Kybernetische Szenografie: Charles und Ray Eames - Ausstellungsarchitektur 1959 bis 1965 [1. Aufl.] 9783839415085

Anfang der 1960er Jahre setzten Charles und Ray Eames ihre Ausstellungsarchitektur gezielt als Mittel zur Gestaltung von

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INHALTSVERZEICHNIS
VORWORT DER HERAUSGEBER
KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE: Charles und Ray Eames – Ausstellungsarchitektur 1959 bis 1965
EINLEITUNG
1. KAPITEL. EINFÜHRUNG IN EAMES' AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR
1.1.0 Weltausstellung in Brüssel 1958
1.1.1 US-amerikanische Nationalausstellung in Moskau 1959
1.1.2 Weltausstellungspavillon in Seattle 1962
1.1.3 IBM-Pavillon Weltausstellung in New York 1964/65
2. KAPITEL. TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN
2.1.0 Wahrnehmungstypologien
2.1.1 Raumtypologien
2.1.2 Symbolischer Raum
2.1.3 Relationaler Raum
2.1.4 Die relative Objektivität der Raumbetrachtung
2.2.0 Interface
2.2.1 Mensch-Maschine-Schnittstelle
2.3.0 Aufmerksamkeitsbindungen
2.3.1 Informationstheoretische Aufmerksamkeitssteuerung
2.3.2 Indetermination
2.3.3 Kinematografi sche Aufmerksamkeitssteuerung
2.3.4 Computergesteuerte Aufmerksamkeitslenkung
2.4.0 Psychophysik
2.4.1 Geschichte der Wahrnehmungstheorien
2.4.2 Vorgefertigte und vorbildlose Bildwahrnehmungen
3. KAPITEL. KYBERNETISCHE ASPEKTE
3.1.0 Kybernetik oder Mensch-Maschine-Automation
3.1.1 Geschichte der Steuerungstechnik
3.1.2 Eames' Ausstellungsarchitektur als Automat
3.2.0 Informationstheorie
3.2.1 Statistische Zeichengrößen
3.2.2 Semantischer Aspekt der Bildwiederholung
3.2.3 Informationsästhetik
3.2.4 Demokratisierung durch Informationsästhetik
3.2.5 Ästhetik zwischen Darstellung und Interpretation
3.2.6 Die Anfänge digitalen Bildgebrauchs
3.2.7 Die Geschichte der Informationsästhetik
3.3.0 Zeit als Verrechnungseinheit. Der Rhythmus
3.3.1 Rhythmus als Zahl- und Symbolsystem
3.3.2 Rhythmus als Sinnstruktur
3.3.3 Kreativität des Rhythmus
3.3.4 Die Aura der Technik
3.3.5 Das Überwältigende der Kybernetik
3.3.6 Feeling and Form
3.3.7 Zahl- und Symbolsystem
4. KAPITEL. ASPEKTE DER BILDERKENNUNG UND -BEDEUTUNG
4.1.0 Kognitionswissenschaften
4.1.1 Geschichte der Lerntheorien
4.1.2 Behaviorismus
4.1.3 Kognitivismus
4.1.4 Lerntheorien
4.1.5 Künstliche Intelligenz
4.1.6 IBM-Pavillon als kognitive Karte
4.2.0 Gestaltpsychologie
4.2.1 Handlungsmotivation oder Automatismus
4.2.2 Angeborene Muster. Die „gute Gestalt“
4.2.3 Merkmale der „guten Gestalt“
4.2.4 Gestaltqualitäten
4.2.5 Die Gestalten Eames'scher Simultanbildprojektionen
4.2.6 Ereignisraum
4.2.7 Kulturtechnik des Digitalen
5. KAPITEL. INSTRUMENTEN- GEGEN SINNESWAHRNEHMUNG
5.1.0 Medien als Psychotechnologien/Instrumentenwahrnehmung
5.1.1 Kollektive Rezeptionen
5.1.2 Film als Psychotechnik
5.1.3 Frühe Wahrnehmungstheorien des Kinos
5.1.4 Frühe Formen der Kalkulierbarkeit des Films
5.1.5 Eames' Filmerfahrungen
5.1.6 Deleuzes Kinotheorie
5.1.7 Informationsbilder
5.1.8 Bildpädagogik
5.1.9 Ästhetische Formen der Kommunikation
5.2.0 Der beliebige Raum
5.2.1 Kino als geistiger Automat
6. KAPITEL. KRITIK AN DEN EXPERIMENTALWISSENSCHAFTEN
6.1.0 Neue Formen der Macht
7. FAZIT
LITERATUR
ABBILDUNGEN
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Kybernetische Szenografie: Charles und Ray Eames - Ausstellungsarchitektur 1959 bis 1965 [1. Aufl.]
 9783839415085

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Sandra Schramke Kybernetische Szenografie

Band 3

2010-05-10 11-58-16 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02cc241274093114|(S.

1

) T00_01 schmutztitel - 1508.p 241274093122

Editorial Die Reihe Szenografie & Szenologie versammelt aktuelle Aufsätze und Monografien zum neuen Ausbildungs- und Berufsfeld Szenografie. Im Kontext neuer Medientechniken und -gestaltungen, Materialien und narrativer Strukturen präsentiert sie Inszenierungserfahrungen in öffentlichen Vor-, Aus- und Darstellungsräumen. Zugleich analysiert die Reihe an Beispielen und in theoretischer Auseinandersetzung eine Kultur der Ereignissetzung als transdisziplinäre Diskursivität zwischen Design, Kunst, Wissenschaft und Alltag. Die Reihe wird herausgegeben von Ralf Bohn und Heiner Wilharm.

Sandra Schramke (Dipl.-Ing., Dr. phil.) lehrt an der Humboldt-Universität zu Berlin im Bereich Wissens- und Kulturgeschichte.

2010-05-10 11-58-16 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02cc241274093114|(S.

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) T00_02 seite 2 - 1508.p 241274093130

Sandra Schramke

Kybernetische Szenografie Charles und Ray Eames – Ausstellungsarchitektur 1959 bis 1965

2010-05-10 11-58-16 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02cc241274093114|(S.

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) T00_03 titel - 1508.p 241274093138

Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.

© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Kordula Röckenhaus, Bielefeld Umschlagabbildung: © Eames Office, USA Innenlayout: Ralf Bohn Lektorat & Satz: Sandra Schramke Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1508-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]

2010-05-10 11-58-17 --- Projekt: transcript.titeleien / Dokument: FAX ID 02cc241274093114|(S.

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) T00_04 impressum - 1508.p 241274093146

INHALTSVERZEICHNIS

INHALTSVERZEICHNIS

HEINER WILHARM, RALF BOHN 9

VORWORT DER HERAUSGEBER

SANDRA SCHRAMKE KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE Charles und Ray Eames – Ausstellungsarchitektur 1959 bis 1965

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EINLEITUNG

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1. KAPITEL EINFÜHRUNG IN EAMES' AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR

27 30 35 42

1.1.0 Weltausstellung in Brüssel 1958 1.1.1 US-amerikanische Nationalausstellung in Moskau 1959 1.1.2 Weltausstellungspavillon in Seattle 1962 1.1.3 IBM-Pavillon Weltausstellung in New York 1964/65

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2. KAPITEL TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

51 51 54 55 56

2.1.0 Wahrnehmungstypologien 2.1.1 Raumtypologien 2.1.2 Symbolischer Raum 2.1.3 Relationaler Raum 2.1.4 Die relative Objektivität der Raumbetrachtung

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

57 57

2.2.0 Interface 2.2.1 Mensch-Maschine-Schnittstelle

62 62 63 67 68

2.3.0 Aufmerksamkeitsbindungen 2.3.1 Informationstheoretische Aufmerksamkeitssteuerung 2.3.2 Indetermination 2.3.3 Kinematografische Aufmerksamkeitssteuerung 2.3.4 Computergesteuerte Aufmerksamkeitslenkung

68 68 72

2.4.0 Psychophysik 2.4.1 Geschichte der Wahrnehmungstheorien 2.4.2 Vorgefertigte und vorbildlose Bildwahrnehmungen

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3. KAPITEL KYBERNETISCHE ASPEKTE

75 75 78

3.1.0 Kybernetik oder Mensch-Maschine-Automation 3.1.1 Geschichte der Steuerungstechnik 3.1.2 Eames' Ausstellungsarchitektur als Automat

79 81 84 85 86 89 91 92

3.2.0 Informationstheorie 3.2.1 Statistische Zeichengrößen 3.2.2 Semantischer Aspekt der Bildwiederholung 3.2.3 Informationsästhetik 3.2.4 Demokratisierung durch Informationsästhetik 3.2.5 Ästhetik zwischen Darstellung und Interpretation 3.2.6 Die Anfänge digitalen Bildgebrauchs 3.2.7 Die Geschichte der Informationsästhetik

93 93 94 95 96 97

3.3.0 Zeit als Verrechnungseinheit. Der Rhythmus 3.3.1 Rhythmus als Zahl- und Symbolsystem 3.3.2 Rhythmus als Sinnstruktur 3.3.3 Kreativität des Rhythmus 3.3.4 Die Aura der Technik 3.3.5 Das Überwältigende der Kybernetik

INHALTSVERZEICHNIS

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101

3.3.6 Feeling and Form 3.3.7 Zahl- und Symbolsystem

4. KAPITEL ASPEKTE DER BILDERKENNUNG UND -BEDEUTUNG

101 101 102 102 106 108 109

4.1.0 Kognitionswissenschaften 4.1.1 Geschichte der Lerntheorien 4.1.2 Behaviorismus 4.1.3 Kognitivismus 4.1.4 Lerntheorien 4.1.5 Künstliche Intelligenz 4.1.6 IBM-Pavillon als kognitive Karte

112 113 114 115 116 118 123 123

4.2.0 Gestaltpsychologie 4.2.1 Handlungsmotivation oder Automatismus 4.2.2 Angeborene Muster. Die „gute Gestalt“ 4.2.3 Merkmale der „guten Gestalt“ 4.2.4 Gestaltqualitäten 4.2.5 Die Gestalten Eames'scher Simultanbildprojektionen 4.2.6 Ereignisraum 4.2.7 Kulturtechnik des Digitalen

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5. KAPITEL INSTRUMENTEN- GEGEN SINNESWAHRNEHMUNG

125 125 126 128 130 132 136

5.1.0 Medien als Psychotechnologien/Instrumentenwahrnehmung 5.1.1 Kollektive Rezeptionen 5.1.2 Film als Psychotechnik 5.1.3 Frühe Wahrnehmungstheorien des Kinos 5.1.4 Frühe Formen der Kalkulierbarkeit des Films 5.1.5 Eames' Filmerfahrungen 5.1.6 Deleuzes Kinotheorie

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

139 140 145 147 150

5.1.7 Informationsbilder 5.1.8 Bildpädagogik 5.1.9 Ästhetische Formen der Kommunikation 5.2.0 Der beliebige Raum 5.2.1 Kino als geistiger Automat

151

6. KAPITEL KRITIK AN DEN EXPERIMENTALWISSENSCHAFTEN

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6.1.0 Neue Formen der Macht

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7. FAZIT

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LITERATUR

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ABBILDUNGEN

VORWORT DER HERAUSGEBER

Heiner Wilharm/Ralf Bohn Vorwort der Herausgeber Die mittlerweile klassischen Möbel des amerikanischen Architekten- und Designerehepaares Ray und Charles Eames gehören zu den Spitzenprodukten des „Modern Style“. Das trifft sowohl auf die Fertigungstechnik zu, für die Charles, als auch die gestalterische Ausführung, für die vornehmlich Ray Eames zeichnete. Weniger bekannt als Lounge Chaire mit Ottomane, Aluminium Group und die integrierte Kommunikation ihrer Vermarktung sind die Ausstellungsund Medienobjekte der Eames, Filme und Rauminstallationen, die zwischen technischer Artistik und künstlerischer Aufklärung changieren. Die Ausstellungsinszenierungen Ray und Charles Eames' für die Expos Brüssel, Seattle und New York (1958, 1962, 1964) sowie die US-Industrieausstellung in Moskau 1959 stehen im Mittelpunkt des vorliegenden dritten Bandes der Reihe Szenografie & Szenologie. Unter der Überschrift Kybernetische Szenografie verbirgt sich kein szenologischer Neologismus, sondern Sandra Schramkes historische Aufarbeitung eines Gestaltungswillens, der ab den 30er Jahren versuchte, den „Übergang zwischen Genauigkeit und Seele“, wie Robert Musil um 1900 es nannte, möglichst ohne Verluste vollziehen zu können. Unter Einbeziehung von empirisch-psychologischen, mathematischen und informationstechnologischen Messgrößen. Dass die wissenschaftlichen Überlegungen, die die Eames in den 50er und 60er Jahren des 20. Jahrhunderts in überschwänglichen propagandistischen Ausstellungspavillons für die USA – und IBM – nutzbar zu machen suchten, bewusst auf eine Fusion von Medien- und Sinndifferenzen abzielten, kann dennoch nicht behauptet werden. Ihre Ansprache richtete sich nicht vornehmlich an den statistisch-industrialisierten Menschen, der, wie es Musil schon aufgefallen war, unter dem Einfluss der kybernetischen Übertragungsanschauung als defizitäres Subjekt und bloße Rechengröße interessierte. Dass unter dem szientistischen Programm eine weitaus listigere Disziplinierungs- und Demokratisierungsabsicht schlummerte, ist bekannt. Der Schriftsteller und Psychotechniker Musil wusste, wovon er sprach, als er um 1900 sowohl in den Instituten der Berliner Gestalttheoretiker als auch im Umfeld des Wiener Kreises unterwegs war. Diese Wissenschaftler waren es, die wie Alan Turing später, und teilweise in der Emigration, unter den Bedingungen des Krieges gegen den Faschismus die Kybernetik als historische Vorform der Informatik begründeten. Aber nicht

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

nur die frühe Informationstheorie und -technik inspirierten die Eames, sondern neben Gestalttheorie und Kognitivismus auch die Architekturavantgarde und die Medienpioniere des Kinos wie László Moholy-Nagy oder Hugo Münsterberg. Taylorismus und Sitzmöbelergonomie sind beide Kinder des industrialisierten Menschen. Die durch Sputnik-Schock und Kubakrise aufgeschreckte amerikanische Propaganda versprach unter dem Mantel avancierter Wissenschaftlichkeit (die in den 60er Jahren übrigens auch im Osten unter dem programmatischen Titel „Kybernetik“ firmierte) eine demokratische Wiederherstellung des angekratzten Selbstbewusstseins durch ideologisch aufgeladene Belehrung respektive Historisierung und Pädagogisierung der eigenen, hauptsächlich technologisch wissenschaftlichen Erfolge. Vorläufer der heute via TV universell präsenten Wissenschaftsshows. Ob die Eames an diesen psychologisch-empirischen Zauber glaubten oder nicht, in ihrer Designwerkstatt und in ihren Entwürfen arbeiteten sie jedenfalls an den dazu passenden Inszenierungskompetenzen. Bei der Ausführung der Ausstellungs-Aufträge aus Washington und Armonk nutzten sie freilich das technologische Know-how auch, um mit medialen Brechungen – Simultan- und Mehrfachprojektionen sowie spezifischen Rhythmisierungen des emotionalisierenden Bildmaterials, angelegt in futuristisch-organischen Projektionsräumen und Ausstellungsumgebungen, die propagandistische Programmatik ästhetisch zu unterlaufen. Diese Seite des Eames'schen Schaffens wird von Sandra Schramke wohl zum ersten Mal im Detail beleuchtet. Bis in die Vorgeschichte von Kubricks 2001 Space Odyssee (gedreht 1965-68) wirken die Arbeiten der Eames, die gewohnte monomediale Parallelinszenierungen in synchronisierte Geschehensabläufe verwandelten, stilbildend. Statt unterbewusster Berieselung favorisieren sie bewusste, wenn auch stark auf Gefühle und Normierung setzende Gedächtnisvorgänge. Kubrick rhythmisiert und emotionalisiert seine technische Bildwelt mit Strauss und Ligeti musikthematisch. Die Eames bemühen sich, dem Besucher durch informationsthematische Übersetzung von „gelernten“ Raum- und Zeitparametern (Objekt, Installation, Bild, Film) den Spiegel alltäglicher (Selbst-) Inszenierung vorzuhalten. So verweisen sie auf die magische Gründung der sogenannten „harten“ Wissenschaften wie die der diskret operierenden Medienwelt – und machen damit die wissenschaftlichen Grundlagen der (Medien-) Technik attraktiv. Eben dieser schimärische Grundzug verbirgt sich im kybernetisch informationstheoretischen Ansatz, der

VORWORT DER HERAUSGEBER

Objektwelt samt chronometrischer Zeitvorstellung als Inszenierungsprodukte aufdeckt, gleichwohl ein problemloses Schicksal der Information als deren Aufhebung prognostiziert und intuitive Zustimmung verlangt. Jedenfalls in der medienpolitisch, medieninszenatorisch selbstbezüglichen Verteilungsdebatte. Die Installationen der Eames verzichten auf den rechten Winkel und die Statik der Gravitation. Sie setzen auf die Kommunikation der Körper mit aufgelösten Raumstrukturen, freilich in überhöhtem, monströsem Rahmen. Beispielhaft, so beschreibt es Sandra Schramke, wird auch in der historischen Perspektive deutlich, dass die algorithmisierten Signalfunktionen der „Kybernetiker“ (Zuse, Turing, v. Neumann, Wiener, Shannon, Weaver) wenig konsumtauglich sind, wenn die „Logik von Zeichenprozessen“ nicht „zugunsten der Gleichzeitigkeit von Bedeutungs- und Wirkungsqualitäten aufgegeben [wird].“ Die sich dann eröffnende szenografische Nutzung technologischer Möglichkeiten, der die Digitalisierung erst Jahre später folgt, haben die Eames erkannt und umgesetzt, entgegen einem bornierten Wissenschaftsanspruch paramilitärisch aufgestellter Propagandaabteilungen. Dabei verfallen Ray und Charles Eames' Arbeiten nicht dem Verdikt der Disneylandisierung. Sie bieten im Gegenteil ein gewichtiges Argument gegen den der Szenografie häufig – und oft genug zurecht – gemachten Vorwurf, sie besorge das Geschäft einer hypnotischen und hallizogenen medientechnischen Drogierung, mit der die faktische Realität zu Gunsten entfremdender Kirmesattraktion ausgehebelt wird. Sandra Schramke macht in ihren Untersuchungen zur Vor- und Wirkungsgeschichte der Kybernetik deutlich, dass es bei den Eames sowohl um die Entlarvung der sogenannten Faktizität als auch um die kalkulierte Einbeziehung der Körper- und Leibwiderständigkeit geht. Die Räume der Eames sollen zeigen, dass Weltvorstellung grundsätzlich inszeniert und im Mediengeschäft entscheidend ist, wie die Machtverhältnisse im Einzelnen verteilt sind. Dass eine szientistisch gefasste Realität, indem sie sich der Mathematik bedient, mediationsfrei sei, dieses Diktum wird von den Eames gerade unter Verwendung avanciertester Medientechnik entzaubert. Dabei setzen sie auf die Gegenmacht ästhetischer Brechungen, ganz sinnfällig etwa in der Anwendung von Splitscreen-Verfahren und Simultanbildpräsentationen. – Über die fehlende Faszinationskraft der Mathematik braucht im übrigen nicht lamentiert zu werden. Gegen den volkswirtschaftlichen Schaden mangelnder Ingenieurausbildung verführt heute eine unendliche Menge der erwähnten, mehr oder

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

weniger gut gemachten Wissenschaftsshows, deren Inszenierungsformen sich auf die Ideen von Ray und Charles Eames berufen könnten. Dass Informationen nicht an Materie und Energie gebunden sind, wird nicht einmal behaupten können, wer die Affektivität des Körpers im militanten Indifferenzraum von Signal und Befehl sieht. Die Eames aber setzen solchem Indifferenzraum in ihren Inszenierungen, Projektionen, Filmen, Installationen, einen gestalteten Differenzraum entgegen. In außergewöhnlichen Räumen schaffen sie außergewöhnliche Interfaces für ein Publikum, das sich in einer szenografisch gelenkten Situation der Außergewöhnlichkeit des Ereignisses, des „Events“, bewusst bleibt. So offenbaren die Simultanprojektionen, die heute auf der Grundlage diskreter Signalträger als unendliche Anzahl von Fernsehprogrammen ins Haus kommen, dass Analogie- und Gestaltprinzip, dem die Eames mit der Einhaltung der experimentell gefundenen Regel folgen, niemals mehr als sieben Elemente gleichzeitig zu präsentieren, um sie vor dem Verschmelzen zu bewahren. Dass Kommunikation auch Rauschen und ästhetische Indifferenz bedeutet, um sich für die Anschlusskommunikation zu eignen, ist mittlerweile ein medientheoretischer Gemeinplatz. Es ist ein Grundzug von Sprache, dass sie mit jeder Übersetzung, ob als Comic oder politische Propaganda verkleidet, das Übertragungsopfer mit bedenkt. Es war Martin Heidegger, der in dem berühmten SPIEGEL-Gespräch des Jahres 1966 darauf hinwies, dass die szenologische Differenz zwischen Übertragung und Übersetzung von Darstellung und Verdeckung allererst philosophische Bewegung ermögliche. Allerdings beginne sie, so Heidegger weitsichtig vor fast einem halben Jahrhundert, sich zwischen Kybernetik – Informationstheorie – und Kunst neu einzurichten. Einer Antwort auf die spannende Frage, was Design zukünftig leisten wird und kann, ob sich der Spagat zwischen Verdeckung und Erscheinung angesichts der technischen Machtverhältnisse nicht allzu sehr überdehnen wird, einer solchen Antwort bietet der vorliegende Band ein gut begründetes historisches Fundament. In der gleichermaßen technikeuphorischen wie angsterfüllten Epoche der Nachweltkriegszeit fiel die Entscheidung noch zu Gunsten grobmotorischer Justierungen: zwischen Kubakrise und Mondflug. In dieser Hinsicht sind die Bildinhalte der Ausstellungen der Eames ein präzises Stück Zeit- und Szenografiegeschichte und haben dazu beigetragen, die Instrumente der Inszenierungspraktiken zu verfeinern, ohne medienwissenschaftliche Kompetenzen aus den Augen zu verlieren.

VORWORT DER HERAUSGEBER

Doch ist es nicht allein die Darstellung einer extraordinären historischen Referenz avancierter Ausstellungsgestaltung und Medieninszenierung heute, die Sandra Schramkes Arbeit, die von Prof. Dr. Gerd Zimmermann und Prof. Dr. habil. Wolfgang Bock betreut und 2009 an der Bauhaus-Universität Weimar als Dissertation eingereicht wurde, für die Platzierung in der Reihe Szenografie & Szenologie besonders empfiehlt. Der Untertitel des ersten Bandes lautet: Beiträge zur Kultur des Ereignisses. Er gilt gewisserweise auch als Untertitel des vorliegenden Werkes. Das Besondere, das diese Monografie in diesem Sinne lesbar macht, ist, dass Kybernetische Szenografie – und heute ist jede Szenografie, die etwas auf sich hält, „kybernetisch“ – „immer auch mit der paradoxen Inszenierung des Verschwindens seines Publikums [spielt]“ und so das Erscheinen einer Szenografie evoziert, die dagegen kritisch Einspruch erhebt. Es geht hier um die Unwägbarkeiten des Ereignisses; eine Sache der „Verhandlung“ oder „Verhandelbarkeit“, wie Schramke mit Blick auf Deleuzes Konzept der „Deterritorialisierung“ herausarbeitet. Es widerspricht der Szenischen Logik szenografisch ereignisorientierter Raumöffnung und entsprechender Architektur- und Designentwürfe sich selbst derart zu finalisieren, dass nicht auf das Neue im Austausch von Rezeptionshaltung des Publikums und ästhetischen, ethischen und epistemischen Angeboten der Produktion gesetzt würde. Insofern der szientistische Kalkül des Ereignisses nicht aufgehen kann: gesetzt werden müsste. Im Zeitalter des Internet sind die Formen subversiver Machtdemontage ein Ausweis für halbwegs demokratisierte Medienkompetenz – auch wenn man dafür nicht bis sieben zählen können muss. Umgekehrt erweist sich eine halbwegs demokratisierte Medienkompetenz an der Portion konzeptioneller und projektpotenter „Subversion“ (die nur deshalb so und nicht zum Beispiel „Bildung“ heißt, weil sie sich vom szenografisch relevanten Mainstream regelmäßig untergebuttert sieht), vermittels derer Teilhabe am Vergnügen, die mehr ist als stumpfsinniges Konsumieren, überhaupt möglich erscheint. Da muss es doch Freiheitsgrade geben, Freiheitsgrade zu verhandeln, zu denken, zu feiern. Muss, wer derartig „Szenografie“ versteht, den Gedanken an ihre „kybernetische“, ihre Steuerungskompetenz aufgeben? Hier ist ein Missverständnis auszuräumen, dass selbst szientistischen Vorurteilen auf den Leim geht. Als ob sich die Informationstheorie notgedrungen in der Verlängerung positivistischer, empiristischer und behavioristischer Wissenschaftsauffassungen hätte einrichten müssen. Tatsächlich haben die Raum- und Gestaltungskonzepte der rechnenden Wissenschaften, damit verbunden ihre Vorstellungen von „Haltbarkeiten“

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

aller Art, lange Zeit zu unterschiedlichen Registern gegriffen, je nachdem, ob sie sich den Skalen der Größenordnungen oder denen der Komplexität anvertrauten. Die Betrachtung der Komplexitäten allerdings brachten die Dinge ins Schwimmen. Auch die der Kybernetik, die das Erbe des Mechanismus angetreten hatte. Seit Lavoisier und den Vitalisten wurde deutlich, dass die Haltbarkeiten in Lebensprozessen mit Wärme zu tun haben. Biologie und Chemie gingen ab von den mechanischen Erklärungen im Stile Descartes' und Lagranges. Auf dem Boden der Ideen von Clausius, Maxwell und Boltzmann bestätigte die Thermodynamik die Vermutungen. Am Ende standen die informationstheoretischen Arbeiten von Szillard und Shannon, stand die Integration der Kräfte und Energien im Begriff der Information. Lange rangierten die Haltbarkeiten, die Objekte, getrennt nach Zahl und Vermischung. Seit die Biologie sich praktisch auf die Chemie und theoretisch auf die Physik bezieht, sind ihre Objekte auf beiden Skalen zu finden, Größenordnungen und Komplexität. Der Streit zwischen den Prinzipien des Lebendigen und denen des Unbelebten hat seitdem nicht mehr den Charakter eines Glaubenskrieges. Die Vereinigung von Mechanismus respektive Kybernetik und Vitalismus (ein Name, der weniger ein Hinweis auf eine Erklärung als auf einen Interpretationswillen signalisiert), die Vereinigung von Mechanismus und Vitalismus in den Kategorien der Informationstheorie macht den alten Streit entbehrlich. Raumplanung und Raumordnung der Architektur haben in der Regel ganz dezidiert mit „Haltbarem“ – Festem und Solidem – zu tun. Doch bemerkt schon Aristoteles, dass aus einem Haufen Steine so ohne Weiteres auch auf Dauer kein Haus und keine Mauer wird, mit Sicherheit aber aus einer Mauer oder einem Haus irgendwann ein Haufen Steine. Wir leben mit unseren Haltbarkeiten in den Lücken des Wahrscheinlichen. Allemal gilt dies für kreative Produktionen, die schon ihrer Idee nach weniger der Substanz dienen als der Form. Installationen, Projektionen, Aktionen, Events, wie die der Eames konnten (und wollten wohl auch, wie wir lesen) nicht auf ein Gleichgewicht der Information, eine geordnete Menge von Botschaften und Kommunikationsprozessen und ihre Effekte setzen. Auch nicht auf eine durch den Entwurf determinierte Raumordnung mit diskret stabilem Erlebniswert. Trotz aller Direktive und wissenschaftlichen Planung der Szenografie. In der Tat, derartige Ordnung wäre immer das Unwahrscheinliche. Rauschen und Austausch dagegen sind das Wahrscheinliche. Dem Unwahrscheinlichen ringen wir Haltbares ab. Gegen die unbarmherzige Allgemeinheit des Zweiten Hauptsatzes. Anders gesagt, in

VORWORT DER HERAUSGEBER

der Szenischen Logik erscheinen Szenografien nur als Projekte denkbar. Wie Michel Serres in seinen Hermes-Erkundungen zur Information dargetan hat, ist mit den Codierungen der Informationstheorie die vorerst letzte Integration von Haltbarkeiten erreicht. Am Ende steht das Haltbarkeitskonzept der Invarianz als Informationsmenge. Physikalische und semiotisch informationelle Haltbarkeit gehen ineinander über. Diese Dialektik ist im Allgemeinen mit einer szenologischen Betrachtung medieninszenatorischer Gestaltungsleistungen vereinbar. Konkret und am Beispiel ist sie in den Ausstellungskonzepten und -szenarien der Eames nachweisbar, und Sandra Schramke hat sie herausgearbeitet.

Ralf Bohn/Heiner Wilharm, Dortmund im Februar 2010

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EINLEITUNG

Einleitung Die US-amerikanischen Architekten und Künstler Charles und Ray Eames gelten bis heute aufgrund ihrer technisch innovativen und ästhetisch anspruchsvollen Möbelentwürfe weltweit als zwei der herausragendsten Designer des 20. Jahrhunderts.1 Kaum wahrgenommen wird dagegen ihr kaum weniger maßgeblicher Beitrag für das Verständnis und die Konzeption des architektonischen Raums als Kommunikationsmedium in der Moderne nach 1945. Nach ihrem ersten Film für den Weltausstellungsbeitrag 1958 in Brüssel, den sie noch klassisch auf eine Leinwand brachten, setzten sie mit ihren Beiträgen für die US-amerikanische Nationalausstellung 1959 in Moskau sowie für die beiden Weltausstellungsbeiträge 1962 bzw. 1964/65 in Seattle und New York im Bereich der Kommunikation neue Maßstäbe. 1959 bis 1965 erklärten sie durch Einsatz der Kinematografie in spezifischen Raumtypologien den architektonischen Raum selber zum Kommunikationsmedium. Es finden sich in ihrer Architektur bereits frühzeitig Prinzipien wieder, die erst zu einem späteren Zeitpunkt in großem Maßstab Gegenstand der technologischen Entwicklung, etwa auf dem Feld der Interaktivität, wurden. In diesem Sinne haben die Eames auch hier einen wichtigen Beitrag geleistet. Die mit den jeweiligen Bauwerken verbundenen Intentionen der Auftraggeber, der US-amerikanischen Regierung und dem zu der damaligen Zeit weltweit größten Unternehmen der Computertechnologie, IBM (International Business Machines), waren angesichts des Kalten Krieges klar politisch motiviert. Der USamerikanische Anspruch, die technologisch führende Nation der Welt zu sein, war durch den mit dem Start des Satelliten Sputnik 1957 deutlich gewordenen Vorsprung der UdSSR im Bereich der Raumfahrt erheblich in die Krise geraten. Zudem wurde dieser Vorsprung als fundamentale Bedrohung der eigenen Sicherheit wahrgenommen. Vor diesem Hintergrund galt es, die eigene Stärke zu demonstrieren und im Bereich der technologischen Entwicklung Fortschritte sichtbar zu machen. In diesem Zusammenhang wird die Ausstellungsarchitektur der Eames in der vorliegenden Arbeit betrachtet. Die hier zugrunde liegende Annahme ist, dass sich die Eames ganz gezielt neuer Erkenntnisse der Experimentalwissenschaften und der Kybernetik bedienten und diese auf ihre Architektur anwandten, 1

Pat Kirkham, Charles and Ray Eames: designers of the twentieth century, Cambridge, Massachusetts, MIT Press, 1995.

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um Wahrnehmungen zu kalkulieren und so eine neue, zielgerichtete Form von Raumdimensionen zu schaffen. Durch den so entstandenen architektonischen Raum konnte der Besucher in seiner Wahrnehmung weitgehend gelenkt und Informationen im Sinne der o.g. Interessen vermittelt werden. Für diese Annahme einer gezielten Anwendung wissenschaftlicher Erkenntnisse für die Ausstellungsarchitektur der Eames wird sich allerdings allein aus der Interpretation des vorliegenden Archivmaterials heraus keine endgültige Bestätigung finden lassen, da keinerlei schriftliche Notizen dazu vorliegen. Ganz im Gegenteil werden die Eames offiziell als Künstler bezeichnet, die nicht etwa Propaganda betrieben. Gegenstand der vorliegenden Arbeit ist es, die inhaltlichen Übereinstimmungen der genannten Wissenschaften und der Eames'schen Architektur nachzuvollziehen, um so ein tiefer gehendes Verständnis der Funktionsweise der Ausstellungsarchitektur als Kommunikationsmedium zu erlangen. Darüber hinaus soll die Vorgehensweise aus Sicht der kritischen Theorie beurteilt werden. Zur näheren Bestimmung des Kommunikationsmediums Architektur werden also auf der einen Seite die Bedingungen und Parameter des von den Eames generierten Kommunikationsraums untersucht. Ebenso relevant für die Untersuchung sind die Raumbedingungen und die Art und Weise wie Charles und Ray Eames den Betrachter als Empfänger der Informationen einkalkulierten. Dazu wird über die schon genannten Wissenschaftsfelder hinaus die Kinotheorie Gilles Deleuzes herangezogen, da sie als postmoderne Bildwissenschaft den Informationsraum neu deutet. Deleuze beschreibt Bildräume, die auch auf Eames' Ausstellungsarchitektur zutreffen: können Eames' Räume mit Bezug auf die Experimentalwissenschaften noch auf angeborene Verhaltens- und Wahrnehmungsmuster zurückgeführt werden, so liegen ihnen mit Deleuze technikbestimmte Wahrnehmungsräume zugrunde, die einerseits die Betrachterrolle stärken und andererseits neue Raumkategorien hervorbringen. Mit Deleuzes Kinotheorie soll anhand der untersuchten Ausstellungsräume der Wandel vom Linguistic Turn zum Iconic Turn des postmodernen Diskurses der 1980er und 1990er Jahre nachvollzogen werden. Arbeiten zu der Ausstellungsarchitektur der Eames, etwa von Pat Kirkham und von John und Marilyn Neuhart, dokumentieren diese neben ihren anderen Werken im Sinne einer Bestandsaufnahme, in der in umfangreichem Bildmaterial die Fakten ihres Schaffens gezeigt werden. Beatriz Colomina fokussiert in einem Artikel bereits den multimedialen Aspekt Eames'scher Ausstellungsarchi-

EINLEITUNG

tektur im Kontext der Zeit.2 Colomina beschreibt die Bedeutung des Computers und die Steuerung von Kommunikationen für Eames' Ausstellungsarchitektur, ohne jedoch zugleich die Wissenschaftserkenntnisse dieser Periode zu erläutern und ebenfalls ohne auf aktuelle Bildtheorien einzugehen. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich weiterführend mit den wissenschaftlichen Grundlagen des Wahrnehmungsaspekts von Medienräumen; Ziel der Untersuchungen ist es, die (unterstellten) Mittel der Raumproduktionen und -techniken nachzuvollziehen. Des Weiteren wird die Arbeit die angesprochenen Zusammenhänge aus der Sicht der Kinotheorie Gilles Deleuzes beleuchten. Betrachtet werden zum ersten Punkt Erkenntnisse der Experimentalwissenschaften mit ihren Ursprüngen im 19. Jahrhundert sowie der Steuerungstechnik, die auf der Grundlage der Informationstheorie in der Kybernetik während des Zweiten Weltkriegs kulminierte. Die Theorie generierte Wissen zur Darstellbarkeit und Berechenbarkeit von Informationen und evozierte neue ästhetische Darstellungsformen. Die Untersuchung greift auf die Binärkodierung des Computers zurück, mit welchen die Informationsästhetiker der Nachkriegszeit operierten und die sich auch in Eames' Architektur wiederfinden. Mit Bezug auf die Erkenntnisse aus der Physiologie zum Sehsinn des Betrachters und die Informationstheorie, die die systematische Aufarbeitung und Sendung einer Nachricht sicherstellt, kann der Architektur der Eames das Modell der Kybernetik zugrunde gelegt werden. Dabei macht die Arbeit vom Wissen der Physiologie Gebrauch, das von der Weiterverarbeitung von Nachrichten in Form äußerer Reize zu Bildern durch den Betrachter ausgeht. Nach diesem Modell werden Informationen an die Erkennung von Gestalten gebunden. Die Gestaltpsychologie dient in diesem Zusammenhang der Klassifizierung der Bilderkennung. Zum zweiten Punkt wird Deleuzes Auffassung einer veränderten Form des Informationstransports der Untersuchung zugrunde gelegt. Deleuze macht mit Bezug auf die Informationstheorie Informationen im Zwischenraum fest. Diese Sichtweise geht aber zugleich, im Gegensatz zur Informationstheorie, von der Ungegenständlichkeit von Informationen aus; damit verlagert sie den Schwerpunkt der Information von ihrer auf vorgefertigte Muster zurückgreifende Darstellungen auf mögliche Deutungen durch den Betrachter.3 2 Beatriz

Colomina, Die Multimedia-Architektur der Eames, Arch+, Jg. 35, Nr. 164/165, 2003, S. 86-95. 3 Gilles Deleuze, Unterhandlungen 1972-1990, Suhrkamp, Frankfurt/M., 1999.

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Vor dem Hintergrund dieser Erkenntnisse wird die Ausstellungsarchitektur im Hinblick auf ihre äußere und innere Form und in Bezug auf die Wechselwirkung zwischen Architektur und Medieneinsatz bzw. Architektur und Betrachter näher untersucht. Die Leitfragen zu diesen Aspekten der Arbeit lauten also: Wie und wo finden sich die Erkenntnisse der Experimentalwissenschaften und der Steuerungstechnik in der Eames'schen Ausstellungsarchitektur wieder? Wie ist die Rolle des Betrachters in der Eames'schen Ausstellungsarchitektur vor dem Hintergrund der theoretischen Annahmen zu deuten? Abschließend lassen aktuelle Bildtheorien aus heutiger Perspektive eine neue Bewertung der Eames'schen Ausstellungsarchitektur zu. Diesen Erkenntnissen gehen die folgenden Fragen nach: Welchen Einfluss hat Deleuzes Kinotheorie auf die Betrachtung der Eames'schen Ausstellungsräume als Kommunikationsmittel? Wie wandelt sich das Verständnis von Architektur als Kommunikationsmittel unter den veränderten Bedingungen des Betrachters in der neuen Rolle eines Interpreten von Informationen? Dazu wird in Kapitel eins die Ausstellungsarchitektur bezüglich des Bildeinsatzes untersucht und als Medienräume offen gelegt. Das Kapitel dient dem Verständnis der Eames'schen Ausstellungsbeiträge als Kommunikationsmittel. Das zweite Kapitel dient der Beschreibung der Raumtypologien als Ideen- und Wahrnehmungskonstituenten im Zusammenhang der entsprechenden Klassifikationen. Die Raumtypologien werden auf die Frage der Wahrnehmung hin untersucht. Dazu wird am Beispiel des Interfaces das Verhältnis zwischen Bildpräsentation und Betrachter erläutert. Beide definieren gleichsam den Raum. Darauf aufbauend wird im Anschluss die Frage der Aufmerksamkeitsbindung des Betrachters erläutert, die auf die Konzepte der Physiologie, der Idee der Zerlegung der Sinne des Subjekts, zurückgehen. Kapitel drei erläutert die Grundlagen der Informationstheorie und zeigt auf, vor welchen Hintergründen und mit welchen Mitteln diese arbeitet; dazu zählt ebenso die Wissenschaft der Informationsästhetik. Eingeordnet wird dieses in den größeren Zusammenhang der Steuerungstechnik der Kybernetik als Mensch-Maschine-Automation, die erlaubt, den Betrachter als feste Größe in die Automatentechnik Eames'scher Ausstellungsarchitektur zu integrieren. Die Rezeption und Verarbeitung der Information wird in Abhän-

EINLEITUNG

gigkeit des Rhythmus betrachtet. Daran anschließend werden im vierten Kapitel die Kognitionswissenschaften herangezogen, die im Hinblick auf ihre Methoden der Wissensverarbeitung Eames' Ausstellungsbeiträge unter dem Aspekt neuer Lehr- und Lernstrategien im Interesse ihrer Auftraggeber untersuchen. In diesem Zusammenhang werden auch die Erkennungsstrukturen der Gestaltpsychologie berücksichtigt, unter denen Lernprozesse betrachtet werden. Das fünfte Kapitel beleuchtet das Thema der Wahrnehmung unter heutigen Medientheorieansätzen neu. Im Gegensatz zu der Annahme angeborener Verhaltensstrukturen in der Gestaltpsychologie vertreten neue Medientheorien die Ansicht einer induzierten Instrumentenwahrnehmung; unter dieser Voraussetzung wird das Sehen zu einem erlernbaren Konstrukt. Das sechste Kapitel nimmt kritisch Stellung zur Vorgehensweise der Experimentalwissenschaften. War die neutrale, ungegenständliche Informationsästhetik der 1920er und 1930er Jahre noch offen emphatisch mit dem Anliegen einer Demokratisierung verbunden, so konnten die Machthaber der Nachkriegszeit diese unter dem Deckmantel der Neutralität für ihre Zwecke einsetzen, ohne in den Verdacht der Ideologisierung zu geraten. Eames kommt zugute, dass sie die totale Berechenbarkeit der Darstellungszusammenhänge selbst in Frage stellten und die Nischen, nach denen sie suchten, um sich als Designer, Künstler und Architekten darzustellen, auch fanden.4

Abb.1: Charles und Ray Eames beim Fotografieren 4 Charles Eames, „It is the illusion that film is a controlled medium – you work like hell to refine a statement, but once it is in the can you feel that the image, the emphasis, the timing are all under control. It's just an illusion.“ Paul Schrader, Questionnaire for Charles Eames, in: E (Eamesnachlass), LOC (Library of Congress), M D (Collections of the Manuscript Division), Box 96, Folder 14.

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1. Kapitel Einführung in Eames' Ausstellungsarchitektur „While Eames is known best for furniture, beginning in the early 50s increasingly more time was spent in looking at how ideas can be communicated. Charles commented that he made the film „A Communications Primer“ to try and educate architects about the very basics of communications. As a result he became disillusioned with the level of intellectual curiosity of architects. That project can be viewed as a watershed. A point of moving away from a dialogue with architectural and design community and into one with the world at large.“5

Mit ihrer Ausstellungsarchitektur setzten Charles und Ray Eames 1959-65 Architektur gezielt als Kommunikationsmittel ein. Dabei weist die Architektur große Übereinstimmungen mit dem Modell kybernetischen Informationstransports auf. Dieses ermöglicht die Steuerung von Raumproduktion und Rezipientensituation unter Berücksichtigung spezifischer Medientechniken und den Erkenntnissen aus der Wahrnehmungsphysiologie und -psychologie sowie aus den Kognitionswissenschaften. Die technologische Basis der Eames'schen Ausstellungskonzepte liegt in der Steuerungstechnik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkommt und im Zweiten Weltkrieg in der Kybernetik kulminiert. Die Wissenschaft der Kybernetik beschreibt Steuerungsvorgänge, die Norbert Wiener in seiner Schrift Kybernetik: Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine auf die Ingenieurs- und Humanwissenschaften anwandte.6 Nach Wiener erweist sich „Berechenbarkeit [...] als Schreibbarkeit durch eine Maschine.“ Ihre Voraussetzung ist eine Formalisierung. Durch Anwendung des kybernetischen Modells werden unterschiedliche Parameter der Informationstheorie in elektronischen Schaltkreisen identifiziert. Diese können auf die physiologischen Funktionsmechanismen des Menschen übertragen und angewandt werden. Shannon transformiert 1948 dieses Modell folgerichtig auch auf die Nachrichtentechnik. Die Technik der Digitalität ermöglicht die Kalkulation und Verrechnung von Informationen. Die informationspraktische Berechenbarkeit zeichnet sich durch diskrete, diskontinuierliche Verfasstheiten der Elemente eines Systems aus. Im Gegensatz dazu bilden analoge Techniken kontinuierliche Einheiten eines Gegenstandes ab. 5 Vgl. Communication of Ideas, in: E, LOC, M D, Box 146, Folder 3, Theme Film. 6 Vgl. Norbert Wiener, Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine,

MIT Press Paperback Edition, 1965 [1948].

