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German Pages 289 Year 2008
Duisburger Volkswirtschaftliche Schriften Band 42
Kundenbindung bei Krankenkassen Eine marketingorientierte Analyse kassenindividueller Handlungsparameter bei selektivem Kontrahieren auf dem GKV-Versorgungsmarkt
Von
Katrin Scheffold
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
KATRIN SCHEFFOLD
Kundenbindung bei Krankenkassen
Duisburger Volkswirtschaftliche Schriften
Herausgeber: Prof. Dr. Peter Anker (geschäftsführend) PD Dr. Christian Müller · Prof. Dr. Werner Pascha · Prof. Dr. Jens Südekum Prof. Dr. Markus Taube · Prof. Dr. Manfred Tietzel
Band 42
Kundenbindung bei Krankenkassen Eine marketingorientierte Analyse kassenindividueller Handlungsparameter bei selektivem Kontrahieren auf dem GKV-Versorgungsmarkt
Von
Katrin Scheffold
asdfghjk Duncker & Humblot · Berlin
Die Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen hat diese Arbeit im Jahre 2007 als Dissertation angenommen.
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
Alle Rechte vorbehalten # 2008 Duncker & Humblot GmbH, Berlin Fotoprint: Berliner Buchdruckerei Union GmbH, Berlin Printed in Germany ISSN 0936-7020 ISBN 978-3-428-12704-7 Gedruckt auf alterungsbeständigem (säurefreiem) Papier ∞ entsprechend ISO 9706 *
Internet: http://www.duncker-humblot.de
Geleitwort Bis zur Mitte der 1990er Jahre war die Gesetzliche Krankenversicherung (GKV) ein wettbewerblicher Ausnahmebereich, der durchgehend plan- und kollektivwirtschaftlich gesteuert wurde. Erst mit der allgemeinen Kassenwahlfreiheit, die durch das „Gesundheitsstruktur-Gesetz“ (GSG) von 1992 eingeführt und zum 1. 1. 1996 wirksam wurde, begann die Transformation der GKV in ein stärker marktwirtschaftlich geordnetes System. Die damit intendierte „Solidarische Wettbewerbsordnung“ ist jedoch mangels weiterer wettbewerbsorientierter Reformschritte lange Zeit ein Torso geblieben. Zwar konnten seit 1996 auch die Pflichtmitglieder der GKV ihre Krankenkasse frei wählen, so dass diese durch rasch einsetzende Mitgliederwanderungen unter erheblichen Wettbewerbsdruck gerieten, aber die Kassen hatten so gut wie keine Möglichkeit, auf das Versorgungsgeschehen gestaltend einzuwirken. Anders als Unternehmen in den übrigen Wirtschaftsbereichen waren sie nicht in der Lage, die Wettbewerbsparameter „Produkt“ und „Preis“ zur Realisierung einer patientengerechten, effektiven und effizienten Gesundheitsversorgung einzusetzen. Dies deshalb, weil das Versorgungsgeschehen weitgehend durch „gemeinsam und einheitlich“ auf der Verbandsebene getroffene Kollektivvereinbarungen – und nicht durch individuelle Verträge zwischen den Kassen und Leistungserbringern (sog. „selektives Kontrahieren“) – geregelt wurde. Erst durch das „Gesetz zur Modernisierung des Gesundheitswesens (GMG)“ von 2003 wurden einige Leistungsbereiche wie die hausarztzentrierte und integrierte Versorgung sowie die Arzneimittelversorgung für individualvertragliche Lösungen geöffnet, die durch das nachfolgende „Gesetz zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-WSG)“ von 2007 noch erweitert und präzisiert wurden. Obwohl damit nur selektivvertragliche „Inseln“ im „Meer“ der Kollektivverträge geschaffen wurden, ist es inzwischen bereits zu einer wahren Flut von Selektivverträgen gekommen, und es hat ein vehementer „Vertragswettbewerb“ auf dem GKV-Versorgungsmarkt eingesetzt. Damit stehen die Kassen erstmals vor beträchtlichen vertragswettbewerblichen Herausforderungen und müssen um ihr Überleben im Markt kämpfen. Krankenkassen, die unter diesen Umständen ihre Marktposition behaupten oder gar ausbauen wollen, dürfen zumindest keine Versicherten verlieren. Sie müssen deshalb in der Lage sein, solche Versorgungsangebote selektivvertraglich zu gestalten, die von ihren Mitgliedern als innovativ und präferenzgerecht im Vergleich zur Konkurrenz angesehen werden.
6
Geleitwort
Hier setzt die erkenntnisleitende Fragestellung von Frau Katrin Scheffold an, indem sie von den neuen vertragswettbewerblichen Herausforderungen für die Krankenkassen ausgeht und die „Kundenbindung“ als erfolgsversprechende Unternehmensstrategie herausarbeitet. Dabei geht es ihr vor allem um die äußerst praxisrelevante Frage, wie eine Kasse aus dem breiten Spektrum selektivvertraglicher Gestaltungsmöglichkeiten jene herausfinden kann, die gerade für ihre Versicherten präferenzgerecht sind und damit Gewähr bieten, diese vom Wechsel zur Konkurrenz abzuhalten. Hierzu entwickelt sie ein conjointanalytisches Modell, das sie anschließend zur Grundlage für eine Online-Befragung unter Studierenden und Hochschulabsolventen verwendet. Die von ihr erzielten Ergebnisse sind teilweise kontraintuitiv und überraschend und zeigen auf beeindruckende Weise die Leistungsfähigkeit der Conjoint-Analyse zur Ermittlung präferenzgerechter Gestaltungsoptionen der Kassen im Versorgungsbereich. Die Arbeit von Katrin Scheffold wurde im Sommer 2007 vom Fachbereich Betriebswirtschaft – Mercator School of Management – der Universität Duisburg-Essen als Dissertation angenommen. Gerade weil es ihr in vorbildlicher Weise gelungen ist, eine aktuelle Fragestellung aus der Praxis theoretisch und empirisch anspruchsvoll zu analysieren und zu praktisch verwertbaren Ergebnissen zu kommen, haben die Herausgeber diese profunde Arbeit gerne in die „Duisburger Volkswirtschaftlichen Schriften“ aufgenommen. Sie tun dies in der Überzeugung, dass die Arbeit in der Praxis auf breite Resonanz stößt und Krankenkassen behilflich sein kann, sich den neuen Herausforderungen des Vertragswettbewerbs erfolgreich zu stellen. Duisburg, im Dezember 2007
Prof. Dr. Dieter Cassel
Vorwort Mit der Gesundheitsreform von 2003 hat in der GKV eine Umstellung der Vertragsgestaltung von einem Kollektiv- zu einem Einzelvertragssystem („selektives Kontrahieren“) begonnen. Allerdings erstrecken sich die einzelvertraglichen Regelungen noch auf wenige begrenzte Bereiche (z. B. hausärztliche Versorgung). Wenn – wie es in vielen politischen und wissenschaftlichen Diskussionen gefordert wird – der GKV-Versorgungsmarkt noch stärker wettbewerblich ausgerichtet werden soll, z. B. indem die Leistungserbringer mit den Krankenkassen ausschließlich selektive Verträge abschließen, dann wird dies weit reichende marketingpolitische Konsequenzen für jede einzelne Kasse haben. In dieser Situation müssen sie Versorgungsangebote anbieten, die von den Versicherten, im Vergleich zu den Konkurrenzangeboten, als präferenzgerechter angesehen werden, um weiterhin erfolgreich auf dem GKV-Versicherungsmarkt tätig zu sein. An dieser Stelle setzt die Dissertationsschrift an und versucht Strategien aufzuzeigen, wie Kassen ihre Versicherten durch das Angebot eines präferenzgerechten Krankenversicherungsangebotes an sich binden können. Die vorliegende Dissertationsschrift ist während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Mitarbeiterin bei Prof. Dr. Dieter Cassel an der Mercator School of Management der Universität Duisburg-Essen entstanden. Mein erster Dank gilt daher auch meinem Doktorvater Herrn Prof. Dr. Dieter Cassel, der mich durch seine stets konstruktive Kritik sicher durch die volkswirtschaftlichen Klippen bei der Erstellung dieser Arbeit gelotst hat und mich auch menschlich hervorragend betreute. Auch Herrn Prof. Dr. Jost Adler, der die Aufgabe des Zweitgutachters übernommen hat, möchte ich an dieser Stelle meinen herzlichen Dank dafür aussprechen, dass er mir bereits seit Beginn der Erstellung dieser Arbeit mit Rat und Tat zur Seite stand. Prof. Dr. Volker Breithecker und PD Dr. Christian Müller sei schließlich mein allerherzlichster Dank für die Mitwirkung in der Prüfungskommission ausgesprochen. Herrn Dr. Torsten Sundmacher danke ich für die Übernahme des Disputationsprotokolls. Ferner möchte ich ihm, Frau Dipl.-Vwt. Marion Grote Westrick und Herrn Dr. Andreas Klein für die vielen guten Diskussionen und die nützliche Kritik an meiner Arbeit während der Promotionszeit danken. Bei Frau Ulrike Michalski bedanke ich mich sehr herzlich für ihre immerwährende Unterstützung während meiner Zeit am Lehrstuhl und für ihre Hilfe bei der Korrektur meiner Dissertation.
8
Vorwort
Meiner Tante Mechthilde gilt schließlich mein besonders herzlicher Dank für ihre immer tatkräftige und schnelle Hilfe beim Korrekturlesen sowie für ihr fortwährendes Interesse an dem Stand der Arbeit. Schließlich möchte ich besonders meinen Eltern, meiner Schwester Carolin sowie meinem Mann Jitu danken, denn ohne ihren Rückhalt, ohne ihre fortwährenden Ermutigungen und ohne ihre selbstverständliche Unterstützung, die mir die Zeit gaben, mich intensiv meiner Promotion zu widmen, hätte ich diese Dissertationsschrift sicherlich nicht in dieser Form fertig stellen können. Dafür danke ich Euch ganz herzlich und möchte Euch als Dank dafür diese Arbeit widmen. Duisburg, im Dezember 2007
Katrin Scheffold
Inhaltsverzeichnis Einleitung Vom Preiswettbewerb zum Qualitäts- und Produktwettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung
19
Erster Teil Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
25
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb ................................................ 26 I.
Prinzipien der GKV ......................................................................................... 26
II. Der Risikostrukturausgleich ............................................................................ 30 III. Merkmale und Besonderheiten der „drei Märkte“ der GKV ........................... 34 1.
Der Behandlungsmarkt............................................................................. 35
2.
Der Versorgungsmarkt ............................................................................. 37
3.
Der Versicherungsmarkt .......................................................................... 41
IV. Wettbewerbsparameter der Krankenkassen im Status quo .............................. 46 V. Wettbewerb um Versicherte im Status quo...................................................... 55 1.
Wettbewerb innerhalb des GKV-Systems................................................ 56
2.
Wettbewerb der Systeme um freiwillig Versicherte................................. 64
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen....................... 68 I.
Mehr Markt und Wettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt .................... 68 1.
Warum mehr Markt und Wettbewerb auf dem Versorgungsmarkt?......... 68
2.
Worin soll mehr Markt und Wettbewerb bestehen? ................................. 72
3.
Ergebnis von mehr Markt und Wettbewerb auf dem Versorgungsmarkt ........................................................................................................ 75
II. Ziele der Krankenkassen ................................................................................. 79 1.
Zu den Funktionen und der Kategorisierung von Unternehmenszielen.... 79
2.
Sind Krankenkassen Unternehmen?......................................................... 82
3.
Der sozialrechtliche Zielrahmen .............................................................. 84
4.
Unternehmensziele von Krankenkassen................................................... 85
10
Inhaltsverzeichnis a)
Der Zielkatalog: ein Überblick ......................................................... 85
b)
Sicherung des Kassenfortbestandes und Vergrößerung der Mitgliederzahl................................................................................... 88
c)
Senkung bzw. Erhaltung des Beitragssatzes ..................................... 90
III. Strategische Bedeutung der Kundenbindung für Krankenkassen .................... 91 Zweiter Teil Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
94
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung................................ 95 I.
Zum Begriff „Kundenbindung“ ....................................................................... 95
II. Theorien zur Anbietertreue und zum Anbieterwechsel.................................... 99 1.
Ökonomische Theorien .......................................................................... 100 a)
Zur mikroökonomischen Theorie von Hirschman .......................... 100
b)
Ansätze aus der Neuen Institutionenökonomik............................... 103 aa) Transaktionskostentheorie....................................................... 104 bb) Informationsökonomik ............................................................ 107
2.
Verhaltenswissenschaftliche Theorien ................................................... 110 a)
Psychologische Bindungstheorien .................................................. 111 aa) Theorie des wahrgenommenen Risikos................................... 111 bb) „Maps of Bounded Rationality“ – die Arbeiten von Kahneman und Tversky ................................................... 112 cc) Dissonanztheorie ..................................................................... 115 dd) Lerntheorie.............................................................................. 117
b)
Sozialpsychologische Bindungstheorie nach Thibaut und Kelley... 118
D. Bestimmungsfaktoren für die Anbietertreue und Typologisierungskriterien der Kundenbindung I.
122
Bestimmungsfaktoren für die Anbietertreue.................................................. 122 1.
Kundenorientierung ............................................................................... 124
2.
Zufriedenheit.......................................................................................... 126
3.
Nettonutzen ............................................................................................ 131
II. Typologisierungskriterien der Kundenbindung ............................................. 135 1.
Bindungsursache .................................................................................... 136
2.
Bindungsobjekt ...................................................................................... 140
3.
Bindungssymmetrie ............................................................................... 141
4.
Bindungszeitpunkt und -dauer ............................................................... 144
Inhaltsverzeichnis
11
5.
Bindungsintensität.................................................................................. 145
6.
Synthese ................................................................................................. 146
E. Selektive Kundenbindung und Erfolgskontrolle .............................................. 147 I.
Kundenwert und Kundenmanagement........................................................... 147
II. Erfolgsmessung der Bindungsaktivitäten ...................................................... 153 III. Grenzen bei der Bindung von Kunden........................................................... 154 IV. Synthese ........................................................................................................ 156 Dritter Teil Strategien und Instrumente zur Bindung von Kassenkunden bei Wettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt F.
158
Modelle zur Kundenbindung bei Krankenkassen............................................ 158 I.
Grundlegende Überlegungen ......................................................................... 158
II. Herleitung der Modelle zur Kundenbindung ................................................. 161 1.
Ein Modell für Pflichtversicherte ........................................................... 161
2.
Ein Modell für freiwillig Versicherte ..................................................... 164
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“ ....................... 168 I.
Steigerung des primären Nutzens .................................................................. 168 1.
2.
Produktgestaltung................................................................................... 168 a)
Auswahl der Leistungserbringer..................................................... 168
b)
Spezielle Versorgungs- und Leistungsangebote ............................. 172
Erweiterung der Produkteigenschaften durch private Zusatzversicherungen............................................................................. 174
II. Steigerung des Transaktionsnutzens .............................................................. 176 III. Steigerung des externen und emotionalen Nutzens bzw. Senkung der externen und emotionalen Kosten............................................................ 178 IV. Senkung des Entgelts und der nachfragerseitigen Transaktionskosten .......... 180 1.
2.
Ausgestaltung des Beitragssatzes........................................................... 180 a)
Selbstbehalte................................................................................... 180
b)
Prämienzahlungen .......................................................................... 181
c)
Selbstbeteiligung ............................................................................ 182
d)
Bonusmodelle ................................................................................. 183
Beeinflussung der Höhe der nachfragerseitigen Transaktionskosten ..... 184
V. Bildung positiver Erwartungen...................................................................... 185 VI. Synthese ........................................................................................................ 187
12
Inhaltsverzeichnis
H. Empirische Befunde ............................................................................................ 191 I.
Problemstellung............................................................................................. 191
II. Die Conjoint-Analyse: ein dekompositionelles Verfahren zur Ermittlung von Teilnutzenwerten .................................................................. 193 1.
Theoretischer Hintergrund, Methodik und Anwendungsbereiche einer Conjoint-Analyse .......................................................................... 193
2.
Zur Durchführung einer Online-Conjoint-Analyse mit Limit-Karte ...... 198 a)
Zur Limit Conjoint-Analyse und der Limit-Karte als Instrument zur Bestimmung von Nutzennullpunkten........................................ 198
b)
Vorteile einer Übertragung von Conjoint-Analysen auf das WWW....................................................................................... 201
c)
Kritische Betrachtung der Vorteilhaftigkeit von Online-Conjoint-Analysen.............................................................. 202
d)
Konzeption einer Online-Conjoint-Analyse ................................... 204
III. Ermittlung von Teilnutzenwerten für ausgewählte GKV-Komponenten....... 205 1.
2.
Aufbau und Ablauf der Analyse............................................................. 205 a)
Auswahl des Kundensegmentes...................................................... 205
b)
Ermittlung der relevanten Merkmale und Konstruktion der Stimuli ...................................................................................... 207
c)
Gestaltung und Durchführung der Datenerhebung für die Online-Conjoint-Analyse mit Limit-Karte...................................... 213
Ergebnis der Online-Conjoint-Analyse .................................................. 215 a)
Statistische Kennzahlen .................................................................. 215
b)
Schätzung der Teilnutzenwerte....................................................... 217
c)
Validität der Ergebnisse.................................................................. 221 aa) Die untersuchten Validitätskriterien........................................ 221 bb) Inhaltsvalidität......................................................................... 222 cc) Interne (Übereinstimmungs-)Validität .................................... 225 dd) Prognosevalidität..................................................................... 226
3.
Exemplarische Simulationen auf Basis der geschätzten Teilnutzenwerte...................................................................................... 230 Zusammenfassung
Conjoint-Analyse als Grundlage für die erfolgreiche Kundenbindung
252
Literaturverzeichnis ................................................................................................... 259 Sachwortverzeichnis................................................................................................... 287
Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Anzahl der Mitglieder (in Tausend) nach Kassenarten von 1996 bis 2004 ......................................................................................57
Tabelle 2:
Bestimmungsfaktoren für die Anbietertreue.............................................123
Tabelle 3:
Instrumente zur Bindung von Versicherten ..............................................189
Tabelle 4:
Reduziertes Design ...................................................................................212
Tabelle 5:
Grundlegende statistische Kennzahlen .....................................................216
Tabelle 6:
Statistische Kennzahlen............................................................................216
Tabelle 7:
Durchschnittlich normierte Teilnutzenwerte und relative Wichtigkeiten ...........................................................................................219
Tabelle 8:
Anteil korrekt prognostizierter Teilnutzenrelationen................................224
Tabelle 9:
Kendalls tau als Gütemaß für die interne (Übereinstimmungs-) Validität ....................................................................................................226
Tabelle 10: Prognoseindikatoren der aggregierten Auswahlentscheidungen...............230
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Vorgehensweise der Untersuchung ......................................................22
Abbildung 2:
Prinzipien der GKV..............................................................................26
Abbildung 3:
Die „drei Märkte“ der GKV .................................................................34
Abbildung 4:
Informationsverteilung bei Versicherer und Versorger ........................38
Abbildung 5:
Wettbewerbshindernisse im GKV-System ...........................................40
Abbildung 6:
Versichertenstruktur der GKV..............................................................44
Abbildung 7:
Abhängigkeit des individuellen Nutzenniveaus eines Versicherten von der Versichertenzahl einer Krankenkasse......................................45
Abbildung 8:
Marktanteile der Kassenarten in den Jahren 1996 und 2004 ................58
Abbildung 9:
Anteil der Kassenarten bei Wechslern und Nicht-Wechslern...............59
Abbildung 10: Sozioökonomisches Profil der Wechsler und Nicht-Wechsler .............60 Abbildung 11: Zusammenhang zwischen Mitgliedermobilität und Beitragssatz..........61 Abbildung 12: Wanderungsbewegungen zwischen GKV und PKV.............................66 Abbildung 13: Anteil der GKV-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (in jeweiligen Preisen)..........................................................................71 Abbildung 14: Katalog möglicher Unternehmensziele.................................................81 Abbildung 15: Wichtigste Ziele von Krankenkassen – eine Nennung pro Kasse.........86 Abbildung 16: Wichtigste Ziele von Krankenkassen – fünf Nennungen pro Kasse .....87 Abbildung 17: Qualitätselastizität ..............................................................................101 Abbildung 18: Attraktivität und Abhängigkeit in (Geschäfts-)Beziehungen..............121 Abbildung 19: Der Nettonutzen .................................................................................131 Abbildung 20: Multiattributive Nutzen- und Kostenkomponente ..............................134 Abbildung 21: Beeinflussung der Nutzenhöhe eines Krankenversicherungsangebotes durch Versorger .................................................................135 Abbildung 22: Interventionsrichtungen zur positiven Beeinflussung der Kaufentscheidung eines potenziellen Abnehmers ......................................135 Abbildung 23: Nettonutzendifferenz ..........................................................................143
Abbildungsverzeichnis
15
Abbildung 24: Substitution von Nutzenbestandteilen ................................................159 Abbildung 25: Der Nettonutzen und die individuelle Nutzengrenze..........................160 Abbildung 26: Untere und obere Krankenversicherungskonkurrenzgrenze ...............162 Abbildung 27: Abwanderungskorridor I ....................................................................163 Abbildung 28: Abwanderungskorridore I und II ........................................................166 Abbildung 29: Arten der Validität..............................................................................222 Abbildung 30: Simulationsergebnis für das Ausgangsszenario bei dem Wettbewerbsumfeld I.................................................................................234 Abbildung 31: Produktvariation: Bonusmodell statt Selbstbeteiligung......................236 Abbildung 32: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Bonusmodell statt Selbstbeteiligung ................................................................................237 Abbildung 33: Produktvariation: Marketingmix ........................................................239 Abbildung 34: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Marketingmix .....................240 Abbildung 35: Simulationsergebnis für das Ausgangsszenario bei dem Wettbewerbsumfeld II................................................................................241 Abbildung 36: Produktvariation: Krankenhäuser mit hoher Qualität anstatt mit Standardqualität ...........................................................................243 Abbildung 37: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Krankenhäuser mit hoher Qualität anstatt mit Standardqualität ..................................................244 Abbildung 38: Produktvariation: Marketingmix ........................................................245 Abbildung 39: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Marketingmix .....................246 Abbildung 40: Simulationsergebnis für das Ausgangsszenario bei dem Wettbewerbsumfeld III ..............................................................................247 Abbildung 41: Produktvariation: Bonusmodell statt Selbstbeteiligung......................248 Abbildung 42: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Bonusmodell statt Selbstbeteiligung ................................................................................249 Abbildung 43: Produktvariation: Marketingmix ........................................................250 Abbildung 44: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Marketingmix ...................251
Abkürzungsverzeichnis ACA
Adaptive Conjoint-Analyse
AG
Aktiengesellschaft
AOK
Allgemeine Ortskrankenkasse
AWK
Abwanderungskorridor
B
Beziehung
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BKK
Betriebskrankenkasse
BMG
Bundesministerium für Gesundheit
BVA
Bundesversicherungsamt
CBC
Choice-Based Conjoint-Analyse
CL
Comparison Level
CLalt
Comparison Level for Alternatives
CLV
Customer Lifetime Value
c. p.
ceteris paribus
DAK
Deutsche Angestellten Krankenkasse
DHTML
Dynamic Hypertext Markup Language
DMP
Disease-Management-Programm
E
Erlös
EAN
Ersatzkassen für Angestellte
EAR
Ersatzkassen für Arbeiter
G-BA
Gemeinsamer Bundesausschuss
GKV
Gesetzliche Krankenversicherung
GKV-WSG
GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz
GMG
Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz)
GRG
Gesundheits-Reformgesetz
GSG
Gesundheits-Strukturgesetz
IGES
Institut für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH
IKK
Innungskrankenkasse
Abkürzungsverzeichnis
17
IQWiG
Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen
KH
Krankenhäuser
KV
Kassenärztliche Vereinigung
KVEG
Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz
KVKG
Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz
KVKGo
obere Krankenversicherungskonkurrenzgrenze
KVKGu
untere Krankenversicherungskonkurrenzgrenze
KZV
Kassenzahnärztliche Vereinigung
l
Leistungsbündel
LCA
Limit Conjoint-Analyse
MAE
Mean Absolute Error
M-RSA
Morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich
NIO
Neue Institutionenökonomik
o.V.
ohne Verfasser
p
Preis
PEi
Produkteigenschaft
PKV
Private Krankenversicherung
q
Menge
r
Reservationspreis
RAE
Relative Absolute Error
RMSE
Root Mean Squared Error
RSA
Risikostrukturausgleich
RSAÄndV
Risikostruktur-Ausgleichsverordnung
SGB
Sozialgesetzbuch
SVR Gesundheit
Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen
TN
Teilnutzen einer Eigenschaftsausprägung
U
Gesamtnutzen eines Leistungsbündels
*
U
individuelle Nutzengrenze
VAG
Versicherungsaufsichtsgesetz
VS
Validierungsstimulus
WIdO
Wissenschaftliches Institut der AOK
WWW
World Wide Web
x
Qualität
Einleitung
Vom Preiswettbewerb zum Qualitäts- und Produktwettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung Der Markt der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) war bis zum Jahre 1996 weitestgehend ein wettbewerbsfreier Raum. Für Pflichtversicherte war es – bis auf wenige Ausnahmen – nicht möglich, die Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse zu kündigen, um zu einer anderen gesetzlichen Krankenversicherung zu wechseln, da sie aufgrund ihrer Berufsgruppenzugehörigkeit bestimmten Krankenkassen zugewiesen wurden.1 Das Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GesundheitsStrukturgesetz – GSG) von Dezember 1992 war ein erster Schritt in Richtung Wettbewerb, denn es beinhaltete die Freigabe der Krankenkassenwahl zum 1. Januar 1996.2 Aus Konsumentensicht stellte dies eine entscheidende Verbesserung dar, denn die Mehrzahl der Versicherten hatte damit erstmals die Möglichkeit, selbstständig die eigene Krankenkasse auszuwählen. Für die einzelnen Kassen bedeutete diese Reform jedoch einige grundlegende Veränderungen in Bezug auf die Betrachtung und den Umgang mit den Versicherten. Vielen Krankenkassen wurden bis zum Jahre 1996 die Mitglieder zugewiesen (Primärkassen), d. h. sie mussten sich nicht selbstständig um die Akquisition ihrer Versicherten bemühen.3 Da die meisten Versicherten somit qua Gesetz an eine Krankenkasse gebunden waren, bestand bis zu diesem Zeitpunkt keine Notwendigkeit für ausgefeilte Kundenbindungsmaßnahmen. Durch die mit dem GSG eingeführten Möglichkeiten, die Krankenkasse selbstständig auszuwählen und zu wechseln, hat sich dies geändert, denn die Krankenkassen müssen sich seitdem aktiv um die Akquisition und die Bindung der Versicherten bemühen. Allerdings sind die Wettbewerbsparameter sehr eingeschränkt. So wird beispielsweise der Leistungskatalog durch das Sozialgesetzbuch (SGB) V und den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) festgelegt. Der Leistungsumfang ist somit bei allen gesetzlichen Krankenversicherungen weitestgehend identisch, so dass der Beitragssatz zum zentralen Wettbewerbsparameter einer Kranken___________ 1 Vgl. zur individuellen Kassenwahl vor Inkrafttreten des Gesundheitsstrukturgesetzes Herder-Dorneich (1994), S. 172 f. und S. 277. 2 Vgl. Andersen/Schwarze (1996), S. 810 ff. 3 Lediglich die Wahlkassen mussten sich vor dem GSG selbstständig um die Akquisition der Mitglieder bemühen.
20
Einleitung
kasse wurde; denn ein geringer Beitragssatz ist für viele Versicherte ein wichtiger Grund, bei einer Krankenkasse zu bleiben bzw. zu einer Kasse mit einem niedrigeren Beitragssatz zu wechseln.4 So gaben in einer repräsentativen Studie beispielsweise über 50 % der Kassenwechsler und über 73 % derjenigen, die einen Wechselgedanken hegen, an, dass ein niedriger Beitragssatz der wichtigste Grund für einen Kassenwechsel war bzw. sein wird. Aufgrund der Probleme des deutschen Gesundheitssystems wird über weitere Reformen des deutschen Gesundheitssystems debattiert.5 Besonders kritisiert werden die Kollektivverhandlungen zwischen den kassenärztlichen Vereinigungen und den Verbänden der Krankenkassen, und es wird eine stärkere wettbewerbliche Steuerung der Vertragsbeziehungen zwischen den Krankenkassen und den Versorgern gefordert. Dabei steht zur Diskussion, das gemeinsame und einheitliche Kontrahieren durch individualvertragliche Regelungen zu ersetzen. Für die Krankenkassen würde dies bedeuten, dass sie selbstständig entscheiden müssten, mit welchen und wie vielen Leistungserbringern sie in welchen Regionen Versorgungsverträge abschließen. Dies impliziert, dass die Krankenkassen die Möglichkeit hätten, sich auf der Leistungsseite maßgeblich voneinander zu differenzieren, und dass sie eigenverantwortlich weit reichende und fundierte unternehmerische Entscheidungen treffen müssten, um weiterhin erfolgreich am Markt zu agieren. Mit selektivem Kontrahieren würde in zwei Bereichen Wettbewerb eingeführt: Zum einen würde es einen Wettbewerb der Versorger und der Krankenkassen um Versorgungsverträge auf dem GKV-Versorgungsmarkt geben, zum anderen würde der Wettbewerb um Versorgungsverträge sowie das daraus resultierende größere Angebot an unterschiedlichen Versicherungsangeboten zu einem verstärkten Wettbewerb auf dem GKV-Versicherungsmarkt führen. Dort entscheidet dann ein präferenzgerechtes Angebot über den Erfolg, da Versicherte das Angebot auswählen werden, welches am ehesten ihren Wünschen entspricht. Mit dem Einführen einer verstärkten Wettbewerbsorientierung auf dem Versorgungsmarkt würde damit dem Versicherten – im Vergleich zum Status quo – ein anderer Stellenwert beigemessen, und er würde zunehmend in den Fokus der Vermarktungsstrategien der Krankenkassen rücken. Orientierten sich die Kassen bei der Gestaltung ihres Versicherungsproduktes nicht an den Präferenzen ihrer Versicherten, dann werden diese ihre individuelle Kassenwahlfreiheit nutzen und eine andere Kasse auswählen, die ein präferenzgerech___________ 4 Vgl. hierzu und zum Folgenden Zok (2003), S. 38 ff.; Andersen/Grabka (2006), S. 25 f. 5 Vgl. zu den Problemen des deutschen Gesundheitssystems und zu der Forderung nach mehr wettbewerblicher Steuerung beispielsweise Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2001), S. 25 ff.; Jacobs/Schulze (2004b), S. 90 f.
Einleitung
21
teres Produkt anbietet. Bei der Auswahl des Versicherungsproduktes wird damit nicht mehr nur wie im Status quo primär die Höhe des Beitragssatzes relevant sein, sondern auch die Leistungsseite, da verschiedene Kassen mit unterschiedlichen Leistungserbringern kontrahieren und damit ein unterschiedliches Versorgungsangebot anbieten werden. Der Wettbewerb um einen niedrigen Beitragssatz würde somit durch einen Wettbewerb um ein präferenzgerechtes Versicherungsangebot ergänzt.6 Es ist anzunehmen, dass eine individualvertragliche Regelung Einfluss auf die Qualität des Leistungsangebotes der Leistungserbringer haben wird, da diese um Versorgungsverträge mit den Kassen konkurrieren. Somit würde selektives Kontrahieren vermutlich zum einen einen Qualitätswettbewerb zwischen den Leistungserbringern und zum anderen einen Produktwettbewerb zwischen den Krankenkassen entfachen. Da im Status quo – neben der Höhe des Beitragssatzes – ein „gutes Leistungsangebot“ der wichtigste Parameter ist, nach dem eine Krankenkasse ausgewählt wird,7 ist anzunehmen, dass auch bei Vertragswettbewerb die Qualität des Versorgungsangebotes bei allen Versichertengruppen einen erheblichen Einfluss auf den Gesamtnutzen eines Krankenversicherungsangebotes haben wird. In der Literatur werden die Vor- und Nachteile des selektiven Kontrahierens beispielsweise für die Finanzierungsseite und die Auswirkung auf die Effizienz der GKV ausführlich diskutiert.8 Wie sich eine individualvertragliche Regelung und der damit verbundene verstärkte Kassenwettbewerb auf die Vermarktungsstrategien der Kassen auswirkt, und wie wichtig die Bindung von Versicherten für die Zielerreichung von Kassen ist, wird in der Literatur allerdings kaum erörtert. Ferner wird die Dreiecksbeziehung Kasse-Versorger-Patient/Versicherter nicht ausreichend dahingehend untersucht, ob und inwieweit sich bei Vertragswettbewerb die Qualität der Versorger auf den Nutzen eines Krankenkassenangebotes und damit auf die Bindung von Versicherten auswirkt. Allenfalls werden Wettbewerbsparameter bzw. mögliche Marketingstrategien von Kassen im Status quo dargelegt.9 Da die Krankenkassen jedoch noch keine hinreichende Erfahrung mit der Bindung von Versicherten bei einer verschärften wettbewerblichen Ausrichtung auf dem GKV-Versorgungsmarkt haben, ist es wichtig und sinnvoll, hier anzusetzen und Möglichkeiten zur Bindung von Versicherten bei verstärkter Wettbewerbsorientierung auf dem Versorgungsmarkt ___________ 6
Vgl. hierzu auch Ebsen (2005), S. 62. Vgl. Zok (2003), S. 39 ff. 8 Vgl. exemplarisch Knappe/Schulz-Nieswandt (2003), S. 5 ff.; Schreiyögg/Mackenthun (2003), S. 17 f.; Oberender/Zerth (2005), S. 36 ff.; Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 18 ff.; Cassel/Jacobs (2006), S. 283 ff.; Greß/Wasem (2006), S. 288 ff.; Klusen (2006), S. 295 ff. 9 Vgl. beispielsweise Haenecke (2001a), S. 59 ff. und S. 193 ff. 7
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Einleitung
aufzuzeigen. Erkenntnisleitendes Ziel dieser Arbeit ist es deshalb, unter der Voraussetzung eines verstärkten Wettbewerbs auf dem GKV-Versorgungsmarkt, –
die (ökonomische) Bedeutung der Kundenbindung zur Zielerreichung von Krankenkassen herauszuarbeiten (Ziel 1),
–
ein Modell zur Kundenbindung zu entwickeln (Ziel 2) sowie
–
Handlungsparameter zur Bindung von Versicherten aufzuzeigen (Ziel 3).
Im Rahmen der hier vorgestellten Arbeit wird daher der in Abbildung 1 abgebildeten Vorgehensweise gefolgt.
Einleitung Vom Preiswettbewerb zum Qualitäts- und Produktwettbewerb in der Gesetzlichen Krankenversicherung
Teil 2 Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
Teil 1 Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Ziel 1
Ziel 2 Teil 3 Strategien und Instrumente zur Bindung von Kassenkunden bei Wettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt
Ziel 3
Zusammenfassung Conjoint-Analyse als Grundlage für die erfolgreiche Kundenbindung
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 1: Vorgehensweise der Untersuchung
Im ersten Teil der Arbeit erfolgt zunächst eine Darstellung der Prinzipien der GKV. Herausgehoben und ausführlich dargestellt werden dabei das Solidarprinzip und der Risikostrukturausgleich, welcher einen essentiellen Beitrag zur Erfüllung des Solidarprinzips leistet. Anschließend werden die „drei Märkte“ der GKV vorgestellt und die Wettbewerbsparameter von Krankenkassen im Status quo herausgearbeitet. Der erste Abschnitt des ersten Teils endet mit einer Darstellung des gegenwärtigen Wettbewerbs um Versicherte. Dabei wird zum
Einleitung
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einen der Wettbewerb innerhalb des GKV-Systems dargestellt und zum anderen der Wettbewerb der Systeme um freiwillig Versicherte. Im zweiten Abschnitt des ersten Teils wird die besondere Bedeutung der Bindung von Versicherten für Krankenkassen bei verstärkter wettbewerblichen Orientierung durch selektives Kontrahieren auf dem GKV-Versorgungsmarkt herausgestellt. Dabei wird zunächst der Frage nachgegangen, warum mehr Markt und Wettbewerb für den Versorgungsmarkt angemessen erscheint. Nachfolgend werden die Ziele von Krankenkassen abgeleitet, um daran die Bedeutung der Kundenbindung für Krankenkassen darzustellen. Der zweite Teil befasst sich mit der Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb. Da es eine Vielzahl von Definitionen für die Begriffe Kunde, Kundenbindung etc. gibt, werden zunächst die für diese Arbeit wichtigen Begriffe voneinander abgegrenzt und den speziellen Gegebenheiten von Krankenversicherungen angepasst. Nachfolgend werden ökonomische sowie verhaltenswissenschaftliche Theorien zur Anbietertreue und zum Anbieterwechsel vorgestellt. Aus den Theorien werden sodann die zentralen Bestimmungsfaktoren für Anbietertreue abgeleitet, um daraus fundierte Bindungsstrategien abzuleiten. Anschließend werden verschiedene Kriterien dargestellt, anhand derer die Bindung von Kunden typologisiert werden kann. Da nicht jeder Kunde den gleichen Kundenwert hat und daher bei Kundenbindungsmaßnahmen unterschiedlich behandelt werden sollte, werden darauf aufbauend die Konzepte des Kundenwertes und des Kundenmanagements diskutiert und auf die Krankenversicherung übertragen. Abschließend werden die Grenzen bei der Bindung von Versicherten dargestellt. Der dritte und letzte Teil der Arbeit konzentriert sich schließlich auf die Strategien und Instrumente zur Bindung von Kassenkunden bei Einführung von selektivem Kontrahieren. Dazu wird in einem ersten Schritt ein Modell zur Kundenbindung für Pflichtversicherte und freiwillig Versicherte aufgestellt. Ein bedeutendes Konzept ist dabei der Nettonutzen, welcher die Entscheidung für den Verbleib bei einer Kasse oder den Wechsel zu einer anderen Kasse entscheidend mit beeinflusst. Aufbauend auf dem Modell für die Bindung von Versicherten, werden konkrete Instrumente vorgestellt, mit denen eine Kasse die Bindung an eine Kasse forcieren kann. Schließlich wird anhand eines ausgewählten Versichertensegmentes mittels einer Online-Conjoint-Analyse gezeigt, wie die Präferenzen von Versicherten hinsichtlich der Gestaltung des Versicherungsproduktes bei Einzelvertragswettbewerb ermittelt werden können, wie wichtig Qualitätsaspekte bei der Gestaltung eines präferenzgerechten Versicherungsangebotes sind und wie die Kassen das Instrument der ConjointAnalyse bei Einführung von selektivem Kontrahieren strategisch für sich nutzen können.
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Einleitung
Den Abschluss der Arbeit bildet eine kurze Zusammenfassung der Ergebnisse. Zudem werden die Implikationen für die Bindung von Versicherten bei verstärktem Kassenwettbewerb kurz diskutiert, und schließlich wird ein Ausblick auf den weiteren Forschungsbedarf im Rahmen der Kundenbindung bei Krankenkassen gegeben.
Erster Teil
Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System Im Vergleich zu den Gesundheitssystemen anderer Länder hat das deutsche Gesundheitssystem augenblicklich zahlreiche Vorteile. Insgesamt sind ca. 99 % der Bevölkerung krankenversichert, alle Patienten haben weitestgehend den gleichen Zugang zu medizinischen Leistungen, und es existieren keine oder allenfalls nur geringe Wartezeiten für Patienten im ambulanten sowie im stationären Sektor.1 Allerdings wurde vom Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen eine Über-, Unter- und Fehlversorgung konstatiert, was auf eine unzureichende Bedarfsgerechtigkeit der medizinischen Versorgung schließen lässt.2 Zudem erodiert die Einnahmebasis der GKV durch die Abnahme der Anzahl der Normalarbeitsverhältnisse und der anhaltend hohen Arbeitslosenquote.3 Ferner stellt die demographische Entwicklung in Verbindung mit dem medizinisch-technischen Fortschritt die nachhaltige Finanzierung der GKV auf eine harte Probe. Um diesen Herausforderungen Rechnung zu tragen, wird zunehmend mehr Wettbewerb gefordert, und in der gesundheitspolitischen Diskussion werden zahlreiche Szenarien für die Zukunftsfähigkeit des deutschen Gesundheitssystems diskutiert.4 So stehen unter anderem Veränderungen am gesetzlich definierten Leistungskatalog, eine stärkere Wettbewerbsorientierung auf dem GKV-Versorgungsmarkt sowie die Frage, ob gesetzliche Krankenversicherungen zukünftig eigenständig Zusatzversicherungen mit risikoäquivalenten Prämien anbieten dürfen, zur Diskussion. In dem seit dem 1. April 2007 wirksamen GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) wird der Schwerpunkt allerdings erneut auf die Finanzierungsseite und nicht auf die Leistungsseite der GKV gelegt.5 Über kurz oder lang wird die gesundheitspolitische Diskussion den Sozialgesetzgeber allerdings veranlassen, die Spielräume für mehr Markt und Wettbewerb in der GKV wie vielfach gefordert zu erweitern. ___________ 1 Vgl. Cassel (2002), S. 3; Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2003), S. 14; Bundesministerium für Gesundheit (2005), Absatz 9.1; Greß/Walendzik/Wasem (2005), S. 53 und S. 67. 2 Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2003), S. 20. 3 Vgl. Greß/Walendzik/Wasem (2005), S. 6. 4 Vgl. Straub/Pütz (2004), S. 11; Cassel (2005), S. 250 ff. 5 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2006a), S. 1 ff.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb Die Forderung nach mehr Markt und Wettbewerb im Gesundheitswesen ist immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher und politischer Debatten.1 Um auf die marketingpolitischen Konsequenzen eines intensivierten Wettbewerbs auf dem Versicherungs- und Versorgungsmarkt für die Krankenkassen eingehen zu können, werden zunächst die Prinzipien der GKV, die vor dem Hintergrund eines verschärften Wettbewerbs um Versicherte besondere Relevanz haben, dargestellt und daran anschließend die „drei Märkte“ der GKV sowie die Wettbewerbselemente der Krankenkassen im Status quo analysiert.
I. Prinzipien der GKV Die GKV spiegelt in ihrem Aufbau und ihrer Struktur die ihr zugrunde liegenden Prinzipien wider (Abbildung 2).
Sachleistungsprinzip
Gebot der Qualität
Subsidiaritätsprinzip
Bedarfsprinzip
Kostenerstattungsprinzip
Gebot der Wirtschaftlichkeit
Prinzipien der GKV
Solidarprinzip
Prinzip der Selbstverwaltung
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 2: Prinzipien der GKV
Nachstehend werden das Solidarprinzip, das Bedarfsprinzip, das Subsidiaritätsprinzip, das Gebot der Wirtschaftlichkeit und das Gebot der Qualität detailliert dargestellt. ___________ 1 Vgl. Cassel (2002), S. 3 f.; Haas (2003), S. 34 ff.; Jacobs (2003), S. 14 ff.; Greß/ Kocher/Wasem (2004), S. 59 ff.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
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Die GKV ist eine Zwangsversicherung, die auf dem Solidarprinzip fußt.2 Der Solidaritätsgedanke der GKV ist unter anderem an der Finanzierung der GKV zu erkennen, denn der Versicherungsbeitrag für eine gesetzliche Krankenversicherung richtet sich gemäß § 3 SGB V nach der Höhe des versicherungspflichtigen Einkommens einer Person und nicht nach dem aus Morbidität, Geschlecht oder Alter resultierenden Versicherungsrisiko (Diskriminierungsverbot). Ungeachtet dessen sind die zu gewährenden medizinischen Leistungen unabhängig von der finanziellen Leistungsfähigkeit und werden allen Versicherten gemäß dem Prinzip der Bedarfsgerechtigkeit gleichermaßen gewährt.3 Zudem sind Ehepartner und Kinder eines Mitgliedes einer Krankenkasse kostenlos mitzuversichern. Bei genauer Betrachtung ist die kostenlose Mitversicherung von Familienangehörigen jedoch nur die konsequente Ausrichtung der Bestimmung der Versicherungsbeiträge nach der finanziellen Leistungsfähigkeit einer Person, denn Kinder und Ehepartner von Mitgliedern, die kein eigenes versicherungspflichtiges Einkommen erzielen, haben eine finanzielle Leistungsfähigkeit von null. Die Ausrichtung der Versicherungsbeiträge an der finanziellen Leistungsfähigkeit einer Person impliziert eine Reihe von finanziellen Umverteilungen innerhalb der Versichertengemeinschaft.4 Aufgrund der Bestimmung der Versicherungsbeiträge nach der finanziellen Leistungsfähigkeit und nicht nach der Morbidität einer Person hat nicht jeder Versicherte für eine gesetzliche Krankenversicherung den gleichen Kundenwert.5 Dennoch ist eine Krankenkasse verpflichtet, jeden Mitgliedsantrag anzunehmen (Kontrahierungszwang) und keine Person aufgrund eines geringen oder negativen Kundenwerts zu diskriminieren. Dadurch wird unter anderem die Solidarität innerhalb der Versichertengemeinschaft sichergestellt. Infolgedessen wird das Versichertenmanagement einer Krankenkasse durch das Solidar- und Bedarfsprinzip begrenzt.
___________ 2 Vgl. zum Solidarprinzip der GKV und der Opportunitätsstruktur der Solidarität Ullrich (2000), S. 37 ff.; Wendt (2003), S. 46 ff. 3 Das Anrecht auf eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung eines Versicherten ist in § 70 SGB V kodifiziert. 4 Innerhalb der Versichertengemeinschaft der GKV existiert intra- und intergenerative Solidarität zwischen Besser- und Schlechterverdienenden (Einkommensumverteilung), zwischen Gesunden und Morbiden (Risikoausgleich) und zwischen kinderreichen und kinderlosen Familien (Familienlastenausgleich) sowie intergenerative Solidarität zwischen Jungen und Alten (Generationenausgleich). Vgl. Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2003), S. 17. 5 Der Kundenwert ist der Nutzen, den ein Unternehmen durch einen Kunden erfährt. Vgl. Krafft (2002), S. 33. Krafft weist darauf hin, dass der Begriff in der Literatur in zweifacher Hinsicht verwendet wird: Zum einen wird er aus Kundensicht als Wert der Unternehmensleistung für den Kunden benutzt und zum anderen aus Unternehmenssicht als Wert eines Kunden für ein Unternehmen.
