in den ersten beiden Stunden-—, wobei das spezifische Gewicht auf 1001 bis 1002 sinkt. Bei der kranken Niere ist die Ausscheidung verzögert, oder sie erfolgt gar nicht. Eine Gewichtskontrolle vor und nach Beendigung des Versuches darf nicht vergessen werden. In Fällen schwerer Nierenschädigung zeigt der Harn sowohl beim Dursten als auch beim Wasserversuch annähernd das gleiche niedrige spezifische Gewicht von 1008 bis 1012 (Isosthenurie). Herzkranken mit verminderter Herzleistungsfähigkeit wird der Arzt keinen Verdünnunesversuch zumuten.
Nieren und ableitende Harnorgane
9°
2. Konzentrationsversuch
Der Patient erhält für 24 Stunden Trockenkost, nachdem sein Gewicht, der Kochsalzspiegel im Blut und Harn und die Ein- und Ausfuhr von Flüssigkeiten drei Tage lang zuvor beobachtet wurden, um Erkrankungen anderer Organe auszuschließen. Während der Gesunde bis zu einem spezifischen Gewicht von 1030 konzentrieren kann, ist die kranke Niere nicht fähig, einen konzentrierten Harn zu liefern (Hyposthenurie oderlsosthenurie). Der Harn wird während dieser Zeit zweistdl. gemessen und gewogen. 3. Eiweißprobe
Der normale Harn ist praktisch frei von Eiweiß. Die Ursachen für eine Albuminurie können sowohl in einer Erkrankung der Niere als auch in Schädigungen anderer Organe, so bei schweren Bluterkrankungen und Herzkrankheiten, zu suchen sein. Der Harn soll vor der Durchführung der Eiweißproben möglichst klar sein und muß deshalb vorher filtriert werden. Sulfosali^ylsäureprobe: eine angesäuerte Harnprobe wird mit Sulfosalizylsäurelösung tropfenweise versetzt. Im eiweißhaltigen Harn entsteht eine Trübung. Essigsäurekochprobe\ etwa 10 cm2 werden erhitzt; kommt es beim Sieden zu einer Trübung, so kann diese auf Eiweiße oder auf ausfallende Salze zurückzuführen sein. Setzt man nun tropfenweise eine 3 %ige Essigsäure hinzu, so bleibt nur die aus Eiweiß bestehende Trübung bestehen. Quantitative Urineiweißbestimmung nach Esbach: Das Esbachröhrchen zeigt eine bestimmte Graduierung. Bis zur Marke „ U " wird es mit Urin gefüllt, bis zur Marke „ R " mit Esbach-Reagens (Gemisch von Pikrin- und Zitronensäure). Das Röhrchen wird mit einem Gummistopfen verschlossen, mehrmals umgeschüttelt und in die Holzhülse gestellt; es muß dunkel stehen. Nach 24stündigem Stehen bei Zimmertemperatur wird die Höhe des sich bildenden Niederschlages an der Gradeinteilung des Albuminimeters abgelesen. 20 „Promille Esbach" bedeuten einen Eiweißverlust von 20 g in 1 l Harn. Das muß die Schwester bei der Kost beachten; denn sie muß es dem Kranken zusätzlich geben. Hat der Arzt dem Patienten ein tägliches Eiweißminimum von 60 g zugebilligt, so muß der Kranke, bei einer Harnausscheidung von J >5 h 9° g Eiweiß bekommen. Die Eiweißbestimmungen im Blut sind kompliziert und werden in einem Speziallabor — dem chemischen Labor •— durchgeführt.
C. Erkrankungen der Niere 1. 2. 3. 4.
Nephritis Nephrose Niereninfarkt Nierenbeckenent^tindung
/. Nierengeschmilste 6. Angeborene Zystenniere 7. Sackniere 8. Harns;eine
1. Nephritis
Bei der „akuten Glomerulonephritis" spielt sich die Entzündung an den Kapillaren der Glomeruli ab. Es müssen nicht alle Glomeruli erkranken, der entzündliche Prozeß kann herdförmig beschränkt bleiben. Man unterscheidet daher eine „diffuse" und eine „herdförmige" Nephritis.