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Aus informationstheoretischer Sicht scheinen die Schnitt- und Montagetechniken des Films für die Zerlegung von Informationen in diskrete Einheiten und die Neukombination derselben prädestiniert zu sein.

Abb.2: Analoge versus digitale Darstellung eines Eis, Büro Eames

Charles und Ray Eames definierten in diesem Zusammenhang für ihre Ausstellungsarchitektur die drei hier nun als Felder betrachteten Informationstypen: Sprache, Bilder und Zahlen bzw. Symbole. Indem sie insbesondere den Bildeinsatz fragmentierten, stellten sie bewegte und stehende Bilder als digitale, verrechenbare Informationseinheiten dar. Durch ihre frühe Beschäftigung mit dem Film seit den 1940er Jahren und durch ihren Freundeskreis, der zur kalifornischen Avantgarde nach 1945 zählte, hatten die Eames auch mit bekannten Filmern zu tun. Darunter zählten Billy Wilder, Oskar Fischinger, die Brüder Whitney, James Broughton, Sidney Peterson, Ken-

EINFÜHRUNG IN EAMES' AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR

neth Anger, Curtis Harrington und Harry Smith. Der Regisseur Herbert Matter war zudem 1943 Mitarbeiter in ihrem Büro.7

Abb.3: Projektionen von Buchstaben, Zahlen und Bildern im IBM-Pavillon in New York 1964/65

Als sich die US-amerikanische Regierung 1959 und 1962 und das Computerunternehmen IBM (International Business Machines) 1958 und 1964/65 für Charles und Ray Eames als Designer der Ausstellungen entschieden, konnten sich diese durch ihre frühen Bildexperimente für diese Aufgabe qualifizieren. Im Zeichen der Zeit standen nun neue Lehr- und ebenso Werbekonzepte für den Computer. Nicht zuletzt der Sputnik-Schock veranlasste die US-amerikanische Regierung, Charles und Ray Eames mit neuen Designstrategien in den Dienst der Vermittlung neuer Lehrmethoden zu stellen. Schon Anfang der 1950er 7 Vgl. Pat Kirkham, Charles and Ray Eames: designers of the twentieth century, Cambridge, Massa-

chusetts, MIT Press, 1995, S. 311.

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Jahre planten die Eames in Zusammenarbeit mit George Nelson und Alexander Girard eine Lehrstunde für die Universität Georgia mit dem Thema der Kommunikation. In der so genannten „Sample Lesson“ experimentierten sie auf der Grundlage eines Films, um über die Reizung des Seh- und Geruchssinns die Aufmerksamkeit der Studenten zu binden.8 Ihnen ging es nicht um eine kausale Vermittlung von Lehrinhalten; stattdessen setzten sie auf eine Fülle gleichzeitig gesendeter Informationen, die der Lehrer assoziativ selbst zu größeren Zusammenhängen verknüpfen konnte.9 Die Verbreitung von Ideen über Medien in spezifischen Darstellungsformen brachten die technischen Möglichkeiten des Medienzeitalters mit sich. Mit Bezug auf die Kybernetik instrumentalisierten die Eames das Filmmedium als Informationsmittel. Eames verbreiteten die neuen Lehrformen und machten den Betrachter darüber hinaus mit neuen Sehformen vertraut. Folgt man Niklas Luhmanns Klassifikationen von Informationen in Nachrichten, Unterhaltung und Werbung, so unterhielten die Eames mit ihren Simultanbildprojektionen den Betrachter, während sie im Interesse ihrer Auftraggeber zugleich Propaganda und Werbung betrieben und den Ausstellungsbesucher über neue Formen der Kommunikation informierten.10 Denn die Mehrfachprojektionen vermittelten Inhalte nicht linear, sondern nahmen zugleich unbewusst Einfluss auf den Betrachter und veranlassten ihn dazu, assoziativ Bezüge zu den Bildinformationen herzustellen. Im Gegensatz zur Debatte über eine mögliche Legitimität von Propaganda und Zensur nach dem Ersten Weltkrieg wurde diese nach dem Zweiten Weltkrieg in den USA nur am Rande der etablierten Öffentlichkeit und der Medien

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Pat Kirkham, „They were critical of the American educational system, which encouraged early specialization and failed to produce rounded individuals. In their time, they were the American designers most committed to education in the broadest sense of the world – to a continuous, continuing, pleasurable process of learning – and the ones best able to present serious educational material in apparently unserious ways.“ Ebd., S. 381. 9 Charles Eames, „What happened in those fifty minutes would replace a certain amount of deficiency in background, but would leave the teacher free to make the connections.“ In: Owen Gingerich, A Conversation with Charles Eames, The American Scholar, Vol. 46, No 3, Summer 1977, S. 332. 10 Charles Eames „As the system grow more complicated (and sophisticated) the manipulation of them needs computer – like flexibility and switching capacity.“ In: E, LOC, M D, Oversized 1, Series Research and Reproduction, Type of Project: Exhibits, Project: IBM Museum and Exhibition Center, Armonk, N.Y., Items: Conceptual Planning, Notes, General, 1966-69, n.d.

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geführt.11 Propaganda wurde vielmehr als ein legitimes Mittel zur Selbstdarstellung der USA verstanden. Obwohl Arbeitsstellen gekürzt wurden, richtete die US-Regierung nach 1945 das OWI (Office of War Information) ein. Darüber hinaus gründete Präsident Eisenhower 1953, sich auf die Smith-Mundt Acts von 1948 stützend, das USIA (United States Information Agency), um damit nicht nur für ein besonderes Produkt, sondern für den US-Kapitalismus insgesamt Reklame zu machen.12

1.1.0 Weltausstellung in Brüssel 1958 „The computer is an instrument in the service of mankind“.13

Die Werbung für den Computer zum Zweck der Arbeitserleichterung stand im Mittelpunkt der Weltausstellung für den US-Pavillon im Auftrag von IBM in Brüssel 1958, an der sich Charles und Ray Eames mit einem Film beteiligten. Mit diesem machten sie Werbung für den Computer als Mittel der Arbeitserleichterung. Die Botschaft einer durch Technik verbesserten Welt schlug sich im Titel des Animationsfilms The Information Machine or Creative Man and the Data Processor nieder.14 Der Film thematisierte die Aufgabe der Arbeitsrationalisierung und des „Problemlösens“ (problem solving) als zentrale Fragestellung der Computerund Kognitionswissenschaften.15 11

Vgl. Manfred Knapp, Die Einstellung der USA gegenüber der Sowjetunion in der Periode des Kalten Krieges 1947-1969, in: Der Westen und die Sowjetunion. Einstellungen und Politik gegenüber der Sowjetunion in Europa und den USA seit 1917, Niedhart (Hrsg.), Schöningh, Paderborn, 1983, S. 213 und Michael Hunt, Ideology and U.S. Foreign Policy, Yale University Press, New Haven, 1987, S. 112 f. und Helmut W. Kahn, Der Kalte Krieg, Pahl-Rugenstein, Köln, 1986-88. 12 Vgl. Andreas Elter, Die Kriegsverkäufer. Geschichte der US-Propaganda 1917-2005, Suhrkamp, Frankfurt/M., 2005, S. 87 f. 13 Film The Information Machine or Creative Man and the Data Processor, E, LOC, Film Division. 14 Vgl. Paul Schrader, Poetry of Ideas: The Films of Charles Eames, Film Quaterly, Spring 1970, S. 17 und Film The Information Machine or Creative Man and the Data Processor, E, LOC, Film Division. 15 Vgl. E, LOC, M D, Unprocessed Accession, 22,862, Box 13.

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Es war die erste Weltausstellung nach dem Zweiten Weltkrieg; sie stand unter dem Motto „Bilanz für eine menschlichere Welt“ und war auch Eames' erster Ausstellungsbeitrag.

Abb.4: Ansicht IBM Weltausstellungspavillon in Brüssel 1958

Abb.5: Grundriss IBM Weltausstellungspavillon in Brüssel 1958

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Die Weltausstellung diente, wie ihre Vorläufer, dem Ziel der Überwindung der Technikfeindlichkeit, in diesem Fall u.a. verursacht durch das Nervengas Zyklon B und die Atombombe. Die UdSSR präsentierte Modelle der Satelliten Sputnik I und II, die im Westen den so genannten „Sputnik-Schock“ ausgelöst hatten.16 Charles und Ray Eames zeigten ihren mit einer Tonspur versehenen Animationsfilm im 37 Meter langen, 24 Meter breiten und zwölf Meter hohen, von Eliot Noyes, dem späteren Chefdesigner für IBM, entworfenen Pavillon. Während Le Corbusier bereits im benachbarten Philipps Pavillon mit Bildprojektionen experimentierte, projizierten die Eames noch klassisch auf eine Leinwand;17 sie entwickelten erst in den folgenden Weltausstellungsbeiträgen Strategien eines experimentellen Bildgebrauchs, um mit Hilfe variabler Projektionsflächen die Wahrnehmung gezielter zu lenken. Das in Minuten getaktete Filmskript zu The Information Machine or Creative Man and the Data Processor liest sich folgendermaßen: eine Minute lang zeigte der Film den Ursprung von Erfindungen, die zweite Minute ihre Protagonisten und die Distribution ihrer Ideen, die dritte die Erfinder und ihre Messmethoden, die vierte die Möglichkeiten der Formalisierbarkeit der Messergebnisse, die fünfte Analogiebeispiele zu anderen Lebensbereichen, die sechste Menschen, die siebente drei verschiedene Arten die Zahlen eins bis drei darzustellen, die achte die Programmierung von Simulationen, die neunte die Darstellung komplexer Gesellschaftssysteme und die letzte, zehnte Minute Variationsmöglichkeiten der Darstellung unterschiedlicher Maßstäbe mit Hilfe von Messapparaten.18 Der Trickfilm hatte gegenüber Echtzeitaufnahmen den Vorteil, Inhalte symbolisch oder ikonisch zu transportieren. Diese erleichterten die Informationsaufnahme. Der Absicht kam zusätzlich der Filmtext zu Hilfe, der die Bilder kommentierte.

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Vgl. Petra Krutisch, Aus aller Herren Länder. Weltausstellungen seit 1851, Verlag des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg, 2001, S. 123.

17 Die drei Hauptthemen des Films, für den Charles und Ray Eames 1958 den internationalen Film-

preis in Edinburgh und 1963 in Melbourne gewannen, betitelten sie mit: Kontrolle und Balance, die Funktion von Design und Lebensmodell, vgl. E, LOC, M D, Unprocessed Accession, Box 231, Folder 13, Publicity File. 18 Vgl. E, LOC, M D, Unprocessed Accession, 22,862, Box 13.

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1.1.1 US-amerikanische Nationalausstellung in Moskau 1959 “We had the very difficult problem of making the first statement from this country to the Soviet Union since the Russian Revolution. There had been no major statement from people to people until that time. We had to be very careful of what we did. We knew that words had their limitations; they could be used to the point of being almost without effect, certainly without the effect that we would intend to provide. We knew that some images were well known to the Russians. If, for example, we were to show a freeway interchange, somebody would look at it and say, ‘We have one at Smolensk and one at Minsk; we have two, they have one’ – that kind of thing. So we conceived the idea of having the imagery come on in multiple forms […].”19

Transportierten Charles und Ray Eames in Brüssel ihre Bildbotschaften noch über einen Trickfilm als Abfolge von 24 Einzelbildern pro Sekunde, die im Betrachter einen Bewegungsfluss erzeugen, erweiterten sie ihr Konzept in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959 auf die Präsentationsform einer siebenfachen Simultanbildprojektion in einer Kuppel. Mit dieser Darstellungsform gaben sie die sukzessive, narrative Abfolge von Bildinhalten zugunsten der gleichzeitigen Sendung von Bildinformationen auf.

Abb.6: Simultanbildprojektion von Autobahnkreuzen in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

Die Bildinhalte der Mehrfachprojektionen hatten aus US-amerikanischer Sicht den Anspruch auf kulturübergreifende Verständlichkeit. Zu diesem Zweck 19

Owen Gingerich, A Conversation with Charles Eames, a.a.O., S. 332 f.

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machten Charles und Ray Eames von Bildinhalten Gebrauch, die auch den Russen bekannt und deren Botschaften daher unmissverständlich waren, wie z.B. Autobahnkreuze. Auf der anderen Seite aber sollten, wie das obige Zitat zeigt, Fragen der Gastgeber gar nicht erst aufkommen. Das Montageprinzip des Bildkonzepts stand also mit einer Ästhetik der Darstellung im Zusammenhang, die Staunen, Dissoziation und Bewunderung zugleich hervorrufen sollte.

Abb.7: Grundriss und Schnitt der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

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Abb.8: Lageplan der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

Vom USIA (United States Information Agency) unter Leitung ihres Chefdesigners Jack Masey unter Vertrag genommen, standen Charles und Ray Eames im Dienst der USA. Nach eigenen Angaben versuchte Jack Masey die Belange der Regierung weitestgehend aus der Ausstellungsplanung herauszuhalten. Dennoch folgten die Bildinhalte unübersehbar einem Bilderbuch-Programm glücklicher Amerikaner und den heilsbringenden technischen Errungenschaften der USA. Die Vorführung verknüpfte Bilder technischen Know-hows mit Alltagsszenen. Hier stand die positive Emotionalisierung des Zuschauers im Vordergrund, die das Produkt kalkulierter Einzelbilder waren.

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Vorausgegangen war der US-amerikanischen Nationalausstellung die Etablierung eines zweiten Raumfahrtprogramms der Regierung Eisenhower. So trat 1958 neben die militärische Nutzung der Raumfahrt die NASA (National Aeronautics and Space Administration). Schickte man anfangs Satelliten ins All, die Signale als Kommunikation zwischen der Erde und dem Weltall aussendeten, so arbeiteten Charles und Ray Eames nun über Lichtbildsignale an der räumlichen, lokal begrenzten Ausdehnung von Kommunikation.

Abb.9: R. Buckminster Fuller vor seiner Kuppel der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

Der Moskauer Ausstellungspavillon war eine von Richard Buckminster Fuller entworfene, geodätische Kuppel mit einem Durchmesser von 76 Metern, der so genannten „Informationsmaschine“. Hier präsentierten Charles und Ray Eames auf einer Ausstellungsfläche von insgesamt 7.400 Quadratmetern ihren auf sieben Filmrollen aufgenommenen Film Glimpses of the USA. Sie projizierten die Bilder von den sieben Filmrollen simultan auf sieben, an überdimensionale frühe Fernseher erinnernde Leinwände von jeweils sechs mal neun Metern. Zugunsten der Wirkung dieser Simultanbildpräsentation hielten sie die Kuppel von jeglichen Ausstellungsobjekten frei.20 Alle Gebrauchsgegenstände und Prestigeobjekte, die sonst noch gezeigt wurden, wie zum Beispiel US-ame20 Telefonat

mit Jack Masey am 20.04.2007.

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rikanische Küchen, wurden in einem anderen, eigens dafür errichteten Gebäude aus Glas auf dem Ausstellungsgelände untergebracht. Die Mehrfachprojektion Glimpses of the USA zeigte neun Minuten lang Natur, Städte und das Arbeitsleben sowie drei Minuten lang Szenen der Freizeitgestaltung.

Abb.10: Die sieben Filmrollen der Simultanbildpräsentation der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

Abb.11: Die sieben Projektoren der Simultanbildprojektion der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

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Der Film begann mit der Simultanbildprojektion von Weltraumbildern, zeigte Nachtaufnahmen einer Großstadt und anschließend Nahaufnahmen der Stadt. Danach wurden US-amerikanische Landschaftsaufnahmen präsentiert, gefolgt von Szenen des Alltags und Menschen in ihren Alltagshandlungen. Erst die Fragmentierung der Bildvorführung, die noch zusätzlich durch den Einsatz unterschiedlicher Kamerapositionen und -techniken wie Großaufnahmen, Zooms und Multiperspektiven verstärkt wurde, führte zur Lesbarkeit der Einzelbildinformationen. Dabei wechselten die Filmbilder gleichzeitig in einem Rhythmus von zwei Sekunden. Dramaturgisch folgte der Film einem logischen Aufbau. Denn bezogen auf die Kameraeinstellungen wechselte er perspektivisch von großen zu kleinen Maßstäben: von Weltraum- zu Stadtbildern und weiter zu Privatszenen. Das Herausheben zweier Einzelbilder, eines von Marilyn Monroe und die letzte Einstellung eines Vergissmeinnicht-Blumenstraußes, folgten deutlich dem Ziel der Emotionalisierung der Zuschauer.

1.1.2 Weltausstellungspavillon in Seattle 1962 „A revival of european mathematics later led to calculus with an insight of beautiful simplicity Copernicus reversed the positions of the earth and sun, Kepler stretched the orbits into elipses Galileo provided laws of motion Which Newton elaborated to cover apples, cannonballs, & plantes For the first time, man had reason to view the universe as an infinite machine while new ideas had been transforming the established sciences, new attitudes were producing new sciences, as learned men, inspired partly by the crafts, began to systematically study and record countless facts of everyday life.“21

21

E, LOC, M D, Box 147, Folder 5, Proposal for a pavilion of arts and sciences.

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Die Abkehr von einer einfachen logischen Erzählstruktur der Themenfilme, die sich bereits in der US-amerikanischen Nationalausstellung mit den beiden Filmstills in Moskau andeutet, besiegelten die Eames in der drei Jahre später stattfindenden Weltausstellung in Seattle 1962. Ebenfalls als Reaktion auf den Sputnik-Schock folgte die Weltausstellung dem Motto “Man in the Space Age”.22 Ziel des US-Pavillons war die Präsentation der Weltraumforschung auf der Grundlage von Technik und Wissenschaft. Die Ausstellungsinhalte betrafen gleichermaßen „Handel und Industrie“, „Kunst und Unterhaltung“, „Das Jahr 2000“ und „Welt und Wissenschaft“.23

Abb.12: Isometrie des USamerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

Charles und Ray Eames präsentierten hier ihren neuen Film House of Science. Er diente ebenfalls, wie schon die Beiträge von Brüssel und Moskau, der Massenverbreitung der Wissenschaftserfolge der Amerikaner im Medienzeitalter. Doch bestand diesmal die Zielgruppe aus Bürgern des eigenen Landes. Insgesamt waren die USA auf der Weltausstellung in Seattle mit sechs, vom 22

Vgl. Winfried Kretschmer, Geschichte der Weltausstellungen, Campus Verlag, Frankfurt/M., New York, 1999, S. 231. 23 Ebd., S. 232.

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Architekten Minoru Yamasaki entworfenen Pavillons vertreten.24 Hier nun brachten Charles und Ray Eames eine Multibild-Präsentation von insgesamt einem bis maximal sechs Bildern, projiziert von sechs Projektoren, auf sechs Leinwände.

Abb.13: Projektorraum des US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

Abb.14: Superbild im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrag in Seattle 1962 24 Vgl. John Neuhart, Marilyn Neuhart, Ray Eames (Hrsg.), Eames Design: the work of the Office of Charles and Ray Eames, Ernst und Sohn, Berlin, 1989, S. 273.

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Diese waren in einem bestimmten Abstand an der panoramischen Wand des Pavillons positioniert. Die Projektionen variierten in einem festen Rhythmus zwischen Stand- und Bewegungsbildern.25 Der vierzehnminütige und vertonte Film aus Zeichnungen und Echtzeitaufnahmen wies keine hierarchische Struktur mehr auf. Stattdessen wurden ebenfalls von sechs Kameras erstellte Einzelbilder und bewegte Bilder gezeigt. Die Besonderheit bestand nun aber darin, dass diese einzelnen Elemente in, nach den Regeln der Gestalttheorie genau bemessenen Rhythmen immer wieder zu so genannten „Superbildern“ zusammentraten und als Gesamtornament aller Leinwände auftraten. Mit dieser Technik, die zwischen Einzel- und Superbildern in rascher Folge wechselte, transportierten die Eames u.a. die Ideen der Logik und Berechenbarkeit der Experimentalwissenschaften, hervorgegangen aus dem Zeitalter der Aufklärung, die der Filmtext zusätzlich erläuterte. Der Bildinhalt beschäftigte sich, wie bereits in Eames' vorangegangenen Ausstellungen, mit der Technik- und Kulturgeschichte. Die Eames bildeten darin Mathematik und Computertechnologie und Bücher und Städte ab. Der Film verkoppelte Großbildaufnahmen von Wissenschaftlern wie Norbert Wiener oder Großeinstellungen von Sakralräumen, Friedhöfen oder Kinderzeichnungen mit technischen und wissenschaftlichen Bildinhalten. Dahinter verbarg sich, wie schon in der vorangegangenen Ausstellung, der Versuch der Emotionalisierung der Ausstellungsbesucher. Denn auf diese Weise schlossen Charles und Ray Eames ein bereits bestehendes, kollektives Wissen mit neuen, dem breiten Publikum noch unbekannten Bildern zusammen, um diese positiv zu konnotieren. Sie verbanden auf diese Weise in Analogie zu den Formeln der Informationstheorie erstellte Filmbilder mit neutralen Technikbildern, um das Ziel der positiven Wahrnehmungsbeeinflussung des Betrachters zu verfolgen. Zudem schärfte der Technikeinsatz der alternierenden Montage zwischen Groß- und Totalaufnahmen bezüglich gleicher Themeninhalte den Blick auf ausgewählte Sachverhalte. Die Bilderthemen erfassten in der Tradition theologischer amerikanischer Lehrfilme Menschen, Arbeitsumgebungen, Verkehr, Astronomie, Naturereignisse, Lebewesen, Riten, Architekturen, Symbole, Messapparate und Modelle. Der Film begann mit animierten Illustrationen von Städten, wechselte zu Echtzeitaufnahmen ihrer Bewohner, darunter Physiker, Mathematiker und Philo25

Ebd., S. 271.

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sophen, zeigte diese in ihren Arbeitsumgebungen, leitete zu Aufnahmen der Technologien in den Städten über, stellte Stadt- und Landschaftsaufnahmen gegenüber, bildete Kultureinrichtungen und Bewegungsmittel wie Flugzeuge ab und thematisierte die Natur in Bildern von Sternen, Planeten, Wasser und Vulkanen mittels Nah- und Totaleinstellungen.

Abb.15: Simultanbildprojektion von Kultstätten im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

Abb.16: Simultanbildprojektion von Kinderzeichnungen im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

Abb.17: Simultanbildprojektion von Rechnern im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

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Abb.18: Simultanbildprojektion von Groß- und Totalaufnahmen im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

Abb.19: Superbild einer Stadtdarstellung im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

Danach brachten die Eames maritime Motive, Eisberge, Pflanzen im Schnee und Fischströme auf die Leinwand, die sie mit Bildern von präparierten Lebewesen konterkarierten. Es folgten Skelette, Schmetterlinge, Präpariergeräte, lebende und ausgestopfte Vögel. Dann stellten sie Bilder von Städten dem Bild eines Bienenstaats (sic!) gegenüber. Sie zeigten Menschenaufmärsche, Kulturstämme, Großaufnahmen von Gesichtern, Kirchen, Friedhöfe und Tempel. Gefolgt von Kinderzeichnungen wechselten sie zu Zoomaufnahmen, um mikroskopische Strukturen abzubilden. Sie konterten Bilder des Weltalls mit solchen von Barcodes, präsentierten mathematische Kurven und zeigten Menschen in den elementaren Umgebungen Eis, Wasser und Feuer. Dem folgten Bilder von Raketenstarts der NASA, Zooms der Erdoberfläche, Zeitrafferaufnahmen des Wachsens einer Blume, Messgeräten, Bildern von Schaltkreisen, Computern und Schreibgeräten. Der Film endete schließlich mit Aufnahmen von öffentlichen Diskussionen zum Thema „Problemlösung“.

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Abb.20: Parallelprojektion von Arbeitsumgebungen im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

Abb.21: Parallelprojektion von Arbeitsumgebungsdetails im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

Auch in diesem Fall unterstrich die Tonspur wiederum die komplexe und zugleich simple Botschaft, wonach die assoziative Projektionsweise der Bilder paradigmatisch auch die Arbeitsweise der US-amerikanischen Wissenschaft repräsentiert.26 Die Assoziation stand hier aber ebenfalls auch für die Rezeptionssituation: denn der Betrachter musste den Gesamtzusammenhang der einzelnen Bildinhalte selbst herstellen; Eames banden ihn durch fragmentierte Darstellungsformen aktiv in die Vorstellung ein. So repräsentierte die Größe der Assoziation die Gleichsetzung natürlicher und künstlicher Prozesse im Mensch-MaschineSystem.

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„Sience is an artistic or philosophical enterprise. More play than work. Puzzles have an solution. Imagination to something outside himself.” In: Film, House of Science, E, LOC, Film Division.

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1.1.3 IBM-Pavillon Weltausstellung in New York 1964/65 „We want the calculator and computer exhibits to leave the visitor with the following impressions: 1. Man has always striven for better tools to control his environment. 2. The computer is a general-purpose instrument invented by man to help him solve problems in a world of ever-accelerating complexity. In their problem-solving function, computers are beneficial, understandable tools under constant human control.“27

Abb.22: Ovoide Gebäudeform und Stützenstruktur des IBMPavillons in New York 1964/65 27

E, LOC, M D, Box 147, Folder 5, Proposal for a pavilion of arts and sciences.

EINFÜHRUNG IN EAMES' AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR

1964/ 65 beteiligten sich Charles und Ray Eames in New York erneut, wie schon 1958 in Brüssel, mit einem Weltausstellungsbeitrag für IBM, in dem sie ihren Film Think ebenfalls, wie schon vorher, als Mehrfachprojektion präsentierten.28 Die Weltausstellung hatte das Motto „Unisphere“; ihr Symbol wurde durch das bis dahin größte Erdkugelmodell repräsentiert.29 Allgemein lobte man den wissenschaftlich und technisch hohen Anspruch der Präsentation: die Nasa stellte Raketen aus, und außerdem wurden der Farbfernseher, das Bild- und Tastentelefon und der so genannte Vocoder, der auf dem Fernsehbildschirm Töne in Bilder umsetzte, präsentiert.30 Der Ausstellung wurde von Kritikern aber auch unzureichende Ästhetik und sozialer und politischer Konservatismus vorgeworfen. Dabei schloss man interessanterweise den IBM-Pavillon von dieser Kritik weitgehend aus. Denn er repräsentierte nicht nur symbolisch, sondern auch technologisch die Zeichen der 1960er Jahre. So heißt es in einem Brief des venezuelanischen Ministers für Inlandsentwicklung an den IBM-Koordinator des New Yorker Weltausstellungspavillons, Mr. Gordon Fisher: „[...] your pavilion is the only one where you can find the progress made by, and the future of mankind, and not the tiring commonplace of Walt Disney.“31

Zu diesem Erfolg trug auch wesentlich die Inszenierung der Eames bei. In dem von Eero Saarinen entworfenen und nach dessen Tod von Roche Dinkeloo und Partnern fertig gestellten Ovoid brachten die Eames ihren Film Think abwechselnd auf minimal eine und maximal zweiundzwanzig Leinwände. Nachdem die Besucher auf einer Tribüne Platz genommen hatten, fuhr auf einer hydraulischen Plattform ein befrackter Mann aus dem Ovoid herunter, begrüßte die Ausstellungsbesucher und fuhr ins Ovoid zurück, bevor auch die Tribüne hydraulisch in den Ausstellungskörper bewegt wurde. Der IBM-Pavillon von 1964/65 setzte damit ein Raumschiff als Wahrzeichen der 1960er Jahre in Szene. Dabei sind die Anleihen dieser Architektursprache älter; sie erscheinen, wie Aby Warburg zeigt, als frühe Formen bereits im Mittelalter.32 28 Für ihre Gesamtleistung erhielten sie wenig später vom US-amerikanischen Institut für Architek-

tur den Designpreis und von der Gesellschaft für Industriedesign Großbritanniens die Goldmedaille für Design, vgl. E, LOC, M D, Box 232, Folder 2, Publicity File, 1969. 29 Winfried Kretschmer, Geschichte der Weltausstellungen, a.a.O., S. 234. 30 Ebd., S. 238. 31 E, LOC, M D, Box 48, Folder 2, General Correspondence, 1960-69. 32 Vgl. Aby M. Warburg, Luftschiff und Tauchboot in der mittelalterlichen Vorstellungswelt, Gesammelte Schriften. Studienausgabe, Berlin 1989 (seitengleich mit der Ausgabe Leipzig, Berlin 1932), Bd. 1.1, S. 241-249.

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Die entsprechenden technischen und sozialen Utopien des 17., 18. und 19. Jahrhunderts tauchen in Form von Comics und Filmen dann in den 1930er und 40er Jahren des 20. Jahrhunderts auf.33 Die Geschichte des Science Fiction geht zudem mit der Vorstellung von Robotern einher, die in den 1940er Jahren mit der Kybernetik Verbreitung fanden. Mit der Zerlegung und Serialisierung der Arbeitsprozesse, möglich gemacht durch die Entwicklung des Computers, stellten Roboter solche Extensionen des menschlichen Körpers dar.

Abb.23: Instrukteur begrüßt die Besucher außerhalb des IBM-Pavillons in New York 1964/65

Bei den Eames wird nun der gesamte Pavillon zu einem solchen Automaten. Wiederum kybernetischen Regeln folgend, wurde zur Überwindung der Höhe die eigene Bewegung durch die mechanische der hydraulischen Tribüne ersetzt. So bildete die Tribüne des IBM-Pavillons eine Prothese des menschlichen Körpers, aber ebenso einen Ersatz für den klassischen Treppenaufgang. Der Besucher wurde so als Teil der Maschine in die Gesamtinszenierung integriert. 33

Vgl. Georg Seeßlen, Fernand Jung, Science Ficton. Geschichte und Mythologie des ScienceFiction-Films, Schüren, Marburg, 2003.

EINFÜHRUNG IN EAMES' AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR

Vincent Scully erklärte daher den gesamten IBM-Pavillon als „deus ex machina“.34 Ursprünglich war damit das Erscheinen einer griechischen Gottheit mit Hilfe der Bühnenmaschinerie in der Barockzeit gemeint, nun werden auch die Zuschauer auf bewegende Weise in die Inszenierung mit einbezogen.

Abb.24: Modell des Innenraums des IBMPavillons in New York 1964/65

Die fragmentierten, in Form einer Halbkugel präsentierten Mehrfachprojektionen knüpften an die vorangegangene Weltausstellung in Seattle an. Wieder verzichteten Charles und Ray Eames, abgesehen von Einzelszenen, in denen sie das Thema „Problemlösung“ vermittelten, auf eine offensichtliche Hierarchisierung der Bildinhalte. Im Gegensatz zu den vorangegangenen Ausstellungen setzten die Eames hier keine gezeichneten Illustrationen zur Vereinfachung komplexer Sachverhalte ein. Stattdessen wählten sie für die Inszenierung den befrackten Mann als eine Schnittstelle zwischen Außen- und Innenraum bzw. Datenraum und Publikum. Durch den zusätzlichen Einsatz von Scheinwerfern wurden abwechselnd der Mann, die Bildpräsentation oder beide fokussiert. Der Hintergrund dazu besteht 34 Vgl. Vincent Scully, The laissez-fair, good taste, and money trees: Architecture at the fair, in: Modern architecture and other essays, Princeton University Press, New York, 2003, S. 112.

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in folgendem Sachverhalt. Nach den Lehrsätzen der Kognitionstheorie wie Shannons Kommunikationsmodell funktioniert das Gehirn analog technischer Systeme. Es verarbeitet Eingaben und generiert Ausgaben, bevor es vor dem Hintergrund gespeicherten Wissens weiterverarbeitet werden kann. In diesem Kontext kommt dem Instrukteur die besondere Steuerungsaufgabe der Informationsaufnahme zu. Neben seiner Rolle eines Informationsgarants sollte die Wahl eines Fracks als Uniform des Dieners eine positive Haltung des Betrachters zur Folge haben – im Gegensatz zur neutralen oder Angst machenden Maschinenästhetik des Science Fiction. Auf diese Weise wurde dem Besucher der Eames'schen Ausstellungsarchitektur das Gefühl von Technik im Dienst der Menschheit vermittelt. (vgl. wiederum das Eingangszitat zu diesem Abschnitt).

Abb.25: Konkrete und abstrakte Bildmotive der Simultanbildprojektion im IBM-Pavillon in New York 1964/65

Bewegungsbilder zum Thema „Problemlösung“ am Beispiel von Verkaufsszenen, dem Toasten von Brot oder der Organisation eines Abendessens wechselten konstant mit Moirée-Motiven, Bildern der US-amerikanischen Flagge und anderen Einzelbildern ab. Dabei variierte der Rhythmus der Bildfolgen noch stärker als in der Weltausstellung in Seattle. Der Fokus des Films lag hier also nicht nur auf der Varianz der Einzelbilder, sondern gerade auf dem Rhythmus der Bildwechsel, die Charles und Ray Eames über die so genannte Computerserie „System/360“ der dritten Computerge-

EINFÜHRUNG IN EAMES' AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR

neration von IBM steuerten.35 Die Bild-, Licht- und Tonsteuerung übernahm mit dem „80-channel paper tape synchronous system“ eine der neuesten IBM Computerentwicklungen.36 Die Steuerung der sieben 35 Millimeter Filmkameras wickelten zwei 35 Millimeter Sieben-Kanal-Lautsprecher und miteinander vernetzte „salsyn slave motors“ ab.37 Mithilfe der neuen Techniken konnten die Eames gerade den technischen Aspekt der Kinematografie in den Vordergrund ihrer Vorführung rücken.

Abb.26: Festplatte zur Steuerung der Bildprojektion im IBM-Pavillon in New York 1964/65

Auffällig ist außerdem die horizontale Buchstabenreihe der Initialen von IBM als ornamentale Strukturierung auf der Oberfläche des eiförmigen Ausstellungsgebäudes. Sie diente nicht nur direkten Werbezwecken für IBM, sondern bildete auch den Kugelkopf der Schreibmaschine ab, die IBM 1962 auf den Markt brachte.38 35 „The Solid Logic Technology introduced by IBM in System/360 [first Big Family of Computers] was the industry's first high-volume, automatic, microminiature production of semiconductor circuits. Circuits mounted on ½-inch-square ceramic modules were denser, faster and required less power than the previous generation of transistor technology.“ In: E, LOC, M D, Box 56, Folder 8. 36 Vgl. Brief der Eames-Sekretärin Pamela Hedley an B. L. Day, 16. Januar 1968, E, LOC, M D, Box 48, Folder 2, General Correspondence, 1960-69. 37 Vgl., E, LOC, M D, Box 48, Folder 2, General Correspondence, 1960-69. 38 Vgl., http://de.wikipedia.org/wiki/Schreibmaschine#Kugelkopfschreibmaschine _.28elektromechanisch.29

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Abb.27: Ornamentale Buchstabenreihe des IBM-Pavillons in New York 1964/65

Abb.28: Kugelkopf der Kugelkopfschreibmaschine von IBM 1962

Die über die Kubatur des Gebäudes ebenfalls symbolisierten Science-FictionVorstellungen wurden noch in den 1960er Jahren über entsprechende Filme und Fernsehserien zu archetypischen Formen der Kulturindustrie. In den 1930er Jahren entwickelten die Amerikaner in ihren Science-Fiction Filmen und Serien, wie z.B. Flash Gordon, die Figur des „Mad Scientist“, eines verrückten Wissenschaftlers, der, später oft ein betont blonder Deutscher, entsprechende politische und gesellschaftliche Ressentiments nicht nur den Deutschen, sondern der Wissenschaft überhaupt gegenüber verkörperte. Wissenschaft wurde also, nicht immer zu Unrecht, mit der Gefahr der Zerstörung verbunden. Zwanzig Jahre später, zu Zeiten des Kalten Krieges, diente das Filmgenre des Science Fiction neuen Repräsentationsfunktionen, wie Georg Seeßlen und Fernand Jung zeigen. Eine zentrale Botschaft des Science-Fiction der 1960er Jahre war, für den Fall einer Bedrohung aus dem Osten, die phantastische Rettung der Menschheit durch Flucht in den Weltraum.39 Diesem Szenario entsprachen die Eames mit dem IBM-Pavillon in der Gestalt eines Raumschiffs, das für die im Kalten Krieg unter der permanenten Bedrohung von auf sie gerichteten Atomraketen stehende Bevölkerung den Ausweg einer Fluchtmöglichkeit transportierte. Zugleich überbrachten die Eames die Botschaft neuer Formen der Kommunikation. Daher stand der IBM-Pavillon für Sicherheit und neue 39

„[...] der Flucht des Menschen in den Weltraum hinaus und der Sicherung der „Grenze“ durch Stationen im Raum, zum anderen (mit) der Invasion, der phantastischen Bedrohung der Welt durch Wesen mit Massenvernichtungswaffen und fehlender Bereitschaft zur Kommunikation.“ Georg Seeßlen, Fernand Jung, Science Ficton. Geschichte und Mythologie des Science-Fiction-Films, a.a.O., S. 114-121.

EINFÜHRUNG IN EAMES' AUSSTELLUNGSARCHITEKTUR

Weisen der Verständigung. Das Lichtbildsignal, über das die Eames Informationen aussandten, erklärte Marshall McLuhan zur konstitutiven Größe einer Verschiebung traditioneller Zeit- und Raumvorstellungen. Charles und Ray Eames nahmen mit dem IBM-Pavillon auch die Idee eines Telekommunikationsraums vorweg, den McLuhan zeitgleich 1964 in Die magischen Kanäle darlegte.40 Die konsequente Entwicklung seiner Ideen führte McLuhan in seiner Abhandlung The Global Village weiter.41 Mit dieser verband er die Vorstellung der Kommunikationsausweitung unter gleichzeitiger „instantaner“ Zeitverkürzung. Nicht nur die Idee der Telekommunikation, sondern auch das Thema der Ökonomisierung der Wahrnehmungsleistung wurde damit im IBM-Pavillon zum Phänomen: ebenfalls mit Rückgriff auf die Gestalttheorie setzten die Eames Leinwandformate ein, die eine universale Ästhetikrezeption in Form der so genannten „guten Gestalt“ anstrebten. Zugleich brachen Eames durch den Einsatz der Simultanbildprojektionen auch mit den kollektiv angelegten Gestaltgesetzen. Eames' „Informationsmaschinen“ machten von technologischen Rezeptionsbedingungen Gebrauch, die ihrer Zeit voraus waren und erst unter Berücksichtigung der Wende vom Linguistic- zum Iconic Turn benannt werden können. Bekanntlich prägte William T. J. Mitchell den Begriff des Pictorial Turn 1992, um daran ein neues Denken über Bilder zu binden. Schließlich etablierte Gottfried Böhm 1994 den Iconic Turn als neue Bildwissenschaft. In Analogie zur linguistischen, linearen Zeichenvermittlung erforscht der Iconic Turn die Simultaneitätslogik von Bildern. Die Eames machten davon doppelt Gebrauch: durch die Qualität der Unmittelbarkeit von Bildern und durch die Form der Simultanbildprojektion. Diese bildete die medienimmanente Form der Simultaneitätslogik als Darstellungsform von Simultaneität mit dem Ziel der Informations- und Wahrnehmungssteuerung ab.42

40 Vgl. Marshall McLuhan, „Elektrisch zusammengezogen ist die Welt nur mehr ein Dorf.“ In: ders.,

Die magischen Kanäle, Econ-Verlag, Düsseldorf, 1968, S. 17. Marshall McLuhan, Bruce Powers, The Global Village – Transformations in World Life and Media in the 21st Century, Oxford University Press, New York, 1989. 42 “Active and object language tends to apply to the senses more than spoken and written languages.“ In: E, LOC, M D, Box 152, Folder 13, Invention + Innovation. 41 Vgl.

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TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

2. Kapitel Typologien und Instrumentarien 2.1.0 Wahrnehmungstypologien Die Raumtypologien der Eames'schen Ausstellungsbeiträge dienten der Optimierung von Wahrnehmungsprozessen. In Anlehnung an Erwin Panofsky, der den Unterschied zwischen Raumkonstruktion und natürlicher Wahrnehmung am Einfallswinkel und der Größe eines Bildes verdeutlichte, legten die Eames in ihrer Ausstellungsarchitektur durch die klare Zuweisung der Bewegungsmöglichkeiten in spezifischen Raumtypologien den Betrachterblick im Verhältnis zur Bildgröße fest.43 Folgt man Panofsky, setzten sie damit die Differenz zwischen dem natürlichen und dem vom Raumentwurf abhängigen Sehvorgang außer Kraft. Ebenso leitete Sergej Eisenstein seine Betrachtung konstruierten Sehens von der Bildraumweitung her, aber diesmal aus der technischen Möglichkeit der Bildrahmung der Kinoapparatur. Bezogen auf Eames' Ausstellungsarchitektur dienten die Raumordnungen des Betrachters der Sicherstellung einer, der natürlichen Wahrnehmung entlehnten Raumkonstruktion. Dazu setzten die Eames die Methode der Bildkadrierung ein: sie brachten mithilfe kinematografischer Techniken und unter Einsatz einer spezifischen Anzahl von Projektionsflächen sowie mit Bildrahmungen und -einstellungen nach Eisensteins Formeln die Vergrößerung des Bildraums zum Ausdruck. Diese setzte den Betrachterblick mit den Bildsendungen in Beziehung, so dass der Betrachter die Bildkonstruktionen für natürlich gegeben annehmen musste.

2.1.1 Raumtypologien Mit den Raumtypologien schufen Charles und Ray Eames die Bedingungen für die Nachahmung natürlichen Sehens. Dazu verhandelten sie den Maßstab der Raum- und Bildgrößen in Abhängigkeit der Position des Betrachters im Raum. Beschränkten sich die Eames im Weltausstellungspavillon in Brüssel noch klassisch auf eine Leinwand, so dehnten sie ihre Lichtbildpräsentationsfor43 Je größer nach Panofsky der Einfallswinkel des Bildes und je größer das Bild selbst sei, umso mehr

werde der Unterschied zwischen Konstruktion und natürlicher Wahrnehmung aufgehoben. Vgl. Erwin Panofsky, Perspective as Symbolic Form, Zone Books, New York, 1991 [1924-25].

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men in der geodätischen Kuppel der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau auf sieben, zum Betrachter geneigte Leinwände aus, die mit einer Gesamtfläche von etwa fünfundvierzig mal fünfzehn Metern und dem Radius der Kuppel von 76 Metern Bildräume herstellten, die gerade noch im Blickfeld des Betrachters lagen.