28
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Subsidiarität legt die Zuständigkeit einer unteren gesellschaftlichen Ebene gegenüber einer höheren Ebene fest.6 Das Prinzip der Subsidiarität findet auch im deutschen Gesundheitssystem Anwendung. Beispielhaft sei an dieser Stelle auf die nach § 6 SGB V festgelegte Versicherungspflichtgrenze hingewiesen. Überschreitet das Einkommen einer Person die Versicherungspflichtgrenze, wird die Entscheidung, sich freiwillig in der GKV bzw. in der Privaten Krankenversicherung (PKV) oder gar nicht zu versichern, auf das einzelne Individuum übertragen. Allerdings wird das Subsidiaritätsprinzip in der GKV nicht immer konsequent angewendet. Zu denken ist an die gemeinsam und einheitlich abzuschließenden Verträge zwischen den Kassenärztlichen- bzw. den Kassenzahnärztlichen Vereinigungen (K(Z)Ven) und den Verbänden der Krankenkassen. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip müssten individuelle Verträge auf der Ebene der Krankenkassen und der Versorger geschlossen werden. Für die Krankenkassen hat die Nichtanwendung des Subsidiaritätsprinzips zur Folge, dass geringere Differenzierungsmöglichkeiten auf der Leistungsseite bestehen. Diese Beschränkung des Marketinginstrumentariums auf drei „P’s“ (price, place und promotion) führt dazu, dass Kundenbindungsmaßnahmen der Krankenkassen gegenwärtig fast ausschließlich auf der Ebene des Beitragssatzes stattfinden. Krankenkassen unterliegen gemäß den §§ 12, 70, 72, 106 SGB V dem Wirtschaftlichkeitsgebot. Dies bedeutet, dass alle erbrachten Leistungen ausreichend, zweckmäßig sowie wirtschaftlich sein müssen und sie das Maß des Notwendigen nicht überschreiten dürfen. Das Gebot der Wirtschaftlichkeit unterstreicht damit, dass die Leistungen dem Einzelfall angepasst werden und dem Behandlungsziel dienlich sein müssen. Gemäß § 106 SGB V sind die Krankenkassen und die Kassenärztlichen Vereinigungen verpflichtet, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung durch regelmäßige Prüfungen zu überwachen. Da Krankenkassen gegenwärtig fast ausschließlich einen Beitragssatzwettbewerb führen, entspricht dieses Gebot auch dem Eigeninteresse einer Krankenkasse, denn die Krankenkassen sind daran interessiert, einen niedrigen Beitragssatz anzubieten und diesen nicht durch eine unwirtschaftliche Versorgung der Versicherten in Gefahr zu bringen. Es ist zu vermuten, dass in einem stärker wettbewerbsorientierten Gesundheitssystem die Relevanz von Wirtschaftlichkeitsaspekten nicht an Bedeutung verlieren wird, sondern im Gegenteil Wirtschaftlichkeitsaspekte durch den Wettbewerb gefördert werden. Der § 70 Absatz 1 Satz 2 und die §§ 135 bis 139c SGB V regeln die Qualität der Leistungserbringung der GKV. Das Gebot der Qualität ist wesentlich für ein leistungsfähiges Gesundheitssystem und für die Erreichung des Ziels einer patienten- und bedarfsgerechten sowie wirtschaftlichen Versorgung. Wesentli___________ 6
Zum Subsidiaritätsbegriff vgl. auch Ott (2003), S. 494 f.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
29
che Qualitätsdimensionen sind die Struktur-, die Prozess- sowie die Ergebnisqualität.7 Mit dem Gesetz zur Modernisierung der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz – GMG) von 2004 wurde unter anderem gemäß § 139a Absatz 1 SGB V ein Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) errichtet, welches zentrale Funktionen zur Qualitätssicherung wahrnehmen soll. Sobald Krankenkassen die Möglichkeit haben, sich auf der Leistungsseite voneinander zu differenzieren, wird der Qualitätsaspekt aus marketingpolitischen Gesichtspunkten bei den Krankenkassen vermutlich eine andere Stellung einnehmen als bisher. Sicher scheint zu sein, dass gesetzliche Krankenversicherungen bei Vertragswettbewerb eigene kassenindividuelle Interessen hinsichtlich des Qualitätsstandards ihrer Versorger verfolgen werden. Ein weiteres Strukturmerkmal der GKV ist das Sachleistungsprinzip. Dies bedeutet, dass Versicherte im Krankheitsfall die Gesundheitsleistungen prinzipiell als Sach- bzw. Dienstleistungen erhalten und nicht als monetäre Leistung. Außerdem müssen sie keine finanziellen Vorleistungen erbringen. Seit dem 1. Januar 2004 haben Versicherte nach § 13 Absatz 2 SGB V allerdings die Möglichkeit, Kostenerstattung statt Sachleistungen zu wählen. Auf Wunsch ist die Kostenerstattung nur auf den ambulanten, zahnärztlichen bzw. stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen beschränkt. Schließlich ist eine weitere tragende Säule der GKV das Prinzip der Selbstverwaltung. Krankenkassen sind nach § 29 Absatz 1 SGB IV rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung. Sie erfüllen die ih___________ 7 Die Strukturqualität betrifft die Ausstattung eines Leistungserbringers und ist unter anderem an der apparativen und personellen Ausstattung einer Praxis bzw. eines Krankenhauses zu erkennen. Unter der Prozessqualität wird die Qualität des Behandlungsprozesses verstanden, und die Ergebnisqualität charakterisiert schließlich das Endergebnis der Behandlung und kann bei einem Krankenhaus zum Beispiel an der Sterberate nach einer Operation abgelesen werden. Von den drei genannten Qualitätsdimensionen ist die Strukturqualität die Dimension, die am besten objektiv beurteilt werden kann. Vgl. zu den Qualitätsindikatoren im Krankenhaus unter anderem de Pouvourville (2003), S. 176 f.; Matthes/Wiest (2003), S. 170 ff. Vgl. hierzu auch das Ergebnis eines Expertentreffens des Centrums für Krankenhaus-Management und der Bertelsmann Stiftung o.V. (2004e). In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur existieren ferner zwei zentrale Ansätze des Qualitätsverständnisses: der produktbezogene bzw. objektive Qualitätsbegriff und der kundenbezogene bzw. subjektive Qualitätsbegriff. Wird der produktbezogene Qualitätsbegriff zugrunde gelegt, so ist die Qualität einer Leistung die Summe der vorhandenen Eigenschaften der Leistung. Wird der kundenbezogene Qualitätsbegriff zugrunde gelegt, wird die Qualität durch die Wahrnehmung der Produkteigenschaften bzw. durch die Wahrnehmung der Leistungen vom Kunden definiert. Vgl. zu dem objektiven und dem subjektiven Qualitätsbegriff beispielsweise Zeithaml (1988), S. 3 ff.; Meffert (1998), S. 265. Neben diesen beiden Qualitätsbegriffen gibt es eine Vielzahl weiterer Qualitätsauffassungen. Vgl. hierzu Bruhn (1998), S. 21 ff.; Bruhn (2000b), S. 25 f.; Cassel/Postler (2003).
30
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
nen zugewiesenen gesetzlichen Aufgaben in eigener Verantwortung unter Aufsicht – hingegen nicht unter der Weisungsbefugnis – des Staates. Die Selbstverwaltungskörperschaften handeln durch ihre Selbstverwaltungsorgane, den ehrenamtlichen Verwaltungsrat8 und den hauptamtlichen Vorstand, welcher vom Verwaltungsrat gewählt wird.9 Neben der Selbstverwaltung der Krankenkassen existieren zwei weitere Formen der Selbstverwaltung: Zum einen gibt es die Selbstverwaltung der Verbände, in denen sich die Krankenkassen auf Landes- und Bundesebene zusammenschließen.10 Zum anderen existiert die gemeinsame Selbstverwaltung, bei der z. B. nach § 91 SGB V die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen, die Deutsche Krankenhausgesellschaft, die Bundesverbände der Krankenkassen, die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See sowie die Verbände der Ersatzkassen in einem Gemeinsamen Bundesausschuss zusammenwirken müssen. Aufgabe des G-BAs ist es unter anderem, Richtlinien zu erlassen, in denen die Leistungen für die Leistungserbringer, Versicherten und Krankenkassen mit Bindungswirkung konkretisiert werden. Die Richtlinien des G-BAs sind Bestandteil des Bundesmantelvertrages.
II. Der Risikostrukturausgleich Da auf dem GKV-Versicherungsmarkt keine risikoäquivalenten Prämien für Versicherte kalkuliert werden, sondern die Beitragshöhe eines Versicherten abhängig von dessen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit ist, besteht für eine Krankenkasse grundsätzlich der Anreiz, Risikoselektion zu betreiben, um Versicherte zu attrahieren, die einen „positiven Deckungsbeitrag“ haben, um damit ihre Marktposition zu verbessern. Im Kassenwettbewerb könnte eine Kasse somit mittels aktiver und passiver Risikoselektion Wettbewerbsvorteile gegenüber anderen Krankenkassen erzielen oder diese unter Umständen sogar vom Markt verdrängen, wenn die Ausgaben für die Risikoselektion zu einem höheren Nutzen führen als Effizienzsteigerungen.11 Da es jedoch zum einen dem So___________ 8 Der Verwaltungsrat ist in aller Regel paritätisch von Vertretern der Arbeitgeberseite und von Vertretern der Versichertengemeinschaft besetzt. 9 Die Aufgaben des Verwaltungsrates sind mannigfaltig. So hat er nach § 197 SGB V unter anderem die Satzung zu bestimmen, den Haushaltsplan festzulegen, die Krankenkasse gegenüber dem Vorstand zu vertreten und den Vorstand zu beaufsichtigen. Der Vorstand verwaltet die Krankenkasse und vertritt sie gemäß § 35a Absatz 1 SGB IV gerichtlich und außergerichtlich. 10 Im Zuge des GKV-WSG ist nach § 217g SGB V zum 1. April 2007 ein Errichtungsbeauftragter für die Errichtung des neuen „Spitzenverband Bund“ bestellt worden. Der neue „Spitzenverband Bund“ wird nach § 217f SGB V zum 1. Juli 2008 die Aufgaben der sieben Spitzenverbände auf Bundesebene übernehmen. 11 Vgl. hierzu und zum Folgenden Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 12.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
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lidarprinzip der GKV widerspricht, wenn Krankenkassen im Wettbewerb aktive Risikoselektion betreiben, um ihren Beitragssatz niedrig zu halten, und zum anderen die Anstrengungen der Risikoselektion volkswirtschaftlich verschwendete Ressourcen und infolgedessen ineffizient sind, hat der Sozialgesetzgeber – im Vorlauf zur Einführung der freien Kassenwahl – im Jahre 1994 den kassenartenübergreifenden Risikostrukturausgleich (RSA) als ein Instrument zur Sicherstellung des Solidarprinzips im Kassenwettbewerb eingeführt. Ohne die Verbindung über den RSA wäre die Solidargemeinschaft in der GKV jeweils auf die Einzelkassen beschränkt, die infolgedessen in unterschiedlichem Umfang an der Wahrnehmung der GKV-weiten Solidaraufgabe beteiligt wären.12 Intendiert wurde mit dem RSA, die Chancengleichheit der Krankenkassen im Kassenwettbewerb herzustellen sowie aktive Risikoselektion zu vermeiden.13 Zudem sollten die Kassen durch den RSA zu wirtschaftlichem Verhalten angehalten werden. Das Ziel des RSA war, dass sich diejenigen Kassen im Wettbewerb durchsetzen, die am effizientesten arbeiten, und nicht jene, bei denen zufällig viele gute Risiken versichert sind. Die zentrale Aufgabe des RSA besteht darin, den Einfluss der Versichertenstruktur auf die Höhe des Beitragssatzes auszugleichen, so dass die Höhe der Beitragssätze zu einem echten Signal für die Leistungsfähigkeit einer einzelnen Krankenkasse wird und der „Preis“ als verlässliches Zeichen für Leistungs- und Wirtschaftlichkeitsunterschiede zwischen den Kassen fungiert. Bei einem Blick auf die genannten Ziele ist die konkrete Ausgestaltung eines Finanzausgleichs von der Gewichtung der Ziele, den gesetzlichen Rahmenbedingungen und den Handlungsparametern der Krankenkassen abhängig.14 Ein prospektiver Finanzausgleich ist beispielsweise – bei einer Gegenüberstellung der Ziele „Anreiz zum wirtschaftlichen Verhalten“ und „Chancengleichheit im Wettbewerb“ – dann zu wählen, wenn der Anreiz zu wirtschaftlichem Verhalten erhalten bleiben soll und die Kassen somit von ihrem effizienten Wirtschaften profitieren sollen. Ein retrospektiver Finanzausgleich ist dann zu bevorzugen, wenn auf die Chancengleichheit im Wettbewerb mehr Wert gelegt wird. Gesetzliche Grundlage des RSA sind die §§ 266 bis 269 SGB V sowie die Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (Risikostruktur-Ausgleichsverordnung – RSAÄndV). Der RSA wird auf zwei Ebenen vollzogen, wobei auf der ersten Ebene die Ungleichheiten auf der Einnahmeseite (Finanzkraftausgleich) und auf der zweiten Ebene die Ungleichheiten auf der Ausgabenseite (Beitragsbedarfsaus___________ 12
Vgl. IGES/Cassel/Wasem (2001), S. 27 ff.; Cassel (2006), S. 64 f. Vgl. hierzu und zum Folgenden Breyer/Kifmann (2001), S. 2 f.; Cassel (2006), S. 57 und 66 ff. 14 Vgl. hierzu und zum Folgenden Breyer/Kifmann (2001), S. 5 ff. 13
32
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
gleich) ausgeglichen werden.15 Als RSA-Ausgleichsfaktoren existieren gegenwärtig auf der Ausgabenseite das Alter und Geschlecht, der Bezug von Erwerbs- bzw. Berufsunfähigkeitsrente sowie der Krankengeldanspruch. Auf der Einnahmenseite werden die beitragspflichtigen Einnahmen der Versicherten herangezogen. Satzungs- sowie Ermessungsleistungen und Verwaltungskosten werden derzeitig nicht im RSA berücksichtigt. Dies führt dazu, dass Einkommensunterschiede der Versicherten nicht vollständig ausgeglichen werden und die Kassen infolgedessen einen Anreiz zur Risikoselektion nach dem Einkommen haben, da Kassen mit durchschnittlich höheren beitragspflichtigen Einnahmen je Versicherten ihre Verwaltungskosten und Satzungsleistungen mit günstigeren Teil-Beitragssätzen finanzieren können als Kassen, deren Versicherte durchschnittlich niedrigere beitragspflichtige Einnahmen haben.16 Zum 1. Januar 2002 wurde neben dem RSA gemäß § 269 SGB V eine solidarische Finanzierung aufwändiger Leistungsfälle eingeführt – der so genannte Risikopool. Durch diesen werden die finanziellen Belastungen für besonders aufwändige Leistungsfälle zwischen den Kassen ausgeglichen. Zudem sind nach § 137g SGB V in Verbindung mit den §§ 266 und 267 SGB V Aufwendungen, die für die Entwicklung und Durchführung von strukturierten Behandlungsprogrammen nach § 137f SGB V entstehen, in die Ermittlung der durchschnittlichen Leistungsausgaben mit einzubeziehen. Die Ausgleichsfaktoren des RSA bilden Morbiditätsunterschiede der Versicherten gegenwärtig nicht genau ab.17 Finanzielle Mehrbelastungen einer Krankenkasse, die aufgrund einer unterschiedlichen Morbiditätsstruktur entstehen, sind somit nicht vollständig ausgleichsfähig. Infolgedessen ist es für eine einzelne Kasse momentan immer noch attraktiv, Risikoselektion zu betreiben, um Beitragssatzsenkungen herbeizuführen. Die in der Literatur zumeist dargestellten Instrumente zur Risikoselektion sind: die Gestaltung des Leistungsumfanges, selektives Kontrahieren mit Versorgern, Angebote von zusätzlichen Versicherungsprodukten, schlechter Service für Versicherte mit teuren Krankheiten, Zahlung einer Prämie für eine Vertragsauflösung an Versicherte mit einem hohen Risiko, zielgruppenspezifische Mitgliederwerbung, Senkung des Beitragssatzes, Reduktion der Geschäftsstellendichte und der Verzicht auf innovative Behandlungsformen bei hohen Risiken.18 Durch die weitestgehende Festlegung des Leistungsumfanges durch das SGB V und den G-BA haben die Kranken___________ 15 Einen ausführlichen Überblick über die grundsätzliche Funktionsweise des RSA bieten IGES/Cassel/Wasem (2001), S. 62 ff. 16 Vgl. IGES/Cassel/Wasem (2001), S. 134 ff.; Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 21 und S. 27. 17 Vgl. IGES/Cassel/Wasem (2001), S. 9; IGES/Lauterbach/Wasem (2004), S. 8. 18 Vgl. hierzu und zum Folgenden van de Ven/Ellis (2000), S. 764 ff.; Breyer/ Kifmann (2001), S. 7 ff.; Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 37 ff.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
33
kassen derzeitig allerdings lediglich geringe Möglichkeiten, durch die Gestaltung des Leistungsumfanges aktiv Risikoselektion zu betreiben. Ebenso sind die Kassen bei der Festlegung des Beitragssatzes gezwungen, sich an gesetzliche Vorgaben zu halten und können diesen daher nur begrenzt zur aktiven Risikoselektion einsetzen (z. B. durch die mit dem GMG eingeführten und mit dem GKV-WSG ausgebauten Möglichkeiten zum Angebot von Selbstbehalten oder Bonusmodellen). Selektives Kontrahieren zwischen den Kassen und Versorgen ist im gegenwärtigen GKV-System darüber hinaus nur in sehr eingeschränktem Maße möglich (z. B. bei Verträgen zur integrierten Versorgung oder bei dem Angebot zur besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung). Folglich ist dieses Instrument momentan auch nur bedingt zur Risikoselektion geeignet. Auch die Zahlung einer Prämie an einen Versicherten mit hohem Risiko für eine Vertragsauflösung ist in der GKV illegal und demnach kein Instrument zur Risikoselektion. Schlechter Service, die Reduktion der Geschäftsstellendichte und zielgruppenspezifische Mitgliederwerbung lassen sich demgegenüber jedoch gezielt im Sinne einer Risikoselektionsstrategie einsetzen (z. B. durch eine verzögerte Bearbeitung von Anfragen und Anträgen von hohen Risiken). Ab dem Jahre 2009 sollen nach § 268 SGB V in Verbindung mit der 14. Verordnung zur Änderung der Risikostruktur-Ausgleichsverordnung, neben den genannten Ausgleichskriterien, Morbiditätsaspekte beim RSA berücksichtigt werden, um eine versicherungstechnisch gezieltere Erfassung der ausgleichsrelevanten Risiken herbeizuführen. Im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit (BMG) hat das Institut für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH (IGES) in Zusammenarbeit mit den Profs. Lauterbach und Wasem ein Gutachten für die Ausgestaltung des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (M-RSA) erstellt.19 Die Gutachter empfehlen dem BMG den M-RSA auf Basis des von der Boston University entwickelten Modells RxGroups+IPHCC durchzuführen, welches mit Krankenhausdiagnosen und Arzneimittelinformationen arbeitet. Zudem empfehlen sie, eine prospektive Ausgestaltung des M-RSA – und somit die Einstufung der Versicherten nach den Krankenhausdiagnosen und Arzneimittelinformationen des Vorjahres – vorzunehmen. Die standardisierten Leistungsausgaben sind retrospektiv anhand der Leistungsausgaben des laufenden Ausgleichsjahres zu ermitteln. Intendiert wird, mit einer prospektiven Ausgestaltung des Finanzausgleichs, den Anreiz zum wirtschaftlichen Verhalten der Kassen zu erhalten. Weiterhin wird vorgeschlagen, dass der Ausgleichsparameter für die strukturierten Behandlungsprogramme durch eine „Disease-Management-Pauschale“ ersetzt wird. Der Einbezug der Erwerbsunfähigkeitsrente soll jedoch weiterhin als Ausgleichsparame___________ 19
Vgl. IGES/Lauterbach/Wasem (2004), S. 13 f.
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
ter im RSA berücksichtigt werden. Der Risikopool kann allerdings – so die Gutachter – bei Geltung des M-RSA entfallen. Abschließend ist zu konstatieren, dass der RSA bzw. M-RSA zur Wahrung des Solidarprinzips der GKV gegenwärtig – und insbesondere bei Vertragswettbewerb, bei dem sich sofort zusätzliche Möglichkeiten zur aktiven Risikoselektion für die Krankenkassen bieten würden – eine essentielle Rolle spielt und bei Vertragswettbewerb eine notwendige Bedingung für die Sicherung der Funktionsfähigkeit des Wettbewerbs ist.20 Allerdings muss der RSA/M-RSA adäquat ausgestaltet sein, um einen unverzerrten und funktionstüchtigen Wettbewerb auf den GKV-Märkten zu ermöglichen.
III. Merkmale und Besonderheiten der „drei Märkte“ der GKV Auf den „drei Märkten“ der GKV sind die Beziehungen zwischen den Akteuren von zahlreichen Besonderheiten geprägt. Bei genauer Betrachtung wird ein komplexes Beziehungsgeflecht zwischen Versorgern (Haus- und Fachärzten, Krankenhäusern, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelherstellern etc.), Krankenversicherungen sowie Versicherten und Patienten deutlich (Abbildung 3).
Versicherte / Patienten
Versicherungsmarkt
Behandlungsmarkt
Wettbewerb um Versicherte
Wettbewerb um Patienten
Krankenversicherungen
Versorgungsmarkt Wettbewerb um Versorgungsverträge
Versorger
Quelle: In Anlehung an Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 23
Abbildung 3: Die „drei Märkte“ der GKV
Aus marketingpolitischer Sicht einer Krankenkasse sind insbesondere der Versorgungs- und Versicherungsmarkt – indirekt aber auch der Behandlungsmarkt – von Bedeutung.
___________ 20
Vgl. Cassel (2006), S. 86 ff.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
35
1. Der Behandlungsmarkt Auf dem Behandlungsmarkt treffen Versorger und Patienten zusammen (Abbildung 3). Die Nachfrage einer Person nach Gesundheitsleistungen ist teilweise zufallsbedingt. Bei einem medizinischen Notfall ist es hingegen nicht möglich, bestimmte Gesundheitsgüter innerhalb einer kurzen Zeitspanne bereitzustellen. Aus diesem Grund wird Vorsorge getroffen, und bestimmte Kapazitäten werden durchgehend bereitgehalten. Die Besonderheit, dass bereitgestellte medizinische Kapazitäten bereits durch das alleinige Vorhalten – unabhängig von deren tatsächlicher Inanspruchnahme – Nutzen spenden, ist für diese charakteristisch.21 Aufgrund der ständigen Bereitstellung medizinischer Kapazitäten wird auch von der Optionsguteigenschaft von Gesundheitsleistungen gesprochen. Im Krankheitsfall suchen Patienten die Hilfe von Ärzten, wobei sie dabei in Deutschland eine weitestgehend freie Arztwahl haben. Gemäß § 76 SGB V haben Versicherte in –
persönlicher,
–
zeitlicher und
–
räumlicher
Hinsicht die Möglichkeit, sich einen vertragsärztlich zugelassenen Arzt frei auszuwählen.22 Jedoch befindet sich ein Konsument im Krankheitsfall in einer speziellen Situation, da die Zeit, Leistungserbringer nach Qualitäts- und Preiskriterien zu vergleichen, häufig begrenzt ist und damit das Wahlverhalten beeinflusst. Zudem gibt es verschiedene Regelungen, die einen Vergleich der Leistungserbringer erschweren, z. B. unterliegen die Ärzte einem Werbeverbot. Der Behandlungsmarkt ist darüber hinaus von einer Heterogenität –
der Leistungserbringer,
–
der Leistungen und
–
der Nachfrager
geprägt.23 Die Heterogenität der Leistungserbringer ergibt sich unter anderem aus der Anzahl diverser fachärztlicher Richtungen und deren unterschiedlichen ___________ 21
Vgl. Zweifel/Breyer (1997), S. 131; Breyer/Zweifel/Kifmann (2005), S. 178 f. Gemäß den §§ 73, 76 in Verbindung mit § 28 Absatz 4 SGB V sind Versicherte autorisiert, einmal im Quartal – gegen Bezahlung von € 10 Praxisgebühr – einen vertragsärztlich zugelassenen Haus- oder Facharzt ihrer Wahl aufzusuchen. Um einen anderen Arzt in demselben Quartal aufzusuchen, müssen die Patienten wahlweise eine Überweisung des zuerst konsultierten Arztes vorweisen oder erneut € 10 Praxisgebühr zahlen. 23 Vgl. hierzu und zum Folgenden Breyer/Zweifel/Kifmann (2005), S. 179 ff. 22
36
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Qualitäten. Die ärztliche Leistung an sich ist unzweifelhaft heterogen, denn die Diagnosen, die verordneten Therapien etc. sind außerordentlich vielfältig und zudem stark abhängig vom einzelnen Leistungserbringer. Die Heterogenität der Nachfrager ergibt sich dadurch, dass jeder Patient einzigartig ist und sich im Krankheitsfall individuell unterschiedlich verhält (z. B. bei der Compliance). Um im akuten Krankheitsfall eine rationale Wahl der Leistungserbringer vornehmen zu können, müsste sich ein Konsument über die Leistungserbringer, die verschiedenen Therapiemöglichkeiten usw. bereits vor dem Eintritt einer Erkrankung informieren. Aufgrund der Vielzahl an Leistungserbringern, der Fülle an Krankheitsbildern, Therapiemöglichkeiten etc. ist dieses allerdings unmöglich. Zudem sind die Beschaffung von relevanten Informationen aufgrund von berufsständischen Regulierungen sowie die Evaluation der Informationen ohne ausreichende medizinische Fachkenntnisse nur sehr eingeschränkt möglich. Die Folgen sind eine mangelnde Markttransparenz auf der Nachfragerseite sowie eine eingeschränkte Konsumentensouveränität. Sucht ein Patient einen Leistungserbringer auf, nimmt er aus institutionenökonomischer Sicht die Rolle eines Prinzipals ein, der den Leistungserbringer – den Agenten – mit der Aufgabe betraut, seine Krankheit zu heilen. Diese Prinzipal-Agenten-Beziehung ist regelmäßig von einer asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Leistungserbringer und Patient geprägt, denn der Agent hat gegenüber seinem Prinzipal einen Wissensvorsprung im Hinblick auf eine adäquate medizinische Versorgung, welchen er eigennützig ausnutzen kann. Vorstellbar ist, dass der Patient dazu ermuntert wird, Leistungen in Anspruch zu nehmen, die medizinisch nicht notwendig sind. Da der Patient zumeist nicht in der Lage ist zu erkennen, welche therapeutischen Maßnahmen zur Heilung der Krankheit notwendig sind und welche nur dem wirtschaftlichen Eigeninteresse seines Agenten dienen, besteht die Gefahr einer angebotsinduzierten Nachfrage.24 Ein Informationsgefälle existiert ebenfalls in die andere Richtung, denn der Prinzipal hat gegenüber seinem Agenten einen Informationsvorsprung in Bezug auf sein Verhalten während der Therapie. Da der Patient nicht nur Konsument der ärztlichen Leistung ist, sondern vielmehr in den Leistungserstellungsprozess involviert wird, trägt das behandlungsbegleitende Verhalten des Prinzipals zu dem Erfolg der therapeutischen Maßnahmen bei.25 Die Prinzipal-Agenten-Beziehung zwischen Leistungserbringer und Patient ist demnach von einer zweiseitigen asymmetrischen Informationsverteilung geprägt. Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass Versicherte gegenwärtig im Krankheitsfall weitestgehend eine freie Arztwahl haben. Ist ein Patient mit einer ärztlichen Leistung nicht zufrieden, kann er – wenn er sich nicht für die ___________ 24
Vgl. Wilke/Cassel (2000), S. 1 ff. Die Einbeziehung des Kunden in den Leistungserstellungsprozess ist charakteristisch für die Erstellung von personenbezogenen Dienstleistungen. 25
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
37
Teilnahme an einer besonderen Versorgungsform (z. B. hausarztzentrierte Versorgung, besondere ambulante ärztliche Versorgung) verpflichtet hat – jederzeit einen anderen Vertragsarzt aufsuchen. Folglich ist ein zugelassener Arzt nicht nur für die Versorgung der Versicherten einer speziellen Krankenkasse, sondern praktisch für die Versorgung aller GKV-Versicherten zuständig.26 Dies impliziert, dass niedergelassene Ärzte, ermächtigte ärztlich geleitete Einrichtungen und die zur Versorgung zugelassenen Krankenhäuser um die erkrankten Versicherten aller Krankenkassen konkurrieren. Auf dem Behandlungsmarkt existiert somit ein Wettbewerb um Patienten. Dieser Wettbewerb hat momentan jedoch i. d. R. keine direkte Auswirkung auf die Beziehung zwischen Krankenkasse und Versichertem, da die Kassen gegenwärtig nur eingeschränkt selbstständig selektive Versorgungsverträge mit einzelnen Ärzten abschließen und somit auch nur eine eingeschränkte Möglichkeit haben bei Unzufriedenheit mit einzelnen Ärzten, diesen den Versorgungsvertrag zu kündigen.27
2. Der Versorgungsmarkt Auf dem Versorgungsmarkt treffen in der GKV Leistungserbringer bzw. Versorger (Haus- und Fachärzte, Krankenhäuser, Pflege- und Rehabilitationseinrichtungen, Apotheken, Heil- und Hilfsmittelhersteller etc.) und Krankenversicherungen zusammen (Abbildung 3), um die medizinische Versorgung von Versicherten bzw. Patienten zu organisieren. Die Krankenkassen geben den Versorgern den Auftrag, eine effektive und effiziente Behandlung ihrer Versicherten im Krankheitsfall durchzuführen. In dieser Konstellation übernehmen sie die Rolle eines Prinzipals und die Versorger übernehmen die Rolle eines Agenten. Auch diese Prinzipal-Agenten-Beziehung ist durch asymmetrische Informationsverteilungen gekennzeichnet. Dabei ist der Grad der asymmetrischen Informationsverteilung und die Möglichkeit, diese eigennützig auszunutzen, von der Art der Vergütung der Versorger sowie dem Kenntnisstand der Krankenkassen und der Versorger über die Versichertenmorbidität vor und nach Abschluss eines Versorgungsvertrages abhängig. Folgende Konstellationen sind theoretisch denkbar: Es wird ein Gesamtbudget oder eine Einzelleistungsvergütung vereinbart. –
Bei Vereinbarung eines Gesamtbudgets kann dahingehend differenziert werden, ob dem Versorger bzw. dem Versicherer die Morbidität der Versicherten vor Vertragsabschluss bekannt ist oder nicht (Abbildung 4).
___________ 26 27
Vgl. Ebsen (2005), S. 60. Vgl. hierzu auch Cassel/Jacobs (2006), S. 283 ff.
38
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
–
Bei von Einzelleistungsvergütungen sind folgende Szenarien vorstellbar: 1.
Der Versorger und der Versicherer kennen die Morbidität des Versicherten; es liegt keine asymmetrische Informationsverteilung vor.
2.
Der Versorger kennt die Morbidität des Versicherten, dem Versicherer ist die Morbidität nicht bekannt; es liegt eine asymmetrische Informationsverteilung zugunsten des Versorgers vor. Ist dem Versorger im Gegensatz zu dem Versicherer die Morbidität der zu versorgenden Personen vor Vertragsabschluss bekannt, so kann er im Falle eines zu vereinbarenden Gesamtbudgets seinen Wissensvorsprung eigennützig ausnutzen, indem er eine für ihn attraktive Versorgungspauschale aushandelt. Kennt der Versorger die Morbidität der zu versorgenden Versicherten erst nach Abschluss eines Versorgungsvertrages, und ist dem Versicherer die Morbidität vor Abschluss eines Versorgungsvertrags bekannt, so kann der Versicherer – neben der Abwälzung des Morbiditätsrisikos auf den Versorger – versuchen, eine niedrige Versorgungspauschale auszuhandeln. Im Fall einer Einzelleistungsvergütung kann der Versorger – falls dem Versicherer die Morbidität nicht bekannt ist – seinen Wissensvorsprung ausnutzen, um Behandlungen vorzunehmen, die medizinisch nicht notwendig sind. Hier besteht die Gefahr einer angebotsinduzierten Nachfrage.28
Versorger Morbidität ist vor Vertragsabschluss bekannt
Morbidität ist vor Vertragsabschluss nicht bekannt
Morbidität ist vor Vertragsabschluss bekannt
keine asymmetrische Informationsverteilung
asymmetrische Informationsverteilung zugunsten des Versicherers
Morbidität ist vor Vertragsabschluss nicht bekannt
asymmetrische Informationsverteilung zugunsten des Versorgers
keine asymmetrische Informationsverteilung
Versicherer
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 4: Informationsverteilung bei Versicherer und Versorger
___________ 28
Vgl. Wilke/Cassel (2000), S. 1 ff.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
39
Gegenwärtig wird beispielsweise für die ambulante medizinische Versorgung jährlich ein Budget zwischen den K(Z)Ven und den Kassenverbänden ausgehandelt. Die Krankenkassen zahlen quartalsweise pro Mitglied eine Kopfpauschale mit befreiender Wirkung an die K(Z)Ven. Da durch die Kopfpauschalen alle durch die Vertragsärzte erbrachten Leistungen vergütet werden, haben die Art und der Umfang der vom Arzt erbrachten Leistungen keinen Einfluss auf die Gesamtvergütung. Das Morbiditätsrisiko liegt demnach bei den Ärzten. Die Verteilung der Gesamtvergütung an die Vertragsärzte wird nach § 85 Absatz 4 SGB V durch die K(Z)Ven vorgenommen. Für jede erbrachte ärztliche Leistung wird eine im Honorarverteilungsmaßstab festgelegte Punktzahl vergeben. Der Wert eines Punktes errechnet sich, indem die Gesamtvergütung durch die Summe der Punkte aller vertragsärztlich erbrachten Leistungen dividiert wird. Das Honorar eines Arztes ergibt sich dann aus der Multiplikation der erbrachten Punkte mit dem Punktwert. Somit hat jeder Arzt einen Anreiz, ein möglichst hohes „Punktekonto“ zu erzielen, um seinen persönlichen monetären Anteil am Gesamtbudget zu maximieren. Dies kann zu einer angebotsinduzierten Gesundheitsnachfrage führen. Um allerdings eine übermäßige Ausdehnung der vertragsmäßig erbrachten Leistungen zu verhindern, sieht § 85 Absatz 4 SGB V vor, dass arztgruppenspezifische Grenzwerte festgelegt werden. Dies bedeutet, dass jeder Vertragsarzt eine bestimmte Leistungsmenge zugewiesen bekommt, für die er einen „festen“ Punktwert erhält (Regelleistungsvolumina). Erbringt dieser Arzt mehr Leistungen, so werden diese Leistungen mit einem abgestaffelten Punktwert vergütet.29 Wird der Versorgungsmarkt mit anderen Märkten verglichen, werden zahlreiche Besonderheiten deutlich. So sind die Krankenkassen i. d. R. gesetzlich verpflichtet, bei Vertragsvereinbarungen mit Versorgern gemeinsam und einheitlich vorzugehen (Kollektivverhandlungen, Kollektivverträge).30 Darüber hinaus ist eine starke Fragmentierung des Systems in den ambulanten, stationären, rehabilitativen und Arznei-, Heil- und Hilfsmittel-Sektor sowie eine verbändeartige Struktur zu erkennen. Beispielsweise haben sich die Krankenkassen auf Landes- und Bundesebene zu Vereinigungen und die Krankenhäuser zu Landes- und Spitzenverbänden zusammengeschlossen, an deren Spitze die Deutsche Krankenhausgesellschaft steht. Auch die Ärzte sind gesetzlich verpflichtet, sich in den Kassenärztlichen bzw. den Kassenzahnärztlichen Vereini___________ 29
Vgl. hierzu Radtke (2005), S. 35. Das GKV-WSG sieht vor, dass ab dem 1. Januar 2009 ein neues Vergütungssystem in Kraft treten wird. Das derzeitig geltende Honorarsystem soll dann durch eine Euro-Gebührenordnung abgelöst werden und das Morbiditätsrisiko von den Ärzten auf die Krankenkassen übergehen. 30 Vgl. zum Beispiel §§ 72a Absatz 3, 73 Absatz 1c SGB V. Zur Beziehung zwischen Krankenkassen und Ärzten bzw. Zahnärzten vgl. beispielsweise §§ 95-105 SGB V und zum Abschluss von Versorgungsverträgen mit Krankenhäusern vgl. § 109 SGB V. Vgl. zudem Knappe/Schulz-Nieswandt (2003), S. 24 ff.; Sundmacher (2006), S. 15 ff.
40
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
gungen zu organisieren (Abbildung 5). Diese Verbändekartelle auf Kassen-, Krankenhaus- und Ärzteseite verfügen über eine große Macht, die zum Beispiel in den jährlich wiederkehrenden Budgetverhandlungen zwischen den K(Z)Ven bzw. den Landeskrankenhausgesellschaften und den Spitzenverbänden der Krankenkassen deutlich wird. Die einzelne Kasse, das einzelne Krankenhaus bzw. der einzelne Arzt spielt bei diesen Verhandlungen keine erkennbare Rolle.
Versicherte / Patienten
Versicherungsmarkt
Behandlungsmarkt
Wettbewerb um Versicherte
Wettbewerb um Patienten
Krankenkassen
Versorgungsmarkt Wettbewerb um Versorgungsverträge
Versorger
Vertragsmonopol
Vergütungsmonopol
Kollektivverträge und Kontrahierungszwang
einheitliche Honorierung und Zwangsmitgliedschaft
Verbändekartell der Kassen und der Leistungserbringer
Quelle: In Anlehnung an Cassel (2002), S. 16
Abbildung 5: Wettbewerbshindernisse im GKV-System
Aus wettbewerblicher und marketingpolitischer Perspektive ist diese Situation nicht wünschenswert.31 Zwar hat der Gesetzgeber in den letzten Jahren diverse Reformen durchgeführt. Zu denken ist beispielsweise an das seit dem 1. Januar 1989 gültige Gesundheits-Reformgesetz (GRG), an das GSG von Dezember 1992, an das Gesetz zur Neuregelung der Krankenkassenwahlrechte, welches am 1. Januar 2002 in Kraft trat, an das am 1. Januar 2004 in Kraft getretene GMG sowie an das am 1. April 2007 in Kraft getretene GKV-WSG.32 Insbesondere mit dem GSG und mit dem Gesetz zur Neuregelung der Kassenwahlrechte hat sich zwischen den einzelnen Kassen ein beachtlicher Wettbe___________ 31
Vgl. zur wettbewerblichen und kartellrechtlichen Perspektive der Wettbewerbssituation auf dem Versorgungsmarkt insbesondere Neumann (2000), S. 171 ff. Vgl. auch Cassel/Jacobs (2006), S. 284 f. 32 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2005), S. 217 ff.; o.V. (2006a), S. 4 ff.; Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006a), S. 42.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
41
werb um Versicherte entfacht, und die gesetzlichen Krankenversicherungen sind zum ersten Mal gezwungen, fundierte Marketingentscheidungen zu treffen, um ihre Versicherten zu halten. Allerdings findet durch die Kollektivverhandlungen auf dem Versorgungsmarkt kein Versorgungswettbewerb um effiziente und präferenzgerechte Versorgungsformen statt. Zwar wurde auf der einen Seite durch das GKV-WSG der Spielraum für selektivvertragliche Regelungen im vertragsärztlichen Bereich ausgebaut (vgl. § 73c SGB V), aber auf der anderen Seite wurden bspw. die durch das GMG im stationären Bereich geschaffenen Möglichkeiten des selektiven Abschlusses von Verträgen für hochspezialisierte ambulante Leistungen im Krankenhaus wieder durch eine kollektivvertragliche Regelung ersetzt (vgl. § 116b SGB V).33 Da ferner bei einem Abschluss von selektiven Verträgen i. d. R. keine Bereinigung der kollektiven Vergütungsansprüche stattfindet, stellen die vom Gesetzgeber eröffneten Möglichkeiten zur individualvertraglichen Regelung für die Kassen häufig eine reine „Add-on-Vergütung“ dar und sind somit für sie nicht sehr attraktiv.34 Weiterhin haben die Leistungserbringer nur einen schwachen Anreiz zur Erbringung qualitativ hochwertiger Leistungen, da sie einem einheitlichen Bewertungsmaßstab unterliegen, bei dem qualitativ bessere Leistungen nicht besonders vergütet werden. Somit wird durch die mehrheitlich gemeinsam und einheitlich abzuschließenden Verträge zwischen den K(Z)Ven und den Verbänden der Krankenkassen der Wettbewerb um präferenzgerechte Versorgungsformen unterbunden, die Handlungsmöglichkeiten einer Krankenkasse, produktpolitisch tätig zu werden, stark eingeschränkt und damit die kassenindividuellen Möglichkeiten, sich auf der Leistungsseite voneinander zu differenzieren, weitestgehend ausgehebelt. Dies führt dazu, dass der Nutzen eines gesetzlichen Krankenversicherungsvertrages von einer Krankenkasse nicht in einem nennenswerten Ausmaß durch Produktmodifikationen (z. B. Veränderung des Versorgungsangebotes) variiert werden kann.
3. Der Versicherungsmarkt Auf dem Versicherungsmarkt treffen Krankenversicherungen und Versicherte zusammen (Abbildung 3). In der Bundesrepublik Deutschland gliedert sich der Krankenversicherungsmarkt in den Markt der GKV und PKV auf. Im Gegensatz zu gesetzlichen Krankenversicherungen, die einem Kontrahierungszwang unterliegen und verpflichtet sind, einen Beitragssatz unabhängig von der Morbidität einer Person zu erheben, können private Krankenversicherungsunternehmen i. d. R. Mitgliedsanträge ablehnen und erheben traditionell risiko___________ 33 34
Vgl. Jacobs (2007), S. 335 und S. 337 f. Vgl. Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006a), S. 43; Cassel/Jacobs (2006), S. 77 ff.
42
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
äquivalente Prämien.35 Ob ein Wirtschaftssubjekt der Privaten Krankenversicherung beitreten kann, hängt vor allem vom Erwerbsstatus (Selbstständig) und – bei abhängig Beschäftigten – von der Einkommenshöhe ab.36 Bis zum GSG operierten Krankenkassen auf dem Versicherungsmarkt in einem „wettbewerblichen Ausnahmebereich“.37 Der Ursprung dieser Wettbewerbssituation kann bis ins 19. Jahrhundert zurückdatiert werden, denn bereits im Jahre 1883 hatten Versicherungspflichtige keine Freiheit bei der Wahl ihrer Krankenkasse, sondern sie wurden zur Mitgliedschaft in einer bestimmten Krankenkasse verpflichtet.38 Der Wettbewerb zwischen den Krankenkassen wurde somit schon in der Geburtsstunde des deutschen Gesundheitssystems an kritischen Stellen in ein starres Korsett gezwungen. Bei der Errichtung der GKV bestand lediglich eine Versicherungspflicht für Arbeiter, welche jedoch im Jahre 1903 auch auf Angestellte ausgedehnt wurde.39 Im Vergleich zu Arbeitern genossen Angestellte allerdings eine größere Freiheit bei der Wahl ihrer Versicherung, denn sie konnten sich nicht nur bei den Orts-, Betriebs- bzw. Innungskrankenkassen versichern, sondern sie hatten überdies die Möglichkeit, sich aus diesen Kassen heraus zu optieren, um bei einer Ersatzkasse einen Krankenversicherungsvertrag abzuschließen. Daraus resultierte ein begrenzter Wettbewerb zwischen den Ersatzkassen als Wahlkassen und den Orts-, Betriebs- und Innungskrankenkassen als Pflichtkassen.40 Da sich durch den Wandel von der Industrie- hin zur Dienstleistungsgesellschaft der Anteil der Angestellten an den Beschäftigen kontinuierlich erhöhte, verfügten bis zu Beginn der 1980er Jahre ca. 50 % der Krankenkassenmitglieder über ein Kassenwahlrecht. Dies führte in der Konsequenz zu relativ hohen Beitragssatzunterschieden zwischen den verschiedenen Kassentypen, welche durch den Eintritt von guten Risiken in die Ersatzkassen entstanden und nicht das Ergebnis eines effizienteren Arbeitens dieser Kassen waren. Unter dem Gesichts___________ 35 Vgl. Breyer/Zweifel/Kifmann (2005), S. 273. Mit dem GKV-WSG sind die privaten Krankenversicherungsunternehmen allerdings verpflichtet worden, einen PKVBasistarif anzubieten, für den Kontrahierungszwang besteht und für den keine morbiditätsabhängigen Prämien erhoben werden dürfen. 36 In § 5 SGB V wird der Kreis der Versicherungspflichtigen definiert. Im Jahre 2006 betrug die Jahresarbeitsentgeltgrenze € 47.250. Es gilt, dass eine Person die Wahl hat, sich bei der PKV, der GKV oder gar nicht zu versichern, sobald ihr Jahreseinkommen diese Grenze überschreitet. Mit Einführung des GKV-WSG wird der Wechsel für freiwillig Versicherte von der GKV in die PKV allerdings erschwert. So ist vorgesehen, dass ein Versicherter erst dann der PKV beitreten kann, wenn sein Einkommen in drei aufeinander folgenden Jahren über der Versicherungspflichtgrenze liegt. 37 Vgl. Monopolkommission (2000). 38 Vgl. Herder-Dorneich (1994), S. 83. 39 Vgl. Wasem (1999), S. 12. 40 Vgl. hierzu und zum Folgenden Wasem (1999), S. 14 f.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
43
punkt des verfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsgebotes war der Umstand, dass bestimmte Personengruppen – im Gegensatz zu anderen Pflichtversicherten – Kassenwahlfreiheit genossen und hohen Beitragssätzen durch einen Wechsel der Kassen ausweichen konnten, problematisch und hat Politiker sowie Wissenschaftler in den 1980er Jahren intensiv beschäftigt.41 Das seit 1992 geltende GSG hat diese Ungleichbehandlung durch die (ansatzweise) Etablierung einer ‚solidarischen Wettbewerbsordnung‘ behoben.42 Seit 1996 haben gemäß § 173 SGB V nahezu alle Versicherungspflichtigen die Möglichkeit, ihre Krankenkasse frei zu wählen. Laut Monatsstatistik der GKV hatten im Dezember 2005 von den ca. 70,6 Millionen GKV-Versicherten ungefähr 69 % der Versicherten (48,7 Millionen) ein individuelles Kassenwahlrecht.43 Die mit der Wahlmöglichkeit der Versicherten intendierte Reduzierung der Ungleichbehandlung verschiedener Versichertengruppen hat zugleich die Tür zu mehr Wettbewerb unter den gesetzlichen Krankenversicherungen geöffnet. Das GSG war somit ein erster wichtiger Schritt zur Umgestaltung der GKV von einem stark reglementierten staatlich gelenkten Modell hin zu einem Wettbewerbsmodell.44 Von Ende der 1960er Jahre bis Mitte der 1970er Jahre ist der zu versichernde Personenkreis der GKV stark erweitert worden.45 So wurden im Jahre 1968 alle Rentner und im Jahre 1975 alle Studenten und Praktikanten versicherungspflichtig. Behinderte erhielten das Recht, freiwillig der GKV beizutreten. Im Dezember 2005 waren etwa 85,62 % der Bevölkerung in der GKV versichert.46 Davon waren ca. 41 % Pflichtmitglieder und annähernd 7 % freiwillig versichert. Zudem gehörten zu dem Kreis der GKV-Versicherten – wie in Abbildung 6 ersichtlich – anteilig etwa 24 % Rentner und ca. 28 % mitversicherte Familienangehörige. ___________ 41
Vgl. Deutscher Bundestag (1992), S. 112. Vgl. Höppner/Buitkamp/Braun et al. (2004a), S. 24. Vgl. zur ‚solidarischen Wettbewerbsordnung‘ beispielsweise John (2002), S. 78 ff.; Cassel (2005), S. 253 ff. 43 Da für die Mitglieder der Bundesknappschaft, der See- und Landwirtschaftlichen Krankenkassen die Kassenwahlfreiheit nicht bzw. nur dann gilt, wenn im Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte nichts Abweichendes bestimmt ist, sind diese Mitglieder in diese Zahl nicht eingeflossen. Zudem gibt es zusätzlich zu den 48,7 Millionen wahlberechtigten Versicherten in der GKV ca. 20 Millionen Mitversicherte, die nicht selbstständig wählen können, sondern an die Wahlentscheidung des Mitgliedes gebunden sind. Vgl. Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 16. 44 Vgl. Groser (1999), S. 61. 45 Vgl. hierzu und zum Folgenden Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2004b). 46 Laut Monatsstatistik der GKV waren im Dezember 2005 ca. 70,6 Millionen Personen und damit ca. 85,62 % der Bevölkerung in der GKV versichert. Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2006b), S. 52 f.; Statistisches Bundesamt Deutschland (2006). 42
44
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
mitversicherte Familienangehörige 28 % Pflichtmitglieder 41 %
Rentner 24 %
freiwillig Versicherte 7%
Datenquelle: Bundesministerium für Gesundheit (2006b)
Abbildung 6: Versichertenstruktur der GKV
Diese Zahlen verdeutlichen sehr eindrucksvoll, dass der Kreis der GKVVersicherten derzeitig sehr groß ist. Dies ist auf der einen Seite positiv, denn je größer die Versichertengemeinschaft ist, desto besser können Risiken bewältigt werden (Gesetz der großen Zahl).47 Solidarität ist jedoch eine Funktion der Gruppengröße und umso eher gefährdet, je größer die Gruppe ist, so dass auf der anderen Seite die Größe der GKV und der (einzelnen) Krankenkassen negativ bewertet werden kann.48 Ist die Mehrzahl der anderen Gruppenmitglieder einer Krankenkasse anonym, ist das „schlechte Gewissen“ bei zu starker Beanspruchung der Kasse nicht mehr allzu ausgeprägt. Auch die soziale Kontrolle greift nicht mehr in dem gleichen Maße wie bei einer kleineren Gruppe, in der sich die Mitglieder untereinander kennen. Moral hazard ist somit abhängig von der Gruppengröße.49 Dies impliziert, dass für einen Versicherten bei einer Versicherung der individuelle Nutzen ab dem Überschreiten einer bestimmten Versichertenzahl zurückgehen kann und auf einem geringeren individuellen Nutzenniveau stagniert (Abbildung 7).50 ___________ 47 Da alle Krankenkassen über den RSA miteinander verbunden sind, kann von einer Versichertengemeinschaft gesprochen werden. 48 Vgl. hierzu und zum Folgenden Herder-Dorneich (1994), S. 175. 49 Ein Aspekt in der Versicherungswirtschaft – der durch hidden information bzw. hidden action des Versicherungsnehmers entsteht – ist das moralische Risiko (moral hazard). Von ex-ante moral hazard wird dann gesprochen, wenn ein Versicherungsnehmer sich nach Vertragsabschluss risikoreicher verhält als vor Vertragsabschluss. Von ex-post moral hazard wird dann gesprochen, wenn ein Schaden bereits eingetreten ist und der Versicherungsnehmer versucht, eine möglichst hohe Schadensregulierungssumme zu bekommen. 50 Grundsätzlich hat eine Versicherung verschiedene Möglichkeiten, auf den Nutzenverlauf einzuwirken. So kann ex-ante moral hazard z. B. durch Selbstbeteiligungen verhindert werden. In der GKV besteht unter anderem Zuzahlungspflicht zur ärztlichen Be-
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
45
Individueller Nutzen
Versichertenzahl
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 7: Abhängigkeit des individuellen Nutzenniveaus eines Versicherten von der Versichertenzahl einer Krankenkasse
Demzufolge ist das Management der optimalen Versichertenzahl bei einer Versicherung eine wichtige Aufgabe.51 Zu beachten ist allerdings, dass die optimale Versichertenzahl aus Sicht eines Versicherten und aus Sicht einer Versicherung unterschiedlich hoch sein kann. Je nachdem, welche Zielfunktion eine Versicherung hat, kann jeder neue Versicherte für sie einen Nutzenzuwachs implizieren. Schließt eine Person einen Krankenversicherungsvertrag ab, so nimmt sie – gemäß der Prinzipal-Agenten-Theorie – die Stellung eines Prinzipals ein, welcher den Versicherer damit beauftragt, einen bestmöglichen Krankenversicherungsschutz für ihn bereitzustellen. Im Vergleich zu einer einzelnen Person ist der Versicherer besser in der Lage, über die Qualität der Versorger sowie über die Preiswürdigkeit der im Krankheitsfall benötigten Leistungen zu urteilen.52 Da Krankenkassen in der Bundesrepublik Deutschland prinzipiell gesetzlich dazu verpflichtet sind, gemeinsam und einheitlich mit Leistungserbringern zu kontrahieren und eine Person grundsätzlich die Wahl hat, einen Leistungserbringer frei auszuwählen, ist dieser Informationsvorsprung für die Vermarktung einer Krankenkasse momentan praktisch nicht relevant. Bei einer Abschaffung des gemeinsamen und einheitlichen Vorgehens der Krankenkassen bei den Vertragsverhandlungen mit den Versorgern und dem Übergang zu freier Vertrags___________ handlung, zu Medikamenten sowie zu Heil- und Hilfsmitteln. Auch dies trägt zur Verhinderung von ex-ante moral hazard bei. 51 Da eine Krankenkasse verpflichtet ist, jeden Mitgliedsantrag anzunehmen, hat sie nur begrenzte Möglichkeiten, auf die Gruppengröße einzuwirken. Zudem sind alle gesetzlichen Krankenversicherungen über den RSA miteinander verbunden. 52 Vgl. Cassel (2002), S. 9 ff.