Nephritis
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Ursache: Beide Formen beobachtet man als Komplikation nach Infekten: nach Infektionen der Tonsillen oder des Nasen- und Rachenraumes, nach Scharlach, nach Lungenentzündung, bei Tuberkulose oder auch bei schweren infektiösen Hauterkrankungen. Möglicherweise werden die Gifte der Infektionserreger auf dem Blutwege in die Niere geschleppt, wo es zu Entzündungen der Glomeruli kommt. Betrachten wir noch einmal die Skizze des Malpighischen Körperchens, so ist es verständlich, was sich abspielt. Die Kapillarknäuel schwellen entzündlich an, es kommt zur Ansammlung eines eiweißhaltigen Exsudates im Kapselraum, dem weiße und rote Blutkörperchen beigemischt sind. Je mehr Kapillarknäuel so verändert sind, um so weniger Harn kann produziert werden; d. h. Flüssigkeit und „harnpflichtige Stoffe" verbleiben im Körper. Symptome: Die Nierenentzündung beginnt mit Störungen des Allgemeinbefindens. Die Patienten sind müde, unlustig und klagen über Kopfschmerzen. Häufig geben sie einen dumpfen Schmerz in der Nierengegend an. Die Haut erscheint blaß und gedunsen (Ödem), auffällig sind morgens die geschwollenen Augenlider. Der Patient nimmt, da die Harnproduktion abnimmt, an Gewicht zu. Die Flüssigkeit, die nicht mehr durch die Nieren ausgeschieden werden kann, sammelt sich im Unterhautzellgewebe; es bilden sich Ödeme. Der Blutdruck steigt auf systolische Werte von 180 bis 200 mm Hg; die diastolischen liegen bei und über 100 mm Hg. Die Harnmenge ist vermindert (Oligurie), in schweren Fällen bis zur Anurie. Der Harn ist blutig; die Blutung stammt aus den Glomeruli (Durchwanderung der Erythrozyten). Verlauf: Der Verlauf der Krankheit richtet sich nach dem Grundleiden und nach der Schwere der pathologisch-anatomischen Veränderungen im Gebiet der Nierenrinde. Sie kann fast unbemerkt verlaufen: nur bei sorgfältiger Harnsedimentkontrolle zeigen sich vereinzelte rote Blutkörperchen. In schwereren Fällen veröden die Kapillaren; es kommt zur Schrumpfniere. Die gefährlichste Komplikation stellt das völlige Versiegen der Harnbereitung dar, dem eine Eigenvergiftung des Körpers, die Urämie folgt (s. später). In jedem Falle muß die akute Glomerulonephritis ernst genommen werden; sie birgt immer die Gefahr eines Rückfalles und des Überganges in eine chronische Form in sich. Einen wichtigen Anhalt in der Beurteilung der Erkrankung bietet dem Arzt der Augenhintergrund. Therapie: Die Therapie erfordert strenge Bettruhe und eine Diät, bei der die Niere geschont wird. 2 bis 3 Hunger- und Dursttage sind am geeignetsten. Dann können Obst und salzfreie Trockenkost (Reis, Gebäck, Kartoffeln) langsam zugelegt werden. Besonders während der Karenztage ist auf peinlichste Mundpflege zu achten. Eiweißhaltige Kost darf erst nach Abklingen der Ödeme, bei normalem Blutdruck und bei normalen Bluteiweißwerten gereicht werden. Die eingeführte Flüssigkeitsmenge bleibt beschränkt und wird genau — wie die ausgeschiedene — kontrolliert. Schwinden die Ödeme nicht durch Diät, so wirken Schwitzpackungen und hochprozentige Traubenzuckerinfusionen entquellend. Eine intensive Wärmebehandlung und eine Kurzwellendurohströmung der Niere können die Harnsekretion anregen. Komplikation: Sind die Glomeruli so stark geschädigt, daß sie ihre Arbeit nicht mehr erfüllen können, so kommt es durch Verbleiben giftiger Stoffwechselschlacken im Körper zur Eigenvergiftung des Organismus, %ur Urämie. Wahrscheinlich sind diese
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Nieren und ableitende Harnorgane
toxischen Substanzen auch für das klinisch zu beobachtende Ansteigen des Blutdruckes verantwortlich. Symptome: Schläfrigkeit, Erbrechen, Durchfälle, Kopfschmerzen, Benommensein. Mit dem Fortschreiten der Urämie kommt es schließlich zur Bewußtlosigkeit und zu Krampfanfällen. Therapie: Urämische Zustände bessern sich manchmal nach einem großen Aderlaß mit nachfolgender Frischbluttransfusion. In einzelnen Fällen kann durch eine operative Spaltung der Nierenkapsel eine Besserung erzielt werden, wobei die entzündlich geschwollene Niere vom schädigenden Druck befreit wird. Das Verfahren, mit einer „künstlichen Niere" das Blut zu entschlacken, ist umständlich und sehr kostspielig und seine Anwendungsmöglichkeit daher begrenzt. 2. Nephrose
Ursache: Sie stellt eine degenerative, nicht entzündliche Veränderung der gewundenen Harnkanälchen dar. Chemische Gifte, u. a. Sublimat, Quecksilber, Veronal, Salvarsan und Bakteriengifte (Diphtherie, Cholera und Lues) können die Epithelzellen der Harnkanälchen so schädigen, daß sie zugrundegehen. Die Lipoidnephrose ist eine besondere Art der Nephrose; man betrachtet sie heute als eine Stoffwechselerkrankung, bei der es zu Fettablagerungen in den gewundenen Harnkanälchen kommt. Symptome: Die Nephrose beginnt schleichend. Der Kranke wird blaß und gedunsen. Starke Eiweißausscheidung im Harn, Esbachwerte von io'°/m (pro Mille) und mehr sind keine Seltenheit. Die Ausscheidung der Endprodukte aus dem Eiweißstoffwechsel ist nicht gestört und daher besteht auch keine Blutdruckerhöhung und keine Urämiegefahr. Der Augenhintergrund zeigt keine typischen Veränderungen. Durch die Eiweißverarmung des Blutes treten auch bei der Nephrose allmählich hochgradige Ödeme auf. Im Harnsediment zeigen sich abgestoßene, zum Teil degenerierte Nierenepitheüen u n d -Zylinder.