Abb.29: Projektionssituation in der Kuppel der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

Abb.30: Projektionssituation im Panorama des US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

Drei Jahre später machten Charles und Ray Eames in Seattle mit dem Einsatz von sechs, an einer panoramischen Wand angebrachten Leinwänden von den frühen wahrnehmungsorientierten Leinwandversuchen der Nachkriegszeit Gebrauch: diese hatten ergeben, dass ein Seitenverhältnis von mehr als 1:1,375 dem beidäugigen Sehen näher kommt und dem Betrachter so einen stärkeren Realitätseindruck vermittelt. Die gekrümmte Wand des Weltausstellungsbeitrags in Seattle ist historisch der Bild- und Illusionstechnik des Panoramas entlehnt. Seine Typologie ist durch die Einschließung der Umgebung und die Ausschließung des Bildes gekennzeichnet. Denn die Größe der Wand unterbindet die Wahrnehmung ihrer Grenzen. Stattdessen wird der gesamte Umraum zum System des Bild-Raums. Durch den Einsatz der panoramischen Wand experimentierten die Eames mit der Grenze zwischen Realraum und Bild, um einen Illusionsraum hervorzubringen, der nicht nur die Grenze zwischen Bild und Raum verwischte, sondern auch eine ganz neue Zeiterfahrung implizierte. In diesem Zusammenhang verweist Wolfgang Bock aus der Sicht von Rationalisierungsbestrebungen auf die Zeitraffung des Illusionsraums und den Ersatz realer Erfahrungen.44 Der Illusionsraum verschiebe die wahrnehmbaren raumzeitlichen Koordinaten: er erweitere den Realraum und verdichte die Zeit. Die Zoomaufnahmen von Weltraumbildern unterstützten diese Wirkung noch. Sie nahmen den Betrachter mit auf neue Zeitreisen ins Weltall. So lieferten die eingesetzten Kinotechniken ein weiteres Mittel der Werbung für die Weltraumforschung der US-Amerikaner. Nach der Wahl einer Kuppel für die Raumtypologie in Moskau und einem Panorama in Seattle führten Charles und Ray Eames ihre Bildprojektionen in New York in einem, von Eero Saarinen entworfen, Ovoid vor. An einem der beiden Enden des Ovoids mit der räumlichen Ausbildung einer Halbkugel projizierten die Eames den computergesteuerten Film Think auf Leinwände, die sich der Kugelform anpassten. Die Bildprojektionen wurden hier unter Berücksichtigung des Betrachterblickwinkels auf den Gesamtraum ausgeweitet. Die Halbkugel idealisierte diesmal die Konstruktion der Nachahmung eines natürlichen Wahrnehmungsraums, der den gleichen Abstand aller Bilder zum Betrachterauge gewährleistete.45 Zu diesem Zweck legten die Eames den Bewegungsraum des Betrachters fest. Hatten sie für ihre Besucher in Moskau 44

Wolfgang Bock, „Man pilgert nicht mehr mühsam [...] die Weltgegenden kommen nunmehr zu einem.“ Ders., Medienpassagen. Bild, Schrift, Cyberspace II, Aisthesis Verlag, Bielefeld 2006, S. 44. 45 Vgl. Beatriz Colomina, Die Multimedia-Architektur der Eames, a.a.O.

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noch einen Steh- und in Seattle einen Sitzplatz vorgesehen, so legten sie für den Ausstellungsbesucher in New York einen festen Sitzplatz auf der mechanischen Tribüne als Teil der kybernetischen Mensch-Maschine-Apparatur fest. Über die Tribüne bestimmten sie den genauen Abstand zwischen Betrachter und Bildpräsentation. Damit disziplinierten sie im Hinblick auf die Steuerung der Rezeption der gesendeten Lichtbilder die Bewegungsform des Ausstellungsbesuchers.

Abb.31: Projektionssituation im ovoiden IBMPavillon in New York 1964/65

2.1.2 Symbolischer Raum Unter dem Aspekt der Konstruktion eines Wahrnehmungsraums nach Erwin Panofsky und mit Bezug auf Immanuel Kant, der in seiner Schrift Kritik der reinen Vernunft den Raum nicht materiell, sondern als subjektive Vorstellung definierte, lässt sich leicht eine Übereinstimmung der Eames'schen Ausstellungsarchitektur mit der Idee von Systemräumen feststellen.46 Die Perspektive fungiert in dieser Vorstellung als Entwurfswerkzeug für die Repräsentation von Weltbildern. Diese bediene sich den Darstellungen von Symbolen und logischen Formen. Im Gegensatz zur Nachahmung künstlicher Wahrnehmung 46 Vgl.

Erwin Panofsky, Perspective as Symbolic Form, a.a.O, S. 43.

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

unterscheidet sich hier per Definition die Konstruktion von Räumen von der natürlichen Wahrnehmung. Durch Anwendung der Binärstruktur auf die Leinwand- und Bildverteilungen in ihren Ausstellungsbeiträgen brachten die Eames die Weltanschauung von Kontrolle durch Verrechenbarkeit zum Ausdruck. Die der Computertechnik entlehnte Binärkodierung repräsentierte damit die Idee mathematischer Kalkulierbarkeit. Diese betraf die Darstellbarkeit von Systemen, und mit Rückgriff auf Wahrnehmungstheorien und auf Erkenntnisse aus der Physiologie, auch die Lesbarkeit durch den Betrachter. So bildeten die Simultanbildpräsentationen und Multiperspektiven die Verrechenbarkeit von Raum und Betrachter symbolisch ab. Auf der semiologischen Ebene repräsentierte die Form fragmentierter Darstellungen der Bildzusammenhänge nach informationstheoretischen Formeln die Qualität der freien Kombinierbarkeit, die die Eames gleichfalls ausdrückten: die nicht kontinuierlichen Bildwechsel aus Bewegungs- und Standbildern konnten sie durch Schnitt und Montage auf der Mikro- und durch Simultanbildpräsentationen auf der Makroebene in neue Funktions- und Sinnzusammenhänge bringen. So dekonstruierten gleichzeitig projizierte Einzelbilder den Wahrnehmungsraum und verwischten beispielsweise klare Grenzen zwischen Vorder- und Hintergrund. Die Folge davon war eine wahrgenommene Destabilisierung von Raum.

2.1.3 Relationaler Raum Diese Methode setzte den Betrachter in ein neues Raumverhältnis. Sie befreite ihn aus seiner Unterordnung unter den cartesianischen Raum, um ihn zum Interpreten des Raums zu erklären. Die Kuppel der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau ersetzte die Vorstellung der cartesianischen durch eine synergetische Geometrie.47 Denn die Konstruktion des Raums integrierte Wahrnehmungsaspekte des Betrachters. So konnte die Statik mit der natürlichen Wahrnehmung in eine Symbiose gebracht werden. Als Bezugspunkt wählte Richard Buckminster Fuller die Oberfläche der geodätischen Kuppel, um eine doppelte Wahrnehmung einer

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Der Ingenieur der Kuppel der US-amerikanischen Nationalausstellung, Richard Buckminster Fuller, ließ seine geodätischen Kuppeln patentieren, 30 Jahre nachdem der Ingenieur Walter Bauersfeld in Jena das Zeiss-Planetarium als Kuppel errichtet hatte.

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Innen- und Außenraumperspektive zu ermöglichen.48 Damit setzte Buckminster Fuller auf den Betrachterblick. Dieser zielte auf einen zeitabhängigen Sehvorgang. Durch das Fehlen eines rechten Winkels hielt das Raumstabwerk der Kuppel, ebenso wie die Außenhülle, den Blick in Bewegung.49 Joachim Krausse bezeichnet Buckminster Fullers geodätische Kuppeln als aufgelöste tektonische Formen, die einen universellen Raumbegriff prägten.50 Der Verzicht auf eine Unterteilung der Kuppel stellte einen uneingeschränkten Blick sicher. Um den Blick ganz auf die Bildpräsentation in der Kuppel zu fokussieren, hielten Charles und Ray Eames die US-amerikanische Nationalausstellung von den zusätzlichen Objekten der Ausstellung frei, die sie in einem anderen Gebäude unterbrachten.

2.1.4 Die relative Objektivität der Raumbetrachtung Mit der Vorstellung des in Bewegung befindlichen Blicks geht die Idee zeitgebundener Räume einher, die auf die Differentialgeometrie Bernhard Riemanns zurückgeführt werden kann. Riemann hatte auf der Grundlage der modernen Physik die Existenz von „Ursachen für die objektiv realen Maßverhältnisse“ festgestellt und damit die Idee der relativen Objektivität in die Raumbetrachtung eingeführt.51 Diese stützt die Annahme der Zeitgebundenheit von Räumen, die die absolute, euklidische Geometrie ersetzt. Riemanns Theorie stärkt danach ebenso die Betrachterposition im Raum. Etwa zur selben Zeit, Ende des 19. Jahrhunderts, brachte August Schmarsow den Rezipienten als Raumbezugsgröße in den Kunstdiskurs ein. László Moholy-Nagy knüpfte in den 1920er Jahren daran an, indem er den Raum aus der vormals aufgefassten Zweckgebundenheit befreite. Moholy-Nagy bediente sich des Mediums Film, um daran die Diskussion um eine Auflösung starrer Grenzen zu besiegeln und die Architektur selbst zu einem dynamischen Konstrukt zu machen. Die neue Betrachterrolle rückte die Wahrnehmung zunehmend in den Mittelpunkt des Architekturdiskurses. 48

Vgl. Joachim Krausse (Hrsg.), R. Buckminster Fuller. Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde und andere Schriften, Verlag der Kunst, 1998, S. 286. 49 Vgl. ders., Claude Lichtenstein (Hrsg.), Your private Sky. R. Buckminster Fuller. Design als Kunst einer Wissenschaft, Lars Müller, Baden/Schweiz, 1999, S. 11-20. 50 Buckminster Fuller forderte „weite Freiräume, so dass ihre Privatheit ein Resultat eines ausreichenden Abstandes zwischen ihnen oder zwischen Gruppen ist. Vergessen Sie die Idee von Abteilen.“ Ders., in: Education Automation. Carbondale, I11., 1962, S.86, in: Joachim Krausse (Hrsg.), R. Buckminster Fuller. Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde und andere Schriften, a.a.O., S. 278. 51 Vgl. Jürgen Jost, Riemannian Geometry and Geometric Analysis, Springer, Berlin, 2002.

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

Eames' Ausstellungspavillons verzichteten nicht nur auf den rechten Winkel. Durch den Einsatz von Simultanbildern und die Technik der Kinematografie bezeugten sie ihr Interesse für eine Neuausrichtung von Räumen auf die Betrachterperspektive. Damit formten sie eine Synthese aus diskursiven Strukturen, die der Filmtechnik und den Raumpraktiken aus der Geschichte der Architektur- und Technikgeschichte und der Unterhaltungsindustrie entlehnt sind. Das Ergebnis war klar benutzerorientiert. Der Raum konnte nicht länger isoliert vom Menschen definiert werden. In diesem Kontext verknüpften die Eames die Entitäten Materie, Energie und Information mit den technikbestimmten Körperinszenierungen und -disziplinierungen des Betrachters. Die neuen Raumpraktiken gingen daher untrennbar mit dem Einkalkulieren des Betrachters einher.

2.2.0 Interface 2.2.1 Mensch-Maschine-Schnittstelle „Home computers seem useless now, but in a few years you'll consider such machines as important as your phone or TV [...].“52

heißt es in einer New Yorker Zeitungsanzeige im Mai 1979. In demselben Sinne, in dem die Eames die Bewegungsformen und den Blick des Betrachters in ihren Ausstellungsbeiträgen lenkten, ist es möglich, eine ideelle Verbindung zum Interface herzustellen. Der Einsatz der auf den Raum ausgeweiteten Bewegungsbilder bildete eine Schnittstelle zwischen Betrachter und Raum. Das Interface bezeichnet streng genommen eine Schnittstelle zwischen zwei physikalischen oder logischen Zuständen, deren Oberflächen kompatibel sind. Oder einfacher ausgedrückt ist das Interface die Verbindung zwischen verschiedenen Geräten oder Benutzern und ihren Geräten. Diese Verbindung schufen die Eames zwischen dem Medien-Raum und der Rezipientensituation. Im IBM-Pavillon perfektionierten die Eames die zuvor in Moskau und Seattle eingesetzten Techniken und Raumparameter. Als kinetisches Objekt verhandelte der IBM-Pavillon die Bewegung des Ausstellungsbesuchers. 52

Ned Potter, A Computer of One's Own, in: E, LOC, M D, Box 143, Folder 2, Articles and References.

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Als Raumschiff und Wahrzeichen der 1960er Jahre bediente er sich der Vorstellung von Robotern, die in den 1940er Jahren mit der Kybernetik Verbreitung fanden. Mit der Zerlegung und Serialisierung der Arbeitsprozesse, die durch die Entwicklung der Automation möglich gemacht wurde, stellten Roboter Extensionen des Körpers dar.53 Bei den Eames wurde nun der gesamte Pavillon zu einem solchen Automaten. Nachdem sie auf einer Tribüne, der so genannten „People Wall“, einen Platz gefunden hatten, wurden die Besucher anschließend auf der Tribüne hydraulisch ins Innere des Pavillons gehoben, die sich dort in die Installation einpasste. So bildete die Tribüne des IBM-Pavillons eine Prothese des menschlichen Körpers, aber ebenso einen Ersatz für den klassischen Treppenaufgang. Der Besucher wurde so als Teil der Inszenierung in die Maschine integriert. Hier wurde die Automation des menschlichen Bewegungsablaufs nicht, wie in den ersten universellen Automaten, durch die Maschine imitiert. Stattdessen wich die natürliche Bewegung einer neuen Bewegungsform, die durch die Austauschbarkeit natürlicher und künstlicher Systeme möglich gemacht wurde.54 Zugleich unterschied sich dieser Transport auch von einem simplen Fahrstuhl, indem er die Umgebung ebenso in die Inszenierung mit einschloss und eine Verbindung zwischen Innen- und Außenraum darstellte. Die Schnittstelle, die den Unterschied zwischen dem Ausstellungsbesucher und der räumlich-technischen Umgebung aufhob, betraf aber nicht nur die Bewegungsform zwischen Außen- und Innenraum. Fast noch wichtiger erscheint die Verschaltung des kalkulierbaren Blicks auf die Simultanbildpräsentation. Erst die doppelte Verhandelbarkeit des Ausstellungsbesuchers brachte den kybernetischen Hauptsatz der Gleichbehandlung natürlicher und künstlicher Parameter in einem System zum Ausdruck. Der befrackte Mann fungierte dabei als Verstärker der Aufmerksamkeitslenkung während der Bildvorführung. Mit dem Mann im Frack, dem im Nachrichtentransport die Rolle des Instrukteurs zukommt, verbanden die Eames offensichtlich nicht nur die Sicherstellung des Informationstransports durch Gestik und Ton; er selbst spielte eine Schnittstelle zwischen der Repräsentation seiner Person und dessen Bild. Er stand entweder als Instrukteur auf der Bühne oder er besetzte ein aus der Summe der Leinwände herausgenommenes Feld, das als Bühne ausgebildet und 53 Vgl. Marshall McLuhan, Die magischen Kanäle, a.a.O., S. 73-83. 54 Vgl. Norbert Wiener, Cybernetics or Control and Communication

Machine, a.a.O.

in the Animal and the

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

so groß war, dass es sich den Leinwandgruppierungen unterordnete. Deren Größe reichte aus, um den Instrukteur problemlos beherbergen zu können.

Abb.32: Positionierungen des Instrukteurs des IBM-Pavillons 1964/65 in einer Modellstudie

So gesehen garantierten die Raumparameter unterschiedliche Schnittstellen zwischen der Apparatur des IBM-Pavillons und dem Ausstellungsbesucher. In ihrer strukturellen Anlage könnte man die Simultanbildprojektionen Eames'scher Ausstellungsarchitektur daher mit einer frühen Form des User Interfaces in Zusammenhang bringen. Denn sie stellten auf der physiologischen Ebene eine Verbindung zwischen der Bildpräsentation und ihrer Weiterverarbeitung durch den Betrachter her. Obwohl die per Definition des User Interfaces festgelegte Verschaltung zweier logischer Zustände, d.h. die Rückkopplung zwischen Bildpräsentation und Betrachter fehlte, weil die Bilddaten nur in eine Richtung, in die des Ausstellungsbesuchers flossen, konnten Charles und Ray Eames mit Rückgriff auf frühe Kinotheorien einerseits mit der Wirkung der Bilder auf den Betrachter und seinen Emotionen spekulieren; denn nach Münsterberg stellt das bewegte Bild das nach außen verlagerte Nervensystem dar.55 Andererseits täuschten die auf den typologischen Raum ausgeweiteten binären Bildsendungen als digitale Simulationsmaschinen eine aktive Teilnahme vor, indem sie mit 55 Vgl. Hugo Münsterberg, Das Lichtspiel. Eine psychologische Studie (1916) und andere Schriften

zum Kino, Schweinitz (Hrsg.), Synema, Wien, 1996, S. 107-114.

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der Grenzverschiebung zwischen Real- und Illusionsraum arbeiteten.56 Auf der Grundlage der Weitung der Bildausschnitte konnten Charles und Ray Eames den Betrachter unter Ausschluss der Umgebung in den Bildraum hineinziehen. Schließlich bezogen die fragmentierten Einzelbilddarstellungen, die als äußere Reize auf den Betrachter einwirkten, und von diesem automatisch oder bewusst aufgenommen und weiterverarbeitet wurden, diesen aktiv in den Vorführprozess ein. Der Betrachter wurde so hauptverantwortlich zum Hersteller des Gesamtzusammenhangs.

Abb.33: Instrukteur des IBM-Pavillons 1964/65 auf der Bildfeld-Bühne

Abb.34: Instruktuer des IBM-Pavillons 1964/65 auf der Bühne und als Teil des Bildsystems

So veränderte sich die Beziehung zwischen Betrachter und Objekt paradigmatisch. Nicht die Interpretation linearer Zeichenprozesse, sondern die automatische Einflussnahme gleichzeitiger Impulse in Form von Lichtbildsignalen auf die Betrachterwahrnehmung war verantwortlich für die Objektherstellung. Indem Charles und Ray Eames den visuellen Raum in einzelne Bilder zerlegten, fungierten diese als Wahrnehmungsatome und ergaben erst in ihrer Zusammenfügung einen Gegenstandszusammenhang. Die Bildatome, die man nach Foucaults Konzept des symbolfreien Raums als semantikfreies Rohmaterial oder „Heterotopien“, stellvertretend für künstlich geschaffene Orte bezeichnen kann, schloss der Betrachter ohne Vorbilder aus der Außenwelt zu visuellen Einheiten 56

Vgl. Jeremy J. Shapiro, Digitale Simulation, S. 18 f, in: Zeitschrift für kritische Theorie, Heft 17/2003, Gerhard Schweppenhäuser, Wolfgang Bock (Hrsg.), zu Klampen, Lüneburg, 2003.

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

zusammen, um nach den Gesetzen der Wahrnehmung neue bildnerische Bedeutungen herzustellen.57 „Computer is just a tool. Man is necessary to give it meaning.“58

Diesen Überlegungen zufolge lieferte der Computer die Mittel der Darstellbarkeit, die erst durch den Betrachter mit Bedeutungen aufgeladen wurden. Die semiotischen Zeichenbeziehungen bestanden in der Simultanbildpräsentationsform nur noch auf der Mikroebene innerhalb eines Einzelbildes, nicht mehr auf der Makroebene der Gesamtstruktur. Die Logik von Zeichenprozessen wurde zugunsten der Gleichzeitigkeit von Bedeutungs- und Wirkungsqualitäten aufgegeben. Dadurch verlor das Einzelbild seine Funktion als Ikon oder Symbol. Das makroästhetische Ganze und die mikroästhetische Bildzusammensetzung standen nun in wechselseitiger Beziehung. Nicht nur war das wahrnehmbare Ganze durch die Teilbilder bestimmt, sondern die individuellen Betrachterdispositionen wirkten ihrerseits an der Konstitution der Elemente mit. Demnach spielten die Einzelbilder eine ebenso große Rolle wie ihre virtuellen Bedeutungsebenen. Nach der Informationstheorie stellt nämlich die Qualität der Information ein virtuelles Möglichkeitsdispositiv dar, das erst im Fall der Sendung aktualisiert wird. Die Kombinierbarkeit standardisierter kleinster Einheiten zu ausgewählten visuellen Zusammenhängen nahm in der Geschichte des Films der Regisseur Abel Gance bereits 1927 in der Split-Screen Darstellung im Film Napoleon vorweg, um auf diese Weise ausgewählte Höhepunkte zu inszenieren. Während die Eames in ihren Ausstellungsbeiträgen in Moskau und Seattle die Bildsendungen noch kalkulierten und z.B., wie in Moskau, zwei Einzelbilder gezielt herausstellten, überließen sie die Sendung der Bildinformationen im IBM-Pavillon der Zufallssteuerung durch den eingesetzten Computer. Damit rückten sie die technischen Möglichkeiten im Sinne des kybernetischen Informationstransports, der gänzlich vom Inhalt von Nachrichten absieht, in den Vordergrund. Eames' Bildsendungen aus Bewegungs- und Standbildern waren zwar nicht Teil einer digitalen Produktion. Sie beschränkten sich in ihrer Repräsentationsform auf die konstitutiven Bedingungen der Digitalität in Form der Binärkodierung. Dennoch nahmen sie diese Entwicklung durch die Form der Präsentation 57 Vgl. Michel Foucault, Andere Räume, S. 34-46, in: Aisthesis. Wahrnehmung heute oder Perspek-

tiven einer anderen Ästhetik, Barck (Hrsg.), Essais. 5., Reclam, Leipzig, 1993. E, LOC, M D, Box 147, Folder 1, Outlines of Exhibition.

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

vorweg und behaupteten einen neuen Status im Verhältnis zwischen Betrachter und Objekt. Der Betrachter übernahm hier noch die Aufgabe der kognitiven Gegenstandszusammenfügung. Seine aktive Teilnahme am Produktionsprozess wurde allerdings erst mit der Erfindung des User Interfaces Anfang der 1980er Jahre möglich.59 Durch das User Interface gewann der Benutzer eine weitaus aktivere Rolle im Informationsprozess. Damit wurden ihm individuelle Anwendungen digitaler Produktionstechniken ermöglicht. So wurde aus dem anfänglichen Repräsentations- und Rezeptionsmedium Eames'scher Ausstellungsarchitektur ein Produktionsmedium der breiten Masse.

2.3.0 Aufmerksamkeitsbindungen „Es erweist sich immer mehr, dass in vielen sozialen Bereichen heute ein Zusammenwirken von panoptischen Techniken und Imperativen der Aufmerksamkeit stattfindet.“60

Zum Zweck kalkulierbaren Nachrichtentransports setzten die Eames unterschiedliche Methoden der Aufmerksamkeitsbindung ein. Dazu gehörte ebenso die Bestimmung der Betrachterposition im Raum und die damit verbundene Rezeptionssituation wie die Produktionstechniken der eingesetzten Medien und ihre Darstellungsformen. Unübersehbar ist die Umsetzung des Kommunikationsmodells als Hauptsatz von Claude Shannons Nachrichtentheorie in ästhetische Raumkategorien.

2.3.1 Informationstheoretische Aufmerksamkeitssteuerung Die gesendeten Informationen bildeten Charles und Ray Eames auf die gewählten Raumtypologien, Leinwandgrößen und -formen ab. Diese setzten sie in Beziehung zur Physiologie des Betrachters. Denn nach den kybernetischen Lehrsätzen kann eine Nachricht systematisch so aufgearbeitet und gesendet werden, dass sie die Aufmerksamkeit des Empfängers, in diesem Fall des Betrachters, 59 Bill Gates, der im Xerox Parc in Kalifornien seit Anfang der 1970er Jahre ein- und ausging, kaufte

die Rechte an der Hard- und Softwareentwicklung für das User Interface noch vor Steve Jobs, der sie kurz darauf für Apple erwarb. So musste IBM, vertreten durch die Tochterfirma Apple, seine führende Weltmarktstellung an Microsoft abtreten. 60 Jonathan Crary, Aufmerksamkeit. Wahrnehmung und moderne Kultur, Suhrkamp, Frankfurt/M., 2002, S. 66.

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

bindet. Die Informationstheorie deckt die Parameter dieses Nachrichtentransports auf. Dazu zählen Redundanzen, Entropien und Prägnanzen. Diese werden vom Betrachter als Gestalten aus Formen, Farben und Größen wahrgenommen. Somit geben die Leinwandsyntax, ebenso wie die projizierten Bildinhalte, in Eames' Ausstellungsarchitektur Aufschluss über die informationstheoretischen Größen zur Kalkulation der Wahrnehmungsleistungen des Betrachters.

2.3.2 Indetermination Eine weitere Größe der Aufmerksamkeitsbindung stellt im IBM-Pavillon in New York die Figur des Instrukteurs dar. Abwechselnd wurde durch Einsatz von Scheinwerfern seine Platzierung im Raum, verstärkt durch Gestik und Sprache, und/ oder die Bildprojektionen fokussiert. Der Instrukteur besetzte entweder die Bühne, die der Zuschauertribüne gegenüber lag oder ein Bildfeld, das als Bühne ausgebildet war und die er über eine, den Zuschauern nicht sichtbare Treppe erreichte.

Abb.35: Gesten des Instrukteurs des IBMPavillons 1964/65

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

So trat der Instrukteur dem Ausstellungsbesucher als Akteur auf der Bühne oder als Teil des Bildfeldes gegenüber. Die eindeutige Grenze zwischen Körper und Bild weichten die Eames auf diese Weise auf. Damit machten sie von der Strategie der Indetermination Gebrauch und nahmen so von eindeutigen Zuweisungen von Subjekt- und Raumgrößen Abstand. Diese erhöhte nun im IBM-Pavillon in New York die Betrachteraufmerksamkeit. Das Spiel mit der Grenze zwischen Bild- und architektonischem Raum führt Roland Barthes in Der Realitätseffekt aus. Darin geht es um die Illusion des Bildes als Teil des Raums oder umgekehrt.61 Nach Barthes ist der Realitätseffekt eine Wahrnehmungsleistung des Betrachters und nicht eine Gegenstandseigenschaft. Daher bevorzugte Barthes die Fotografie vor dem Film, da sie aufgrund ihrer Unbewegtheit dem Betrachter die Konzentration auf eine Sache ermöglichte.

Abb.36: Storyboard der Simultanbildpräsentation des IBM-Pavillons 1964/65 61

Roland Barthes, Die helle Kammer: Bemerkung zur Photographie, Suhrkamp, Frankfurt/M., S. 90.

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

Abb.37: Instruktuer des IBM-Pavillons in New York im Scheinwerferlicht und als Teil des Bildsystems

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

Der Videokünstler Nam June Paik griff 1958 John Cages Theorie der Indetermination auf, indem er Materie mit ihrer Form oder ihrem Bild gleichsetzte.62 Damit brach Paik mit der Idee des klassischen Dualismus Platons. Norbert Wiener verdeutlichte anhand der Definition der Entropie die Idee des Indeterminismus in der Kybernetikdebatte. Er entlehnte sie den Methoden der Statistik. Marshall McLuhan dagegen bezeichnete mit dem Begriff des Indeterminismus den betrachterabhängigen Zustand eines Mediums. Während McLuhan die Metapher der Temperatur zur Unterscheidung „heißer“ Medien, die lediglich einen Sinn erweitern, von „kalten“ Medien traf, die die aktive Ergänzung und Vervollständigung vom Rezipienten fordern, schrieb er die Größe des Indeterminismus dem kühlen, wenig definierten Medium zu.63 Nicht nur die Doppelrolle des Instrukteurs, sondern auch die Darstellung der Simultanbildpräsentation erforderte die ergänzende Interpretation des Betrachters. Beschrieb McLuhan den Film als an sich „heißes“ Medium, kühlten die Eames ihn durch die fragmentarische Darstellung wieder ab und überantworteten ihn der Qualität der Indetermination, die wiederum der Stärkung der Betrachterrolle diente.

Abb.38: Bild für eine Mathematik-Ausstellung, Eames-Büro 62

In seiner Arbeit „TV Buddha“ setzt Paik eine Buddha-Statue einem Fernseher gegenüber. Durch den zusätzlichen Einsatz einer Videokamera betrachtet sich die Statue selbst auf dem Bildschirm. Vgl. Edith Decker, Paik: Video, DuMont-Dokumente, Köln, 1988. 63 Marshall McLuhan, Die magischen Kanäle, a.a.O., S. 29-41.

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

2.3.3 Kinematografische Aufmerksamkeitssteuerung Doch nicht nur die freie Interpretation durch den Betrachter, sondern ebenso die technisch intendierten Möglichkeiten der Kinematografie, spielten in Eames' Ausstellungsarchitektur eine wesentliche Aufgabe in der Bindung der Aufmerksamkeit. Die Kinematografie arbeitet mit Techniken wie der Festlegung von Bildkadern, Kameraperspektiven und Montagen, deren Wirkungen aus der Filmgeschichte auch den Eames bekannt waren.64 Mithilfe der Schnitt- und Montagetechnik konnten die Eames so die Anzahl der gleichzeitig projizierten Bilder und die Zahl der pro Zeiteinheit gesendeten Lichtbilder mit dem Ziel unterschiedlicher Wirkungsnahmen festlegen. Während sie mit der gleich bleibenden Taktung des Bildwechsels von zwei Sekunden in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau eine Imaginationssteigerung anstrebten, dienten die variierenden Rhythmen in den Weltausstellungen in Seattle und in New York der, auf die Dauer der Vorführung relativierten, Aufmerksamkeit des Betrachters. Im Gegensatz zur Beschränkung der Bildwechsel auf der Basis von sechs Leinwänden erhöhten sie dagegen in New York mithilfe von insgesamt zweiundzwanzig Leinwänden die Komplexität der Bildwechsel und mit dieser die Bindung der Betrachteraufmerksamkeit, die zusätzlich durch die Technik des schnellen Schnitts gestärkt wurde. Lenkten sie die Konzentration in Moskau auf die beiden ausgewählten Bilder von Marilyn Monroe und von einem Vergissmeinnicht-Blumenstrauß, so galt die Aufmerksamkeitssteuerung in ihrem Weltausstellungsbeitrag in Seattle inhaltlich entgegen gesetzten und einzelnen, sich von der übrigen Zahl absetzenden Bildern, wie z.B. dem Einzelbild einer Allee, die sie fünf Stadtbildern gegenüber stellten oder dem eines Bienenstaats neben drei Stadtbildern. Ebenso erreichten sie dies durch zusammengeschlossene Superbilder, etwa von Arenen. Eine weitere Methode der Aufmerksamkeitsbindung stellte beispielsweise die Kombination von einem stehenden neben einer Summe aus bewegten Bildern dar, wie etwa drei bewegten Bildern von Großaufnahmen sprechender Männer neben der unbewegten Abbildung einer Frau.

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Eames kannten den deutschen, russischen und französischen Avantgarde-Film, vgl. Saul Pett, Charles Eames: Imagination unlimited, St. Louis Post-Dispatch, July, 27, 1971.

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

2.3.4 Computergesteuerte Aufmerksamkeitslenkung Der Einsatz des neuen Computersystems in ihrem Weltausstellungsbeitrag in New York dagegen sorgte für eine Bindung der Betrachteraufmerksamkeit ohne Rücksicht auf die Bildinhalte. Diese Projektionsweise weckte im Betrachter den Eindruck der Zufallsgenerierung, die als „Cybernetic Serendipity“, als so genannter „glücklicher Zufall“ in die Theorie einging. Diese Zufallskombination der Bildprojektionen war eine konsequente Umsetzung Shannons Definition von Information als Möglichkeitsdispositiv. Beide Methoden, die der bildinhaltsgebundenen bzw. -freien Fokussierung und der Aufmerksamkeitssteuerung, lassen Vermutungen auf ein spekulatives Vorgehen der Eames zu, wonach sie entweder durch bestimmte Bildinhalte den Zweck der Propaganda und Werbung verfolgten oder durch die Umsetzung informationstheoretischer Grundsätze den Betrachter zu neuen Sehweisen hinführen wollten.

2.4.0 Psychophysik Der Konstruktion von Aufmerksamkeit liegt das Wissen der Verrechenbarkeit der menschlichen Sinne zugrunde, die der Forschungszweig der Psychophysik des 19. Jahrhunderts hervorbrachte. Sie ermöglichte es, bestimmte Funktionsweisen des Menschen zu bestimmen. Das Sehen wurde danach zu einer berechenbaren Größe, die nicht mehr unmittelbar an den Körper gebunden war und auf diese Weise insbesondere eine Neubetrachtung der Rezeption von Bildern erlaubt.

2.4.1 Geschichte der Wahrnehmungstheorien Die moderne Idee von Wahrnehmung, die das Sehen durch die Trennung vom Willen für autonom erklärte, geht auf Arthur Schopenhauer zurück.65 Neben Schopenhauer entwickelten auch andere Philosophen Theorien zur Wahrnehmung: so Konrad Fiedler die „freie künstlerische und unfreie nichtkünstlerische Wahrnehmung“, Alois Riegl die „taktile und optische Wahrnehmung“ und

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Vgl. Jonathan Crary, Techniken des Betrachters: Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert, Dresden, Basel, Verlag der Kunst, 1996, S. 84.

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

Theodor Lipps die „positive und negative Einfühlung“.66 Hermann von Helmholtz setzte diese Tradition fort. 1896 beschrieb er in Handbuch der Physiologischen Optik die vom Bewusstsein getrennte Funktionsweise des Sehens.67 Darin beschäftigte er sich mit den Möglichkeiten der Übertragung des Unbewussten in die kinematografische Technik, um die Größe der automatischen, unbewussten Wahrnehmung zu bestimmen. Das Verfahren diente dem Beweis der Eigenständigkeit des Sehens, die Johannes Müller in quantitativen Nervenströmen qualifizierte.68 Untersuchungen über Nachbilder konnten nun in Abhängigkeit zwischen Reizen wie z.B. zeitlichen Einwirkungen, Farben und Einfallswinkeln auf die Netzhaut und den physiologischen Wirkungen gemessen werden.69

Abb.39: Darstellung der Gehirnfunktionen, Robert Fludd, um 1619 66 Ebd., S. 89. 67 Vgl. Hermann

von Helmholtz, Die Lehre von den Gesichtswahrnehmungen, S. 576 ff, in: ders., Handbuch der Physiologischen Optik, Verlag von Leopold Voss, Hamburg, Leipzig, 1896. 68 Jonathan Crary, Techniken des Betrachters: Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert, a.a.O., S. 93 ff. 69 Ebd., S. 112.

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So setzten die Neurophysiologen arithmetische Quantitäten mit den Qualitäten ihrer Wirkungen in Beziehung: sie kamen zu den Erlebnisqualitäten von Langeweile, Irritation und Interesse, die das Ergebnis von Aufmerksamkeitslenkungen darstellten.70 In unmittelbarer Folge wurden in der experimentellen, physiologischen Psychologie qualitative Messungen des Auges bezüglich seiner Aufmerksamkeit, Müdigkeit, Reaktion und Reizschwelle möglich, die Wahrnehmungspsychologen zu ihren Untersuchungsgegenständen erklärten. Durch die Methode der Statistik konnten sie die neurophysiologischen Zustände des Betrachters messen, die sich als Ergebnis externer Reize veräußerten. So konnte man mit dem Wissen aus der Experimentalpsychologie, das sich mit der Vermessung äußerer Neuronenströme beschäftigte, Darstellungsformen mit den menschlichen Sinnen in Beziehung setzen. Schließlich begründete Gustav Theodor Fechner im 19. Jahrhundert den Wissenschaftszweig der Psychophysik als ein Teilgebiet der Wahrnehmungspsychologie. In seiner Schrift Die Elemente der Psychophysik legte er die Beziehungen zwischen physischen Reizen und subjektiven Erlebnisstrukturen offen. Dabei unterschied Fechner zwischen äußeren und inneren, neuronalen Reizen.71 Alexander Gottlieb Baumgarten führte diese Gedanken in der Assoziationspsychologie weiter.72 Wolfgang Köhler traf 1929 die erkenntnistheoretische Unterscheidung zwischen den Versuchsanordnungen im physischen Raum und den Beschreibungen von Phänomenen durch den Beobachter.73 Metzger selbst forderte die klare Begriffstrennung aus physikalisch-chemischen Reizen auf die Sinneswahrnehmung und psychologischen Reizen von Phänomenen aus der Außenwelt.74 Die konstruktivistische Ästhetik ergänzt Metzgers Überlegungen um subjektabhängige Bildzusammensetzungen, die die Idee von experimentalwissenschaftlichen, Objektivität versprechenden Messungen erweitern. Dabei bezieht sich ihre Methode auf die Definition der betrachterabhängigen Bildgrenze. Sie 70

Vgl. Herbert W. Franke, Kunst als Datenverarbeitung, S. 93, in: Algorithmus, Kunst, Semiotik, Hommage für Frieder Nake, Karl-Heinz Rödiger (Hrsg.), Synchron, Heidelberg, 2003. 71 Vgl. Gustav Theodor Fechner, Elemente der Psychophysik, Theil 1 und Theil 2, Breitkopf und Härtel, Leipzig, 1889. 72 Vgl. Alexander Gottlieb Baumgarten, „Der Psychologe wird sich darüber nicht wundern wenn er genau erwägt, was für ein großer Teil des schönen Denkens dadurch geformt werden muß, daß man die Bilder der Phantasie zueinander in Beziehung setzt und sie auch beschneidet.“ In: ders., Aesthetica, S. 127, in: Ästhetik als Philosophie der sinnlichen Erkenntnis, Hans Rudolf Schweizer (Hrsg.), Schwabe, Basel, Stuttgart, 1973. 73 Vgl. Wolfgang Köhler, Ein altes Scheinproblem, Die Naturwissenschaften 1929, 17, S. 395-401. 74 Vgl. Wolfgang Metzger, Gestalt-Psychologie: ausgewählte Werke aus den Jahren 1950 bis 1982, Kramer, Frankfurt/M., 1999, S. 136.

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

unterscheidet den bezeichneten vom unbezeichneten Teil des Bildes.75 Das Bild ist demnach nicht apriorisch vorhanden. Erst der Beobachter setze die wahrgenommenen Phänomene der Außenwelt auf der Basis der Funktionsweise des Auges, das Bilder als Raster abtaste und es zu Ganzheiten forme, zusammen.76 Das Zentrale Nervensystem bestimmt nach den Erkenntnissen der Neurophysiologie und Wahrnehmungspsychologie Kontinuitäten im Wahrnehmungsprozess, gebunden an Konstanten der Größe, der Formen, der Farben und Helligkeiten. Die autopoietische Gehirnfunktion, die innerhalb dieser Theorie für die Fähigkeit der Unterscheidung und Bezeichnung der Außenwelt verantwortlich ist, beschreibt die genetisch angelegte Fähigkeit, Elemente von Phänomenen zu Ganzheiten nach Vorbildern zusammenzusetzen oder neu zu konstruieren. Die Naturwissenschaften und die Erkenntnistheorie untersuchen in diesem Zusammenhang die Selbstreferenzialität der Wahrnehmung der Umwelt mittels Vorselektion durch den Wahrnehmungsapparat. Sie relativiert die Vorstellung fremd gesteuerter Einflussnahme von außen auf den Betrachter. Da die Neurophysiologie und Gestaltpsychologie von angeborenen Mustern der Gestalterkennung ausgehen, interpretieren sie die Gestaltbildung als konstruktiven Prozess, der die Wirklichkeit nicht abbildet, sondern neu konstruiert.77 Doch die Voreingenommenheit des Betrachters mache es unmöglich, ein getreues Abbild der Wirklichkeit hervorzubringen. Im Kontext der Wahrnehmungstheorien bildeten Eames' Ausstellungsbeiträge das Rohmaterial einer von äußeren Bedingungen des Raums und inneren Dispositionen abhängigen Gebundenheit des Betrachters, die neue Bilder von der Welt konstruierte.

75 Vgl.

Hans Dieter Huber, Die Autopoiesis der Kunsterfahrung. Erste Ansätze zu einer konstruktivistischen Ästhetik, S.163, in: Bild - Bildwahrnehmung - Bildverarbeitung, Sachs-Hombach, Klaus, Rehkämper, Klaus (Hrsg.), Dt. Univ.-Verl., Wiesbanden, 1998. 76 „It has long been known that the eyes do not scan as an electron beam, for example, but jump about instead, fixing on various parts of the visual field. Since little or no perception occurs during these jumps, it is the number, duration and location of the eye fixations that determine visual input.“ Vgl. Monthly Letter, IBM Research, June 1967, Scientific Information Department, Yorktown, Ext. 1089, in: E, LOC, M D, Box 148, Folder 12, Pattern Recognition. 77 Vgl. Gerhard Schlosser, Wenn der Schein trügt. Wahr-Nehmung und Täuschung aus der Sicht der Hirnforschung, in: Illusion und Simulation. Begegnung mit der Realität, Igelhaut, Stefan/Rötzer, Florian/Schweger (Hrsg.), Ostfildern, 1995, S. 119-129.

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

2.4.2 Vorgefertigte und vorbildlose Bildwahrnehmungen Mittels Zerlegung des Raums in Leinwandformate, die sie als Projektionsflächen der Lichtbildsignale aus Formen und Größen, Farben und Helligkeiten in Simultanform an den Betrachter sendeten, tastete der Betrachter die Bildinformationen in Analogie zur Funktionsweise des Auges ab und setzte sie zu Formen zusammen.

Abb.40: Superbild der Simultanbildpräsentation im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrag 1962

Abb.41: Einzelbilddarstellungen der Simultanbildpräsentation im IBM-Pavillon in New York 1964/65

TYPOLOGIEN UND INSTRUMENTARIEN

Bildeten die Einzelbildinformationen so genannte „Superbilder“, so lieferten diese dem Betrachter vorgefertigte Bildzusammenhänge. Wurden dagegen viele Einzelbilder projiziert, die, wie in New York, zufallsgeneriert waren, so formte der Sehsinn des Betrachters die Bilder nach ihren messbaren Werten selbständig zu Einheiten. Damit bildeten die Eames relationale Wahrnehmungsgrößen auf den Raum ab, die vom Betrachter als äußere wie innere Reize gleichermaßen verarbeitet wurden. Denn die Lichtbildreize, die auf die Netzhaut treffen, werden per se, nach den Regeln autopoietischer Gehirnfunktionen, zu Bildern zusammengesetzt. Die Wahrnehmungsgrößen des Raums können vor dem Hintergrund der Informationstheorie als Kommunikationswerte qualifiziert werden. Danach stellte Eames' Ausstellungsarchitektur ein kalkulierbares Kommunikationsmedium dar.

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KYBERNETISCHE ASPEKTE

3. Kapitel Kybernetische Aspekte 3.1.0 Kybernetik oder Mensch-Maschine-Automation Wie bereits erwähnt sind in Eames' Ansatz des Architektureinsatzes wesentliche Erkenntnisse aus der Kybernetik ablesbar, die sich als Steuerungswissenschaft mit der Automation von Apparatetechnik und übergreifend auch natürlichen Systemen befasst. Die technologische Basis der Eames'schen Ausstellungskonzepte liegt in der Steuerungstechnik, die zu Beginn des 20. Jahrhunderts aufkommt und im Zweiten Weltkrieg in der Kybernetik kulminiert.

