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German Pages 276 Year 2015
Kunst Pädagogik Forschung
Theorie Bilden Band 17 Hannelore Faulstich-Wieland, Hans-Christoph Koller, Karl-Josef Pazzini, Michael Wimmer (Herausgeber im Auftrag des Fachbereichs Erziehungswissenschaft der Universität Hamburg)
Editorial Die Universität ist traditionell der hervorragende Ort für Theoriebildung. Ohne diese können weder Forschung noch Lehre ihre Funktionen und die in sie gesetzten gesellschaftlichen Erwartungen erfüllen. Zwischen Theorie, wissenschaftlicher Forschung und universitärer Bildung besteht ein unlösbares Band. Auf diesen Zusammenhang soll die Schriftenreihe Theorie Bilden wieder aufmerksam machen in einer Zeit, in der Effizienz- und Verwertungsimperative wissenschaftliche Bildung auf ein Bescheidwissen zu reduzieren drohen und in der theoretisch ausgerichtete Erkenntnis- und Forschungsinteressen durch praktische oder technische Nützlichkeitsforderungen zunehmend delegitimiert werden. Der Zusammenhang von Theorie und Bildung ist in besonderem Maße für die Erziehungswissenschaft von Bedeutung, da Bildung nicht nur einer ihrer zentralen theoretischen Gegenstände, sondern zugleich auch eine ihrer praktischen Aufgaben ist. In ihr verbindet sich daher die Bildung von Theorien mit der Aufgabe, die Studierenden zur Theoriebildung zu befähigen. Die Reihe Theorie Bilden ist ein Forum für theoretisch ausgerichtete Ergebnisse aus Forschung und Lehre, die das Profil des Faches Erziehungswissenschaft, seine bildungstheoretische Besonderheit im Schnittfeld zu den Fachdidaktiken, aber auch transdisziplinäre Ansätze dokumentieren.
Torsten Meyer, Andrea Sabisch (Hg.)
Kunst Pädagogik Forschung Aktuelle Zugänge und Perspektiven
Bibliografische Informationen der Deutschen Bibliothek Die Deutsche Bibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. © 2009 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung dieser Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Torsten Meyer Innenlayout: Torsten Meyer, Adrienne van Wickevoort Crommelin Umschlagabbildungen: Farbstudien an der University of Arts and Design Helsinki, Fotografie Torsten Meyer Lektorat und Satz: Adrienne van Wickevoort Crommelin Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1058-1 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt Vorwort | 9 Torsten Meyer, Andrea Sabisch Forschung in und an der Kunstpädagogik. Erste Einleitung |15 Torsten Meyer
Rahmendes Historische Perspektiven zur Reflexion wissenschaftlicher Selbstverständnisse | 35 Andrea Sabisch Rahmenbedingungen und Perspektiven kunstpädagogischer Forschung | 51 Wolfgang Legler Von der kindlichen Sexualforschung zu Forschung in Kunst & Pädagogik | 63 Karl-Josef Pazzini Expertise[n] | 83 Kunibert Bering, Johannes Bilstein, Carl-Peter Buschkühle, Klaus-Peter Busse, Helga Kämpf-Jansen, Constanze Kirchner, Johannes Kirschenmann, Pierangelo Maset, Georg Peez, Frank Schulz, Doris Schumacher-Chilla, Adelheid Sievert, Tanja Wetzel
Meta – Überblickendes, Methodologisches, Fachpolitisches Forschen mit Kontrastmittel. Über die Grenzen ästhetischer Erfahrung | 103 Ansgar Schnurr Bezugsräume, Kontexte, Kollisionen. Kartierende Erkenntnispraxen in Kunst und Wissenschaft | 113 Christine Heil Alfred Lichtwarks Kunstbetrachtungsunterricht | 123 Nobumasa Kiyonaga Kunst, Pädagogik, Verantwortung. Anmerkungen zur Verantwortung kunstpädagogischer Forschung und Praxis | 137 Jochen Krautz Forschendes Lernen | 149 Stephan Münte-Goussar
Zentrales – Gegenstandsbereiche, Themen, Phänomene, Räume Bilder im Gebrauch. Ästhetische Praxen von Kindern und die forschende Praxis | 167 Julia Rabe-Kröger Rezeption von Kunstwerken. Die Bronzefrau Nr. 6 von Thomas Schütte im Kunstunterricht | 175 Jörg Grütjen Im Museum des 21. Jahrhunderts. Ko-konstruktivistisches Lernen in der Galerie für Zeitgenössische Kunst | 181 Katharina Küstner Das Netz als künstlerisches Medium. Neue Räume für kunstpädagogische Forschung | 191 Sara Burkhardt
Bewegung als Dimension ästhetischer Bildung | 199 Andreas Brenne Kunstpädagogische Vermittlung als Schnittstelle. Eine studentische Perspektive | 207 Kerstin Asmussen Die eigenArtige Präsentation | 215 Stefanie Richter
Randgängiges – Interdisziplinäres, Entgrenzendes, Erweiterndes Film-Bildung | 225 Manuel Zahn Interdisziplinäre Forschung. Kunstpädagogik und Informatik | 233 Anja Mohr Ästhetische Bildung als Forschungsfeld. Methodische Herausforderungen | 241 Kirsten Winderlich Existenzielle Bildung | 249 Julia Weitzel Transkulturelle Perspektiven im Lernen mit Kunst | 255 Sabine Grosser
Autorenverzeichnis | 263
Torsten Meyer, Andrea Sabisch
Vorwort Die Kopplung von Kunst und Pädagogik lässt sich sehr unterschiedlich denken. Die gegenwärtige Theorielandschaft zeugt davon ebenso wie die damit meist nicht in direktem Zusammenhang stehende Praxis des kunst-pädagogischen Tuns. Es gibt keine systematischen Gesamtentwürfe, denen sich alle Akteure diskussions- und vorbehaltlos anschließen würden. Anstelle dessen haben wir es zu tun mit einer Vielzahl unterschiedlicher Positionen, die aufeinander und auf die Geschichte des Faches je unterschiedlich Bezug nehmen. Das spiegelt sich auch wider in der Art und Weise, wie Forschung in und an der Kunstpädagogik konzipiert wird, welche Gegenstände und Themen der Beforschung für würdig und welche methodischen Zugänge für angemessen gehalten werden, wie man Kunstpädagogik als Wissenschaft denkt. Dieses Buch ist ein Versuch, dieser Situation eine Darstellungsform zu geben. Damit verstehen wir uns in der Tradition und im Selbstverständnis der 2001 initiierten Hamburger Ringvorlesung und Publikationsreihe Kunstpädagogische Positionen, der viele der hier versammelten Beiträge entstammen. Inspiriert und durch weitere Beiträge ergänzt wurde das vorliegende Buch durch die Selbstorganisation des wissenschaftlichen Nachwuchses im Rahmen des 2004 von Andrea Sabisch ins Leben gerufenen Kunstpädagogischen Kolloquiums in Loccum, das seitdem jährlich mit wechselnder Verantwortung weitergeführt wird. Flankierend beigetragen zur Idee, ein Buch über Forschung in und an der Kunstpädagogik herauszugeben, hat aber auch die 2003 in München gestartete, 2005 in Leipzig und 2007 in Dortmund weiter gepflegte Tradition der kunstpädagogischen Großkongresse, die recht erfolgreich dafür gesorgt hat, die Akteure der Kopplung von Kunst und Pädagogik über die unterschiedlichen Positionen hinweg ins Gespräch zu bringen. Die Großkongresse haben nicht zuletzt deshalb die Idee für dieses Buch angeregt, weil das Thema Forschung dort – adressatenbedingt – keine explizite Rolle spielte. Wissenschaftliche Forschung wurde hier lediglich im Kontext der den Kongressen un-
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Torsten Meyer, Andrea Sabisch
mittelbar vorgelagerten so genannten »Forschungstage« zum Thema, die sich aber nicht an die Allgemeinheit der Fach-Community richteten, sondern wesentlich auf die spezifischen Herausforderungen von Qualifikationsarbeiten des wissenschaftlichen Nachwuchses fokussiert waren und entsprechend auch nur den wissenschaftlichen Nachwuchs als Publikum erwarteten.
Hamburger Positionen Die im Sommersemester 2001 von Karl-Josef Pazzini, Eva Sturm, Wolfgang Legler und Torsten Meyer an der Universität Hamburg initiierte Ringvorlesung Kunstpädagogische Positionen versucht der Vielfalt der kunstpädagogischen Theorie- und Praxislandschaft zu entsprechen, indem die unterschiedlichen Positionen aufgezeigt und unter verschiedenen thematischen Rahmungen in Relation zueinander gesetzt werden. Damit soll die oft nur als Nachteil wahrgenommenen Diversität produktiv gewendet werden. Unter Wahrung des Dissenses und mit Fokus gerade auf die verschiedenen Begründungszusammenhänge, theoretischen Bezüge und deren Niederschlag in der praktizierten Kunstpädagogik werden jeweils zum Sommersemester sieben bis zehn Referentinnen und Referenten eingeladen, um ihre je spezifische kunstpädagogische Position darzustellen. Mit wechselnder inhaltlicher und organisatorischer Verantwortung innerhalb des Herausgeberteams reichten die thematischen Klammern für die jährlichen Zusammenstellung der Beitragenden von der Frage nach der Lehr- und Lernbarkeit von Kunst bis zum Mythos des Widerständigen in der Tradition der Fachgeschichte. Es ging um die immer wieder brisante Frage, wie Kunstpädagogen idealer Weise (aus-)zu bilden wären und unter der Überschrift Bilder-Bildung um den dem kunstpädagogischen Denken und Tun unterstellten Bild-Begriff. Die aus der Ringvorlesung hervorgehenden Publikationen sind aus diesen thematischen Zusammenhängen wieder herausgelöst. Bislang 18 Einzelhefte mit je einer Verschriftlichung eines Beitrags zur Ringvorlesung sind seit 2001 unter dem Reihentitel Kunstpädagogische Positionen entstanden und bilden eine zwar noch längst nicht vollständige, aber inzwischen doch recht ansehnliche Bibliothek kunstpädagogischer Positionen. Die kleinen blauen Hefte können gegen einen wirklich geringen, an studentischen Geldbeuteln orientierten Kostenbeitrag in Papierform oder auch kostenlos als PDF-Datei online über die Hamburg University Press bezogen werden (s. unter http://kunst.erzwiss.uni-hamburg.de/ful-home/blog/kpp/).
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Vorwort
Im Sommersemester 2007 widmete sich die Ringvorlesung unter inhaltlicher und organisatorischer Verantwortung von Torsten Meyer dem Thema Forschung. Entlang aktueller Forschungsprojekte im Fach sollte dabei insbesondere der wissenschaftliche Nachwuchs zu Wort kommen, in erster Linie solche Wissen Schaffenden, deren Promotionen kürzlich abgeschlossen wurden oder in naher Zukunft abgeschlossen werden. Im Gegensatz zu den im Fach mehr oder weniger etablierten Referenten der anderen Semester, die die von uns gesetzten Themen nicht immer direkt bearbeiteten, manchmal nur am Rand streiften, haben sich die Beitragenden zum Thema Forschung recht nah an die von uns gesetzten Fragen nach den Themen und Problemen, den Erkenntnisinteressen, den Methoden, Materialien und Gegenständen der Forschung in der Kunstpädagogik gehalten. Die so gegebene inhaltliche Kohärenz und die Besonderheit und Relevanz des Themas legte es nahe, die Ergebnisse der Ringvorlesung 2007 nicht in Form einzelner, aus der thematischen Klammer heraus gelöster Hefte zu veröffentlichen, sondern in der hier vorliegenden, zu einem Buch zusammengebunden Form. Folglich haben wir nachträglich die Beitragenden zur Ringvorlesung und ergänzend die Teilnehmer der kunstpädagogischen Kolloquien in Loccum mittels eines separaten, aber auf diesen Kreis beschränkten Call for Papers zur Beteiligung aufgefordert und um Beiträge gebeten.
Forschung im Entwurf kommunizieren: Loccum Eine den Beitragenden zur Ringvorlesung vergleichbare Klientel, zum Teil tatsächlich dieselben Menschen, waren angesprochen mit der Gründung des Kunstpädagogischen Kolloquiums in Loccum 2004. Das Setting hingegen war ein gänzlich anderes: Es gab gewissermaßen kein Publikum, stattdessen eine Gruppe von Kollaborateuren und Gleichgesinnten. Mit dem Loccumer Kolloquium hatte Andrea Sabisch den gegenseitigen Austausch über wissenschaftliche Forschung im Entwurf im Sinn. Dabei ging es auch darum, sich über die institutionellen Grenzen, regionalen Besonderheiten, die individuellen Betreuungsverhältnisse und unterschiedlichen »Schulen«, welche die Diversität der kunstpädagogischen Theorie- und Praxislandschaft ausmachen, ein Stück weit, zumindest temporär, hinwegzusetzen, um über gemeinsame Probleme und Herausforderungen zu sprechen. Das erfordert eine bestimmte Haltung der Teilnehmenden, Wissenschaft als gemeinsame Sache zu begreifen und zugleich den je individuellen Zugang darzulegen, dabei die eigene Redezeit zugunsten der Diskussion zu begren11
Torsten Meyer, Andrea Sabisch
zen und zugleich einen geeigneten Präsentationsmodus zu finden. Dazu gehört auch, die Tagung innerhalb der Gruppe in wechselnder Verantwortung und Leitung mitzugestalten, die jeweils festgelegten Themen entsprechend vorzubereiten, sich am Büchertisch und am Tagungsbericht zu beteiligen. Forschung im Entwurf zu kommunizieren bedeutet so vor allem auch die eigene Motivation und das wissenschaftliche Fach- und Selbstverständnis vor dem Hintergrund der gegebenen Pluralität immer wieder zu befragen. In den letzten fünf Jahren hat sich daraus eine jährliche Arbeitstagung entwickelt, die jeweils gerahmt ist durch ein in Form eines Call for Papers zuvor ausgeschriebenes Thema an den Grenzen von Kunst, Pädagogik und Forschung. Im ersten Kolloquium ging es unter der von Wittgensteins Frühwerk inspirierten Überschrift Die Welt ist alles, was der Fall ist um Fragen der Fallforschung, die insbesondere für die qualitativen Forschung wesentlich sind. Neben Fragen der Fallgenerierung – Wie findet man einen Fall? Wie kann man ihn beobachten, rekonstruieren, interpretieren und einbetten? – ging es auch um die Schwierigkeiten der Übersetzung eines kunstpädagogischen in den forschenden Zusammenhang, damit verbunden um Fragen der wissenschaftlichen und ästhetischen Repräsentation sowie der Anknüpfung induktiver Verfahren an eine Theoriebildung und Methodologie (vgl. den Tagungsbericht von Andreas Brenne, BDK-Mitteilungen 01/2005, 36–38). Das zweite Kolloquium, nun unter Leitung von Andreas Brenne, Christine Heil und Julia Rabe-Kröger, trug den Titel Erkenntnispraxen im Feld von Kunst und Pädagogik. Es fokussierte »eine Wissenschaft, die sich selbst als Praxis versteht, vielleicht als eine künstlerische, zumindest als eine Tat-Sache, als ein Sach-Verhalten, das Dinge nicht entdeckt, sondern macht«. (Tagungsbericht von Stephan Münte-Goussar et al., BDK-Mitteilungen 02/2006, 34) Im dritten Jahr luden Sara Burkhardt, Stephan Münte-Goussar und Julia K. Schawe zur Reflexion über das Verhältnis von Kunst und Wissen ein. Sie fragten danach, wie dieses Verhältnis zu denken ist, ob Kunst als Wissenskritik fungiert, wie Wissenschaft und Kunst sich zueinander positionieren, wie es um das Wissen über Kunst steht, wie es sich vermitteln lässt und wie davon ausgehend Kunstpädagogik erforscht werden kann (vgl. den Tagungsbericht von Sara Burkhardt, BDK-Mitteilungen 02/2007, 33f.).
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Vorwort
Unter dem Titel Forschung kommunizieren widmeten Christine Heil, Ansgar Schnurr und Andrea Sabisch das vierte Kolloquium 2007 der problematischen Kommunikation von kunstpädagogischer Forschung und schulischer wie außerschulischer Lehrpraxis. Dabei wurden unterschiedliche »Kulturen der Forschungskommunikation an den Nahtstellen der Kunstpädagogik« ausgelotet (Tagungsbericht von Stefanie Richter, BDK-Mitteilungen 01/2008, 35). Im Zentrum standen institutionelle Kooperationen, Übersetzungsmöglichkeiten von Forschung in Lehrpraxis, potenzielle Einwirkungen und Bedarfe der Lehrenden auf Forschung, Veröffentlichungsmöglichkeiten und -modi sowie der Austausch auf Kongressen. Im fünften Kolloquium schließlich problematisierten Andreas Brenne und Blanka Sophie Siebner die Bedeutung und gegenwärtige Veränderung der Räume für Kunst, Pädagogik und Forschung. Nicht erst das digitale Zeitalter verwandle Klassenzimmer und Universitäten in Funkareale, softwaregesteuerte Kursanmeldepools und E-Learning-Stationen, vielmehr verändere auch die staatliche und private Schul- und Hochschulreform der letzten Jahre Lernlandschaften, Organisationsabläufe, Kommunikationsstrukturen und Lernkulturen. Welche Auswirkungen und Chancen der so genannte spatial turn auf die Kunstpädagogik hat, wie er sich in der kunstpädagogischen Forschung bereits spiegelt, waren Fragen dieses Jubiläumsjahres.
Expertise[n] Neben der Ringvorlesung und den Loccumer Kolloquien gab es eine dritte Quelle für Beiträge zu diesem Buch. Neben den Ein- und Ansichten des aktuellen wissenschaftlichen Nachwuchses interessierte uns auch, was gestandene Professorinnen und Professoren zu den grundlegenden Fragen betreffs Forschung in und an der Kunstpädagogik zu sagen haben. Entsprechend haben wir eine die Vielfalt der kunstpädagogischen Positionen repräsentierende Auswahl von 13 etablierten Vertretern des Fachs gesondert gebeten, uns einige Fragen zu beantworten, die wir in diesem Kontext für grundlegend halten. Diese absichtlich kurz gehaltenen Statements sollen – durchaus auch im Sinne des Mottos des Münchener Kongresses Zukunft braucht Herkunft – einen orientierenden Rahmen und professionellen, aber heterogenen Grund schaffen für die Beiträge der nächsten Generation von Forschenden in und an der Kunstpädagogik. 13
Torsten Meyer, Andrea Sabisch
Eine detaillierte Darstellung der Beiträge und inhaltlichen Konzeption im Einzelnen gibt Torsten Meyer in der nachfolgenden Einleitung.
Herzlichen Dank Ausdrücklich und herzlich danken möchten wir allen Autorinnen und Autoren für die Mitarbeit! Dank für die Rahmenbedingungen und Grundlegungen, auf denen wir aufbauen konnten, schulden wir auch den Erfindern der Ringvorlesung Kunstpädagogische Positionen, den Akteuren und Interessenten der Loccumer Kolloquien und in diesem Sinne flankierend den Initiatoren der kunstpädagogischen Großkongresse in München, Leipzig und Dortmund. Ein Dank für die materiellen Rahmenbedingungen geht an die Mitarbeiter des *mms – MultiMedia-Studio der Universität Hamburg, die durch ihrer Arbeit an diversen Drittmittelprojekten indirekt zur Finanzierung dieses Projekts beigetragen haben. Zu großem Dank sind wir wieder einmal – aber nun unter neuem Namen – Adrienne van Wickevoort Crommelin verpflichtet für das gewohnt professionelle Lektorieren und Setzen und den erfrischend fachfremden Blick der Literaturwissenschaftlerin auf den kunstpädagogischen Fachdiskurs. Torsten Meyer Andrea Sabisch Hamburg im Dezember 2008
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Forschung in und an der Kunstpädagogik Erste Einleitung
Abb. 1: Zur Einleitung einige Lockerungsübungen: Mark Tansey: The innocent Eye Test, 1981
Mark Tanseys Gemälde könnte als augenzwinkernde Allegorie der Forschung gelesen werden: Einer Kuh wird das lebensgroße Bild zweier Artgenossen gezeigt. Eine Reihe älterer Herren, Wissenschaftler offenbar, beobachten gespannt die Szenerie. Es scheint sich um eine Experimentalsituation zu handeln, vielleicht ein Messverfahren für visuelle Kompetenz – zunächst im Tierversuch. Was wird geschehen? (Die anwesenden Wissenschaftler sind auf vieles vorbereitet, einer hat zur Sicherheit einen Wischmop mitgebracht.) Wird die Kuh vor dem Bild die Kuh im Bild erkennen? Wird sie das Bild verstehen, es sinnentnehmend lesen können? Ohne sich in der menschlichen Bildpragmatik auszukennen? – The Innocent Eye Test also, wie der Titel des Bildes verspricht?
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Oder geht es gar nicht um die Kuh? Geht es um das Bild? Soll die Kuh vor dem Bild die Kuh im Bild gerade nicht sehen, sondern stattdessen das Bild als Bild erkennen? Bildkompetenz in diesem Sinn? – Dies ist nicht eine Kuh? Vielleicht geht es um einen Test auf ästhetische Erfahrung? Um das Spiel zwischen Anschauung und Begriff? Um das sinnliche Dazwischen? Und das Moment der Überraschung, wenn die Kuh sich ihrer Sinne gewahr wird, wenn sie bemerkt, dass dies nicht eine Kuh, sondern doch nur eine ölbeschichtet Leinwand ist? Oder fragt das experimentelle Setting nach der Wirkung speziell von Kunst? Wird die Kuh angesichts des ihr offerierten Meisterwerks von Paulus Potter (Bild im Bild: Young Bull, 1647) – oder auch angesichts des Monet’schen Heuhaufens im Hintergrund – glücklich? Klug? Gebildet? Und mit anders verstandenem experimentellem Setting: Wird der Rezipient angesichts des hier offerierten Bildes von Mark Tansey glücklich? Klug? Gebildet? Wie wird das gemessen? Und wer will das wissen? Wozu? Wer will hier was wissen? Über wen? Und von wem?
Gegenstände Das wären Fragen, die im Kontext der auf dem Umschlag des vorliegenden Buches locker aufgereihten Begriffe »Kunst Pädagogik Forschung« relevant sein könnten. Ob und auch wie sie gestellt werden, ist abhängig von Wissenschaftsverständnissen, von Selbstverständnissen, von Erziehungs- und Bildungsverständnissen, von Bild-, Kunst- und Methodenverständnissen und von den damit zusammenhängenden Mischungsverhältnissen der Diskurse, die sich um die drei Begriffe auf dem Buchdeckel drehen. Wir haben in diesem Buch viele solcher Kunst-, Bildungs-, Wissens- und Selbst-Verständlichkeiten zusammengetragen. Von ganz verschiedenen Forschenden aus ganz verschiedenen Generationen, Regionen, Schulen, Theorielandschaften und Praxishabitaten. Dabei soll die Breite der Forschung in der Kunstpädagogik, der methodischen Herangehensweisen, der Inhalte, Gegenstände und Fragen, der unterschiedlichen Tiefe der Empirie und Höhe der Theorie sichtbar werden. Es geht uns darum, einen Überblick herzustellen. Einen Überblick, der die Vielfalt und die Heterogenität der Forschung im Fach zeigt, aber auch das Besondere der Beforschung der Kopplung von Kunst und Pädagogik zur Geltung bringt.
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Forschung in und an der Kunstpädagogik
Anders als in allgemeinen erziehungswissenschaftlichen Zusammenhängen, die nicht auf einen bestimmten Fachgegenstand bezogen sind, und auch wohl anders als in vielen anderen Schulfach-Didaktiken hat Kunstpädagogik es mit einem in mehrfacher Hinsicht besonderen Gegenstand zu tun – bzw. mit einem besonderen Mittel, durch das die pädagogischen Effekte ausgelöst werden sollen. Forschung bezieht sich wohl deshalb hier tendenziell eher auf didaktische ›Was-‹, denn auf unterrichtsmethodische ›Wie-Fragen‹. Es geht tendenziell eher um die Voraussetzungen, unter denen die Inhalte Bildungsrelevanz beanspruchen können, worin diese Inhalte konkret bestehen und wie sie pädagogisch legitimiert werden können. Die Inhalte können hier nicht, entsprechend einer Lehrplantradition wie in vielen anderen (Schul-)Fächern, als durch kulturelle Alphabetisierung weitgehend gegeben betrachtet werden, sondern müssen, auch vor dem Hintergrund ihrer Orientierungsfunktion und gesellschaftlichen Bedingtheit, hinsichtlich kultureller Innovation im Feld des Visuellen quasi ständig neu beforscht werden. Dieser besondere Gegenstand bringt es auch mit sich, dass Forschung nicht immer ausschließlich mittels genuin wissenschaftlicher Methodik betrieben wird, sondern durch Methoden aus dem Feld der Kunst – je nach Sichtweise – verunreinigt oder ergänzt wird. Wenn in der Übertragung auch in Bezug auf die Methoden der Forschung Inhalt von der Form her begriffen wird, führt das manchmal zu Missverständlichkeiten in solchen Kontexten, die damit nicht rechnen oder umgehen können (DFG, Universität, Schulbehörde, …). Forschende im Bereich der Kunstpädagogik müssen hier gegebenenfalls entsprechende Übersetzungsleistungen mit einkalkulieren.
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Methoden
Abb. 2/3: Lockerungsübung #2, Pferde: Walid Raad: The Atlas Group Archive: Files Type A: The Fadl Fakhouri Files: Notebook Volume 72: Missing Lebanese Wars, 2003
Die Abbildungen zeigen Forschungsmaterialien aus dem Atlas Group Archive. Es handelt sich um Notizbuchseiten, auf die der libanesische Historiker Dr. Fadl Fakhouri Photos aus der Tageszeitung Al-Nahar geklebt hat. Die Fotos zeigen Zieldurchläufe von Pferderennen. Dr. Fadl Fakhouri hat jeweils die Distanz zwischen Pferdeschnauze und Ziellinie eingezeichnet und in Millisekunden umgerechnet. Daneben hat er nach Gewohnheit des peniblen Empirikers noch eine Reihe relevanter Detail-Informationen auf den Seiten seines Notizbuchs verzeichnet: Datum, Dauer und Distanz des Rennens, Durchschnittsgeschwindigkeiten der Pferde usw. Außerdem befindet sich auf jeder Seite des Notizbuchs eine Liste mit Zahlen (im Größenbereich der MillisekundenDistanz zwischen Pferdeschnauze und Ziellinie) sowie Initialen von Kollegen des Dr. Fadl Fakhouri. Einer dieser libanesischen Historiker ist jeweils besonders hervorgehoben und mit ein paar Worten charakteristisch beschrieben, z.B.: »A somber man with a thickening middle but a full head of jet black hair. A fiery orator one moment and a patient statesman the next.« (vgl. http://www.theatlasgroup.org)
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Notizen eines teilnehmenden Beobachters? Was wird hier gemessen? Was wird erforscht? Und wie? Das Notizbuch Volume 72 – so suggeriert es das begleitende Textmaterial – ist Teil des Atlas Group Archive. Die Atlas Group ist eine »foundation to research and document the contemporary history of Lebanon«. Das Archiv besteht aus sorgfältig analysierten »files« verschiedenen Typs: Type A: authorized files; Type FD: found files; Type AGP: Atlas Group productions. Das Notizbuch Volume 72 gehört zum Type A: authorized. Die »files« werden beizeiten in Kommunikationszentren, Theatern und Schulen sowie in Ausstellungen zeitgenössischer Kunst der Öffentlichkeit zugänglich gemacht, um Licht in einige ungeprüfte Dimensionen der Libanesischen Bürgerkriege zwischen 1975 und 1991 zu bringen. Zu den weniger bekannten Fakten zählt, so teilt das begleitende Textmaterial mit, dass die führenden Historiker Libanons eifrige Spieler waren. Dr. Fadl Fakhouri ist sonntags oft mit seinen Kollegen zum Pferderennen gegangen und hat sich dort mit Ihnen beim Wetten vergnügt. Ist das vorstellbar? Während sie unter der Woche professionell historische »Wetten« darüber abschlossen, wie wohl der Bürgerkrieg ausgehen würde oder was von diesem übrig bliebe in der Geschichte, trafen sich die führenden Historiker Libanons sonntags kollegial beim Pferderennen? Wäre Geschichtsschreibung eine zweifelsfreie, objektive Angelegenheit, bei der es keine zwei Meinungen darüber gäbe, wie wichtig oder unwichtig und damit erwähnenswert oder nicht ein Ereignis oder Dokument ist, dann wäre vielleicht vorstellbar, dass sie sich – egal ob Marxisten oder Islamisten, Nationalisten oder Sozialisten – gemeinsam beim Wetten vergnügten. Aber Geschichtsschreibung ist keine so einfache Wissenschaft, die etwa das eindeutig Wichtige und im Nachhinein Erklärende objektiv messen, vom Unwichtigen trennen und dann sachlich dokumentierend festhalten könnte. Sie wetteten nicht darauf, welches Pferd wohl als erstes im Ziel sein möge, sondern – die Sache ist offenbar komplizierter und in erheblichem Maße methodologisch aufwendiger – sie wetteten darauf, wie viele Millisekunden vor oder nach dem Zieleinlauf der Photograph auf den Auslöser für das Photofinish gedrückt habe. Überschrieben ist das Notizbuch mit »Missing Lebanese Wars«. Was wird hier erforscht? Welches Geschehen dokumentiert? Welcher Sachoder Sozialverhalt beschrieben? Welche Wahrheit zur Darstellung gebracht? Was misst diese Messvorrichtung? – Was ist das? Kunst? Geschichtsschrei-
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bung? Geschichtsschreibungskritik? Kommunikations-Design? Dokumentation? Dekonstruktion von Dokumentation? Also doch wieder -Konstruktion? De-Dokumentation? – auf Umwegen? Subvertierend? Hintenrum?
Rahmenbedingungen Forschung zwischen Kunst und Pädagogik hat es nicht immer mit trivialen Objekten zu tun. Die Verflechtungen und gegenseitigen Bedingungen sind manchmal extrem komplex. Das macht es auch methodisch nicht immer einfach. Dazu ein weiteres Beispiel.
Abb. 4: Lockerung #3: umsichtiges Lachen erlaubt: Marcello Coelho: Art-O-Meter, 2003
Das Art-O-Meter ist ein Gerät, das die Qualität eines Kunstwerks messen kann. Es wurde 2003 von Marcello Coelho am Massachusetts Institute of Technology in Cambridge entwickelt. Es entspricht dem aktuellen Stand der Technologie. Die Zeit, die ein Ausstellungsbesucher vor dem Werk verbringt, wird per Bewegungssensor gemessen, mit den Zeiten anderer Besucher gemittelt, in Relation zur Gesamtzeit der Ausstellungsbesuche gesetzt und mittels eines 5-Star-Rating-Systems im Gerät angezeigt (http://web.media.mit.edu/~marce lo/art-o-meter/index.htm). Ein Witz? Warum eigentlich? Ohne Zweifel handelt sich hier um ein Messgerät, das einen bestimmten Sachverhalt ermittelt und sogar in Echtzeit darstellen kann. Das ist saubere Empirie. Niemand würde bezweifeln, dass das Gerät die Verweildauer der Rezipienten vor einem Bild richtig messen könnte. Skandalös erscheint vielmehr die logische Weiterverarbeitung dieser Daten. Was stört, zumindest irritiert, ist, dass die Verweildauer vor dem Kunstwerk
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Forschung in und an der Kunstpädagogik
als Indikator für dessen »Qualität« gelten soll. Da gab es doch eigentlich ganz andere Kriterien … Die Frage lässt sich aber auch umdrehen: Was müssten wir unter »Qualität« verstehen, wenn »Qualität« nicht eine Eigenschaft des Objekts, sondern eine Eigenschaft der Beziehung zwischen diesem Objekt und seinen Rezipienten wäre, die durch die Verweildauer der Rezipienten vor diesem Objekt indiziert wird? Was misst dieses Gerät wirklich? Was wird dokumentiert? Oder de-dokumentiert? Welche Wahrheiten oder -scheinlichkeiten bringt es zur Darstellung? Was wird zur Darstellung gebracht dadurch, dass es dieses Gerät gibt? Dabei ist am Rande mitzubedenken: Der Autor ist Mitarbeiter der Fluid Interface Group am MIT, seine Forschungsarbeiten befassen sich mit der Neuoder Umgestaltung von Kommunikation durch Computertechnologie, wenn diese in die Materialien und Strukturen des Alltags eingebracht wird (http:// web.media.mit.edu/~marcelo/bio.htm). Das Art-O-Meter scheint eine konsequente Umsetzung dessen, was Jean-Françios Lyotard in seinem 1979 erstmals publizierten Buch über Das Postmoderne Wissen vorausgedacht hat. Im einleitenden Kapitel über das »Wissen in den informatisierten Gesellschaften« – heute besser bekannt unter dem Namen Wissens- oder Informationsgesellschaft – schreibt Lyotard: »Unsere Arbeitshypothese ist die, dass das Wissen in derselben Zeit, in der die Gesellschaften in das sogenannten postindustrielle und die Kulturen in das sogenannte postmoderne Zeitalter eintreten, sein Statut wechselt.« (Lyotard 1979, 19f.) Lyotard postuliert hier, dass sich durch die »Informatisierung« der Gesellschaft, d.h. die zunehmende Verbreitung und Nutzung der »Informationsmaschinen« die »Natur des Wissens« verändert, dass sich also das, was wir unter Wissen verstehen, selbst verändert, aber selbstverständlich damit auch die Art und Weise, wie wir mit dem Wissen umgehen, wie wir es herstellen (Wissenschaft), wie wir es darstellen und verteilen (Schule, Hochschullehre). Damit Wissen die »neuen Kanäle« der informatisierten Gesellschaft passieren kann, muss es quantifizierbar sein. Lyotard stellt daraus folgend die Prognose auf, »dass all das, was vom überkommenen Wissen nicht in dieser Weise [in Informationsquantitäten] übersetzbar ist, vernachlässigt werden wird, und dass die Orientierung dieser neuen Untersuchungen sich der Bedingung der Übersetzbarkeit etwaiger Ergebnisse in die Maschinensprache unterordnen wird.« (Ebd.)
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Vereinfacht gesagt, stellt sich vor diesem Hintergrund die Frage: Kann kunstpädagogisches Denken in die Maschinensprache übersetzt werden? Oder wie kann die traditionellerweise eher kultur- und geisteswissenschaftlich orientierte Forschung in der Kunstpädagogik mit diesem neuen Paradigma umgehen? Muss sich kunstpädagogisches Forschen nun sofort den (auch durch die Steuermechanismen der Forschungsförderung von DFG, BMBF, EU etc. induzierten) empirical turn mitmachen und sich am Vorbild quantitativ-empirischer Sozialwissenschaften orientieren (die sich wiederum am Paradigma der Naturwissenschaften und deren Wirklichkeitsverständnis orientieren)? Oder gibt es andere Möglichkeiten? – auf Umwegen eventuell? Dabei sind Lyotards Grundannahmen mitzudenken: Bei der so genannten »Natur des Wissens« handelt es sich gerade nicht um eine »natürliche«, sondern um eine »kultürliche«, eine »nicht-natürliche Selbstverständlichkeit« (Luhmann). Wissen, also auch das, was als Ergebnis von Forschung an der Kopplung von Kunst und Pädagogik gewonnen wird, ist epistemologisch betrachtet kein selbständiger »Stoff«, der durch Forschung ent-deckt wird, sondern eine Repräsentationsform von Welt, die kulturell geprägt ist und deshalb immer auch eine andere sein könnte (oder schon einmal gewesen ist). Wissen ist nie objektive »Abbildung« von Welt, sondern immer nur eine unter anderen möglichen (oder auch historisch wirklichen) Repräsentationsformen von Welt. Die zweite Grundannahme Lyotards besteht darin, dass die historischen Wandlungen der Repräsentationsformen von Welt eng mit den jeweiligen Kommunikations- und Darstellungstechnologien zusammenhängen. Auch Dirk Baecker schließt sich in seinen »Studien zur nächsten Gesellschaft« dieser Vermutung an, »dass nur Weniges eine so große Bedeutung für die Strukturen der Gesellschaft hat wie das jeweils dominierende Verbreitungsmedium.« Folglich hat die »Einführung des Computers für die Gesellschaft ebenso dramatische Folgen [...] wie zuvor nur die Einführung der Sprache, der Schrift und des Buchdrucks.« (Baecker 2007, 7) Auf die Produktions- und Distributionsstätten des Wissens übertragen bedeutet das, »dass sich die Universität der auf Schrift basierenden Hochkultur der antiken Adelsgesellschaft von der Universität der auf Buchdruck basierenden Moderne ebenso sehr unterscheidet wie Letztere von der auf dem Computer beruhenden ›nächsten Gesellschaft‹«. (Ebd., 102f.) Die »mediologische Revolution« (vgl. Debray 1999), mit der die Universität im Übergang von
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der auf Buchdruck basierenden Moderne zur Universität der »nächsten Gesellschaft« derzeit zu tun hat, muss als Rahmenbedingung auch für die Forschung an der Kopplung von Kunst und Pädagogik mitgedacht werden, weil das erheblich weiterreichende Folgen hat als bloß die Digitalisierung unserer Bibliotheken und Schreib- oder Mal-Maschinen. Wissenschaftliche Forschung an dieser Universität der nächsten Gesellschaft muss nach Baecker von vornherein damit rechnen, »dass jede Realitätsebene, auf die man sich einlässt, nur eine Perspektive unter anderen Perspektiven erschließt und daher die Existenz der anderen Perspektiven so mit ins Kalkül nehmen muss, wie man das von jeder ›Praxis‹ erwartet.« Forschung hat deshalb »nicht mehr den kritischen Umgang mit Büchern« zum Paradigma, »sondern den operativen Umgang mit Komplexität«. (Baecker 2007, 143) Forschung hat immer weniger mit der Suche nach universalen Gesetzen zu tun als mit auf einen bestimmten Projekt- oder Problemfokus bezogenen Anwendungszusammenhängen. Und die aktuellen und tatsächlichen Probleme und Forschungsherausforderungen tun uns leider nicht den Gefallen, in die Schubladen der bestehenden Fächer zu passen. Daraus ergibt sich quasi ein Zwang zur Transdisziplinarität. Die »neuen Kanäle« der informatisierten Gesellschaft entziehen – so Manfred Faßler in seinen Überlegungen zur Zukunft der Universität – »den überlieferten Strukturen im Wortsinne ›den Boden‹. Entterritorialisierte Netzwerke verändern die Zeit- und Aufmerksamkeitsökonomien der Disziplinen« (Faßler 2004, 3) – auch die der Kunstpädagogik als akademischer Disziplin.
Überblick als Momentaufnahme Wir haben in diesem Buch verschiedene Kunst-, Bildungs-, Wissens- und Selbst-Verständlichkeiten aus ganz verschiedenen Generationen, Regionen, Schulen, Theorielandschaften und Praxishabitaten zusammengetragen. Das ist auch eine Form von Entterritorialisierung. Dabei soll die Breite der Forschung an den unterschiedlichen Formen der Kopplung von Kunst und Pädagogik sichtbar werden. Es geht uns darum, einen Überblick herzustellen. Dennoch können wir hier nicht den Überblick über die Forschung in der Kunstpädagogik vorlegen. Es muss klar sein, dass es sich trotz relativer Breite doch nur um eine Momentaufnahme handeln kann. Zu Wort kommen hauptsächlich die derzeitigen Nachwuchswissenschaftler, diejenigen, die 2007/2008 an Promotionen arbeiteten, gerade damit abgeschlossen haben oder kurz davor standen, damit anzufangen: wissen-
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schaftliche Qualifikationsarbeiten zu Beginn des 21. Jahrhunderts. Das Gesamtbild, das sich daraus ergibt, mag in 10 Jahren ganz anders aussehen. Dennoch ist vielleicht der Moment, in den wir auf den Auslöser für diesen Schnappschuss gedrückt haben, insofern ein besonderer, als sich gerade jetzt im Moment und mit dieser Generation von Wissenschaftlern eine echte, gelebte Praxis der Wissensgesellschaft entwickelt, die in engstem Zusammenhang steht mit den eben erörterten Rahmenbedingungen.
Rahmendes Niemand forscht und denkt im luftleeren, dimensionslosen oder ahistorischen Raum. Der erste Abschnitt dieses Buchs widmet sich den Rahmenbedingungen der Forschung in der Kunstpädagogik. Zunächst blicken Andrea Sabisch und Wolfgang Legler mit je unterschiedlichem Fokus in die Vergangenheit. Sabisch betrachtet vor allem das ausgehende 19. Jahrhundert, in dem sich die Kunstpädagogik als Disziplin etablierte. Sie fragt vor dem Hintergrund der aktuellen Reformen in der Hochschulentwicklung und ihrer Konsequenzen für die Kunstpädagogik, welche Faktoren, Diskurse und Kontexte die wissenschaftlichen Fach- und Selbstverständnisse prägten und noch prägen. Am Beispiel dreier verschiedener Kontexte – Erziehungswissenschaft, kunstgewerbliche Schulen und universitärer Zeichenunterricht –, der gleichzeitigen Aufsplittung in Natur- und Geisteswissenschaften sowie der ästhetischen Dimensionen der Wissenschaft wird eine Folie für die Reflektion wissenschaftlicher Selbstverständnisse geschaffen, die wissenschaftshistorische Perspektiven stärker in den Blick nimmt und so auch Forschung an ihren Grenzen diskutieren kann. Der Beitrag von Wolfgang Legler gibt zunächst einen historischen Abriss von den Anfängen der Kunsterziehung über die Etablierung des Fachs zur universitären Disziplin im deutschsprachigen Raum. Dabei zeigt die kontinuierlich steigende Zahl der Promotionen und Habilitationen, dass die Kunstpädagogik im wissenschaftlichen Betrieb voll anerkannt ist. Ein Manko deckt Legler jedoch hinsichtlich der Koordination und Organisation wissenschaftlichen Arbeitens im internationalen Vergleich auf. Mit Blick auf die Forschungslandschaft in den USA und ihre unter dem Stichwort Policy zusammengefassten Organisationsformen und Steuerungselemente hält Legler ein umsichtiges Plädoyer, über den nationalen Tellerrand hinauszuschauen und einige Impulse in entsprechend veränderter Form auch hierzulande aufzugreifen.
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Karl-Josef Pazzini widmet sich der Forschung als methodisch gezähmter Neugier. Er rahmt das Thema mit einigen grundlegenden Überlegungen zum Verhältnis von Forschung, Kunst und Pädagogik: Ausgehend von Freuds Rede von der »kindlichen Sexualforschung« versucht er, den Anfängen des Forschens auf die Spur zu kommen. Psychoanalyse (der Begriff des Triebes/ Wisstriebes bei Freud und das lacansche Konzept des Realen), Pädagogik, Bildungstheorie und Kunstgeschichte, Text und Bild werden hier derart miteinander montiert, dass mit diesem Verfahren die allmähliche Verfertigung des Gegenstandes der Forschung zugleich als allmähliche Verfertigung des Subjekts zur Darstellung kommt. Den Abschluss des Rahmens bildet ein Expertise[n] genannter Diskurs über grundlegende Fragen zur Forschung in der Kunstpädagogik, die wir einer die Vielfalt der kunstpädagogischen Positionen repräsentierenden Auswahl von weiteren forschungserfahrenen Vertretern des Fachs gestellt haben. Kunibert Bering, Johannes Bilstein, Carl-Peter Buschkühle, Klaus-Peter Busse, Helga KämpfJansen, Constanze Kirchner, Johannes Kirschenmann, Pierangelo Maset, Georg Peez, Frank Schulz, Doris Schumacher-Chilla, Adelheid Sievert und Tanja Wetzel geben mit jeweils kurzen prägnanten Statements einen guten Überblick über die verschiedenen Positionen zur Frage, was unter fachspezifischer Forschung zu verstehen ist, wo die drängenden Forschungsbedarfe liegen, was die zentralen erkenntnisleitenden Interessen dabei sind und wie sich dies in der Lehre niederschlägt. Erhellend sind dabei insbesondere auch die Antworten auf unsere flankierenden Fragen nach dem jeweiligen meta-theoretischen Paradigma, individuellen Bezugswissenschaften, Nachbardisziplinen und nach der spezifischen Rolle die Kunst.
Meta – Überblickendes, Methodologisches, Fachpolitisches Im Hauptteil des Buchs stellen Vertreter des derzeitigen wissenschaftlichen Nachwuchses aktuelle Forschungsthemen und -projekte vor. Der erste Block versammelt Beiträge von Autoren, die nicht nur die Inhalte und Themen ihrer Forschungsprojekte selbst vorstellen, sondern daran und darüber hinaus auch übergeordnete, methodologische oder fachpolitische Fragen erörtern. Dabei werden aktuelle Debatten des Faches aufgegriffen und weitergeführt wie auch seismografisch aktuelle Tendenzen und Bruchlinien aufgespürt. Ansgar Schnurr entwirft ein konkretes Experiment: Er überträgt das medizinische Untersuchungsverfahren der Einsetzung eines Kontrastmittels in den menschlichen Körper auf das Feld der Kunstpädagogik, indem er eine künst-
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lerische Arbeit von Timm Ulrichs mit dem Diskurs über ästhetische Erfahrung kontrastiert. Während in der Medizin mit diesem Verfahren das Ziel verfolgt wird, bestimmte Regionen oder Organe des Körpers und deren Konturen sichtbar zu machen, möchte Ansgar Schnurr Klarheit über die Grenzen, die unsichtbaren Ränder des Diskurses über ästhetische Erfahrung gewinnen. Über die Analyse der Funktion des Witzes als wesentliches Moment in Ulrichs’ künstlerischer Arbeit werden die unsichtbaren Ein- und Ausschlüsse des Kunstbegriffs sichtbar, mit dem der Diskurs über ästhetische Erfahrung jeweils operiert. Im Zentrum des Beitrages von Christine Heil stehen der Begriff der Kartierung und seine Anwendung sowohl im Bereich der Ethnografie und qualitativen Sozialforschung als auch in der Kunstwissenschaft und in der Gegenwartskunst. In der Auseinandersetzung mit zwei unabhängig voneinander abgehaltenen Seminaren zur Praktikumsvorbereitung und -durchführung für Lehramtsstudierende geht sie der Frage nach, welche besonderen Formen der Reflexion und forschenden Haltung der Begriff der Kartierung hervorruft und wie sich der Einsatz entsprechender Verfahren in der Vermittlung auswirkt. In den Seminaren zum Thema »Kartierende Auseinandersetzung mit aktueller Kunst« wurde an verschiedenen Orten (Hochschule, Museum, ...) u.a. zu künstlerischen Projekten von Till Krause und Dieter Kiessling gearbeitet. Nobumasa Kiyonaga wählt für die Untersuchung des Verhältnisses von Kunstpädagogik und Kulturpolitik einen historischen Zugang: In seiner auf eingehendem Studium verschiedenartiger Quellen beruhenden Studie zu Alfred Lichtwarks Kunstbetrachtungsunterricht gelingt ihm nicht nur eine differenzierte, kritische Darstellung Lichtwark’scher Positionen zu Fragen nach den Konsequenzen seines Kunstbegriffs für die Vermittlung im Unterricht oder der nach dem Verhältnis der Kunsterziehung zu anderen Bereichen der Bildung, ebenso gibt die Lektüre Lichtwarks – so macht Kiyonaga deutlich – fruchtbare Impulse für die aktuelle Kunstpädagogik, so z.B. hinsichtlich der Beziehung von Kunst und Alltag, wie auch im Umgang mit den veränderten Bedingungen der Globalisierung. Jochen Krautz unterzieht diejenige Kunstpädagogik, die sich am Ideal der Kunst orientiert und sich dabei der vermeintlichen Umwege durch Didaktisierung zu entziehen versucht, einer kritischen Prüfung. Krautz fordert ein, die Forschung und Praxis der Kunstpädagogik wieder stärker mit der Frage nach ihrer pädagogischen Verantwortung zu konfrontieren. Zunächst werden mit Böhm und Danner die von der derzeitigen Kunstpädagogik vernachlässigten Zusammenhänge von Theorie und Praxis entfaltet sowie die Bezüge
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zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Freiheit dargestellt. Im Anschluss wird mit der Übertragung des Konzepts der personalen Pädagogik (Gabriele Weigand) auf den Bereich der Kunstpädagogik ein Vorschlag unterbreitet, wie ein ethisch verantwortbarer Umgang mit den aus den vorhergehenden Überlegungen nur vermeintlich resultierenden Paradoxien gefunden werden kann. Ein Topos, der in der Kunstpädagogik derzeit relative Hochkonjunktur hat, wird von Stephan Münte-Goussar untersucht: Gemeint ist die Rede von der »Ästhetischen Forschung«. Diese wird in einen engen Zusammenhang gestellt mit dem Konzept des forschenden Lernens, das sich nicht nur in universitären Didaktik-Seminaren, sondern auch an Schulen, Kindergärten und Werbebroschüren von Museen großer Beliebtheit erfreut. Mit diskursanalytischem Instrumentarium macht Münte-Goussar nicht allein die historische Genese dieses Konzeptes und seines begrifflichen Umfeldes mit den dazugehörigen Vokabeln wie »Eigenaktivität«, »Selbststeuerung« und »Autonomie« nachvollziehbar, sondern eröffnet zugleich eine kritische Perspektive: Indem der Diskurs des forschenden Lernens als zentrales Element von Macht- und Disziplinierungstechniken (neo-)liberaler Provenienz ausgewiesen wird, erscheint damit auch das Konzept der Ästhetischen Forschung in einem anderen Licht.
Zentrales – Gegenstandsbereiche, Themen, Phänomene, Räume Der Hauptteil versammelt diejenigen Beiträge, die sich jeweils konkret mit der an einem bestimmten Ort bzw. in einem bestimmten Setting angesiedelten Arbeit auseinandersetzen. Entsprechend den eingangs erörterten Rahmenbedingungen hat dabei die empirische Forschung, die die ursprünglich aus der Ethnologie und Soziologie stammenden Methoden weiterentwickelt, einen gewichtigen Anteil. Überwiegend werden erste Erkenntnisse aus laufenden Forschungsprojekten vorgestellt – gewissermaßen wird hier Forschung im Entwurf dokumentiert. Julia Rabe-Kröger stellt einen Ausschnitt aus ihrem Forschungsprojekt vor, das anhand von Interviews den Bildgebrauch von 8- bis 11-Jährigen untersucht. Hatten bereits Peirce, Duchamp oder auch Panofsky erkannt, dass sich die Bedeutung von Bildern im Gebrauchs herstellt, steht hier die Bildpragmatik (G. Böhme) und die medientheoretische Reflexion des Gebrauchs (Belting, Mersch) im Zentrum kunstpädagogischer Forschung. In der Präsentation
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und Interpretation eines Interviews werden Hypothesen über mögliche Erkenntnisse gebildet; zugleich erfolgt eine Problematisierung der Untersuchungsmethode im Hinblick auf die subjektiven Voraussetzungen auf Seiten des Forschenden. Im Zuge der forschenden Praxis geraten die Grenzen zwischen Kunst und Alltag in Bewegung. Im Unterschied zum vorhergehenden Beitrag, der bewusst bei einer außerschulischen Situation ansetzt und zunächst von der Differenz zwischen Kunst und Alltag absieht, wendet sich Jörg Grütjen – am Beispiel der Bronzefrau Nr. 6 von Thomas Schütte – der Betrachtung von Kunstwerken explizit im Kunstunterricht zu. Es besteht ein Bezug zu den Ausführungen von Nobumasa Kiyonaga über Lichtwarks Kunstunterricht, jedoch ist der Fokus bei Grütjen anders gelagert: Während es Lichtwarks Anliegen war, Erkenntnisse über die Möglichkeiten, Grenzen und Wirkungen der Vermittlung von Kunst zu gewinnen, setzt Grütjen bei der sozialen Dynamik der Gruppe an und untersucht, was auf Seiten der Schüler im Verlauf des Unterrichts passiert. Die soziale Interaktion in der Gruppe ist für die Schüler, so der Befund, womöglich entscheidender als die Auseinandersetzung mit einer künstlerischen Arbeit. An der institutionellen Schnittstelle zwischen Schule und Kunstmuseum (der GfZK – Galerie für Zeitgenössische Kunst, Leipzig) ist das von Katharina Küstner vorgestellte Projekt 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa angesiedelt. Lernende der Sekundarstufe I aller drei Schultypen arbeiteten zunächst zu Architektur-Konzepten der GfZK als Kunstmuseum und setzten sich im Anschluss mit der fotografischen Dokumentation des Museumsbaus von Walter Niedermeyer auseinander. Daran anknüpfend entwickelten die Schülerinnen und Schüler eigene »Traummuseen«, die sie zuletzt auf einer Vernissage auf den Internetseiten der GfZKforYou präsentierten. Anliegen der Forschungsstudie ist zum einen die Rekonstruktion der kommunikativen Prozesse in einer kooperativen Lernumgebung des Museums, zum anderen sollen die Bedingungen ermittelt werden, unter denen Schüler einen Transfer der vorgefundenen Konzepte und Strategien auf ihr eigenes Arbeiten vornehmen. Im weiteren Zusammenhang widmet sich die Studie der Frage der Nachhaltigkeit von ko-konstruktivistischen Lernprozessen, an denen Schule und Museum beteiligt sind. Den medialen Schnittstellen zwischen Netz, Kunst und Unterricht geht Sara Burkhardt nach. Angeregt von Arbeiten wie Human Browser von Christophe Bruno, befragt sie künstlerische Arbeiten im Netz im Hinblick auf das eigene pädagogische Handeln. Netzbasierte Kunst kann Burkhardt zufolge insofern als ›Modell‹ für den schulischen Unterricht zur Anwendung kommen, als sie
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Fragen wie die nach der Medialisierung, der Identität, der Ordnung und Darstellung von Wissen ebenso reflektiert wie sie Veränderungen im Umgang mit den Grenzen zwischen virtuellem und physischen Raum (Manovich) thematisiert und zugleich in Bewegung bringt. Andreas Brenne geht in seinen Überlegungen zur Bewegung als Dimension ästhetischer Bildung einer bisher von der Kunstpädagogik kaum beachteten Kategorie auf den Grund: Wenn Bewegung zugleich als »Medium und Form« (Luhmann) des für die Kunstpädagogik zentralen Phänomens der ästhetischen Erfahrung zu denken ist, stehen damit sowohl grundlegende bildungstheoretische Annahmen des Faches als auch unterschiedliche ästhetische Handlungsdimensionen auf dem Spiel. In seiner Untersuchung bewegt sich Brenne nicht allein auf dem Feld ästhetischer Theorie, sondern durchquert im Verlauf seiner Erörterung ebenso das Feld der Hirnforschung mit ihren konstruktivistischen Ansätzen wie die Arbeiten eines Henri Bergson oder Gilles Deleuze. Einen Einblick in die Formen der Kunstvermittlung an der Universität Flensburg aus studentischer Perspektive gibt Kerstin Asmussen. Sie untersucht das Verhältnis von Studium und Forschung im Bereich der Kunstvermittlung. Im Zuge der Reflexion der institutionellen Bedingungen in Form der Verschränkung von Universität, Museum und Öffentlichkeit kommt Asmussen zu dem Ergebnis, dass die Praxis der Vermittlung untrennbar mit der forschenden Praxis verbunden ist. Insofern ist ihr Beitrag, der auch als Dokumentation über den Verlauf der Studienreform gelesen werden kann, auch ein Plädoyer dafür, Forschung und Lehre wieder verstärkt als sich wechselseitig bedingende Prozesse aufzufassen und damit dem derzeitigen Trend der Entkopplung von Forschung und Lehre an den Universitäten Einhalt zu gebieten. Stefanie Richter schließlich skizziert ein auf Fallstudien basierendes Forschungsprojekt, das an der Clara-Grunwald-Schule bei Hamburg seinen Anfang nahm: In fünf verschiedenen Projekten, die im Grenzbereich zwischen darstellender und bildender Kunst angesiedelt sind, experimentieren Kinder mit verschiedenen Darstellungs- und Ausdrucksformen. Ziel der begleitenden Forschung ist es, Indizes (Sabisch) und Strukturmerkmale bei Prozessen ästhetischer Erfahrung herauszuarbeiten. Zugleich wird dabei reflektiert, mit welchen Methoden ein derartiges Wissen überhaupt generiert werden kann. Im Sinne des Modells einer gleichberechtigten Gemeinschaft von Forschenden und Lernenden haben die Methoden der empirischen Sozialforschung wie z.B. die ›fotogeleitete Hervorlockung‹ nicht allein die Funktion der Gewinnung von empirischen Daten für die Forschung, sondern werden im Zuge
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der gestaltenden Arbeit auf andere Weise auch von den Lernenden in Gebrauch genommen.
Randgängiges – Interdisziplinäres, Entgrenzendes, Erweiterndes Im letzten Teil werden Aspekte kunstpädagogischer Forschung entfaltet, die teils auf theoretischer, teils auf praktisch-organisatorischer Ebene über das Feld der Kunstpädagogik hinausführen und so ganz im Sinn des eingangs postulierten problem- und projektfokussierten Zwangs zur Transdisziplinarität unerwartete Verbindungslinien zu anderen Bereichen des Wissens ziehen. Manuel Zahn gewährt einen Einblick in sein Dissertationsprojekt, in dem er das Verhältnis von Film und Bildung untersucht. An poststrukturalistischen Ansätzen (u.a. an der lacanschen Ausrichtung der Psychoanalyse) orientiert, nimmt er zunächst kritisch diejenigen Zugänge zum Thema Bildung und Film in den Blick, die in traditioneller Manier die Eigenarten des Films als Medium verkennen. Im Anschluss daran nimmt er mit Dieter Mersch eine Verschiebung des Verhältnis Film und Bildung vor: Jenseits der Konzeption des Films als Transportmedium vermeintlicher Inhalte gilt es, die Medialität des Films als das, was sich dem Zugriff des Subjekts entzieht, ernst zu nehmen. Hier, so Manuel Zahn, sind die im eigentlichen Sinn bildenden Momente zu suchen. Mit der Organisation interdisziplinären wissenschaftlichen Arbeitens befasst sich der Beitrag von Anja Mohr. Auf ihre einschlägigen Erfahrungen mit der empirischen Forschung im Bereich der digitalen Kinderzeichnung aufbauend, gewährt sie einen detaillierten Einblick in ein am Institut für Wissensmedien der Universität Koblenz-Landau geplantes Forschungsprojekt, an dem Kunstpädagogen gemeinsam mit Informatikern eine neuartige Software für Kinder entwickeln sollen. Dabei sollen in weit stärkerem Maße, als es bisher der Fall war, die Interessen der Kinder berücksichtigt werden, indem sie von Anfang an am Prozess der Entwicklung beteiligt werden sollen. Kirsten Winderlich beschäftigt sich mit dem spezifischen Verhältnis der qualitativen Forschung zu ihrem Gegenstand, wenn es sich bei diesem um Prozesse Ästhetischer Bildung handelt. Im Mittelpunkt stehen zum einen die Untersuchungen von Jacqueline Baum und Ruth Kunz zu den Handlungen eines kleinen Kindes und die dabei ins Spiel kommenden Formen der Inszenierung sowie zum anderen ein eigenes Forschungsprojekt, in dem die Methoden des narrativen Interviews und der Fotografie bzw. der auch von Stefanie Richter
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thematisierten fotogeleiteten Hervorlockung zur Anwendung kamen. Während die Kunstpädagogik bislang eher den Transfer von aus der Soziologie bzw. Ethnologie stammenden Methoden qualitativer Forschung in das eigene Fach reflektiert, gerät damit auch der Transfer in die umgekehrte Richtung in den Blick: Es wird dargelegt, dass Ästhetische Bildung unverzichtbar ist für jegliche Praxis qualitativer Forschung. Das Anliegen des Forschungsprojekts von Julia Weitzel besteht in der kritischen Weiterführung des Konzepts der Existenziellen Bildung im Hinblick auf die Kunstpädagogik. Sollen in einem ersten Schritt dieses in sich höchst heterogene Feld sondiert und die einzelne Ansätze konturiert werden, so soll im Anschluss nach bislang nicht wahrgenommenen Anschlussmöglichkeiten für die Bereiche der Ästhetischen Bildung und der Ästhetischen Forschung gesucht werden. Umgekehrt soll auch die Rolle Ästhetischer Bildung für den Diskurs der Existenziellen Bildung thematisiert werden. In einer experimentellen Anordnung, bei der die theoretischen Überlegungen mit einer Auswahl an Abbildungen aus dem Werk von Joseph Beuys kontrastiert werden, soll die dabei in Bewegung geratenden Grenzen von Kunst und Wissenschaft in erweiterter Form reflektiert werden. Den Abschluss bildet der Beitrag von Sabine Grosser, die sich auch mit den eingangs erörterten Rahmenbedingungen wissenschaftlichen Forschens auseinandersetzt. Sie widmet sich den kulturellen Aspekten des Phänomens der Globalisierung sowie den damit verbundenen Dynamisierungsprozessen. Wird angesichts der Allgegenwärtigkeit dieser Prozesse jegliches Lernen nun verstärkt zu einer transkulturellen Angelegenheit, so fragt Sabine Grosser, ob nicht die Kunstpädagogik und der Kunstdiskurs in besonderer Weise geeignet sind, mit diesen Phänomenen einen nicht nur angemessenen, sondern auch produktiven Umgang zu finden. In einer schlaglichtartigen Beleuchtung einer Einheit im Kunstunterricht mit Jugendlichen und einer studentischen Arbeit, die in einem ihrer Seminare entstanden war, legt Grosser überzeugend dar, inwiefern genuin im Feld der Kunst bzw. der Kunstpädagogik entworfene Konzepte wie dasjenige des Displacement oder des Culture Travelling fruchtbar gemacht werden können für ein Verständnis von Andersartigkeit und AndersSein. Kunst und die dazugehörigen Diskurse können dazu beitragen, Haltungen zu erproben, damit Situationen der Begegnung mit dem Anderen nicht als bedrohlich abgewehrt werden müssen, sondern als Bereicherung erfahren werden können.
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Literatur Baecker, Dirk: Studien zur nächsten Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2007. Debray, Régis (1999): Einführung in die Mediologie, Bern/Stuttgart/Wien: Haupt 2003 (Facetten der Medienkultur 3). Faßler, Manfred: »Welche Zukunft hat die Universität?«, in: UniReport der Johann Wolfgang Goethe-Universität, Nr. 5, 2004; http://www.uni-frankfurt.de/fb/fb09/kulturanthro/documents/Fassler_unireport_04_05.pdf vom 10.5.2008. Lyotard, Jean-François (1979): Das Postmoderne Wissen. Ein Bericht, Wien: Passagen, 41999.
Abbildungen Abb. 1: Mark Tansey: The Innocent Eye Test, Öl auf Leinwand, 198 x 305 cm 1981, New York, The Metropolitan Museum of Art. Abb. 2/3: Walid Raad: The Atlas Group Archive: Files Type A: The Fadl Fakhouri Files: Notebook Volume 72: Missing Lebanese Wars, Mixed Media, 2003. Abb. 4: Marcello Coelho: Art-O-Meter, Mixed Media, 2003.
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Rahmendes
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Historische Perspektiven zur Reflexion wissenschaftlicher Selbstverständnisse Vor dem Hintergrund aktueller Reformen in der Hochschulentwicklung und ihrer Konsequenzen für die Disziplin Kunstpädagogik erscheint es mir dringend notwendig, die Veränderungen der gegenwärtigen wissenschaftlichen Forschung in ihrer Entstehung zu beobachten, generationenübergreifend zu befragen und gemeinsam weiter zu denken. Versteht man jede Forschung als Antwort auf gesellschaftliche, institutionelle, politische und personelle Rahmenbedingungen, so wird ihre historische und kulturelle Dimension bedeutsam. Um diese deutlich zu machen, werde ich in diesem Text insbesondere auf das ausgehende 19. Jahrhundert eingehen, in dem sich die Kunstpädagogik als Disziplin etablierte. Die Fragen, die den gesamten Text durchziehen, lauten: Welche im Forschungsentwurf noch unausgesprochenen Faktoren, Diskurse und Kontexte prägen wissenschaftliche Fach- und Selbstverständnisse in der Kunstpädagogik? Und wie beeinflussen sie die Kommunikation über Forschung im Spannungsfeld von Kunst, Pädagogik und Forschung? Um die komplexen Bedingungen und Einflussfaktoren wissenschaftlicher Selbstverständnisse innerhalb der Kunstpädagogik anzudeuten, fasse ich Kunst, Pädagogik und Forschung als drei prinzipiell gleichberechtigte Bereiche auf, die sich wechselseitig bedingen und beeinflussen und daher relativ zueinander beschrieben werden sollen. Im Folgenden skizziere ich exemplarisch unterschiedliche Relationen und Diskurse, die meines Erachtens Effekte auf die Kommunikation und Reflexion von Forschung haben. Zuerst skizziere ich den Einfluss kunstpädagogischer Texte bzw. kunstpädagogischer Lehrkonzeptionen auf die Forschung und rekurriere auf deren historische Kontexte innerhalb der Lehrerbildung an Schule und Hochschule. Im Anschluss daran ergibt sich aus der Verknüpfung von Institutionen- und Wissenschaftsgeschichte die Frage nach der Abgrenzung der Wissenschaften untereinander sowie nach den ästhetischen Dimensionen der Wissenschaft selbst.
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Forschung und Lehre Obwohl der kunstpädagogische Diskurs sich durch eine Vielzahl unterschiedlicher Publikationen auszeichnet, welche diverse Selbstverortungen zwischen Kunst und Pädagogik vornehmen, bleibt der wissenschaftliche Einfluss auf das Fachverständnis darin zumeist unerwähnt. Auf der einen Seite werden Fachverständnisse von Kunst aus legitimiert, auf der anderen Seite von der Pädagogik, um nur die extremen Pole der Lehrkonzeptionen zu skizzieren. Was diese Legitimationen und Positionierungen zwischen Kunst und Pädagogik selten reflektieren, ist die Frage, wie es zu diesen Selbstverständnissen kam, welche impliziten Normen, Werte, Menschenbilder, Ausbildungssituationen und politische Ziele etc. damit verbunden werden. Inwiefern sich die unterschiedlichen Standpunkte und Perspektiven der Autoren automatisch auf ihre Lehre auswirken, beschreibt Pazzini folgendermaßen: »Die jeweilige Art der Beantwortung führt zu unterschiedlichen Konzepten der Ausbildung, hat eine Positionierung von Kunstpädagogen im Sozialen einer Institution zur Folge, nicht nur der fertigen Kunstpädagogen, sondern auch der Kunstpädagogen in Ausbildung.« (Pazzini 2005, 6) Aber wie wirken sich diejenigen kunstpädagogischen Selbstverortungen, die Forschung bewusst oder unbewusst ausklammern, auf wissenschaftliche Selbstverständnisse aus? Wenn Forschung für die Lehre eine untergeordnete Rolle spielt, wie legitimiert sie sich dann? Wie können Forschung und Lehre sinnvoll miteinander verbunden werden? Neben der Reflexion der wechselseitigen Bezüge der Fach- und Selbstverständnisse von Kunst und Pädagogik finden sich in neueren fachdidaktischen Konzeptionen auch explizite Bezugnahmen auf wissenschaftliche Forschung. In den pädagogischen Diskursen über ein »forschendes Lernen« geht es seit den späten 1960er Jahren um ein individuelles, selbst gesteuertes Lernen als didaktisches Prinzip (Dirks/Hansmann 2002, 9f.; vgl. Münte-Goussar in diesem Band, 149–164). Bemerkenswert ist dabei, dass Wissen hier nicht als fertiges Wissen betrachtet wird, sondern der Prozess des eigenen Entdeckens, Suchens und Entwerfens des Wissens im Vordergrund steht.
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Historische Perspektiven zur Reflexion wissenschaftlicher Selbstverständnisse
In dieser Tradition kann der Ansatz »Ästhetische Forschung« verstanden werden, welcher künstlerische und wissenschaftliche Bezüge aufeinander bezieht und der wissenschaftlichen Forschung eine andere, nämlich ästhetische Dimension gegenüberstellt. Wenngleich in dem von Helga Kämpf-Jansen entwickelten Konzept ein Bezug zur Wissenschaft hergestellt wird, so bleibt dieser doch auf das Lehrsetting bezogen. Innerhalb dessen wird der Lernraum als Werkstatt konzipiert, in der experimentiert, recherchiert und repräsentiert wird, kurz: in der eine andere Art des Lehrens stattfinden kann. Der Lehrende wird zum Coach oder zum Forschenden, der teilnehmend beobachtet und Tagebuch schreibt. Das wissenschaftliche Selbstverständnis des Forschenden ergibt sich ausschließlich aus der Lehre und ermöglicht Anschlüsse, insbesondere an die qualitative empirische Forschung und eine Grundlagenforschung. War der wissenschaftliche bzw. formale Kunstunterricht, wie ihn Gunter Otto protegierte, noch eine einseitige und zudem reduzierte Übertragung wissenschaftlicher Prinzipien auf den Kunstunterricht als Gegenbewegung zur irrationalen musischen Erziehung (Daucher/Sprinkart 1979, 19; vgl. auch Richter 2003, 293), wird in aktuellen Lehrkonzepten eher eine wechselseitige Durchdringung von Wissenschaft und Kunst proklamiert. So werden gegenwärtig unter dem internationalen Label artistic research die Verflechtungen zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Forschung im europäischen Kontext untersucht (vgl. Busch/Lesage 2007) und auf ihre ökonomische Verwertbarkeit (»Grundlagenforschung der Kreativwirtschaft«) hin antizipiert.1 Welche Auswirkungen solche Positionierungen auf das Wissenschaftsverständnis haben, kann man derzeit nur vermuten. Aber wie kann Forschung alternativ zu den hier grob skizzierten kunstpädagogischen Lehrkonzeptionen vorkommen? Forschung lediglich als zweckorientierten Zulieferer für die pädagogische Praxis zu verstehen, hieße die kunstpädagogische Wissenschaft in ihren Chancen als eigenständigen, innovativen und kritischen Reflexionsraum zu verkennen. Wenn die beiden Münchener Daucher und Sprinkart bereits in ihrer programmatischen Schrift Ästhetische Erziehung als Wissenschaft von 1979 behaupteten, dass die wissenschaftliche Kunstpädagogik »ein Desiderat, keine vorgegebene Realität formuliert«, so hat sich dies inzwischen geändert (Dau1
Auf der Tagung Künstlerische Forschung – artistic ways of knowledge production, die vom 10.–12. Dezember 2009 an der Akademie Schloss Solitude von Prof. Jean-Baptiste Joly und Dr. Martin Tröndle veranstaltet wurde, ging es um »künstlerische Forschung als Grundlagenforschung der Kreativwirtschaft«. Quelle: http://kunstpartner.com/kunstlerische-forschung%E2%80%93-artistic-ways-of-knowledge-production/ vom 12.7.2008.
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cher/Sprinkart 1979, 7). Es gibt eine Reihe von Dissertationen und Habilitationen. Allerdings werden diese Texte kaum in die Lehrkonzeptionen integriert. Darüber hinausgehende Monografien, die der wissenschaftlichen Forschung im Spannungsfeld von Kunst, Pädagogik und Forschung ein stärkeres Gewicht einräumen, bleiben indessen rar.2 Will man Forschung im Entwurf kommunizieren, stellt sich jedoch die Frage, welche anderen Formate der Veröffentlichung es gibt, die Forschung und Lehre miteinander verknüpfen oder eine Übersetzung zwischen beiden anstreben. 3 Welche Fachzeitschriften, Organe, Foren, Mailinglisten, Blogs, Datenbanken etc. reflektieren überhaupt wissenschaftliche Selbstverständnisse? Wo kann ein verändertes Wissenschaftsverständnis im Fach diskutiert werden, welches Kunstpädagogik im Zuge der polyvalenten Studiengänge auch jenseits der Lehrerbildung denkt? Welche wissenschaftlichen Fragen, wie beispielsweise methodologische und theoretische, gibt es jenseits der Lehre? Tendenziell lässt sich festhalten, dass wissenschaftliche Selbstverständnisse in der Kunstpädagogik stark vom Lehrverständnis abhängen, wie es überdies durch die Doppelrolle der Verfasser als Lehrende und Forschende nahe liegt. Da dieser Faktor jedoch selten ausgesprochen wird, gleichwohl in eine Kommunikation über Forschung im Entwurf einfließt, werde ich im Folgenden exemplarisch drei historisch parallele Kontexte aufzeigen, die bis heute Lehrverständnisse und wissenschaftliche Selbstverständnisse prägen.
Kontext: Erziehungswissenschaft Der erste Kontext, der Effekte auf die wissenschaftliche Forschung in der Kunstpädagogik aufweist, bezieht sich auf die disziplinäre Formierung und Institutionalisierung von Erziehungswissenschaft, die sich im ausgehenden 19. Jahrhundert »aus dem Status der allein professions- und systembegleitenden Reflexion [befreit] und beginnt Erziehungswissenschaft im modernen Verstande zu werden« (Tenorth 2008, 218f.). Neben der Erweiterung des Gegenstandsbereichs auf die gesellschaftliche und kulturelle Bedeutung der Erziehung auch über die Schule hinaus bildeten sich Theorien, Methoden und Methodologien und nicht zuletzt Disziplinen heraus, die sich zunehmend ausdifferenzierten. 2
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Ausnahmen bilden u.a. die Anthologie von Daucher/Sprinkart (1979), die von Gunter Otto betreuten Themenhefte der Zeitschrift für Pädagogik (5/78 und 4/83), sowie das Handbuch Fallforschung von Peez, 2007. Welche Probleme eine ›Übersetzung‹ wissenschaftlicher Texte in der Kunstpädagogik birgt, untersuchte Zerull 1979 exemplarisch (Zerull 1979, 274).
Historische Perspektiven zur Reflexion wissenschaftlicher Selbstverständnisse
Wenngleich dieser Ausbildung der Disziplinen, hier: der Kunstpädagogik, bereits von 1800–1870 eine »erste Phase der Schulgeschichte des Zeichnens« im »deutschen Sprachraum, England und Frankreich« vorausging, bezeichnet Wolfgang Kemp die Zeit um 1870 als Zäsur sowohl für die Geschichte der Pädagogik als auch der Kunstpädagogik: »Der Terminus 1870 ist durch mehrere Gründe gesetzt. Der Anfang der 70er Jahre bedeutet für das Gebiet des Deutschen Reichs, für England und Frankreich insofern einen markanten Einschnitt in die Fachgeschichte, als damals die langen Bemühungen in die Einführung des Zeichnens in den Schulunterricht von Erfolg gekrönt wurden: Neue Lehrpläne und Schulgesetze bestimmen den Zeichenunterricht zum obligatorischen Lehrfach auch der Elementarschulen. Darüber hinaus bezeichnet das Datum 1870 eine wichtige Schwelle in der Pädagogikgeschichte überhaupt: Die Institution Schule tritt aus der Phase des Aufbaus, der Kämpfe um ihre Anerkennung und Durchsetzung in das Stadium der Konsolidierung und des Ausbaus. Die Schulpflicht ist 1870 in einem so hohem Maß durchgeführt, daß man die Auswirkungen des Schulbesuchs nunmehr auf alle Bürger der drei genannten Länder verallgemeinern darf, die bis in die 60er Jahre unseres Jahrhunderts weitgehend unverändert bleiben.« (Kemp 1979, 8) Neben der Abschaffung des Schuldgelds, den Bestimmungen zur maximalen Klassengröße, steigenden Lehrergehältern, sinkenden Schülerzahlen, einem erweiterten Fächerkanon, dem stärkeren Stellenwert der Frauen- und Mädchenbildung (u.a. durch Helene Lange), entstand mit der Pressefreiheit von 1874 und den drucktechnischen Technologien zudem eine neue Dimension der Massenpresse, die die Bedingungen für die Veröffentlichung von Zeitschriften erheblich verbesserte und das Vereinswesen enorm beflügelte. Der Verein für wissenschaftliche Pädagogik wurde 1868 gegründet.4 Eine einheitliche Auffassung dessen, was unter »Erziehungswissenschaft« verstanden wurde, gab es jedoch nicht. Unterschiedliche Systementwürfe und Diskurse suchten einerseits Anschlüsse an die Philosophie und andererseits an empirische Forschungen (auch in den Nachbardisziplinen) (Tenorth 2004, 356f.). Zudem entstand, parallel zur universitären Disziplin der Geschichte und
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Lemma: »Vereine der Schüler, wissenschaftliche«, s. »Schülervereine«, Roloff 1917, 442.
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dennoch losgelöst davon, eine Historiografie der Pädagogik um 1870 (vgl. von Prondczynsky 1999, 499). Bis heute haben die gesellschaftlichen, technologischen und institutionellen Entwicklungen, welche die Erziehungswissenschaft als kunstpädagogische Bezugswissenschaft hervorbrachten, Konsequenzen für die Kunstpädagogik und daraus resultierende Lehr- und wissenschaftliche Selbstverständnisse. Der Gegenstand des Faches, 1870 das Zeichnen und heute Kunst bzw. ästhetische Bildung, richtet sich insbesondere nach der Lehrerbildung und der Institution Schule. Daraus entsteht ein Verständnis, welches Erziehung als ästhetische oder künstlerische von anderen abgrenzt und zu legitimieren versucht. Auf der einen Seite dient die Erziehungswissenschaft als Orientierung für wissenschaftliche Systematik, Theoriebildung, Historiografie, Methodologie und empirische Ansätze. Kunstpädagogische Doktoranden nehmen an den Methodenworkshops der Erziehungswissenschaftler in Magdeburg oder Berlin ebenso teil wie an den unterschiedlichen Kommissionstagungen der Deutschen Gesellschaft für Erziehungswissenschaft. Auf der anderen Seite fehlen aber in der Kunstpädagogik vergleichbare wissenschaftliche Zeitschriften oder Online-Magazine, die peer-reviews und Rezensionen auf wissenschaftlichem Niveau darstellen und mit bestehenden Recherchetools verschlagworten, so dass kunstpädagogische Publikationen in Datenbanken und Portalen, z.B. im Fachportal Pädagogik, überhaupt erscheinen können und damit auch fachfremden Lesern zugänglich werden.