46
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
gestaltung kann dieser Informationsvorsprung für die Erstellung und Vermarktung eines Krankenversicherungspakets jedoch von großer Bedeutung sein. Der Versicherungsnehmer hat gegenüber dem Versicherer einen Informationsvorsprung hinsichtlich seines individuellen Gesundheitszustandes. Aber auch dies ist aufgrund der Tatsache, dass in der GKV keine risikoäquivalenten Prämien erhoben werden dürfen und Kontrahierungszwang besteht, in der gegenwärtigen Situation von keiner Bedeutung. Festzuhalten bleibt dennoch, dass die Beziehung zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer von einer zweiseitigen Informationsasymmetrie gekennzeichnet ist. Schließlich ist auch noch relevant, dass Krankenkassen untereinander zum einen um Pflichtversicherte (Kassenwettbewerb) und zum anderen zusätzlich mit den privaten Krankenversicherungsunternehmen um freiwillig Versicherte konkurrieren.53 Den gesetzlichen Krankenversicherungen stehen gegenwärtig jedoch nur sehr begrenzte Wettbewerbsparameter zur Akquisition und Bindung von Pflicht- und freiwillig Versicherten zur Verfügung. Dies resultiert vorwiegend daraus, dass die Krankenkassen auf dem Versorgungsmarkt nur begrenzt selektive Versorgungsverträge abschließen können und somit kein nennenswerter Wettbewerb um präferenzgerechte Versorgungsangebote stattfindet. Weiterhin ist das Leistungsangebot bei allen gesetzlichen Krankenversicherungen zu 95 % identisch.54 Im Gegensatz zu den gesetzlichen Krankenversicherungen haben private Krankenversicherungsunternehmen eine höhere Gestaltungsfreiheit bei ihren Versicherungstarifen. Dies bedeutet, dass sie im Wettbewerb um freiwillig Versicherte einen strategischen Vorteil besitzen.
IV. Wettbewerbsparameter der Krankenkassen im Status quo Durch das gemeinsame und einheitliche Kontrahieren der Krankenkassen und ihrer Verbände mit den kassenärztlichen Vereinigungen sind die kassenindividuellen Gestaltungsmöglichkeiten des Versicherungsangebotes gegenwärtig sehr eingeschränkt. Es besteht keine Möglichkeit, dass die Kassen einzelne zugelassene Ärzte von der Versorgung ausschließen, es sei denn, es liegt eine grobe Pflichtverletzung seitens der Ärzte vor. Zudem wird der Leistungskatalog ___________ 53 Vgl. Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 17. Nicht jede Krankenkasse konkurriert um alle Versicherten, da einige gesetzliche Krankenversicherungen nicht für alle Personen geöffnet sind, sondern unter Umständen nur für einen bestimmten Personenkreis. Eine Betriebs- bzw. Innungskrankenkasse kann beispielsweise nach § 173 SGB V nur dann gewählt werden, wenn der Versicherte in dem Betrieb versichert ist, für den die Betriebs- bzw. Innungskrankenkasse besteht bzw. wenn dies die Satzung der Krankenkasse vorsieht. Ferner gibt es Krankenkassen, die nur regional tätig sind und lediglich von den Personen wählbar sind, die in dem Bundesland wohnen bzw. arbeiten. 54 Vgl. Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 42.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
47
der gesetzlichen Krankenversicherungen durch das dritte Kapitel des SGB V und durch den G-BA festgelegt. Das damit zu 95 % identische Leistungsangebot sowie die gleichen Vertragspartner aller Krankenkassen tragen einerseits zur Transparenz des Versicherungsangebotes bei, andererseits werden dadurch die Wettbewerbsparameter einer Krankenkasse eingeschränkt. Momentan beschränken sich die Wettbewerbsparameter von Krankenkassen auf folgende Bereiche:55 –
Höhe des Beitragssatzes.
–
„Differenzierung“ des Beitragssatzes
–
–
–
–
Wahltarife nach § 53 SGB V,
–
Bonusmodelle für gesundheitsbewusstes Verhalten nach § 65a SGB V.
Spezielle Versorgungsangebote –
hausarztzentrierte Versorgungsmodelle nach § 73b SGB V,
–
besondere ambulante ärztliche Versorgung nach § 73c SGB V,
–
integrierte Versorgung nach §§ 140a-d SGB V (vormals §§ 140a-h),
–
DMP nach § 137f SGB V.
Spezielle Leistungsangebote –
spezielle Satzungsleistungen nach § 194 SGB V,
–
Teilnahme an Modellvorhaben nach §§ 63-65 SGB V.
Service –
Erreichbarkeit der Krankenkasse,
–
Freundlichkeit der Mitarbeiter,
–
Beratungskompetenz,
–
Informationsangebote,
–
Vermittlung von privaten Zusatzversicherungen nach § 194 SGB V.
Höhe des Beitragssatzes Gegenwärtig stellt der Beitragssatz den zentralen Wettbewerbsparameter einer Krankenkasse dar, denn er spielt bei Wechselüberlegungen von Mitgliedern ___________ 55 Vgl. hierzu und zum Folgenden unter anderem Becker (2000), S. 55 f.; Wasem (2004), S. 8 ff. Vgl. auch Buchner/Wasem (2000), S. 83 ff.
48
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
eine bedeutende Rolle.56 Festzustellen ist, dass seit 1996 insgesamt über 40 % der Mitglieder die Krankenkasse mindestens einmal gewechselt haben.57 Über 50 % der Wechsler gaben an, dass der Beitragssatz die zentrale Rolle beim Kassenwechsel gespielt hat. Die Möglichkeiten zur Beeinflussung und Gestaltung des Beitragssatzes sind für eine Krankenkasse jedoch begrenzt. Nach den §§ 220 und 261 SGB V ist die Höhe des Beitragssatzes so festzusetzen, dass die Beiträge und die sonstigen Einnahmen die voraussichtlichen Ausgaben sowie die vorgeschriebene Auffüllung der Rücklagen decken. Die Krankenkassen haben allerdings nur geringe Möglichkeiten, ihre Ausgaben zu beeinflussen. Sie können diese direkt lediglich über die Höhe der Verwaltungskosten sowie über die Art und Höhe der Kosten für Satzungsleistungen beeinflussen. Die Höhe der Leistungsausgaben für die Versicherten ist von einer Krankenkasse nicht bzw. nur in einem geringen Umfang beeinflussbar. Zudem sind die Kassen über den RSA miteinander verbunden, welcher durch die Transferleistungen ebenfalls die Höhe des Beitragssatzes beeinflusst.58 Ferner wird die Beitragssatzpolitik einer Kasse vom Bundesversicherungsamt (BVA) überwacht. Immer wieder kommt es dazu, dass eine Krankenkasse eine Beitragssatzsenkung vornehmen möchte und das BVA nicht zustimmt bzw. – im Gegensatz zu der Kasse – eine Beitragssatzerhöhung für notwendig erachtet.59 Nach § 261 SGB V kann eine Krankenkasse Mittel aus Rücklagen den Betriebsmitteln zuführen, um einen Beitragssatzanstieg zu vermeiden, wenn Einnahme- und Ausgabeschwankungen innerhalb eines Haushaltsjahres nicht durch die Betriebsmittel ausgeglichen werden können. Eine dauerhafte Kreditaufnahme bzw. Verschuldung ist gemäß §§ 220, 262, 265 SGB V nicht statthaft. Abschließend ist festzuhalten, dass der Gestaltungsspielraum des momentan wichtigsten Wettbewerbsparameters zur Bindung von Versicherten nur zu einem sehr geringen Teil im Handlungsbereich einer Krankenkasse liegt. „Differenzierung“ des Beitragssatzes Durch das GMG wurden für die Krankenkassen zwei neue Möglichkeiten zur Tarifdifferenzierung geschaffen die mit dem GKV-WSG noch weiter ausgebaut wurden. So können die Kassen ihren Mitgliedern nach § 53 Absatz 1 SGB V einen fakultativen Selbstbehalt in begrenzter Höhe und nach § 53 Absatz 2 SGB V Prämienzahlungen bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen zu ___________ 56 Vgl. hierzu und zum Folgenden Böcking/Göpfert/Merker et al. (2002), S. 242 ff.; John (2002), S. 84 ff.; Schut/Greß/Wasem (2003), S. 117 ff.; Zok (2003), S. 38 ff. 57 Vgl. Höppner/Buitkamp/Braun et al. (2004a), S. 25. 58 Vgl. hierzu die Übersicht über die Beitragssätze „mit“ und „ohne“ Risikostrukturausgleich in IGES/Cassel/Wasem (2001), S. 31. 59 Vgl. Bundesversicherungsamt (2004), S. 15; Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 52.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
49
Lasten der Krankenkasse anbieten. Die Mindestbindungsfrist für Versicherte, die sich für solch einen Wahltarif entscheiden, beträgt drei Jahre. Die Höhe des Selbstbehaltes und die damit verbundenen Prämienzahlungen müssen in der Satzung einer Krankenkasse verankert sein. Die Prämienzahlung soll dabei nur dem Mitglied zugute kommen, da dieser den Selbstbehalt alleine zahlen muss. Im Sozialgesetzbuch ist jedoch nicht festgelegt, ob eine Krankenkasse mehrere Varianten eines Selbstbehaltes für verschiedene Versichertensegmente anbieten und damit auf die Präferenzen von unterschiedlichen Versichertensegmenten reagieren kann. Weiterhin lässt der § 53 SGB V Absatz 1 offen, ob der Selbstbehalt für die gesamte medizinische Versorgung gilt oder auf bestimmte Sektoren beschränkt werden kann. Ebenso kann eine Krankenkasse in ihrer Satzung Prämienzahlungen bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen zu Lasten der Krankenkasse vorsehen. Voraussetzung für die Gewährung einer Prämienzahlung ist, dass das Mitglied mindestens drei Monate im Kalenderjahr bei der Krankenkasse versichert war und dass das Mitglied sowie die nach § 10 SGB V mitversicherten Familienangehörigen in dem entsprechenden Kalenderjahr keine Leistungen zu Lasten der Krankenkasse in Anspruch genommen haben. Die Prämienzahlung muss alleine dem Mitglied zugute kommen und ist innerhalb von zwölf Monaten nach Ablauf des Kalenderjahres an das Mitglied zu zahlen. Dabei darf die Höhe der Zahlung nicht höher sein als 1/12 der im Kalenderjahr gezahlten Beiträge. Die Möglichkeiten, freiwilligen Mitgliedern Prämienzahlungen bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen zu Lasten der Krankenkasse anzubieten bzw. ihnen Selbstbehalte zu gewähren, haben die Vorteile, dass sie eine Abwanderung dieser einkommensstarken Mitglieder in die PKV partiell verhindern und bis zu einem gewissen Maße die Leistungsinanspruchnahme dieses Mitgliedersegmentes steuern können.60 Auch für eine bestimmte Gruppe von Pflichtmitgliedern (z. B. junge, gesunde und einkommensstarke Mitglieder) kann das Angebot von Wahltarifen attraktiv sein und von einer Kasse zur Bindung eingesetzt werden. Es besteht jedoch das Risiko, dass durch Prämienzahlungen und Selbstbehalte eine Selbstselektion stattfindet und „Mitnahmeeffekte“ zu erwarten sind, die den Normaltarif einer Krankenkasse belasten.61 Insbesondere das Angebot der Wahltarife an Pflichtmitglieder entzieht der GKV Finanzmittel, die sonst zur solidarischen Finanzierung hätten genutzt werden können. Somit kann auf der einen Seite kritisch angemerkt werden, dass speziell durch das ___________ 60 Vgl. Popp (2003), S. 12 ff.; Ärztezeitung (2005); Pfaff/Langer (2005), S. 10 f.; Felder (2006), S. 18 f., S. 21, S. 53 und S. 141 ff. 61 Aus gesellschaftlicher Perspektive ist dies jedoch immer noch solidarischer, als wenn diese Personengruppe ganz aus dem Solidarsystem abwandern würde. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2003), Ziffer 301; Jacobs (2007), S. 333 f.
50
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Angebot von Selbstbehalten und Prämienzahlungen an Pflichtmitglieder das Solidarprinzip innerhalb der GKV-Versichertengemeinschaft teilweise ausgehebelt wird. Allerdings verbleiben auf der anderen Seite durch die Verhinderung des Abwanderns der einkommensstarken freiwillig Versicherten in die PKV mehr Personen in der GKV-Solidargemeinschaft und damit mehr monetäre Mittel. Ob die Solidarität der GKV-Versichertengemeinschaft im Ergebnis gestärkt bzw. ob eine Entsolidarisierung herbeigeführt wird, hängt davon ab, ob durch die geschaffenen Wahltarife freiwillig Versicherte zu einem Verbleib in der GKV motiviert werden und ein Wechsel in die PKV verhindert wird, oder ob diese Versichertengruppe gar keine Wechselabsicht hatte und durch die Entscheidung zum Tarifwechsel – genau wie die Pflichtmitglieder – den Normaltarif einer Krankenkasse zusätzlich belasten. Durch die neu geschaffenen Möglichkeiten zur Differenzierung des Beitragssatzes haben Krankenkassen (in begrenztem Umfang) ähnliche versicherungstechnische Möglichkeiten zur Tarifgestaltung wie private Krankenversicherungsunternehmen. Die Tarife bieten für eine Krankenkasse beispielsweise die Möglichkeit, sich von anderen Kassen zu differenzieren und können somit für die Bindung von Versicherten eingesetzt werden. Insbesondere Krankenkassen mit einem relativ hohen allgemeinen Beitragssatz haben durch diese flexible Tarifgestaltung die Möglichkeit, attraktive Tarife für ihre Mitglieder anzubieten. Die Voraussetzungen, unter denen die Versicherten, die regelmäßig Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten in Anspruch nehmen, einen Bonus erhalten, müssen in der Satzung einer Krankenkasse verankert sein. Durch die monetären Anreize eines Bonusmodells können Versicherte zum gesundheitsbewussten Verhalten motiviert werden. Ziel auf der Kassenseite ist es, durch Präventionsmaßnahmen Kosten, die durch die Kuration von Erkrankungen entstünden, zu senken. Somit entspricht die durch das GMG geschaffene Möglichkeit des Angebotes von Bonusmodellen auch dem Gebot der Wirtschaftlichkeit, wenn die Kosten für die Bonuszahlungen sowie für die Präventionsmaßnahmen die Kosten für die Kuration nicht überschreiten. Nach § 65a Absatz 3 SGB V sind die Krankenkassen verpflichtet, regelmäßig – mindestens jedoch alle drei Jahre – Rechenschaft gegenüber der zuständigen Aufsichtsbehörde bezüglich der Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die durch diese Mittel erzielt werden, abzulegen. Falls keine Einsparungen erzielt werden, sind die Kassen – gemäß dem Gebot der Wirtschaftlichkeit – verpflichtet, die Bonuszahlungen für die entsprechende Versorgungsform einzustellen. Ein zweiter durchaus erwähnenswerter Nebeneffekt ist die positive Auswirkung von gesundheitsbewusstem Verhalten auf die Lebensqualität der Personen.62 Aus Sicht einer Krankenkasse ___________ 62
Vgl. Pfaff/Langer (2005), S. 10.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
51
sind Bonusmodelle ein Handlungsparameter zur Modifikation des Versicherungsangebotes und stellen damit ein weiteres Instrument zur Bindung von Versicherten dar. Spezielle Versorgungsangebote Seit dem 1. Januar 2004 sind die Krankenkassen nach § 73b SGB V verpflichtet, hausärztliche Versorgungsformen anzubieten. Dafür schließen sie selektive Versorgungsverträge mit qualifizierten Hausärzten bzw. mit zugelassenen medizinischen Versorgungszentren ab, wobei aus ärztlicher Sicht kein Anspruch auf einen Versorgungsvertrag besteht. Die Krankenkassen müssen die Stellen für eine hausarztzentrierte Versorgung ausschreiben. Verpflichtet sich ein Versicherter schriftlich gegenüber seiner Krankenkasse, an der hausarztzentrierten Versorgung teilzunehmen, bedeutet dies, dass er ambulante fachärztliche Leistungen nur dann in Anspruch nehmen kann, wenn er von seinem gewählten Hausarzt eine Überweisung bekommen hat. Versicherte sind an die Teilnahme an dem Hausarztmodell und an die Wahl des Hausarztes mindestens ein Jahr lang gebunden und können den Hausarzt nur bei Vorliegen eines wichtigen Grundes wechseln. Im Gegenzug können Krankenkassen nach § 53 Absatz 3 SGB V in ihrer Satzung verankern, dass Versicherte, die sich für ein Hausarztmodell eingeschrieben haben eine Zuzahlungsermäßigung bekommen bzw. sie können ihnen eine Prämienzahlung anbieten. Nach § 53 Absatz 9 SGB V und dem Gebot der Wirtschaftlichkeit folgend, müssten die Einspareffekte aus der hausarztzentrierten Versorgung die Ausgabeneffekte (über-) kompensieren. Ob dies der Fall ist, muss sich in der Praxis noch beweisen.63 Aus Sicht einer Krankenkasse bietet die hausarztzentrierte Versorgung und die damit verbundenen finanziellen Anreize allerdings eine weitere Möglichkeit, sich von anderen Krankenkassen zu differenzieren und stellen somit einen Wettbewerbsparameter dar, der zur Bindung von Pflicht- und freiwillig Versicherten genutzt werden kann. Insbesondere Kassen, die über eine große Marktmacht verfügen, können versuchen, diese bei Vertragsverhandlungen mit den Hausärzten zu ihren Gunsten einzusetzen, um attraktive hausärztliche Versorgungsmodelle in Kombination mit monetären Anreizen für ihre Versicherten anbieten zu können und um sich dadurch einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.64 Mit dem GKV-WSG wurde erstmalig die Möglichkeit geschaffen, dass Krankenkassen nach § 73c SGB V zur Sicherstellung der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung selektive Verträge mit vertragsärztlichen Leitungs___________ 63 64
Vgl. Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 39. Vgl. Popp (2003), S. 15.
52
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
erbringern, Gemeinschaften von Leistungserbringern, Trägern von Einrichtungen – die eine besondere ambulante Versorgung durch vertragsärztliche Leistungserbringer anbieten – oder KVen schließen. Vertragsgegenstand können dabei gemäß § 73c Absatz 1 SGB V einerseits Versorgungsaufträge sein, die lediglich einzelne Bereiche der ambulanten ärztlichen Versorgung umfassen. Andererseits kann auch die gesamte ambulante ärztliche Versorgung durch Einzelverträge geregelt werden. Versicherte können sich für ein Jahr freiwillig für die Teilnahme an der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung entscheiden. Ebenso wie bei der hausarztzentrierten Versorgung besteht seitens der Leistungserbringer kein Anspruch auf Vertragsabschluss. Mit dem § 73c SGB V hat der Gesetzgeber eine neue relativ weit reichende Möglichkeit zum Abschluss von Selektivverträgen geschaffen. Der Abschluss von Einzelverträgen im ambulanten Bereich bietet den Kassen die Möglichkeit, sich maßgeblich von ihren Konkurrenten zu differenzieren und ist somit ein nicht zu unterschätzender Wettbewerbsparameter. Kritisch anzumerken ist allerdings, dass die Budgetbereinigung – ebenso wie bei der hausarztzentrierten Versorgung – nicht zufrieden stellend im Gesetz geregelt ist und es somit unter Umständen für Kassen nur bedingt attraktiv sein wird, selektive Verträge abzuschließen.65 Auch mit dem GMG wurde bereits die Möglichkeit des Abschlusses von Einzelverträgen erweitert. So ist es den gesetzlichen Krankenversicherungen seit dem 1. Januar 2004 möglich, gemäß §§ 140a-d SGB V Einzelverträge mit Leistungserbringern zur sektorübergreifenden bzw. zur interdisziplinärfächerübergreifenden Versorgung abzuschließen.66 Verträge können unter anderem mit ambulanten Leistungserbringern, mit Trägern von zugelassenen Krankenhäusern bzw. von stationären Vorsorge- und Rehabilitationseinrichtungen oder mit Leistungsgemeinschaften abgeschlossen werden. Dies impliziert eine Aufweichung der strengen sektoralen Grenzen und ist ein weiterer kleiner Schritt weg von den Kollektivvereinbarungen und hin zu Einzelverträgen, denn die K(Z)Ven und die Verbände der Krankenkassen sind nicht mehr allein qua Gesetz zum Abschluss von Versorgungsverträgen ermächtigt.67 Durch die integrierte Versorgung sind eine Verbesserung des Schnittstellenmanagements ___________ 65
Vgl. hierzu auch Jacobs (2007), S. 335 f. Ziel einer Integrationsversorgung ist eine verbesserte Kommunikation und Koordination zwischen den einzelnen Sektoren, eine leitlinienorientierte Behandlung der Patienten und eine stärkere ökonomische Verantwortung der Leistungserbringer, um das Gesundheitssystem effektiver und effizienter zu gestalten. Vgl. zur integrierten Versorgung unter anderem Glaeske (2002), S. 3 ff. 67 Gemäß § 140d SGB V sind die Kassen autorisiert, im Zeitraum von 2004 bis 2008 die Zahlungen an die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Rechnungen der Krankenhäuser um 1 % für die Etablierung integrierter Versorgungsformen zu kürzen (so genannte Anschubfinanzierung). Vgl. hierzu Biersack/Toepffer (2004), S. 119 und S. 201 f.; Strang/Schulz (2004), S. 33 f.; o.V. (2006a), S. 7 f.; Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 60 f.; Die Bundesregierung (2006), S. 247. 66
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
53
und eine Erhöhung der Produktionseffizienz zu erwarten. Die Teilnahme an integrierten Versorgungsprogrammen ist für alle Versicherten einer Krankenkasse möglich und freiwillig. Ebenso wie bei der Teilnahme an der hausarztzentrierten Versorgung können Krankenkassen nach § 53 Absatz 3 SGB V die teilnehmenden Versicherten mit einer Prämienzahlung oder einer Zuzahlungsermäßigung belohnen. Auch hier müssen – dem Gebot der Wirtschaftlichkeit folgend – die Ersparnisse durch integrierte Versorgungsmodelle die Höhe der Prämienzahlungen bzw. Zuzahlungsermäßigungen (über-)kompensieren. Ob dies der Fall ist, muss sich ebenfalls in der Praxis beweisen. Integrierte Versorgungsmodelle bieten für die Krankenkassen zum einen die Möglichkeit, neue Versorgungsformen zu entwickeln und zum anderen tragen sie zur Differenzierung des Versicherungsangebotes bei.68 Ebenso wie bei der hausarztzentrierten Versorgung und der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung können insbesondere Kassen, die über eine hohe Marktmacht verfügen, versuchen, für ihre Versicherten attraktive integrierte Versorgungsmodelle auszuhandeln. Somit stellen auch integrierte Versorgungsmodelle in Verbindung mit den finanziellen Anreizen einen weiteren Wettbewerbsparameter zur Bindung von Pflicht- und freiwillig Versicherten dar. Mit der 4. RSAÄndV vom Dezember 2001 wurde die Möglichkeit der Versorgung von chronisch Kranken durch strukturierte Behandlungsprogramme (Disease-Management-Programm – DMP) verbessert.69 DMP-Verträge können zum einen mit den KVen und zum anderen selektiv in Verbindung mit integrierten Versorgungsverträgen bzw. Modellvorhaben geschlossen werden.70 Darüber hinaus können Krankenkassen unter bestimmten Voraussetzungen seit 2004 gemäß § 116b Absatz 1 SGB V mit Krankenhäusern ambulante Versorgungsverträge abschließen. Dies ist möglich, wenn die Krankenhäuser an der Durchführung eines strukturierten Behandlungsprogramms nach § 137g SGB V teilnehmen („soweit die Anforderungen an die ambulante Leistungserbringung in den Verträgen zu den strukturierten Behandlungsprogrammen dies erfordern“). Die Teilnahme an einem DMP ist für die Versicherten freiwillig. Für die Krankenkassen bieten DMPs – ebenso wie integrierte Versorgungsmodelle – die Möglichkeit, sich von anderen Krankenkassen zu differenzieren. Da diese Modelle jedoch speziell für chronisch Kranke konzipiert werden, stellen DMPModelle kein Handlungsparameter für die Bindung von allen Versichertengruppen dar, sondern können nur für die Bindung dieses speziellen Versichertensegmentes genutzt werden.
___________ 68
Vgl. Mißbleck (2006). Vgl. Sauerland (2005), S. 19 ff. 70 Vgl. Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 41. 69
54
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Spezielle Leistungsangebote Mit dem Inkrafttreten des 2. Neuordnungsgesetzes von 1997 wurde den Krankenkassen die Möglichkeit gegeben, neue Steuerungsinstrumente für eine bessere Versorgung zu erproben. Im Rahmen von Modellprojekten können Krankenkassen mit einzelnen Leistungserbringern Verträge abschließen, die gemäß § 63 Absatz 1 SGB V zur „Weiterentwicklung der Verfahrens-, Organisations-, Finanzierungs- und Vergütungsformen der Leistungserbringung“ beitragen. Beispielsweise können informationstechnische und organisatorische Verbesserungen der Datenverwendung Gegenstand von Modellvorhaben sein. Von den Vorschriften des zehnten Kapitels des SGB V darf dabei nur mit schriftlicher Einwilligung des Versicherten abgewichen werden und nur in dem Umfang, der für die Erreichung des im Modellvorhaben gesetzten Ziel erforderlich ist. Außerdem können nach § 63 Absatz 2 SGB V Modellvorhaben zu Leistungen zur Verhütung und Früherkennung von Krankheiten sowie Krankenbehandlung vereinbart werden. Dabei können nach Absatz 4 nur solche Leistungen Gegenstand von Modellvorhaben sein, über deren Eignung als Leistung der Krankenversicherung der G-BA keine ablehnende Entscheidung getroffen hat. Die Beitragssatzstabilität darf durch Modellvorhaben nicht gefährdet werden. Grundsätzlich sind Modellvorhaben auf acht Jahre zu beschränken. Neben der Implementierung von Modellvorhaben können Krankenkassen nach § 194 SGB V freiwillige Leistungen in ihre Satzung aufnehmen. Diese müssen den Prinzipien der GKV entsprechen. Von den freiwilligen Leistungen darf kein Versicherter ausgeschlossen werden. Satzungsleistungen und Modellvorhaben bieten den Krankenkassen damit die Möglichkeit – über den gesetzlich vorgegebenen Leistungskatalog hinaus – Versicherten gesundheitsfördernde Maßnahmen anzubieten und sich von anderen Kassen zu differenzieren. Da Satzungsleistungen und Modellvorhaben von den Krankenkassen individuell gestaltet werden, können Krankenkassen versuchen, solche Leistungen bzw. Modellvorhaben anzubieten, die in besonderem Maße zur Bindung von Versicherten beitragen. Service Auch der Service einer Krankenkasse lässt sich gezielt als Wettbewerbsparameter einsetzen. Zu denken ist z. B. an die Erreichbarkeit einer Krankenkasse. Dabei kann dahingehend differenziert werden, ob die Krankenkasse physisch erreichbar ist – also eine Filiale in erreichbarer Nähe eines Versicherten angesiedelt und geöffnet ist – oder ob die Möglichkeit besteht, telefonisch, postalisch bzw. über das Internet Kontakt mit der Kasse aufzunehmen. Auch über die Kompetenz und die Freundlichkeit der Mitarbeiter können sich Krankenkassen voneinander differenzieren. Weiterhin stellen Informationsangebote ei-
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
55
nen Wettbewerbsparameter dar. Die Art des Informationsangebotes und das Medium für die Informationsübermittlung sind dabei vielfältig. So können die Krankenkassen eine Mitgliederzeitschrift herausgeben, eine eigene Webseite erstellen oder sogar Podcasts zu bestimmten Themenbereichen im Internet zum Download bereitstellen. Ein weiterer Servicebestandteil ist die Vermittlung von privaten Zusatzversicherungen. Nach § 194 SGB V können Krankenkassen den Abschluss privater Zusatzversicherungsverträge zwischen ihren Versicherten und privaten Krankenversicherungsunternehmen vermitteln. Festzustellen ist, dass Serviceparameter von Krankenkassen genutzt werden können, um sich von anderen Kassen zu differenzieren und Versicherte zu binden. Die dargestellten Wettbewerbsparameter bieten ausnahmslos Möglichkeiten für eine einzelne Krankenkasse, sich von anderen Kassen zu differenzieren. Allerdings sind die Anzahl der Wettbewerbsparameter und deren Auswirkungen auf die Differenzierung noch relativ gering. Das GMG und das GKV-WSG haben zwar den Spielraum für eine selektivvertragliche Regelung vergrößert, allerdings existiert für die Kassen die Gefahr, dass sie durch den Abschluss von Selektivverträgen „Add-on-Vergütungen“ leisten müssen, da i. d. R. keine ausreichende Budgetbereinigung vorgenommen wird. Somit sind selektive Verträge gegenwärtig für die Kassen zwar attraktiv um sich von ihren Konkurrenten zu differenzieren, aber aus finanzieller Sicht sind sie für die Kassen nicht unbedingt interessant.71 Zudem ist die Anwendung einiger dargestellter Wettbewerbsparameter auf bestimmte Versichertensegmente und durch strenge gesetzliche Vorgaben begrenzt. Somit können die Kassen lediglich in einem sehr eingeschränkten Umfang eine Differenzierungspolitik auf der Leistungsseite betreiben. Daher ist momentan der Beitragssatzwettbewerb der Kassen vordergründig und nicht der Wettbewerb um bessere Versorgungsformen, der – durch eine differenziertere Produktgestaltung – auch zu mehr Wettbewerb auf dem Versicherungsmarkt führen würde.
V. Wettbewerb um Versicherte im Status quo Da die PKV lediglich einem begrenzten GKV-Personenkreis (freiwillig Versicherten) offen steht, existiert zum einen Wettbewerb zwischen den Systemen um freiwillig Versicherte und zum anderen Wettbewerb um Versicherte innerhalb der Systeme. Im Folgenden wird zunächst der Wettbewerb innerhalb des GKV-Systems dargestellt und daran anschließend der Wettbewerb der Systeme um freiwillig Versicherte behandelt.
___________ 71
Vgl. hierzu auch Jacobs (2007), S. 336 ff.
56
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
1. Wettbewerb innerhalb des GKV-Systems Mit dem GSG wurde im Jahre 1996 das Recht auf freie Kassenwahl für nahezu alle Versicherungspflichtigen eingeführt.72 Für Versicherte der SeeKrankenkasse, der Landwirtschaftlichen Krankenkasse sowie für Versicherte der Bundesknappschaft gilt dieses Recht jedoch nicht bzw. nur dann, wenn im Zweiten Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte nichts Abweichendes bestimmt ist. Ziel der Einschränkung des individuellen Kassenwahlrechtes für diesen Personenkreis ist die Sicherstellung des Bestandes dieser Kassenarten und deren Leistungsfähigkeit.73 Auch Familienmitglieder, die bei einem Mitglied kostenlos mitversichert sind, haben kein eigenes Kassenwahlrecht und sind an die Wahlentscheidung des Mitgliedes gebunden. Trotz dieser Ausnahmen hatten im Dezember 2005 von den ca. 70,6 Millionen GKVVersicherten immerhin ungefähr 69 % ein individuelles Kassenwahlrecht. Diverse Studien belegen, dass seit 1996 über 40 % der Mitglieder von ihrem Kassenwahlrecht mindestens einmal Gebrauch gemacht haben und dass jährlich etwa fünf bis sechs Prozent der Mitglieder ihre Krankenkasse wechseln.74 Innerhalb des GKV-Systems konkurrieren Krankenkassen zum einen um Pflichtversicherte und zum anderen um freiwillig Versicherte. Ob eine Person versicherungspflichtig ist, hängt maßgeblich von ihrem Einkommen ab. Erst wenn ihr jährliches Einkommen die vom Gesetzgeber festgelegte Jahresarbeitsentgeltgrenze über einen festgelegten Zeitraum überschreitet bzw. wenn sie nach § 6 SGB V aus anderen Gründen versicherungsfrei ist, ist sie – dem Subsidiaritätsprinzip folgend – berechtigt, selbstständig zu entscheiden, ob sie eine Krankenversicherung abschließt oder nicht. Im Unterschied zu Pflichtversicherten – die bei ihrer Wahlentscheidung für eine bestimmte Krankenversicherung lediglich zwischen den verschiedenen gesetzlichen Krankenversicherungen auswählen können – haben freiwillig Versicherte zudem die Möglichkeit, eine private Krankenversicherung abzuschließen bzw. sich gar nicht zu versichern. Dies impliziert, dass die Wahlmöglichkeiten der Pflichtversicherten – im Vergleich zu den Wahlmöglichkeiten der freiwillig Versicherten – geringer sind. Im Dezember 2005 hatte die GKV ca. 50,6 Millionen Mitglieder. Von diesen waren ca. 9,4 % freiwillig in der GKV versichert.75 Tabelle 1 gibt einen Überblick über die Anzahl der Mitglieder in den einzelnen Kassenarten von 1996 bis ___________ 72
Vgl. Andersen/Schwarze (1996), S. 810 ff. Vgl. Deutscher Bundestag (1992), S. 112 f. 74 Vgl. Schwarze/Andersen (2001), S. 7; Andersen/Grabka/Schwarze (2003), S. 20; Zok (2003), S. 39; Höppner/Buitkamp/Braun et al. (2004a), S. 25; Andersen/Grabka (2005), S. 14 f. 75 Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2006b), S. 53. 73
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
57
2004.76 Es wird ersichtlich, dass die AOKen in diesem Zeitraum einen Mitgliederschwund in Höhe von ca. 3,3 Millionen zu verzeichnen hatten. Die Anzahl der Mitglieder bei den BKKen hat sich im Gegensatz dazu in dem genannten Zeitraum von ungefähr 5,2 auf ca. 10,3 Millionen fast verdoppelt. Bei den IKKen ist die Anzahl der Mitglieder zwischen 1996 und 2004 nahezu gleich geblieben. Die Anzahl der Mitglieder bei den Ersatzkassen für Arbeiter ist leicht gestiegen. Bei den Ersatzkassen für Angestellte ist sie um ca. 2 Millionen gesunken. Die Anzahl der Mitglieder ist bei der Landwirtschaftlichen Krankenkasse, der See-Krankenkasse sowie bei der Bundesknappschaft dagegen nahezu gleich geblieben.
Tabelle 1 Anzahl der Mitglieder (in Tausend) nach Kassenarten von 1996 bis 2004 1996
1997
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
AOK
21.853 21.084 20.613 20.329 19.965 19.384 19.048 18.752
18.550
BKK
5.243
5.456
5.738
6.400
7.426
8.659
9.340
10.093
10.334
IKK
3.028
3.109
3.197
3.274
3.241
3.155
3.115
3.099
3.139
963
1.045
1.118
1.172
1.007
963
959
963
1.009
Ersatzkassen Arbeiter Ersatzkassen Angestellte Landwirtschaftl. Krankenkasse SeeKrankenkasse Bundesknappschaft
17.846 18.285 18.132 17.946 17.619 17.050 16.737 16.067
15.793
663
657
650
643
657
632
624
617
612
49
49
49
48
47
50
53
54
53
1.185
1.163
1.142
1.114
1.093
1.100
1.094
1.110
1.134
Datenquelle: Bundesministerium für Gesundheit (2005), Abschnitt 9.6
Bei der Konvertierung der absoluten Zahlen in Marktanteile kann festgestellt werden, dass der Marktanteil der AOKen zwischen 1996 und 2004 um 6 Prozentpunkte von 43 % auf 37 % gesunken ist (Abbildung 8). Ebenso hatten die Ersatzkassen für Angestellte einen Marktanteilsverlust von 4 Prozentpunkten von 35 % auf 31 % zu verzeichnen. Dagegen ist der Marktanteil der BKKen um 10 Prozentpunkte von 10 % auf 20 % gestiegen. Die IKKen, die Ersatzkassen ___________ 76 Da mitversicherte Familienangehörige keine eigene Wahlentscheidung treffen können, sind sie in Tabelle 1 nicht mit erfasst.
58
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
für Arbeiter, die Bundesknappschaft, die Landwirtschaftliche Krankenkasse und die See-Krankenkasse haben ihren Marktanteil in diesem Zeitraum gehalten. Insgesamt ist zu konstatieren, dass die BKKen seit 1996 bei dem Wettbewerb um Mitglieder den größten Mitgliederzugewinn und die AOKen den größten Mitgliederverlust zu verzeichnen hatten. Marktanteile der Kassenarten 1996 Bundesknappschaft, Landw irtschaftliche Krankenkasse und See-Krankenkasse 4%
Ersatzkassen für Angestellte 35%
AOK 43%
Ersatzkassen für Arbeiter 2% IKK 6%
BKK 10%
M arktanteile der Kassenarten 2004 Bundesknappschaft, Landw irtschaftliche Krankenkasse und See-Krankenkasse 4%
AOK 37%
Ersatzkassen für Angestellte 31%
Ersatzkassen für Arbeiter 2%
IKK 6%
BKK 20%
Datenquelle: Bundesministerium für Gesundheit (2006b), Abschnitt 9.6
Abbildung 8: Marktanteile der Kassenarten in den Jahren 1996 und 2004
Die Zugehörigkeit der Wechsler zu den einzelnen Kassenarten ist unterschiedlich verteilt (Abbildung 9). Insgesamt fällt auf, dass überproportional vie-
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
59
le Wechsler zu den BKKen gehören (38 %).77 Von den Nicht-Wechslern sind lediglich 10 % bei einer BKK versichert. Einen ähnlich hohen Anteil bei den Wechslern haben die IKKen (34 %). Allerdings ist der Anteil der NichtWechsler, die bei einer IKK versichert sind, fast kongruent mit dem Anteil der Wechsler, die bei einer IKK versichert sind (36 %). Der Anteil der Wechsler, die bei einer AOK versichert sind, ist mit 18 % relativ gering. Von den NichtWechslern gehören allerdings 46 % zu einer AOK. Von den Wechslern sind 7 % bei einer Ersatzkasse versichert, während von den Nicht-Wechslern 6 % bei einer Ersatzkasse versichert sind. Somit ist der Anteil der Versicherten, die bei einer Ersatzkasse versichert sind, bei den Wechslern und Nicht-Wechslern nahezu identisch. Aus den Studien ist allerdings nicht ersichtlich, ob die Kassenwechsler innerhalb einer Kassenart gewechselt haben oder ob auch zwischen den einzelnen Kassenarten gewechselt wurde. Zudem ist nicht ersichtlich, ob ein Mitglied mehr als einmal von seinem individuellen Kassenwahlrecht Gebrauch gemacht hat.
18%
Wechsler
38%
34%
46%
Nicht-Wechsler
0%
10%
20%
10%
30% AOK
40% BKK
50% IKK
7%
36%
60%
Ersatzkassen
70%
3%
6% 2%
80%
90%
100%
Sonstige
Quelle: In Anlehnung an Höppner/Buitkamp/Braun et al. (2004b), S. 60
Abbildung 9: Anteil der Kassenarten bei Wechslern und Nicht-Wechslern
In verschiedenen Studien wurde nachgewiesen, dass die Kassenwechsler durchschnittlich jünger sind als diejenigen, die ihre Krankenkasse nicht wechseln.78 Ferner wurde gezeigt, dass Kassenwechsler ein höheres Bruttoar___________ 77
Vgl. hierzu und zum Folgenden auch Schwarze/Andersen (2001), S. 7 ff.; Höppner/Buitkamp/Braun et al. (2004b), S. 59 ff.; Andersen/Grabka (2005), S. 14 f. 78 Vgl. hierzu und zum Folgenden Schwarze/Andersen (2001), S. 10; John (2002), S. 81 ff.; Zok (2003), S. 39; Höppner/Buitkamp/Braun et al. (2004a), S. 26; Andersen/Grabka (2006), S. 21 ff.
60
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
beitseinkommen erzielen, weniger Kinder haben und häufiger freiwillig versichert sind als Nicht-Wechsler. Zudem ist der Rentneranteil bei den Wechslern niedriger als bei den Nicht-Wechslern (Abbildung 10). Der Anteil derjenigen, die über eine Hochschulreife verfügen, ist dagegen bei den Wechslern höher (21 %) als bei den Nicht-Wechslern (13 %). Auch der Anteil derjenigen, die sich als gesund einstufen, ist bei den Wechslern höher (50 %) als bei den NichtWechslern (41 %). Im Gegensatz dazu ist der Anteil derjenigen, die über einen Hauptschulabschluss verfügen, bei den Nicht-Wechslern höher (42 %) als bei den Wechslern (26 %).79 Auch der Anteil derjenigen mit einer amtlich anerkannten Behinderung ist bei den Nicht-Wechslern (19 %) höher als bei den Wechslern (11 %). 60%
50%
50%
42%
37%
40%
41%
30%
21%
20% 10%
17%
19%
26%
13% 11%
Wechsler
amtlich anerkannte Behinderung
gesund
Hauptschulabschluss
Hochschulreife
Rentner
0%
Nicht-Wechsler
Quelle: In Anlehnung an Höppner/Buitkamp/Braun et al. (2004b), S. 61
Abbildung 10: Sozioökonomisches Profil der Wechsler und Nicht-Wechsler
Schwarze und Andersen haben in einem ökonometrischen Modell für abhängig Beschäftigte geschätzt, von welchen Faktoren ein Kassenwechsel signifikant abhängt.80 Dabei haben sie herausgefunden, dass das Alter eines Mitgliedes einen relativ starken negativen Einfluss auf die Wechselentscheidung hat. Eine mögliche Erklärung dafür ist, dass die Erträge aus einem Krankenkassenwechsel mit zunehmendem Alter sinken und dass die Mobilität der Älteren im Vergleich zu der Mobilität von Jüngeren geringer ist. Die Höhe des Bruttomonatseinkommens hat demgegenüber einen signifikant positiven Einfluss auf die ___________ 79
Bei einer Schätzung von Schwarze und Andersen kam allerdings heraus, dass die Schul- und Berufsausbildung für einen Kassenwechsel bei abhängig Beschäftigten von keiner Bedeutung ist. Vgl. Schwarze/Andersen (2001), S. 15. 80 Ein detaillierter Überblick über die Ergebnisse des ökonometrischen Modells ist zu finden bei Schwarze/Andersen (2001), S. 15 ff.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
61
Entscheidung, eine Krankenkasse zu wechseln. Versicherte, die ihren eigenen Gesundheitszustand mit „gut“ einstufen, wechseln ebenfalls signifikant häufiger als Personen, die ihren Gesundheitszustand als „weniger gut“ einschätzen.81 Die Gründe für einen Kassenwechsel sind unterschiedlich. In diversen Studien wurde herausgefunden, dass die Höhe des Beitragssatzes einen positiven Einfluss auf die Wechselentscheidung hat.82 Ein Blick auf die durchschnittlichen Beitragssätze der diversen Kassenarten von 1996 bis 2004 und auf den Zugewinn bzw. den Verlust an Versicherten innerhalb dieses Zeitraums unterstreicht dieses Ergebnis und zeigt, dass die Kassenarten, deren Mitgliederkrankenkassen durchschnittlich einen höheren Beitragssatz in diesem Zeitraum aufwiesen, einen Verlust an Versicherten zu verzeichnen hatten und Kassenarten, deren Mitgliederkrankenkassen einen durchschnittlich niedrigeren Beitragssatz hatten, Versicherte hinzugewinnen konnten (Abbildung 11). So haben die AOKen mit einem durchschnittlichen Beitragssatz von 13,97 % in diesem Zeitraum ca. 3,3 Millionen Mitglieder verloren, während die BKKen mit einem durchschnittlichen Beitragssatz von 12,84 % ca. 5,1 Millionen Mitglieder hinzugewinnen konnten. 14,40
Durchschnittlicher Beitragssatz
EAN
14,20 14,00
AOK 13,80
IKK
13,60 13,40
EAR 13,20 13,00
BKK
12,80 12,60 -4.000.000
-3.000.000
-2.000.000
-1.000.000
0
1.000.000
2.000.000
3.000.000
4.000.000
5.000.000
6.000.000
Mitgliedermobilität in Tausend zwischen 1996 und 2004
Datenquelle: BKK Bundesverband (2004b); Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2004a)
Abbildung 11: Zusammenhang zwischen Mitgliedermobilität und Beitragssatz
In einer repräsentativen Umfrage unter 3.000 Mitgliedern von gesetzlichen Krankenversicherungen durch das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) gaben 50,3 % der Kassenwechsler an, dass der niedrigere Beitragssatz ein ___________ 81
Ähnliche Ergebnisse finden sich auch bei einer Studie des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Vgl. daher Zok (2003), S. 39. 82 Vgl. Böcking/Göpfert/Merker et al. (2002), S. 246; John (2002), S. 84 ff.; Schut/Greß/Wasem (2003), S. 129 ff.; Zok (2003), S. 39; Töpfer/Opitz (2005), S. 2 ff.; o.V. (2006b); Kepplinger (2006), S. 7 ff.; Sennlaub (2006), S. 5 f.