Therapie: Es gilt zunächst, den Eiweißverlust durch erhöhte Zufuhr in der Nahrung auszugleichen. Günstige Ergebnisse hat man in einigen Fällen unter der Behandlung mit ACTH (= Adrenocorticotropes Hormon, der Wirkstoff, der von der Hypophyse her die Nebennierenrinde anregt) und Cortison ( = Wirkstoff der Nebennierenrinde) gesehen. Diese Therapie darf nur bei Fehlen entzündlicher Veränderungen in der Niere durchgeführt werden. 3. Niereninfarkt
Ursache: Der Niereninfarkt entsteht durch Verschleppung eines Blutgerinnsels aus dem linken Herzen in eine Nierenarterie. Symptome: Klinisch kann er völlig symptomlos verlaufen; in anderen Fällen ermöglichen plötzlicher Schmerz und Erythrozytennachweis im Harn die Diagnose. Therapie: Eine ursächliche Therapie kommt im allgemeinen nicht in Betracht. 4. Nierenbeckenentzündung (Pyelitis)
Ursache: Die Nierenbeckenentzündung ist eine bakterielle Entzündung des Nierenbeckens. Sie kann sich hämatogen (auf dem Blutwege) oder durch Aufsteigen der
Sackniere
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Keime aus der Blase entwickeln (Zystopyelitis). Greift die Entzündung auch auf das Nierengewebe über, so spricht man von einer Pyelonephritis. S y m p t o m e : Sie setzt meist plötzlich mit hohem Fieber und gelegentlichen Schüttelfrösten ein. Manchmal schildern die Patienten einen dumpfen Schmerz auf der Seite der betroffenen Niere. Der Harn ist bei der katarrhalischen Form der Nierenbeckenentzündung oft nur wenig verändert, bei der eitrigen Form ist er trübe, reich an Schleim, Eiter und Epithelien. T h e r a p i e : Wärme und reichlich Flüssigkeit, um das Nierenbecken durchzuspülen, sind die Grundlagen der Behandlung. 5. Nierengeschwülste
Unter den Geschwülsten der Niere spielt das Hjpernephrom, der Grawit^sehe {Gramt^, Pathologe in Greifswald, 1850—1932) eine bedeutende Rolle.
Tumor
S y m p t o m e : Das Hauptsymptom für alle bösartigen Nierengeschwülste ist die Hämaturie (Nierenblutung). Sie muß nicht kontinuierlich sein, sondern kann sich periodisch wiederholen. T h e r a p i e : Eine wirksame Therapie kann nur in einer chirurgischen Entfernung des erkrankten Organes bestehen, wobei auch hier die gleichen Grundsätze gelten, wie bei den übrigen bösartigen Geschwülsten. 6. Zystenniere
Die angeborene Zystenniere kann gelegentlich das Bild eines Nierentumors hervorrufen. Zysten sind flüssigkeitsgefüllte Hohlräume, die ihrer Natur nach im allgemeinen gutartig sind. Je nach Größe und Zahl können kleine Zysten völlig beschwerdefrei bleiben. 7. Sackniere
U r s a c h e : Der Sackniere (Hydronephrose) liegt eine abnorme Größe des Nierenbeckens und der Nierenkelche zugrunde. Sie entwickelt sich als Folge einer Harnstauung im Bereich der ableitenden Harnwege, z. B. bei Steinen, die in den Harnleitern steckengeblieben sind, bei Abklemmung der Ureteren, von außen her durch Geschwülste im kleinen Becken oder durch einen graviden Uterus. S y m p t o m e : Der Beginn ist in den meisten Fällen schleichend; erst allmählich tritt ein dumpfer Schmerz im betroffenen Nierenlager ein. K o m p l i k a t i o n : Es kann zur einseitigen und auch zur beidseitigen Erweiterung der Nierenbecken kommen. Tritt eine Infektion hinzu, so spricht man von einer Pyonephrose. Wenn das Abflußhindernis nicht rechtzeitig beseitigt werden kann, so verödet allmählich das Nierengewebe: Hydronephrotische Schrumpfniere. Die Diagnose wird in den meisten Fällen mit Hilfe des Urogramms gestellt. D i e Röntgenkontrastdarstellung des Nierenbeckens gelingt mit dem intravenös z u spritzenden Uroselectan oder Urographin. A m T a g e der Untersuchung soll der Patient bis zur Röntgenaufnahme nicht essen und trinken.
T h e r a p i e der Hydronephrose: Möglichst frühzeitige operative Beseitigung der auslösenden Ursache, ehe es zu bleibenden Veränderungen des Nierengewebes gekommen ist.