Kontext: kunstgewerbliche Schulen Der zweite Kontext, der gegenwärtige Lehrverständnisse und wissenschaftliche Selbstverständnisse beeinflusst, ist an die Lehrer- und Künstlerausbildung gekoppelt. Neben dem flächendeckenden staatlichen Zeichenunterricht in den Volksschulen wurde im Zuge der Weltausstellungen sowohl in Deutschland, England, den Niederlanden, Österreich die Institution kunsthandwerklich ausgerichteter Gewerbeschulen staatlich ausgebaut (vgl. Richter 2003, 154). Diese kooperierten, zumindest an bedeutenden Standorten, u.a. in Berlin, Hamburg, London und Wien mit kunst(gewerblichen) Museen und wurden zu Vorläufern der heutigen Hochschulen der Künste (Efland 2005, 57). In Bezug auf das Spannungsgefüge von Kunst, Pädagogik und Forschung bilden diese Kunsthochschulen eine spezifische Traditionslinie. Sie greifen
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teilweise Ideen der älteren europäischen Kunst-Akademien auf und verknüpfen – seit Alberti die »mechanischen Künste in den Rang der Freien Künste« erhob und »den bildenden Künsten zu einer wissenschaftlichen Grundlage« verhalf, indem er die Malerei mit der Mathematik verband (Bollmann 2004, 117) – bis heute handwerkliche und künstlerische Bildung. Insofern sie ein Promotionsrecht besitzen, sind sie heute, im Unterschied zu etlichen anderen europäischen Ländern, den Universitäten gleichgestellt. Ob die Forschung vom Umfang, von der Ausrichtung, Methode und Methodologie her jedoch mit der universitären vergleichbar ist, vermag ich aus heutiger Sicht nicht zu beurteilen. Hierzu müsste geforscht werden.5 Im Jahr 1976 beurteilte der Kunstpädagoge Diethart Kerbs die historische Forschung folgendermaßen: »Es ist bezeichnend, daß die überwiegende Mehrzahl der Schriften über die Geschichte des Zeichenunterrichts (wie übrigens auch der methodischen Schriften) aus den Federn von Volksschullehrern oder Seminarlehrern stammt. Von den Kunstakademien und ihren Professoren ist in dieser Hinsicht so gut wie nichts gekommen. Auch das ist ein Zustand, der noch heute vorherrscht: wissenschaftliche Beiträge zur Kunstpädagogik kommen in erster Linie aus den Pädagogischen Hochschulen – ein Bild, das sich erst allmählich ändert, seitdem die Ausbildung von Kunsterziehern auch an Universitäten bzw. Gesamthochschulen stattfindet.« (Kerbs 1976, 79) Wenngleich dieses Bild aus heutiger Sicht überzeichnet scheint, stellt sich die Frage, welche wissenschaftliche Forschung in der Kunstpädagogik an den Kunsthochschulen praktiziert und kommuniziert wird. Da lehrende wie auch forschende Selbstverständnisse an Kunsthochschulen oftmals stärker vom künstlerischen denn vom pädagogischen Verständnis ausgehen, verschiebt sich auch der Gegenstandsbereich der Forschung. Das wissenschaftliche Selbstverständnis ist nicht zwangsläufig an die Lehrerbildung gebunden. Es ermöglicht auch Forschungen mit anderen Anschlussstellen an die Kunstvermittlung.
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Als Quellengrundlage für die Forschung könnten die dreizehn neu gegründeten Zeitschriften in der Zeit von 1867–1892 dienen, die eine gewerbliche Erziehung thematisierten. Vgl. die umfangreiche Zeitschriftenbibliografie von Kerbs 1976, hier 221–224, sowie die Schriften des ersten deutschen Zeichenlehrervereins von 1868 (vgl. Grimm 1985, 19).
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Kontext: universitärer Zeichenunterricht Der dritte Lehrkontext, der die Bereiche Kunst, Pädagogik und Forschung anders als im Rahmen der handwerklichen und künstlerischen Ausbildung der Schulen miteinander verbindet, ist der universitäre Zeichenunterricht. Zwar erweitert dieser Bereich universitärer Kunstpraxis die Möglichkeiten wissenschaftlicher Selbstverständnisse, besonders in Bezug auf visuelle und bildhafte Phänomene in historischer wie zeitgenössischer Kunst und Wissenschaft, dennoch findet er laut Elke Schulze weder in der Universitätsgeschichtsschreibung, noch in der Geschichte der Pädagogik, noch in der Kunstpädagogik (Beschränkung auf schulischen Zeichenunterricht) dezidierte Erwähnung (Schulze 2004, 125f.). Schulzes Arbeit schließt diese Lücke, indem sie eine »Genese und Typologie der Universitätszeichenlehrer« rekonstruiert, die je nach Lehrverständnis als »Zeichenmeister, Zeichenlehrer, Pictor oder Lector« bezeichnet wurden (ebd., 27). War der Zeichenunterricht in den Exerzitien zunächst noch an eine Standesbildung gebunden, gestaltete er sich seit 1800 »maßgeblich als allgemeinbildende Einführung in Kunstpraxis und Kunstgeschichte« (ebd., 34). Diese Verknüpfung von Praxis und Kunstgeschichte wurde erstaunlicherweise auch noch an den Universitäten gelehrt, als sich der propädeutsche gymnasiale Zeichenunterricht im 19. Jahrhundert etablierte (vgl. ebd., 127 u. 148). Jeder, der kunsthistorisch forschen wollte, musste zeichnen lernen und sich praktisch mit Lasuren, Farbaufträgen und anderen technischen Fertigkeiten auseinandersetzen. Die Verknüpfung von Praxis und Wissenschaft prägt bis heute ein Verständnis von Lehre, indem das Zeichnen bzw. eine ästhetische Praxis zum besseren Verständnis der Kunst(-geschichte) führt und umgekehrt Kunstgeschichte über die eigene zeichnerische Praxis erfahrbar macht. Demgegenüber entsteht ein weiteres Lehrverständnis, welches auf das naturwissenschaftliche Zeichnen als Reproduktion für u.a. visuelle Lehrmittel zielte: »Den sich entfaltenden Bedürfnissen der Naturwissenschaften entsprechend, kam im Laufe des 19. Jahrhunderts das naturhistorische Zeichnen und Stechen dazu. Diese verschiedenen Ausrichtungen sowohl des Zeichnens als auch des Unterrichtes, ließen sich zumeist nicht miteinander vermitteln, die Divergenz führte häufig zur funktionalen Trennung der Bereiche. Allerdings war beiderlei Notwendigkeit durch die Einfüh-
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rung der Fotografie zur neuerlichen Selbstbegründung genötigt. Der Bestimmung zur Reproduktion ledig und unter dem Einfluß der sich emanzipierenden Kunstgeschichte wurde das universitäre Zeichnen als Wahrnehmungsschule neu gerechtfertigt – eine Form der ästhetischen Bildung, in der die entwickelten Stränge gebündelt zusammenlaufen konnten, die Facetten in Neukonturierung aufgehoben waren. Die Geschichte der Universitätszeichenlehrer verlief über die Stationen ›Lehrer der Fertigkeiten‹, dann ›Guiden der frühen Kunstgeschichte‹ und wissenschaftliche Zeichner, um schließlich in die Konzeption einer ›Schule des Sehens‹ zu münden. Diese Ausrichtung verhieß dem universitären Zeichen- und Kunstunterricht einen eigenwertigen Geltungsbereich, losgelöst von Reproduktionszwängen und als selbstständiger Partner der Wissenschaften.« (Ebd., 34) Die aus dem universitären Zeichenunterricht resultierenden Lehrverständnisse sind vielfältig. Sie reichen von einer allgemein bildenden Konzeption über kunst- und naturwissenschaftliche Verständnisse visueller Phänomene hin zur visuellen Wahrnehmungsschulung. Das komplexe Wechselspiel zwischen Zeichenpraxis an Schule und Universität sowie einer sich formierenden Kunstgeschichte mit den ersten Ordinariaten (ebd., 17) und der Erziehungswissenschaft bilden den Rahmen für verschiedene Lehrverständnisse. Da Forschungen in der Kunstpädagogik stark vom Lehrverständnis abhängen, wirken sich diese Lehrauffassungen unausgesprochen sowohl auf Fachverständnisse als auch auf wissenschaftliche Selbstverständnisse aus und beeinflussen eine Kommunikation über Forschung im Entwurf. Neben dieser Perspektive, in der ich Einflüsse diverser Lehrvorstellungen auf das wissenschaftliche Selbstverständnis grob umrissen habe, stelle ich im Folgenden Einflüsse von unterschiedlichen Wissenschaftsverständnissen bzw. Selbstverortungen der Disziplinen im Zuge der im 19. Jahrhundert vorgenommenen Abgrenzung zwischen Natur- und Geisteswissenschaften dar.
Die Rede von den »zwei Kulturen«: unterschiedliche Wissenschaftsverständnisse Betrachtet man die Ausbildung wissenschaftlicher Disziplinen im ausgehenden 19. Jahrhundert vor dem Hintergrund der entstehenden Geisteswissenschaften, wird ein weiterer wissenschaftshistorischer Kontext deutlich: die Abgrenzung der Wissenschaften untereinander. Als Wilhelm Dilthey 1883
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seine Einleitung in die Geisteswissenschaften in Abgrenzung zu den Naturwissenschaften fertig stellte, wird durch »›Nacherleben des inneren Zusammenhangs, der vom Allgemeinmenschlichen in seine Individuation führt‹, die Gliederung des objektiven Geistes im Verstehen erfasst, und darin besteht die Aufgabe der Geisteswissenschaften« (Dilthey 1907ff., 437, zit. n. Fulda 1974, 198). Mit dieser »an Hegels Theorie des ›objektiven Geistes‹ anknüpfenden Problemstellung hat Dilthey die hermeneutische Wende der neueren Philosophie eingeleitet«, die sich durch die erkenntnistheoretische Unterscheidung von ›Verstehen‹ und ›Erklären‹ im 19. Jahrhundert von den Naturwissenschaften abgrenzte (Mittelstraß 1986, 727). In den Geisteswissenschaften geht es demnach um Verstehensprozesse der »inneren Zusammenhänge«. Diese kreisen u.a. um Phänomene wie den menschlichen Willen, schöpferische Akte, Wahrnehmungs- und Auslegungsprozesse, um Zweckvorstellungen, Wertbeurteilungen und Sinngebungen, kurz: um kulturelle und soziale Prozesse des Geistes. Demgegenüber befassten sich die Naturwissenschaften mit allen beobachtbaren Erscheinungen, soweit sie ohne Zutun des Menschen (techné) existierten.6 ›Natur‹ und ›menschliche Natur‹ standen sich erkenntnistheoretisch einander gegenüber: »Vor dem Ende des achtzehnten Jahrhunderts existierte der Mensch nicht« und insofern handelten »die Naturwissenschaften vom Menschen als einer Art oder Gattung.« (Foucault 1974, 373) Die Unterschiede der hier grob skizzierten »zwei Kulturen« beziehen sich auf einen Begriff, der mit einem wissenschaftlichen Selbstverständnis in dieser Zeit viel zu tun hatte: »Objektivität«. In der Geschichte der wissenschaftlichen Objektivität zeichnen die beiden Wissenschaftshistoriker Lorraine Daston und Peter Galison anhand der Analyse von wissenschaftlichen Atlanten nach, dass wissenschaftliche Objektivität eine Erfindung sei, die mit dem Aufkommen der mechanischen Darstellungsmöglichkeiten (wie z.B. der Fotografie) um »1860 dominant« war und zur Norm wurde (Daston/Galison 2007, 28). Diese hatte eine Polarisierung von Wissenschaft und Kunst zur Folge: »Die Subjektivität, von der sich Wissenschaftler im 19. Jahrhundert distanzierten, wurde in anderen Kontexten kultiviert und zelebriert. In deutlichem Gegensatz zu früheren, von der Renaissance bis zur Aufklärung verbreiteten Ansichten von der engen Verwandtschaft zwischen künstlerischer und wissenschaftlicher Arbeit fand nun eine Polarisierung statt; in 6
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Zur Etymologie des Begriffes »Natur« vgl. die von T. Gregory, F.-P. Hager, A. Maierù und G. Stabile verfassten Abschnitte des Artikels »Natur«, in: Ritter 1984, Sp. 422–478.
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der öffentlichen Wahrnehmung verkörperten Künstler und Wissenschaftler Gegensätze. Künstler waren nun gehalten ihre Subjektivität zum Ausdruck zu bringen, sogar zur Schau zu stellen und gleichzeitig mahnte man Wissenschaftler, ihre zu unterdrücken.« (Ebd., 39) Mit dieser These einer Polarisierung von Wissenschaft und Kunst stellt sich mir die Frage, ob der Zeichenunterricht um 1870 – und damit die Entstehung der Kunstpädagogik als Disziplin – eine Schnittstelle zwischen Kunst und Wissenschaft bildet, an der man die relationalen Veränderungen von Kunst, Pädagogik und Forschung besonders gut untersuchen kann. Erst seitdem sich nämlich Wissenschaft und Kunst diametral gegenüberstehen, entwickelt sich das Fachverständnis um die Jahrhundertwende vom Zeichenunterricht hin zu einem individuellen, selbsttätigen Kunstunterricht in der Schule, der auch die Kunst stärker mit einbezieht. Wurde die Subjektivität (und damit die Körperlichkeit) des Forschenden aus den Naturwissenschaften radikal ausgeklammert (Kutschmann 1986, 16), stand sie im Zeichenunterricht, in der ›Schule des Sehens‹, als visuelle Erkenntnisgenerierung und individuelle Bewusstwerdungs- und Mnemotechnik fortan immer stärker im Zentrum. Für wissenschaftliche Selbstverständnisse in der Kunstpädagogik spielt die zugespitzte dichotome Aufteilung einer vermeintlich objektiven Wissenschaft und subjektiven Kunst bis heute eine Rolle. Wissenschaftliche Forschung erhebt den Anspruch, intersubjektiv nachvollziehbar zu sein, während Kunst subjektiv sein darf und nicht erklärbar sein muss. Aber gilt diese Polarisierung heute noch? Deuten gegenwärtige Ausstellungen, Tagungen und Lehrverständnisse nicht darauf hin, dass sich die Relation von Kunst und Wissenschaft momentan ändert? Wie werden diese Bereiche in den Forschungen dargestellt? Im wissenschaftshistorischen Kontext der Zeit spielt die Auseinandersetzung zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften eine entscheidende Rolle. Die umstrittene Rede von den »zwei Kulturen« ist bis heute ein Thema. Seit Charles Percy Snow 1956 diese Formulierung prägte, gab es wiederholt Versuche, die Sozialwissenschaften als dritte Kultur zu etablieren (u.a. Lepenies, Brockmann, Smolin). Die Herausbildung dieser dritten Kultur hat, laut dem Soziologen Rudolf Stichweh, »eine intensive kognitive und konzeptuelle Dynamik zwischen Human- und Naturwissenschaften freigesetzt, die in ihrer Intensität und Produktivität historisch neu ist und die alle Ideologeme der
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Abgrenzung, der prinzipiellen epistemischen Differenz und der angeblichen Überlegenheit der einen oder anderen Seite entbehrlich macht« (Stichweh 2008, N7). Über die gleichzeitig sich entwickelnde Erziehungswissenschaft urteilte Dilthey damals: »Die Missachtung, mit der man ihr begegnet, beruht auf dem richtigen Gefühl, dass sie eine Wissenschaft im modernen Verstande noch gar nicht sei.« (Dilthey 1888, 61, zit. nach Tenorth 2004, 357) Diese gegenseitige Abgrenzung der Wissenschaften untereinander wirft die Frage auf, wie sich Kunstpädagogen heute verorten. Je nachdem, ob sie sich eher als Geistes- oder als Sozialwissenschaftler verstehen, färbt sich dies auf ihre Forschung und auch auf die Kommunikation der Forschung ab.
Ästhetische Dimensionen der Wissenschaft Eine andere Perspektive auf das Spannungsverhältnis von Kunst, Pädagogik und Forschung stellen ästhetische Dimensionen in der wissenschaftlichen Forschung selbst dar. Der von Wolfgang Krohn herausgegebene Sammelband mit dem Titel »Ästhetik in der Wissenschaft« leistet einen wichtigen Beitrag zum interdisziplinären Diskurs über die Darstellung von Wissen. Krohn beschreibt darin die ästhetischen Dimensionen der Wissenschaft »in Komponenten des Forschungsprozesses (Instrumente, Methoden, Theorien), in der Struktur von Forschungsergebnissen, in der Gestaltung von Texten und den Stilformen von Forschungsfeldern« (Krohn 2006, 3). Um vorschnelle Schlüsse auf gegenwärtig oftmals postulierte Gemeinsamkeiten zwischen Kunst und Wissenschaften zu vermeiden, wählt Krohn bewusst den Terminus »ästhetisch« statt »künstlerisch«. Damit versucht er die »interne Konstruktivität der Wissenschaft als epistemische Kultur« begrifflich zu fassen. Ein Beispiel sieht er darin, wissenschaftliche Evidenz als Inszenierung zu betrachten: »Ähnlich wie ein Kunstwerk uns anspricht, weil es gestaltet ist, erleben wir wissenschaftliche Evidenz, weil – nicht obwohl – sie gestaltet ist.« (Ebd., 4) Sibylle Peters formuliert dies folgendermaßen: »Die Figuration von Evidenz zu untersuchen, geht in diesem Sinne mit der These einher, dass jedem Wissen eine Kunst der Darstellung implizit ist und umgekehrt jeder Kunst ein Wissen.« (Peters 2006, 10) Die Kunst der Darstellung von wissenschaftlicher Forschung beschränkt sich im Wesentlichen auf schriftliche Publikationen. Will man aber über Forschung im Entwurf kommunizieren, reicht es nicht aus, die schriftliche Dar-
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stellung der Forschung als nachträglich zu begreifen. Vielmehr ist sie integrativer Bestandteil der Forschung und gerade für den Prozess des Entwerfens unerlässlich. »Ich möchte aber behaupten, dass die wichtigste Quelle des Neuen – nicht im Sinne des Konstatierens von Fakten, sondern im Bereich der Interpretation – für den Historiker wie für den Geisteswissenschaftler wohl überhaupt das Schreiben selbst ist. […] Das Schreiben, so behaupte ich, ist selbst ein Experimentalsystem. Es ist eine Versuchsanordnung. Es ist nicht nur ein Aufzeichnen von Daten, Tatbeständen oder Ideen. Es ist auch nicht einfach der billige Ersatz für die lebendige Rede. Es ist nicht einfach das transparente Medium der Gedanken. Es gibt ihnen eine materielle Verfassung und zwar eine, die das Entstehen von Neuem ermöglicht. […] Schreiben ist mithin in einem elementaren Sinne auch die Voraussetzung für alle Wissenschaft.« (Rheinberger 2007, 91) Wie das Schreiben ist die ästhetische Darstellung von wissenschaftlichem Wissen in Bildern, Videos etc. laut Krohn nicht unabhängig von technologischen Entwicklungen zu betrachten. Dies zeige sich an der veränderten Wissenschaftspraxis, die sich »immer stärker von der instrumentellen Vermittlung sinnlicher Wahrnehmung abhängig« mache (Krohn 2006, 6). Durch die medialen, technologischen und damit verbundenen kommunikativen Veränderungen, wie z.B. durch andere Editionspraktiken, zunehmend visuell aufbereitete Publikationsmöglichkeiten und netzbasierte Kommunikationsweisen, verschieben sich die komplexen Relationen von Kunst, Pädagogik und Forschung derzeit erneut und verändern Wissenschaftspraxis wie auch wissenschaftliche Selbstverständnisse. Um diese Veränderungen erkennen und viele scheinbare Selbstverständlichkeiten in Frage stellen zu können, bedarf es einer Diskussion im Fach, die wissenschaftshistorische Perspektiven stärker in den Blick nimmt und wissenschaftliche Forschung an ihren Grenzen diskutiert. Die hier erwähnten Einflüsse diverser Lehr- und Forschungsvorstellungen, der wechselseitigen Positionierung von Kunst und Wissenschaft sowie verschiedener Kulturen der Evidenz als auch ästhetischer Dimensionen wissenschaftlicher Forschung bieten eine Folie, auf der wissenschaftliche Selbstverständnisse reflektiert werden können.
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Rahmenbedingungen und Perspektiven kunstpädagogischer Forschung Im Zusammenhang mit Überlegungen zur Erforschung des »künstlerischen Ausdrucks des Kindes« schreibt Richard Ott 1949: »Wir haben seit langem schon ein Institut zur Erforschung der Ur- und Frühformen des künstlerischen Ausdrucks, das an einer Hochschule der bildenden Künste eingerichtet werden sollte, und Lehrstühle für Kunsterziehung an den Universitäten gefordert. In dem vorgeschlagenen Institut wäre die Möglichkeit zur harmonischen Zusammenarbeit von Künstlern, Pädagogen, Ärzten und Psychologen gegeben. Die Einbeziehung der Kunsterziehung in den Arbeits- und Forschungskreis der Universitäten würde die Grundlagen der Kunsterziehung nach der philosophischen Seite hin erweitern […].« (Ott 1949, 18) Ott erhofft sich von einer solchen Stärkung von Forschung und Theoriebildung nicht nur bessere Argumente für eine zentrale Rolle des Kunstunterrichts bei der Erneuerung des Schulwesens nach dem Kriege, sondern auch überzeugende wissenschaftliche Antworten auf den fragwürdig gewordenen Geltungsanspruch des so genannten »bio-« bzw. »psychogenetischen Grundgesetzes«, das mit seiner Parallelisierung von Ontogenese und Phylogenese, Individual- und Kulturentwicklung seit Egon Kornmanns kunstpädagogischer Zurichtung von Gustaf Britschs Theorie der Bildenden Kunst in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts zu dogmatischen Engführungen im Verständnis des kindlichen Gestaltens und in der Auseinandersetzung mit künstlerischen Inhalten geführt hatte (vgl. Britsch 1966, kommentierend: Legler 1982).
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1. Notizen zur Vorgeschichte kunstpädagogischer Forschung Nun ist es natürlich nicht so, dass es bis 1949 keine kunstpädagogische Forschung gegeben hätte. Mich persönlich beeindruckt z.B. immer wieder, wie die Hamburger Volksschullehrer, allen voran Carl Götze, schon am Ende des 19. Jahrhunderts die gesamte relevante (in weiten Teilen englisch- und französischsprachige) Literatur aus den Anfängen der Entwicklungspsychologie und Kindheitsforschung rezipiert haben, um ihren Kampf gegen das Dogma des »richtigen« Zeichnens und für die »freie« Kinderzeichnung auf wissenschaftliche Argumente stützen zu können (vgl. u.a. Lehrervereinigung 1897 und 1898; zusammenfassend: Hespe 1985). Später erhalten sie von Ernst Meumann Unterstützung, der als Assistent an Wilhelm Wundts Leipziger Institut für experimentelle Psychologie gearbeitet hatte und seit 1911 Professor am öffentlichen Vorlesungswesen in Hamburg (einem Vorläufer der Universität) ist. Meumann sieht die Bedeutung des Zeichnens besonders darin, »daß das Kind […] neben seiner Sprache eine zweite Form des Ausdruckes und der Darstellung (Mitteilung) seines inneren Lebens gewinnt« (Meumann 1914a, 694), und betont deshalb die Notwendigkeit der Individualisierung im Zeichenunterricht. Der Fokus seiner Forschungsarbeit richtet sich nicht auf die Resultate des Zeichnens, sondern auf »das innere Verhalten des Kindes dabei« (Meumann 1914a, 696) und berührt auch Übereinstimmungen und Differenzen zum Lesen und Schreiben (vgl. Meumann 1914b). Viele seiner Befunde wirken auch noch beinahe 100 Jahre später erstaunlich »modern«. Aber auch in der Weimarer Zeit wird, ungeachtet einer wachsenden Dominanz der Britsch-Kornmann-Schule (s.o.) und zunehmender »musischer« Orientierungen in der Kunsterziehung, weiter experimentell zu kunstpädagogisch relevanten Themen geforscht, wobei die Forscher allerdings nur in Ausnahmen selbst Kunsterzieher sind: 1928 promoviert Rudolf Arnheim mit Experimentell-psychologischen Untersuchungen zum Ausdrucksproblem in Berlin bei den Begründern der Gestaltpsychologie Max Wertheimer, Wolfgang Köhler und Kurt Lewin. Er gewinnt nach seiner Emigration in die USA 1940 auf die dortige kunstpädagogische Diskussion großen Einfluss, weil er besonders in dem Buch Visual Thinking (1969) zeigen kann, »wie unentbehrlich« der Kunstunterricht »für die Gesamtentwicklung von Verstand und Einbildungskraft ist« (Arnheim 1980, 15). In Deutschland gibt es in den 1920er- und frühen 1930er-Jahren auch im Umfeld unseres Faches ein wachsendes Interesse an einer »pädagogischen Tatsachenforschung«. So beobachtet der Werklehrer
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Arno Förtsch an einer der Universität Jena angeschlossenen Schule unter der Betreuung von Peter Petersen über acht Jahre das »Werkschaffen« der Kinder und versucht dabei bestimmte Gestaltungstypen im Sinne einer »Pädagogischen Charakterologie« zu identifizieren (vgl. Förtsch 1933). Auch der Kunsthistoriker Herbert Read, der im Rahmen einer Gastprofessur an der Londoner Universität 1940 bis 1942 mit Education through Art (1943) die bis dahin sicherlich umfangreichste und wissenschaftlich fundierteste Grundlegung für die Kunsterziehung schreibt, beschäftigt sich dabei in einem Kapitel mit dem »Studium psychologischer Typen«, das er, wie Arno Förtsch (und übrigens auch der einleitend zitierte Richard Ott), als wesentliche Voraussetzung für einen Kunstunterricht ansah, der den Bedürfnissen und Möglichkeiten jedes einzelnen Kindes individuell Rechnung trägt. Aber Reads Interesse geht sehr viel weiter. Die These, die er in seinem Buch auf über 300 eng bedruckten Seiten zu begründen sucht, lautet: »Die Kunst sollte die Grundlage der Erziehung sein.« (Read 1968, 10) In Deutschland wurde Education through Art nach dem Kriege erst 1962 mit dem Erscheinen einer deutschen Übersetzung einer breiteren kunstpädagogischen Öffentlichkeit bekannt.
2. Die Etablierung der Kunstpädagogik als universitäre Disziplin Ungeachtet der Wertschätzung unseres Faches durch prominente Gelehrte wie Rudolf Arnheim oder Herbert Read ist das von Richard Ott vorgeschlagene Institut zur interdisziplinären »Erforschung der Ur- und Frühformen des künstlerischen Ausdrucks« niemals gegründet worden. Aber die ebenfalls geforderten Lehrstühle für Kunsterziehung an Universitäten, die es übrigens in der DDR schon gab, 1 wurden schließlich auch noch in der Bundesrepublik, beginnend mit den späten 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts, eingerichtet. In Hamburg z.B., wo auch die Ausbildung der Volksschullehrer schon 1926 der Universität übertragen worden war, gab es Professuren lange Zeit nur am Seminar für Erziehungswissenschaft, das zur Philosophischen Fakultät gehörte. Der Einrichtung erziehungswissenschaftlicher Lehrstühle mit didaktischen Schwerpunkten hatte sich die Fakultät stets mit Entschiedenheit widersetzt (vgl. Geißler 1973, 247). Die Didaktik wurde deshalb nach
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So war Günther Regel, der im Unterschied zu den meisten seiner Westkollegen nicht nur promoviert war, sondern sich sogar habilitiert hatte, schon seit 1963 Professor des CasparDavid-Friedrich-Instituts für Kunstwissenschaft an der Universität Greifswald, an dem auch Kunstlehrer(innen) ausgebildet wurden.
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1947 in einem der Universität angegliederten Pädagogischen Institut angesiedelt und dort von Dozenten gelehrt. Erst als im Zuge einer Neuordnung der Universität 1969 ein eigenständiger Fachbereich Erziehungswissenschaft gegründet wurde, wurde ihm auch das Pädagogische Institut eingegliedert und die Ausschreibung fachdidaktischer Professuren möglich. Schon vorher hatte es allerdings auch im Westen bereits kunstpädagogische Professuren an Pädagogischen Hochschulen gegeben, aber hier waren die Erwartungen in der Regel etwas anders gelagert. Die Stelleninhaber waren oft gelernte Gymnasialkunsterzieher mit einer soliden künstlerischen Ausbildung an einer Kunstakademie, längerer Schulpraxis und einem guten Überblick über die damals noch recht überschaubare fachdidaktische Literatur. Von ihnen wurde nicht in erster Linie »Forschung« erwartet, sondern eine qualifizierte Lehre, die sie als Generalisten nicht selten gleichermaßen auf den Gebieten der künstlerischen Praxis, der Kunstgeschichte und der Didaktik und Methodik des Faches anzubieten in der Lage waren. Die wenigen Stelleninhaber mit Doktortitel hatten überwiegend in Kunstgeschichte promoviert, in seltenen Fällen, wie Hans Meyers, in Fortsetzung der wieder aufgenommenen Forschungspraxis der Weimarer Zeit mit einem Thema wie Experimentelle Untersuchungen zur Entwicklung der zeichnerischen Begabung bei Siebenjährigen (1950). Obwohl es auch unter den nicht promovierten Lehrern an den Pädagogischen Hochschulen bemerkenswerte »Fachtheoretiker« und Forscher gab – stellvertretend seien hier nur Reinhard Pfennig (seit 1948 Professor für Kunstpädagogik an der PH Oldenburg) oder Gunter Otto (der vor seiner Berufung auf die erste kunstpädagogische Professur an der Universität Hamburg 1971 ab 1964 schon Professor an der PH Berlin war) genannt – war der Forschungsertrag bezogen auf die Gesamtmenge des »wissenschaftlichen Personals« außerordentlich bescheiden. Dass sich dies zunächst auch nach der Etablierung universitärer Lehrstühle für Kunsterziehung nicht wesentlich änderte, hängt neben der mangelnden Übung sicherlich mit dem oben skizzierten Status des »Generalisten« zusammen, der sein kleines Fach schon wegen der damit verbundenen bescheidenen Personalausstattung oft in seiner ganzen Breite zu vertreten hatte. Spezialisierungen in der Forschung, die sich mit der Lehre verbinden lassen, schienen schon dadurch strukturell erschwert. Impulse mussten also vor allem durch den wissenschaftlichen Nachwuchs kommen, der nun den gesetzlich vorgeschriebenen Einstellungsvoraussetzungen zu genügen hatte, die bald schon für eine Assistentenstelle eine überdurchschnittliche Promoti-
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on voraussetzten und bei Professuren die Habilitation oder wenigstens äquivalente Leistungen forderten. Nur in den »Südstaaten« Bayern und Baden-Württemberg wurden diese Kriterien lange Zeit »weicher« gehandhabt und stärker auf künstlerische Qualifikationen und reichliche Schulpraxis geachtet. Mittlerweile haben sich die Standards – auch zwischen den wenigen noch bestehenden Pädagogischen Hochschulen und den Universitäten – angeglichen. Ob es der Qualität der Lehrerausbildung allerdings nur gut getan hat, dass nun überall die traditionellen universitären Regelvoraussetzungen Promotion und Habilitation (bzw. habilitationsäquivalente Leistungen) den Ausschlag bei Stellenbesetzungen gaben und künstlerische Qualifikationen sowie nachgewiesene Schulpraxis zu Kriterien zweiter Ordnung wurden, soll an dieser Stelle nicht diskutiert werden. Unbestreitbar scheint mir aber, dass der von Constanze Kirchner jüngst konstatierte »Forschungsruck« in der Kunstpädagogik (Kirchner 2006, 200), der sich an einer wachsenden Anzahl qualifizierter wissenschaftlicher Veröffentlichungen in den letzten Jahren erkennen lässt, wesentlich damit zu tun hat, dass auch dort, wo die erste Generation universitärer Kunstpädagogen noch über wenig Erfahrung mit »Forschung« verfügte, überwiegend schon die zweite Generation im Rahmen der erforderlichen Qualifikationsarbeiten selbst geforscht hatte und damit in den meisten Fällen auch in der Lage war, ein geeignetes Umfeld für die Qualifizierung des eigenen wissenschaftlichen Nachwuchses herzustellen. Eine unterstützende Pionierleistung war in diesem Zusammenhang das von Gunter Otto mitinitiierte DFG-Graduiertenkolleg Ästhetische Bildung an der Universität Hamburg. In den vergangenen Jahren bemühten sich dann u.a. das Hochschulreferat des Bundes Deutscher Kunsterzieher (BDK) und besonders einige engagierte junge Kolleginnen und Kollegen, die überwiegend selbst erst vor kurzem promoviert hatten, den Austausch zwischen den jungen Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern zu fördern und ihre Arbeiten durch Workshops und Kolloquien zu Forschungsmethoden und methodologischen Problemen zu unterstützen (vgl. zuletzt Richter 2008). Die auf diese Weise im Ganzen erheblich verbesserten Rahmenbedingungen für qualifiziertes wissenschaftliches Arbeiten haben mittlerweile an den deutschen Hochschulen eine produktive und vielfältige kunstpädagogische Forschungslandschaft entstehen lassen, die nun ihrerseits auch auf die Qualität der Lehre positiv zurückwirkt. Die universitäre Kunstpädagogik ist, so scheint es, nun endlich wirklich in der Universität angekommen.
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3. Perspektiven Die im vorangegangenen Abschnitt genannten Maßnahmen zur Unterstützung der Forschung über die notwendigen »strukturellen« Voraussetzungen (Promotionsrecht der Hochschule, qualifizierte Betreuung) hinaus, werden im angelsächsischen Sprachraum unter dem Begriff policies zusammengefasst. Policy meint in diesem Zusammenhang, wenn ich es richtig verstehe, nicht nur politische Vorgaben im engeren Sinne, die Auswirkungen auf die Entwicklung von Forschungsbereichen und die Richtung von Forschung haben, sondern auch die von einer »scientific community« selbst zu verantwortenden organisatorischen Rahmenbedingungen und Schwerpunktsetzungen. Meine These lautet, dass die nun endlich erblühte kunstpädagogische Forschungslandschaft zur Verbesserung der internen Kommunikation, besonders aber zur Erhöhung ihrer Wirksamkeit für die zugeordneten Praxisfelder und ihre öffentliche Wertschätzung, behutsamer Instrumente der Koordination und Steuerung bedarf. Die Summe des aktuellen amerikanischen kunstpädagogischen Nachdenkens und Wissens lässt sich in konzentrierter Form auf über 800 engbedruckten Seiten in dem von Elliot W. Eisner und Michael D. Day herausgegebenen Handbook of Research and Policy in Art Education (2004) nachlesen. Research hat sich mittlerweile auch bei uns gut entwickelt. Policy ist erst in Ansätzen zu erkennen, wäre aber für das Erreichen der nächsten Evolutionsstufe der Kunstpädagogik als wissenschaftliche Disziplin m.E. eine wichtige Voraussetzung. Diese Behauptung möchte ich im Folgenden begründen und ein paar Vorschläge zur praktischen Umsetzung unterbreiten. 3.1 Organisation Forschung bedeutet bei uns immer noch primär das individuelle Arbeiten an und Publizieren von Forschungsprojekten, die im Prinzip nichts miteinander zu tun haben. Ja manchmal wollen sie nicht einmal etwas miteinander zu tun haben, weil sie aus Diskursen stammen, die sich gegenseitig nicht zur Kenntnis nehmen oder gegeneinander abgrenzen. Den großen kunstpädagogischen Kongressen in München 2003, noch mehr denen in Leipzig 2005 und Dortmund 2007 kommt das Verdienst zu, (fast) alle forschenden Kolleginnen und Kollegen zusammengebracht und die gemeinsame Arbeit thematisch nach Feldern strukturiert zu haben, die inhaltlich und fachpolitisch nach übereinstimmender Ansicht hohe Aktualität besitzen. Aber diese Kongresse waren
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eben keine Forschungskonferenzen, sondern Publikumstagungen, bei denen in der Regel so genannte »Theoretiker« so genannten »Praktikern«, salopp formuliert, die Welt erklärt haben und Diskussionen unter den Forschern schon durch den engen zeitlichen Rahmen kaum möglich waren. Die forschenden Kunstpädagoginnen und Kunstpädagogen müssten sich also z.B. im BDK nach dem Vorbild der 1992 gegründeten Commission on Research in Art Education im amerikanischen Kunsterzieherverband NAEA (National Art Education Association) selbst organisieren oder nach dem Vorbild der Wissenschaftlichen Sozietät Musikpädagogik2 eine eigene »Wissenschaftliche Sozietät Kunstpädagogik« gründen. Eine solche »Kommission für kunstpädagogische Forschung« oder Sozietät hätte sich – wie dies ja auch bei der Planung der oben erwähnten kunstpädagogischen Kongresse geschah – auf Arbeitsschwerpunkte zu verständigen, zu denen sie dann aber jeweils besondere Symposien und Arbeitssitzungen veranstalten müsste, zu denen neben einer interessierten Fachöffentlichkeit vorzüglich die Kolleginnen und Kollegen, die zu dem jeweiligen Schwerpunkt bereits wissenschaftlich gearbeitet haben und/oder Experten aus anderen Disziplinen als Referenten eingeladen werden. Ziel wäre, sich über den Stand der bereits vorliegenden Einsichten und über mögliche bzw. wünschenswerte Entwicklungen der Forschung in dem jeweils erörterten Bereich zu verständigen, aber natürlich auch konkurrierende Auffassungen sorgfältig zu diskutieren. Unverzichtbar erscheint mir in diesem Zusammenhang darüber hinaus ein Publikationsorgan, das neben den bestehenden Fachzeitschriften, die sich primär an praktizierende Kunstlehrerinnen und Kunstlehrer richten und allenfalls essayistische Beiträge zu Forschungsfragen erlauben, ausschließlich auf die wissenschaftliche Diskussion und die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen konzentriert und bei dem eine Runde wissenschaftlich ausgewiesener Fachkolleg(innen) als Herausgeber über die Qualität der Beiträge wacht. Das Beispiel der seit Herbst 1959 erscheinenden Studies of Art Education der NAEA in den USA mit dem Untertitel A Journal of Issues and Research in Art Education zeigt, wie entscheidend eine solche Zeitschrift den wissenschaftlichen Austausch und die qualitativen Standards kunstpädagogi-
2
Die seit 1984 bestehende Wissenschaftliche Sozietät Musikpädagogik veranstaltet regelmäßige Symposien und Arbeitssitzungen, veröffentlicht Sitzungsberichte, die seit 2004 in einer eigenen Reihe Wissenschaftliche Musikpädagogik erscheinen. Außerdem vergibt die Sozietät den Sigrid-Abel-Struth-Preis für wissenschaftliche Musikpädagogik, der für hervorragende Dissertationen ausgelobt wird (vgl. http://www.wsmp.de vom 08.03.2008).
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scher Forschung befördern kann (vgl. Eisner/Day 2004, 1f.). Heute wäre sicherlich auch eine netzbasierte Variante denkbar. 3.2 Koordination Die Befürchtung, dass solche Maßnahmen der »Qualitätssicherung« und Koordination von Forschungsressourcen tendenziell zu einer »Gleichschaltung« von Forschungsbemühungen führen könnten, scheint mir im Blick auf das amerikanische Beispiel unbegründet. Das oben erwähnte Handbook of Research and Policy in Art Education zeigt vielmehr eine erstaunliche Vielfalt an Positionen und methodischen Zugriffsweisen in der kunstpädagogischen Forschung. Und es bietet den großen Vorteil, diese inhaltliche und methodische Vielfalt auf verbindende Fragestellungen (z.B. Learning in the Visual Arts, Teaching and Teacher Education oder Forms of Assessment in Art Education) zu fokussieren, so dass direkte Vergleiche der jeweils thematisierten Aspekte und der Reichweite der jeweiligen Forschungsergebnisse möglich werden. Erste Versuche einer solchen thematischen Konzentration hatte in den 1990er-Jahren schon die bereits erwähnte NAEA Commission on Research in Art Education mit dem Projekt unternommen, eine Visual Arts Research Agenda für das 21. Jahrhundert zu entwickeln (vgl. NAEA 1994 und 1996). Man hatte die Kommission hierfür um weitere Fachleute, auch aus Nachbardisziplinen, der Bildungsadministration und der Praxis, erweitert. Ein erster Entwurf wurde allen Mitgliedern der NAEA, den Kultusverwaltungen, Politikern, interessierten Organisationen und den Medien vorgelegt. Auf der Basis der Rückmeldungen wurde eine zweite Vorlage erstellt, die in den Abschlussbericht mündete. Man hatte sich auf acht thematische Schwerpunkte verständigt: Demographics (Who teaches visual arts in the elementary, junior high and secondary levels? What is the nature of teacher preparation programs for various levels? What differences exist among states, regions and local districts? Etc.) Conceptual Issues (What art content is appropriate to be taught? What impact does cultural diversity have on the selection of art content? How might feminist inquiry and postmodern critical theories influence art teaching practices? Etc.) Curriculum (content, instructional goals, aims and objectives; How is curriculum theory translated into practice? Teaching strategies, resources etc.)
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Instruction (How are the visual arts taught in different demographic settings? What are the consequences of different approaches? Etc.) Instructional Settings (How do different educational environments affect visual arts learning?) Student learning (attitudes and values, learning strategies, developmental and cognitive factors, impact of art instruction, social-cultural influences, etc.) Program and Instructional Evaluation (assessment of responses, processes and products, qualitative assessment, individualized procedures, standardized testing, etc.) Teacher Education (To what extend are teachers prepared to teach art in a variety of educational contexts? Etc.). Zu jedem Schwerpunkt wurde ein anerkannter Experte/eine anerkannte Expertin als Task Force Chair ernannt, der/die in so genannten Briefing Papers den jeweiligen Themenbereich noch einmal differenziert erläuterte, methodische Überlegungen anstellte und die wichtigste Referenzliteratur zusammenstellte. Am Ende jedes Briefing Papers steht eine Einladung zur Mitarbeit in der Task Force, die bestehende Forschungsaktivitäten koordinieren und neue Projekte initiieren sollte. Auch das mehrfach erwähnte Handbook of Research and Policy in Art Education geht auf eine Initiative Elliot W. Eisners in der NAEA Commission on Research in Art Education im Jahre 1999 zurück. Obwohl es nicht explizit auf die Research Agenda von 1993/94 Bezug nimmt, kann man es als eine Art Zwischenbilanz lesen, die nun allerdings nicht nur die dort gewünschten Forschungsaktivitäten, sondern bereits tatsächlich erbrachte Forschungsleistungen bilanziert. Dabei gibt es Übereinstimmungen und Abweichungen bzw. Öffnungen. So ist die »pragmatische Orientierung« der Agenda in den bereits genannten Schwerpunkten Learning in the Visual Arts, Teaching and Teacher Education und Forms of Assessmant in Art Education aufgehoben, aber man fragt nun auch nach Historical Currents in Art Education, nach Policy Perspectives impacting the Teaching of Art und fasst am Ende Emerging Visions of the Field zusammen. Dabei spielt u.a. die postulierte Erweiterung von Visual Arts auf Visual Culture eine wichtige Rolle, die ja von der Visuellen Kommunikation bis zu der aktuellen Orientierung auf »Bildkompetenz« auch bei uns immer wieder diskutiert wird. Obwohl Visual Culture das World Wide Web ausdrücklich einbezieht, sind die dramatischen Veränderungen einer »Bildung im Neuen Medium« (vgl. Meyer/Scheibel/Münte-Goussar et al. 2008) offen-
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sichtlich noch kaum Gegenstand kunstpädagogischer Forschung in den USA. In eine deutsche »Visual Arts Research Agenda« würde ich außerdem auch die Schulentwicklung und die Entwicklung neuer Kooperationsformen von Kunst- und Kulturpädagogik aufnehmen. Auch im Handbook of Research and Policy in Art Education wurde übrigens für jeden Schwerpunkt ein eigener »Editor« eingesetzt, der/die das jeweilige Feld gut überblickte und qualifizierte Kolleginnen und Kollegen zur Bearbeitung einzelner Aspekte einlud. Von der Struktur her ist das Resultat zwar z.B. dem Leipziger Tagungsbericht Kunstpädagogik im Projekt der allgemeinen Bildung nicht unähnlich (vgl. Kirschenmann/Schulz/Sowa 2006). Aber der Anspruch des Handbook, in konzentrierter Form einen Überblick über den derzeitigen Forschungsstand zu geben, äußert sich hier nicht zuletzt in den themenbezogenen Bibliografien im Bemühen um eine möglichst weitreichende Vollständigkeit. Ein letzter vergleichbarer Versuch im deutschsprachigen Raum liegt mit dem von Gunter Otto und Horst-Peter Zeinert herausgegebenen Band I, Grundfragen der Kunstpädagogik, des Handbuchs für Kunst- und Werkerziehung 33 Jahre zurück. Die neben einem Beitrag zu »Funktion, Bedingungen und Verfahren der Evaluation von Konzepten der Ästhetischen Erziehung« (!) von Gunter Otto beigesteuerte umfangreiche »Bibliographie zum Problemfeld Ästhetische Erziehung« versucht übrigens auch »durch Hinweise auf die wichtigsten anglo-amerikanischen Publikationen eine(n) Einblick in den dortigen Diskussionsstand« zu geben (Otto/Zeinert 1975, 387). 3.3 Internationalisierung In diesem zuletzt genannten Aspekt sehe ich ein besonders dringliches Desiderat für die Weiterentwicklung der kunstpädagogischen Forschung im deutschsprachigen Raum: Wir müssen uns (wieder) um den Anschluss an die internationale Fachdiskussion bemühen! Dass sich auf einem european and international research symposium evaluating the impact of arts and cultual education im Januar 2007 in Paris mit Rolf Witte von der Bundesvereinigung kulturelle Jugendbildung (BKJ) nur ein einziger Deutscher, der im Übrigen nicht von einer Hochschule kommt, unter den unzähligen Referent(inn)en findet, ist schon etwas peinlich – und zeigt auch ein gewisses Beharrungsvermögen der deutschsprachigen Forschung im hartnäckigen Ignorieren international für besonders dringlich erachteter Forschungsfragen. Der Autor greift sich hier auch an die eigene Nase.
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Sicherlich ist der kunstpädagogische Diskurs viel stärker mit »nationalen« historischen, kulturellen, institutionellen oder philosophischen Kontexten verwoben als es z.B. die wissenschaftlichen Diskurse in den Naturwissenschaften sind. Andererseits gibt es aber sowohl in inhaltlichen als auch in methodologischen Fragen riesige Schnittmengen gemeinsamer Probleme, die einen stärkeren internationalen wissenschaftlichen Austausch dringend erforderlich machen. Dass nach dem INEA-Kongress in Hamburg 1987 neuerlich auch wieder internationale Tagungen in Deutschland stattfinden und Publikationen in deutscher und englischer Sprache erscheinen (vgl. z.B. Meyer/Scheibel/Münte-Goussar et al. 2008), sind ermutigende Zeichen, dass im Zuge des (erneuten) kunstpädagogischen Generationenwechsels auch hier etwas in Bewegung gerät.
Literatur Arnheim, Rudolf (1969): Anschauliches Denken. Zur Einheit von Bild und Begriff, Köln: dumont 4 1980. Britsch, Gustaf (1926): Theorie der Bildenden Kunst, hg. von Egon Kornmann, Ratingen: Henn 4 1966. Eisner, Elliot W./Michael D. Day (Hg.): Handbook of Research and Policy in Art Education, Mahwah, New Jersey/London: Lawrence Erlbaum 2004. Geißler, Georg: Die Eingliederung der Lehrerbildung in die Universität. Das Hamburger Beispiel, Weinheim/Basel: Beltz 1973. Hespe, Reiner: Der Begriff der Freien Kinderzeichnung in der Geschichte des Zeichen- und Kunstunterrichts von ca. 1890–1920, Frankfurt a.M.: Lang 1985. Kirchner, Constanze: »Kind oder Kunst. Annotationen zu aktuellen Forschungsaspekten«, in: Kirchenmann/Schulz/Sowa (Hg.): Kunstpädagogik im Projekt der allgemeinen Bildung, München: kopaed 2006, S. 199–207. Kirschenmann, Johannes/Frank Schulz/Hubert Sowa (Hg.): Kunstpädagogik im Projekt der allgemeinen Bildung, München: kopaed 2006. Legler, Wolfgang: »Die Aktualität des Althergebrachten«, in: Kunst+Unterricht, H. 74 (1982), S. 60–64. Lehrervereinigung für die Pflege der künstlerischen Bildung Hamburg: Zur Reform des Zeichenunterrichts (Text von Carl Götze), Hamburg: Alfred Janssen 1897. Lehrervereinigung für die Pflege der künstlerischen Bildung Hamburg: Das Kind als Künstler. Begleitheft zur Ausstellung von freien Kinderzeichnungen in der Kunsthalle zu Hamburg (Text von Carl Götze), Hamburg: Alfred Janssen 1898. Meyer, Torsten/Michael Scheibel/Stephan Münte-Goussar et al. (Hg.): Bildung im Neuen Medium. Wissensformation und digitale Infrastruktur/Education within a New Medium. Nowledge Formation and Digital Infrastructure, Münster: Waxmann 2008. Ott, Richard: Urbild der Seele, Bergen II/Obb.: Müller & Kiepenhauer 1949. Otto, Gunter/Horst-Peter Zeinert (Hg.): Grundfragen der Kunstpädagogik. Materialien und Relationen – Basis- und Bezugsdisziplinen (Handbuch der Kunst- und Werkerziehung, Band I), Berlin: Rembrandt 1975. Meumann, Ernst (1914a): Vorlesung zur Einführung in die experimentelle Pädagogik und ihre psychologischen Grundlagen. Dritter Band, Leipzig/Berlin: Wilhelm Engelmann, 2. erweiterte Aufl. 1914.
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Wolfgang Legler Meumann, Ernst (1914b): »Die experimentelle Psychologie und Pädagogik des Lesens, Schreibens und Zeichnens«, in: Walther Krötzsch (Hg.): Das Kind und die Schule. Ausdruck, Entwicklung, Bildung, Leipzig: Dürr o.J., S. 45–62. Das Buch entstand im Zusammenhang mit der Sonderausstellung »Schule und Buchgewerbe« auf der »Internationalen Ausstellung für Buchgewerbe und Grafik« in Leipzig 1914. NAEA Commission on Research in Art Education: Art Education: Creating a Visual Arts Research Agenda toward the 21th Century. A Final Report, Reston VA 1994. NAEA Commission on Research in Art Education: Art Education: Creating a Visual Arts Research Agenda toward the 21th Century. Briefing Papers, Reston VA 1996. Read, Herbert: Erziehung durch Kunst, München/Zürich: Droemer/Knaur 1968. Richter, Stefanie: »Forschung kommunizieren. Viertes kunstpädagogisches Kolloquium in Loccum 2007«, in: BDK-Mitteilungen 1/2008, S. 35f.
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Von der kindlichen Sexualforschung zu Forschung in Kunst & Pädagogik Forschung Nicht alle Menschen forschen, genauso wenig wie alle Menschen Künstler 1 sind. Manchmal kann man hören und lesen, dass das Forschen angeboren sei und sich nie mehr verlöre. Das ist empirisch nicht erwiesen. Es könnten fromme Wünsche, Idealvorstellungen von Pädagogen sein. Vielleicht kommt in diesen Wünschen auch zum Ausdruck, dass sie lieber doch nicht erziehen und unterrichten wollen, denn wenn alle Menschen forschen, dann braucht es jedenfalls nicht so viel Erziehung und Unterricht. Wenn das schon sein muss, dann nur, so sagen sie sich vielleicht, um einen Normalzustand wieder herzustellen, den des selbstständig aus sich heraus forschenden Menschen. Es gibt dumme und unkünstlerische Kinder. Wenn Lehrer der Forderung nach Normierung und Standardisierung Folge leisten, dann begeben sie sich dahin, wo es kippen könnte zum Dummmachen. Wobei Dummheit hier auch heißen kann ›sektoriell stark eingegrenzte hohe Intelligenz‹. Um es drastisch zu verdeutlichen, gemeint sind solche Intelligenzen, wie Adolf Eichmann sie hatte. Pädagogen haben, ich schließe mich ein, Angstlust, manchmal auch nur Angst vor dem Wagnis, der Neugier, den Ambivalenzen, dem PolymorphPerversen der Kinder, die sie selber auch einmal waren. Sie suchen diese an sich und den Kindern und möchten doch auch davor wegrennen, weil sie es (un-)glücklich überwunden haben.
Sexualforschung Freud geht davon aus, dass alle Kinder forschen. Er nennt diese Forschung »Sexualforschung«. Weiterhin nennt er Gründe dafür, deutet an, warum einige 1
Dass der Beuys-Spruch, dass alle Menschen Künstler seien, für bare Münze genommen wurde, hat schon manche Tanne, die zu Aquarellpapier verarbeitet wurde, das Leben gekostet.
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Kinder das Forschen aufgeben oder einschränken. Teile dieser Forschung sind in der Wissenschaft und in den Künsten wiederzufinden, werden dort fortgesetzt, auch jenseits des besonderen Zustandes Kindheit. Die Einschränkung oder Beendigung dieser Forschung macht so etwas wie Pädagogik notwendig.2 Den Satz kann man zweifach hören: Z.T. trägt Pädagogik zur Beendigung der Forschung bei. Sie schafft nicht nur Dummheit wieder ab, sondern kann sie auch kreieren. Sie hat darüber kaum Macht im Sinne einer gezielten Handhabe. Es hängt vom »pädagogischen Eros« ab. Man kann darüber nachdenken, ob nicht Kunst in pädagogischen Zusammenhängen dazu geeignet wäre, Forschung am Leben zu erhalten, Dummheit zu bekämpfen, eher als das andere Diskurse können; das gälte dann für den Alltag wie für methodisch zugespitzte Forschung in Kunst und Wissenschaft. Bei der kindlichen Sexualforschung geht es um die Bezähmung, die Kultivierung von etwas, das leicht überfordernde, stark anfordernde, herausfordernde, je nachdem sogar bedrohliche Züge hat. Nicht, weil es an sich furchtbar oder unlustig wäre, im Gegenteil, es kann auch durch die Lust, die es macht bei sich und anderen, zur Herausforderung werden. Lust ist manchmal nur im Moment lustig, manchmal will sie Ewigkeit. Sie kann in Schmerz kippen. Manchmal ist sie deshalb beängstigend. Strukturell hat alle Forschung, auch in der sublimierten Form, daran teil.
Trieb Es treibt zu forschen, zu suchen, zu erfahren. Es ist in der Regel kein Entschluss, den man ebenso gut auch nicht treffen könnte. Aus der Kleinst- und Kleinkinderbeobachtung scheint Neugierde unabweisbar und nicht immer instrumentell oder finalistisch orientiert, sondern drängend, ohne ein genaues Wissen darum, was gesucht wird. Das Treibende, den Trieb, umschreibt Freud so: »Unter einem ›Trieb‹ können wir zunächst nichts anderes verstehen als die psychische Repräsentanz einer kontinuierlich fließenden, innersomatischen Reizquelle, zum Unterschied vom ›Reiz‹, der durch vereinzelte und von außen kommende Erregungen hergestellt wird. Trieb ist so einer der Begriffe der Abgrenzung3 des Seelischen vom Körperlichen.« (Freud 1905, 76) 2 3
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In besonders schweren Fällen eine Therapie oder Psychoanalyse. Bei der Erwähnung der Abgrenzung möchte ich darauf hinweisen, dass Sexualität abgeleitet ist von secare: schneiden, trennen. K.J.P
Von der kindlichen Sexualforschung zu Forschung in Kunst & Pädagogik
Es ist das Grenzgeschehen, das so aufregt und anregt und überwältigen kann. Das ist z.B. das Überschreiten der Grenze zwischen Symbolisieren, Imaginieren und Biologischem. Erst durch dieses Überschreiten können beide in Funktion treten, in menschliche Funktion. Alles, was automatisch geht, also ohne diese komplizierten Übersetzungen, ist nicht Trieb, sondern Instinkt.
Reales Das, was da zur Produktion bringt, fast zwingt, ist das, was in der lacanschen Psychoanalyse das Reale genannt wird. Das, wovon ich handeln werde, ist eine der zivilisatorischen und kulturellen Herausforderungen des Realen an die Vorstellungskraft und die Darstellungsmöglichkeiten. Dieses Reale ist etwas anderes als die Realität. Als Realität bezeichne ich eine Kombination von Symbolischem, Imaginärem und Realem, auf die sich eine Gesellung geeinigt hat. Die Herstellung dieser Schnittmenge heißt dann Zivilisation. Sie braucht laufend neue Formierungen, z.B. durch Forschung. Realität ist etwas, für das es eine mögliche Beschreibung gibt, in irgendeiner Sprache, etwas, das bei dieser Gesellung wahrscheinlich ähnliche Vorstellungen, Bilder, Wünsche hervorruft, beides zusammen umschließt und verbindet. Realität bindet dabei etwas vom Realen ein, überzieht es mit einer Couverture. Ohne symbolische Fassung gibt es keine Realität. Die symbolische Fassung wird hohl ohne Imaginäres. Beide werden in Trab gehalten durchs Reale. Verfestigt sich die oben genannte Schnittmenge, entsteht Gewalt oder Leiden, weil nur so das Störende noch behandelt werden kann. Forschung und innovative Darstellungsmöglichkeiten sind also wünschenswert.4 4
Abb. 1: Gustave Courbet: L’Origine du monde, 1866
Abb. 2: André Masson: Panneaumasque de L’Origine du monde, 1955
Abb. 3: Tanja Ostojić: o.T., 20045
Die Presse vom 29.12.2005: »Courbet zeigte bereits vor 140 Jahren das Geschlecht einer mit geöffneten Schenkeln liegenden Frau. Die serbische, in Berlin lebende Künstlerin Tanja Ostojić zitiert in ihrem umstrittenen Plakat zur Projektreihe zum Jubiläumsjahr 2005 25 Peaces Gustave Courbets Gemälde L’Origine du monde (Der Ursprung der Welt). Das nicht signierte, 46 x 55 Zentimeter große Bild hat wegen seiner Drastik [vielleicht der drohende
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Nehmen wir an, es würde jetzt hier ein Bild gezeigt, etwa dieses (Abb. 1), dann ahnten fast alle, dass es sich jetzt wahrscheinlich nicht um den Beginn einer Softpornoshow handelt, sondern um ein Bild im Rahmen einer wissenschaftlichen Veranstaltung, das sicher noch etwas anderes zu bedeuten hat (symbolische Rahmung). Je nach Vorerfahrung und momentanem Zustand werden die Betrachter an etwas erinnert, das angenehm oder unangenehm, lustvoll oder nicht besonders attraktiv sei (Imaginäres). Jedenfalls appelliert das Bild auch mimetisch an den Körper. Und das wird je nach Positionierung in der symbolischen Vielfalt der Beschreibungsmöglichkeiten des Geschlechts und der Relation des Betrachters dazu wahrscheinlich sehr unterschiedlich ausfallen (Reales affiziert). Das Reale ist eine unabweisbare Anforderung, auf Grund derer etwas einfallen muss (deutlich wird das bei Katastrophen). Es verlangt nach Bedeutungsgebung, nach Rahmung, nach Handlung. So ist das auch bei Kindern. Das beginnt aus der Perspektive von Erwachsenen bei Zeugung und Schwangerschaft. Wenn das einmal passiert ist, dann nimmt etwas seinen Lauf. Kinder sind von anderen Dingen beeindruckt und herausgefordert als Erwachsene. Und für Erwachsene ist es eine Herausforderung, wie Kinder auf Herausforderungen reagieren. Eine der vielen Herausforderungen durch Kinder besteht für die Erwachsenen z.B. in der Frage, was denken die Nebenmenschen davon, wie ich auf das Kind reagiere, wenn es dieses und jenes tut oder sagt. Und daneben gibt es die Herausforderung nach Fassungen für das, was die biologisch beschreibbaren Bedürfnisse verlangen.
Durchbruch des Realen, K.J.P.] im 19. Jahrhundert einen Skandal ausgelöst. Nach über einem Jahrhundert im ›Untergrund‹ ist das Gemälde erst seit 1995 wieder im Pariser Musée d’Orsay zu sehen. L’Origine du monde zeigt das Geschlecht einer mit geöffneten Schenkeln liegenden Frau. Ostojic hat dagegen für ihr Plakat der in gleicher Pose daliegenden Frau einen blauen Slip mit den EU-Sternen angezogen. Courbets Skandal-Bild war von Khalil-Bey in Auftrag gegeben worden. Der ottomanische Botschafter in St. Petersburg war nach Paris übersiedelt, wo er sein immenses Vermögen genoss, das Glücksspiel pflegte und eine Kunstsammlung anlegte, in der der weibliche Akt einen Schwerpunkt bildete. Er kaufte Courbets Die Badenden, die 1853 einen Skandal verursacht hatten, und gab Die Schlafenden und den Ursprung der Welt in Auftrag. Letzteres Bild hing Augenzeugenberichten zufolge in Khalil-Beys Salon hinter einem grünen Schleier verborgen. Verborgen blieb auch der weitere Weg des Bildes nach dem Verkauf der Sammlung Khalil-Bey im Jänner 1868. Es wanderte nach Budapest und kam 1955 in den Besitz des französischen Psychoanalytikers Jacques Lacan und so nach Paris zurück. In der großen Pariser Courbet-Retrospektive 1977 fehlte Der Ursprung der Welt. Nachdem Lacan 1981 verstarb, ging das Bild in Abgeltung der Erbschaftssteuer in staatlichen Besitz über. Noch im Februar 1994 forderte die Polizei einen Buchhändler in Besançon auf, ein Buch, dessen Umschlag mit einer Reproduktion von Courbets Bild geschmückt war, aus dem Schaufenster zu entfernen.« (APA)
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Von der kindlichen Sexualforschung zu Forschung in Kunst & Pädagogik
Suche und Forschung Kleine Kinder haben von all den Unterscheidungen keine Ahnung, sie wissen nicht um die sexuellen, erotischen, symbiotischen, aggressiven Handlungen und Phantasien, denen sie ihre Existenz verdanken und die das Handeln der notwendig anwesenden Erwachsenen beflügeln oder lahmlegen. Bei ihnen selber rührt sich etwas, was sie nicht unmittelbar interpretieren können. Sie beginnen zu suchen. Wichtig ist in dieser Zeit vielleicht der Wechsel der Bespielung der Kinder mit Phantasien und Wünschen. Wechsel der Milieus. Beengend ist eine phantasielose Umgebung. Sie schafft eine starre Schnittmenge (s.o.). Nach Freud forschen schon kleine Kinder und stellen Theorien auf. »Um dieselbe Zeit, da das Sexualleben des Kindes seine erste Blüte erreicht, vom dritten bis zum fünften Jahr, stellen sich bei ihm auch die Anfänge jener Tätigkeit ein, die man dem Wiß- oder Forschertrieb zuschreibt. Der Wißtrieb kann weder zu den elementaren Triebkomponenten gerechnet noch ausschließlich der Sexualität zugeordnet werden. Sein Tun entspricht einerseits einer sublimierten Weise der Bemächtigung, andererseits arbeitet er mit der Energie der Schaulust.5 Seine Beziehungen zum Sexualleben sind aber besonders bedeutsame, denn wir haben aus der Psychoanalyse erfahren, daß der Wißtrieb der Kinder unvermutet früh und in unerwartet intensiver Weise von den sexuellen Problemen angezogen, ja vielleicht erst durch sie geweckt wird.« (Freud 1905, 100) Sie interessieren sich dafür, woher die Kinder kommen. »An die entsprechende Forschung erinnert man sich nur selten außerhalb der Analyse.« (Freud 1905, 101) Der Struktur nach, nicht im Sinne der je empirischen Biografie, könnte das aber gerade Anstoß für die Konjunktion von Kunst und Pädagogik sein (vgl. Blohm 2002).
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Sehen, Bemächtigung, gesehen werden, K.J.P.
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Zugemutetes Verständnis Kinder betreiben Forschung und Theoriebildung. »Im allgemeinen kann man von den kindlichen Sexualtheorien aussagen, daß sie Abbilder der eigenen sexuellen Konstitution des Kindes sind und trotz ihrer grotesken Irrtümer von mehr Verständnis für die Sexualvorgänge zeugen, als man ihren Schöpfern zugemutet hätte.« (Freud 1905, 102) Die Theorien als Ergebnisse der Forschung haben eine Stütze in der sexuellen Konstitution der Kinder. Sie enthalten groteske Irrtümer. Die Irrtümer zeugen von Verständnis, und zwar von mehr Verständnis für Sexualvorgänge – was das eigentlich ist, darauf komme ich noch zurück – als man ihnen zugemutet hätte. – Irrtümer enthalten Verständnis. Irrtümer werden bemerkbar vor dem Hintergrund eines normativen Systems. Verschiebt man dieses, dann taucht das Verständnis auf. Obwohl Kinder also zu einem Verständnis der Sexualvorgänge kommen, bleibt das Bemühen der »kindlichen Sexualforschung zumeist unfruchtbar und endet in einem Verzicht, der nicht selten dauernde Schädigung des Wißtriebes zurückläßt.« (Freud 1905, 102)6 Freud begründet die Gefahr des Misslingens mit Mangel an Sichtbarkeit bestimmter körperlicher Ereignisse und Funktionen. Es bleiben »zwei Elemente unbekannt […] die Rolle des befruchtenden Samens und die Existenz der weiblichen Geschlechtsöffnung – die nämlichen Punkte übrigens, in denen die infantile Organisation noch rückständig ist.« (Freud 1905, 102) Die kindliche Forschung finde zunächst einsam statt, nicht im Verbund. Und diese Einsamkeit, kombiniert mit der von Erwachsenen den Kindern zugeschriebenen Rückständigkeit (in Bezug auf die normative Rahmung, in der sie selber leben), führt zu einer »Entfremdung des Kindes von den Personen seiner Umgebung.« (Freud 1905, 102) Es kommt zu Verständigungsproblemen und zur Scham: einem Gefühl der Diskrepanz gegenüber dem, was die Umwelt erwartet, ein Gefühl für Tabuisiertes, für Autonomieverlust. Das Vertrauen kann erschüttert werden. Sie erleben dabei
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Wisstrieb produziert also auch Distanz und macht es nötig, diese aushalten zu können. K.J.P.
Von der kindlichen Sexualforschung zu Forschung in Kunst & Pädagogik
»auch den ersten Anlaß eines ›psychischen Konflikts‹ […], indem Meinungen, für die sie [die Kinder, K.J.P.] eine triebartige Bevorzugung empfinden, die aber den Großen nicht ›recht‹ sind, in Gegensatz zu anderen geraten, die durch die Autorität der Großen gehalten werden, ohne ihnen selbst genehm zu sein. Aus diesem psychischen Konflikt kann bald eine ›psychische Spaltung‹ werden; die eine Meinung, mit der die Bravheit, aber auch die Sistierung des Nachdenkens verbunden ist, wird zur herrschenden bewußten; die andere, für die die Forscherarbeit unterdes neue Beweise erbracht hat, die nicht gelten sollen, zu unterdrückten, ›unbewußten‹. Der Kernkomplex der Neurose findet sich auf diese Weise konstituiert.« (Freud 1908, 174f.) Wenn die infantilen Forscher harsch gebremst werden, lässt dies nicht selten »eine dauernde Schädigung des Wißtriebes zurück«, z.B. Dummheit oder Zwangsgrübelsucht. Die Schädigung kann aber so ausgehen, dass das Kind nicht lockerlässt, heimlich weitertheoretisiert und als Erwachsener eine hohe Sensibilität für zu einfache, sicher scheinende Theoreme, Bilder, Diskurse entwickelt, wie es sie früher von ausweichenden Erwachsenen gehört hat, die nur das erzählten, von dem sie meinten, dass Kinder das verstehen könnten. Kunst könnte in Kombination mit Pädagogik den zweiten Fall ausbauen und stützen helfen, ihn wieder für andere wahrnehmbar machen. Denn Kunst wechselt in ihrer Differenz zum Leben im Alltag (und in der Wissenschaft) die normativen Bezugssysteme. Die Ergebnisse der künstlerischen Forschung erscheinen als »groteske Irrtümer«, als unverständlich, als schwer nachvollziehbar und haben oft die Anstrengung unternommen, bisher geltende normative Bezüge zu umgehen, zu kritisieren, zu modifizieren. Allzu starke methodische Regulierung der Forschung beschämt jeden kindlichen Forscher ob seiner krausen Gedanken und Imaginationen. Freud schreibt: »Die stärkeren Naturen widerstehen allerdings diesen Beeinflussungen und werden zu Rebellen gegen die elterliche und später gegen jede andere Autorität. Erhalten die Kinder jene Aufklärung nicht, um die sie sich an Ältere gewendet haben, so quälen sie sich im geheimen mit dem Problem weiter und bringen Lösungsversuche zustande, in denen das geahnt Richtige auf die merkwürdigste Weise mit grotesk Unrichtigem vermengt ist, oder sie flüstern einander Mitteilungen zu, in welchen zufolge des Schuldbewußtseins der jugendlichen Forscher dem Sexualleben das Gepräge des Gräßlichen und Ekelhaften aufgedrückt wird.« (Freud 1907, 166)
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Deshalb gibt es den Weg der sauberen, exakten Forschung, die von Daten ausgeht, etwas Gegebenem, so dass man sich nicht mit seinen dummen Fragen unbedingt outen muss. Das ist der Vorteil einer um die Gefahr der Erfahrung gekürzten Empirie.
Prophylaxe Diese Überlegungen und Beobachtungen Freuds, seine Forschungen, die unter eben diesen von ihm beschriebenen Vorzeichen standen, die historische Einkleidungen und Irrtümer unvermeidlich an sich trugen, legten nahe, vorbeugende Maßnahmen zu ergreifen, wie z.B. eine rechtzeitige und zutreffende Aufklärung, eine Unterstützung der Wissbegierde, des Wisstriebes, der Forschung usw. Diese auch innerhalb der psychoanalytischen Pädagogik unternommenen Versuche sind zu größten Teilen fehlgeschlagen. Warum? Es handelt sich um ein strukturelles Problem, weniger um ein genetisches, eines der Entwicklung, eines einer zeitlichen Abfolge von Ursache und Wirkung. Konsequente Vorbeugung ist aus strukturellen Gründen unmöglich. Man kann bestenfalls ein Klima schaffen, in dem die Probleme als unlösbar, aber weitertreibend aufgehoben werden können. Es braucht also Dispositive, die Ambivalenz, Ambiguität, Paradoxalität, Uneindeutigkeit später und immer wieder in einer relativ aushaltbaren Art erlebbar machen und Anlass zu weiteren unvollkommenen Lösungen werden können, ohne sie vernichten, vereindeutigen, beseitigen, verdrängen, verwerfen zu müssen – für Erwachsene und für Kinder und für beide gemeinsam.
Ungleichzeitigkeit Wir haben es mit Ungleichzeitigkeiten zu tun, deren Synchronisierung und Harmonisierung kaum gelingen kann: Das kindliche Denken braucht als Referenzpunkt die eigene Körperlichkeit, diese wird ihm aus dem eigenen Erleben über Spiegelungen zugänglich und präzisiert. Daraus entsteht eine lebenslängliche Differenz, auch zu sich selbst, weil sie über den unverfügbaren Anderen läuft. So kommt es zu jeder Menge unvorhersehbarer Konstellationen.
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Abb. 4/5: Masaccio: Die Vertreibung aus dem Paradies, 1426/27, vor und nach der Restauration
Die eigene Körperlichkeit hat man nicht von vornherein der Gestalt nach zu eigen, die Gestalt kommt von außen, sie kommt vom Anderen. Man hat sie, aber auch hat man sie einmal nicht gemäß deren eigener Dynamik im Griff, sie unterliegt den biologisch beschreibbaren Phänomenen etwa von Hunger und Durst und hormonellen Prozessen. Diese treten natürlich nur kulturell eingebettet überhaupt zutage. Hier bildet sich das Subjekt wie ein Interface. 71
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Wenn jetzt ein Kind seine Orientierung an einem Erwachsenen sucht, so entsteht eine Differenz aus einer Kombination von sinnlich zugänglichen Daten, aber auch jeder Menge nicht sinnlich erfahrbarer Unterschiede. Beiderlei Differenzen sind beunruhigend und produktiv. Diese Unterschiede, auch die physiologischen, bedeuten zunächst einmal überhaupt nichts im Sozialen. Sie müssen erst mit Bedeutung versehen werden, so auch der Geschlechtsunterschied. Dessen Ausprägung ist demnach kulturell bedingt, eine Konstruktion, aber eine, die auf winzigen naturalistischen Unterschieden aufsitzt und sich zu bilden begonnen hat und erst dazu führt, dass Differenzen wahrgenommen werden können und müssen (Vertreibung aus dem Paradies, s. Abb. 4/5). Sofort mit der Wahrnehmung von etwas, das nicht passt, muss Konstruktionsarbeit anfangen und diese wird in unterschiedlichen Gesellschaften unterschiedlich zum Zwecke der Vereinfachung normiert. Diese Normierung aber setzt die Problematik in Gang. Als tatsächliche Vereinfachung wird sie nur auf Kosten von eklatanter Dummheit wirksam.
Wisstrieb und Unterschied Der Wisstrieb, der Forscherdrang, entzündet sich in der Regel zunächst nicht am sichtbaren Geschlechtsunterschied, sondern über die Relationen von Rivalität und Identifikation, z.B. bei der Ankunft eines jüngeren Geschwisters oder auch beim Ausbleiben desselben, weil das Kind auch aus Erfahrungen mit anderen Familien schöpfen kann. Es taucht dann die Frage danach auf, woher die Kinder kommen. Der sichtbare Geschlechtsunterschied, der erst für erwachsenere Menschen eine große Rolle spielt, wird zunächst als gegeben hingenommen. Das Kind, aber auch Erwachsene sind nicht interessiert an Unterschieden an sich, diese bringen nichts in Gang. Es braucht eine Not, ein Interesse, daran Auseinanderfallendes in Verbindung zu bringen. Erst danach macht sich das weitere Forschen und Denken vom Anlass frei. Derart eng verzahnt mit der unerkennbaren Natur des Menschen, die aber dringend und fortlaufend mit verallgemeinerbaren Bedeutungen versehen werden muss, wird die Suche, la recherche (wörtlich: immer wieder Suche, verstärkte Suche), die Forschung, unabschließbar.
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Descartes’ Neugier Das Betreiben von Wissenschaft ist einer der Versuche, ein durchaus produktiver, die Unabschließbarkeit zumindest zeitweise zu handhaben. Descartes hatte die entfesselte Neugier, die sich im Kombinieren und Erfinden ergeht, verdammt, im Namen der Methode.7 Er antwortete mit vielen seiner Schriften auf eine weit verbreitete Klage: »Das ›neugierige Auge‹ – des Betrachters oder des Schöpfers – wird […] bedroht von den Exzessen des eigenen Enthusiasmus«, schreibt Stoichita (Stoichita 1998, 169). Die Methode des neugierigen Auges ist die des Kombinierens und Erfindens. Descartes stellt fest: »Der allen Menschen gemeinsame Wunsch zu wissen, ist eine unheilbare Krankheit, denn die Neugier wächst mit der Lehre.« (Descartes 1824–1826, zit. nach Stoichita 1998, 169) Seine Begründung für die These von der Unheilbarkeit der Krankheit des Wissenwollens ist die Lehre. Auch die Lehre der Methode und die methodisch klare und distinkte Lehre selbst tragen zur Unheilbarkeit bei. »Der ›unersättlichen Neugier« setzt er die ›geregelte Seele« gegenüber« (Stoichita 1998, 169), damit es zu nachvollziehbaren Erkenntnissen kommt. Wir haben es hier auf hohem, selbstreflexivem und kultiviertem Niveau mit einer gängigen Abwehrformation zu tun, mit einer Notwehr. Diese führt zwar nicht zu einer überstrapazierten, durchdrehenden, ermüdenden Neugier, aber zur Standardisierung und Normierung. Dies hinwiederum kann zwanghafte und paranoische Ausgänge haben (Bedrohung durch die, die Ordnung scheinbar oder tatsächlich, auch mit Gründen, angreifen, z.B. Kinder oder andere Forscher).
Entscheidungen Im kindlichen Leben geht es immer wieder merklich oder unmerklich um Entscheidungen, ohne schon die Informiertheit des Erwachsenen zu haben, erst recht ohne eine gesicherte Methode. An die Stelle einer Absicherung treten die merkliche und unmerkliche Reaktion der Umgebung und das entstehende Gefühl für Stimmigkeit (nicht für Sichtbarkeit). Ein mimetisches 7
Darauf weist Stoichita hin. – Ich habe allerdings mittlerweile nachgesehen, bisher nur in einer deutschen Übersetzung von 1906 (Buchenau), dass es sich bei den Zitaten von Stoichita um Ausschnitte aus einem von Descartes komponierten »Lehrgespräch« handelt, so dass also die einzelnen Aussagen nicht umstandslos Descartes zugerechnet werden können. Außerdem zitiert Stoichita aus einer französischen Übersetzung eines lateinischen Textes.
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Vermögen spaltet so bestimmte Wahrnehmungen ab, andere lässt es mit Wohlgefallen und von außen verstärkt zu. Schon sehr früh steht es bei seinen Forschungen vor Entscheidungen und lernt damit auch die Art und Weise, wie diese Entscheidungen eingerichtet werden. Und diese Einrichtungen sind »härter« als die späterhin mit filigranen Argumentationen erreichten. Und es wird erfahren, dass diese Entscheidungen, diese Schnitte, diese Sektionen, das, was eben auch Sexualität ausmacht, nicht eineindeutig verbunden sind mit irgendwelchen »natürlichen« Gegebenheiten. Dazu ist das, was es zu spüren bekommt, zu uneinheitlich. Und zwar gerade deshalb, weil es noch nicht zu unterscheiden gelernt hat, welche Präsentationen offiziell gelten und welche nicht. Diesen Code muss es erst noch lernen. Und so vermitteln sich auch die Schwierigkeiten der Erwachsenen mit deren wesentlichen Lebensentscheidungen (über deren Spielraum und die Art und Weise, auf die Neugier der Kinder zu reagieren). Diese Wahrnehmungen werden dann nachträglich überarbeitet auf aushaltbare Stimmigkeit hin. Das ist für Erwachsene nicht wenig beängstigend, weil Kinder nicht mehr direkt erreichbar sind – das ist ein Moment der Autonomie der Kinder – und andererseits, weil ihre eigenen in der Kindheit gemachten Regeln nicht mehr ohne weiteres bewusst und willentlich zu revidieren sind.
Geschlechtsunterschied Neben der Frage, woher die Kinder kommen, und damit verbunden, warum sie denn kommen und was dazu beiträgt, entsteht die Frage nach dem Geschlechtsunterschied und dem eigenen Geschlecht. Auch dabei hat das Kind viel zu forschen, Gebildete und sich Bildende ein Leben lang. Hier liegt der Ursprung für die künstliche Naivität der Künstler und Forscher. Es handelt sich um einen Unterschied, der aus der Perspektive der Erwachsenen als ein solcher erscheint, also von einem Stand her, der schon durch Unterscheidungsmechanismen gelaufen ist. Unter dieser Perspektive nur werden die kindlichen Suchbewegungen als Suchbewegungen überhaupt wahrnehmbar interpretierbar und damit auch gelenkt. Neben allen Zwischenformen sexueller Erscheinungsweisen auf dem Spektrum zwischen der Bezeichnung »weiblich« und »männlich« tendiert aus der Wahrnehmung des Erwachsenen der Entscheidungsmöglichkeitsspielraum zwischen einem Aus-gangspunkt »weiblich« und »männlich«, der seine Stütze im Biologischen/Physiologischen hat. Er ist aber nicht durch eine biologisch-physiologische Beschreibung (es ist ja eben schon eine Beschreibung nach kulturellen, historischen
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Von der kindlichen Sexualforschung zu Forschung in Kunst & Pädagogik
Maßstäben) zum unverrückbaren Ausgangspunkt zu machen. Dennoch führen erst der Unterschied und die zwischen dem Unterschiedenen liegende Spannung zur Produktion der nächsten Generation. Das Produkt dieser Spannung ist ja das eben beobachtete, wahrgenommene Kind. Dieser Unterschied ist also einer, der per se eine Transgression, eine Überschreitung zum anderen Geschlecht hin, mit allen damit einhergehenden Phantasien, Befürchtungen, Glücksversprechen u.ä. zur Voraussetzung hat.