62
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Grund für ihren Kassenwechsel war.83 73,1 % der Befragten, die einen Wechselgedanken hegen, führen an, dass ein niedrigerer Beitragssatz ein wichtiger Grund für einen Kassenwechsel darstellt. Allerdings gaben von den potenziellen Wechselkandidaten auch 74,4 % an, dass ein „besseres Leistungsangebot“ für den Krankenkassenwechsel von Bedeutung sei. Da gegenwärtig das Leistungsangebot der Krankenkassen zu ca. 95 % identisch ist, kann es sich hierbei allerdings nur um zusätzliche Satzungsleistungen, Modellprojekte bzw. andere Versorgungsmodelle (z. B. im Rahmen der integrierten Versorgung) handeln. Bei 16,4 % der Wechsler spielte für den Wechsel auch ein besserer Service eine Rolle und nahezu die Hälfte der Personen, die einen Wechselgedanken hegen, gaben an, dass ein besserer Service ein Grund für einen Wechsel wäre. Das Image einer Krankenkasse war nur bei 5 % der Wechsler ein Grund für den Wechsel. Jedoch stellt für 18,9 % der Personen, die einen Wechselgedanken hegen, ein besseres Image ein Grund für einen Kassenwechsel dar.84 Wird der Informationsstand der Wechsler mit dem Informationsstand der Nicht-Wechsler bezüglich des GKV-Systems verglichen, so können Informationsdefizite bei den Nicht-Wechslern nachgewiesen werden.85 71 % der NichtWechsler waren der Ansicht, dass eine längere Kassenmitgliedschaft dazu führt, dass mehr Leistungen gewährt werden als bei einer kürzeren Mitgliedschaft. Bei den Wechslern waren dies 57 %. Interessant ist auch, dass lediglich 37 % der Nicht-Wechsler wussten, dass bei einem Wechsel von einer Krankenkasse zu einer anderen Kasse keine „angesparten“ Beiträge verloren gehen. Bei den Wechslern waren dies immerhin 43 %. In dem Gesundheitsmonitor des Jahres 2004 der Bertelsmann Stiftung wurden die Teilnehmer der Befragung über die Gründe eines Nicht-Wechsels befragt.86 58,1 % der Nicht-Wechsler gaben an, dass sie sich an ihre Krankenkasse gewöhnt und daher noch keinen Wechsel vollzogen haben. Außerdem ist das Gefühl der Sicherheit und Verlässlichkeit bei 55,4 % ein Grund für den NichtWechsel. Eine langjährige Zugehörigkeit zu einer Krankenkasse ist darüber hinaus bei 52,2 % der Nicht-Wechsler ein Grund für den Verbleib bei einer bestimmten Krankenkasse. Die Solidarität zu den anderen Versicherten der eigenen Krankenkasse ist bei lediglich 12,8 % der Nicht-Wechsler ein Grund für den Nicht-Wechsel. Auch die persönliche Bindung zu einem oder mehreren Mitarbeitern bei der eigenen Kasse ist nur bei 6,8 % der Nicht-Wechsler der Grund für den Verbleib bei der Krankenkasse. 59,7 % der Nicht-Wechsler gab an, dass ein Grund für den Nicht-Wechsel die Angst davor sei, dass man nie ___________ 83
Vgl. Zok (2003), S. 39 ff. Vgl. hierzu auch John (2002), S. 84 ff. 85 Vgl. hierzu und zum Folgenden Höppner/Buitkamp/Braun et al. (2004b), S. 31 ff. 86 Vgl. hierzu und zum Folgenden Höppner/Buitkamp/Braun et al. (2004a), S. 65. 84
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
63
wissen könne, ob die neue Krankenkasse nicht doch schlechter ist als die alte. Erstaunlich ist auch, dass bei 8,7 % ein Grund für den Nicht-Wechsel die Annahme ist, dass man sich nicht vorstellen könne, dass eine neue Krankenkasse sie aufnehmen würde. Auch das nicht vorhandene Vertrauen in eine neue Krankenkasse ist bei 13,6 % der Nicht-Wechsler ein Grund für den Verbleib bei der alten Kasse. Als grundsätzliche Gründe für einen Nicht-Wechsel wurden genannt, dass für den Wechsel viele Formalitäten erledigt werden müssen (24,9 %), dass es keine Rolle spiele, bei welcher Krankenkasse man versichert sei, dass die Kassen sich nicht wesentlich voneinander unterscheiden (24 %), dass ein Vergleich der Krankenkassen zu schwierig sei (24 %), dass keine Zeit vorhanden sei, sich mit dem Thema Kassenwechsel zu beschäftigen (21,8 %), dass kein Wissen darüber vorhanden sei, wo man sich über einen Krankenkassenwechsel informieren könne (10,8 %) und dass es dem Versicherten egal sei, bei welcher Krankenkasse er versichert ist (5,8 %). Abschließend ist zu konstatieren, dass der Beitragssatz bei dem Wettbewerb um Versicherte gegenwärtig noch einen zentralen Wettbewerbsparameter darstellt. Dies ist nicht verwunderlich, denn die Kassen haben momentan nur eingeschränkte Möglichkeiten zur kassenindividuellen Gestaltung der Leistungsseite. Immerhin haben das GMG und das GKV-WSG den Spielraum für die Differenzierung auf der Leistungsseite ein wenig vergrößert. Allerdings werden diese Möglichkeiten von den Krankenkassen noch nicht vollständig ausgenutzt. So hätten die Krankenkassen de jure die Möglichkeit, in den Jahren 2004 bis 2008 jeweils bis zu 1 % von der ambulanten und der stationären Gesamtvergütung für die Anschubfinanzierung von integrierten Versorgungsverträgen einzubehalten.87 De facto wurden 2004 aber nur etwa 10 % des möglichen Fördervolumens genutzt.88 Vor dem Hintergrund, dass 74,4 % derjenigen, die einen Wechselgedanken hegen, jedoch ein „besseres Leistungsangebot“ als Grund für einen Kassenwechsel angeben, ist allerdings zu vermuten, dass der Leistungsbereich aus Sicht der Versicherten einen zentralen Wettbewerbsparameter darstellt und somit speziell bei Vertragswettbewerb die konkrete Ausgestaltung des Versorgungsangebotes für die Bindung von Versicherten von hoher Bedeutung sein wird. Die durch das GMG sowie das GKV-WSG neu geschaffenen Handlungsparameter können dabei als erste Möglichkeit zur Konzeption eines kassenindividuellen Leistungsangebotes genutzt werden. Wird darüber hinaus der Wettbewerb auf dem Versorgungsmarkt weiter verschärft (z. B. durch selektives Kontrahieren im stationären Bereich), haben die Krankenkassen weite___________ 87
Vgl. § 140d SGB V. Vgl. hierzu auch Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 60 f. Ein Grund für die relativ geringe Ausnutzung des zur Verfügung stehenden Budgets durch die Krankenkassen ist möglicherweise, dass der Aufwand für den Abschluss eines sektorübergreifenden Versorgungsvertrags relativ groß ist. Vgl. IGES (2004); Mihm (2004), S. 13. 88
64
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
re Handlungsparameter zur Verfügung, um ein kassenindividuelles Leistungsund Versorgungsangebot zu konzipieren. Festzustellen ist ferner, dass Wechsler besser über das GKV-System informiert sind als Nicht-Wechsler. Zudem sind bei vielen Nicht-Wechslern die Informations- und Transaktionskosten wichtige Determinanten für den Verbleib bei einer Krankenkasse. Je nachdem, ob Kassen einen Krankenkassenwechsel verhindern wollen oder ein Wechsel „nicht unerwünscht“ ist, lassen sich hieraus für die Kassen unterschiedliche Handlungsstrategien ableiten.
2. Wettbewerb der Systeme um freiwillig Versicherte Wettbewerb setzt die Existenz von Wahlmöglichkeiten voraus. Individuelle Wahlmöglichkeiten zwischen der GKV und PKV haben aber nur diejenigen, die zum nicht versicherungspflichtigen Personenkreis gehören. Im Dezember 2005 waren ca. 4,7 Millionen Mitglieder in der GKV freiwillig versichert.89 Die PKV hatte zum 31. Dezember 2004 etwa 8,3 Millionen vollversicherte Mitglieder.90 Prinzipiell konkurrieren die GKV und die PKV somit um diesen Personenkreis, der de jure eine Wahlmöglichkeit zwischen GKV und PKV hat. Es sind allerdings einige Einschränkungen hinsichtlich der faktischen Wahlmöglichkeiten einiger Personengruppen zu machen. Da in der PKV risikoäquivalente Prämien kalkuliert werden und das Anwartschaftsdeckungsverfahren Gültigkeit besitzt, ist es für Personen, die chronisch erkrankt sind bzw. die ein erhöhtes Krankheitsrisiko besitzen, faktisch zu teuer, von der GKV in die PKV zu wechseln.91 Zudem besteht die Möglichkeit, dass private Krankenversicherungsunternehmen diese Personen gar nicht aufnehmen, da sie – im Gegensatz zu gesetzlichen Krankenversicherungen – keinem Kontrahierungszwang unterliegen.92 Weil zudem für Familienangehörige ebenfalls ein eigener (risikoäquivalenter) Versicherungsbeitrag erhoben wird, ist es somit aus finanzieller Sicht einiger wahlberechtigter Personen nicht rational, von der GKV in die PKV zu wechseln. Ein Wechsel von der PKV zur GKV ist praktisch nur dann möglich, wenn die Versicherungspflicht wieder eintritt (z. B. das jährliche Arbeitseinkommen sinkt unter die Versicherungs___________ 89
Vgl. Bundesministerium für Gesundheit (2006b), S. 53. Vgl. Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (2005), S. 10. 91 Mit dem GKV-WSG wurde allerdings ein PKV-Basistarif eingeführt, der keine Risikoprüfung seitens der PKV vorsieht und für den keine morbiditätsabhängigen Risikozuschläge erhoben werden dürfen. Die Prämienhöhe richtet sich alleine nach dem Alter und Geschlecht der zu versichernden Person. 92 Für den mit dem GKV-WSG neu geschaffenden PKV-Basistarif besteht seitens der PKV allerdings ein Kontrahierungszwang. 90
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
65
pflichtgrenze, Eintritt von Arbeitslosigkeit) und die Person noch nicht das 55. Lebensjahr überschritten hat.93 Hat sich ein Mitglied somit einmal aus der GKV herausoptiert und möchte zu einem späteren Zeitpunkt wieder der Solidargemeinschaft beitreten, müssen die restriktiven Vorgaben der §§ 6, 8 und 9 SGB V erfüllt werden. Umgekehrt ist es beispielsweise für beihilfeberechtigte Beamte nicht rational, sich in der GKV zu versichern, da sie dort den vollen Beitragssatz entrichten müssten, obwohl sie gegenüber dem Dienstherrn für sich und ihre Angehörigen Beihilfeansprüche geltend machen könnten, die mindestens 50 % der Leistungsausgaben ausmachen.94 Faktisch findet der Wettbewerb zwischen der GKV und der PKV um Versicherte somit nur in eingeschränkter Form statt. Letztendlich versucht die PKV unter den Wahlberechtigten die Wahlwilligen zu einem Wechsel zu bewegen. Bei dem „Wettbewerb der Systeme“ um diese Versichertengruppe stehen den Krankenkassen im Vergleich zu den privaten Krankenversicherungsunternehmen weniger Wettbewerbsparameter zur Verfügung. So können private Krankenversicherungen für ihre (potenziellen) Versicherten ein präferenzgerechtes Leistungsangebot erstellen, da zwischen ihnen und dem zu Versichernden ein privatrechtlicher Vertrag abgeschlossen wird, dessen Leistungen individuell und flexibel ausgehandelt werden können und nicht durch das SGB V und den G-BA vorgegeben werden. Durch das GMG und das GKV-WSG wurden den Kassen zwar auch eingeschränkte Handlungsparameter zur Gestaltung des Leistungsangebotes gegeben. Anzunehmen ist jedoch, dass die meisten Handlungsparameter – die auf die kassenindividuelle Gestaltung des Versorgungsangebotes zielen (z. B. DMP, integrierte Versorgungsangebote) – keine adäquaten Instrumente sind, um junge, gesunde und gut verdienende Versicherte zu binden, um die die beiden Systeme hauptsächlich konkurrieren. Allerdings wurden den Krankenkassen mit den letzten beiden Gesundheitsreformen auch Handlungsparameter zur Verfügung gestellt, die speziell für die Bindung von freiwillig Versicherten und jungen, gesunden sowie einkommensstarken Mitgliedern eingesetzt werden können (z. B. Selbstbehalte, Prämienzahlung bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen). In Abbildung 12 sind die Wanderungsbewegungen zwischen der GKV und der PKV in den Jahren von 1992 bis 2004 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass durchgehend eine positive Differenz der Wanderungsbewegung zugunsten der PKV besteht. Dies ist aufgrund der erschwerten Rückkehrmöglichkeit in die GKV leicht erklärbar. Von Anfang bis Mitte der 1990er Jahre nimmt der Wanderungssaldo stetig ab. Mit dem Inkrafttreten des GSG ist wieder ein deutlicher ___________ 93 Ab dem Überschreiten des 55. Lebensjahres sind die nach § 6 Absatz 3a SGB V maßgeblichen Vorversicherungszeiten zu erfüllen, um bei (Wieder-)Eintritt der Versicherungspflicht von der PKV in die GKV wechseln zu können. 94 Vgl. hierzu und zum Folgenden Jacobs/Schulze (2004a), S. 8 ff.
66
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Sprung im Wanderungssaldo erkennbar, und zwar von einem Wanderungssaldo in Höhe von 66.000 im Jahre 1996 zu einer Differenz in Höhe von 171.000 im Jahre 1997. Dies ist damit erklärbar, dass sich durch die Einführung des RSA 1994 in Verbindung mit der Einführung der freien Kassenwahl 1996 die Beitragssätze der Kassen angenähert haben und es somit für Wahlberechtigte und Wahlwillige – die vorher unter Umständen von den günstigen Beitragssätzen einiger Krankenkassen profitiert haben – attraktiver wurde, in die PKV zu wechseln.95
Quelle: BKK Bundesverband (2005)
Abbildung 12: Wanderungsbewegungen zwischen GKV und PKV
Ein weiteres Wettbewerbsfeld zwischen der GKV und der PKV ist der Markt für private Zusatzversicherungen.96 In diesem Markt nehmen Krankenkassen gegenwärtig allerdings gemäß § 194 SGB V lediglich eine Vermittlerposition ein, da die Versicherung von zusätzlichen Krankheitsrisiken von privaten Krankenversicherungsunternehmen durchgeführt werden muss. Um einen zusätzlichen privaten Krankenversicherungsschutz vermitteln zu können, suchen sich die Kassen private Kooperationspartner aus und verhandeln mit diesen spezielle Konditionen für ihre Versicherten (z. B. Rabatte, Verzicht auf Risikoprüfung bei Abschluss der Versicherung, Bestimmung spezieller Alters___________ 95 Vgl. zu den Beitragssätzen „mit“ und „ohne“ RSA Jacobs/Cassel/Wasem (2002), S. 32. 96 Einen Beitrag zur Trennung bzw. Integration von Grund- und Zusatzversicherungen bietet Kifmann (2003), S. 11 ff.
A. Die GKV zwischen Solidarität und Wettbewerb
67
grenzen). Die privaten Krankenversicherungsunternehmen erheben für die Zusatzversicherungen gemäß § 12 Absatz I Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) alters- und geschlechtsspezifische Prämien. Die speziellen Konditionen bei einer privaten Krankenversicherung enden in aller Regel mit der Beendigung des Versicherungsverhältnisses mit einer Krankenkasse. Im Jahre 2005 vermittelten ca. 70 % der offenen Kassen eine private Zusatzversicherung.97 Theoretisch ist denkbar, dass die gesetzlichen Krankenversicherungen zukünftig auch selber private Zusatzversicherungen anbieten und für diese risikoäquivalente Prämien erheben. Dabei müsste allerdings sichergestellt sein, dass der Bereich der solidarisch finanzierten Leistungen und der risikoäquivalent kalkulierten privat versicherten Zusatzleistungen voneinander getrennt bliebe und keine Quersubventionierung zwischen diesen Teilgeschäften stattfinden würde. Würden die Krankenkassen in der Zukunft selbstständig Zusatzversicherungen zu risikoäquivalenten Prämien anbieten, hätten die Kassen einen zusätzlichen Wettbewerbsparameter, den sie für die Bindung von freiwillig Versicherten – aber auch zur Bindung von Pflichtversicherten – nutzen könnten.
___________ 97
Vgl. Schreyögg/Busse (2005), S. 4.
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen In diesem Kapitel werden zunächst die aktuellen Herausforderungen der GKV kurz diskutiert, um daran die Notwendigkeit von mehr Wettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt zu verdeutlichen. Anschließend werden ein Konzept von einem stärker wettbewerblich orientierten GKV-System vorgestellt und mögliche Ergebnisse von mehr „Markt und Wettbewerb“ auf dem GKVVersorgungsmarkt dargestellt. Da Krankenkassen ihrer Zielsetzung stark durch gesetzliche Vorgaben eingeschränkt sind, und insbesondere das SGB die Freiheit der Zielsetzung begrenzt, wird daher – nach einem kurzen Überblick über die Funktionen und der Kategorisierung von Zielen – im weiteren Ablauf des Kapitels zuerst der sozialrechtliche Zielrahmen für eine gesetzliche Krankenversicherung vorgestellt, um dann auf die tatsächlich verfolgten Ziele von Krankenkassen und die Bedeutung von Kundenbindung für die Erreichung der Ziele einzugehen.
I. Mehr Markt und Wettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt 1. Warum mehr Markt und Wettbewerb auf dem Versorgungsmarkt? In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur gibt es auf die Fragen, was unter Wettbewerb zu verstehen ist, welche genauen Gegebenheiten als Wettbewerb zu bezeichnen sind, wie Wettbewerbsprozesse ablaufen und welche Regeln für den Wettbewerb existieren sollten, von diversen Autoren unterschiedliche Antworten.1 Im Allgemeinen werden dem Wettbewerb jedoch diverse ökonomische und gesellschaftliche Funktionen zugeschrieben, die sich kurz als –
Allokationsfunktion,
–
Innovationsfunktion,
___________ 1 Vgl. Berg (1999), S. 305 ff.; Herdzina (1999), S. 7 ff. und S. 31; Kerber (2003), S. 302 ff.
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
–
Verteilungsfunktion und
–
Freiheitsfunktion
69
zusammenfassen lassen.2 Die Allokationsfunktion des Wettbewerbs bedeutet, dass die Ressourcen einer Gesellschaft in die produktivsten Verwendungen gelenkt werden; dass somit die größtmöglichste Effizienz des Faktoreinsatzes gewährleistet wird und das Angebot an den Präferenzen der Konsumenten ausgerichtet ist. Nach Kerber führt Wettbewerb somit „zur effizienten Allokation (statische Effizienz), wozu auch eine möglichst schnelle Anpassung der Ressourcenverwendung an exogen verursachte Veränderungen (wie Nachfrageschwankungen etc.) gehört“.3 Die Innovationsfunktion des Wettbewerbs bedeutet, dass neues Wissen generiert (Invention), angewendet (Innovation) und durch Imitation verbreitet wird. Dies erscheint besonders bedeutsam, da die Schaffung und Ausbreitung von neuem Wissen ursächlich für Wohlstandssteigerungen ist (dynamische Effizienz). Die Verteilungsfunktion des Wettbewerbs bezieht sich auf die Gewährleistung einer leistungsgerechten Einkommensverteilung. Die Freiheitsfunktion des Wettbewerbs bedeutet schließlich, dass durch die Konkurrenz von Anbietern und Nachfragern Wahlmöglichkeiten und Freiheitsspielräume von Marktteilnehmern entstehen, durch die sie vor der wirtschaftlichen Macht einzelner Anbieter und Nachfrager geschützt werden. Bei einem Blick auf den GKV-Versorgungsmarkt fällt auf, dass der dortige Wettbewerb die ihm zugeschriebenen Wettbewerbsfunktionen nicht vollständig erfüllt. Insbesondere die Allokations-, Innovations- und Freiheitsfunktionen des Wettbewerbs erscheinen nicht gänzlich erfüllt, was maßgeblich daran liegt, dass die Akteure in ihrer Wettbewerbsfreiheit eingeschränkt sind.4 Die Einschränkung der Wettbewerbsfreiheit äußert sich beispielsweise darin, dass den Krankenkassen nur ein eingeschränkter Handlungsspielraum zur Verfügung steht, ein kassenindividuelles Versorgungsangebot zu konzipieren und anzubieten, und die Versicherten lediglich eingeschränkte Wahlmöglichkeiten in Bezug auf ein präferenzgerechtes Versorgungsangebot haben. Von dem Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (SVR Gesundheit) werden hauptsächlich die Inflexibilitäten der korporativen Koordina___________ 2 Vgl. hierzu und zum Folgenden Berg (1999), S. 301; Herdzina (1999), S. 11 ff.; Kerber (2003), S. 300. 3 Kerber (2003), S. 300. 4 In dieser Arbeit wird bei dem Begriff „Wettbewerbsbeschränkung“ der Definition von Herdzina gefolgt, der unter einer Wettbewerbsbeschränkung eine „unangemessene bzw. unbillige Einengung des Handlungsspielraumes bzw. der Wahlmöglichkeiten von Marktteilnehmern“ versteht. Herdzina (1999), S. 82 ff.
70
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
tion für die Verhinderung von effizienz- und effektivitäts- bzw. qualitätssteigernden Prozessen verantwortlich gemacht.5 Der SVR Gesundheit hebt dabei unter anderem die geringen Gestaltungsmöglichkeiten der Krankenkassen im Leistungs- und Vertragsbereich, den „Hamsterradeffekt“ in der ambulanten Versorgung, die wenig tragfähigen Kompromisse – die durch die gemeinsame Selbstverwaltung erzielt werden – sowie die geringen Anreize für eine sektorübergreifende Versorgung und einen zielorientierten Wettbewerb an den Schnittstellen hervor. Neben dem Problem der Fehlallokation und den Ineffizienzen hat die GKV darüber hinaus sowohl ein Ausgaben- als auch ein Finanzierungsproblem, die beide Druck auf den Beitragssatz ausüben.6 Die Gründe für die Ausgabensteigerungen sind vielfältig. Die wichtigsten Ursachen sind jedoch der demographische Wandel und der medizinisch-technische Fortschritt, die durch ihre Wechselwirkung zu einem Beitragssatzdruck führen.7 Stärker als der demographische Wandel ist jedoch der medizinisch-technische Fortschritt für die kontinuierliche Ausgabensteigerung der GKV verantwortlich. Dies liegt daran, dass hauptsächlich ausgabensteigende Produktinnovationen Einzug in den Leistungskatalog finden und ausgabensenkende Prozessinnovationen eher selten auftreten.8 Ein Blick in die Vergangenheit zeigt des Weiteren, dass in den 1970er Jahren der Leistungskatalog der GKV erheblich erweitert wurde, was zudem zu einem Anstieg der Ausgaben der GKV beitrug (Abbildung 13).9 Von Anfang der ___________ 5 Vgl. hierzu und zum Folgenden Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen (2003), S. 13 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005a), S. 9 ff. 6 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2005), S. 331. Das Ausgabenproblem könnte beispielsweise durch eine Rationierung der Leistungen gelöst werden. Dabei stellt auch eine Nicht-Aufnahme von innovativen medizinischen Methoden in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherungen eine Rationierung dar. Anzumerken ist allerdings, dass es keine „richtige“ Beitragssatzhöhe geben kann, sondern dass diese von der Präferenzstruktur der Gesellschaft abhängt, die sich jedoch nur bei Wettbewerb zeigt. Gleichwohl sollte aufgrund der diversen Prognosen, die für die kommenden Jahre einen sehr stark steigenden Beitragssatz prognostizieren, sorgfältig geprüft werden, ob die zu erwartenden Beitragssätze und die damit zu finanzierenden Leistungen noch den Präferenzen der Bevölkerung entsprechen und wie der Druck auf den Beitragssatz gebremst werden kann. 7 Eine ausführliche Darstellung des Drucks auf den Beitragssatz durch den demographischen Wandel und den medizinisch-technischen Fortschritt ist zu finden bei Zweifel (1990), S. 373 ff.; Lubitz/Riley (1993), S. 1092 ff.; Zweifel/Felder/Meier (1996), S. 29 f.; Krämer (1997), S. 11 ff.; Ulrich (2001), S. 23; Postler (2003), S. 7 f. und S. 16 f. 8 Vgl. Ulrich (2001), S. 33 f. 9 Die GKV wurde beispielsweise verpflichtet, Maßnahmen zur Früherkennung von Krankheiten zu finanzieren. Zudem wurden 1974 u. a. Rechtsansprüche auf zeitlich unbegrenzte Krankenhauspflege, auf die Gewährung einer Haushaltshilfe, auf Zahlung von
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
71
20 02
20 00
19 98
19 94
19 92
19 90
19 88
Gesamtdeutschland
19 86
19 84
19 82
19 80
19 78
19 76
19 74
19 72
altes Bundesgebiet
19 96
7,25% 7,00% 6,75% 6,50% 6,25% 6,00% 5,75% 5,50% 5,25% 5,00% 4,75% 4,50% 4,25% 4,00% 3,75% 3,50%
19 70
Anteil der GKV-Ausgaben am BIP
1970er Jahre bis zum Jahre 2003 ist der Anteil der GKV-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (BIP) von ca. 3,6 % auf 6,8 % gestiegen, was nahezu eine Verdoppelung darstellt.
Jahr
Datenquelle: Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (2004), S. 654 und 732 f.
Abbildung 13: Anteil der GKV-Ausgaben am Bruttoinlandsprodukt (in jeweiligen Preisen)
Mit dem Anstieg der Ausgaben geht ein kontinuierlicher Anstieg des Beitragssatzes einher. So stieg der allgemeine GKV-Beitragssatz von durchschnittlich etwa 8,2 % im Jahre 1970 auf durchschnittlich über 14 % im Jahre 2004.10 Der Sozialgesetzgeber reagierte auf den Anstieg mit einer Kostendämpfungspolitik und erließ zahlreiche Gesetze mit dem Ziel, den Anstieg der Ausgaben und Beitragssätze zu dämpfen.11 Trotz dieser Bemühungen sind der Anteil der Ausgaben der GKV am BIP und der Beitragssatz in den letzten Jahren gestiegen ___________ Krankengeld bei Verdienstausfall wegen der Betreuung eines erkrankten Kindes eingeführt. Vgl. hierzu Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2004b). Die Ausgabenstruktur der GKV wird allerdings nicht nur von der Erweiterung des Leistungskatalogs bestimmt, sondern spiegelt auch andere gesellschaftliche Ereignisse (z. B. den demographischen Effekt und den medizinisch-technischen Fortschritt) wider. 10 Vgl. BKK Bundesverband (2004a); Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung (2004a); Deutsche Angestellten Krankenkasse (2004a). 11 Zu nennen sind z. B. das Krankenversicherungs-Kostendämpfungsgesetz (KVGK), welches am 1. Juli 1977 in Kraft getreten ist, das am 1. Juli 1979 in Kraft getretene Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz (KVEG), das am 1. Januar 1989 in Kraft getretene GRG, das GSG, welches am 1. Januar 1993 in Kraft getreten ist, und das am 1. Januar 2003 in Kraft getretene Beitragssatzsicherungsgesetz. Auch das GMG setzt die Tradition der Kostendämpfungspolitik z. B. mit der Einführung der Praxisgebühr fort.
72
1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
und werden – so die Prognosen – auch in den nächsten Jahren weiter ansteigen.12 Abschließend ist festzuhalten, dass die Fehlallokationen und die dadurch entstehenden Ineffizienzen in der Versorgung, die geringe Innovationsdynamik auf dem GKV-Versorgungsmarkt und der Druck auf den Beitragssatz die Einführung dezentraler Wettbewerbsprozesse dort, wo keine Marktversagensaspekte vorliegen, dringend notwendig erscheinen lässt.13
2. Worin soll mehr Markt und Wettbewerb bestehen? Um die diagnostizierten Fehlallokationen und die damit verbundenen Effizienz- und Effektivitätsmängel in der Versorgung zu beseitigen, wird in der gesundheitspolitischen Diskussion zunehmend die Integration dezentraler Wettbewerbsprozesse gefordert, denn ein Blick auf den GKV-Versorgungsmarkt zeigt, dass insbesondere die planwirtschaftliche Steuerung im stationären Sektor sowie der Zwang zu Kollektivverhandlungen im ambulanten Sektor innovative und präferenzgerechte Versorgungslösungen hemmen.14 Die Forderung nach mehr Markt und Wettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt in Form von dezentralen Wettbewerbsprozessen bedeutet konkret, dass den Krankenkassen auf der einen Seite und den Leistungserbringern auf der anderen Seite mehr Freiheit für den Abschluss von Versorgungsverträgen eingeräumt werden soll und dass infolgedessen das gegenwärtig fast ausschließlich kollektivvertraglich organisierte Vertragssystem durch die Einführung einer selektivvertraglichen Regelungen zu ergänzen bzw. zu ersetzen ist.15 Dabei ist der Wettbewerb nicht nur auf den reinen Abschluss von Versorgungsverträgen zu begrenzen, sondern es ist vielmehr wünschenswert, dass ein Wettbewerb um effiziente und präferenzgerechte Versorgungsformen entfacht wird. Anzunehmen ist allerdings, dass bei Einführung von Vertragswettbewerb dieser automatisch ___________ 12 Der Korridor für den prognostizierten Beitragssatz im Jahre 2050 liegt zwischen 16,5 % und 39,5 %. Eine Übersicht über verschiedene Modellrechnungen findet sich bei Postler (2003), S. 21 ff. 13 Vgl. zu den Ursachen von Marktversagen und den wirtschaftspolitischen Handlungsalternativen Fritsch/Wein/Ewers (2005), S. 87 ff. 14 Vgl. IGES/Cassel/Wasem (2001), S. 50 f.; Cassel (2002), S. 3 ff.; Ebsen/Greß/ Jacobs et al. (2003), S. 16; Greß/Kocher/Wasem (2004), S. 58 ff.; Jacobs/Schulze (2004b), S. 2 ff.; Straub/Pütz (2004), S. 11; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005a), S. 12; Cassel (2006), S. 62 ff.; Cassel/ Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 11 ff.; Cassel/Jacobs (2006), S. 283 ff.; Greß/Wasem (2006), S. 290 f.; Klusen (2006), S. 296 ff.; Sundmacher (2006), S. 23 ff. 15 Vgl. zu den Schwierigkeiten einer Systemtransformation Sundmacher (2004), S. 124 ff.; Sundmacher/Sundmacher (2004), S. 146 ff.; Sundmacher (2005), S. 20 ff.; Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 28 ff.
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
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einen Wettbewerb um Versorgungsformen auslöst, denn eine Krankenkasse wird daran interessiert sein, ihren Versicherten ein effizientes und präferenzgerechtes Versorgungsangebot anzubieten. Die alleinige Ausrichtung des Wettbewerbs auf den Abschluss von Verträgen mit einzelnen Leistungserbringern, die genauso wie im derzeitigen Kollektivsystem mehr oder weniger unabhängig voneinander Leistungen erstellen, erscheint vor dem Hintergrund einer effizienten Versorgung von Patienten sowie einer präferenzgerechten Gestaltung des Versorgungsangebotes nicht zweckmäßig. Somit ist die Etablierung eines Wettbewerbes um Versorgungsformen wünschenswert, der auf einem Wettbewerb um Versorgungsverträge aufsetzt. Grundsätzlich impliziert selektives Kontrahieren auf dem GKVVersorgungsmarkt auf der einen Seite, dass Leistungserbringer nicht alleine aufgrund ihrer Zulassung für die Versorgung von Versicherten einer bestimmten Kasse autorisiert sind, sondern dass sie erst durch den Abschluss eines Versorgungsvertrages mit einer Kasse einen Versorgungsauftrag für die Versicherten dieser Krankenkasse erhalten.16 Für die Autorisierung eines Leistungserbringers einen selektiven Versorgungsvertrag mit einer Kasse abzuschließen ist es dabei nicht unbedingt notwendig, dass er tatsächlich eine Kassenzulassung besitzt. Ausreichend wäre bereits, dass er aufgrund seiner Qualifikation eine Kassenzulassung bekommen könnte. Folglich könnten sich Krankenkassen die Leistungserbringer, die für die Versorgung ihrer Versicherten zuständig sein sollen, frei auswählen. Auf der anderen Seite sind die Versorger nicht gezwungen, mit jeder Krankenkasse einen Versorgungsvertrag abzuschließen, sondern könnten sich ebenfalls ihren Vertragspartner auf der Kassenseite frei auswählen. Gegenwärtig haben Krankenkassen bereits einige Möglichkeiten selektiv Verträge abzuschließen.17 Zu denken ist beispielsweise an die Modellvorhaben nach den §§ 63-65 SGB V, an Verträge zur hausarztzentrierten Versorgung (§ 73b SGB V), an Verträge zur besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung (§ 73c SGB V), an Verträge zu strukturierten Behandlungsprogrammen (§ 137f SGB V) sowie an Verträge zur integrierten Versorgung (§ 140a-d SGB V). Allerdings ist die Bedeutung von selektivvertraglichen Regelungen derzeitig im Vergleich zur kollektivvertraglichen Regelung noch zu gering.18 Ein Grund für die Zurückhaltung der Kassen, selektive Versorgungsverträge abzuschließen, ist, dass die finanziellen Anreize für den Abschluss solcher Ver___________ 16
Vgl. Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 36. Vgl. hierzu und zum Folgenden die Darstellungen bei Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 43 ff. 18 Vgl. Sundmacher (2005), S. 20; Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 9. 17
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
träge nicht ausreichend sind.19 Momentan ist beispielsweise nicht auszuschließen – vielmehr ist es die Regel –, dass die Kassen die selektivvertraglich vereinbarten Leistungen zusätzlich zu der Kollektivvergütung zahlen müssen. Der Abschluss von Einzelverträgen stellt somit i. d. R. eine finanzielle Zusatzbelastung für die Krankenkassen dar, wobei die Vergütung der selektivvertraglich vereinbarten Leistungen oftmals eine reine „Add-on-Vergütung“ ist. Eine Ausnahme bilden z. B. die Verträge zur integrierten Versorgung und ansatzweise die Verträge zur besonderen ambulanten Versorgung. Bei der integrierten Versorgung hat der Gesetzgeber im § 140d SGB V festgelegt, dass die Krankenkassen über den Zeitraum von fünf Jahren (2004 bis 2008) 1 % der an die Kassenärztliche Vereinigung zu entrichtenden Gesamtvergütung sowie 1 % von den Rechnungen der Krankenhäuser für die voll- bzw. teilstationäre Versorgung einbehalten können, wenn die Mittel für die Umsetzung von integrierten Versorgungsverträgen erforderlich sind. Durch diese Anschubfinanzierung existiert damit zumindest ansatzweise ein finanzieller Anreiz für die Etablierung integrierter Versorgungsformen.20 Bei der besonderen ambulanten Versorgung sind die Vertragspartner der Gesamtverträge gemäß § 73c Absatz 6 SGB V verpflichtet, in den Jahren 2007 und 2008 die Gesamtvergütung entsprechend der Anzahl der an der besonderen ambulanten ärztlichen Versorgung teilnehmenden Versicherten zu bereinigen, sofern der einzelvertragliche Leistungsbedarf den nach § 296 Absatz 2 SGB V auf Grundlage des einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragärztliche Leistungen abgerechneten Leistungsbedarf vermindert. Ab dem Jahre 2009 ist eine Bereinigung des morbiditätsabhängigen Behandlungsbedarfes vorgesehen. Kritisch ist allerdings anzumerken, dass die von dem Gesetzgeber vorgesehene Verhandlungslösung zur Bereinigung des Gesamtbudgets suboptimal ist, da Konkurrenten von Kassen, die besondere ambulante ärztliche Versorgungsverträge abgeschlossen haben, damit unmittelbar Einfluss auf den Erfolg dieser Kassen nehmen können.21 Damit die vom Gesetzgeber eingerichteten Möglichkeiten des Abschlusses von Einzelverträgen für die Krankenkassen aus finanzieller Sicht attraktiver werden bzw. damit in Zukunft neu geschaffene Möglichkeiten des Abschlusses von selektiven Versorgungsverträgen in verstärktem Maße umgesetzt werden, ist eine verpflichtende Budgetbereinigungsvorgabe von essentieller Bedeutung, die nicht mehr von dem Einverständnis der Kollektivpartner abhängig ist.
___________ 19
Vgl. zu dieser Problematik Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 12 f. Ausführlich dazu äußern sich Cassel/Ebsen/Greß et al. (2006b), S. 10 f. und S. 60. 21 Vgl. hierzu Jacobs (2007), S. 338. 20
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
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3. Ergebnis von mehr Markt und Wettbewerb auf dem Versorgungsmarkt Durch das Einführen von selektivem Kontrahieren zwischen Krankenkassen und Versorgern würde sich die Tätigkeit eines Versorgers auf Einzelverträge mit Krankenkassen gründen und nicht mehr durch eine einmalige Kassenzulassung bzw. staatliche Planung konstituiert sein. Somit würde – neben dem Wettbewerb der Versorger um Patienten auf dem Behandlungsmarkt und dem Wettbewerb der Krankenkassen um Versicherte auf dem Versicherungsmarkt – eine zusätzliche Wettbewerbsebene auf dem Versorgungsmarkt eingeführt, auf der die Versorger um Versorgungsverträge bzw. die Krankenkassen um Versorger konkurrieren. Es ist zu erwarten, dass mit der Einführung von selektivem Kontrahieren die Innovationsdynamik in Bezug auf die Entwicklung von neuen Versorgungsformen im Vergleich zum Status quo gesteigert wird, denn im Gegensatz zu einer kollektivvertraglichen Regelung hätten die Kassen eine größere Handlungsfreiheit in Bezug auf die Gestaltung ihres Versorgungsangebotes und könnten somit die Rolle des Sachwalters gegenüber ihren Versicherten tatsächlich wahrnehmen und ein im Interesse der Versicherten medizinisch sinnvolles, wirtschaftlich günstiges und präferenzgerechtes Versorgungsangebot erstellen.22 Da nicht mehr alle zugelassenen und ermächtigten Ärzte automatisch für die Versorgung von Versicherten aller Krankenkassen autorisiert wären und nicht mehr zentral ein Krankenhausplan erstellt würde, führt – da die Krankenkassen eine bewusste Auswahl hinsichtlich der Versorger träfen – das selektive Kontrahieren somit zu einer Vielzahl von Versorgungsangeboten, die sich beispielsweise in der Anzahl und der Qualität der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser unterschieden. Infolgedessen stünden die Kassen auf dem Versicherungsmarkt in einem stärkeren Wettbewerb miteinander, weil sie – als Agenten ihrer Versicherten – im Spiel von Innovation und Imitation gezwungen wären, neue präferenzgerechte Versorgungsformen zu entwickeln und sich gegenüber ihren Prinzipalen zu profilieren, um weiterhin erfolgreich auf dem GKV-Versicherungsmarkt tätig zu sein.23 Für die Versicherungsnehmer bedeutet die Zunahme der Angebote jedoch auch eine Steigerung der Informations- und Transaktionskosten, weil sie mehr Versicherungsangebote vergleichen müssten. Eine einzelvertragliche Lösung ist des Weiteren mit einer Abnahme von Fehlallokationen verbunden, da die Kassen – als Agent eines Versicherungsnehmers – zum einen präferenzgerechte Versorgungsangebote anbieten müss___________ 22 Vgl. Cassel (2002), S. 15 ff.; Cassel/Jacobs (2006), S. 283 f. Vgl. hierzu und zum Folgenden außerdem Ebsen (2005), S. 61 f. 23 Vgl. Cassel (2004), S. 17; Jacobs/Schulze (2004b), S. 2; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005a), S. 12.
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
ten, weil der Prinzipal ihnen ansonsten den Versicherungsauftrag entziehen wird. Zum anderen werden sie bestrebt sein effizient zu handeln, denn es ist plausibel anzunehmen, dass bei der Wahl einer Krankenkasse Kostenaspekte mit in die Wahlentscheidung eines Versicherungsnehmers einfließen. Infolgedessen sind Produktivitätssteigerungen zu erzielen, die unter Umständen dazu beitragen könnten, das Ausgabenproblem der GKV zu reduzieren.24 Ein weiterer Aspekt einer verstärkten Wettbewerbsorientierung auf dem GKV-Versorgungsmarkt wäre die notwendige neue Organisation der Vergütung der ambulanten und stationären Versorgung und die damit zu erwartende leistungsbezogenere und qualitätsorientiertere Entlohnung der Versorger. Dies ergäbe sich dadurch, dass die Krankenkassen die Arbeit der Ärzte kontrollieren und diese anhand der gelieferten Qualität und Produktivität – und nicht mehr nur alleine nach der Quantität der erbrachten Leistungen – bezahlen würden. Bei der bewussten Auswahl von Versorgern ist es denkbar, dass die Krankenkassen – im Vergleich zum Status quo – gegenüber einem einzelnen Arzt eine größere Marktmacht hätten und diese bei Vertragsverhandlungen ausnutzen könnten. Aus dieser Perspektive kann mehr Wettbewerb auf dem Versorgungsmarkt auch zu einer, im Vergleich zum Status quo, weniger „gerechten“ Entlohnung von Leistungserbringern führen. Allerdings ist auch der umgekehrte Fall denkbar, in dem die Ärzte eine stärkere Marktmacht gegenüber den Krankenkassen haben. Dies ist insbesondere in Regionen denkbar, in dem die Ärztedichte sehr gering ist oder wo sich Ärzte zu Ärztenetzen zusammenschließen. Der Sicherstellungsauftrag wäre bei einer einzelvertraglichen Regelung neu zu ordnen, da die K(Z)Ven nicht mehr – wie im Status quo – für die Vertragsverhandlungen mit den gesetzlichen Krankenversicherungen zuständig wären und damit auch nicht mehr für die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung. Eine Möglichkeit wäre, den Sicherstellungsauftrag von den K(Z)Ven auf die Krankenkassen zu übertragen. Dies bedeutet, dass eine Krankenkasse gegebenenfalls mit einer bzw. mit mehreren anderen Krankenkassen kooperieren müsste, da die Transaktionskosten möglicherweise zu hoch sind, um als einzelne Kasse eine flächendeckende Versorgung für ihre Versicherten im gesamten Bundesgebiet sicher zu stellen. Je nachdem welche Versorger von einer Krankenkasse unter Vertrag genommen werden, mit wie vielen Versorgern kontrahiert wird und wie gut eine Kasse verhandelt, wird bei identischem Leistungsumfang der Beitragssatz zwischen den Krankenkassen differieren. Anzunehmen ist, dass beispielsweise mit zunehmender Anzahl der unter Vertrag genommenen Versorger sowie mit ei___________ 24 Vgl. zu den Chancen einer individualvertraglichen Lösung Knappe/SchulzNieswandt (2003), S. 46 ff.
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
77
ner, über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinausgehenden Qualität der Leistungserbringer (z. B. zusätzliche Zertifizierungen der Ärzte) der Beitragssatz steigt. Durch die Bereitschaft, einen höheren Beitragssatz zu zahlen, könnten sich die Versicherten beispielsweise eine höhere Arztwahlfreiheit, eine höhere Qualität der Versorger und ein breiteres Versorgungsangebot erkaufen. Die Höhe der Zahlungsbereitschaft spiegelt in diesem Fall die Präferenz für eine höhere Arztwahlfreiheit, eine höhere Qualität der Versorger und ein breiteres Versorgungsangebot wider. Fraglich ist, nach welchen Kriterien Personen, die nicht selber den Beitrag zur Krankenversicherung zahlen (z. B. Empfänger von Arbeitslosengeld II), zwischen den Kassen und den diversen Versorgungsangeboten auswählen „dürfen“. Hier böte sich an – ähnlich wie bei dem Leistungskatalog – einen „Pflichtversorgungskatalog“ (z. B. mit festgelegter Anzahl von Ärzten in einem definierten Umkreis) zu erstellen, der diesem Personenkreis angeboten werden muss. Wird von einer Person ein umfangreicheres Versorgungsangebot gewünscht, dann muss sie die eventuell entstehenden Zusatzkosten für die Krankenversicherung selbst tragen. Auch der RSA ist an die neuen Gegebenheiten anzupassen und es ist sicherzustellen, dass das divergierende Versorgungsangebot den finanziellen Ausgleich zwischen den Kassen nicht beeinflusst. Zu klären ist ebenfalls die Frage, ob eine Krankenkasse mehrere Versorgungsangebote für unterschiedliche Versichertensegmente anbieten oder ob sie lediglich ein einheitliches Versorgungsangebot für alle ihre Versicherten anbieten darf. Anzumerken ist, dass eine verstärkte Wettbewerbsorientierung auf dem GKV-Versorgungsmarkt nicht nur Konsequenzen für den Versicherungsmarkt, sondern ebenfalls für den Behandlungsmarkt hat.25 Sobald sich eine Person für ein Angebot entschieden hat, wird seine – im Status quo weitestgehend vorhandene – freie Arztwahl eingeschränkt, da eine gesetzliche Krankenversicherung mit größter Wahrscheinlichkeit nicht mit allen Versorgern einen Versorgungsvertrag abschließen wird. Die Intensität des Wettbewerbs um Patienten auf dem Behandlungsmarkt würde demzufolge abnehmen. Ungeachtet dessen kann der Wettbewerb um Patienten zwischen Versorgern einer Kasse jedoch zunehmen. Den vielen positiven Stimmen für mehr Wettbewerb im Gesundheitswesen stehen allerdings auch kritische Stimmen gegenüber.26 Die Gründe sind zum einen ___________ 25 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005a), S. 13. 26 Vgl. hierzu und zum Folgenden Cassel (2002), S. 3 f.
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
–
der Konflikt zwischen Wettbewerb und Solidarität (Konfliktargument) und zum anderen
–
die Besonderheit des Krankenversicherungs- und Gesundheitsleistungsmarktes (Marktversagensargument).
Die Befürchtung der Gegner einer verstärkten Wettbewerbsorientierung beruht auf einer möglichen Entkräftung des Solidarprinzips. Dieser Argumentation kann entgegengehalten werden, dass bei Beibehaltung eines solidarisch finanzierten „Pflichtleistungskatalogs“ sowie eines Kontrahierungszwangs und eines Diskriminierungsverbots die Solidarität nicht ausgehebelt würde. Zudem müsste der (M-)RSA beibehalten werden, um die Attraktivität von Risikoselektion zu minimieren und den Wettbewerb der Kassen untereinander auf die Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung auszurichten.27 Ein verstärkter Wettbewerb auf dem Versorgungsmarkt ist somit durch einen geeigneten wettbewerblichen Rahmen zu flankieren. Abschließend ist zu konstatieren, dass durch die Integration von dezentralen Wettbewerbsparametern die geringe Innovationsdynamik auf dem Versorgungsmarkt gesteigert, die herrschenden Fehlallokationen auf dem Versorgungs- und Behandlungsmarkt sowie die damit verbundenen Effektivitäts- und Effizienzmängel verringert und dem Subsidiaritätsprinzip Rechnung getragen werden könnten. Ferner ist zu vermuten, dass die Kassen durch das Spiel von Innovation und Imitation stärker als im Status quo ihre erworbene Marktposition verteidigen müssten und der Wettbewerb im Gesundheitswesen somit zu einem effizienten „Entdeckungsverfahren“ für Problemlösungen und zum Aufspüren von ineffizienten und unzureichenden Versorgungsstrukturen wird, indem in einem evolutorischen Prozess eine „schöpferischen Zerstörung“ stattfindet und präferenzgerechte Versorgungsprodukte für Versicherte angeboten werden.28 Möglicherweise kann die Einführung einer einzelvertraglichen Regelung sogar dazu verhelfen, den Druck auf den Beitragssatz abzumildern, so dass ein weiterer Anstieg des Beitragssatzes verhindert oder gegebenenfalls sogar eine Reduktion des Beitragssatzes erreicht werden könnte.
___________ 27 Vgl. hierzu und zum Folgenden van de Ven/Ellis (2000), S. 764 ff.; Cassel (2006), S. 66 ff. 28 Vgl. von Hayek (1968), S. 3 ff.; Schumpeter (1993), S. 134 ff.; Cassel (2002), S. 4 ff.
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
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II. Ziele der Krankenkassen 1. Zu den Funktionen und der Kategorisierung von Unternehmenszielen Unternehmensziele werden üblicherweise als „normative Vorstellungen über einen zukünftigen Zustand der Unternehmung, der durch Handlungen hergestellt werden soll“, definiert.29 Für eine effiziente Führung eines Unternehmens sind Ziele eine wesentliche Voraussetzung. Ihre Bedeutsamkeit wird u. a. an der Vielzahl der ihnen zukommenden Funktionen deutlich.30 So erfüllen Ziele eine –
Selektionsfunktion,
–
Orientierungsfunktion,
–
Steuerungsfunktion,
–
Koordinationsfunktion,
–
Motivations- und Anreizfunktion,
–
Bewertungsfunktion sowie
–
Kontrollfunktion.