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Nieren und ableitende Harnorgane 8. Harnsteine
Ursache: Ein häufiges Krankheitsbild sind die Harnsteine, die nach ihrem Sitz als Nierensteine, Harnleitersteine oder Blasensteine bezeichnet werden. Kleinere Steine bezeichnet man als Nierensand und Nierengrieß. Sie bestehen aus phosphor-, oxal- oder harnsauren Salzen. Symptome: Das typische Symptom ist neben der Blutung die Kolik, der plötzlich einsetzende, heftige Schmerzanfall. Der Kranke verspürt bei Nierensteinen in der Lendengegend einen krampfenden, sich steigernden Schmerz, der zur Blase hin ausstrahlt. Mit dem Krampf setzt gleichzeitig häufig Erbrechen und ein qualvoller Drang zur Blasenentleerung ein; dabei werden oft nur wenige Tropfen entleert. Der Krampf kann mehrere Stunden anhalten und dann plötzlich nachlassen. Therapie: Kleine Steine lassen sich konservativ beseitigen durch Wasserstoß, oder Glyzeringabe (50 bis 100 ccm) mit heißen Wickeln und heißen Bädern. Das Seilhüpfen bewährt sich, wenn es gilt, einen Ureterstein in die Blase zu treiben. In der Behandlung der Nierenkolik wird der Arzt nicht ohne krampflösende Mittel auskommen. E r bevorzugt im allgemeinen an Stelle von Morphinpräparaten AtropinPapaverin. Außerdem: strenge Bettruhe, keine Nahrungsaufnahme, heiße Umschläge auf das Nierenlager. Große Steine müssen chirurgisch behandelt werden. 9. Renaler Diabetes
Ursache: Der „renale Diabetes", der gelegentlich bei einer Schwangerschaft beobachtet wird, ist im allgemeinen harmlos und hat auch nichts mit einem Insulinmangel zu tun. Die Ursache ist ungeklärt. Symptome: Der Blutzucker bleibt normal, während im Harn vermehrt Traubenzucker ausgeschieden wird. Nach der Schwangerschaft ist er nicht mehr nachweisbar, so daß sich eine Therapie erübrigt. D. Krankheiten der Harnblase 1. Physiologie der Blase 2. Untersuchungsmethoden der Blase und instrumenteile Nierenfunktionsprüfung
3. Blasenkatarrh 4. Nervöse Blasenstörungen /. Blasengeschwülste
1. Physiologie der Blase
Die Harnblase ist eine unpaare, sackartige Erweiterung der ableitenden Harnwege, die mit Schleimhaut ausgekleidet ist; ihre Wand besteht aus glatter Muskulatur. Die Harnleiter treten durch die Blasenwand in schräger Richtung ( = Ventilwirkung), wodurch ein Zurückfließen des Harns ins Nierenbecken verhindert wird. Amunteren Ende der Harnblase entspringt die Harnröhre. Die Harnentleerung wird durch einen willkürlichen Ringmuskel geregelt. Die Harnröhre der Frau ist kurz und weit und mündet in den Scheidenvorhof —• die des Mannes hingegen ist lang und eng und dient gleichzeitig zur Entleerung der Samenflüssigkeit. Die Harnblase ist im leeren Zustand hinter dem Schambein nicht fühlbar; bei stärkerer Füllung steigt sie an der hinteren Bauchwand hoch und kann im extremen Falle bis zum Nabel reichen. Sie kann dann leicht mit einer Geschwulst verwechselt werden. Kann der Kranke nichtspontanHarnlassen (beiBlasenlähmung, vor und nach einer Operation, bei Bewußtlosen, bei Harnverhaltung), so muß ein Katheter in die Harnblase eingeführt werden.
Blasenkatarrh
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2. Untersuchungsmethoden der Blase und instrumentelle Nierenfunktionsprüfung
Die Zjstoskopie (Blasenspiegelung) ist eine sehr wichtige Untersuchungsmethode, die es dem Arzt erlaubt, das Innere der Blase und den Eintritt der Harnleiter zu betrachten. Er bedient sich dazu des Zystoskopes. Es ist ein katheterähnliches, metallenes Instrument, das die Möglichkeit zur Beleuchtung des Blaseninneren und seiner Betrachtung durch eine geeignete Optik gibt. Vor der Zystoskopie muß die Blase klargespült werden; dann wird sie mit einer klaren, antiseptischen Flüssigkeit (3 %ige Borsäurelösung) oder sterilem Wasser gefüllt und entfaltet. Das Ureteren^ystoskop ist besonders konstruiert. Es ermöglicht unter Kontrolle des untersuchenden Auges, Ureterenkatheter in die einzelnen Harnleitermündungen einzuführen, sie hochzuschieben, um aus jedem Nierenbecken den Urin in ein gesondertes Reagensröhrchen aufzufangen. Durch die vergleichende Untersuchung des Harnes beider Nieren kann der Arzt die Erkrankung lokalisieren. Eine weitere Möglichkeit, die Leistungsfähigkeit der einzelnen Niere zu prüfen, bietet die Farbstoffprobe. Sie beruht darauf, daß eine funktionstüchtige Niere 0,08 g Indigokarmin (intravenös injiziert) bereits nach 5 bis 6 Minuten als blauen Farbstoff auszuscheiden beginnt, während bei der erkrankten Niere die Blauausscheidung verzögert einsetzt. Abschließend sei die „retrograde Pyelographie" erwähnt (im Gegensatz zur vorher erwähnten „intravenösen Urographie"). Bei der „retrograden Pyelographie" wird (vorsichtig) das Kontrastmittel durch die Ureterenkatheter ins Nierenbecken eingeführt. Dann werden Röntgenaufnahmen der kontrastgefüllten Niere gemacht. 3. Blasenkatarrh a) Akuter Katarrh
b) Chronischer Katarrh
a) A k u t e r K a t a r r h Ursache: Der akute Blasenkatarrh (Zystitis), eine Entzündung der Blasenschleimhaut, wird in den meisten Fällen durch lymphogen eingewanderte oder aufsteigende Bakterien (Kolibakterien, Kokken) hervorgerufen, gelegentlich auch durch chemische oder mechanische Reize. Zystoskopisches Bild: Die Schleimhaut ist entzündlich gerötet, geschwollen und in schweren Fällen geschwürig verändert. Die seltene Blasendiphtherie zeigt zusammenhängende fibrinöse Beläge. Symptome: Unüberwindlicher, anhaltender Harndrang, Schmerzen und Brennen hinter der Symphyse und in der Harnröhre. Nur in schweren Fällen tritt Fieber und eine Störung des Allgemeinbefindens auf. Der Harn ist durch Leukozytenbeimischung stark getrübt, oft eitrig — im Sediment finden sich massenhaft Bakterien. Therapie: In der Therapie muß zunächst die Ursache berücksichtigt werden. Der akute Blasenkatarrh klingt unter Bettruhe, Wärme (Umschläge, Sitzbäder) und Harndesinfizientien ab. Eine bakterielle Infektion wird am ehesten durch Sulfonamide oder Antibiotika beherrscht werden. In hartnäckigen Fällen haben sich täglich vorgenommene Blasenspülungen bewährt. Es ist zweckmäßig, keinen Alkohol zu trinken und eine reizlose Kost zu reichen.