Gattung Die Überschreitung heißt im Deutschen auch Begattung, sie erzeugt die Gattung. Freud war trotz seiner Aufmerksamkeit für das Singuläre, das subjektiv Individuelle kein Subjektivist oder Individualist in dem Sinne, dass er die Gattung aus dem Auge verloren hätte. In diesem Sinne ist sein Forschen und Schreiben in der Tat ein Dispositiv des Experimentierens (vgl. z.B. Freud 1918, 184–186) mit dem Ziel der Verallgemeinerung, durchkreuzt und eingeschränkt durch die Vermittlung des je Einzelnen in seinem Leben mit der Gattung. Vielleicht ist das am pointiertesten zu lesen aus der Freudschen Äußerung in Zur Einführung des Narzißmus. Hier kommen beide Motive zusammen, die naturwissenschaftliche Hoffnung, die anderen seiner Ausarbeitungen zuwiderläuft, und die Berücksichtigung der Gattung: »Drittens muß man sich daran erinnern, daß alle unsere psychologischen Vorläufigkeiten einmal auf den Boden organischer Träger gestellt werden sollen. Es wird dann wahrscheinlich, daß es besondere Stoffe und chemische Prozesse sind, welche die Wirkungen der Sexualität ausüben, und die Fortsetzung des individuellen Lebens in der Art vermitteln.« (Freud 1914, 43f.) Gattung ist der Ausweg aus der Isolierung des Eigenen und birgt die Gefahr des Verschwindens und den Vorteil des Verstecks.
»Homosexualität« Es gibt viele Konstellationen von Geschlechtlichkeit, geformt über dem Realen des vielleicht am ehesten biologisch fassbaren Geschlechtsunterschieds. Die für die Fruchtbarkeit im wörtlichen (Erzeugung einer nächsten Generati-
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on) und im übertragenen Sinne (z.B. Forschungsergebnisse) notwendigen Transgressionen können auch beängstigend sein. Es kommt dann zu Versuchen der Abwehr. Eine häufige individuelle, aber auch institutionelle Form der Abwehr larviert sich als Wunsch nach Anschlussfähigkeit, nach Passung, nach Harmonie, kurz nach struktureller »Homosexualität«, einer Selbstüberschreitung, ohne die Erfahrung fundamentaler Fremdheit machen zu müssen: also wenn schon etwas anderes, dann bitte vom Gleichen wie beim Reißverschluss. Das Fremde muss davor zubereitet worden sein, es wird beispielsweise folklorisiert, mit Powerpoint 8 befriedet, naturalisiert, didaktisiert. Tendenziell prozessiert so methodisch strikt organisierte Wissenschaft oder deren Vermittlung. Neue Erkenntnisse kommen nur über die Sprengung dieser Struktur zur Geltung. Nach psychoanalytischer Erkenntnis steht Sexualität für die Überschreitung des Individuums auf die Gattung hin, das Individuum wird verletzlich9 und gerät damit hinein in eine gespaltene zeitliche Logik: Das Individuum ist sterblich, die Gattung hat schon gelebt und lebt wahrscheinlich weiter, auch wenn man ihr einige Apokalypsen an den Hals wünscht. In der Sexualität ist also verlangt, jeweils die Grenzen zwischen innen und außen, zwischen eigen und fremd im Hinblick auf etwas Drittes, die Gegenwart Überschreitendes, aus der Vergangenheit Kommendes zu integrieren. Mein Schreiben von der »Homosexualität« ist strukturell zu verstehen. Die Möglichkeit einer strukturell homosexuellen Überschreitung (Einrichtung einer Fiktion von etwas Gleichem, etwas, das gleicht) ist eine kulturelle Errungenschaft als eine besondere Form einer ermäßigten Überschreitung des ansonsten isolierten, in sich abgeschlossenen Individuums. Sie ist kulturelle Errungenschaft, solange sie um die Fiktionalität dieses Vorgehens weiß. In der Fiktionalität wird dann die Fremdheit aufgehoben, sie ist anwesend als Irritation dadurch, dass man sich, aber auch den anderen nicht hat. Und geht genau dann in eine heterosexuelle Struktur über. Diese Form versucht die Konfrontation mit einem Realen als etwas Unheimlichem, etwas Fremdem, das unerwartet im Vertrauten auftaucht, wie in einem »Als-Ob« zu ermäßigen. Das ist der Versuch, forschend einen Ausgangspunkt immer wieder zu erringen, der zeigt, dass es auch anders sein könnte, dass man es auch anders darstellen könnte. 8 9
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Es lohnt sich durchaus für Powerpointpräsentationen nach einer deutschen Übersetzung zu suchen. Siehe das Leitmotiv der documenta 12 »Bloßes Leben«.
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»Homosexualität«, so wie oben angedeutet gefasst, ist nicht gebunden an anatomisch beschreibbare körperliche Unterschiede. So kann aufgrund der Plastizität des Triebgeschehens eine strukturell homosexuelle Beziehung auch in phänographisch heterosexuellen Beziehungen gelingen. Im übertragenen Sinne gilt das nicht nur für Beziehungen zu menschlichen Objekten, sondern ebenso in der Beziehungsaufnahme zur gesamten Umwelt. Man verliert sich dabei nicht so sehr, die Effekte werden kontrollierbarer, es besteht vor allem nicht die Gefahr der Generierung von etwas Drittem in der Form von Nachwuchs oder der Verunreinigung etwa des »objektiv« Beobachteten durch etwas, was nun dort heranwächst. Das hat für die Konzeption einer objektiven Wissenschaft z.B. ungeheure Vorteile, bedingt aber disziplinierte Kontrolle. Eine etablierte Ordnung mit definierten Grenzen hat immer mit der Zurichtung von Zusammengehörigem, mit unterstellter oder hergestellter Gleichheit zu tun. In diesem Sinne kann man dann von der Tendenz zur (strukturellen) Perversion sprechen. Das mag mal sanfter, mal brutaler sein. Die Beruhigung durch Ordnung, ohne die wir nicht auskommen, liegt darin, dass durch ein wie auch immer vorgängig etabliertes Drittes (etwa Institutionen) Macht so kanalisiert wird, dass wir in weiten Bereichen der Wahrnehmung, des Handelns, des Denkens, des Fühlens auf Erwartbares, auf Bekanntem Ähnelndes, Gleiches oder Gleichgemachtes treffen. Gegen die Dummheit wirken so verstanden nur der Struktur nach bisexuelle Spannungsbögen. Spannungen sind dabei wichtig, nicht eine irgendwie vorausgesetzte Androgynität, die uns den Unterschied zu ersparen verspricht.
Vorbildhaft oder beängstigend Kinder kennen die sexuellen Spielregeln und Sanktionen nicht genau, die sie abhalten oder ängstigen könnten. Sie konfrontieren Erwachsene damit, dass ein garantierendes Drittes nicht komplikationslos gegeben ist, dass es selber nur als eine Konstruktion in Erscheinung tritt. – Sie müssen erst dazu gebracht werden, ein solches Drittes als Kriterium, das Unterscheidungen verlangt und trifft, anzuerkennen. – Diese Norm bleibt nur wirkmächtig, wenn entweder deren Fiktionalität reflektiert und toleriert wird oder wenn sie als fiktionale nicht erkannt werden darf, also wenn jemand die Macht hat, diesen Erkenntnisprozess zu unterbinden, bzw. verbieten kann, ihn auszusprechen. Treten hier Schwächen auf, dann werden die ganzen stillgelegten Ängste im »Inneren« wieder frei, die bis dahin als von außen drohend imponierten.
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Hier nun fängt ein kompliziertes Spiel an, kann anfangen. Wenn es nicht gelingt, die Unverfügbarkeit von Differenzen und Spannungsbögen anzuerkennen, wird man leidend psychotisch. Meist ist es produktiver anzuerkennen, dass jegliche Beziehung zur Umwelt und zu anderen Menschen vermittelt ist und dass diese Vermittlungen erfunden, am Leben gehalten oder verändert werden müssen. Das, so meine These, tut sehr oft Kunst.10
Forschung Etwas abenteuerlich möchte ich zusammenfassen: Alle Forschung hat ein drängendes Motiv in dem, was Freud die kindliche Sexualforschung nennt, eine Forschung, die keine Ruhe gibt, dahinter zu kommen, woher die Unterschiede kommen, was sie eigentlich sind, was am anderen ist, was man selbst nicht hat, und umgekehrt, warum das so ist und ob es auch anders sein könnte, ob es irgendwann und irgendwo einmal keine ärgerlichen Fremdheiten gab, ob man die wieder abschaffen kann, woher die Spannung kommt und warum gerade die kitzelt. Diese Forschung muss zudem eine Sensibilität bewahrt haben für unstimmige Antworten auf die Fragen. Und manche dieser Fragen lassen sich eben nur in diszipliniert noch nicht verallgemeinerten Formen bearbeiten. Dafür bietet der Diskurs der Kunst Möglichkeiten. Und dieser hinwiederum bietet im pädagogischen Feld die Möglichkeit, die Formulierung von Fragen offen zu halten und neben der Wissenschaft mit Mitteln der Kunst zu forschen und Unlösbares aufzubewahren als Frage für den nächsten Tag.
Nachbilder Die kindlichen Sexualtheorien, die Sexualforschung wird sowohl der Struktur nach wie auch thematisch in der Bildenden Kunst betrieben. So z.B. (12 von 185 Beispielen):
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Man könnte hier auch rekurrieren auf Horkheimer, der in seiner Immatrikulationsrede 1952/53 Bildungsprozesse als Liebesprozesse kennzeichnet. Horkheimer charakterisiert Bildung wie die Liebe als ein sich Einlassen, ein Zeitschenken. Vgl. Titz, 251f.
Von der kindlichen Sexualforschung zu Forschung in Kunst & Pädagogik
Abb. 6: Caravaggio: Der ungläubige Thomas, 1602–04
Abb. 7: Elke Krystufek: Liquid Logic + Josef Engelhardt, 2006
Abb. 8: Twin Gabriel: Think Tank Sixties (Dresden), 2003
Abb. 9: Zhang Xiaogang: Bloodline Series, 1998
Abb. 10: Still aus Jean-Luc Godard: La Chinoise, 1967
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Abb. 11: Maria Lassnig: Zweifel, 2004/05
Abb. 12: Elke Krystufek: Liquid Logic + Jean de Gourmont, 2006
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Abb. 13–16: Daniela Comani: »Eine glückliche Ehe«. Selbstinszenierung, 2003–2005
Von der kindlichen Sexualforschung zu Forschung in Kunst & Pädagogik
Abb. 17–23: Cindy Sherman: Untitled 390; Untitled 389; Untitled 379; Untitled 380; Untitled 393; Untitled 386; Untitled 355, 2006
Literatur Comani, Daniela: Frank Wagner, Kasper König, Julia Friedrich, Museum Ludwig, Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig (Hg.): Das achte Feld. Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz 2006. Descartes (1826): »La recherche de la vérité par la lumiere naturelle«, zitiert nach Stoichita 1998. Die Presse vom 29.12.2005. Durand, Regis/Véronique Dabin/Edwige Baron (Hg.): Cindy Sherman. Katalog zur Ausstellung im Jeu de Paume, Paris; Kunsthaus Bregenz; Louisiana Museum, Denmark; Martin-GropiusBau, Berlin, Paris: Flammarion im Vertrieb Prestel 2006. Fibicher, Bernahrd/Matthias Frehner (Hg.): Mahjong. Chinesische Gegenwartskunst aus der Sammlung Sigg, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz 2006 (Katalog zur Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle vom 14.09.2006–18.02.2007). Freud, Sigmund (1905): »Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie«, in: Studienausgabe Bd. V, hg. von Alexander Mitscherlich/Angela Richards/James Strachey et al., Frankfurt a.M.: Fischer 1969ff., S. 37–146 [= STA Bd., S.].
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Karl-Josef Pazzini Freud, Sigmund (1907): »Zur sexuellen Aufklärung der Kinder«, in: STA V, S. 159–168. Freud, Sigmund (1908): »Über infantile Sexualtheorien«, in: STA V, S. 169–184. Freud, Sigmund (1914): »Zur Einführung des Narzißmus«, in: Gesammelte Werke, hg. von Anna Freud unter Mitwirkung von Marie Bonaparte, Prinzessin Georg von Griechenland, London: Imago Publishing/Frankfurt a.M.: Fischer 1946ff., Bd. X, S. 137–170 [= G.W., Bd., S.]. Freud, Sigmund (1918): »Wege der psychoanalytischen Therapie«, in: G.W. XII, S. 181–194. Metken, Günter: Der Ursprung der Welt. Ein Lust-Stück, München: Prestel 1998. Noever, Peter (Hg.): Elke Krystufek. Liquid Logic. The Height of Knowledge and the Speed of Thought, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz 2007 (Katalog zur Ausstellung am MAK, Wien, vom 06.12.2006–01.04.2007). Pakesch, Peter (Hg.): Zwei oder Drei oder Etwas. Maria Lassnig, Liz Larner, Köln: Verlag der Buchhandlung Walther König 2006 (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Kunsthaus Graz am Landesmuseum Joanneum vom 04.02.–07.05.2006). Stoichita, Victor I.: Das selbstbewußte Bild. Vom Ursprung der Metamalerei, München: Wilhelm Fink 1998. Titz, Ewald: »›Der Sache, der ich Zeit schenke, schenke ich Liebe‹. Bildungsprozesse als Liebesprozesse? Überlegungen zu einem Satz von Max Horkheimer«, in: Johannes Bilstein/Reinhard Uhle (Hg.): Liebe. Zur Anthropologie einer Grundbedingung pädagogischen Handelns, Oberhausen: Athena 2007 (Pädagogik: Perspektiven und Theorien Bd. 7), S. 249–262. Wagner, Frank/Kasper König/Julia Friedrich et al. (Hg.): Das achte Feld. Geschlechter, Leben und Begehren in der Kunst seit 1960, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag 2006 (Katalog zur gleichnamigen Ausstellung im Museum Ludwig, Köln, vom 19.08.–12.11.2006).
Abbildungen Abb. 1: Gustave Courbet: L’Origine du monde, 1866, Öl auf Leinwand, 46 x 55 cm, Paris, Musée d’Orsay, zitiert nach Metken 1998, S. 9. Abb. 2: André Masson: Panneau-masque de L’Origine du monde, 1955, Privatbesitz, zitiert nach Metken 1998, S. 11. Abb. 3: Tanja Ostojić: o.T., 2004, zitiert nach www.brooklynmuseum.org vom 02.07.2008. Abb. 4/5: Masaccio: Die Vertreibung aus dem Paradies, 1426/27, Fresco, 208 x 88 cm, Cappella Brancacci, Florenz, Santa Maria del Carmine, vor und nach der Restauration, zitiert nach http://www.florentinermuseen.com/musei/cappella_brancacci_florenz.html vom 15.02.2008. Abb. 6: Caravaggio: Der ungläubige Thomas, 1602–1604, Öl auf Leinwand, 146 x 107 cm, Potsdam, Schloss Sanssouci, zit. nach http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:Caravaggio_Doubting_ Thomas.jpg vom 15.02.2008. Abb. 7: Elke Krystufek: Liquid Logic + Josef Engelhardt, 2006, Foto, zitiert nach: Noever, 114. Abb: 8: Twin Gabriel: Think Tank Sixties (Dresden), 2003, C-Print auf Aluminium, 75 x 60 cm, zitiert nach www.twingabriel.de vom 02.08.2008. Abb. 9: Zhang Xiaogang: Bloodline Series, 1998, Öl auf Leinwand, 147 x 179 cm, zitiert nach Fibicher/Frehner, S. 154. Abb. 10: Still aus: Jean-Luc Godard: La Chinoise, Frankreich 1967. Abb. 11: Maria Lassnig: Zweifel, 2004/2005, Öl auf Leinwand, 207 x 150 cm, zitiert nach Pakesch, S. 120. Abb. 12: Elke Krystufek: Liquid Logic + Jean de Gourmant, Foto, zitiert nach Noever, S. 123. Abb. 13–16: Daniela Comani: »Eine glückliche Ehe«. Selbstinszenierung, 2003–2005, digitale Montagen, Piezo-Abzüge, zitiert nach Wagner/König/Frank, S. 270. Abb. 17–23: Cindy Sherman: Untitled 390; Untitled 389; Untitled 379; Untitled 380; Untitled 393; Untitled 386, Untitled 355, 2006, Fotos, zitiert nach Durand/Dabin/Baron, o.S.
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Kunibert Bering Johannes Bilstein Carl-Peter Buschkühle Klaus-Peter Busse
Expertise[n]
Helga Kämpf-Jansen Constanze Kirchner Johannes Kirschenmann Pierangelo Maset Georg Peez Frank Schulz Doris Schuhmacher-Chilla Adelheid Sievert Tanja Wetzel
Ästhetische Erfahrung Ästhetische Forschung Ästhetische Operation
Alltagsästhetik Forschung ist unerlässlich – für den Fortschritt, für die Freiheit, die Aufklärung, … für die Mittelzuweisung, für das Überleben als akademische Disziplin, für die Karriereplanung des wissenschaftlichen Nachwuchses. Es gibt Grundlagen-, Drittmittel-, Unterrichts-, Auftrags-, qualitative, quantitative, angewandte, empirische, heuristische Forschung. Es liegt die allgemeine Annahme zu Grunde, dass die Dinge eine Ordnung haben oder in eine solche gebracht werden können. Forschung beginnt mit dem Sammeln, Ordnen und Beschreiben ihres Materials. Was ist im Falle der akademischen Disziplin »Kunstpädagogik« das Material? Was sind die Themen? Was die Fragen?
Alterität
Anthropologie Arbeits-Akte Aufklärung
Bachelor Bilderreservoir Bildpraxis Bildwissenschaft Curriculumtheorie Dokumentation
Empirische Forschung Entwicklung Fallstudie
Forschendes Lernen Freie Kunst
Was ist Forschung in der Kunstpädagogik? Wo sehen Sie aktuell vordringliche Forschungsbedarfe? Wie in allen Bereichen der Erziehungswissenschaft besteht auch in der Kunstpädagogik ein immenser Bedarf an empirischer Bildungsforschung. Der ewige Streit um die »richtige« fachliche oder auch fächerübergreifende Orientierung und Fachbezeichnung ist allenfalls für die innerfachliche Profilierung interessant und kann demnächst sicher in den unterschiedlichsten begrifflichen Kombinationen neue Bachelorund Masterstudiengänge schmücken. Qualitative und quantitative empirische Forschung soll nicht das Denken ersetzen, aber sie kann – hoffentlich – nachweisen, warum, wozu und wie sich Kunstpädagogik als wissenschaftliche Disziplin und i als Handlungsbereich weiterentwickeln kann. Ein riesiges Defizit besteht zudem weiterhin im internationalen Vergleich: Unser Fach ist immer noch weitgehend auf den deutschsprachigen Raum fixiert. Wenn die Arbeitsstelle für historische und vergleichende Kunstpädagogik in Berlin (Otfried Scholz) nicht erhalten bleibt, würde sich dieses Defizit in der internationalen kunstpädagogischen Forschung noch verstärken. ADELHEID SIEVERT
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Gegenwartskunst Handlungsforschung
Historische Forschung
Ideengeschichte Forschende Zugänge zur Welt sind Institution Intermedia allen Menschen eigen. Sie sind motiviert durch Neugierde an den Phäno-Internationaler Vergleich Interview menen und davon, eine möglichst Jugendforschung Kompetenzen differenzierte oder neue Sichtweise Kulturwissenschaft auf Weltausschnitte oder Welt insgeKünstlerischer Akt samt zu entwickeln. Ordnungen werKunst den hierfür (re-)konstruiert. Zu unterKunstsoziologie Mapping scheiden ist u.a. zwischen alltäglichMedientheorie mitgängigen Forschungsformen, Medien künstlerischen Forschungsformen in Mentalitätsgeschichte der Gegenwartskunst und wissenModerne Motivation schaftlicher Forschung. Mit allen drei Naturwissenschaften Forschungsformen haben wir es in Neugierde der Kunstpädagogik zu tun. Durch Neurowissenschaften Performanz wissenschaftliche Forschung bilden Phänomen wir neue Modelle und Theorien und Poiesis versuchen diese möglichst plausibel Praxisforschung zu begründen und zu vermitteln. Prozess Psychoanalyse Wissenschaftliche Forschung ist soweit als möglich überprüfbar, inter- Qualitative Forschung pretativ abzusichern sowie systema- Quantitative Forschung Queer tisch und regelgeleitet transparent in Räume Prozess und Ergebnis. Diese MerkSelbst-Konzept Semotik male treffen auf alltäglich-mitgängige Soziales System und künstlerische Forschungsformen Sozialwissenschaft nicht oder weniger deutlich zu. Systematische Forschung GEORG PEEZ Studienreform Teilnehmende Beobachtung
Transdisziplinarität Transparenz
Überprüfbarkeit Unterrichtsforschung Vermittlungsstrategien Virtueller Raum Wahrheit Wahrnehmungserziehung Werkästhetik Wirklichkeitsverarbeitung Wissenschaftsgeschichte Zweckfreies Spiel
Meines Erachtens konkretisiert sich Forschung im Feld der Kunstpädagogik als systematische und historische Forschung. Systematisch stehen dabei Fragen nach der Anthropologie und Ontogenese ästhetischer Praktiken im Vordergrund, historisch sollte es um die vielfältigen Konkretisierungen ästhetischen Handelns im Laufe der Geschichte gehen. Wichtig ist mir dabei, die Kontinuität der Fragestellung immer im Blick zu behalten: Ich gehe davon aus, dass wir in diesem unserem Feld durchaus alte Fragen bearbeiten, zu denen sich im Laufe der europäischen Ideen- und Mentalitätsgeschichte eine große Vielzahl von Antworten entwickelt hat. Den aktuell vordringlichen Forschungsbedarf sehe ich vor allem an dieser Stelle: angesichts irgendwelcher z.B. biologistischer Modewellen immer wieder die historischen Diskurs-Linien herauszuarbeiten. Nur so kann es gelingen, die kunstpädagogischen Diskurse aus intellektuellen Wellenreitereien herauszuhalten. JOHANNES BILSTEIN
Aktuelle Forschung in der KunstPädagogik bedarf m.E. weiterer empirischqualitativer Erforschung des subjektiven lebensweltlichen Bezugs, also des Umgangs mit ästhetischen Phänomenen, wie es in aktuellen Dissertationen bereits geschehen ist. Daneben halte ich aber eine explizite kunst- und medienwissenschaftliche Erforschung für unerlässlich, die mir besonders sinnvoll im transdisziplinären Diskurs erscheint, da sich an ihn, zumindest auf der Diskursebene, die Hoffnung knüpft, bisherige Grenzen zwischen einzelnen Disziplinen wie Kunstgeschichte, Erziehungswissenschaft, Kultur- und Historische Anthropologie, Kunstsoziologie, Sozialwissenschaft zugunsten übergeordneter Fragestellungen zu verlassen, um Stereotypisierungen und traditionelle Mythenbildungen im Umgang mit der »Kunst« zu überwinden. Besonders betroffen wie fruchtbar scheint mir die Beziehung zwischen den Begriffen Kunst und Medien zu sein, deren weitere Erforschung die komplexe Schnittmenge, um die es in KunstPädagogik tatsächlich geht, auf offene, nonkonforme Weise zukunftsweisend klären könnte. Wichtig wäre dabei ein Wegrücken von der lediglich anwendungsbetonten Perspektive des Computers als Werkzeug im Kunstunterricht zugunsten eines umfassenden Medienbegriffes, unter dem auch Kunst immer stattfindet, die gegenwärtige Kunst in besonderem Maße. Inwieweit Kunst als eigensinniges System unter den genannten Voraus-setzungen dann pointiertes Medium sein kann, gälte es ebenso herauszuarbeiten. DORIS SCHUHMACHER-CHILLA
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Ästhetische Erfahrung Ästhetische Forschung Ästhetische Operation
Ästhetische Theorie Als dringlichen Forschungsbedarf in der gegenwärtigen deutschen Kunstpädagogik sehe ich die Kunst an. Das mag überraschen, ist die Kunst dem Begriff nach doch Gegenstand des Faches. Tatsächlich ist das Verhältnis zur Kunst jedoch insbesondere da gespannt, wo es um das Bildende in der künstlerischen Praxis geht. Viele fachdidaktische Konzepte der letzten Jahre bleiben unbestimmt bezüglich der Eigenschaften und Bildungsfunktionen der künstlerischen Gestaltung. Forschung im Bereich der Bildwissenschaften, auch Analysen von Strategien der Gegenwartskunst wie Mapping oder Displacement bearbeiten wichtige Aspekte für das Fach, rühren aber nicht an der Bildungsrelevanz des Herzstücks der Kunst, des Werkprozesses. Hier ist nicht allein die Kunst selbst zu befragen, sondern insbesondere die Theorie der Kunst – die ästhetische Theorie, Werktheorie, Erkenntnistheorie. Philosophie, aber auch Künstler wirken hier theoriebildend. CARL-PETER BUSCHKÜHLE
Die Sprachen der künstlerischen »Spielformen« eröffneten als Widerpart zu den routineartigen gesellschaftlichen Denkund Handlungsformen der jüngeren Kunst in Anlehnung an Duchamps spielerischradikaler Umwälzung des Werkbegriffs ein weites Terrain. Die gegenwärtige Kunstpädagogik sollte (deshalb) in ihrer Forschung eine Bildpragmatik fokussieren, die Bedeutungen abseits einer semiotischen Fixierung im Gebrauch sieht und – mit Wittgenstein – Zeichen als Lebensform begreift. Wie lassen sich die Bilder vieler Bildsorten aus ihrem Kanon befreien zugunsten einer ästhetischen Praxis, die in der Bildpraxis ihr Subjekt bildet und im Rekurs zu künstlerischen Strategien auch zur Selbstbildung befähigt. Für die Bildrezeption steht die Frage im Vordergrund, tradierte Interpretationsmodi mit jenen Hinweisen der cultural studies produktiv und erkenntnisleitend zu verknüpfen, die den »Betrachter im Bild« sein lassen. JOHANNES KIRSCHENMANN
Alltagsästhetik Alterität
Angewandte Kunst Anthropologie Aufklärung
Betrachter im Bild Bilderreservoir
Bildende Praxis Bildgebrauch Bildwissenschaft
Didaktische Theorie
Cultural Studies Curriculumtheorie
Displacement Dokumentation Empirische Forschung Entwicklung Forschendes Lernen
Freie Kunst Gender Historische Forschung
Jugendforschung Kanon
Kinderzeichnung Künstlerischer Akt Kunstsoziologie Kybernetik
Lebensform Lehr-/Lernprozesse Machtanspruch
Mapping
Materialität Für alle Schulfächer ist i.d.R. das genuine Medientheorie Bezugsfeld die jeweilige wissenschaftliche Medium Methode Disziplin (Mathematik, Musik …), nur im Fach Kunst existieren zwei Bezugsfelder: Migrationshintergrund Moderne die Kinderzeichnung, das anthropologisch Modellbildung basierte ästhetische Tun des Kindes, sowie Mythen Neugierde die Kunst und die gestaltete Umwelt. ZuPerformanz gespitzt formuliert lautet die Frage nach Phänomenologie Praxisforschung dem wissenschaftlichen Bezugsfeld »Kind Qualitative Forschung oder Kunst«. Auf der Seite der Kunst darf Queer an Lichtwark, Erhardt, Pfennig, Otto und Schulfach viele andere erinnert werden, auf der Seite Selbst-Konzept Selbstverständnis des Kindes u.a. an Götze, Weismantel und Semiotik Meyers. Hieraus ergeben sich grundsätzSoziales System lich zwei bedeutende Forschungsfelder: Systematische Forschung
Transdisziplinarität Übertragung Unvorhersehbares
Unterrichtsforschung Verhaltensweisen Visualisierung Wahrheit Wahrnehmungserziehung
Werkprozess Widerstand
Wirklichkeitsverarbeitung Wirkung Wissenschaftsgeschichte
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Zweckfreies Spiel
Was ist Forschung in der Kunstpädagogik? Wo sehen Sie aktuell vordringliche Forschungsbedarfe?
einerseits die im gesellschaftlichen Wandel begriffenen bildnerisch-ästhetischen Verhaltensweisen, andererseits jene Lehr-/Lernprozesse, die aus dem kunstpädagogischen Umgang mit Bildender und angewandter Kunst, ästhetischen Alltagsphänomenen und gestalterischer Praxis resultieren. Wo liegt vordringlicher Forschungsbedarf? Nachdem zu Beginn des 20. Jh. vorrangig die Erforschung der Kinderzeichnung im Mittelpunkt des Faches stand und in der zweiten Hälfte des 20. Jh. die Entwicklung der didaktischen Theorie, sind derzeit empirische Studien im Hinblick auf das ästhetische Verhalten der Kinder und die Unterrichtsforschung aktuell. Hier zielen die Forschungsaktivitäten auf die altersspezifische Vermittelbarkeit und die Vermittlungsmethoden bestimmter Kunstformen und auf die Adaptionsmöglichkeiten künstlerischer Strategien. In Bezug auf bildnerische Präferenzen, Materialien, Methoden, Bild-Text-Verbünde usw. müssen die Forschungen noch weiter ins Detail gehen. Zudem sollte die Lehrperson stärker in den Blick rücken: Wie wirkt der Lehrende auf Vermittlungsprozesse, auf Kreativitätsförderung, auf den Erwerb von Bildkompetenz … Aber auch die Kinder- und Jugendzeichnung bedarf weiterer Untersuchung, da sie einem permanenten kulturellen Wandel unterliegt. Hier könnten z.B. die sich verändernden Inhalte und Darstellungsformen der Kinderzeichnung und des jugend-kulturellen Ausdrucks ebenso untersucht werden wie das prozessuale Darstellungsinteresse, das an Bildwirkungen und -veränderungen orientiert ist und weniger an bestimmten Ausdrucksbedürfnissen (un-gegenständliche Bilder, Bewegungsspuren fahrender Autos etc.) oder die verschiedenen kulturellen Einflüsse bei Kindern mit Migrationshintergrund. Die neuen medialen Kommunikationsmittel werden von Jugendlichen in ihr Ausdrucksrepertoire aufgenommen und im Alltagshandeln integriert. Welche neuen ästhetischen und kommunikativen Praxen jugendkulturellen Handelns entstehen dadurch? Zudem wäre eine verstärkte historische Forschung in unserem Fach wünschenswert: Z.B. sind zu viele hervorragende Ansätze in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit der Nazi-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg verschüttet und nie mehr wieder rezipiert worden. CONSTANZE KIRCHNER
Aus meiner Sicht findet Forschung in der Kunstpädagogik in einem komplexen Forschungsfeld statt, in dem drei grundlegende Elemente eine komplizierte Struktur bilden: Kunst – Kind/Jugendlicher/ Entwicklung – Bildung/Erziehung. So lassen sich unterschiedliche Perspektiven einnehmen. Meine Forschungsperspektive hat sich daraus ergeben, dass ich im Kontext meiner beruflichen Entwicklung in der DDR immer wieder erfahren musste, dass die Kunst im Rahmen der Bildung nicht ihrer Eigenart gemäß als Mittel einer individuellen Weltsicht, als ganzheitliche Möglichkeit der Wirklichkeitsverarbeitung und als Modellbildung einer »anderen« Wirklichkeit, als Motor der Entwicklung von kreativen Fähigkeiten überhaupt genutzt wurde. Bis heute ist für mich die Frage nach einem kunstgemäßen Kunstunterricht die entscheidende Problemstellung in der Forschung geblieben. Anders gesagt: Kunstpädagogische Forschung hat für mich im Kern die Aufgabe, Erkenntnisse zu gewinnen und entsprechende Handlungsmodelle zu liefern, die es ermöglichen, die Potenzen der Kunst für die Bildung freizusetzen. Dabei ist immer wieder zu hinterfragen, wie das in den grundlegenden Auseinandersetzungsweisen mit bildender Kunst geschehen kann: in der produktiven, rezeptiven und der reflexiven. FRANK SCHULZ
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Ästhetische Erfahrung Ästhetische Operation
Aleatorik Alltagsästhetik Alterität
Forschung ist auch in der Kunstpädagogik das, was durch methodische Vorgehensweise Erkenntnisse und Wissen generiert. Die Methode kann dabei – im Gegensatz zum heutigen Mainstream der empirischen Forschung – spekulativ, aleatorisch oder erratisch sein. Forschung darf sich nicht auf bestimmte von einer herrschenden Scientific Community anerkannte Paradigmen reduzieren lassen. Um- und Abwege sind genauso wichtig. Dringende Forschungsbedarfe sehe ich zurzeit: 1. in einer bildwissenschaftlichen Grundlegung der Kunstpädagogik; 2. in der Untersuchung des Zusammenhangs von Kunst und Popkultur für die Kunstvermittlung; 3. in einer Theorie des Hedonismus, die für die Kunstpädagogik seit langem aussteht; 4. in einer vergleichenden historischen Untersuchung zur Entwicklung und Wirkung kunstpädagogischer Ansätze, von der Musischen Erziehung bis zur heutigen künstlerischen Kunstvermittlung; 5. in empirischen Untersuchungen zum aktuellen Stand der Kunstpädagogik an den Schulen, national und international; 6. In der Untersuchung der Frage nach der Bedeutung der Bildung einer ästhetischen Mentalität für die gegenwärtige und zukünftige Gesellschaft; 7. In der Gender- und Queer-Dimension von Kunstpädagogik; 8. in der Betrachtung der Inkommensurabilität künstlerischer Akte als Leitmotiv kunstpädagogischen Handelns; 9. In der Untersuchung des Phänomens ›Dummheit‹ in der Kunstpädagogik; 10. In der Analyse der Implementierung kontrollgesellschaftlicher Verfahren in den Kunst- und Kulturbereich. PIERANGELO M ASET
Es fehlen noch Forschungen im BeAnthropologie reich des ›missing link‹ der KunstAnschlussfähigkeit Arbeits-Akte pädagogik. Sie beziehen sich auf Archive Ursachen und Hintergründe einer Aufklärung nach wie vor nicht gegebenen AnBildpraxis schlussfähigkeit kunstpädagogischer Bildwissenschaft Curriculumtheorie Theorien und Konzepte an die Diskrepanz kunstpädagogische Praxis. Dabei Dokumentation ginge es vor allem um die SelbstDummheit Konzepte der Lehrenden, um HalEinstellung tungen, Einstellungen, um ein VorEmpirische Forschung verständnis von ›Kunstunterricht‹, Entmythologisierung um Wissen und Fragen nach demoFallstudie kratischen Grundhaltungen und päForschendes Lernen dagogischem Machtanspruch. Gender Forschungen in diesem Bereich beHaltung dürfen besonderer Instrumentaria, Handlungsforschung da die oft eklatanten FehleinschätHedonismus zungen der einzelnen Kunstpädago- Historische Forschung gen und Kunstpädagoginnen hinterInkommensurabilität fragt werden müssen. Viele sind Instrumentaria offensichtlich nicht in der Lage, zu Intermedia Kompetenzen erkennen, dass das, was sie pädagogisch tun, mit dem was sie zu tun Kontrollgesellschaftliche Verfahren vorgeben – mit Zielvorstellungen, Kulturwissenschaft Begründungen, Positionen und Künstlerischer Akt Konzepten, die sie argumentativ beKunstsoziologie mühen –, nichts zu tun hat. Nur Lehrperson wenn es gelänge, die Differenzen Machtanspruch und Diskrepanzen aufzudecken, erMalen Medientheorie fahrbar zu machen und abzubauen Methode hätten aktuelle Konzepte komplexen Motivation ästhetischen Lernens eine größere Musische Erziehung Chance der Realisation. Neugierde HELGA KÄMPF-JANSEN Orientierung Performanz Poiesis
Popkultur Qualitative Forschung
Queer Räume Rekonstruktion
Rezeption Schule Selbst-Konzept
Selbstverständnis Soziales System
Spekulatives Denken Teilnehmende Beobachtung
Theorie – Praxis Unterrichtsforschung
Vermittlungsstrategien Wahrheit
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Zeichnen Zweckfreies Spiel
Was ist Forschung in der Kunstpädagogik? Wo sehen Sie aktuell vordringliche Forschungsbedarfe?
Die ! unstpädagogik verstehe ich als eine Form des Erkenntnisgewinns von Wissen über den Umgang mit Bildern und Kunst in Vermittlungssituationen in schulischen und gesellschaftlichen Kontexten. In der »Forschung« scheint es eine grundlegende Differenz in der Auffassung zu geben, mit welchen Methoden Kunstpädagogik als Forschung betrieben werden kann. Versteht man die Kunstpädagogik als eine künstlerisch-wissenschaftliche Disziplin, dann benutzen Forscherinnen und Forscher neben genuin wissenschaftlichen Methoden vor allem künstlerische Methoden. Sie lenken ihre Aufmerksamkeit und Forschungshaltung auf (Un)Vorhersehbares und offene Erfahrungsprozesse und untersuchen sie in der Anwendung künstlerischer Strategien (z.B. durch Malen, Zeichnen, Archive, Filmen, Fotografieren, Intermedia). Verstehe ich jedoch die Kunstpädagogik als Kunstdidaktik, als Kunstwissenschaft und akademische Disziplin, wie ich es an einer Universität tun muss, um im Kreis von Forscherinnengruppen handlungsfähig zu sein (Promotionen, Habilitationen, Drittmittel), kann ich nur wissenschaftliche Methoden in meiner Forschung zulassen, die sich auf eine systemische und empirische Untersuchung von Themenfeldern beziehen (z.B. in der Entmythologisierung von Kunstbegriffen, Unterrichtsforschung, in der Untersuchung von Bildproduktionen von Kindern und Jugendlichen). Zugegebenermaßen liegt in der Bündelung von wissenschaftlichen und künstlerischen Forschungsmethoden ein innovativer Reiz, einen anderen Blick auf das Forschungsfeld zu gewinnen. Richtet sich ihr Interesse auf andere Prozesse, dann betreibt sie Kulturanalyse oder ist Kunst, wenn sie künstlerische Methoden benutzt. KLAUS-PETER BUSSE
Bevor man über »Forschung in der Kunstpädagogik« spricht, sollte man sich nach der Bedeutung der Kunstpädagogik in der Gesellschaft fragen, nur so kann eine sich pädagogisch verstehende Kunstdidaktik Ziele ihrer Forschung formulieren. Vorrangiges Ziel kunstpädagogischen Handelns sollte die Vermittlung von Orientierung in einer sich stets wandelnden Gesellschaft sein, die gegenwärtig weitgehend von Bildern geprägt ist. Daher ist es notwendig, dass Heranwachsende mit Bildern – unter Einschluss der Kunst – umgehen können. Dies bezieht sich sowohl auf den Bereich der Reflexion als auch auf die Gestaltung und Rezeption von Bildern. Die Forschung in der Kunstpädagogik sollte daher die Bedingungen für die Vermittlung von Orientierung untersuchen. Dabei gilt es, grundlegende theoretische Fundamente zu analysieren, die auch anthropologische Ansätze umfassen müssen. Zugleich kann erarbeitet werden, welche Möglichkeiten sich aus der Kunst selbst ergeben, um die Vermittlung von Orientierung in einer immer wieder neu zu gestaltenden Gegenwart zu erreichen. Besonders wichtig sind darüber hinaus Forschungen zur Wirkung von Kunstpädagogik. KUNIBERT BERING
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Ästhetische Erfahrung Ästhetische Forschung Ästhetische Operation Alltagsästhetik
Unter »Kunstpädagogik« kann man vieles verstehen – insbesondere, wenn es um Kunstpädagogik als akademische Disziplin geht. Die theoretischen Ansätze sind vielfältig, die zugehörigen Gegenstände der Forschung ebenso unterschiedlich wie die Methoden und Begriffsinstrumentarien und die mitgedachten Mischungsverhältnisse von Rezeption/Reflexion, praktischer Kompetenz/Gestaltung: Geht es um »künstlerische« oder »kulturelle Bildung«, um »visuelle Kompetenz« oder »ästhetische Erfahrung«, um »Subjektbildung« oder »Kulturaneignung« etc.?
Was sind die zentralen erkenntnisleitenden Interessen für Ihre Forschungsaktivitäten? 1. Das Beharren auf der grundsätzlichen Differenz der Kunst und des künstlerischen Subjektes als empirisch nicht nachvollziehbarer Ausgangspunkt der Bedingung der Möglichkeit eines nicht-kontrollierten Lebens. 2. Die Verantwortung für das Wissen der Anderen. 3. Die Erkenntnis, dass Wissenschaft ohne ein Verhältnis zu Wahrheit und Wahrhaftigkeit sinnentleert ist. 4. Die Hoffnung, dass Aufklärung auch im heutigen Simulations-Stadium noch möglich ist. PIERANGELO M ASET
Alterität Anthropologie
Arbeits-Akte Aufklärung
Ausdauer Bildpraxis Bildwissenschaft
Curriculumtheorie Differenz Dokumentation
Eigenverantwortung Empirische Forschung
Forschendes Lernen Handlungsforschung Handlungsmodelle
Mich interessiert, zu welchen beHistorische Forschung sonderen ästhetischen ErfahrunIntensität gen, Leistungen und Verhalten Intermedia Interview Einzelne, Kinder, Jugendliche und Jugendforschung Erwachsene, in der Lage sind, Kompetenzen Künstlerischer Akt wenn sie für ausgewählte ArbeitsLehrperson vorhaben selbstbestimmt und eiLeistungen genverantwortlich ästhetischLiteraturwissenschaft Machtanspruch künstlerische wie verbal-diskursive Mapping Methoden eng verknüpfen können. Materialität Medientheorie Bisherige Forschungen in diesem Medien Bereich haben gezeigt, dass eine Motivation Vernetzung der verschiedenen ZuMethode gangsweisen als parallele ArbeitsNeurowissenschaften Akte zu hoher Motivation, Intensi- Nicht-kontrolliertes Leben Objekte tät, Ausdauer und somit zu besonderen Prozessen, Ergebnissen und Performanz Phänomenologie persönlichen Erfahrungen führt. Poiesis HELGA KÄMPF-JANSEN Popkultur
Praxisforschung Prozesse Qualitative Forschung Rekonstruktion Rezeption
Selbstbestimmung Selbstverständnis
Sensibilisierung Sensus communis aestheticus
Simulations-Stadium Spekulatives Denken Teilnehmende Beobachtung Transdisziplinarität Übertragung
Unvorhersehbares Unterrichtsforschung
Verantwortung Verbal-diskursive Methoden Vermittlungsstrategien
Wahrhaftigkeit Wahrheit Wahrnehmungserziehung Wirklichkeitsverarbeitung
Wissen der Anderen 90
Zweckfreies Spiel
Die Theorie der ästhetischen Erziehung als subjektorientiertes und interdisziplinär begründetes Konstrukt fungiert seit den 70er Jahren des 20. Jh. als ein Leitbegriff sowohl für schulorientierte als auch für außerschulische Konzepte. Entstanden aus der Kritik an inhaltlicher Enge und fachlicher Verkürzung des Kunstunterrichts besteht die bis heute aktuelle Aufgabe der ästhetischen Erziehung in einer umfassenden Wahrnehmungserziehung. Die Orientierung an der alltäglichen ästhetischen Erfahrung von Kindern und Jugendlichen, an ihrem ästhetischen Verhalten im Alltag begründet die inhaltliche Ausweitung auf prinzipiell alle ästhetisch relevanten Objekte, Prozesse und Medien. Eine Wahrnehmungserziehung, die nicht die Sensibilisierung als Selbstzweck abtrennt, sondern alle Sinne einsetzt, um die Wirklichkeit bewusst zu erleben, zu erforschen und zu erkennen, bezieht sich auf die Wirklichkeit in ihrer ganzen historisch und gesellschaftlich entwickelten Unübersichtlichkeit und Komplexität. Angesichts der Künstlichkeit und Kommerzialisierung der Lebenswelten sind für die Entwicklung von kritischen und selbst bestimmten ästhetischen Entscheidungen Gegenerfahrungen, Irritationen und Vergleichsmöglichkeiten erforderlich. Kunst als Erfahrung und Exploration des Möglichen (von Hentig) eröffnet besondere Herausforderungen und Chancen für ästhetisches Lernen und ästhetische Erfahrung. ADELHEID SIEVERT
»Kunstpädagogik« ist eine performative Wendung von kunstdidaktischer Forschung, die sich systemisch (in der Untersuchung ihrer eigenen Bedingungen und Methoden), curricular (in ihrer Forschung zu Fragen der fachbezogenen Curriculumtheorie und der Legitimation von Fachinhalten), historisch (in der Untersuchung der eigenen Fachtradition), empirisch (als Unterrichts- und Feldforschung), konstruktiv (in der Forschung zu didaktischen Bildtheorien, zu den Bildwelten von Kindern und Jugendlichen, zu Vermittlungsorten und zu einer Theorie der fachdidaktischen methodischen Skripte) und handlungsanalytisch (in der Vorbereitung, Durchführung und Reflexion von Unterrichtsskripten) im Umgang mit Bildern und Kunst in Vermittlungssituationen in schulischen und gesellschaftlichen Kontexten gestaltet. »Kunstpädagogik« existiert nur in performativen Praxisformen und wird dadurch selbst Gegenstand der Forschung in der Kunstdidaktik. Sie hinterfragt als Wissenschaft ihre eigenen wissenschaftstheoretischen und institutionellen Bedingungen, untersucht die Leitkonzepte pädagogischer Modelle (z.B. in ihrer Orientierung an Kunstbegriffen) und die Effektivität von Handlungsmodellen. Sie partizipiert an der Innovation von Bild- und Kunstvermittlung im Kontext gesellschaftlicher Verantwortung zur Optimierung kultureller Handlungsfähigkeit des kulturellen Subjekts in Gegenwart und Zukunft. Eine entscheidende Aufgabe der Forschung liegt deshalb in der Curriculumtheorie. KLAUS-PETER BUSSE
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Ästhetische Erfahrung Ästhetische Forschung Alltagsästhetik Anthropologie
Künstlerische Bildung steht im Zentrum meiner Forschung, wobei hier ein erweiterter Kunstbegriff zugrunde liegt. Die Frage nach den Eigenschaften künstlerischen Denkens und Handelns bildet den Kern der Forschung. Daraus folgt die Frage nach der Bildung eines solchen Denkens in künstlerischen Prozessen. Hier steht der Werkprozess im Mittelpunkt. Dieser wird als komplexer Prozess untersucht, in den alle relevanten Bezüge des Künstlerischen integriert sind. Entgegen verkürzender Vorurteile geht es dabei nicht ausschließlich um Gestaltungsfragen. Die künstlerische Arbeit wird als immanent interdisziplinäre Tätigkeit untersucht, welche in thematischen Auseinandersetzungen die kritische Reflexion von Wissensbeständen mit imaginativen Leistungen in Werkgestaltungen verbindet. Kulturaneignung und Subjektbildung, visuelle Kompetenz und ästhetische Erfahrung sind integrale Bestandteile solcher künstlerischer Lernprozesse. Das Künstlerische wird als Fähigkeit zur »Autorschaft«, zur selbstbestimmten Positionierung und Bedeutungserzeugung erforscht. CARL-PETER BUSCHKÜHLE
Aufklärung Für mich waren und sind im Wesentlichen zwei Interessengebiete in Autorschaft der Forschung auszumachen. EinBedeutungserzeugung Bilderreservoir mal ist das die Frage nach der bildBilder/Filme nerischen Entwicklung in der OntoBildwissenschaft genese im Sinne einer exemplariCurriculumtheorie schen Kreativitätsentwicklung. Wer Dialektik Dokumentation bildnerische Kreativität im UnterEmpirische Forschung richt fördern will, muss zunächst Erinnerung einmal eine Vorstellung davon haben, was genauer da eigentlich vo- Erweiterter Kunstbegriff Fallstudie rangebracht werden soll. Deshalb Gegenwartskunst mein Interesse: Wie kommen kreatiForschendes Lernen Handlungsforschung ve Leistungen in der bildenden Historische Forschung Kunst zustande? Was sind fördernde Institution Interview und hemmende Faktoren? Irritation Als zweites Interessengebiet hat sich Jugendforschung bei mir die Frage nach den VermittKompetenzen lungsstrategien vor allem der moKreativitätsentwicklung dernen Kunst (von der Klassischen Kulturaneignung Moderne bis hin zur so genannten Kulturwissenschaft Zweiten Moderne bzw. der aktuellen Künstlerische Bildung Gegenwartskunst) ergeben: Die ProKunsterfahrung zesse in der modernen Kunst führen Kunst als Medium zu kreativen Leistungen, die als solKunstsoziologie Materialität che oft nicht erkannt werden und somit zum Tragen kommen können. Mediale Mitteilbarkeit Moderne Die Entwicklung von VermittlungsNaturwissenschaften strategien muss strikt unter BerückNeurowissenschaften sichtigung der Alters- und EntwickNorm lungsbesonderheiten der unterParadoxien schiedlichen Zielgruppen erfolgen. Performanz FRANK SCHULZ Persönlichkeit
Projektionen Qualitative Forschung
Raumvorstellungen Rekonstruktion
Schnittstelle Selbst-Konzept
Sensibilisierung Soziales System Spekulatives Denken
Standards Subjektbildung Systematische Forschung Teilnehmende Beobachtung Unterrichtsforschung
Vermittlungsstrategien Virtueller Raum Wahrnehmungserziehung
Wahrnehmungsmuster Wissenschaftsgeschichte
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Zeitvorstellungen Zielgruppe Zweckfreies Spiel
Was sind die zentralen erkenntnisleitenden Interessen für Ihre Forschungsaktivitäten?
Mir persönlich ging es bei genauerer Erinnerung von Anfang an (seit 1978) eigentlich immer um dieses merkwürdige Konstrukt »Ästhetische Erfahrung«, das ohne Kunsterfahrung, d.h. ohne die ästhetische Komponente im engeren Sinn historisch und systematisch nicht entstehen konnte. D.h. jedoch empirisch keinesfalls, dass »ästhetische« Erfahrung für das Individuum auf Kunst begrenzt sein muss. Seit einigen Jahren interessiert mich mehr und mehr, wo und wann Kunst als Medium wie stattfindet und wie dieser Komplex wirkt, wie z.B. Bilder/Filme zu eigenen werden, Zeit- und Raumvorstellungen, Erinnerungen und Projektionen evozieren und welche theoretischen Beschreibungs- und Erklärungsmodi es dafür gibt. (Herkömmlich kunstgeschichtliche halte ich für zu begrenzt, ebenso die naturwissenschaftliche Bildwissenschaft). Man könnte »aisthesis und medium« als zentrales Begriffspaar angeben, in dem sich Subjekt-Bildung ereignet, die für mich performativ über Bilder, in besonderer, weil reflektierter Weise, Bilder als Kunst, erfolgt. Die Schnittstelle Subjekt – Neue Medien könnte Richtung weisend sein für weitere Erkenntnisse, da die mediale Mitteilbarkeit vor der Kunstfrage, d.h. letztlich im Verzicht auf Pathos gestellt werden kann, aber noch besser wäre es, wenn die Totalität der Kunst zugleich dekonstruiert würde (ein paradoxer Wunsch, stelle ich gerade fest!). DORIS SCHUHMACHER-CHILLA
Mir geht es um Aufklärung in einem widerspruchsvollen und in sich dialektischen Sinne: Gerade im Bereich der Kunstpädagogik bewegen wir uns in einem von vielerlei Paradoxien charakterisierten Feld – und diese Paradoxien will ich nicht etwa bereinigen, sondern offen halten. JOHANNES BILSTEIN Grundsätzlich geht es in der Kunstpädagogik, speziell in der Kunstdidaktik, darum, ins Offene zu gelangen. Das bedeutet, mit Denkfiguren zu operieren, die komplexer sind als manche der in die Kunstdidaktik hineinragenden Fragestellungen beteiligter Disziplinen. So sollten einengende Korsetts – seien es Ansprüche nach einem sich im Lehrcurriculum abbildenden kunsthistorisch gesicherten Stilkatalog oder die Forderung eines ausgeklügelten fachdidaktischen Methodenrepertoires – durch kunstpädagogische Forschungen in Frage gestellt, gelockert bzw. gar ausgehebelt werden. Wenn die Vermittlung von Kunst »normal« wird, d.h. durch Kompetenzen und Standards verdinglicht und abstrahiert, wenn es nicht mehr um die Entwicklung von Persönlichkeiten und die Irritation von Wahrnehmungsmustern geht, kommt es zu einer Immobilität, gegen die kunstpädagogische Forschung Modelle und Topoi entwickeln muss. Dabei geht es nicht um »Lösungsmodelle«, sondern um ein Denken, das insofern die Erstarrung aufbricht, als es im Paradox, der Ambivalenz wurzelt. Die Ambiguität, die allein schon das Zusammenspiel von Kunst und Pädagogik bestimmt, bildet sich auch institutionell ab: Als Lehre vom Vermitteln der Kunst im Unterricht muss sie zwischen den Ansprüchen der freien und angewandten Kunst, denen der Kunstwissenschaften und der Pädagogik vermitteln, die ob ihrer spezifischen Ausrichtung nie erschöpfend im kunstpädagogischen Studium befriedigt werden können. Das bringt für alle, die sich in dieser Institution (insb. in der Akademie oder Kunsthochschule) bewegen, eine große Unruhe, die mancherorts negativ bewertet wird, die aber auch produktiv zur permanenten Nötigung werden kann, das Innen und Außen des Rahmens der Kunst mitsamt seinen Spielregeln, Unmöglichkeiten, Provokationen und Überschreitungspotentialen zu denken zu geben. Kunstpädagogik lebt also gewissermaßen von ihrer schizoiden Position – eine reine Verwissenschaftlichung der Grundlagen nützt ebenso wenig wie eine sich schulischen Basisproblemen verpflichtende Zuspitzung. TANJA WETZEL
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Ästhetische Erfahrung
Ästhetische Erziehung Ästhetische Forschung Alltagsästhetik
»Kunstpädagogik« lässt sich theoretisch unterschiedlich verorten. Es gibt Bezüge zur Kunstgeschichte und Kunstwissenschaft, zur visuellen Kultur und zur Bildwissenschaft, aber auch zu Bildungswissenschaften: Pädagogik, Didaktik, Erziehungswissenschaft, nicht zuletzt zur Bildungstheorie. Kunstpädagogik kann als Sozial-, Geistes- oder Kulturwissenschaft methodisch je unterschiedlich betrieben werden, möglicherweise auch als Kunst-Wissenschaft. Sie unterliegt, wie alle Wissenschaften, historisch veränderlichen und kulturell codierten metatheoretischen Paradigma. Was sind Nachbardisziplinen, Bezugswissenschaften und Traditionen der Kunstpädagogik? Wo verorten Sie die Kunstpädagogik in der Theorie-Landschaft? Welche ggf. besondere Rolle spielt dabei der Gegenstandsbereich »Kunst«? Wenn das Ziel kunstpädagogischen Handelns in der Vermittlung von Kompetenzen im Umgang mit Kunst besteht, ist die gestalterische Tätigkeit von großer Bedeutung. Deshalb erfahren die Studierenden der Kunstpädagogik z.B. an der Kunstakademie Düsseldorf dieselbe Ausbildung wie freie Künstler. Der künstlerische Zugang zur Welt ist allerdings in weitere Kontexte eingebunden, denn der Kontext verleiht den Werken ihre Bedeutung. Diese Zusammenhänge müssen mit Hilfe von Bezugsfeldern konstruiert werden. Dazu zählt vor allem die Kunstgeschichte, die zugleich ein großes Bilderreservoir für die Rezeption bietet. Da Kultur den Horizont umreißt, in dem sich Kunst ereignet, aber auch gedeutet wird, müssen auch kulturwissenschaftliche Fragestellungen gestellt werden. Darüber hinaus stellen die Geschichts- und Sozialwissenschaften wichtige Bezugsfelder dar. Bedenkt man den Zeichencharakter der Werke, müssen kommunikationswissenschaftliche, semiotische und insbesondere medienwissenschaftliche Fragestellungen Berücksichtigung finden. Zunehmend werden auch Ergebnisse neurophyiologischer Forschungen beachtet. KUNIBERT BERING 94
Kunstpädagogik als Bezugsdisziplin gewinnt ihre Referenzfelder und Forschungsmethoden aus der Auseinandersetzung mit vielen Wissenschaften. Wichtigster Bezugspunkt sollte jedoch das kunstpädagogische »Kerngeschäft« bleiben: die Didaktik der Vermittlung bildnerischer Fähigkeiten und Kompetenzen in Praxis, Rezeption und Reflexion. Andere Wissenschaftsbereiche finden Anregungen in der Kunst und umgekehrt. Ein eigenes kunstpädagogisches Forschungsprofil entsteht im intensiven Diskurs mit anderen Wissenschaften, nicht in der sich auf Kunst berufenden Isolation. GEORG PEEZ
Anthropologie Bilderreservoir Bildpraxis
Bildungsrelevanz Bildungstheorie Bildwissenschaft Curriculumtheorie Dokumentation
Empirische Forschung Entwicklung
Erziehungswissenschaft Forschendes Lernen Freie Kunst
Gegenwartskunst
Globalisierung Graduiertenschulen Handlungsforschung Historische Forschung Institution
Jugendforschung Kindheitsforschung Kompetenzen
Kulturwissenschaft Kunstwissenschaft Künstlerischer Akt
Kunstsoziologie Lehrperson Literaturwissenschaft Machtanspruch Mapping Materialität
Medientheorie Medium Methode Moderne Motivation
Mystifizierung Nachwuchs Naturwissenschaften Neugierde
Kunstgeschichte, Bildwissenschaften, Neurowissenschaften Philosophie, Musik-, LiteraturwissenPädagogik Performanz schaften, Kybernetik etc. Um in der ThePhänomenologie orie-Landschaft besser verortet zu sein, Poiesis Popkultur müsste die Kunstpädagogik viel tiefer in Praxisforschung allgemein interessierende Diskurse ein- Profanierung des Kunstbegriffs dringen. Insgesamt hat die »TheoriePsychoanalyse Landschaft« aber, was ihre Reichweite Psychologische Empirie betrifft, sich in unglaublicher Weise zuQualitative Forschung Reales rückentwickelt. Es wird zwar immer Rekonstruktion Selbstverständnis mehr publiziert, jedoch immer weniger Sensibilisierung gelesen. Ganz anders sieht das im KunstSimulations-Stadium feld aus, das aufgrund seiner GlamourSoziales System Erwartungen in den letzten Jahren einen Sozialwissenschaften Spekulatives Denken enormen Aufwind bekommen hat. Dass Transdisziplinarität die Kunstpädagogik davon noch nicht Unterrichtsforschung Vermittlungsstrategien profitiert hat, liegt vermutlich an ihrem Virtueller Raum insgesamt immer noch schlechten Wahrheit Wirklichkeitsverarbeitung Selbstbewusstsein. PIERANGELO M ASET Zeichencharakter Zweckfreies Spiel
Ästhetische Erziehung als Leitidee ist prinzipiell interdisziplinär und verbindet unser Fach mit Grundkategorien der Pädagogik, der Ästhetik, der Kunst- und Kulturwissenschaften, der Entwicklungs- und Wahrnehmungspsychologie, der Soziologie und der Neuro- und Sinnesphysiologie – um nur die wichtigsten Bezugswissenschaften zu nennen. Sowohl mit der Zuordnung der Kunstpädagogik zu den Sozial- und Erziehungswissenschaften (in Hamburg und in Gießen) als auch mit der Zuordnung zu den Kulturwissenschaften (in Frankfurt) habe ich gute und produktive Erfahrungen gemacht – insofern sehe ich unser Fach ganz passend zwischen beiden Bereichen! Besonders für die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses ist diese interdisziplinäre fachliche Zuordnung von grundlegender Bedeutung, entsprechende Graduiertenschulen formieren sich gerade. Die Zuordnung zu Kunsthochschulen, auch wenn sie jetzt als »Universitäten der Künste« wohl schon eigene Promotionen oder gar Promotionen eigener Art (»Kunst als Forschung«) haben, sehe ich eher als problematisch verbunden mit einer für die Kunst selbst unnötigen Mystifizierung des Künstlerischen. Wichtigste interdisziplinäre Forschungskontexte für die Kunstpädagogik sind die Kindheits- und Jugendforschung, die Erforschung der visuellen Kultur(en) und die Lehr- und Lernforschung. Dabei sind die methodischen Erfahrungen der Erziehungswissenschaften und der Kulturanthropologie besonders hilfreich. ADELHEID SIEVERT
Empirische Forschung, in anderen Ländern, besonders im angelsächsischen Raum ein Kernstück kunstpädagogischer Forschung, gewinnt sinnvoller Weise auch hierzulande an Bedeutung. Sie sollte jedoch nicht zum dominierenden Paradigma werden. Als forschungsleitende Fragestellung an die gegenwärtige Kunstpädagogik steht für mich die Problematik von kultureller, ökonomischer Globalisierung und Subjektbildung im Vordergrund. Kunst als Denk- und Handlungsweise aufgefasst und hinsichtlich ihrer Bildungsrelevanz befragt, verlangt in diesem Zusammenhang eine umfassende Forschungsausrichtung, die nur im Konzert vieler Beteiligter mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen zu bewerkstelligen ist. Dazu gehört vor allem die Entwicklung einer sachlichen, wissenschaftlichen Standards genügenden Diskussionskultur. Neben erziehungswissenschaftlicher und psychologischer Empirie gehört für mich, wie oben angedeutet, u.a. die Philosophie zu den wesentlichen Bezugswissenschaften. Traditionelle und Gegenwartskunst spielt – auch in Bezug zu den Bildproduktionen der elektronischen Medien – eine zentrale Rolle als zur Wissenschaft alternative Thematisierung von anthropologischen Grundthemen. CARL-PETER BUSCHKÜHLE
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Ästhetische Erfahrung Ästhetische Forschung Alltagsästhetik
Die Kunstpädagogik sitzt als Disziplin bereits »zwischen Stühlen«. Das ist strukturell so – weil sie sich (auch schon begrifflich) aus den Bereichen der Kunst/Kunstwissenschaft und der Pädagogik zusammensetzt. Dieser genuin bipolare Bezug der Kunstpädagogik spitzt sich in der Frage zu, wie sich Kunst (adäquat) vermitteln lässt. Diese doppelte Polung zwingt insofern zu einem ständigen Schwanken der Bezugnahmen, als das zweckfreie Spiel der Erkenntniskräfte – worin Kant das Ästhetische bestimmte –, sich nicht ohne Weiteres pädagogisch realisieren lässt, ohne die Offenheit ästhetischer Erfahrung zu opfern. Die Aporie, die das Zusammenspiel von Kunst und Pädagogik kennzeichnet, verstärkt noch die Notwendigkeit, auf Theoreme und Einsichten anderer Wissenschaften Bezug zu nehmen, um neue Brückenschläge zu versuchen. So profitierte die Kunstpädagogik immer schon von vielfältigen Anleihen und Aufmerksamkeiten in Richtung anderer Wissensbereiche, genannt seinen beispielhaft die Soziologie, die Medientheorie, die Psychoanalyse, die Philosophie – nicht vergessen werden darf ihre Nähe zu den angewandten Künsten und zur Literatur. Neuerdings werden wieder (so z.B. von der Kunstwissenschaft) besondere Impulse aus den Naturwissenschaften erwartet. Vor allem die Neurowissenschaften versprechen mit ihren Funden Erkenntnisse, die bisherige kunstwissenschaftliche Ansätze neu und anders zu denken geben könnten. Die Gefahr besteht jedoch darin, insbesondere in der Kunstpädagogik mit ihrem steten Legitimationsdruck, von den Naturwissenschaften jene Universalien und Gültigkeiten zu erhoffen, die endlich die Unhintergehbarkeit ihrer Gegenstände postulieren. Die jedoch nicht immer wirklich üppigen Ergebnisse machen jedoch deutlich, dass Transdisziplinarität weitaus ergiebiger sein kann, wenn sie auf einer Kultur der Differenzen fußt, statt sich einer Verschmelzung der Sichtweisen verschiedener Disziplinen anheischig zu machen. TANJA WETZEL
Argumentationsrahmen
Siehe 2, vieles geht ineinander über, aber: Kunstwissenschaft/ Kulturwissenschaft im Schnittpunkt mit der ganz zentralen Medienfrage kristallisiert sich neben einer sehr weit gefassten Erziehungswissenschaft/Bildungstheorie m.E. als wichtigster Aspekt heraus. Philosophie ist ebenso ganz wesentlich in der Frage, welche der Bezugsfelder man geneigt ist wahrzunehmen und für wichtig zu halten, um den problematischen und schwierigen Kunstbegriff zu »knacken«, d.h. zu profanieren, was nicht geht. Kunst (als Feld der Materialität weniger, aber als Erfahrung) spielt eine enorm große Rolle als Verstärkung der Paradoxien im Bildungsprozess. DORIS SCHUHMACHER-CHILLA Die Nachbardisziplinen sind m.E. vor allem die Erziehungswissenschaft, die Kulturwissenschaften überhaupt, insbesondere natürlich die Kunstgeschichte. Darin verorte ich auch die Kunstpädagogik: als kulturwissenschaftliche Reflexionsdisziplin. JOHANNES BILSTEIN
Aufklärung
Bilder-Corpus Bilderreservoir Bildpraxis
Bildungstheorie Bildwissenschaft
Biografie Curriculumtheorie
Dokumentation Empirische Forschung
Erziehungswissenschaft
Erkenntniskräfte Fachdidaktik Fallstudie Forschendes Lernen
Forschungspotenz Freie Kunst Institution Interpretation Interview Jugendforschung
Kreativität Kultur der Differenzen Kulturwissenschaft
Kunstbegriff Kunstgeschichte
Künstlerische Praxis Kunstlehrer Kunstsoziologie
Kunsttheorie Kybernetik Lehrperson
Material
Medientheorie Moderne
Naturwissenschaften Neurowissenschaften Performanz
Philosophie Poiesis
Psychoanalyse Praxisforschung
Profanierung Psychoanalyse
Qualitative Forschung Queer Räume Rekonstruktion
Selbstverständnis Semiotik Sensibilisierung Spekulatives Denken Teilnehmende Beobachtung
Transdisziplinarität
Universalien Wahrheit Wirklichkeitsverarbeitung
Zweckfreies Spiel 96
Humboldts Idee der Universität war verbunden mit der Vorstellung einer Art Sozialisationsagentur für die Heranführung des Nachwuchses an die komplexeren Fragen von Welt, Leben und Gesellschaft. Dabei ging es nicht um »Ausbildung« auf einen bestimmten Beruf hin, sondern ausschließlich um die »Bildung des Menschen«. Wissenschaftliche Forschung innerhalb der Universität wäre diesem Modell nach immer auch auf ihren Beitrag zu dieser Art Lehre zu befragen. Universitäre Kunstpädagogik dient zumeist der Berufsausbildung von Lehrern, sie ist entsprechend einem konkret benennbaren Zweck verpflichtet. Wie und wo wird vor diesem Hintergrund Forschung kommuniziert?
Wie schlägt sich kunstpädagogische Forschung in kunstpädagogischer Lehre nieder? Wie denken und gestalten Sie das Verhältnis von Forschung und Lehre in der Kunstpädagogik? Aus meiner Sicht gibt es drei grundlegende Bereiche der hochschulischen kunstpädagogischen Arbeit mit großen gemeinsamen Schnittmengen: Theorie und Geschichte der bildenden Kunst, Fachdidaktik und künstlerische Praxis. In der Theorie kommt es einerseits darauf an, die Forschungsergebnisse aus dem hochkomplizierten Zusammenspiel der Elemente Kunst – Kind/ Jugendlicher/Entwicklung – Bildung/Erziehung systematisch aufzubereiten und zu vermitteln, andererseits aber auch aspekthaft die vertiefte Auseinandersetzung zu führen, vor allen in interaktiven, forschungsanalogen Studienformen. Dabei gilt es nicht nur, bei den Studierenden Grundlagen für wissenschaftliche Forschung zu legen, die Entwicklung von relevanten kunstpädagogischen Problemstellungen anzuregen und deren Lösung individuell zu begleiten, sondern auch Impulse für die Ausschöpfung der spezifischen Forschungspotenzen in der künstlerischen Praxis zu geben, im gegebenen Fall auch in Verbindung, gar in Verschmelzung mit wissenschaftlichen Vorgehensweisen. FRANK SCHULZ
Auch hier glaube ich, dass man sich vor Wellenreiterei hüten muss: Am Anfang der Lehre wie der Forschung steht die Kenntnis des vorliegenden Materials: des Bilder-Corpus der europäischen Kunstgeschichte, des Argumentations-Rahmens, wie er sich in der europäischen Philosophie und den aus ihr differenzierten Wissenschaften entwickelt hat. JOHANNES BILSTSEIN
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Ästhetische Erfahrung
Ästhetische Praxis Ästhetische Operation Alltagsästhetik
Alterität Forschendes Lernen beruht in meiner Hochschullehre hauptsächlich auf empirischer Praxisforschung innerhalb oder außerhalb kunstpädagogischer Situationen. Sie gelingt im Hochschulstudium in aller Regel über das Anfertigen von qualitativ empirischen Einzelfallstudien. – (1) Solche Einzelfallstudien können beispielsweise das ästhetische Verhalten eines Kindes oder Jugendlichen fokussieren. (2) Sie können innerhalb der Praktikumsphasen die Anwendung und Wirkung einer fachdidaktischen Methode im Kunstunterricht zum Gegenstand haben. (3) Oder sie lenken den Blick auf das u.a. biografisch fundierte Selbstverständnis von Kunstlehrerinnen und -lehrern. – Schritte im Forschungsprozess sind (a) die Formulierung eines Forschungsschwerpunkts; (b) die Anwendung lebensweltnaher, auch bildbasierter, künstlerischer Materialerhebungsformen der Feldforschung, etwa Teilnehmende Beobachtung oder Video- und Foto-Dokumentation; (c) Aufbereitung und Inventarisierung des erhobenen Materials wie Verschriftlichung oder Herstellen von Film-Stills; (d) die Interpretation als zentrale und durchaus kreative Tätigkeit im Forschungsprozess; (e) die Kommunikation und Präsentation der Ergebnisse, auch außerhalb universitärer Lehrveranstaltungen. Wichtig ist, dass die Nachvollziehbarkeit der Forschungswege und -ergebnisse innerhalb des Seminars eine Grundlage bilden für die Regelgeleitetheit und Offenheit qualitative Empirie. – Wissenschaftliche Hausarbeiten, Examensarbeiten und weiterführende Qualifikationsarbeiten sind Teil dieses Konzepts des forschenden Lernens, das besonders auch in produktive Wechselverhältnisse zu künstlerischem Arbeiten treten kann. GEORG PEEZ
Analyse
Lehre ist in der Kunstpädagogik Anthropologie Aufklärung auch Forschung – eine forschende Bachelor Lehre, die fortwährend die Frage der Berufsausbildung Erkenntnis an das hoch subjektivistische System Kunst und an die Bildkompetenz Bildpraxis Sprache als Chance der interpersoCurriculumtheorie nalen Verständigung stellt. ForDokumentation schung stellt sich im beobachteten Empirische Forschung Prozess her, situiert sich in IntroEntwicklung spektion und Dialog. Das Verhältnis Fachdidaktik von Forschung zur Lehre ist geprägt Fallstudie von der Trias Kunst – Subjekt – Forschendes Lernen Freie Kunst Sprache. Handlungsweise Während Schelling das Exklusive der Hedonismus Kunst radikal individualistisch und Historische Forschung ohne fundierende »Grammatik« Interview Jugendforschung zum Ideal erhob, sah Humboldt Sprache als regelhaftes Medium zu-Künstlerische Kunstvermittlung Künstlerischer Akt gunsten des Allgemeinen. Dabei ist Kunstdidaktik Sprache, trotz aller Einschränkung, Kunstsoziologie der Kunst funktional nahe: Mit der Lehrkunst Lehrperson Sprache sieht Humboldt zwar auch Mapping eine Darstellung der erkannten Materialität Wirklichkeit und Wahrheit, mit der Mediale Alltagspraxen Medientheorie Sprache gelingt es aber über das Medium schon Erkannte hinauszugelangen Naturwissenschaften Neugierde und gerade in dieser kommunizierPerformanz ten Imagination Subjektivität erst zu Phänomenologie spiegeln und damit einzulösen. Philosophie Poiesis Sprache tritt hier in die Funktion der Popkultur Reflexion, sie ist nicht in phänomePraxisforschung Psychoanalyse nologischem Sinne Ausdruck von Qualitative Forschung Wahrnehmungsmomenten. Diese Queer Hinweise inspirieren erneut kunstRäume pädagogische Forschung. Realität Rezeption JOHANNES KIRSCHENMANN Selbst-Konzept Semiotik Sensibilisierung
Sensus communis aestheticus Simulations-Stadium Soziales System Spekulatives Denken Systematische Forschung
Studienreform Teilnehmende Beobachtung
Theorie Unterrichtsforschung Wahrhaftigkeit
Wahrheit Wahrnehmungserziehung Werkästhetik
Wirklichkeit 98
Wirklichkeitsverarbeitung Zweckfreies Spiel
Wie schlägt sich kunstpädagogische Forschung in kunstpädagogischer Lehre nieder? Wie denken und gestalten Sie das Verhältnis von Forschung und Lehre in der Kunstpädagogik?
Mit der Verschränkung der drei grundlegenden Strukturelemente, der künstlerischästhetischen Praxis, der Fachwissenschaft und der Fachdidaktik ist das Fach Kunst und ihre Vermittlung an der Leuphana Universität Lüneburg auf eine künstlerische Kunstvermittlung hin ausgerichtet, die in unterschiedlichen kulturellen und gesellschaftlichen Bereichen angewendet werden kann. Die Orientierung an der Kunst impliziert auch ästhetische und mediale Alltagspraxen sowie die Auseinandersetzung mit den Erscheinungsformen von Alterität. Die wesentlichen Kompetenzen entsprechen dieser Konzeption des Faches: 1. die Entwicklung einer eigenständigen künstlerisch-ästhetischen Praxis im Sinne ästhetischer Handlungskompetenz; 2. Bildkompetenz in Analyse, Interpretation und Konstruktion; 3. Wissenschaftskompetenz = fachwissenschaftliche Kenntnisse und Fähigkeiten (diachron/synchron); 4. Methodenkompetenz = fachdidaktische Kenntnisse, Anwendungen und Transfers; 5. Medienkompetenz; 6. Sozialkompetenz (sensus communis aestheticus). Das Fach »Kunst und ihre Vermittlung« ist nicht allein von einem schulischen Fächerkanon aus zu legitimieren, sondern es ist in der Kunst verankert und arbeitet mit der Vielfalt ihrer Methoden und Verfahren. Die pädagogische Dimension wird vom Fach »Kunst und ihre Vermittlung« als Lehrkunst begriffen. Damit ist die theoretische Ausrichtung und Fundierung des Faches nicht als »Ausbildung« und als einem ausschließlich pragmatisch an der Schule orientiertem Verständnis von Lehre und Forschung gefasst. Dem entsprechend sind Lehre und Forschung nicht anders als verschränkt und interdependent zu denken. PIERANGELO M ASET
Vieles von dem, was ich wissenschaftlich mache, was ich unter Forschung verstehe, schlägt sich wohl am ehesten in der Art und Weise nieder, wie ich mit Studierenden über Kunst und über theoretische Texte rede, welche Methoden ich aufzeige und ermögliche und wie ich in theoretischer Lehre, vornehmlich Kunstwissenschaft, versuche, Subjekt? und Objekt? offener zueinander zu setzen, was schwer fällt, da Theorie mit starren schulischen Mustern verknüpft wird, die durch Reflexion erfahrbare Fremdheit oft nicht als nettes Bildermalen mit Produkt- und Lustgewinn zu verzeichnen ist und daher weniger Spaß macht. Es ist aber in Zeiten des BA und Studiengebühren auch fast illusionär mit Humboldt daher zu kommen! Problematisch ist die derzeitige Haltung zu einem schulischen Nebenfach, das zudem praktisch ist und deswegen Spaß macht. Am LA Gymnasium wird gearbeitet, dort wird es in Zukunft 100 points geben, was bei den anderen Lehrämtern nicht gewährleistet ist. Es fehlt ein Kunstpädagoge, der kunstpädagogisch lehrt und forscht. DORIS SCHUHMACHER-CHILLA
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Ästhetische Erfahrung
Ästhetische Praxis Ästhetische Operation Alltagsästhetik
Bildung des Menschen ist ein Leitmotiv meiner Forschung und Lehre. Dies steht nicht im Widerspruch zur Berufsausbildung von Kunstlehrern. Diese müssen nach meiner Überzeugung Künstler sein, erst aus der künstlerischen Erfahrung heraus können sie künstlerische Bildungsprozesse anstoßen und begleiten, sofern es dabei nicht nur um Wissensvermittlung und Gestaltungsübungen, sondern um die Bildung einer Denk- und Handlungsweise geht. Ich forsche in den drei Säulen der Kunstpädagogik: Fachwissenschaft (Kulturtheorie, Philosophie der Kunst, Kunstgeschichte), Kunstdidaktik (Theorie und Praxis künstlerischer Bildung einschließlich empirischer Unterrichtsforschung und eigenem Unterricht in der Schule in der Durchführung künstlerischer Projekte), künstlerische Praxis (Malerei, Zeichnung, Fotografie). Diese drei Bereiche sind auch Gegenstand meiner universitären Lehre. Sie fließen zusammen im künstlerischen Projekt, in dem die Studierenden thematische Auseinandersetzungen mit kulturellen, zeitgeschichtlichen, alltagsästhetischen oder auch formalen Themenstellungen in der Ausarbeitung eigener Werkentwicklungen betreiben. In der »didaktischen Werkstatt« wird die Durchführung von Projekten mit der didaktischen Reflexion ihrer Methodik, Zielsetzungen und Bildungsrelevanz verbunden. Seminare zu »Rahmenbedingungen künstlerischer Bildung« verknüpfen Problemstellungen aus Bezugswissenschaften wie Philosophie, Kulturtheorie, Medientheorie mit Fragen nach Konsequenzen und Anforderungen einer zeitgemäßen Kunstpädagogik. CARL-PETER BUSCHKÜHLE
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Alterität Forschendes Lernen ist ein hoher Anthropologie Anspruch seit Beginn meiner berufliAufklärung chen Biografie in den 70er Jahren, an Bachelor dem ich trotz wechselnder und widriBerufsausbildung ger Studienordnungen und permaBildkompetenz Bildpraxis nenter Studienreformen festhalte. Ich Bildwissenschaft sehe meine Aufgabe darin, StudieCurriculumtheorie rende zu eigenen Fragen zu ermutiDialektik gen, indem ich keine Leitfäden oder Didaktische Werkstatt lineare Orientierung vorgebe, sonDokumentation dern (Bild-)Materialien, Bücher, In- Empirische Forschung Entwicklung formationen zur Ansicht mitbringe, verleihe, manchmal sogar verkaufe in Fachdidaktik der Hoffnung, dass früher oder späFallstudie ter diese Informationen selbständig Forschendes Lernen Freie Kunst genutzt werden. Spätestens zur AbHandlungsweise schlussprüfung bestehe ich auf selbst Hedonismus gefundenen Themenstellungen. Wer Interview bei mir seine Abschlussarbeit geJugendforschung schrieben hat, hat sich in der Regel Künstlerische Kunstvermittlung Künstlerischer Akt im Gespräch mit mir ein eigenes ArKunstdidaktik beitsthema gesucht, das sich auf eiKunstsoziologie nen realen Ort oder eine bestimmte Lehrkunst Adressatengruppe oder bestimmte Lehrperson Literaturwissenschaft Personen bezog. In HandlungsforMapping schung oder in einer Fallstudie wurde Materialität Mediale Alltagspraxen dieses Feld nach den Regeln der Medientheorie Medium Kunst erforscht, in diesem Feld geMethode handelt. Alle diese Handlungen, AkModerne Naturwissenschaften tionen und die dazu verwendeten Neugierde Methoden wurden möglichst genau Performanz Phänomenologie und transparent in Wort und Bild Philosophie dokumentiert und beschrieben und Poiesis im Kontext zuvor erarbeiteter Theorie Popkultur Praxisforschung ausgewertet. »Reine« LiteraturarbeiPsychoanalyse ten betreue ich in der KunstpädagoQualitative Forschung gik nicht, schon ein einziges InterQueer Räume view hilft, sich mit der Realität konRealität kret auseinanderzusetzen und Rekonstruktion verringert Unbestimmtheit und UnRezeption Selbst-Konzept sicherheit angesichts unüberschaubaSelbstverständnis rer Wissensgebiete. Semiotik Sensibilisierung ADELHEID SIEVERT Sensus communis aestheticus Simulations-Stadium Soziales System
Studienreform Teilnehmende Beobachtung
Theorie Unterrichtsforschung Vermittlungsstrategien Wahrhaftigkeit Wahrheit Werkästhetik Wirklichkeitsverarbeitung Zweckfreies Spiel
Meta Überblickendes Methodologisches Fachpolitisches
Ansgar Schnurr
Forschen mit Kontrastmittel Über die Grenzen ästhetischer Erfahrung Jede konsistente, in sich schlüssige Theorie einer Forschungsdisziplin birgt die Gefahr argumentativer Geschlossenheit. Dies trifft auch auf die theoretische basierte kunstdidaktische Forschung zu, die sich in der Regel auf bereits bestehendes Material bezieht. Als Geisteswissenschaft schichtet sie die Bausteine des Diskurses durch intellektuelle Arbeit um, organisiert sie neu und fügt bestimmte Bausteine hinzu oder entfernt dafür andere. Wenn diese Bausteine des Diskurses nur allzu lange umgeschichtet werden und die neu hinzugefügten besonders gut in das bestehende Gefüge passen, können sich die einzelnen Elemente derart gegenseitig stützen, dass ein kritischer Blick erschwert wird. Was ist das Fundament, was die Verstrebung? Was ist kritisch begründete Erkenntnis, was reine Setzung? Je gewohnter solche Diskursinhalte sind, desto unsichtbarer drohen Sie zu werden, da sie sich zunehmend kontrastlos in das Feld einfügen. Im kunstdidaktischen Diskurs über ästhetische Erfahrung haben sich bestimmte Mechanismen und argumentative Setzungen etabliert, die sich innerhalb ihres Umfeldes weder klar erkennen noch abgrenzen und darstellen lassen. Im Folgenden soll ein Ansatz entwickelt und erprobt werden, der solche unklaren Stellen des Diskurses zur Darstellung bringen und reflektieren kann.