Ursprünglich ging man in der traditionellen Theorie der Unternehmung von dem Konzept der Einpersonenunternehmung aus, in der die Maximierung des Gewinns bzw. der Rentabilität das Oberziel eines rationalen Entscheiders war.31 Erst die Arbeit von Cyert und March im Jahre 1963 hat dazu beigetragen, den Zielbildungsprozess in einem Unternehmen differenzierter zu betrachten.32 Deren empirische Entscheidungsprozessforschung führte zu der Erkenntnis, dass die Bildung von Zielen in einem Unternehmen in Aushandlungsprozessen vollzogen wird. Auf den Aushandlungsprozess können sowohl Personen und Gruppen innerhalb des Unternehmens als auch Personen und Gruppen außerhalb des ___________ 29
Welge/Al-Laham (2001), S. 109. Vgl. auch Amshoff (1993), S. 151. Vgl. hierzu und zum Folgenden vor allem die Ausführungen von Amshoff (1993), S. 151 ff.; Welge/Al-Laham (2001), S. 109 f. Dass Ziele eine relevante Rolle in einem Führungsprozess haben, ist auch daran zu erkennen, dass es ohne die explizite oder implizite Zielvorgabe schwierig ist, die Relevanz von Informationen zu erkennen, Probleme wahrzunehmen sowie Entscheidungen zu treffen. Die Führung eines Unternehmens hängt somit in einem gravierenden Maße von der Existenz von Zielen und von der Zielqualität ab. Vgl. hierzu insbesondere Wild (1982), S. 52 f. Vgl. zu dem Nutzen von Zielen aus Mitarbeiter- und Führungssicht auch Neubarth (2000), S. 334. 31 Vgl. zum Folgenden auch Wöhe (1996), S. 124 ff.; vgl. zum Zielbildungsprozess vor allem Welge/Al-Laham (2001), S. 111 ff. 32 Vgl. Cyert/March (1963), S. 26 ff.; Wöhe (1996), S. 124 ff. 30
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Unternehmens mit unterschiedlicher Stärke Einfluss nehmen. Vor allem in multipersonalen und multioperativen Unternehmen sind Ziele häufig das Ergebnis eines Prozesses, in den die Wünsche und Vorstellungen vieler unterschiedlicher Stakeholder eingeflossen sind.33 Da insbesondere Krankenkassen eine Vielzahl von Stakeholdern haben (z. B. Versicherte, Patienten, Verbände, Leistungserbringer, Staat), ist deren Zielsystem sehr komplex und das Ergebnis von Aushandlungsprozessen, bei dem viele unterschiedliche Vorstellungen und Wünsche zu berücksichtigen sind. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur ist man dazu übergegangen, Ziele nach bestimmten Kriterien zu systematisieren.34 Eine dominante Stellung nimmt die Zielkategorisierung von Ulrich und Fluri ein, die die möglichen Unternehmensziele in sieben Basiskategorien gliedert.35 Die nachfolgende Abbildung zeigt den Katalog möglicher Unternehmensziele nach Ulrich und Fluri.
___________ 33
Vgl. zur Entstehung von Unternehmenszielen Schierenbeck (1998), S. 57 ff. Vgl. hierzu und zum Folgenden Wöhe (1996), S. 124 f.; Haenecke (2001a), S. 27 f.; Welge/Al-Laham (2001), S. 111 ff. 35 Vgl. Ulrich/Fluri (1995), S. 97 ff. Eine andere Differenzierung nimmt Wöhe vor. Er differenziert zwischen monetären und nicht-monetären Zielen. Monetäre Ziele stellen Ziele dar, die in Geldeinheiten gemessen werden können. Bei nicht-monetären Zielen kann zusätzlich zwischen ökonomischen und außerökonomischen Zielen unterschieden werden. Unter die ökonomischen Ziele fällt beispielsweise das Streben nach einer Markanteilsvergrößerung. Zu den außerökonomischen Zielen gehören beispielsweise ethische Ziele oder das Streben nach Anerkennung. Vgl. Wöhe (1996), S. 125. 34
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen Katalog möglicher Unternehmensziele 1.
Marktleistungsziele
– Produktqualität – Produktinnovation – Kundenservice – Sortiment
2. Marktstellungsziele
– Umsatz – Marktanteil – Marktgeltung – Neue Märkte
3.
– Gewinn – Umsatzrentabilität – Rentabilität des Gesamtkapitals – Rentabilität des Eigenkapitals
Rentabilitätsziele
4. Finanzwirtschaftliche Ziele
– Kreditwürdigkeit – Liquidität – Selbstfinanzierung – Kapitalstruktur
5. Macht- und Prestigeziele
– Unabhängigkeit – Image und Prestige – Politischer Einfluss – Gesellschaftlicher Einfluss
6.
– Einkommen und soziale Sicherheit – Arbeitszufriedenheit – Soziale Integration – Persönliche Entwicklung
Soziale Ziele in Bezug auf die Mitarbeiter
7. Gesellschaftsbezogene Ziele
– Umweltschutz und Vermeidung sozialer Kosten der unternehmerischen Tätigkeit – Nicht-kommerzielle Leistungen für externe Anspruchsgruppen der Unternehmung – Beiträge an die volkswirtschaftliche Infrastruktur – Sponsoring (finanzielle Förderung von Kultur, Wissenschaft und gesellschaftlicher Wohlfahrt)
Quelle: In Anlehnung an Ulrich/Fluri (1995), S. 97 ff.
Abbildung 14: Katalog möglicher Unternehmensziele
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Einige Autoren schlagen vor, den vorgestellten Zielkatalog für Non-ProfitUnternehmen sowie für öffentliche Betriebe um das Auftragsziel zu erweitern.36 Unter einem Auftragsziel werden dabei Ziele verstanden, die durch einen gesetzlichen oder einen öffentlichen Auftrag vorgegeben werden. Da insbesondere Krankenkassen einen gesetzlichen Auftrag haben, ist es sinnvoll, den Zielkatalog für gesetzliche Krankenversicherungen um das Auftragsziel zu erweitern.37 Der Katalog möglicher Unternehmensziele ist für Krankenkassen etwas zu modifizieren. Durch die momentan geringe Anzahl an kassenindividuellen Handlungsparametern zur Gestaltung des Versorgungsangebotes haben sie beispielsweise nur wenige Möglichkeiten, auf die „Produktqualität“ Einfluss zu nehmen. Ferner sind „Produktinnovationen“ und Veränderungen des angebotenen „Sortiments“ durch die Kassen nicht bzw. nur schwer möglich, da zum einen der Leistungskatalog durch das SGB V sowie den G-BA vorgegeben wird und zum anderen strenge gesetzliche Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung des Versorgungsangebotes existieren. Bei Vertragswettbewerb ist es allerdings denkbar, dass Ziele wie „Steigerung der Produktqualität“ in den Zielkatalog einer Kasse aufgenommen werden. Ein exzellenter Kundenservice könnte jedoch auch heute ein Marktleistungsziel sein. Marktstellungsziele von Krankenkassen könnten die Vergrößerung des Marktanteils bzw. die Steigerung der Marktgeltung sein. Die Gewinnung neuer Märkte ist für Kassen gegenwärtig jedoch nicht möglich. Beispiele für Rentabilitäts- und finanzwirtschaftliche Ziele von gesetzlichen Krankenversicherungen könnten beispielsweise ein niedriger Beitragssatz, hohe Einnahmen und geringe Ausgaben sein. Von den genannten Macht- und Prestigezielen ist die Unabhängigkeit für Kassen nur schwer erreichbar, da sie z. B. über den RSA und über den jeweiligen Kassenverband miteinander verbunden sind. Ein gutes Image sowie ein hoher politischer und gesellschaftlicher Einfluss können Krankenkassen durchaus zum Ziel haben. Auch die aufgeführten sozialen Ziele in Bezug auf die Mitarbeiter können uneingeschränkt von gesetzlichen Krankenversicherungen verfolgt werden. Schließlich können Krankenkassen ebenfalls gesellschaftsbezogene Ziele verfolgen. Allerdings müssen sie sich da – wie auch bei den anderen Zielarten – an den sozialrechtlich vorgegebenen Zielrahmen halten.
2. Sind Krankenkassen Unternehmen? Krankenkassen sind gemäß § 29 Absatz 2 SGB IV Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung – ein Status, der auch durch EuGH___________ 36 37
Vgl. Kaplan/Norton (1997), S. 173 ff.; Haenecke (2001a), S. 167. Der Auftrag für gesetzliche Krankenversicherungen ist im § 1 SGB V kodifiziert.
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
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Urteile bestätigt wurde.38 Als Körperschaft des öffentlichen Rechts verdanken sie ihre Existenz einem Hoheitsakt und nicht der Privatautonomie und unterscheiden sich somit in diverser Hinsicht von privatwirtschaftlichen Unternehmen. Gemäß § 29 Absatz 3 SGB IV erfüllen Krankenkassen ihre Aufgaben im Rahmen des für sie maßgebenden Gesetzes in eigener Verantwortung und sind nach § 30 SGB IV lediglich autorisiert, Geschäfte auszuführen, die zur Erfüllung ihrer gesetzlich vorgeschriebenen bzw. zugelassenen Aufgaben dienen. Dies impliziert, dass gesetzliche Krankenversicherungen in ihrem Handeln – im Unterschied zu privatrechtlich organisierten Unternehmen – stärker eingeschränkt sind. Auch die Höhe der zu erwirtschaftenden finanziellen Mittel und ihre Verwendung sind im SGB V kodifiziert. Gemäß § 220 Absatz 1 SGB V müssen Krankenkassen so wirtschaften, dass ihre Einnahmen den im Haushaltsplan vorgesehenen Ausgaben und der vorgeschriebenen Auffüllung der Rücklagen entsprechen. Werden Überschüsse erwirtschaftet, so ist nach § 220 Absatz 3 SGB V der Beitragssatz zu senken. Auch die Errichtung und Schließung einer Krankenkasse sowie die Fusion von Krankenkassen sind durch gesetzliche Vorgaben geregelt und können nicht von einer Krankenkasse autonom bestimmt werden.39 Im Vergleich dazu sind Unternehmen in ihrem strategischen und operativen Handeln freier.40 Darüber hinaus steht ihnen ein größeres Instrumentarium zur Erreichung der gesetzten unternehmerischen Ziele zur Verfügung, sie unterliegen in der Regel keinem Kontrahierungszwang und handeln selbstständig sowie in eigener Verantwortung. Trotzdem ist festzustellen, dass es durchaus Gemeinsamkeiten zwischen Krankenkassen und Unternehmen gibt, denn trotz der engen Bindung an das Sozialgesetz handeln auch Krankenkassen selbstständig durch die Selbstverwaltung in eigener Verantwortung und sie üben Geschäftstätigkeiten aus, die einen wirtschaftlichen Zweck beinhalten.41 Des Weiteren stehen sie mit anderen ___________ 38 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005b), S. 40. 39 Vgl. zur Errichtung und Schließung von Kassen §§ 143-171 SGB V. 40 Trotzdem unterliegen auch sie durch ihre Verankerung mit ihrem gesellschaftlichen Umfeld gewissen Zwängen und erfüllen Funktionen für verschiedene Stakeholder (z. B. Arbeitnehmer, Kunden, Kapitalgeber). Insbesondere große Unternehmen tangieren durch ihre umfangreichen Funktionen die Interessen der Gesellschaft, was sich auf den Zielbildungsprozess auswirkt. Vgl. hierzu das Grundmodell der Unternehmung als quasi-öffentliche Institution von Ulrich/Fluri (1995), S. 60 ff. 41 Eine ähnliche Meinung wird von dem Generalanwalt Jacobs vertreten, der Krankenkassen wegen der Ausübung von Geschäftstätigkeiten, die einen wirtschaftlichen Zweck beinhalten, als Unternehmen ansieht. Vgl. Ebsen (2004), S. 68 f.
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Krankenkassen im Wettbewerb um Versicherte, was unternehmerisches Denken und Handeln von den Kassen erfordert. Somit lässt sich abschließend konstatieren, dass Krankenkassen grundsätzlich von Unternehmen im betriebswirtschaftlichen Sinne zu unterscheiden sind. Trotzdem müssen sie, um im Wettbewerb bestehen zu können, in Analogie zu Unternehmen, im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten, unternehmerische Ziele bilden sowie effektiv und effizient handeln, um konkurrenzfähig zu sein.42
3. Der sozialrechtliche Zielrahmen Das deutsche Gesundheitssystem leidet an Ressourcenknappheit, die es notwendig macht, eine Priorisierung von Zielen vorzunehmen.43 Das Setzen von Prioritäten im Gesundheitssystem geschieht im Einklang mit der jeweiligen Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung.44 Aufgrund der Vielzahl der Akteure sowie der politischen- und gesellschaftlichen Interessen etc. ist die Schwerpunktbildung im Gesundheitswesen ein äußerst komplexer, konfliktreicher und langwieriger Prozess, der ethischen, rechtlichen, medizinischen, gesundheitsökonomischen und verteilungspolitischen Aspekten Rechnung tragen muss.45 Bei den kodifizierten gesundheitspolitischen Zielen wird auch von dem „magischen Dreieck“ der Versorgung der Versicherten, der Wirtschaftlichkeit der Versorgung und der angemessenen Vergütung der Leistungserbringer gesprochen.46 Insbesondere die Versorgung der Versicherten und die Wirtschaftlichkeit der Versorgung stehen in einem Spannungsverhältnis zueinander. Die wichtigste Rechtsgrundlage für gesetzliche Krankenversicherungen ist das SGB. Im § 1 Absatz 1 Satz 1 SGB I sind die beiden zentralen Ziele des Sozialgesetzes verankert. Sie besagen, dass die gesetzlichen Regelungen des Sozialgesetzbuches zum einen zur Verwirklichung der sozialen Sicherheit und zum anderen der sozialen Gerechtigkeit dienen sollen.47 Angestrebt wird durch das Ziel der sozialen Sicherheit eine gesellschaftliche Absicherung individueller ___________ 42 Vgl. Daubenbüchel (2001), S. 78 ff.; Greß/Wasem (2001), S. 19 ff.; Haenecke (2001b), S. 211 f.; Haenecke (2001c), S. 29 ff. 43 Vgl. zur Ressourcenknappheit als Ausgangspunkt zur Prioritätenbildung im Gesundheitswesen Wille (2001), S. 17. 44 Vgl. zur Sozialen Marktwirtschaft als Ordnungsrahmen Ott (2003), S. 491 f. 45 Vgl. Wille (2001), S. 23. 46 Vgl. zu dem „magischen Dreieck“ gesundheitspolitischer Ziele Cassel (2001), S. 34. 47 Vgl. Finkenbusch (1994), S. 48 ff. Zu den Zielen der Verteilungsgerechtigkeit und der Sozialen Gerechtigkeit vgl. die Ausführungen von Ott (2003), S. 496 ff.; Wendt (2003), S. 45 f.
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
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Risiken, so dass jeder Mensch die Sicherheit hat, auf einer verlässlichen ökonomischen Basis sein Leben in einer menschenwürdigen Art und Weise zu führen. Die soziale Gerechtigkeit lässt sich aufspalten in die Partizipationsgerechtigkeit, die eine Startchancen- sowie Prozesschancengerechtigkeit beinhaltet, und in die Verteilungsgerechtigkeit, die sich wiederum in die Leistungs- sowie Bedarfsgerechtigkeit aufspaltet. Das Ziel der sozialen Gerechtigkeit wird nicht allein auf unmittelbarem Wege – also durch direkte Leistungsgewährung –, sondern auch auf mittelbarem Wege angestrebt.48 Im vierten Buch des Sozialgesetzbuches sind die gemeinsamen Vorschriften für alle Sozialversicherungen kodifiziert. Dort wird unter anderem in den §§ 29 bis 42 die Verfassung der Träger der Sozialversicherung geregelt. Gesetzlich festgelegt ist dort, dass gesetzliche Krankenversicherungen rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung sind. Das gesetzliche Regelungswerk zur Gesetzlichen Krankenversicherung ist das SGB V; der Auftrag der Gesetzlichen Krankenversicherung ist in § 1 des fünften Sozialgesetzbuches niedergelegt. Dieser Paragraph besagt, dass Krankenversicherungen als Solidargemeinschaft die Aufgabe haben, „die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern“. Darüber hinaus sind sie gemäß § 4 Absatz 4 SGB V angehalten, bei der Durchführung dieser Aufgaben sparsam und wirtschaftlich zu verfahren und Beitragssatzstabilität zu gewährleisten.
4. Unternehmensziele von Krankenkassen a) Der Zielkatalog: ein Überblick Die in der Literatur meistgenannten Ziele von gesetzlichen Krankenversicherungen sind die Erhöhung der Mitglieder- bzw. der Versichertenzahl, das Verbessern der Risikostruktur und das Senken des Beitragssatzes.49 Im Frühjahr 2000 wurde von Haenecke eine empirische Überprüfung dieser Ziele durchgeführt. Hierzu wurden von ihm Vertreter von insgesamt 141 geöffneten Krankenkassen gebeten, ihre wichtigsten Unternehmensziele zu benennen.50 Insge___________ 48
Dies bedeutet, dass sozial schwache Personen durch soziale Umverteilung Leistungen erhalten, für die sie nur im Rahmen ihrer finanziellen Möglichkeiten aufkommen müssen. Zu denken ist an den Mitgliedsbeitrag für eine Krankenkasse, der sich nach der Höhe des individuellen Arbeits- bzw. Renteneinkommens richtet. 49 Vgl. Marburger/Marburger (1992), S. 26 ff.; Marburger/Marburger (1997), S. 173 ff.; Curtius (1999), S. 57 f.; Bott (2001), S. 68 f.; Haenecke (2001a), S. 168 ff.; Haenecke (2001b), S. 212; Haenecke (2001c), S. 29 ff. 50 Eine detaillierte Beschreibung der Analyse ist in Haenecke (2001a) ab S. 143 zu finden.
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
samt haben 61 gesetzliche Krankenversicherungen die Frage nach den Unternehmenszielen beantwortet. In Abbildung 15 ist die Anzahl der Nennungen über das wichtigste Ziel von Krankenkassen grafisch dargestellt. Dabei wird deutlich, dass die Sicherung des Kassenfortbestandes und die Erhöhung bzw. das Halten der Mitglieder- bzw. der Versichertenzahl im Vergleich zu den anderen genannten Zielen bei den meisten Krankenkassen oberste Priorität haben.51
Sicherung des Kassenfortbestandes Erhöhung bzw . Halten der Mitglieder- bzw . Versichertenzahl
Wichtigstes Ziel
Senken bzw . Halten des Beitragssatzes Erhöhung der Versicherten- bzw . der Mitgliederanzahl in einem Marktsegment Bew ahrung und Verbesserung des Gesundheitszustands der Versicherten Ef fiziente medizinische Versorgung der Versicherten
Verbesserung der Versichertenstruktur Qualitativ hochw ertige medizinische Versorgung der Versicherten Weiterentw icklung des Gesundheitssystems
0
5
10
15
20
25
30
Anzahl der Nennungen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Haenecke (2001a), S. 176
Abbildung 15: Wichtigste Ziele von Krankenkassen – eine Nennung pro Kasse
___________ 51
Die empirische Untersuchung von Haenecke ist dahingehend zu kritisieren, dass in dem vorgelegten Fragebogen für Probanden nicht spezifiziert wurde, was die „Sicherung des Kassenfortbestandes“ bedeutet. Da darunter zum einen die Vermeidung der Schließung der Krankenkasse durch eine Aufsichtsbehörde und zum anderen die Vermeidung einer Fusion mit einer anderen Krankenkasse verstanden werden kann, ist es möglich, dass die Qualität der Antworten aufgrund der nicht eindeutig formulierten Frage eingeschränkt ist. Die Auswertungen von Haenecke deuten jedoch darauf hin, dass er unter der Sicherung des Kassenfortbestandes die Vermeidung einer Schließung durch eine Aufsichtsbehörde versteht. Vgl. Haenecke (2001a), S. 179 f. und S. 393. Auch in dieser Arbeit werden die Antworten dahingehend interpretiert, obwohl die Schließung einer Krankenkasse im Vergleich zu Krankenkassenfusionen geringere empirische Relevanz hat. Vgl. zu den Zielen von Kassen auch Töpfer (2006), S. 1.
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
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Bei der Nennung der fünf wichtigsten Unternehmensziele trat die Erhöhung bzw. Erhaltung der Mitglieder- bzw. Versichertenzahl in den meisten Zielkatalogen auf. Danach rangierten die Ziele der Senkung bzw. Erhaltung des Beitragssatzes, der Sicherung des Kassenfortbestandes und der Erfüllung einer effizienten medizinischen Versorgung der Versicherten.
Erhöhung bzw. bzw . Halten Halten der Erhöhung der MitgliederMitglieder-bzw bzw.. Versichertenzahl Versichertenzahl Halten bzw Senken des Halten bzw.. Senken des Beitragssatzes Beitragssatzes Sicherung Sicherung des des Kassenfortbestandes Kassenfortbestandes Effiziente medizinische medizinische Versorgung Effiziente Versorgung der der Versicherten Versicherten
Wichtigste Wichtigste Ziele Ziele
Bew ahrung und und Verbesserung Bewahrung Verbesserung des des Gesundheitszustandes Gesundheitszustandes der der Versicherten Versicherten Qualitativ hochwertige hochw ertige medizinische medizinische Versorgung Qualitativ Versorgung der der Versicherten Versicherten Verbesserung Verbesserung der der Versichertenstruktur Versichertenstruktur Erhalten Erhaltenbzw bzw.. Schaffung Schaffung von von Arbeitsplätzen Arbeitsplätzen Reduktion der der Ausgaben Ausgaben pro Mitglied Mitglied bzw Reduktion bzw.. pro pro Versichertem Versichertem Bew ahrung bzw. bzw .Erreichen Erreichen einer einer homogenen homogenen Versichertenstruktur Bewahrung Versichertenstruktur Weiterentw icklung des Weiterentwicklung des Gesundheitssystems Gesundheitssystems Erhöhungder derVersichertenVersicherten-bzw. bzwder . der Mitgliederanzahlinineinem einemMarktsegment Marktsegment Erhöhung Mitgliederanzahl Erlangenvon vonMacht/Einfluss Macht/Einfluss auf dem dem Markt Erlangen Markt Erhöhung der Kundenzufriedenheit Kundenzufriedenheit Erhöhung Erhöhungder derEinnahmen Einnahmen pro Mitglied Mitglied bzw Erhöhung bzw.. pro pro Versichertem Versichertem
0
5
10
15
20
25
30
35
40
45
50
Anzahl der Nennungen
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Haenecke (2001a), S. 176
Abbildung 16: Wichtigste Ziele von Krankenkassen – fünf Nennungen pro Kasse
Wegen der zeitlichen Nähe der Befragung zu dieser Arbeit ist nicht davon auszugehen, dass sich die unternehmerischen Ziele der Krankenkassen inzwischen gravierend geändert haben. Durch das GMG und das GKV-WSG wurde zwar der wettbewerbliche Spielraum für gesetzliche Krankenversicherungen vergrößert, aber eine starke Veränderung bei den wichtigsten Zielen ist deshalb nicht anzunehmen.52 Bei selektivem Kontrahieren auf dem GKV-Versorgungsmarkt ist allerdings zu vermuten, dass sich die Ziele innerhalb der Zielhierarchie einer gesetzlichen Krankenversicherung verschieben werden. Ziele, die im Status quo einen hohen Stellenwert haben, werden gegebenenfalls zukünftig einen geringeren Stellenwert einnehmen. Ziele, die im Status quo eher untergeordnet sind, werden möglicherweise höher gewichtet. Dies ist insbesondere vor dem Hintergrund zu ___________ 52 Daher wird in dieser Arbeit auf die Ergebnisse der empirischen Analyse von Haenecke zurückgegriffen und keine erneute empirische Untersuchung zur Ermittlung der Unternehmensziele von Krankenkassen durchgeführt.
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
vermuten, weil die Krankenkassen bei Vertragswettbewerb durch den Abschluss von Einzelverträgen einen neuen und bedeutsamen Handlungsparameter zur Verfügung haben, den sie nutzen müssen, um sich von anderen Kassen zu differenzieren. Gleichwohl werden mutmaßlich die Ziele der Sicherung des Kassenfortbestandes und der Vergrößerung des Marktanteils auch in einem solchen Zukunftsszenario einen hohen Stellenwert einnehmen, denn die Sicherung des Kassenfortbestandes stellt die existenzielle Grundlage für jede Krankenkasse dar. Es kann daher – gerade bei verstärkter Wettbewerbsorientierung – davon ausgegangen werden, dass dieses Ziel weiterhin von großer Bedeutung sein wird. Die Vergrößerung des Marktanteils ist schließlich insbesondere für die Bewältigung eines ausdifferenzierten Versorgungsangebotes bei Vertragswettbewerb sowie für die Einnahme einer guten Verhandlungsposition gegenüber den Versorgern wichtig.
b) Sicherung des Kassenfortbestandes und Vergrößerung der Mitgliederzahl In der Arbeit von Haenecke zeigte sich, dass die Erhöhung bzw. Erhaltung der Mitgliederzahl das Ziel ist, welches am häufigsten in den Zielkatalogen der befragten Krankenkassen auftritt. Daneben nimmt die Sicherung des Kassenfortbestandes einen äußerst wichtigen Stellenwert im Zielkatalog vieler Kassen ein. Die Erhöhung bzw. Erhaltung der Mitgliederzahl ist dabei nicht unbedingt notwendig, um den Kassenfortbestand zu sichern. Nach den §§ 147, 157 SGB V darf eine Krankenkasse zwar nur errichtet werden, wenn in dem Betrieb, der eine Betriebskrankenkasse errichten will, mindestens 1.000 Versicherungspflichtige bzw. in den Handwerksbetrieben der Handwerksinnung, die eine Innungskrankenkasse errichten will, regelmäßig über 1.000 Versicherungspflichtige beschäftigt sind. Die Schließung einer Krankenkasse erfolgt nach den §§ 146a (Ortskrankenkassen), 153 (Betriebskrankenkassen), 163 (Innungskrankenkassen), 170 (Ersatzkassen) SGB V jedoch nur, wenn die Kasse nicht hätte errichtet werden dürfen, der Betrieb, der sie errichtet hat, geschlossen bzw. die Handwerksinnung, die sie errichtet hat, aufgelöst wird oder die Leistungsfähigkeit der Krankenkasse nicht auf Dauer gesichert ist. Da die Leistungsfähigkeit allerdings unter anderem von der Mitgliederanzahl abhängig ist, kann auch hier die Motivation für ein Halten oder Wachstum der Mitglieder- bzw. Versichertenzahl gesehen werden.53 ___________ 53
Grundsätzlich kann auch die Leistungsfähigkeit einer Krankenkasse mit einer großen Mitgliederanzahl gefährdet sein. Eine Krankenkasse mit einer geringen Mitgliederzahl ist jedoch anfälliger für Ausgabensteigerungen als eine größere Kasse. Zu denken ist z. B. daran, dass in einer kleinen Krankenkasse zufällig zu einem Zeitpunkt viele Versicherte schwer erkranken und diese Ausgaben weder durch den RSA noch durch
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
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Dieses Ziel ist aufgrund der demographischen Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland mit dem Ziel, den Marktanteil zu halten bzw. zu erhöhen, äquivalent.54 Gemäß allen Prognosen der 10. koordinierten Bevölkerungsvorausberechnung des Statistischen Bundesamtes wird die Bevölkerungszahl in der Bundesrepublik Deutschland langfristig schrumpfen. Wird davon ausgegangen, dass die PKV auch zukünftig bei Krankheitsvollversicherungen55 einen konstanten Marktanteil von ca. 10 % haben wird, so wird der in der GKV zu versichernde Personenkreis zurückgehen.56 Das Mitgliederziel wird auch vor dem Hintergrund theoretischer Überlegungen nachvollziehbar, denn größere relative Marktanteile bedeuten nach den Beziehungen der Erfahrungskurve bei Unternehmen sinkende Stückkosten.57 In Analogie dazu ist zu vermuten, dass auch bei Krankenkassen mit einer hohen Versichertenanzahl Erfahrungskurvenvorteile – beispielsweise durch die zunehmende Erfahrung bei der Betreuung der Versicherten – realisiert werden können. Darüber hinaus bedeutet ein größerer Marktanteil für ein Unternehmen die Möglichkeit, aktiver auf die Gestaltung des Umfeldes Einfluss nehmen zu können. Im Fall einer gesetzlichen Krankenversicherung könnte dies beispielsweise eine stärkere Einflussmöglichkeit auf die Arbeit des Kassenverbandes bedeuten oder eine intensivere Einbindung bei gesundheitspolitischen Entscheidungen sein. Die Möglichkeit, aktiv am gesundheitspolitischen Geschehen teilzunehmen, erscheint für gesetzliche Krankenversicherungen attraktiv, um beispielsweise eine größere Mitsprache bei der Umverteilung der begrenzten Ressourcen zu haben. Weiterhin ist anzunehmen, dass Manager einer gesetzlichen Krankenversicherung – ähnlich wie Bürokraten – an der Generierung von Macht und Prestige interessiert sind. Vor diesem Hintergrund ist die Erhöhung des Marktanteils ein Ziel, welches auch dem persönlichen Ziel eines Krankenkassenmanagers entspricht.58 ___________ Zahlungen aus dem Risikopool ausgeglichen werden. Diese Problematik wird auch im RSA-Gutachten von IGES/Cassel/Wasem diskutiert. Vgl. daher IGES/Cassel/Wasem (2001), S. 114. 54 Vgl. Haenecke (2001c), S. 29 f. 55 Nach der Definition des PKV-Verbands gilt jede Person als vollversichert, die neben den ambulanten Leistungen auch die allgemeinen Krankenhausleistungen versichert hat. Vgl. Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (2003), S. 11. 56 Vgl. Kruse/Hänlein (2003), S. 40; Verband der privaten Krankenversicherung e.V. (2003), S. 11. 57 Vgl. Ulrich/Fluri (1995), S. 119 ff.; Welge/Al-Laham (2001), S. 146 ff. 58 Vgl. hierzu die Theorie von Niskanen (1971). Niskanen geht in seiner Theorie davon aus, dass Bürokraten ein essentielles Interesse am Wachstum der Bürokratie haben, um beispielsweise Sachmittel, Planstellen und ihre politische Einflussnahme zu erhöhen. Vgl. insbesondere zum allgemeinen Modell Niskanen (1971), S. 36 ff., und zum Modell der Non-Profit-Organisationen S. 81 ff. Vgl. außerdem Bernholz/Breyer (1994), S. 146 ff.; Kirsch (1997), S. 316 ff.; Kieser (2002), S. 39 ff.
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
Insbesondere bei einer verstärkten Wettbewerbsorientierung auf dem GKVVersorgungsmarkt ist zu vermuten, dass das Ziel, den Marktanteil zu erhalten bzw. zu vergrößern, weiterhin einen hohen Stellenwert im Zielkatalog einer Krankenkasse einnehmen wird, denn es ist anzunehmen, dass Krankenkassen mit einer relativ hohen Versichertenzahl im gesundheitspolitischen Willensbildungsprozess ein stärkeres Gehör finden als solche mit einem kleineren Marktanteil. Darüber hinaus hat eine Kasse mit vielen Versicherten, bei Abschluss von Einzelverträgen, eine bessere Verhandlungsposition gegenüber den Versorgern als eine Krankenkasse mit einer geringen Versichertenzahl. Auch die persönlichen Ziele eines Kassenmanagers werden sich bei einer stärkeren Wettbewerbsorientierung auf dem GKV-Versorgungsmarkt vermutlich nicht ändern und erhärten die Annahme, dass das Ziel, den Marktanteil zu erhalten bzw. zu vergrößern, auch unter veränderten wettbewerblichen Rahmenbedingungen prioritär ist. Da sich ferner die wettbewerblichen Rahmenbedingungen bei der Einführung einer einzelvertraglichen Regelung ändern werden, ist anzunehmen, dass sich die „optimale“ Kassengröße im Vergleich zum Status quo verändern wird. Überzeugend erscheint die Annahme, dass es aufgrund der Transaktionskosten – die bei Vertragswettbewerb im Vergleich zu Kollektivverhandlungen für eine einzelne Kasse steigen werden – eine größere optimale Betriebsgröße geben und sich ein ausdifferenziertes Versorgungsangebot aus Kostengründen erst ab einer kritischen Versichertenanzahl verwirklichen lassen wird. Erreicht werden kann ein größerer Marktanteil auf der einen Seite durch die Akquisition neuer Mitglieder. Auf der anderen Seite können Krankenkassen durch Fusionen mit anderen Kassen ihren Marktanteil erhöhen.
c) Senkung bzw. Erhaltung des Beitragssatzes Ob das Ziel, den Beitragssatz zu senken bzw. zu erhalten, auch bei Vertragswettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt weiterhin so bedeutsam sein wird wie gegenwärtig, ist fraglich. Bei Einführung einer einzelvertraglichen Regelung haben Krankenkassen die Möglichkeit, sich auf der Leistungsseite von ihren Konkurrenten zu differenzieren. Da sie diese bislang nicht haben, spielt die Höhe des Beitragssatzes bei Wechsel- und Bleibeentscheidungen der Versicherten im Status quo eine außerordentlich wichtige Rolle und nimmt sicherlich gerade aufgrund dessen im Zielkatalog der Krankenkassen einen hohen Stellenwert ein.59 ___________ 59
Vgl. Zok (2003), S. 28 ff.
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
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Bei selektivem Kontrahieren auf dem GKV-Versorgungsmarkt müssen die Krankenkassen präferenzgerechte Versorgungsangebote für ihre Versicherten konzipieren. Eine hohe individuelle Zahlungsbereitschaft für bestimmte Versorgungsangebote kann dann bei den Versicherungsnehmern durchaus vorhanden sein. Je nachdem, auf welches Versichertensegment sich eine gesetzliche Krankenversicherung „spezialisieren“ will, kann das Ziel der Senkung bzw. Erhaltung des Beitragssatzes in den Hintergrund rücken. Hier wäre es sinnvoll, zunächst die Präferenzen des „Zielkundensegments“ zu ermitteln, um zu erfahren, welchen Anteil eine Produkteigenschaft am Gesamtnutzen einer Krankenversicherung hat, um dann im Anschluss anbieterseitig in der Lage zu sein, eine fundierte Marketingentscheidung dahingehend zu treffen, wie das optimale Angebot für dieses Versichertensegment zusammengestellt sein sollte.
III. Strategische Bedeutung der Kundenbindung für Krankenkassen Bei der Einführung von Vertragswettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt ist zu vermuten, dass sich die Kassenwechsel von Personen mit einem individuellen Kassenwahlrecht verstärken werden. Diese Annahme lässt sich unter anderem damit begründen, dass den Krankenkassen ein größerer Handlungsspielraum zur Verfügung steht, ein kassenindividuelles Versorgungsangebot zu konzipieren, und die Versicherten folglich mehrere unterschiedliche Versorgungsalternativen zur Auswahl haben. Aufgrund dessen wird sich, bei Veränderung der Präferenzen, für die Wahlberechtigten – im Vergleich zum Status quo, in dem nahezu alle Kassen ein einheitliches Versorgungsangebot haben – ein Kassenwechsel eher „lohnen“. Der Abschluss und die Pflege von Einzelverträgen zwischen Versorgern und Krankenkassen sowie das Angebot von speziellen Versorgungsangeboten sind für Kassen jedoch mit Informations- und Transaktionskosten verbunden. Ein differenziertes Versorgungsangebot wird sich für eine einzelne Kasse daher erst ab einer bestimmten Versichertenzahl lohnen. Folglich wird eine gesetzliche Krankenversicherung aus verwaltungstechnischen Gründen eine „optimale“ Betriebsgröße haben, die sich bei selektivem Kontrahieren erhöhen dürfte. In Anbetracht der prognostizierten schrumpfenden Bevölkerungszahl der Bundesrepublik Deutschland, der damit verbundenen Schrumpfung des Marktpotenzials für Krankenversicherungen, der erwarteten erhöhten Wechselaktivität der Mitglieder bei selektivem Kontrahieren und der bei Vertragswettbewerb eintretenden Vergrößerung der optimalen Betriebsgröße einer Kasse erfordert die Sicherung des Kassenfortbestandes ein „internes“ und externes Wachstum nach der absoluten Anzahl der Mitglieder bzw. Versicherten und somit nach dem Marktanteil. Das externe Wachstum kann dabei durch eine Fusion mit einer oder unter Umständen mit mehreren anderen Kassen erreicht werden. Dabei
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1. Teil: Wettbewerb und Kundenbindung im GKV-System
ist es für die Krankenkassen seit dem GKV-WSG auch möglich, mit Kassen einer anderen Kassenart zu fusionieren. Ferner trägt die Akquisition von neuen Mitgliedern zu einem externen Wachstum bei. „Internes Wachstum“ bzw. eine Stabilisierung der Mitglieder- bzw. Versichertenzahl ist durch die Bindung der bisherigen Versicherten zu erreichen. Dabei kann sich eine Krankenkasse unter Umständen alleine durch die Bindung von Versicherten einen Kernmarktanteil sichern bzw. in Zeiten einer schrumpfenden Bevölkerungszahl ihren Marktanteil sogar ausbauen, wenn sie von dem Schrumpfen unterproportional betroffen ist. Durch die erhöhte Referenz- und Empfehlungsbereitschaft von Stammkunden kann der Versichertenstamm einer Kasse zudem erweitert werden.60 Ferner kann die erhöhte Informationsbereitschaft von loyalen Kunden genutzt werden, um neue Versicherte zielgenau anzusprechen. Insbesondere in der Einführungsphase von Vertragswettbewerb und einer damit einhergehenden Umstrukturierung des Versorgungsangebotes einer Krankenkasse sind die Loyalität und die positive Einstellung eines Mitgliedes zu einer gesetzlichen Krankenversicherung von großer Wichtigkeit, denn sie enthalten einen Vertrauensbonus, der sich bis zu einem gewissen Grade als „fehlerverzeihend“ auswirken und eine sofortige Abwanderung bei Unzufriedenheit verhindern kann.61 Weiterhin erhöht sich durch die Bindung eines Mitgliedes an eine Kasse und der damit in der Regel verbundenen regelmäßigen Interaktion der Partner die gegenseitige Toleranz und verleiht der Beziehung Stabilität.62 Ferner sind gebundene Kunden zumeist auskunftsbereiter als ungebundene Kunden und können dadurch zur Verbesserung von bestehenden Angeboten und der Reduktion des Produktinnovationsrisikos beitragen. Eine enge Beziehung wirkt zudem zugleich als Markteintrittsbarriere für neue Krankenkassen, denn gebundene Kunden sind gegenüber den akquisitorischen Maßnahmen anderer Kassen bis zu einem gewissen Grad resistent.63 Um bei einer verschärften Wettbewerbssituation auf dem GKV-Versorgungsmarkt den Marktanteil auf dem GKV-Versicherungsmarkt zu halten bzw. zu vergrößern, stellt die Versichertenbindung infolgedessen eine unverzichtbare Funktion zum Kassenerhalt dar. Weiterhin wird in der Literatur vielfach diskutiert, dass die Pflege eines Kundenstammes erheblich geringere Kosten verursacht als die Akquisition neuer Kunden.64 Dieses resultiert aus der Tatsache, dass mit zunehmender Dau___________ 60
Vgl. Reichheld/Kenny (1990), S. 20; Meyer/Dornach (1995), S. 434. Vgl. hierzu Müller/Riesenbeck (1991), S. 69. 62 Vgl. Bendapudi/Berry (1997), S. 26 ff.; Peter (1999), S. 42 f. 63 Vgl. Buchanan/Gillies (1990), S. 525; Müller/Riesenbeck (1991), S. 68 f. 64 Vgl. Jackson (1985), S. 3; Buchanan/Gillies (1990), S. 524; Müller/Riesenbeck (1991), S. 69; Reichheld/Sasser (1991), S. 108 ff.; Reichheld (1996), S. 56; Venohr/ Zinke (2000), S. 155 ff.; Meffert (2003), S. 128. 61
B. Kundenbindung als Wettbewerbsstrategie von Krankenkassen
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er einer Beziehung die Transaktionskosten, die beispielsweise aus geringeren Verwaltungs- und Kontrollkosten resultieren, abnehmen. Zudem tragen geringere Streuverluste bei Marketingaktivitäten zu einer Reduktion der Kosten bei.65 Daher ist auch aus diesen Gründen die Bindung von Versicherten zur Erreichung des Ziels „Senkung bzw. Erhaltung des Beitragssatzes“ von äußerster Wichtigkeit. Die positiven Effekte der Kundenbindung sollten allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch negative Effekte existieren. So verursacht die systematische Bindung von Versicherten Kosten, die beispielsweise durch Gewährung von Boni oder in Form von Personalkosten (zur gezielten Schulung von Mitarbeitern zur Stammkundenbetreuung) auftreten. Zudem besteht – insbesondere bei Vertragswettbewerb – die Gefahr, dass eine Krankenkasse bei zu starker Fokussierung auf das Stammkundensegment an Flexibilität verliert, da ihre Versorgungsangebote zu stark auf dieses Versichertensegment ausgerichtet sind und daher das Absatzpotenzial nicht ausgeschöpft wird.66 Abschließend sei an dieser Stelle auch noch darauf hingewiesen, dass die Bindung von Versicherten bei Vertragswettbewerb eine besondere Herausforderung für Krankenkassen darstellt, denn die Leistungsqualität von Dritten (den Versorgern) bzw. die Bindungsintensität zwischen einem Versorger und einem Patienten wird einen nicht unerheblichen Einfluss auf die (wahrgenommene) Qualität eines Versorgungsangebotes einer Krankenkasse bzw. auf die Bindung eines Versicherten an eine Kasse haben. Die Versorger-Patienten-Beziehung und deren Auswirkung auf die Versichertenbindung sind somit von Krankenkassen bei Kundenbindungsmaßnahmen besonders zu berücksichtigen.
___________ 65
Vgl. hierzu und zum Folgenden Peter (1999), S. 46 f. und S. 50 ff. Vgl. zur Gefahr des Verlusts von Information und Flexibilität Dittrich (2000), S. 17 f. 66
Zweiter Teil
Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb Eine Teilperspektive innerhalb des Marketings, welche sich in den letzten Jahren rasant entwickelt hat, ist das Kundenbindungsmanagement.1 Die vermehrte Orientierung am Kunden ist u. a. durch eine zunehmende Wettbewerbsintensität in vielen Branchen – verbunden mit einer Stagnation zahlreicher Märkte – zu erklären.2 Darüber hinaus besteht eine erhöhte Wechselbereitschaft sowie ein erhöhter Informationsstand und Erfahrungsschatz der Kunden im Vergleich zu früheren Jahren.3 Veränderungen der äußeren Rahmenbedingungen und im Einkaufsverhalten der Kunden zwingen die Unternehmen, sich vermehrt um den Aufbau neuer Kundenbeziehungen zu kümmern und bestehende Beziehungen zu pflegen, um im Wettbewerb weiterhin erfolgreich zu sein. Insofern haben Schlagworte wie Customer Loyalty, Customer Retention, Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Kundenwert und Kundenmanagement nicht nur in der Wissenschaft eine starke Stellung, sondern sind auch in der Praxis äußerst bedeutsam.4 Auch bei den Krankenversicherungen rückt der Kunde immer näher in den Fokus der Betrachtung. So sprechen die BKK Continental und die Deutsche BKK auf ihrer Homepage von einer Partnerschaft zwischen der Krankenkasse und den Mitgliedern.5 Für die Barmenia Versicherung ist eine gefestigte Kundenbeziehung die Voraussetzung für Erfolg und Zukunftssicherung; daher soll die Geschäftsbeziehung auf Dauer und Beständigkeit angelegt werden.6 Im Geschäftsbericht des Jahres 2002 der AXA Konzern AG wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass sich das Neugeschäft positiv entwickelt. Ein Grund dafür wird in der strategischen Neuausrichtung zur strikten Kundenorientierung gesehen.7 ___________ 1
Vgl. Diller (1996), S. 81. Vgl. Meffert (1998), S. 356; Dittrich (2000), S. 12; Kunze (2000), S. 1; KroeberRiel (2003), S. 408. 3 Vgl. beispielsweise Joho (1996), S. 55; Dittrich (2000), S. 12. 4 Vgl. z. B. Homburg/Giering/Hentschel (1999a), S. 174 f.; Weinberg (1999), S. 41; Georgi (2000), S. 1; Kunze (2000), S. 1. 5 Vgl. BKK Continental (2003); Deutsche BKK (2003). 6 Vgl. Barmenia Versicherungen (2003). 7 Vgl. AXA Konzern AG (2002), S. 7. 2
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung I. Zum Begriff „Kundenbindung“ In der Literatur werden im Kontext der Kundenbindung die Begriffe Kundenorientierung, Kundenzufriedenheit, Kundenbindung, Kundenwert, Kundenmanagement, Kundenbindungsmanagement, Markentreue, Produkttreue u. Ä. an vielen Stellen kontrovers diskutiert.1 Erschwerend zu der begrifflichen Vielfalt kommt hinzu, dass sie sowohl in verschiedenen Publikationen als auch im allgemeinen Sprachgebrauch unterschiedlich verwendet werden. Aus diesem Grunde erscheint es sinnvoll und notwendig, an dieser Stelle eine Abgrenzung der für diese Arbeit wichtigen Begriffe –
Kunde,
–
Kundenbindung und
–
Kundenbindungsmanagement
vorzunehmen. Zunächst soll der Begriff Kunde näher beleuchtet werden. In der Literatur werden die Begriffe Kunde, Abnehmer, Käufer, (End-)Verbraucher, Konsument und Nachfrager an vielen Stellen als Synonym verwendet. In dieser Arbeit werden die drei Bezeichnungen Kunde, Abnehmer und Käufer synonym verwendet und umfassen den Personenkreis, mit denen eine Krankenkasse ein Versicherungsverhältnis hat. Die für andere Branchen gängige Definition, dass ein Kunde, Abnehmer bzw. Käufer jemand ist, mit dem mindestens einmal in der Vergangenheit eine Transaktion stattgefunden hat, ist hier nicht anwendbar, da dann auch die Personen zu den Kunden einer Kasse zählen würden, zu denen in der Vergangenheit ein Versicherungsverhältnis bestand, welches aber bereits gekündigt wurde.2 Die Begriffe Kunde, Abnehmer und Käufer grenzen sich von den Begriffen (End-)Verbraucher, Konsument und Nachfrager da___________ 1
Vgl. beispielsweise Peter (1999), S. 7 ff.; Dittrich (2000), S. 2 ff.; Tomczak/ Reinecke/Finsterwalder (2000), S. 402 ff.; Krafft (2002), S. 8 ff.; von Wangenheim/ Bayon/Weber (2002), S. 182 ff.; Huber/Herrmann/Braunstein (2004), S. 69 ff.; Lakner/ Pohl/Dahlhoff (2004), S. 149 ff.; Stahl/Hinterhuber/von den Eichen (2004),S. 245 ff.; Bruhn/Hadwich/Georgi (2005), S. 657 ff.; Bruhn/Michalski (2005), S. 253 ff.; Helm (2005), S. 128 ff.; Homburg/Becker/Hentschel (2005), S. 96 ff.; Homburg/Bruhn (2005), S. 8 ff.; Stauss (2005), S. 317 f.; Weinberg/Terlutter (2005), S. 46 f. 2 Vgl. exemplarisch Dittrich (2000), S. 7.