3.1.1 Geschichte der Steuerungstechnik Die Kybernetik war ursprünglich zur Treffsicherheit der feindlichen Flugabwehrkörper im Zweiten Weltkrieg entwickelt worden und avancierte nach 1945 zu einer universellen Informationswissenschaft. Technologisch hatte Konrad Zuse 1941 mit der Erfindung des automatischen Z3 Datenverarbeitungssystems den physikalischen Informationsbegriff auf der Basis der Gleichbehandlung physiologischer, psychischer und mechanischer Bewegungen hervorgebracht. Dieser Entwicklung vorausgegangen war Alan Turings Schrift On computable numbers, with an application to the Entscheidungsproblem von 1937, in der er den elektronischen Digitalrechner, die „Turing Maschine“ vorstellte.78 Schließlich prägte der Mathematiker Norbert Wiener 1946 den Begriff der „Kybernetik“ auf der ersten Macy Conference im Hotel Beekman in New York. Mit Bezug auf Norbert Wieners Schrift Kybernetik: Regelung und Nachrichtenübertragung im Lebewesen und in der Maschine war es nun möglich, die Methode der Kalkulierbarkeit auf der Basis digitaler Kodierungsformen auf die Ingenieurs- und Humanwissenschaften anzuwenden.79 Nach Wiener stellt die Kodierungsform durch eine Maschine Berechenbarkeit sicher. Wieners erkenntnistheoretische Errungenschaft lag in der Gleichsetzung natürlicher und künst78 Vgl. Paul Strathern, Turing & der Computer, Fischer-Taschenbuch-Verlag, 79 Vgl. Norbert Wiener, Cybernetics or Control and Communication in

Machine, a.a.O.

Frankfurt/M., 1998. the Animal and the

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KYBERNETISCHE SZENOGRAFIE

licher Informationssysteme mittels Binärkodierung. Die Grundvoraussetzungen für seine Annahmen lagen in der Berechenbarkeit durch die Thermodynamik. Sie wurden mit Hilfe der Informationstheorie in elektronischen Schaltkreisen identifiziert.

Abb.42: Norbert Wiener

Abb.43: Claude Shannon

Claude E. Shannon transformierte diese Annahmen 1948 in die Nachrichtentechnik.80 Damit schuf er die Bedingungen für die Messung und statistische Erfassung ästhetischer Informationen.81 Charles und Ray Eames visualisierten das Modell Shannons mehrfach anhand unterschiedlicher abstrakter und konkreter Verrechnungsgrößen. Der Nachrichtentransport arbeitet auf der Grundlage eines geschlossenen Kreislaufs mit Rückkopplungsfunktion, der Daten von einem Sender zu einem Empfänger transportiert. Aufbauend auf diesem Informationsbegriff bleibt der Nachrichtentransport nach diesem Modell vom Medium unberührt, immer gleich. Auf diese Weise ist Information nicht länger an Materie und Energie gebunden. Stattdessen erhält sie einen selbständigen Status, der ihren verlustfreien Transport sicherstellt.82 Neben der Nachrichtentechnik und der Rationalisierungsleistung durch Erleich80

Genau genommen entwickelte Shannon seine Theorie schon 1941. Sie wurde jedoch aus Gründen der Geheimhaltung erst 1948 veröffentlicht. Vgl. Rul Gunzenhäuser, Maß und Information als ästhetische Kategorien, Agis Verlag, BadenBaden, 1975. 82 Vgl. Claus Pias, Zeit der Kybernetik, in: Cybernetics - Kybernetik. The Macy-Conferences 19461953, diaphenes, Zürich, Berlin, 2004, S. 14. 81

KYBERNETISCHE ASPEKTE

terung und Beschleunigung von Arbeitsleistungen brachte die Kybernetik einen Paradigmenwechsel in der Raumbetrachtung hervor: so trat in der Nachmoderne neben die Raumqualitäten der Materie und Energie gleichberechtigt die Größe der Information.

Abb.44: Ein Mitarbeiter des EamesBüro zeichnet das Informationsmodell nach Shannon

Abb.45: Informationsmodell nach Shannon, Eames-Büro

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John von Neumann erfand, auf dieses Wissen aufbauend, 1944 den Computer. Und obwohl er die Einflussnahme des Maßstabs mathematischer Größen auf generelle physiologische und psychologische Prozesse anerkannte, stellte er die universelle Übertragung numerischer auf menschliche Größen in Frage und distanzierte sich daher von der Kybernetik.83

3.1.2 Eames' Ausstellungsarchitektur als Automat „The machine brings you information in much the same way as your mind gets it – in fragments and glimpses.“84

Die Simultanbildpräsentationen Eames'scher Ausstellungsarchitektur machten von Darstellungsformen Gebrauch, die vor dem Hintergrund psychophysikalischen Wissens als Raster von Farben, Formen und Größen auf den Sehsinn des Betrachters wirkten. Diese brachten die Eames, wie schon dargelegt, in einen Zusammenhang aus Raumtypologien, syntaktischen Bildverteilungen und medialen Präsentationsformen, die die Funktion der Aufmerksamkeitslenkung erfüllten. So wandten sie Qualitäten aus Materie, Energie und Information an, die sie in ein Gefüge aus mechanistischen und animistischen Prozessen setzten. Durch die räumlichen Verteilungen der Lichtbilder in der Kuppel in Moskau, im Panorama in Seattle und in der Halbkugel in New York wirkten diese als Reize verschiedener Qualitäten aus unterschiedlichen Einfallswinkeln auf spezifische Bereiche der Netzhaut. Die Steuerung der Bildwechsel bestimmte zudem die Dauer ihrer Einwirkung auf die Netzhaut. Der Rhythmus des Bildwechsels löste Kognitionsprozesse aus und animierte den Betrachter zu Assoziationen oder generierte auf der Basis der genetisch angelegten Wahrnehmungsmuster Konstruktionen von Bildern. Dabei sind die gegenständlichen von den ungegenständlichen Bildern zu unterscheiden. Die Bildgegenstände, die die Eames in allen Ausstellungsbeiträgen einsetzten, griffen durch indexikalische Verweisstrukturen auf das kulturelle Gedächtnis zu, das Assoziationen freisetzte. Die ungegenständlichen 83

John von Neumann, „The input which the brain for itself is for its own output, in one of its models of knowledge, cannot be written as a formal tape of instruction for any machine that we understand in principle. Until we find a concept of what a machine is which follows fundamentally different laws from any that we know now, the ‚self ’ contains a part that is certainly not a machine in any known sense.“ Ders., The Computer and the Brain, New Haven, 2000 [1958], S. 2. 84 Vgl. IBM Filmscript View from the people wall, E, LOC, M D, Box 5, , 1966, Unprocessed Accession, 22,862 Location: 0438N.

KYBERNETISCHE ASPEKTE

Bilder dagegen, von denen Charles und Ray Eames im IBM-Pavillon in New York Gebrauch machten, betonten mit Rückgriff auf die Informationstheorie insbesondere mechanistische Wahrnehmungsprozesse, die in erster Linie der Aufmerksamkeitsfokussierung dienten.

3.2.0 Informationstheorie „Information theory: The way in which symbols are organized provides the content. Man/ machine communication.“85

Wie schon angedeutet basieren die Erkenntnisse aus den Experimentalwissenschaften wie der Psychophysik auf der Anwendung der Kalkulation von Raumgrößen auf Darstellungsformen, die der Betrachter zu Bildern zusammensetzt. Einer der Hauptsätze einer physiologisch basierten Erkenntnis besagt, dass äußere Reize in Form elektrischer Felder auf das Gehirn einwirken, um anschließend als Bilder wahrgenommen zu werden. Demnach kann jede Nachricht systematisch so aufgearbeitet werden, dass sie gezielt gesendet werden kann. Vor diesem Hintergrund deckt die Informationstheorie die Parameter arithmetischer Größen wie Redundanzen, Entropien und Prägnanzen auf, die vom Rezipienten als Gestalten von Formen, Farben, Größen und Helligkeiten wahrgenommen werden.86 Mit Bezug auf die Kybernetik, die Mensch und Maschine in einem System gleichsetzt, ist es möglich, ihr Modell, das unterschiedliche Parameter der Informationstheorie in elektronischen Schaltkreisen identifiziert, auf die physiologischen Funktionsmechanismen des Menschen zu übertragen und anzuwenden. Die Eames visualisierten in Anlehnung an Shannons Modell einen Regelkreis am Beispiel von Alltagsverrichtungen. Darin verhandelten sie den Menschen und seine Tätigkeiten als verrechenbare Größen im Informationsprozess. Die Besonderheit liegt in der Steuerung der Alltagsverrichtungen im Regelkreis durch Regelgrößen. So bebilderten die Eames das morgendliche Aufstehen, verbunden mit der Regelung durch den Wecker, das Anziehen, das Frühstück, verbunden mit der Kon85 86

E, LOC, M D, Box 147, Folder 1, Outlines of Exhibition. Vgl. Abraham A. Moles, Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung, DuMont Verlag Schauberg, Köln, 1971, S. 15 ff.

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trolle des Gewichts, die Verabschiedung des erwerbstätigen Mannes von seiner Frau mit einem Kuss, direkt gekoppelt an die Frage der Dauer der bestehenden Ehe, die Autofahrt zur Arbeit und die Rückkehr nach Hause. Die Engführung von Informationen und menschlichem Informationsverarbeitungssystem, dem Gehirn, klassifizierte Abraham A, Moles mit Rückgriff auf die Kybernetik als neue Kommunikations- und Wahrnehmungssituation.87

Abb.46: Informationsmodell nach Shannon am Beispielvon Alltagshandlungen, Eames-Büro

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Abraham A. Moles, „a) eine „Kommunikationssituation, d.h. einen Kanal und eine Beobachtungsbasis für den Experimentator gegenüber Sender und Empfänger bestimmen: Problem für eine Situationspsychologie; b) die Beschaffenheit herausfinden und das der Situation entsprechende Repertoire feststellen: ein Problem der Verhaltenspsychologie; c) mit Hilfe der Statistik die Wahrscheinlichkeiten (Erwartungen) feststellen, mit denen die einzelnen Elemente des Repertoires auftreten; d) mittels experimenteller Modifikation der Nachricht ihre Redundanz berechnen und versuchen, diese als Ausdruck eines Zwanges anzusehen, der die Wahlfreiheit des Senders einengt; e) die verschiedenen Regeln zusammenstellen, die den Kode, den Inbegriff der dem Sender und dem Empfänger bekannten Anordnungsgesetze, ausmachen.“ Ders., Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung, a.a.O., S. 82.

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3.2.1 Statistische Zeichengrößen Die statistische Methode der Informationstheorie soll einen immer gleichen, medienunabhängigen Inhaltstransport gewährleisten.88 Ihre Protagonisten Claude Shannon und Warren Weaver maßen den Informationswert an den Größen der relativen Häufigkeit und Wahrscheinlichkeit.89 Danach steige mit dem gleichhäufigen Auftreten aller Zeichenklassen die maximale Information je Zeichen und damit die maximale Information der gesamten Nachricht. Eine relativ zu diesem Maximum berechnete Informationsdifferenz nannten sie Redundanz. Mit dem Begriff der Kodierung qualifizierten sie das Vorkommen zwischen den Zeichenelementen eines Systems zu dem eines anderen Systems. Bense beschrieb zwei Arten von Redundanz. Die erste, die das Zeichenrepertoire nicht wechselt, bezeichne „jenen Betrag, um den die maximale Information kleiner werden muss, damit sie wahrnehmbar bleibt; es ist eine Ballastfunktion, die zur Zeichenfunktion hinzukommt, damit der Informationsbetrag, der gestellt wird, tatsächlich ein Realisationsbetrag ist.“ Alles, was Reglement im ästhetischen Prozess sei, gehöre zur Ballastfunktion, zur Redundanz, und stelle die Wahrnehmbarkeit von Kunst sicher.90 Ein Beispiel für die Redundanz stellt Eames' Bildpräsentation in New York durch die Wiederholung gleicher Bildmotive, wie etwa der amerikanischen Flagge oder abstrakten Bildmotiven, dar. Die zweite Art der Zeichenredundanz funktioniert durch das Erkennen von Zeichenkombinationen als Gliederungen. Diese können mit Bezug auf die Untersuchungen John Lockes und George Millers arithmetisch bestimmt werden. In Anlehnung an Lockes Untersuchungen des 17. Jahrhunderts zur Wahrnehmungsgrenze der „Seven Phenomena“ veröffentlichte George Miller 1956 im Zusammenhang der Kognitionspsychologie seine Abhandlung zur „Zahl sieben plus minus zwei“, in der er Lockes Aussagen weiterführte: danach kann der Mensch sieben Phänomene pro Zeiteinheit gleichzeitig wahrnehmen. Überschreitet die Informationsmenge diese Zahl, könne dadurch Abhilfe geleistet werden, dass die Informationsmengen zu Gruppen oder Chunks zusammengeschlossen werden.91 88

Vgl. Herbert W. Franke, Kunst als Datenverarbeitung, S. 91, in: Algorithmus, Kunst, Semiotik, Hommage für Frieder Nake, Karl-Heinz Rödiger (Hrsg.), Synchron, Heidelberg, 2003. 89 Vgl. Claude Shannon, Warren Weaver, The mathematical theory of communication, University of Illinois Press, Urbana, 1963. 90 Vgl. Bense, Max, Aesthetica IV. Programmierunga des Schönen, Krefeld und Baden-Baden, 1960. 91 Vgl. George Miller, The Magical Number 7, Plus or Minus Two: Some Limits on Our Capacity for Processing Information, Psychological Review, 1956, Bd 63, Seite 81-97.

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Abb.47: Sieben Leinwände in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959 (Modell)

Abb.48: Sechs Leinwandfelder des US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

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Abb.49: Skizze der sieben Leinwandgruppen im IBM-Pavillon in New York 1964/65

Diese Zahl „sieben plus minus zwei“ findet sich in der Leinwandanzahl der Eames'schen Ausstellungsbeiträge wieder. In Moskau wählten sie sieben und in Seattle sechs Leinwände. In New York schlossen sie mithilfe von Gruppenbildungen die zweiundzwanzig Leinwände zu sieben Gruppen oder Chunks zusammen. Von dieser Zahl ausgehend liegt die Vermutung eines Programms statistischer Zeichenerfassungen nahe, die die Eames auf die Leinwandsyntax anwandten, und die das Gesamtbild der Bildinformationen entscheidend mitbestimmten. Während die Informationsästhetik das ästhetische Maß als Quotient aus der Komplexität der Information und dem Ordnungsmaß der Redundanz festlegt, gibt das Informationsmaß der Entropie über die statistische Verteilung des Quantenmaßes Auskunft. Shannon legte darüber den Überraschungswert eines Zeichens als Quotient des Informationswerts dieses Zeichens und der durchschnittlichen Information fest, und außerdem den Auffälligkeitswert als Produkt des Überraschungswerts mit der relativen Häufigkeit dieses Zeichens: damit ein bestimmtes Zeichen innerhalb eines Zeichenrepertoires ein maximales Auffälligkeitsmaß habe, müsse es eine relative Häufigkeit von 37% besitzen.92 In Moskau legten die Eames durch gleiche Leinwände und das gleich bleibende Maß der Bildwechsel von zwei Sekunden die maximale Entropie fest. Diese luden sie durch den Überraschungswert der beiden Filmstills auf. In Seattle wählten sie durch gleiche Leinwände wieder das größtmögliche Maß der Entropie, jedoch variierten sie hier die Bildpräsentation durch unterschiedliche Rhythmen und Einfach-, Zweifach-, Dreifach-, Vierfach-, Sechsfach- und Superbildprojektionen unter Anwendung von Stand- und Bewegungsbildern. 92 Vgl. Manfred Kiemle, Ästhetische Probleme der Architektur unter dem Aspekt der Informations-

ästhetik, Verlag Schnelle, Quickborn, 1967, S. 36.

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Sie erhöhten also die Komplexität der Informationen mittels Bildkadern und Montagetechniken. Den Überraschungswert erzielten sie hier durch die gezielte Projektion aus bewegten und unbewegten Bildern. So lenkte beispielsweise ein unbewegtes Bild neben drei bewegten die Aufmerksamkeit automatisch auf sich. In New York dagegen unterlag die Bildverteilung aufgrund des Computereinsatzes dem Zufall. Der Zufall garantierte hier höchste Komplexität, die sich in Bildprojektionsformen, -zahlen und -rhythmen veräußerte. Die mathematischen Qualitäten wie Redundanzen, und Entropien waren in New York das Produkt des „glücklichen Zufalls“.

3.3.2 Semantischer Aspekt der Bildwiederholung Der so genannte „glückliche Zufall“ folgte dem vom Inhalt von Nachrichten absehenden Hauptsatz der Informationstheorie. Demnach war die entropische Verteilung der US-amerikanischen Flagge ein Zufallsprodukt des Informationsprozesses. Doch ihre Wirkung verfehlte die Mehrfachprojektion der USamerikanischen Flagge dadurch nicht. Denn sie setzte auf die Identifikation der Betrachter mit den Bildmotiven und verwandelte das Symbol der Flagge zum Bild.

Abb.50: Simultanbildpräsentation der US-amerikanischen Flagge im IBM-Pavillon 1964/65

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Gleiches betrieb der US-amerikanische Maler Jasper Johns in den 1950er Jahren, indem er wiederholt das Motiv der amerikanischen Flagge in Malerei umsetzte. In der weiteren Entwicklung schloss Andy Warhol an das Thema der Wiederholung an und entwickelte Muster einer Bildsprache, um die Kunst in den Kontext von Werbung und Medienindustrie zu stellen. Seine Kunst wurde dadurch zum Sinnbild neuer Produktionsmöglichkeiten. Außerdem wies sie Ähnlichkeiten zur Informationsästhetik auf, insofern beide ein Produkt technischer Reproduzierbarkeit darstellten. Hier wird deutlich, dass die anfängliche Motivation der Demokratisierung von Kunst durch die Möglichkeit ihrer Unterordnung unter jeden Zweck in Frage gestellt werden muss.

3.2.3 Informationsästhetik „Eames's films hold up phenomenally well, because they are based on an aesthetic, not just on innovation.“93

Im Mittelpunkt der Informationsästhetik stehen Kommunikationsprozesse als Austausch von Repräsentationen zwischen materiellen Objekten bzw. immateriellen Zuständen. In diesem Zusammenhang legte Abraham A. Moles in den 1950er Jahren mit dem pragmatischen Ansatz einer Entwurfsmethode die Untersuchungsinhalte von Nachrichten in Form ihrer Materialität, ihrer Repertoires, ihrer Wahrscheinlichkeit und ihrer Gruppierung fest.94 Die Informationsästhetik, die vor dem Hintergrund der Zeichensprache mit mathematischen Mitteln arbeitet, kennzeichnet also die ästhetischen Zustände von künstlerischen Gegenständen und repräsentiert sie durch Zahlenwerte und Zeichenklassen. Somit basiert ihre Begriffsdefinition auf der ästhetischen Information, die relativ zu einer Quelle oder einem Repertoire von Elementen gebildet wird.95

93 Paul Schrader, Poetry of Ideas: The films of Charles Eames, S. 2., in: Schrader on Schrader and other writings, Faber and Faber, London, 1992. 94 Vgl. Abraham A. Moles, Kunst & Computer, Verlag DuMont Schauberg, Köln, 1973. 95 Vgl. Max Bense, Einführung in die informationstheoretische Ästhetik, Rowohlt, Reinbek, 1969, S. 7.

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3.2.4 Demokratisierung durch Informationsästhetik Der Versuch der Erforschung von Kommunikationsprozessen unter Heranziehung von Ästhetikgesetzen war mit dem Wunsch der Demokratisierung von Kunst und Design verbunden. Denn ihre Protagonisten Max Bense, Abraham A. Moles und Rul Gunzenhäuser entwickelten die Informationsästhetik vor dem Hintergrund einer politisch und ideologisch durch den Faschismus geprägten Gesellschaft. So stellten sich Architekten und Designer in den 1950er Jahren an der Hochschule für Gestaltung (HfG) in Ulm die Aufgabe, Ästhetik in den Stand einer Wissenschaft zu heben und allgemeingültige Regeln für die Optimierung von Schönheit aufzustellen. Denn die Methode der statistischen Berechenbarkeit von Ästhetik sollte ihre universale Gültigkeit garantieren. Die Pioniere des künstlerischen Einsatzes elektronischer und digitaler Techniken arbeiteten an der HfG Ulm, im Kölner Studio für elektronische Musik, an der Technischen Hochschule Stuttgart, an der auch Max Bense unterrichtete, und an Institutionen wie den Bell Laboratories und dem Massachusetts Institute of Technology.96 Die Simultanbildpräsentationen stellten Charles und Ray Eames in Analogie zu den Darstellungsformen der Informationsästhetik dar. Ganz im Sinne Norbert Wieners kybernetischem Hauptsatz von Berechenbarkeit als Ergebnis der Schreibbarkeit durch eine Maschine präsentierten die Eames ihre Bildprojektionen als Summe aus Einzelbildern nach den Gesetzen der Binärkodierung. Dazu definierten sie die drei Informationscodes: Sprache, Bilder und Zahlen bzw. Symbole.97 Diese brachten sie als syntaktische und semantische Bedeutungsformen in Binärkodierung als ein- und ausgeschaltete Lichtbildprojektionen auf die Leinwände. Das Wissen um Steuerungsvorgänge auf der Grundlage diskreter Daten bezogen Charles und Ray Eames aus der Informationstheorie. Sie formalisierten Daten in Leinwand- und Lichtbildformen als Figuren, Farben, Formen und Größen. Per Definition bezieht sich der kybernetische Informationsbegriff auf die Verrechenbarkeit von Bewegungseinheiten, die in Form diskreter und stufenloser Messdaten sichergestellt werden.98 Darauf Bezug nehmend präsentier96 Vgl. Frank Dietrich, Visual Intelligence: The first Decade of Computer Art (1965-1975), S. 159-169, in: Leonardo, Vol. 19, No 2, MIT Press, 1986. 97 Vgl. E, LOC, M D, Box 152, Folder 4, Invention & Innovation, Artwork + Plans. 98 Charles Eames, “Sucess if problem can be structured to have hierarchal rules -- ‘cognitive simulation’”. “Problems requiring ‘intelligence’ to solve are successful by ‘going from meaning to structure.’ Computer success is always ‘from structure to meaning.’“ In: E, LOC, M D, Box 149, Folder 1, Computer Concepts, 1955-69.

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ten die Eames nach den Formeln der Informationsästhetik ihre Bild- und Leinwandobjekte als Raster oder diskrete Zeichenfolgen.99 Diese kalkulierten sie als informationsästhetische Datenmengen. Aus der Sicht des Informationsempfängers bestimmte daher die Ästhetik oder Symbolik der Bildinformationen die menschliche Erfahrung als Ergebnis der Einwirkung äußerer Reize entscheidend mit.100

Abb.51: Beleuchtete Leinwandränder im IBM-Pavillon in New York 1964/65

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Vgl. Rul Gunzenhäuser, Maß und Information als ästhetische Kategorien: Einführung in die ästhetische Theorie G. D. Birkhoffs und die Informationsästhetik, Agis Verlag Baden Baden, 1975, S. 107. 100 Vgl. Claus Pias, Zeit der Kybernetik, a.a.O., S. 14.

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Das Ergebnis aus Binärkodierung und Mehrfachprojektion war die Bildung von Mosaiken. Mithilfe der Schnitt- und Montagetechniken zerlegten die Eames ihre Filme in diskrete Einheiten und kombinierten sie durch Simultanprojektionen neu. Diese konnten so der Kalkulation unterzogen werden. Denn die Digitalisierung, die sich im Gegensatz zu analogen und kontinuierlichen Elementen eines Gegenstandes durch diskrete und diskontinuierliche Einheiten auszeichnet, bildet die Basis der Verrechnung von Informationen. Innerhalb dieser Betrachtungsweise stellten die fragmentierten Präsentationsformen eine Datenmenge zur Verfügung, die von Seiten der Ausstellungsmacher als kalkulierbare und von Seiten der Ausstellungsbesucher als rezipierbare automatische oder bewusstseinsbildende Informationseinheiten auftraten.101 Die Projektion der Lichtbilder bzw. ihre Nichtprojektion nach den Regeln der Binärkodierung bildete die Leinwände als Felder im Raum ab. Sie dienten keinem Repräsentationszweck, sondern stellten mit Bezug auf das Taylorverfahren der Zerlegung und Neukombination durch bedeutungsfreie Selektion eine zeitlich gebundene Struktur dar. Danach repräsentierten die Lichtbildsignale nach ihrem Energiezustand der Projektion oder Nichtprojektion die Werte Eins oder Null. Die binäre Mustererkennung, bei denen die Elemente nur zwei Werte annehmen können, wird auch Entscheidungsfunktion genannt. Diese Entscheidungsfunktion bezog sich in den genannten Eames'schen Untersuchungsbeispielen außerdem auf die Differenz zwischen Bild und Lücke als binäre Zustandsbeschreibung.102 Die digitale Präsentationsform von Eames' Ausstellungsarchitektur stellte maßgeblich ein Ergebnis ihrer Gebundenheit an die Zeit dar. Die Schnitt- und 101

Charles Eames, “1. Pictograph/pictogramm 2. Phonetic symbols or systems phonetic alphabet of the Hebrews 3. other pictorial languages floral diagrams of botanists pictorial symbols for the structure of molecules 4. the first works of art- cave paintings 5. Comic strips abstract and non-objective art. 6. dance image or mimetic dance (Amer. Indians) gesture dance; India, Indonesia, Bali 7. Pantomime Charlie Chaplin Jean Louis Barrault.“ In : E, LOC, M D, Box 152, Folder 13, Invention + Innovation. 102 Vgl. E, LOC, M D, Box 152, Folder 13, Invention + Innovation.

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Montagetechniken gaben den Rhythmus oder die Taktung der Bildzusammenhänge vor. Gemäß Marshall McLuhans These vom Primat des Mediums über den Inhalt konnten die Eames so - zunächst ohne allzu große Rücksicht auf die Bildinhalte - die Projektionen als Ergebnis der Medientechnik präsentieren. Angefangen mit frühen Filmen, in denen sie ihre Ideen noch inhaltlich über Bewegungsbilder transportierten, weiteten die Eames ihre Konzepte der Kommunikation in ihren Ausstellungsbeiträgen 1959 bis 1964/65 auf den Raum aus. So setzten sie den architektonischen Raum, den Betrachter, Bewegungsabläufe und Bildsendungen als kalkulierbare Parameter miteinander in Beziehung. Damit besiegelten Charles und Ray Eames eine Wende im Bildgebrauch. Denn die fragmentarischen, zeitgebundenen Bildeinsätze bildeten nicht mehr nur Originale ab, sondern lieferten das Material für vorbildlose Welten, die erst in der Wahrnehmung zu neuen Einheiten und Bedeutungen zusammengesetzt wurden.103

3.2.5 Ästhetik zwischen Darstellung und Interpretation Aus dieser Betrachtung heraus stellte die Ästhetik nunmehr ein Produkt aus Produktionstechnik und Wahrnehmungsleistung dar. Dabei bildete sich die semantische Ebene der Bildzusammenhänge durch die betrachterabhängige Bildherstellung ab. Den pragmatischen Aspekt der Zeichenvermittlung übernahmen die Bildmotive, die mit Werbung und Propaganda einher gingen. Diese Funktion erfüllten in Moskau Bilder glücklicher US-Amerikaner und ihre industriellen Produkte, in Seattle Bilder von Wissenschaft und Wissenschaftlern und in New York variierende Bilder; darunter waren Bilder, die für das amerikanische Leben, und z.B. Bilder von Zahlen und Symbolen, die über die Binärkodierung stellvertretend für den Computer warben. Trotz der, dem Hauptsatz der Informationstheorie folgenden, Betonung auf der Form, die sie auf ihre Ausstellungsarchitektur anwandten, sahen die Eames noch nicht ganz von den linear sich vermittelnden Zeichenprozessen aus semantischen, syntaktischen und pragmati103 Charles Eames, “Without our inventions, man is limited to that which he can touch, reach, see, hear and smell directly in front of him. Inventions allow us to extend these senses over vast distances and to levels of size-miniature or grand, not imagined before the inventions came about communications, remote sensing, optics, imaging systems, giant engines, the space program, speed and time.“ In: E, LOC, M D, Box 152, Folder 9, Invention + Innovation.

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schen Zeichenbeziehungen ab.104 Durch die Unterordnung der Zeichenprozesse unter die Binärkodierung bildeten die neuen Ästhetiken mit informationstheoretischem Ursprung komplexe, verräumlichte Kommunikationsformen aus Darstellungsformen und -techniken mit unterschiedlichen Wirkungen. So konnte die Technologie der Präsentation hier als eigenständige Form auftreten, die nicht mehr hauptsächlich an semantische Bildinhalte gebunden war. Ganz im Gegenteil konstruierte die Form der Präsentation eigene, neue Bedeutungen, die nicht zuletzt auf die Möglichkeiten der Kinematografie zurückgriff.

Abb.52: Simultanbildpräsentation US-amerikanischer Landschaften und Produkte in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

104 Vgl.

Antè Mihai Nadin, Das Interessante als computationale Zielsetzung. Ein Ausflug im ästhetischen Raum, S. 106, in: Algorithmus, Kunst, Semiotik, Hommage für Frieder Nake, Rödiger (Hrsg.), Synchron, Heidelberg, 2003.

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Abb.53: Simultanbildpräsentation von Zahlen und Symbolen im IBMPavillon in New York 1964/65

Abb.54: Simultanbildpräsentation von Wissenschaftlern im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrag in Seattle 1962

3.2.6 Die Anfänge digitalen Bildgebrauchs Doch schon vor den Eames gingen Ausstellungsmacher Experimente mit Bildpräsentationsformen ein. So nahmen etwa die Deutsche Werkbund Ausstellung 1930 in Paris und die Weltausstellungen 1936 in Mailand, 1937 in Paris und 1939 in New York Entwicklungen neuer Bildpräsentationsformen vorweg. Sie legen Zeugnis über einen neuen Umgang mit Bildern ab, den die Kinematografie mitgeprägt hat. Künstler und Architekten lockerten zudem die auf Nationalausstellungen übliche Tradition der Präsenz nationaler Wirtschaftsinteressen auf.

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So muss der spanische Expopavillon 1937 mit Picassos Antikriegsbild Guernica im Licht einer kulturpolitischen Botschaft gegen den Faschismus gedeutet werden. Setzte Picasso zum Zweck der Multiperspektivität noch die Form des Tafelbildes und die Mittel des Kubismus ein, so wählten Charles und Ray Eames gut zwanzig Jahre später, unter anderen gesellschaftspolitischen Vorzeichen und mit anderen Absichten, die Darstellung von Simultaneität über die technische Form der Mehrfachprojektion.

3.2.7 Die Geschichte der Informationsästhetik Max Bense führte 1954 in Aesthetica I. Metaphysische Beobachtungen am Schönen Walter Benjamins Reproduktionsüberlegungen zur Kunst weiter. So entwickelte Bense eine technologische Auffassung des Begriffs der Darstellung, die aus der mathematischen Logik herrührte und die Bense auf elektronische Rechner anwandte.105 Bense leitete 1956 in Aesthetica II den Begriff der ästhetischen Information nicht mehr von der Logik der Sprache, sondern von der technologischen Informationstheorie Shannons und Weavers ab. Damit verband er die Vorstellung von Informationen als Zufallskombinationen auf der Grundlage der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Einer der Hauptsätze der Informationstheorie besagt, dass Informationen mit steigender Unordnung zunehmen. Shannon sah außerdem ganz vom Inhalt von Nachrichten ab. Er maß stattdessen das physische Signal des Nachrichtentransports als Ergebnis einer Zufallsauswahl aus einer Menge von möglichen Nachrichten. Indem sie die statistische Erfassung ästhetischer Informationen zu ihrer Hauptaufgabe erklärten, untersuchten die Informationsästhetiker nicht den Inhalt von Kommunikationen, sondern lediglich ihre Formen.106 So erklärten sie Ästhetik aus der Summe von Informationszeichen. Mit der Methode der statistischen Zeichenerfassung als Maß der Information konnten sie auf diese Weise maximale Information mit maximal wahrgenommener Information gleichsetzen.107 105 Vgl.

Max Bense, „Der Titel „Aesthetica“ fasst die wesentlichen Zentren der intellektuellen Reize zusammen. Es handelt sich dabei nicht um systematische Darlegungen, sondern um ein geordnetes Mosaik von Beobachtungen, Erfahrungen, Überlegungen und Folgerungen. Nicht zuletzt besteht das Ganze aus entworfenen und durchgeführten Experimenten mit neuen Erkenntnissen, Vermutungen, Ideen und Begriffen, die alle durch eine Terminologie verbunden sind, die ihrerseits wieder aus entsprechend vorgegebenen oder zubereiteten Theorien abgeleitet wurden.“ Ders., Aesthetica. Einführung in die neue Ästhetik, Agis-Verlag, Baden-Baden, S. 11. 106 Vgl. Rul Gunzenhäuser, Maß und Information als ästhetische Kategorien: Einführung in die ästhetische Theorie G. D. Birkhoffs und die Informationsästhetik, a.a.O. 107 Vgl. Kurd Alsleben, Ästhetische Redundanz, Schnelle Verlag, Quickborn, 1962.

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Im Hinblick auf Wahrnehmungen definierte Alexander Gottlieb Baumgarten „Ästhetik als Logik der Sinne“.108 Mihai Nadin erweitert die wahrnehmungsorientierte um die Idee der datenbasierten, technischen Ästhetik. Nadin definiert vor dem Hintergrund einer digitalen Bilderpraxis eine komplexe Matrix von Bildbedingungen, die den Informationsästhetikern der Nachkriegszeit aufgrund fehlender Technik noch unbekannt waren. Im Hinblick auf Eames' Ausstellungsarchitektur betrifft die Definition von Komplexität nicht nur die technikbestimmten, sondern ebenso ihre materiellen sowie immateriellen Bedingungen. Zu den empirischen, immateriellen Bedingungen jenseits der semiologischen Zeichenbeziehungen stellt der Rhythmus als Produkt der Kinotechnik ein wesentliches Merkmal der Wahrnehmungssituation Eames'scher Ausstellungsbeiträge dar. Der Rhythmus als Ergebnis der Schnitt- und Montagetechnik des Films bringt in den Diskurs der statistischen Zeichenerfassung von Ästhetikprozessen mit Bezug auf ihre Rezeption eine semantische Komponente ein.

3.3.0 Zeit als Verrechnungseinheit. Der Rhythmus Insbesondere in Eames' IBM-Pavillon in New York wurde die Gleichsetzung aller vom Inhalt unberührten Verrechnungsgrößen in der kybernetischen Mensch-Maschine-Automation durch die mittransportierte, immaterielle Größe des Rhythmus zur phänomenalen Bedingung. Denn gerade der schnelle Schnittwechsel der Bildvorführung im IBM-Pavillon versetzte den Betrachter durch die Reizüberflutung äußerer Impulse in spezifisch mentale Zustände. Innerhalb der Kognitionswissenschaften löst der Rhythmus entweder Bewusstseinsprozesse aus und setzt Assoziationen frei oder er beeinflusst direkt und automatisch den Betrachter.

3.3.1 Rhythmus als Zahl- und Symbolsystem Mit Bezug auf die kybernetische Idee eines inhaltsfreien Informationstransports drückte Warren McCullough neurophysiologische Prozesse als „Thinking takes switching time“ aus.109 Diese kennzeichnen die Wechselwirkung zwischen tech108 Antè Mihai Nadin, Das Interessante als computationale Zielsetzung. Ein Ausflug im ästhetischen Raum, a.a.O., S. 119. 109 Vgl. Warren McCullough, Walter Pitts, A logical calculus of the ideas immanent in nervous activity, Bulletin of Mathematical Biophysics, vol. 5, 1943, S. 115-133.

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nischen Impulsen und deren Rezeptionen.110 Der Rhythmus wird als Größe eines Signals im Informationstransport mittransportiert. Die Strukturierung der Zeit in diskrete Einheiten erlaube, sie als eine quantitativ messbare Reihe von Augenblicken anstelle eines kontinuierlichen Bewegungszusammenhangs zu sehen.111 Nach kybernetischen Formeln sind Signale insbesondere dann berechenbar, wenn sie vorher in Zahlen übertragen worden sind.112 Technisch besteht der Film aus der Zusammensetzung von 24 Bildern pro Sekunde, aus voneinander abgegrenzten Einzelbildern. Die Schnitt- und Montagetechnik arbeitet mit ihnen als diskrete Einheiten. Auf der phänomenologischen Ebene besteht der Rhythmus aufgrund seiner Unterbrechung innerhalb einer Zeiteinheit, bestehend aus unterschiedlichen Informationen oder Pausen bzw. Nichtinformationen, die in Eames' Ausstellungsarchitektur zum Phänomen werden.

3.3.2 Rhythmus als Sinnstruktur Durch die Kinotechnik werden demnach immaterielle Präsentationsformen mitgeliefert, die unter Heranziehung von Wahrnehmungstheorien Sinn- und Bedeutungsstrukturen an die Größe der Geschwindigkeit koppeln. Charles und Ray Eames machten durch die Methode des schnellen Schnitts von einer hohen Frequenz der projizierten Bilder pro Zeiteinheit Gebrauch, die Hans Hoff und Otto Pötzl schon 1910 als Instrumente der Wahrnehmungslenkung deklarierten.113 Mit diesen konnten die Eames nun mit Rückgriff auf die Computertechnologie und Kinematografie neue Zeitformen einer Bildsprache zur Wahrnehmungssteuerung entwickeln. Durch die Anwendung der Diskontinuität des Rhythmus, mit dem Charles und Ray Eames in Seattle und in New York experimentierten, ist eine nichtmaterielle Notationsform feststellbar, die im Zeichenprozess eine Bedeutungsfunktion einnimmt. Obwohl beide, die Taktung und der Rhythmus, sinnliche Erfahrungen zeitlicher Ereignisse implizieren, unterscheidet sich die Notation grundlegend vom Takt, da sie auf eine ökonomische Form der Darstellbarkeit zurückgreift. Emblematisch koppelten die Eames bewusst oder unbewusst die Varianz ihrer Leinwandformen in New York 110 Vgl. Peter Geimer, Ordnungen der Sichtbarkeit, Fotografie in Wissenschaft, Kunst und Technik,

Suhrkamp, Frankfurt/M., 2002, S. 7. Vgl. Alan M. Turing, The State of the Art, in: Intelligence Service. Schriften, Bernhard Dotzler, Friedrich Kittler (Hrsg.), Berlin, 1987, S. 192. 112 Vgl. Konrad Zuse, Rechnender Raum, Vieweg, Braunschweig, 1969. 113 Vgl. Hans Hoff, Otto Pötzl, Über eine Zeitrafferwirkung bei homonymer linksseitiger Hemianopsie, S. 599-641, in: Zeitschrift für die gesamte Neurologie und Psychiatrie, 1934. 111

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an die Notation des Rhythmus. In Moskau dagegen ging der Einsatz gleicher Leinwände mit einer gleich bleibenden Taktung einher. Der Rhythmus in Eames' Ausstellungsbeiträgen brachte neue, nicht zwingend an das natürliche Sehen gebundene Wahrnehmungsräume hervor, da sie den Betrachter mit ihm noch unbekannten Außenreizen konfrontierten. Nach Paul Virilio könnte man den Vorgang als eine Zerstörung des Wahrnehmungsraums zugunsten eines neuen „übernatürlichen“ Informationsraums bezeichnen, da er den Betrachter mit neuen Bedeutungsformen technikabhängiger Darstellungssysteme konfrontierte.114

3.3.3 Kreativität des Rhythmus Die Unterbrechung der Taktung von zwei Sekunden in der US-amerikanischen Nationalausstellung lenkte, ebenso wie die Gegenüberstellung stehender und bewegter Bilder im Weltausstellungsbeitrag in Seattle und der zufallsgenerierten Bildpräsentation in New York, die Aufmerksamkeit.115 So diente der Rhythmus der Schnitttechnik als maßgeblich semantische Größe im Informationstransport der Simultanbildpräsentation.116 Durch die Kopplung von zeitlicher Taktung bzw. Rhythmisierung an Sinn fungierte Zeit auf diese Weise als Instrument der Datenverarbeitung. Simone Mahrenholz erklärt den Rhythmus folgerichtig zu einem zeitlosen Gegenstand. Denn nach den Gestaltregeln werden lineare Gegenstände in bildliche umgewandelt. Damit löst sich die Zeitlichkeit von Bildfolgen in einer Bildgestalt auf. Mahrenholz macht den Grund des Rhythmus an der Wahrnehmungsökonomie fest, die die Lesbarkeit, die der Linearität zugrunde liegt, durch die Gestaltwahrnehmung ersetze. Die Digitalität, die durch die Lücke oder das Spatium definiert sei, werde durch die Wahrnehmung einer Gesamtgestalt zum analogen Gegenstand, der im Gegensatz zum digitalen ohne Lücke operiere. Fred Dretske nennt diesen Vorgang „Digital-analog114 Vgl. Paul Virilio, Ästhetik des Verschwindens, Merve-Verlag, Berlin, 1986, S. 67. 115 Charles Eames, “The still can get a kind of mood where you sort of capture the thing

and you immerse yourself in it. And even the forms have a different effect on you emotionally than a piece of motion picture where you're anticipating subtle changes within the picture. That doesn't mean to say that one is better than the other it's just a difference.“ In: Eames Celebration, E, LOC, M D, Box 146, Folder 3, Theme Film. 116 Vgl. Simone Mahrenholz, Rhythmus als Oszillation zwischen Inkommensurablem. Fragmente zu einer Theorie der Kreativität, S. 155-170, in: Geteilte Zeit. Zur Kritik des Rhythmus in den Künsten, Patrick Primavesi und Simone Mahrenholz (Hrsg.), Edition Argus Verlag, Schliengen, 2005.

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Konversion“.117 Er bezieht sich auf gestalttheoretische Annahmen, die davon ausgehen, dass fragmentarische Einzelinformationen in der Wahrnehmung zu Gestalten geformt werden. Legt man Julian Jaynes Annahmen zugrunde, so ist die Konstruktion des Rhythmus verantwortlich für die Umkehrung kognitiver Vorgänge. Damit vertritt Jaynes die Annahme, dass Gestaltprozesse auf nichtkalkulierbaren Automationsvorgängen beruhen. Jaynes beschreibt in Der Ursprung des Bewusstseins den Rhythmus als eine Technik des Betrachters, der rhythmusgeleitete Entscheidungen unbewusst treffe. Rhythmen sind demnach ästhetische Verfahren, die logische Kausalketten zugunsten möglicher Interpretationsstrukturen erweitern. Arthur Koestler setzt den Begriff der „Bisoziation“ für die Verknüpfung von Kreativität und dem Unbewussten.118

3.3.4 Die Aura der Technik So trat in Eames' Ausstellungsarchitektur die Technologie der Präsentation als eigenständige, vom Bildinhalt unabhängige Form auf. Die Autorenschaft ordnete sich in der Konsequenz unter die Technik unter. Hatte Walter Benjamin einen auratischen Verlust des Kunstwerks durch die technologischen Reproduktionsmöglichkeiten konstatiert, kann man mit Dieter Mersch Eames' zeitgebundene, rhythmische Simultanbildpräsentationen mit der Qualität einer zeitgebundenen Reauratisierung in Verbindung bringen.119 Denn hatte Benjamin die Aura eines Kunstwerks noch an das Original geknüpft, so bringt die Idee der Zeitstruktur reproduktiver Medien die Aura zurück. Diese hängt nun nicht mehr länger an der Idee des Originals, sondern stattdessen an ihrer zeitlich aktualisierten, betrachterabhängigen Wahrnehmungsqualität. Auf diese Weise verleiht der Rhythmus durch die Größe eines neuen Wahrnehmungsraums dem reproduktiven Werk eine neue auratische Bedeutung. 117

Fred Dretske, „Cognitive activity is the conceptual mobilization of incoming information, and this conceptual treatment is fundamentally a matter of ignoring differences (as irrelevant to an underlying sameness), of going from the general. It is, in short a matter of making the analog-digital transformation.“ S. 142, in: ders., Knowledge and the Flow of Information, Oxford, 1981. 118 Arthur Koestler, „The common pattern underlying scientific discovery and artistic inspiration is a temporary regression, culminating in the bisociative act, i.e., the bringing together of perviously seperate frames of perception or universe of discourse.“ In: ders., The three Domains of Creativity, S. 15, in: The Concept of Creativity in Science and Art, Dutton, Krausz (Hrsg.), Nijhoff, The Hague, 1981. 119 Vgl. Dieter Mersch, Ereignis und Reauratisierung, S. 1292-1299, in: Hubig, Poser (Hrsg.), Cognitio humana – Dynamik des Wissens und der Werte, Workshop-Akten des XVII. Deutschen Kongresses für Philosophie, Leipzig 1996, Bd. 2.