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Nieren und ableitende Harnorgane
b) C h r o n i s c h e r K a t a r r h Ursache: Als Ursachen des chronischen Blasenkatarrhs kommen vor: nicht abgeheilte, akute Zystitiden, Nieren- und Blasentuberkulose, Blasensteine (in der Hauptsache Kalziumurat und Phosphatsteine), gut- und bösartige Geschwülste der Blase selbst und der Prostata. Symptome: Harndrang, Schmerzen beim Harnlassen, evtl. Blutbeimengungen im Urin; im allgemeinen kein Fieber. Therapie: Die Therapie richtet sich nach der Ursache; im übrigen gilt das gleiche, was zur Behandlung der akuten Zystitis gesagt wurde. Blasenspülungen mit physiologischer Kochsalzlösung oder 0,1 bis i°/ooiger Argentum-nitricum-Lösung haben sich sehr bewährt. 4. Nervöse Blasenstörungen a) Rei^blase
b) Bettnässen
a) R e i z b l a s e Es gibt nervöse Menschen, die bereits bei geringem Füllungsgrad der Blase tagsüber einen unwiderstehlichen Harndrang verspüren — in der Kälte häufiger als in der Wärme, so daß sie, wenn sie ihm nicht sofort Folge leisten können, den Harn in die Kleider entleeren. Ein organischer Befund liegt nicht vor. Es handelt sich um eine funktionelle Störung. b) B e t t n ä s s e n ( = Enuresis nocturna) Auch hierbei handelt es sich um eine funktionelle Störung. Ursache: Vom Bettnässen — Enuresis nocturna -— werden zumeist Jugendliche betroffen. Es handelt sich häufig um übernervöse Kinder oder Epileptiker. Symptome: Charakteristisch ist das nächtliche Einnässen. Gelegentlich finden sich Entwicklungsstörungen am Kreuzbein ( = Spina bifida). Therapie: Pädagogische Maßnahmen und Flüssigkeitsentzug beim Abendessen bessern diesen unangenehmen Zustand. In einer Vielzahl der Fälle verliert sich das Bettnässen mit der Pubertät. 5. Geschwülste der Blase
Zu den gutartigen Geschwülsten der Blase rechnen die Blasenpapillome (Zotten), die der Blasenschleimhaut häufig gestielt aufsitzen und im Harn flottieren. Die Zotten reißen leicht ab und bluten häufig. Andere gutartige Geschwülste der Blase sind Fibrome und Myome. An bösartigen Geschwülsten werden Sarkome und Karzinome beobachtet. Symptome: Das Hauptsymptom der Blasengeschwülste, besonders der Papillome, ist die Blutung; sie kann so stark sein, daß der Patient anämisch wird. Das Wasserlassen ist erschwert, wenn sich Zotten vor die Harnröhre legen. Die Diagnose kann durch die Zystoskopie frühzeitig gestellt werden. Therapie: Nur operativ.
VII. Geschlechtsorgane A-. Physiologe
der Geschlechtsorgane
B. Erkrankungen der
Geschlechtsorgane
A. Physiologie der Geschlechtsorgane Auf die physiologische Wirkung der Geschlechtshormone wird im Kapitel der „Drüsen mit innerer Sekretion" eingegangen. B. Erkrankungen der Geschlechtsorgane 1. Erkrankungen der weiblichen Geschlechtsorgane
Sie werden wegen ihrer großen Bedeutung gesondert besprochen (s. Band III). 2. Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane
a) Erkrankungen der Vorsteherdrüse (Prostata)
b) Erkrankungen des Hodens und Nebenhodens
a) E r k r a n k u n g e n der V o r s t e h e r d r ü s e Prostatitis Die Prostata ist ein drüsiges Geschlechtsorgan. Ursache: Die akute Prostatitis entwickelt sich am häufigsten im Anschluß an eine spezifische Urethritis (Harnröhrenentzündung). Erreger: häufig Gonokokken, seltener werden Bakterien auf hämatogenem Wege eingeschleppt. Symptome: Bei schweren Fällen kommt es zu einer starken Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens; daneben bestehen starke, lokale Beschwerden beim Wasserlassen. Komplikation: Übergang der serösen Entzündung in eine eitrige: Gefahr einer Phlegmone des Beckenbindegewebes. Die Diagnose wird vom Arzt durch Betasten der Prostata gestellt. Therapie: Die Behandlung richtet sich nach dem Grundleiden. Die gonorrhoische Prostatitis spricht auf Penicillin an! Daneben Wärmebehandlung mit Sitzbädern und Kurzwellenbestrahlungen. Eine eitrige Einschmelzung muß chirurgisch versorgt werden. Prostatahypertrophie Ursache: Die Vergrößerung der Prostata ist eine Erkrankung älterer Männer, die durch hormonale Einflüsse ausgelöst wird. Die Vorsteherdrüse kann sich im ganzen vergrößern, es können auch nur einzelne Teile befallen sein. Die Vergrößerung kommt durch Bindegewebswucherungen und Wucherungen der Drüsengänge zustande. Symptome: Die vergrößerte Prostata umschließt ringförmig die Harnröhre und komprimiert sie. Die ersten Symptome stellen sich nur allmählich ein. Die Kranken müssen nachts 3 bis 4 mal aufstehen, um Wasser zu lassen. Später stellt sich auch eine Störung der Harnentleerung ein. Der Harnstrahl wird dünner. Schließlich steigert sich die EntD i e t r i c h Bd. I
7
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Geschlechtsorgane
leerungsschwierigkeit derart, daß die Harnblase nach der Miktion ( = Harnlassen) größere Harnreste zurückhält ( = Restharn). U m die Menge des Restharns zu bestimmen, läßt man den Patienten stehend Wasser lassen. Der nach der Miktion noch in der Blase verbleibende Harnrest wird durch Katheterismus gewonnen und gemessen (man findet Werte von 50 ccm bis zu 3000 ccm!). Die Harnblase erweitert sich, so daß sie manchmal als Geschwulst imponiert und bis zum Nabel reicht. Der Allgemeinzustand wird zunehmend schlechter.