Kontrastmittel In medizinischen Untersuchungsmethoden werden Kontrastmittel eingesetzt, die bei bildgebenden Verfahren (Röntgen, MRT, Sonografie) ausgewählte Strukturen darstellen und somit sichtbar machen können (Abb. 1). Solche Strukturen zeichnen sich ohne Kontrastmittel nicht von ihrem Umfeld ab und verschwimmen in einem nebulösen Schleier. Beispielsweise stellen sich auf Röntgenbildern keine Blutgefäße dar, weil sie für die Strahlen durch ihre weiche Beschaffenheit im umgebenden Gewebe kontrastlos und damit unsichtbar sind. Um das eigentlich nicht Erkennbare darstellen zu können, wird ein bestimmter Stoff hinzugefügt. Dieses Kontrastmittel muss fremd und störend sein, darf also im Körper in dieser Form nicht vorkommen, denn an-
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sonsten entstünde kein Kontrast. Gezielt in den Organismus eingebracht, macht das Kontrastmittel einzelne Bereiche und Strukturen sichtbar, indem es diese vom nebulösen Umfeld scharf abgrenzt. Diese kalkulierte Störung hat einen diagnostischen Nutzen; dennoch muss ihr Einsatz im Einzelfall abgewogen werden, da eine Gabe von Kontrastmitteln nicht immer frei von Nebenwirkungen ist. Abb. 1: Angiographie (Magnetresonanztomographie): Darstellung des Herzens mit abgehenden Blutgefäßen durch das Kontrastmittel Gadoliniumchlorid
Der Diskurs über ästhetische Erfahrung Eine produktive Anwendungsmöglichkeit von Kontrastmitteln im übertragenen Sinne bietet der Diskurs über ästhetische Erfahrung. Es ist oft betont worden, dass die ästhetische Erfahrung, also jene immer wieder beeindruckende, intensiv erlebte Form der sinnesbasierten, selbstversunkenen Erfahrung, eine wesentliche Bezugsgröße kunstpädagogischen Handelns und Lernens sei. Helga Kämpf-Jansen, Georg Peez, Gunter Otto und andere bezeichnen die ästhetische Erfahrung als »zentral« (Kämpf-Jansen 2001, 153), als »Konsens im Fach« (Peez 2005a, 19) oder sogar als »Kern ästhetischer Bildung« (Peez 2008) und als wesentliche Zielperspektive des Kunstunterrichtes, »um die es geht« (Kirchner/Otto 1998, 1). Ästhetische Erfahrung ist bekanntermaßen nichts Greifbares, sie existiert an sich nicht, »es sei denn als angewandte«, wie Andrea Sabisch mit Bezug auf Karl-Josef Pazzini formuliert (Sabisch 2007, 227). Auch wenn das tatsächliche ästhetische Erfahren für den Betroffenen deutlich erscheint – das, was u.a. in der kunstdidaktischen Forschung unter dem Stichwort ›ästhetische Erfahrung‹ besprochen wird, ist ein Theorem, welches durch diskursiven Austausch gebildet, verändert und verhandelt wird. Das Theorem ›ästhetische Erfahrung‹ ist also das, was forschende und schreibende Menschen ersonnen haben. Dies klingt wenig überraschend, öffnet aber den Blick dafür, dass auch hier blinde Flecken möglich sind, dass individuelle Vorlieben oder biografisch bedingte Dispositionen ausschlaggebend sein können für den Prozess der Theoriebildung.
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Forschen mit Kontrastmittel
Um die zentral gesetzte Rolle im kunstdidaktischen Diskurs erfüllen zu können, muss das Theorem ›ästhetische Erfahrung‹ auf ein breites Feld an ästhetischen Phänomenen in Alltag und Kunst gestützt werden, wobei im kunstdidaktischen Diskurs neben alltagsästhetischen Beobachtungen die Bezüge auf Kunst dominieren. Der folgende exemplarische und in der gebotenen Kürze unvollständige Überblick über einige kunstdidaktische Positionen referiert diejenigen künstlerischen Arbeiten, welche als Auslöser von ästhetischen Erfahrungen beschrieben werden: Gunter Otto, der bis Ende der 1990er-Jahre des Diskurses die Erarbeitung des Theorems wesentlich vorangetrieben hat, argumentiert beispielsweise mit den Arbeiten von Boltanski, Brodwolf, Kienholz und Oelze. Sein Kontrahent Gert Selle hingegen stützt seine Überlegungen zur ästhetischen Erfahrung vorrangig auf Prozesse künstlerischer Produktion, die sich an Strategien der Gegenwartskunst orientiert, wie ästhetisches Experiment, Prozesskunst, Spurensuche, Installation. Maria Peters bezieht sich u.a. auf plastische Werke von Arp, Maillol und Walter. Andrea Sabisch gewinnt auf empirischem Wege Erkenntnisse über ästhetische Erfahrung aus der Analyse von Tagebuchnotationen, welche im Rahmen einer ›ästhetischen Forschung‹ entstanden. Die ›ästhetische Forschung‹ von Helga Kämpf-Jansen, in der die ästhetische Erfahrung zentral gesetzt wird, argumentiert wiederum unter anderem mit künstlerischen Positionen von Beuys, Boltanski, über Lang und Fischli/Weiss bis zu A. Oppermann und Kabakov. In der ebenfalls wesentlich auf ästhetische Erfahrung bezogenen Theorie der ›künstlerischen Bildung‹ Claus-Peter Buschkühles spielen Arbeiten von Beuys eine Rolle. Oskar Bätschmann stützt seine Theorie der ›ästhetischen Erfahrungsgestaltung‹ auf die Arbeiten von Horn und Naumann. Erika Fischer-Lichte argumentiert mit desemantisierten performativen Aufführungsprozessen wie Performances von Abramović usw. Alle referierten künstlerischen Positionen lassen sich mit der Theorie der ästhetischen Erfahrung produktiv vereinbaren und stützen sie. Der Diskurs erscheint dort auffällig konsistent und frei von wesentlichen Kontrasten. Doch mit welcher Kunst bzw. mit welchem Kunstbegriff wird nicht argumentiert? Welche Kunst löst keine ästhetische Erfahrung aus, bzw. auf welches wahrnehmbare Phänomen passt das Theorem der ästhetischen Erfahrung nicht mehr? Wo liegen die Grenzen des Theorems?
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Das System und die Grenze Es sind meist die Randphänomene, die bedeutsam sind, wenn man etwas herausfinden will. Beim Thema ästhetische Erfahrung findet jedoch eine Konzentration auf die nur in Details strittige Mitte des Feldes statt, was sich in der Auswahl der widerspruchsfreien, konsistenten Kunstbezüge zeigt. Deutlich wird diese argumentative Fixierung auf das Zentrum auch in der transparenten Auflistung von 23 Strukturmomenten ästhetischer Erfahrung, die Georg Peez als Zusammenfassung der vorliegenden Literatur erstellt (vgl. Peez 2005b, 14f.). Dieser Status quo zum Theorem ›ästhetische Erfahrung‹ formuliert eine Ordnung der Mitte: Der Diskurs versucht in der Suche nach dem Gemeinsamen genau zu klären, wie ästhetische Erfahrung in ihrem Kern ist. Dabei bleiben jedoch die kritischen Randbereiche unerwähnt und undiskutiert. Möglicherweise ist der Diskurs deswegen darum bemüht, seine Mitte möglichst breit anzulegen, weil es ungemein schwer ist, das Phänomen ästhetische Erfahrung sprachlich und theoretisch zu fixieren. Die theoretische Unklarheit ist zu einem erheblichen Teil dem Gegenstand inhärent, da jede ästhetische Erfahrung in höchstem Maße subjektiv und emotional jenseits sprachlicher Strukturen verläuft. Über sie zu sprechen, ist daher stets der Versuch einer Übersetzung von Unsagbarem. Dies erweist sich auch darin, dass über ästhetische Erfahrung stellenweise in einer auffällig überhöhenden und mystisch-religiösen Sprechweise unter Verwendung inhaltlich ungeklärter Setzungen berichtet wird (vgl. Schnurr 2008a). Somit werden aus Sprachproblemen Theorieprobleme, was dazu führt, dass bei aller Konzentration auf die Mitte die kritischen Grenzen aus dem Blick geraten. Es ist festzuhalten, dass die Ränder des Feldes ›ästhetische Erfahrung‹ im Nebel liegen. Daher ist es völlig unklar, wo das Theorem an seine Grenzen stößt und was jenseits dessen liegt. Der blinde Fleck des Diskurses um ästhetische Erfahrung ist also seine Grenze. Systemtheoretisch betrachtet, ist eine solche Vernachlässigung der Randschärfe untypisch und keineswegs vorteilhaft. Soziale Systeme beschreibt Niklas Luhmann als autopoietische Einheiten, die sich durch Kommunikation (Diskurs) selbst organisieren und somit von der umgebenden Umwelt abgrenzen (vgl. Luhmann 1994, 15–17). Jedes System besteht durch die Leitdifferenz von System (innen) und Umwelt (außen). Die dazwischen liegende
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Grenze definiert das System, bestimmt dessen Identität und sichert sein Bestehen. Diese Grenze muss ständig diskutiert, beobachtet und neu definiert werden, um sich Veränderungen anzupassen und die Identität des Systems zu aktualisieren. Solche Diskussionen werden meist durch Störungen ausgelöst, die eine erneute Festlegung der Grenzen erforderlich machen. Wie die Grenze im Einzelnen gebildet und aktualisiert wird, ist je nach System verschieden. Ein gemeinsames Merkmal erfolgreicher Systeme ist jedoch, dass die Thematisierung der Grenzen ein wesentlicher Inhalt des jeweiligen Diskurses ist. Vor diesem Hintergrund erscheint es als unabdingbar, dass der Diskurs über ästhetische Erfahrung die Zentrierung auf seine argumentative Mitte aufgibt und seine bislang unklare Grenze in den Blick nimmt. Um diese Grenze erneut sichtbar zu machen und ihre Lage zu bestimmen, muss der Diskurs daher durch Kontrastierungen dezentriert werden. Gesucht ist also ein nicht im Organismus vorkommender Stoff, der sich – bezogen auf die Frage nach ästhetischer Erfahrung – keinesfalls kontrastlos ins umgebende Gewebe einfügt, sondern eine Störung darstellt und ein Kontrastmittel sein kann.
Abb. 2: Timm Ulrichs: Kubistische Landschaft »Alles in der Natur modelliert sich gemäß Kugel, Kegel und Zylinder.« (Paul Cézanne), 1968/72
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Der ›künstlerische Witz‹ von Timm Ulrichs als Kontrastmittel Die abgebildete Fotomontage von Timm Ulrichs zeigt drei Bäume, welche zu einer exakten Kugel, einem Kegel und Zylinder geschnitten sind. Sie verweisen auf Gehölze in der höfischen Gartenkunst des 17. Jahrhunderts, deren wilder Wuchs durch einen strengen geometrischen Schnitt unterdrückt wurde. Die Natur sollte durch das Zurechtstutzen dem Menschen gänzlich unterworfen werden, um in dieser völlig kontrollierten Form herrschaftliche Befehlsgewalt zu demonstrieren (vgl. Makowski/Buderath 1983, 22). Der Titel der Arbeit lautet Kubistische Kunst-Landschaft. »Alles in der Natur modelliert sich gemäß Kugel, Kegel und Zylinder« (Paul Cézanne) (1968/72). Mit diesem bekannten Zitat umschrieb Cézanne 1904 seinen bildnerischen Ansatz, über das tatsächlich ungeordnete Sein der Natur eine rein formale Sichtweise zu legen, welche die Oberfläche der Welt abstrahiert und in eine neue geometrische Ordnung, eine »Harmonie parallel zur Natur«, verwandelt (vgl. Haftmann 1993, 36). Timm Ulrichs hält an dieser Stelle keinen erklärenden Vortrag über die kunstund kulturgeschichtlichen Parallelen zwischen Barockgärten und kubistischer Abstraktion. Er nimmt Cézannes Ausspruch auf – wie er sagt – »begriffsstutzige« Weise wörtlich und präsentiert eine künstlerische Arbeit, die in ihrer pointierten Form einen besonderen Witz offenbart: Durch die Konfrontation des Bildes mit seinem Titel geraten im Kopf des Betrachters die beiden semantischen Ebenen in einen überraschenden Bezug. Indem Ulrichs mit augenzwinkernder »Begriffsstutzigkeit« die beiden Ebenen miteinander konfrontiert, überbrückt er spielerisch und auf erkennbar unzulässige Weise die Verschiedenheit der Kontexte.1 Die Unzulässigkeit der Verknüpfung wirkt komisch, während das scharfsinnige »Aufdecken eines unvermuteten Zusammenhangs« (Wellek 1955, 17) auf geistreiche Weise witzig wirkt – gemäß der alten Bedeutung des Witzes als intellektuelles Erkenntnismittel (vgl. Best 1989). Dieser »künstlerische Witz«2 lässt in seiner pointierenden Verdrehung den Blick des Betrachters zwischen den beiden Sinnebenen kippen und pro-
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Ulrichs, der solche Doppelbödigkeiten liebt, steigert diese künstlerisch-semantische Verdrehung noch in folgendem beigegebenen Text: »Natur, natürlich künstlich – Kunst, künstlich natürlich. Ist Natur, kunst-voll ›veredelt‹, natürlich ›wie natürlich‹ oder widernatürlich?« Ulrichs 2003, 142. Der ›künstlerische Witz‹ wurde in meiner Dissertation beschrieben und als Anfrage an den kunstdidaktischen Diskurs über ästhetische Erfahrung gestellt. Vgl. Schnurr 2008b.
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voziert eine neue, überraschende Sichtweise auf das Verhältnis zwischen Mensch und Natur. Das Umkippen des Blicks im künstlerischen Witz wird als ein Aha-Effekt erfahren, wie ein plötzlicher Geistesblitz, der in dieser Form nicht wiederholt werden kann. In diesem flüchtigen, dynamischen Prozess des umkippenden Blicks zwischen dem Gewohnten und der neuartigen Sichtweise liegt ein starkes Argument, die Rezeption des künstlerischen Witzes als Erfahrung zu bezeichnen. Folgt man der Liste von Strukturmomenten ästhetischer Erfahrung von Georg Peez, so zeigen sich weitere Übereinstimmungen mit der Erfahrung des künstlerischen Witzes: Neben dem unwiederholbaren und flüchtigen performativen Moment und dem Erleben von Differenz im umkippenden Blick liegen weitere Gemeinsamkeiten im emotionalen Erleben und schließlich in der anfänglichen Irritation: Hier wie dort wird die routinierte Alltagswahrnehmung durch einen anfänglichen Widerstand durchbrochen, was Raum für eine neuartige Erfahrung schafft. Verbindend ist darüber hinaus das ästhetische Moment, denn auch Ulrichs’ künstlerischer Witz benutzt die Kanäle visueller Wahrnehmung und vermittelt dadurch einen gewissen bildhaften Rest, welcher sprachlich nicht erschöpfend nacherzählt werden kann. Für den kunstdidaktischen Diskurs über ästhetische Erfahrung ist es nun brisant zu fragen, ob dieses Phänomen ›künstlerischer Witz‹ in seiner Erfahrungsqualität als ästhetische Erfahrung bezeichnet werden kann oder ob es sich hierbei um etwas anderes handelt. Es ist zu fragen, ob Ulrichs’ Position ein Kontrastmittel darstellen kann. Diese Fragen thematisieren die nebulöse Grenze des Diskurses und machen deren Lokalisierung möglich. Als bestimmendes Moment der ästhetischen Erfahrung wird oftmals beschrieben, dass sie sich weitgehend durch begrifflich kaum fassbare Prozesse des Erlebens auszeichne. Sie spiele sich ausschließlich in einem emotionalen, sinnlichen, oft leiblich geprägten Erleben ab und erschöpfe sich auch zunächst darin. Der künstlerische Witz von Timm Ulrichs zeichnet sich hingegen dadurch aus, dass die verschiedenen Ebenen des Witzes auf semantischem Wege in Konflikt geraten und im Kopf des Betrachters geklärt werden müssen, um schließlich einen neuen Sinn zu ergeben. Das semantische Fundament ist aber sprachlich codiert, so dass die Erfahrung des künstlerischen Witzes weitgehend – wenn auch nicht ausschließlich – in sprachlich klaren und rational fassbaren Prozessen abläuft. Mit der erhöhten Sprachlichkeit
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geht einher, dass der künstlerische Witz zielgerichtet auf Erkennen ausgerichtet ist. Zwar münden auch ästhetische Erfahrungsprozesse in eine Form der Erkenntnis (vgl. Welsch 1995, 47ff.), doch bei Ulrichs ist die Erkenntnis anders strukturiert, nämlich weniger als ein Ahnen, sondern eher als ein neuartiger Gedanke, der in seiner Plötzlichkeit und Klarheit überrascht. Die Erfahrung im künstlerischen Witz liegt im Erkennen der Schönheit eines überraschenden Gedankens. In diesem Trennungsbereich zwischen unbegrifflichem ästhetischen Ahnen einerseits und der sprachlichen Klarheit begrifflich fassbarer Erkenntnis andererseits lässt sich ein Grenzpfosten setzen. Wenn man beginnt Eckpfosten einzuschlagen, schärft man die Grenzen des diskursiven Feldes und formuliert gleichzeitig die Mitte des Diskurses prägnanter. Deutlicher wird die Grenzziehung zwischen dem diskursiven Feld und dem ›Kontrastmittel Timm Ulrichs‹, wenn man einen kritischen Blick auf die oben referierte Auflistung von Kunstbezügen wirft, durch die das Theorem ›ästhetische Erfahrung‹ erläutert wird. Wie in der Summe der genannten Künstler und Gattungen erkennbar, stützt sich der kunstdidaktische Diskurs in der Frage nach ästhetischer Erfahrung neben alltagsästhetischen Beobachtungen größtenteils auf zeitgenössische Kunst. Historische Kunst vor 1900 wird als Auslöser für ästhetische Erfahrung zwar nicht bestritten, bleibt jedoch weitgehend unerwähnt. Erfasst werden die Gattungen Malerei, Objektkunst, Installation, Sammlung/Spurensicherung, prozessuale und performative Kunst. Diese Auflistung suggeriert, dass es sich um ein recht breites Feld handelt – ja dass die ästhetische Erfahrung das universale Merkmal der zeitgenössischen Kunst schlechthin sei. Ein kritischer Blick ordnet die Summe künstlerischer Positionen jedoch bestimmten Kunstbegriffen zu. In einer starken Vereinfachung – welche zwar die Komplexität der Thematik kaum erfasst, aber in ihrer kontrastreichen Vereinfachung erhellend sein kann – habe ich die dem Theorem unterliegenden Kunstbegriffe folgendermaßen umschrieben (vgl. Schnurr 2008b, Kap. 14.2): Die Kunst, welche in einen theoretischen Zusammenhang mit ästhetischer Erfahrung gebracht wird, ist langsam, vollzieht sich also in einem entschleunigten, assoziativ-abgleitenden Wahrnehmungsprozess, sie verläuft kontemplativ, wird also in innerer Versunkenheit erfahren, in einem Zustand »tranceartiger Wachheit« (Selle 1994, 8) und sie ist geprägt durch Sinnlichkeit und Ganzheitlichkeit (als genussreiches Schwelgen im Bewusstsein der eigenen Wahrnehmung).
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Über diese zweifelsohne dominierenden Formen zeitgenössischer Kunst hinaus existieren jedoch auch andere, widersprechende Kunstbegriffe, welche hier unerwähnt bleiben, wie z.B. der der Konzeptkunst, der politischen Kunst, des Graffitis etc. Auch Ulrichs’ konzeptuelle und diskursive Ideenkunst stellt einen deutlichen Kontrast dar, da sie weder langsam, kontemplativ, noch betont sinnlich erfahren wird. Es wird also deutlich, dass die kunstdidaktische Forschung ihren Diskurs über ästhetische Erfahrung auf ein Feld der Kunst stützt, welches insgesamt gesehen weder sonderlich breit noch lückenlos ist. Das im Kontext von ästhetischer Erfahrung beschriebene theoretische Feld hat also durchaus eine Grenze, deren Lage sich durch die Konfrontation mit einem Kontrastmittel, welches das künstlerisch sowie kunstpädagogisch Übliche kontrastiert, darstellen lässt. Die Forschung mit dem hier exemplarisch gewählten ›Kontrastmittel Timm Ulrichs‹ vermag es also, den diskursiven Nebel stellenweise zu lichten, indem die Fraglosigkeit des Bekannten durch einen Kontrast gestört wird. Diese kalkulierte Störung löst einzelne Strukturen aus dem undeutlichen Nebel heraus und schafft scharfe Abgrenzungen. Wenn man eine Darstellung auf maximalen Kontrast anlegt, so verliert man notgedrungen die feinen Grauwerte. Gleiches gilt für den kontrastreichen Vergleich der Erfahrung eines künstlerischen Witzes mit der ästhetischen Erfahrung. Auch hier nivelliert die Gegenüberstellung jene filigranen Ausprägungen, welche das Gesamtbild anreichern. Der scharfe Kontrast ermöglicht es jedoch, solche Strukturen und Bereiche deutlich herauszuheben und darzustellen, die sonst in einem Nebel aus Grauwerten untergehen. Eine Forschung mit Kontrastmitteln ist daher weniger geeignet, um feingliedrige Argumentationen in den Nischen des Faches zu ergründen. Produktiv erscheint ihre Anwendung jedoch, sofern sie als ein ergänzendes Erkenntnisinstrument verstanden wird, um zunehmend unscharfe Diskurse schlaglichtartig zu kontrastieren und somit deren grobe Strukturen wieder sichtbar zu machen.
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Literatur Best, Otto F.: Der Witz als Erkenntniskraft und Formprinzip, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1989. Haftmann, Werner: Malerei im 20. Jahrhundert, Bd. 1, München: Prestel 1993. Kämpf-Jansen, Helga: Ästhetische Forschung. Wege durch Alltag, Kunst und Wissenschaft, Köln: Salon Verlag 2001. Kirchner, Constanze/Gunter Otto: Editorial, in: Kunst+ Unterricht 223/224. Praxis und Konzept des Kunstunterrichts, Juni/August 1998, S. 1. Luhmann, Niklas: Die Ausdifferenzierung des Kunstsystems, Bern: Benteli 1994 (Reihe um 9 – Am Nerv der Zeit. Vorträge im Kunstmuseum Bern). Makowski, Henry/Bernhard Buderath: Die Natur dem Menschen untertan. Ökologie im Spiegel der Landschaftsmalerei, München: dtv 1983. Peez, Georg (2005a): Einführung in die Kunstpädagogik, Stuttgart Kohlhammer Verlag 2005 (Grundriss der Pädagogik/Erziehungswissenschaft 16). Peez, Georg (2005b): Evaluation ästhetischer Erfahrungs- und Bildungsprozesse. Beispiele zu ihrer empirischen Erforschung, München: kopaed 2005. Peez, Georg: Zur Bedeutung ästhetischer Erfahrung für Produktion und Rezeption in gegenwärtigen Konzepten der Kunstpädagogik, in: Thomas Greuel/Frauke Heß (Hg.): Musikpädagogik im Diskurs, 2008, unter: http://www.georgpeez.de vom 12.05.2008. Sabisch, Andrea: Inszenierung der Suche. Vom Sichtbarwerden ästhetischer Erfahrung im Tagebuch. Entwurf einer wissenschaftskritischen Grafieforschung, Bielefeld: transcript 2007 (TheorieBilden 9). Schmidt, Siegfried, J.: Kunst: Pluralismen, Revolten, Bern: Benteli 1987 (Reihe um 9 – Am Nerv der Zeit. Vorträge im Kunstmuseum Bern). Schnurr, Ansgar (2008a): »Vermittlungskontexte zeitgenössischer Kunst. Eine Herausforderung für die Kunstpädagogik«, in: Klaus-Peter Busse/Karl-Josef Pazzini (Hg.): (Un)Vorhersehbares lernen. Kunst – Kultur – Bild, Dortmund: 2008 (Dortmunder Schriften zur Kunst, Studien zur Kunstdidaktik Bd. 6), S. 235–251. Schnurr, Ansgar (2008b): Über das Werk von Timm Ulrichs und den künstlerischen Witz als Erkenntnisform. Analyse eines pointierten Vermittlungs- und Erfahrungsmodells im Kontext ästhetischer Bildung, Norderstedt: Books on Demand 2008 (Dortmunder Schriften zur Kunst, Studien zur Kunstdidaktik Bd. 8). Selle, Gert: »Soll man von ästhetischer Intelligenz sprechen?«, in: BDK-Mitteilungen, 30. Jg., Heft 2/1994, S. 4–10. Ulrichs, Timm: Die Druckgrafik, hg. von Ulrich Krempel, Hannover: Sprengel Museum 2003 (Katalog anlässlich der gleichnamigen Ausstellung im Sprengel Museum Hannover vom 28.08.2002–23.03.2003). Wellek, Albert: Zur Theorie und Phänomenologie des Witzes, Bern: Springer 1955. Welsch, Wolfgang: »Zur Aktualität ästhetischen Denkens«, in: Ders.: Ästhetisches Denken, Stuttgart: Reclam 1995, S. 41–78.
Abbildungen Abb. 1: Angiographie (Magnetresonanztomographie), im Besitz des Autors. Abb. 2: Timm Ulrichs: Kubistische Landschaft »Alles in der Natur modelliert sich gemäß Kugel, Kegel und Zylinder.« (Paul Cézanne), 1968/72, Offsetdruck, 29,6 x 57,7 cm, zitiert nach Ulrichs 2003, 143.
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Christine Heil
Bezugsräume, Kontexte, Kollisionen Kartierende Erkenntnispraxen in Kunst und Wissenschaft Das Ausgangsmaterial für diesen Text bildet meine Dissertation und damit eine abgeschlossene Forschung im Feld der Kunstpädagogik: Kartierende Auseinadersetzung mit aktueller Kunst. Erfinden und Erforschen von Vermittlungssituationen (Heil 2007). Die nachträgliche Betrachtung der Forschung ermöglicht das Aufzeigen von Bedingungen und Vorgehensweisen im Forschungsprozess: Im Zentrum steht der Begriff des Kartierens, der einerseits produktiver Anlass für kunstpädagogische Praxis mit Lehramts-Studierenden und Schülerinnen und Schülern war und andererseits als eine Form der konzeptionierenden Haltung bezogen auf Vermittlungs- wie auch Forschungsprozesse angesehen werden kann. Der Begriff – Gegenstand theoretischer Erörterungen in den Feldern der qualitativen Sozialforschung, der Kunstwissenschaft und der Kunst – provoziert besondere Formen der Reflexionsperspektiven und der forschenden Haltung.
Praxis und Fiktion in der Forschung Wie jede Karte ist die Forschungspublikation eine von vielen möglichen Abbildfunktionen des Realen. Zugespitzt: Sie ist eine Fiktion, mittels der ein real durchgeführtes kunstpädagogisches Praxisexperiment darstellbar und reflektierbar wird. Inwiefern diese Fiktion Erkenntnisrelevanz beanspruchen kann, wird im weiteren Text verhandelt. Am Anfang stand der Entschluss, ein Praxisfeld zu eröffnen, das ermöglichte, den eigenen bisherigen kunstpädagogischen Erfahrungshintergrund mit in die Forschung einzubringen: die eigene Praxis der Kunst, das Lehramtsstudium sowie Erfahrungen als Lehrerin in der Schule. Das Praxisfeld der Forschung besteht aus zwei voneinander unabhängigen Seminaren mit Lehramts-Studierenden zur Praktikumsvorbereitung und -durchführung: Eines hat an der Universität Flensburg und in der Hamburger Kunsthalle sowie im öffentlichen Raum Hamburgs stattgefunden, das andere an der Universität Bremen
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und im Neuen Museum Weserburg. In beiden ging es um »kartierende Auseinandersetzung mit aktueller Kunst« und damit um die Erkundung und Erforschung unterschiedlicher Räume, die sich mit der Annäherung an künstlerische Arbeiten eröffnen.
Kartierung im Kontext der Kunst Die Vorgehensweise der Kartierung, wie sie von dem Hamburger Künstler Till Krause entworfen wird, ist als künstlerische Erkenntnispraxis zu verstehen und dem Mapping verwandt. Der Begriff der Kartierung benennt Vorgehensweisen des Beobachtens, Sammelns und Aufzeichnens sowie das dabei entstehende Beziehungsgefüge zwischen dem Beobachter und seinen Beobachtungen sowie innerhalb der Dokumentationen. Im Unterschied zur Kartografie müssen die Darstellungsformen von Kartierungen nicht unbedingt etwas mit Karten zu tun haben. Neben Karten können vielfältige mediale Formen zum Einsatz kommen: Tabellen, Listen, Diagramme, Fotos, Filme, ggf. als Installation, Zeichnungen, analysierende, beschreibende wie narrative Texte, Handlungen, Aktionsformen. Trotzdem lässt sich am Beispiel der Karte besonders gut deutlich machen, dass eine Kartierung keine direkte Abbildung, keine lineare Projektion eines realen Raumes in einen symbolischen Raum ist, sondern eine Abbildung nach bestimmten Spielregeln, die unter Umständen mehrere Zugänge miteinander verknüpft. Ein Beispiel: Till Krause hat in der Hamburger Innenstadt nach allen möglichen Durchgängen von einer Straße zu einer anderen gesucht, die durch die Häuserblocks hindurch führen. Er hat sie aufgezeichnet und beschrieben und in einer kleinen Broschüre veröffentlicht. Eine »Sehnsucht des Kartographen«1 ist für Till Krause die Sehnsucht, mit der Karte nicht nur aufzuzeichnen, zu begreifen, detailliert aufzufassen, sondern möglicherweise mit der Karte die Wirklichkeit wieder zu verändern. Der Versuch mit der Karte die Realität, hier die Stadt, zu verändern, indem man den Blick auf sie und die Möglichkeiten sich in ihr zu bewegen, verändert. Die Karte ermöglicht damit eine besondere Orientierung im Raum und macht einen Ausschnitt des realen Raumes betrachtbar. Die Karte erzeugt ein Territorium, aber das Territorium ist nicht identisch mit der Karte. Territorium und Karte machen nur in ihrer Wechselwirkung Sinn. 1
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Diesen Titel einer Ausstellung im Kunstverein Hannover griff Till Krause in seinem Vortrag auf dem kulturwissenschaftlichen Symposion Kartografie als ästhetischer Prozess am 17. Januar 2004 in Hannover auf.
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Abb. 1/2: Kunst, die kartiert: Till Krause: Durchgänge in der Hamburger Innenstadt, 1991
Schnittmengen zwischen Kunst und Wissenschaft Während im Alltagsenglisch unter mapping auch ganz allgemein Praktiken des Ordnens und Planens verstanden werden, wird im Deutschen der Begriff der Kartierungen nicht mit Alltagspraxen in Verbindung gebracht. Kartierungen sind wissenschaftliche Vorgehensweisen in der Biologie und der Geografie. Die Verwendung des Begriffes im Kontext der europäischen Kunst meint einen deutlichen Bezug zur Wissenschaft: Der Bezug zu einem kunstfremden Kontext bringt eine Reflexion der kunsteigenen Praxen mit sich und liefert neue Formen der Raumerkundung. Im Sinne dieser Bezogenheit auf fremde Bereiche steht der Begriff der Kartierung im Mittelpunkt der hier thematisierten Forschung und provoziert Schnittmengen zwischen Kunst und Wissenschaft. Der Zusammenhang zwischen Karte und Territorium entspricht der Grundproblematik der Ethnografie, wie sie in der Repräsentationsdebatte formuliert wurde: der Repräsentation von kulturell Fremdem zwischen Reproduktion und Produktion (vgl. die Einleitung in Berg/Fuchs 1999). Die Beschreibung eines kulturell fremden Feldes hat wechselseitig mit seiner Erklärung und mit seiner Erforschung zu tun. Auch in der qualitativen Forschung ist die »Empirie« immer schon in die Verfahrensweisen der Repräsentation verstrickt. Empirie wird mit den jeweiligen Forschungsmethoden allererst konstruiert. Deshalb wird hier von der Rekonstruktion der Konstruktion sozialer Wirklichkeit gesprochen und nicht von Wirklichkeit an und für sich. Qualitative empirische Forschung fragt somit immer auch nach der Entwicklung von Beschreibungen im Forschungsprozess und der Produktivität von Kategorien.
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Die vorliegende Forschung ist selbst eine Kartierung. Eine These der Arbeit ist, dass sich die durchgeführte Forschung selbst wiederum als eine Kartierung im Raum der Kunstvermittlung und Kunstpädagogik auffassen lässt. Das Ziel der Forschung besteht darin, eine besondere Orientierung im Raum der Kunstpädagogik aufzuzeigen und neue Sichtweisen auf die Praxis der Vermittlung zu entwickeln. Am Beginn stehen gleichzeitig der Entwurf eines Seminars, das an mehreren Orten durchgeführt werden konnte, und die Eröffnung theoretischer Bezugsfelder. Dazu gehören: die Ethnografie und die qualitative Sozialforschung, die Kunst- und Kulturwissenschaft sowie konkrete Beispiele künstlerischer Arbeiten. Die Theoriefelder werden zunächst jeweils in mehreren einzelnen Abschnitten auf Praxisdokumentationen angewandt und in der Folge insgesamt einander gegenübergestellt, um daraus neue Frageperspektiven auf die dokumentierte Seminarpraxis zu entwickeln und zu erproben. Für das Verständnis der Erkenntnisweise insgesamt sind sowohl das methodische Vorgehen als auch der thematisierte Inhalt von Bedeutung. Inhaltlich ist die Methode der teilnehmenden Beobachtung zentral. Sie stammt aus der ethnografischen Feldforschung. Der Forscher oder die Forscherin begibt sich in ein zu beforschendes Feld und sieht sich mit der Frage konfrontiert: Wie lässt sich aus dem Feld heraus eine Orientierung gewinnen? Die Forscherin kann ihr Untersuchungsfeld nicht vorab festlegen, sondern lässt es im Prozess der Forschung erst entstehen, in dem sie von konkreten Beobachtungen und medialen Produkten ausgeht. Das legt den Vergleich u.a. mit der Figur des Rhizoms (Deleuze/Guattari) und mit Raumtheorien nahe, die – im Gegensatz zu einem Behältermodell – von einem Raum ausgehen, der an den Rändern offen und auf Erweiterung angelegt ist. Der Reflexionsraum ist hier der Forschungsbewegung nachgeordnet. Methodisch gesehen, folgt die Vorgehensweise dem Prinzip der Gegenüberstellung: Begriffe und ihre theoretischen Kontexte werden dokumentierten Praxismomenten gegenübergestellt. Diese Vorgehensweise wird im weiteren Verlauf der Arbeit immer wieder angewandt. D.h. die jeweils erarbeitete Theorie wird nicht »nachgewiesen« und an der Praxis verifiziert oder falsifiziert, sondern rhizomartig angewandt: Sukzessive wird ein Netz von Begriffen erzeugt und aufgezeigt, an welchen Stellen entsprechende theoretische Zusammenhänge in den Praxisdokumenten wieder auftauchen und welche Wirkung das jeweils auf den Blick der Pra-
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xisreflexion hat: Wie werden die Begriffe in den jeweiligen Praxis-Beispielen wirksam? Wie verändert das Begriffsnetz den Blick auf die Kartierungen der Studierenden und damit auf die Praxisdokumente? Für den Forschungsprozess insgesamt bleibt an dieser Stelle festzuhalten: Aus einer Ausdehnung der Bezüge heraus werden sowohl in theoretischer wie in praktischer Hinsicht neue Orientierungen im Raum der Kunstvermittlung notwendig. Sie führen zu neuen Frageperspektiven, durch die sich Momente der Erzeugung und der Beherrschung von Ungewissheit in ein Spannungsverhältnis bringen lassen. In dieses Spannungsverhältnis sind auch die Studierenden einbezogen. Das erfordert eine besondere Haltung, die im folgenden Beispiel erörtert werden soll.
Welche Anforderungen stellt die besondere Seminarpraxis an die Studierenden? Der Student David Rusek kartiert seine Auseinandersetzung mit einer VideoInstallation von Dieter Kiessling (geb. 1957): o.T., 1988. Im Dachgeschoss des Neuen Museums Weserburg befindet sich hinter mehreren Türen ein absolut dunkler Raum. Die einzige Lichtquelle ist der Bildschirm eines Fernsehgerätes. Er zeigt das Videobild einer weißen Kerze. Realer Gegenstand, sein gefilmtes Abbild und sein Spiegelbild bilden ein räumliches Triptychon, in Form eines closed circuit. Das Abbild des Gegenstandes lässt den Gegenstand selbst in Erscheinung treten. Die Kerze ist nicht angezündet. Sie wird von einer Videokamera gefilmt und in direkter Übertragung durch den Fernsehmonitor wiedergegeben. Das Licht des Fernsehmonitors strahlt die Kerze an, so dass sie im Dunkel sichtbar wird. Bei genauem Hinschauen kann man zudem noch die Spiegelung der Wachskerze in der Glasoberfläche des Bildschirms entdecken.
Abb. 3/4: David Rusek: Videostill und Skizze aus Mein Zugang zum Kunstwerk
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David Rusek hat für seinen Zugang zu dieser Arbeit eine kleine HandVideokamera gewählt. Er entdeckt während des Filmens, wie er sich mit der eigenen Videokamera in diesen closed circuit einklinken kann: Wenn das Licht des Fernsehmonitors sein Gesicht an strahlt, kann seine Kamera wiederum ihn selbst filmen. Aus seinen Videoaufnahmen im Raum und auf dem Weg durch das gesamte Museum schneidet David Rusek einen neuen Film, in den er Handlungsanweisungen und Denkanstöße mit roter Schrift hineinsetzt – allerdings spiegelverkehrt. Der Film wird Teil einer komplexen medialen Inszenierung mit dem Seminar in den Räumen des Museums: Eine freiwillige Studentin bindet sich einen Spiegel auf den Rücken und stellt sich zwischen ein Fernsehgerät, auf dem das Video abgespielt wird, und eine große Projektionsfläche. Sie versucht mit dem Spiegel auf ihrem Rücken das Fernsehbild so zu reflektieren, dass es von der Videokamera aufgenommen und mittels Beamer auf die Projektionsfläche vor ihr projiziert werden kann.
Abb. 5/6: Mediale Inszenierung im Neuen Museum Weserburg, Bremen
Abb. 7: David Rusek: Skizze zur medialen Inszenierug im Neuen Museum Weserburg, Bremen
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»Der Forscher ist selbst Instrument seiner Forschung« David Rusek hat eine Entscheidung für eine bestimmte künstlerische Arbeit im Museum Weserburg getroffen. Mit der Entscheidung ist eine subjektive Aufmerksamkeit verbunden, die Fragestellungen beinhalten kann, die sich nicht oder nicht sofort verbal artikulieren lassen. Er hat seine Wahrnehmung und seine Zugangsbewegungen medial dokumentiert, aber diese Dokumente nicht als Endprodukt angesehen, sondern sie wiederum zum Material für weitere Experimente und Setzungen gemacht, so dass sich ein Zusammenspiel zwischen Territorium und Karte entwickeln konnte. Sich selbst als Instrument der Kartierung im Seminar zu verstehen heißt, sich immer wieder mit den Fragen auseinander zu setzen, die sich im Verlauf des gemeinsamen Austauschs stellen. Es bedeutet, Rahmungen aufzustellen, sie in ihrer Wirksamkeit, auch an sich selbst, zu beobachten, aber sie auch wieder modifizieren zu können. Hier betreten alle Beteiligten einen gemeinsamen Raum der Reflexion, indem sie nicht nur eine Frage haben, sondern sich selbst in eine Frage stellen. Aber erst das Eintreten in diesen Möglichkeitsraum macht diesen auch wahrnehmbar. In dem Beispiel der studentischen Kartierung wird das Video-Feedback in eine performative Reflexionsform transformiert. Die Permanenz der ursprünglichen Installation wird zum Anlass für ein mediales Ereignis, an dem andere teilhaben. Die Anwendung der Metapher des Fisches für die Medien von Torsten Meyer macht das Besondere der Umgangsform noch einmal deutlich. Torsten Meyer schlägt vor, wir sollten nicht von den Medien im Plural sprechen, sondern von Medium im Singular: »Fische heißt es, seien die einzigen Tiere, die nicht wissen, was Wasser ist. Das liegt daran, dass Fische nur Wasser kennen. Sie bewegen sich ausschließlich in diesem ›Medium‹ […].« (Meyer 2002, 42) Im Sinne dieser Metapher verlässt David Rusek bei seiner Auseinandersetzung mit der Video-Installation das vorgefundene Mediengefüge nicht, sondern er greift Handlungsweisen auf und erweitert seine Bezugsfelder. Dabei verändert und markiert er aber seine Position darin. Die Erforschung des künstlerischen Vermittlungs-Raumes ergibt sich aus der Reflexion der Position des Betrachters, in die David Rusek die anderen mit einbezieht.
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David Rusek verdoppelt nicht nur, sondern er greift etwas auf und treibt das Spiel weiter. Er befragt nicht nur die Sache, sondern vor allem seine Bezüge, Reaktionsweisen und Assoziationsräume. Er inszeniert seine Entdeckungen einer medialen Irritation noch einmal neu: Er schafft eine Zwischenzone von Aufführung und Aufzeichnung (vgl. Brandstetter 2005). Mit dem Blick der Wieder-Holung und der Parallelität mehrer Beobachterperspektiven unterschiedlicher Ordnungen macht er an der ursprünglichen künstlerischen Arbeit Erfahrenes in einem neuen Möglichkeitsraum für andere erfahrbar. Dieses Vorgehen entspricht einer Charakterisierung Foucaults von Positivitäten im Kontext des Wissens: »[…] ein Wissen ist auch der Raum, in dem das Subjekt die Stellung einnehmen kann, um von Gegenständen zu sprechen, mit denen es in seinem Diskurs zu tun hat […].« (Foucault 1969, 259) Der Diskursraum, den der Student David Rusek hier aufsucht und erzeugt, besteht einerseits aus Begriffen der Kunstwissenschaft, der Sprachwissenschaft und aus Gegebenheiten der Kunst, aber auch aus Spielregeln des Verhaltens im Museum und der körperlichen Erfahrung in medialen Gefügen und in der Zusammenarbeit mit anderen. Darüber hinaus macht er Grenzgänge zu einem Teil seines Diskurses: die Doppel- und Mehrdeutigkeiten im Realen wie im Begrifflichen sowie das Spiel der Spiegelungen an der Grenze zum Undurchschaubaren, das körperliche Geschicklichkeitsspiel mit High-TechGeräten und das inszenierte Live-Video-Feedback, in das der Betrachter eingebunden ist.
Wo findet Lehre statt und was ergibt sich für die Forschung? Um bei einer Forschung von einer Kartierung sprechen zu können, in der sich das Territorium erst mit der Karte bildet, muss es zu Wechselwirkungen zwischen Fragen und Dokumenten kommen. Die Fragen sind dann sinnvoll und produktiv, wenn sie neue Perspektiven auf die Praxis bieten und neue Orientierungen in den Dokumenten erzeugen. Damit müssen Verknüpfungen innerhalb der Dokumentationen möglich werden, die über vorherige Planungsvorstellungen hinausgehen, die eher Fragen aufwerfen und eher den Blick auf Vermittlungsprozesse in produktiver Weise stören, als die Fragen abschließend zu beantworten. Es geht demnach nicht um den Nachweis, dass bestimmte Eigenschaften von Kartierungen in der Praxis wiederzufinden sind, sondern um die Entwicklung neuer Sichtweisen auf die Vermittlungspraxis.
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Was Carmen Mörsch (2002) für Vermittlungskunst feststellt, dass Vermittlung und Lehre an den »Rändern« der Institutionen stattfindet, lässt sich auf andere Situationen und auf Erkenntnisprozesse übertragen. In diesem Beispiel waren gleich mehrere Institutionen beteiligt: Lehramtsstudierende nahmen in Vorbereitung auf Ihre Tätigkeit an der Schule an einem Seminar der Universität teil und sie agierten im öffentlichen Raum und im Museum. Institutionen gehen mit neuen Fragen oder Problemstellungen gemäß ihrer bestehenden Logik oder ihrem eigenen Organisationsprinzip um (vgl. Douglas 1987, 151). Das gilt auch für die Anwendung von Theorien. Erst die Gleichzeitigkeit von verschiedenen Theoriefeldern bzw. Institutionen machen solche Selbstverständlichkeiten spürbar. Aus diesem Verständnis heraus sind Widerstände und Kollisionen nicht als zu vermeidende und unökonomische Hindernisse aufzufassen, sondern markieren vielmehr die möglicherweise produktiven Momente im Forschungsprozess und sind für die Entwicklung neuer Orientierungen notwendig. Es gilt also institutionelle Rahmenkollisionen zuzulassen oder sogar zu provozieren. Daraus ergibt sich auch die Notwendigkeit, mit den auftretenden Widerständen einen Umgang zu finden. Der Moment der Vermittlung oder der Lehre ebenso wie der Moment einer Erkenntnis selbst entziehen sich. Es gibt keine ernst zu nehmende ästhetische Vermittlungspraxis, ohne etwas »anderes« (vgl. Schmid 1998, 76), das der Einzelne als befremdlich erlebt und das für ihn genau deshalb auch nicht beherrschbar ist. Bezogen auf Forschung in der Kunstpädagogik wird sich durch das professionell forschende Handeln hindurch etwas anderes ereignen, das sich zugleich entzieht und nach neuen Orientierungen im Raum der Kunstpädagogik suchen lässt. Hier ist eine besondere Haltung gefordert, aus der heraus die Erfindung einer Vermittlungssituation zugleich ihre Erforschung provoziert. Ein Moment der Erkenntnis kann nicht repräsentiert oder erklärt werden, sondern er muss sich ereignen. Forschung kann in einem produktiven Sinn aufgefasst werden, in dem sie inszeniert wird. Eine kunstpädagogische Forschung, die zu Fiktionen anregt, kann zu neuer Orientierung und zu neuen Wirklichkeiten führen. Die Kunst bietet dafür Bezugswechsel an, die solche Vorgänge wahrnehmbar machen.
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Literatur Brandstetter, Gabriele: »Figuration der Unschärfe. Der (un)beteiligte Betrachter«, in: Texte zur Kunst, H. 58, 2005, S. 74–79. Berg, Eberhard/Martin Fuchs (Hg.): Kultur, soziale Praxis, Text. Die Krise der ethnographischen Repräsentation, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 21999, S. 11–108. Douglas, Mary (1987): Wie Institutionen denken, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991. Foucault, Michel (1969): Archäologie des Wissens, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1981. Heil, Christine: Kartierende Auseinandersetzung mit aktueller Kunst. Erfinden und Erforschen von Vermittlungssituationen, München: kopaed 2007. Meyer, Torsten: »e-mails from http://kunst.erzwiss.uni-hamburg.de (6). Subject: Medien & Bildung«, in: BDK-Mitteilungen, 38. Jg., 2/2002, S. 40–42. Mörsch, Carmen: »Enttäuschte Erwartungen, bestätigte Befürchtungen: Kunstcoop© in der ›Ordnung der Diskurse‹«, in: NGBK/Kunstkoop© 2002, S. 76–91. Pazzini, Karl-Josef: »Kunst existiert nicht. Es sei denn als angewandte«, in: BDK-Mitteilungen, 36. Jg., 2/2000, S. 34–39. Schmid, Wilhelm: »Das Leben als Kunstwerk«, in: Kunstforum International Bd. 142/1998, S. 72–79.
Abbildungen Abb. 1/2: Till Krause: Durchgänge in der Hamburger Innenstadt, 1991. Mit freundlicher Genehmigung des Künstlers. Die Broschüre ist zu beziehen über Galerie für Landschaftskunst unter: http://www.gflk.de vom 02.07.2008. Abb. 3/4: David Rusek: Videostill und Skizze aus Mein Zugang zum Kunstwerk. Abb. 5/6: Fotografien der medialen Inszenierung im Neuen Museum Weserburg, Bremen. Abb. 7: David Rusek: Skizze zur medialen Inszenierung im Neuen Museum Weserburg, Bremen.
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Alfred Lichtwarks Kunstbetrachtungsunterricht Alfred Lichtwark (1852–1914) war der erste Direktor der Hamburger Kunsthalle und Kulturreformer im Wilhelminischen Kaiserreich. Der Kern seines nationalpädagogischen Engagements lag vor allem darin, das »Volk« allererst als »Subjekt«, d.h. in diesem Fall als kulturelles Subjekt, zu etablieren. Dies schien Lichtwark eine unverzichtbare Ergänzung zur Bildung eines deutschen Nationalstaats nach dem deutsch-französischen Krieg 1870/71. Das deutsche Volk sollte sich als eine »Kulturgemeinschaft« verstehen lernen (vgl. Kiyonaga 2008, insbes. Kap. I). Auch im reformpädagogischen Kontext der Kunsterziehungsbewegung um die Wende zum 20. Jahrhundert spielte Lichtwark eine führende Rolle. Sein Kunstbetrachtungsunterricht Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken, den er in der Kunsthalle seit 1888 etwa 10 Jahre lang mit Schülern durchführte,1 erwies sich in Hinblick auf die kunstpädagogische Methodik als wegweisend. Dementsprechend gilt Lichtwark heute neben Josef Strzygowski (1862–1941) als »Begründer der Kunstbetrachtung« in der Schule (Buchschartner 1998, 59). Vor dem Hintergrund des aktuellen Forschungsstandes zielt der vorliegende Beitrag darauf ab, die kulturpolitischen und kulturpädagogischen Besonderheiten von Lichtwarks Methode der Kunstbetrachtung herauszuarbeiten und deren Aktualität zu erläutern.2 Lichtwarks Aktivitäten gingen weit über die eines Museumsdirektors hinaus. Als Kunsthistoriker hat er wichtige Künstler wie Meister Bertram, Meister Francke und Philipp Otto Runge wiederentdeckt. Als Museumsdirektor sammelte er als einer der ersten die Werke von Caspar David Friedrich. Er hatte entscheidenden Anteil an der Vorbereitung der Ausstellung der deutschen Kunst aus der Zeit 1775–1875, der so genannten Jahrhundertausstellung in der Nationalgalerie Berlin 1906, mit der die deutsche Kunstgeschichte des 19. Jahr1
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Die Übungen begannen als Ergänzung zu den Vorlesungen und wurden bis 1898 regelmäßig veranstaltet. Aufgegeben wurden sie im Jahr 1904. Vgl. Lichtwark 1901a, 21 und Fritz 1978, 62 sowie 121. Der vorliegende Beitrag wurde auf der Grundlage des neunten Kapitels der oben genannten Dissertation des Verfassers überarbeitet.
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hunderts neu bestimmt wurde. Auch für zeitgenössische Künstler wie Max Liebermann und Leopold von Kalckreuth setzte er sich entschlossen ein und erwarb für die Kunsthalle Werke moderner französischer Maler wie Gustave Courbet, Edouard Manet, Claude Monet, Auguste Renoir, Pierre Bonnard oder Edouard Vuillard. Bemerkenswert fortschrittlich erscheint auch seine Unterstützung der Amateurfotografie, zu der er in der Kunsthalle eine Reihe von internationalen Ausstellungen organisierte. Als Autor zahlreicher Schriften, diverser Manifeste und Monografien äußerte er sich zu aktuellen Fragen des Kunstgewerbes, der Fotografie, der Architektur, der Anlage von Parks und Gärten, des Denkmals, des Städtebaus, der Schul- und Museumspädagogik sowie der Geschmacksbildung der Konsumenten. Schließlich organisierte und führte er die Dilettantismusbewegung in Hamburg. Lichtwarks hoher Rang im kulturellen Leben Deutschlands wird durch Max Liebermanns auf ihn gemünzte Bezeichnung »Praeceptor Germaniae« bezeugt (Liebermann 1914, 106). Der Schriftsteller Karl Scheffler nannte Lichtwark »Erzieher der Nation« (Scheffler (1911/12), 4) und Anna von Zeromski, die Autorin von Lichtwarks erster Biografie, gar einen »Führer zur deutschen Zukunft« (vgl. von Zeromski 1924).
Die Grundzüge von Lichtwarks »Methode« für den Kunstbetrachtungsunterricht Das Prinzip »vom Nächstliegenden« Lichtwarks Buch Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken (1897)3 ist seine »am meisten gelesene Schrift«4 und wurde von 1897 bis 1922 insgesamt 18 Mal aufgelegt. Noch 1986 wurde eine 19. Auflage gedruckt. Allein dies ist ein Indiz für die über die historische Entfernung hinausgehende Aktualität dieses Buches (s. Leppien 1986, 144). Darin skizzierte Lichtwark insgesamt zehn Unterrichtsstunden, die er 1896 in der Kunsthalle mit vierzehnjährigen Mädchen aus einer Mädchenschule hielt.5 Sie sind in Protokollform – also nicht ganz wörtlich – wiedergegeben (vgl. Lichtwark 1897a, 6f.). Im Gegensatz zu seinen Sonntagsvorträgen für Erwachsene in der Kunsthalle, in denen die Entwicklung der modernen deutschen Malerei bis zu den englischen Natura-
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Lichtwarks Text war zunächst auf Wunsch von Carl Götze und seinen Mitstreitern aus dem Kreis der Volksschullehrer in kleiner Auflage gedruckt worden. In kurzer Zeit waren in Hamburg 1000 Exemplare verkauft worden. Die deutschlandweite Verbreitung verdankte der Text jedoch jener Ausgabe, die vom Bruno Cassirer Verlag in Berlin gedruckt wurde. S. Götze, 28. Dies bemerkte Gustav Pauli, vgl. Pauli 1927. Auch Präffcke 1986, 286. Die »Höhere Mädchenschule« war eine private jüdische Schule, die seit 1892 unter Leitung von Jakob Loewenberg stand. Vgl. Lehberger 1995, 198–223.
Alfred Lichtwarks Kunstbetrachtungsunterricht
listen umfassend vorgeführt wurde (vgl. Zeromski 1924, 99f.),6 behandelte Lichtwark in dem Buch überwiegend zeitgenössische Maler. Außerdem waren alle, abgesehen von Menzel und Lenbach, Hamburger oder zumindest norddeutsche Maler. Entsprechend der Gründungsidee der Sammlung von Bildern aus Hamburg,7 die den Rahmen für diesen Unterrichtsversuch bilden sollte, bezogen sich die meisten Werke auf hamburgische Motive. 8 In anderen Unterrichtsstunden, die nicht in das Buch aufgenommen wurden, behandelte Lichtwark aber auch Künstler wie Ruisdael, Cranach, Dürer oder Holbein (vgl. Fritz 1978, 123). Wie ein Teilnehmer seiner Übungen bezeugt, behandelte er ebenso Max Liebermanns Die holländischen Waisenmädchen (Wohlwill, 1914, A761/40, Kapsel 1) und führte 1909 mit Gymnasiasten vom Paulsenstift 9 sogar eine Übung anhand des Gemäldes Christus als Schmerzensmann von Meister Francke durch (vgl. Lichtwark 1909, 301–307). Insofern ist Martin-Roman Deppners Feststellung durchaus zuzustimmen, dass die Unterrichtsstunden, die in dem Buch präsentiert wurden, weder einen Gesamtüberblick über Lichtwarks Betrachtungsübungen noch eine geschlossene methodische Konzeption des Kunstbetrachtungsunterrichts vermitteln. Vielmehr seien sie »als Leitgedanken und methodische Impulse« zu verstehen (Deppner 1982, 66f.). Schließlich warnte Lichtwark selbst im Vorwort seines Buches davor, es keineswegs als Muster zum Nachahmen anzusehen. Es gelte nur als ein »Beispiel« (Lichtwark 1897a, 4). Die Auswahl der Kunstwerke folgte der Annahme, dass zeitgenössische, insbesondere lokale Kunst die »wenigsten Voraussetzungen« verlange und aufgrund ihrer »Unmittelbarkeit« den Kindern den Zugang zu ihr erleichtern könne (Lichtwark 1897a, 38). 10 Auch die Zielsetzung des Unterrichts war von vornherein bewusst reduziert: Sie lag nicht darin, künstlerische Qualitäten nachzuempfinden, sondern schlicht darin, bei den Schülern das Interesse an der Kunst zu wecken, und sie daran zu »gewöhnen, genau und ruhig das einzelne Kunstwerk anzusehen« (Lichtwark 1897a, 29). Mehr wurde zunächst nicht erwartet. Dem lag Lichtwarks Überzeugung, die er schon in sei6 7
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Dabei zählte man oft bis zu 500 Teilnehmer. Vgl. Präffcke 1986, 145. Diese Idee lässt sich folgendermaßen zusammenfassen: An den Werken der führenden Maler die schon bekannte Welt aus der nächsten Umgebung anders sehen zu lernen und schließlich zum Verständnis der künstlerischen Individualität und der die Welt erschließenden Funktion der Kunst zu gelangen. Lichtwark 1897c, 13f. Hinweis von Irene Below, vgl. Below 1975, 99. Heutiges Charlotte-Paulsen-Gymnasium. Diese Forderung war zugleich normativ gedacht, die Schuler sollten ihre eigene Zeit keineswegs aus dem Auge verlieren. S. Lichtwark 1887, 52.
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nem berühmten Vortrag Die Kunst in der Schule aus dem Jahr 1887 geäußert hatte, zugrunde: Kunsterziehung gegenüber den Kindern solle sich darauf konzentrieren, ihnen möglichst »Unverlierbares« zu vermitteln. Wie er betonte, war dies für ihn »die Fähigkeit anzuschauen« (Lichtwark 1887, 52). Nur die damit verbundene Freude könne das Interesse an der Kunst dauerhaft gewährleisten (vgl. Lichtwark 1887, 51f.). Daher begnügte er sich hinsichtlich des Kunstbetrachtungsunterrichts gegenüber den Kindern durchaus damit, dass ihnen »eine Ahnung aufgeht, daß jenseits des mit dem Wort zu deckenden sachlichen Inhalts noch etwas anderes im Kunstwerk steckt, das man nur fühlen kann, und das eigentlich die Hauptsache ist.« (Lichtwark 1897a, 30) Letztendlich wünschte sich Lichtwark aber doch, den Schülern auch »die deutschen Meister […] Schongauer, Dürer, Holbein, Ostade, Rembrandt« nahezubringen (Lichtwark 1897a, 39). Er war fest davon überzeugt, dass »unsere germanischen Meister unmittelbar zu Herzen gehen« würden (Lichtwark 1897a, 39). So sollten die Kinder also in die Kunstbetrachtung nach dem Prinzip »vom Nahen zum Fernen« (Lichtwark 1899a, 71) 11 – geografisch, aber auch zeitlich – eingeführt werden: Sie müssten zuerst in der modernen lokalen Kunst ihren Bezugspunkt finden. Erst dann könnten sie sich auf die nationale Ebene begeben (vgl. Lichtwark 1899a, 71f.). Eine engstirnige Fixierung auf das Regionale oder das Nationale hatte Lichtwark damit aber nicht im Sinn. Er forderte vielmehr, dass der Kunstbetrachtungsunterricht auch den Orientierungspunkt für die Beurteilung ausländischer Kunstwerke bilden sollte (vgl. Lichtwark 1897a, 39; Kiyonaga 2008, Kap. I.3.4.3). Dies berücksichtigt, dass man zuerst mit der eigenen Zeit und Kultur vertraut sein sollte, bevor man sich auf das Fremde und das Alte einlässt (vgl. Kiyonaga 2008, Kap. I.3.4.3). Darin zeigt sich Lichtwarks Auffassung von der Grundorientierung kultureller Bildung, die wiederum auf sein Verständnis von der kulturellen Identität des Individuums verweist, die durch direktes Erleben am sichersten entfaltet werden könne. Max Dessoir erkannte einmal in Lichtwarks künstlerischer Vorgehensweise das Prinzip »vom Nächstliegenden« als »Methode« (Dessoir 1906, 289). Das ist letztlich auch im kulturpolitischen Sinne zu verstehen.
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Von diesem Prinzip sprach er auch in seinem Buch Meister Francke 1424 (1899) und in seinem Vortrag Die Einheit der künstlerischen Erziehung (1903). Vgl. Lichtwark 1899b, 17 sowie Lichtwark 1903a, 125.
Alfred Lichtwarks Kunstbetrachtungsunterricht
Das Prinzip der »Unmittelbarkeit« und das Prinzip der selbständigen Tätigkeit In seinem Buch stellte Lichtwark Modelle eines Unterrichts vor, der schrittweise von der Inhaltsanalyse zu Fragen der Beleuchtung und der Farbe führte. Die »Beobachtung und Aneignung des sachlichen Inhalts« bildete dabei als Voraussetzung für künstlerischen Genuss die erste Stufe seines dreistufigen Modells des Kunstbetrachtungsunterrichts. Danach sollten »jede einzelne Gestalt bis in die geringsten Einzelheiten […], jede Bewegung, jede Geste« (Lichtwark 1897a, 30) von den Kindern selbständig auf der Grundlage eines einzelnen Kunstwerks herausgefunden, aufgezählt und reflektiert, statt vom Lehrer über den Kopf der Kinder hinweg, ohne deren Individualität zu berücksichtigen, als fertiges Wissen vermittelt zu werden (Lichtwark 1897a, 62). Es ging also weder um das passive Lernen des kunstgeschichtlichen Wissens noch um die poetische und gefühlsmäßige Wiedergabe der Stimmung oder des Eindruckes vom Kunstwerk, sondern um »Analyse«, und zwar vor dem Original (Lichtwark 1897a, 36). Diese Vorgehensweise nannte er »elementare Beobachtung« (Lichtwark 1897a, 32); an anderer Stelle »unmittelbare Beobachtung« (Lichtwark 1901, 5). Ferner sollte das Kunstwerk nicht lediglich als Illustration zu einem kunstgeschichtlichen Vortrag angesehen werden, sondern »Ausgang und Endziel einer eingehenden Betrachtung« darstellen (Lichtwark 1897a, 39). Dies erinnert geradezu an seine Grundüberzeugung, die er bereits 1886 in seiner Amtsantrittsrede betonte: »Wir wollen nicht über die Dinge, sondern von den Dingen und vor den Dingen reden.« (Lichtwark 1886a, 26)12 Später, 1897, formulierte er: »Wer es mit sich und der Welt ehrlich meint, sollte nie über Kunst reden. Kunst giebt es in Wirklichkeit gar nicht. Es giebt nur Kunstwerke.« (Lichtwark 1897b, 13) Deppner fasst diese Intention Lichtwarks als »Suche nach sinnlicher Unmittelbarkeit« zusammen (Deppner 1995, 29). Daher hielt er zunächst vor allem das »erzählende Genrebild« für geeignet (Lichtwark 1897a, 30). Somit vermied er in diesem anfänglichen Stadium bewusst Bilder mit mythologischen und allegorischen Themen oder die Historienmalerei (vgl. Fritz 1978, 123). 13
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Er sah auch in seinem Vortrag Museen als Bildungsstätte (1903) die erzieherische Bedeutung der Museen vor allem darin, dass »sie zu den Dingen führen oder von den Dingen ausgehen.« Lichtwark 1903b, 106. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Lichtwark zwar Runges Hülsenbecksche Kinder für die Übung aufgriff, aber kein allegorisches Werk wie etwa Der kleine Morgen, obwohl dieses bereits 1892 in die Kunsthalle gekommen war. Vgl. dazu Hohl 1997, 5.
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Wenngleich Lichtwarks Unterrichtsprotokolle oft einen Eindruck des »autoritären Gesprächstils« (Below 1975, 96)14 oder der durchgeplant inszenierten Belehrung erwecken, betonte er doch ausdrücklich die selbständige Auseinandersetzung der Kinder mit dem einzelnen Werk. Dies ging aus seiner grundlegenden pädagogischen Ansicht hervor, die im Vergleich zur damals gängigen Unterrichtpraxis durchaus modern erscheint, wobei die Klassenräume sogar als »Kasernenstuben« (Ernst 1901, 14) bezeichnet wurden: »Aller Unterricht sollte eine Anleitung sein, der Welt selbständig und unabhängig gegenüberzutreten«. (Lichtwark 1901a, 5) Die genannten Kritiken lassen also den historischen Kontext unberücksichtigt.
Die Abkehr von einer wissensorientierten Kunstbetrachtung Die Geschichte des modernen Kunstbetrachtungsunterrichts begann mit dessen Einführung in den höheren Schulen – also zunächst nicht in der Volksschule – um die Mitte des 19. Jahrhunderts. Dabei wurde seine Funktion überwiegend in der Ergänzung des Philologie- oder des Archäologieunterrichts angesehen.15 Lichtwark aber schrieb: »Was bei der Betrachtung des Kunstwerkes an Wissen und Erkenntnis nötig wird, sollte stets entwickelt, nie mitgeteilt werden. Das Kind muß sein Wissen selbst erarbeiten, seine Erkenntnis erleben, nur dann werden sie fruchtbar in ihm und aus ihm zur Wirkung kommen. […] Wissen, das man nicht brauchen lernt oder überhaupt nicht brauchen kann, ist in künstlerischen Dingen so überflüssig wie überall und oft geradezu schädlich.« (Lichtwark 1897a, 35f.) Durch diese Überzeugung, die mit seiner Aufwertung der »unmittelbaren Beobachtung« zusammenhing, führte Lichtwark eine Wende für den Kunstbetrachtungsunterricht herbei: von der Kunstgeschichte zur Kunstanschauung. Zwar wurde die Förderung der Anschauung im Kunstbetrachtungsunterricht selbst bereits seit den 1870er-Jahren parallel zu der institutionellen Entwicklung der Kunstgeschichte als eigenständiger Fachbereich gelegentlich diskutiert, Lichtwark setzte sie aber auf unverkennbare Weise in die Praxis um.16 Seine ablehnende Haltung gegenüber einem Kunstbetrachtungsunterricht als Wissensvermittlung stammte jedoch keineswegs aus einer vermeintlich wissensfeindlichen Einstellung (vgl. Deppner 1995, 59; vgl. auch Kiyonaga 2008, 14 15 16
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Below zufolge bestehe Lichtwarks Unterricht zur Hälfte aus seinen Erläuterungen. Dadurch seien der Selbständigkeit enge Grenzen gesetzt. Dazu auch Buchschartner 1998, 59. Zum historischen Wandel des Diskurses um den Kunstbetrachtungsunterricht im 19. Jahrhundert bis zu Lichtwark s. Kehr 1983, 22–78. Neben Kehrs Arbeit auch Below 1975, 86ff. sowie Joerissen 1979, 218ff.
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Kap. II.5.2). Er selbst klammerte das Wissen nicht kategorisch aus dem Kunstbetrachtungsunterricht aus. 1901, in der Einleitung des Buches Versuche und Ergebnisse der Lehrervereinigung für die Pflege der künstlerischen Bildung in Hamburg, heißt es: Das Ziel seines Kunstbetrachtungsunterrichts liege »in der Gewöhnung an eine zwingende Methode zu beobachten und nachzudenken […]. […] Es muss das Bedürfnis erweckt werden, vor jeder neuen Erscheinung zu sehen, wie weit die unmittelbare Beobachtung und die vorsichtige Anwendung des vorhandenen Wissen führt.« (Lichtwark 1901a, 5) Anhand dieses Zitats lässt sich belegen, dass Lichtwark das »gelebte Wissen«, das von den Kindern durch eigene aktive Auseinandersetzung gewonnen wurde, anerkannte (s. auch Deppner 1995, 58). Außerdem sah er die Gefahr, dass die bloße Vermittlung von kunstgeschichtlichem Wissen davon ablenke, ein einzelnes Kunstwerk unvoreingenommen anzusehen. Ihm zufolge litten die Deutschen ohnehin unter der verheerenden »historischen Befangenheit« (Lichtwark 1896, 137), das Gegenwärtige immer am etablierten Maßstab der Vergangenheit zu betrachten. Dies verhindere aber geradezu, dass sich der Betrachter mit neuer Kunst konfrontiere (Lichtwark 1886b. Hinweis bei Präffcke 1986, 289). Ganz in diesem Sinne verurteilte er auch die Vermittlung von »Meinungen und Ansichten über Kunst« im Unterricht als »Sünde« (Lichtwark 1897a, 33) und untersagte generell die Kritik während der Kunstbetrachtung,17 da sie nicht nur am Kern der Kunstbetrachtung vorbeiführe, sondern auch die Kinder den Respekt vor der Kunst verlieren lasse (Lichtwark 1897a, 31f. sowie 34). Stattdessen setzte er auf die Förderung der Fähigkeit, »werdende Dinge ohne Vorurteil zu betrachten« (Lichtwark 1905, 99), also die des »vorbehaltlosen Anschauens ohne Rückgriff auf a priori gegebene Regeln in der Ästhetik« (Präffcke 1986, 260).18 Lichtwark hoffte, diese Betrachtungsweise könne dazu beitragen, den Deutschen zur Entwicklung einer neuen künstlerischen Kultur zu verhelfen. Seine Ablehnung des Kritisierens und der Wissensvermittlung ist deshalb vor dem historischen Hintergrund seiner Bemühungen um die Überwindung des Historismus zugunsten der kulturellen Erneuerung zu verstehen.
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Hinsichtlich dessen bemerkt Wolfgang Kehr, dass Lichtwark dadurch sogar die »›Tugend‹ von Gefolgschaft« pflege. Kehr 1983, 86. Auch Eva Koethen stellt diese Haltung Lichtwarks unter Ideologieverdacht. Koethen 1981, 256ff. Präffcke betrachtet Lichtwarks Gedanken in engem Zusammenhang mit Konrad Fiedler, vgl. Präffcke, 244ff.
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Kritik an Lichtwarks methodischem Ansatz Hermann Röhrs bezeichnete Lichtwarks Kunstbetrachtungsmethode als »phänomenologisch« (Röhrs 1980, 77). Nicht zuletzt richtete sich die phänomenologische Ästhetik, die um die Wende zum 20. Jahrhundert unter Einfluss von Edmund Husserl zu Stande kam, darauf, unter Berücksichtigung der Intentionalität des Bewussteins des Betrachters die Korrelativität zwischen ihm und dem ästhetischen Objekt, damit also auf eine konstruktive Rolle des betrachtenden Subjektes bei der ästhetischen Erfahrung abzuheben. Dabei kennzeichnet die Haltung, immer wieder vom ästhetischen Objekt auszugehen, geradezu diese Position: »Zu den Sachen selbst!« (Bensch 1994, vor allem 157–176 und Kanata 1990, Kap. III und IV sowie Geiger 1925, 29–42) Dadurch unterschied sie sich sowohl von der idealistischen Ästhetik als auch von der damals vorherrschenden psychologischen, die in der Regel von den durch das Kunstwerk ausgelösten Empfindungen ausging.19 Trotz seiner dezidierten Orientierung an der Erscheinung stellte das Prinzip der »Unmittelbarkeit« doch nur eine Facette von Lichtwarks künstlerischen Gedanken dar. Sonst betrachtete er die Kunst überwiegend im Zusammenhang mit dem Volk, das sie hervorbringt, und stellte ihre identitätsstiftende Funktion in den Vordergrund (vgl. Kiyonaga 2008, Kap. I.3.4). Seine Betonung des vorurteilslosen Schauens verband sich allerdings mit einem Optimismus: Die Kunst sei im Prinzip für alle zugänglich, auch für Jugend oder Arbeiter (vgl. Präffcke 1986, 164. Am deutlichsten s. Lichtwark 1900, 86). Dies schafft einen starken Kontrast zu den Gedanken seines Nachfolgers Gustav Pauli, der generell dem Gedanken »Kunst für alle« und daher auch Lichtwarks Engagement in Übungen in der Betrachtung von Kunstwerken skeptisch gegenüberstand. Vielmehr wollte er den Kunstgenuss nur wenigen Auserwählten vorbehalten wissen (vgl. Pauli 1927). Kritik an Lichtwarks Auffassung blieb nicht aus. Um nur einige wesentliche Argumente zu nennen: Man wies darauf hin, dass er durch seine Förderung der unvoreingenommenen Betrachtung de facto die ästhetischen Normen der Bourgeoisie verallgemeinere, die er selbst verkörperte. Dadurch trage er zum
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Als knapper Überblick über die Entwicklung der ästhetischen Theorie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts siehe Kliche, 2000, 396–383.
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Herrschaftsanspruch der bürgerlichen Ideologie bei.20 Auch die phänomenologischen, insofern ahistorischen Züge von Lichtwarks Methode wurden wegen ihres Desinteresses an der Geschichtlichkeit des Kunstwerkes verurteilt: Lichtwark neige dazu, die Fremdheit des Kunstwerks zugunsten des Interesses seiner Gegenwart zu tilgen (vgl. Koethen 1981, 273 sowie Joerissen 1979, 223). Seine Aufwertung des vorurteilslosen Schauens kann ebenso wie seine Annahme von der Zugänglichkeit der zeitgenössischen Kunst der Kritik im Sinne Pierre Bourdieus nicht entkommen, dass er nämlich die soziale Bedingtheit des kulturellen Habitus und vor allem des Zugangs zu Kulturgütern sowie die historische Genese der rein ästhetischen Wahrnehmung nicht reflektiere. 21 Bemerkenswert ist indes, dass Lichtwark den normativen Aspekt des Kunstbetrachtungsunterrichts stets unter Berücksichtigung der nationalpädagogischen und kulturreformatorischen Absicht betonte. Wie weiter unten dargestellt wird, ließ er im Unterricht die historische Dimension der Kunstbetrachtung keineswegs völlig außer Acht. Vorstellbar ist auch die Kritik, dass Lichtwarks Methode nur bei der naturalistischen und impressionistischen Kunst funktioniere und ihre Anwendung beschränkt sei. Dies bezieht sich auf die Grenzen der lichtwarkschen Kunstauffassung, die schließlich auf die Rückbezogenheit auf die Natur ausgerichtet blieb und daher mit der Kunstentwicklung nach Cézanne generell nicht zu Recht kommen konnte (vgl. Deppner 1995, 26–30 sowie Kiyonaga 2008, Kap. VII.5.3).
Über die Gedanken der »Erziehung zur Kunst« hinaus Lichtwarks Position wurde oft dem Gedanken der »Erziehung zur Kunst« zugeordnet, wie ihn sein Mitstreiter in der Kunsterziehungsbewegung Konrad Lange vertrat (vgl. Hartlaub 1929, 67; später erneut Tschampke 1977, 55). Dieser hatte auf dem ersten Kunsterziehungstag 1901 verlangt: »Wir wollen […] die Kinder nur zur rezeptiven Genußfähigkeit erzogen wissen.« (Lange 1966, 21) Dies klingt ähnlich wie Lichtwarks Worte: »Das Kind soll genießen lernen.« (Lichtwark 1897a, 35) Dennoch sollte der entscheidende Unterschied 20 Zuerst Below 1975, 106. Für sie galt Lichtwarks Unterricht als »eine bürgerlich-konservatives Gedankengut vermittelnde Weltanschauungserziehung« (ebd., 112). Unter Einfluss von Below behandelt Koethen Lichtwarks methodische Ansätze ausführlicher und kritisiert sie schließlich noch viel vehementer. S. Koethen 1981, 262 und 255f. 21 Vgl. z.B. Bourdieu/Darbel 1966 sowie Bourdieu 1992, hier vor allem Teil III. Darin kritisiert Bourdieu den »Mythos« des unbefangenen Auges gegenüber der Kunst. Wenn auch nur ansatzweise, führen Below und Kehr Bourdieus Theorie an, um die lichtwarksche Position kritisch zu betrachten. Vgl. Below 1975, 91 sowie Kehr 1983, 81.