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3.3.5. Das Überwältigende der Kybernetik Ist bei Kant das Schöne und Erhabene kein phänomenaler, sondern ein an die Sinne gebundener Zustand, so wird das Überwältigende der Kybernetik in Eames' Ausstellungsarchitektur zur phänomenalen Voraussetzung der Wahrnehmung. Während Kant in seiner Kritik der Urteilskraft das Erhabene am Naturbegriff festmachte, um daran den Zustand der Überwältigung und Überlistung des Verstandes zu erklären, übernehmen in Eames' Ausstellungsarchitektur arithmetische Maße der Technik die Vereinnahmung des Subjekts. Die schnellen Schnittwechsel der Simultanbildpräsentationen in New York stürzten als äußere Reizüberflutung auf die Psyche ein.120 Damit wird der Zustand der Überwältigung nicht mehr aus der Innenperspektive der Betrachterpsyche, sondern stattdessen aus der Perspektive äußerer Reize hergeleitet.121 So verarbeiteten die Maschinenstrukturen des Medienzeitalters, indem sie Zeichenprozesse digital dekonstruierten, „leere Signifikanten“, die von der Wahrnehmung zu „erfüllte(n) Zeichen“ aufgeladen wurden.122 Die Einwirkung der technischen Möglichkeiten auf den mentalen Zustand des Betrachters ersetzte also damit die vormals auf inneren Beweggründen gestützten Annahmen der Betrachterpsyche. Ebenso wie der sichtbare Raum durch die Simultanbildpräsentationen in einzelne Informationseinheiten zerlegt wurde, konnten im Mensch-MaschineSystem die menschlichen Körperfunktionen, insbesondere aber den Sehsinn, als verrechenbare Größen einkalkuliert werden. Der Betrachter Eames'scher Ausstellungsarchitektur nahm seine Umgebung in diskreten Einheiten wahr, um diese als Signale an das Nervensystem weiterzuleiten, die dort zu Bildern weiterverarbeitet wurden. 120 Michael Brawne, „The interesting point about this method of film making is not only that it is relatively simple to produce and that rather more information can be conveyed than when there is movement on the screen, but that it corresponds surprisingly closely with the way in which the brain normally records the images it receives. I would assume that it also corresponds rather closely with the way Eames's own thought processes tend to work. I think it is symptomatic, for instance, that he is extremely interested in computers (joyously described in his IBM films), and that one of the essential characteristics of computers is their need to separate information into components before being able to assemble them into a large number of different wholes.“ Ders., The wit of technology, Architectural Design, Sept. 1966, S. 452. 121 Vgl. Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, II.; 2.; 3., Jens Timmermann (Hrsg.), Felix Meiner, Hamburg, 2003 [1781]. 122 Vgl. Jean Baudrillard, Kool Killer, S. 26, in: ders. Kool Killer oder Der Aufstand der Zeichen, Merve-Verlag, Berlin, 1978.

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Auf diese Weise fungierte jede Nervenzelle, ohne die Qualität der Reize voneinander zu unterscheiden, als potentielle Schaltstelle der Informationsweiterleitung in Analogie zur Funktionsweise des Computers.123 Da in Eames' Mensch-Maschine-System die fragmentarischen Leinwandund Bildinformationen als Mosaike die Funktionsweise des Auges mimetisch abbildeten, verliehen die Eames der Verrechenbarkeit durch Gleichsetzung der Funktion natürlicher Wahrnehmung und der Repräsentationsform des BildRaums Ausdruck.

3.3.6 Feeling and Form Eine wesentliche Charakteristik Eames'scher Ausstellungsarchitektur liegt im experimentellen Umgang mit den technischen Möglichkeiten der Kinematografie, die Charles und Ray Eames wahlweise an ausgewählte Bildinhalte koppelten. Somit bildeten die Maße von Taktung und Rhythmen, bestehend aus Verknüpfungen arithmetischer Maße mit Bildbedeutungen, wahrnehmungsbeeinflussende Symbolsysteme. Die Kopplung von Formen und ihren Auswirkungen auf die menschliche Wahrnehmung formulierte die Amerikanerin Susanne Langer 1953 nach ihrem Studium in Europa in ihrer Schrift Feeling and Form. Darin brachte sie den US-Amerikanern die philosophischen und psychologischen Ideen Bergsons, Nietzsches, Freuds und Cassirers nahe, die in den 1950er Jahren in der interdisziplinär angelegten Kognitionswissenschaft Eingang fanden.124 Sie hatten neben László Moholy-Nagy das Wissen um den neuen Umgang mit dem Filmmedium in die USA getragen. Mit Langer konnten die Emotionalisierungen der Besucher der Eames'schen Ausstellungsbeiträge nun als externalisierte symbolische Ausdrucksformen gelesen werden.125 Auf diese Weise verkehrten die Eames die klassische Ordnung von Zeit als feststehende Größe in ein Instrument der Produktion von Wahrnehmungsräumen. 123 John von Neumann, “Since most time scales are fixed by human reaction times, habits, and other

physiological and psychological processes, the effect of the increased speed of technological processes was to enlarge the size of units -- political, organizational, economic, and cultural -- affected by technological operations.“ Ders., Can We Survive Technology, The Fabulous Future, New York, Dutton, 1956, S. 34, in: E, LOC, M D, Box 152, Folder 13, Invention + Innovation. 124 Vgl. Susanne K. Langer, Feeling and Form: a theory of art developed from philosophy in a new ley, Scribner, New York, 1953 und 125 Martina Plümacher, Wahrnehmung, Repräsentation und Wissen, Parerga Verlag, Berlin, 2004, S. 477.

KYBERNETISCHE ASPEKTE

3.3.7 Zahl- und Symbolsystem Jacques Lacan und Ernst Cassirer hatten den Rhythmus in Beziehung zum System der Zahlen gesetzt. Von der These ausgehend, dass Raum- zwingend an Symbolerfahrung gebunden sei, führte Cassirer die geistige Erfassung der Welt auf die Existenz von Symbolsystemen zurück und unterschied die unbewusste Wahrnehmung von der kognitiven Bewusstwerdung.126 Da Cassirer zur Erklärung seiner Theorie mit dem abstrakten „Zahlsystem“ arbeitete, machte er keinen Unterschied zwischen einem Gegenstand und dessen Darstellung. Cassirer differenzierte stattdessen zwischen „Modalität“ und „Qualität“ und erfasste damit auch die Qualitäten zeitlicher Strukturen für das Bewusstsein. Mit seiner Definition eines Symbolsystems konnte er die Immaterialität des Rhythmus als symbolische Darstellungsgröße bezeichnen. Die Arithmetik überführte Cassirer so in die Funktion der Darstellung. In diesem Zusammenhang forderte er mit Bezug auf die Naturwissenschaften, den an der Metaphysik orientieren Substanzbegriff zugunsten des Funktionsbegriffs zu ersetzen. Denn nach Cassirer basierten die modernen Naturwissenschaften auf dem Relationsbegriff der Mathematik.127 Als Grundbedingung für die Vermittlung von Ideen fasste Cassirer daher unter den Begriff der Arithmetik die Idee der Darstellbarkeit von Informationen. Ähnlich hatte René Descartes schon im 17. Jahrhundert den Begriff der Repräsentation doppeldeutig als Aufführung und Vorstellung definiert. So nahm er an, dass Weltbilder oder -anschauungen sich ideell als Symbolsysteme mitteilen und für Bewusstseinsbildungen im Betrachter verantwortlich seien. Zahl und Maß wurden hier ideelle Bedeutungsträger. Edmund Husserl hatte durch den Zahlbegriff die Psychologie aus der Metaphysik befreit, um sie in eine Wissenschaft zu führen, die Mensch und Umwelt objektivierte. In diesem Kontext wird ebenfalls Jean-François Lytoard bedeutsam, der im Anschluss an Kants Erhabenheitsbegriff gegen den Schönheitsbegriff die Undarstellbarkeit zur adäquaten Form der Technowissenschaften erklärte.128 Ganz in diesem Sinne transportierten Charles und Ray Eames mit den immateriellen Rhythmen der Bildwechsel Zahlsysteme, die nicht nur statistisch erfasst 126 Martina Plümacher, Wahrnehmung, Repräsentation und Wissen, a.a.O., S. 376. 127 Vgl. Ernst Cassirer, Substanzbegriff und Funktionsbegriff, Kap. IV. Die naturwissenschaftliche

Begriffsbildung, S. 121-240, Birgit Recki (Hrsg.), Hamburg, 2000. 128 Vgl. Jean-Francois Lyotard mit anderen, Immaterialität und Postmoderne, Merve-Verlag, Berlin, 1985, S. 91 ff.

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werden können, sondern insbesondere die Weltanschauung der Steuerungstechnik allgemein symbolisierten.129 Auf die Maßbeschreibungen von Darstellungen hatten sich Ende des 19. Jahrhunderts die Gestaltpsychologen Wilhelm Wundt, Ernst Heinrich Weber und Gustav Theodor Fechner gestützt, während die Verhaltensforscher Iwan Petrovitsch Pawlow und John B. Watson sie für die statistische Erfassung menschlicher Handlungen brauchbar machten. Danach berief sich die experimentelle Psychologie auf genetische und auf äußere Einflüsse aus der Umwelt.130 In diesem Zusammenhang ist die Bedeutung von Rhythmen als äußere Reizeinwirkung an ihre Rezeption gebunden. Sie bindet, wie in Eames' Ausstellungsarchitektur, die Aufmerksamkeit des Betrachters und bricht mit der Logik von Bewusstseinsprozessen. Auf diese Weise können Rhythmen Bewusstseinsvorgänge implizieren, automatisch beeinflussen oder auch kreative Prozesse wie Assoziationen freisetzen. Diese Techniken eigneten sich zu Zeiten des Kalten Krieges im Ringen um die Vormachtstellung insbesondere für neue Lehrstrategien, an denen die US-Regierung in besonderer Weise interessiert war. Die assoziativen Prozesse, die die Methode der Gestaltwahrnehmung von Rhythmen auslöste, setzten anstelle einer linearen Vermittlung von Inhalten auf die aktive Einbindung des Rezipienten in den Lernprozess.

129 Vgl. Martina Plümacher, Wahrnehmung, Repräsentation und Wissen, a.a.O., S. 130 Abraham A. Moles, „1. Das Individuum ist ein offenes System; sein Verhalten

42 ff. wird bestimmt

durch die Gesamtheit a) einer Erbanlage, die die allg. Struktur seines Organismus ergibt; b) der Ereignisse seiner bes. Geschichte [...] c) seiner gegenwärtigen Umgebung [...] d) einer best. begrenzten Menge von Aleatorischem 2. alle Modalitäten des [...] Verhaltens können wie ein physikalisch-chemisches System beschrieben werden [...] (soweit o.g. Faktoren bekannt) 3. eigentliches Ziel der Experimentalpsychologie: das Individuum in einem statistischen Verhalten zu bestimmen 4. theoretische Psychologie, die den Menschen in das physikalisch-chemische Universum integriert.“ Ders., Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung, Verlag DuMont Schauberg, Köln, 1971, S. 15.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

4. Kapitel Aspekte der Bilderkennung und -Bedeutung 4.1.0 Kognitionswissenschaften „The design of the IBM pavilion aims to create an entire environment of learning, [...].“131

In Anlehnung an die Kognitionswissenschaft bilden Eames' Ausstellungsarchitekturen intelligente Lernumgebungen ab. Denn die Kognitionswissenschaft trifft Aussagen zum Verstehen der Verarbeitung von Wissen und berücksichtigt zur Klärung bildgebender Verfahren Wahrnehmungs-, Denk- und Lernweisen des Betrachters.

4.1.1 Geschichte der Lerntheorien Im 20. Jahrhundert entstehen die Lerntheorien des Behaviorismus, des Kognitivismus und des lernpsychologischen Konstruktivismus. Ihren Modellen liegen die Untersuchungen Gustav Theodor Fechners zur Psychophysik zugrunde. Hatte sich das 19. Jahrhundert noch durch einen naturwissenschaftlichen Materialismus ausgezeichnet, der Wahrnehmung, Bewusstsein und Emotionen aus den Naturwissenschaften erklärte, so setzt sich im 20. Jahrhundert die Hirnforschung im Interesse von Ökonomisierungsbestrebungen durch. Hier dient der Computer als Modell und Kontrollinstrument.132 Nach kybernetischen Lehrsätzen können die menschliche Psyche und die Physiologie als informationsverarbeitende Systeme in die Apparatetechnik übertragen werden. Der Behaviorismus, der Kognitivismus und die Künstliche Intelligenz dienen in diesem Kontext als Modelle zum Verständnis von Informationsverarbeitungen.

131 Evening Sunday, April 24 1963, in: E, LOC, M D, Box 232, Folder 3, Publicity, 1963. 132 Vgl. Heinz Buddemeier, Der Computer als Retter aus der Not?, S.226, in: Algorithmus,

Kunst, Semiotik, Hommage für Frieder Nake, Karl-Heinz Rödiger (Hrsg.), Synchron, Heidelberg, 2003.

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4.1.2 Behaviorismus Der Behaviorismus untersucht die Reaktionen des Menschen auf Reize. Da er sich als Wissenschaft vom Verhalten ausschließlich an der Sichtbarkeit von Lernprozessen orientiert und die Psychologie als Verhaltensdispositionen definiert, geriet er in den 1950er Jahren in die Kritik. Der Behaviorismus konzentriert sich auf die Wechselwirkungen zwischen Organismus und Umwelt. Er bedient sich des Modells des Reiz-Reaktions-Schemas, das auch als instrumentelle Konditionierung bezeichnet wird. Dabei geht es vom Gehirn als Black Box aus, in der physiologische Vorgänge nicht weiter untersucht werden.133 Der Eames'sche IBM-Pavillon in New York bildet das Modell des Behaviorismus mimetisch ab. Er versetzte den Ausstellungsbesucher in eine Black Box, in der die äußeren Reize der Lichtbild- und Toninformationen auf den Ausstellungsbesucher einwirkten, um gemäß des Reiz-Reaktions-Schema Emotionen im Betrachter auszulösen. Eames' Plan ging auf: in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau konnte man an den Tränen in den Augen einiger Zuschauer, die das Resultat der letzten Filmeinstellung vom VergissmeinnichtBlumenstrauß waren, als emotionale Reaktion auf die äußere Reizeinwirkung direkt ablesen.134

4.1.3 Kognitivismus Das auf die Messbarkeit von Verhaltensweisen reduzierte Modell des Behaviorismus erweiterte vor dem Hintergrund der Entwicklung der Kybernetik die Theorie des Kognitivismus, die Lernvorgänge als Informationsverarbeitungsprozesse betrachtet. Damit wendet sie sich von den an Äußerlichkeiten orientierten behavioristischen Lernmodellen ab und inneren Gehirntätigkeiten oder Informationsverarbeitungsvorgängen zu.135 Der Kognitivismus widmet sich also den zwischen Reiz und Reaktion liegenden Prozessen. Seine Inhalte beschäftigen sich mit Fragen der Aufnahme und Speicherung von Informationen und 133

Vgl. John B. Watson, Behaviorismus, Deutsche Verlags-Anstalt, Stuttgart, Berlin, Leipzig, 1930. 134 Ray Eames, “I think it went exactly as we hoped it would. They didn´t have time to think about it but they felt it. You could tell they were getting it because they were not reacting as written but purely emotionally.“ (ref. to Moscow), Eames Celebration, in: E, LOC, M D, Box 146, Folder 3, Theme Film. 135 Vgl. Peter Baumgartner, Sabine Payr, Lernen mit Software. Reihe Digitales Lernen; Österreichischer Studien Verlag, Innsbruck, 1994, S. 103.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

der Erinnerung von Wissen. Die Ursprünge des Kognitivismus gehen auf ein Symposium 1956 am Massachusetts Institute of Technology zurück. Dort stellten Allen Newell und Herbert Simon ihre „Logiktheorie-Maschine“ vor.136 Ihre Grundlage bildete die Anwendung der Informationstheorie auf die menschliche Psyche.137 Zur Veranschaulichung von Lernprozessen entwickelten die Kognitivisten das „Drei-Speicher-Modell“, das drei unterschiedliche Informationsspeicher voraussetzt. Diese bestehen aus dem Ultrakurzzeit-, dem Kurzzeit- und dem Langzeitgedächtnis.138 Im Kurzzeitgedächtnis finde demnach der eigentliche Lernprozess statt, da es die Informationen aufnehme, um sie von dort an das Langzeitgedächtnis weiterzuleiten. Da das Modell von der selbständigen Verarbeitung von Informationen ausgeht, schreibt es dem Betrachter eine aktive Rolle am Informationsprozess zu. Hier entdeckten die Informationsästhetiker der Nachkriegszeit ihren Handlungsspielraum. Um die Schnittstelle zwischen der Darstellung von Informationen und ihrem Erkennen von Seiten des Betrachters näher zu qualifizieren, setzten sich die Informationsästhetiker mit Fragen der Quantifizierung von Informationsspeicherung auseinander. Der Mathematiker und Physiker Rul Gunzenhäuser stellte für die Leistungsfähigkeit des Kurzspeichers fest, dass dieser nur einen relativ geringeren Teil der Gesamtinformation als „subjektives Zeitquant“ wahrnimmt.139 Danach behalte der Kurzspeicher die Information für eine „Gegenwartsdauer“ von zehn Sekunden, um sie zu vergessen oder im Fall ihrer Wiederholung zu speichern. Damit stelle die Kurzspeicherebene aus der Betrachtersicht die kritische Stufe dar, die den ästhetischen Reiz eines Objekts erfasse. Experimentalpsychologen erzielten ihre Ergebnisse auf der Grundlage der sichtbaren Informationsdarbietung, der so genannten Expositionszeit. Der Kurzspeicher fasst nach informationsästhetischen Aussagen maximal 32 Zeichen, die die so genannte „Enge des Bewusstseins“ beschreiben.140 Das maximale Fassungsvermögen des Kurzzeitgedächtnisses sei dabei bedeutend kleiner 136 Vgl. Howard Gardner, Dem Denken auf der Spur: der Weg der Kognitionswissenschaft, KlettCotta, Stuttgart, 1989. 137 Charles Eames, „The computer as a partner in building models, in turning data into information.“ In: E, LOC, M D, Box 218, Folder 19, Files. 138 Vgl. Frederic Vester, Denken, Lernen, Vergessen: was geht in unserem Kopf vor, wie lernt das Gehirn und wann läßt es uns im Stich? Deutscher Taschenbuch-Verlag, München, 1984. 139 Vgl. Rul Gunzenhäuser, Maß und Information als ästhetische Kategorien: Einführung in die ästhetische Theorie G. D. Birkhoffs und die Informationsästhetik, a.a.O., S. 107 ff. 140 Ebd.

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als das Langzeitgedächtnis.141 Helmar Frank legte Untersuchungen zu kybernetischen Konzepten der Lernvermittlung vor, die Erkenntnisse zur Leistungsfähigkeit lieferten. Er stellte fest, dass das Gedächtnis zur einen Hälfte syntaktische und zur anderen Hälfte semantische Informationen aufnimmt. Danach können auch Informationen gesendet werden, die nicht zwingend an Lernprozesse gebunden seien.142 Eames machten sich diese Kenntnisse zu eigen. Der schnelle Wechsel Eames'scher Simultanbildpräsentationen, der sich insbesondere im IBM-Pavillon abzeichnete, unterlief gezielt die Aufnahme der inhaltlichen Bildinformationen ins Langzeitgedächtnis.143 Hier sorgte die Geschwindigkeit der animierten, medial-technisch produzierten Bilder für einen Transport des Unterschwelligen.144 So etablierten Charles und Ray Eames durch die Konstruktion von Bild-Räumen neue Maßstäbe für die Kommunikation. Ihre Ausstellungsbeiträge bewiesen so Marshall McLuhans Thesen zur technikbestimmten Wahrnehmungsveränderung.145 Denn das Zeitmaß der technisch bewegten Bilder bestimmt die Taktung der Rezeption und gleichzeitig die Zeit der Betrachtung, Aufnahme und Verarbeitung derselben.146 Nicht nur die sichtbaren Ordnungsstrukturen, sondern die Bewegung selbst wurde so zum Sinnstifter.147 Ordnungen durch Klassenbildung von Informationen dienen also nach kognitionswissenschaftlichen Erkenntnissen der Ökonomisierung von Gedächtnisleistungen. Denn aus kognitionswissenschaftlicher Sicht kann das Kurzzeitgedächtnis aus den topografischen Simultaninformationen des Ultrakurzzeitge141 142 143

Ebd. Ebd. Charles Eames, “I don't really believe we overload, but if that is what it is, we try to use it in a way that heightens the reality of the subject, and where, if the viewer is reduced to only a sampling, that sampling will be true to the spirit of the subject. Maybe after seeing one or two the viewer learns to relax.“ In: The Films of Charles Eames, S. 14, in: Schrader on Schrader & other writings, Faber und Faber, London, 1992. 144 Paul Schrader, „By giving the viewer more information than he can assimilate, information-overload short-circuits and the normal conduits of inductive reasoning. The classic movie staple is in the chase, and Eames' films present a new kind of chase, a chase through a set of information in search of an idea.“ Ders., Poetry of Ideas: The Films of Charles Eames, Film Quaterly, Spring 1970, S. 7. 145 McLuhan, „Denn die „Botschaft“ jedes Mediums oder jeder Technik ist die Veränderung des Maßstabs, Tempos oder Schemas, die es der Situation des Menschen bringt.“ Ders., Die magischen Kanäle, a.a.O., S. 14. 146 Charles Eames, “A program to develop a flexible system of projection, sound, and control that is as direct as possible -> fewest possible delays and technical intermediaries. Should be able to try things quickly and change quickly as learning process.“ In: E, LOC, M D, Oversized 1, Series: Research and Production, Type of Project: Exhibits, Project: IBM Museum and Exhibition Center, Armonk, N.Y., Items: Conceptual Planning, Notes, General, 1966-69. 147 Vgl. Simone Mahrenholz, Rhythmus als Oszillation zwischen Inkommensurablem. Fragmente zu einer Theorie der Kreativität, a.a.O., S. 164.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

dächtnisses Informationen extrahieren und diese im Gedächtnis klassifizieren. Das Langzeitgedächtnis hingegen, an das die Informationen in Abhängigkeit ihrer Qualität weitergeleitet werden, arbeite auf der Grundlage einer zeitabhängigen, hierarchisch aufgebauten Organisation von Informationsspeicherungen.148 Zieht man zur Analyse der Untersuchungsbeispiele die o.g. Lerntheorien heran, so stellten die verräumlichten Gruppen der Leinwände im IBM-Pavillon in New York eine entscheidende Größe im Rezeptionsprozess dar. Denn die Weiterleitung einer Information vom Kurzzeit- zum Langzeitgedächtnis hängt nach neurophysiologischen Erkenntnissen entscheidend von der Komplexität der Information auf der pragmatischen, syntaktischen und semantischen Ebene ab. So reduzierten die Lichtbildgruppen in Eames' Ausstellungsbeiträgen die Komplexität der Lichtbildmengen und erhöhten die Aufnahme derselben. Zu den Ergebnissen des Kognitivismus-Kongresses 1956 zählten u.a. George Millers Untersuchungen einer spezifischen Aufnahmekapazität des Gedächtnisses von „sieben plus minus zwei“ Größen pro Zeiteinheit. Das arithmetische Maß von sieben bestimmte nicht zufällig in allen Ausstellungsbeiträgen die syntaktische Leinwandformation:149 wie bereits erwähnt wählten die Eames für die US-amerikanische Nationalausstellung sieben Leinwände, die sie in zwei Reihen, bestehend aus vier oberen und drei unteren anordneten, während die Bildpräsentation in Seattle mit zwei untereinander angeordneten Reihen aus jeweils drei Leinwänden die Wahrnehmungsgrenze von „sieben plus minus zwei“ einhielt. In New York dagegen, wo die Eames mit zweiundzwanzig Leinwänden operierten, schufen sie Abhilfe, indem sie die Leinwände syntaktisch zu sieben Gruppen verknüpften.

148 Vgl. Friedhart Klix, Über Grundstrukturen und Funktionsprinzipien kognitiver Prozesse, S. 74 f, in ders.: Psychologische Beiträge zur Analyse kognitiver Prozesse, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1976. 149 Charles Eames, “We discovered that if you had seven images and changed one of them, this put an enormously wasteful, noninformative burden on the brain, because with every change the eye had to check every image to see which one had changed. When you're busy checking, you don't absorb information. Franticness of cutting tends to degenerate the information quality. We have always been committed to information; it´s not a psychedelic scene in any way.“ In: Owen Gingerich, A Conversation with Charles Eames, a.a.O., S. 334.

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4.1.4 Lerntheorien Neben Bewusstseins- und Gedächtnisprozessen befasst sich die Kognitionstheorie mit dem Thema der so genannten „Problemlösung“. Zu ihren Methoden zählt der Aufbau von Wissensstrukturen. Auch Charles und Ray Eames präsentierten Wissensstrukturen. Dazu verräumlichten die Eames unter Einsatz arithmetischer Größen wie Redundanzen, Entropien und Prägnanzen ihre Bildpräsentationen.150 Diese boten sie als geordnete Formen in spezifischen Architekturen dar und konnten durch die Gleichsetzung von informationstheoretischen Bild-Räumen mit den psychischen Prozessen des Betrachters neue Seh- und Lernweisen kalkulieren.151 Die arithmetischen Größen wie Redundanzen, Entropien und Prägnanzen der Lichtbildpräsentationen bildeten die Voraussetzung der Kalkulierbarkeit der Bildinformationen.152 Das Thema „Problemlösung“ deuteten die Eames im Weltausstellungsbeitrag in Seattle bereits thematisch an, um es im IBM-Pavillon in New York zum zentralen Thema und Ausdrucksmittel zu erklären.153 Während die Eames das Thema „Problemlösung“ in Seattle noch über vertonte Bildabfolgen trans150 Vgl.

E, LOC, M D, Box 218, Folder 19, Files und E, LOC, M D, Oversized 1, Series: Research and Production, Type of Project: Exhibits, Project: IBM Museum and Exhibition Center, Armonk, N.Y., Items: Conceptual Planning, Notes, General, 1966-69. 151 Ralph Caplan, “To deal with information, we must abstract it and to explain abstraction Eames make maximum use of the multiple-screen's capacity for simultaneously relating various aspects of the same phenomenon.“ In: ders., Connections, S. 47, in: E, LOC, M D, Box 146, Folder 3, Theme Film. 152 Vgl. Abraham A. Moles, Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung, a.a.O., S. 15 ff. 153 Charles Eames, „To show that both simple and complex problems are solved in the same manner and to trace the steps in the problem-solving process. To convey the importance of abstract models in problem-solving and to demonstrate various types of models. To illustrate the computer's role in solving complex problems. To emphasize how simplification of a problem aids in defining its true nature.“ In: E, LOC, M D, Unprocessed Accession 22,862, Location: 0438N, Box 5, View form the people wall und „Narrator: The ability to make decisions is a proper function of problem solving. Computer problems, philosophical problems, homely ones, the stepps in solving each are essentially the same – some methods being but formal elaborations of others. But homely or complex, the specific answers that we get are not the only rewards or even the greatest, it is in preparing the problem for solution, in these necessary stepps of simplification, that we often gain the richest rewards. It is in this process that we are apt to get an insight into the true nature of the problem. Such insight is of great and lasting value – to us as individuals and to us as a society. Host: That, ladies and gentlemen, is what we wanted to show you. We solve our ordinary problems in much the same way as we solve our most complicated ones. The programming of computers to handle data and build revealing relationships is just a fine elaboration of the familiar methods we all know and use every day.“ E, LOC, Script of IBM Film View from the people wall, 1966, Unprocessed Accession, 22,862 Location: 0438N, Box 5.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

portierten, vermittelten sie es in New York als diagrammatische Form, d.h. als Wechselwirkung zwischen dem strukturell Tektonisch-Technischen und dem bildnerisch Ikonischen einerseits und der Betrachterposition und -disposition andererseits.154 Die Bildinhalte zum Thema „Problemlösung“ im Film Think entlehnten die Eames u.a. einer Verkaufsszene, der Planung eines Abendessens und der Durchführung eines Autorennens.

Abb.55: Projektionen zum Thema „Problemlösung“ im IBM-Pavillon in New York 1964/65 154 „The five steps in creating a model, from View form the people wall 1. stating the problem 2. collecting information 3. abstrakting the information 4. building the model 5. manipulating the model.“, E, LOC, M D, Box 211, Folder 12, Films, View from the people wall, 1969.

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Abb.56: Projektionen zum Thema „Problemlösung“ im IBM-Pavillon in New York 1964/65

Abb.57: Projektionen zum Thema „Problemlösung“ im IBM-Pavillon in New York 1964/65

4.1.5 Künstliche Intelligenz Der Forschungszweig der Künstlichen Intelligenz als Auslagerung der menschlichen Psyche knüpft an die Kognitivismus-Theorie an. Beide, der Kognitivismus wie die Künstliche Intelligenz, stellen Informationsverarbeitungssysteme dar. Die Künstliche Intelligenz führt sie weiter. Eine der Kernfragen Künstlicher Intelligenz fasst Klaus Rehkämper unter der Formel der Gleichsetzung der Aufgabe der Problemlösung mit ihrer Repräsentationsform zusammen. Diese Gleichung führt er auf so genannte „mentale Bilder“ zurück, die dadurch gekennzeichnet seien, dass sie bei der Aufgabe von Problemlösungen durch die „Methode der Orte“ erinnert werden.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

So können mentale Bilder als räumliche Informationen repräsentiert werden.155 Auf diese Weise fungieren im System Künstlicher Intelligenz Symbole als Repräsentanten intelligibler Prozesse.

4.1.6 IBM-Pavillon als kognitive Karte Der gesamte IBM-Pavillon inszeniert eine kognitive Karte. Die kognitive Karte beschreibt den Vorgang der Kartografierung der Wahrnehmung und des Wissens, d.h. die „Repräsentation räumlicher Informationen im Gedächtnis“.156

Abb.58: Bildpräsentationskonzepte für den IBMPavillon in New York 1964/65

Sie setzt damit die Idee einer hierarchischen Bildraumordnung außer Kraft. Im 18. Jahrhundert entwickelt, stellt die Darstellungsform des Diagramms die ursprüngliche kognitive Bildform dar, die in der Gedächtniskunst als Mnemotechnik bezeichnet wird.157 Diagramme seien „kognitive Bilder“, indem sie „abstrakte Zahlengrößen“ abbildeten.158 In mimetischer Beziehung zum Modell der kognitiven Karte zeichneten Eames' Simultanbildpräsentationen die Verräumli155 Vgl. Klaus Rehkämper, Mentale Bilder – Analoge Repräsentation, S. 47-67, in: Repräsentation und Verarbeitung räumlichen Wissens, Freska (Hrsg.), Springer, Berlin, 1990. 156 Vgl. Anton Hartl, Kognitive Karten und kognitives Kartieren, S. 34-46, in: Repräsentation und Verarbeitung räumlichen Wissens, Freska (Hrsg.), Springer, Berlin, 1990. 157 Vgl. Gottfried Boehm, Die Wiederkehr der Bilder, S. 42, in: ders., Was ist ein Bild?, Fink, München, 1994. 158 Ebd., „Aus Materie wird Sinn, weil die visuellen Wertigkeiten im Akt der Betrachtung aufeinander reagieren.“ S. 43.

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chung von Informationen im Gedächtnis nach. So konnten die verräumlichten Darstellungsformen vom Betrachter als Diagramme, bestehend aus den spezifisch arithmetischen Größen, erinnert werden.

Abb.59: Chales Eames präsentiert Vertretern von IBM das Konzept zu den Bildpräsentationsformen für den IBMPavillon in New York 1964/65

Auf der Grundlage eines steuerbaren Wahrnehmungsraums veränderten Charles und Ray Eames damit die zuvor von Descartes und Kant bestimmten Raumvorstellungen. Das neue Wissen eröffnete eine Engführung von Hirn- und Gedankentätigkeiten und realen Raumobjekten. Die systematische Aufarbeitung einer Nachricht wie auch die Reduktion der Komplexität äußerer Reize, die als

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elektrische Felder auf das Gehirn einwirken, um als Bilder wahrgenommen zu werden, erleichterte demnach den Lernvorgang entscheidend.

Abb.60: Horizontale Leinwandstruktur im IBM-Pavillon in New York 1964/65

Abb.61: Vertikale Leinwandstruktur im IBM-Pavillon in New York 1964/65

Der kontinuierliche Bildwechsel in Eames' Ausstellungsbeiträgen ermöglichte die horizontale und vertikale Neuverkettung der Leinwände untereinander, um anhand der zeitabhängigen Bildstruktur eine „Dominantenverschiebung“ von einem Zeit- zu einem architektonischen und mentalen Raumbild festzuma-

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chen.159 Damit steht die Gestalt der Informationsstrukturen in der Eames'schen Ausstellungsarchitektur für eine synergetische Geometrie. Sie stellte den uneingeschränkten Blick sicher und prägte einen universellen Raumbegriff. Die Auslagerung kognitiver Prozesse führte Oswald Wiener im Modell des „bioadapters“ ad absurdum. Der „bioadapter“ verkörperte Wieners Idee eines narzisstischen „Glücks-Anzugs“, der die menschlichen Sinnesfunktionen als Automatenfunktionen regelte.160 Diesen erklärte er zur weltverbessernden Maschine durch den Verzicht auf den Menschen selbst. So trieb er auf ironische Weise die problematische Konzeption Künstlicher Intelligenz auf die Spitze. So wie Wiener kybernetische mit literarischen Aspekten verband, verschalteten Charles und Ray Eames kybernetische mit räumlichen Überlegungen.

4.2 Gestaltpsychologie Im Anschluss an psycho-physiologische Untersuchungen im letzten Viertel des neunzehnten Jahrhunderts, wie sie beispielsweise Jonathan Crary beschreibt, entwickelte sich die Gestalttheorie, die die Bilderkennung klassifiziert.161 Dazu zählt die Unterscheidung des Wahrnehmungsfeldes in Figur und Grund, das Gesetz der Prägnanz, der Polygonformen, der Nähe und der Ähnlichkeit der Elemente in Bezug auf Form, Farbe und Größe und ebenso das Gesetz der Superzeichen. Die Hauptvertreter der Gestaltpsychologen der „Berliner Schule“ waren Max Wertheimer, Kurt Koffka, Wolfgang Köhler und Kurt Lewin. Ihre Ideen entwickelten sie nach ihrer Emigration aus dem Nazideutschland in den USA weiter. Während die Informationstheorie arithmetische Maße von Informationen festlegt, befasst sich die Gestaltpsychologie als Zweig der Gestalttheorie mit den Strukturen der figuralen Erkennung.162 Die Gestalttheorie kann daher für die Optimierung von Nachrichtensendungen und ihren Rezeptionen herangezogen werden. 159

Vgl. Yvonne Spielmann, Digitalisierung: Zeitbild und Raumbild, S.497-515, in: Der Film bei Deleuze, Oliver Fahle, Lorenz Engell (Hrsg.), Verlag der Bauhaus-Universität Weimar, 1997 und Charles Eames, “Every invention carries within it the history of all inventions, transferring memory into tools, transferring memory into pictures, transferring memory into habit.” In: E, LOC, M D, Box 152, Folder 12, Invention + Innovation. 160 Vgl. Oswald Wiener, Die Verbesserung von Mitteleuropa, Rowohlt, Reinbeck bei Hamburg, 1969, S. CXXXIV-CLIII. 161 Vgl. Jonathan Crary, Techniken des Betrachters. Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert, a.a.O., S. 87 und Wolfgang Metzger, Gestaltpsychologie. Ausgewählte Werke aus den Jahren 1950 bis 19882, Waldemar Kramer Verlag, Frankfurt/M., 1999. 162 Vgl. Herbert W. Franke, Kunst als Datenverarbeitung, a.a.O., S. 91.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

4.2.1 Handlungsmotivation oder Automatismus Ernst Cassirer rückte im Hinblick auf die Gestaltpsychologie die Wahrnehmung mit Bezug auf den Funktionsbegriff der Mathematik, der „typisiert, klassifiziert, strukturiert und in-Beziehung-setzt“, ins Interesse zeicheninterpretierender Motivationen.163 Die Gestalttheorie als übergeordnete Disziplin der Gestaltpsychologie mit dem Primat des Phänomenalen untersucht die Strukturgesetze von Gestalten in Beziehung zum Betrachter. Umgekehrt kann sie Ästhetikgesetze durch die Methode der Kopplung von Elementen in Analogie zu den Methoden der mathematischen Berechenbarkeit konstruieren. Unter Berücksichtigung psychophysikalischen Wissens kamen Gestaltpsychologen zu dem Ergebnis, dass Reizwirkungen temporärer Bilder dann peripher seien, wenn sie unbewusst stattfinden und wenn die Dauer ihres Gesehenwerdens unterhalb der Grenze von einer Zehntel Sekunde liege. Auf diese Weise führte die Qualität des gerade nicht mehr Wahrnehmbaren zum Begriff der gelockerten Reizbindung, die die Gestaltpsychologen für die automatische Bevorzugung einer Gestalt verantwortlich machten.164 Im Gegensatz dazu verzichtete das Köhler'sche Ordnungsprinzip auf die Unterscheidung zwischen so genannten „peripheren“ und „zentralen“ Wahrnehmungsprozessen und setzte so Wahrnehmungsprozesse ohne Unterscheidung zwischen bewusster und unbewusster Informationsaufnahme gleich.165 Köhler brachte den Gestaltpsychologen also die Freiheit, neue Ordnungsstrukturen für die losen Kopplungen ästhetischer Elemente mit unterschiedlichen Qualitäten zu suchen. Wolfgang Metzger machte 1968 zusätzlich wichtige Entdeckungen im Bereich der Gestaltwahrnehmung. Danach seien die menschlichen Sinne so ausgerichtet, dass sie die Umweltreize zu Einheiten formieren. So leite unser Wahrnehmungsapparat nicht Fragmente der Wirklichkeit ans Bewusstsein weiter, sondern stattdessen klare Körpergestalten mit klar definierter Abgrenzung. Diese Art der Wahrnehmung werde nicht bewusst vom Beobachter entschieden. Stattdessen bildeten sich im Bewusstsein die Ergebnisse neuronaler Gestaltvorgänge ab. Seien nun die in der Umwelt aufgenommen Reizstrukturen „gelockert“, komme also die im Auge abgebildete Figur nicht dem realen Objekt 163 Vgl. Martina Plümacher, Sinn der Bilder, S. 49-58, in: Bild - Bildwahrnehmung - Bildverarbeitung. Interdisziplinäre Beiträge zur Bildwissenschaft, Sachs-Hombach, Rehkämper (Hrsg.), Deutscher Universitäts-Verlag, Wiesbaden, 1998. 164 Vgl. Wolfgang Metzger, Gestalt-Psychologie: ausgewählte Werke aus den Jahren 1950 bis 1982, a.a.O., S. 150. 165 Ebd., S. 143.

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gleich, so werde der Prozess der Bevorzugung einer Gestalt ausgelöst. Als gelockerte Reizbindung bezeichnete Metzger Präsentationen kürzester Zeit. Dabei stützt sich die Gestaltpsychologie auf Gesetze, die sowohl statische als auch zeitlich gebundene, dynamische Gegenstände untersuchen. Der Gestaltpsychologe Hermann Levin Goldschmidt legte ein Forschungsergebnis zugrunde, mit dem er 1914 auf die Tendenz der Verbesserung einer Gestalt durch tachistoskopische Vorführungen nachweisen konnte.166 Für das daraus resultierende Ergebnis der irreduziblen Gestalt legten Gestaltpsychologen die kategorialen Merkmale des sich Absetzens von ihrer Umgebung, der Gliederung und der Geschlossenheit fest. Auch Charles und Ray Eames setzten gestaltpsychologische Strategien ein. Denn die Methode des schnellen Schnitts optimierte durch den tachistoskopischen Aspekt die Gestaltwahrnehmung. Auf diese Weise brachten die Eames nach dem Gesetz der „losen Kopplung“ die projizierten Lichtbilder in neue Zusammenhänge, die der Betrachter ganz automatisch aufnahm, um sie direkt wieder zu vergessen oder gegebenenfalls weiterzuverarbeiten.

4.2.2 Angeborene Muster. Die „gute Gestalt“ Wie die Neurophysiologie geht die Gestaltpsychologie von angeborenen Mustern der Gestalterkennung aus.167 Nach den Formeln der Gestalttheorie beruft sich die Gestaltpsychologie dabei auf die Repräsentation von Zeichen.168 Die Gestaltpsychologen interpretieren die Gestaltbildung als konstruktiven Prozess, nach dem die Wirklichkeit nicht allein passiv abgebildet, sondern vielmehr aktiv neu konstruiert werde.169 Mit dem Ziel der so genannten „guten Gestalt“ legte Max Wertheimer Regeln für die Einheit von Gegenständen und Melodien,

166

Vgl. Ronald H. Goldschmidt, Beobachtungen über exemplarische subjektive optische Phänomene, Zeitschrift für Psychologie 76, 1916, S. 289-436. 167 Vgl. Kurt Alsleben, Ästhetische Redundanz, Schnelle Verlag, Quickborn bei Hamburg, 1962, S. 39. 168 Vgl. Frieder Nake, Informatik als Gestaltwissenschaft. Eine Herausforderung an das Design, S. 158, in: Algorithmus, Kunst, Semiotik, Hommage für Frieder Nake, Karl-Heinz Rödiger (Hrsg.), Synchron, Heidelberg, 2003. 169 Vgl. Gerhard Schlosser, Wenn der Schein trügt. Wahr-Nehmung und Täuschung aus der Sicht der Hirnforschung, S. 119-129, in: Illusion und Simulation. Begegnung mit der Realität, Igelhaut, Rötzer, Schweger (Hrsg.), Ostfildern, 1995.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

Wolfgang Metzger für die Einheit des Zeitmaßes und Albert Michotte für das Erlebnis ursprünglicher Zusammenhänge fest.170

4.2.3 Merkmale der „guten Gestalt“ Zu den Merkmalen einer so genannten „guten Gestalt“ gehören per Definition Ordnungsstrukturen wie die Regelmäßigkeit, Symmetrie, Geschlossenheit, Einfachheit und die Unterscheidung zwischen senkrechten und waagerechten Gliederungen.171 Daneben definierte Metzger das Prägnanzgesetz. Dabei ging er von einer idealisierten Wahrnehmung von Gegenständen aus. Danach werden Objekte in der Wahrnehmung vereinfacht zu idealen, prägnanten Geometrien geformt. Diese werden als Gestalten von schon im Vorfeld wahrgenommenen Figuren ans Gehirn weitergeleitet. Das Prägnanzgesetz legt damit das Wahrnehmen von Gesamtgestalten fest.172 Außerdem bezeichnet es die Tendenz zur Ausfüllung von Lücken. Edwin Rausch bezeichnete in diesem Kontext den ästhetischen Wert der Prägnanz deshalb als das „Komplexe“ und das „Ausdrucksgeladene“.173 George D. Birkhoff ergänzte das Gesetz der Prägnanz durch das Gesetz der Polygonformen.174 Nach Birkhoff erreicht ein Phänomen dann sein optimales oder größtes ästhetisches Maß, wenn es höchste Ordnung und kleinste Komplexität aufweist. Max Wertheimer fasste im Gesetz der Nähe visuell Partiellobjekte zu Gruppen zusammen, und zwar nach der Längsrichtung der Abstände zwischen den Teilen. Außerdem schloss er im Gesetz der Nähe visuell diejenigen Dinge zusam170 Vgl. Max Wertheimer, Untersuchungen zur Lehre von der Gestalt I., Psychologische Forschung 1, 1922, S. 47-58. ders., Untersuchungen zur Lehre von der Gestalt II., Psychologische Forschung 4, 1923, S. 301-350, Wolfgang Metzger, Beobachtungen über phänomenale Identität, Psychologische Forschung 19, 1934, S. 1-60 und Albert Michotte, La perception de la causalité, Louvain, Paris, Fondation universitaire de Belgique, 1946. 171 Vgl. Wolfgang Metzger, Gesetze des Sehens, Waldemar Kramer, Frankfurt/M., 1975. 172 Vgl. Abraham A. Moles, Zeichen und Superzeichen als Elemente der Wahrnehmung, in: Kunst und Kybernetik. Ein Bericht über drei Kunsterziehertagungen Recklinghausen 1965, 1966, 1967, Ronge (Hrsg.), Verlag DuMont Schauberg, Köln, 1968, S. 212. 173 Vgl. Edwin Rausch, Das Eigenschaftsproblem in der Gestalttheorie der Wahrnehmung, S. 866953, in: Wahrnehmung und Bewusstsein, Wolfgang Metzger (Hrsg.), Verlag für Psychologie, Göttingen, 1966. 174 Vgl. Rul Gunzenhäuser, Das ästhetische Maß Birkhoffs in informationsästhetischer Sicht, S. 193 ff., in: Kunst und Kybernetik, Ronge (Hrsg.), Verlag DuMont Schauberg, Köln, 1968.