Komplikation: Mit Zunahme des Restharns stellen sich 2ystitische Beschwerden ein. Durch eine bakterielle Verunreinigung kann es zur aufsteigenden Zystopyelitis kommen. D e r Endzustand einer unbehandelten Prostatahypertrophie mit großen Mengen v o n Restharn führt zur Hydronephrose. Therapie: Im 1. Stadium, w e n n noch kein Restharn vorhanden ist, lassen sich die Reizerscheinungen durch eine eiweiß- und kochsalzarme, leichte K o s t , viel B e w e g u n g und Stuhlregulierung günstig beeinflussen. Entwickelt sich das 2. Stadium — mit Restharn — wird der A r z t eine operative Entfernung der Prostata vorschlagen. Die akute Harnverhaltung bei der Prostatahypertrophie verlangt eine sofortige Entleerung der Blase. In einigen Fällen wird es unmöglich sein, einen Katheter in die verengte Harnröhre einzuführen, dann m u ß der A r z t die Harnblase oberhalb der Symphyse punktieren (suprapubische Fistel). G e s c h w ü l s t e der Prostata Unter den Geschwülsten der Vorsteherdrüse spielt das Karzinom eine große Rolle. D e r Krebs kann auf die Prostata beschränkt bleiben, er kann den Beckenboden durchsetzen, und er kann frühzeitig ins Knochensystem metastasieren. Symptome: Sie sind zunächst den Symptomen der Prostatahypertrophie ähnlich; die differentialdiagnostische Unterscheidung ist z u Beginn nicht einfach. Alarmierende Zeichen sind Harnbluten und Schmerzen. Therapie: W e n n möglich, operative Entfernung der Geschwulst; daneben erzielt man mit einer gegengeschlechtlichen Hormontherapie — d. h. in diesem Fall mit weiblichen Keimdrüsenhormonen — sehr gute Resultate. Röntgentiefenbestrahlungen zeigen keine überzeugenden Erfolge. b) E r k r a n k u n g e n d e s H o d e n s u n d A k u t e E n t z ü n d u n g des H o d e n s
Nebenhodens
(Orchitis)
Ursache: D i e Orchitis tritt am ehesten als Komplikation beim Mumps auf (Parotitis epidemica). I m Verlauf einer Sepsis wird sie nur gelegentlich beobachtet. Symptome: Hohes Fieber, Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens, Schwellung des Hodens und starke Schmerzen. D i e Entzündung klingt meist nach 8 bis 14 T a g e n ab. Therapie: Bettruhe, Hochlagerung des Hodens, kühlende Umschläge mit 3 % i g e m Borwasser. Bei Eiterung: Antibiotika, Sulfonamide. Komplikation: Vereiterung mit nachfolgender Atrophie des Hodens. A k u t e E n t z ü n d u n g des
Nebenhodens
Ursache: Die akute Nebenhodenent^ündung ist meist durch eine gonorrhoische Infektion verursacht.