96
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
durch ab, dass in der Vergangenheit ein Versicherungsverhältnis abgeschlossen wurde, welches im Status quo noch Bestand hat.3 Wird in dieser Arbeit von einem Nachfrager, einem (End-)Verbraucher oder einem Konsumenten gesprochen, so bedeutet dies analog, dass kein Versicherungsvertrag zwischen den zwei Marktparteien besteht. Auch potenzielle Versicherte gehören somit dem Kreis der (End-)Verbraucher, Konsumenten und Nachfrager an. Da bei vielen Krankenversicherungsnehmern der Krankenversicherungsbeitrag nicht nur von dem Krankenversicherungsnehmer, sondern auch anteilig vom Arbeitgeber gezahlt wird, könnte auch der Arbeitgeber als Kunde angesehen werden. Weil er jedoch nicht die Krankenkasse auswählt, es ihm rechtlich untersagt ist, auf die Krankenkassenwahl seiner Mitarbeiter Einfluss zu nehmen und auch kein Versicherungsverhältnis zwischen ihm und der Kasse besteht, wird der Arbeitgeber in dieser Arbeit nicht als Kunde einer Krankenkasse angesehen und daher nicht unter den Kundenbegriff subsumiert. Für Personen, die bei einer gesetzlichen Krankenversicherung versichert sind, werden im allgemeinen Sprachgebrauch jedoch in der Regel nicht der Begriff Kunde, sondern die Begriffe Mitglied bzw. Versicherter verwendet. Der Begriff Mitglied bezieht sich dabei auf eine Person, die zum einen bei einer Krankenkasse versichert ist und zum anderen einen eigenen Krankenversicherungsbeitrag zahlt. Ein Mitglied einer Krankenkasse ist somit eine Person, welche sich bereits für eine spezielle Kasse entschieden und einen Krankenversicherungsvertrag abgeschlossen hat. Folgerichtig kann daher bei Krankenkassen die Bezeichnung Mitglied als Synonym für die Begriffe Kunde, Abnehmer und Käufer verwendet werden. Im Gegensatz dazu bezieht sich der Begriff Versicherte(r) auf eine Person, die bei einer gesetzlichen oder privaten Krankenversicherung versichert ist, die aber bei einer Krankenkasse nicht zwangsläufig einen eigenen Versicherungsbeitrag entrichtet (z. B. ein mitversicherter Familienangehöriger). Der Begriff des Mitgliedes ist bei diesem zugrunde gelegten Begriffsverständnis eine Teilmenge des Begriffs Versicherter. Da zwischen einem Versicherten und einer Krankenkasse ebenfalls ein Versicherungsverhältnis besteht, ist für die GKV auch der Begriff Versicherter als Synonym für die Bezeichnungen Kunde, Abnehmer und Käufer zu verwenden. Eine rechtliche Einflussnahmemöglichkeit auf den Krankenversicherungsvertrag hat jedoch nur ein Mitglied. Die Bezeichnung Kundenbindung wird – ähnlich wie der Kundenbegriff – in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur an vielen Stellen diskutiert und unterschiedlich verwendet.4 So versteht Peter unter Kundenbindung die „Realisie___________ 3
Vgl. Eurich (2001), S. 11 ff. Vgl. beispielsweise Diller (1996), S. 81 ff.; Homburg/Bruhn (1999), S. 8 f.; Peter (1999), S. 7 ff.; Dittrich (2000), S. 11 und S. 45; Krafft (2002), S. 22 f.; Lakner/ 4
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
97
rung oder Planung wiederholter Transaktionen zwischen einem Anbieter und einem Abnehmer innerhalb eines in Abhängigkeit von der Art der Transaktion bestimmten Zeitraums“.5 Nach Diller liegt Kundenbindung dann vor, „wenn innerhalb eines zweckmäßig definierten Zeitraums wiederholte Informations-, Güter- oder Finanztransaktionen zwischen zwei Geschäftspartnern stattgefunden haben (Ex-post-Betrachtung) bzw. geplant sind (Ex-ante-Betrachtung)“.6 Darüber hinaus sieht er Kundenbindung als etwas an, welches die Geschäftsbeziehung zwischen einem Anbieter und einem Kunden betrifft.7 Nach ihm stehen bei der Kundenbindung drei zentrale Elemente im Vordergrund, die in den Definitionen von verschiedenen anderen Autoren eine unterschiedliche Gewichtung erlangen.8 Je nach Ansatzpunkt wird in einigen Definitionen die Anbieterseite betont, während in anderen Definitionen die Geschäftsbeziehung oder die Kundenseite im Vordergrund stehen. Im ersten Fall steht der Versuch eines Anbieters, einen Kunden durch gezielte Marketingaktivitäten an sich zu binden, im Vordergrund.9 Im dritten Fall wird Kundenbindung als Bereitschaft eines Kunden verstanden, bei einem Anbieter Folgekäufe zu tätigen. Die Bereitschaft des Abnehmers zum Wiederkauf kann dabei erstens aus einer (positiven) Einstellung10 des Kunden zur Geschäftsbeziehung resultieren, zweitens kann sie aus einer Verpflichtung (z. B. einer rechtlichen Verpflichtung) erfolgen oder sich drittens durch situative Umstände ergeben.11 Kommt der Geschäftsbeziehung die größte Bedeutung bei der Begriffsbestimmung zu, kann bei der Definition zwischen der Häufigkeit, mit der ein Käufer mit einem Anbieter Kontakt ___________ Pohl/Dahlhoff (2004), S. 147 ff.; Tomczak/Dittrich/Reinecke (2004), S. 121 ff.; Homburg/Becker/Hentschel (2005), S. 96 ff.; Homburg/Bruhn (2005), S. 8 ff.; Meffert (2005), S. 149 f.; Weinberg/Terlutter (2005), S. 46 f. 5 Peter (1999), S. 8. 6 Diller (1996), S. 84. 7 Nach Diller sind Geschäftsbeziehungen „alle anbieterseitig von ökonomischen Zielen geleiteten, direkten, integrativen und auf mehrmalige Transaktionen ausgerichteten Interaktionsprozesse zwischen einem Güteranbieter und -nachfrager“, Diller (1996), S. 82. Plinke und Söllner verstehen unter einer Geschäftsbeziehung „eine Folge von Markttransaktionen zwischen einem Anbieter und einem Nachfrager, die nicht zufällig sind.“, Plinke/Söllner (1999), S. 57. Vgl. auch Diller/Müllner (1997), S. 4. 8 Vgl. Diller (1996), S. 82 ff.; Dittrich (2000), S. 40 ff.; Eggert (2000), S. 119 ff. 9 Vgl. Diller (1996), S. 82; Homburg/Giering/Hentschel (1999a), S. 178. 10 Der Begriff der Einstellung wird in der verhaltenswissenschaftlichen Theorie ausführlich diskutiert. Unter Einstellung wird dort die subjektiv wahrgenommene Eignung eines Gegenstandes zur Befriedigung einer Motivation (= grundlegende Antriebskräfte und kognitive Zielorientierung) verstanden, wobei unter einem Gegenstand jeder Denkgegenstand verstanden wird, also beispielsweise ein Produkt, eine Dienstleistung, eine Person oder eine Situation. Nach der Drei-Komponenten-Theorie umfassen Einstellungen affektive, kognitive und intentionale Komponenten. Einen ausführlichen Überblick über das Konstrukt Einstellungen bieten Kroeber-Riel (2003), S. 168 ff.; Trommsdorf (2004), S. 158 ff. 11 Vgl. hierzu und zum Folgenden Diller (1996), S. 82 ff.
98
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
aufnimmt oder einen Einkauf bei einem Anbieter tätigt (Transaktionshäufigkeit), und der Transaktionsatmosphäre12 differenziert werden. Da es in dieser Arbeit insbesondere darauf ankommt herauszuarbeiten, wie Krankenkassen ihre Versicherten binden können, kommt den Marketingaktivitäten einer Krankenversicherung eine besondere Bedeutung zu. Jedoch soll die Kundenseite – und damit die Bereitschaft eines Mitgliedes, die Mitgliedschaft bei einer Krankenversicherung fortzuführen – nicht vergessen werden. Aus diesem Grunde soll die hier verwendete Definition von Kundenbindung nicht zu eng gefasst werden und genug Freiraum bieten, um im Rahmen dieser Arbeit zu erforschen, –
welche konkreten Gründe es für ein Mitglied gibt, sich an eine bestimmte Krankenkasse zu binden, und
–
wie eine Bindung durch eine Kasse forciert werden kann.
Daher wird in dieser Arbeit für den Begriff Kundenbindung folgende recht weite Definition verwendet: Kundenbindung liegt dann vor, wenn zwischen einem Versicherungsnehmer und einer Krankenversicherung ein Krankenversicherungsverhältnis besteht und geplant ist, dieses in der Zukunft aufrechtzuerhalten. Diese Definition deckt somit die zeitliche Dimension in beide Richtungen (Zukunft und Vergangenheit) ab und umfasst sowohl bereits realisierte Transaktionen als auch Handlungsabsichten eines Versicherten. Die Bezeichnung Kundenbindung ist eng mit verschiedenen Loyalitäts- und Treuebegriffen verbunden.13 So kann ein Abnehmer einer bestimmten Marke (Markentreue)14 oder einer bestimmten Geschäftsstätte (Geschäftsstättentreue) treu sein. Grundsätzlich wird in der Literatur unter Loyalität jedoch ein reines Wiederkaufverhalten verstanden, wobei andere Komponenten, wie z. B. die Einstellung eines Käufers zu der Geschäftsbeziehung oder eine aktive Einflussnahme eines Anbieters auf diese, zumeist vollkommen außer Acht gelassen ___________ 12
Mit der Transaktionsatmosphäre ist der „Zustand“ einer Geschäftsbeziehung gemeint. Sie integriert psychologische Aspekte und erfasst sowohl die emotionale Seite der Geschäftsbeziehung als auch das Vertrauensverhältnis der Geschäftspartner zueinander. Vgl. hierzu Diller (1996), S. 83. 13 Die Begriffe Treue und Loyalität werden in dieser Arbeit synonym verwendet. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur wird der Loyalitätsbegriff nicht überall identisch verwendet. Mit der Abgrenzung des Loyalitätskonstruktes von dem Begriff der Kundenbindung beschäftigen sich u. a. Diller (1996), S. 88; Homburg/Giering/Hentschel (1999a), S. 178; Peter (1999), S. 9 f.; Dittrich (2000), S. 43 f.; Krafft (2002), S. 22 f. 14 Bei der Markenbindung oder auch Markentreue handelt es sich um die Treue eines Konsumenten zu einem bestimmten Produkt und nicht zu einem bestimmten Anbieter. Vgl. beispielsweise Oliver (1999), S. 34 f.; Peter (1999), S. 9.
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
99
werden.15 Infolgedessen ist Loyalität eher ein kundenseitiges Konstrukt und damit nicht so umfassend wie Kundenbindung, da die Geschäftsbeziehung selber und die aktive Einflussnahme eines Anbieters auf die Geschäftsbeziehung keine Beachtung finden. Mit dem Begriff der Kundenbindung ist der Begriff des Kundenbindungsmanagements eng verbunden. Unter diese Bezeichnung fallen alle Aktivitäten eines Anbieters, die der systematischen Konzeption, Planung, Implementierung und Kontrolle von Aktivitäten dienen, mit denen sich im Ergebnis die Bindung eines Kunden an einen Anbieter aufrecht erhalten bzw. erhöhen lässt.16 Kundenbindungsmanagement ist demnach eng mit den Kundenbindungsdefinitionen verbunden, die den Schwerpunkt auf die Anbieterseite legen. Neben dem Kundenbindungsmanagement findet man in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur auch den Begriff des Kundenmanagements. Darunter wird ein Management-Konzept verstanden, welches organisatorische, funktionale und verkaufsstrategische Aspekte hinsichtlich einer bestimmten Marktbearbeitung umfasst. Im Unterschied zum Kundenbindungsmanagement und zur Kundenbindung zielt das Kundenmanagement speziell auf die Selektion und Betreuung besonders wertvoller Kunden ab.17
II. Theorien zur Anbietertreue und zum Anbieterwechsel Die Gründe, warum sich Kunden an einen Anbieter binden oder ihn wechseln, sind vielfältig. In der Literatur existieren verschiedene theoretische Ansätze, die Bestimmungsfaktoren für Anbietertreue aufzeigen. Unterschieden wird dabei zwischen ökonomischen und verhaltenswissenschaftlichen Theorien, von denen einige – für diese Arbeit besonders bedeutende – im Folgenden vorgestellt werden.
___________ 15
Vgl. beispielsweise Dick/Basu (1994), S. 99 f.; Baldinger/Rubinson (1996), S. 22; Oliver (1999), S. 34. Kritisch zu dieser Art der Definition äußern sich Morris/Holman (1988), S. 117 f. 16 Vgl. Diller/Müllner (1997), S. 5; Homburg/Bruhn (1999), S. 8; Homburg/Giering/ Hentschel (1999a), S. 178; Dittrich (2000), S. 47. 17 Vgl. Diller (1995), S. 1264.
100
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
1. Ökonomische Theorien a) Zur mikroökonomischen Theorie von Hirschman Albert Hirschman beschreibt zwei unterschiedliche Wege, die Kunden beschreiten können, wenn sie mit der Qualität eines Produktes bzw. mit der Qualität einer Dienstleistung eines Anbieters nicht zufrieden sind. Zum einen haben sie die Möglichkeit, zur Konkurrenz abzuwandern (exit), zum anderen können sie dem Unternehmen ihre Unzufriedenheit mitteilen und Widerspruch einlegen (voice).18 Im Gegensatz zur Abwanderung versucht ein Kunde mit einer Beschwerde aktiv Einfluss auf eine Beziehung zu nehmen und diese so aufrechtzuerhalten. Die Entscheidung des Käufers, abzuwandern bzw. Widerspruch einzulegen, hat Einfluss auf die finanzielle Lage des Unternehmens. Dies kann – ergänzend zu dem Konzept von Hirschman – auch formal ausgedrückt werden, denn je unelastischer die Nachfrage auf Qualitätsverschlechterungen reagiert, desto geringer sind ceteris paribus (c. p.) die finanziellen Verluste eines Unternehmens bei einer Qualitätsreduktion. Analog gilt: Je elastischer die Nachfrage gegenüber Qualitätsverschlechterungen reagiert, desto höher sind c. p. die finanziellen Verluste für das Unternehmen.19 Über die Elastizität besteht folglich ein direkter Zusammenhang zwischen Qualität und finanziellen Folgen einer Qualitätsreduktion. Nimmt die Qualität ab, nimmt die nachgefragte Menge ab und damit sinkt der Erlös ( E p * q ).20
H
'q 'x : q x
'q x
'x q
In Abbildung 17 wird – in Anlehnung an das Preis-Mengen-Diagramm – die nachgefragte Menge als abhängige Variable auf der Abszisse und die Qualität auf der Ordinate abgetragen.
___________ 18
Vgl. hierzu und zum Folgenden Hirschman (1974), S. 3 f. und S. 25. Vgl. Hirschman (1974), S. 18 ff. 20 Der Erlös (E) ist der Preis (p) eines Gutes multipliziert mit der verkauften Menge des Gutes (q). Wenn die Qualität eines Gutes sinkt, dann sinkt gemäß Annahme die nachgefragte Menge des Gutes und folglich der Erlös. 19
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung Qualität x
101 Preis = konstant
Grafik I x1 x2
q2
Menge q
q1 Qualität x
Qualität x
Grafik III vollkommen unelastische Nachfrage
Grafik II vollkommen elastische Nachfrage
Menge q
Menge q
Quelle: In Anlehnung an Varian (1999), S. 257 ff.
Abbildung 17: Qualitätselastizität
Bei einer vollkommen elastischen Nachfrage (Grafik II in Abbildung 17) geht bei einer Qualitätsreduktion die nachgefragte Menge auf null Einheiten zurück und der Erlös sinkt damit auf null. Bei einer vollkommen unelastischen Nachfrage (Grafik III in Abbildung 17) reagiert die nachgefragte Menge nicht auf eine Qualitätsreduktion und der Erlös des Unternehmens wird nicht gemindert. Nach Hirschman ist es wünschenswert, dass die Unzufriedenheit der Abnehmer bis zu einem gewissen Grad ihren Ausdruck in Abwanderung findet. Er geht davon aus, dass die Abwanderung von Kunden einen heilsamen Effekt auf ein Unternehmen haben kann und einen Gesundungsprozess in Gang setzt, indem die Unternehmensleitung Maßnahmen ergreift, um die Qualitätsverschlechterung zu korrigieren.21 Insbesondere in Märkten, in denen sehr ähnliche Produkte angeboten werden und in denen für einen Käufer nur sehr geringe Wechselkosten entstehen, wird sich der Kunde höchstwahrscheinlich eher für eine Abwanderung als für einen Widerspruch entscheiden. Letztendlich ist die Art der Reaktion eines Abnehmers allerdings von verschiedenen situativen Faktoren abhängig. Die Wahr___________ 21
Findet jedoch eine zu starke Abwanderung der Kunden statt und wird das Unternehmen dadurch finanziell sehr stark geschwächt, dann kann nach Hirschman nicht mehr von einem heilsamen Prozess gesprochen werden. Vgl. Hirschman (1974), S. 18 ff. und S. 30.
102
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
scheinlichkeit, dass der Kunde Widerspruch einlegt, wird mit der von ihm erwarteten Wahrscheinlichkeit, dass das Unternehmen auf seine Beschwerde reagiert und dass seine Beschwerde ernst genommen wird, positiv korrelieren.22 Das Einlegen eines Widerspruchs ist demnach von den Erwartungen des Kunden, inwieweit er mit seiner Beschwerde eine für ihn positive Reaktion des Unternehmens erreicht, abhängig. Daneben existieren weitere situative Faktoren, die Auswirkung auf die Entscheidung des Kunden haben. Zu nennen sind Wechselbarrieren, die subjektive Bedeutung des Produktes für den Abnehmer, der Preis des Produktes, die Loyalität zum Unternehmen – durch die bis zu einem gewissen Grade der Widerspruch gefördert und die Abwanderung gehemmt wird –, die Attraktivität der Konkurrenzangebote, die Marktstruktur und die Bleibekosten.23 Da der Leistungskatalog im Status quo zu ca. 95 % bei allen Krankenkassen identisch ist, ist ein Wechsel aufgrund von Unzufriedenheit lediglich dann nachvollziehbar, wenn ein Mitglied unzufrieden mit der Höhe des Beitragssatzes, der Qualität der speziellen Versorgungs- bzw. Leistungsangebote oder mit der Servicequalität ist. Bei selektivem Kontrahieren und einem damit einhergehenden differenzierteren Versorgungsangebot der verschiedenen Krankenkassen ist jedoch anzunehmen, dass Mitglieder einen Wechsel aufgrund von Unzufriedenheit mit der Qualität des Versorgungsangebotes einer Kasse vornehmen werden. Für die Bindung von Versicherten müsste eine Krankenkasse daher Sorge tragen, dass sich ein Mitglied bei Unzufriedenheit zunächst beschwert und nicht direkt die Exit-Option wählt. Durch die Einführung eines Beschwerdemanagements könnte eine Kasse beispielsweise die Zufriedenheit fördern und einer Abwanderung vorbeugen.24
___________ 22
Vgl. Hirschman (1974), S. 29 f.; Peter (1999), S. 84. Vgl. Hirschman (1974), S. 67; Dittrich (2000), S. 30. In Märkten, in denen es nur eine geringe Anzahl von anderen Angeboten gibt, kann ein Abnehmer nur bedingt auf andere Produkte ausweichen. Hirschman weist in diesem Zusammenhang explizit auf die Situation in Entwicklungsländern hin, in denen Konsumenten aufgrund einer geringen Produktbreite und -tiefe häufig nur geringe Wahlmöglichkeiten zwischen verschiedenen Produkten haben. Vgl. Hirschman (1974), S. 29. Diese beschränkten Wahlmöglichkeiten sind jedoch nicht nur in Entwicklungsländern anzutreffen. Auch in Industrieländern existieren monopolistische bzw. oligopolistische Marktstrukturen, die Auswirkungen auf die Reaktionsmöglichkeiten eines Abnehmers haben. 24 Vgl. Stauss/Seidel (1996), S. 59 ff.; Stauss (2000b), S. 296 ff.; Günter (2001), S. 261 ff.; Wimmer/Roleff (2001), S. 317 ff. 23
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
103
b) Ansätze aus der Neuen Institutionenökonomik Die Neue Institutionenökonomik (NIO)25 ist eine Forschungsrichtung, die sich aus der neoklassischen Theorie entwickelt hat. Ein Grund für die Entstehung der NIO lag darin, dass der Anwendungsbereich der neoklassischen Theorie aufgrund der sehr restriktiven Annahmen über das Verhalten von Wirtschaftssubjekten und über Merkmale des Marktes beschränkt war. So geht die neoklassische Theorie von den Prämissen aus, dass –
die Präferenzen von Wirtschaftssubjekten exogen gegeben, stabil und konsistent sind,
–
Wirtschaftssubjekte rational handeln und ihren Nutzen maximieren,
–
Wirtschaftssubjekte über alle relevanten Marktdaten zu jeder Zeit vollständige Informationen besitzen,
–
eine atomistische Konkurrenz auf der Nachfrager- und Anbieterseite existiert,
–
ein homogenes Güterangebot besteht und
–
alle Anpassungsprozesse kostenlos sind.26
Diese sehr restriktiven Annahmen bilden die Realität nicht annähernd korrekt ab.27 Die Neutralität von Institutionen und die Nichtbeachtung von Transaktionskosten, unter denen die Kosten für die Nutzung des Marktes verstanden werden, begrenzen darüber hinaus den Anwendungsbereich der neoklassischen Theorie.28 Die Annahmen der NIO sind den skizzierten Annahmen der neoklassischen Theorie an vielen Stellen ähnlich, allerdings unterscheiden sie sich in einigen wichtigen Aspekten. Durch die Einführung von Transaktionskosten kann per se keine vollständige Information der Wirtschaftssubjekte mehr angenommen werden, da der Erwerb von Wissen mit Kosten verbunden ist. Dies führt dazu, dass Transaktionspartner unter Umständen nicht den gleichen Informationsstand haben und somit eine asymmetrische Verteilung von Informationen vorliegen kann. Dieses impliziert unter anderem, dass eine Marktpartei ihre wahren Präferenzen verbergen oder Daten verfälschen kann, um dies in opportunis___________ 25
Die Bezeichnungen Neue Institutionenökonomik, Neue Institutionenökonomie und Neue mikroökonomische Theorie werden in dieser Arbeit synonym benutzt. 26 Vgl. Adler (1996), S. 4; Schumann/Meyer/Ströbele (1999), S. 1 ff.; Voigt (2002), S. 26 ff. 27 Vgl. hierzu und zum Folgenden Richter/Furubotn (2003), S. 1 f. 28 Richter und Furubotn sehen in der Institutionenneutralität auf der einen Seite die Stärke und auf der anderen Seite die Schwäche der neoklassischen Theorie. Vgl. Richter/Furubotn (2003), S. 1 f.
104
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
tischer Weise auszunutzen. Darüber hinaus wird die Prämisse des rationalen Verhaltens von jüngeren Vertretern der NIO kritisiert und in einigen institutionenökonomischen Ansätzen durch die Annahme der unvollkommenen individuellen Rationalität29 ersetzt.30 Ziel der NIO ist einerseits, die Entwicklung von Institutionen und deren Auswirkung auf das menschliche Verhalten zu erklären, und andererseits Handlungsempfehlungen für die effiziente Gestaltung von Institutionen zu geben.31 Die Betrachtungen der NIO konzentrieren sich dabei auf Unsicherheitsprobleme bei der Wahl von Transaktionspartnern und der Durchführung von Transaktionen, auf die Existenz von Informationsasymmetrien und -kosten, auf die Ausgestaltung von Verträgen sowie auf opportunistisches Verhalten von Transaktionspartnern.32 Diese Art Analysen sind Gegenstand der Property-RightsTheorie, der Prinzipal-Agenten-Theorie, der Transaktionskostentheorie und der Informationsökonomik, die alle unter dem Dach der NIO zusammengefasst werden. Im Folgenden werden die Transaktionskostentheorie sowie die Informationsökonomik näher beleuchtet, wobei bei beiden Theorien Transaktionskosten eine zentrale Rolle spielen und es daher viele Überschneidungen gibt. Aus diesem Grund sollten die beiden Theorien nicht vollkommen losgelöst voneinander betrachtet werden, sondern eher als gegenseitige Ergänzung.
aa) Transaktionskostentheorie Ihren Ursprung hat die Transaktionskostentheorie bei Ronald Coase, der mit seinen Ideen den zentralen Beitrag zur Entwicklung der NIO lieferte.33 Aufbauend auf den Ideen von Coase, hat Oliver Williamson die Frage, warum bestimmte Transaktionen über Märkte und andere Transaktionen über Hierarchien ___________ 29
Werden die Präferenzen von Wirtschaftssubjekten als unvollständig und über die Zeit veränderbar angesehen, so sprechen Richter und Furubotn von einer unvollkommenen individuellen Rationalität. Vgl. Richter/Furubotn (2003), S. 4. Beschränkte Rationalität ist die Folge der limitierten Informationsaufnahme- und Informationsverarbeitungskapazität des menschlichen Gehirns. Daher kann der Mensch nur unter seinem jeweiligen Informationsstand rational handeln. Vgl. Williamson (1979), S. 234. Einen ausführlichen Überblick über das „rationale Entscheiden“ ist zu finden bei Eisenführ/Weber (2003). 30 Vgl. hierzu Voigt (2002), S. 29 f.; Richter/Furubotn (2003), S. 2 ff. 31 Vgl. Picot/Reichwald/Wigand (2001), S. 39; Richter/Furubotn (2003), S. 2 f. 32 Vgl. Adler (1996), S. 3 ff.; Richter/Furubotn (2003), S. 39 ff.; Welter (2004), S. 563. 33 Vgl. beispielsweise Picot/Dietl (1990), S. 178; Homburg/Bruhn (1999), S. 15; Voigt (2002), S. 30 f.; Richter/Furubotn (2003), S. 53 ff.
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
105
abgewickelt werden, in den Mittelpunkt seiner Forschungsüberlegungen gestellt.34 Die Grundüberlegung der Transaktionskostentheorie besteht darin, dass Transaktionen nicht kostenlos sind. Coase schreibt hierzu „In order to carry out a market transaction it is necessary to discover who it is that one wishes to deal with, to inform people that one wishes to deal and on what terms, to conduct negotiations leading up to a bargain, to draw up the contract, to undertake the inspection needed to make sure that the terms of the contract are being observed, and so on.“35 Für die Marktteilnehmer entstehen bei einem Leistungsaustausch demzufolge Kosten in Form von Anbahnungs- (Such- und Informationskosten), Abschluss- (Verhandlungs- und Entscheidungskosten) sowie Überwachungs-, Durchsetzungs- und Kontrollkosten.36 Die Transaktionskostentheorie ermöglicht Aussagen über die Bedingungen des Zustandekommens dauerhafter Geschäftsbeziehungen unter dem Gesichtspunkt transaktionskostenökonomischer Effizienz.37 Williamson unterscheidet drei verschiedene Dimensionen, nach denen Transaktionen unterteilt werden können und die die Höhe der Transaktionskosten maßgeblich bestimmen: 1.
das Ausmaß an erforderlichen spezifischen Investitionen,
2.
das Ausmaß an Unsicherheit38 und
3.
die Häufigkeit, mit der Transaktionen stattfinden sollen.39
In der Transaktionskostentheorie wird das Bestehen längerfristiger Geschäftsbeziehungen vor allem mit dem Vorliegen von spezifischen Investitionen auf der Anbieter- oder Abnehmerseite begründet. Spezifische Investitionen entstehen beispielsweise dann, wenn die Produktion eines Gutes speziell für ei___________ 34
Neben dieser zentralen Frage beschäftigt sich Williamson mit der Relevanz verschiedener Aspekte einer Transaktion, die für die Art des gewählten Vertragstyps ausschlaggebend sind. Vgl. hierzu Voigt (2002), S. 105. 35 Coase (1960), S. 15. 36 Vgl. Picot (1982), S. 270; Richter/Furubotn (2003), S. 58 ff. 37 Vgl. Peter (1999), S. 89 ff. 38 Informationsmängel werden in verschiedenen Quellen mit unterschiedlichen Begriffen belegt. In dieser Arbeit wird Unsicherheit nach Knight als ein Zustand interpretiert, in dem Akteure keinen Erwartungsnutzen berechnen können, weil sie nicht in der Lage sind, alle möglichen eintretenden Ereignisse mit den jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten vorherzusehen. Unter Risiko kann ein Akteur für eine endliche Zahl von Ereignissen Erwartungsnutzen kalkulieren. Vgl. Knight (1921), S. 19 ff. Vgl. auch Fritsch/Wein/Ewers (1993), S. 206; Adler (1996), S. 28 ff.; Schumann/Meyer/Ströbele (1999), S. 100 ff.; Teichert (2001), S. 33; Voigt (2002), S. 29; Berg/Cassel/Hartwig (2003), S. 203. 39 Vgl. Williamson (1990), S. 59 ff.; Adler (1996), S. 7 ff.; Voigt (2002), S. 105 ff.
106
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
nen Abnehmer stattfindet (Fokus auf den Einzelkunden).40 Der Verkauf eines solchen Gutes an einen anderen Konsumenten bringt dem Hersteller in der Regel einen geringeren Ertrag als der Verkauf an den Abnehmer, für den das Produkt ursprünglich hergestellt worden ist. Die Differenz zwischen der erst- und zweitbesten Verwendungsmöglichkeit wird auch als Quasirente bezeichnet.41 Dabei wird die Höhe der Quasirente maßgeblich durch den Spezifitätsgrad determiniert. Die Partei, die geringer spezifisch investiert hat, kann durch opportunistisches Verhalten versuchen, sich einen Teil der Quasirente anzueignen. Um ein opportunistisches Verhalten der Marktpartner auszuschließen, und damit die Durchführung von Tauschgeschäften in einer Marktwirtschaft sicherzustellen, ist ein institutioneller Rahmen unabdingbar. Dabei ist das Ausmaß der optimalen Menge von Institutionen von dem zu tauschenden Gegenstand abhängig. Spezifische Investitionen werden nicht zwangsläufig nur vor dem ersten Leistungsaustausch notwendig, sondern können auch im Laufe einer Geschäftsbeziehung auftreten. Beispielhaft sei auf das kontinuierliche Lernen – also die ständige Investition in Humankapital – hingewiesen. Im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung sind spezifische Investitionen mit dem Fokus auf den Einzelkunden aufgrund der derzeitigen gesetzlichen Situation – z. B. haben Krankenkassen keine Möglichkeit, spezielle individuell konzipierte Versorgungsverträge mit ihren Versicherten abzuschließen – noch nicht vorzufinden. Neben der Spezifität bestimmen die Höhe der Unsicherheit eines Transaktionspartners über Variablen, die innerhalb oder außerhalb der Austauschbeziehung liegen, und die Häufigkeit, mit der Transaktionen zwischen zwei Transaktionspartnern stattfinden, die Höhe der Transaktionskosten. Je länger eine Geschäftsbeziehung dauert, desto geringer werden für einen Abnehmer die Transaktionskosten, die z. B. aus Kontroll- und Überwachungskosten resultieren, da durch die in der Vergangenheit gewonnenen Erfahrungen gegebenenfalls auf Kontrollen verzichtet werden kann. Bei einem Wechsel zu einem anderen Anbieter fallen – neben den Wechselkosten (z. B. für die Kündigung) – folglich zudem Such-, Informations-, Anbahnungs- und Abschlusskosten sowie höhere Kontroll- und Überwachungskosten an. Um einen Kunden an einen Anbieter zu binden ist somit sicherzustellen, dass die Transaktionskosten – beispielsweise ___________ 40 Nach Williamson lassen sich spezifische Investitionen in vier Typen unterscheiden: Standortspezifität, Sachkapitalspezifität, Humankapitalspezifität und zweckgebundene Sachwerte. Picot und Dietl erweitern die von Williamson vorgenommene Einteilung noch um die Zeitspezifität. Vgl. zur näheren Erläuterung der genannten Spezifitäten beispielsweise Picot/Dietl (1990), S. 179; Williamson (1990), S. 62 und S. 108 f.; Kaas (1992), S. 16 f.; Backhaus (1999), S. 726 ff. 41 Vgl. Backhaus/Aufderheide/Späth (1994), S. 38; Backhaus (1999), S. 299. Es wird ebenfalls von einer Quasirente gesprochen, wenn dem Investor durch die Investition eine Minderauszahlung entsteht. Vgl. Kaas (1992), S. 18.
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
107
die Kontrollkosten – möglichst gering sind, denn geringe Transaktionskosten haben einen positiven Einfluss auf den Nettonutzen.42 Gegenwärtig ist anzunehmen, dass für Versicherte die Anbahnungs- und Abschlusskosten bei der Suche nach einer adäquaten Krankenversicherung – aufgrund des weitestgehend identischen Leistungskataloges der gesetzlichen Krankenversicherungen und der Tatsache, dass die Kassen i. d. R. gemeinsam und einheitlich kontrahieren – nicht sehr hoch sind. Kontrahieren die Krankenkassen jedoch selektiv mit den Versorgern, ist zu vermuten, dass die Transaktionskosten bei einem Kassenwechsel ansteigen werden, da sich die Kassen durch ein unterschiedliches Versorgungsangebot auszeichnen werden. Um einen Kassenwechsel auszulösen, muss der erwartete Nutzen eines neuen Krankenversicherungsvertrags infolgedessen entsprechend hoch sein, damit er die Transaktionskosten, die aus einem Kassenwechsel resultieren, (über-)kompensiert. Grundsätzlich kann die Höhe der nachfragerseitigen Transaktionskosten bei einem Kassenwechsel von einer Kasse zu einem gewissen Umfang mitbestimmt werden (z. B. durch die Bereitstellung eines adäquaten Informationsangebotes) und stellt somit eine weitere Möglichkeit dar, Versicherte an eine Kasse zu binden.
bb) Informationsökonomik Zwei grundlegende Annahmen der Informationsökonomik sind die vielen Transaktionen anhaftenden, immanenten Unsicherheiten und die zwischen den Marktparteien asymmetrisch verteilten Informationen über das Tauschobjekt.43 Differenziert werden kann dabei zwischen dem Verhalten der Wirtschaftssubjekte in Bezug auf die Unsicherheit. Zum einen können Akteure aktiv nach Informationen suchen und versuchen, die Wahrscheinlichkeitsverteilung über die zu erwartenden Umweltzustände zu optimieren, und zum anderen können sie nur passiv auf die Unsicherheit reagieren. Der Fall der aktiven Informationssuche ist Gegenstand der Informationsökonomik; der Fall der passiven Reaktion auf die Unsicherheit wird in der Ungewissheitsökonomie thematisiert.44 In der Informationsökonomik wird der Grad der Informiertheit der Individuen somit zu einer abhängigen Variablen, da die Informationsunvollkommenheit von einem Akteur nicht mehr – wie in der Ungewissheitsökonomie – über eine ___________ 42
Unter Nettonutzen ist die Differenz aus der positiven Nutzenkomponente und den Kosten zu verstehen. Vgl. Eggert (2001), S. 46 ff.; Fischer (2001), S. 11 f. 43 Vgl. Hopf (1983), S. 28; Adler (1996), S. 11 ff. 44 Die hier vorgenommene Abgrenzung zwischen Informations- und Ungewissheitsökonomie ist an Adler (1996) angelehnt. Vgl. jedoch auch Hirshleifer (1973), S. 31 f.; Hirshleifer/Riley (1979), S. 1377 f.; Hopf (1983), S. 18 ff.
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2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
im Zeitverlauf starre Wahrscheinlichkeitsverteilung von möglichen Umweltzuständen exogen vorgegeben ist, sondern durch aktive Informationsbeschaffung des Akteurs endogenisiert wird.45 Probleme, die auf asymmetrisch verteilte Informationen zwischen den beiden Marktparteien zurückzuführen sind die –
adverse Selektion (adverse selection)46 und das
–
moralische Risiko (moral hazard).47
Bei der adversen Selektion treten die Probleme, die durch eine ungleiche Informationsverteilung hervorgerufen werden, vor Vertragsabschluss und bei dem moralischen Risiko nach Abschluss des Vertrages auf. Das Problem der adversen Selektion kann auf dem Krankenversicherungsmarkt eintreten, wenn der Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages auf freiwilliger Basis beruht und die individuellen Krankheitsrisiken nicht exakt von den Krankenkassen beobachtbar sind. In solch einer Situation würde sich die Prämie für eine Person nach dem mittleren Krankheitsrisiko der Bevölkerung richten. Dies würde dazu führen, dass sich gute Risiken nicht versichern, da ihnen die Versicherungsprämie zu hoch ist. Folglich würde das durchschnittliche Risiko der Versicherten und dementsprechend die Prämien ansteigen. Im Extremfall wäre es sogar möglich, dass eine Krankenversicherung nur noch für hohe Risiken lohnenswert ist.48 Das moralische Risiko ist insbesondere in Versicherungsmärkten vorzufinden, da Versicherungen die finanziellen Folgen eines Schadens abdecken und ein Schadenseintritt stark von dem Verhalten eines Versicherungsnehmers abhängt. Verhält der Versicherungsnehmer sich nach Abschluss einer Versicherung deutlich risikoreicher als vor dem Versicherungsabschluss, so nimmt die Wahrscheinlichkeit eines Schadens zu. In diesem Fall wird von ex-ante moral hazard gesprochen. Ist ein Schaden bereits eingetreten und versucht der Versicherungsnehmer aufgrund seines Informationsvorsprungs, eine möglichst hohe Schadenszahlung von seiner Versicherung zu erhalten, so wird von ex-post moral hazard gesprochen. ___________ 45
Vgl. Adler (1996), S. 33 f. Die adverse Selektion wurde von Akerlof in seinem Artikel „The Market for Lemons“ ausführlich diskutiert. Vgl. Akerlof (1970), S. 488 ff. 47 Eine Analyse über die Auswirkungen von asymmetrisch verteilten Informationen auf das Marktgleichgewicht im Versicherungsmarkt betreiben u. a. Rothshild und Stiglitz. Vgl. Rothschild/Stiglitz (1976), S. 629 ff. 48 Vgl. Rothschild/Stiglitz (1976), S. 629 ff.; Wilson (1977), S. 167 ff. Vgl. auch Breyer/Zweifel/Kifmann (2003), S. 178 ff. und S. 198 ff. 46
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
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Ein Modell der Informationsökonomik, welches die Auswirkung von unvollständiger Information hinsichtlich der Qualität von Gütern untersucht, ist der Qualitätsunsicherheitsansatz von Nelson und Darby/Karni.49 Nelson und Darby/Karny gehen in ihren Ansätzen von einer Unsicherheit des Käufers in Bezug auf die Qualität eines Produktes aus.50 Im Allgemeinen ist es einfacher, die Preise als die Qualität unterschiedlicher Produkte zu vergleichen. Dies liegt zum einen daran, dass Informationen über Preise kostengünstiger zu beschaffen sind als Informationen über Produktqualitäten. Zum anderen ist Qualität an sich ein komplexes Konstrukt, was die Informationsbeschaffung und Informationsauswertung erschwert. Nelson identifiziert zwei Möglichkeiten, die Qualität von Produkten herauszufinden. Die erste Möglichkeit ist die aktive Suche nach Informationen über das Produkt, die zweite Möglichkeit ist die Erfahrung.51 Dieser Einteilung folgend, klassifiziert er Güter in Such- und Erfahrungsgüter. Bei Suchgütern kann die Qualität eines Gutes durch eine adäquate Suche vor dem Kauf herausgefunden werden. Dagegen kann bei Erfahrungsgütern die Qualität eines Gutes erst nach dem Kauf durch Erfahrungen festgestellt werden. Darby/Karny erweitern diese Einteilung noch um eine dritte Eigenschaft, der Vertrauenseigenschaft.52 Vertrauensgüter sind Güter, deren Qualität ein Konsument auch nach dem Kauf nicht zweifelsfrei beurteilen kann. Als Beispiel sei auf Arztleistungen hingewiesen. Selbst nach einer ärztlichen Leistung ist es für einen Patienten nicht oder nur schwer möglich, die Qualität einer Behandlung zu beurteilen. Ein Gut ist nicht immer eindeutig einer Kategorie zuzuordnen, sondern es kann gleichzeitig Such-, Erfahrungs- und Vertrauensguteigenschaften besitzen. Eine Maßnahme zur Korrektur von vorvertraglichen Informationsasymmetrien ist u. a. das signaling.53 Kirmani und Rao differenzieren zwischen zwei Arten von Signalen: den default independent signals und den default contingent signals. Bei den ersten fallen für einen Anbieter direkt bei der Abgabe der Signale Kosten an (z. B. Werbekosten, geringe Einführungspreise). Bei den default contingent signals fallen die Kosten für die Signale nur dann an, wenn das Produkt die Versprechungen eines Anbieters nicht hält (z. B. Einlösung von Garantien). Neben der Möglichkeit, Informationsasymmetrien durch signaling zu kor___________ 49 Vgl. Darby/Karni (1973), S. 67 ff. Für eine nähere Darstellung vgl. außerdem Adler (1996), S. 41 ff. 50 Einen Überblick über die Ansätze von Nelson und Darby/Karny bieten Weiber/Adler (1995), S. 101 ff.; Adler (1996), S. 41 ff. Vgl. ebenfalls Nelson (1970), S. 311 ff.; Darby/Karni (1973), S. 67 ff. 51 Vgl. hierzu Nelson (1970), S. 311 f. 52 Vgl. hierzu Darby/Karni (1973), S. 68 ff. Sie schreiben „We find that it is important to distinguish a third class of properties which we term ,credence‘ qualities.“ Darby/Karni (1973), S. 68. 53 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kirmani/Rao (2000), S. 66 ff.
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2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
rigieren, können Wirtschaftssubjekte durch ein screening von erhältlichen Informationen über Produkteigenschaften die asymmetrische Informationsverteilung korrigieren.54 Der Beitragssatz einer Krankenkasse ist ein gut vergleichbarer Parameter. Weil im Status quo alle Kassen weitestgehend einheitliche Verträge mit den Versorgern haben und das Leistungsangebot ebenfalls nahezu identisch ist, ist es momentan nicht unbedingt notwendig, dass sich ein Versicherter vor Vertragsabschluss detailliert über die medizinischen Vertragspartner bzw. über die Leistungsangebote einzelner Kassen informiert.55 Die Informationskosten bei der Suche nach der „richtigen“ Krankenkasse sind somit gegenwärtig eher als gering einzuschätzen. Bei Vertragswettbewerb nimmt jedoch – durch die verschiedenen Versorgungsangebote der Krankenkassen – zum einen die Komplexität des Produktes „gesetzliche Krankenversicherung“ zu und zum anderen ist plausibel anzunehmen, dass die Qualitätsunterschiede hinsichtlich der Versorgungsangebote der einzelnen Kassen zunehmen werden. Dies hat zur Folge, dass bei selektivem Abschluss von Versorgungsverträgen die Informationskosten, bei der Suche nach der „richtigen“ Krankenkasse, für Versicherte ansteigen werden, die asymmetrische Informationsverteilung zunehmen wird und ein Versicherungswechsel somit erschwert wird.56 Der erwartete Nutzen eines neuen Krankenversicherungsvertrages muss infolgedessen entsprechend hoch sein, damit er (auch) die Informationskosten, die aus einem Kassenwechsel resultieren, (über-)kompensiert. Da die Höhe der Informationskosten eines Mitgliedes bis zu einem gewissen Grade von einer Kasse beeinflussbar ist (z. B. durch die Bereitstellung von adäquaten Informationen), stellt sie eine Möglichkeit dar, Versicherte zu binden. Insofern führen die Informationsökonomik und die Transaktionskostentheorie zu sehr ähnlichen Ergebnissen.
2. Verhaltenswissenschaftliche Theorien Die verhaltenswissenschaftlichen Theorien zur Bindung von Kunden werden unterteilt in psychologische und sozialpsychologische Theorien.
___________ 54 Einen Überblick über Strategien zur Unsicherheitsreduktion aus informationsökonomischer Sicht bietet Adler (1996), S. 88 ff.; Adler (1998), S. 343 ff. 55 Qualitätsunterschiede können lediglich in Hinsicht des Serviceangebotes sowie der speziellen Leistungs- und Versorgungsangebote von Kassen existieren. Vgl. Kapitel A.IV. „Wettbewerbsparameter der Krankenkassen im Status quo“. 56 Für eine Darstellung der Leistungsmerkmale, die die Komplexität eines Produktes bestimmen vgl. Kebbel (2000), S. 31 ff. Vgl. zu Informationsasymmetrien in Austauschprozessen Adler (1996), S. 68 ff.
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
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a) Psychologische Bindungstheorien aa) Theorie des wahrgenommenen Risikos Die Theorie des wahrgenommenen Risikos besagt, dass ein Individuum die Höhe des Nutzens eines Produktes bzw. einer Dienstleistung nur mit seinem vor dem Kauf vorhandenen Wissensstand abschätzen kann. Da es für einen potenziellen Käufer (fast) unmöglich ist, vollständig über alle relevanten Produkteigenschaften informiert zu sein, besteht für ihn grundsätzlich ein gewisses Risiko, dass eine Abweichung zwischen den Erwartungen an den Erfolg des Produktes bzw. der Dienstleistung und dem tatsächlich eintretenden Erfolg des Produktes bzw. der Dienstleistung besteht.57 Das Risiko wird dabei durch die Höhe der möglichen Diskrepanz, dass die mit dem Kauf verbundenen Erwartungen nicht erfüllt werden, und der Bedeutung der möglichen Diskrepanz für den Käufer determiniert.58 Um das wahrgenommene Risiko und eventuell eintretende negative Kauffolgen zu minimieren, ist ein Nachfrager motiviert, Risikoreduktionsstrategien zu verfolgen.59 Diese können unterteilt werden in die Reduktion des Informationsdefizits hinsichtlich der Höhe des Nutzens eines Kaufs und in die Reduktion negativer Kauffolgen. Die Beschaffung von Informationen über kaufrelevante Eigenschaften ist ein Beispiel für die erste Art der Risikoreduktionsstrategie. Die Forderung von Garantien bzw. eines Rücktrittsrechtes oder eine Aufspaltung des Risikos durch selektives Einkaufen von Teilkomponenten bei verschiedenen Anbietern sind Beispiele für die zweite Art der Risikoreduktionsstrategie.60 Ein Kauf bei einem dem Käufer bisher unbekannten Anbieter bedeutet im Vergleich zu einem Kauf bei einem dem Käufer bekannten Anbieter ein höheres Risiko, da der Käufer nicht auf Erfahrungswerte zurückgreifen kann.61 Dies impliziert, dass bei einem Anbieterwechsel das wahrgenommene Risiko höher ___________ 57 Die fünf Hauptformen des Risikos bei einem Produktkauf sind das funktionale Risiko, das finanzielle Risiko, das physische Risiko, das soziale Risiko und das psychologische Risiko. Vgl. Fill (2001), S. 117 ff. 58 Vgl. Cunningham (1967), S. 82 ff.; Kupsch/Hufschmied (1979), S. 235 ff.; Hilger (1981), S. 158 ff. Der Begriff „Risiko“ wird somit in den verhaltenswissenschaftlichen Theorien etwas anders definiert als in den ökonomischen Theorien. 59 Vgl. zur Theorie des Kaufrisikos auch Kuhlmann (1987), S. 522 ff.; Blackwell/ Miniard/Engel (2001), S. 107 f.; Homburg/Becker/Hentschel (2005), S. 103 f. 60 Vgl. Kuhlmann (1987), S. 529 ff.; Dittrich (2000), S. 22; Kroeber-Riel (2003), S. 247 ff. 61 Vgl. Kuhlmann (1987), S. 530. Auch Rust et al. haben sich damit auseinandergesetzt, wie die Reduktion von Risiko zu einer Stärkung von Präferenzen führt. Vgl. hierzu Rust/Inman/Jia et al. (1999), S. 88 ff.
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2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
ist als bei einem Wiederholungskauf bei demselben Anbieter.62 Daraus folgt, dass eine risikoaverse Person seltener den Anbieter wechselt, also dem ihr vertrauten Anbieter treu bleibt. Da zum einen durch das gemeinsame und einheitliche Kontrahieren der Kassen nahezu alle Krankenkassen die gleichen Vertragspartner im Versorgungsbereich haben und zum anderen durch den im Status quo vorgegebenen Leistungskatalog die Leistungsgewährung bei allen Krankenkassen nahezu identisch ist, ist das wahrgenommene Risiko für einen Versicherten bei dem Abschluss eines gesetzlichen Krankenversicherungsvertrages bei einer bestimmten Krankenkasse gegenwärtig eher als gering einzuschätzen. Lediglich bei den Zusatzleistungen und bei der Kulanz von Zuzahlungen zu bestimmten Leistungen können sich die Kassen unterscheiden, wodurch bei den Versicherten ein wahrgenommenes „Kaufrisiko“ entstehen kann. Wenn die Krankenkassen Einzelverträge mit den Versorgern abschließen, kann dagegen nicht nur ein wahrgenommenes Risiko hinsichtlich der Gewährung von zusätzlichen Leistungen bestehen, sondern – da Versicherte dann lediglich einen unbeschränkten Zugang zu den Versorgern haben, mit denen ihre Kasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat – auch hinsichtlich der Qualität der Versorger. Grundsätzlich ist es für Versicherte aus verschiedenen Gründen auch im Status quo nur schwer möglich, über die Qualität der Versorger vollständig informiert zu sein.63 Wenn Patienten jedoch beispielsweise mit der Qualität der Leistung eines Arztes oder mit der Praxissaustattung nicht zufrieden sind, können sie den Arzt wechseln und ohne größere Hindernisse jeden anderen niedergelassenen und zugelassenen Vertragsarzt aufsuchen. Da bei selektivem Kontrahieren nicht jede Kasse einen Versorgungsvertrag mit jedem Arzt abschließen wird, steht den Versicherten diese Option dann nicht mehr im gleichen Umfang zur Verfügung. Infolgedessen kann dann zum einen ein wahrgenommenes Risiko hinsichtlich der Gewährung von Zusatzleistungen und zum anderen hinsichtlich der Qualität der Versorger, mit denen die jeweilige Kasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, existieren. Das wahrgenommene Risiko bei einem Kassenwechsel dürfte sich in solch einer Situation – im Vergleich zum Status quo – für einen Versicherten, der einen Kassenwechsel anstrebt, erhöhen.
bb) „Maps of Bounded Rationality“ – die Arbeiten von Kahneman und Tversky Die Theorien der „Maps of Bounded Rationality“ basieren auf der Arbeit von Kahneman und Tversky. Sie haben versucht, einen „Plan der beschränkten Rationalität“ zu erstellen, indem sie die systematischen Fehler untersuchten, die ___________ 62 63
Vgl. Roselius (1971), S. 56 ff. Vgl. Kapitel A.III.1. „Der Behandlungsmarkt“.