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men, die näher beieinander liegen. Im Geschlossenheitsgesetz dagegen schlossen die Gestaltpsychologen die Teilelemente, die eine Fläche begrenzen, zusammen. Zudem definierten sie das Gesetz der Geschlossenheit durch Symmetrie. Zusammen stellten diese Regeln Möglichkeitsstrukturen der Sehfeldgliederung auf, die spezifische Gestalten in der Wahrnehmung hervorbringen. Mit dem Gesetz der Ähnlichkeit vereinten sie dagegen alle gleichen Formen, also alle Rechtecke, Kreise und Dreiecke. Im Figur-Grund-Gesetz qualifizierten sie eine wahrgenommene Einheit als Figur, die sich vom Hintergrund absetzt. Im Gegensatz zum unbegrenzten Hintergrund tritt hier eine klar begrenzte oder geschlossene Figur in den Vordergrund, während der Grund zurücktritt. Daneben definierten die Gestaltpsychologen „Superzeichen“ durch Klassenbildung. Mit Bezug auf die Nachrichtentheorie verringern diese den Informationswert, erleichtern aber gleichzeitig die Rezeption der Informationen. Auf diese Weise dienen sie der Ökonomisierung der Wahrnehmungsleistung. Dabei unterscheiden die Gestaltpsychologen zwischen erlernten und unbekannten Informationen. Sie vertreten die Meinung, dass erlernte im Gegensatz zu unbekannten Superzeichen die subjektiven Informationen während des Lernvorgangs mindern.

4.2.4 Gestaltqualitäten Abraham A. Moles stellte die Superzeichen in den Dienst subjektiver Motivation. Er forderte, den Informationsgehalt eines zeitlichen oder gegenständlichen ästhetischen Objekts nicht von der Zuflusskapazität des menschlichen Kurzspeichers von 16 Bit pro Sekunde abweichen zu lassen, um das Subjekt nicht zu überfordern oder zu langweilen.175 Abhängig auf welcher hierarchischen Stufe sich der Betrachter einem ästhetischen Objekt gegenüber finde, weise dieses einen verschiedenen Informationsgehalt auf. Gehe man zu einer höheren Stufe über, verringere sich proportional der Informationswert. Durch Zusammenfassung von Einzelelementen zu Klassenbildungen von Superzeichen lässt sich also der Informationsgehalt mathematisch verringern.

175

Vgl. Abraham A. Moles, Information und Redundanz, S. 14 ff., in: Kunst und Kybernetik, Ronge (Hrsg.), Köln, 1968.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

Übersteigt demnach der Informationsgehalt einen festgelegten Wert, der die Kapazität des menschlichen Kurzspeichers überschreitet, wird das Objekt unüberschaubar. Charles und Ray Eames machten in ihren Ausstellungsbeiträgen von den Ökonomiegesetzen der Gestaltpsychologie Gebrauch. Die Lücke zwischen den Leinwänden bildete die Voraussetzung der zeitlichen Figurenbildungen. Die geometrischen Leinwände formten so genannte „Signalmarken“, die die Inhalte oder „Items“ in signifikanten Formen präsentierten. Diese nahm der Betrachter als diskontinuierliche Reize nach den Auswahlkriterien von Geometrien in der Wahrnehmung kontinuierlich auf.176 Diese Wechselwirkung zwischen technischer Darstellungsform und form- und farbbestimmten Bildverteilungen dominierten die Wahrnehmungsprozesse des Betrachters. Die Leinwandformen Eames'scher Simultanbildprojektionen stellten nach informationstheoretischer Definition Invarianten der Klasse äquivalenter Zeichenträger dar.177 Innerhalb dieser Zeichenträger bauten Charles und Ray Eames Hierarchien auf, so dass eine spezifische Gestalt zum Strukturelement einer übergeordneten Gestalt werden konnte. Die Tendenz der verbesserten Lesbarkeit der Gestalt wurde durch den kinematografischen Medieneinsatz gemäß des Gesetzes der Verbesserung einer Gestalt durch zeitgebundene Präsentationsformen nach Goldschmidt noch verstärkt.

176 Vgl. Friedhart Klix, Über Grundstrukturen und Funktionsprinzipien kognitiver Prozesse, S. 62 f, in: Psychologische Beiträge zur Analyse kognitiver Prozesse, ders. (Hrsg.), VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin 1976. 177 Vgl. Helmar Frank, Kybernetische Analysen subjektiver Sachverhalte, Schnelle Verlag, Quickborn bei Hamburg, 1964, S. 15 ff.

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4.2.5 Die Gestalten Eames'scher Simultanbildprojektionen Eames' Ausstellungsarchitektur ist also in erster Linie durch das Gesetz der Verbesserung einer Gestalt durch den tachistoskopischen Aspekt der Kinotechnik gekennzeichnet. In der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau lassen sich außerdem das Gesetz der Ähnlichkeit und das Figur-Grund-Gesetz nachweisen. Die gleichen Leinwandformen setzten sich in Abhängigkeit der Bildmotivwahl vom Hintergrund der geodätischen Kuppel ab oder verschmolzen alternativ mit ihm.

Abb.62: FigurGrundGesetz in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

Die Taktung des Bildwechsels von zwei Sekunden zu einem jeweils übergeordneten Thema liess durch den Zusammenschluss der Bildinhalte das Gesetz der Ähnlichkeit zu. Erst durch die Aufgabe der gleichmäßigen Taktung zugunsten voneinander verschieden rhythmischer Projektionen in Seattle konnten Charles und Ray Eames die Leinwände während der Projektion visuell zu verschiedenen Gruppen zusammenschließen.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

Abb.63: Einzelbilddarstellungen, projiziert auf gleiche Leinwände, im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrag in Seattle 1962

Abb.64: Superbilddarstellung im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962

In Seattle wandten sie, wie schon in Moskau, das Gesetz der Ähnlichkeit der Leinwände an. Ihre Bildprojektionen wechselten inhaltlich zwischen Einzelbilddarstellungen und Superzeichen ab. Auf der mikroskopischen Einzelbildebene erlaubte die Technik der Kameraeinstellung der Schärfentiefe, Bildinhalte auf der Einzelleinwand als Figur und Grund zu inszenieren. So ermöglichte die Apparatetechnik des Filmmediums in doppelter Hinsicht, sowohl auf der mikro- als auch auf makroskopischen Bildebene, die Gestaltbildung. Durch die Entscheidung für unterschiedlich geformte Leinwände in ihrem Weltausstellungsbeitrag in New York konnten die Eames hingegen die Komplexität durch Anwendung einer größeren Varianz der Gestaltgesetze erhöhen.

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Abb.65: Anordnung der Leinwände nach dem Gesetz der Nähe, der Ähnlichkeit, der Geschlossenheit und dem Polygongesetz im IBM-Pavillon 1964/65

Die Grundformen der Leinwände als Kreise, Rechtecke und Dreiecke folgten dem Polygongesetz. Durch das Gesetz der Nähe, das die näher beieinander liegenden Leinwände zu Figuren zusammenschließt, konnten diese von den Besuchern als wechselnde Gruppen auf Zeit gelesen werden. Hier verschmolz die Leinwandstruktur in der Black Box in unregelmäßigen Abständen mit dem Hintergrund des Umraums. Je nachdem welche Gesamtgestalt die Bildgruppen aufwiesen, setzten sie sich als Figur vom Hintergrund ab oder umgekehrt, so dass der Hintergrund, das heißt der Raum, in den Vordergrund trat. Diese einzelnen Lichtreize wurden demnach in der Wahrnehmung hierarchisch zu Einheiten oder Figuren zusammengefasst, bzw. formten sie zusammen mit dem Hintergrund eine Gesamtgestalt. Die Grenze bildete nun nicht mehr der Rahmen der materialen Leinwand, sondern das in der Wahrnehmung nicht zu unterscheidende Gesamtfeld aus Leinwand- und Raumsystem.

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

Abb.66: Figur-Grund-Gesetz und Gesetz der Ähnlichkeit im IBM-Pavillon 1964/65

Abb.67: Figur-Grund-Gesetz im IBM-Pavillon 1964/65

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Abb.68: Gesetz der Ähnlichkeit, der Nähe und Polygongesetz im IBM-Pavillon 1964/65

Abb.69: Figur-Grund-Gesetz und Superzeichen im IBM-Pavillon 1964/65

ASPEKTE DER BILDERKENNUNG

4.2.6 Ereignisraum Neben der Ökonomisierung von Wahrnehmungsleistungen durch Gestaltgesetzte brachte die Form der Fragmentierung das Ergebnis der Aufhebung von Differenzen fester Raumgrößen in der Wahrnehmung hervor. Insbesondere anhand der Inszenierung des Instrukteurs als Körper und als Bild machten Charles und Ray Eames den zeitlich gebundenen Aspekt der Raumwahrnehmung deutlich. Damit erweiterten sie das Figur-Grund Gesetz um die grundsätzliche Frage nach der Grenze zwischen Bild und architektonischem Raum, die die Vormachtstellung der Materie im Sinne von Roland Barthes Realitätseffekt aufhob.178 Der Rollenwechsel des Instrukteurs unterstrich die zeit- und die damit verbundene ereignisabhängige Interpretation von Raumgrößen. Hier traten Bühnen- und Bildsituation miteinander in Konkurrenz. Die doppelte Lesbarkeit verwischte eindeutige Zeichenzuweisungen von Signifikat und Signifikant. Sie wurden zu austauschbaren Elementen einer am Ereignis orientieren Raumorganisation. So stand der befrackte Mann für diese Austauschbarkeit verschiedener Elemente als Hauptsatz der Automatentheorie. Dieser ermöglichte auf der Basis der Unterschiedslosigkeit der Wahrnehmung und unter Heranziehung von Humanwissenschaften und der Kinematografie die Gleichbehandlung von materialem realem und eingebildetem Raum. Denn die Wahrnehmungsgesetze, auf die sie sich beziehen, setzen die Trennung zwischen Bildsystem und tektonischem Raum außer Kraft. Die Konsequenz war die Unterordnung der Materie unter die Psyche. Auf diese Weise rückte neben der Materialisierung von Informationszustand und -inhalt die kognitive Dimension des Betrachters in den Fokus Eames'scher Ausstellungsräume.

4.2.7 Kulturtechnik des Digitalen Diese frühen Eames'schen Informationspraktiken trugen in Anlehnung an Bernhard Siegert zu einer Kulturtechnik des Digitalen bei, die sich im heutigen Umgang mit dem Computer als Produktions- und Rezeptionsmittel niederschlägt.179 So wie Siegert auf der Grundlage der Chiffre oder des Codes eine 178 Vgl. Roland Barthes, L'effet de réel, S. 484,, in: Oeuvres complètes, Marty (Hrsg.), Bd. II, Paris 1994. 179 Vgl. Bernhard Siegert, Passage des Digitalen. Zeichenpraktiken der neuzeitlichen Wissenschaften 1500-1900, Brinkmann & Bose, Berlin, 2003.

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Verschiebung von Zeichen und ihren Bedeutungen feststellt, schufen die Eames auf der Basis der Natur- und Geisteswissenschaften durch den Gebrauch digitaler Zeichen eine neue Kulturtechnik der Verräumlichung von Kommunikationsformen. Dazu setzten sie die Kinematografie ein, die ihnen unter den Aspekten der Gestalttheorie zusätzlich einen ökonomischen Umgang mit Informationen versprach. Der ökonomische Aspekt der Kinotechnik war auch Gegenstand von Marshall McLuhans Medientheorie.180

180 Marshall McLuhan, „Der Film brachte uns, durch bloße Beschleunigung der Mechanik, von der

Welt der Folge und Verbindung zur Welt der schöpferischen Gestalt und Struktur. Die Botschaft des Mediums ist der Übergang von der linearen Verbindung zur Gestalt.“ Ders., Die magischen Kanäle, a.a.O., S. 18 und ders., „Von anderen Medien aus, wie der Buchdruck, betrachtet, besitzt der Film das Vermögen, eine große Menge von Informationen zu speichern und zu vermitteln. In einem Augenblick stellt er eine Szene mit Gestalten dar, wozu mehrere Seiten Prosa nötig wären. Im nächsten Augenblick schon kann er diese detailreiche Information wiederholen. Der Schriftsteller aber hat keine Möglichkeit, dem Leser eine Menge von Einzelheiten en bloc oder als Gestalt vor Augen zu halten.“ Ebd., S. 314.

INSTRUMENTEN- GEGEN SINNESWAHRNEHMUNG

5. Kapitel Instrumenten- gegen Sinneswahrnehmung 5.1.0 Medien als Psychotechnologien/ Instrumentenwahrnehmung „Vor dem Ausbruch des 20. Jahrhunderts wurde – ohne dass die Menschen vorgewarnt gewesen wären – die physikalische Technologie umgeschaltet von einer Realität der Sinneswahrnehmung auf eine Realität der Instrumentenwahrnehmung [...].“181

Obwohl schon Kant mit der transzendentalen Ästhetik die Grundlagen einer bewusstseinsabhängigen Raumwahrnehmung legte, berücksichtigte sein Verständnis vom subjektiven Erkennen die äußeren Einflüsse auf den Menschen nicht. Kants Verständnis vom absoluten und autonomen Individuum wurde nun durch das Wissen um neue Techniken relativiert. Denn die Medien des 19. Jahrhunderts, die Fotografie und der Film, brachen mit Kants Vorstellungen apriorischen Bewusstseins und setzten an ihre Stelle von der Außenwelt abhängige Bewusstseinsprozesse.182

5.1.1 Kollektive Rezeptionen Während die Gestaltpsychologen in der Meinung einer kollektiven, universellen Ästhetikrezeption von der so genannten „guten Gestalt“ ausgingen, setzen Charles und Ray Eames mit ihren Ausstellungsbeiträgen neue Maßstäbe für kalkulierbare Informationsstrukturen. Das gestalttheoretische Gesetz der ganzheitlichen Raumwahrnehmung verkehrte sich bei den Eames zu einem zerleg- und berechenbaren System aus Materie, Energie und Information. Das Wissen um Wahrnehmungsgesetze des Raums hatte mit Eames' Ausstellungsarchitektur den Glauben an den universellen Raum verdrängt; die Eames etablierten den mental gemachten Raum.

181 Vgl. R. Buckminster Fuller, Critical Path, New York, 1981, S.161, in: R. Buckminster Fuller. Bedienungsanleitung für das Raumschiff Erde und andere Schriften, Joachim Krausse (Hrsg.), Verlag der Kunst, 1998, S. 244. 182 Vgl. Jonathan Crary, Techniken des Betrachters: Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert, a.a.O.

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Obwohl Charles und Ray Eames – wie nachgewiesen werden sollte – an das Wissen der Gestaltpsychologie anschlossen, griffen sie durch die kinematografischen Simultanbild-Präsentationsformen Medientheorien vor, die erst zwanzig Jahre später vor dem Hintergrund des Iconic Turn entwickelt wurden. Dazu zählten u.a. Raumbetrachtungen von Medientheoretikern wie etwa Gilles Deleuze. Deleuze rückte in seiner Medientheorie insbesondere einen so genannten „apriorischen Mehrwert“ des Medialen in den Vordergrund. Damit betonte er die den Medien inhärenten, jenseits logisch ableitbarer, an der Zeichentheorie orientierten Qualitäten. Erkenntnistheoretisch wurde die Idee der angeborenen durch die der medienabhängigen Wahrnehmung ersetzt. So lösten Medientheoretiker unter dem Vorzeichen der neuen Bildtheorien die von den Gestalttheoretikern angenommene Unterordnung der Wahrnehmung unter angeborene und erlernte Verhaltensweisen auf.

5.1.2 Film als Psychotechnik „The films of Charles and Ray Eames fall into two categories. The first, the „Toy Films,“ primarily use the first Eames contribution, object-integrity; the second, the „Idea Films,“ use the second Eames Contribution, information overload.“183

Die Montagetechnik des Films zeichnen unterschiedliche Kameraperspektiven, -einstellungen, Bildkader, Schnitt- und Montagetechniken aus. Letztere setzten Charles und Ray Eames zur Steuerung der Informationen, d.h. der Anzahl der pro Zeiteinheit gesendeten Lichtbildsignale, ein. Die Bildmotivwahl ermöglichte eine Neukombinationen von Einzelbildern und die Konstruktion neuer Bedeutungskontexte. Montagetechniken sind per se auf Zuschauerbeeinflussung angelegt. Schon in der frühen Filmgeschichte machten Regisseure davon Gebrauch. Deleuze entwirft seine Kinotheorie Das Bewegungs-Bild. Kino 1 und Das Zeit-Bild. Kino 2 im Anschluss an die Lebensphilosophie Henri Bergsons, nach welcher die wahrgenommene Welt dem Menschen als stetiger und bewegter Bilderfluss erscheint. Danach weist der Film prototypische Elemente einer generellen Rezeption auf. Im Rahmen ihrer Ausstellungskonzepte beschränkten sich die Eames nicht nur auf die Möglichkeiten der medienimmanenten Form der Beeinflussung. Sie integrierten die Bildpräsentationsform in die umfassende Entwurfsstrategie ihrer Architekturen. 183

Paul Schrader, Poetry of Ideas: The Films of Charles Eames, Film Quaterly, Spring 1970, S. 8.

INSTRUMENTEN- GEGEN SINNESWAHRNEHMUNG

Anhand ihrer Filmgenres, die der Regisseur und Filmkritiker Paul Schrader als Ideenfilme (Idea Films) und Gegenstandsfilme (Toy Films) klassifizierte, vermittelten sie darüber hinaus Informationen nicht nur anhand der Möglichkeiten der zur Verfügung stehenden Filmtechniken, sondern ebenfalls über spezifische Bildinhalte.184 Diese präsentierten sie nicht nur als Bewegungsbilder, sondern auch fragmentiert in Analogie zu Fotobüchern. Die technischen Errungenschaften der US-Amerikaner zu Zeiten des Sputnik-Schocks gehörten ebenso zum Bildprogramm wie das Alltagsleben des US-amerikanischen Durchschnittsbürgers.185 Die Einzelbilddarstellungen in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau sollten so real wie möglich erscheinen, um nach Peter Blake einen Eindruck von Glaubhaftigkeit zu vermitteln.186 Dazu entnahmen Charles und Ray Eames die Bilder für den Film Glimpses of the USA verschiedenen Zeitschriften der Jahrgänge 1940 bis 1959, Ressourcen der Wirtschaft, der Ministerien des Inneren und der Landwirtschaft, des Militärs für Luftaufnahmen und verschiedener Universitäten, darunter insbesondere Architekturabteilungen. Sich auf ein kulturübergreifendes Gedächtnis stützend, konnten die Eames auf eine erfolgreiche Adaption der Bildinhalte hoffen.187 So stellten sie die Rezeption bereits konnotierter Bildinformationen sicher, die mindestens einem Fachpublikum bekannt waren.188 In der Überzeugung der Abhängigkeit des Erfolgs der Ideenvermittlungen von adäquaten Darstellungsformen war ihnen die Meinung von Natur- und Geisteswissenschaftlern über Methoden der Wissensvermittlung sehr wichtig.189 Unterstützt wurden die Eames dabei insbesondere vom 184 Vgl. Paul Schrader, in: Schrader on Schrader and Other Writings, S. 95, Kevin Jackson (Hrsg.), Faber and Faber, London, Boston, 1990. 185 Charles Eames, “The Russians want to see what people are like, what they wear, how they feel -people of all income brackats.“ In: E, LOC, M D, Unprocessed Accession 22,862, Location: 0438N, Box 2, Glimpses of the USA. 186 Peter Blake, „What Charles Eames was trying to do was give credibility to the story of life in America, having the same kind of scene repeated seven times on seven screens in different parts of the country.“ Ders., Eames Celebration, in: E, LOC, M D, Box 146, Folder 3, Theme Film. 187 Charles Eames, “[...] success is related to ‘global consciousness’.“ In: E, LOC, M D, Folder 13, Invention + Innovation. 188 Vgl. E, LOC, M D, Unprocessed Accession 22,862, Location: 0438N, Box 2, Glimpses of the USA: Life Magazine, Jg. 1940 - 1958, Sports Illustrated Magazine, Jg. 1953 - 1958, Fortune Magazine, Jg. 1952 - 1958, Holiday Magazine, Jg. 1947-1959, How America Lives - Ladies Home Journal, Jg. 1957 u. 1958, The Saturday Evening Post der Serie Face of America, Jg. 1955 - 1959, Look Magazine, Jg. 1946 – 1959. 189 „Even though they are engaged in very abstract activity mathematicians find meaning and satisfaction in relating their ideas to images from the world around them and in creating new ones to fit the relationships they invent.“ E, LOC, M D, Oversized 1, Series Research and Reproduction, Type of Project: Exhibits, Project: IBM Museum and Exhibition Center, Armonk, N.Y., Items: Conceptual Planning, Notes, General, 1966-69, n.d.

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Physiker Philip Morrison, der am Massachusetts Institute of Technology unterrichtete und den Erfolg von Wissenschaftsvermittlungen an ihre ästhetischen Darstellungsformen knüpfte.190 Die Darstellung von Bildgegenständen spielten in Eames' Bildpräsentationsformen unter dem Aspekt eines „good feeling about new physics“ eine wesentliche Rolle.191 Gegenständliche Abbilder des Weltraums, Bilder aus der Wissenschaft, der Wirtschaft und des Alltags projizierten sie in ihrem Film Think in New York neben abstrakten Darstellungen wie z.B. Zahlen, die die Gegenständlichkeit der projizierten Bilder um symbolische Bildqualitäten aufluden. Dadurch lösten die Eames die Betonung auf die inhaltliche Bildvermittlung ihres ersten Ausstellungsfilms in Brüssel 1958 ab und rückten verstärkt die Form der Präsentation in den Vordergrund. Nach den Regeln der Informatiostheorie übertrugen Charles und Ray Eames mit den gegenständlichen Bildinhalten jedoch keine neuen Informationen, da sie mit ihren Detailaufnahmen bewusst oder unbewusst die Avantgardefotografien von Fotografen wie etwa Paul Strand zitierten, der noch in der glücklichen Lage war, fotografisch neue Blickweisen zu vermitteln. Als Eames ihre künstlerisch motivierten Detail- oder Schärfentiefenfotos auf die Leinwände warfen, stellten diese nach informationstheoretischen Maßstäben bereits Klischees dar. Erst durch die Simultanbildprojektionen überführten die Eames ihre Bilder in die neue Darstellungsform der informationspraktischen Binärkodierung, die nach Deleuze die Bilder wieder aus dem Klischee befreite.

5.1.3 Frühe Wahrnehmungstheorien des Kinos In der Geschichte des frühen Films entwickelten Regisseure Methoden, die als Einzelmedientheorien in die Geschichte eingingen: Dziga Vertov entlehnte seine 190

Philip Morrison, „Although physicists have long been interested in the use of teaching films and in recent years have been increasingly involved in the making of such films, several people began to wonder in 1963 whether physics teachers were making the best possible of films.“ „We could do this better if we had a scheme as good as the multi-screen technique is for film.“ Vgl. Panel Discussion on The Role of Films and Other Artistic Creations in the Teaching of Science, in: The Proceedings of the Boulder Conference on Physics for Nonscience Majors, The University of Colorado, Boulder, Colorado, July 20-29, 1964, S. 228, 234 und Philip Morrison, „We must have a much freer and a much more artistic view of how we teach people science and how we write the books and produce the film and make the apparatus. Think about how it looks, think about whether it's beautiful or not.“ Ders., Eames Celebration, in: E, LOC, M D, Box 152, Folder 4, Invention & Innovation, Artwork + Plans. 191 Paul Schrader, Poetry of Ideas: The Films of Charles Eames, a.a.O., S. 10-11.

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Untersuchungen über die Struktur des Films dem Begriff der Bewegung, während Béla Balász sie zur Inhaltsbestimmung auf die Apparatetechniken Montage, Kadrierung und Kameraeinstellung anwandte.192 Im Kontext einer um Wahrnehmungstheorien erweiterten Moderne beschäftigte sich einer ihrer Protagonisten, László Moholy-Nagy, mit der Strategie der Emotionalisierung. Er forderte vom Gestalter, die Rolle eines Kontrolleurs von Emotionen einzunehmen. Emotionalität definierte er dabei als Ergebnis innerer und äußerer Einflüsse. Dabei bediente er sich des Filmmediums, weil er in ihm durch die Synthese von Bewegung und Licht die Freiheit mit einer neuen Arbeitsweise erkannte. Zu seinen Emotionalisierungsmethoden zählten zum einen die Ästhetisierung von Bewegung und Licht, zum anderen die Darstellung von Simultaneität. Ursprünglich diente die Simultanpräsentation in der Malerei der Dynamisierung der visuellen Wahrnehmung. Den Ursprung der Darstellung von Simultaneität schrieb Siegfried Giedion den Kubisten und Malern wie z.B. Cézanne zu.193 Während das Bild der Zweidimensionalität geschuldet blieb, sollten Sehen und Vorstellung in Bewegung gesetzt werden, um auf diese Weise die aus unterschiedlichen Perspektiven dargestellten Objekte aus der Fläche in den Raum zu versetzen. Delaunay brachte zudem Formen und Farben in neue Bild-RaumBeziehungen. Auf diese Weise eröffneten auch Formen und Farben neue Bedeutungsebenen für den Bild-Raum. Im Anschluss an Moholy-Nagy ordneten sich Eames' Simultanbildpräsentationen dem Aspekt der Zeitgebundenheit der Präsentation und Rezeption der verräumlichten Informationen unter. Die Mosaikbildung als Mittel der Informationsästhetik, die die Eames mittels Einteilung des Sichtfeldes durch den Einsatz multipler Leinwände herstellten, dynamisierte durch die Schnitttechnik des Bewegungsbildes die Wahrnehmung auf Zeit. Mit diesen bewegten sich die Eames in der Tradition von Wahrnehmungstheorien. Susanne Langers Schrift Feeling and Form schloss an Walter Benjamin und Moholy-Nagy an. Letzterer stellte die Aufgabe der Emotionalisierung unter den Begriff einer „Pädagogik der Visualisierung“.194 Lacan beschäftigte sich in 192 Vgl. Helmut H. Diederichs (Hrsg.), Geschichte der Filmtheorie. Kunsttheoretische Texte von Méliès bis Arnheim, Suhrkamp, Frankfurt/Main, 2004, S. 227 ff, S. 279 ff. 193 Vgl. Siegfried Giedion, Raum, Zeit, Architektur, die Entstehung einer neuen Tradition, Maier, Ravensburg, 1965, S. 278-287. 194 Vgl. Walter Benjamin, Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit, S. 471-508, in: ders., Gesammelte Schriften I, 2 (Werkausgabe Band 2), Tiedermann, Schweppenhäuser, Hermann (Hrsg.), Frankfurt/M., Suhrkamp 1980 [1935/36].

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Anknüpfung an Merleau-Ponty mit der Frage nach der Platzierung des Bewusstseins in der Perspektive des Unbewussten und untersuchte die im Betrachter hergestellten Bilder, Kippbilder, Figurenbildungen und Defigurationen.195 Sein Interesse galt der Konfliktstruktur zwischen Wahrnehmungsprozess und Bewusstseinsbildung, um eine „Wahrnehmungsmaschine“ bzw. ein „Wahrnehmungstheater“ ausfindig zu machen. Bezeichneten Charles und Ray Eames ihre Ausstellungsarchitektur als „Informationsmaschine“, so lässt sich der Begriff aus Sicht der Wahrnehmungstheorien durch die Bezeichnung des Wahrnehmungstheaters erweitern. Das Wahrnehmungstheater umfasst, über die Idee der automatischen Informationssendung hinaus, die der Idee der Informationsmaschine zugrunde liegt, den Aspekt der Gesamtinszenierung. In diesem Wahrnehmungstheater besetzten die Eames nämlich unterschiedliche Rollen in spezifisch räumlichen Strukturen. Neben der Sendung von Informationsformen und -inhalten spielte hier der Betrachter als Teil der Apparatur eine wesentliche Rolle im Informationsverarbeitungsprozess. Dieser stand in direkter Abhängigkeit der Technik und wurde zusätzlich vom Instrukteur als Mensch-Maschine-Schnittstelle gelenkt.

5.1.4 Frühe Formen der Kalkulierbarkeit des Films Indem Moholy-Nagy Filmkunst mit Erkenntnissen aus der Verhaltensforschung der Psychologie verband, schloss er an die Programmatik der rezeptionsbestimmten Medientheorien an. 1927 forderte er in seiner Schrift Malerei, Fotografie, Film unter Berücksichtigung inhaltlicher wie methodischer Vorgehensweisen die Reproduktion des Bildes, dessen Wirkung er mit der Erfahrung und dem Assoziationsvermögens des Betrachters zu einem „Vorstellungsbild“ zusammenbrachte. Zu seinen inhaltlichen und formalen Produktionsstrategien gehörten Werbeplakate, Fotografien, Mehrfachprojektionen, die Inszenierung von Licht und das Simultankino. Diese sollten die alten Künste ersetzen.196 Ebenso wie Moholy-Nagy brachte Carl Einstein 1926 in Die Kunst des 20. Jahrhunderts 195

Vgl. Gerhard Neumann, Anamorphose. E.T.A. Hoffmanns Poetik der Defiguration, S. 399, in: Mimesis und Simulation, Kablitz, Neumann (Hrsg.), Rombach Verlag, Freiburg im Breisgau, 1998 und Lacan, Jacques, Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, S. 90 ff., in: ders., Das Seminar von Jacques Lacan, Buch XI, Miller (Hrsg.), Quadriga, Weinheim, Berlin, 1987. 196 Vgl. László Moholy-Nagy, Malerei, Fotografie, Film: mit einer Anmerkung des Herausgebers und einem Nachwort von Otto Stelzer, Winger, Stelzer (Hrsg.), Mann, Berlin, 2000 [1927]

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Wahrnehmung mit der Idee der Kalkulierbarkeit zusammen: „Der Mensch verspürte sich selbst nicht mehr als rationale Einheit, sondern als ein sich veränderndes Aggregat, das Reize empfängt, verarbeitet und weitergibt.“197 Früh arbeiteten Regisseure mit dem neuen Wissen, um es in Filmtechniken umzusetzen. So galt Münsterbergs Interesse der Frage nach der Aufmerksamkeitsbindung durch das Lichtbild, dem Einsatz von Lautstärke und dem Bruch mit Sehgewohnheiten.198 Der Film sollte sich auf die Zuschauerrezeption direkt und unbewusst auswirken.199 Münsterberg unterschied Kino vom Theater an den technischen Möglichkeiten des Films. Bildästhetiken sollten auf der Grundlage psychischer Zustände generiert werden.200 So schaffte das Kino den Unterschied zwischen inneren und äußeren Reizen ab. Das Filmmedium hatte es geschafft, das mathematische Maß von Affekten, Erinnerungen und Vorstellungen als künstlerische Mittel einzusetzen. Münsterberg stellte die Wahrnehmungsbeeinflussung in den Vordergrund.201 Sergej Eisensteins, Lev Kulesovs und Dziga Vertovs Kinopraktiken können ebenfalls auf naturwissenschaftliche Forschungen der Psychophysik zurückgeführt werden.202 Mit der Aussage „Das Auge unterwirft sich der Kamera“ vertrat Vertov die Theorie medienbestimmter Rezeptionen.203 Eisenstein ging noch einen Schritt weiter, indem er die technischen Möglichkeiten vor dem Hintergrund der Wahrnehmungstheorie veränderte. Er forderte die „Montage der Attraktionen“ ein.204 197

Vgl. Henri Bergson, Materie und Gedächtnis. Eine Abhandlung über die Beziehung zwischen Körper und Geist, Diederichs, Jena, 1919 und Carl Einstein, Die Kunst des 20. Jahrhunderts, Band 5, Fannei & Walz Verlag, Berlin, 1996, S. 44. 198 Vgl. Hugo Münsterberg, Das Lichtspiel. Eine psychologische Studie (1916) und andere Schriften zum Kino, a.a.O., S. 71 ff, S. 83 ff. 199 Ebd., S. 107-114. 200 Ders., The Film: A Psychological Study. The Silent Photoplay in 1916, Richard Griffith (Hrsg.), New York, 1970, S. 171f. 201 Hugo Münsterberg, Beiträge zur Experimentellen Psychologie, Akademische Verlagsbuchhandlung, Freiburg I. B. 1989, Akademische Verlagsbuchhandlung, S. 140, in: Münsterberg. Frühe Schriften zur Psychologie, VEB Deutscher Verlag der Wissenschaften, Berlin, 1990. 202 Dziga Vertov, „Ergebnis dieser gemeinsamen Aktion von befreiter und perfektionierter Kamera und strategischem menschlichen Gehirn, das steuert, beobachtet und berechnet wird eine außergewöhnlich frische und deshalb interessante Darstellung sogar der alltäglichsten Dinge sein.“ Ders., Schriften zum Film, Beilenhoff (Hrsg.), Hanser, München, 1973, S. 22 und Dziga Vertov, „So wird das Kino zu einem kollektiven Kommunikationsort durch die Umstrukturierung der Rezeption. Vergleichbar den anderen damaligen Versuchen einer Exteriorisierung der Kommunikation, einer als Teilnahme aller am Kommunikationsprozeß verstandenen Kommunikation (die Masseninszenierungen, die Agitzüge, die Visionen einer sozialistischen Architektur) soll auch im Film die Grenze zwischen Darstellung und Zuschauer durchbrochen werden.“ Ebd., S. 151. 203 Vgl. Reiner Leschke, Einführung in die Medientheorie, Wilhelm Fink Verlag, München, 2003, S. 78. 204 Oksana Bulgakowa, Sergej Eisenstein - drei Utopien, Architekturentwürfe zur Filmtheorie, PotemkinPress, Berlin; 1996, S. 39.

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Die Gestalt der Bilder oder – nach gestalttheoretischen Grundsätzen – ihre „Superposition“ und nicht ihr Inhalt führe demnach zur Semantik im Film. Die bevorzugte Schnitttechnik Eisensteins zur Beeinflussung des Zuschauers waren harte Schnitte, die eine Bilddialektik hervorbrachten. Eisenstein kreierte für die Montagetechnik diskontinuierlicher, benachbarter Elemente den Begriff des Ideogramms. Seit der Quanten- und Relativitätstheorie der modernen Physik hatte die Vorstellung der Diskontinuität und Elementenrelationen das Modell des Einheitsraums ersetzt.205 Abel Gance wandte dagegen die medienabhängige Rezeption nicht nur auf die filmimmanente Schnitttechnik der Akzelerationsmontage und der Methode der Mehrfachbelichtungen an, sondern darüber hinaus auf die Präsentationsform der Simultanbildprojektion. Dabei teilte er die Leinwand in einen SplitScreen auf, um mittels Triptychonmontage und unter Einsatz von drei Projektoren besondere Höhepunkte zu inszenieren.206 Eames handelten in dieser Tradition der Wahrnehmungsbeeinflussung; die in Gances Film Napoleon schon angedeuteten Informationsbilder weiteten sie auf den gesamten Sehraum aus. Außerdem stand den Eames mit der Informationstheorie eine neue visualisier- und kalkulierbare Form der Steuerung von Datenflüssen zur Verfügung, die es erst seit der Entwicklung der Kybernetik gab.

5.1.5 Eames' Filmerfahrungen Charles und Ray Eames beschäftigten sich bereits seit den 1940er Jahren mit dem Film. Charles Eames konnte auf eigene Erfahrungen mit der Kinotechnik zurückgreifen. 1941 und 1942 arbeitete er als Filmarchitekt und 1942 zusammen mit Billy Wilder. Die Eames gehörten zum Kreis der kalifornischen Avantgarde nach 1945. Bei John Entenza trafen sie die Filmemacher Oskar Fischinger, die Brüder Whitney, James Broughton, Sidney Peterson, Kenneth Anger, Curtis Harrington und Harry Smith. Von Fischinger lernten sie insbesondere die kinematografische Umsetzung abstrakter Bewegung, von McLaren die Darstellung von Animation. John Whitneys erklärtes Interesse war die Informationsvermittlung „by the gra205 Vgl. Sergeij Eisenstein, Dramaturgie der Film-Form. Der dialektische Zugang zur Film-Form. I,

in: Texte zur Theorie des Films, Albersmeier (Hrsg.), Reclam, Stuttgart, 1979 [1929], S 275-304. Abel Gance, Film Napoleon, 1927.

206 Vgl.

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phic image instructured time“.207 Außerdem hatte der Regisseur Herbert Matter Charles und Ray Eames in die Kunst des Films eingewiesen, als er 1943 Mitarbeiter in ihrem Büro war.208 Jehane Burns, Spezialistin auf den Gebieten der Logik und Linguistik, war hauptverantwortlich in der Filmabteilung der Eames tätig.209 Sie stand für einen professionellen Umgang mit dem formalen und inhaltlichen Bildumgang. Zudem kannten die Eames den deutschen, russischen und französischen Avantgarde-Film.210 Je nach Bildkadrierung, Perspektive und Kameraeinstellung vermittelten sie unterschiedliche Bildästhetiken als Informationseinheiten, die in Abhängigkeit der Intervallgröße bewusst oder unbewusst wahrgenommen wurden.211 Sie setzten insbesondere Großaufnahme und Schärfentiefen ein.212 Aus der Filmgeschichte wussten sie um die emotionalisierende Wirkung von Großaufnahmen. Schon Hugo Münsterberg hatte die Nahaufnahme als Aufmerksamkeitsfokus einer an der Wahrnehmung orientierten Medienpraxis bezeichnet.213

207 Vgl. John Whitney, Digital Harmony. On the Complementary of Music and Visual Art, Byte Books, New Hampshire, 1980, S. 173. 208 Vgl. Pat Kirkham, Charles and Ray Eames: designers of the twentieth century, a.a.O., S. 311. 209 Multiscreen projection, an Eames innovation, in: E, LOC, M D, Box 22, Folder 4, Publicity, 1964. 210 Vgl. Saul Pett, Charles Eames: Imagination unlimited, a.a.O. 211 Charles Eames, “The context is “the age of Information”: with dramatic changes of scale and numbers of people intitled to share in decisions and massive technical enterprises with shrinking margins. [...] The film should give the visitor an [entré] to the way of thinking (+ reading a situation) that works out such transformations -.“ In: E, LOC, M D, Box 146, Folder 3, Theme Film. 212 Charles Eames, “I would suggest taking closeups of faces of any people you are with, people of all kinds, with hats and without, looking as though they were walking along, or hurrying down steps, or just plain standing around [...] Most of the shots should be fairly intimate, all the way to face closeups. Details showing jewelry, handbag, packages, umbrella, books in hands, briefcases, lunch boxes, etc. with as much variety of people and situations as possible.“ In: E, LOC, M D, Unprocessed Accession 22,862, Location: 0438N, Box 2, Glimpses of the USA. 213 Hugo Münsterberg, „Die Großaufnahme jedoch lässt jedes Bühnengeschick hinter sich. Die Bühne kann uns nur Veränderungen in der Aussenwelt zeigen: Wenn wir nun aber plötzlich alles im Raum vernachlässigen und nur auf die Hand schauen, die einen Dolch hält, so geht es um eine Veränderung nicht ausserhalb, sondern innerhalb unseres Bewusstseins. Das ist der Wendepunkt für unsere Aufmerksamkeit. Wir ziehen unsere Aufmerksamkeit von allem, was unwichtig ist, ab und konzentrieren sie auf diesen einen Punkt, der im Mittelpunkt der Handlung steht. Das Lichtspiel ist eine Kunst, an der nicht nur die äusseren Ereignisse, sondern auch unsere eigenen, inneren Handlungen zum Tragen kommen. Unsere Aufmerksamkeit wird in das uns umgebende Leben projiziert.“ Ders., Das Lichtspiel. Eine psychologische Studie (1916) und andere Schriften zum Kino, a.a.O., S. 110.

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Durch den Einsatz von Großaufnahmen konnten Charles und Ray Eames so auf Emotionalisierungen und die positive Rezeption ihrer Bildinhalte hoffen.214

Abb.70: Großaufnahmen, Storyboard der Simultanbildprojektion im IBM-Pavillon 1964/65

Abb.71: Großaufnahmen der Simultanbildprojektion in Seattle 1962

214

Dan Cooper, „For instance, one bit impressed me particulary: At one point we saw, through this scheme of multiple images, a group of mathematicians discussing the problem of modeling the flow of oxygen into a blood cell. One of the mathematicians was overweight, far from handsome. His first comments were less graceful than those of his colleagues. But then the overweight fellow stepped up to the blackboard and began to outline the problem. The camera panned in on him, so close that his somewhat marred complexion was apparent, so close that his honesty and competence were equally apparent. It impressed me, this short scene did, because here was no scientist in a white lab coat; here was an ungainly man with a good mind – and that we were made to feel, is what counts.“ Ders., International Science and Technology, Juli 1964, in: E, LOC, M D, Box 232, Folder 4, Publicity 1964.