Erkrankungen der männlichen Geschlechtsorgane
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Symptome: Entzündliche, schmerzhafte Schwellung des Nebenhodens, Fieber. Therapie: Durch die heutige Therapie der Gonorrhoe mit Antibiotika ist das Krankheitsbild sehr selten geworden. Im übrigen: Bettruhe und Hochlagerung des erkrankten Hodens. C h r o n i s c h e E n t z ü n d u n g des Hodens und des Nebenhodens. Ursache: Die häufigsten Ursachen einer chronischen Entzündung des Hodens und Nebenhodens sind Tuberkulose und Syphilis. Die Hoden- und Nebenhodentuberkulose tritt selten isoliert auf, meist besteht gleichzeitig eine tuberkulöse Entzündung anderer Organe. Die Syphilis befällt in der Regel nur den Hoden. Symptome: Bei beide)} Formen lassen sich Knoten tasten, beide verursachen keine Schmerzen. Die Diagnose läßt sich nur nach dem klinischen Allgemeinbild stellen ( W a s s e r mannsche Reaktion, s. später). Therapie: Sie richtet sich nach der Ursache; die Heilchancen der Hoden- und Nebenhodentuberkulose sind nicht ungünstig, sofern nicht die Gefahr der Erweichung und Fistelbildung besteht. Bei rechtzeitiger antisyphilitischer Behandlung hat auch die luetische Hoden-Nebenhodeninfektion gute Aussichten auf Heilung. Sonst besteht Gefahr der Sterilität. Die Hydro^ele ( = Wasserbruch) entsteht durch eine Flüssigkeitsansammlung zwischen den Hodenhüllen. Sie kann nur operativ beseitigt werden. Der Kryptorchismus ist eine angeborene Mißbildung. Beim männlichen Embryo werden die Keimdrüsen in der Bauchhöhle angelegt. Sie wandern kurz vor der Geburt aus der Bauchhöhle durch den Leistenkanal in den Hodensack. Auf diesem Wege können die Hoden im Bauchraum oder im Leistenkanal steckenbleiben: Kryptorchismus. Als Phimose (wörtlich: Maulkorb) bezeichnet man eine Verengung der Vorhaut, so daß sie nicht über die Eichel geschoben werden kann. Zumeist ist diese Mißbildung angeboren, gelegentlich wird sie durch chronische Entzündungen erworben (Gonorrhoe, Lues).
7*
VIII. Blut A. Physiologie des Blutes
B. Erkrankungen des Blutes
A. Physiologie des Blutes 1. Aufgaben des Blutes 2. Zusammensetzung des Blutes
Der periphere Blutstrom 4. Bestandteile des Blutes
1. Aufgaben des Blutes
Das Blut ist der Träger des Lebens. Es ermöglicht Stoffwechsel und Gewebsatmung. Die im Blut transportierten Stoffe unterliegen einem ständigen Ortswechsel. Aus der Lunge und aus dem Magen-Darmkanal entnimmt das Blut Sauerstoff und Nahrungsstoffe und trägt sie zu den einzelnen Organen. Gleichzeitig führt es die im Stoffwechsel entstandenen Schlacken den Ausscheidungsorganen zu: Lunge, Niere und Haut. Auch Salze, Hormone und Immunkörper werden auf dem Blutwege transportiert. Es zirkuliert in einem geschlossenen Röhrensystem, den Blutgefäßen. Der Austausch der Stoffwechselprodukte findet in den zartwandigen Kapillaren, den Haargefäßen, statt. Die zuleitenden Gefäße — Arterien oder Schlagadern — und die ableitenden Gefäße •— Venen oder Blutadern — dienen lediglich dem Transport vom und zum Herzen. Der Organismus hat die bemerkenswerte Fähigkeit, trotz der vielen Einflüsse, denen das Blut unterliegt, eine gleichbleibende Konzentration der einzelnen Bestandteile aufrecht zu halten. In einem lebenden Organismus nimmt das Blut an allen Vorgängen teil; krankhafte Veränderungen müssen eine Einwirkung auf das Blut haben. Durch Kreislaufbewegung des Blutes wird die Körpertemperatur reguliert: das Blut nimmt die Verbrennungswärme, die im Stoffwechsel entsteht, auf und führt sie der Haut zu, von wo sie nach außen abgegeben wird. 2. Zusammensetzung des Blutes
Hämatologie ist die Lehre vom Blut; treffender wäre sie als „Lehre der blutbildenden Organe" zu übersetzen. Das strömende Blut ist dabei nur das „Bild", aus dem wir diagnostische Schlüsse abzuleiten versuchen. Das Blutbild kann vorübergehend auch bei schweren Erkrankungen der blutbildenden Organe (Knochenmark, Milz und Lymphdrüsen) normal erscheinen. Die Hämatologie hat eine Geschichte von nur 100 Jahren — eine relativ kurze Zeit im Vergleich zur Geschichte der Infektionskrankheiten. Die Hauptbildungsstätte der Blutzellen ist das Knochenmark. Beim Erwachsenen sind nur 50% des Knochenhohlraumes mit „Blutmark" ausgefüllt, das übrige von Fett. Das Blut wird unmittelbar nach dem Tode durch autolytische Fermente verändert, so daß die Pathologie in zweifelhaften Fällen der Klinik wenig helfen kann. Die von dem Russen Arinkin eingeführte Sternalpunktion ermöglicht es dem Arzt, sich ohne Schwierigkeiten beim Lebenden jederzeit ein Bild über den Zustand des Knochenmarks zu verschaffen.