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
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die „tatsächlichen“ Gedanken und Entscheidungen von Personen und die – in dem Modell vom rational handelnden Wirtschaftssubjekt unterstellten – „optimalen“ Gedanken und Entscheidungen voneinander trennen.64 Die leitenden Ideen der Untersuchungen waren zum einen, dass die meisten Individuen intuitiv Urteile fällen und Entscheidungen treffen, und zum anderen, dass die Regeln der Intuition prinzipiell ähnlich den Regeln der Wahrnehmung sind. Kahneman differenziert zwischen zwei Typen von kognitiven Prozessen, die neutral als System 1 und als System 2 betitelt werden.65 Die mentalen Prozesse des Systems 1 sind schnell, automatisch, assoziativ, laufen parallel ohne große Anstrengungen ab und sind von Emotionen geprägt.66 Die mentalen Prozesse, die dem System 2 zugeordnet werden, sind langsam, sequentiell, kontrolliert, anstrengend, flexibel, neutral und folgen bestimmten Regeln. Ob ein mentaler Prozess dem System 1 oder dem System 2 zugeordnet wird, hängt von der „Anstrengung“ ab, mit dem dieser Prozess durchgeführt wird. Die mentalen Prozesse in System 1 generieren Eindrücke von Eigenschaften, von Objekten und Gedanken, die nicht notwendigerweise explizit in Worte gefasst werden müssen. Im Gegensatz dazu sind Urteile immer explizit und intentional. Daher ist System 2 bei jeder Urteilsbildung involviert. Die Bezeichnung „intuitives Urteil“ wird immer dann angewendet, wenn das Urteil direkt aus Eindrücken/Intuitionen resultiert. Die Schnelligkeit, mit der Attribute zugänglich sind, hängt von verschiedenen Faktoren ab (z. B. von den Fähigkeiten einer Person, von der optischen Darstellung von Objekten, von Assoziationen, von Emotionen und von dem Kontext, in dem ein Objekt wahrgenommen wird).67 Ein Ergebnis der Forschungsbemühungen von Kahneman und Tversky ist, dass Individuen häufig intuitiv Entscheidungen treffen und diese bisweilen „besser“ sind als Entscheidungen, die durch intensive und mühsame Reflexion getroffen werden.68 Neben dieser Erkenntnis postulieren Kahneman und Tversky die Prospect Theorie, welche besagt, dass die Wahrnehmung des Zustands x1 abhängig ist von dem Zustand x0.69 Ebenso sind intuitive Beurteilungen des Zustands y1 ab___________ 64
Vgl. hierzu und zum Folgenden Kahneman (2003), S. 1449 f. Vgl. hierzu und zum Folgenden Kahneman (2003), S. 1450 ff. 66 Vgl. auch Howard/Sheth (1969), S. 25. 67 Mittal, Ross und Baldasare konstatieren, dass die Gesamtzufriedenheit eines Kunden mit einem Produkt von der Zugänglichkeit zu bestimmten mentalen Aspekten abhängt. Es konnte empirisch nachgewiesen werden, dass negativ gewertete Informationen mental präsenter sind und einen größeren psychologischen Effekt auslösen als positiv gewertete Informationen. Vgl. Mittal/Ross/Baldasare (1998), S. 35. 68 Vgl. Kahneman (2003), S. 1469. 69 Vgl. hierzu und zum Folgenden Kahneman/Tversky (1979), S. 263 ff.; Mittal/ Ross/Baldasare (1998), S. 34 f.; Kahneman/Tversky (2000), S. 28 ff.; Kahneman (2003), S. 1454 ff. 65
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2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
hängig von dem Zustand y0. Ferner stellen Kahneman und Tversky im Rahmen ihrer Prospect Theorie fest, dass die Präferenzen eines Wirtschaftssubjektes von der Einstellung zu Gewinnen bzw. Verlusten abhängig sind.70 Dabei werden Verluste deutlich stärker negativ bewertet als der Gewinn positiv bewertet wird. Aus diesem Grund postulieren sie eine „Risikotheorie“, in der der Nutzen abhängig ist von der Veränderung eines Vermögenszustandes und nicht vom absoluten Vermögenszustand.71 Folgt man ihren Ausführungen, so ist es notwendig, dass die Emotionen eines Individuums, die bei einer negativen bzw. positiven Veränderung eines Vermögenszustandes entstehen, bei der Kalkulation des Nutzens ebenfalls beachtet werden. Für die Bindung von Versicherten bei Krankenkassen haben die Ergebnisse von Kahneman und Tversky mehrere Konsequenzen: 1.
Individuen fällen vielfach intuitiv Entscheidungen über ein Produkt. Dies bedeutet, dass durch eine angemessene Darstellung des Produktes das Auftreten von bestimmten positiven Attributen gefördert wird und dazu beitragen kann, dass Personen einen positiven Gesamteindruck von einem Produkt gewinnen und dieses insgesamt positiv beurteilen. Somit ist es möglich, dass nicht alle Produktbestandteile bei der Nutzenkalkulation herangezogen werden, sondern dass nur bestimmte, für eine Person wichtige, Produktbestandteile über einen Kauf bzw. Nichtkauf entscheiden.72 Bei der Entscheidung eines Individuums bei einer Krankenkasse zu bleiben bzw. sie zu wechseln ist anzunehmen, dass die Systeme 1 und 2 involviert sind. Indem die für einen Versicherten wichtigen Produktbestandteile ermittelt werden, diese dann beispielsweise verstärkt in Werbemaßnahmen hervorgehoben und somit von einem Versicherten eher wahrgenommen werden und er infolgedessen ein positives (intuitives) Urteil über das gesamte Krankenversicherungsangebot fällt, kann sich eine Kasse die intuitive Urteilsbildung des Systems 1 zu Nutze machen und damit auf relativ einfache Art die Bindung des Versicherten an die Kasse forcieren.
2.
Angebote von Krankenkassen werden an einem Referenzwert gemessen. Dies bedeutet, dass der Nutzen von alternativen Krankenversicherungsangeboten stets am Nutzen des aktuellen Krankenversicherungsangebotes gemessen wird.
3.
Die Verlustaversion von Individuen und die Berücksichtigung von Emotionen werden die (Bleibe-)Entscheidung von Versicherten beeinflussen.
___________ 70
Vgl. Kahneman (2003), S. 1454 ff. und S. 1463. Vgl. hierzu und zum Folgenden Kahneman/Tversky (2000), S. 32 ff.; Kahneman (2003), S. 1454 ff. 72 Vgl. hierzu Kahneman (2003), S. 1452 ff. und S. 1469. 71
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
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cc) Dissonanztheorie Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass jedes Individuum nach Harmonie und Zufriedenheit strebt.73 Hat sich eine Person für den Kauf eines Produktes entschieden, so besteht die Möglichkeit, dass sie sich nicht sicher ist, ob sie mit dem Kauf die richtige Entscheidung getroffen hat, weil sie sich bei der Entscheidung für den Kauf eines speziellen Produktes gleichzeitig gegen den Kauf von alternativen Produkten entschieden hat und damit auch gegen den damit verbundenen Nutzen (Nachkauf-Dissonanz).74 Ein Käufer kann daher nicht immer sicher sein, ob der getätigte Kauf – ex post gesehen – die richtige Entscheidung darstellt. Die Theorie der kognitiven Dissonanz geht auf die Arbeiten von Festinger zurück, der sich intensiv mit der Theorie der kognitiven Elemente beschäftigt hat.75 Stehen zwei Elemente in Spannung zueinander, ruft dies bei einem Individuum einen unangenehmen Zustand hervor. Die Stärke der kognitiven Dissonanz wird dabei maßgeblich durch das Verhältnis der dissonanten Relationen und der Summe aus den dissonanten und konsonanten Relationen bestimmt.76 Darüber hinaus ist die relative Bedeutsamkeit einer dissonanten Relation für ein Wirtschaftssubjekt ausschlaggebend für die Höhe der kognitiven Dissonanz. Grundsätzlich hat eine Person zwei Möglichkeiten, die Stärke einer kognitiven Dissonanz zu reduzieren.77 Zum einen kann sie versuchen, die kognitiven Elemente derart zu verändern, dass aus bisher dissonanten Relationen konsonante Relationen werden (z. B. durch eine Verhaltensänderung oder durch eine Veränderung der Umwelt). Dies kann jedoch genau dann zu einem Problem werden, wenn viele andere zuvor konsonante Relationen zu dissonanten Relationen werden und somit die Stärke der kognitiven Dissonanz absolut zunimmt. Zum anderen können neue konsonante Elemente aufgenommen und die Disso-
___________ 73
Vgl. hierzu und zum Folgenden Dittrich (2000), S. 24 f.; Trommsdorf (2002), S. 134; Trommsdorf (2004), S. 141 f. 74 Vgl. Oliver (1996), S. 216 ff. und S. 239 ff.; Bierhoff (1998), S. 272 f. 75 Festinger selber definiert kognitive Elemente nicht. Nach Herkner sind kognitive Elemente (wertende) Aussagen bzw. Bewusstseinsinhalte über Objekte, Menschen, Faktenwissen, Meinungen etc. Vgl. Herkner (1991), S. 33 f. Stehen zwei kognitive Elemente in einem „Spannungsverhältnis“, sind also nicht miteinander verträglich und weisen einen empfundenen Widerspruch aus, ist dies eine dissonante Relation und ruft bei einem Individuum eine kognitive Dissonanz hervor. Passen zwei kognitive Elemente jedoch widerspruchslos zueinander, spricht Festinger von einer konsonanten Relation. Vgl. Festinger (1957), S. 12 ff.; Raffée/Sauter/Silberer (1973), S. 12 ff. 76 Vgl. Raffée/Sauter/Silberer (1973), S. 14 f.; Herkner (1991), S. 34. 77 Vgl. Festinger (1957), S. 18 ff. und S. 34 ff.; Raffée/Sauter/Silberer (1973), S. 15 ff.; Frey (1984), S. 256 ff.; Herkner (1991), S. 34 ff.
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2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
nanzstärke gemindert werden. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, die (Kauf-)Entscheidung zu revidieren.78 Bezogen auf den Kauf eines Gutes bedeutet dies, dass eine kognitive Dissonanz bei einem Abnehmer dann entsteht, wenn er nach dem Kauf der Ansicht ist, einen Fehlkauf getätigt zu haben, da er sich mit dem Kauf für die Vorteile des gekauften Produktes aber auch gleichzeitig gegen die Vorteile der ausgeschlagenen Produkte entschieden hat. Der Käufer hat nun die skizzierten Möglichkeiten, die Dissonanz zu reduzieren. Dies kann allerdings für den Käufer unter Umständen mit hohen Kosten verbunden sein. Um die kognitive Dissonanz relativ niedrig zu halten, sind Wirtschaftssubjekte, die bereits häufig bei einem Anbieter gekauft haben und mit dem Kauf zufrieden waren, daher eher bereit, weitere Transaktionen mit demselben Anbieter durchzuführen.79 Aus Sicht eines Käufers ist ein anbietertreues Verhalten demzufolge vorteilhaft, weil dadurch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens einer kognitiven Dissonanz minimiert werden kann. Aus Sicht einer Krankenkasse ist es wichtig dazu beizutragen, dass bei ihren Versicherten keine kognitive Dissonanz entsteht. Gegenwärtig ist der überwiegende Teil der GKV-Versicherten jedoch versicherungspflichtig und kann sich auch bei Vorliegen von kognitiver Dissonanz nicht aus der GKV herausoptieren, sondern lediglich die Kasse wechseln. Zudem sind der Leistungskatalog und die Vertragspartner bei allen Kassen weitestgehend identisch. Eine Kasse sollte infolgedessen eruieren, ob die kognitive Dissonanz bei einem Versicherten deshalb besteht, weil er der GKV grundsätzlich kritisch gegenübersteht oder ob die kognitive Dissonanz andere Ursachen hat. Bei ersterem würden sich aus Sicht einer einzelnen Kasse Anstrengungen zur Reduktion der kognitiven Dissonanz nicht lohnen, denn damit würde sie nicht nur die eigene Position innerhalb der GKV-Krankenkassengemeinschaft stärken, sondern die Position aller Kassen. Ist die kognitive Dissonanz jedoch auf Parameter zurückzuführen, die eine einzelne Kasse betrifft (z. B. Servicelevel), ist es aus Kassensicht durchaus sinnvoll, die kognitive Dissonanz zu reduzieren, wenn sie Interesse an der Aufrechterhaltung der Versicherungsbeziehung hat. Dies kann u. a. erreicht werden, indem positive Informationsinhalte über das Produkt verbreitet werden (z. B. durch Werbemaßnahmen), ein Beschwerdemanagement eingeführt wird oder andere Wettbewerbsparameter geändert werden (z. B. Erhöhung des Servicelevels).80
___________ 78
Vgl. Festinger (1957), S. 42 ff. Vgl. Homburg/Becker/Hentschel (2005), S. 102. 80 Vgl. Müller/Riesenbeck (1991), S. 79; Halstead/Page (1992), S. 9; von Wangenheim/Bayon/Weber (2002), S. 182 f. 79
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
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Bei Vertragswettbewerb ist anzunehmen, dass bei Versicherten nach Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages bei einer speziellen Krankenkasse im Gegensatz zum Status quo häufiger kognitive Dissonanzen auftauchen, denn mit dem Abschluss des Vertrages entscheidet sich ein Versicherter nicht mehr nur gegen andere Kassen und damit gegen marginal unterschiedliche Leistungsund Versorgungsangebote sowie gegen einen unterschiedlich hohen Servicelevel, sondern zudem gegen den unbeschränkten Zugang zu bestimmten Versorgern. Wenn in dieser Wettbewerbssituation aus Sicht einer Krankenkasse eine Versicherungsbeziehung aufrecht erhalten werden soll, wird sie im Vergleich zum Status quo mehr Maßnahmen zur Verhinderung bzw. Reduktion von kognitiver Dissonanz ergreifen müssen, um einer Kündigung ihrer Versicherten vorzubeugen.
dd) Lerntheorie Lerntheorien werden in der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur an vielen Stellen diskutiert. In der Marketingtheorie erlangen insbesondere die behavioristische und die kognitive Lerntheorie eine hohe Bedeutung.81 Die behavioristische Lerntheorie kann in die klassische und die operante Konditionierung unterteilt werden. Beim klassischen Konditionieren besteht der Lernprozess in der Koppelung eines Reflexes an einen neuen, bis zu diesem Zeitpunkt neutralen, also nicht reflexauslösenden Reiz.82 Die Methode der klassischen Konditionierung nutzen auch Unternehmen, um Kunden an sich zu binden. So versuchen sie in Werbebotschaften, Produkte oder Dienstleistungen mit bestimmten Bildern, Gefühlen etc. zu verknüpfen, die bei einem Konsumenten positive Emotionen auslösen und ihn zum Kauf bzw. Wiederkauf anregen. Im Unterschied zur klassischen Konditionierung wird bei der operanten Konditionierung mit Verstärkern gearbeitet.83 Auf Krankenkassen bezogen bedeutet dies, dass Handlungen von Versicherten, die von einer Kasse gewünscht sind (z. B. gesundheitsbewusstes Verhalten oder die Treue zur Krankenkasse), honoriert werden (z. B. durch Boni, kleine (Rückwerbe-)Geschenke) und Handlungen, die nicht gewünscht sind, nicht belohnt werden.84 Belohnt eine Kasse ihre Versicherten, wenn sie langjährig bei ihr versichert sind, werden die Versicherten in der Zukunft wieder eine Belohnung erwarten wenn sie beispielsweise die Krankenversicherung nicht wechseln und ihrer Kasse treu bleiben. Mög___________ 81
Vgl. Fill (2001), S. 99 ff. Vgl. Herkner (1991), S. 49 ff.; Trommsdorf (2004), S. 264. 83 Vgl. Bower/Hilgard (1984), S. 72; Kebbel (2000), S. 49 f. 84 Vgl. Dittrich (2000), S. 25. 82
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2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
licherweise kündigen sie auch die Kasse lediglich in der Absicht, ein Rückwerbegeschenk zu erhalten. Arbeitet eine Kasse mit Anreizen, muss sie wissen, wie die Versicherten reagieren, wenn die Belohnungen eingestellt werden. Grundsätzlich gilt bei Arbeiten mit Verstärkern, dass eine stetige Kontrolle der Nutzen und Kosten der Anreize erfolgen muss. Bei der kognitiven Lerntheorie werden Personen als aktive Teilnehmer gesehen, die versuchen, Probleme durch die Verarbeitung von Informationen zu lösen. Dabei werden drei Hauptprozesse unterschieden: das ikonische Auswendiglernen, das Lernen am Modell und das Lernen durch Einsicht.85 Ikonisches Auswendiglernen bedeutet, dass – durch einfache Wiederholung von Botschaften – Meinungen über bestimmte Produkte und Dienstleistungen gebildet werden. Lernen am Modell besagt, dass ein bestimmtes Verhalten durch die Imitation des Verhaltens von Vorbildern erzeugt wird. Macht sich eine Person Gedanken über bestimmte Produkteigenschaften und kommt zu dem Ergebnis, dass das Produkt Vorteile oder Nachteile für sie hat, so wird vom Lernen durch Einsicht gesprochen. Ist ein Kunde mit einem Kauf zufrieden, so wirkt die Zufriedenheit wie ein positiver Verhaltensverstärker und erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde bei dem gleichen Anbieter wieder kaufen wird.86 Je öfter der Kunde die Zufriedenheit nach einem Kauf bei einem bestimmten Anbieter verspürt, desto enger wird die Bindung an den Anbieter. Für Krankenkassen sind die Lerntheorien eine weitere theoretische Grundlage, um adäquate Handlungsparameter zur Bindung von Versicherten abzuleiten. Insbesondere für die Gestaltung der Kommunikationspolitik stellen sie einige wichtige Hinweise bereit (z. B. Ausgestaltung von Werbemaßnahmen).
b) Sozialpsychologische Bindungstheorie nach Thibaut und Kelley Ein bedeutender Ansatz innerhalb der sozialpsychologischen Bindungstheorien ist die soziale Austauschtheorie von Thibaut und Kelley.87 In ihrem Ansatz modellieren Thibaut und Kelley zwei „Punkte“, anhand derer Akteure ihre aktuelle (Geschäfts-)Beziehung evaluieren. Diese Punkte werden im Folgenden beschrieben und ihre Bedeutung für die Fortführung bzw. Beendigung einer Bindung analysiert. Thibaut und Kelley postulieren, dass Wirtschaftssubjekte ein bestimmtes Vergleichsniveau CL (comparison level) haben, anhand dessen sie ihre derzei___________ 85
Vgl. Fill (2001), S. 100 ff. Vgl. Homburg/Becker/Hentschel (2005), S. 103. 87 Vgl. Homburg/Bruhn (1999), S. 12; Plinke/Söllner (2005), S. 71 ff. 86
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung
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tige Beziehung (B) beurteilen. B besteht immer aus einer Nutzenkomponente und Kosten. Werden die Kosten von der Nutzenkomponente subtrahiert, so erhält man den Nettonutzen einer Verbindung, welcher als das Ergebnis einer Beziehung verstanden wird.88 Der CL selber kann als ein „neutraler Punkt“ – also eine Art Fixpunkt – auf der individuellen Bewertungsskala einer Person angesehen werden.89 Die genaue „Lage“ von CL hängt von den in der Vergangenheit persönlich gemachten Erfahrungen mit Verbindungen und aller der Person bekannten Erfahrungen, die andere Personen mit Beziehungen gemacht haben ab.90 Erfahrungen, die weiter in der Vergangenheit liegen, kommt dabei eine nicht so starke Gewichtung zu wie Erfahrungen, die erst kürzlich gemacht wurden. Darüber hinaus ist die Gewichtung der einzelnen Erfahrungen u. a. davon abhängig, wie hervorstechend das Ergebnis einer Beziehung für die Person war. Der CL ist darüber hinaus dynamisch und kann sich für eine Person im Zeitablauf ändern.91 Ist das Ergebnis einer Verbindung besser als der CL (B > CL), dann ist die Person mit der aktuellen Beziehung zufrieden. Die Person ist nicht zufrieden mit der Beziehung, wenn das Ergebnis schlechter ist als der CL (CL < B). Allein aus diesem Vergleich kann jedoch noch nicht abgeleitet werden, ob die Beziehung beendet wird oder nicht. Die Relation von CL und B zeigt lediglich die Zufriedenheit bzw. Unzufriedenheit einer Person mit einer Beziehung. Aus diesem Grund erweitern Thibaut und Kelley ihr Modell um den so genannten „comparison level for alternatives“ (CLalt). Dieser wird definiert als „the lowest level of outcome a member will accept in the light of available alternative opportunities“.92 Obwohl CLalt durch das Ergebnis von verschiedenen Beziehungen bestimmt wird, wird seine Höhe maßgeblich von der besten Alternative abhängen, die der Akteur wählen kann.93 Umgekehrt werden Ergebnisse von Verbindungen, die sehr unwahrscheinlich sind, CLalt nicht stark beeinflussen. Die Entscheidung, eine Beziehung fortzuführen oder sie zu beenden, hängt von den Relationen zwischen CL, CLalt und B ab (Abbildung 18). Eine Beziehung kann auch bei Unzufriedenheit fortgeführt werden, wenn die Person keine Möglichkeit hat, zu einer besseren Alternative zu wechseln und sich somit in einer Abhängigkeitsposition befindet. Zur Verhinderung der Ab___________ 88
Vgl. beispielsweise Bierhoff (1998), S. 318 ff. Vgl. hierzu und zum Folgenden Thibaut/Kelley (1959), S. 21 ff. und S. 80 ff. Thibaut und Kelley beschreiben CL wie folgt: „the comparison level (or CL), is the standard against which the member evaluates the ,attractiveness‘ of the relationship or how satisfactory it is“. Thibaut/Kelley (1959), S. 21. 90 An dieser Stelle kann eine Parallele zur Prospect Theorie von Kahneman und Tversky gezogen werden, denn auch dort wird postuliert, dass Wirtschaftssubjekte einen Zustand x1 in Abhängigkeit von einem vorherigen Zustand x0 beurteilen. 91 Vgl. Thibaut/Kelley (1959), S. 82. 92 Thibaut/Kelley (1959), S. 21. 93 Vgl. hierzu und zum Folgenden Thibaut/Kelley (1959), S. 21 ff. und S. 100 f. 89
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2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
wanderung eines Kunden muss der Anbieter Sorge tragen, dass B nicht unter CLalt fällt, denn die Attraktivität alternativer Beziehungen spielt für den Verbleib eines Kunden bei einem Anbieter eine entscheidende Rolle. Eine Beziehung wird erstens dann beendet, wenn B über CL jedoch unter CLalt liegt. In dieser Situation ist eine Person zwar zufrieden aber auch gleichzeitig unabhängig, denn sie könnte ein Angebot wählen, welches ihr einen höheren Nutzen spendet. Zweitens wird eine Person eine Beziehung beenden, wenn sich B unter CL sowie unter CLalt befindet. Dabei spielt es keine Rolle, ob CL über oder unter CLalt liegt, denn in beiden Situationen hat eine Person die Möglichkeit, eine Beziehung zu beenden ohne sich zu verschlechtern und ist somit unabhängig. Falls B größer als CLalt und CLalt größer als CL ist, ist eine Person unabhängig, da sie eine Beziehung beenden und eine Alternative wählen kann, die für sie ebenfalls noch zufrieden stellend ist. Je weiter B jedoch über CLalt liegt, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit eines Abwanderns und desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Beziehung aufrecht gehalten wird. Eine Beziehung wird grundsätzlich nicht beendet, wenn CL über B und B über CLalt liegt. In dieser Situation ist eine Person zwar unzufrieden – aber auch gleichzeitig abhängig, denn für die Person besteht keine Möglichkeit zu einem Anbieter mit einem besseren Angebot zu wechseln. Übersteigen die Ergebnisse der Beziehung CL und übersteigt CL CLalt, dann ist die Person mit der Beziehung zufrieden – aber gleichzeitig auch abhängig, denn es besteht kein besseres Angebot, zu dem sie wechseln könnte. Der Ansatz von Thibaut und Kelley bietet ein grundsätzliches Verständnis über den Fortbestand bzw. die Beendigung einer Beziehung. Es wird deutlich, dass Zufriedenheit kein hinreichender Grund für die Fortführung einer Beziehung ist. Die Attraktivität anderer Verbindungen spielt bei der Entscheidung, eine Beziehung fortzuführen bzw. zu beenden, ebenfalls eine bedeutende Rolle und darf daher nicht unterschätzt werden. Da Versicherte i. d. R. ihren Versicherungsvertrag bei einer Kasse erst nach Ablauf der ersten 18 Versicherungsmonate kündigen können, ist der Ansatz von Thibaut und Kelley im Gesamten erst nach Ablauf der ersten 18 Versicherungsmonate relevant. Allerdings erscheint es sinnvoll, auch schon vorher bei Unzufriedenheit Maßnahmen zur Reduktion der Unzufriedenheit zu ergreifen, denn ein unzufriedener Versicherter kann einer Krankenkasse durch schlechte Mund-zu-Mund-Propaganda Schaden zufügen. Prinzipiell muss eine Kasse – zumindest nach Beendigung der 18 Monate und bei Interesse der Aufrechterhaltung der Versicherungsbeziehung – durch den Einsatz adäquater Wettbewerbsparameter dafür Sorge tragen, dass B nicht unter Calt fällt.
C. Begriffsabgrenzungen und Theorien zur Kundenbindung CL < B < CLalt Æ zufrieden und unabhängig CL
B
CLalt CL < CLalt < B Æ zufrieden und unabhängig
CL
B
B
CLalt
CLalt
CLalt
CLalt
CL
B
CL
B
Beziehung wird beendet (Möglichkeit 1) Beziehung wird aufrecht erhalten (Möglichkeit 2)
B < CLalt < CL Æ unzufrieden und unabhängig
Möglichkeit 1
B < CL < CLalt Æ unzufrieden und unabhängig
Möglichkeit 1
CLalt < B < CL Æ unzufrieden und abhängig
Möglichkeit 2
CLalt < CL < B Æ zufrieden und abhängig
Möglichkeit 2
CL
CLalt
CL
B
Quelle: Eigene Darstellung; in Anlehnung an Peter (1999), S. 96 ff.
Abbildung 18: Attraktivität und Abhängigkeit in (Geschäfts-)Beziehungen
121
D. Bestimmungsfaktoren für die Anbietertreue und Typologisierungskriterien der Kundenbindung I. Bestimmungsfaktoren für die Anbietertreue Es ist ersichtlich, dass unterschiedliche Theorien oft zu ähnlichen Ergebnissen führen. So kann sowohl aus der mikroökonomischen Theorie von Hirschman als auch aus der Dissonanztheorie abgeleitet werden, wie sich ein Individuum verhält, wenn es mit einem Kauf bzw. mit einem Anbieter nicht zufrieden ist. Die Zufriedenheit eines Kunden mit einem Anbieter stellt somit bei beiden Theorien den zentralen Bestimmungsfaktor zur Bindung von Kunden dar. Die sozialpsychologische Theorie von Thibaut und Kelley vermittelt einen Eindruck, von wie vielen Faktoren die Wechselbereitschaft eines Abnehmers abhängt, und es wird deutlich, dass Zufriedenheit alleine kein Garant für die Bindung eines Kunden ist. Aus dem Modell lässt sich ableiten, dass sich durch eine Steigerung des Nettonutzens die Stellung der Beziehung B im Vergleich zu CLalt und CL erhöht und so zur Bindung eines Kunden an einen Anbieter beitragen kann. Die Untersuchungen von Kahneman und Tversky führen an einigen Stellen zu ähnlichen Ergebnissen wie die sozialpsychologische Theorie von Thibaut und Kelley, da beide die Bedeutsamkeit von Referenzwerten bei Produktbeurteilungen betonen. Wie bei Thibaut und Kelley lässt sich auch aus Kahnemans und Tverskys Arbeiten ableiten, dass die Zufriedenheit eines Kunden mit einem Anbieter sowie die Höhe des Nettonutzens für den Verbleib bei einem Anbieter eine zentrale Bedeutung spielen. Auch aus der Lerntheorie kann gefolgert werden, dass Kunden einem Anbieter treu bleiben, wenn sie mit dem Anbieter zufrieden sind bzw. wenn der Nutzen der derzeitigen Alternative höher ist als bei anderen Alternativen. Die Lerntheorie stellt dabei dar, dass Personen zum einen die Zufriedenheit mit einem Produkt „beigebracht“ werden kann oder sie zum anderen durch Nachdenken zur Einsicht kommen können, dass ein Produkt im Vergleich zu anderen Produkten einen höheren Nettonutzen spendet. Informationskosten sind eine Teilmenge der Transaktionskosten und bilden somit innerhalb der Informationsökonomik, der Transaktionskostentheorie sowie der Theorie des wahrgenommenen Risikos ein zentrales Thema. Aus allen drei genannten Theorien kann abgeleitet werden, dass die Höhe des Nettonut-
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
123
zens ein entscheidender Bestimmungsfaktor für den Verbleib bei einem bestimmten Anbieter ist. Des Weiteren spielen Informationsmängel bei der Theorie des wahrgenommenen Risikos, der Informationsökonomik und der Transaktionskostentheorie eine Rolle für den Verbleib bei einem Anbieter. Die nachfolgende Tabelle gibt einen Überblick über die vorgestellten Theorien und stellt deren Kernaussagen sowie die aus den Theorien ableitbaren grundlegenden Bestimmungsfaktoren für Anbietertreue dar. Tabelle 2 Bestimmungsfaktoren für die Anbietertreue Theorien 1 Mikroökonomische Theorie
Kernaussagen
Bestimmungsfaktoren für Anbietertreue
Abwanderung versus Widerspruch
Zufriedenheit
2 Transaktionskostentheorie
Nutzung des Marktes ist nicht kostenlos
Nettonutzen, Unsicherheit, spezifische Investitionen
3 Informationsökonomik
Informationsunvollkommenheiten, asymmetrisch verteilte Informationen
Nettonutzen, Unsicherheit
4 Theorie des
Wahrgenommenes Risiko beim Kauf eines Produktes
Nettonutzen, wahrgenommenes Risiko
von Hirschman
wahrgenommenen Risikos
5 Maps of Bounded Rational-
Zwei kognitive Prozesse ity (Kahneman und Tversky) Prospect Theorie
Zufriedenheit, Nettonutzen, Referenzpunkt
Verlustaversion
6 Dissonanztheorie
Kognitive Dissonanz nach einem Kauf
Zufriedenheit
7 Lerntheorie
Behavioristisches und kognitives Lernen
Zufriedenheit, Nettonutzen
8 Sozialpsychologische Theo- Evaluation der aktuellen rie nach Thibaut und Kelley
Beziehung im Lichte von Alternativen
Zufriedenheit, Nettonutzen, Referenzpunkt
Quelle: Eigene Darstellung
Grundsätzlich können also zwei zentrale Bestimmungsfaktoren identifiziert werden, die für den Verbleib eines Kunden bei einem Anbieter eine zentrale Rolle spielen: Zufriedenheit und Nettonutzen.1 Ebenso wichtig ist jedoch eine ___________ 1
Vgl. auch Töpfer/Opitz (2005), S. 7 und S. 12 ff.; Sennlaub (2006), S. 3. Anzumerken ist, dass die beiden Bestimmungsfaktoren Zufriedenheit und Nettonutzen nicht un-
124
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
kundenorientierte Ausrichtung des Unternehmens, denn diese hat Einfluss auf die Kundenzufriedenheit.2 Im Folgenden werden daher die Kundenorientierung – als bedeutende Komponente zur Steigerung der Kundenzufriedenheit – sowie die beiden anderen zentralen Bestimmungsfaktoren zur Bindung von Kunden, die aus den dargestellten Theorien abgeleitetet wurden, detailliert diskutiert.
1. Kundenorientierung Eine ganzheitliche kundenorientierte Ausrichtung eines Unternehmens bedeutet, dass die mit Zahlungsbereitschaft ausgestatteten Bedürfnisse von Kunden erstens den Führungskräften und Mitarbeitern bekannt sein müssen, zweitens von ihnen „verinnerlicht“ werden und drittens in allen Wertschöpfungsprozessen oberste Priorität haben müssen.3 Kundenorientierung kann damit auch als eine Art Unternehmensphilosophie angesehen werden mit dem Ziel der Herstellung von langfristigen, profitablen Kundenbeziehungen. Um die Bedürfnisse der (potenziellen) Kunden zu kennen, sollten in einem ersten Schritt die Anforderungen der Kunden an die Leistungen eines Unternehmens kontinuierlich erfasst und in einem zweiten Schritt in Unternehmensleistungen umgesetzt werden.4 Die Unternehmensaktivitäten müssen folglich an den Kundenbedürfnissen ausgerichtet sein. Dies impliziert ein kontinuierliches Lernen über den Kunden, da sich dessen Erwartungen im Zeitablauf ändern können und das bis dahin bestehende Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten die Gültigkeit verlieren kann.5 Durch die konsequente Ausrichtung der Unternehmensaktivitäten an den Kundenwünschen und durch das Streben, den Kundennutzen kontinuierlich zu erhöhen, kann eine kundenorientierte Unternehmensführung dazu beitragen, die Zufriedenheit zu steigern und Abnehmer am Abwandern zu hindern.6 Eine kundenorientierte Unternehmensführung schlägt sich in vielen Bereichen eines Unternehmens nieder. So werden sowohl die Aufbau- und die Ablauforganisation eines Unternehmens als auch die Unternehmenskultur von ___________ abhängig voneinander sind, sondern dass die Höhe der Zufriedenheit Einfluss auf die Höhe des Nettonutzens hat. 2 Vgl. Bruhn/Georgi (1999), S. 413; Eggert/Helm (1999), S. 1 ff. 3 Vgl. hierzu und zum Folgenden beispielsweise Schröder (1998), S. 49; Backhaus (1999), S. 26 und S. 31; Bruhn (2000a), S. 26 ff.; Erhard (2000), S. 491 ff.; Meyer/ Schaffer (2001), S. 63; Bruhn (2004), S. 37; Töpfer/Opitz (2005), S. 7. 4 Vgl. Müller (1990), S. 43. 5 Vgl. Backhaus (1999), S. 31 ff. 6 Vgl. hierzu beispielsweise Müller/Riesenbeck (1991), S. 68.
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
125
dem Ziel, die Kundenwünsche in die gesamte Wertschöpfungskette zu integrieren, beeinflusst. Tangiert die Kundenorientierung das gesamte Unternehmen, wird in der Literatur vielfach von einer institutionellen Kundenorientierung gesprochen.7 Insbesondere im Dienstleistungsbereich ist der Kontakt zwischen Mitarbeitern und Kunden sehr eng, da die Leistung im direkten Kunden-MitarbeiterKontakt hergestellt wird und der Kunde bei der Erstellung der Dienstleistung beteiligt ist.8 Die Leistungserstellung ist folglich nicht möglich, ohne dass der Konsument sich selbst oder eines seiner Güter in den Leistungserstellungsprozess einbringt.9 Hier wird auch von der Integration des externen Faktors gesprochen. Demnach ist das Verhalten und die Kompetenz der Mitarbeiter – aber unter Umständen auch die Mitarbeit des Kunden – eine zentrale Erfolgsdeterminante im Leistungserstellungsprozess von Dienstleistungen. In diesem Fall wird von einer personellen Kundenorientierung gesprochen.10 In einer empirischen Studie konnte nachgewiesen werden, dass die Kompetenz und die fachliche Qualifikation der Krankenkassen-Mitarbeiter für den Unternehmenserfolg außerordentlich wichtig ist.11 Bei einer Krankenversicherung wird die Versicherungsleistung, die von der Krankenkasse angeboten und bereitgehalten wird, durch die Leistungen der Versorger, die im Krankheitsfall die Versicherten der Kasse medizinisch versorgen, ergänzt. Obwohl eine Krankenversicherung streng genommen nur die Versicherungsleistung anbietet, ist anzunehmen, dass in der Wahrnehmung der Versicherten – insbesondere im Krankheitsfall und bei selektivem Kontrahieren – die Qualität der Leistung einer Kasse nicht vollständig von der Qualität der Leistung der Versorger getrennt wird. Damit wirken sich die Aktivitäten und die Leistungsqualität der Versorger auf die wahrgenommene Qualität der Kasse aus. Gegenwärtig kann eine Kasse durch das gemeinsame und einheitliche Kontrahieren jedoch kaum Einfluss auf die Versorger nehmen. Da dies bei Vertragswettbewerb eher möglich ist, ist es für eine vollständige kundenorientierte Ausrichtung einer Kasse und für die Bindung von Versicherten an eine Krankenkasse umso wichtiger, die Bedürfnisse ihrer Versicherten hinsichtlich der Qualität und der Anzahl der unter Vertrag zu nehmenden Versorger herauszu___________ 7
Vgl. hierzu die Darstellung von Bruhn (2000a), S. 26 f.; Bruhn (2004), S. 38. Vgl. zur Integration des externen Faktors in den Dienstleistungserstellungsprozess Rück (1995), S. 15 ff.; Corsten (2000), S. 147 ff.; Meyer/Blümelhuber/Pfeiffer (2000), S. 51 ff.; Stauss (2000a), S. 205 ff. Vgl. zur Produktion von Dienstleistungen u. a. Scheuch (2002), S. 13 ff. 9 Im Gesundheitswesen ist insbesondere der Arzt bei der Behandlung von Patienten auf die Compliance erkrankter Personen angewiesen. 10 Vgl. Bruhn (2004), S. 37 f. 11 Vgl. Töpfer/Opitz (2005), S. 8. 8
126
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
finden und eine, an den Wünschen der Versicherten orientierte, Auswahl der Versorger vorzunehmen. Insbesondere bei Vertragswettbewerb bedeutet eine vollständige Kundenorientierung einer Krankenkasse demnach nicht, dass nur ihre originären Leistungen (z. B. Gestaltung des Versicherungsumfanges und des Versorgungsangebotes) an den Wünschen der Versicherten ausgerichtet sind, sondern die Kasse sollte im Sinne einer vollständigen Kundenorientierung ebenfalls dafür Sorge tragen, dass – soweit gesetzlich möglich – auch die Aktivitäten der unter Vertrag genommenen Versorger an den Bedürfnissen ihrer Versicherten ausgerichtet sind.
2. Zufriedenheit Kundenzufriedenheit bzw. -unzufriedenheit resultiert aus dem Vergleich der Erwartungen eines Kunden an ein Unternehmen und dessen Leistung mit den tatsächlich gemachten Erfahrungen, also aus einem Soll-Ist-Vergleich (Konfirmations-/Diskonfirmations-Paradigma).12 Sind die Erwartungen eines Kunden erfüllt worden, so impliziert dies Zufriedenheit. Sind die Erwartungen dagegen höher als die Erfahrungen, so ist der Kunde unzufrieden.13 Bei dieser Betrachtungsweise der Kundenzufriedenheit handelt es sich um eine transaktionsspezifische Einordnung, da sich die Zufriedenheit bzw. die Unzufriedenheit auf eine einzelne Transaktion bezieht.14 Diese Sichtweise ist jedoch nicht ohne Kritik. Viele Autoren unterstützen die These, dass Kundenzufriedenheit bzw. -unzufriedenheit aus der Summe wiederholter Erfahrungen mit einem Anbieter resultiert und nicht das Ergebnis einer einzelnen Kauferfahrung ist.15 Darüber hinaus wird von einigen Autoren angemerkt, dass Zufriedenheit nicht allein aus einem Soll-Ist-Vergleich resultiert (kognitive Komponente), sondern dass eine emotionale Komponente (affektive Komponente) ebenfalls Auswirkungen auf die Zufriedenheit hat.16
___________ 12
Parasuramen/Zeithaml/Berry vertreten die Auffassung, dass Qualität in den Augen des Verbrauchers ein Vergleich von Erwartungen und Erfahrungen ist; vgl. Parasuraman/Zeithaml/Berry (1985), S. 42 f. Vgl. auch das Konfirmations-/DiskonfirmationsParadigma in Mooradian/Olver (1997), S. 382; Homburg/Giering/Hentschel (2003), S. 94 ff. 13 Vgl. hierzu Olshavsky/Miller (1972), S. 19 ff.; Oliver (1980), S. 460 ff.; Gierl (1993), S. 90; Oliver (1996), S. 66 ff.; Krafft (2002), S. 19 ff. 14 Vgl. beispielsweise Olshavsky/Miller (1972), S. 19 ff.; Oliver (1980), S. 460 ff. 15 Vgl. Sheth (1968), S. 25 ff.; Wilton/Nicosia (1986), S. 411; Dick/Basu (1994), S. 99 ff.; Homburg/Giering/Hentschel (2003), S. 94 ff. 16 Vgl. hierzu unter anderem Oliver (1993), S. 418 ff.; Mooradian/Olver (1997), S. 382.
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
127
Die vom Kunden wahrgenommene Qualität einer Leistung und die Qualität der Beziehung mit dem Unternehmen sind in regelmäßigen Abständen von dem Anbieter zu messen, um zu prüfen, ob Veränderungen in den Aktivitäten zur Kundenbindung seitens des Unternehmens vorgenommen werden müssen.17 Zur Messung der Dienstleistungsqualität bieten sich unterschiedliche Verfahren wie beispielsweise das GAP-Modell an, welches ein umfassendes Rahmenkonzept zur Bestimmung der Dienstleistungsqualität aus Kundensicht ist.18 Ohne qualifizierte und zufriedene Mitarbeiter ist die Erzielung von Kundenzufriedenheit schwer möglich. Wenn Mitarbeiter eines Unternehmens mit ihren Aufgaben, der Unternehmenskultur oder dem -klima unzufrieden sind, bemühen sie sich nur bedingt um die Zufriedenheit der Kunden, weil kein besonderes Interesse vorliegt, sich für den Erfolg des Unternehmens einzusetzen.19 Speziell im Dienstleistungssektor und insbesondere bei Krankenkassen ist qualifiziertes und zufriedenes Personal von außerordentlicher Bedeutung, denn wegen des gegenwärtig annähernd homogenen Produktes „gesetzliche Krankenversicherung“ bieten kompetente, hilfsbereite, zuverlässige und freundliche Mitarbeiter die Chance, sich von der Konkurrenz zu differenzieren.20 Die Kompetenz und das Verhalten eines Mitarbeiters sind somit zentrale Bestandteile des Leistungserstellungsprozesses und haben maßgeblich Einfluss auf die Zufriedenheit eines Versicherten.21 Der enge Kontakt und die persönliche Kommunikation zwischen Mitarbeiter und Versichertem ermöglicht es zudem, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen, welches Harmonie und Stabilität in der Beziehung impliziert und die Zufriedenheit positiv beeinflusst.22 Diese Harmonie und Stabilität stärken wiederum im Sinne einer Rückkoppelung positiv das Vertrauen ___________ 17 Einen Beitrag zur multiattributiven Messung von Dienstleistungsqualität bietet Hentschel (2000), S. 292 ff. 18 Für einen ausführlichen Überblick über diverse Messansätze der Dienstleistungsqualität vgl. Bruhn (1998), S. 26. Vgl. zum GAP-Modell Parasuraman/Zeithaml/Berry (1985), S. 44 ff.; Benkenstein/Weichelt (2000), S. 50 f. 19 Vgl. die Ausführungen zum loyalen und kundenorientierten Mitarbeiter als Erfolgsfaktor Siebrecht (2004), S. 115 ff. Anzumerken ist jedoch, dass die Korrelation von Arbeitszufriedenheit und Leistung nicht zwingend hoch sein muss. Vielmehr gibt es noch viele weitere Einflussfaktoren, die auf die Leistung eines Arbeitnehmers Einfluss nehmen. Die Arbeitszufriedenheit ist nur eine von vielen Einflussgrößen. Vgl. Kleinbeck (1987), S. 343 ff.; Neuberger (1987), S. 137 ff.; Schröder (1998), S. 62 ff.; Homburg/ Bruhn (1999), S. 17. 20 Vgl. z. B. Meyer/Dornach (1996), S. 37; Schmidt/Schuld (1997), S. 612 f.; Töpfer/ Opitz (2005), S. 8; Sennlaub (2006), S. 3. 21 Vgl. hierzu Töpfer/Opitz (2005), S. 8. Bei der Versichertenbefragung haben 97 % der Befragten angegeben, dass die Kompetenz und fachliche Qualifikation der Mitarbeiter wichtig oder sogar sehr wichtig ist. 22 Umgekehrt wird durch eine hohe Kundenzufriedenheit die Mitarbeiterzufriedenheit gestärkt, da diese merken, dass ihr Engagement zu einem guten Ergebnis führt. Vgl. Meyer/Dornach (1995), S. 435; Stock (2003), S. 256 f.