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Abb.72: Schärfentiefe der Simultanbildprojektion im IBM-Pavillon 1964/65

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5.1.6 Deleuzes Kinotheorie Zur Charakterisierung der Wirkungen, die von bewegten Bildern ausgehen, entwickelte Gilles Deleuze Mitte der 1980er Jahre seine Filmtheorie mit den Bänden Das Bewegungs-Bild. Kino 1 und Das Zeit-Bild. Kino 2. Darin unternimmt Deleuze den Versuch der Klassifizierung bewegter Bilder als Elemente eines Systems. Deleuzes Kinotheorien entspringen dem Geist eines universellen, wahrnehmungsorientierten Medienbegriffs. Während Christian Metz in seiner Kinotheorie noch die an der Semiotik orientierten, logischen Bildhierarchien im linearen Zeichenvollzug untersuchte, schreibt Deleuze eine Zeichen- und Wahrnehmungstheorie anhand seines Klassifizierungsversuchs von Bildern und Zeichen.215 Im ersten Band seiner Kinotheorie Das Bewegungs-Bild. Kino 1 untersucht Deleuze mit Bezug auf die Zeichentheorie von Charles S. Peirce die ästhetische Form des bewegten Bildes anhand der Klassifikation von Bildzeichen. Im zweiten Band widmet er sich insbesondere dem Bruch der Bewegung im Film, den er am Begriff des Intervalls festmacht. Mit Bezug auf die Informationstheorie untersucht Deleuze in seiner Theorie die medialen Formen des Films. Darin geht er Fragen zu Form-Inhalt-Relationen nach. Zu verstehen ist der zweite Teil seiner Untersuchung nur vor dem Hintergrund der Bildtheorien der 1980er und 1990er Jahre, die die Sukzessivität der Sprachlogik linguistisch-semiotischer Theorien durch die Simultaneität der Bildlogik ersetzten. Am Linguistic Turn der 1960er Jahre mit literatur- und sprachwissenschaftlichem Ursprung kritisiert Deleuze den mangelnden Einfluss der Filmsemiotiken auf das Medium selbst. Gegen dieses Interpretationsmodell arbeitet die klassische Filmsemiotik mit der Interpretation auf der Grundlage von festgelegten Zeichenstrukturen. Nach der klassischen Filmsemiotik werden Kadrierungsund Dekadrierungswinkel zum Zweck einer besseren, allgemeinverständlichen Lesbarkeit eingesetzt. Christian Metz legte diese in seiner Abhandlung Semiologie des Films dar: darunter fasste er die autonome Einstellung, das parallele Syntagma, das Syntagma der zusammenfassenden Klammerung, das deskriptive und alternierende Syntagma, die Szene, die Sequenz, die Episode und die gewöhnliche Sequenz.216 Diese lagen der Idee einer sich linear vermittelnden Zeichen215 Vgl. Christian 216 Ebd.

Metz, Semiologie des Films, Fink, München, 1972.

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sprache von Bildern in einem Bewegungsfluss zugrunde. Von dieser Auffassung setzt sich Deleuze in seiner Theorie ab. Er betrachtet das Bild nicht mehr nur in Abhängigkeit der Bewegung, sondern als Synthese aus Raum und Bewegung. Erst der Paradigmenwechsel zum Iconic Turn ermöglichte eine Perspektive auf die mit dem Medium verbundenen Bedeutungen. Eben deshalb sind in Deleuzes Kinotheorie Anleihen in der Informationstheorie zu finden, da diese vom Inhalt von Nachrichten zugunsten ihrer Form absieht.217 Aus der Betrachtung einer Bewegungs-Raum-Synthese heraus entwickelt Deleuze den Begriff des Intervalls, das hier nicht nur aus der Schnitttechnik herrührt, sondern insbesondere aus der Vorstellung eines Films, dessen Bewegungsfluss durch autonome Einzelbilder unterbrochen wird. Deleuzes Kinotheorie ist für die Untersuchung der Eames'schen Ausstellungsarchitektur formal von besonderem Interesse, da die Eames das Intervall doppelt einsetzen: als Unterbrechung im Erzählfluss und ebenso als verräumlichte Lücke zwischen der Leinwandsyntax. Auf diese Weise bezogen sie das Intervall nicht nur auf die Filmtechnik der Simultanbildpräsentation, sondern bildeten es in mimetischer Beziehung zur Technik als Lücke zwischen den Projektionsflächen auf den Raum ab. So ordneten sie den Raum selbst paradigmatisch der Idee einer Autonomisierung der einzelnen Bildinformationen unter, die als Daten der Gesamtinformation im Kommunikationsprozess fungierten. Vor diesem Hintergrund präsentierten Eames' Simultanbildpräsentationen einzelne Bildtypen auf der Basis des Intervalls. Denn durch eine Vielzahl von Leinwänden übertrugen die Eames den Bruch der filmimmanenten Bewegung auf die Kategorie des Raums. Das Intervall trennt demnach, sowohl ideell in Deleuzes Kinotheorie als auch praktisch in Eames' Ausstellungsarchitektur, filmtechnisch und räumlich die Einzelbilder voneinander. Anhand des Intervalls steht Deleuze eine Methode zur Verfügung, die Einzelbilder in Bezug auf Ihre Wirkungen zu klassifizieren. Somit beschreibt er die Bilder nicht mehr nur aus ihrer Produktionsform von Zeichen heraus. Aufgeladen durch die Perspektive des Betrachters erweitert er die Vorstellung um Wahrnehmungsweisen und entdeckt so das Medium Film neu. Deleuze bezieht sich darin auf die Zeichentheorien von Charles S. Peirce

217 Gottfried Böhm, „Der zweite Schritt besteht darin, dass die Überprüfung der Tragfähigkeit der Sprache zu ihrer Überschreiung führt.“ Ders., Jenseits der Sprache? Anmerkungen zur Logik der Bilder, in: Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder, Christa Maar, Hubert Burda (Hrsg.), DuMont, Köln, 2004, S. 36.

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hinsichtlich der Wirkungen, die von den Bildtypen ausgehen.218 Aus der Sicht von Zeichen- und Wahrnehmungstheorien leitet Deleuze seine Theorie vom Wahrnehmungsbild ab. Dieses sei „Objekt“ und „wahrgenommenes Objekt“, gekennzeichnet durch zwei verschiedene Qualitäten. Als „Objekt“ sei das Bild eine technische Konstruktion, als „wahrgenommenes Objekt“ ein mentales Bild, das sich der Deutungsmuster von Wahrnehmungstheorie, Gestaltpsychologie und Kognitionswissenschaft bediene. Die Grundlagen von Deleuzes, an der Wahrnehmung orientiertem Kinomodell, findet man in Gustav Theodor Fechners Elemente der Psychophysik von 1860, in der Fechner die Wirkungsweisen der Lichtpunktproduktion für die unbewusste Wahrnehmung offen legt.219 Dabei trifft Deleuze eine Unterscheidung zwischen dem Kino vor und nach 1945. Obwohl sich Deleuzes Klassifikation von „Bewegungs-Bildern“ der Vorkriegs- und „Zeit-Bildern“ der Nachkriegszeit nicht streng einhalten lässt, weil Regisseure auch schon vor dem Zweiten Weltkrieg Wirkungsstrategien verfolgten und zugunsten ästhetischen Ausdrucks auf die Narration verzichteten, universalisiert Deleuze programmatisch die an der Informationstheorie orientierte Bilderpraxis. Aus der Rezipientensicht – bezogen auf wahrgenommene Objekte – entwirft Deleuze die Bildtypen „Aktions-“, „Affekt-“ und „mentales Bild“. Diesen Bildtypen schreibt er Zeichen zu: die Großaufnahme dem Bildtypus Affektbild, die Schärfentiefe der Virtualitätsordnung des Bildes.220 Aus dieser Sichtweise werden die Zeichen nicht länger als feststehende Objekte charakterisiert; Deleuze macht sie zu wahrgenommenen Objekten. Zwar stellten sie als Produkte Ergebnisse aus den Filmtechniken der Montage, der gewählten Perspektive und der Kameraeinstellung dar, die sich in der Bildeinteilung Totale, Halbtotale und Nahe niederschlagen, jedoch bildeten sie als wahrgenommene Objekte eine Synthese aus den Betrachterdispositionen und den Wirkungen, die von ihnen ausgehen. Um die neue Betrachterposition zu veranschaulichen, bedient sich Deleuze insbesondere der Deutungsmuster der Gestalttheorie, um in Analogie zum Figur-Grund-Gesetz die Technik der Schärfentiefe als gleichzeitige, bipolare Lesart der Bildinhalte als Sinn und Gegensinn zu veranschaulichen.

218

Vgl. Charles S. Peirce, Peirce on signs: writings on semiotic, James Hoopes (Hrsg.), Univ. of North Carolina Press, 1991 und Gilles Deleuze, Das Bewegungs-Bild. Kino 1, Suhrkamp, Frankfurt/M., 1997 [1983]. 219 Gustav Theodor Fechner, Elemente der Psychophysik, Theil 1 und Theil 2, a.a.O. 220 Gilles Deleuze, Das Bewegungs-Bild. Kino 1, Suhrkamp, Frankfurt/M., 1997 [1983], S. 123 ff.

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5.1.7 Informationsbilder Im Gegensatz zur Logik des Bewegungsflusses im ersten Teil seiner Kinotheorie Das Bewegungs-Bild. Kino 1 widmet sich Deleuze in Das Zeit-Bild. Kino 2 aufgrund der gestärkten Betrachterrolle der Informationsqualität von Bewegungsbildern.221 Er untersucht darin ihren Informationswert in Abhängigkeit der Wahrnehmung des Betrachters. So kommt er zu spezifischen Bildkategorien, die sich nicht mehr in feste Zeichenkategorien einordnen lassen, sondern bipolar werden. Das „Kristallbild“ erörtere die Frage des Realen und Imaginären, das „Chronozeichen“ den Inhalt des Wahren oder Falschen und das „Genezeichen“ den Ausdruck der zeitlichen Serie.222 Auf dieser Grundlage zieht Deleuze den Schluss neuer Zeit- und Denkbilder des Films. Die technischen Strategien des modernen Films bringen demnach falsche Anschlüsse, Dekadrierungen, inkommensurable Bilder, Intervalle und Scheren zwischen Bild und Ton hervor. Anders als Christian Metz den Bildgegenstand als Kategorie stabiler Zeichen interpretiert, beschreibt Deleuze in seiner Kinotheorie das Zeichen oder Ikon aus seiner Wirkung heraus. Das Ikon übernehme in diesem Kontext die Funktion eines Affekts, den ein Bild auf den Betrachter ausübe. Deleuze verortet seine Kinotheorie in der Informationstheorie, um die Informationsqualitäten von Bildern näher zu beschreiben. Mit seiner Behauptung der Sackgasse des Bewegungsbildes im Klischee, entwickelt er die Idee des „ZeitBildes“, um das Bewegungsbild wieder aus dem Klischee zu befreien. Denn das Klischee stellt in der Informationstheorie den informationsfreien Wert dar, der sich lediglich mitteilt, aber keine Nachrichten übermittelt.223 Damit bezieht er sich auf die Definition der Regelungstechnik nach den DIN-Vorschriften.224 In diesem Sinne platziert er seine Kinotheorien im Kontext von Kommunikationstheorien. 221 Gottfried Böhm, „Die Philosophie hat, nach Kant und Nietzsche, im 20. Jahrhundert eine Wendung zur Sprachkritik vollzogen. Bei Husserl, Freud, Wittgenstein, Heidegger, Merleau-Ponty, Derrida, und Castoriadis lassen sich unter anderem zwei Schritte beobachten: Der erste will die prinzipielle Sprachabhängigkeit aller Erkenntnisse nachweisen, um damit der Metaphysik und dem Objektivismus den Boden zu entziehen.“ Ders., Jenseits der Sprache? Anmerkungen zur Logik der Bilder, in: Iconic Turn. Die neue Macht der Bilder, Maar, Burda (Hrsg.), DuMont, Köln, 2004, S. 36. 222 Vgl. Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, .a.a.O., S. 346 ff. 223 In Kino 1 bezeichnet Deleuze mit „Klischee“ die wirkungsästhetischen, immer gleichen Resultate der Techniken des klassischen Films als organisch US-amerikanisches Kino, dialektisch sowjetisches, quantitativ französisches und expressionistisch deutsches. 224 „Die Regelung (Das Regeln) ist ein Vorgang, bei dem der vorgegebene Wert einer Größe fortlaufend durch Eingriff auf Grund von Messungen dieser Größe hergestellt und aufrechterhalten wird.“, DIN 19226, Beuth-Vertrieb GmbH, Berlin W15, Jan. 1954, S. 2.

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Deleuze geht aber noch einen Schritt weiter. Er fordert ein Umschreiben der Informationstheorie, da er die klassische Form des Nachrichtentransports als Befehlsausübung betrachtet. Das Ausführen von Befehlen könne aber nicht neue Informationen vermitteln, sondern transportiere die vom Sender beabsichtigten, ihm schon bekannten Nachrichten, die die Information zwangsläufig, zumindest auf Seiten des Senders, zum Klischee degradieren.225 Deleuze aber spricht sich gegen die schon im Vorfeld festgelegte Informationssendung aus. Er fokussiert stattdessen den Raum, in dem er noch echte Informationen vermutet. Diese bilde der Zwischenraum im Informationstransport. In diesem Zusammenhang lehnt Deleuze die Arbeitsmethode der Regelungstechnik, die sich eines geschlossenen Kreislaufes mit negativer Rückkopplung bedient, ab, da sie auf Kosten der Information das System durch Befehlsausführung stabilisiere. Dagegen schlägt er ein neues Modell vor, in dem er den Begriff der Information durch den Begriff der „Sub-Information“ ersetzt.226 Diese vermittle sich weder nach den Gesetzen des linearen Informationstransports noch greife sie inhaltlich auf die Repräsentation bestehender Klassifikationen zurück. Im Gegenteil forme sie sich während des Transports, im Zwischenraum.227 Das Mosaik verortet er im unsichtbaren Zwischenraum. Mit ihrem Ursprung in der Informationsästhetik räumten diese dem Betrachter einen Interpretationsspielraum ein. Durch Festlegung der Information im Zwischenraum widerspricht Deleuze den Experimentalwissenschaften, die ihre Voraussetzung in der Erkennung vorgefertigter, in der Wahrnehmung angelegter Gestalten haben.228

5.1.8 Bildpädagogik Die über seine Bildtypen transportierten Informationen im Zwischenraum stellt Deleuze in den Kontext der Erfüllung der Aufgabe einer Bildpädagogik. 225

Gilles Deleuze, „Tatsächlich müßte man das Schema der Informationstheorie umdrehen. Die Informationstheorie setzt theoretisch eine maximale Information voraus; am anderen Pol siedelt sie den reinen Lärm an, das Rauschen; und zwischen beiden die Redundanz, die die Information vermindert, ihr aber ermöglicht, den Lärm zu besiegen. Es ist das Gegenteil: oben müßte man die Redundanz ansiedeln als Übermittlung von Vorschriften und Befehlen; darunter die Information als Minimum, damit die Befehle gut empfangen werden; und darunter? Nun, darunter wäre dann so etwas wie das Schweigen [...] Stottern, [...] Schrei, irgend etwas, das unter Redundanzen und Informationen fließt, das die Sprache fließen läßt und sich trotzdem zu Gehör bringen kann.“ Ders., Unterhandlungen 1972-1990, a.a.O., S. 62f. 226 Vgl. Gilles Deleuze, Unterhandlungen 1972-1990, a.a.O., S. 57-118. 227 Ebd., S. 63. 228 Vgl. Niklas Luhmann, Die Realität der Massenmedien, Westdeutscher Verlag, Opladen, 1996, S. 41.

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Damit Bilder wieder informieren, kehrt Deleuze das Schema des klassischen Informationstransports um. Mit seiner Forderung des Ersatzes der Übermittlungen von Informationen durch Subinformationen schreibt Deleuze den Bildern neue informationsspezifische Qualitäten mit der Betonung auf ihrer Form zu. Sich auf Heider stützend verschiebt er die Fragestellung nach der undurchsichtigen Form des wahrnehmungsbeeinflussenden Mediums.229 Deleuze setzt so der „guten Gestalt“ der Gestaltpsychologie Bildtypen entgegen, die anstellte apriorisch im Betrachter angelegter Gesamtfiguren auf der Grundlage des Verfahrens der Dekadrierung das Herausstellen dynamischer Einzelelemente anstreben. War nach der Meinung der Gestaltpsychologen im entscheidenden Schritt der Wahrnehmungsakt vom Menschen oder von Systemen bestimmt, sieht Deleuze das Potential von Medien in dem ihnen innewohnenden „Mehrwert“. Dieser beruhe seiner Meinung nach entgegen der Annahme der Gestaltpsychologen auf Deterritorialisierungen. Die sich in der Wahrnehmung konstituierenden Formen können demnach nicht als apriorische Bedingungen betrachtet werden. Stattdessen bilden sie nach Deleuze Potentialqualitäten, die gemäß der Nachrichtentheorie durch die Qualität von Aktualität und Virtualität gekennzeichnet, aber nicht vorhersagbar seien. Sie widersprechen somit allgemeingültigen Formtendenzen. Die Annahme genetisch angelegter Gestalten ersetzt Deleuze durch individuelle Formwahrnehmungen, deren Voraussetzung er in der Zeitgebundenheit der Elemente im System als Möglichkeitsstrukturen findet. Damit sichert Deleuze sowohl dem Betrachter als auch dem Bild Autonomie zu. Übersetzt in die Sprache der Filmtechnik übernehmen nach Deleuze Brüche in der Montage die Aufgabe der Verselbständigung, indem sie die Serie erzeugen.230 Deleuze erklärt die Autonomisierung des Bildes anhand der Automation des bewegten Bildes, das die Lücke ein- und gleichzeitig das an die Sensomotorik sukzessiver Bilder gebundene „Off“ ausschließe.231 Diese ziehe die Destabilisierung und Fragmentierung als Charakteristik des nachmodernen Wahrnehmungsraums nach sich. Der Raum habe so seine Kontinuität eingebüßt. Durch 229 Fritz Heider, „Der Unterschied zwischen Ding und Medium ist für die Wahrnehmung von großer Bedeutung, obgleich er an sich ausschließlich eine Sache der physikalischen Umwelt und vom sensorischen Apparat unabhängig ist.“ Ders., Das Leben eines Psychologen. Eine Autobiographie, Verlag Hans Huber, Bern, 1984, S. 38. 230 Vgl. Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, Suhrkamp Verlag, 1997, S. 351. 231 Durch die Autonomie der Bilder büßt der Film nach Deleuze seine Qualität des so genannten „Off“ ein. Die der Semiotik entlehnte Vorstellung des Bewegungs-Bildes setze der Kadrage die Dekadrage entgegen und schließe so das „Off“ ein, das vormals die mitgetragene Qualität des Außen darstellte. Mit dem Einschluss derselben werde die Autonomie des Bildes gestärkt, weil die mitgetragene Information aus dem „Off“ entfalle. So werde das „Off“ zum Teil des Bildsystems.

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die Methode der Inszenierung der Lücke gehe der instabile Informationsraum auf der Basis des Einzelbildes hervor, das unter Berücksichtigung der Disposition der Zuschauererwartung zu neuen, informationsorientierten Qualitäten führe. Auch Eames' Einzelbilder gewannen nach Deleuzes Theorie der Bildpädagogik die Qualität des Einschlusses des „Off“. Der visuelle Bildraum ersetzte gewissermaßen die nun fehlende interne Logik von Bewegungsbildern. So gaben die Eames die medienimmanente Verbindung zwischen sichtbarer und unsichtbarer Bildstruktur zugunsten der prozessualen Interpretation durch den Betrachter auf und setzen durch die Technik der fragmentierten Mehrfachprojektion Betrachter und Bild in neue Beziehungen zueinander.

Abb.73: Motivische und kinotechnische Bilderserien im IBM-Pavillon 1964/65

Abb.74: Motivische und kinotechnische Bilderserien im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrag in Seattle 1962

Mit dem Ausgangspunkt der Bilderserie im neuen Informations- wie Wahrnehmungsraum gehe gleichzeitig das Fehlen eines gemeinsamen Ordnungszentrums

INSTRUMENTEN- GEGEN SINNESWAHRNEHMUNG

einher. Da nun nicht der Bewegungsraum im Fokus stehe, sondern die Autonomisierung des Einzelbildes, bestimme dieses in Abhängigkeit des Betrachters die zeitabhängige Raumdefinition. Damit stellt Deleuze jedes Bild als Zeichen mit Erinnerungswert dar, das auf der Grundlage des Intervalls im Zwischenraum eine Selbständigkeit erlangt und die persönlichen Dispositionen des Betrachters berücksichtigt. Nach Deleuze übernimmt das Intervall in diesem Prozess die Aufgabe der Differenzeinfügung zwischen Erinnerungen und Klischees, um aus diesen wieder „echte“ Informationen zu machen, die er als wesentliche Charakteristik des modernen Films heraus stellt. Entgegen der Auffassung angeborener Muster führt Deleuze eine neues Bild ein, das nicht nur vom Betrachter interpretiert werde, sondern gleichermaßen Bewusstseinsprozesse auslöse. So erklärt Deleuze die Umkehrung des Prozesses der Bildherstellung im modernen Raum; er sei nicht länger ein Produkt aus der Filmtechnik wie im klassischen Film, sondern stehe in Beziehung zur Psyche des Betrachters. Damit steht der moderne Film in Wechselwirkung zur psychophysikalischen wie der soziokulturellen Disposition des Betrachters, die zwar kulturell bestimmt ist, aber zusätzlich durch persönliche Erwartungen und Vorstellungen aufgeladen wird. Durch die Fragmentierung und die mit ihr einhergehende Autonomisierung des Einzelbildes setzten Charles und Ray Eames in diesem Sinne den Betrachter einer Informationsfülle aus, die er entsprechend seinen Dispositionen und Erwartungshaltungen ergänzen musste. Umgekehrt beeinflusste aber auch das autonome Einzelbild den Betrachter. Die Methoden Eames'scher Produktionstechniken des Fragments sind durch falsche Anschlüsse und Intervalle gekennzeichnet. Somit ordnet sich der Raum dem Betrachter und seiner Interpretation unter, nicht umgekehrt. Standen die Informations- und Gestalttheorie im Dienst der Verwissenschaftlichung und Ökonomisierung von Raum- und Designfragen, so destabilisierten und defigurierten die Eames gemäß Deleuze den Kommunikationsraum zugunsten individueller Wahrnehmungsräume.232 Obwohl sich Deleuze auf die Informationstheorie bezieht, gelingt es ihm, sich mit dem Modell des Zeit-Bildes von den ausschließlichen naturwissenschaftlichen, rationalistischen Welterklärungsmustern abzusetzen und sich der Lebensphilosophie Henri Bergsons zuzuwenden, die gegen statistische Methoden von der Idee individueller Freiheit geleitet ist.

232 Vgl.

Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, a.a.O., S. 341.

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Mit dieser Überzeugung und gegen die Idee der Kollektivierung von Wahrnehmungs- und Gestaltfragen sieht Deleuze eine Verschiebung des Films in der Raum-Zeit-Ordnung; von einem sukzessiven Zeit-Raum zu einem simultanen Wahrnehmungs-Raum. Demnach bilden die Lichtbilder eine „präsignifikante Zeichenmaterie“, die der Technik des Mediums eingeschrieben sei und nicht erst durch semiotische Interpretationen wirksam werde.233

Abb.75: „Optische Situationen“ im IBM-Pavillon 1964/65 233

Ebd., S. 335.

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Als Beispiel für den Wert des Einzelbildes als Element im System führt Deleuze den Künstler Robert Delaunay an. Obwohl dieser den Film unterschätzte, weil er seine Mittel lediglich in der mechanischen, sukzessiven Technik begründet sah, nahm er vorweg, was Deleuze in seinen Kinoabhandlungen „optische Situationen“ nennt.234 So wie Duchamp neben der Perspektive, Formen und Farben Bewegung als ästhetische Kategorien im Bild umsetzte, bedient sich Deleuze wieder auf der Grundlage der Informationstheorie der Beschreibung von Bildwerten. Den Extremfall bildet nach Deleuze die „optische Situation“ in Form der „verknappten“, unbeleuchteten Bildfläche den Informationswert „0“ oder, im Fall der Bildprojektion, den Wert „1“. Die informationsorientierte Qualität der Bilder ordnet er der „Pädagogik des Bildes“ zu, das seine „Sichtbarkeit“ an eine „Lesbarkeit“ abtrete. So erhält das Bild im Konzept des Kinos als „geistiger Automat“ einen absoluten Wert und wird autonom.

5.1.9 Ästhetische Formen der Kommunikation In der Tradition der Nachrichtentheorie, wie sie Marshall McLuhan in The Medium is the Message formulierte, spielt bei Deleuze die Form der Präsentation die entscheidende Rolle im Informationsprozess. Niklas Luhmann nannte die zeitliche Verbindung der Elemente „Form“. In der Tradition des Gestaltpsychologen Fritz Heider vertrat Luhmann die Idee einer losen Kopplung der Elemente mit einem großen Spektrum an Verbindungsmöglichkeiten. Während Heider als Konsequenz die Autonomie des Menschen in Gefahr sah, versprach sich Luhmann davon neue individuelle Freiheiten.235 Mit dem Aspekt der zeitgebundenen Verbindung der Elemente im Raum gehen nach dieser Auffassung Zeichenprozesse mit neuen Bedeutungen einher. Wie im physikalischen Raum Zentrifugal- und Zentripetalkraft zusammen und gegen234 Ebd., S. 346 ff. 235 Vgl. Ernst Cassirer,

Philosophie der symbolischen Formen, Darmstadt, 1953 und Fritz Heider, Das Leben eines Psychologen. Eine Autobiographie, a.a.O., S. 402 und Niklas Luhmann, „Massenmedien sind also nicht in dem Sinne Medien, daß sie Informationen von Wissenden auf Nichtwissende übertragen, sie sind Medien insofern, als sie ein Hintergrundwissen bereitstellen und jeweils fortschreiben, von dem man in der Kommunikation ausgehen kann. Die konstituierende Unterscheidung ist nicht Wissen/ Nichtwissen sondern Medium und Form. Das Medium stellt einen riesigen, aber eingeschränkten Bereich von Möglichkeiten bereit, aus dem die Kommunikation Formen auswählen kann, wenn sie sich temporär auf bestimmte Inhalte festlegt.“ Ders., Die Realität der Massenmedien, Westdeutscher Verlag, Opladen, 1996, S. 121 f.

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einander wirken, reagieren in Eames' Ausstellungsarchitektur materieller Sehraum und wahrgenommener Raum mit- und gegeneinander. Die Raumgrenzen selbst befinden sich in Bewegung, die Lücke verstärkend und aufhebend. Ein dynamisches Raumsystem macht einem statischen Platz. Die Folge davon ist ein an Außenreizen orientiertes Modell, das mehr an psychischen Vorgängen im Betrachter interessiert sei – so wie es Deleuze im Zeit-Bild beschreibt.236 Die Wirkungen bewegter Bilder können danach nicht unmittelbar auf die Reizursachen zurückgeführt werden, sondern stehen in direkter Beziehung zur psychophysischen Disposition des Rezipienten. Schon McLuhan bezog sich in seiner Medientheorie auf den Betrachterstatus im Informationsprozess. McLuhan gebrauchte die Metapher der Temperatur, die „heiße“ von „kalten“ Medien unterscheidet, um daran ihren Informationswert zu qualifizieren. Danach seien „heiße“ Medien im Gegensatz zu „kalten“ solche, die sehr viele Informationen lieferten, um konsumiert zu werden. „Kalte“ Medien dagegen lieferten wenig Informationen und müssten vom Betrachter ergänzt werden.237 Durch die fragmentierte Form der Bildpräsentation kühlten die Eames das „heiße“ Medium Film ab und bezogen den Betrachter stärker in die Inszenierung ein. Das Fehlen einer bildinternen Verbindung setzte die dialektische Logik einer bildexternen Ordnung außer Kraft. Die Aufhebung der linearen, logischen Struktur führt zum Verlust eines mit Sinn aufgeladenen, internen Zusammenhangs. Dieser macht das Bild zur sinnfreien Einheit in informationstheoretischer Hinsicht, da die Informationstheorie den immer gleichen, medienunabhängigen Inhaltstransport sicher stellt. So löst die Bilderserie die ästhetische und logische Trennung eines zusammenhängenden Bilderflusses. Deleuze spricht in diesem Kontext vom Bruch der „sensomotorischen Verbindungen“. Das Bildungsziel der Eames'schen Ausstellungsarchitektur liegt demnach in der Vermittlung neuer Sehweisen. Obwohl die Eames vordergründig im Auftrag der US-amerikanischen Regierung handelten, nahmen sie die informationstheoretische Lesbarkeit vorweg, die Deleuze in seiner Kinotheorie thematisiert. So wie Charles und Ray Eames' Simultanbildpräsentationen in Seattle und in New York die Sukzession aufgaben oder, nach Deleuze, die Handlungsstruktur 236 Vgl. Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, a.a.O., S. 341. 237 Vgl. Marshall McLuhan, Medien verstehen: der McLuhan-Reader,

Mannheim, 1997, S. 159.

Baltes (Hrsg.), Bollmann,

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abbreche, steht der Betrachter vor „rein optischen oder rein akustischen Situationen“. So wird diesem die Aufgabe erteilt, Bilder nicht nur zu sehen, sondern auch zu lesen, d.h. zu interpretieren.238 Der Sinn der Präsentation verkehrt sich gleichzeitig. Er wird nicht dargestellt. Vielmehr entzieht er sich der Repräsentation und ergibt sich erst im abbildfreien Zwischenraum, der dem Betrachter zur Interpretation vorgesetzt wird. Diese Haltung steht in enger Beziehung zu Eames' eigenen Aussagen zu ihren Lehrprogrammen, in denen der Lehrer auf der Grundlage eines Informationsüberschusses die Zusammenhänge assoziativ selbst herstellen sollte.

5.2.0 Der beliebige Raum Nach gestalttheoretischen Gesetzmäßigkeiten brachten falscher Anschluss und Leinwandzwischenraum Bilder oder Kippbilder hervor, die einer unsichtbaren Bildhierarchie folgen.239 Mit Deleuze dagegen verzichteten die Eames durch die Methode des harten Schnitts, der unabhängige Bildszenen zueinander in Beziehung setzt, auf Bildhierarchien zugunsten der Serie. Folgt man Deleuze, so sahen auch Charles und Ray Eames, abgesehen von einigen übergeordneten Superbildern, von Bild- und damit auch von Raumhierarchien ab. Gesteuert oder zufallsgeneriert über einen Computer schlossen sie Leinwand- und Bildgruppen aus stehenden und bewegten Bildern zusammen. Im IBM-Pavillon, in dem die Leinwände der Kugelform folgten, verzichteten sie gänzlich auf Raumhierarchien. Der wahrgenommene Raum wies keine klare Grenzen oder mögliche Richtungen mehr auf. Mögliche Funktionszuweisungen von Decke, Boden oder Wand oder der Hierarchie von vertikaler oder horizontaler Ordnung gingen hier ganz zugunsten einer am natürlichen Sehsinn orientierten Wahrnehmung auf. Die simultane Präsentation unterschiedlicher Perspektiven und Kameraeinstellungen ersetzte in Eames' Ausstellungsbeiträgen die Zentral- durch die Parallelperspektive. Parallele Stadtszenen oder Luftbilder von Autobahnkreuzen präsentierten Bilder simultan entgegen der natürlichen Wahrnehmung im Realraum. 238 Mirjam Schaub, „Wenn das neue Kino nur disperse Zeichenmaterie anbietet, zu welcher Wahl verleitet es seine BetrachterInnen? Das neorealistische Kino wird lesbar, denn es zeigt Bilder, die sich – gleichsam fraktalisierend – jeweils nur an das Sehen, das Hören und das Denken richten.“ Dies., Gilles Deleuze im Kino: das Sichtbare und das Sagbare, Fink, München, 2003, S. 243. 239 Vgl. Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, a.a.O., S. 346-357.

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Nach Deleuze verändert sich mit der Kameraeinstellung auch die Blickorganisation und mit ihr die Parameter von vertikaler und horizontaler Raumorganisation.240 Ralph Caplan schreibt den Eames durch ihren konsequenten Einsatz des schnellen Schnitts sogar die Erfindung einer neuen Filmgattung zu. Die raschen Bildabfolgen in ihren Ausstellungsfilmen sind das Ergebnis einer alternierenden Montage, die allein durch die Kontinuität eine eigene Stabilität erreicht. Das Fehlen einer internen Bezugsstruktur der Bilder wurde in Eames' Simultanbildpräsentationen zum Phänomen, da im Programm der Gleichzeitigkeit keine Bildbezüge mehr geklärt werden. Folgte im Bewegungs-Bild. Kino 1 die Blickorganisation noch einer Logik, indem der Blick einer Person, der Kamera, des Traums oder einer fiktiven Figur dargestellt wurde, wird in der zeitlichen und räumlichen Simultaneitätsdarstellung der beliebige Raum zum Programm. So wurde die Logik des Betrachters durch die Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen gebrochen und mit ihr die Konventionen der Zuschauererfahrung. Die Technik der Simultanbildpräsentation ermöglichte das visuelle Erlebnis des Widerspruchs. Nach Deleuze gewinnt im neuen Zeit-Raum jedes Einzelbild eine gleichberechtigte Bedeutung, indem sich die Bewegung auf jeden beliebigen Moment beziehe.241 Damit erzeuge die Simultaneität die Qualität der „Deterritorialisierung“. Die neuen Ordnungsstrukturen stellten Ergebnisse arithmetischer Verteilungen in Analogie zu den Operationen der Informationsästhetik dar.242

Abb.76: Multiperspektive im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrag in Seattle 1962

240 Ebd., S. 339. 241 Vgl. Gilles Deleuze, Das Bewegungs-Bild. Kino 1, a.a.O., 242 Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, a.a.O., S. 341.

S. 49, 17.

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Abb.77: Multiperspektive im IBM-Pavillon in New York 1964/65

Abb.78: Multiperspektive in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959

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5.2.1 Kino als geistiger Automat Das Phänomen einer neuen Wahrnehmungstheorie des Kinos hält Deleuze in der Bezeichnung der Kinematografie als „geistigem Automaten“ fest.243 Unterstützt durch spezifische Raumtypologien zur Bildraumweitung im Dienst der Illusionierung von Raum, wirkten digitale Darstellungsformen der Simultanbildpräsentationen der Eames'schen Ausstellungsbeiträge auf die Psyche und die kognitiven Fähigkeiten des Betrachters. In Abhängigkeit kalkulierter Einsätze von Produktionstechniken der Kinematografie, und unter Berücksichtigung der Rezeptionsfähigkeiten des Betrachters, schufen die Eames so Informationsräume, die sich zwischen optimierten Wahrnehmungsleistungen und persönlichen Ergänzungen durch den Betrachter bewegten. Vor diesem Interpretationshintergrund repräsentierten Charles und Ray Eames mit ihrer Ausstellungsarchitektur räumliche Strukturen, die nach den Regeln der Informationsästhetik die Lichtbildsignale als Mosaikstrukturen auf die Leinwand brachten. So unterwarfen die informationellen Raumpraktiken die Architektur, die Medientechnik und den Betrachter als sich wechselseitig beeinflussende Größen im Kommunikationsprozess. Daran knüpft Jeremy Shapiro in Digitale Simulation an, wenn er die neuen Produktions- und Repräsentationsformen nicht nur als neues pädagogisches Instrument betrachtet – mit Bezug auf Herbert Marcuse und Jürgen Habermas als Debatte zwischen „der Technologie [als] Teil des Gattungswesens oder eher eine[r] Herrschaftsstruktur“ – , sondern in letzter Konsequenz die Frage nach den Veränderungen von Sehgewohnheiten und schließlich der Genetik des Menschen selbst als Folge digitaler Medientechniken stellt.244

243 244

Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, a.a.O., S. 336. Jeremy Shapiro, „Aber es ist nicht klar, ob die aufgeworfene Frage nach übergeschichtlichen Gattungseigenschaften im Vergleich zum geschichtlichen und sozialen Aufbau der Technologie die richtige Frage ist. Denn es gibt schon Wissenschaftler, die im Kontext der radikalen Auswirkung von Computerisierung und Gentechnologie auf die Natur und die menschliche Natur, vom Menschen „Posthumanen“ und „Transhumanen“sprechen. Damit deuten sie auf die Art hin, in der, wenn wir die Geschichte ernst nehmen, das „genetische Material“ der Menschen, die durch diese Auswirkung beeinflusst werden, nicht mehr das gleiche wie das der vorigen Generation ist. Also gilt auch unter den besten Umständen, die wir und für das Entwerfen einer alternativen Gesellschaft und einer alternativen Technologie vorstellen können, dass wir sie entwerfen, zweifellos durch einen Abgrund von denen getrennt sein werden, die sich ähnlichen Fragen vor uns stellten.“ Ders., in: Digitale Simulation. Theoretische und geschichtliche Grundlagen, S. 24, in: Zeitschrift für kritische Theorie, Schweppenhäuser, Bock (Hrsg.), zu Klampen, Lüneburg, Heft 17, 2003,S. 24.

KRITIK AN DEN EXPERIMENTALWISSENSCHAFTEN

6. Kapitel Kritik an den Experimentalwissenschaften „It is the illusion that film is a controlled medium – you work like hell to refine a statement, but once it is in the can you feel that the image, the emphasis, the timing are all under control. It's just an illusion.“245

Das Nachkriegsamerika zelebrierte in experimentellen Filmen, in Auftragsfilmen und im Expanded Cinema den Geist der 1960er Jahre.246 Auch Charles und Ray Eames wählten im Auftrag der US-amerikanischen Regierung und Wirtschaft einen neuen Umgang mit Bildern im Raum. Trotz selbstkritischer Haltung zur Berechenbarkeit des Films benutzten die Eames Strategien der Betrachterbeeinflussung durch die Wahl des Einsatzes spezifischer Apparatetechniken, teilweise gekoppelt an ausgewählte Bildinhalte. Mit diesen verfolgten sie einerseits die Pragmatik eines kalkulierten Informationstransports im Sinne der Automatentheorie, und andererseits die Ziele einer wahrnehmungsgeleiteten Medienpraxis.247 Grundsätzlich wurden die Strategien experimenteller Wissenschaften mit dem Ziel von Rationalisierungsleistungen nicht nur von Oswald Wiener mit seinem Modell des „bioadapters“ ironisch kommentiert. Im Positivismusstreit der 1960er Jahre zweifelten Anhänger der kritischen Theorie die Methoden der Experimentalwissenschaften an. Sie kritisierten daran die auf der Grundlage der Apparatetechnik mögliche Unterordnung der Individualität unter kommerzielle und wissenschaftliche Absichten. Rudolf zur Lippe erkennt in den Experimentalwissenschaften Methoden, die auf Kosten der Objektivität ein neues „Weltkonstrukt“ der „Welt als Maschine“ zugrunde legt. Mit Verzicht auf eine ganzheitliche Betrachtung der Welt befreiten danach die statistischen Methoden den Menschen aus dem Glauben an eine religiöse Ordnung, um ihn stattdessen selbst als verrechenbare Größe ins Zentrum zu rücken; als Ergebnis sei aber 245 Vgl.

Charles Eames, in: Poetry of Ideas: The Films of Charles Eames, Paul Schrader, Film Quaterly, Spring 1970, S. 14. 246 David Curtis, Experimental Cinema: A Fifty Year Evolution, Studio Vista, London, 1971, S. 49-133 und American Federation of Arts (Hrsg.), A History of the American Avant-Garde Cinema: a film exhibition, New York, 1976, S. 19-132. 247 M. J. Sullivan, „A film might show the value of a multinational effort in terms of product development, problem solving and the positive aspects and contribution that technology can make to any person's life.“ Ders. in der Funktion eines Vertreters der Corporate Promotional Services IBM in einem Brief an Charles Eames, in: E, LOC, M D, Box 48, Folder 4, General Correspondence.

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gerade diese Methode mit dem Verlust der menschlichen Individualität verbunden.248 Die neue Weltordnung auf der Basis der Maschine konnte nach Rudolf zur Lippe jedoch zum Mythos aufsteigen, da das ihr zugrunde liegende neutrale Zahlensystem der Mathematik dem Subjekt Autonomie versprach, während es den Menschen gleichzeitig den Interessen des Staates durch ökonomische Rationalisierungsbestrebungen der Produktivkraftsteigerung unterwarf. Rudolf zur Lippe übte aus diesen Gründen an der Methode der Experimentalwissenschaften, der Zerlegung der Welt in Teile, d.h. ihrer Berechenbarkeit, Kritik, die in der kybernetischen und in der experimentellen Wissenschaft Programm ist. Der Preis für die Betrachtung der Welt in Teilen aus ganz bestimmten Blickwinkeln reduziere und verfälsche dieselbe. Indem dem Sehsinn, wie in den vorliegenden Untersuchungsbeispielen, eine Vormachtstellung erteilt werde, gehe nach zur Lippe eine „Sinn-Teilung“ im wahrsten Sinne des Wortes einher. Zur Lippe sieht darin einen allgemeinen Bedeutungs- und Werteverlust.249 Mit seiner Kritik bewegt er sich damit in der Tradition der Frankfurter Schule, die gegen den Positivismus der Methodengleichsetzung von Natur- und Humanwissenschaften und für eine ganzheitliche Betrachtung der Welt eintrat. Bezogen auf Eames' Ausstellungsarchitektur bezieht er eine Gegenposition zur pragmatischen Haltung der US-amerikanischen Regierung und von IBM, die sich in der Anwendung der Experimentalwissenschaften in Eames' Ausstellungsbeiträgen wiederfinden. Wie zur Lippe kritisiert auch Gerhard Vinnai als Anhänger der kritischen Theorie den Einsatz von Experimentalwissenschaften, die ihren Untersuchungsmethoden Wertefreiheit zugrunde legen. In Die Austreibung der Vernunft aus der Wissenschaft lehnt er die Preisgabe objektiven Wissens zugunsten eines psychologischen Konstruktivismus ab.250 Der psychologische Konstruktivismus Varelas und Maturanas fördere seiner Meinung nach die Instrumentarien, die eine Unterordnung des Menschen unter jeden Zweck gerade erst ermöglichten. Vinnai wendet sich damit ebenso von der Gestaltpsychologie ab, die den Freiheitsbegriff ignoriere und den Menschen gegen die „europäische Moralphilosophie“ zu manipulierbaren Objekten degradiere.251 Vielmehr tritt er für eine kritische 248

Vgl. Rudolf zur Lippe, Neue Betrachtung der Wirklichkeit. Wahnsystem Realität, Europäische Verlagsanstalt, Hamburg, 1997, S.94 ff. Ebd., S.218. Vgl. Gerhard Vinnai, Die Austreibung der Vernunft aus der Wissenschaft, Campus-Verlag, Frankfurt/M., 1993, S. 63. 251 Ders., „Experimentelle Realitäten passen zu sozialen Realitäten, in denen Menschen tendenziell auf Objekte der Macht reduziert werden.“ Ebd., S. 62. 249 250

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Analyse ein, die die psychologischen wie die kulturellen Umstände des Menschen aufdeckten. Die positivistischen Wissenschaftsuntersuchungen Maturanas und Varelas betrachtet Vinnai unter dem Vorbehalt einer Scheinobjektivität durch mathematische Verrechnung; entgegen der Annahme der Neutralität ihrer Methoden seien diese niemals neutral, sondern in erster Linie von Macht- und Wirtschaftsinteressen gelenkt.252 Auch der Informatiker und Kritiker der Computerkultur Joseph Weizenbaum weist diesbezüglich auf die Gefahr hin, den Menschen durch die wertefreien Methoden der Experimentalwissenschaften zum Objekt von Machtinteressen herabzustufen.253 Weizenbaum führte mit seinem Programm „Eliza“, das im algorithmischen Zufallsverfahren typische Dialoge zwischen Psychotherapeuten und ihren Patienten verfasste, seine Probanden vor, die die simplen Aufzeichnungen für echte menschliche Konversationen hielten. Weizenbaum verwehrt sich daher gegen die scheinbar unbegrenzten Möglichkeiten der Computertechnologie zur Erzeugung aussagekräftiger, verwertbarer Ergebnisse. Ganz im Gegenteil seien Sinnzusammenhänge als Produkte der Computertechnologie nur durch die Interpretation durch den Menschen leistbar. Dieser Kritik schließt sich auch Herbert Marcuse in Der eindimensionale Mensch an. Darin lehnt er die Quantifizierung von Lebenshandlungen als Instrumente von Machtinteressen ab.254 Denn der Mensch, der sich den Gegebenheiten anpasse, um sich als vollwertiges Mitglied der Gesellschaft zu fühlen, verliere die kritische Distanz zum System der Industriegesellschaft. Dabei bezieht Marcuse den Begriff der Eindimensionalität auf eine „vernünftige demokratische Unfreiheit [...][als]ein Zeichen technischen Fortschritts“.255

252

Ebd., S. 63, Gerhard Roth und Humberto Maturana beschreiben im Modell des Konstruktivismus das Gehirn als operational geschlossenes, auf sich selbst bezogenes System. Einer Reizung könne danach mit unterschiedlichen Gehirnoperationen antworten, während das Gehirn Reizen qualitativ nicht unterscheiden könne. In der konstruktivistischen Neurobiologie ist die Codierung des Gehirns für alle Sinnesreize die gleiche. Vgl. Gerhard Roth, Autopoiese und Kognition: Die Theorie H. R. Maturanas und die Notwendigkeit ihrer Weiterentwicklung, in: Der Diskurs des Radikalen Konstruktivismus, Schmidt (Hrsg.), Frankfurt/M. 2000, S. 256-286. 253 Vgl. Joseph Weizenbaum, Die Macht der Computer und die Ohnmacht der Vernunft, Suhrkamp, Frankfurt/M., 1990 (1978), S. 104 f. 254 Vgl. Herbert Marcuse, Der eindimensionale Mensch, Suhrkamp, Frankfurt/M., 1989, [1967], S. 162 ff., Statistiken widersprechen nach Marcuse der auf Selbstbestimmung basierenden Lebensphilosophie Henri Bergsons, der die freie Wahl des Menschen ins Zentrum seiner philosophischen Ausführungen rücke. Bergson unterscheidet darin gerade zwischen qualitativer Zeiterfahrung und quantitativer Zeitmessung. Vgl. Henri Bergson, Zeit und Freiheit, Eugen Diederichs, Jena, 1920. 255 Ebd., S. 21.