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zwischen beiden nicht übersehen werden. Für Lichtwark sollte die Kunstbetrachtung der Sensibilisierung der Sinne im Alltagsleben dienen (vgl. Deppner 1995, 28–33). Dementsprechend schrieb er: »Die Fähigkeit zu empfinden ist an einzelnen Gegenständen der Natur – im Naturgeschichtsunterricht, bei Ausflügen vor der Natur – und an einzelnen Kunstwerken – Bildern, Bauwerken, Statuen, Gedichten, Musikwerken – zu üben.« (Lichtwark 1901b, 5) Die Förderung dieses Empfindungsvermögens sei also in verschiedenen Fächern, zugleich aber auch in verschiedenen Momenten des täglichen Lebens der Kinder möglich. Die Einführung eines eigenen Faches zu diesem Zweck lehnte Lichtwark aus diesem Grund ab. Stattdessen betonte er die Notwendigkeit, in der Schule möglichst viele Verbindungen zum konkreten Leben der Kinder herzustellen, insbesondere zum Leben außerhalb der Schule (vgl. Lichtwark 1901b, 6). Es zeigt sich, dass Lichtwarks Kunstbetrachtungsunterricht als Teil der umfangreichen Förderungsmaßnahme des Anschauungsvermögens für Kinder viel größere Reichweite hatte als eine bloße »Erziehung zur Kunst«, die Lichtwark schließlich selbst explizit ablehnte (vgl. Lichtwarks Brief an Heinrich Sohnrey vom 17. März 1904, zit. nach Präffcke 1986, 165). Er forderte hingegen eine neue komplexe, ästhetische Bildung, in der das Kunstwerk keinen Selbstzweck des Unterrichts, sondern das Zentrum in einem weiteren Spektrum ästhetischer Kultur ausmachte (vgl. Deppner 1995, 28ff.) – ein Gedanke, der bis heute nichts an Aktualität verloren hat. Deppner fasst zusammen: »Sein Bemühen ist also darauf gerichtet, vom bloßen Nachempfinden eines Kunstwerks zum Empfinden von Wirklichkeit zu gelangen, um so zum selbstschöpferischen Handeln überzuleiten.« (Deppner 1995, 33)
Der Lebensweltbezug durch die Kunstbetrachtung Ein unbestreitbares Merkmal der Modernität von Lichtwarks Übungen besteht darin, dass sie den Anspruch haben, sich am Interesse der Kinder zu orientieren, um ihre Kräfte zu entfalten. Er berücksichtigte daher sowohl die Empfindung als auch die Sichtweise des Kindes, sogar eine negative Äußerung des Kindes über ein Kunstwerk. In der Übung Kinderbildniss von Ph. O. Runge reagierten die Kinder zum Beispiel wegen einer alten, im Bild dargestellten Tracht, die sie nicht kannten, zunächst befremdet und hielten das Bild für »komisch«. Lichtwark nahm diesen Eindruck der Kinder zum Ausgangspunkt seines Unterrichtes (vgl. Lichtwark 1897a, 54). Aufgrund der
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Diskussion um zeittypische Mode vermittelte er den Schülerinnen die von Zeit zu Zeit variierenden Bedürfnisse der Menschen und den damit verbundenen Wandel des Geschmacks (vgl. Lichtwark 1897a, 58). Im Unterricht Prospsteier Fischer von Hermann Kaufmann griff er den Unterschied zwischen der Wahrnehmung durch das Auge des Menschen und der Kamera auf und diskutierte mit den Kindern das Spezifische an der Wahrnehmung durch das menschliche Auge (Lichtwark 1897a, 102). Im Unterricht Das Baumhaus von Valentin Ruths führte Lichtwark seine Schüler in die Heimatkunde ein und unterhielt sich über den Wandel des Hafengeschäfts sowie über die technischen Neuerungen im Zusammenhang mit der Hafenwirtschaft (vgl. Lichtwark 1897a, 120). Oft bemühte Lichtwark sich, anhand der Bilder bei den Kindern einen Horizont für den kulturellen Kontext zu öffnen, der sich hinter dem Bild ausdehnte, und durch den Hinweis auf historische Wandlungen – kulturelle, politische, gesellschaftliche oder technische – den Kindern die Zeit, in der sie sich befanden, bewusst zu machen. Dies entsprach der Auffassung, die er selbst am Anfang dieses Buches formulierte: »An jede Generation stellt das neue Leben neue Aufforderungen.« (Lichtwark 1897a, 25) Obwohl das alles für Lichtwark nur den Ausgangspunkt zum späteren selbständigen Kunstgenuss bildete, reduzierte er seinen Unterricht keineswegs auf die Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk, sondern knüpfte häufig am gegenwärtigen Leben an. Dies ermöglichte den Kindern einen bewussten Blick auf den eigenen Lebensraum, verschaffte ihnen also einen Zugang zum aktuellen gesellschaftlichen Leben. Auch hier wird die Tragweite von Lichtwarks Formel, die künstlerische Bildung solle »das Leben gestalten« (Lichtwark 1905, 89) erkennbar. Aufgrund der dargelegten »kulturpädagogischen« Implikationen verdient Lichtwarks Kunstbetrachtungsunterricht auch heute noch Aufmerksamkeit. – Allerdings nicht im Sinne der Kulturpädagogik zwischen 1900 und 1933; diese war in Anlehnung an die damals vorherrschende Kultur- und Wertephilosophie von der Überzeugung eines »objektiven« Bildungswertes bestimmter repräsentativer Kulturgüter durchdrungen.22 Im großen Unterschied dazu bildet die Berücksichtigung eines erweiterten pluralisierten Kulturbegriffs den Kern der heutigen Kulturpädagogik. Diese sieht ihre Aufgaben insbesondere in einer »wechselseitige[n] Beziehung von Mensch und Welt«, vor allem 22 Zum Verständnis des älteren Begriffs »Kulturpädagogik« und zu seinen Grenzen vgl. Reble 1976, 1339f. und Müller-Rolli 1988, 15.
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in der »Herstellung eines bewußten Verhältnisses des Menschen zu sich und seiner Geschichte, zur gesellschaftlichen und natürlichen Umgebung und zu seiner individuellen und gesellschaftlichen Zukunft« (Fuchs 1994, 36) sowie u. a. auch in der Erziehung der Sinnlichkeit (Fuchs 1994, 41ff. sowie 70). Zwar war der pluralisierte Kulturbegriff Lichtwark noch fremd. Seine Grundeinstellung aber, dass die Kinder sich selbständig und aktiv durch das Ästhetische auf ihre kulturelle und soziale – insofern auch historische – Umgebung beziehen und sich die Welt jeweils neu erschließen lernen sollten, bleibt auch in unserer Zeit unverändert aktuell.
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Jochen Krautz
Kunst, Pädagogik, Verantwortung Anmerkungen zur Verantwortung kunstpädagogischer Forschung und Praxis1 Angesichts immer wieder wechselnder Paradigmen, auf die kunstpädagogische Forschung und Praxis sich mit oft exklusivem Geltungsanspruch beruft, scheint es angebracht, pädagogische Verantwortung als grundlegende Referenz auch von Kunstpädagogik in den Blick zu nehmen. Die besagten Paradigmen lassen sich im Wesentlichen im Dreieck der Bezugsfelder Kunst bzw. Kultur, Gesellschaft bzw. Kommunikation und Mensch bzw. Kind verorten (vgl. Krautz 2008). Die derzeitige Kunstpädagogik ist in größeren Teilen insbesondere vom Paradigma »Kunst« geprägt (vgl. Sowa 2008), das im Idealfall »ohne den Umweg der Didaktisierung« auskommen soll (Brenne 2008, 24). Manche zeitgenössische Fachdidaktiker halten Kunstunterricht selbst für Kunst (vgl. Regel 2003) und möchten die Kunstpädagogik gar vom »erziehungswissenschaftlichen Oktroi« befreien (Kettel, 1998, 15). Tatsächlich kann verantwortete pädagogische Praxis aber gerade nicht ohne Didaktisierung, also pädagogisch-anthropologische Reflexion und bildungstheoretische Begründung auskommen (vgl. Klafki 2007, 44). Insofern ist die pädagogische Verantwortbarkeit der jeweiligen Bezugspunkte reflexiv zu klären. Hiernach zu fragen erscheint dann ungewöhnlich, wenn man entweder Kunstpädagogik als Form von Kunst versteht und unter deren Freiheitsanspruch subsumiert, oder wenn man im Sinne eines radikalen Konstruktivismus von der Nicht-Erkennbarkeit und Nicht-Verstehbarkeit (kunst-)pädagogischer Wirklichkeit ausgeht, weshalb dann auch keine spezifische Verantwortlichkeit diesbezüglicher Forschung und Praxis anzunehmen sei. Letztere Annahme wird hier ohne weitere Vertiefung als in dieser Form unhaltbar vorausgesetzt (vgl. Neumann 2006, Pongratz 2005, Ruhloff 2007). Der erste Teil wird dagegen Gegenstand der weiteren Überlegungen sein: 1
Der Text ist Teil eines Forschungsprojektes zu den Grundlagen personaler Kunstpädagogik und bildet die Basis eines kunstpädagogischen Symposions unter gleichem Titel im März 2009 an der Alanus Hochschule Alfter.
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Jochen Krautz
Wie stellt sich die Verantwortung gerade kunstpädagogischer Forschung und Praxis im Spannungsfeld von Kunst und Pädagogik dar? Wie hängen Theorie und Praxis sowie Freiheit von Kunst und Wissenschaft zusammen? Nach der notwendigerweise nur thesenhaft knappen Erörterung dieser Aspekte soll mit einigen Überlegungen zu einer personal fundierten Kunstpädagogik ein Vorschlag zur Überwindung vermeintlicher Dilemmata vorgetragen werden.
Theorie, Praxis und Poiesis in Pädagogik und Kunst Grundsätzlich stellt sich auch und gerade der Kunstpädagogik die Frage, die Winfried Böhm mit Bezug auf die aristotelischen Kategorien der Theorie, Praxis und Poiesis als pädagogisches Grundproblem herausgearbeitet hat: »Ist Erziehen ein betrachtendes Schauen, ein verantwortliches Handeln oder ein herstellendes Machen? […] Und von welcher Art hat demzufolge die pädagogische Theorie zu sein – ist sie eine theoretische Theorie, eine praktische Theorie oder poietische Theorie?« (Böhm 1995, 57) Böhm zeigt, dass eine der Freiheit und Selbstbestimmung des Menschen gerecht werdende pädagogische Theorie nur eine praktische sein kann, in der der Mensch als Werk seiner selbst gilt. In einer poietischen Theorie wäre er Werk der Erziehung – eine nicht erst in empiristischen, technizistischen Erziehungswissenschaften der Gegenwart verbreitete Anschauung, die auf Herstellbarkeit des Menschen setzt und Bildung unter ökonomische Vorzeichen stellt (vgl. Krautz 2007, Ruhloff 2007). Als »praktische Theorie« tritt Pädagogik zur immer schon vorhandenen Erziehungspraxis hinzu, ist ein Wissen, das »diese aufklärt, bewusster macht, kritisch verfolgt und projektiv eine bessere Praxis entwirft.« (Böhm 1995, 71) Praxis als Handeln in wirklichen Lebensvollzügen muss aber verantwortetet werden, ist sittlich gebundenes, verantwortbares Handeln. So bedarf auch das pädagogische Handeln einer »Ethik als Frage nach dem sittlich Guten« (Sutor 1997, 23). Daher muss pädagogische Praxis als verantwortliches Handeln »vor allem von seiner Absicht und Ausrichtung, d.h. von den leitenden Werten her ›valuiert‹, d.h. beurteilt werden« (Böhm 1995, 66), nicht erst an den Ergebnissen gemessen werden. Mittels der Unterscheidung von Praxis und Poiesis ließ sich bis zum Beginn der Moderne auch das Kunstwerk charakterisieren: Es war Resultat von werkschaffendem Tun, von Poiesis also, diente aber im Unterschied zum ebenfalls poietisch entstandenen Gerät nicht wieder unmittelbar praktischen
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Kunst, Pädagogik, Verantwortung
Zwecken, ging also nicht im lebensbewältigenden Handeln auf (vgl. Wolf 1984, 36f.). Damit war es zugleich außerhalb der sittlichen Ansprüche des verantwortlichen praktischen Handelns gestellt. Kunst bildete einen vom Leben getrennten Bereich mit eigenem Recht. Die performative Wende der Kunst des 20. Jahrhunderts hob nun gerade die Grenze von Kunst und Leben gezielt auf, entgrenzte das Werk in alltägliches Handeln, setzte Kunst und Leben gleich, ersetzte also Poiesis durch Praxis, ohne allerdings – ein kaum beachteter Zusammenhang – die damit eigentlich einhergehenden sittlichen Ansprüche an eine praktische Kunst zu bedenken: Wenn Kunst praktisches Handeln im öffentlichen Raum wird und gerade den Unterschied zum Leben leugnet, fällt sie dann nicht auch unter die hierfür geltenden sittlichen Kriterien? Kann sich Handeln, weil es sich »künstlerisch« nennt, der Verantwortung entziehen? (vgl. Sowa 2007) Schließlich kann, folgt man Böhm, Handlungskunst nicht mehr anhand eines Werkresultats beurteilt werden, sondern fällt unter die Valuierung eben ihrer leitenden Absichten und Werte. Müsste sich also öffentliche Kunst dann nicht auch an Kriterien öffentlichen Handelns messen lassen? Zunächst erhält dieser doppelte Zusammenhang von Theorie, Praxis und Poiesis in Pädagogik und Kunst für die Kunstpädagogik auch doppelte Relevanz: Traditionell ist Kunstpädagogik eine pädagogische Praxis, die poietisches, werkschaffendes Tun anleitet und diese Praxis theoretisch, also mit dem Anspruch der Annäherung an möglichst genaue Erkenntnis der pädagogischen Wirklichkeit, reflektiert und begründet. Das ist die eigentliche Aufgabe von Kunstdidaktik. Fällt nun in der Kunst die Unterscheidung von Praxis und Poiesis weg und übernimmt die Kunstpädagogik das performative Paradigma ohne »Didaktisierung«, verschwimmen die Kategorien: Öffentliches Handeln nimmt Kunststatus in Anspruch, ohne als solches erkennbar zu sein, entzieht sich damit zugleich der Verantwortung, die sonst an öffentliches Handeln gestellt wird;2 kunstpädagogisches Handeln erklärt sich wiederum mit solchem »künstlerischen« Handeln identisch und sieht sich in der Folge ebenfalls nicht mehr genötigt, pädagogische Praxis anderweitig zu begründen und zu
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Das am kunstpädagogischen Kongress in Leipzig 2005 vorgestellte MocMoc-Projekt des Schweizer Künstler-Duos Com&Com ist hierfür ein treffendes Beispiel, wird doch in Lebensvollzüge von Bürgern massiv eingegriffen und damit deren gerade in der Schweiz stark verankerte demokratische Selbstbestimmung unter dem Signum der Kunst unterlaufen. Wenn sich Künstler vermehrt für »Manipulation und Verführung« zuständig erachten (Com&Com im Interview mit Philipp Meier, http://www.mocmoc.ch vom 02.02.2008), droht Kunst zur freiheitsbeschränkenden Anmaßung zu werden.
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verantworten als mit dem Verweis auf bestimmte künstlerische Praxen. Die Verantwortungsfreiheit der Kunst wird dann zu unverantwortbarer Kunstpädagogik.
Freiheit der Kunst, Freiheit der Wissenschaft Das nun skizzierte Problem liegt somit auch in einer kategorialen Verunklarung der Kunst und Wissenschaft zugrunde liegenden Freiheitsbegriffe begründet. Zwar räumt das Grundgesetz in Art. 5 Abs. 3 die Freiheit von Kunst und Wissenschaft gleichrangig ein. Wir haben jedoch gesehen, dass die Freiheit der Pädagogik als Wissenschaft sich an der Verantwortung für ihre Praxis bricht. Wissenschaftsfreiheit ist generell nicht nur eine negative Freiheit, also »die Unabhängigkeit von anderer nötigender Willkür«, sondern eine positive Freiheit, die an Sittlichkeit gebundene »Freiheit zur bestmöglichen Sachlichkeit« ist (Schachtschneider 1994, 1003 u. 1006, Hervorhebung J.K.). Dieser an verantwortliches Handeln gebundene Freiheitsbegriff, der oben als Kern des Praxis-Konzepts entfaltet wurde, findet auch im Grundgesetz seinen Ausdruck: »Darin, dass der Mensch sein äußeres Handeln moralisch bewältigt, ist er innerlich frei. Nur eine solche Freiheit schützt das Grundrecht in Art. 2 Abs. 1 GG, wie dessen Wortlauf beweist. Alles äußere Handeln ist somit dem Sittengesetz verpflichtet.« (Schachtschneider 1994, 222) Sittlichkeit der Praxis ist also Grundlage der Grundgesetzlichkeit der Freiheit von Kunst und Wissenschaft. Denn Wissenschaft und auch Kunst gehören nicht ausschließlich der Sphäre der Privatheit an, die den Raum des willkürlichen Beliebens bildet (vgl. Schachtschneider 1994, 371ff. und 1003). Vielmehr dient »die durch subjektive Rechte geschützte Unabhängigkeit der Künstler und der Wissenschaftler […] dem allgemeinen Interesse an deren Sachlichkeit, an deren Liebe zur Sache, an deren künstlerischer oder wissenschaftlicher Sittlichkeit.« (Schachtschneider 1994, 1003) Allerdings sind die Grenzen der Kunstfreiheit grundsätzlich weit gefasst, so dass etwa Darstellungen, die andernorts als Pornografie gelten, im Kunstkontext durchaus darstellbar werden können (z.B. die Selbstinszenierung von Jeff Koons und Porno-Star Cicciolina) (vgl. Hesselberger 1996, 100). Kunst steht jedenfalls mit ihrem Werk grundsätzlich nicht in einem direkten Verantwortungszusammenhang. Dies ändert sich jedoch, wenn die Kunst in den Bereich der Pädagogik eintritt: Wenn Kunstpädagogik künstlerische Überzeugungen und Strategien
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Kunst, Pädagogik, Verantwortung
zum Gegenstand kunstpädagogischer Forschung macht mit dem Ziel, hieraus Methoden und Ziele des kunstpädagogischen Handelns zu gewinnen, dann müssen diese künstlerischen Strategien pädagogisch verantwortbar sein. Diese Legitimität als Fachgegenstand oder -methode haben sie nicht bereits deshalb, weil sie als Kunst gelten. Dies leuchtet am Beispiel Jeff Koons noch unmittelbar ein, gilt jedoch grundsätzlich für jeden Unterrichtsgegenstand und jede kunstanaloge Handlungsform. Hubert Sowa hat die sich daraus ergebenden ethischen Konsequenzen deutlich herausgearbeitet (vgl. Sowa 2004). Demnach hat auch Kunstpädagogik als Wissenschaft nicht die Freiheit der Kunst, die ja einen willkürlichen Umgang mit dem Material erlaubt, nach heutiger Auffassung sogar voraussetzt (vgl. Lehnerer 2004): Schüler sind eben nicht Tonklumpen, Farbpigmente oder digitale Bilder, die künstlerische Willkür erlauben.
Pädagogik und Verantwortung Den nun deutlich gewordenen Zusammenhang von Theorie und Praxis und die daraus resultierende Verantwortung pädagogischer Wissenschaft wie pädagogischen Handelns fasst Helmut Danner als deren Apriori: »Wird auch die Pädagogik als Wissenschaft so verstanden, dass sie ihren Grund in pädagogischer Verantwortlichkeit hat, dann ist sie jene Theorie, die sinn- und verantwortungsorientiert auf methodische und systematische Weise ›empirisch‹ forscht und philosophisch reflektiert, um den pädagogischen Gegenstand […] deskriptiv zu erhellen und um präskriptiv die Sinn-Vermittlungs-Aufgabe sachlich und ethisch verantwortbar ermöglichen zu helfen, wobei der Theoretiker nicht nur die Wissenschaftlichkeit seiner Arbeit und die Gegenstandadäquatheit der Methoden, sondern vor allem auch die übernommenen Aufgaben sowie die Folgen der Ergebnisse seiner Tätigkeit zu verantworten hat. Verantwortlichkeit ist dann sowohl Apriori als auch Horizont pädagogischer Erkenntnis.« (Danner 1983, 331) Wissenschaftlichkeit ist in der (Kunst-)Pädagogik also nicht nur eine Frage angemessener Methodik, sondern eine Frage der Verantwortbarkeit im realen pädagogischen Handeln. Ebenso wenig wie die Existenz einer Wissenschaft allein ein entsprechendes Schulfach legitimiert, begründet das Vorhanden-
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sein der Kunst das Schulfach Kunst. Vielmehr ist für diese Legitimation »eine zentrale Kategorie wie der Bildungsbegriff oder ein Äquivalent dafür […] unbedingt notwendig«. (Klafki 2007, 44) Wird diese »Notwendigkeit einer übergreifenden pädagogischen Zielkategorie« (Klafki 2007, 44) von der Kunstpädagogik übersehen, dann müsste man analog zu Klafkis Urteil über eine unreflektierte Wissenschaftsorientierung von Unterricht von einer »naiven Kunstgläubigkeit« und einer pädagogisch nicht reflektierten »Kunstorientierung« des Unterrichts sprechen (vgl. Klafki 2007, 32). Wie Physikunterricht nicht auf die Affirmation der Atomindustrie zielen darf, sondern aufgrund von Sachkenntnis auch kritische Distanz ermöglichen muss, so muss auch der Kunstunterricht ermöglichen, Kunst und das Kunstsystem abzulehnen.3 Dies wird jedoch strukturell verunmöglicht, wenn eine in Inhalt oder Methodik mit ihrem Fachgegenstand verwachsene kunstpädagogische Forschung und Praxis diese kritische Distanz selbst aufgibt. Methoden der Kunst können eben nicht ohne weiteres Methoden der Kunstpädagogik und der kunstpädagogischen Forschung sein. Kunstpädagogik kann sich nicht vorrangig auf das vermeintlich »innovative« Potential neuer Kunstformen und Künstler stützen, weshalb auch gut gemeinte Projekte wie »Künstler in die Schule« bei mangelnder pädagogischer Reflexion Gefahr laufen, letztlich das Gleiche zu leisten wie ein mögliches Projekt »AtomenergieManager in den Physikunterricht«: nämlich unkritische Affirmation des wesentlich von Marktmechanismen getragenen Systems »Kunst!« (Ullrich 2007). Dieser Legitimationszwang ist ebenfalls nicht mit der Berufung auf empirische Forschung in der Kunstpädagogik erledigt. Sich in der Pädagogik als Sollenswissenschaft auf eine vermeintlich normative Kraft des Faktischen zu berufen, ist methodisch höchst fragwürdig. Die empirische Erforschung einer kunstpädagogischen Praxis sagt noch nichts über deren Legitimation und Gültigkeit aus. Zwar hat Georg Peez in seiner maßgeblichen Arbeit darauf hingewiesen, dass Empirie nicht ohne vor- und nachgängige Hermeneutik zur Deutung ihrer Ergebnisse auskommt (vgl. Peez 2000, 34); doch zeigt die kunstpädagogische Forschungswirklichkeit, deren Popularität auch im Kontext der »wissenschaftspolitischen Machterschleichung« (vgl. Ruhloff 2007) empirischer
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Diese den Sachverhalt treffend zusammenfassende Analogie verdanke ich Herrn Prof. Dr. Ulrich Heinen, Bergische Universität Wuppertal, ρήθωρ πολύτροπος.
Kunst, Pädagogik, Verantwortung
Verfahren in der Erziehungswissenschaft gesehen werden muss, dass dies keineswegs Allgemeingut ist. Empirische Forschung kommt also nicht ohne eine pädagogische bzw. hier kunstpädagogische Hermeneutik aus, die als applikative Hermeneutik einen Hinblick hat, worauf sie versteht. In unserem Falle bemühen wir uns also um Verstehen in Hinsicht auf Erziehung bzw. Kunsterziehung (sub specie educationis). Dabei ist der Maßstab für solche (kunst-)pädagogische Hermeneutik und Empirie sowie für das (kunst-)pädagogische Handeln eben jene pädagogische Verantwortung (vgl. Danner 1994, 92).
Vorschlag: Personale Kunstpädagogik Eine Hilfe bei der verantwortlichen Abwägung der aufgezeigten Zusammenhänge könnte die Grundlegung von Kunstpädagogik durch ein personales Menschenbild bieten. Eine solche personale Kunstpädagogik betont nicht das Subjekt im Sinne weltvergessener »Selbstverwirklichung«, sondern das dialogische Weltverhältnis des Menschen: Er antwortet auf und ver-antwortet sich gegenüber Mitmenschen und Welt. Personale Pädagogik fasst den Menschen als durch Freiheit und Vernunft gekennzeichnet auf, die Person ist nicht Summe der auf sie einwirkenden Verhältnisse, sondern besitzt die Fähigkeit – und damit auch Pflicht – zu verantwortbarer Selbstbestimmung (vgl. Weigand 2004, 348; Krautz 2008). »Der Freiheitsbegriff ist aufgrund der nach personalem Verständnis angenommenen prinzipiellen Relationalität des Menschen nämlich nicht in dem Sinn einer absoluten individuellen Freiheit zu verstehen, sondern immer mit seinem Gegenbegriff zu denken: dem der Verbundenheit oder der Verantwortung. Personale Freiheit zeichnet sich geradezu erst in ihrer Verantwortung aus, und zwar nicht nur gegenüber sich selbst, sondern auch dem Anderen gegenüber sowie auch der Gesellschaft und im weiteren der Welt.« (Weigand 2004, 348) Eine personal verstandene Kunstpädagogik muss demnach die Kunst und das künstlerische Handeln entsprechend der Relationalität des Menschen in einen – wie Weigand für alle schulischen Inhalte formuliert Prozess der »lebendigen Aneignung und bewussten Auseinandersetzung […] in den Horizont einer umfassenden Verantwortung« (Weigand 2004, 360) stellen. Kunst ist im pädagogischen Kontext wie die anderen Unterrichtsgegenstände auch
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»auf eine Verbindung von Erkenntnis und moralischem Handeln angelegt«. (Weigand 2004, 360) Daher sollten in einer Schule der Person Kunstpädagogen eben nicht nur Künstler sein, sondern auch »Pädagogen im recht verstandenen Sinne, d.h. als von pädagogischen Grundsätzen her Handelnde und pädagogischen Argumentierens Fähige« (Weigand 2004, 374). Denn es wirkt nicht »die Kunst«, sondern die Kunst in Vermittlung von Personen, und daher müssen diese ihr Handeln und Wirken verantworten: »Erziehung bedeutet, eine Auslese der Welt durch das Medium der Person auf eine andere Person einwirken zu lassen.« (Buber 1925, 42) Dann ermöglicht personale Kunstpädagogik die Entfaltung des ganzen Menschen in seinen vier Dimensionen. Dies sind gemäß Giuseppe Flores d’Arcais, der eine maßgebliche zeitgenössische Theorie personaler Erziehung entwickelt hat, die eigene Innerlichkeit (Ich), ihre Sozialität (Du, Wir), die denkende Erfassung der Welt (Theorie, im Sinne des griechischen θέωρειν, also des nachdenkenden Betrachtens) und das tätige Handeln in ihr (als Praxis, also als lebensbewältigendes Handeln, und als Poiesis, als werkschaffendes Tun) (vgl. Flores d’Arcais 1987, 60ff.). Gerade die Kunstpädagogik kann zu allen vier Dimensionen Wesentliches beitragen: Kunstpädagogik kann das Ich stärken und zur Entfaltung bringen; sie kann es mit dem Du und dem Wir verbinden; das nachdenkende Betrachten ist eine ihrer Domänen, und schließlich ist das werkschaffende, poietische Handeln ihr anderes zentrales und einzigartiges Feld. All dies zielt insgesamt auf gelungene Lebenspraxis.
Kunstdidaktische Grundspannungen Mit einer personalen Fundierung von Kunstpädagogik lässt sich die ganze Breite der Fachwirklichkeit und der ganze Horizont ihrer Aufgaben in den Blick nehmen, wenn diese jeweils pädagogisch reflektiert werden. Zur Fruchtbarkeit dieses Prinzips nur einige beispielhafte Hinweise: So ist etwa aus Sicht der personalen Kunstpädagogik nicht begründbar, dass das vermeintliche »Ende des Kunstwerks«, also die Ablösung des Werks durch performative Aktionsformen, zu einem entsprechend radikalen Paradigmenwechsel in der Kunstpädagogik führen soll. Das Werk als stoffliche Repräsentation geistiger, gestalterischer und handwerklicher Leistung ist pädagogisch von so elementarer Bedeutung, dass Kunstpädagogik hierauf nicht verzichten kann (vgl. Jung 2000). Im Übrigen sind vorschnelle und verabso-
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lutierende Ableitungen aus der Kunst und die darauf gegründeten kunstpädagogischen Konzepte schon immer von der Kunst selbst schnell überholt worden. Gleiches gilt für andere kunstdidaktische Grundspannungen, wie die von Zufall und Experiment versus Gestaltung: Kriteriengeleitete Formgebung ist in zeitgenössischer Kunstpädagogik nur schwach repräsentiert; Gestaltungslehren und -kriterien gelten seit langem als verpönt und werden kaum vermittelt. Obwohl die Kritik am künstlerischen Erbe der Moderne auch ihre Berechtigung hat, bedeutet dies keineswegs, dass gezielte Gestaltung nicht ein kunstpädagogisch immer noch äußerst bedeutsames Moment der Persönlichkeitsbildung ist (vgl. Glas/Sowa 2006). Eine andere Spannung wird dagegen bereits langsam aufgelöst: Seit den Arbeiten von Christoph Wulf (vgl. Gebauer/Wulf 1992) beginnt sich der lange ebenso verpönte Mimesis-Begriff als pädagogisch-anthropologische Grundkonstante wieder zu etablieren: Nicht jedes Nachahmen ist Verbrechen, auch wenn es in der Kunst zeitweise nicht mehr vorkam. Und auch der lange dagegen mythologisierte Kreativitätsbegriff hat spätestens seit Hartmut von Hentigs Kritik (vgl. von Hentig 1998) seine Grenzen gefunden, so dass man nun beide Pole in ein sinnvolles, also bildungswirksames Verhältnis setzen kann. Ähnliches stünde für weitere Probleme noch aus, z.B. das Verhältnis von Formgebung und Inhaltlichkeit, Abbild und Verfremdung, Irritation und Affirmation, Sach- und Subjektorientierung usw. 4 Ein derart personal begründeter, systematischer und historisch bewusster Zugriff auf die Breite der neuen und auch alten Fachgegenstände und -aufgaben, könnte der Kunstpädagogik in Forschung und Praxis helfen, ihrer nicht geringen Verantwortung zukunftsweisend gerecht zu werden.
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Hubert Sowa und Bettina Uhlig haben unlängst ein für diese Überlegungen beispielhaftes Heft von Kunst+Unterricht zum Thema »Portraitieren« vorgelegt (317/2007), das eine solche »Form der Bildumgangspraxis, die neben ästhetischen auch interpersonale, geistige und ethische Qualitäten in sich schließt«, konkretisiert (Sowa/Uhlig 2007, 8).
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Literatur Böhm, Winfried: Theorie und Praxis. Eine Einführung in das pädagogische Grundproblem, Würzburg: Königshausen & Neumann 21995. Brenne, Andreas: »Exkurs Feldforschung«, in: Kunst+Unterricht 320, 2008. Feldforschung, S. 24. Buber, Martin (1925): »Rede über das Erzieherische«, in: Ders.: Reden über Erziehung, Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus 10 2000, S. 11–49. Danner, Helmut: Verantwortung und Pädagogik. Anthropologische und ethische Untersuchungen zu einer sinnorientierten Pädagogik, Königstein: Hain 1983. Danner, Helmut: Methoden geisteswissenschaftlicher Pädagogik. Einführung in Hermeneutik, Phänomenologie und Dialektik, München/Basel: Reinhardt 4 1994 (UTB 947). Flores d’Arcais, Giuseppe (1987): Die Erziehung der Person. Grundlegung einer personalistischen Erziehungstheorie, Stuttgart: Klett-Cotta 1991. Gebauer, Gunter/Wulf, Christoph: Mimesis. Kultur – Kunst – Gesellschaft, Reinbek: Rowohlt 1992. Glas, Alexander/Sowa, Hubert: Gestaltungskompetenz. Begriffsklärung und Beispielfelder, in: Johannes Kirschenmann/Frank Schulz/Hubert Sowa (Hg.): Kunstpädagogik im Projekt der allgemeinen Bildung, München: kopaed 2006, S. 249–262. Heitger, Marian: »Über die Bedeutung der Personalität im pädagogischen Verhältnis«, in: Berthold Gerner (Hg.): Personale Erziehung. Beiträge zur Pädagogik der Gegenwart, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1965, S. 224-248. Hentig, Hartmut von: Kreativität. Hohe Erwartungen an einen schwachen Begriff, München/ Wien: Hanser 1998. Hesselberger, Dieter: Das Grundgesetz. Kommentar für die politische Bildung, Bonn: Luchterhand 101996. Jung, Karl Otto: Künstlerisches Handeln. Bausteine zur Lehre in den Bildenden Künsten, Berlin, Cambridge/Mass.: Galda + Wilch 2000. Kettel, Joachim: »Gespräche in der Nähe der Kunst. Einleitung«, in: Internationale Gesellschaft der Bildenden Künste/Joachim Kettel (Hg): Kunst lehren? Künstlerische Kompetenz und kunstpädagogische Prozesse – Neue subjektorientierte Ansätze in der Kunst und Kunstpädagogik in Deutschland und Europa, Stuttgart: Radius-Verlag 1998, S. 11–32. Klafki, Wolfgang: Neue Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Zeitgemäße Allgemeinbildung und kritisch-konstruktive Didaktik, Weinheim, Basel: Beltz 62007. Krautz, Jochen: Ware Bildung. Schule und Universität unter dem Diktat der Ökonomie, München, Kreuzlingen: Diederichs 2007. Krautz, Jochen: »Kunst, Person, Pädagogik. Zu den Grundlagen einer personalen Kunstpädagogik«, in: Schieren, Jost (Hg.): Bild und Wirklichkeit. Welterfahrung im Medium von Kunst und Kunstpädagogik, München: kopaed 2008, S. 39–65. Lehnerer, Thomas: Methode der Kunst, Würzburg: Königshausen & Neumann 1994. Neumann, Dieter: »Zur Legitimierung des Selbstorganisationskonzepts in der Pädagogik. Erkenntnisfortschritt oder Spekulation?«, in: Pädagogische Rundschau 4/2006, S. 647–653. Peez, Georg: Qualitative empirische Forschung in der Kunstpädagogik. Methodologische Analysen und praxisbezogene Konzepte zu Fallstudien über ästhetische Prozesse, biografische Aspekte und soziale Interaktion in unterschiedlichen Bereichen der Kunstpädagogik, Hannover: BDKVerlag 2000. Pongratz, Ludwig A.: Untiefen im Mainstream. Zur Kritik konstruktivistisch-systemtheoretischer Pädagogik, Wetzlar: Büchse der Pandora 2005. Regel, Günther: »Die Zweite Moderne, die Schule und die Kunst – Konsequenzen für die künstlerische Bildung«, in: Buschkühle, Carl-Peter (Hg.): Perspektiven künstlerischer Bildung, Köln: Salon Verlag 2003, S. 121–140 (Diskussionsbeiträge zur ästhetischen Bildung 3). Ruhloff, Jörg: Einmaligkeit oder Kritik einer wissenschaftspolitischen Machterschleichung. Vortrag an der Universität Dortmund am 08.11.2007, unveröffentlichtes Typoskript. Schachtschneider, Karl Albrecht: Res publica res populi. Grundlegung einer Allgemeinen Republiklehre. Ein Beitrag zur Freiheits-, Rechts- und Staatslehre, Berlin: Duncker & Humblot 1994.
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Kunst, Pädagogik, Verantwortung Schäfer, Lutz: Der Zirkel des Schaffens. Neue Deutungen von Kreativität und ihre Relevanz für den Kunstunterricht, Oberhausen: ATHENA Verlag 2006 (Artificium – Schriften zu Kunst und Kunstvermittlung, hg. von Kunibert Bering, Bd. 24). Sowa, Hubert: »Imperative der Kunst. Zum Problem der Werteorientierung im künstlerischästhetischen Bereich«, in: Matthes, Eva (Hg.): Werteorientierter Unterricht – eine Herausforderung für die Schulfächer, Donauwörth: Auer Verlag 2004, S. 114–136. Sowa, Hubert: Gibt es und welchen Sinn hätte »künstlerisches Handeln«? Vortrag in Meissen am 30.03.2007, unveröffentlichtes Typoskript. Sowa, Hubert/Bettina Uhlig: »›Porträtieren‹ – der Blick ins Gesicht des Anderen. Aktuelle kunstpädagogische Potenziale einer dialogischen Bildpraxis«, in: Kunst+Unterricht 317/2007, S. 4–11. Sowa, Hubert: »Der Verantwortung gerecht werden. Kunstpädagogik jenseits künstlerischer ›Autoreferenz‹«, in: BDK-Mitteilungen 1/2008, S. 2–7. Sutor, Bernhard: Kleine politische Ethik, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildng 1997 (Schriftenreihe Bd. 341). Ullrich, Wolfgang: Gesucht: Kunst! Das Phantombild des Jokers, Berlin: Wagenbach 2007. Weigand, Gabriele: Schule der Person. Zur anthropologischen Grundlegung einer Theorie der Schule, Würzburg: Ergon 2004. Wolf, Norbert (unter Mitarbeit von Gottfried Besch und Ulrike Kerscher): Kunstwerke verstehen und beurteilen. Eine systematische Einführung, Düsseldorf: ECON 1984.
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Forschendes Lernen Forschung wird innerhalb unserer Bildungssysteme momentan zu einem prekären Thema. Wir erleben eine Entwicklung, sie zu einem exklusiven Geschäft zu machen. Im gegenwärtigen Umbau speziell des Hochschulwesens können wir die Tendenz beobachten, Forschung einem kleinen, exzellenten Kreis von Auserwählten vorzubehalten. Während sich die traditionelle Universität nicht zuletzt darüber definierte, Studierende unmittelbar an der Forschung der Lehrenden zu beteiligen, scheint die aktuelle Hochschule diese vielbeschworene Einheit von Forschung und Lehre in Frage zu ziehen. Dies ist die eine Seite. Dieser Entkoppelung von Forschung und Lehre, im Zuge derer Forschung mehr und mehr zu einem Exklusivrecht wird, steht eine diametral entgegengesetzte Bewegung gegenüber. Wir alle, jeder und jede einzelne, sind nämlich aufgefordert, Forscher zu sein. Wir sind angerufen von dem Appell: Jeder Mensch ein Forscher! Genau dies ist der Idee des forschenden Lernens impliziert. Im Folgenden möchte ich mich in erster Linie dieser Seite der Medaille zuwenden, mit dem Angebot an uns – als Mitglieder einer Gesellschaft – selber forschend tätig zu sein und permanent forschend zu lernen. Ist dies tatsächlich ein Angebot oder eine Drohung? Im engeren pädagogischen Kontext ist forschendes Lernen mit Eigenaktivität und Selbsttätigkeit konnotiert. Gerade in Abgrenzung von traditionellen Vermittlungssituationen im Sinne der Belehrung, in Form des Frontalunterrichts, verspricht das Konzept des forschenden Lernens, die Lernenden von der Didaktisierung, den einschränkenden Vorgaben und der Fremdsteuerung zu befreien. Es verbindet sich so mit der Vorstellung von Selbstorganisation und Selbststeuerung. Es nimmt für sich die Ermöglichung von Autonomie und Selbstbestimmung in Anspruch. Nicht zuletzt ist mit der Idee des forschenden und selbständigen Lernens die Idee des lebenslangen Lernens aufgerufen. So heißt es z.B. gleich im zweiten Satz der Selbstdarstellung des BLK-Modellprogramms Lebenslanges Lernen:
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»Ziel ist es, neue Formen […] lebensbegleitenden Lernens zu initiieren. Dabei sollen vor allem die Eigenverantwortung und Selbststeuerung der Lernenden gestärkt und die Zusammenarbeit von Bildungsanbietern und -nachfragern verbessert werden.« (BLK 2000ff.) Die meisten der geförderten Projekte tragen dann mehr oder weniger ähnliche Titel wie z.B.: »Räumlich und zeitlich entkoppeltes ›Forschendes Lernen‹ als Motor einer neuen Lernkultur«, »Selbstgesteuertes Lernen und Organisationsentwicklung in Weiterbildungseinrichtungen«, »Lebenslanges forschendes Lernen im Kooperationsverbund Schule-Seminar-Universität«. Ich möchte meine folgenden Ausführungen anhand dieser mit dem forschenden Lernen verbundenen Eigenschaften gliedern: 1. Eigenaktivität, 2. Selbststeuerung, 3. Autonomie. Im Anschluss daran werde ich – 4. – zu den der Kunstpädagogik eigenen Spielarten des forschenden Lernens kommen und letztlich – 5. – noch ein paar andere Dinge sagen.
1. Eigenaktivität Eigenaktivität findet ihren Ausdruck in pädagogischen Ansätzen der Handlungsorientierung, im Projektunterricht, in Form des entdeckenden oder explorativen Lernens, in der Idee des Learning by Doing. Es geht darum, etwas selber zu machen, mit allen Sinnen wahr zu nehmen, etwas buchstäblich zu begreifen. Im Zentrum des Unterrichtsgeschehens steht der Schüler und nicht eine Wissen vermittelnde Lehrperson. Ein so verstandenes forschendes Lernen ist insbesondere in der Didaktik der Naturwissenschaften recht zeitgemäß, wo die Lernenden aufgefordert sind, selber zu experimentieren, auszuprobieren, herzustellen; wo der Klassenraum sich in ein Labor, eine Werkstatt, ein experimental landscape verwandelt. Es werden Lernarrangements inszeniert, die die Eigenaktivität mobilisieren. Einen sehr prägnanten, gleichzeitig populären und entsprechend erfolgreichen Ausdruck finden diese Ansätze im privaten Bildungssektor: in den so genannten Science Centern oder – in einer anderen Bezeichnung, die deren Programm auf den Punkt bringt – den Hands-on-Museen. Die Abbildungen geben einen Eindruck von den bekanntesten dieser Einrichtungen.
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Forschendes Lernen
Abb. 1: Universum in Bremen, Phänomenta in Flensburg, Spectrum des Deutschen Technischen Museums in Berlin, phæno in Wolfsburg
Die Prinzipien des hier betriebenen forschenden Lernens möchte ich an einem Beispiel aus dem Universum (Abb. 2) erläutern. Die Abbildung zeigt einen Versuch, einen Experimentalaufbau, in dem man selbst aktiv werden muss – oder genauer: in dem man selbst aktiviert, geradezu affiziert wird. Der Versuch nennt sich »Stein am Seil« und ist Teil der Expedition Mensch. 1 Der Versuch besteht schlicht darin, dass man sich unter einen 500 kg schweren Stein legt, um eine sehr persönliche und individuelle Erfahrung zu machen. Gleichwohl korrespondiert diese Erfahrung einer wissenschaftlichen Erkenntnis, die man, wenn man es selbst ausprobiert, selbst entdeckt, selbst freilegt – oder vielleicht besser: die sich einem ganz unmittelbar körperlich offenbart, die unbestreitbar evident ist. Denn, so heißt es seitens des Universums zu diesem Selbstexperiment:
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Dauerausstellung des 2000 eröffneten Universum® Bremen.
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Abb. 2: Das Lernarrangement Stein am Seil, Universum® Bremen
»Jeder Mensch kennt das Gefühl: Der Körper wird starr, der Mund trocken und der Puls erhöht sich. Schweißperlen bilden sich auf der Haut, und alle Sinnesorgane sind hellwach. […] Man bekommt es mit der Angst zu tun und kann diese Reaktionen am eigenen Leib erfahren.« (Universum® Bremen 2008) Was hier als forschendes Lernen, als Forschung, präsentiert wird, ist ein begehbarer Versuchsaufbau. Der aufgebaute Versuch ist aber streng genommen überhaupt kein Versuch. Er ist nicht ergebnisoffen. Die zu prüfende Hypothese ist längst bewiesen. Es handelt sich um eine im wahren Sinne des Wortes in Stein gehauene, felsenfeste wissenschaftliche Erkenntnis, die sich dem lernenden Individuum unabweisbar vermittelt. Zumindest, wenn es die richtige Frage stellt. Und es gibt genau eine einzige Frage, mittels derer man dem Stein die Antwort entlocken kann.
Mit anderen Worten: Forschen heißt hier, dass man zwar selbsttätig ist und frei entscheiden kann, was man tut. Will man aber zur Erkenntnis gelangen, darf man sich nur in einer ganz bestimmten Art und Weise verhalten, darf man von der Freiheit der Forschung nur einen ganz bestimmten Gebrauch machen. Nur so kann man die dem Gegenstand innewohnende Erkenntnis entdecken, die er uns lehrt. Macht man einen allzu eigensinnigen Gebrauch von seiner forschenden Freiheit, wird man wohl sehr bald mehr oder weniger bestimmt vom Museumspersonal auf den richtigen Gebrauch hingewiesen. Es ist also nicht die Welt, die hier entzaubert oder mit Problemen angereichert wird. Es sind nicht die Dinge, die verändert und in Schwingung gebracht werden. Es ist das Subjekt, das der erdrückenden Last der faktischen Evidenz unterlegen ist und sich verändern muss. Es ist das Subjekt, das in dieser Umgebung eine intellektuelle, in diesem Fall ebenso körperliche oder auch ästhetische Erfahrung machen soll – und zwar eine ganz bestimmte. Damit komme ich zur Frage der Selbststeuerung.
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Forschendes Lernen
2. Selbststeuerung Sicherlich verstehen die meisten Ansätze des forschenden Lernens unter Eigeninitiative, Selbstorganisation und -regulierung mehr, als dass man sich selbst einem Stein der Erkenntnis unterlegt. So grenzt sich z.B. die Fachgruppe Biologie und ihre Didaktik der Universität Siegen genau von solchen Verkürzungen des forschenden Lernens ab: »Viele Leute denken, dass, wenn Schüler einfach ›ein Experiment machen‹, sie mit forschend-entdeckendem Lernen beschäftigt sind. Das ist falsch. Wissenschaftler, die Forschung betreiben, folgen nicht vorbereiteten Experimentieranweisungen, sondern entwickeln ihre eigenen Arbeitsmethoden und entscheiden selbst, welche Fragen zu beantworten sind. […] Wenn Schüler auf forschend-entdeckende Weise lernen, müssen sie auch selbst Fragen, Hypothesen und Experimente entwickeln. Den Schülern wird zwar ein Problem vorgestellt, aber sie müssen dann selbst entscheiden, wie sie es lösen können.« (Universität Siegen 2007) Vielleicht liegt in diesem etwas lapidar hingeworfenen »zwar wird den Schülern ein Problem vorgestellt […]« der entscheidende Punkt. Wenn schon nicht die zutreffenden Antworten fest gefügt sind und nur noch im eigenaktiven Selbstversuch nachvollzogen werden sollen, so sind doch zumindest die Probleme offensichtlich immer schon da und müssen nur noch durch die richtigen Fragen identifiziert werden – ich komme darauf zurück. Zunächst ein Einschub: Das soeben zitierte Verständnis von forschendem Lernen fällt mehr oder minder exakt mit dem zusammen, was PISA 2003 unter Problemlösen bzw. Problemlösekompetenz versteht. Als eine, wenn nicht die Schlüssel- oder Basiskompetenz mit der größten gesellschaftlichen Relevanz wurde Problemlösen in das Zentrum der Diagnose fächerübergreifender Kompetenzen gestellt (vgl. PISA 2003). Damit ist ein Bündel von Kompetenzen gemeint, die für den Prozess notwendig sind, Probleme zu identifizieren, die zur Problemlösung relevanten Informationen zu ermitteln, Wissensbestände zu aktivieren und Sachlogiken zu erkennen, verschiedene Lösungswege und -strategien zu entwickeln und auszuwählen, adäquate Entscheidungen zu treffen, zu überprüfen, ggf. zu revidieren und gefundene Lösungen an andere zu kommunizieren.
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Die OECD bemüht sich bereits seit 1997 im Rahmen des DeSeCo-Projektes um die Definition und Selektion von (Schlüssel-)Kompetenzen – genau dafür steht DeSeCo –, die für ein erfolgreiches Leben und eine gut funktionierende Gesellschaft benötigt werden (OECD 1997–2003; vgl. Rychen/Salganik 2003). Einigkeit besteht darüber, dass Schlüsselkompetenzen weit über rein kognitive und auch metakognitive Kompetenzen hinausgreifen und dass jegliche Kompetenzmessung, die sich allein hierauf beschränkt, zu kurz greift. Vielmehr geht es ebenso um personale, motivationale und aktivitätsbezogene und sozial-kommunikative Kompetenzen. Man kann begründet argumentieren, dass Schlüsselkompetenzen jene Dispositionen, Haltungen und Techniken – mit einem Wort jene Rationalität – bezeichnen, über die das Individuum verfügen muss, um sich selbst und seine Problemlösestrategien zu steuern, entsprechend Probleme zu lösen und in diesem Sinne lebenslang forschend zu lernen und zu leben. Franz Weinert argumentiert schon 1994, dass für lebenslanges, selbstgesteuertes Lernen »nicht nur die Verfügbarkeit ausreichender kognitiver Fähigkeiten und der Erwerb metakognitiver Fähigkeiten, sondern auch die Bereitschaft zur selbständigen Zielsetzung, zur Selbstaktivierung, zur angemessenen Verarbeitung von Erfolgen und Misserfolgen, zur Umsetzung von Wünschen in Absichten und Vorannahmen sowie zur Abschirmung der Lernvorgänge gegenüber konkurrierenden Handlungswünschen« notwendig sei (Weinert 1994, 196). Für das Individuum ist damit die Aufforderung verbunden, sich als intentionales Kompetenz-Zentrum der eigenen Problembewältigung, als Verantwortlicher einer stets zu optimierenden Problemlösekompetenzentwicklung einzusetzen: Jeder Mensch ein Forscher! »[…] jedenfalls erhöht sich […] der Druck auf das Individuum, sich selbst als Kompetenzsteigerungszentrum zu sehen. Und die wichtigste Kompetenz jedes Kompetenzsteigerungszentrums ist die Kompetenzsteigerungskompetenz.« (Reichenbach 2007, 74) Diese Forderung kann als unabschließbare, stetig aufgeschobene, und damit als Überforderung und Bedrohung durch ein mögliches Versagen angesehen werden. Sie kann aber begrifflich auch im Sinne der Selbstermächtigung, des
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Forschendes Lernen
Empowerment als Emanzipationsbewegung gefasst werden. Damit komme ich zur Autonomie.
3. Autonomie »Für die Bildungspolitik ist die Autonomie ein Zauberwort. Die neue Lernkultur scheint, freier als das bisherige Lernen, eine win-win-Situation zu schaffen, in der Lernende, Lehrende und der Staat als Akteur nur gewinnen können.« (Wrana 2006, 2) So Daniel Wrana in seiner Arbeit Das Subjekt schreiben. Doch, so schreibt er weiter: »Unter der Oberfläche humanistischer Legitimation gibt es aber eine andere Seite dieser ›neuen Lernformen‹. In der gegenwärtigen Krise der Bildungssysteme […] wird ›selbstgesteuertes Lernen‹ zu einer Verheißung. Es verspricht […], sowohl die Verantwortung für als auch die Finanzierung des volkswirtschaftlichen Humankapitalbedarfs mehr und mehr auf die individuellen Lernsubjekte zu verlagern, die sich im Interesse ihrer eigenen Berufskarriere und des eigenen Gehaltsniveaus schon um ihr individuelles Portfolio kümmern werden.« (Wrana 2006, 2) Die Idee des autonomen, selbstgesteuerten Lernens ermöglicht es also, Bildung als Vermögen, als Begabung und als eine klug getätigte Investition zu konzeptionalisieren, die auf das Individuum zurückrechenbar ist. Individuen wird somit nahe gelegt, in einem lebenslangen Lernprozess für eine Sammlung – ein Portfolio – verschiedener z.T. angeborener, z.T. im Rahmen einer frei getroffenen Wahlentscheidung mittels Investition von Geld, Zeit und Kraft entwickelter Kompetenzen eigenverantwortlich Sorge zu tragen. Damit können ungleich verteilte Lebenschancen als das Ergebnis individuell falsch getroffener Bildungsentscheidungen interpretiert und die hiermit verbundenen Unsicherheiten, Risiken und Verschuldungen den Subjekten individuell angerechnet werden. Umgekehrt gibt die Autonomie den Individuen tatsächlich die Freiheit, sich selbst zu gestalten und zu verwirklichen. Daniel Wrana bezieht sich mit seinen Ausführungen auf Michel Foucault. Hier speziell auf jene Analysen, die unter dem Schlagwort Gouvernementalität inzwischen auch in der Erziehungswissenschaft Verbreitung erfahren haben (vgl. u.a. Pongratz/Wimmer/Nieke et al. 2004; Ricken/Rieger-Ladich 2004).
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Foucault versteht darunter im weiten Sinne Regierungstechniken, Künste des Regierens, spezifische Rationalitäten des Regierens. Er gibt diesem Begriff folgenden Sinn, indem er in einer oft zitierten Passage auf die Doppeldeutigkeit des Wortes »Führung (conduite)« hinweist: »›Führung‹ heißt einerseits, andere (durch mehr oder weniger strengen Zwang) zu lenken, und andererseits, sich (gut oder schlecht) aufzuführen, also sich in einem mehr oder minder offenen Handlungsfeld zu verhalten. Machtausübung besteht darin, ›Führungen zu führen‹, also Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit von Verhalten zu nehmen.« (Foucault 1982b, 286; vgl. Foucault 1982a, 255) Und er fügt etwas Entscheidendes hinzu, was weit seltener zitiert wird: »Wenn man Machtausübung als eine Weise der Einwirkung auf die Handlungen anderer definiert, wenn man sie durch das ›Regiment‹ – im weitesten Sinn dieses Wortes – der Menschen untereinander kennzeichnet, nimmt man ein wichtiges Element mit hinein: das der Freiheit. Macht wird nur auf ›freie Subjekte‹ ausgeübt und nur sofern diese ›frei‹ sind.« (Foucault 1982b, 287; vgl Foucault 1982a, 255) Diese Analyse der Macht nimmt zunächst jene Regierungskünste in den Blick, die Ende des 17. Jahrhunderts im Geiste des Liberalismus auftreten. Mit ihnen verändert sich nicht nur das Verhältnis des Subjekts zur Macht, sondern auch das Verhältnis des Subjekts zu sich selbst. Die Freiheit der Individuen rückt ins Zentrum des Regierungshandelns: als ein spezifisches Verhalten der Individuen zu sich selbst, die sich als freie Subjekte erkennen. Die Idee des autonomen Subjekts wird zur Einsatzstelle, mittels derer die Individuen regiert werden können und sich selbst regieren, führen, steuern. Autonomie wird als eine spezifische Rationalität des Verhaltens, als eine bestimmte Form der Selbststeuerung definiert und den Individuen als Identifikationsangebot unterbreitet. Im Rahmen seiner historischen Analyse argumentiert Foucault, dass die sozialen Probleme und der gesellschaftliche Sprengstoff, den die klassisch-liberale Regierungskunst produziert hatte, in den folgenden Jahrhunderten von verschiedenen sozialen Sicherungssystemen entschärft wurden. Die Unsicherheiten, denen sich das freie, aber zugleich selbstverantwortliche Indivi-
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duum ausgesetzt sah, wurden durch paternalistische Fürsorge, soziale Solidarität, spezifische Versicherungstechnologien flankiert. Aus einem freien Spiel der Kräfte, aus einem ungezügelten Markt, wurde eine soziale »WirtschaftsOrdnung«. All diese Verfahren zielten darauf ab, die Gefahren und Kosten, die aus den Fehlern und Problemen des liberal geregelten gesellschaftlichen Funktionierens entstanden waren, gleichmäßig auf alle Gesellschaftsmitglieder zu verteilen. Es handelt sich um eine »Sozialisierung des Risikos«. Hier wird das Soziale als eigenständiger Bereich erfunden und einer es bedrohenden Ökonomie entgegengestellt (Lemke 1997, 239). Foucaults gegenwartsbezogene Überlegung2 besteht darin, dass sich diese Konzeption des Sozialen spätestens seit den 1970er-Jahren in einer Krise befindet. Das keynesianische Modell und der Sozialstaat sind vor dem Hintergrund sinkender Wachstumsraten und gleichzeitig steigender Sozialausgaben, neuer Managementstrategien und Globalisierungstendenzen verschiedentlich in die Kritik geraten. Kritisiert wird u.a. die Abhängigkeit des Staates von Partikularinteressen, die fettleibige Bürokratie, mangelnde individuelle Autonomie und die Koppelung von Sicherheit und Abhängigkeit. Foucault analysiert diese Kritik u.a. an dem US-amerikanischen Neoliberalismus der Chicagoer Schule. Deren Ansatz besteht darin, soziale Beziehungen und individuelles Verhalten innerhalb eines ökonomischen Intelligibilitätshorizonts zu entziffern. Ökonomische Analyseschemata und Entscheidungskriterien werden dabei auf gesellschaftliche Bereiche ausgeweitet, die keine genuin ökonomischen Bereiche sind oder die gar als Gegengewicht zu den Effekten der Ökonomie etabliert worden waren. Die historische Differenzierung zwischen Ökonomie und Sozialem wird in diesem Denken in Frage gestellt. Diesem neoliberalen Denken ist die These unterlegt, dass die autonom handelnden Subjekte von einem ebenso autonomen Willen geleitet seien. Diese individuelle Rationalität sei gekennzeichnet durch ein wesentliches NutzenKosten-Kalkül, welches in Anbetracht einer Vielzahl konkurrierender Ziele, verschiedener Möglichkeiten, diese zu erreichen und der Begrenztheit der hierfür zur Verfügung stehenden Mittel nach einer effizienten und optimalen Relation dieser Faktoren suche. Foucault illustriert diese unterstellte indivi2
Da bereits Ende der 1970er-Jahre vorgetragen und mit dem Zusatz versehen, dass es sich hierbei um ein für die Zukunft »ergiebiges Thema« handele, ist die Überlegung geradezu prophetisch; Foucault 1979, 300 ff., (Vorlesung 9, Sitzung vom 14. März 1979).
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duelle ökonomische Vernunft u.a. anhand der Konzeption des »Humankapitals«. Hier wird die Arbeitskraft nicht als »passiver Produktionsfaktor« angenommen, vielmehr wird der subjektive Standpunkt desjenigen eingenommen, der seine Arbeitskraft veräußert, der des Arbeiters. Aus dieser Perspektive stellt sich die Arbeitskraft als eine besondere Form des Kapitals dar, das dem Arbeiter ein Einkommen garantiert. Dieses Kapital ist insofern ein spezielles, als es in Form eines erworbenen Bildungsgrades, von Fertigkeiten, sozialen Kompetenzen etc. auftritt und somit nicht von der Person zu trennen ist, welche es besitzt. Die »Kompetenz« des Arbeiters sei somit eine »Maschine« – so Foucaults Lesart der Neoliberalen (Foucault 1979, 312) – die das Individuum vernünftigerweise so einzusetzen habe, wie ein am Markt operierendes Unternehmen: effizient. Die Konjunktur jener Ideen des eigenaktiven, selbstgesteuerten, kompetenzsteigernden, selbstverantworteten und in diesem Sinne forschenden Lernens ist ohne den Rückgriff auf liberale und neoliberale Konzeptionen kaum zu verstehen. Ihre breite Akzeptanz und politische Durchsetzungsfähigkeit sowie die merkwürdig anmutende Allianz traditioneller Reformpädagogik mit unternehmerischem Reengineering ist nur in diesem Kontext erklärbar. Denn Legitimation und Begeisterung zieht dieses System aus der Idee der Freiheit – also aus einer Emanzipationserzählung. Tatsächlich ist die Freiheit aber der Effekt und zugleich die Bedingung der Regierungskunst. Es handelt sich um ein sich selbst regelndes System. Sinn und Zweck ist dessen permanente Selbstoptimierung, dessen ständig steigende Effizienz. Lyotard schreibt bereits 1979 in der Einleitung zum postmodernen Wissen: »Unser Leben wird durch die Entscheidungsträger der Vermehrung der Macht geweiht. Ihre Legitimation hinsichtlich sozialer Gerechtigkeit wie wissenschaftlicher Wahrheit wäre die Optimierung der Leistungen des Systems, seine Effizienz. Die Anwendung dieses Kriteriums auf alle unsere Spiele geht nicht ohne Schrecken vor sich, weich oder hart: Wirkt mit, seid kommensurabel, oder verschwindet!« (Lyotard 1979, 15) Ich komme also zur Kunstpädagogik.
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4. Ästhetische Forschung Auch die Kunstpädagogik kennt eigene Formen des Forschenden Lernens. Inspiriert von Gerd Selles Ästhetischem Projekt hat Helga Kämpf-Jansen die Ästhetische Forschung ausformuliert. Ihr Anliegen besteht in erster Linie darin, künstlerische Praxis mit vorwissenschaftlicher Alltagserfahrung und -praktiken sowie wissenschaftlichem Theoretisieren und methodischem Vorgehen zu verbinden. Das Ästhetische Forschen nimmt dabei seinen Ausgangspunkt stets bei einem subjektiv erfahrbaren und bewussten Sinn, bei einer Frage, einer Idee, einem Wunsch. Von dort aus folgt der Forschungsgang persönlichen Interessen und individuellen Lernbewegungen. Nicht unwesentlich ist dabei das parallel geführte visuelle Tagebuch, das neben selbst geschriebenen Aufzeichnungen auch Skizzen, Fotografien, poetische Texte, Textauszüge, Gesprächsaufzeichnungen usw. beinhalten kann. Es führt alle aufgenommenen Stränge zusammen. Es ermöglicht Selbstreflexion, lässt Ziele fixieren und wieder verwerfen, kann Ideen festhalten, zu denen man zu einem späteren Zeitpunkt wieder zurückkehren kann.3 Letztlich handelt es sich um einen auch explizit so genannten selbstgesteuerten Lernprozess, in dem das Tagebuch ein wichtiges Instrument dieser Steuerung ist (Kämpf-Jansen 2004, 263). Entsprechend läuft das Konzept Gefahr, in jenem Zusammenhang verbraucht zu werden, den ich soeben mit Lyotard als Schrecken beschrieben habe. Helga Kämpf-Jansen ist sich dieser Gefahr wohl bewusst, wenn sie auf den letzten Seiten ihres Buches schreibt: »Manche Wörter müsste man vor Missbrauch schützen […] Denn alle propagieren ihn, den Menschen, der Offenheit aushalten, Brüche und Widersprüche ertragen, Grenzerfahrungen produktiv machen kann und zu besonderer Kreativität fähig ist. Er wird von der Wissenschaft gesucht, der Wirtschaft gefordert und einer zukünftigen Gesellschaft erwartet. In dem Maße wie er gebraucht wird, werden Heilsversprechen abgegeben, wie man ihn sozusagen pädagogisch formen […] kann.« (Kämpf-Jansen 2004, 267) 3
Ich kann hier auf die Bedeutung des Tagebuchs nicht weiter eingehen. Es scheint mir aber vor dem Hintergrund der aktuellen Debatte um das Portfolio und auch im Zusammenhag mit der von mir kurz vorgestellten Arbeit von Daniel Wrana, die im Kern der Analyse von Lern-Journalen gewidmet ist (deshalb der Titel: »Das Subjekt schreiben«), von großer Aktualität und als eine unabdingbare Bedingung – geradezu das Herzstück – der Selbststeuerung.
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Eine Antwort auf die selbst aufgeworfene Frage, wie man die missbrauchten Begriffe retten könne, sucht man allerdings vergebens. Dennoch gibt ihr Konzept vielleicht selbst eine Antwort. Der erste Satz des Buches lautet: »Dieses Buch handelt von Dingen des Alltags und den Objekten der Kunst.« (Kämpf-Jansen 2004, 7) Ich komme zu den Dingen.
5. Dinge Vielleicht kann die Wendung auf die Dinge, die eine Ablenkung vom Subjekt und seinen Selbststeuerungskapazitäten, seinen Kompetenzen und die es leitende Rationalität darstellt, ein Schutz vor dem Missbrauch sein. Bei Helga Kämpf-Jansen sind die gemeinten Dinge zunächst tatsächliche Dinge, Gegenstände, etwas zum Anfassen – zumeist alltägliche Dinge. Somit besteht die Tendenz, die Auseinandersetzung mit den Dingen in die Sphäre des Privatistischen zu verlegen.
Abb. 3: Dinge der Ästhetischen Forschung
Abb. 4: Thing
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Dinge des Alltags können aber durchaus auch bei Helga Kämpf-Jansen anderes sein. Ich möchte die Dinge in diese Richtung noch ein wenig weiter treiben, indem ich das Ding mit der Bedeutung auflade, die ihm Bruno Latour zusammen mit Peter Weibel im Rahmen der Ausstellung Making Things Public gegeben hat.4 Für ihn sind die Dinge nicht an sich. Für ihn sind die Dinge das, was repräsentiert wird. Dinge sind die Art und Weise, wie die Dinge, die uns angehen, die Dinge des Alltags, als Dinge überhaupt wahrnehmbar werden. Er unterstreicht dies durch die Erinnerung an die altertümliche Bedeutung des Wortes Thing. Thing bezeichnete – und bezeichnet in einigen europäischen Sprachen noch heute – die Versammlung, die Zusammenkunft, den Ort der Tagung, innerhalb derer die lebenspraktischen Angelegenheiten diskutiert, erstritten und entschieden wurden. Das Ding in diesem Sinne ist das öffentliche Ding, die res publica. Einer der ersten öffentlich bekannt gegebenen Künstler der documenta 12, Ricardo Basbaum, greift das Ding noch mal in einem ähnlichen Zusammenhang auf. Er fragt, ob wir, jeder und jede einzelne von uns, an einer künstlerischen Erfahrung, an einem sozialen Experiment teilhaben wollen. Wenn ja, bekommen wir ein »Ding« zugeschickt. Eine »leere Kuchenform oder eine Badewanne mit einem Loch drin« (Basbaum 2007). Die einzige Gegenleistung besteht darin, sich mit dem »Ding« in irgendeiner Weise auseinanderzusetzen, dies zu dokumentieren und in ein digitales Netzwerk einzuspeisen. Ausgangspunkt der entstehenden sozialen Interaktion ist auch hier ein Ding: eine »Zumutung, die nirgends hinpasst«, sich sperrt, zu nichts nütze ist – wie Roger Buergel sagt (Basbaum 2007). Ausgangspunkt ist dieser GegenStand, diese Angelegenheit.
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Austellung im Zentrum für Kunst und Medientechnologie, Karlsruhe, vom 20.03.– 03.10.2005; vgl. auch Latour/Weibel 2005; Latour 2005a, Latour 2005b.
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Abb. 5: Das Ding: New Bases for Personality
Vielleicht liegt hier die Möglichkeit, die Begriffe vor ihrem Verbrauch zu schützen, wie Helga Kämpf-Jansen es wünscht: In der Hinwendung zu den Dingen, die uns alle angehen; in dem Sich-Verlieren in der Mannigfaltigkeit der Welt – die Humboldt einst als Bildung bezeichnet hatte (vgl. Schäfer 2007, 97) –, die gleichzeitig ein Selbstverlust ist, eine Umwendung des Subjekts und der es steuernden Rationalität. Bevor sich – nicht zuletzt pädagogisches – Handeln dadurch legitimiert, dass es die Subjekte ermächtigt, sich permanent selbst im effizienten Problemlösen zu optimieren – sollte um eben diese Dinge nicht zunächst einmal gestritten werden? Die Dinge, um die gestritten wird, die Probleme, müssen zunächst hergestellt, in spezifischen Verfahren artikuliert werden. Sie sind eben nicht einfach schon da. Zu fragen wäre nicht: Wer bist Du, was kannst Du, welche Kompetenzen brauchst Du, um die von uns vorgegebenen – auch die in der Unterrichtssituation gegebenen Probleme – zu lösen? Zu fragen wäre zunächst: Was ist eigentlich das Problem? Was bestimmt, was ein Problem ist? Wer sind die
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Entscheidungsträger, die definieren, was ein Problem ist? Es ginge also weit weniger um das Lösen von Problemen, sondern zunächst um deren (Er-)Findung – verstanden als ein öffentlicher, ein politischer Akt (Sennett 2005, 155). Eben dies könnte Forschendes Lernen heißen: zu lernen, Probleme nicht nur zu identifizieren, sondern welche zu erfinden – Problematisieren lernen. Ist dies nicht eine Angelegenheit, ein Ding, das uns alle angeht? In diesem Sinne wäre die Aufforderung Jeder Mensch ein Forscher! tatsächlich ein Angebot.
Literatur Basbaum, Ricardo: Would you like to participate in an artistic experience? Arbeit für die documenta 12 in Kassel vom 16.06.–23.09.2007, http://documenta.de/aktuelles_9.html?&L=0 vom 02.09.2007. BLK – Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung: Modellprogramm »Lebenslanges Lernen«, 2000ff., http://www.bmbf.de/de/9619.php vom 08.03.2008. Foucault, Michel (1979): Geschichte der Gouvernementalität II, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2004. Foucault, Michel (1982a): »Wie wird Macht ausgeübt?«, in: Hubert L. Dreyfus/Paul Rabinow: Michel Foucault. Jenseits von Strukturalismus und Hermeneutik, Frankfurt a.M.: Athenäum Verlag 1987, S. 251–261. Foucault, Michel (1982b): »Subjekt und Macht«, in: Ders.: Schriften, Vierter Band, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2005, S. 269–293. Kämpf-Jansen, Helga: Ästhetische Forschung. Wege durch Alltag, Kunst und Wissenschaft, München: Salon Verlag 2004. Latour, Bruno (2005a): Von der Realpolitik zur Dingpolitik oder Wie man Dinge öffentlich macht, Berlin: Merve 2005. Latour, Bruno (2005b): Rede zur Ausstellung Making Things Public. Atmosphären der Demokratie im Zentrum für Kunst und Medientechnologie Karlsruhe vom 20.03.–03.10.2005, http://on1.zkm.de/zkm/stories/storyReader$4538# vom 22.07.2007. Latour, Bruno/Peter Weibel: Making Things Public. Atmospheres of Democracy, Cambridge/London: MIT Press 2005. Lemke, Thomas: Eine Kritik der politischen Vernunft, Hamburg: Argument Verlag 1997. Lyotard, Jean-Francois (1979): Das postmoderne Wissen. Ein Bericht, Wien: Passagen Verlag 1994. OECD (1997–2003): Projekt DeSeCo – Definition and Selection of Competencies (Definition und Auswahl von Kompetenzen), http://www.portal-stat.admin.ch/deseco vom 08.03.2008. PISA – Programme for International Student Assessment (2003): Problem Solving for Tomorrow’s World. First Measures of Cross-Curricular Competencies from PISA 2003, OECD 2004, s. unter: http://www.pisa.oecd.org/dataoecd/25/12/34009000.pdf vom 08.03.2008. Pongratz, Ludwig/Michael Wimmer/Wolfgang Nieke et al. (Hg.): Nach Foucault, Wiesbaden: VS Verlag 2004. Reichenbach, Roland: »Soft skills: destruktive Potentiale des Kompetenzdenkens«, in: Ludwig A. Pongratz/Roland Reichenbach/Michael Wimmer (Hg.): Bildung – Wissen – Kompetenz, Bielefeld: Janus 2007, S. 64–81. Ricken, Norbert/Markus Rieger-Ladich (Hg.): Michel Foucault: Pädagogische Lektüren, Wiesbaden: VS Verlag 2004. Rychen, Dominique Simone/Laura Hersh Salganik (Hg.): Key Competencies for a Successful Life and a Well-Functioning Society, Toronto: Hogrefe & Huber Publishers 2003.
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Stephan Münte-Goussar Schäfer, Alfred: »Bildungsprozesse – Zwischen erfahrener Dezentrierung und objektivierender Analyse«, in: Hans-Christoph Koller/Winfried Marotzki/Olaf Sanders (Hg.): Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung. Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse, Bielefeld: transcript 2007 (Theorie Bilden 7), S. 95–107. Sennett, Richard: Die Kultur des neuen Kapitalismus, Berlin: Berlin Verlag 2005. Universität Siegen, Fachgruppe Biologie und ihre Didaktik, unter: http://www.uni-siegen.de/fb8/ biologie/?lang=de – Bereich »Lehre« vom 02.09.2007 (inzwischen passwortgeschützt). Universum® Bremen, http://www.universum-bremen.de; http://www.universum-bremen.de/index.php?id=124?stage=2&history=11 vom 08.03.2008. Weinert, Franz E.: »Lernen lernen und das eigene Lernen verstehen«, in: Kurt Reusser/Marianne Reusser-Weyeneth: Verstehen, Bern: Huber 1994, S.183–206. Wrana, Daniel: Das Subjekt schreiben. Reflexive Praktiken und Subjektivierung in der Weiterbildung – eine Diskursanalyse, Hohengehren: Schneider 2006.
Abbildungen Abb. 1: Abbildungen der Online-Präsentationen von Universum (Bremen), Phänomenta (Flensburg), Spectrum (Berlin), phæno (Wolfsburg), entnommen unter http://universum-bremen. de/de/startseite/science-center.html; http://www.universum-bremen.de/de/startseite/sciencecenter/expedition-mensch/die-welt-im-kopf.html; http://universum-bremen.de/de/startseite/ entdeckerpark/wasserwelt.html vom 02.09.2007; http://www.phaenomenta.com/flensburg/ phaenomenta/sshow/index.html; http://www.dtmb.de/Spectrum und: http://de.wikipedia. org/wiki/Phæno vom 16.09.2008. Abb. 2: Stein am Seil. Abbildung entnommen unter http://www.universum-bremen.de/de/startseite/science-center/expedition-mensch/die-welt-im-kopf.html vom 16.08.2008. Abb 3: Abbildungen entnommen aus: Kämpf-Jansen 2004, hier: ästhetische Forschung von Vesna Stalljohann (S.188); Peter Fischli und David Weiss: Polyurethan (1993) (S. 82); Eine Arbeit von Antoneta Berisha (S.226); Timm Ulrichs: Ceci n’est pas une pipe de Magritte (1968) (S. 105). Abb. 4: Heidelberger Heiligenberg; Stoltebüll, Schleswig-Holstein und Almannagjá in ! ingvellir, Island. Abbildungen entnommen unter http://de.wikipedia.org/wiki/Thingplatz sowie unter: http://de.wikipedia.org/wiki/Alþing vom 16.09.2008. Abb. 5: Abbildungen entnommen unter http://www.nbp.pro.br; http://www.nbp.pro.br/blog.php? experiencia=41 und http://www.documenta12.de/aktuelles_9.html vom 16.09.2008.
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Zentrales Gegenstandsbereiche Themen Phänomene Räume
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Bilder im Gebrauch Ästhetische Praxen von Kindern und die forschende Praxis Bilder, sowohl analog als auch digital, sind Teil des Lebens. Sie sind darin verstrickt. Die Hervorbringung und Anwendung von Prozessen der Rezeption, Produktion und Kommunikation sind im Gebrauch der Bilder enthalten. Diese Prozesse finden in Gefügen statt, in denen räumliche und soziale Situationen sowie mediale Gegebenheiten zusammenwirken. Bildhandlungen werden mit anderen Bildhandlungen oder ganz alltäglichen Handlungen verknüpft, stehen in Beziehungen zueinander oder werden in Beziehung gesetzt. Erst in diesen zusammenhängenden Gefügen erhalten Bilder ihre Bedeutung. Der Bildgebrauch ist bedeutungsstiftend und enthält Potenziale der Selbstbeschreibung. Es lassen sich zahlreiche theoretische Anknüpfungspunkte dafür finden. Für die Kunsttheorie, Kunstwissenschaftsgeschichte, Kunstsoziologie und auch in der Kunst ist die Erkenntnis, dass sich die Bedeutung der Bilder im Zuge ihres Gebrauchs konstituiert, nicht neu. Schon seit Charles Sanders Peirce, Martin Heidegger, Erwin Panofsky, Pierre Bourdieu oder Marcel Duchamp, um nur einige Vertreter zu nennen, werden die Dimensionen des Gebrauchs beleuchtet. Und genauso gab es in der Kunstpädagogik immer wieder – wenn auch sehr unterschiedliche – Ansätze, die sich dem Gebrauch der Bilder zuwendeten. Anders als die Visuelle Kommunikation in den 70er-Jahren gibt es zurzeit kunstpädagogische Positionen, die das Praxis-Paradigma in den Vordergrund stellen und sich dabei explizit auf die zeitgenössische Kunst beziehen. Das Bezugsfeld für die hier im Mittelpunkt stehende kunstpädagogische Forschungspraxis ist die Bildpragmatik, die sich der Untersuchung des Gebrauchs von Bildern widmet. Für diese spricht sich beispielsweise Gernot Böhme in seiner Veröffentlichung Theorie des Bildes (1999) aus: Im Hinblick auf die traditionelle Kunsttheorie stelle die Bildpragmatik eine notwendige Erweiterung einer engen semiotischen Perspektive dar. Gründe dafür lägen
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in der Erweiterung des Bildbegriffs, die zum einen mit den Entwicklungen der bildenden Kunst und zum anderen mit der digitalen Bildproduktion zusammenhänge: »Die Bilderwelten sind selbst zu wichtigen Bestandteilen oder Sektionen unserer Welt geworden. Bilder sind nicht mehr nur Abglanz, Repräsentation von anderem, sondern sie sind selbst eine Falte der Welt, in der wir leben.« (Böhme 1999, 132) In der kunstpädagogischen Untersuchung gilt es, die Formen des Gebrauchs zu entfalten. Dies geschieht u.a. über die Auswertung von Interviews, die mit 8- bis 11-jährigen Kindern geführt wurden. Sie verdeutlichen, dass sowohl digitale als auch analoge Bilder Teil der Bilderwelten von Kindern und ihrer alltäglichen Bildpraxen sind. Die Nutzung digitaler Medien bringt deutliche Veränderungen mit sich: Ganz neue Verwendungs- und Kommunikationsformen von und mit Bildern kommen zum Einsatz und beinhalten andere gestalterische Arbeiten und Aufgaben. Durch eine qualitative Studie lassen sich Erkenntnisse über die tatsächlichen Verwendungsformen, die innerhalb eines Mediums oder zwischen Medien, z.B. durch den Transfer von Bildern, eingesetzt werden, gewinnen. Allerdings gilt, dass der Umgang mit digitalen Bildern nicht isoliert zu betrachten ist. Vielmehr sollten sowohl digitale als auch analoge – die so genannten gegenständlichen Bilder – im direkten Zusammenhang mit mentalen Bildern gesehen werden (vgl. Derrida/Stiegler 1996, 163). Im Fokus einer solchen Haltung stehen demnach Bilder, die sich in einem ständigen Rückfluss befinden (vgl. Derrida/Stiegler 1996, 165ff.). Diese Art von Bildern greift Hans Belting auf und plädiert für den Ansatz einer »Bild-Anthropologie«. Im Zuge dessen beklagt er: »Es ist immer noch Usus, in technischen Bildern lieber die Produktionsweise zu beschreiben, als sie im medialen Dialog mit einem Betrachter zu sehen, der seine Bildwünsche auf sie überträgt und an ihnen neue Erfahrungen des Bildes macht.« (Belting 2001, 41) Vor dem Hintergrund von Beltings Befund ist es angezeigt, die kunstpädagogische Aufmerksamkeit auf den medialen Dialog zwischen Bild und Betrachter und auf die darin enthaltenen Übertragungen und Erfahrungen des Bildes zu richten.