IOX
Bestandteile des Blutes 3. Der periphere Blutstrom
Die Gesamtblutmenge beträgt etwa 7,6% des Gesamtkörpergewichtes. Einem Körpergewicht von 60 bis 70 kg entspricht eine Menge von 4 bis 5 /, wovon nur 3,5 l zirkulieren. Ein Drittel Verlust der Gesamtmenge kann ohne Schaden vertragen werden. Die chemische Reaktion ist schwach alkalisch. Pflanzliche Kost macht sie alkalischer, Fleischnahrung saurer. Blut ist keine einheitliche Lösung, sondern besteht aus den Blutkörperchen und dem Plasma. 4. Bestandteile des a) Blutkörperchen
b)
Blutes Blutplasma
a) B l u t k ö r p e r c h e n (Tafel VIII, Bild 1) R o t e B l u t k ö r p e r c h e n (Erythrozyten) Beim Manne sind in einem Kubikmillimeter 5 Millionen rote Blutkörperchen enthalten, bei der Frau 4,5 Millionen; im Hochgebirge steigt die Zahl auf 7,5 Millionen. Insgesamt hat der Mensch etwa 2 5 Billionen. Bildungsstätten sind das rote Knochenmark der platten Knochen und die Wirbelkörper. Im Mark sind die roten Blutzellen kernhaltig; im peripheren Blutstrom normalerweise kernlos; ihre Lebensdauer ist mit etwa 100 bis 120 Tagen begrenzt. Sie werden in Leber und Milz zerstört. Ein rotes Blutkörperchen besteht zu 60% aus Wasser und zu 40% aus Trockensubstanz ( = 10% Eiweiß und etwa 30% Farbstoff). Der B l u t f a r b s t o f f , das Hämoglobin, ist auf Grund seines Eisengehaltes fähig, eine lockere Verbindung mit dem Sauerstoff einzugehen. Er dient dem Säuerstofftransport und ist darin durch nichts zu. ersetzen. Außerdem hat er die Aufgabe, auch das Kohlendioxyd zu transportieren und die chemische Blutreaktion aufrechtzuerhalten. Er hat eine große Färbekraft, die seine Bestimmung verhältnismäßig leicht macht. Man benutzt allgemein heute den Apparat nach Sahli (Sahli, Kliniker in Bonn, 1856—1933)Die absolute Hämoglobinmenge beträgt 16%, d.h. in 100 ccm Blut sind 16 g Hämoglobin enthalten. Dieser normale Farbstoffgehalt wird gleich 100% gesetzt. Wenn also der Farbstoffmesser einen Wert von 80% feststellt, so besagt das, daß das untersuchte Blut nur 80% des normalen Hämoglobingehaltes enthält. Die Zahl der Erythrozyten geht mit dem Gehalt an Hämoglobin ziemlich parallel. Nur unmittelbar nach einem starken Blutverlust ist der Blutfarbstoffwert scheinbar noch normal. Erst allmählich fällt er zu seinen echten Werten ab, wenn nämlich die Blutmenge in den nächsten Tagen durch Gewebsflüssigkeit aufgefüllt wird. Der Färbeindex stellt den durchschnittlichen Hämoglobingehalt des einzelnen Erythrozyten dar. Er kann eine große diagnostische Bedeutung haben — z. B. bei der Anaemia perniciosa (S. 105). Er errechnet sich aus dem Verhältnis der Hämoglobinmenge zur Erythrozytenzahl. Dabei wird der normale Hämoglobinwert mit 100 und die normale Erythrozytenzahl gleichfalls mit 100 angenommen, so daß das normale Erythrozyten-Hämoglobinverhältnis 100: 100 = 1 wäre. Praktisch geht man so vor, daß man die Hb-Prozent-Zahl mit 50000 multipliziert: FI =
100 H b x (50000) 5 000 000 (Erythrozyten)
=
1
102
Blut
Pathologischer Fall:
7°
Hb x
(50000)
5 000 000 (Erythrozyten)
Eine weitere Methode zur Bestimmung des Färbeindex: FI =
7 o Hb 2 x die ersten beiden Zahlen der Erythrozyten
FI =
— : : = I 2 x 50 (Erythrozyten)
Pathologischer Fall:
100 °/o
_
7°°/o
_
2 x 50
Die roten Blutkörperchen erscheinen in den Ausstrichpräparaten nach einem speziellen Färbeverfahren als rote, runde Plättchen mit einem Durchmesser von 7,5 U1). Unter krankhaften Verhältnissen treten Abweichungen der Form auf: Anisozyten (unterschiedlich große Zellen), Sichelzellen, Kugelzellen. Die Megalozyten (abnorm große Erythrozyten) sind charakteristisch für die Perniziosa. Sie sind sehr farbstoffreich und regelmäßig oval. Weiße B l u t k ö r p e r c h e n (Leukozyten) Die weißen Blutkörperchen unterscheiden sich von den normalen roten vor allem durch ihre Kernhaltigkeit. In den verschiedenen Reifestadien, die ein solcher Leukozyt durchläuft, zeigt der Kern eine variierende Form: vom runden, blasigen Kern bis zum gelappten, segmentierten Kern. Hinsichtlich der Verschiedenheit des Zytoplasmas unterscheiden wir durch besondere Färbemethoden neutrophile Granulationen (=70%)—-eosinophile (2bis 3%) undbasophile (0,5 bis 1%). ImKubikmillimeter Blut sind 5000 bis 8000 Leukozyten enthalten (Leukopenie = Verminderung der Leukozyten; Leukozytose = Vermehrung der Leukozyten). Eine weitere Form weißer Blutkörperchen sind die Lymphozyten. Es ist bekannt, daß sie von den Granulozyten verschieden sind und daß sie keine gemeinsame Mutterzelle haben. Sie werden in den Lymphknoten und in der Milz gebildet. Charakteristisch für die Lymphozyten ist der hellblaue, schmale Zytoplasmasaum, in dem man gelegentlich Azurgranula erkennt und der teils strukturlose, teils radspeichenförmige, runde Kern. Eine besondere Zellform des normalen, peripheren Blutes sind die Monozyten (2 bis 1 0 % im normalen, peripheren Blut). Hb.
B
Erythr.
Eo
M
J
St.
Blutbildstempel p = griechischer Buchstabe (m); 1 |i = Yiooo
Leuko.
F.J.
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