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Geht es den Vertretern der kritischen Theorie um eine ganzheitliche Weltbetrachtung und Erhaltung von Wertesystemen und Moralvorstellungen, so führt Jonathan Crary in seiner technischen Rezeptionsgeschichte aus der Sicht des Historikers Aspekte veränderter Wahrnehmungsweisen als Produkte von Techniken an. Dabei verweist Crary auf die Gefahr von Fehlspekulationen als Ergebnis induktiver, naturwissenschaftlicher Methoden. Ganz konkret benennt er die Gefahr der Fehlsteuerung von Aufmerksamkeitslenkung. Hatten die Neurophysiologen im Zuge der Qualifizierung von Aufmerksamkeit arithmetische Quantitäten mit den Qualitäten ihrer Wirkungen in Beziehung gesetzt, um so die Ergebnisqualitäten von Langeweile, Irritation und Interesse zu messen, so warnt Jonathan Crary, entgegen dem Versprechen der individuellen Freiheitszunahme durch Einsatz der Strategie der Aufmerksamkeitslenkung, vor Kontrollverlusten und „Zustände[n] der Zerstreuung“.256 Im Anschluss an die kritische Theorie weist Crary auch auf die Gefahr einer verflüchtigten, nicht konzentrierten Isolation des Menschen hin, die von der mit der Aufmerksamkeit verbundenen reflexiven Innenperspektive einher gehe.257 Setzten die Eames in ihrer Simultanbildpräsentation in der USamerikanischen Nationalausstellung in Moskau eine gleich bleibende Taktung gezielt mit der Absicht der Imaginationssteigerung ein, um die Aufmerksamkeit bewusst nicht auf einzelne Bilder zu lenken, so warnt Crary vor der gegenteiligen Wirkung von Aufmerksamkeitssteuerungen: „Gleichzeitig führt jede Mutation in der Konstruktion von Aufmerksamkeit parallel dazu zu Veränderungen in der Form der Unaufmerksamkeit, der Zerstreuung und den Zuständen von „Geistesabwesenheit“.258 Da die experimentalwissenschaftlichen Methoden Wertefreiheit versprechen, wurden sie in der Nachkriegszeit insbesondere von den Amerikanern zu pragmatischen Zwecken eingesetzt.259 Die breite Technikakzeptanz bildete den Nährboden für die Etablierung neuer Kommunikationsmittel im Dienst von 256 Vgl.

Jonathan Crary, Aufmerksamkeit. Wahrnehmung und moderne Kultur, a.a.O., S. 45 und Herbert W. Franke, Kunst als Datenverarbeitung, a.a.O., S. 93. 257 Jonathan Crary beschreibt in Aufmerksamkeit die moderne Form der Aufmerksamkeit, in denen sich subjektive und automatische Aufmerksamkeit überlagern und sich entäußern. Vgl. Jonathan Crary, Aufmerksamkeit: Wahrnehmung und moderne Kultur, a.a.O., S. 68 f. 258 Ebd., S. 67. 259 Damit setzten sie in gewisser Weise den amerikanischen Prgamatismus fort, der sich – hervorgegangen aus dem europäischen Empirismus des 17. Und 18. Jahrhunderts – inbesondere als Methode verstand. Vgl. Hans-Joachim Dahms, Positivismusstreit. Die Auseinandersetzung der Frankfurter Schule mit dem logischen Positivismus, dem amerikanischen Pragmatimus und dem kritischen Rationalismus, Suhrkamp, Frankfurt/M, S. 191-225 und Hans Joas, Pragmatismus und Gesellschaftstheorie, Suhrkamp, Frankfurt/M., 1992, S. 96 ff.

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Politik und Wirtschaft.260 So traten die amerikanische Regierung und IBM als weltweit führendes Unternehmen der Computertechnologie der unmittelbaren Nachkriegszeit im Kleid innovativen Designs in Erscheinung. Obwohl die Vermutung nahe liegt, dass Charles und Ray Eames Propaganda- und Werbedienste im In- und Ausland vertraten, suchten sie eigene, künstlerische Repräsentationsformen, die von den Wissenschaftsmethoden der Nachkriegszeit beeinflusst waren. Verfolgt man die Idee Eames'scher Ausstellungsbeiträge als Werbe- und Propagandamittel weiter, so lässt sich feststellen, dass die Eames durch ihre Simultanbildpräsentationen die Gegenständlichkeit von Machtauftritten der Vorkriegszeit ersetzten. Vor diesem Diskussionshintergrund schufen die Eames eine neue, entpersonalisierte Politik im Zeichen unterschwelliger Werbung und Propaganda, indem sie den experimentellen, informationsästhetischen Einsatz bewegter und stehender Bilder als Kommunikationsmittel etablierten. Diese Strategien dienten der Erziehung des Betrachters, während sie diesen beiläufig unterhielten. Im Interesse der amerikanischen Regierung sollte auf der Grundlage der Kybernetik der Führungsanspruch derselben im Kalten Krieg zurückgewonnen werden, den sie zuvor in der Raumfahrt verloren hatten. Denn beide Entwicklungen, die Raumfahrt und die Computertechnik, basieren auf der Kybernetik, die während des Zweiten Weltkriegs entwickelt wurde. Aus der Sicht der Auftraggeber trat hier so die Technik in den Dienst von Macht und Wirtschaft.261 Claus Pias warnt in diesem Kontext vor dem Missbrauch des Auslieferns des Menschen an neue kryptografische, neutrale Machtstrukturen.262 Denn im Kalten Krieg zwischen den USA und der UdSSR agierten die USA unter dem Deckmantel der Ideologiefreiheit des Westens, indem sie mit der Computertechnologie ein scheinbar neutrales Werkzeug einsetzten.263 Unter Berücksichtigung der Experimentalwissenschaften konnten mathematische Darstellungsweisen mit neuen Sinn- und Bedeutungszusammenhängen aufgeladen werden. Vor diesem Hintergrund traten technologische Darstellungsformen mit konnotierten Bildinformationen in Erscheinung, die neue Bildsemantiken hervorbringen konnten. Gekoppelt an die Bedeutungen der Kinotechniken operierten die Eames 260 „Computer is just a tool. Man is necessary to give it meaning.“ In: E, LOC, M D, Box 147, Folder 1, Outlines of Exhibition. 261 Vgl. Michel Foucault, „Macht (sei) [...] nicht in erster Linie Erhaltung und Reproduktion der ökonomischen Verhältnisse, sondern vor allem ein Kräfteverhältnis in sich selbst.“, Ders., Verteidigung der Gesellschaft, Vorlesungen am College de France (1975-1976), Frankfurt/M., 1999, S. 25. 262 Vgl. Claus Pias, Zeit der Kybernetik, a.a.O., S. 17. 263 Ebd., S. 35.

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gleichzeitig auf der Ebene des architektonischen Raums, der Technik und der Betrachtererwartungen und -dispositionen. Doch gerade die Spekulation relativiert die Aussicht auf gezielte Informationssendung und entschärft gleichzeitig die Möglichkeit von Machtmissbrauch.

6.1.0 Neue Formen der Macht Neben der Disziplinierung des Ausstellungsbesuchers durch die Festlegung seiner Bewegungsformen stellt nach Ansicht des koreanischen Philosophen ByungChul Han auch die Kalkulation seines Sehsinns eine Form der Macht dar. Denn nach Han bildet schon allein das Einüben neuer Formen der Gewöhnung durch die Qualität der Unmittelbarkeit eine Disziplinierungsstrategie im Zeichen von Macht.264 Noch zentraler scheinen Foucaults Überlegungen zu Stabilisierungsformen der Macht. Nach Foucault entstehen nämlich Herrschaftsstrukturen in erster Linie nicht funktional oder zweckbestimmt, sondern schon durch die Etablierung von Regelsystemen.265 Gilles Deleuze legt in Das Elektronische Halsband die Konsequenzen für neue Machtstrukturen in einer datenkontrollierten Gesellschaft offen.266 Die Raumerfahrungen des Betrachters lenkten Charles und Ray Eames über die spezifischen Raumtypologien.267 Die eingesetzten Techniken der Kinematografie und ihre Präsentationsformen banden durch die Strategien der Aufmerksamkeitslenkung den Körper und die Sinne an die Aufführung. In Analogie zu Disziplinierungsstrategien stellt Foucault in Überwachung und Strafen Instrumentarien der Kontrolle vor. Foucault spricht in diesem Zusammenhang auch von einer pädagogischen Maschine.268 In demselben Sinne wie er diese an 264 Vgl. Byung-Chul 265 Michel Foucault,

Han, Was ist Macht?, Reclam, Stuttgart, 2005, S. 52. Wolfgang Schäffner (Hrsg.), Über Hermaphrodismus: [der Fall Barbin]/Herculine Barbin, S. 7-18, Suhrkamp, Frankfurt/M., 1998. 266 Vgl. Gilles Deleuze, Das elektronische Halsband. Innenansichten der kontrollierten Gesellschaft, Neue Rundschau 3/1990, Frankfurt/M., 1990, S. 5-13. 267 Michel Foucault, „Eine Architektur, die ein Instrument zur Transformation der Individuen ist: Die auf diejenigen, welche sie verwahrt, einwirkt, ihr Verhalten beeinflussbar macht, die Wirkungen der Macht bis zu ihnen vordringen lässt, sie einer Erkenntnis aussetzt und sie verändert.“, Ders., Die Mittel der guten Abrichtung, S. 222, in: ders., Überwachen und Strafen: die Geburt des Gefängnisses, Suhrkamp, Frankfurt/M., 1979. 268 Michel Foucault, „Der perfekte Disziplinarapparat wäre derjenige, der es einem einzigen Blick ermöglichte, dauernd alles zu sehen. Ein zentraler Punkt wäre zugleich die Lichtquelle, die alle Dinge erhellt, und der Konvergenzpunkt für alles, was gewusst werden muss: Ein vollkommenes Auge der Mitte, dem nichts entginge und auf das alle Blicke gerichtet wären.“, Ders., Ebd., S. 224.

KRITIK AN DEN EXPERIMENTALWISSENSCHAFTEN

festen Raumzuweisungen und Festlegungen des Blickfeldes konstatiert, wiesen die Eames dem Ausstellungsbesucher einen Steh- oder Sitzplatz zu, der der optimierten Ausrichtung des Blickfelds diente. Meint Foucault damit den unsichtbaren Blick des Überwachenden, fungierten in Eames' Weltausstellungsbeitrag in New York neben dem Instrukteur die eingesetzten bewegten und stehenden Bilder als wahrnehmungs- und bewusstseinsbeeinflussende Instrumentarien. Gemessen an den Ausführungen Foucaults ist die Verkehrung der Typologie der Eames'schen Ausstellungsarchitektur bemerkenswert. Foucault legte seinen Überlegungen den Grundriss des Panoptikums zugrunde, in dem der Wärter das Zentrum einnimmt. In Charles und Ray Eames' Ausstellungsarchitektur finden wir dagegen Raumtypologien, die den Betrachter ins Zentrum rücken. Nicht mehr wie im Panoptikum, wo die Gefängnisinsassen vom zentral positionierten Aufseher überwacht werden, rücken nun die Überwachten ins Zentrum. Eames unternehmen den Versuch, den Betrachter unter Einsatz bewegter und stehender Bilder in Mehrfachprojektion zu beeinflussen.269 Doch anders als im Beispiel des Panoptikums reichen die Beschreibungen im Medienraum auf der Grundrissebene nicht mehr aus. Stattdessen muss eine perspektivische Bildraumbeschreibung für die neue Wahrnehmungssituation des Betrachters herangezogen werden. Diese auf den Wahrnehmungsaspekt ausgerichtete, und dem Zeitaspekt untergeordnete Ereignisarchitektur kommt daher nicht mehr nur durch die klassische Architekturdarstellung der zweidimensionalen Geometrie aus. Im Gegensatz dazu hängt der neue Ereignis-Raum an der genauen Definition des dreidimensionalen Raums und seinen Parametern, die die Betrachterbedingungen in gleichem Maße berücksichtigen wie den Raum an sich. Diese stehen im Zeichen einer pragmatischen und empirischen Haltung im Sinne naturwissenschaftlicher Methoden.

269 Michel Foucault, „Dank den Techniken der Überwachung vollzieht die „Physik“ der Macht ihren Zugriff auf den Körper nach Gesetzen der Optik und der Mechanik und in einem Spiel von Räumen, Linien, Schirmen, Bündeln, Stufen und verzichtet zumindest im Prinzip auf Ausschreitung und Gewalt. Diese Macht ist scheinbar um so weniger körperlich und physisch, je gelehrter und physikalischer sie ist.“, Ders., Ebd., S. 229.

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7. Fazit Die vorliegende Arbeit untersucht die Bedeutung von Eames' Ausstellungsarchitektur 1959 bis 1965 als Kommunikationsmedium. Aufgrund hoher Überstimmungen der angewandten Prinzipien in ihren Ausstellungsbeiträgen mit den Experimentalwissenschaften und der Kybernetik legt die Untersuchung eine Überprüfung der Steuerungstechnik, der Informationsästhetik, der Kognitionswissenschaften und der Gestaltpsychologie auf die äußere Form und die innere Struktur der Eames'schen Architektur nahe. Während Charles und Ray Eames mit, auf den rechten Winkel verzichtenden Gebäudeformen einer an der Außen- und Innenraumperspektive orientierten visuellen Wahrnehmung folgten, widmeten sie die Simultanbildpräsentationsformen in ihren Ausstellungsbeiträgen 1959 bis 1965 neuen Formen der Aufnahme und des Verstehens visueller zeitgebundener Darstellungen, die den Betrachter als Hersteller der Gesamtzusammenhänge integrierten. Dazu machten Charles und Ray Eames von der Binärkodierung als Voraussetzung mathematischer Berechenbarkeit Gebrauch, die sie auf die Technik der Kinematographie und die Anordnung der Leinwände im Raum anwandten. Unter Zuhilfenahme des Modells der Kybernetik – gemäß Marshall McLuhans These vom Primat des Mediums über den Inhalt – konnten die Eames so zunächst, ohne allzu große Rücksicht auf die Bildinhalte, die Projektionen als Ergebnis der Medientechnik präsentieren.270 Auf der Grundlage der Schnitt- und Montagetechniken des Films zerlegten sie Informationen zunächst in diskrete Einheiten, um sie anschließend gezielt oder zufallsgeneriert neu zu kombinieren. Diese brachten sie auf Leinwandfelder, die einerseits den Raum segmentierten und andererseits den spezifischen Raumtypologien einer Kuppel, eines Panoramas bzw. einer Halbkugel folgten. Mit der Anwendung der Binärform auf die Leinwandformation in spezifischen Raumtypologien und auf die Kinematografie generierten die Eames so eine neue Filmgattung und etablierten neue Entwurfsstrategien.271 270 Vgl. 271 Vgl.

Marshall McLuhan, Die magischen Kanäle, a.a.O., 1968. Ralph Caplan, Connections, a.a.O., S. 47.

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Die Energieform der Lichtbildsignale im ein- oder ausgeschalteten Zustand folgte ebenso dem Prinzip der Binärkodierung und ließ darüber hinaus eine Fülle an Kombinationsmöglichkeiten von Darstellungen zu, die vor dem Hintergrund der Informationsästhetik und Gestaltpsychologie Informationen kalkulierbar machten. Außerdem lassen sich aus der Sicht von Physiologie und den Kognitionswissenschaften die Parameter der Eames'schen Ausstellungsarchitektur aufweisen, die die Rezeption von Informationen klassifizieren. Die Anwendung der Entwurfsstrategien auf den Raum hatte eine Neudefinition desselben zur Folge. Gleichzeitig projizierte Einzelbilder der Simultanbildprojektionen dekonstruierten beispielsweise den Wahrnehmungsraum und verwischten die Grenze zwischen Vorder- und Hintergrund. Die Folge davon war eine Destabilisierung von Raum. Die Leinwände stellten dabei am Beispiel der Eames'schen Ausstellungsbeiträge in Moskau und Seattle Serien desselben Typus oder wie in New York eine Vielzahl geometrischer Grundfiguren nach den Regeln der Gestaltpsychologie dar. Die Gestalttheorie und -psychologie treffen dabei vor dem Hintergrund von Wahrnehmungstheorien Aussagen zur Rezeptionsweise von Formen, Farben und Größen. Auffällig ist außerdem die Anzahl der Leinwände. Eames stellten nicht mehr als sieben Leinwände oder Gruppen von sieben dar. Die Zahl „sieben plus minus zwei“ stellt genau diejenige Größe dar, die George Miller zuvor als maximale Wahrnehmungskapazität deklariert hatte.272 In diesem Kontext stellten ihre Ausstellungsbeiträge, die sie selbst als „Informationsmaschinen“ bezeichneten, genealogisch die Kategorie wahrnehmungsorientierter Kommunikationsmedien dar.273 Da die Eames sich offensichtlich auf die Kybernetik bezogen – ihre vielzähligen Diagramme zu Shannons Informationstransportmodell legen Zeugnis darüber ab – , die sich mit der Gleichsetzung natürlicher und künstlicher Systeme befasst, konnten sie also mit den Strategien der Berechenbarkeit die Signaltheorie auf ihre Ausstellungsarchitektur übertragen und Bildpräsentationen und Betrachter in Beziehung zueinander setzen.274 Die Größe der Information, die nun gleichberechtigt neben die Entitäten Materie und Energie trat, machten die Eames 272 Vgl.

George Miller, The Magical Number 7, Plus or Minus Two: Some Limits on Our Capacity for Processing Information, a.a.O., S. 81-97. 273 Vgl. E, LOC, M D, Box 152, Folder 13, Invention + Innovation. 274 Vgl. Norbert Wiener, Cybernetics or Control and Communication in the Animal and the Machine, a.a.O.

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zum Darstellungsgrund: gemäß der Nachrichtentheorie sendeten die Lichtbilder Formen, Farben und Größen als Signale an den Ausstellungsbesucher. Nun stellten die Bildsendungen allerdings nach strengen informationstheoretischen Maßstäben nicht reine Informationen dar. Stattdessen arbeiteten die Eames sowohl mit konnotierten Bildinhalten als auch mit Symbolen, die sie zusätzlich über unterschiedliche Rhythmen steuerten. Diese so gesendeten Bildinformationen standen im Kontext neuer Lehrmethoden. Die Übertragung der Bildsendungen auf Raumkategorien machte insbesondere deshalb Sinn, weil die US-Amerikaner nach dem Sputnik-Schock nach neuen Kommunikations- und Lehrmethoden suchten und auf die Eames als erfahrene und im Umgang mit Materialien und Medien neugierige Architekten, Künstler und Designer zurückgriffen. Mit der Komplexität der Bildsendungen unterliefen Charles und Ray Eames die Logik einer linearen Inhaltsvermittlung. An ihre Stelle setzten sie die individuelle Herstellung des Gesamtzusammenhangs durch den Betrachter. Aus dieser Sicht verfolgten sie mit ihrer Ausstellungsarchitektur ein demokratisches Ziel durch aktive Einbindung eines mündigen Betrachters. Die neuen Präsentationsformen stellten weniger einen Stil, als vielmehr Instrumente der Disziplinierung und Kontrolle dar: denn der Betrachter übte in der Ausstellungsarchitektur auf der Grundlage der Simultanbildpräsentation neue Sehweisen ein. Nach Erkenntnissen der Physiologie kann man den Sehsinn des Betrachters als eigenständige Größe verhandeln. Eames ordneten dem Betrachter festgelegte Bewegungsräume zu, die mit ausreichendem Abstand den Sehraum weiteten, um so einen größeren Realitätseindruck zu gewinnen. Diese stellte nicht nur eine Disziplinierungsstrategie, sondern auch ein Kontrollinstrument dar. Beobachtete im Panoptikum noch der Aufseher die Insassen vom zentralen Turm aus, so kehrt sich das Verhältnis in Eames' Ausstellungsarchitektur um: die Besucher rücken ins Zentrum und werden zu Objekten der Bildbeeinflussung. Die Verbindung zwischen Bildpräsentation und Betrachter, der die Aufgabe hatte, die Bildinformationen zu verknüpfen, stellen eine Vorform des Interfaces dar. Zwar fehlte in Eames' Ausstellungsarchitektur streng genommen die aktive Einbindung des Betrachters, allerdings rechneten Eames mit seiner kognitiven Teilnahme.

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Der ehemals cartesianische Raum wurde durch neue Wahrnehmungsräume ersetzt. Diese fokussierten nach den Regeln der Wahrnehmungsphysiologie mental gemachte Räume in Abhängigkeit des Betrachters. So gibt die Schnittstellenbetrachtung zwischen Informations- und Raumstrukturen bzw. Produktions- und Repräsentationsformen in Eames' Ausstellungsarchitektur die Vorstellung fester Raumgrößen zugunsten verrechenbarer Raumparameter auf. Unter den veränderten Vorzeichen der Bildwissenschaften der 1980er und 90er Jahre, die unter dem Begriff des Iconic Turn bekannt wurden, entstand u.a. Gilles Deleuzes Kinotheorie, anhand derer Eames' Ausstellungsbeiträge neu gedeutet werden können.275 Aufgrund der Automation des bewegten Bildes, das die Lücke ein- und gleichzeitig das an die Sensomotorik sukzessiver Bilder gebundene „Off“ ausschließe, stellt Deleuze eine Tendenz zur besonderen Autonomisierung des Einzelbildes fest. Indem sich Deleuze von der Idee der Kollektivierung löst und auf die Individualisierung von Wahrnehmung setzt, bringt er den relationalen Raumbegriff hervor.276 Im Zusammenhang der Genealogie einer technikbestimmten Rezeptionsgeschichte, wie sie Jonathan Crary in Die Techniken des Betrachters beschreibt, und unter Einbeziehung Deleuzes Kinotheorie ist Eames' Ausstellungsarchitektur als Instrumentarium der Rezeptionsbeeinflussung und Bewusstseinsbildung zu verstehen.277 Durch die Gebundenheit der Präsentationsformen an den Rhythmus bzw. die Taktung entwerteten die Eames teilweise die Bildinhalte zugunsten ihrer Form. Mit der zwei-Sekunden-Taktung in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau strebten sie eine Imaginationssteigerung an. Die Zufallssteuerung im IBM-Pavillon in New York setzte dagegen auf Reizüberflutung und ließ keine Aussagen zur Wirkung mehr zu. Damit stellten die Eames ihre Simultanbildpräsentationen auf der Produktionsebene in einen Maschinenzusammenhang und 275 Vgl. 276 Vgl.

Gottfried Böhm, Jenseits der Sprache? Anmerkungen zur Logik der Bilder, a.a.O. Gilles Deleuze, Das Bewegungs-Bild. Kino 1, a.a.O. und Gilles Deleuze, Das Zeit-Bild. Kino 2, a.a.O.. 277 Vgl. Jonathan Crary, Techniken des Betrachters: Sehen und Moderne im 19. Jahrhundert, a.a.O.

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auf der Rezeptionsebene in Abhängigkeit der Kognitions- und Imaginationsleistung des Betrachters. Vor diesem Hintergrund muss man Eames' Ausstellungsbeiträge zwischen dem Versuch raumtypologisch angelegter Disziplinierungsstrategien mit dem Maßstab für kalkulierbare Informationsstrukturen und der Autonomisierung des Betrachters durch Fragmentierung der Einzelinformationen ansiedeln. Der Betrachter fungierte im kybernetischen Zusammenhang noch als kalkulierbare Größe, die Vertreter der kritischen Theorie dazu veranlassten, die Strategie der Berechenbarkeit ins Licht der Gefährdung menschlicher Freiheit zu stellen.278 Deleuzes Theorie mit Bezug auf die Lebensphilosophie Henri Bergsons erlaubt vor dem Hintergrund der kritischen Berachtung der universellen Berechenbarkeit eine neue Lesart der ereignisgebundenen, verräumlichten Simultanbildpräsentationen: sie bestätigt die Unvorhersehbarkeit ihrer Wirkungen und stärkt dadurch die selbstbestimmte Betrachterposition. Trotz der Grundlage der kybernetischen Normierung des Menschen im Dienst einer entpersonalisierten Politik des Kalten Krieges erfüllten Charles und Ray Eames' mediale Ausstellungsarchitektur aus der Perspektive von Deleuzes Kinotheorie den Zweck der Individualisierung des Betrachters und der Institutionalisierung des relationalen, zeitlich erfahrbaren Ereignisraums. Entgegen gestaltpsychologischer Annahmen genetisch angelegter Wahrnehmungsmuster mit dem Ziel kollektiver, universaler Ästhetikrezeptionen im Dienst der so genannten „guten Gestalt“, setzt Deleuze neue Maßstäbe für kalkulierbare Informationsstrukturen. Diese berücksichtigen die individuelle Interpretation der Bildinformation sowie die Erwartungshaltungen und Vorstellungen des Betrachters. Vor diesem Hintergrund muss man Eames' Ausstellungsbeiträge zwischen dem Versuch raumtypologisch angelegter Disziplinierungsstrategien mit dem Maßstab für kalkulierbare Informationsstrukturen und der Autonomisierung des Betrachters durch Fragmentierung der Einzelinformationen ansiedeln. Der Betrachter fungierte im kybernetischen Zusammenhang noch als kalkulierbare Größe, die Vertreter der kritischen Theorie veranlassten, die Strategie 278 Vgl. Rudolf zur Lippe, Neue Betrachtung der Wirklichkeit. Wahnsystem Realität, a.a.O. und Gerhard Vinnai, Die Austreibung der Vernunft aus der Wissenschaft, a.a.O..

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der Berechenbarkeit in den Kontext der Gefährdung der Freiheit des Menschen zu stellen.279 Deleuzes Theorie mit Bezug auf die Lebensphilosophie Henri Bergsons erlaubt vor dem Hintergrund einer kritischen Betrachtung der universellen Berechenbarkeit eine neue Lesart der ereignisgebundenen, verräumlichten Simultanbildpräsentationen: sie bestätigt die Unvorhersehbarkeit ihrer Wirkungen und stärkt die freiheitliche Entscheidung durch den Betrachter. Trotz der Deleuze'schen Lesart arbeiten kybernetische Strategien immer auch mit ökonomischen Rationalisierungsbestrebungen der Produktivkraftsteigerung. Vor diesem Hintergrund ist zu fragen, wie man unter den veränderten Vorzeichen heutiger digitaler Medien in einer globalisierten Welt Kontrollmechanismen entgegenwirkt, um die Freiheit des Individuums zu garantieren. Dazu bedarf es der kritischen Theorie, die einer positivistischen Haltung gegenüber dem Glauben an die Technik entgegenwirkt und freiheitliche Erscheinungen gegenwärtiger Kontrollformen enttarnt. Dabei gilt es, neben den eingesetzten Medien ihre Anwendungen auf den Raum näher zu untersuchen. Als Beispiele von Medienkontrollsystemen seien die Videoüberwachung, Überwachung von Telekommunikation wie der biometrische Personalausweis genannt. Unter dem Deckmantel einer Sicherheitsdebatte werden diese Kontrollmechanismen eingesetzt, um in erster Linie ein Sicherheitsgefühl zu wecken. Statistiken belegen die Regelmäßigkeit des Missbrauchs von staatlicher und wirtschaftlicher Seite. Mit der Typologie der Ausstellungsarchitektur schufen Charles und Ray Eames Produktionsformen und Rezeptionsbedingungen für Kommunikationsräume. Dazu machten sie von den Experimentalwissenschaften und der Kybernetik Gebrauch. Darüber hinaus nahmen sie technologische Entwicklungen vorweg und setzten neue Maßstäbe für Rezeptionsbedingungen, die ihrer Zeit voraus waren und erst vor dem Hintergrund postmoderner Bildwissenschaften ausreichend erfasst werden. In den 1940er Jahren erlebten die Eames eine Auftragsflaute. Sie standen kurz vor der Entscheidung, ihren Lebensunterhalt als Akrobaten im Zirkus zu verdie279 Vgl.

Rudolf zur Lippe, Neue Betrachtung der Wirklichkeit. Wahnsystem Realität, a.a.O. und Gerhard Vinnai, Die Austreibung der Vernunft aus der Wissenschaft, a.a.O.

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nen. Gerettet wurden sie von der US-amerikanischen Regierung, die sie beauftragte, Beinschienen für Kriegsversehrte zu formen. Aus dieser Technik heraus entwickelten sie einen innovativen Umgang mit Schichtholz, den sie schließlich für ihre Möbelentwürfe einsetzten. Als sie zwei Jahrzehnte später wieder von der US-amerikanischen Regierung für die US-amerikanische Nationalausstellung in Moskau beauftragt wurden, waren sie bereits bekannt und plagten sich nicht mit Sorgen um Aufträge. Ihre Arbeit zeichnete sich besonders durch einen offenen Umgang mit neuen Medien aus. Daher liegt die Vermutung nahe, dass sie in ihrer Neugier von den neuen Techniken der Kybernetik und den Methoden der Naturwissenschaften ebenso fasziniert waren, wie sie mit der gleichen Akribie die Welt täglich in unzähligen Fotos festhielten, und neben ihren Möbel- und den wenigen Architekturentwürfen Kinderspielzeug und insgesamt über 80 Filme herstellten. Die Grundhaltung der neuen wissenschaftlichen Methoden gegen metaphysische Ideen war anfänglich von einer demokratischen Haltung gekennzeichnet. Eines der bekanntesten Beispiele der Eames, das sich durch hohe Ästhetik und einen aufklärerischen Umgang mit naturwissenschaftlichen Erkenntnissen auszeichnet, ist der Film Powers of Ten. Auch heute noch wird dieser gern zu pädagogischen Zwecken an Universitäten, speziell in den Fachbereichen Physik und Architektur, gezeigt. Mit Powers of Ten legten die Eames Zeugnis über den hohen Anspruch der Vermittlung komplexer Sachverhalte in ästhetischen und verständlichen Bildern ab. Erst durch die Anwendung spezifischer Präsentationsformen im Raum, die Charles und Ray Eames in ihrer Ausstellungsarchitektur anwandten, konnten sie den Betrachter in die Vorführsituation mit einkalkulieren. So beeinflusste nicht nur die Bildpräsentationsform, sondern gleichermaßen die Raumtypologie den Betrachter. In diesem Kontext dienten diese der Kontrolle und Disziplinierung des Betrachters. Allerdings kann man aus der Sicht der kritischen Theorie die Kalkulierbarkeit durch Anwendung naturwissenschaftlicher Methoden in Frage stellen. Vielmehr lässt sich feststellen, dass die Eames den Betrachter in die Herstellung des Gesamtzusammenhangs aktiv einbanden und Entwicklungen in der Computertechnologie – wie das Interface – vorwegnahmen.

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Obwohl Charles und Ray Eames in Abhängigkeit der Interessen ihrer Auftraggeber standen, erkämpften sie sich durch die hohe Komplexität ihrer Bildpräsentationen als Kommunikationsdesign eine Freiheit, die sich dem Pragmatismus der Kalkulierbarkeit naturwissenschaftlicher Verfahren entzog. Demnach lässt sich Eames' Ausstellungsarchitektur als Beitrag zwischen einer raumtypologischen Disziplinierungsstrategie, dem Setzen neuer Maßstäbe für kalkulierbare Informationsstrukturen und der Autonomisierung der Betrachterposition im Raum gegen die Idee seiner absoluten Berechenbarkeit interpretieren.

Abb.79: Charles und Ray Eames am Filmset zum Thema „Problemlösung“ anhand von Alltagsverrichtungen

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ABBILDUNGEN

Abbildungen Abb.1

Charles und Ray Eames beim Fotografieren, aus: E (Eamesnachlass), LOC (Library of Congress), Fotodivision, LOT 13191-22, no. 15

Abb.2

Analoge versus digitale Darstellung eines Eis, Büro Eames, aus: E, LOC, Manuscript Division, Box 150, Folder 15

Abb.3

Projektion von Buchstaben, Zahlen und Bildern im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think 1964/65

Abb.4

Abbildung IBM-Pavillon, Brüssel, 1958, aus: www-03.ibm.com/ ibm/history/exhibits/vintage/vintage_4506VV2259.html

Abb.5

Grundriss IBM-Pavillon, Brüssel, 1958, aus: www.memory.loc. gov/master/pnp/cph/3c10000/3c16000/3c16800/3c16866u.tif

Abb.6

Siebenfache Projektion von Autobahnkreuzen in der amerikanischen Nationalausstellung in Moskau, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13393, no. 18 (H)

Abb.7

Grundriss und Schnitt der amerikanischen Nationalausstellung in Moskau, aus: www.memory.loc.gov/master/pnp/ cph/3c10000/3c16000/3c16883u.tif

Abb.8

Lageplan der amerikanischen Nationalausstellung in Moskau, aus: Industrial Design, Whitney Publications, Inc., April 1959, S. 4

Abb.9

Richard Buckminster Fuller vor dem Dom in Moskau 1959, aus: LECO Photo Service, New York City, in: John McHale, R. Buckminster Fuller, New York, 1962, Abb. 82

Abb.10 Sieben Filmrollen der Siebenfachprojektion in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13191-3, no. 1 to 11, Moscow Abb.11 Sieben Projektoren der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13191-3, no. 1 to 11, Moscow Abb.12 Isometrie des US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrags in Seattle 1962, Nr. 1, aus: Business Screen Magazine, no. 7, Vol. 23, 1962, p. 34, Key to the United States Science Exhibit

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Abb.13 Technikraum im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 35 (H) Abb.14 Superbild im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 4 (H) Abb.15 Simultanbildprojektion von Kultstätten im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 18 (H) Abb.16 Simultanbildprojektion von Kinderzeichnungen im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 1 (H) Abb.17 Simultanbildprojektion von Rechnern im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 12 (H) Abb.18 Simultanbildprojektion von Groß- und Totalaufnahmen im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 11 (H) Abb.19 Superbild im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 19 (H) Abb.20 Parallelprojektion von Arbeitsumgebungen im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 13 (H) Abb.21 Parallelprojektion von Arbeitsumgebungsdetails im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 15 (H) Abb.22 Ovoider Ausstellungskörper und Stützenstruktur des IBMPavillons in New York 1964/65, aus: Eames Design: the work of the Office of Charles and Ray Eames, John Neuhart, Marilyn Neuhart, Ray Eames (Hrsg.), Ernst und Sohn, Berlin, 1989, S. 284 Abb.23 Instrukteur auf der Plattform begrüßt die Besucher, aus: E, LOC, Manuscript Division, Box 8p, Folder 5 Abb.24 Modell des IBM-Pavillons in New York 1964/65, ebd., S. 290 Abb.25 Projektionen konkreter und abstrakter Bildmotive im IBM-Pavillon in New York, Bildschirmfoto aus dem Film Think

ABBILDUNGEN

Abb.26 Solid Logic Technology der Computerserie System/360 der dritten Computergeneration von IBM – Festplatte zur Steuerung der Simultanbildpräsentation des IBM-Pavillons in New York, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13191-22, no. 2 Abb.27 Ornamentale Buchstabenreihe der Initialen von IBM auf der Außenhaut des IBM-Pavillons in New York, aus: Eames Design: the work of the Office of Charles and Ray Eames, a.a.O. S. 284 Abb.28 Kugelkopf der neuen IBM-Schreibmaschine von 1962, aus: http://www.100besteschriften.de/bilder/027/Kugelkopf_Seite_web. jpg Abb.29 Projektionssituation in der US-amerikanischen Nationalausstellung in Moskau 1959, aus: www.memory.loc.gov/master/ pnp/cph/3c10000/3c16000/ec16800/3c16883u.tif und E, LOC, Fotodivision, LOT 13393, no. 16 (H) Abb.30 Projektionssituation im US-amerikanischen Weltausstellungsbeitrag in Seattle 1962 aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373 und E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 34 (H) Abb.31 Skizze zum IBM-Pavillon New York 1964/65, aus: E, LOC, Manuscript Division, Box 225, Folder 5 Abb.32 Modell des IBM-Pavillons und unterschiedliche Positionen des Instrukteurs, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13191-21 Abb.33 Instrukteur im als Bühne ausgebildeten Bildfeld im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think 1964/65 Abb.34 Instrukteur auf der Bühne als Teil des Bildfeldes im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think 1964/65 Abb.35 Gesten des Instrukteurs zur Unterstützung der Aufmerksamkeitslenkung, aus: E, LOC, Fotodivision, CEX 766, C,D,G,H Abb.36 Storyboard zur Simultanbildprojektion im IBM-Pavillon in New York 1964/65, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13191-21, no. 99 Abb.37 Instrukteur auf der Bühne im Rampenlicht oder als Teil des Bildfeldes im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfotos aus dem Film Think 1964/65 Abb.38 Abbildung zur Frage der Körper-Bild-Relation, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13377, no. 26 (H)

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Abb.39 Darstellung der Gehirnfunktionen, Robert Fludd, um 1619, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13194-1, no. 53 Abb.40 Superbild im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 1 (H) Abb.41 Bildinformationen im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think Abb.42 Norbert Wiener, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13194-1, no. 337 Abb.43 Claude Shannon, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13194-1, no. 360 Abb.44 Informationsmodell nach Shannon gezeichnet vom Eames-Büro, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13194-1, no. 848 Abb.45 Informationsmodell nach Shannon gezeichnet vom Eames-Büro, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13223, no. 35 Abb.46 Eames verbildlichten die Nachrichtentheorie Shannons anhand von Alltagsverrichtungen, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 1319122, no. 55 Abb.47 Modell der sieben Leinwände der amerikanischen Nationalausstellung in Moskau, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13393 Abb.48 Leinwand im Weltausstellungspavillon in Seattle, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373 Abb.49 Sieben Leinwände im IBM-Pavillon in New York, aus: E, LOC, Manuscript Division, Oversized 1 Abb.50 Mehrfachprojektion der US-amerikanischen Flagge im IBM-Pavillon in New York, Bildschirmfoto aus dem Film Think 1964/65 Abb.51 Beleuchtete Leinwandränder im IBM-Pavillon in New York, Bildschirmfotos aus dem Film Think Abb.52 Simultanprojektionen von Landschaften und Autos in der USamerikanischen Nationalausstellung in Moskau, aus: Eames Design: the work of the Office of Charles and Ray Eames, a.a.O., S. 241 Abb.53 Darstellung der Zahl Zwei im IBM-Pavillon in New York 1964/65, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13377, no. 120 (H)

ABBILDUNGEN

Abb.54 Multiperspektive im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 60 (H) Abb.55 Bildprojektionen zum Thema „Problemlösung“ im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfotos aus dem Film Think Abb.56 Bildprojektionen zum Thema „Problemlösung“ im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfotos aus dem Film Think Abb.57 Bildprojektionen zum Thema „Problemlösung“ im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfotos aus dem Film Think Abb.58 Bildverteilungen für den IBM-Pavillon in New York 1964/65, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13191-21 Abb.59 Charles Eames stellt den Verantwortlichen von IBM sein Konzept für den Pavillon in New York vor, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13191-21, no. 15 Abb.60 Horizontale Bildstruktur im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think Abb.61 Vertikale Bildstruktur im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think Abb.62 Siebenfache Projektion von Autobahnkreuzen in der amerikanischen Nationalausstellung in Moskau, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13393, no. 18 (H) Abb.63 Multiperspektive im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 11 (H) Abb.64 Superbild im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 1 (H) Abb.65 Anordnung der Leinwände nach dem Gesetz der Nähe, dem Gesetz der Ähnlichkeit und dem Polygongesetz im IBM-Pavillon 1964/65, vgl. Vorlage in: Eames Design: the work of the Office of Charles and Ray Eames, a.a.O., S. 290 Abb.66 Figur-Grund-Gesetz und Gesetz der Ähnlichkeit im IBM-Pavillon 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think 1964/65 Abb.67 Figur-Grund-Gesetz im IBM-Pavillon 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think

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Abb.68 Gesetz der Ähnlichkeit, der Nähe und Polygongesetz im IBMPavillon 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think Abb.69 Figur-Grund-Gesetz und Superzeichen im IBM-Pavillon 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think Abb.70 Storyboard zur Simultanbildprojektion im IBM-Pavillon in New York, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13191-21, no. 99 Abb.71 Multiperspektive im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 16 (H) Abb.72 Beispiel für Schärfentiefe im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think Abb.73 Die Überlagerung syntaktischer Leinwand- und semantischer Bildserien im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think Abb.74 Projektion von Serien im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 17 (H) Abb.75 So genannte „optische Situationen“ im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfotos aus dem Film Think Abb.76 Multiperspektive im Weltausstellungspavillon in Seattle 1962, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13373, no. 14 (H) Abb.77 Multiprojektion von Stadtbildern im IBM-Pavillon in New York 1964/65, Bildschirmfoto aus dem Film Think Abb.78 Multiperspektive von Stadtbildern in der amerikanischen Nationalausstellung in Moskau, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13393, no. 18 (H) Abb.79 Charles und Ray Eames beim Filmset, aus: E, LOC, Fotodivision, LOT 13191-21, no. 61

Szenografie & Szenologie Ralf Bohn Inszenierung als Widerstand Bildkörper und Körperbild bei Paul Klee 2009, 282 Seiten, kart., zahlr. Abb., 33,80 €, ISBN 978-3-8376-1262-2

Ralf Bohn, Heiner Wilharm (Hg.) Inszenierung und Ereignis Beiträge zur Theorie und Praxis der Szenografie 2009, 406 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1152-6

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2010-05-07 11-30-56 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 0255241013247826|(S.

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) ANZ1508.p 241013247834