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Bilder im Gebrauch
Die derzeitige Praxis des Kunstunterrichts macht die Notwendigkeit, bildwissenschaftliche Erkenntnisse einzubeziehen, noch deutlicher. Schließlich findet im schulischen Kunstunterricht ständig ein Umgang mit Bildern statt. Doch die Begegnung mit Bildern, die Kinder z.B. in der Praxis des grundschulischen Kunstunterrichts erleben, scheint von einem sich wandelnden Bildbegriff und von neuen bildpraktischen Umgangsformen nahezu unberührt geblieben zu sein. Stattdessen kommt es zu einer überproportionalen Beachtung rezeptiver und produktiver Bildhandlungen. In den meisten Fällen geht es um einen Umgang mit Bildern, der sich weitgehend an einem traditionellen Werkbegriff orientiert und dementsprechend das Bild als zeichenhaftes Produkt versteht. Das räumliche und zeitliche Gefüge, in welches die Bildpraxen eingebettet sind, wird damit ausgeblendet. Die qualitative Untersuchung zum Bildgebrauch verfolgt das Ziel, Erkenntnisse über den Bildgebrauch der 8- bis 11-Jährigen zu generieren, um diese auf die Entwicklung kunstpädagogischer Formate anzuwenden. Das folgende Beispiel einer Bildpraxis und die Interpretationsansätze vermitteln einen Eindruck, welche Dimensionen des Bildgebrauchs sich herausarbeiten lassen. Doch weder die Ergebnisse einer solchen Untersuchung noch die dazugehörige forschende Praxis können auf diese Weise dargestellt werden. Vielmehr geht es darum, an einer Leerstelle sichtbar zu machen, was zur Reflexion forschender Praxis und methodischer Entscheidungen im Bereich der Kunstpädagogik anstiftet.
Karens Bildpraxis In einem einstündigen Interview berichtet die 10-jährige Karen von ihren vielfältigen Umgangsformen mit Bildern. Diese finden vornehmlich in ihrer Freizeit und in privater Atmosphäre statt. Die Nutzung von Bildmaterial, das ihr jederzeit zur Verfügung steht, taucht dabei in verschiedenen Variationen auf. Unter anderem gehört das Ausdrucken von Bildern, die sie im Internet findet, dazu. Die von ihr favorisierte Website www.nicoles-funworld.de bietet ein reichhaltiges Bildangebot. Laut der Betreiber der Website handelt es sich dabei um Malvorlagen für die Gestaltung von Window-Color-Bildern. Doch um die Herstellung solcher Fensterbilder geht es Karen nicht. Sie konzentriert sich auf das Auswählen und Ausdrucken der Bilder, wobei sie jene aus der Rubrik »Mandalas« bevorzugt. Sie verändert die Bilder nachträglich nicht mehr. Stattdessen findet sie daran Gefallen ihre Sammlung stetig zu vergrößern und widmet dieser Aktivität viel Zeit. In einer Mappe bewahrt sie die
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große Menge an Ausdrucken für nachfolgende Verwendungsschritte auf. Im Interview gibt Karen weder eine detaillierte Beschreibung bestimmter Formen und Inhalte, noch schildert sie ihre Auswahlkriterien für die MandalaMalvorlagen, vielmehr sind es die kontextuellen Bedingungen ihres Tuns, die sie in den Vordergrund rückt. Sie verweist auf das jeweilige Setting, in dem sie die Bilder analogisiert und weiterverwendet. So schildert sie die Orte, Personen, Materialien sowie die Atmosphären, die ihre Bildhandlungen veranlassen oder zu deren Fortsetzung führen. Zu einem der Settings gehört der regelmäßige Besuch von zwei jüngeren Cousinen. Für ihre Besucherinnen wird Karens Bildhandlung zu einem kurzweiligen »Unterhaltungsprogramm« und erhält auf diese Weise eine Bedeutung. Als Zuschauer bringen sich die Cousinen in das Geschehen ein. Karen ist diejenige, die den Ausdruck am Computer allein steuert, doch Entscheidungen über die Auswahl werden gemeinsam in einem kommunikativen Prozess verhandelt. Karen berichtet: »Die [Cousinen, J.R.-K.] sagen dann, ob die es mögen oder nicht oder ob die es schön finden oder hässlich. Ich mag eher solche Mandalas, wo vieles zum Ausmalen ist und die mögen eher, wenn so Fassel-Dassel-Durcheinander ist.« In diesem Gefüge entwickelt Karen eine Strategie, um die Cousinen von deren Vorlieben abzulenken. Sie leitet zu anderen Vorlagen über und vertröstet: »Ich guck noch ein bisschen weiter, vielleicht ist da noch etwas Besseres.« Auf diese Weise werden die Malvorlagen und der Vorgang des Analogisierens genutzt, um Geschmacksurteile kommunikativ zu verhandeln. Ein weiteres Augenmerk liegt auf der Bildhandlung des Verschenkens: Karen gestaltet aus dem gesammelten Bildmaterial Malhefte und gibt diese an ihre Cousinen weiter. Ungefähr zehn Ausdrucke entnimmt sie ihrer Sammlung, kombiniert diese zu einem Heft und fordert die Cousinen auf, sich damit zu beschäftigen. In diesem Fall ahmt Karen ihre Mutter nach, die als Erzieherin in einem Kindergarten arbeitet und das Internet als Bildressource nutzt. Auch die Mutter druckt Bilder aus, um sie an die Kinder mit einem Gestaltungsauftrag weiterzugeben. Mit dem Gestaltungsauftrag an ihre Cousinen orientiert sich Karen an einer ihr bekannten Rolle, denn als eine Art Initiator für Bildhandlungen übernimmt sie mimetisch Verhaltensweisen der Erwachsenen gegenüber Kindern.
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Karens Verhältnis gegenüber den Bildern stellt sich wiederum anders dar, wenn sie sich ohne die Cousinen dem Ausdruck und der Sammlung widmet: »Also da hab ich so ’ne Adresse. Weil die Schwester von meiner Mutter, die schickt mir jedes, also, immer wenn wir nach Bayern fahren zu denen, dann gibt sie mir ungefähr so ’ne Mappe mit Mandala. (Sie zeigt den Umfang der Mappe zwischen ihren Handflächen.) Und, also, da steht ja immer die Adresse drauf, weil sie arbeitet im Büro und manchmal, wenn sie nichts zu tun hat, dann geht sie dahin und druckt welche, ja.« Legt man diese Aussagen über den Umgang ihrer Tante mit Bildern zugrunde, so offenbart sich darin ein anderes Orientierungsmuster für die eigenen Bildhandlungen. Die Tante nutzt den Aufenthalt im Büro, um Bilder aus dem Internet auszudrucken. Der Zeitvertreib steht dabei im Mittelpunkt. Was ausbleibt, ist eine Auseinandersetzung mit den Bildern, die einer Begegnung mit dem Bild, einer Arbeit an der eigenen Bildpraxis oder einem Reflektieren der Umgebung gleichkommen würde. Das Bildmaterial bleibt in dieser Hinsicht unbearbeitet, denn die Mandalas werden als schmückendes Ornament und als Geschenk und nicht etwa als Bilder mit historischen Bezügen oder religiös-symbolischen Aufladungen wahrgenommen, die in einer Bildtradition und einer Tradition des Gebrauchs stehen. Karens Erzählung gibt Hinweise darauf, wie sehr ihr Umgang mit Bildern von kontextuellen Bedingungen durchdrungen ist. Das Zeichenhafte des Bildes rückt zugunsten seines Gefügecharakters eher in den Hintergrund. Doch insbesondere im letzten Abschnitt des Interviews werden Formen des Gebrauchs benannt, die in der alltagsästhetischen Bildhandlung von Karen nicht enthalten sind bzw. die ihr als Orientierungsmuster nicht zur Verfügung stehen. In Hinblick auf eine kunstpädagogische Forschungsperspektive ist das Einbringen solcher Unterscheidungen von Interesse, denn sie betreffen das Ziel, ein differenziertes und umfassendes Modell des Bildgebrauchs zu erstellen. Dahinter steht eine kritische Haltung, die den Grenzen des Bildhandelns nachgeht und fragt: Inwieweit wirkt sich das, was in Karens Bildpraxis ausbleibt, auf Bedeutungskonstitution und auf bildende Prozesse aus? Es ist der Forschende, der solche Unterscheidungen als Vergleichshorizonte in die Auswertung der Daten einbringt und sie mit theoretischen Bezügen unterfüttert. Forschungsgegenstand und Forschungspraxis werden dadurch entscheidend geprägt.
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Handlung – Ereignis – Forschung Mit dem Forschungsgegenstand des Bildgebrauchs bzw. der Bildhandlung rückt der »Dialog zwischen Bild und Betrachter« in den Vordergrund. Unweigerlich schließt sich daran ein Interesse am »Dialog zwischen Datum und Forschendem« an. Eine Reflexion dessen, was diesen Dialog in der Untersuchung des Bildgebrauchs ausmacht, würde hier zu weit führen. Dennoch möchte ich zumindest ein Aspekt der forschenden Praxis herausgreifen, der sich aus der kunstpädagogischen Perspektive ergibt: Es ist die Wendung an die Kunst. Diese rahmt nicht zur den Gegenstand, sondern auch das methodische Vorgehen ein und lässt gleichzeitig den Forschenden deren Grenzen kritisch hinterfragen. Dies geschieht hier mit der Einführung des Ereignisbegriffs, der in der kunsttheoretischen Untersuchung von Dieter Mersch entfaltet und eng an die Untersuchung des Bildgebrauchs gekoppelt wird. Indem Mersch in seiner Untersuchung zur Ästhetik des Performativen das Gebiet der »Aisthetik«, der »Ästhetik« und der »Artistik« absteckt und deren Relationen umspielt, gelingt ihm die Darstellung einer neuen Ästhetik. Mit dieser »Ästhetik des Performativen« und wendet er sich gegen eine klassische, werkorientierte Ästhetik, die allein nach dem Was eines Werks fragt: »Performativität meint zunächst Akt, Vollzug, Setzung. Setzungen gründen nicht vorrangig in Handlungen, sondern in Ereignissen. Handlungen sind durchweg intentional bestimmt, sie werden mit Zielen, Plänen und Motiven verbunden. Dagegen geschehen Ereignisse nichtintentional. Unter einer Ästhetik des Performativen wäre dementsprechend eine Ereignisästhetik zu verstehen, die nicht so sehr im Medialen, also in den Prozessen der Inszenierung und Darstellung wurzelt, als vielmehr in Geschehnissen, die widerfahren. Widerfahrnisse wiederum begegnen von einem Anderen, einem Ungemachten oder Unverfügbaren her.« (Mersch 2002, 9) Mit dieser Unterscheidung von Ereignis und Handlung eröffnet Mersch einen Horizont, mit dem sich der Blick auf den Bildgebrauch von Kindern erweitern lässt. Deutlicher wird diese Unterscheidung, wenn statt »Ereignis« das Verbum »Ereignen« verwendet wird. Mit diesem tritt noch stärker hervor, dass es sich, wie Mersch schreibt, nicht um ein bestimmtes oder bestimmbares Ereignis handelt, »[…] sondern vielmehr um den Augenblick eines ›Sich-
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Bilder im Gebrauch
Zeigens‹, um das Entspringende, das noch kein ›Als‹ oder ›Was‹ bei sich trägt und im selben Moment wieder verlöscht.« (Mersch 2002, 19) Es sind diese Augenblicke, die in Hinblick auf die Hervorbringung ästhetischer Erfahrungen und bildende Prozesse von großer Bedeutung sind. Das kunstpädagogische Fragen nach dem Bildgebrauch muss diesen Augenblicken daher verstärkt Aufmerksamkeit schenken. Doch wie kann das Vorhaben, sie aufzuspüren, gelingen, wenn es um das geht, was nicht bestimmt oder bestimmbar ist? Auch hier bieten Merschs Ergebnisse und vor allem seine Vorgehensweise wichtige Anhaltspunkte. Seine Kritik am Werkbegriff ist jenen Positionen ähnlich, die sie aus bildpragmatischer Perspektive üben, doch der Weg, auf dem Mersch zu seiner kritischen Haltung gelangt, ist bemerkenswert. Zunächst stellt er die These in den Raum, dass die ästhetische Erfahrung der Künste nicht ein Produkt der Medien ist, sondern sie quer zu diesen oder aus diesen heraus springt. Er argumentiert im Anschluss daran in Konstellationen und nähert sich von unterschiedlichen Seiten der Beziehung zwischen Wahrnehmung, Medium und Kunst an. Sein Augenmerk gilt dabei jenem Teil der zeitgenössischen Kunst und ihren Praxen, die sich selbst dem Werkparadigma entziehen. Er schreibt über die Performative Kunst, dass sie aus dem Gefüge der Werkästhetik heraustrete und eine alternative Ästhetik etabliere. Mit der performativen künstlerischen Praxis, wie sie z.B. zu Fluxus und Happening, zu zeitgenössischer Kunst Performance-Art, Konzept- und zeitlich terminierter Installationskunst gehört, würden die Kategorien einer Werkästhetik in ihrer Gültigkeit gestürzt. Mersch operiert hier mit dem Einsatz von Beispielen performativer Kunst sowie mit dem Rückgriff auf Begriffsbildungen verschiedener Philosophien. Er zeigt so eine Möglichkeit auf, das »Ereignishafte« oder dessen »Verhüllung« zu umkreisen und aufzuspüren. Für die Untersuchung des Bildgebrauchs von Kindern ergibt sich daraus: Zwar klingt im Interpretationsansatz zu Karens Bildpraxis die Unterscheidung zwischen »alltagsästhetischer« und »künstlerischer« Praxis schon an. Doch um ästhetische Erfahrungen und bildende Prozesse im Bildgebrauch der Kinder nachzuweisen und zu bewerten, genügt es nicht, den Bezug auf andere Formen des Gebrauchs nur anzudeuten. In Anlehnung an Merschs Vorgehen wird deshalb die Generierung des theoretischen Modells von Vergleichen, Annäherungen von unterschiedlichen Seiten und durch eine Argumentation in Konstellationen getragen, bei denen auch die Setzungen des Forschenden offen gelegt werden. Für die kunstpädagogische Untersuchung
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des Bildgebrauchs hat dies zur Folge, die zeitgenössische Kunst als einen Pool von Bildpraxen zu verwenden, diese zu Vergleichen heranzuziehen sowie auf kunsttheoretische Begriffsbildungen zurückzugreifen. Eine solche Vorgehensweise ist zum einen notwendig um das »Sich-Zeigen« im ästhetischen Bildgebrauch von Kindern aufzuspüren und zum anderen, um das Ereignishafte in die forschende Arbeit einzubringen und dort wirken zu lassen.
Literatur Belting, Hans: Bild-Anthropologie, München: Fink 22002. Böhme, Gernot: Theorie des Bildes, München: Fink 1999. Derrida, Jaques/Bernard Stiegler (1996): Echographien, hg. v. Engelmann, Peter, Wien: Passagen 2006. Mersch, Dieter: Ereignis und Aura. Untersuchungen zu einer Ästhetik des Performativen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2002.
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Rezeption von Kunstwerken Die Bronzefrau Nr. 6 von Thomas Schütte im Kunstunterricht Im Folgenden analysiere ich skizzenhaft eine Interviewpassage1 mit zwei Schülerinnen – weitgehend an der Methode der phänomenologischen Analyse orientiert, wie sie Georg Peez vorschlägt (vgl. Peez 2005; Peez 2007). Die beiden 12-Klässlerinnen berichten im Gespräch von der Werkrezeption der Bronzefrau Nr. 6 von Thomas Schütte (2001) in ihrem Kunstunterricht. Die leitende Untersuchungsfrage lautet zusammengefasst: Wie lässt sich die Rezeption eines Kunstwerks im Unterricht aus Schülersicht rekonstruieren? Dabei ist für die Rekonstruktion der Werkrezeption das Wie, die sprachliche Form der Darstellung des Erlebens der Kunstbetrachtung, mindestens genauso erhellend wie das Was, also das inhaltlich explizit von den Schülerinnen Gesagte.
Phänomenologische Analyse Georg Peez benennt, hier zusammengefasst, folgende »Schritte der phänomenologischen Analyse« (Peez 2007, 105f.): 1. Eingrenzung und Fokussierung des zu untersuchenden Phänomens durch Forschungsfragen. 2. Materialsammlung von Beispielen, die eine Klärung des Phänomens versprechen. 3. Erster Materialdurchgang, um »den generellen Sinn des Ganzen« zu erfassen. 4. Auswahl einzelner Materialstellen in Bezug auf die Forschungsfragen. 5. Interpretation der einzelnen Beispiele und Bedeutungseinheiten.
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Das Interview wurde im Rahmen meines Forschungsprojektes Umgang mit zeitgenössischer Kunst in der Schule als kommunikativer Prozess – Komparative, qualitative empirische Unterrichtsforschung im Kunstunterricht der Oberstufe erhoben (Universität Duisburg-Essen).
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6. Synthetisierende Interpretation der einzelnen Bedeutungseinheiten (mehrere Beispiele auf ein Thema bezogen). 7. Zusammenfassung der Gesamtaussage, Formulierung der Forschungsergebnisse.
Forschungsfragen und Untersuchungssetting 1: In Nachbardisziplinen der Kunstpädagogik werden verstärkt Rezeptionsprozesse von Bildern empirisch erforscht (vgl. Michel 2006, Bernhardt 2007, Hausendorf 2007). Forschungsbedarf sehe ich darin, auch aus spezifisch kunstpädagogischer Perspektive »Sinnbildungsprozesse bei der Rezeption« (Michel 2006) in Unterrichtsgruppen zu rekonstruieren. Meine zentralen Forschungsfragen lauten: Was passiert eigentlich bei der Rezeption von Kunst und Bildern aus Schülersicht in einem alltäglichen Unterricht? Welche Arten des Umgangs mit Kunst und Bildern und welche Formen der Aneignung zeigen sich? 2: Zur Bearbeitung der Fragen habe ich u.a. Unterrichtsgespräche aus Kunststunden verschiedener Lerngruppen zu der Plastik Bronzefrau Nr. 6 audiotechnisch aufgenommen und anschließend Partnerinterviews mit Schülern geführt.
Interview mit Carin und Sandra 3: Im ersten Materialdurchgang fällt auf, dass die Schüler sich eher an Gruppenprozesse als an Namen der Künstler oder die Titel der Werke etc. erinnern. Schüler sind häufig weniger an der Kunst selbst interessiert; für sie ist im Rückblick eher der gemeinsame Umgang mit der Kunst in der Gruppe relevant. 4: In der Transkription des Interviews heißt es: Sandra: »Das hat ja zu unserem Thema von unserem Halbjahr gepasst, und ich fand es eigentlich gut, dieses, wenn man diese Skulptur anguckt, dass man, so wie gerade bei diesem, dass man da mehr Phantasie anwenden kann, weil durch die nicht gerade wahrheitsgetreue Form … abstrakte Form, kann man halt immer mehr drin sehen, als wenn überhaupt dargestellt wird und dann wiederum schlecht, man weiß nicht, was der Künstler wirklich beab-
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sichtigt hat, was man dort sehen kann und wenn man diese, zum Beispiel einen Text bekommt und dort stehen ähem Interpretationsansätze, die wiederum von anderen Menschen gemacht werden, und dann manchmal drei oder vier dargestellt werden, und dann weiß man wiederum nicht, was stimmt und keine Ahnung. Das ist ein bisschen verwirrend und so. Ich weiß nicht, da würde ich mich eher auf meine eigene Meinung berufen und wie ich das dann gesehen habe … Und das ist aber wiederum schlecht, finde ich [Lachen] Und deswegen … Wir kriegen auch nicht immer wirklich raus, was die Aussage ist, was wir gerade besprochen haben, denke ich mal, bei …? Carin: »Bei Laokoon …« Sandra: »Bei Laokoon wussten wir auch nicht, was die Aussage ist …« Carin: »Sagen wir mal so [lacht], wir waren uns nicht einig.« [lacht] Sandra: »Und jeder hat eigentlich das Eigene von sich eingebracht, und da wäre es eigentlich interessanter zu wissen, was dieser Künstler denn damit beabsichtigt hat, und das ist irgendwie schlecht herauszufinden und so. Irgendwie sehr doof.« [lacht]. (Zeile 28–58)
Interpretation: Aneignung in Kontexten 5: Die Ausführungen bilden die erste lang zu nennende inhaltliche Redepassage des Interviews. Zentrale Themen des gesamten Interviews, die dann leitmotivisch immer wieder auftauchen, sind benannt: Sandra bettet die Unterrichtsstunde zu dem aktuell betrachteten Kunstwerk in größere Kontexte ein. Die ersten Eindrücke vom Kunstwerk, die Beschreibung, die Analyse von Form und Inhalt, die Deutung des Ausdrucks der Plastik von Thomas Schütte stehen nicht im Zentrum ihrer Wahrnehmung des Unterrichts. Sandras Wahrnehmung der Bronzefrau Nr. 6 wird in ihrer Erinnerung fast völlig durch den Kontext überstrahlt. Man hat den Eindruck, der Umgang mit dem Werk war wichtiger als das Werk selbst: Von den Betrachtungs-Zusammenhängen wird berichtet, aber kaum von der Bronzefrau Nr. 6 selbst. Für die Schülerin liegt bei dieser Äußerung zu Beginn des Interviews die Bedeutung des Werks in dem schulisch-ritualisierten kommunikativen Umgang mit dem Werk, nicht im Werk selbst. Für Sandra entsteht Bedeutung und Relevanz nicht allein in der singulären Situation der Betrachtung eines einzelnen Kunstwerks, sondern in der Integration des besonderen Einzelwerks »zu unserem Thema von unserem Halbjahr«.
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Die verschiedenen Kontexte, die Sandra thematisiert, könnte man folgenderweise benennen: a) die inhaltliche Einbettung der Stunde in den Reihenzusammenhang des Unterrichtsstunde (»Thema von unserem Halbjahr«); b) der assoziative Umgang mit den Kunstwerken (»kann man halt immer mehr drin sehen«); c) das Problem des Herausbekommens der künstlerischen Absicht (»was der Künstler wirklich beabsichtigt hat«); d) der Umgang mit Texten, die das Kunstwerk deuten (»Interpretationsansätze«); e) die Diskussionen in der Gruppe und der eigene Standpunkt (»Und jeder hat eigentlich das Eigene von sich eingebracht«); f) Kritik an der starken Ergebnisoffenheit, die zu Unzufriedenheit führt (»Irgendwie sehr doof«).
Wechselspiel der Personalpronomen: Aneignung eingebettet in Gruppensituation Sandra spricht von »unserem Thema von unserem Halbjahr«. Sie sagt im ersten Satz zweimal »unserem«, dann einmal »ich«, dann acht Mal »man«! Das heißt, sie versteht den Unterricht bzw. die Werkbetrachtung als einen Gruppenprozess, in den sie sich einschließt. Sie spricht von »unserem Thema«, nicht etwa von dem Thema des Lehrers. Sie identifiziert sich also mit dem Thema. Und sie sieht sich als Teil der Gruppe. Ihre kritisch wertende Äußerung leitet sie dagegen mit »ich« ein (»ich fand es eigentlich gut«). Das im Folgenden häufig vorkommende »man« erzeugt den Eindruck einer zunehmenden Distanzierung – als würde sie von einer allgemeingültigen Regel sprechen, wie von einer Verkehrsregel (»Bei Rot bleibt man stehen.«). Durch das »man« schließt sie sich von der thematisierten Regel nicht aus, aber es klingt so, als würde sie eine Abgrenzung zum Ausdruck bringen wollen. Ab Zeile 42 folgen viermal »ich« und dann dreimal »wir« im Gebrauch der Personalformen. Am Schluss der Passage wechselt sie des öfteren die Perspektive: »jeder«, »das Eigene von sich«, »dieser Künstler«. Im letzten Satz vermeidet sie geradezu Personalformen: »Irgendwie sehr doof.« Sandra spielt also mehrere Personalformen/Perspektiven durch, aber sie scheint ein abgrenzendes, konfrontierendes »Du«, »Ihr« »Die« (Anderen) zu vermeiden. Eher wird die Gemeinschaft und das darin integrierte Ich betont.
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Nur die Demonstrativpronomen »dieser« (»dieser Künstler«) und »das« (»das ist irgendwie schlecht«) grenzen aus. Die Formulierung »dieser Künstler« und eine negative Wertung scheinen sehr eng, fast deckungsgleich zusammenzugehören. Das »Ich« als besonderes Individuum, das »Wir« der Gruppe und das »Man« verfließen zur abstrakten Allgemeinheit. Hier wird ein Gleiten in der unklar erscheinenden Positionierung des Schüler-Ichs wahrnehmbar. Nuancen lassen sich zwar unterscheiden: Bei Meinungsäußerungen sagt sie »ich«, bei positiv gemeinter Gruppenzuwendung »wir«, mit »man« wird eher Unbehagen ausgedrückt. Zwischen all diesen Nuancen gleitet Sandra jedoch hin und her; darin zeigt sich das Spannungsfeld, in dem sich für sie die Bildbetrachtung offensichtlich abspielt. Interessanterweise wird der Lehrer hier nicht thematisiert – vielleicht aus Höflichkeit, vielleicht ist er aber auch in dem »Gruppen-Wir« bzw. in dem allgemeingültig klingenden »Man« mitbenannt. Auffällig ist, dass die Sprecherin durch Demonstrativpronomen und ähnliche Formulierungen in eine emotionale Distanz zum betrachteten Kunstwerk herstellt: »Das« (hat ja), »diese« (Skulptur), (was man) »dort« (sehen kann).
Sandras und Carins Aneignungsmodell beim Umgang mit der Kunst Es kann als Indiz für den integrierenden, vergemeinschaftenden Charakter der Bildbetrachtung verstanden werden, wenn Sandra ihre Mitschüler oder den Lehrer nicht durch Formulierungen wie »die Anderen« oder »ihr« oder durch Nennung einzelner Namen ausgrenzt, sondern das unbestimmte »Man« verwendet – »Man« kann in einem Kunstwerk »halt immer mehr drin sehen«. Die anderen Betrachter mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen werden durch die Formulierung »man« zusammengefasst. Ein soziales Gegenüber wird jedoch in konfrontativer Weise thematisiert, wenn Sandra von den Autoren der kunstwissenschaftlichen Texte als den »anderen Menschen« spricht. Deren »Interpretationsansätze« schätzt sie kritisch ein. Die Textautoren stehen ähnlich außerhalb und distanziert der rezipierenden Gruppe gegenüber wie die Künstler der betrachteten Werke. Das Fremde, Andere bilden hier also jeweils die medial vermittelten, nicht anwesenden Menschen. Derart gewinnen die Anwesenden gerade in Abgrenzung zu dem medialen Gegenüber im gemeinsamen Betrachtungs- und Leseprozess eine Gruppenidentität. Die Befremdung, die künstlerische Werke und erläuternde kunsthistorische Texte hervorrufen, scheinen beide Textformen
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(wenn man ein Kunstwerk als »Text« verstehen will) zu einen. Die Konstellation von Rezipient zum betrachteten Bild oder gelesenen Schrifttext wird in der von Sandra artikulierten Wahrnehmung als Gegenüberstellung, als Konfrontation erlebt. Der medial vermittelte visuelle oder schriftliche Text wirkt andersartig, egal ob im künstlerischen oder wissenschaftlichen Modus artikuliert. Mit Sandras Thematisierung des Umgangs mit Kunstwerken positioniert sich die Schülerin selbst innerhalb eines ritualisierten Rollen- und Beziehungsgeflechts. Die von der Institution Schule, dem Lehrer, den Schülern im Vollzug ausgeübte Form des Umgangs mit Bildern und Kunstwerken bildet eine eigenständige, performativ eingeübte Praxisform. Die sachlich-informative Ebene des Umgangs mit Kunst scheint für die Schülerin dagegen keine große Rolle zu spielen, sie erlebt in dieser Hinsicht eher Unklarheit und Verwirrung. Doch der Prozess der Betrachtung und der Umgang mit dem Bildwerk scheint in hohem Maße regelgeleitet zu sein und sich wie ein kulturelles Ritual zu wiederholen.
Fazit Liest man die Äußerungen von Sandra und Carin genau und bringt sie auch in Verbindung zu weiteren erhobenen Datenmaterialien, was hier aus Platzgründen nicht im Detail geleistet werden kann, zeigt sich: Nicht für alle Schüler liegt die Besonderheit des Erlebens von Kunstwerken im Unterricht primär im individuellen Betrachtungsprozess eines Einzelwerks; mindestens ähnlich relevant ist für die Schüler die Erfahrung eines Kunstwerks im Kontext der Kommunikationssituation in der Gruppe.
Literatur Bernhardt, Markus: »Vom ersten auf den zweiten Blick. Eine empirische Untersuchung zur Bildwahrnehmung von Lernenden«, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 7, 8/2007: Bilder und ihre Wahrnehmung, S. 417–432. Hausendorf, Heiko (Hg.): Vor dem Kunstwerk. Interdisziplinäre Aspekte des Sprechens und Schreibens über Kunst, München: Fink 2007. Michel, Burkard: Bild und Habitus. Sinnbildungsprozesse bei der Rezeption von Fotografien, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2006. Peez, Georg: Evaluation ästhetischer Erfahrungs- und Bildungsprozesse. Beispiele zu ihrer empirischen Erforschung, München: kopaed 2005. Peez, Georg: »Laras erster Kritzel. Eine phänomenologische Fallstudie zu den frühesten Zeichnungen eines 13 Monate alten Kindes«, in: Ders. (Hg.): Handbuch Fallforschung in der Ästhetischen Bildung/Kunstpädagogik. Qualitative Empirie für Studium, Praktikum, Referendariat und Unterricht, Hohengehren: Schneider 2007, S. 104–117.
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Im Museum des 21. Jahrhunderts Ko-konstruktivistisches Lernen in der Galerie für Zeitgenössische Kunst
Aushandlungsprozesse Das Kunstmuseum bietet für die kunstpädagogische Arbeit einen Rahmen für ko-konstruktivistische Lernprozesse, in denen durch die Auseinandersetzung in der Gruppe gemeinsame Wissens- und Erfahrungszusammenhänge geschaffen werden können (Pringle 2002, 14). Insbesondere bei der Beschäftigung mit Konzeptkunst stellen sich dabei nicht nur die Fragen nach Themen und Kontexten der Kunstwerke. Vielmehr geht es immer auch um den individuellen Bezug der Rezipienten und den Prozess, in dem im Dialog Bedeutungen und Konzepte ausgehandelt werden. Eine solche Erweiterung und Einbeziehung der Rezipienten in die Konzepte und Kunstwerke führt zu Formen der Partizipation, die auch in den Aushandlungsprozessen der Kunstvermittlung im Mittelpunkt stehen können (Pringle 2002, 14). Ein Ausgangspunkt ist dabei die Frage, wie eine Lernumgebung so gestaltet werden kann, dass sie Offenheit sowohl gegenüber den künstlerischen Konzepten als auch dem Vermittlungsprozess selbst gegenüber gewährt. Ein solcher Zugang erfordert, nicht nur den Lernenden aktive Partizipation zu ermöglichen und eine kooperative Atmosphäre zu gestalten (vgl. Sturm 2003, 99f.). Vielmehr sollten in der Rezeption Mehrdeutigkeiten und Bruchstellen zugelassen und thematisiert werden und somit die künstlerischen Konzepte mit den Erfahrungen und Sichtweisen der Rezipienten in Beziehung gesetzt werden. In einem solcherart konzeptionell angelegten Prozess werden nicht nur durch die vermittelten Inhalte, sondern auch durch die Lernbedingungen und Mitwirkungsmöglichkeiten Zugänge zu den künstlerischen Konzepten Teil der Entwicklung (vgl. Stutz 2002, 126). Der exemplarische Bildungsprozess führt zur eigenverantwortlichen Auseinandersetzung mit dem Unbekannten. Die begleitende Forschung sucht nach Strukturen und Bedingungen für die Gestaltung eines derartigen Prozesses.
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Exemplarische Beschreibung des Rezeptionsaktes Der Beitrag zu 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa der japanischen Künstlergruppe SANAA zur Ausstellung Archit-Action! (Mai bis August 2006) an der Galerie für zeitgenössische Kunst in Leipzig (GfZK) gab die Möglichkeit, Bedingungen und Gestaltungsmöglichkeiten für einen solcherart geleiteten Vermittlungsprozess in den Mittelpunkt einer begleitenden Studie zu stellen. In dem dreistufigen Projekt mit Lernenden der Sekundarstufe I einer Mittelschule mit Haupt- und Realschülern und eines Gymnasiums standen in der ersten Phase im Kunstunterricht an der Schule zunächst generelle Fragen und Konzepte zu Kunstmuseen und die konkreten der GfZK im Vordergrund. In einer zweiten Phase, die in der Ausstellung der GfZK stattfand, arbeiteten die Schüler/-innen zu den Konzepten der Künstlergruppe SANAA, deren Museumsbau von Kazanawa in Fotografien von Walter Niedermeyer dokumentiert worden waren. Suchend, vergleichend und handlungsorientiert näherten die Lernenden sich in einem Dialog der Ästhetik, den Themen und den Kontexten dieses Museumsbaus (Abb. 1).
Abb. 1: Schüler/-innen bei der Arbeit zum Museumsprojekt der Gruppe SANAA in der GfZK, Leipzig
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Im Museum des 21. Jahrhunderts
Anschließend setzten sie im Kunstunterricht in einer dritten Phase den Dialog fort und entwickelten ausgehend von den Gestaltungsprinzipien und Ansätzen SANAAS ihre ›Traummuseen‹: Sie erarbeiteten ein eigenes Modell für einen Museumsbau. Nach diesem Schritt planten die Schüler/-innen, wie sie diese Modelle präsentieren und die im Arbeitsprozess entwickelten Konzepte in einer eigenen Ausstellung vermitteln könnten. Sie gestalteten aus ihren Konzepten in den Räumen der Kunstvermittlung der gfzkFORYOU der GfZK ihre eigene Vernissage. 1 Schon in den vorausgehenden narrativen Interviews mit den Beteiligten dieses Lernprozesses wurde deutlich, dass sich die Vermittler/-innen und die Lehrerin eine enge Vernetzung und Abstimmung mit schulischen Curricula wünschten. Deswegen erschien der Ansatz geeignet, den Rezeptionsprozess von den Kunstwerken der Ausstellung ausgehend zu gestalten, um sich auf die Arbeiten und Konzepte der Ausstellung einzulassen.
Auseinandersetzung mit Ausstellungskonzepten In der ersten Phase der Annäherung wurden zunächst die Unsicherheiten der Beteiligten mit den Themen, Erwartungen und organisatorische Fragen sichtbar. Mit dem Begriff »Museum« konnten jedoch alle Lernenden Persönliches verbinden. Diese eigenen Erfahrungen zum Ausgangspunkt nehmend, beschäftigten sich die Jugendlichen nun im Unterricht mit gesellschaftlichen und kulturellen Funktionen von Museen und mit Museen im Stadtraum. In dieser Phase des ko-konstruktivistischen Lernprozesses selbst gestalten zu können, hieß dass die Schüler/-innen die Rolle der Kuratoren übernahmen und mögliche Ausstellungsorte in ihrer Stadt suchten und entwickelten. Aus dem empirischen Material ergeben sich drei Kategorien, die für die Lernenden relevant waren: Präsentationsformen und Ausstellungsorte, Adressaten und Teilhabe sowie die finanziellen Bedingungen für das Ausstellen von Kunst. In der Auswahl der Ausstellungsorte entschieden sie sich z.B. für Plätze, die normalerweise nicht unmittelbar mit Kunst in Verbindung gebracht werden, aber so »kulturelle Bildung für Jedermann« ermöglichen (Abb. 2).
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S. hierzu die Website unter http://www.gfzk-online.de/foryou/ vom 02.08.2008.
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Abb. 2/3: Arbeit einer Schülergruppe zu möglichen Ausstellungsorten in der eigenen Stadt; Texte der Schüler/-innen zum neuen Museumsbau der GfZK, Leipzig
Aus den Protokollen und den Texten der Schüler/-innen wird ihr Interesse am Gestaltungspotential für den Kommunikationsprozess des Ausstellens sichtbar, in den späteren Interviews und Texten werden diese Kategorien auch in Bezug auf ihre eigenen Arbeiten thematisiert. In der Praxis schloss sich eine Untersuchung der Intentionen der GfZK und der Anlage des neuen Gebäudes, in dem dieser Ausstellungsteil zu sehen sein würde, an und führte die Jugendlichen weiter in den Kontext eines exemplarischen Ausstellungsprozesses ein: Welche Konzepte begleiten die Idee des Ausstellens und welche Bedingungen schaffen die Gebäude, in denen ausgestellt wird? Welche Gestaltungsprinzipien liegen dem zugrunde? Es entstanden Werbetexte zum erst kürzlich eröffneten zweiten Gebäude, dem Neubau der Galerie für Zeitgenössische Kunst. Darin thematisierten die Schü-
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ler/-innen die Abwendung vom »white cube«, fehlende rechte Winkel und bewegliche Wände als Gestaltungsprinzipien in der GfZK (Abb. 3). Die Transparenz des Ausstellens trat dabei deutlich zutage, ebenso wie die Adressatenorientierung und die Flexibilität der Galerie gegenüber ihren Besuchern. Beispiele aus den Texten der Schüler waren: – – – –
»ein Gesamtkunstwerk mit keinem einzigen rechten Winkel«, »sogar die Raumgröße ist variabel dank der verschiebbaren Trennwände«, »keine Lust, mit deinen Eltern in ein langweiliges Museum zu gehen«, »Mein Block, meine Wand, deine Ausstellung. yosen!«
Das Museum des 21. Jahrhunderts Das Anliegen Kunst und über Kunst zu kommunizieren, begleitete die Schüler/-innen auch beim Besuch der Ausstellung Archit-Action! zu Ausstellungskonzepten des 20. und 21. Jahrhunderts, ebenso wie die Frage, inwieweit das Gebäude eines Kunstmuseums die Inszenierung von Kunst unterstützt oder selbst über die Inhalte hinaustritt. Die Gruppe SANAA führt die Besucher im 21st Century Museum of Contemporary Art, Kanazawa in ein labyrinthisch angelegtes Gebäude, das von der Peripherie bis ins Innere des Gebäudes transparent mit der umliegenden Stadt verschränkt ist. Auch im Inneren sind öffentliche Zonen des Stadtraums und Bereiche des Museums miteinander verbunden, die Funktionen der Räume werden entsprechend der konzeptionellen Grundlage für diesen Museumsbau je nach Bedarf der Nutzung ›umformuliert‹. Keine der Raumzonen ist abgeschlossen, Glasflächen unterstützen die Transparenz und die Durchdringung der Bereiche. »We have always been attracted by this ambivalence between something and nothing, by this floating of materials and space.« (Küng 2007, 2) Während in westlichen Museen der Kurator häufig eine Ausstellung initiiert und für die Sammlungen verantwortlich ist, soll in Kanazawa diese Wahrnehmung des »Selbst« dekonstruiert werden und der beuyssche Ansatz des »Jeder ist ein Künstler« an ihre Stelle treten: »Der Mensch wird angeregt, frei zu wählen und seine eigenen Erfahrungen zu machen.« (Sejima/Nishizawa 2000, 40) Im bewussten Kontrast zu den Werten der westlichen Moderne »›Man‹, ›Money‹ and ›Materialism‹« soll in Kanazawa jede/r über den Wert der Kunst und über das Gezeigte entscheiden können und im Museum des 21. Jahrhunderts so zum Kurator der Ausstellungen werden. Dahinter steht
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die konzeptionelle Grundlage der »›Consciousness‹, ›Collective Intelligence‹ and ›Co-existence‹« – eine Herangehensweise, die zugleich in der Rezeption zur Gestaltung ko-konstruktivistischer Lernsettings dienen kann.2
Vermittlungsprozesse Für die beteiligten Studierenden, die hier die Kunstvermittlung unterstützten, wurde deutlich, dass in diesem Projekt die künstlerischen Inhalte der Durchdringung des Innen und Außen ebenso wie die vom Konzept der Gruppe SANAA vorgesehene Partizipation der Besucher zugleich bestimmend für den Vermittlungsprozess sein konnten. Das Museum in Kanazawa war jetzt Konzept im Konzept, die Schüler/-innen verglichen es unmittelbar mit dem sie umgebenden Ausstellungsbau der GfZK, der von der Schweizer Gruppe as-if entwickelt wurde. Einzeln gingen sie dazu durch das Haus, suchten nach Verschränkungen mit dem Stadtraum und individuellen Zugängen. Im Gespräch mit den Mitschüler/-innen diskutierten sie zuerst vor allem ästhetische Parallelen, wie die Glaswände, die Durchblick und Abgrenzung bildeten. Die hohe Selbstbestimmung der Besucher war für sie zunächst vor allen Dingen irritierend. Sie fühlten sich irregeleitet und vermuteten, nicht alles erfassen zu können. Sie vermissten Übersicht und Kontrolle. In ihrer eigenen Arbeit zu ihrem Umgang mit Museen und ihren Vorstellungen von einem Ausstellungsbau suchten sie zuallererst nach einem Konzept, um eine Ordnung für die gemeinsame Arbeit zu finden. Eine der Gruppen ließ sich vor allem von der labyrinthischen Struktur des Gebäudes leiten. Eingehend und genau suchten sie nach einem Netzplan, durch den sich die Besucher bewegen können. Die Verwirrung im Gebäude wurde zum zentralen Thema, das Ausstellen trat in den Hintergrund. Ihre Arbeit zeigt keine Kunstwerke, sondern allein das Architekturkonzept und die Struktur, durch die sich die Besucher bewegen können. Eine andere Gruppe griff das Konzept der Raumverschränkung auf. Außenund Innenraum sind nicht klar abgegrenzt, unzählige Ein- und Ausgänge öffnen das Gebäude. Die Struktur des Hauses soll dem Besucher zunächst »verborgen bleiben« oder »willkürlich« erscheinen und sich erst mit der eigenen Suche zu einer individuellen Ausstellung zusammenfügen.
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Vgl. http://www.kanazawa21.jp/en/06about/feautures.html vom 02.04.2008.
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Als Kuratoren ihrer Gemeinschaftsausstellung diskutierten die Schüler/-innen zu diesem Projekt sehr angestrengt, wie sie die Konzepte ihrer Arbeit transparent machen könnten. Die Museumsgebäude in den Modellen wurden in diesem Schritt durch Texte ergänzt, Grundrisse sollten aus der Anordnung der Modelle erkennbar werden. Die Schüler/-innen einigten sich auf eine Installation in der Raummitte, die einen Zugang von allen Seiten ermöglichen und die Lenkung der Besucher noch weiter zurücknehmen sollte.
Forschungsdesign der Studie In der Untersuchung gilt es dabei zu rekonstruieren, wie kommunikative Prozesse in einer kooperativen Lernumgebung im Museum ablaufen und unter welchen Bedingungen die Jugendlichen diese Ansätze für die eigene Arbeit aufgreifen. Wo werden Erkenntnisse aus der schulischen Vorbereitung und aus dem Umfeld in der GfZK verwendet? Welchen Einfluss hat der soziale und kulturelle Kontext des Lernens? Wie werden im Vermittlungsprozess bestätigende, abweichende oder gegensätzliche Konzepte entwickelt, die über die Kunstwerke im Kunstmuseum hinausweisen? Wie verläuft die Kommunikation in der Lerngruppe? Wie ist das soziale Verhältnis des Einzelnen und der Gruppe? Welche schulformspezifischen Phänomene treten auf, wo sind Bruchstellen oder neue Rollenübernahmen? Ko-konstruktivistisches und damit ganzheitliches Lernen im Museum ermöglicht dabei über einen exemplarischen Zugang zugleich die Entwicklung von Metastrategien. Solche Kompetenzen werden vor allem an den Aktivitäten der Lernenden erkennbar. Bei der Entwicklung der Ausstellung der Schüler/-innen Archit-concepts zeigt sich, dass es ihnen gelungen ist, ein Konzept für die eigene Ausstellung zu finden und es wird deutlich, welche inhaltlichen und gestalterischen Schwerpunkte sie im Arbeitsprozess und für ihre Präsentation setzen (Abb. 4 und 5). Das mehrstufige Museumsprojekt wird methodisch durch eine qualitativempirische Studie begleitet. Anliegen ist es, Bedingungen für die Nachhaltigkeit von vernetzten ko-konstruktivistischen Lernprozessen zwischen Schule und Museum zu rekonstruieren und dazu die Zusammenhänge und Strukturen innerhalb des Forschungsfeldes und auch die Sicht der beteiligten Akteure erfassen zu können (vgl. Bohnsack 2000; Lamnek 2005, 4).
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Abb. 4/5: Zwei Schüler bei der Arbeit an ihrem ›Traummuseum‹; Museumsmodell in der Ausstellung der Schüler/-innen Archit-concepts in der gfzkFORYOU, Leipzig
Der Schwerpunkt des Interesses liegt dabei auf der konkreten Arbeit der Schüler/-innen, deren direkte Interdependenzen von den weiteren Akteuren im Vermittlungsprozess wie den Lehrenden der Schulklassen und den Vermittlerinnen in der Galerie mitgestaltet werden. Um dabei die Perspektiven differenzierend zu verbinden und die unterschiedlichen Aspekte zu erfassen, werden die methodischen Zugänge triangulatorisch kombiniert (vgl. Flick 1995, 434). Protokolle teilnehmender Beobachtung, Video- und Fotomaterial 188
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der Vermittlungsprozesse und die Experteninterviews mit den Jugendlichen, den Vermittlerinnen und der Lehrerin der beiden Klassen geben Aufschluss über die Lernprozesse auch aus der Perspektive derjenigen, die den Vermittlungsprozess aktiv gestalten und bestimmen. Für die Darstellung der Forschungsergebnisse sollen die typischen und die widersprüchlichen Verhaltensweisen der Akteure und die handlungsprägenden Strukturen des Rezeptionsprozesses erarbeitet, gedeutet und präsentiert werden (vgl. Peez 2005, 12). In einer Rekonstruktion von Deutungsmustern werden damit Rückschlüsse auf die Lernprozesse, ihre Inhalte und Bedingungen gezogen (vgl. Bohnsack 2003, 32).
Fazit Die Analyse des Datenmaterials zu diesem ausgewählten Bereich dieses Projekts zeigt sowohl Potenziale der Vielschichtigkeit von Lernen im Museum als auch Bruchstellen und mit dem Prozess einhergehende Herausforderungen für die Kunstvermittlung. Dabei werden auf mehreren Ebenen die Kompetenzen deutlich, die Schüler/-innen in dieser Auseinandersetzung erlangen können. Aus den im Forschungsprozess entstehenden Interpretationen und Typenbildungen sollen sich pädagogische Konsequenzen für die Bedingungen und die Gestaltung von ko-konstruktivistischen Lernprozessen im Kunstmuseum und in der Schule sowie die Möglichkeiten der nachhaltigen Vernetzung beschreiben lassen.
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Literatur Bohnsack, Ralf: Rekonstruktive Sozialforschung. Einführung in Methodologie und Praxis qualitativer Forschung, Opladen: Leske + Budrich 2000. Bohnsack, Ralf: Hauptbegriffe qualitativer Sozialforschung, Opladen: Leske + Budrich 2003. Flick, Uwe: »Triangulation«, in: Flick, Uwe/Ernst Kardorff/Heiner von Keupp et al. (Hg.): Handbuch qualitative Sozialforschung. Grundlagen, Konzepte, Methoden und Anwendungen, Weinheim: Beltz 1995, S. 432–434. Küng, Moritz: Walter Niedermayr, Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa/SANAA, Ostfildern: Hatje Cantz 2007. Lamnek, Siegfried: Qualitative Sozialforschung. Weinheim/Basel: Beltz 2005. Peez, Georg (2005): Evaluation ästhetischer Erfahrungs- und Bildungsprozesse. Beispiele zu ihrer empirischen Erforschung. München. Pringle, Emily: »We did stir things up«. The role of artists in sites for learning, in: http://www. artscouncil.org.uk/downloads/information/wedidstirthingsup.pdf+ vom 02.02.2008. Sejima, Kazuyo/Ryue Nishizawa: Sanaa. Kazuyo Sejima + Ryue Nishizawa. recent project, Berlin: Aedes 2000. Sturm, Eva: »Kunstvermittlung und Widerstand«, in: Schöppinger Forum der Kunstvermittlung (Hg.): Zum Stand der Kunstvermittlung heute. Ansätze – Perspektiven – Kritik, Schöppingen 2003 (Transfer. Beiträge zur Kunstvermittlung N° 2), S. 92–110. Stutz, Ulrike: »Inszenierung von Handlungsräumen – Kunstvermittlung für SchülerInnen«, in: Neue Gesellschaft für bildende Kunst e.V. (Hg.): Kunstcoop©. KünstlerInnen machen Kunstvermittlung Berlin: NGBK 2002, S. 118–130. Weibel, Peter: »Beyond the White Cube«, in: Weibel, Peter/Andrea Buddensieg (Hg.): Contemporary Art and the Museum. A Global Perspective. Stuttgart: Hatje Cantz 2007, S. 138–146.
Abbildungen Abb. 1: Schüler/-innen bei der Arbeit zum Museumsprojekt der Gruppe SANAA in der GfZK, Leipzig, Foto: Katharina Küstner. Abb. 2: Arbeit einer Schülergruppe zu möglichen Ausstellungsorten in der eigenen Stadt, Foto: Katharina Küstner. Abb. 3: Texte der Schüler/-innen zum neuen Museumsbau der GfZK, Leipzig, Foto: Katharina Küstner. Abb. 4: Zwei Schüler bei der Arbeit an ihrem ›Traummuseum‹, Foto: Katharina Küstner. Abb. 5: Museumsmodell in der Ausstellung Archit-concepts der Schüler/-innen in der gfzkFORYOU, Foto: Katharina Küstner.
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Sara Burkhardt
Das Netz als künstlerisches Medium Neue Räume für kunstpädagogische Forschung
Schnittstelle Anliegen meiner Dissertation (HBK Braunschweig, 2007) war es, künstlerische Ansätze im Netz für kunstpädagogisches Handeln zu erschließen. Untersucht wurde die Gelenkstelle zwischen Netz, Kunst und Unterricht, wobei netzmediale Verfahren und die Modellhaftigkeit künstlerischer Strategien im Zentrum standen. So nutzt z.B. der Künstler Christophe Bruno in seiner Arbeit Human Browser (Bruno 2001–2007) eine Schnittstelle von Netz und physisch erfahrbarem Raum performativ: Eine Schauspielerin verkörpert das World Wide Web. 1 Sie ist drahtlos mit einem Notebook verbunden, in das der Künstler Christophe Bruno über ein Programm Begriffe bei Google eingibt. Je nach räumlichem Zusammenhang, in dem sich die Schauspielerin befindet, lösen zur Situation passende Begriffe neue Google-Suchen aus. Die Ergebnisse werden per Sprachumwandlung auf ihre Kopfhörer übertragen. Die Schauspielerin spricht, nur knapp zeitlich versetzt, was sie hört. So ergibt sich eine Art Sprachteppich, Satzfragmente in unterschiedlichen Sprachen und aus unterschiedlichen Nutzungskontexten. Die menschliche Stimme setzt die GoogleErgebnisse in einen neuen Kontext. Durchaus mit Humor gebraucht Bruno mediale Strukturen und Verfahren gegenläufig zu konventionellen Formen ihres Gebrauchs. Dabei thematisiert er auch das Medium selbst, den Kulturraum Netz und unseren Umgang mit verfügbarem Wissen. Die Akteurin agiert im physischen Raum – das Netz liefert das Material und ermöglicht ein prozesshaftes Erleben von Vernetzung. Hier zeigen sich Dimensionen künstlerischer Prozesse im Netz, die eine Chance für kunstpädagogische Praxis und Forschung bedeuten.
1
Im Folgenden verwende ich den Begriff ›Netz‹ für das World Wide Web, der Begriff ›Internet‹ dient zur Bezeichnung umfassenderer Netzwerkdienste.
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Sara Burkhardt
Erweiterter Raum In den letzten Jahren hat sich das Netz von einem Informationsraum zu einem sozialen Handlungs- und Kommunikationsraum entwickelt. Im Rahmen von Web 2.0 sind Kommunikation und die Bildung von Gemeinschaften derzeit zentrale Elemente der Netzkultur. Das Netz wird durch seine Nutzer mitgestaltet, jeder Nutzer kann gleichzeitig Produzent sein. Dies äußert sich in Anwendungen wie social bookmarking, blogging oder podcasting. Neben der Kommunalisierung ist jedoch auch eine wachsende Kommerzialisierung des Netzes zu beobachten, nicht zuletzt in virtuellen Welten wie Second Life. Nachdem in den 1990er-Jahren vor allem die virtuelle Realität (VR), die mit Datenhandschuhen erfahrbaren virtuellen Welten faszinierten, fand zu Beginn des 21. Jahrhunderts ein Wechsel statt. An Stelle des sich im virtuellen Raum bewegenden VR-Users trat ein neues Bild: »der Mensch, der am Flughafen, auf der Straße, im Auto oder in einem beliebigen anderen real existierenden Raum mit seiner Kombination aus Minicomputer und Handy seine/ihre E-Mails abruft oder telefoniert.« (Manovich 2005, 80) Dieser Nutzer erweitert und integriert den digitalen Raum in sein wahrnehmbares Umfeld. Augmented space – erweiterter Raum – bedeutet nach Lev Manovich die Anreicherung eines vorhandenen erfahrbaren Raumes mit Informationen, bzw. die Anreicherung und Überlagerung physischer Räume mit immateriellen Datenräumen (vgl. Manovich 2005, 79). Zugleich werden der physische Raum und diejenigen, die sich darin aufhalten, in Daten transformiert. Videoüberwachung im öffentlichen Raum ist z.B. allgegenwärtig: CellspaceTechnologien übertragen Daten zu den mobilen Gerätschaften der sich im physischen Raum bewegenden Personen. Über große Bildschirme werden Informationen jenen Personen präsentiert, die sich im öffentlichen Raum aufhalten. Auf der Basis dieser technologischen Veränderungen fordert Manovich, »die Erweiterung des Raumes als Idee und kulturelle/ästhetische Praxis […] konzeptionell neu zu fassen.« (Manovich 2005, 79) Dann könnte der Raum der elektronischen Datenströme als »Substanz« und nicht als Leere begriffen werden, als etwas Gestaltbares. Die Idee von der Erweiterung des Raumes als ästhetische Praxis wirft Fragen auf, die die Gestaltung unserer vernetzten Umwelt unmittelbar betreffen. Im
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Das Netz als künstlerisches Medium
Spannungsfeld zwischen Kommerzialisierung und Selbstveröffentlichung werden virtueller und physischer Raum zunehmend verknüpft. Diese Verknüpfung und die Wahrnehmung des Netzes als etwas Gestaltbares bilden die Grundlage für einen Entwurf von Unterricht, der sich an künstlerischen Strategien orientiert.
Material Das Erforschen künstlerischer Werke im Netz begann für mich mit dem Auffinden, dem Sammeln, dem Beschreiben und dem Sortieren dieser Werke. Es mussten Ordnungen erfunden werden, um die Vielzahl von Werken in ihrer Heterogenität zu systematisieren und zu kontextualisieren. Die von mir aufgestellte Ordnung sollte das Feld netzbasierter Kunst für die Kunstpädagogik organisieren. Es liegt in der Eigenart des Netzes, dass die sich in ihm vollziehenden Entwicklungen immer in Bewegung sind. Das jeweils exemplarische Werk sollte daher nicht den Begriff verifizieren und zu dessen Instanz werden (Huber 2000, 162), sondern Aspekte der Kategorie2 sollten in ihm aufscheinen und es somit zum Beispiel für eine bestimmte künstlerische Strategie werden lassen. Mit den Fragen nach den Begriffen tauchen ja bekanntlich immer neue Begriffe auf, ein Dilemma des Diskurses. So ergaben sich auch bei der Findung von Kategorien immer neue Kategorien, andere wurden obsolet. Im Zuge des Arbeitens kristallisierten sich folgende Fragen als leitend heraus: Worin bestehen die spezifischen medialen Bedingungen und welche künstlerischen Verfahren und Strategien ermöglichen sie? Wie nutzen Künstler die Potenziale des Netzes? Es geht Künstlern heute weniger um die digitalen Technologien selbst als um »gegenwärtige Räume«, so Inke Arns, die über diese Technologien miteinander verknüpft sind und die von »medialen Netzen« durchzogen werden (Arns 2006, 119). So wird das Netz zu einem sich immer neu zusammensetzenden Zusatzraum, der soziale Vernetzung wie auch neue Formen der Wissensgenerierung und -darstellung ermöglicht.
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Folgende Kategorien sollen das Feld der netzbasierten Kunst für kunstpädagogische Zugriffe ordnen: Vom Fehler als Prinzip zur Software Art, Datenbanken, Archive und Bildersammlungen, Kopien und Fakes; Politische Dimensionen: Grenzüberschreitungen und Interventionen, Reiseprojekte; Alltagsästhetik: Spurensicherung und Feldforschung, E-Commerce und Umnutzung kommerzieller Angebote; Nutzung der Übergänge: Kooperation und Teilnahme, Erfindung von Identitäten und Autobotography, Performative Strategien, Vernetzte Environments, Narrative Strategien. Vgl. Burkhardt 2007.
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Sara Burkhardt
Zusatzraum Mit dem Netz als Medium manifestieren sich unterschiedliche kulturelle Formen. Das Medium verändert die Art und Weise der Aneignung und der Reflexion seiner Zustände im Ganzen. Es ersetzt also nicht die Realität, sondern bildet einen Zusatzraum möglicher Erfahrungen. Sybille Krämer zieht eine feine Grenze zu Marshall McLuhans Auffassung vom Medium als Botschaft (vgl. McLuhan 1964, 13) und stellt weiterführend fest: »Das Medium ist nicht einfach die Botschaft; vielmehr bewahrt sich an der Botschaft die Spur des Mediums.« (Krämer 1998, 81) Diese Spur ist unbeabsichtigt und bleibt meist unerkannt, sie hinterlässt aber eine Art Abdruck. Das Medium prägt seine Botschaft. Ein Instrument wird gebraucht und dann zurückgelassen, es bleibt der zu bearbeitenden Sache äußerlich. Medien hingegen sind Mittler von etwas, in einem Medium ist etwas »eingetaucht« und von ihm so »durchdrungen«, dass es außerhalb des Mediums nicht zu existieren vermag. Auch Torsten Meyer begreift Medium im Singular als einen »Träger« oder »Stoff«, in dem sich bestimmte psychische und soziale Vorgänge abspielen (Meyer 2003a, 249). Hieraus folgt, dass ein Medium im Gegensatz zu einem Instrument neue Welten hervorbringt und Erfahrungen ermöglicht, die ohne es nicht denkbar wären. Das Netz kann so ergänzend zu seiner Funktion als Werkzeug als ein zusätzlicher weltweiter Kommunikations- und Kulturraum verstanden werden, mit spezifischen medialen Bedingungen, die seine Produkte prägen bzw. eine Spur hinterlassen.
Möglichkeitsraum Künstler reagieren auf mediale Entwicklungen bzw. greifen sie auf und begleiten sie. Ein wesentlicher Zug künstlerischer Arbeit im Netz besteht darin, »ihren eigenen Erscheinungsort, ihre Erscheinungsweise« mitzuthematisieren, wie der Kunstwissenschaftler Stefan Römer es formuliert (Römer 2005, 115). Sie untersucht ihren Rahmen und setzt »ihre eigene Codierung permanenten Spezifizierungen, Erweiterungen, Verschiebungen oder Kommentaren« aus (Römer 2005, 115), um eigene Handlungsräume zu organisieren. Das Mediale ist kaum vom Inhalt und von der Strategie zu trennen. Künstler weisen mit ihren über bloße Anwendungen hinaus reichenden Aktivitäten darauf hin, dass das Netz für sie mehr als ein Medium ist, dessen sie sich als
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Das Netz als künstlerisches Medium
Werkzeug bedienen. Das Netz bildet für sie einen Möglichkeitsraum, in dem sich Verschiebungen und Differenzen zum Gewohnten erzeugen und zeigen lassen. Künstler stören somit auf, irritieren, intervenieren und gebrauchen mediale Strukturen und Verfahren gegenläufig zu ihren allgemein verbreiteten, konventionellen Arten der Anwendung. Netzbasierte Kunst reflektiert eine durch Globalisierung und Entwicklungen der Informations- und Kommunikationstechnologien veränderte Welt. Dabei verbindet sie inhaltliche Fragestellungen mit medialen Lösungen, die diese Veränderungen untersuchen, künstlerisch reflektieren und zugleich transformieren.
Modell In kunstpädagogischen Prozessen sollte netzbasierte Kunst als ›Modell‹ genutzt werden, um primäre Fragen der Vernetzung, der Identität, Medialisierung und Wissensdarstellung zu thematisieren. Der Begriff ›Modell‹ bezeichnet im kunstpädagogischen Kontext den Entwurfscharakter von netzbasierter Kunst bezüglich gegenwärtiger, vor allem aber zukünftiger Realität. Die Nutzung eines Werkes als Modell meint keinesfalls dessen Nachahmung, sondern bezieht sich auf die Adaption einer künstlerischen Strategie durch Lernende, um zu eigenen Entwürfen zu gelangen.3 Künstlerische Werke und ihre Strategien bilden so den Ausgangspunkt eines Forschungsprozesses, der Impulse, Verfahren und Erkenntnisse aus den Werken zieht, diese aber transformiert, ergänzt und subjektiv verformt, so dass der Forschungsprozess im Ergebnis seine Spuren hinterlässt oder selbst das Ergebnis bildet. Diese kunstpädagogische Praxis sollte die Fähigkeit zur Entschlüsselung von Zeichen und Bildern ebenso beinhalten wie auch die Handhabung netzmedialer Verfahren, um eigene Ausdrucksmöglichkeiten zu entwickeln.
Virtualisierung Für die Beschreibung dieses Vorgangs erscheint mir der Begriff der ›Virtualisierung‹ als vorteilhaft – wenn Virtualisierung das Denken von Möglichkeiten beschreibt, die in einer Situation gegeben sind. Torsten Meyer spricht in diesem Zusammenhang von einer »Virtualisierungskompetenz« (Meyer 2003b, 3
Vgl. in diesem Zusammenhang auch Kämpf-Jansens Überlegungen zu künstlerischen Strategien als Orientierungsrahmen für selbstbestimmtes Handeln von Lernenden. KämpfJansen 2000, 20f.
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Sara Burkhardt
3), also von der auszubildenden Fähigkeit, Möglichkeiten denken zu können. Auch Manfred Faßler nennt »Virtualisierungsfähigkeit« eine »Quelle für Intelligenz und für mediale Selbstbefähigung des Menschen« (Faßler 2003, 22), die in der Kommunikation aktiviert wird. Faßler fordert die Bildung einer »Entwurfsfähigkeit« im Sinne einer »Kultur der Abstraktionen« (Faßler 2001, 183), die die Befähigung zur Modellbildung und zur Vertretung des eigenen Handelns meint. Ziel jeglichen Lernens muss demnach ein Entwurfsvermögen sein, gleichzeitig bedarf es einer »Sensibilität gegenüber komplexen Bedingungen« (Faßler 2001, 190). Eine Formulierung, welche m.E. dem Begriff »Medienkompetenz« vorzuziehen ist, da dieser der Dimension unvorhersehbarer Ereignisse, also der Komplexität medientechnologischer Entwicklungen, nicht gerecht wird. Im kunstpädagogischen Kontext sollte die Virtualisierungsfähigkeit mit der Entwicklung einer Entwurfsfähigkeit verbunden werden. Wissen über das Medium kann dann im Medium durch die Anwendung von Kunst erlangt werden. Derart wird das Netz für Lernende ein gestaltbares Medium und nicht lediglich ein gestaltetes Medium, das zum erweiterten operativen Handlungsraum für Kunstunterricht wird.
Überschreitungen und Übersetzungen Netzbasierte Kunst überschreitet Grenzen. Diese Grenzüberschreitungen finden zwischen den Disziplinen, zwischen physisch erfahrbarem und virtuellem Raum, zwischen Kunst und Nicht-Kunst, zwischen künstlerischen Gattungen und Alltagskultur statt. Dies liegt in der Eigenart des Mediums. Damit reicht die Perspektive weiter als in jedem anderen Medium und eröffnet im Zusammenwirken von Kunst, Wissenschaft und Technologie neue Räume für kunstpädagogisches Handeln und Forschen. Wissen wird an den Grenzen von Theorie und Praxis generiert. Was ich in meiner Forschung entwerfe, bedarf der Erprobung in der Praxis, im Unterricht oder in außerschulischen Lernsituationen. Und der Rückspiegelung, so dass die Erkenntnisse wiederum Eingang in weiterführende Forschung finden. Vor allem Manovichs Konzeption vom erweiterten Raum und Faßlers Begriff vom Zusatzraum sind meines Erachtens im kunstpädagogischen Kontext zukunftsweisend. Der erweiterte Raum beinhaltet eine intermediale Annäherung von Netz und physischem Raum, mit möglichen Überschneidungen und Verbindungsbestrebungen, die sich in künstlerischen Arbeiten zeigen. Als Zusatzraum dient das Netz als Forschungs- und Experimentierraum für
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Das Netz als künstlerisches Medium
künstlerische und kunstpädagogische Prozesse und als ein Labor für Weltund Selbstentwürfe. Zentraler Aspekt beider Vorstellungen ist, dass das Netz ein dynamischer Raum ist, der unterschiedliche Formen der Wirklichkeitskonstruktion zulässt. Der Kunstraum mag in Zukunft als ein Raum zu denken sein, der seine Erweiterung im Netz findet, so dass Übersetzungen von einem Raum in den anderen zum zentralen Element kunstpädagogischen Handelns werden können.
Literatur Arns, Inke: »Irational’s Finest, oder: Über die Kunst der Bewegung im Raum«, in: Susanne Ackers/ Inke Arns/Francis Hunger et al. (Hg.): THE HARTWARE GUIDE TO IRATIONAL.ORG, Frankfurt a.M.: HMKV/revolver, 2006, S. 116–121. Bruno, Christophe: Human Browser (2001–2007), http://www.iterature.com/human-browser/ vom 07.02.2008 Burkhardt, Sara: Netz Kunst Unterricht. Künstlerische Strategien im Netz und kunstpädagogisches Handeln, München: kopaed 2007. Faßler, Manfred: »Sind künstlerische und wissenschaftliche Bildungswege ›machbar‹?«, in: Peter Weibel (Hg.): Vom Tafelbild zum globalen Datenraum. Neue Möglichkeiten der Bildproduktion und bildgebender Verfahren, Ostfildern-Ruit: Hatje Cantz Verlag 2001, S. 180–193. Faßler, Manfred: »Hybride Gegenwarten, cybride Räume. Entwürfe, Gruppen, Gemeinschaften im Wolrd Wide Web«, in: Manfred Faßler/Ursula Netschläger/Zelko Wiener (Hg.): Webfictions. Zerstreute Anwesenheiten in elektronischen Netzen, Wien/New York: Springer 2003, S. 9–93. Huber, Hans Dieter: »Digging the Net – Materialien zu einer Geschichte der Kunst im Netz«, in: Kai-Uwe Hemken (Hg.): Bilder in Bewegung. Traditionen digitaler Ästhetik, Köln: DuMont 2000, S. 158–174. Kämpf-Jansen, Helga: Ästhetische Forschung. Wege durch Alltag, Kunst und Wissenschaft, Köln: Salon Verlag 2000. Krämer, Sybille: »Das Medium als Spur und als Apparat«, in: Sybille Krämer (Hg.): Medien Computer Realität. Wirklichkeitsvorstellungen und Realität, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1998, S. 73–94. Manovich, Lev: »Poetik des erweiterten Raums«, in: Hartware Medien Kunstverein (Hg.): Verstreute Momente der Konzentration. Urbane und digitale Räume, Frankfurt a.M.: Revolver 2005, S. 80. McLuhan, Marshall (1964): Die magischen Kanäle. Understanding Media, Düsseldorf/Wien: Econ 2 1970. Meyer, Torsten (2003a): »Kunstpädagogik im Neuen Medium«, in: Claudia Lemke/Torsten Meyer/Stephan Münte-Goussar et al. (Hg.): sense&cyber. Kunst, Medien, Pädagogik, Bielefeld: transcript 2003, S. 241–264. Meyer, Torsten (2003b): »e-mails from http://kunst.erzwiss.uni-hamburg.de (9). Subject: Virtualien, Grund, Schule, Fort*-Bildung«, in: BDK-Mitteilungen 1/2003, S. 2f. Römer, Stefan: »Dekonzeptuelles Coding und Software Art als künstlerische Strategie sozialer Auseinandersetzung«, in: Thomas Düllo/Franz Liebl (Hg.): Cultural Hacking. Die Kunst des strategischen Handelns, Wien/New York: Springer 2005, S. 102–122.
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Andreas Brenne
Bewegung als Dimension ästhetischer Bildung Die folgenden Erörterungen zum Thema ›Bewegung‹ entstammen einer seit längerem stattfindenden Auseinandersetzung mit grundsätzlichen Bedingungen und Voraussetzungen ästhetischer Erfahrungsbildung. Im Sinne einer Grundlagenforschung soll mittels qualitativer Empirie den Essentials kunstpädagogischer Theorie und Praxis nachgegangen werden.1 In diesem Zusammenhang stehen sowohl die bildungstheoretischen Annahmen als auch die unterschiedlichen ästhetischen Handlungsdimensionen auf dem Prüfstein. Dem Phänomen der Bewegung kommt hier eine Schlüsselrolle zu, da diese im Sinne Luhmanns »Medium und Form« der viel beschworenen ästhetischen Erfahrung ist. Bewegungsformen von Schülern sind nicht nur Indikatoren für die Qualität kunstpädagogischer Praxis, sondern auch Ziel einer innovativen Unterrichtspraxis.
Was ist Forschung? Forschung lässt sich als eine interessierte Untersuchung und Aneignung von Phänomenen der Lebenswelt des Menschen beschreiben. Es geht vornehmlich darum, vermutete Ordnungen und Muster der Erscheinungen zu entdecken, diese zu enkodieren, um dann die gewonnenen Einsichten in einer adäquaten und der »Scientific Community« zugänglichen Symbolsprache darzubieten. Dadurch können gängige Vorstellungen durch neuartige ersetzt werden. Allerdings handelt es sich bei der Repräsentation von Forschung keinesfalls um Abbildungen von »Wahrheiten«, sondern um Sinnkonstruktionen auf der Basis präsentativer oder diskursiver Zeichensysteme, die wiederum übersetzt werden müssen. Ein letztlich nicht endender Regress ist unvermeidlich. So bemerkt Willard Quine: »Die wesentlichen Wahrheiten der Physik […] enthalten nur physikalische Termini.« (Quine 1960, § 56, 471)
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Diese Forschung ist angesiedelt am Institut für Musik, Arbeitsbereich »Ästhetische Bildung und Bewegungserziehung« am Fachbereich 01 der Universität Kassel.
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Andreas Brenne
Mit anderen Worten: Das menschliche Bewusstsein ist nicht unmittelbar an die über sinnliche Wahrnehmung vermittelte Außenwelt angeschlossen und ist somit gezwungen, Welt autonom zu konstruieren. Daher ist jede wissenschaftliche Theorie, die auf der Basis von Forschungen generiert wurde, empirisch unterbestimmt. Die äußere Welt ist eine zum Individuum different und fremd verlaufende Umwelt. »In genau diesem Sinne ist das chemische System der Zelle für das Gehirn Umwelt des Gehirns und das Bewusstsein der Person für das soziale System Umwelt des sozialen Systems. Keine Dekomposition von neurophysiologischen Prozessen würde je auf die Einzelzelle als Letztelement stoßen und keine Dekomposition sozialer Prozesse je auf das Bewusstsein.« (Luhmann 1984, 246) Zeitgenössische Hirnforscher haben ermittelt, dass ein Großteil der für Kognition zuständigen Großhirnrinde sich aus Assoziationsfeldern zusammensetzt, die sich mit internen und reflexiven Prozessen beschäftigen (vgl. Singer 2002). Wissenschaft und Forschung kommen niemals an ein Ende – jedes Individuum, jede Generation und jede Gesellschaft ist aufgerufen, an der Weiterentwicklung von Sinnschöpfungen zu arbeiten. Einen empirisch festzulegenden Urgrund, auf dem theoretische Einsichten fußen, kann es also nicht geben. »Wie Schiffer sind wir, die ihr Schiff auf offener See umbauen, ohne es jemals in einem Dock zerlegen und aus besten Bestandteilen neu errichten zu können.« (Neurath 1932, 206) In diesem Sinne erzeugt Forschung permanent neue Welten, bzw. verändert bestehende Sichtweisen und Modelle. Einerseits ist also die Unmöglichkeit einer empirischen Letztbegründung kunstpädagogischer Forschung anzuerkennen. Dennoch ist eine Forschung, die als fallorientierte Praxisforschung auftritt, gehalten, sich mit dem Problem der empirischen Unterbestimmtheit zu arrangieren. Im Folgenden wird zunächst ein Aspekt empirischer Forschung exemplarisch entfaltet: Es soll die Frage diskutiert werden, ob und inwiefern eine Untersuchung von Bewegungsprozessen im Kontext ästhetischer Prozesse möglich ist. Im Anschluss hieran wird es möglich, einen Vorschlag zum Umgang
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Bewegung als Dimension ästhetischer Bildung
kunstpädagogischer Forschung mit dem Problem der fehlenden empirischen Letztbegründung zu unterbreiten.
Kann man Bewegung(en) erforschen? Bewegung spielt im Kontext ästhetischer Bildungsprozesse eine entscheidende Rolle. Dies gilt bereits für basale Lernprozesse. Im Gegensatz zu traditionellen Schul- und Unterrichtstheorien, die den Wissenserwerb als eine konzentriert-sitzende Haltung verstanden wissen wollten und den Schüler als Zuschauer- und Zuhörer idealerweise beschrieben, gehen heutige Lerntheorien davon aus, dass Lernen ohne Bewegung, d.h. ohne Verknüpfung mit Wahrnehmung und Motorik, gar nicht denkbar ist. Dies wird durch die heutige Neurowissenschaft bestätigt (vgl. Spitzer 2002) und gilt für eine der Sinnlichkeit verschriebene ästhetische Bildung umso mehr. Aber was ist Bewegung? Zunächst kann die Entwicklung von Bewegung als eine Transformation von ungerichteten Massenbewegungen und statischer Körperlichkeit in einen Prozess der dynamischen körperlichen Inbesitznahme von Raum und Zeit verstanden werden. Der beziehungsstiftende Prozess von Selbst- und Weltaneignung ist zwar ästhetisch (mit allen Sinnen und dem ganzen Leib) geprägt, dies aber nie ohne Bewegungsrichtungen des Aufeinander-zu und Voneinander-weg zu denken. Darüber hinaus ist das Phänomen im Kontext ästhetischer Prozesse weit komplexer. Ansatzweise lässt sich Bewegung in folgende Kategorien unterteilen: Bewegung ist die Vorraussetzung der Konstitution von Wahrnehmung; die Unterscheidung von Innen und Außen ist eine formgebende Operation, ohne die Wahrnehmung als Bewusstseinsprozess nicht denkbar ist. Innere Bewegungen sind Grund und Bedingung für jegliche ästhetische Praxis. Denkbewegungen können sich auch in äußeren Bewegungen manifestieren. Im Kontext ästhetischer Praxis lassen sich komplexe Bewegungsmuster beobachten. Der Stand der motorischen Entwicklung lässt Rückschlüsse auf die geistige Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu. Diese äußeren Bewegungsformen sind sowohl technisch als auch sozial geprägt.
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Äußere und Innere Bewegungen sind Gegenstand kunstpädagogischer Unterweisung; sowohl als Schulung des aktiven Gebrauchs der Sinne als auch in Form der Etablierung von einer spezifischen Körperkultur in bestimmten Sparten (z.B. Tanz, Theater, Performance). Im Hinblick auf die ermittelten Dimensionen von Bewegung ließen sich vielfältige Forschungsprojekte initiieren, die nicht nur die vordergründigen (äußeren) Bewegungen fokussieren, sondern auch die weiteren und möglicherweise substantielleren Ausprägungen des Phänomens in Blick nehmen. Eine Untersuchung des Bewegungsphänomens wird jedoch durch strukturelle Probleme erschwert. Aus unterschiedlichen Gründen entzieht Bewegung sich einer direkten Deskription: Bewegung hat keine Zeitlinie, die man beliebig zerteilen kann, um bestimmte Elemente und Expressionen »unter die Lupe zu nehmen«. Bewegung ist unteilbar; jeder Versuch bringt etwas hervor was eben keine Bewegung mehr ist. »Der durchlaufene Raum ist teilbar, sogar unendlich teilbar, wohingegen die Bewegung unteilbar ist oder sich nicht teilen lässt. […] Die Bewegung lässt sich nicht mit Punkten in Raum und Zeit, d.h. mit unbeweglichen »Schnitten« rekonstruieren.« (Deleuze 1983, 13ff.) In der bisherigen Forschung zu Bewegung nutzt man spezifische Medien wie Fotografie und Film und transkribiert die erhobenen Daten, um Bewegung dadurch einer Analyse zugänglich zu machen (vgl. Ehrenspeck/Schäffer 2003). Doch genau dies ist die kritische Stelle im Forschungsprozess: Jede Bewegungsphotographie, jeder Filmstill ist substantiell und qualitativ unterschieden von der eigentlichen Bewegung. Eine wissenschaftliche Analyse von Bewegung kann auf eine Überführung in Text und Zeichen jedoch nicht verzichten. Gerade dadurch bringt die Darstellung die Bewegung zum Stillstand. Es wird deutlich, dass in der Kommunikation ästhetischer Prozesse und Phänomene (und dies gilt nicht nur für die Bewegung) nicht »die Sache selber« zur Sprache kommt bzw. kommen kann, sondern eine Mannigfaltigkeit an hervorgebrachten Bildern und Zeichen, die die Versuche kommunikativ ausgehandelter Sinnkonstruktionen bestimmen. Ebenso gilt: auch Bewegung (eingeschlossen die der Produktion des Kunstwerks) vollzieht sich als Formgebung durch die Markierung einer räumlichzeitlichen Leerstelle, die sich einer direkten Überführung in kommunikablen
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Bewegung als Dimension ästhetischer Bildung
Sinn sperrt (vgl. Schulze 2005). Wenn man sich also dem Phänomen nähert, dann gelingt dies nur durch die Analyse des Kontextes, in dem es zur Erscheinung gelangt. Was folgt daraus? Warum handelt es sich nicht lediglich um ein Scheinproblem? Zunächst kann festgestellt werden, dass es eine nicht überschreitbare Grenze der phänomenologischen Beschreibung gibt, die darin besteht, dass Phänomene nicht objektivierend fassbar sind. Der anthropozentrische Standpunkt der Wissenschaft kann nicht überwunden werden; alle Objektivierungsversuche müssen daran scheitern, dass Beschreibungs- und Rezeptionsmöglichkeiten genuin menschlich sind. Ermittelte Qualitäten können immer nur in Bezug auf den Menschen formuliert werden und sind insofern lückenhaft. Allerdings geht es in kunstpädagogischen Forschungszusammenhängen nicht um die Feststellung von objektiven Sachverhalten, sondern um die Untersuchung von subjektiven Sinngebungen, die immer einen Ausdrucksgehalt haben. Diese lassen sich nur interpretativ ermitteln; sei es auf der Grundlage von Sprache und Text (Interviews, Aufzeichnungen) oder auf der Basis von Artefakten. Insofern spielt der subjektive Erfahrungshorizont des Forschers eine zentrale Rolle. Phänomene wie Bewegung lassen sich zwar im Hinblick auf anthropogene Entwicklungsverläufe darstellen; in kunstpädagogischen Zusammenhängen spielt sie aber vor allem als Medium und Form der Prozesse ästhetischer Bildung eine zentrale Rolle. Am Beispiel der Bewegung wird in besonderem Maße die komplexe Verschränkung von Medium und Form deutlich (vgl. Huber 2007). Bewegung ist das zentrale Mittel der substantiellen ästhetischen Auseinandersetzung mit lebensweltlichen Phänomenen. Sie besteht aus einer Vielzahl kombinierbarer Elemente, die eine Fülle an »Bewegungsmöglichkeiten« generieren. Gleichzeitig ist Bewegung nicht ohne eine spezifische Form denkbar, die wiederum als Träger ausdifferenzierter Ausdrucksformen und kommunizierbarer Sinnkonfigurationen Verwendung findet (z.B. im Sport, Theater, bei der Performance …). »Trotz all dieser Relativierungen bleibt jedoch die Differenz von Medium und Form als Differenz ausschlaggebend. Weder gibt es ein Medium ohne Form, noch eine Form ohne Medium. Immer geht es um eine Differenz von wechselseitiger Unabhängigkeit und wechselseitiger Abhängigkeit der Elemente: und daß es um eine Differenz geht, heißt, daß ein Abhängigkeitsverhältnis höherer Art ins Spiel kommt.« (Luhmann 1986, 125)
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Dies in dieser Trennschärfe zu beachten ist m.E. entscheidend für die Qualität kunstpädagogischer Prozesse. Hier wird deutlich, dass z.B. eine rein mimetische Auseinandersetzung mit performativer Kunst unweigerlich zu Irritationen und Verkürzungen führt. Denn auch wenn die Annäherung an diese Form künstlerischen Ausdrucks nur in Bezugnahme auf eigene Körpererfahrung gelingen kann, so sind derartige Bewegungen wiederum Träger individueller Formen, die es zu würdigen gilt. Nachahmungsdidaktik ist nur dann erfolgreich, wenn die derart entwickelten Formen zum Medium weiterer Formgebungen werden. Insofern möchte ich abschließend für eine fallorientierte qualitative Forschung in der Kunstpädagogik plädieren. Deren Bedeutung liegt darin, dass sie subjektive Sinnkonstruktionen mit einem subjektiven Instrumentarium aufdeckt, ohne eine vermeintliche und letztlich fiktive Objektivität zu proklamieren. Dass solche Ergebnisse zwar nicht valide, aber dennoch nützlich sein können, zeigt die Tradition des Faches durch impulsreiche Beschreibungen und Auslegungen von pädagogischen Fällen kunstpädagogische Praxis zu befragen, zu reflektieren und derart Veränderungen/Verbesserungen auf den Weg zu bringen. Nicht umsonst ist die einzige offizielle Fachzeitschrift des Faches ein Kompendium, das vor allem durch seine Praxisbeispiele lebt und dadurch nicht nur die Fachkultur der letzten Jahrzehnte nachhaltig prägte. Kunstpädagogische Forschung kann eine konstruktive Wissenschaftskritik hervorbringen, indem sie sowohl in der Forschung als auch in der Praxis neue Formen Artikulationsweisen und Bewegungen entwirft und erprobt. »Einmal sagte Einstein, das Problem des Jetzt beunruhige ihn ernsthaft. Er erklärte dazu, daß das Erlebnis des Jetzt etwas Besonderes für den Menschen bedeute, etwas wesentlich anderes als Vergangenheit und Zukunft; doch dieser so wichtige Unterschied zeige sich nicht in der Physik und könne dort auch nicht auftauchen. Daß dieses Erlebnis von der Wissenschaft nicht erfaßt werden kann, bedeute ihm einen schmerzlichen, aber unausweichlichen Verzicht. […] es gäbe etwas Wesentliches am Jetzt, das einfach außerhalb der Reichweite der Wissenschaft liege.« (Carnap 1963, 60)
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Bewegung als Dimension ästhetischer Bildung
Literatur Carnap, Rudolf (1963): Mein Weg in die Philosophie, Ditzingen: Reclam 1993. Deleuze, Gilles (1983): Das Bewegungsbild – Kino Bd. 1, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997. Ehrenspeck, Yvonne/Burkhard Schäffer: Film- und Fotoanalyse in der Erziehungswissenschaft – Ein Handbuch, Opladen: Leske + Budrich 2003. Huber, Hans Dieter: Kunst als soziale Konstruktion, München: Fink 2007. Luhmann, Niklas: Soziale Systeme, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1984. Luhmann, Niklas (1986): »Das Medium der Kunst«, in: Ders.: Schriften zu Kunst und Literatur, hg. von Niels Werber, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2008, S. 123–138. Luhmann, Niklas: Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997. Neurath, Otto: »Protokollsätze«, in: Erkenntnis, 3/1932, S. 204–214. Quine, Willard Van Orman (1960): Wort und Gegenstand, Stuttgart: Reclam 1980. Schulze, Bernd: Sportarten als soziale Systeme. Ansätze einer Systemtheorie der Sportarten am Beispiel des Fußballs, Münster/New York/Berlin et al.: Waxmann 2005 (Edition global-lokale Sportkultur). Singer, Wolf: Der Beobachter im Gehirn. Essays zur Hirnforschung, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002. Spitzer, Manfred: Lernen – Gehirnforschung und die Schule des Lebens, Heidelberg: Spektrum Akademischer Verlag 2002.
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Kerstin Asmussen
Kunstpädagogische Vermittlung als Schnittstelle Eine studentische Perspektive Abstract Der folgende Beitrag beinhaltet Überlegungen zur Forschung in und an der Kunstpädagogik aus studentischer Perspektive. Es soll der Frage nachgegangen werden, wie sich das Studium der Kunstvermittlung zur Forschung in und an der Kunstpädagogik verhält. Die Diskussion einiger theoretischer Positionen des Faches wird mit der Darstellung exemplarischer Einblicke in den Studienalltag verknüpft werden und bezogen auf die eigene Forschungshaltung reflektiert. Im kunstpädagogischen Diskurs liefert die Umstrukturierung der Lehramtsstudiengänge in Bachelor-/Master-Systeme und die daraus resultierende Neuverortung der Kunstpädagogik neue Diskussionskontexte. An der Universität Flensburg erfolgte die Einführung des Bachelor-/Masterstudiengangs Vermittlungswissenschaften im WS 2005/06. Mittlerweile stehen die Studierenden des ersten Durchlaufs, mich selbst eingeschlossen, vor der Erstellung der so genannten Bachelor-Thesis.1 Mithin kann dieser Beitrag auch als ausschnitthafte Dokumentation des Verlaufs der Studienreform gelesen werden.
Forschung aus studentischer Perspektive Umgangssprachlich versteht man unter dem Begriff »Studium« wissenschaftliches Lernen und Forschen. Als Studentin assoziiere ich mit dem Begriff Forschung eine wissenschaftlich-kreative Suchbewegung, an deren An-
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Bachelor-Thesis ist die offizielle Bezeichnung für die ca. 30- bis 40-seitige wissenschaftliche Abschlussarbeit zum Erwerb des Bachelor of Arts der Vermittlungswissenschaften in Flensburg. Im Anschluss an das Bachelorstudium kann nach Wahl ein zweisemestriger Masterstudiengang (Master of Education) angehängt werden, der dann zum Ergreifen des Lehrerberufs befähigt. Meine Bachelor-Thesis, vorgelegt im Mai 2008, widmet sich der Kunstvermittlung in institutionellen Kontexten: Untersuchungsgegenstand im engeren Sinn ist die Hörführung als museumsspezifische Vermittlungsform.
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fang ein bestimmtes Interesse und offene Fragen stehen. Forschen heißt für mich, einen fragenden Blick auf das zu erforschende Objekt zu richten, um es auf neue Weise zu beleuchten. Wie beim Be- oder Ausleuchten auf einer Theaterbühne werden je nach dem Standpunkt des Betrachters und der Ausrichtung der Scheinwerfer unterschiedliche Bereiche ins Licht getaucht, während andere im Dunkeln liegen. Studentische Assoziationen, die im Sommersemester 2007 in einem Kunstwissenschaftsseminar zum Thema Forschung geäußert wurden,2 führten mich zu einer vorläufigen Umschreibung des Begriffs: Forschen ist ein durch Neugier gelenkter Versuch des Heranzoomens zur Gewinnung einer detaillierten und oftmals überraschenden Sicht auf das zu untersuchende Objekt. Je nach Perspektive, Fragestellung, Intention und Setting erhält der Forscher Informationen, deren Auswertung und theoretische Reflexion im Idealfall weiterführende Erkenntnisse über das Forschungsfeld liefern. Forschung ist ein Prozess aus Entwicklung, Weiterentwicklung, Fortschritt und Rückschritt. Oftmals bewirken Zufälle den entscheidenden Blickwechsel auf das Unvorhersehbare. Wie sich Zufälle im Forschungsprozess ereignen können, werde ich später ausführen.
Abb. 1: Studentische Assozitationen zum Forschungsbegriff 2
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Im Rahmen eines Referats zum Thema »Forschende Ansätze. Schnittstellen zwischen Kunst und Wissenschaft« entstanden als Einstieg in das Thema Ästhetische Forschung nach Helga Kämpf-Jansen Assoziationssammlungen zu den Begriffen »Forschung« und »Ästhetik«. Dokumentation beider Begriffssammlungen: http://vermittlungsformen.wordpress.com/
Kunstpädagogische Vermittlung als Schnittstelle
Zoom: theoretische Positionen »KUNST ist das Neue, das Außergewöhnliche, das Abweichende, das Bedeutende, das Schöne und Erhabene, die Arbeit am Noch-Nicht-Darstellbaren, das Provozierende, offene Zeit und unkontrollierte Räume, Schmutz, Unsicherheit, Markt, Wert, Bedeutung, Ruhm … PÄDAGOGIK ist Lernen, Aneignung, vom Vorhandenen nehmen, das Neue im Alten, Wiederholung, Vermittlung, Weitergeben, Schule, Lehrplan, Unterricht, VaterMutter-Kind-Lehrer-Schüler-Verhältnisse, Lernorte, Unterrichtszeiten – die Schule, Institutionen, Aufsicht, Rechtfertigung …« (Hartwig 1996, 4)
In seinen Ausführungen stellt Helmut Hartwig die Kunst als selbstreferenzielle Größe der Pädagogik gegenüber, die er als Disziplin minderwertigen Ansehens beschreibt. Aus den aufgezählten Gegensätzen beider Begriffe ergibt sich für ihn das Spannungsfeld der Kunstpädagogik, welches seines Erachtens im Versuch der Zusammenführung beider Kategorien begründet liegt. Die Lektüre von Wie Institutionen denken von Mary Douglas im Rahmen meines Studiums veranlasst mich jedoch, den Begriff der »Kunst« aus einer anderen – eher soziologischen – Perspektive heraus zu betrachten. Douglas sucht nach einer »Theorie der Institutionen« und beschäftigt sich dabei u.a. mit dem Mikrobiologen, Mediziner und Wissenschaftstheoretiker Ludwik Fleck und seinem Modell der inneren Struktur sozialer Gruppen (vgl. Douglas 1986, 9, 33). Nach Fleck besteht eine Gruppe bzw. ein »Denkkollektiv« vereinfacht gesagt aus einem elitären, meinungsbildenden Kern, der sich um ein gemeinsames »Denkgebilde« formiert und von der breiten Masse der Gruppe umgeben ist. Die so genannte »Elite« prägt über die Schaffung von Tatsachen und »Denkzwängen« den »Denkstil« – definiert als eine bestimmte Art des Denkens und Wahrnehmens innerhalb der Gruppe (vgl. Fleck 1935, 130, 138f.) Davon ausgehend ließe sich »Kunst« als Geflecht von komplexen Beziehungen wie folgt beschreiben:
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Im Kern des Systems definieren und prägen der Kunstmarkt und die Kunstwissenschaften den Kunstbegriff. Ersterer setzt praktische Signale durch Entstehung, Auswahl, Ablehnung und Inszenierung künstlerischer Arbeiten. Die Kunstwissenschaften prägen durch forschende Tätigkeit. Sie verleihen dem System eine wissenschaftliche Grundlage und Legitimation. Die wissenschaftliche Benennung, Aufarbeitung und Reflexion der auf dem Kunstmarkt ablaufenden Prozesse ergeben schließlich den Kunstbegriff. Dieser unterliegt ebenso wie der Kunstmarkt einem zeitlichen Wandel. Dementsprechend wird der Begriff »Kunst« stetig neu verhandelt und diskutiert. Die Geschehnisse und Diskussionen im engeren Kreis der Kunst speisen das Kunstverständnis der breiten Öffentlichkeit. Die Inhalte und Ergebnisse des Kunstdiskurses werden dabei auf verschiedenen Wegen an die Öffentlichkeit getragen. Vermutlich ist die Reichweite des nach außen gerichteten Transfers jedoch begrenzt. Je nach Nähe zum »inneren Kunstkreis« ist die Haltung bzw. das Kunstbewusstsein (vgl. Asmussen 2006, 156) einer Person mehr oder weniger geprägt durch eine aktuelle, veraltete oder stilisierte Auffassung des Kunstbegriffs. Nun stellt sich die Frage: Wie verortet sich die Kunstpädagogik im oben dargestellten System der Kunst? Und wo steht der neue Bachelorstudiengang der Vermittlungswissenschaften? Insofern die kunstpädagogische Tätigkeit als eine theoretische Weiterführung des Kunstdiskurses in Form der Einbeziehung der Öffentlichkeit in das Beziehungsgeflecht der Kunst zu verstehen ist und darüber hinaus die praktische Erprobung und Umsetzung unterschiedlicher Vermittlungsstrategien beinhaltet, stellt sie eine Form der Anwendung von Kunst dar (vgl. Pazzini 2000). Der Bachelorstudiengang der Vermittlungswissenschaften an der Universität Flensburg beleuchtet im kunstpädagogischen Rahmen meist institutionell organisierte Berührungspunkte zur Kunst. Im Zentrum steht die Kunstvermittlung, welche ausgehend von der Kunst und künstlerischen Praktiken über den Kontakt zu kunstvermittelnden Institutionen projektorientiert erforscht und reflektiert wird.3 Das Studium eröffnet mit spezifischen Inhalten, Themen und Impulsen spezielle Sichtweisen auf die Kunstpädagogik und prägt damit das eigene Forschen. Der Bachelorstudiengang der Vermittlungswissenschaften selbst ist 3
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Informationen zum Studium der Vermittlungswissenschaften an der Universität Flensburg: Allgemein: http://www.uni-flensburg.de; Fachbereich Kunst: http://www.iaekb-flensburg.de/eignungsprfung.html.
Kunstpädagogische Vermittlung als Schnittstelle
derart als Ausgangs- und Bezugssystem für die jeweilige Herangehensweise an die Forschung in und an der Kunstpädagogik mitzureflektieren. Die folgenden Einschübe aus dem Studienalltag sollen dies exemplarisch verdeutlichen.
Praxis der Institution: Universität »In einer kulturellen Institution soll jeder Teilnehmende ein (realisierbares) Praxisprojekt durchführen, in dem eine Schnittstelle zur Öffentlichkeit mittels medialer und künstlerischer Praxis realisiert wird. Dabei sollen institutionelle Rahmenbedingungen und Kontexte neu thematisiert und reflektiert werden.«4 In der Umsetzung: Die Erstellung einer kulturellen Audiomap in Kontakt zum Flensburger Kulturbüro – die inhaltliche Aufarbeitung des Kapitänswegs in Zusammenarbeit mit dem Flensburger Schifffahrtsmuseum – ein Konzeptentwurf für ein Informations- und Orientierungszentrum für die Stiftung Schleswig-Holsteinischer Landesmuseen Schloss Gottorf … An ähnlichen Projekten arbeiten Constanze Eckert 5 und Carmen Mörsch.6 Die von ihnen verwendete Metaphorik kann auch als treffende Beschreibung unseres Tuns an der Universität Flensburg gelesen werden: »Das Ziel: Wir möchten den Bau des Tunnels in verschiedenen Phasen transparent machen: dabei wollen wir mit allen Beteiligten, den Aktiven und den Passiven ›In die Tiefe gehen‹: unser aller Wahrnehmung für Verbindungen und Schnittstellen sensibilisieren und schärfen: ›wir graben uns durch‹ und schaffen neue Bezüge!« (Mörsch/Eckert 2007, 158) Kunstvermittlung, wie ich sie im Verlauf meines Studiums erprobe und reflektiere, unterliegt einer institutionellen Rahmung und institutionell bedingten didaktischen Konzepten. Die institutionellen Rahmungen unterscheiden 4 5 6
Auszug aus der Aufgabenstellung zum Praxisprojekt für BA-Studierende des 5. Semesters im WiSe 2007/2008 unter der Leitung von Dr. Sara Burkhardt und Dr. Christine Heil. Constanze Eckert ist Künstlerin und Kunstvermittlerin, MA am Institut für Kunst im Kontext, UdK Berlin. Carmen Mörsch: Juniorprofessorin am Kulturwissenschaftlichen Institut KUNST – TEXTIL – MEDIEN an der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg; u.a. wissenschaftliche Begleitung und Beratung der Vermittlung auf der documenta 12.
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sich in der Organisation der Vermittlungsprozesse und damit in der Ansprache verschiedener Zielgruppen unter Aufwendung und Nutzung unterschiedlicher Medien und Vermittlungsstrategien. Wenngleich das Studium Freiräume für das Ausloten verschiedener medialer Möglichkeiten und Strategien der Vermittlung bietet, bleibt die Frage, was eigentlich den Kern des Vermittlungsgeschehens ausmacht. Auf diese Frage antwortete mir ein Kommilitone: »Vermittlung umfasst die Anwendung von verschiedenen mehr oder weniger effizienten Methoden und Überlegungen zur Übertragung von Wissen.«
Vermittlung Die Suchergebnisse meiner Internetrecherche zum Begriff »Vermittlung«, lassen mich auf die folgende Begriffsbedeutung schließen: Vermittlung, im Alltagsgebrauch, bezeichnet die Weitergabe von Informationen um jemandem die Kontaktaufnahme zu einer bestimmten Person, Institution oder einem Gegenstand zu ermöglichen. Die Vermittlungstätigkeit ist damit ein helfendes Angebot als zwischengeschaltete Instanz auf dem Weg zu einer bestimmten Erkenntnis. Dieser Ansatz der Begriffbestimmung eröffnet zunächst einen schlicht funktionalen Bedeutungszusammenhang. Bei genauerer Betrachtung wird allerdings eine Besonderheit deutlich, die den Vermittlungsbegriff für mich interessant werden lässt: Alle aufgeführten Vermittlungsangebote erweitern den persönlichen Handlungsspielraum und evozieren nachfolgende Prozesse, die ohne die vorangehende Vermittlung möglicherweise nicht zustande gekommen wären. Der Vermittlung kommt damit eine Schlüsselfunktion zu, wobei die Art und die Umsetzung der entstehenden Verbindungen offen bleiben. Die Vermittlungstätigkeit ist impulsgebend für etwas Neues. Vermittlung geht also nicht in der bloßen Wissensvermittlung auf, sondern findet dort einen Anfangs- und Ausgangspunkt! Dies wird auch im Konzept der documenta 12 deutlich, die einen besonderen Schwerpunkt auf die Kunstvermittlung setzte. In einem Interview des BDK mit Ulrich Schötker (Leiter der Vermittlung, documenta 12), heißt es: »Die eigene Subjektivität kann in Vermittlungsprozessen ein wichtiger Anfangspunkt sein, Kunstbetrachtung zu suggerieren. Damit steht die eigene Übersetzung zur Disposition und ermöglicht anderen, sich ebenfalls, und zwar immer different, dazu einzubringen. Man sollte dabei die eigenen Methoden offen legen. Kunstinterpretation ist ja kein Geheimnis.
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Kunstpädagogische Vermittlung als Schnittstelle
[…] Geheimnisvoll wird es aber dann, wenn die VermittlerInnen beginnen, mit dem Publikum zu kommunizieren, und wenn das Publikum beginnt, das Gespräch über Kunst zu kultivieren, oder Formen findet, die man weder den Werken, der Ausstellung noch sich selbst zugeschrieben hätte.« (Schötker 2007, 5) Schötkers Bemerkungen lassen sich insofern zur Unterstützung meiner bisherigen Überlegungen zur Vermittlung heranziehen, als nicht die Kunstinterpretation, sondern die daraus erwachsenden Kommunikationsprozesse ins Zentrum des Interesses gerückt werden. Aus der Vermittlungstätigkeit heraus soll die Möglichkeit für etwas Neues und Unvorhersehbares gegeben werden. Deutlich wird: Forschung und Vermittlung sind untrennbar ineinander verschränkt, zeitigen ähnliche Effekte. Weiter oben habe ich über den Forschungsprozess geschrieben: Oftmals bewirken Zufälle den entscheidenden Blickwechsel auf das Unvorhersehbare. Ich frage mich nun, wie im Rahmen der Vermittlung ein solcher Blickwechsel initiiert werden kann. Wie müssten Projekte der Kunstvermittlung konzipiert sein, um in einer spannenden Inszenierung neue Assoziationsfelder zu öffnen, eine neue Sicht auf das Werk zu geben und damit Katalysator für einen individuellen Beschäftigungsprozess mit Werk und Thema zu sein? In diesem Zusammenhang kann das Spannungsfeld zwischen Kunst und Pädagogik – wie es von Hartwig beschrieben wird – sowohl im Rahmen der Vermittlung als auch für forschende Tätigkeiten als produktives Element betrachtet werden. Es ergeben sich daraus möglicherweise Reibungspunkte, die zum Querdenken anregen und das Querdenken kann, ausgehend von Fleck, als Basis für neue Sichtweisen und damit die Weiterentwicklung eines »Denkstils« verstanden werden. Fleck spricht von »interkollektivem Denkverkehr« und meint damit die Möglichkeiten, die sich aus kommunikativen Austauschprozessen als Form der Kontaktaufnahme mit anderen »Denkstilen« und »Denkwelten« ergeben (vgl. Fleck 1935, 144). Für mich bietet das jährlich stattfindende kunstpädagogische Kolloqium in Loccum7 eine Austauschplattform in diesem Sinne. Sowohl im Rahmen forschender als auch vermittelnder Tätigkeit geht es m.E. um die Ausbildung einer Haltung, die sich verschiedensten Gedanken und Bezügen hin öffnet, diese einem eigenen Interesse folgend miteinander ver-
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Nähere Informationen unter http://loccum.edublogs.org/
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knüpft, zu neuen Denkgebilden vernetzt und dabei gleichzeitig die eigenen Denkweisen als Produkt aus der Teilhabe an verschiedenen »Denkkollektiven« hinterfragt. Davon ausgehend thematisiere ich in meiner Bachelor-Thesis die Möglichkeiten und Grenzen von Hörführungen als spezifische Form der Kunstvermittlung im institutionellen Rahmen des Museums. Dabei interessiere ich mich weiterführend für die kunstpädagogischen Spielräume, die sich möglicherweise ergeben, wenn eine Hörführung nicht nur als Vermittlungsform, sondern als gestaltbares Medium der Kunstvermittlung verstanden und angewendet wird.
Literatur Asmussen, Kerstin: »›MedienKunstBewusstsein‹ Gedanken zur Kunstpädagogik aus der Perspektive einer Studentin angeregt durch die MedienKunstVorträge«, in: Blohm, Manfred (Hg.): Texte zur Medienkunst, Flensburg: University Press 2006 (Schriftreihe Medien-Kunst-Pädagogik 1), S. 149–163. Douglas, Mary (1986): Wie Institutionen denken, übersetzt von Michael Bischoff, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1991. Fleck, Ludwik (1935): Entstehung und Entwicklung einer wissenschaftlichen Tatsache. Einführung in die Lehre vom Denkstil und Denkkollektiv, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1980. Hartwig, Helmut: »Über die Kunst, ihren Begriff und was sie mit der Pädagogik zusammen kann und was nicht«, in: BDK-Mitteilungen, 32. Jg., Heft 1/1996, S. 4f. Mörsch, Carmen/Constanze Eckert: »›Kunst für die Baustelle – Vermittlung‹ in der Kunstschule Lingen«, in: Mörsch, Carmen/Landesverband der Kunstschulen Niedersachsen/Carl von Ossietzky Universität Oldenburg (Hg.): Schnittstelle Kunst –Vermittlung, Bielefeld: transcript 2007 (Schriften zum Kultur- und Museumsmanagement), S. 154–160. Pazzini, Karl-Josef: »Kunst existiert nicht, es sei denn als angewandte«, in: BDK-Mitteilungen, 36. Jg., Heft 2/2000, S. 34–39. Schötker, Ulrich: »… ein Publikum zu bilden …«. Gespräch der Redaktion der BDK-Mitteilungen mit Ulrich Schötker, dem ›Leiter der Vermittlung‹ der documenta 12, in: BDK-Mitteilungen, 43. Jg., Heft 2/2007, S. 2–5.
Abbildung Abb. 1: Studentische Assozitationen zum Forschungsbegriff. Eigene Arbeitsdokumentation zum Seminar »Kunstwissenschaft III – Kunst der Gegenwart« unter der Leitung von Dr. Christine Heil, SoSe 2007, im Besitz der Autorin.
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Die eigenArtige Präsentation Der folgende Beitrag skizziert ein Forschungsprojekt, welches aus einem didaktischen Entwurf an der Schnittstelle zwischen bildender und darstellender Kunst an der Clara-Grunwald-Schule bei Hamburg entstand. Im Rahmen meiner Dissertation an der Universität Hamburg im Fachbereich Erziehungswissenschaft/Ästhetische Bildung werde ich die hier grob umrissenen Fragestellungen anhand von Fallstudien als qualitativ-empirische Studie anlegen. Dabei soll die von mir entwickelte didaktische Methode der eigenArtigen Präsentation zugleich als performative Datenerhebungsmethode fungieren. Unter dem Arbeitstitel Ästhetisches Erfahren mit Kindern1 performativ kommunizieren werden an fünf Falldarstellungen mögliche Indizes und Strukturmerkmale ästhetischen Erfahrens entlang ihrer »Bruchlinien« (Waldenfels 2002a, 9) sowie die Wirkungspotenziale der zur Anwendung kommenden Wahrnehmungs- und Gestaltungsverfahren rekonstruiert. Bei der Rekonstruktion von (ästhetischen) Erfahrungen orientiere ich mich an der Arbeit von Andrea Sabisch (vgl. Sabisch 2007). Unter Berücksichtigung bildgebender, theatraler und performativer Verfahren, die in die Wissensproduktion der Wissenschaften inzwischen Einzug gehalten haben, zeigt der vorgestellte Ansatz, dass Wissenschaft selbst artifizielle Praxis ist – und dass sie als solche neue Formen kunstpädagogischen Handelns ermöglicht. Ausgehend von einer in den Kunstunterricht integrierten kunstpädagogischen Forschung wird das Modell einer gleichberechtigten Lern- und Forschergemeinschaft entfaltet. In diesem Zusammenhang wird künstlerische im Unterschied zur wissenschaftlichen Praxis als spezifische Erkenntnisweise betrachtet. Die Wahrnehmungs- und Gestaltungsprozesse der Kinder werden nicht hermeneutisch als Text – als das in der Repräsentation Repräsentierte – gelesen, sondern sie werden aufgrund ihrer performativen Strukturen
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Ich spreche im Folgenden von ›Kindern‹, um der Einfachheit halber die Ausformulierung ›Schülerinnen‹ und ›Schüler‹ zu umgehen. Diese Bezeichnung trifft auch die Altersstruktur meines Bezugssystems der Grundschule.
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als Hervorbringung von Wirklichkeit im Sinne einer Inszenierung (vgl. Stenger 2007)2 verstanden und rekonstruiert. Dabei sind performative Strukturen des Dargestellten und performative Strukturen der Herstellung der Darstellung zu unterscheiden und in Hinblick auf das Ereignis des Sich-Zeigens von Bedeutung. 3
Forschungsleitende Fragen Forschend am Was und Wie der Rekonstruktion performativer Hervorbringung von Wirklichkeit richte ich meine Aufmerksamkeit auf deren Wirkungspotenzial. Mit der Frage aber, wie Künste – bildende wie darstellende (jeweils in der produktiven wie in der rezeptiven Perspektive) – auf den Menschen wirken, ist die Frage verbunden, wie man solche Wirkungen entlang der Strukturen von Gestaltungsprozessen überhaupt erfassen und bildungstheoretisch relevante Zusammenhänge ästhetischer Praxis beschreiben kann. So lauten meine Fragen als forschende Lehrende: 1. Wie sieht ein Versuch aus, der das Erfahren – als Gegenstand von Forschung im Bereich der ästhetischen Bildung im Unterricht initiiert und untersucht? 2. Wie können Indizes ästhetischer Erfahrung überhaupt wahrgenommen, reproduziert und am Material entlang kommuniziert werden? 3. Welche Anforderungen an das Profil von Unterricht und an das Profil von Forschung stellen sich dabei?
Zum Begriff von Forschung Forschung wird hier als »Umgang mit dem Nichtwissen« (Rheinberger 1999, 415), Forschen als »Navigieren an den Grenzen des Nichtswissens« (Busse 2007) skizziert. In Anlehnung an theoretische Ansätze, die unter dem Namen performative turn zusammengefasst werden können, wird von der Annahme ausgegangen, dass veränderte Wissensformen die Form der Öffent2
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In Ästhetik des Erscheinens definiert Martin Seel Inszenieren als »Erscheinen lassen«; vgl. Seel 2003. Hilbert Meyer nennt Unterrichtshandlungen auch »Inszenierungstechniken«; vgl.: Meyer 2007, 205. Vgl. die Auswertungsmethode: Die ›formulierende Interpretation‹ fragt mit »was wird thematisch?« nach dem Bedeutungserzeugnis, die ›reflektierende Interpretation‹ als zweiter Schritt der dokumentarischen Methode der Interpretation nach dem vorgängigen Orientierungsrahmen und den spezifischen Wahrnehmungsweisen im Sinn einer ›kulturellen Praxis‹, die sich immer im Hintergrund des Bedeutungserzeugnisses befindet.
Die eigenArtige Präsentation
lichkeit von Forschung verändern. Dies wiederum stellt die Forschung vor neue Aufgaben, wobei zugleich neue Perspektiven ins Spiel gebracht werden, die neue Möglichkeiten für methodisches Vorgehen eröffnen. Ästhetisches Erfahren wird vor diesem Hintergrund zum kollektiven Experiment, in dem im Maßstab 1:1 und in Echtzeit experimentiert wird (Latour 2001, 31). Hier sind Forschen, Lehren und Lernen keine getrennten, sondern an der Produktion von Wissen über den Gegenstand der ästhetischen Erfahrung und gleichzeitig an deren performativer Kommunikation gleichermaßen beteiligten Bereiche. Meine Forschung ist von der Idee geleitet, den Fokus auf die Präsentation des Wissens über den Forschungsgegenstand zu lenken. Mit der eigenArtigen Präsentation 4 steht ein geeignetes Verfahren zur Verfügung, um zugleich die Generierung dieses Wissens zu vollziehen und mit-teilbar zu machen.
Praktisches Nach dem Motto der Reggiopädagogik »Hundert Sprachen hat das Kind« bot das Projekt Fantastische Fotoforscher, das in einer Hamburger Grundschule für eine gemischte Gruppe von elf sprachförderbedürftigen Erst- bis Viertklässlern stattfand, vielfältige Möglichkeiten für produktives und rezeptives Erleben, Wahrnehmen und Reflektieren in den Bereichen Darstellendes Spiel und Theater, Tanz, Bewegung, Spiel und Sport, Video und Fotografie, Akrobatik und Clownerie, Bildender Kunst und der Performance als Vernetzungsform ästhetischer Ausdrucksweisen. In der ersten Projektphase wurde in den verschiedenen Bereichen performativ-pragmatisch, prozessästhetisch und interdisziplinär gearbeitet. In der Improvisation als Entdeckung von Zusammenhängen, die im Vorbewussten existieren und in körperlichen Reaktionen entstehen, lag der Schwerpunkt auf Experimentierverhalten im Umgang mit dem körperlichen Bewegungsund Handlungsspektrum, mit Materialien, Raum, Zeit und der eigenen Wahrnehmung. Der Arbeitsprozess der zweiten Projektphase glich von der Struktur und den Regeln der oben beschriebenen Praxis, wurde aber mit einer konkreten Ge4
Die eigenArtige Präsentation entstand in Anlehnung an das Format der Wissenspräsentation des Workshops show and tell/Sagen und Zeigen im FUNDUS Forschungstheater unter der Leitung von Sibylle Peters und Armin Chodzinski, 23./24.03.2007.
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staltungsaufgabe verknüpft: Der intuitive Zugang zum eigenen Erfahren sollte nun Gegenstand der Reflexion werden. Die grobe Struktur der Wahrnehmungs- und Gestaltungsprozesse der Kinder entstand aus den folgenden Impulsen bzw. Aufgabenstellungen, die eine Kombination verschiedener Verfahren, Aktionsformen und Inszenierungstechniken anregten: 1. Anlegen einer eigenen Sammlung von bedeutsamen Fotografien (dem Dokumentationsmaterial der ersten Phase) Die Organisation der Sammlung von Fotografien, als materialisierte Erinnerungsträger leibsinnlichen Erlebens, und die fotogeleitete Hervorlockung (vgl. Harper 2007, 414f.) eines Erzählimpulses und einer Bildinterpretation waren die ersten Schritte, welche die Kinder ihr Erleben fokussieren und gewichten ließen. 2. Reflexion der Auswahlkriterien im Fotobuch Den Raum der subjektiven Resonanzen und der unbewussten Bezugnahme ins Spiel bringend, erhielten die Kinder die Aufgabe, die gewählten Fotos zu betiteln. Damit kamen die Kinder – ähnlich einem visualisierenden Soziologen (vgl. Harper 2007, 415) – ihren Selbstbildern, Körperkonzepten, emotionalen, intuitiven und kognitiven Erinnerungen oder gegenwärtigen Assoziationen auf die Spur. 3. Spezialisierung und Arbeit an individuellen Forschungsvorhaben Im nächsten Verfahren, dem Reenactment wurde das Erleben gewissermaßen durch die Fotografie hindurch betreten. An ausgewählten Fotografien entspannen sich als Wiedereinstieg in das Erlebte die individuellen Forschungsprojekte. 4. Eigene Impulse/Irritationen/Fragen in ein eigenes Forschungsprojekt umsetzen, Verarbeiten und Veröffentlichen eigener und fremder Erfahrung in der eigenArtigen Präsentation im Rahmen einer Lecture Performance. Angelehnt an die Leitlinien des Forschungstheaters 5 und das Konzept der Ästhetischen Forschung (vgl. Kämpf-Jansen 2001) entstanden die Forschungsprojekte als offene Verfahren im Kunstunterricht. Konstituierend dafür sind 5
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1. Jeder ist ein Forscher. 2. Die Verbreitung und die Entwicklung von Wissen durchdringen einander. 3. Ein Projekt des Forschungstheaters ist dann gelungen, wenn die Untersuchung selbst und die szenische Darstellung ihrer Ergebnisse ineinander greifen. 4. Das Publikum ist aktiver Teil der Performance. 5. Andere Wissensformen treten mit wissenschaftlicher Erkenntnis in einen gleichberechtigten Dialog. Vgl. Peters 2002–2007.
Die eigenArtige Präsentation
vorwissenschaftliche, an Alltagserfahrungen orientierte Verfahren, künstlerische Strategien und Kunstkonzepte aktueller Kunst, wissenschaftliche Methoden und die Selbstreflexion. Mit der Methode des show and tell/Sagen und Zeigen6 verwandelt sich auch das Format der Wissenspräsentation in ein Forschungslabor. In der von mir geforderten Präsentation griffen die Kinder ihr beforschtes ästhetisches Erleben, ihre ästhetische Erfahrung performativ auf und generierten sie damit gleichzeitig nach der Eigenlogik ihrer Vorgehensweise im Sinne einer Dokufiction (vgl. Peters 2002–2007).
Methodisches Forschungsmaterial ist das performativ kommunizierte Wissen der Kinder über deren eigene Wahrnehmungsweisen des ästhetischen Erfahrens, das in fünf Falldarstellungen dokumentiert wurde. In den Falldarstellungen werden verschiedene mediale Darstellungsweisen – Fotos, Interviewsequenzen, Feldnotizen und Videosequenzen kombiniert. In Analysen der Fotorezeption, der Weise des forschenden und organisierenden Umgangs und einer Inszenierungsanalyse 7 der eigenArtigen Präsentation, gehe ich nach der dokumentarischen Methode der Interpretation von Ralf Bohnsack vor. Die dokumentarische Methode eröffnet »einen Zugang nicht nur zum reflexiven, sondern auch zum handlungsleitenden Wissen der Akteure und damit zur Handlungspraxis« (Bohnsack/Nentwig-Gesemann/Nohl 2007, 9). Das implizite Wissen der »konjunktiven Erfahrung« wird so durch die Explikation im »kommunikativen Erfahrungsraum« (vgl. Sabisch 2007, 208f.) zur Basis der praxeologischen Methodologie, auf die ich mich beziehe.
Theoretisches Die Analyse der Fallstudien im Zusammenhang mit den didaktischen Impulsen, die Analyse der Projektgestaltung und die gesamte theoretische Verortung sind schließlich Erkenntnisse induktiven wissenschaftlichen Vorgehens, welches ästhetische Praxis, Forschen, Lehren und Lernen gleichermaßen miteinbezieht.
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Mit show and tell verwandelt sich das Format der Wissenspräsentation in ein Forschungslabor als Theater der Repräsentation. Vgl. Handout zum Wokshop show and tell/Sagen und Zeigen am 23./24.03.2007 im FUNDUS Forschungstheater. Performanceanalyse nach Kategorien des postdramatischen Theaters. Zur Theorie des postdramatischen Theaters vgl. Lehmann 2005.
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In den Fallstudien über die Wahrnehmungs- und Gestaltungsprozesse der Kinder wird die methodische Rekonstruktion möglicher Indizes ästhetischen Erfahrens versucht. Theoretische Bezugspunkte bilden sowohl die »Ästhetik des Performativen« (vgl. Fischer-Lichte 2004) als auch in Bezug auf die Komplikationen des Theorems – seine Komplexität, seine Verortung und des Postulats der Fremdheit – die Theorie des Übergangsraums (vgl. Winnicott 1971) und der subjektiven Resonanzen (vgl. Combe/Gebhard 2007, 57), das Konzept des Embodiment (vgl. Fischer-Lichte 2001) und Arbeiten von Bernhard Waldenfels (vgl. Waldenfels 2002a; 2002b; 2004; 2007). Zur Auswertung der Fallstudien stelle ich die Strukturen der Darstellung ins Zentrum und verfolge anschließend die Strukturen ihrer Herstellung. Damit liegt die Betonung auf dem Wie des Reenactments einschließlich der Fotorezeption. Ich wende zunächst die ›formulierende Interpretation‹ an, mit der das vielfältige Material unter der Frage, was thematisch wird, untersucht wird. In einem weiteren Schritt der Auswertung folge ich dem Verfahren der ›reflektierenden Interpretation‹. Das, was thematisch wird, wird nun gesondert unter der Frage betrachtet, wie oder in welchem Orientierungsrahmen es verhandelt und be-deutet wird. Dabei werden aus dem Forschungsmaterial Muster dafür generiert, wie sich Kriterien für den Orientierungsrahmen, Wechsel, Brüche und damit mögliche Strukturmerkmale ästhetischer Erfahrung im Zusammenhang mit der Unterrichtssituation rekonstruieren lassen. »Da sich der Orientierungsrahmen erst vor dem Vergleichshorizont anderer Fälle in konturierter und empirisch überprüfbarer Weise herauskristallisiert« (Bohnsack 2007, 15), werden dafür im dritten Arbeitsschritt der komparativen Analyse fünf Fallstudien kleinschrittig in allen ihren Prozessphasen auf Vergleichshorizonte hin überprüft. Mit dem Fokus auf zentrale Momente und Beschreibung der Wege von Transformationen werden die Fallstudien verglichen und explorierte Strukturen ästhetischer Prozesse diskutiert. Mit der Generierung von Fragen und der Formulierung von Tendenzen erfolgt abschließend der Übergang des Materials zu den Anschlussstellen der Theoriebildung.
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Die eigenArtige Präsentation
In der Auswertung der Projektgestaltung und des konzeptionellen Ansatzes wird die Verschränkung von Unterrichts- und Forschungsvorgehen als spezifische Inszenierungstechnik ausgewertet. Darüber hinaus werden die Wirkungspotenziale der zur Anwendung kommenden Wahrnehmungs- und Gestaltungsverfahren herausgearbeitet. Welche spezifischen Qualitäten dieser kunstpädagogischen Methode und des Forschungsansatzes ausgewertet werden können, soll in der Dissertation vor dem Hintergrund einer erfahrungsbezogenen Lerntheorie, 8 einer performativ-pragmatischen Künstlertheorie 9 und eines Forschungsansatzes, der künstlerische Recherche als Performance as Research in Practice (vgl. PARIP 2007) vertritt, untersucht werden.
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Im Sinne des »Lernen als Transformation von Erfahrung« nach Combe/Gebhard 2007. Im Sinne einer »Erfahrung als spezifischer Wahrnehmungsweise« nach der Theorie des devising theatre. Vgl. Oddey 2007.
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Literatur Bohnsack, Ralf/Iris Nentwig-Gesemann/Arnd-Michael Nohl: »Einleitung. Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis«, in: Dies. (Hg.): Die dokumentarische Methode und ihre Forschungspraxis. Grundlagen qualitativer Sozialforschung, Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2007. Busse, Klaus-Peter: Kunstpädagogische Situationen kartieren, Hamburg: University Press 2007 (Kunstpädagogische Positionen 15). Combe, Arno/Ulrich Gebhard: Sinn und Erfahrung. Zum Verständnis fachlicher Lernprozesse in der Schule, Opladen/Farmington Hills: Barbara Budrich 2007. Fischer-Lichte, Erika (Hg.): Verkörperung, Tübingen/Basel: Francke 2001. Fischer-Lichte, Erika: Ästhetik des Performativen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2004. FUNDUS Forschungstheater: Handout zum Wokshop show and tell/Sagen und Zeigen am 23./24.03.2007 im FUNDUS FORSCHUNGSTHEATER, Hamburg. Harper, Douglas: »Fotografien als sozialwissenschaftliche Daten«, in: Uwe Flick/Ernst von Kardorff/Ines Steinke (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek: Rowohl 2007, S. 402–416 (rowohlts enzyklopädie). Kämpf-Jansen, Helga: Ästhetische Forschung. Wege durch Alltag, Kunst und Wissenschaft. Zu einem innovativen Konzept ästhetischer Bildung, Köln: Salon Verlag 2001 (Diskussionsbeiträge zur ästhetischen Bildung 2). Latour, Bruno: »Ein Experiment von und mit uns allen«, in: DIE ZEIT 16/2001, zitiert nach http://www.zeit.de/2001/16/200116_latour.xml vom 23.08.2007. Lehman, Hans-Thies: Postdramatisches Theater, Frankfurt a.M.: Verlag der Autoren 2005. Meyer, Hilbert: Leitfaden Unterrichtsvorbereitung, Berlin: Cornelsen 2007 (Neuauflage). Oddey, Alison: Devising Theatre. A Practical and Theoretical Handbook, London/New York: Routledge 22007. PARIP Forschungsnetzwerk, Homepage: http://www.bris.ac.uk/parip/faq.htm vom 23.08.2007. Peters, Sibylle: »Was ist das Forschungstheater?«, in: Das Forschungstheater im FUNDUSTHEATER. Publikation des FUNDUSTHEATER in Kooperation mit PROFUND Kindertheater e.V. Hamburg (o.V.) 2002–2007. Peters, Sibylle: »Spin Doctors: eine provisorische Poetologie der Lecture-Performance«, in: Ulrike Bergermann/Christine Hanke/Andrea Sick (Hg.): Überdreht. Spindoctoring, Politik, Medien, Bremen: Thealit 2006, S. 121–131. Rheinberger, Hans-Jörg: »Strukturen des Experimentierens: Zum Umgang mit dem Nichtwissen«, in: Hans E. Bödeker/Peter H. Reill (Hg.): Wissenschaft als kulturelle Praxis 1750–1900, Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1999, S. 415–422. Sabisch, Andrea: Inszenierung der Suche. Vom Sichtbarwerden ästhetischer Erfahrung im Tagebuch-Entwurf einer wissenschaftlichen Grafieforschung, Bielefeld: transcript 2007 (Theorie Bilden 9). Seel, Martin: Ästhetik des Erscheinens, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2003. Stenger, Ursula: »Zum Ereignischarakter von Bildungsprozessen«, in: Christoph Wulf/Jörg Zirfas (Hg.): Pädagogik des Performativen. Theorien, Methoden, Perspektiven, Weinheim/Basel: Beltz 2007, S. 59–71. Waldenfels, Bernhard (2002a): Bruchlinien der Erfahrung – Phänomenologie, Psychoanalyse, Phänomenotechnik, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002. Waldenfels, Bernhard (2002b): Das leibliche Selbst, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002. Waldenfels, Bernhard: Phänomenologie der Aufmerksamkeit, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2004. Waldenfels, Bernhard: Antwortregister, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2007. Winnicott, Donald W. (1971): Vom Spiel zur Kreativität, Stuttgart: Klett Cotta 112006.
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Randgängiges Interdisziplinäres Entgrenzendes Erweiterndes
Manuel Zahn
Film-Bildung Mit dem Titel sind Material und auch theoretischer Horizont meiner derzeitigen Forschung bereits, wenn auch erst sehr grob, benannt.1 Ich frage nach den bildenden Potenzialen des Films,2 genauer: nach den bildenden Potenzialen subjektiver Film-Erfahrung. Mein Ziel ist es, nicht nur vorliegende Aussagen zum Film und seiner bildenden Wirkung zu korrigieren und zu erweitern, sondern auch die Bildungstheorie mittels der Film-Erfahrung zu präzisieren. Beides setzt eine theoretische Arbeit an der Medialität des Films voraus. Die Lektüre historischer und aktueller filmpädagogischer Texte zeigt, dass die Autoren glauben, das Medium Film auf den Begriff gebracht zu haben, es in Gänze zu kennen. Sie verkennen dabei die komplexe Medialität des Films, die sie bestenfalls in Teilen beschreiben. Mit dem Verkennen der Medialität des Films geht zugleich ein verkürzter, instrumenteller Bildungsbegriff einher.
Film-Bildung. Über den Binde-/Trennstrich Film und Bildung gehören nicht unmittelbar und nicht unbedingt zusammen. Sie müssen zusammengebracht werden, so wie es zuletzt im medienpädagogischen Diskurs im Begriff Filmbildung geschehen ist. Ich beschreibe die Relation von Film und Bildung vorsichtig mit einem Bindestrich, der gleichsam als Trennstrich zu lesen ist. Warum? Bezogen auf die Kunstpädagogik hat Karl-Josef Pazzini auf die Problematik aufmerksam gemacht, dass sich entweder der pädagogische bzw. erziehungswissenschaftliche Diskurs der Kunst bemächtige oder umgekehrt:
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Diese Forschung findet statt im Rahmen meines Dissertationsprojektes, das von Karl-Josef Pazzini und Michael Wimmer an der Universität Hamburg betreut wird. Wenn nicht genauer spezifiziert, verwende ich den Begriff Film nicht ausschließlich im technischen Sinne von Zelluloid oder seiner technischen Produktions- und Aufführungsbedingungen, sondern als bewegte, audiovisuelle Bilder, wie es im amerikanischen movie, der Kurzform von moving pictures, noch durchschimmert.
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»Kolonialistische Versionen tauchen aus beiden Richtungen auf: Sie verstehen entweder das Unterrichten als einen künstlerischen Prozess oder die Kunst als content für ihre ausgebrannten pädagogischen Denk- und Handlungsfiguren«. (Pazzini 2005, 11) Sein Vorschlag, um den widerstreitenden Diskursen gerecht zu werden und nicht einer der genannten kolonialistischen Versionen zu verfallen, wäre »eine immer wieder in Auflösung befindliche […] KunstPädagogik zu entwerfen« (Pazzini 2005, 17), die als theoretisch-didaktischer Entwurf die Mangelhaftigkeit und Unterschiedlichkeit beider zu vermittelnder Diskurse mitthematisiert. Ein paradoxes Unternehmen, das nicht zu Vermittelnde vermitteln zu wollen. Im aktuellen filmpädagogischen Diskurs sehe ich unter dem Begriff der Filmbildung eine ähnliche hegemoniale Tendenz am Werke. Dort verliert in einem politisch zu nennenden Kampf der Film als Medium künstlerischer Praxis an Bedeutung und wird zum Instrument pädagogischer Ziele und didaktischer Konzepte. Bei aller Verschiedenheit und gegenseitiger Kritik filmpädagogischer Ansätze gibt es eine entscheidende Gemeinsamkeit. Der Film wird durchweg positiv3 bestimmt: entweder als technisches Werkzeug, als Informant und Repräsentant von Beschreibungen persönlicher wie gesellschaftlicher Verhaltensweisen, von Kulturen und Gruppierungen oder als Text, der gelesen und verstanden bzw. interpretiert werden kann. Der Film wird dabei auf seinen sichtbaren Inhalt, auf seine dramaturgischen und narrativen Strukturen oder auf seine technischen Bedingungen reduziert. In diesen Theorien wird Film zu einem Medium unter vielen Medien. Die Rede von »den Medien« verweist dabei auf eine Vergegenständlichung und Sekundarisierung der Medien, denen sich die Subjekte als Mittel oder technische Werkzeuge für ihre Sinnintentionen bedienen zu können glauben. Hinsichtlich ihres Begriffs von Bildung lässt sich die medienpädagogische Debatte ebenfalls grob nach zwei Konzeptionen unterscheiden. Beide korrelieren mit dem zuvor skizzierten instrumentellen Verständnis von Film. Filmbildung wird gemacht, ist didaktisch-konzeptionell plan- und herstellbar. Bildung wird dabei als Erwerb von Wissen und von Kompetenzen4 gedacht.5
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»Positiv« ist im Sinne eines »positiven Befunds« zu verstehen und referiert auf eine positivistische, erkenntnistheoretische Praxis, die nur sinnlich erfassbare, beispielsweise sichtbare Daten in ihre Untersuchungen einbezieht. Vgl. zum Kompetenz-Begriff im medienpädagogischen Diskurs: Baacke 1999.
Film-Bildung
Beide Thematisierungsformen von Bildung verstehen die Nutzung und Reflexion von Film in erster Linie als Reservoir eines Verfügungs- und Faktenwissens und möchten daher den Film als handhabbares Bildungsvermittlungsinstrument einsetzen. Derart wird Bildung konzipiert als Figuration des medienkompetenten Reflexionssubjekts, das sich aller in unserer Gesellschaft zur Verfügung stehender Medien souverän bedient. In dieser Perspektive wird das Subjekt als ein den Medien vorgängiges Sinnzentrum angesprochen, das es als Ich-Instanz vor den bzw. ohne die Medien gäbe. Ein Ich, das Medien nur gebrauchte, um sich ausdrücken zu können. Verkannt und ausgeschlossen wird in den skizzierten medienpädagogischen Positionen die apriorische und konstitutionelle Dimension des Medialen, die eine vom Poststrukturalismus inspirierte Medientheorie im Hinblick auf die Bildung des Subjekts herausgearbeitet hat. Diese kritisiert das Konzept des autonomen, selbstreferenziellen Vernunftsubjekts und richtet ihre Aufmerksamkeit auf seine Medialität und deren Wirkungen. Für das poststrukturalistische Denken ist Subjektivität nichts natürlich oder metaphysisch Gegebenes, sondern etwas, das sich in einem komplexen, mediatisierten Verhältnis zum ihr Anderen konstituiert. Subjektivität kann nur artikuliert in Erscheinung treten und thematisch werden. Solche Artikulation ist immer schon auf den medialen, symbolisch-imaginären Kosmos einer Kultur bezogen. Medien wie der Film werden in dieser Perspektive als Formen einer Dazwischenkunft thematisierbar, die epochale Einschnitte in der Gesellschaft, der Kultur und in der Kunst markieren und diese mit neuen Wahrnehmungs-, Denk- und Handlungsformen bereichern (vgl. Tholen 2002). Medien sind damit nicht länger als Werkzeuge für vorgängige Ziele und Handlungen eines kreativen, autonomen Subjekts zu verstehen. Sie sind vielmehr Zwischeninstanzen, welche die Bildung des Subjekts, die Erfahrungen von Welt und Selbst allererst ermöglichen. Aber damit ist jeder identifizierende Bezug auf Welt und Selbst gleichsam Entzug von Identität, da die Medialität zwischen Subjekt und Welt tritt, als etwas, das dem Subjekt vorausgeht, es dezentriert und formiert. Dessen Welt- und Selbstverhältnisse sind damit nur als eine Auslegung im medialen Anderen, den es immer wieder verkennt, denkbar (vgl. Schäfer/Wimmer 2006). 5
Der medienpädagogische Diskurs affirmiert damit die fachöffentliche Debatte um Bildung, die dahin tendiert, den tradierten Bildungsbegriff mit anderen Begriffen wie Wissen und Kompetenz zu überschreiben – weil der philosophische Bildungsbegriff zu weit, zu komplex und damit für empirische Forschungen unbrauchbar wäre (vgl. Pongratz/Reichenbach/ Wimmer 2006, 7).
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Medialität der Medien Dieter Mersch zufolge liegt darin das Paradox des Medialen. Wenn man, wie viele philosophische Medientheorien es tun, von einem medialen Apriori ausgeht, »wenn ›alles‹, was ist, in Medien gegeben ist, wenn folglich kein Medien-›Anderes‹ oder Medien-›Außen‹ existiert, ergibt sich das Problem, wie Medien selbst gegeben sind und sich als solche zu erkennen geben.« (Mersch 2006, 222f.) Wie kann man sich überhaupt differenztheoretisch den einzelnen Medien nähern? Mersch schlägt vor, anstatt von »den Medien«, von einer je spezifischen Medialität eines Mediums im Sinne einer Strukturierung auszugehen. Diese Struktur definiert er als die jedem Medium zugrunde liegenden Dispositive, Performanzen, Materialitäten, symbolischen Ordnungen, Imaginationen, Diskurse, Archive, Blicke, Techniken, Disziplinen usw., die mediale Prozesse begleiten, rahmen und in sie eingehen, ohne sich direkt mitzuteilen. Bei den der Medialität der Medien zugrunde liegenden Strukturen handele es sich um etwas, das sich dem Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Handeln aufprägt, um sich damit gleichsam der Reflexion und der denkenden Bestimmung zu entziehen. Medialität ist etwas, das sich in der Mitte, im Dazwischen, im etymologischen Sinne von Medium, 6 zwischen Kultur und Natur, Subjekt und Objekt, Imaginärem und Realem, Denken bzw. Bewusstsein und Sein hält. Die Medialität zeigt sich als unbestimmbare Mitte, ihr paradoxes Format ist das einer abwesenden Anwesenheit. Daraus folgt die systematische Schwierigkeit, dass, wenn ich mich anschicke, eine Analyse der Medien und ihrer Wirkungen vorzunehmen, sich deren Unbewusstes immer wieder verflüchtigt und der Analyse unterschiebt, da auch die Analyse wieder Medialitäten, symbolischen Strukturen etc. unterworfen ist, die sich eben in dem Maße aufzwingen und einprägen, wie sie sich verleugnen. Man hat es mit einem grundlegenden Entzug der Medialität zu tun, da man von keinem Ort aus über Medien nachdenken und sprechen kann, der nicht schon mediatisiert ist. Medialität kann folglich nicht positiv modelliert werden. Mersch entwirft daher das Programm einer negativen Medientheorie und verweist dabei auf die Kunst (Mersch 2005, 225ff.). Deren Potenzial liege darin, dass sie innermediale Verfahrensweisen der Reflexion entwerfe, die dem Paradox des Medialen mit der Modellierung medialer Paradoxa begegne. Insofern sei die Kunst 6
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»Medium […] entlehnt aus l. medium, einer Substantivierung von l. medius, in der Mitte von, vermittelnd (usw.)‹.« (Kluge 2002, 608).
Film-Bildung
Modell für die Formulierung der Frage, wie wir überhaupt über Medialität nachdenken können.
Film und die Bildung(en) des Subjekts Filme haben nach Mersch nicht nur die Potenz, sich selbst in ihrer spezifischen Medialität zu thematisieren, sie können gleichsam die Sehsüchte und Identifizierungswünsche des Zuschauers im Sinne eines autonomen, selbstrefenziell gedachten Ichs aufs Spiel setzen. »Zuweilen«, so Pazzini, »kann man sich beobachten, wie man vor einem Kunstwerk [Film, M.Z.] in ein anderes System von Wahrheit/Schönheit hinüberwandert. Nachträglich. Man ist dann schon gewandelt. Man verlässt sich, wird so subjektiviert, wird einem anderen System von Gewissheit unterworfen. Das Innewerden zwischen vorher und nachher […] entdeckt ein Moment von Verführung.« (Pazzini 2005, 25) Dieses angesprochene Moment der Verführung zeige auf das Suggestive jeder mediatisierten Erfahrung. Auch der Film wirke suggestiv: »Das Suggestive ist das, was uns beim Betrachten von Filmen weinen läßt, mitleiden läßt, was unsere Stimmung hebt oder uns in Spannungszustände versetzt. Es hat uns erreicht, bevor wir es wahrnehmen.« (Pazzini 1999, 44f.) In dieser Perspektive werden Medien und deren Bilder zum Bildner der Ich-Funktion des Subjekts. Sie grundieren, strukturieren und formieren den ästhetischen Erfahrungsprozess eines eher passiven, antwortenden Subjekts. Jacques Lacan hat in vielen theoretischen Angängen herausgearbeitet, dass in der kindlichen Entwicklung die originäre Abhängigkeit des Subjekts vom Anderen, seine Medialität zu Gunsten von illusionären Imaginationen autonomer Handlungsfähigkeit verdrängt werde (vgl. beispielsweise Lacan 1954/ 1955, 1964, 1966a und 1966b). Wenn es so ist, dass die leidenschaftliche Abhängigkeit von einer vorgängigen Medialität verdrängt und durch Bilder von Welt und Selbst maskiert wird, dann bildet sich das Subjekt zusammen mit dem Unbewussten. Dieses Unbewusste lebt nach Lacan in, an und mit den Bildern als ihr unsichtbarer Grund weiter. Entsprechend der psychoanalytischen Theorie kann in Wiederholungen dieses Unbewusste auftauchen – entstellt und an einem anderen Ort. Der Film, die Bildkörper der bildenden Kunst und der Popkultur können dieser andere Ort sein (vgl. beispielsweise Angerer 2001; Tholen 1999 und 2002).
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Filme können den Zuschauer einer Situation aussetzen, in der er sich im Bezug auf das Andere seiner selbst, die Medialität seiner Erfahrungsordnungen und Seinsweisen, erfahren kann. Ich verstehe Filme daher als künstlerische Forschung, die es möglich macht, die Formierungen und Strukturierungen der mediatisierten Welt- und Selbstverhältnisse des Subjekts zu bearbeiten. Von der filmischen Avantgarde über den Essayfilm, den experimentellen Film, die Videokunst bis zum zeitgenössischen »postmodernen« Kino finden sich Filme, die sich, Tholen zufolge, vor allem für diese »Re-Inszenierung und Re-Flexion medial geprägter Vorbilder und Selbstbilder des Menschen« (Tholen 2002, 200) interessieren. Diese Filme produzieren Bilder, die das zuschauende Ich an den Stellen anblicken, wo es zusammengenäht,7 montiert, also nicht identisch ist. Sie bringen Bilder hervor, an denen die Identität des Zuschauers als Effekt symbolisch-imaginärer Identifikationen thematisierbar wird. Filme können es möglich machen, dass etwas von den medialen Bildungen, welche zu Einbildungen ohne bewusstes Zutun wurden und das Wahrnehmen, Fühlen, Denken und Handeln des Subjekts grundieren, wieder (auf)spürbar wird. Bildung kann man aus dieser Perspektive als einen Prozess der Umstrukturierung kulturell-symbolisch präfigurierter Welt- und Selbstverhältnisse am und durch das Vor-Bild bezeichnen, der sich reflexiv am Subjekt vollzieht. Die Vorbilder sind Bilder, die dem Subjekt vorausgehen, es begleiten und umgeben. Bilder, mit denen es sich, um als Ich bemerkbar zu werden, vernäht. In Bezügen auf diese bewegten Bilder (moving pictures) der medialen Welt differenziert, trennt, schneidet und montiert das Subjekt seine Bilder (moving images) von Welt und Selbst. Über diese und mittels dieser Bilder vergewissert es sich seines Seins. Diese Seinsgewissheit bleibt jedoch prekär, da sie jederzeit durch Wahrnehmungen, die sich nicht auf Bekanntes wie die vertrauten, eigenen bildhaften Erfahrungsordnungen zurückführen lassen, irritiert und fraglich werden kann. Davon kann man lesen8 oder man kann sich selbst dieser Erfahrung aussetzen – beispielsweise im Kino. 7
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Ich beziehe mich auf das Konzept der Suture (frz. Naht), mit dem in der Filmtheorie die Frage thematisiert wird, mit welchen Mitteln die Filmbilder so zueinander in Beziehung gesetzt werden, dass filmische Kohärenz, im Sinne einer realistischen Darstellung des Ortes, der Zeit und der Charaktere etc., für und durch den Zuschauer entsteht. Der Begriff Suture wurde durch Jacques Lacan in die psychoanalytische Forschung eingebracht, wo er diesen in direkte Beziehung zu seinem Konzept der Subjektkonstituierung setzt. Die Suture bezeichnet eine Verbindung zwischen Imaginärem und Symbolischem, als die Suche nach einer Lücke, einer Leerstelle im symbolischen Gefüge, in die das Subjekt einzutreten gezwungen ist, um sich als Individuum – als handlungsfähiges Subjekt – in der Gesellschaft behaupten zu können. Beispielsweise in dem Sammelband von Koller/Marotzki/Sanders 2007.
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Literatur Angerer, Marie-Luise/Henry P. Krips (Hg.): Der andere Schauplatz: Psychoanalyse – Kultur – Medien, Wien: Turia + Kant 2001. Baacke, Dieter (Hg.): Handbuch Medien: Medienkompetenz, Bonn: Bundeszentrale für politische Bildung 1999. Koller, Hans-Christoph/Winfried Marotzki/Olaf Sanders (Hg.): Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung. Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse, Bielefeld: transcript 2007. Kluge, Friedrich: Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin/New York: Walter de Gruyter 242002. Lacan, Jacques (1954/1955): Das Seminar, Buch II. Das Ich in der Theorie Freuds und in der Technik der Psychoanalyse, Olten: Walter 1980. Lacan, Jacques (1964): Das Seminar, Buch XI. Die vier Grundbegriffe der Psychoanalyse, Weinheim/Berlin: Quadriga 31987. Lacan, Jacques (1966a): Schriften I, Weinheim/Berlin: Quadriga 3. korr. Aufl. 1991. Lacan, Jacques(1966b): Schriften III, Weinheim/Berlin: Quadriga 1986. Mersch, Dieter: Medientheorien zur Einführung, Hamburg: Junius 2006. Pazzini, Karl-Josef: Kulturelle Bildung im Medienzeitalter. Gutachten zum Programm von Prof. Dr. Karl-Josef Pazzini, Universität Hamburg, Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung, Hamburg 1999 (Materialien zur Bildungsplanung und zur Forschungsförderung Heft 77). Pazzini, Karl-Josef: Kann Didaktik Kunst und Pädagogik zu einem Herz und eine Seele machen oder bleibt es bei ach zwei Seelen in der Brust?, Hamburg: University Press 2005 (Kunstpädagogische Positionen 8). Pongratz, Ludwig A./Roland Reichenbach/Michael Wimmer (Hg.): Bildung – Wissen – Kompetenz, Bielefeld: Janus 2007. Schäfer, Alfred/Michael Wimmer (Hg.): Selbstauslegung im Anderen, Münster: Waxmann 2006. Tholen, Georg Christoph/Peter Assmann/Peter Kraml et al. (Hg.): Die andere Seite der Wirklichkeit, Linz: Residenz Verlag 1999. Tholen, Georg Christoph: Zäsur der Medien, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 2002.
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Interdisziplinäre Forschung Kunstpädagogik und Informatik Die folgende Ausführung skizziert ein mögliches, bisher noch kaum beachtetes, interdisziplinäres Arbeitsfeld, welches sich zwischen Kunstpädagogik und Informatik ansiedelt. Geplant ist ein interdisziplinäres Forschungsprojekt mit dem Institut für Wissensmedien der Universität Koblenz-Landau. Empirische Forschungen zur Digitalen Kinderzeichnung haben gezeigt, dass mit dem Computer vielfältige ästhetische Erfahrungsmöglichkeiten eröffnet werden und das bildnerische Ausdrucksvermögen erweitert werden kann. Durch Funktionen wie Speichern, Rückgängigmachen, Wiederholen oder Löschen wird in erster Linie ein prozessorientiertes, nicht-lineares, experimentelles Gestalten unterstützt. Darüber hinaus ermöglichen vorgefertigte Figuren einen variablen und intuitiven Umgang mit dem Bild- und Erzählraum, indem sie z.B. übereinander gelagert und in der Größe verändert werden. Im Unterschied zu diesem inszenierenden Vorgehen können dieselben Figuren aber auch als sammelbare Sticker aufgefasst werden, die in unterschiedlicher Art und Weise auf der Bildschirmfläche angeordnet werden. In qualitativen Studien konnten demnach neben dem Zeichnen und Malen noch andere ästhetische Verhaltensweisen und künstlerische Ausdrucksformen beobachtet werden, die weit über den Bereich dessen, was von der konventionellen Kinderzeichnungsforschung beschrieben wird, hinausgehen. Mit Hilfe eines den gesamten bildnerisch-ästhetischen Verlauf aufzeichnenden Verfahrens (vgl. Mohr 2001) konnten Phasen des Kritzelns, Spielens, Schreibens, Experimentierens, Sammelns und sogar des Inszenierens festgestellt werden.1 Ziel der empirischen Studien war es zum einen, mittels direkter Gegenüberstellung konventioneller und digitaler Kinderzeichnungen genuine Eigenschaften der digitalen Erscheinungsformen ausfindig zu machen und in die Theorie der Kinderzeichnung einzuordnen. Zum anderen sollten ästhetische 1
Zum Einsatz kam das heute nicht mehr auf dem Markt erhältliche Programm Fine Artist.
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Erfahrungs- und Ausdrucksmöglichkeiten herausgestellt werden, die nur im Umgang mit dem Computer möglich sind. Da im Zentrum der Forschung nicht formalanalytisch zähl- und messbare Daten, sondern die bildnerischästhetischen Erfahrungs- und Ausdrucksmöglichkeiten standen, musste für die empirischen Studien ein für die Kinderzeichnungsforschung ungewöhnlicher und innovativer Weg einschlagen werden. Wurde in der für lange Zeit vor allem psychologisch orientierten Kinderzeichnungsforschung vornehmlich nach Gesetzmäßigkeiten in Bildern gesucht, stehen bei der Erforschung der computerunterstützten Auseinandersetzung das Beobachten, Deuten und Verstehen der kindlichen Vorgehensweisen im Mittelpunkt. So ist es möglich, die genuinen Eigenschaften des bildnerischen Prozesses qualitativ zu erfassen und Strukturmerkmale von ästhetischen Erfahrungsmöglichkeiten und künstlerischen Ausdrucksformen zu explizieren (vgl. Mohr 2005).
Aktion statt Reaktion Ein Blick auf das aktuelle Angebot an Gestaltungssoftware für Kinder zeigt allerdings, dass der flexible und reversible Umgang mit Bildelementen, der für prozessorientiertes ästhetisches Arbeiten grundlegend ist, kaum unterstützt wird. Dies jedenfalls belegen Beobachtungen von Kindern in der schulischen Praxis. Der Grund hierfür liegt vermutlich in der relativ einfachen Struktur der Software. So kann z.B. häufig nur ein einziger Arbeitsschritt rückgängig gemacht werden, wodurch das Kind ähnlich wie bei konventionellen Medien zu einer streng linearen Vorgehensweise gezwungen wird. Da auch unterschiedliche Ebenen (so genannte Layer) fehlen, verschmelzen vormals unabhängige Bildelemente bei Überlagerung untrennbar zu einem einzigen Element, womit eine Änderung des Erzähl-, Spiel- oder Sammelvorgangs im Nachhinein nicht mehr möglich ist (Abb. 1). Eines der wichtigsten und produktivsten Charakteristika ästhetisch-künstlerischen digitalen Arbeitens, nämlich die Nichtlinearität im bildnerischen Vorgehen, ist somit nicht mehr gegeben.
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Interdisziplinäre Forschung
Abb. 1: Figurensammlung von Sarah, 9 Jahre, erstellt mit dem Programm Drawing for Children 2
Stattdessen enthält die für Kinder entwickelte Software ein breites Angebot an klischeehaften Stempeln und gewaltigen Effekten, in Kombination mit technischen Spielereien und seltsamen Automatismen. Natürlich könnte man auch Programme einsetzen, die für Erwachsene konzipiert wurden, weil diese meistens Ebenen aufweisen (z.B. Photoshop). Die Erfahrung zeigt allerdings, dass beim Arbeiten mit diesen sehr komplexen Programmen das intuitive, spontane und flexible Gestalten hinter dem Erfassen der technischen Möglichkeiten zurückfällt. Der Fluss des Erzählens, Experimentierens, Spielens und Inszenierens wird durch den Überbau an Technik empfindlich gestört. Bislang scheint es, als reagiere die Kunstpädagogik zu sehr auf den Softwaremarkt, anstatt zu agieren. Wenn Lernszenarien ausschließlich mit marktüblichen Programmen konzipiert werden, so besteht jedoch die Gefahr, dass die fachlichen Inhalte indirekt über die Vorgaben der Informatiker diktiert werden: Denn die Programme spiegeln zunächst einmal die Perspektive der Softwareentwickler und deren Verständnis von ästhetisch-künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten wider. Vor dem Hintergrund der obigen Ausführungen 2
Sarah war sehr enttäuscht, als sie bemerkte, dass sie die Figuren, die sie gerade auf der Bildschirmfläche versammelt hatte, nicht mehr einzeln verschieben konnte.
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wäre es jedoch angebracht, von den Bedürfnissen der Zielgruppe auszugehen und diese direkt bei der Programmentwicklung zu berücksichtigen. Dass die Entwicklung von Lernsoftware vice versa auf kunstpädagogisch orientierter Forschung gründet, stellt innerhalb des Faches noch einen neuen Ansatz dar. Dabei darf natürlich nicht vergessen werden, dass gerade die »Fremdheit«, die von den genuin »nicht-kunstpädagogisch« angelegten Computerprogrammen ausgeht, auch zu wichtigen und impulsgebenden Perspektiven im Fach geführt hat. Hierzu zählen z.B. das Experimentieren mit Programmstrukturen und die bewusst »falsche« Bedienung der Geräte, das so genannte kreative »Gegen-den-Strich-Bürsten« (Boysen-Stern 2006, 9). 3 Um die »Wahrscheinlichkeiten für kreatives Verhalten« zu erhöhen (Pazzini 1999, 19) und Lernsituationen gezielt zu initiieren, braucht es in didaktischer Hinsicht aber nicht nur Reaktion, sondern auch Aktion: Die Implementierung kunstpädagogischer Forschungsergebnisse in die Struktur der Hard- und Software. Dieser Transfer ginge weit über bisherige Anpassungsversuche hinaus, weil es sich um einen grundlegenden und strukturverändernden Eingriff handeln würde. Zukünftig wäre also in stärkerem Maße als bisher die so genannte »anwendungsorientierte Grundlagenforschung« zu betreiben, die im Gegensatz zur »reinen« Grundlageforschung ausdrücklich auf praktische Effekte abzielt. Von der Deutschen Forschungsgemeinschaft wird dieser Ansatz aufgrund seines innovativen Potenzials seit einiger Zeit verstärkt unterstützt (vgl. Brüggemann/Bromme 2006). Auch seitens der Informatik wird interdisziplinäres Arbeiten gefordert. So macht Fanny-Michaela Reisin schon seit längerem darauf aufmerksam, dass die Gestaltung von neuer Anwendersoftware immer als kreativer Prozess in der Zusammenarbeit unterschiedlicher Disziplinen verstanden werden muss. Da nämlich weder die Entwickler noch die Benutzer a priori über die Kompetenz zur Gestaltung neuer Software verfügten, seien Kommunikations- und wechselseitige Lernprozesse vonnöten, »in denen das jeweilige Fach- und Erfahrungswissen ausgetauscht, eine gemeinsame Sprachbasis hergestellt und die erforderliche Kompetenz zur Gestaltung der neuen Arbeitsmittel und -tätigkeiten aufgebaut werden kann. […] Nur in wechselseitigen Lernprozessen kann Neues entstehen.« (Reisin 1994, 304) In der Zusammenarbeit von Kunstpädagogik und Computervisualistik, die sich im »Überlappungsbereich
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Vgl. auch die KIMM-Initiative, bei der in Verbindung von Kunst und Informatik z.B. Lernszenarien innerhalb von Mixed-Reality-Umgebungen entwickelt werden.
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zweier Kulturen« versteht (vgl. Schirra 1998),4 könnten Forschungsergebnisse transformiert werden.
Interessen der Kinder Damit der Perspektive der Kinder auch während des Entwicklungsprozesses von Soft- und Hardware Rechnung getragen wird, sollten sie in Zukunft direkt an deren Evaluation beteiligt werden. Erst mit dieser Form der Partizipation würde die zwingend gebotene Verbindung zwischen Entwicklern und Anwendern und die Forderung nach ganzheitlicher »Berücksichtigung authentischer Benutzerinteressen« (vgl. Mambrey/Oppermann/Tepper 1986, 10) konsequent eingelöst. Zu diesem Zweck könnten die in der Kunstpädagogik angewandten qualitativ-empirischen Forschungsmethoden mit den Methoden der Wirkungs- und Evaluationsforschung aus dem Bereich der Softwareergonomie verbunden werden (vgl. Mambrey/Oppermann/Tepper 1986; Oppermann/Reiterer 1994). Obwohl es bereits einige Überschneidungen in den methodischen Herangehensweisen wie teilnehmende Beobachtung, Videoaufzeichnung, Interview (vgl. Hegner 2003; Sarodnick 2006) gibt, müssten die methodischen Settings zunächst auf die ästhetischen und kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten der Grundschulkinder abgestimmt werden, da nämlich softwareergonomische Evaluationsverfahren bisher lediglich auf erwachsene Benutzer ausgerichtet waren. So wäre u.a. zunächst zu überprüfen, ob die innerhalb der Usability-Test-Methode 5 häufig eingesetzte Thinking-Aloud-Technik (lautes Denken) mit Kindern überhaupt durchführbar ist, weil sie ein hohes Maß an Reflektions- und Sprachvermögen voraussetzt. Auch wären software-ergonomische Kriterien wie Steuerbarkeit oder Erwartungskonformität (vgl. Oppermann/ Reiterer, 337ff.) zunächst nach ihrer Relevanz für ästhetische Prozesse zu befragen und ggf. im Anschluss auf das Sprach- und Verständnisniveau von Kindern zu übersetzen.
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Die Computervisualistik versucht eine Brücke zur Kunst zu schlagen, indem sie an der Schnittstelle von ästhetisch-gestalterischen Implikationen und der Entwicklung und Implementierung von Software arbeitet (vgl. Schirra 1998). Zu der Notwendigkeit und den Zielen dieser interdisziplinären Verknüpfung vor allem unter der Perspektive der Bildwissenschaft s. auch Sachs-Hombach 2006. Der Usability-Test simuliert den Praxisfall, indem Versuchspersonen bestimmte Aufgaben mit dem zu testenden Programm lösen (vgl. Hegner 2003, 31ff.).
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Der Frage, inwiefern Kinder sich überhaupt der veränderten Vorgehensweise am Computer bewusst sind und ob es möglicherweise einen Transfer von erlernten digital-künstlerischen Strategien zurück auf analoge Handlungsprozesse gibt, könnte im Rahmen von Gruppengesprächen oder -diskussionen nachgegangen werden (vgl. Hegner 2003, 51f.). Darüber hinaus ließen sich mit derartigen Methoden auch geschlechtsspezifische Herangehensweisen erkennen und nachvollziehen. Zwar steckt das Gruppendisskussionsverfahren (vgl. Bohnsack/Przyborski/Schäffer 2006) im Hinblick auf den Gesprächspartner »Kind« noch in den Anfängen. Was das Reflexionsvermögen und die Artikulationsfähigkeit der Kinder betrifft, sind erste Studien hierzu allerdings vielversprechend (vgl. Michalek/Schönknecht 2006). Mit der verstärkten Hinwendung zur subjektorientierten Entwicklung von Soft- und Hardware wird eine qualitative Verbesserung der medialen Ausstattung erwartet. Für die Kunstpädagogik wäre damit eine solide, bedürfnisorientierte und entwicklungsfähige Grundlage für die Einbeziehung des Computers als gestaltendes Medium im Kunstunterricht der Grundschule gegeben. In Kooperation mit dem Institut für Wissensmedien der Universität Koblenz-Landau ist bereits ein Projekt in Planung, das sich die Implementierung von Forschungsergebnissen zum bildnerisch-ästhetischen Verhalten von Kindern am Computer zum Ziel gesetzt hat.
Literatur Bohnsack, Ralf/Aglaja Przyborski/Burkhard Schäffer (Hg.): Das Gruppendiskussionsverfahren in der Forschungspraxis, Opladen: Leske + Budrich 2006. Boysen-Stern, Hans-Jürgen: Multisensueller Kunstunterricht unter Einbeziehung der Computertechnik, 2006, www.uni-leipzig.de/studienart/forschung/doktoranden/dokumente/diss-boysenstern.pdf vom 07.02.2008. Brüggemann, Anne/Rainer Bromme (Hg.): Entwicklung und Bewertung von anwendungsorientierter Grundlagenforschung in der Psychologie. Rundgespräche und Kolloquien. Deutsche Forschungsgemeinschaft, Berlin: Akademie Verlag 2006. Hegner, Marcus: Methoden zur Evaluation von Software, http://www.social-science-gesis.de/ Publikationen/Berichte/IZ_Arbeitsberichte/pdf/ab_29.pdf vom 12.02.2008. Institut für Wissensmedien der Universität Koblenz-Landau: http://iwm.uni-koblenz.de/iwm/ vom 10.02.2008. KIMM-Initiative: http://www.kimm.uni-luebeck.de/index.html vom 10.02.2008. Mambrey, Peter/Reinhard Oppermann/August Tepper: Computer und Partizipation: Ergebnisse zu Gestaltungs- und Handlungspotentialen, Opladen: Westdeutscher Verlag 1986. Michalek, Ruth/Gudrun Schönknecht: »Die Gruppendiskussion als Methode in der Schul- und Kindheitsforschung – Kinder sprechen über Schule«, in: Sibylle Rahm/Ingelore Mammes/ Michael Schratz (Hg.): Schulpädagogische Forschung. Organisations- und Bildungsforschung, Innsbruck u.a.: StudienVerlag 2006, S. 149–164.
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Interdisziplinäre Forschung Mohr, Anja: »Analyse von Videodokumentationen in der kunstpädagogischen Forschung«, in: MedienPädagogik 1/01, Onlinezeitschrift, http://www.medienpaed.com/01-1/mohr1.pdf vom 12.02.2008. Mohr, Anja: Digitale Kinderzeichnung. Aspekte ästhetischen Verhaltens von Grundschulkindern am Computer, München: kopaed 2005. Oppermann, Reinhard/Harald Reiterer: »Software-ergonomische Evaluation«, in: Edmund Eberleh/Horst Oberquelle/Reinhard Oppermann (Hg.): Einführung in die Software-Ergonomie: Gestaltung graphisch-interaktiver Systeme: Prinzipien, Werkzeuge, Lösungen, Berlin/New York: de Gruyter 1994, S. 335–371. Pazzini, Karl-Josef: Gutachten zum Programm: Kulturelle Bildung im Medienzeitalter, 1999, http://www.kubim.de/down/heft77.pdf vom 12.02.2008. Reisin, Fanny-Michaela: »Software-Ergonomie braucht Partizipation«, in: Edmund Eberleh/ Horst Oberquelle/Reinhard Oppermann (Hg.): Einführung in die Software-Ergonomie: Gestaltung graphisch-interaktiver Systeme: Prinzipien, Werkzeuge, Lösungen, Berlin/New York: de Gruyter 1994, S. 299–333. Schirra, Jörg, R.J.: Von Bildern und neuen Ingenieuren, 1998, http://www.computervisualistik.de/~schirra/Work/Papers/P98/P98-1/index.html vom 12.02.2008. Sachs-Hombach, Klaus: »Ästhetische Bildung und visuelle Medien«, in: Johannes Kirschenmann/ Frank Schulz/Hubert Sowa (Hg.): Kunstpädagogik im Projekt der allgemeinen Bildung, München: kopaed 2006, S. 110–121. Sarodnick, Florian: Methoden der Usability Evaluation. Wissenschaftliche Grundlagen und praktische Anwendung, Bern: Huber 2006.
Abbildung Abb. 1: Figurensammlung von Sarah, 9 Jahre, im Besitz der Autorin.
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Kirsten Winderlich
Ästhetische Bildung als Forschungsfeld Methodische Herausforderungen Im Kontext ganztägigen Lernens und zunehmender Heterogenität der Schüler in Bezug auf Bildungschancen erfährt die ästhetische Bildung eine zunehmende Aufmerksamkeit. Es ist unbestritten, dass Schulen ihren Schülern mehr Gelegenheiten für ästhetische Bildungsprozesse eröffnen müssen. Die Frage, wie Pädagoginnen und Pädagogen zur Initiierung ästhetischer Bildungsprozesse qualifiziert werden können, bleibt zurzeit jedoch noch unbeantwortet. In meinen Augen ist eine umfassende Integration ästhetischer Bildungsgelegenheiten in die Schule an eine spezifisch forschende Haltung der Pädagoginnen und Pädagogen gebunden. Es ist für die Initiierung ästhetischer Bildungsgelegenheiten notwendig zu wissen, was passiert, wenn Kinder spielen, sich bewegen und gestalten und wie die Pädagogen sich zu diesen ästhetischen Erfahrungsprozessen aus der Perspektive der Kinder Zugänge verschaffen können. Die Frage ist, mit welchen Methoden ästhetische Erfahrungsprozesse der Kinder aufzeichnet und erforscht werden können, ohne dass ihr Eigensinn und ihr Eigenwert aus dem Blick gerät. Bei meinen folgenden Überlegungen zur Erforschung und Beschreibung ästhetischer Bildungsprozesse von Kindern als Grundvoraussetzung der umfassenden Initiierung ästhetischer Bildungsprozesse stehen die Beobachtung und das Interview im Mittelpunkt. Es handelt sich hierbei um methodische Vorgehensweisen, die sich zwischen eher qualitativ ausgerichteten und künstlerisch orientierten Arbeitsweisen und Haltungen bewegen.
Ästhetische Bildung Ästhetische Bildung beruht auf eigenem Erleben, Handeln und Erfahren auf der körperlich-sinnlichen und szenisch-situativen Ebene, auf ästhetischen Erfahrungen. Mit Martin Seel sind ästhetische Erfahrungen als Veränderungen zu verstehen, die »uns geschehen, indem wir sie vollziehen« (Seel 1985, 79). Das Subjekt ändert in diesen Prozessen seine Sicht auf die Dinge, was andere und neue Handlungen nach sich zieht. Dabei sind inneres Erleben, Emotio-
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nen und Imaginationen maßgeblich beteiligt, die erst in Verknüpfung und Wechselwirkung zueinander zu einem individuellen Ausdruck führen. Gert Selle versteht in diesem Zusammenhang ästhetische Bildungsprozesse neben der Verarbeitung und Reflexion »gemachter« Erfahrungen als eine Art »Probe-Erleben ersehnter und erträumter Erfahrung« (Selle 1988, 33) und führt aus, dass ästhetische Erfahrungen nicht bloß in ein Erinnern und Sichern führe, sondern auch in ein Vorstellen und Wünschen, in die Imagination (vgl. Selle 1988, 33). Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass unter Ästhetischer Bildung nicht ausschließlich Ergebnisse oder Produkte ästhetischer Handlungen zu verstehen sind, sondern vielmehr die Transformationsprozesse, die das Subjekt durch seine Handlungen, in seiner Weltaneignung, selbst vollzieht und die sich im Prozess erweitern und verdichten. Diese Transformationsprozesse zwischen Subjekt und Welt hinterlassen Spuren, die vermittelt werden wollen. In diesem Zusammenhang ist ästhetische Bildung nicht nur als Aneignung von Welt, sondern auch als Auseinandersetzung und Austauschprozess zwischen dem Subjekt, der Welt und dem Anderen zu verstehen. In der wissenschaftlichen Erforschung ästhetischer Bildungsprozesse von Kindern werden Zugänge zum Erleben der Kinder durch qualitative Methoden der Kindheitsforschung ermöglicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es sich bei ästhetischen Bildungsprozessen um flüchtige Prozesse handelt, die nur schwer zu erfassen sind und sich daher der Aufzeichnung immer wieder entziehen. Im Folgenden soll auf die Methoden der teilnehmenden Beobachtung und des Interviews, die im Hinblick auf die Spezifität ästhetischer Erfahrungen von Kindern mit künstlerischen Arbeitsweisen und Strategien verknüpft werden, näher eingegangen werden.
Teilnehmende Beobachtung Im Mittelpunkt der Teilnehmenden Beobachtung steht die Kopräsenz (vgl. Goffmann 1963) der Forschenden, die auf den unmittelbaren Mitvollzug der Ereignisse abzielt. Jacqueline Baum und Ruth Kunz haben im Rahmen einer Videostudie beobachtet und dokumentiert, wie ein kleines Kind zwischen dem ersten und zweiten Lebensjahr, genauer zwischen dem 13. und 18. Lebensmonat, auf einer auf dem Boden liegenden Wandtafel handelt, zeichnet und sich über Stimme und Geste artikuliert. Sie haben beobachtet und be-
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schrieben, auf welche Weise das kleine Kind in sein bildnerisch-performatives Handeln sprachliche Äußerungen und soziale Interaktionen einbezieht. Die beiden Forscherinnen gingen der Frage nach, welche Art der Wechselbeziehung die frühe bildnerische Artikulation zu anderen Ausdrucks- und Mitteilungsformen unterhält. Das Besondere des methodischen Ansatzes der teilnehmenden Beobachtung ist, dass die Forscherinnen Zugänge zum Erleben des kleinen Kindes gestalten. Diese Zugänge liegen zwischen qualitativ ausgerichtetem methodischen Vorgehen und künstlerischer Strategie. Erstens wird das Forschungssetting in die alltäglich vertraute Umgebung, in den familiären Kontext integriert. Jacqueline Baum, die die Videoaufzeichnung vornimmt, ist die Mutter des Kindes. Und zweitens inszenieren die Forscherinnen das Forschungsfeld. Sie bringen die frühen Äußerungen des Kindes zum Erscheinen, indem sie eine Wandtafel am Boden installieren. Diese Wandtafel kann als Raum im Raum bezeichnet werden, der zum einen ästhetische Bildungsprozesse initiiert, verstärkt und gleichzeitig für die Beobachterinnen zur Aufführung bringt und damit greifbar werden lässt. Analog zu diesem Vorgehen, Zugänge zu ästhetischen Erfahrungen von Kindern zu erhalten, können Regale, die Kinder auffordern zu sammeln und ihre Sammelstücke auszustellen, oder auch ein Tagebuch eingesetzt werden. Das Vorgehen, das in gewisser Weise eine Bühne für die individuellen Äußerungen der Kinder bereithält, ist an die besonderen kulturellen und ästhetischen Praktiken von Kindern gebunden – in diesem Fall an die Bewegung auf dem Boden und an das Hinterlassen von Spuren. Aufschlussreich für die Form der teilnehmenden Beobachtung in der Untersuchung von Kunz und Baum ist Jacqueline Baums Beschreibung ihrer Vorgehensweise: »Ich hatte keine feste Strategie, wie ich filmen wollte und entfernte mich von meiner sonst eher konzeptuellen Haltung als Künstlerin, in der ich oft mit strenger Kameraführung arbeite. Ich dachte nicht an ein bewusstes Ändern von Perspektiven oder an eine Bildkomposition, sondern war vom Tun des Kindes so gebannt, dass ich nichts außer Acht lassen und alles fest halten wollte.« (Baum 2007, 19) An dieser Stelle wird eine Parallele zur Form der ungerichteten Beobachtung deutlich, die Gert E. Schäfer für die Dokumentation von Bildungsprozessen,
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insbesondere von ästhetischen Bildungsprozessen von Kindern, für unabdingbar hält. Bei der gerichteten teilnehmenden Beobachtung wird die Aufmerksamkeit auf Verhaltensbereiche von Kindern gelenkt, die bereits bekannt sind. Ungerichtetes Beobachten hingegen versucht all das zu erfassen, »was die Aufmerksamkeit des Wahrnehmenden erregt. Es ist für Überraschungen offen.« (Schäfer 2004, 149) Diese Form ungerichteter Beobachtung erfordert von der Beobachterin eine hohe Sensibilität, nicht nur dem Geschehen, sondern auch dem Kind gegenüber. Jacqueline Baum beschreibt die Herausforderung an die eigene Aufmerksamkeit folgendermaßen: »Alles an der Situation erschien unberechenbar. Ich musste zuerst eine Balance finden zwischen Distanz und Nähe: Möglichkeiten erproben, wie kleine Details festgehalten werden konnten, ohne dass ich mich Lou [so wird das Kind in der Untersuchung genannt, K.W.] mit der Kamera zu sehr aufdrängte. Bald schon fand bei uns beiden ein Kreisen um die Tafel statt. Bei ihm um immer wieder Abstand zum Gemachten zu finden, und bei mir, um ihn in seinen Bewegungen zu begleiten. Die Handkamera hatte dabei etwas sehr Stimmiges, da sie die Intimität zwischen uns spiegelte. Die Kamera wirkte wie eine Verlängerung meines Körpers, der intuitiv in das Geschehen hineinzutauchen versuchte, um in der Auseinandersetzung Lous mit den Zeichen auf der Tafel zu folgen.« (Baum 2007, 20) Die ungerichtete Beobachtung kann nicht nur auf die unmittelbaren Äußerungen von Kindern bezogen werden, sondern auf all das, was in der Auseinandersetzung von Kindern mit sich selbst und ihrer Umwelt anfällt. In einer Grundschulklasse habe ich von Schuljahresbeginn an ein halbes Jahr lang alle bildnerischen Äußerungen der Kinder gesammelt, ganz bewusst nicht nur die Zeichnungen und Bilder, die im Unterricht oder im Kunstunterricht produziert wurden, sondern gerade die, die zwischendurch, in den Pausen, in der Freiarbeit entstanden und unter dem Schreibtisch, in der Garderobe oder in der Schultasche verschwanden. Bemerkenswert war, dass eine Überzahl der Zeichnungen und Bilder BildText-Verknüpfungen enthielten, die stark an die »Neuen Medien« des Anfangsunterrichts erinnern – an Wochenpläne, Arbeitsblätter, Buchseiten und Tabellen.
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Ungerichtete Beobachtungen können dazu führen Unerwartetes und Überraschendes zu entdecken. In diesem Fall war unerwartet, dass Arbeitshilfen, die die Kinder zu selbständigem Arbeiten führen sollen, so fremd bzw. so anregend sind, dass sie die Aufmerksamkeit auch in den Zwischenzeiten von Unterricht auf sich ziehen und Ausgangspunkt anderer und neuer ästhetischer Erfahrungen sind.
Narratives Interview und fotogeleitete Hervorlockung Eine weitere Möglichkeit, Zugänge zu ästhetischen Erfahrungen von Kindern zu eröffnen, sind narrative Interviews (vgl. Winderlich 2007). Ein charakteristisches Merkmal narrativer Interviews ist hierbei, dass die Befragten die Erzählung eigenständig gestalten. Die Fragen dienen lediglich dazu zum freien Sprechen, Assoziieren und Erzählen anzuregen. Sie sind als Impulse zu verstehen, die teilweise auch während des Gespräches modifiziert und erweitert werden können. Es ist allerdings nicht unproblematisch, Kinder durch verbale Sprache zum eigenen Sprechen anzuregen. Kinder benutzen in ihren Erzählungen und Berichten selten ausschließlich die mündliche Sprache. Sie erzählen in Form von Geschichten während des Spiels, erweitern ihre Erzählungen durch Bilder oder beziehen Gegenstände ein. Angesichts dieser besonderen Erzählweise von Kindern schlägt Burkhard Fuhs vor, die Interviewmethoden an deren eigenen Erinnerungs- und Erzählformen zu orientieren (vgl. Fuhs 2000, 94). Konkret bedeutet die Anbindung der Interviews an die den Kindern eigenen Erzählformen, Interviews in der konkreten räumlichen und zeitlichen Lebenswelt der Kinder zu führen, von den Kindern selbst geschaffene Bilder und Objekte zu berücksichtigen und den Kindern immer wieder die Möglichkeit einer »Wieder-Holung« ihrer Erlebnisse zu bieten (vgl. Fuhs 2000, 94; Zeiher/Zeiher 1994). Ich habe eine Verknüpfung der beschriebenen Interviewformen in einer Untersuchung zur ästhetischen Erfahrung im Tanz von Kindern angewendet (vgl. Winderlich 2007). In der Durchführung wurde jedoch schnell deutlich, dass die oben dargestellten Interviewformen den Kindern keine ausreichende Erzählhilfe boten. Um den Kindern zu ermöglichen ihre ästhetischen Erfahrungen zu kommunizieren, entwickelte ich ein Verfahren, das die in Anlehnung an Fuhs modifizierte Methode des narrativen Interviews mit Fotografien verknüpfte. Die Methode der ›fotogeleiteten Hervorlockung‹ von Douglas Harper (vgl. Harper 2000), die ich in Bezug auf die Aufzeichnung und Erfor-
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schung von Raumwahrnehmungsprozessen weiterentwickelt habe (vgl. Winderlich 2005), zielt darauf ab, Erinnerungen, Assoziationen und Äußerungen von Probanden anzuregen, um individuelle Imaginationsprozesse auszulösen und »zur Sprache zu bringen«. Bei der Methode der fotogeleiteten Hervorlockung muss es sich nicht ausschließlich um Fotografien handeln, die die Perspektive der Befragten abbilden. Praktiziert werden ebenso Interviews mit Fotografien, die bewusst eine andere Perspektive wählen, um den Blick der Befragten zu »befremden«, durch Irritation zum Vorstellen und Erzählen anzuregen. Der Begriff des punctum von Roland Barthes (vgl. Barthes 1980) veranschaulicht diese Eigenart der Fotografie, die über die informative und symbolische Ebene hinausgeht und beim Betrachter eine produktive Auseinandersetzung auslöst, ihn bewegt und anregt zu sprechen und zu schreiben. Einen besonderen Erzählimpuls boten im Kontext meiner Untersuchung zur ästhetischen Erfahrung von Kindern im Tanz transformierte Bilder. Es handelte sich hierbei um Sequenzfotografien, die eine Bewegungsabfolge in Form von stills vermittelten. Die auf den Fotografien abgebildeten Personen wurden in Richtung Silhouette verfremdet und ermöglichten den Kindern so, ihre Wahrnehmung auf Figur und Körperhaltung zu fokussieren.
Zwischen Kunst und Forschung Die vorangegangenen Beispiele machen deutlich, dass Zugänge zum Forschungsfeld ästhetische Bildung nicht nur als Voraussetzung, sondern zugleich bereits Teil der Forschungstätigkeit sind, die als Prozess im Feld ausgeführt wird. Abschließend sollen die vorangegangenen Überlegungen thesenartig zusammengefasst werden: Zugänge zum Feld ästhetischer Bildung zu ermöglichen, ist eine Herausforderung, methodische Vorgehensweisen zu entwickeln, mit Hilfe derer auch das Flüchtige ästhetischer Erfahrungen greifbar wird. Zugänge zum Feld ästhetischer Bildungsprozesse zu schaffen bedeutet auch, nicht-lineare Beschreibungsformen in Verknüpfung mit Bild und Ton zu entwickeln, durch welche die Vielschichtigkeit, die sinnlich-körperliche und szenisch-situative Ebene ästhetischer Erfahrungen von Kindern erfasst werden kann. Zugänge zu ästhetischen Bildungsprozessen von Kindern weisen eine Nähe zu künstlerischen Arbeitsweisen und Strategien auf, die für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler eine ständige Anregung und Aufforderung darstellen, ihre eigenen Methoden zu reflektieren
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und an den eigensinnigen Untersuchungsgegenstand der ästhetischen Bildung anzupassen. Eine wissenschaftliche Begleitung ästhetischer Bildungsprozesse von Kindern unter Berücksichtigung vielfältiger Zugänge zum Feld heißt dann nicht nur, gewonnene Einblicke und Erkenntnisse in die Praxis zurückfließen zu lassen, sondern erfordert, sich selbst in einer Praxis zwischen Kunst und Forschung zu üben.
Literatur Barthes, Roland (1980): Die helle Kammer. Bemerkungen zur Fotografie, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1985. Baum, Jacqueline/Ruth Kunz: Scribbling Notions. Bildnerische Prozesse in der frühen Kindheit, Bern: Pestalozzianum 2007. Fuhs, Burkhard: »Qualitative Interviews mit Kindern. Überlegungen zu einer schwierigen Methode«, in: Friederike Heinzel (Hg.): Methoden der Kindheitsforschung. Ein Überblick über Forschungszugänge zur kindlichen Perspektive, Weinheim/München: Juventa 2000, S. 87–105. Goffmann, Erving (1963): Verhalten in sozialen Situationen. Strukturen und Regeln der sozialen Interaktion im öffentlichen Raum, Gütersloh: Bertelsmann 1971. Harper, Douglas: »Fotografien als sozialwissenschaftliche Daten«, in: Uwe Flick/Ernst von Kardorff/Ines Steinke (Hg.): Qualitative Forschung. Ein Handbuch, Reinbek: Rowohlt 2000, S. 402–416 (Rowohlts Enzyklopädie). Schäfer, Gerd E.: »Beobachten und Dokumentieren«, in: Kita aktuell NRW, 2004, S. 148–152. Seel, Martin: Die Kunst der Entzweiung am Begriff der Ästhetischen Rationalität, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1985. Selle, Gert: Gebrauch der Sinne, Reinbek: Rowohlt 1988. Winderlich, Kirsten: Die Stadt zum Sprechen bringen. Sprachwerke im öffentlichen Raum. Performative Annäherungen, Oberhausen: Athena 2005 (Artificium: Schriften zur Kunst und Kunstvermittlung Bd. 22, hg. von Kunibert Bering). Winderlich, Kirsten: »Bewegung auf der Spur. Rekonstruktion ästhetischer Erfahrung im Tanz von Kindern – Narrative Interviews in Verknüpfung mit Fotografien und der Handlung des Zeichnens«, in: Georg Peez (Hg.): Handbuch Fallforschung in der Ästhetischen Bildung/ Kunstpädagogik. Qualitative Empirie für Studium, Praktikum, Referendariat und Unterricht, Baltmannsweiler: Schneider Verlag Hohengehren 2007, S. 142–154. Zeiher, Hartmut J./Helga Zeiher: Ort und Zeit des Kindes. Soziales Leben im Alltag von Großstadtkindern, Weinheim/München: Juventa 1994.
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Existenzielle Bildung Mein laufendes Forschungsprojekt unter dem Arbeitstitel Existenzielle Bildung ist als Promotionsvorhaben in der Leuphana Universität Lüneburg angelegt. Forschungsimpulse und bezugswissenschaftliche Grundlagen beruhen auf meinem erziehungswissenschaftlichen Studium mit Schwerpunkt auf kultureller Bildungsarbeit. Das Hauptanliegen der Untersuchung ist eine kritische Bestandsaufnahme, Weiterentwicklung und Anwendung des Begriffs von ›existenzieller Bildung‹, einem bisher wenig beachteten, uneinheitlichen bildungstheoretischen Ansatz, der im 20. Jahrhundert wiederkehrend aufgenommen wurde.1 Dabei verbinde ich drei für persönliche Bildung relevante Aspekte: die Leiblichkeit, die Kontextualität von Bildungsprozessen und die Einbeziehung existenzieller Themen. Diese wurden in der Erziehungswissenschaft bislang für sich betrachtet diskutiert, allerdings nicht zu einer gemeinsamen Bildungstheorie verknüpft. Ansätzen der Kunstdidaktik, die sich der ›Ästhetischen Forschung‹ widmen, steht meine Arbeit insofern nahe, als auch hier auf ein Konzept einer allgemeinen Bildung abgezielt wird, das Wissenschaft und Kunst ebenso wie Alltag und ästhetische Praxis als gleichwertig ansieht. Im Sinne der kritischen Funktion innerhalb der Erziehungswissenschaft wird der schon von Mollenhauer (vgl. Mollenhauer 1986, 11–14; s. auch Dörpinghaus/Poenitsch/Wigger 2006, 120–122) gestellten Forderung nach nicht ausschließlich szientifischem Vorgehen in der wissenschaftlichen Forschung nachgegangen und das Experiment ›Parallel-Prozess‹ verwirklicht und erläutert. Bildung ist nach der These von Émile Durkheim immer an Raum-ZeitBedingungen gebunden (vgl. Durkheim 1922, 37–56). Insbesondere exis-
1
Zum Begriff ›existenzielle Bildung‹ gibt es nur Fundstellen, keine Theorietradition. Hermann Röhrs zitiert in seiner erziehungswissenschaftlichen Einführung zwar selbstverständlich den Begriff (Röhrs 1993, 164), meine Untersuchungen ergaben allerdings, dass es bisher keinen fest umrissenen Begriff von existenzieller Bildung gibt.
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tenzielle Bildung hebt die Eingebundenheit des Menschen in das Gesamtgeschehen der Zeit hervor (vgl. Blum 1935, 6), infolgedessen beginnt meine Untersuchung mit einer Kontextuierung der Begriffe von Bildung, Forschung, Gesellschaft. Zu jedem Kontext wird in textueller Form eine eigene Perspektive erarbeitet, die es erlaubt, nicht-hierarchisch zu denken und zu schreiben (auch der Lesende ist an keine Reihenfolge gebunden). Derart bleibt die Komplexität und Gleichzeitigkeit2 der Inhalte gewahrt. Rhizomatisch werden einzelne Linien verfolgt, die Querverbindungen und Dopplungen aufweisen und in so genannten ›Knollen‹ zusammengeführt werden (vgl. Deleuze/Guattari 1976). Bildung weist von der Begriffsherkunft eine metaphysische Tiefe auf, die sich auf die »ureigenste Menschenseele« bezieht und im Spannungsfeld zwischen dem steht, »was der Mensch bewirken kann und dem, was seiner Wirkung entzogen ist« (Schwenk 2004, 213). Forschung hat immer schon ihre eigenen Kontexte und formiert sich in den Konventionen und Machtverhältnissen ihrer Disziplin.3 Die erziehungswissenschaftliche Forschungstradition ist bleibend von der realistischen Wende geprägt (Roth 1962, 179–191), in deren Zuge nicht-empirische Arbeiten als nicht-wissenschaftlich abgewertet wurden. Seit den 1980er Jahren ist die Deszendenz von Bildungstheorien überwunden (vgl. Ehrenspeck 2005, 142). Nach Tenorth haben sie das Potenzial, »wichtige Fragen an den sozialwissenschaftlichen Forschungsalltag zu stellen« (Tenorth 1997, 982). Im Kontext der Gesellschaft zeigt sich bezogen auf den Metabegriff Bildung und auf Bildungsprozesse eine Paradoxie: Die Bedeutung von Qualifikationen und Zertifikaten steigt weiterhin. Dennoch besteht eine Diskrepanz zwischen individualisierter Chancengleichheit und nachweisbarer Benachteiligung in der Informations- und Wissensgesellschaft.4 2
3
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Nach Deleuze/Guattari wird der klassische Wissensbaum mit hierarchischen Haupt- und Nebenästen von einem rhizomatischen Wissensverständnis abgelöst, das inhaltliche Verknüpfungen auf jeder Ebene und zu jeder Zeit zulässt und insofern die Struktur einer Heterarchie vorweist (vgl. Deleuze/Guattari 1977). Auch interdisziplinäre Arbeiten erfordern eine Reflexion der ›disziplinären Identität‹ (vgl. Defila/Di Giulio 2006, 7). Nach Busch ist die Wissenschaft und Theorie als Teil eines Machtsystems anzusehen (vgl. Busch 2007, 40-44). Nunner-Winkler weist nach, dass Status nicht direkt durch Bildung erworben wird und sich am Punkt der Berufseinmündung soziale Benachteiligung reproduzieren (vgl. NunnerWinkler 1990, 672, 682.). Die PISA-Ergebnisse 2003 zeigen die Wechselwirkung zwischen sozialer Herkunft und Bildungsbeteiligung, welche sich in primärer und sekundärer Ungleichheit äußeren (vgl. Ehmke et al. 2003, 245-247). Susanne Weber führt die vermeintliche
Existenzielle Bildung
Die Bestandsaufnahme existenzieller Bildungsansätze gibt keine umfassende Antwort darauf, was existenzielle Bildung heute darstellt. Die verschiedenen Ansätze sollen im Rahmen dieser Arbeit dazu dienen, eine Axiologie als Wertlehre auszuarbeiten. Wie die Konnotation von Existenz bereits anklingen lässt, werden reale kontextuelle Existenzbedingungen, Leiblichkeit und existenzielle Themen als wesenhaft gedacht. Methodisch stellt die Erarbeitung einer Axiologie neben Theorie und Praxeologie einen Eckstein für eine vollständige Konzeptausarbeitung dar (vgl. Kriterienraster für Methoden, Stimmer 2006, 27f.). Einen Impuls zur Weiterentwicklung der existenziellen Bildung gibt die Integration und gleichberechtigte Stellung von Kunst und ästhetischer Praxis neben Wissen und Alltag im kunstdidaktischen Modell der ›Ästhetischen Forschung‹ von Kämpf-Jansen (2002). Aus erziehungswissenschaftlicher Perspektive gehe ich der Frage nach, inwieweit die Einbeziehung von Kunst auch für die allgemeine Bildung und den bildungstheoretischen Diskurs produktiv werden kann. Damit positioniere ich mich zu anderen Arbeiten zur ästhetischen Forschung, die disziplinär in der Kunstpädagogik verortet sind. Kämpf-Jansen schließt alltägliche, vorwissenschaftliche Wahrnehmung und Alltagsästhetik unter dem Begriff Alltag in ihr Konzept ein (vgl. Kämpf-Jansen 2001, 23–47). Diese Kategorie erweitere ich wie bereits erwähnt zu einer Axiologie unter dem Stichwort Existenz. Zudem ergänze ich, entlang des Methodenmodells Theorie-Axiologie-Praxeologie von Stimmer (2007), eine Theorie der Kontextualisierung von Bildung, Forschung und Gesellschaft. Dies hat eine doppelte Funktion: Sie ist Forderung und Anwendung der existenziellen Bildung zugleich und bietet durch den Gegenwartsbezug die Möglichkeit der Aktualisierung. Die Grenzen zwischen Kunst und Wissenschaft, also zwischen wissenschaftlich nachprüfbarer und nur zu ahnender, intuitiv wahrnehmbarer Erkenntnis, verwischen.5 Bildung findet dementsprechend auf einem Kontinuum und in Wechselwirkung zwischen implizitem und explizitem
5
Wahlfreiheit der individualisierten Gesellschaft vor, indem sie die Berufsperspektiven von bildungsfernen Jugendlichen im ländlichen Raum analysiert (vgl. Weber. 2001, 21). Die Debatte über Individualisierung versus Ungleichheits- und Milieuforschung wird kontrovers geführt (s. Burkart in Bezug auf Beck, vgl. Burkart 1993, 188-191). Busch spricht von einem ›Chiasmus‹ von Kunst und Kulturwissenschaften und führt die Debatte um den PhD für Künstler, mit Kunstproduktionen den wissenschaftlichen Titel zu erlangen, als extremes Beispiel hierfür an (vgl. Busch 2007, 36-44).
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Wissen statt. Das Experiment ›Parallel-Prozess‹ (Praxeologie) versucht implizite, analoge und nicht sichtbare Bildungsprozesse in die Forschung am existenziellen Bildungsbegriff zu integrieren. Dafür wird eine Auswahl an Abbildungen aus dem Werk Joseph Beuys’ (1921–1986) mit der theoretischen Abhandlung kontrastiert, um dem Lesenden eine zweite – sinnliche – Wahrnehmungsebene zu eröffnen und um auf eine andere Wahrheit hinzuweisen: die der Kunst (vgl. Gadamer 1975, XXVIII, Vorwort). Der Parallel-Prozess demonstriert nicht-kommunizierbare Bildungsprozesse und bezieht die »Präzision der ästhetischen […] Darstellung der Welt« als Ergänzung zur wissenschaftlichen mit ein (Mollenhauer 1986, 13). In weiteren Schritten der Forschung suche ich nach Wegen, Theorie und Praxeologie in Verbindung zu setzen und den ›Parallel-Prozess‹ sprachlich in die Untersuchung zurückzubinden.
Literatur Blum, Emil: Arbeiterbildung als existentielle Bildung, Leipzig: Paul Haupt Akademische Buchhandlung 1935. Burkart, Günter: »Eine Gesellschaft von nicht-autonomen biographischen Bastlerinnen und Bastlern? – Antwort auf Beck/Beck-Gernsheim«, in: Zeitschrift für Soziologie 22/1993, S. 188– 191. Busch, Kathrin: »Artistic Research and the Poetics of Knowledge«, in: Dieter Lesage/Kathrin Busch: A Portrait of the Artist as a Researcher: the Academy and the Bologna Process. Museum van Hedendaagse Kunst, Antwerpen: MuHKA 2007, S. 36–44. Deleuze, Gilles/ Guattari, Félix (1976): Rhizom, Berlin. Merve-Verlag 1977. Defila, Rico/Antonietta Di Giulio: »Vorbereitung auf interdisziplinäres Arbeiten. Anspruch, Erfahrung, Konsequenzen«, in: Brigitte Berendt/Hans P. Voss/Johannes Wildt (Hg.): Neues Handbuch Hochschullehre. Lehren und Lernen effizient gestalten, Stuttgart: Raabe Fachverlag für Wissenschaftsinformation 2006, S. 1–19. Dörpinghaus, Andreas/Andreas Poenitsch/Lothar Wigger: Einführung in die Theorie der Bildung, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 2006. Durkheim, Emile (1922): »Erziehung, Moral und Gesellschaft. Vorlesung an der Sorbonne 1902/03«, Neuwied am Rhein (et al.): Luchterhand 1973. Ehrenspeck, Yvonne: »Philosophische Bildungsforschung: Bildungstheorie«, in: Rudolf Tippelt (Hg.): Handbuch Bildungsforschung, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2005, S. 141–154. Ehmke, Timo/Fanny Hohensee/Heike Heidemeier/Manfred Prenzel: »Familiäre Lebensverhältnisse, Bildungsbeteiligung und Kompetenzerwerb«, in: PISA-Konsortium Deutschland (Hg.): PISA 2003. Der Bildungsstand der Jugendlichen in Deutschland – Ergebnisse des zweiten internationalen Vergleichs, Münster: Waxmann 2004, S. 225–254. Gadamer, Hans-Georg (1960): Wahrheit und Methode, Tübingen: Mohr 1975. Kämpf-Jansen: Ästhetische Forschung: Wege durch Alltag, Kunst und Wissenschaft. Zu einem innovativen Konzept ästhetischer Bildung, Köln: Salon-Verlag 2001 (Diskussionsbeiträge zur ästhetischen Bildung 2). Mollenhauer, Klaus: Umwege. Über die Bildung, Kunst und Interaktion, Weinheim (et al.): Juventa Verlag 1986. Nunner-Winkler, Gertrud: »Jugend und Identität als pädagogisches Problem«, in: Z.f.Päd. 36. Jg. Nr. 5/1990, S. 671–686.
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Existenzielle Bildung Röhrs, Hermann: Allgemeine Erziehungswissenschaft. Eine Einführung in die erziehungswissenschaftliche Aufgabe und Methode. Bd. 1, Weinheim: Deutscher Studien-Verlag 1993. Roth, Heinrich: »Die realistische Wende in der Pädagogischen Forschung«, in: Hermann Röhrs (Hg.): Erziehungswissenschaft und Erziehungswirklichkeit, Frankfurt: Akademie Verl.-Ges. 1964, S. 179–191. Schwenk, Bernhard: »Bildung«, in: Dieter Lenzen (Hg.): Pädagogische Grundbegriffe, Reinbek: Rowohlt 2004 (rowohlts enzyklopädie), S. 208–221. Stimmer, Franz: Grundlagen des Methodischen Handelns in der Sozialen Arbeit, Stuttgart: Verlag W. Kohlhammer 2006. Strauss, Anselm L.: Grundlagen qualitativer Sozialforschung. Datenanalyse und Theoriebildung in der empirischen soziologischen Forschung, München: Fink 1998. Tenorth, Heinz-Elmar: »›Bildung‹ – Thematisierungsformen und Bedeutung in der Erziehungswissenschaft«, in: Z.f.Päd., 43. Jg., Nr. 6/1997, S. 967–984. Weber, Susanne: Netzwerkentwicklung in der Jugendberufshilfe. Erfahrungen mit Institutioneller Vernetzung im ländlichen Raum, Opladen: Leske + Budrich 2001.
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Transkulturelle Perspektiven im Lernen mit Kunst In den letzten Jahrzehnten hat die Dynamik allgemeiner und kultureller Globalisierungsprozesse stark zugenommen und beeinflusst immer stärker gesellschaftliche Prozesse (vgl. z.B. Beck 1998, 80f.). Wenngleich die Relevanz der Globalisierungsprozesse für das gesellschaftliche und kulturelle Leben unstrittig ist, stehen in der Regel die Entwicklungen der kulturellen Bereiche nicht im Mittelpunkt der Diskussion. »Die Entfaltung des Weltmarktes«, so Kevin Robins, »hat tiefreichende Folgen für Kulturen, Identitäten und Lebensstile.« (Robins 1991, 28ff., zit. nach Beck 1998, 80) Diese Prozesse, die mit der Globalisierung verwoben sind, jedoch kulturelle Bereiche betreffen, werden als kulturelle Globalisierung bezeichnet: »Die Globalisierung ökonomischen Handelns wird begleitet von Wellen kultureller Transformation, einem Prozess, den man ›kulturelle Globalisierung‹ nennt. Dabei geht es sicherlich auch und zentral um die Fabrikation kultureller Symbole – einen Vorgang, der sich allerdings seit langem beobachten läßt.« (Beck 1998, 80f.) Auch Kinder und Jugendliche sind verstärkt mit den Auswirkungen dieser Entwicklungen konfrontiert, z.B. durch eine steigende Zahl von Bildern von und aus unbekannten Kulturen. Visuelles Material spielt aufgrund der Medialisierung und Mediatisierung ihrer Erfahrungswirklichkeit dabei eine besondere Rolle. Daher ist transkulturelles Lernen 1 nicht nur aufgrund einer möglicherweise multikulturellen Zusammensetzung der Lerngruppen und/oder ihres soziokulturellen Hintergrundes wichtig. Diese Faktoren können sich in verschiedenen nationalen Kontexten unterscheiden und sich nicht nur von Fall zu Fall,
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Den Begriff der Transkulturalität definiert Wolfgang Welsch wie folgt: »Unsere Kulturen haben de facto längst nicht mehr die Form von Homogenität und Separiertheit, sondern sind weitgehend durch Mischungen und Durchdringungen gekennzeichnet.« (Welsch 1995, 41)
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Sabine Grosser
sondern auch mit fortlaufenden gesellschaftlichen Entwicklungen verändern. Viel entscheidender scheint die zunehmende visuelle Komplexität, die mit fortschreitender Globalisierung, unterstützt von technischen und technologischen Neuerungen, steigt und die gerade für die jungen Generationen besonders relevant ist. Wie Wolfgang Welsch formuliert: »Aestheticization has become a global and primary strategy. And this has an impact on contemporary as well as traditional aesthetics.« (Welsch 1997, 4) Insbesondere die technischen Möglichkeiten, die mit diesen Prozessen verbunden sind, mögen aus der Sicht der Jugendlichen positiv wahrgenommen werden: Sie nutzen neue Medien wie z.B. den Computer für Online-Chats, präsentieren sich selbst in Bildern und Texten auf Community-Websites wie Schüler-VZ oder zeigen ihre Videos in YouTube etc. Sie arbeiten an einer eigenen Jugendkultur, prägen eine eigene Sprache und einen spezifischen Zugang zu den Medien. Aus der Sicht der Jugendlichen mögen die problematischen Aspekte, die mit kulturellen Globalisierungsprozessen verbunden sind, nicht auf den ersten Blick deutlich werden. Der Soziologe Hans Peter Blossfeld von der Universität Bamberg und seine Mitarbeiter/-innen zeigen in ihren Forschungen, dass die zunehmende Entgrenzung, die mit Globalisierungsprozessen einhergeht, zu tief greifenden sozialen Veränderungen führt. Sie untersuchen Jugendliche an der Grenze zum Erwachsenenalter in 14 Industrienationen. Sie zeigen, dass das Erwachsenwerden mit einer zunehmenden Unsicherheit einhergeht, verbunden mit vielfältigen Schwierigkeiten für die jungen Erwachsenen. Eine ihrer zentralen Thesen ist, dass die mit der Globalisierung verbundene zunehmende Unsicherheit einen direkten Einfluss auf das Verhalten nimmt. Nach ihren Untersuchungen hängen Ergebnisse von Entscheidungsbildungsprozessen auf der individuellen Ebene von übergeordneten Faktoren der Makroebene ab: z.B. von Erfahrungen der Vergangenheit, geltenden Werte- und Normensystemen, und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen. Transkulturelles Lernen, Diversitäten, Pluralitäten und Vielfalt sind als Themen im Kunstunterricht nicht neu – aber sie gewinnen in diesem Kontext erneut an Bedeutung und fordern die Auseinandersetzung mit diesen Entwicklungen. Irritationen, Komplexität und Offenheit können als Ausgangspunkt für kulturelles Lernen mit Kunst und durch künstlerische Praxis
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Transkulturelle Perspektiven im Lernen mit Kunst
genutzt werden, die das Feld visueller Erfahrungen öffnen und neue Ansatzpunkte für transkulturelles Lernen vor allem mit visuellem Material bieten. Jugendliche beziehen sich in ihrer alltäglichen Umgebung auf eine Reihe visueller Phänomene wie digitale oder analoge Bilder in Spielen, Anzeigen, Filmen, Videos und Clips. Einflüsse dieser Erfahrungen lassen sich in der Mode, Sprache und dem sozialen Verhalten der Jugendlichen in charakteristischer Weise beobachten und werden von ihnen teilweise bewusst eingesetzt. Daher ist es im Kunstunterricht nicht nur wichtig »nach außen«, über die Grenzen nach anderen Kulturen zu schauen, sondern auch »nach innen«, um die Interessen der Jugendlichen ernst zu nehmen und ihnen auf diese Weise eine Möglichkeit zu geben, ein Bewusstsein für ihre eigenen Kulturen zu entwickeln und diese zu reflektieren.2 Eine Konsequenz wäre daher, kulturellen Phänomenen außerhalb des traditionellen Kanons – einschließlich Jugendkulturen – mehr Raum zu geben.3 Für transkulturelles Lernen spielen der Umgang mit visuellem Material und die Auseinandersetzung mit medialen Darstellungsformen im Kontext künstlerischer Bildung insbesondere bei der Zielgruppe der Jugendlichen und jungen Erwachsenen eine entscheidende Rolle – sei es im Rahmen oder außerhalb des Kunstunterrichts. Es gibt viele Möglichkeiten, wie transkulturelles Lernen stattfinden kann: An erster Stelle steht sicher das Kennenlernen anderer Kulturen und Gesellschaften. Unterschiede können ein Anlass sein, die eigenen Kategorien, die Rolle von Theorien oder von Beschreibungen zu reflektieren und so das eigene Selbst und die eigene Kultur bewusster wahrzunehmen und zu reflektieren. Kunstschaffende wie Sopie Calle (Frankreich), Rineke Dijkstra (Niederlande), Lynn Hershman (USA), Shirin Neshat (Iran), Fernando Alvim (Angola/Rwanda/Südafrika), Meg Pukel (USA), Santiago Serra (Spanien), Tracey Moffatt (Australien), Nikki S. Lee (Korea/USA), Mirko Reisser (Deutschland), Jak Katarikawe (Afrika), Marina Abramović (Serbien/Paris/Amsterdam) oder die Pop Ikone Madonna (USA)4 bieten in ihrer 2
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Im anglo-amerikanischen Diskurs wird häufig argumentiert, dass indigene Kunst und die Kunst von Frauen aus der Unterrichtspraxis ausgeschlossen werden (vgl. Singerman 1999) – aber bereits Lucy Lippard führte in Mixed Blessings (1990) aus, dass multikulturelle Angelegenheiten vielfältiger und durchlässiger werden: Die Grenzen verlaufen nicht nur zwischen Nationen oder Rassen bzw. Ethnien, sondern auch Geschlecht und Klasse, Wertesysteme, Religion und Politik spielen eine zunehmende Rolle (vgl. Lippard 1990, 6). Laut Cahan und Kocur (1996) fehlt im Kunstunterricht häufig die Einbindung der Schülererfahrungen in den Lehrplan. Es sollte nicht außer Acht gelassen werden, dass Jugendliche eine eigene Kultur mitbringen, wie Mesa-Bains (1996) formuliert. Diese Namen stehen für eine Reihe Kunstschaffender, die sich Paderborner Studierende im Rahmen meines Seminars Identität und Hybridität als Themen zeitgenössischer Kunst für ihre
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künstlerischen Auseinandersetzung mit der eigenen Person zahlreiche Ansatzpunkte zu einer Öffnung des Themas Selbstdarstellung im Kontext der angedeuteten Themenkreise kultureller Globalisierung. Neu sind dabei weniger die Themen selbst als vielmehr ihre Ausrichtung unter den oben skizzierten Perspektiven. Stellvertretend für die Erfahrungen von Studierenden mit verschiedenen Konzepten transkulturellen Lernens sei die Äußerung einer Studentin wiedergegeben: »Die Ideen Wolfgang Welschs haben mich tief berührt. Je mehr ich darüber nachdenke, desto mehr erkenne ich analoge Aspekte in meinem persönlichen Leben: das allgegenwärtige Chaos, das Fehlen einer substanziellen Identität. Diese Ideen werde ich versuchen, in meiner praktischen Arbeit zu materialisieren: im weitesten Sinne die Verkörperung des Menschen einschließlich seiner Zerrissenheit, seiner inneren Konflikte, aber auch seiner Vielfalt.«5 Eine kritische, kulturell forschende Kunsterziehung und -praxis kann den Lernenden helfen, eine eigene kulturelle und persönliche Identität zu entwickeln. Polykontextuelle, heterarchische – im Sinne Niklas Luhmans – hyperkomplexe Bedingungen in ihrer Umgebung können so trainiert und entschärft werden. In diesem Prozess ist es wichtig, die Rolle des Lernenden von einer passiven, perzeptiven Haltung zu der eines fragenden Betrachtenden, kritischen Forschenden und kreativ schaffenden Denkers zu entwickeln. Dabei scheint es umso wichtiger, Visualität und visuelles Material als einen möglichen Baustein zur Konstruktion der eigenen Identität mit einzubeziehen, da viele Kunstschaffende ihre Repräsentationen von Welt oder imaginierten Welten visualisieren und die Lernenden so stimuliert werden, sich selbst bewusst eine eigene Identität zu schaffen. Viele Jugendliche nutzen mit der Darstellung ihrer eigenen Person und ihres Umfeldes in verschiedenen Rollen die neuen Medien bereits in diesem Sinn. Solche Plattformen bieten nicht nur Potential für benutzerreferierende Werbestrategien, sondern auch für neue pädagogische Fragen und Überlegungen.
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Auseinandersetzung auswählten. Dabei geht es nicht darum, eine repräsentative Liste vermeintlicher »Welt-Kunst« zusammenzustellen, sondern den Studierenden die Möglichkeit zu geben sich für sie interessante Konzepte und Arbeitsansätze auszuwählen. Auszug aus dem Arbeitsbuch von Ariane Temme zu dem Seminar (2006).
Transkulturelle Perspektiven im Lernen mit Kunst
Abb. 1/2: Die Studentin bei der Hängung ihrer Installation: Ariane Temme: o.T., 2005.
Visuelle Methoden der Selbstdarstellung, eingebunden in kreative Prozesse, finden hier statt und können zu einem grundlegenden und bereichernden Beitrag individueller Denk- und Reflexionsprozesse werden. Sie können dazu beitragen, die eigene kulturelle und soziale Konditioniertheit im Kontext historischer, sozialer, internationaler und kultureller Veränderung zu positionieren und notwendige Veränderungsprozesse nicht als Unsicherheit, sondern als Chance für Neues wahrzunehmen. Wobei es hilfreich ist, die Wahrnehmung des Existierenden als Ausgangspunkt für mögliche Neuerungen zu verstehen. Denn nur wenn die Bezugsrahmen und Konditionierungen der eigenen kulturellen Identitäten verortet sind, können neue Möglichkeiten als solche erkannt und erprobt werden. Erst dann wird Culture Travelling, das Reisen in und zwischen den Kulturen, möglich und der Begriff der Bildungsreise könnte neu besetzt werden. Das Konzept einer Gemeinschaft von Unterschieden beinhaltet dabei mehr als nur den Respekt für Andersartigkeit: Es beinhaltet ebenso ein ausgeprägtes Verständnis von Andersartigkeit und Anders-Sein. Verschiedene Arten der Wahrnehmung und Konstruktion können bei diesen Prozessen reflektiert und erprobt werden. Wie dargestellt, bietet der Kunstdis-
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kurs diverse Ansätze, im Verlauf derartiger Prozesse verschiedene Arten der Wahrnehmung und Konstruktion zu reflektieren und zu erproben: Sei es mit dem Begriff des Displacement, den Jan Hoet mit seiner Documenta wiederbesetzte, oder seien es Aspekte des Zweifels, über die Catherine David gesprochen hatte. Solche Haltungen können erprobt und trainiert werden und so besser auszuhalten sein oder zumindest erträglicher erscheinen. Wenn sie zum produktiven Bestandteil eines Prozesses individueller Selbstkonstruktion werden, müssen sie nicht mehr abgewehrt werden. Diese Situation erfordert Forschungsansätze, sowohl grundlegende kunstwissenschaftliche als auch kunstpädagogische, die sich auf verschiedenen Ebenen mit diesen Entwicklungen auseinandersetzen um Konsequenzen für kunstpädagogisches Handeln entwickeln zu können. Einen Beitrag zu grundlegenden methodischen und theoretischen Fragen auf diesem Gebiet liefert mein Habilitationsprojekt Positionen zeitgenössischer Kunst und Erinnerungskultur – Ein Beitrag zu einem transkulturellen Diskurs im Kontext kultureller Globalisierung, 6 angesiedelt am Fach Kunst an der Universität Paderborn, das vor allem die veränderte Rolle der Kunstschaffenden, ihres Selbstverständnisses und ihrer Arbeitsansätze in den Mittelpunkt stellt. Die Auswertungen zeigen, dass es wünschenswert ist, dass Prozesse kultureller Vermischung nicht verstärkt in eine Richtung – vom »Zentrum« zur »Peripherie« – verlaufen – und damit Teil eines erstarkenden Hegemonialsystems bleiben, sondern dass die steigende kulturelle Vielfalt, die heute wahrgenommen werden kann, von verschiedenen Seiten rezipiert wird. An dieser Stelle sollten Ausstellungsmachende, Forschende, Lehrende und Vermittler verstärkt ansetzen. Die Kunstpädagogik erscheint in dieser Diskussion als Disziplin, die sich mit visuellem Material in Lernprozessen auseinandersetzt, bisher noch wenig positioniert, obwohl sie vielfältige Ansatzpunkte für einen produktiven Umgang mit möglichen Irritationen in transkulturellen Handlungsfeldern bieten könnte.
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Die Habilitationsschrift wurde im Dezember 2007 eingereicht; im Wintersemester 2008/09 wurde das Habilitationsverfahren abgeschlossen.
Transkulturelle Perspektiven im Lernen mit Kunst
Literatur Appadurai, Arjun: Modernity at Large, Cultural Dimensions of Globalization, Minneapolis: University of Minnesota Press 1998. Beck, Ulrich: Was ist Globalisierung? Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1998. Bilden, Helga: »Das Individuum. Ein dynamisches System vielfältiger Teil-Selbste. Zur Pluralität in Individuum und Gesellschaft«, in: Heiner Keupp/Renate Höfer (Hg.): Identitätsarbeit heute. Klassische und aktuelle Perspektiven in der Identitätsforschung, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1997, S. 227–250. Blossfeld, Hans-Peter/Erik Klijzing/Melinda Mills (Hg.): Globalization, Uncertainty and Youth in Society, London: Routledge 2006. Cahan, Susan/Zoya Kocur (Hg.): Contemporary art and multicultural education, New York: Routledge 1996. Böhme, Hartmut: »Einführung in die Ästhetik«, in: Paragrana. Internatinoale Zeitschrift für Historische Anthropologie, Bd. 4, Heft 32, Berlin 1995, S. 240–254, zit. als http://www. culture.hu-berlin.de/HB/volltext.html vom 01.02.2007. Breidenbach, Joana/Ina Zukrigel: Tanz der Kulturen. Kulturelle Identität in einer globalisierten Welt, München: Kunstmann 1998. Grosser, Sabine: »Bildwelten – Ästhetisches Lernen im Kontext kultureller Globalisierung«, in: Claudia Vorst/Sabine Grosser/Juliane Eckhardt u.a. (Hg.): Ästhetisches Lernen. Fachdidaktische Grundfragen und praxisorientierte Konzepte im interdisziplinären Kontext von Lehrerbildung und Schule, Frankfurt a.M.: Peter Lang 2007, S. 27–43. Hall, Stuart: »Kulturelle Identität und Globalisierung«, in: Karl Hörning (Hg.): Widerspenstige Kulturen, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1999, S. 393–441. Lippard, Lucy R.: Mixed Blessings: New Art in a Multicultural America, New York: New Press 1990. Mesa-Bains, Amalia: »Teaching Students the Way they Learn«, in: Susan Cahan/Zoya Kocur (Hg.): Contemporary Art and Multicultural Education, New York: Routledge 1996, S. 31– 38. Luhmann, Niklas: Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1990. Robins, Kevin: »Traditions and Translation: National Culture and its Global Context«, in: John Corner/Sylvia Jarvey (Hg.): Enterprise and Heritage: Crosscurents of National Culture, London: Routledge 1991, S. 21–44, zit. nach Beck 1998. Singerman, Howard: Art subjects: Making Artists in the American University, Berkeley: University of California Press 1999. Welsch, Wolfgang: »Transkulturalität. Zur veränderten Verfaßtheit heutiger Kulturen«, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 45, Nr. 1/95, 1995, S. 39–44. Welsch, Wolfgang: »Aesthetics Beyond Aesthetics«, in: Martti Honkanen (Hg.): Proceedings of the XIIIth International Congress of Aesthetics, Lahti 1995, vol. III: Practical Aesthetics in Practice and Theory, Helsinki: Springer Netherlands 1997, S. 18–37, zit. als http://www2. unijena.de/welsch/ vom 04.04.2005. Welsch, Wolfgang: »Der Dialog mit dem Islam. Netzdesign der Kulturen«, in: Zeitschrift für Kulturaustausch 1/2002, o.S., www.http://cms.ifa.de/index.pjp?id=welsch vom 12.03.2007.
Abbildungen Abb. 1/2: Die Studentin bei der Hängung ihrer Installation: Ariane Temme: o.T., 2005, ca. 2 x 2 m, Folien/Fotos/Zeichnungen, 2005, Fotos: Sabine Grosser.
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Autorenverzeichnis Kerstin Asmussen *1985, seit Sept. 2008 B.A. im Studiengang Vermittlungswissenschaften; derzeit Studentin im Studiengang Master of Education für das Lehramt an Realschulen mit den Fächern Kunst und Geschichte sowie Lehrbeauftragte am Institut für ästhetisch-kulturelle Bildung im Fachbereich Kunst an der Universität Flensburg. Kunibert Bering *1951, Prof. Dr. phil. habil., Studium der Kunstgeschichte, Klassischen Archäologie, Geschichte und Philosophie in Bochum und Rom; 1978 Promotion; 1. und 2. Staatsexamen für das Lehramt am Gymnasium; bis 1998 im gymnasialen Schuldienst; 1987 Habilitation, anschließend Privatdozent an der Ruhr-Universität Bochum; 1991–96 Lehrbeauftragter an der Universität Koblenz-Landau (Abt. Landau); Gastvorlesungen an der Hochschule für Architektur und Bauwesen Weimar; 1995–98 Initiator und Leiter der Europäischen Bildungsprojekte im Rahmen des SOCRATES-Programms der Europäischen Kommission: »Postindustrielle Gesellschaft« und »Europa um 1900«; seit 1998 Lehrstuhl für die Didaktik der Bildenden Künste an der Kunstakademie Düsseldorf; 2007/08 Gastprofessur an der Universität Bern. Johannes Bilstein *1949, Prof. Dr. phil. habil., Studium an der Universität Köln in den Fächern Pädagogik, Germanistik, Anglistik, Geschichte, Psychologie und Philosophie; 1975 Staatsexamen, 1979 Promotion an der Universität Köln; 2000 Habilitation an der FU Berlin; bis 2004 Professor für Allgemeine Pädagogik an der Kunstakademie Düsseldorf; 2004–08 Professor für Erziehungswissenschaft an der Folkwang Hochschule Essen. Lehraufträge/Gastprofessuren an der Universitäten Innsbruck und Erlangen und an der Deutschen Sporthochschule Köln. Seit 2008 Professur für Allgemeine Pädagogik an der Kunstakademie Düsseldorf.
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Autorenverzeichnis
Andreas Brenne *1966, Prof. Dr., 1987–93 Studium an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster (Lehramt Primarstufe in den Fächern Kunst, Mathematik, Deutsch und Sachunterricht); 1993–97 Studium der freien Kunst an der Kunstakademie Münster; 1997–99 Referendariat in Rheine; Meisterschüler bei Prof. Dr. Lili Fischer; 1999/2000 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Goethe-Universität Frankfurt a.M., dort Promotion (Künstlerische Feldforschung in der Primarstufe – Qualitative Erforschung eines kunstpädagogischen Modells, 2003); 2000–07 Grundschullehrer in NRW, Lehrtätigkeiten an der Kunstakademie Münster, der Universität zu Köln und der Universität Kassel; seit 2007 Professor für Ästhetische Bildung und Bewegungserziehung an der Universität Kassel, Institut für Musik. Arbeitsschwerpunkte: Kunstpädagogik, künstlerisch-ästhetische Forschung, Grundschulpädagogik, qualitativ-empirische Unterrichtsforschung, kulturelle Bildung in der Ganztagsschule. Sara Burkhardt *1970, Dr. phil., Studium der Anglistik an der Universität Hamburg, der TU Braunschweig und am Trinity College Dublin, Studium des Faches Kunst an der HBK Braunschweig, anschließend Studienrätin am Gymnasium Grootmoor in Hamburg, Promotion an der HBK Braunschweig bei Prof. Freiberg, seit 2006 wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Fach Kunst im Institut für ÄsthetischKulturelle Bildung der Universität Flensburg; [email protected] Carl-Peter Buschkühle *1957, Prof. Dr., Studium der Kunst, der Philosophie und der Erziehungswissenschaften in Paderborn, Wuppertal und Köln. Promotion: Wärmezeit. Zur Kunst als Kunstpädagogik bei Joseph Beuys, Habilitation: Die Welt als Spiel, Theorie und Praxis künstlerischer Bildung. 2000–07 Professor für Kunstpädagogik an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg, seit 2007 Professor für Kunstpädagogik an der Justus-Liebig-Universität Gießen. http://www.uni-giessen.de/fb03/kunstpaedagogik/2_1-cp-buschkuehle.html Klaus-Peter Busse *1953, Prof. Dr., Studium der Kunst und Germanistik an den Universitäten Dortmund und Essen, Lehrer und Fachleiter für Kunst, Promotion zu Cy Twombly: Erzählung, Landschaft und Text, Habilitation über den Atlas als Handlungsapparat, seit 1999 Professor für Kunstdidaktik an der Technischen Universität Dortmund. Vgl. web.mac.com/klaus.peter.busse
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Autorenverzeichnis
Sabine Grosser *1963, Dr. phil., studierte Kunst-Visuelle Kommunikation, Germanistik und Geschichte an den Universitäten Marburg, Kassel und Tuscon/Arizona. Promotion über Blinky Palermo (Frankfurt a.M.: Peter Lang 1997). Seit 1987 Realisierung zahlreicher Kunst- und Forschungsprojekte/Lehre an verschiedenen Universitäten. 1997–2002 DAAD Senior Lecturer an der Universität Kelaniya (Sri Lanka). 2009 Habilitation an der Universität Paderborn: Positionen zeitgenössischer Kunst und Erinnerungskultur in Sri Lanka – Ein Beitrag zu einem transkulturellen Diskurs im Kontext kultureller Globalisierung. Forschungsschwerpunkte: Moderne und zeitgenössische Kunst, kulturelle Globalisierungsprozesse, Ästhetisches Lernen im Kontext kultureller Globalisierung und damit verbundene mediale Entwicklungen. Aktuelle Publikation: Grosser/Vorst/Burrichter/ Eckhardt: Ästhetisches Lernen, Frankfurt a.M.: Peter Lang 2008. Jörg Grütjen *1967, Studium an der Kunstakademie Münster (Meisterschüler bei Prof. Timm Ulrichs) und Studium der Germanistik an der Westfälische WilhelmsUniversität Münster, seit 1997 Kunst- und Deutschlehrer an der UNESCOSchule in Kamp-Lintfort, Lehrauftrag an der Universität Duisburg-Essen. Christine Heil *1965, Dr. phil., akademische Rätin im Fach Kunst an der Universität Flensburg. Studium an der HfBK und an der Universität Hamburg und in Toulouse, Frankreich, danach Lehrerin. Seit 2003 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Flensburg und 2004–06 zusätzlich an der Universität Bremen. Wintersemester 2007/08 Vertretungsprofessur an der Universität Oldenburg. Schwerpunkte: Begegnung und kartierende Auseinandersetzung mit aktueller Kunst, performative und mediale Strukturen in Vermittlungssituationen. EMail: [email protected] Helga Kämpf-Jansen Prof. Dr., Hochschullehrerin an der Universität Paderborn (i.R. mit weiterer Lehrtätigkeit); zahlreiche Forschungen und Veröffentlichungen an den Schnittstellen von Alltagsästhetik und Kunst. Näheres unter: http://kw.unipaderborn.de/institute-einrichtungen/institut-fuer-kunst-musik-textil/kunst/ personal/kaempf-jansen/
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Constanze Kirchner *1962, Prof. Dr., Studium an der Goethe-Universität in Frankfurt a.M. für das Lehramt an Grundschulen mit den Fächern Kunst, Deutsch und Sachunterricht; Zweitstudium Kunstpädagogik, Soziologie und Psychologie (M.A.); 1989–98 Grundschullehrerin; seit 1995 Mitherausgeberin der Zeitschrift Kunst+Unterricht; 1998 Promotion über die Vermittlung von Gegenwartskunst in der Grundschule; 1998–2001 Wissenschaftliche Assistentin an der Justus-Liebig-Universität Gießen. Seit 2001 Ordinaria für Kunstpädagogik an der Universität Augsburg. Näheres siehe unter http://www.philso.uni-augsburg.de/de/lehrstuehle/kunstpaed/mitarbeiter/kirchner/ Johannes Kirschenmann *1954, Dr. phil., Studium der Kunst und Politikwissenschaft an der Universität Tübingen und Kunsthochschule Kassel, Promotion zur Medienbildung in der Kunstpädagogik, 20 Jahre im Schuldienst, seit 2001 Professor für Kunstpädagogik an der Akademie der Bildenden Künste München. Mitherausgeber von KUNST+UNTERRICHT sowie der Reihe KONTEXT KUNSTPÄDAGOGIK bei kopaed. Näheres siehe: http://www.lrz-muenchen.de/~kunstpaedagogik/ Nobumasa Kiyonaga *1967 in der Präfektur Yamaguchi/Japan, Dr. phil., Studium der Kunstpädagogik sowie Ästhetik und Kunstwissenschaft an der Universität Hiroshima; seit 1998 in Hamburg; 2007 Promotion im Fachbereich Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg zu Alfred Lichtwark. Kunsterziehung als Kulturpolitik (München: kopaed September 2008); zurzeit tätig an der Martin-LutherUniversität Halle-Wittenberg als Japanisch-Lektor. Jochen Krautz *1966, Prof. Dr., Studium der Fächer Kunst, Latein und der Erziehungswissenschaften in Wuppertal und Köln; nach Erstem und Zweitem Staatsexamen Studienrat am Gymnasium; Promotion in Kunstpädagogik; seit 2003 Akademischer Oberrat im Studiengang Kunst (Lehramt) der Bergischen Universität Wuppertal; seit 2008 Professor für Kunstpädagogik an der Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Alfter bei Bonn.
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Autorenverzeichnis
Katharina Küstner *1975, promoviert an der Universität Leipzig zur kunstpädagogischen Praxis zwischen Schule und Museum. Sie studierte als Stipendiatin der HeinrichBöll-Stiftung Kunstpädagogik und Englisch in Leipzig, mit Studienaufenthalten in Irland und Portugal. Sie unterrichtet im Bildungsgang Gestaltung an der Fachoberschule Leipzig. In Projekten an der Leipziger Galerie für Zeitgenössische Kunst und dem Museum der Bildenden Künste setzt sie sich mit Bildungsprozessen zur Gegenwartskunst auseinander. Wolfgang Legler *1946, Prof. Dr. phil., Studium der Erziehungswissenschaft, Philosophie, Kunstgeschichte, Kunsterziehung an den Universitäten Erlangen und Hamburg und der Hochschule für bildende Künste Hamburg; zunächst Lehrer an einer Fachoberschule für Sozialpädagogik, 1979 Promotion, 1985–87 Dozent für »musisch-kulturelle Bildung« an der Deutschen Landjugend-Akademie in Bonn und Fredeburg; 1987 Berufung auf eine Professur für »Didaktik der Kunsterziehung« an der Justus-Liebig-Universität Gießen; seit 1992 Professor für »Erziehungswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Didaktik der ästhetischen Erziehung mit Schwerpunkt: Bildende Kunst in der Primarstufe« an der Universität Hamburg; 1993–95 Mitarbeit im Graduiertenkolleg Ästhetische Bildung (DFG); seit 1983 Gastaufenthalte und Lehraufträge an ausländischen Universitäten (Glasgow und Bern); 2006–09 Mitwirkung am Studiengang Master of Advanced Studies in Fachdidaktik Kunst und Gestaltung der Universität Bern. Arbeitsschwerpunkte: Geschichte und bildungstheoretische Orientierung der Kunstpädagogik, Kunsterziehung in der Grundschule. Pierangelo Maset *1954, Prof. Dr., Studium Kunst/Visuelle Kommunikation, Philosophie, Anglistik und Soziologie in Kassel, Göttingen, Berlin und Hamburg; seit Ende der 70er Jahre Ausstellungen, Lesungen und Performances; in den 80er Jahren Schallplattenveröffentlichungen, Mitbegründer des HYDE-Kartells in Berlin in den 90ern; seit 2001 Professor für Kunst und ihre Vermittlung an der Leuphana Universität Lüneburg; 2005 Roman Klangwesen bei kookbooks; 2006 Chefredakteur der Kulturzeitschrift DAS PLATEAU, »Corporate Difference: Formate der Kunstvermittlung«; 2007 Roman: Laura oder die Tücken der Kunst, nominiert für den Deutschen Buchpreis.
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Torsten Meyer *1965, Prof. Dr., Studium der Erziehungswissenschaft Soziologie, Philosophie, Kunst an den Universitäten Lüneburg und Hamburg und an der Hochschule für Bildende Künste Hamburg. DFG-Graduiertenkolleg »Ästhetische Bildung«, Promotion zu Interfaces, Medien, Bildung. Seit 2004 Juniorprofessor für »Erziehungswissenschaft unter besonderer Berücksichtigung der Forschung und Lehre im Bereich Multimedia mit einem Schwerpunkt in der Didaktik der Bildenden Kunst«, Universität Hamburg, Fachbereich Erziehungswissenschaft. Näheres siehe http://mms.uni-hamburg.de/meyer Anja Mohr *1967, Dr. phil., Kunstpädagogin und Künstlerin, Studium der Kunstpädagogik, Kunstgeschichte und Psychologie an der Justus-Liebig-Universität Gießen, 2004 Dissertation: Digitale Kinderzeichnung, 2004–08 Kunstlehrerin an einem Gymnasium, seit Sommersemester 2008 Vertretung der Professur KunstVermittlung-Bildung an der Universität Oldenburg. Schwerpunkte in Forschung und Lehre: Digitale Kinderzeichnung, qualitativ empirische Forschung, außerschulische Projektarbeit, experimentelle und digitale fotografische Verfahren. Stephan Münte-Goussar *1971, Dipl.-Päd., Studium der Erziehungswissenschaft, Soziologie, Psychologie und Politikwissenschaft. 2001–03 wissenschaftliche Begleitung des Modell-Projekts sense&cyber im Auftrag der Jugendkunstschulen Niedersachsens. 2003/04 Promotionsstipendium der Universität Hamburg. Seit 2003 freiberufliche Nebentätigkeit als Kindertheater- und MultiMedia-Produzent. Von 2004–07 Wissenschaftlicher Mitarbeiter im *mms – MultiMedia-Studio (u.a. Mitarbeit im Projekt study.log sowie Aufbau und Koordination eines E-Learning-Büros); seit 2007 wissenschaftlicher Mitarbeiter im Arbeitsbereich Bildung und Ökonomie der allgemeinen Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg. Karl-Josef Pazzini *1950, Prof. Dr., Professor für Bildende Kunst & Erziehungswissenschaft an der Universität Hamburg, Psychoanalytiker in eigener Praxis, Mitbegründer der Assoziation für die Freudsche Psychoanalyse, des Psychoanalytischen Kollegs, Mitherausgeber der Reihen psychoanalyse und TheorieBilden (transcript), Kunstpädagogische Positionen (Hamburg University Press). Arbeit an: Wahn –
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Wissen – Institution, Bildung vor Bildern, Psychoanalyse & Lehren. S. auch: http://mms.uni-hamburg.de/blogs/pazzini; http://freudlacan.de; http://www.cafeleonar.de/ Georg Peez *1960, Prof. Dr., Studium der Freien Malerei und Grafik an der Staatlichen Hochschule für Bildende Künste Frankfurt a.M., Städelschule; Studium, Promotion und Habilitation in Fach Kunstpädagogik an der Goethe-Universität Frankfurt a.M.; Studium an der Ohio State University, USA; Lehraufträge u.a. an der Universität Bern, Schweiz; Forschungsschwerpunkte im Bereich der qualitativ-empirischen Evaluations- und Wirkungsforschung. Seit 2004 Professor für Kunstpädagogik/Didaktik der Kunst an der Universität Duisburg-Essen. Näheres unter www.georgpeez.de Julia Rabe-Kröger *1973, lebt und arbeitet in Hamburg. 1. und 2. Staatexamen für das Grundund Hauptschullehramt in Niedersachsen (1993–2000), Wissenschaftliche Mitarbeiterin sowie Lehrauftrag im Fach Kunst und ihre Vermittlung/Kunstund Bildwissenschaften an der Leuphana Universität Lüneburg (2001–07). Seit August 2007 Lehrerin an der Gesamtschule Bergedorf in Hamburg. Stefanie Richter *1976, studierte Musik an der Hochschule Weimar, Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Jena, 1. Staatsexamen für Lehramt Grund- und Mittelstufe, Hochschule für Musik und Theater und der Universität Hamburg (Fächer: Musik, Kunst, Sport). Begleitende Weiterbildung im Bereich Rhythmik/Darstellendes Spiel mit Kindern und Jugendlichen; Kulturberaterin in Sachen Kompetenznachweis Kultur des BKJ. Kunstvermittlerin in Projekten verschiedener Hamburger Grundschulen; interdisziplinäre Arbeit (Bildende Kunst, Theater, Tanz, Performance) bei Projektplanungen, künstlerischer Leitung sowie Evaluation. Zurzeit Promotion an der Fakultät für Erziehungswissenschaft, Psychologie und Bewegungswissenschaft/Ästhetische Bildung an der Universität Hamburg.
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Andrea Sabisch *1970, Dr. phil., Studium der Germanistik und Anglistik in Göttingen, Studium des Lehramts für Grund- und Hauptschule in Flensburg in den Fächern Kunst, Deutsch und Musik; Referendarin und Lehrerin in Hannover; wissenschaftliche Assistentin an der Universität Dortmund; 2006 Promotion zum Thema Inszenierung der Suche – Aufzeichnungen als Grafien ästhetischer Erfahrung; 2007 Vertretungsprofessur »Kunst – Vermittlung – Bildung« an der Universität Oldenburg; seit Oktober 2007 wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Hamburg für Kunstpädagogik und Bildungstheorie. Arbeitsschwerpunkte: Methoden der Aufzeichnung, Forschendes Lernen, Methodologie der qualitativen Forschung, Wissenschaftskritik aus ästhetischer Perspektive. Siehe unter http://www.andrea-sabisch.de Ansgar Schnurr *1977, Dr. des., 1998–2003 Studium der Kunstpädagogik und katholischen Theologie an der Universität Paderborn, 2003–05 Studium der Freien Kunst an der Kunstakademie Münster, 2004 Meisterschüler von Prof. Timm Ulrichs. Seit 1999 autografische Kunstprojekte und Ausstellungstätigkeit. 2004–07 Lehraufträge für Bildhauerei, Installation und Fotografie an der Universität Paderborn, 2005–07 Promotion Über das Werk von Timm Ulrichs und den künstlerischen Witz als Erkenntnisform. Seit 2007 Studienreferendar an einer Meerbuscher Gesamtschule. E-Mail: [email protected] Doris Schuhmacher-Chilla *1952, Prof. Dr., Studium an der Kunstakademie Düsseldorf, Abteilung Münster und an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster, Kunstgeschichte, Erziehungswissenschaft, Germanistik, Philosophie. Promotion 1987. Habilitation 1993 über den Einfluss postmoderner Philosophie auf Theorien zur Erziehung, insbesondere zur Ästhetischen Sozialisation. 1994–2001 Professorin am Institut für Kunst- und Designwissenschaften der Universität Essen. Seit 2002 Professorin für Kunsttheorie am Institut für Kunst und Kunsttheorie der Universität zu Köln.
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Frank Schulz *1952, Dr. phil. habil., Studium der Kunsterziehung und Geschichte an der Universität Leipzig, Schuldienst in Leipzig, Dissertation zu Problemen des künstlerischen Schaffensprozesses, Zusatzstudium Ästhetik an der Universität Leningrad bei Moissej Kagan, Forschungsarbeit an der Eremitage, Habilitation zu Problemen des künstlerischen Talents, seit 1993 Professor für Kunstpädagogik/Kunstdidaktik und Leitung des Institutes für Kunstpädagogik an der Universität Leipzig, seit 2001 ehrenamtliche Tätigkeit als Kunstlehrer am BIP Kreativitätsgymnasium Leipzig, Mitherausgeber von KUNST+UNTERRICHT sowie der Reihe Kontext Kunstpädagogik im kopaed-Verlag, München. Adelheid Sievert *1944, Prof. Dr., Studium in Bielefeld und Hamburg; 1. und 2. Staatsprüfung für das Lehramt an Volks- und Realschulen; 1975 Promotion; 1980 Habilitation; 1980–84 Professorin für Kunstdidaktik der Primarstufe an der JustusLiebig-Universität Gießen, seit 1984 o. Professorin für Kunstpädagogik an der Goethe-Universität Frankfurt a.M. Julia Weitzel *1979, Dipl.-Päd., Studium der Erziehungswissenschaft mit Schwerpunkt kulturelle Bildungsarbeit an der Leuphana Universität Lüneburg; parallel Mitarbeit in DFG-Forschungsprojekten zur Untersuchung der langfristigen Entwicklung des modernen Bildungssystems unter Leitung von Prof. Dr. Hartmut Titze. 2002/03 studiumsbegleitende Zusatzausbildung Bewegung – Spiel – Theater (Arco e.V. Wiesbaden) in Anknüpfung an die mehrjährige Praxis in der Kulturpädagogik. Seit 2007 Mitarbeiterin im Mentoring-Programm der Leuphana Universität Lüneburg; derzeit Beginn der Lehrtätigkeit im Komplementärstudium Bereich Theater des Leuphana College. Promotion seit 2006. Tanja Wetzel *1966, Prof. Dr., Studium der Philosophie, Freien Kunst/Malerei, Kunst und Sozialkunde für das Lehramt an Gymnasien an den Universitäten Berlin und Kassel sowie an der Kunsthochschule Kassel. DFG-Graduiertenkolleg »Ästhetische Bildung«, Promotion zu Geregelte Grenzüberschreitung. Das Spiel in der Ästhetischen Bildung. Zwischenzeitig Kunstlehrerin an der Humboldtschule in Bad Homburg, seit 2005 Professorin für Kunst- und Medienpädagogik an der Kunsthochschule Kassel. Näheres unter: www.kunsthochschule-kassel.de
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Autorenverzeichnis
Kirsten Winderlich *1969, Dr. phil., Wissenschaftliche Mitarbeiterin für ästhetische Bildung an der Fachhochschule Potsdam; Lehraufträge an der Universität der Künste Berlin und der Freien Universität Bozen; Arbeits-/Forschungsschwerpunkte: ästhetische Bildung unter besonderer Berücksichtigung der frühen Kindheit; Bildungspotenzial Raum; qualitative Forschungsmethoden im Kontext ästhetischer Bildung; Bilderbuch und zeitgenössische Kunst. Näheres s. unter: www.kirsten-winderlich.de Manuel Zahn *1974, M.A., Studium: Erziehungswissenschaft, Philosophie und Psychologie. Seit 2007 Promotionsstipendiat der Universität Hamburg mit einer Dissertation zum Thema Film-Bildung. Lehrbeauftragter an der Universität Hamburg. Arbeitsschwerpunkte: Philosophie und Theorie der Bildung und der Medien, insbesondere des Films, Theorie populärer Kultur.
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Theorie Bilden Peter Faulstich Vermittler wissenschaftlichen Wissens Biographien von Pionieren öffentlicher Wissenschaft 2008, 196 Seiten, kart., 19,80 €, ISBN 978-3-89942-878-0
Hans-Christoph Koller, Winfried Marotzki, Olaf Sanders (Hg.) Bildungsprozesse und Fremdheitserfahrung Beiträge zu einer Theorie transformatorischer Bildungsprozesse 2007, 260 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-588-8
Hans-Christoph Koller, Markus Rieger-Ladich (Hg.) Figurationen von Adoleszenz Pädagogische Lektüren zeitgenössischer Romane II Februar 2009, 216 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1025-3
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
2009-04-02 16-20-12 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 02cd206584231864|(S.
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Theorie Bilden Jenny Lüders Ambivalente Selbstpraktiken Eine Foucault’sche Perspektive auf Bildungsprozesse in Weblogs 2007, 280 Seiten, kart., 28,80 €, ISBN 978-3-89942-599-4
Bettina Suthues Umstrittene Zugehörigkeiten Positionierungen von Mädchen in einem Jugendverband 2006, 296 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN 978-3-89942-489-8
Michael Wimmer Dekonstruktion und Erziehung Studien zum Paradoxieproblem in der Pädagogik 2006, 420 Seiten, kart., 33,80 €, ISBN 978-3-89942-469-0
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
2009-04-02 16-20-12 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 02cd206584231864|(S.
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Theorie Bilden Jürgen Budde Männlichkeit und gymnasialer Alltag Doing Gender im heutigen Bildungssystem
Stephanie Maxim Wissen und Geschlecht Zur Problematik der Reifizierung der Zweigeschlechtlichkeit in der feministischen Schulkritik
2005, 268 Seiten, kart., 25,80 €, ISBN 978-3-89942-324-2
Januar 2009, 306 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1030-7
Frank Elster Der Arbeitskraftunternehmer und seine Bildung Zur (berufs-)pädagogischen Sicht auf die Paradoxien subjektivierter Arbeit
Andrea Sabisch Inszenierung der Suche Vom Sichtbarwerden ästhetischer Erfahrung im Tagebuch. Entwurf einer wissenschaftskritischen Grafieforschung
2007, 362 Seiten, kart., 31,80 €, ISBN 978-3-89942-791-2
2007, 290 Seiten, kart., 31,80 €, ISBN 978-3-89942-656-4
Peter Faulstich (Hg.) Öffentliche Wissenschaft Neue Perspektiven der Vermittlung in der wissenschaftlichen Weiterbildung
Simone Tosana Bildungsgang, Habitus und Feld Eine Untersuchung zu den Statuspassagen Erwachsener mit Hauptschulabschluss am Abendgymnasium
2006, 196 Seiten, kart., 19,80 €, ISBN 978-3-89942-455-3
Werner Friedrichs Passagen der Pädagogik Zur Fassung des pädagogischen Moments im Anschluss an Niklas Luhmann und Gilles Deleuze 2008, 306 Seiten, kart., 32,80 €, ISBN 978-3-89942-846-9
2008, 276 Seiten, kart., 27,80 €, ISBN 978-3-89942-798-1
Katharina Willems Schulische Fachkulturen und Geschlecht Physik und Deutsch – natürliche Gegenpole? 2007, 314 Seiten, kart., 30,80 €, ISBN 978-3-89942-688-5
Hans-Christoph Koller, Markus Rieger-Ladich (Hg.) Grenzgänge Pädagogische Lektüren zeitgenössischer Romane 2005, 178 Seiten, kart., 20,80 €, ISBN 978-3-89942-286-3
Andrea Liesner, Olaf Sanders (Hg.) Bildung der Universität Beiträge zum Reformdiskurs 2005, 164 Seiten, kart., 18,80 €, ISBN 978-3-89942-316-7
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
2009-04-02 16-20-12 --- Projekt: transcript.anzeigen / Dokument: FAX ID 02cd206584231864|(S.
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3) ANZ1058.p 206584231872