128
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
(Echo-Effekt) innerhalb der Beziehung und haben damit auch positive Auswirkungen auf die Kundenbindung.23 Ein Vergleich der Kompetenz und des Verhaltens von Kassenmitarbeitern ist für einen Versicherten indes nur eingeschränkt möglich, da zu jedem Zeitpunkt nur ein Krankenversicherungsverhältnis zu einer einzigen Krankenkasse besteht und ein Versicherter somit keine bzw. nur relativ wenig eigene Erfahrungswerte gegenüberstellen und vergleichen kann. Um die Kompetenz und das Verhalten von Mitarbeitern verschiedener Kassen zu vergleichen, muss er daher externe Informationsquellen nutzen. Voraussetzung für einen exakten Vergleich ist dabei allerdings unter anderem, dass die Beurteilungsmaßstäbe für die Zufriedenheit identisch sind. Im Vergleich zu anderen Unternehmen stellt sich damit für einen Kunden der Vergleich der Mitarbeiterkompetenz bzw. des -verhaltens bei Kassen schwieriger dar. Trotzdem und gerade weil das Verhalten von Mitarbeitern für die Erzielung einer hohen Versichertenzufriedenheit wichtig ist, sollte im Zielsystem einer Kasse neben der Kundenorientierung (externes Beziehungsmanagement) die Mitarbeiterorientierung (internes Beziehungsmanagement) zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit – und damit indirekt zur Steigerung der Kundenzufriedenheit – eine zentrale Stellung einnehmen. Dabei umfasst Mitarbeiterorientierung „alle bewusst aufgebauten und angewendeten Grundsätze, Regeln, Systeme, Instrumente und Aktivitäten, die sich auf die Arbeit, die Zusammenarbeit, die Führung und auf das Leben von Personen in Unternehmen beziehen“.24 Maßnahmen zur Stärkung der Mitarbeiterzufriedenheit sind beispielsweise das Aufzeigen der persönlichen Perspektiven im Unternehmen, das regelmäßige Angebot zur Weiterbildung oder das Einbeziehen der Mitarbeiter in für sie relevante Entscheidungen.25 Die Optimierung der Zufriedenheit der Versicherten mit den Mitarbeitern einer Krankenkasse bzw. mit dem Angebot einer Kasse reicht für die Maximierung der Versichertenzufriedenheit jedoch nicht aus, da es sich bei der Beziehung „Kasse-Versicherter“ – im Gegensatz zu vielen anderen Kundenbeziehungen – um eine spezielle Situation handelt. Dies resultiert daraus, dass der Versicherte im Krankheitsfall neben der Rolle des Versicherten gleichzeitig die Rolle des Patienten einnimmt und somit zwei Transaktionsebenen existieren: Zum einen finden Transaktionen zwischen der Kasse und dem Versicherten und zum anderen zwischen dem Patienten und dem Versorger statt. Im Krankheitsfall sind die Transaktionen zwischen der Kasse und dem Versicherten darüber hinaus zumeist nur indirekt, da sie über den Versorger abgewickelt wer___________ 23
Vgl. Diller (1996), S. 89; Weinberg (1999), S. 41 f.; Bouncken (2000), S. 5 ff. Schröder (1998), S. 55. 25 Für weitere Maßnahmen zur Steigerung der Mitarbeiterzufriedenheit vgl. Stock (2003), S. 260. Vgl. zu dem direkten Einfluss von Mitarbeiterzufriedenheit auf die Kundenzufriedenheit ebenfalls Stock (2003), S. 254 ff. 24
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
129
den, der über die Krankenversichertenkarte des Patienten direkt mit der Kasse bzw. mit der K(Z)V in Kontakt tritt. Ist ein Patient mit der Leistung eines Versorgers nicht zufrieden, hat er gegenwärtig die Möglichkeit den Leistungserbringer ohne größere Schwierigkeiten zu wechseln. Diese Wechselmöglichkeit ist bei Vertragswettbewerb jedoch nur noch eingeschränkt möglich, da Versicherte grundsätzlich nur die Versorger konsultieren können, mit denen ihre Kasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat.26 Sind die Patienten mit einem Versorger unzufrieden und haben nicht bzw. lediglich eingeschränkt die Möglichkeit einen anderen Leistungserbringer aufzusuchen, wird sich die Unzufriedenheit mit dem Versorger auf die Kasse übertragen. Für die Versichertenzufriedenheit ist somit das Angebot der Kasse und das Verhalten bzw. die Kompetenz der Mitarbeiter der Kasse relevant. Im Krankheitsfall trägt jedoch darüber hinaus auch das Verhalten bzw. die Kompetenz der unter Vertrag genommenen Versorger zur Versicherten- bzw. Patientenzufriedenheit bei. Falls Versicherte mit der Leistung einer Kasse bzw. mit den Leistungen der Versorger, mit denen die Kasse selektiv kontrahiert hat, unzufrieden sind, ist dafür Sorge zu tragen, dass diesen Kunden ausreichend Gelegenheit gegeben wird sich zu beschweren, um diese gefährdeten Beziehungen wieder zu stabilisieren.27 Hierfür bietet sich ein Beschwerdemanagement an, welches die Entdeckung sowie die Analyse von Unzufriedenheit und – in einem letzten Schritt – die Umwandlung von Unzufriedenheit in Zufriedenheit als zentrale Ziele hat.28 Um Versicherte zu motivieren, sich bei Unzufriedenheit zu beschweren, muss ihnen die Beschwerde so einfach wie möglich gemacht werden. Nach Stauss liegt daher die wesentliche Aufgabe eines Beschwerdemanagements u. a. in der ___________ 26
Konsultieren Versicherte Versorger, mit denen ihre Kasse keinen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, ist fraglich, ob und in welchem Unfang die Kasse die Kosten der Behandlung übernehmen wird. 27 Rust et al. haben in einer empirischen Studie herausgefunden, dass „worse-thanexpected quality hurts more than better-than-expected quality helps“. Rust/Inman/Jia et al. (1999), S. 89. Dies impliziert, dass Probleme von unzufriedenen Kunden als erstes behoben werden müssen, um die Beziehung zu stabilisieren, bevor versucht wird, die bereits existierende positive Diskrepanz zwischen Erwartungen und Erfahrungen bei zufriedenen Kunden noch zu vergrößern. Vgl. Rust/Inman/Jia et al. (1999), S. 88 ff. Andreasen hat in einer Studie über das Wechselverhalten von Patienten herausgefunden, dass die Mehrheit der unzufriedenen Patienten den Arzt gewechselt hat, ohne sich zu beschweren. Vgl. Andreasen (1985), S. 140. 28 Vgl. Stauss/Seidel (1996), S. 22 f. und S. 59 ff. Nach der Auffassung zahlreicher Autoren kann die Bindung eines unzufriedenen Kunden an einen Anbieter sogar erhöht werden, wenn er mit der Art und Weise des Umgangs mit seiner Beschwerde zufrieden ist. Hier wird auch von „Beschwerdezufriedenheit“ gesprochen. Vgl. Richins (1983), S. 76; Fornell/Westbrook (1984), S. 68 ff.
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2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
Beschwerdestimulierung.29 Daneben werden die Beschwerdeannahme, die Beschwerdebearbeitung und -reaktion sowie die Auswertung der Beschwerden ebenfalls als zentrale Aufgaben eines Beschwerdemanagements angesehen. Den obigen Überlegungen zur Kundenzufriedenheit ungeachtet, herrscht in der Literatur eine weitgehende Übereinstimmung, dass Kundenzufriedenheit eine notwendige, jedoch nicht unbedingt eine hinreichende Bedingung für freiwillige Kundenbindung ist.30 Diverse Autoren konnten empirisch einen positiven funktionellen Zusammenhang zwischen diesen beiden Variablen nachweisen.31 Eine exakte Spezifikation der Funktion ist in der Literatur jedoch nur selten zu finden. Eine weitgehende Übereinstimmung der Autoren besteht allerdings darin, dass die Funktion nicht linear ist und auch nicht in jeder AnbieterKunden-Beziehung identisch verläuft, sondern von Beziehung zu Beziehung unterschiedlich ist.32 Als Gründe für einen Wechsel von zufriedenen Kunden sind u. a. der Wunsch nach Abwechslung (variety seeking), die Überzeugungsleistungen anderer Personen oder die Änderung von Erwartungshaltungen an die Leistungen zu nennen.33 Durch ein internes Servicecontrolling konnte die Deutsche Angestellten Krankenkasse (DAK) ermitteln, dass bei Versicherten neben monetären Kriterien die Zufriedenheit bei der Entscheidung, einer Krankenkasse die Treue zu halten, die größte Rolle spielt.34 Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch andere empirische Studien.35 Prinzipiell wird die Zufriedenheit der Versicherten bei Krankenkassen durch viele einzelne Faktoren (z. B. Leistungen, Beitragssatz, Infrastruktur, Organisation, Beziehung: Mitarbeiter und Versicherter, Informationsverhalten, Image) beeinflusst, wobei sich diese Faktoren wieder in weitere ___________ 29
Vgl. hierzu und zum Folgenden Stauss/Seidel (1996), S. 61 ff. Vgl. Reichheld (1993b), S. 111; Reichheld (1996), S. 58. Vgl. außerdem Müller/Riesenbeck (1991), S. 68 ff.; Gierl (1993), S. 90 ff.; Dick/Basu (1994), S. 104; Diller/Müllner (1997), S. 25; Homburg/Giering/Hentschel (1999a), S. 175; Homburg/ Giering/Hentschel (1999b), S. 83 ff.; Giering (2000), S. 191 ff.; Kunze (2000), S. 5 ff.; Gommans/Krishnan/Scheffold (2001), S. 45; Bartikowski (2002), S. 1 f.; Töpfer/Opitz (2005), S. 15. 31 Vgl. Halstead/Page (1992), S. 1 ff.; Taylor/Baker (1994), S. 164 ff.; Fornell/ Johnson/Anderson et al. (1996), S. 7 ff.; Mooradian/Olver (1997), S. 379 ff.; Patterson/ Johnson/Spreng (1997), S. 4 ff.; Mittal/Ross/Baldasare (1998), S. 35 ff.; Rust/Inman/Jia et al. (1999), S. 77 ff. 32 Vgl. Müller/Riesenbeck (1991), S. 68 ff.; Meyer/Dornach (1996), S. 15 ff. und S. 96 f.; Meyer/Dornach (2000), S. 2 ff. und S. 26 ff.; Homburg/Giering/Hentschel (2003), S. 106 ff. Giering hat in ihrer Arbeit eine Reihe moderierender Variablen identifiziert, die einen Einfluss auf den Zusammenhang zwischen Kundenbindung und Kundenzufriedenheit haben. Vgl. Giering (2000), S. 100 ff. 33 Vgl. Gierl (1993), S. 92. 34 Vgl. Deutsche Angestellten Krankenkasse (2004b). 35 Vgl. Gabel/Opitz (2000), S. 22; Töpfer/Opitz (2005), S. 11 ff. 30
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
131
Einzelkomponenten untergliedern lassen, so dass ein Gerüst von Komponenten entsteht, die Einfluss auf die Zufriedenheit von Versicherten haben.36 Den Krankenkassen steht somit eine Reihe von Parametern zur Verfügung, um auf die Zufriedenheit ihrer Versicherten Einfluss zu nehmen.
3. Nettonutzen Ein Wirtschaftssubjekt wird ein Gut nur dann kaufen, wenn die Höhe des derzeitigen oder des erwarteten Nutzens mindestens genauso hoch ist wie die mit dem Kauf verbundenen Kosten.37 Dies impliziert, dass eine Person nur dann bei einem bestimmten Unternehmen etwas kaufen wird, wenn der erwartete Nettonutzen zum einen positiv und zum anderen – im Vergleich zu anderen Wettbewerbern – höher ist.38 Abbildung 19 verdeutlicht diese beiden Dimensionen.39
Nettonutzen Nutzenkomponente Kosten
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 19: Der Nettonutzen
___________ 36
Vgl. Terra Consulting Partners (2004). Nutzen ist kein beobachtetes Konstrukt, sondern es können lediglich aus dem Nutzen abgeleitete Präferenzurteile beobachtet werden. Präferenzen sind somit das abgeleitete Ergebnis eines Nutzenvergleichs von Alternativen. In dieser Arbeit wird die Theorie der „constrained preferences“ zugrunde gelegt, welche die Präferenzen als ein Ergebnis eines Auswahlprozesses unter Berücksichtigung von Kaufrestriktionen (z. B. Budgetrestriktion) verstehen. Bei dem Auswahlprozess findet dementsprechend ein Vergleich von Nettonutzen statt. Vgl. hierzu Hahn (1997), S. 6; Teichert (2001), S. 24; Voeth (2003), S. 60. 38 Vgl. Plinke (1995), S. 311; Anderson/Narus (1998), S. 54 f.; Voeth (2000), S. 16 ff. Für eine Kaufentscheidung ist die Varianz des erwarteten Nutzens ebenfalls entscheidend. Ist diese vergleichbar groß, erhöht sich das Kaufrisiko für ein Wirtschaftssubjekt. Dies kann dazu führen, dass eine Person ein Produkt präferiert, welches einen geringeren erwarteten Nutzen hat als ein anderes Produkt. Zu diesem Sachverhalt haben Rust et al. zwei empirische Studien durchgeführt. Vgl. daher Rust/Inman/Jia et al. (1999), S. 88 ff. 39 Vgl. Voeth (2000), S. 16 ff. 37
132
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
Aus dieser Überlegung folgt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass sich ein Kunde freiwillig an ein Unternehmen bindet, nur dann hoch sein wird, wenn der derzeitige Nettonutzen bzw. der zukünftig zu erwartende Nettonutzen positiv ist und den Erwartungen entspricht bzw. sie übertrifft.40 Allgemein kann davon ausgegangen werden, dass Bindungen in der Regel umso stabiler sind, je höher die Vorteile (je höher der Nettonutzen) für den Kunden und für den Anbieter sind. In Anlehnung an Lancaster wird angenommen, dass ein Gut bzw. eine Dienstleistung aus verschiedenen Eigenschaften besteht und sich der Gesamtnutzen des Gutes bzw. der Dienstleistung aus vielen einzelnen Nutzenbestandteilen zusammensetzt, die additiv verknüpft sind.41 Daher wird im Folgenden auch von einem multiattributiven Nutzen gesprochen. Die multiattributive Nutzenkomponente wird in der betriebswirtschaftlichen Literatur in den Produktnutzen42 und den Transaktionsnutzen unterteilt.43 Dabei ist unter dem Produktnutzen bzw. unter dem primären Nutzen der direkte Nutzen von einem Produkt bzw. einer Dienstleistung zu verstehen. Unter dem Transaktionsnutzen werden alle Nutzenbestandteile, die aus der Transaktion selber resultieren, subsumiert. Guter Service, freundliche und kompetente Mitarbeiter, ein kurzer Weg zu einer Einkaufstätte (Bequemlichkeit) etc. sind Beispiele für den Transaktionsnutzen.44 Dieses Nutzenkonzept ist jedoch nicht weit reichend genug, da der Nutzen auch durch das Verhalten anderer Personen determiniert werden kann. Zudem sollte die positive emotionale Komponente eines Kaufs nicht vergessen werden.45 Aus diesem Grund ist die in der Literatur häufig anzutreffende Aufteilung des Nutzens in Produkt- und Transaktionsnutzen um den externen und den emotionalen Nutzen zu erweitern.46 Externer Nutzen entsteht dann, wenn das Verhalten Dritter den Nutzen positiv beeinflusst, ohne dass dies über den ___________ 40 Vgl. Helm/Günter (2001), S. 10 ff.; von Wangenheim/Bayon/Weber (2002), S. 183 f. 41 Vgl. zu eigenschaftsbezogenem Nutzen Lancaster (1966), S. 133 ff.; Voeth (2000), S. 13 ff.; Voeth (2003), S. 60. 42 Bei Dienstleistungen ist es aus begrifflichen Gründen nicht besonders vorteilhaft, von einem Produktnutzen zu sprechen. Daher wird in dieser Arbeit von einem primären Nutzen gesprochen, wenn auf Dienstleistungen Bezug genommen wird. 43 Vgl. Plinke (1995), S. 309 ff. 44 Eine etwas andere Definition von Transaktionsnutzen ist bei Thaler zu finden, der unter Transaktionsnutzen den Nutzen versteht, den ein Individuum hat, wenn er einen geringeren Preis zahlen muss als er zu zahlen bereit gewesen wäre. Vgl. Thaler (2000), S. 248. In dieser Arbeit wird allerdings dem Begriffsverständnis von Plinke gefolgt. 45 Vgl. hierzu auch Oliver (1993), S. 418 ff.; Mooradian/Olver (1997), S. 379 ff. 46 Eine Aufteilung des Nutzens in den Produkt- und den Transaktionsnutzen ist zu unter anderem zu finden bei Thaler (1983), S. 230; Thaler (1985), S. 204 ff.; Kaas (1992), S. 8 ff.; Plinke (1995), S. 309 ff.
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
133
Preismechanismus abgebildet wird.47 Wenn der (potenzielle) Kauf positive emotionale Effekte auf den Abnehmer hat, entsteht emotionaler Nutzen. Da der Nutzen der einzelnen Nutzenbestandteile einer Leistung vor dem Kauf häufig nicht exakt quantifiziert werden kann, ist die Höhe der multiattributiven Nutzenkomponente vor dem Kauf letztendlich nur eine Erwartungsgröße.48 Auch nach dem Kauf ist es für den Käufer bei Gütern mit bestimmten Eigenschaften (z. B. bei Vertrauensgütern) schwer oder unmöglich, die Höhe des Nutzens genau zu quantifizieren. Ebenso wie der Nutzen setzen sich die Kosten aus mehreren Bestandteilen zusammen. Das Entgelt für ein Gut ist ein Teil der Kostenkomponente. Zugleich sind beispielsweise Informations- und Verhandlungskosten sowie die „Missachtung“ des getätigten Kaufs durch andere – dem Käufer wichtige – Personen Faktoren, die die Kostenkomponente in ihrer Höhe beeinflussen. In der Literatur werden in dem Entgelt – als finanzielle Gegenleistung für eine Leistung – und den Transaktionskosten die beiden Komponenten gesehen, die die Höhe der Kosten determinieren.49 Diese Unterteilung ist jedoch ebenfalls nicht weit reichend genug, da das Verhalten anderer Personen auch Einfluss auf die Höhe der Kosten haben kann. Aus diesem Grund wird das Nutzenkonzept um die externen Kosten erweitert.50 Zudem existieren weitere nicht-monetäre Kosten, die die Höhe der Kostenkomponente beeinflussen. So ist es denkbar, dass sich eine Person bei dem Kauf bzw. nach dem Kauf eines Produktes nicht wohl fühlt und kognitive Dissonanzen auftauchen. Diese negative emotionale Komponente ist daher bei der Nettonutzenkalkulation zu berücksichtigen und die multiattributive Kostenkomponente ist um die emotionalen Kosten zu erweitern. Emotionale Kosten können möglicherweise durch die Beschaffung von mehr Informationen reduziert werden. Gleichzeitig steigen dabei jedoch die Transaktionskosten. Ob die multiattributive Kostenkomponente durch derartiges Vorgehen gesenkt oder erhöht wird, hängt dabei von der Höhe der Reduktion der emotionalen Kosten und der Steigerung der Transaktionskosten ab.
___________ 47 Vgl. Voeth (2003), S. 60 ff. Wird das Nutzenniveau eines Individuums durch das Verhalten von Dritten beeinflusst, wird in der Theorie des Marktversagens von externen Effekten gesprochen. Eine ausführliche Definition der diversen Arten von externen Effekten ist zu finden bei Fritsch/Wein/Ewers (1993), S. 54 f. 48 Vgl. Voeth (2003), S. 60. 49 Vgl. Plinke (1995), S. 311. 50 Vgl. Voeth (2003), S. 61 f.
externer Nutzen Nettonutzen emotionaler Nutzen externe Kosten Transaktionsnutzen Produktnutzen bzw. primärer Nutzen
emotionale Kosten Transaktionskosten Entgelt
multiattributive Kostenkomponente
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
multiattributive Nutzenkomponente
134
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 20: Multiattributive Nutzen- und Kostenkomponente
Wie bereits dargestellt, wird insbesondere bei Vertragswettbewerb die Zufriedenheit der Patienten mit der Kompetenz und dem Verhalten der Versorger, mit denen eine Krankenkasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat und die die Versicherten im Krankheitsfall ohne bestimmte Auflagen konsultieren können, Einfluss auf die Gesamtzufriedenheit eines Versicherten haben und die Nutzen- bzw. Kostenkomponente eines Krankenversicherungsvertrages beeinflussen. Es ist plausibel anzunehmen, dass die messbaren Qualitätsaspekte der Versorger, mit denen eine Kasse selektive Versorgungsverträge abschließt, bis zu einem gewissen Grade über den Preismechanismus abgebildet werden können. Da jedoch Qualitätsaspekte (z. B. die Prozessqualität) existieren, die schwer objektiv messbar sind und darüber hinaus jeder Versicherte bzw. jeder Patient weitere subjektive Maßstäbe bei der Bewertung von Versorgern und deren Leistung zugrunde legt, wird eine Kasse die Versorgungsqualität ihrer unter Vertrag genommenen Versorger nie zu 100 % über den Preismechanismus abbilden können. Das bedeutet, dass die Höhe des Nettonutzens einer Krankenkasse in einem gewissen Umfang durch Dritte mitbestimmt wird, ohne dass die Kasse direkt Einfluss darauf hat und ohne dass dies über den Preis abgebildet werden kann. Somit kann von externem Nutzen bzw. externen Kosten gesprochen werden. Langfristig kann die Kasse natürlich die Versorgerstruktur modifizieren und damit Einfluss auf die Höhe der externen Kosten bzw. des externen Nutzens nehmen. An der Tatsache, dass Dritte generell Einfluss auf die Höhe des Nettonutzens haben, ändert sich jedoch auch durch eine modifizierte Versorgerstruktur nichts. Grundsätzlich hat ein Anbieter allerdings die Möglichkeit, auf die multiattributive Nutzenkomponente und multiattributive Kostenkomponente Einfluss zu nehmen, um den Nettonutzen zu erhöhen und damit die Kaufentscheidung eines potenziellen Abnehmers positiv zu beeinflussen.
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
135
Versorger
externer Nutzen
Nettonutzen externe Kosten
Nutzen Kosten Krankenversicherungen
Versicherte / Patienten
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 21: Beeinflussung der Nutzenhöhe eines Krankenversicherungsangebotes durch Versorger
Wie aus Abbildung 22 deutlich wird, existieren generell zwei Interventionsrichtungen: Zum einen kann der Anbieter versuchen, die Nutzenkomponente zu erhöhen; zum anderen kann er versuchen, die Kostenkomponente zu reduzieren. Hierfür gibt es zahlreiche Möglichkeiten, die in Kapitel 7 ausführlich diskutiert werden.
Nutzenkomponente
Kostenkomponente Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 22: Interventionsrichtungen zur positiven Beeinflussung der Kaufentscheidung eines potenziellen Abnehmers
II. Typologisierungskriterien der Kundenbindung Bindungen können in gänzlich unterschiedlichen Ausprägungen auftreten und auf den unterschiedlichsten Ursachen basieren. In der Literatur existieren zahlreiche Systematisierungsversuche für Kundenbindung.51 Dabei werden in ___________ 51 Vgl. zu den verschiedenen Typologisierungsversuchen von Kundenbindung unter anderem Backhaus/Büschken (1995), S. 140 f.; Plinke (1995), S. 306 ff.; Diller (1996), S. 87; Walther (1996), S. 142 ff.
136
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
den verschiedenen Quellen gleiche oder ähnliche Kriterien mit unterschiedlichen Bezeichnungen belegt, was zu inhaltlichen Überschneidungen und damit zu Problemen bei der Anwendung führt. Kennzeichnend für eine Bindung innerhalb einer Geschäftsbeziehung ist, dass sie in der Regel nicht nur durch eine einzige Eigenschaft charakterisiert wird, sondern sich vielmehr durch mehrere Merkmale auszeichnet.52 Ziel dieser Arbeit ist es zu untersuchen, wie Krankenkassen unter verschärften wettbewerblichen Bedingungen ihre Versicherten binden und somit Abwanderung verhindern können. Die Auswahl der Typologisierungsmerkmale, die im Folgenden näher erläutert werden, hat sich deshalb in erster Linie an diesem Ziel orientiert. So ist es für die Kundenbindung bei Krankenkassen wichtig zu unterscheiden, –
aus welchem Grund sich ein Versicherter an eine Krankenkasse bindet bzw. welche Nutzenkomponenten den Gesamtnutzen eines Krankenversicherungsvertrages maßgeblich mitbestimmen (Bindungsursache),
–
an welche Objekte die Bindung erfolgt (Bindungsobjekte) und
–
ob die Bindung zwischen der Kasse und dem Versicherten asymmetrisch oder symmetrisch ist (Bindungssymmetrie).
Aus Vollständigkeitsgründen werden ferner der Bindungszeitpunkt und die Bindungsdauer sowie die Bindungsintensität dargestellt. Für die Ableitung von konkreten Bindungsmaßnahmen sind allerdings insbesondere die drei erstgenannten Typologisierungskriterien bedeutsam. Anzumerken bleibt noch, dass die Merkmale nicht unabhängig voneinander sind, sondern sich häufig gegenseitig bedingen.53
1. Bindungsursache Bindungen entstehen durch unterschiedliche Ursachen. So kann es für Kunden ökonomische Anreize geben, bei einem bestimmten Anbieter wiederholt Transaktionen durchzuführen. Daneben existieren soziale, psychisch-emotionale, technisch-funktionale, situative und rechtliche Ursachen, die zu einer engen Bindung zwischen einem Anbieter und einem Kunden führen können.54 Für ___________ 52
In dieser Arbeit werden die Begriffe Eigenschaft und Merkmal synonym verwen-
det. 53
Vgl. Peter (1999), S. 23. Vgl. Backhaus/Büschken (1995), S. 140 f.; Peter (1999), S. 23 ff.; Weinberg/ Terlutter (2005), S. 44 ff. An dieser Stelle soll darauf hingewiesen werden, dass die vorgenommene Unterteilung der Bindungsursachen nur theoretischer Natur ist und sich die 54
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
137
die Bindung eines Versicherten an eine Kasse ist eine technisch-funktionale Bindung allerdings irrelevant und wird daher im Folgenden nicht näher analysiert. Ökonomische Bindungsursachen beziehen sich überwiegend auf folgende Nutzen- bzw. Kostenkomponenten: auf das Entgelt und die Transaktionskosten sowie auf den Produkt- bzw. den primären Nutzen. So kann bei einer Krankenkasse das Krankenversicherungsangebot selbst und damit die Höhe des primären Nutzens der ökonomische Grund sein, warum sich ein Versicherter an eine Kasse bindet. Ferner kann die Höhe des Beitragssatzes (das Entgelt) das wichtigste Motiv für eine Bindung sein. Durch eine präferenzgerechte Gestaltung des Versicherungsangebotes können Krankenkassen somit versuchen, Versicherte zu binden. Versuchen Kassen durch den Aufbau von Wechselkosten Kunden an sich zu binden, so fällt dies ebenfalls unter eine ökonomische Bindung.55 Wechselkosten entstehen für einen Abnehmer z. B. dann, wenn er für eine spezielle Geschäftsbeziehung spezifische Investitionen in monetärer oder nicht-monetärer Form tätigen muss.56 Auch durch die Gewährung von Treuerabatten kann versucht werden, Kunden zu binden. Momentan sind in der GKV ökonomische Anreize zur Kundenbindung noch nicht sehr verbreitet, obwohl das GMG die Möglichkeit dafür vergrößert hat. So können Krankenkassen nach § 65a SGB V ihren Versicherten einen Bonus gewähren, wenn sie regelmäßig Leistungen zur Früherkennung oder qualitätsgesicherte Leistungen der Krankenkasse zur primären Prävention in Anspruch nehmen. Ein Versicherter bekommt also nur dann einen finanziellen Bonus, wenn er vorher in seine Gesundheit „investiert“ hat. Allerdings haben Kassen gegenwärtig nur äußerst geringe Möglichkeiten das Versorgungsangebot kassenindividuell zu gestalten und sich damit von ihren Wettbewerbern zu differenzieren. Darüber hinaus sind sie bei der Festlegung des Beitragssatzes an strenge gesetzliche Vorgaben gebunden. Die Möglichkeit, kassenindividuelle Versorgungsangebote zu erstellen und damit Versicherte über ökonomische Anreize an sich zu binden, wird sich jedoch bei selektivem Kontrahieren grundlegend ändern. Neben dem ökonomischen Anreiz kann es für einen Versicherten eine soziale Motivation geben, sich an eine Krankenkasse zu binden. Bei einem sozialen Bindungsgrund wird die Höhe des emotionalen Nutzens tangiert. Unter eine soziale Motivation fallen z. B. soziale Kontakte zwischen der Kasse und dem Versicherten.57 Diese können beispielsweise durch Unternehmensbesichtigungen oder Chats aufgebaut werden, in denen der Versicherte die Möglichkeit hat, ___________ Ursachen zum Teil sogar überlappen. In der Realität existieren auch Kombinationen der einzelnen Bindungsursachen. 55 Vgl. Backhaus/Büschken (1995), S. 140. 56 Vgl. Jackson (1985), S. 124 f.; Dittrich (2000), S. 60 f. 57 Vgl. Diller/Negelmann (1998), S. 3 f.
138
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
mit Mitarbeitern oder mit anderen Versicherten der Krankenkasse Kontakt aufzunehmen und über verschiedene Dinge zu diskutieren. Dabei müssen nicht unbedingt die Produkte oder die Kasse selbst im Mittelpunkt stehen. Der IKK Bundesverband bietet beispielsweise auf einer Homepage einen Chat für Jugendliche an.58 Dort können interessierte Jugendliche im One-to-one-Chat mit Mitarbeitern der IKK über verschiedene Dinge diskutieren. Weiterhin wird dort über Themen berichtet, für die sich speziell Jungendliche interessieren. Eine psychisch-emotionale Bindung eines Versicherten an eine Kasse liegt auf der einen Seite dann vor, wenn er zufrieden mit den bereits realisierten Transaktionen ist bzw. wenn ein Vertrauensverhältnis zwischen ihm und der Kasse existiert.59 Hier ist also – ebenso wie bei der sozialen Bindungsursache – die Höhe des emotionalen Nutzens ein wichtiger Grund für die Bindung. Auf der anderen Seite kann jedoch auch Angst des Versicherten zu einem psychischen Abhängigkeitsverhältnis führen, wobei die Angst die unterschiedlichsten Ursachen haben kann.60 Die Bindung ist in solch einem Fall nicht freiwillig, sondern vielmehr eine „Muss-Bindung“. Da insbesondere zwischen einer Krankenkasse und einem Versicherten häufig sensible Themen besprochen werden, können dort leicht Bindungen entstehen, die eine psychisch-emotionale Ursache haben. Wie bereits kurz angedeutet, ist eine Trennung der Bindungsursachen häufig nur theoretischer Natur. Insbesondere ist bei Bindungen, die eine soziale Bindungsursache haben, vielfach auch eine psychisch-emotionale Komponente vorhanden. Unter einer situativen Bindungsursache werden äußere Faktoren subsumiert, die dazu führen, dass ein Kunde wiederholt bei dem gleichen Anbieter kauft.61 Ist eine situative Ursache ein Grund für die Bindung, ist die Höhe des Transaktionsnutzens ein wichtiger Nutzenbestandteil, der zur Bindung beiträgt. Ist beispielsweise die Lage einer Einkaufstätte für einen Abnehmer günstig, so wird er nicht zuletzt aus Bequemlichkeit den Anbieter häufig frequentieren. Ein weiteres Beispiel ist die Marktstruktur. Gibt es eine monopolistische oder oligopolistische Marktstruktur, wird ein Kunde vermehrt bei einem Anbieter kaufen, weil er (unter Umständen) keine andere Wahl hat. Es ist davon auszugehen, ___________ 58
Vgl. IKK (2006). Vertrauen resultiert immer aus der Kongruenz zwischen Worten und Taten. Werden die Erwartungen eines Kunden durch die Erfahrungen mit einem Anbieter bestätigt, reduziert sich das Risiko einer Fehlentscheidung bei einem wiederholten Kauf, Vertrauen baut sich auf und die Wahrscheinlichkeit eines Wiederkaufs nimmt zu. Vgl. Plinke (1995), S. 312. Vgl. auch Weiber/Beinlich (1994), S. 122; Homburg/Bruhn (1999), S. 11; Dittrich (2000), S. 64 f. 60 Vgl. beispielsweise Jackson (1985), S. 124 ff.; Dick/Basu (1994), S. 104. 61 Vgl. Homburg/Bruhn (1999), S. 10 f. 59
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
139
dass diese Bindungsursache bei Krankenkassen nicht sehr relevant ist, da ein Versicherter nicht monatlich seinen Mitgliedsbeitrag persönlich bei seiner Kasse entrichtet und folglich nicht selbst eine Geschäftsstelle aufsuchen muss. Vorstellbar ist allerdings trotzdem, dass Versicherte sich beispielsweise aufgrund einer guten Erreichbarkeit von Geschäftsstellen an eine Krankenkasse binden. Eine Bindung kann ferner rechtliche Ursachen haben. So kann ein Käufer durch eine vertragliche Vereinbarung oder durch gesetzliche Vorschriften an einen Anbieter gebunden sein und umgekehrt.62 Eine gesetzliche Bindung eines Kunden an einen Anbieter liegt bei einer Mitgliedschaft bei einer Krankenkasse vor. Entscheidet sich eine Nachfrager für die Mitgliedschaft bei einer Kasse, so ist er gemäß § 175 Absatz 4 SGB V die folgenden 18 Monate an diese gebunden. Während dieser Zeit hat er nur in Ausnahmefällen – z. B. bei Erhöhung des Beitragssatzes – ein Sonderkündigungsrecht und die Möglichkeit, zu einer anderen Krankenkasse zu wechseln. Abschließend ist anzumerken, dass die Ebene, auf der versucht wird einen Versicherten an eine Kasse zu binden, von verschiedenen Faktoren abhängt. Für gesetzliche Krankenversicherungen ist es beispielsweise nicht möglich, eine Bindung auf technisch-funktionaler Ebene aufzubauen. Auch die Möglichkeiten zum Aufbau einer ökonomisch motivierten Bindung sind gegenwärtig noch eingeschränkt, da den Krankenkassen nur bedingt Handlungsparameter zur Verfügung stehen, um ihren Versicherten kassenindividuelle ökonomische Kaufanreize zu bieten und um sich damit von ihrer Konkurrenz zu differenzieren. Dies kann sich jedoch unter veränderten Rahmenbedingungen und insbesondere bei Vertragswettbewerb grundlegend ändern, denn in solch einer Situation werden die Kassen selbstständig – bei vorgegebenem Leistungsumfang – individuelle Versicherungsangebote zusammenstellen, sich damit von ihren Wettbewerbern differenzieren und ihren Versicherten individuelle ökonomische Anreize zur Bindung bieten.
___________ 62 Eine vertragliche Vereinbarung zwischen zwei Geschäftspartnern bietet sich immer dann an, wenn spezifische Investitionen bei einem Partner notwendig sind und damit die interne Stabilität der Geschäftsbeziehung nicht sehr groß ist. Eine interne Stabilität liegt genau dann vor, wenn die Beendigung einer Geschäftsbeziehung sowohl für den Anbieter als auch für den Kunden gleich „schmerzlich“ ist, weil die gegenseitigen faktischen Abhängigkeiten beider Partner gleich groß sind. Vgl. Backhaus (1999), S. 727.
140
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
2. Bindungsobjekt Traditionell wird zwischen Bindungen differenziert, die einen Leistungs-, Personen- oder Unternehmensbezug haben.63 Die Bindung an eine Leistung kann etwa auf einer Bindung zu einer bestimmten Marke (Markenbindung), einer bestimmten Produkttechnologie oder einer bestimmten Dienstleistung beruhen. Insbesondere in Massenmärkten, in denen der Anbieter häufig keinen direkten Kontakt zum Kunden hat, spielt die Bindung eines Kunden zu einer Leistung eine besondere Bedeutung. Speziell für einen Abnehmer hergestellte Güter oder ein besonders guter Service eines Unternehmens können darüber hinaus zu einer Bindung auf der Leistungsebene beitragen. Auch bei Vertrauens- oder Erfahrungsgütern ist anzunehmen, dass eine Bindung einen Leistungsbezug hat. Bei der Einführung von selektivem Kontrahieren auf dem GKV-Versorgungsmarkt wird das Versorgungsangebot einer Krankenkasse zu einem Gut mit Vertrauens- und Erfahrungsguteigenschaften, denn eine Krankenkasse wählt – als Agent ihrer Versicherungsnehmer – die Versorger aus, die die Versicherten im Krankheitsfall konsultieren können. Vertraut ein Versicherter seiner Kasse bei der Auswahl der Versorger bzw. hat er bereits gute Erfahrungen mit den Versorgern gemacht, mit denen ein Versorgungsvertrag abgeschlossen wurde, hat die Bindung eines Versicherten zu seiner Kasse auch einen Leistungsbezug. Beruht die Bindung auf einer persönlichen Beziehung zu einer in einem Unternehmen tätigen Person, so handelt es sich bei dem Bindungsobjekt um eine Person.64 Persönliche Bindungen beruhen auf unterschiedlichen Ursachen. So kann die Kompetenz eines Mitarbeiters oder die Sympathie zwischen Kunde und Mitarbeiter Ursache für die persönliche Bindung sein. Speziell bei Dienstleistungsunternehmen spielt die persönliche Bindung von Mitarbeitern zu Kunden eine große Rolle. Viele BKKen sind z. B. traditionell eng mit einem Unternehmen verwurzelt und ihre Geschäftstellen sind örtlich sehr nah an dem Unternehmen, aus dem sie hervorgegangen sind, angesiedelt, oder die Geschäftsstellen sind sogar auf dem Unternehmensgelände zu finden.65 Durch diese örtli___________ 63 Vgl. hierzu Morris/Holman (1988), S. 118 ff.; Plinke (1995), S. 308 f.; Peter (1999), S. 27 f.; Plinke/Söllner (1999), S. 57; Dittrich (2000), S. 70 ff.; Homburg/Bruhn (2005), S. 18 f.; Zentes/Swoboda/Morschett (2005), S. 174 ff. 64 Vgl. Reichheld (1993a), S. 68. 65 Eine Geschäftsstelle der BKK Faber-Castell & Partner ist direkt neben dem Vertrieb von Faber-Castell angesiedelt. Auch die Daimler Chrysler BKK hat eine Geschäftsstelle im Daimler Chrysler Services Haus und die Hauptzentrale der BKKBertelsmann befindet sich in unmittelbarer Nähe der Bertelsmann-Zentrale in Gütersloh. Die BKK-Mannesmann schreibt auf ihrer Homepage sogar explizit, dass ihre Geschäftsstellen in der Regel an Standorten der Mannesmann-Röhrenwerke AG angesiedelt sind. Vgl. BKK Mannesmann (2004).
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
141
che Nähe und die Verbundenheit zu der Kasse werden der Aufbau und Erhalt einer persönlichen Bindung zwischen den Mitarbeitern der Krankenkasse und den Versicherten erleichtert. Zu erwähnen ist, dass die Ursache von persönlichen Bindungen häufig auf psychisch-emotionaler Ebene zu finden ist und damit die Höhe des emotionalen Nutzens die Bindungsintensität zum Teil determiniert. Das dritte Bindungsobjekt ist das Unternehmen selbst. Auch hier können verschiedene Ursachen, die zu einer Bindung an das Unternehmen führen, herausgearbeitet werden. Eine lange Einkaufstradition, ein gutes Unternehmensimage und die Nähe der Wohn- bzw. Arbeitsstätte zu einem Unternehmen sind Faktoren, die zu einer Bindung an das Unternehmen führen können.66 Nach § 10 Absatz 2 SGB V sind Kinder bis zu einer bestimmten Altersgrenze bei ihren Eltern gesetzlich mitversichert.67 Dadurch kann bereits – bevor ein eigener Mitgliedsbeitrag gezahlt wird – eine Bindung an eine Krankenkasse entstehen. Abschließend ist zu konstatieren, dass die Bindung eines Versicherten nicht nur an ein Objekt geknüpft sein muss, sondern dass mehrere Bezugsobjekte die Basis für eine langfristige Beziehung bilden können. Bei der Bindung eines Versicherten an eine Krankenkasse ist allerdings zu vermuten, dass die Bindung gegenwärtig – da die Leistung bei allen Kassen weitestgehend identisch sind – eher einen Personen- oder Unternehmensbezug hat. Bei der Einführung von Vertragswettbewerb ist jedoch anzunehmen, dass der Leistungsbezug bei einer Bindung zunehmend in den Vordergrund rücken wird, denn in dieser Situation können die Krankenkassen erstmalig eigene individuelle Versorgungsangebote anbieten und haben die Möglichkeit, sich auf der Leistungsseite von ihren Wettbewerbern zu differenzieren.
3. Bindungssymmetrie Ein Anbieter und ein Kunde können gänzlich unterschiedliche Interessen an einer Beziehung haben, was ein unausgeglichenes Macht- und Abhängigkeitsverhältnis innerhalb einer Beziehung implizieren kann.68 In solch einem Fall ___________ 66 Auch die Bildung von Dachmarken kann genutzt werden, um die Bindung auf Unternehmensebene zu forcieren und eine nicht vergleichbare Unternehmens- und Markenidentität aufzubauen. Vgl. zum Thema Dachmarke Meffert (2002), S. 144 ff.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (2002), S. 232. 67 Die Altersgrenzen, bis zu denen ein Kind familienversichert ist, können in § 10 Absatz 2 SGB V nachgelesen werden. 68 Vgl. Morris/Holman (1988), S. 121 ff.; Rieker (1995), S. 12 ff.; Plinke/Söllner (2005), S. 69 ff.
142
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
wird von einer asymmetrischen Bindung zwischen Anbieter und Kunde gesprochen, die sich grundsätzlich in drei Varianten differenzieren lässt: 1.
Der Kunde hat ein größeres Interesse an der Beziehung bzw. er steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Anbieter, was dann der Fall sein kann, wenn er single sourcing69 betreibt oder der Anbieter ein Monopolist ist.
2.
Der Anbieter hat ein größeres Interesse an der Beziehung bzw. er steht in einem Abhängigkeitsverhältnis zum Kunden, was der Fall wäre, wenn der Kunde einer seiner wichtigsten Abnehmer ist bzw. wenn der Anbieter im Extremfall nur einen Kunden hat.
3.
Sowohl Kunde als auch Anbieter haben ein gleich großes Interesse an der Beziehung und es liegt kein Abhängigkeitsverhältnis zugunsten eines Partners vor.
Zwischen den ersten beiden kurz skizzierten Extremfällen existieren auf einem Kontinuum unendlich viele andere denkbare Fälle, bei denen der Grad des Interesses an der Bindung asymmetrisch verteilt ist. Das unterschiedliche Interesse von Geschäftspartnern an einer Beziehung hat verschiedene Gründe. Eine Begründung ist eine ungleichmäßige Verteilung der Nettonutzen. Dies kann zu einer asymmetrischen Bindung zwischen den Wirtschaftssubjekten führen, da für einen Partner die Bindung einen höheren Wert als für den anderen Partner darstellt und er damit auch ein höheres Interesse an der Aufrechterhaltung der Beziehung hat.70 Abbildung 23 stellt den Zusammenhang zwischen der positiven Nutzenkomponente und den Kosten beider Geschäftspartner, den daraus resultierenden Nettonutzen der Partner A und B sowie die entstehende Nettonutzendifferenz grafisch dar.
___________ 69
Vgl. zum Stichwort „single sourcing“ zum Beispiel Arnold (1997), S. 97 ff.; Nieschlag/Dichtl/Hörschgen (2002), S. 882. 70 Kritisch anzumerken ist, dass der absolute Nettonutzen nicht notwendigerweise Auskunft über die Höhe des Interesses eines Transaktionspartners an der Aufrechterhaltung der Beziehung gibt. Ein geringerer absoluter Nettonutzen eines Transaktionspartners kann für ihn eine viel höhere Bedeutung haben als ein höherer absoluter Nettonutzen für den anderen Transaktionspartner. Der interpersonelle kardinale Nutzenvergleich dient an dieser Stelle nur illustrativen Zwecken.
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung Nettonutzen Partner A positive Nutzenkomponente
Nettonutzen Partner B
143
positive Nutzenkomponente
Kosten Kosten
Partner A
Partner B Nettonutzendifferenz zwischen Partner A und Partner B
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an Dittrich (2000), S. 61
Abbildung 23: Nettonutzendifferenz
Bedingt die Beendigung der Beziehung für einen Transaktionspartner höhere Kosten als für den anderen oder sind die Wechselkosten für den Kunden besonders hoch, so kann auch von einer asymmetrischen Verbindung der beiden Partner gesprochen werden. Ein Versicherter befindet sich gegenwärtig in den ersten 18 Monaten eines Versicherungsverhältnisses in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Kasse, weil er nur in Ausnahmefällen seinen Krankenversicherungsvertrag kündigen kann. Da eine Kasse nicht nur einen einzigen Versicherten hat, liegt in der anderen Richtung indes kein Abhängigkeitsverhältnis vor. Nach den ersten 18 Monaten einer Beziehung kann grundsätzlich von einem ausgewogenen Beziehungsverhältnis zwischen Kasse und Versichertem ausgegangen werden, obwohl in bestimmten Bereichen Abhängigkeiten vorliegen. Beispielsweise liegt einerseits die alleinige „Macht“ zur Beendigung des Versicherungsverhältnisses bei dem Versicherungsnehmer, so dass unter diesem Gesichtspunkt von einem leichten Abhängigkeitsverhältnis der Kasse gesprochen werden kann. Andererseits befindet sich der Versicherte in bestimmten Fällen bei der Leistungsgewährung in einer Abhängigkeitsposition. Trotzdem erscheint es im Status quo angebracht – nach den ersten 18 Monaten eines Versicherungsverhältnisses – von einem ausgeglichenen Abhängigkeitsverhältnis zu sprechen. Bei Vertragswettbewerb kann es jedoch zu Abhängigkeiten kommen. So ist es möglich, dass ein Versorger, den ein Versicherter bereits seit langer Zeit konsultiert und zu dem er Vertrauen hat, im Extremfall nur mit einer einzigen Kasse einen Versorgungsvertrag abschließt. Ist dies der Fall und ist ein Patient daran interessiert auch weiterhin freien Zugang zu diesem Versorger zu haben, ist er als Versicherter an die Kasse gebunden, mit der der Versorger selektiv kontrahiert hat. Dies bedeutet, dass sich der Versicherte in einer Abhängigkeitsposition gegenüber der Kasse befindet. Somit kann eine Kasse, im Gegen-
144
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
satz zum Status quo, bei selektivem Kontrahieren durch einen geschickten Abschluss von Versorgungsverträgen Abhängigkeitspositionen herstellen und damit die Bindung eines Versicherten forcieren. Abschließend sei noch angemerkt, dass eine asymmetrische Bindung zwischen zwei Geschäftspartnern die Gefahr von opportunistischem Verhalten eines Geschäftspartners birgt. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn ein Partner stark von dem anderen abhängig ist.71
4. Bindungszeitpunkt und -dauer Bei einem Kauf wird zwischen verschiedenen Phasen unterschieden: der Vorkauf-, Kauf- und Nachkaufphase. Je nach dem Produkt, der Marktstruktur, des Zielkundensegmentes etc. bieten sich für einen Anbieter verschiedene Zeitpunkte an, die geeignet sind, Kundenbindungsmaßnahmen einzusetzen und eine Beziehung zu dem Kunden aufzubauen. Es können theoretisch drei Zeitpunkte voneinander abgegrenzt werden. Erstens können bereits im Vorfeld des eigentlichen Kaufes Maßnahmen getroffen werden, die zu einer Bindung des Kunden an das Unternehmen beitragen. Hier sind persönliche Beratungsgespräche zu nennen, um eine persönliche Beziehung zu einem potenziellen Kunden aufzubauen und ihn dadurch an das Unternehmen zu binden. Der zweite Zeitpunkt, an dem die Bindung zu einem Kunden aufgebaut werden kann, ist der Zeitpunkt der Transaktion selbst. Hier ist an vertragliche Vereinbarungen zu denken. Drittens kann die Nachkaufphase ebenfalls von einem Unternehmen genutzt werden, um eine Beziehung zu dem Kunden aufzubauen. Serviceangebote, die dem Kunden nach dem Kauf des Produktes gemacht werden, und ein Beschwerdemanagement sind nur zwei Beispiele für Maßnahmen, die genutzt werden können, um nach dem Kauf die Bindung zu forcieren. Da Versicherte grundsätzlich die ersten 18 Monate an ihre Wahlentscheidung gebunden und zusätzliche individuelle vertragliche Regelungen zur Bindung von Versicherten in der GKV illegal sind, bieten sich für gesetzliche Krankenversicherungen insbesondere die Vorkauf- und Nachkaufphase als Anfangszeitpunkt für Kundenbindungsmaßnahmen an. Neben dem Zeitpunkt des Beginns einer Beziehung kann die Dauer einer Beziehung als Typologisierungsmerkmal herangezogen und zwischen langfristigen und kurzfristigen Beziehungen differenziert werden.72 Die Dauer einer Geschäftsbeziehung ist unter anderem abhängig von der Art des Produktes, der damit verbundenen Kauffrequenz und den gesetzlichen Rahmenbedingungen. ___________ 71 72
Vgl. Arnold (1997), S. 99. Vgl. Jackson (1985), S. 122; Peter (1999), S. 28 f.
D. Faktoren der Anbietertreue und Kriterien der Kundenbindung
145
Bei einem Krankenversicherungsvertrag ist von einer längerfristigen Bindung auszugehen, da diese in der Regel mindestens 18 Monate Bestand hat.
5. Bindungsintensität Ein weiteres Typologisierungsmerkmal von Beziehungen ist die Intensität der Bindung, wobei Intensität unterschiedlich definiert werden kann.73 Zum einen kann sie über die Verbundenheit der beiden Marktpartner zueinander und zum anderen über die Kauffrequenz definiert werden. Definiert man Intensität über die Verbundenheit des Anbieters zu dem Kunden, ist zwischen einer partnerschaftlichen, informellen und einer distanzierten, formalen Beziehung zu unterscheiden. Die Verbundenheit zweier Marktparteien ist u. a. davon abhängig, ob die Beziehung von beiden Seiten gewollt und angestrebt wurde oder ob sie eher zufällig und unbeabsichtigt entstanden sind – wie z. B. Wiederholungskäufe aus reiner Bequemlichkeit.74 Darüber hinaus spielen die Dauer einer Beziehung und das Kaufmotiv für den Grad der Verbundenheit zweier Wirtschaftssubjekte eine Rolle. Ein rein ökonomisch motivierter Käufer wird – im Vergleich zu einem aus sozialen Gründen motivierten Käufer – nicht an einer partnerschaftlichen und damit intensiven Beziehung zu einem Anbieter interessiert sein.75 Die Mitgliedschaft in einer Krankenkasse wird von der zu versichernden Person angestrebt und nicht von der Kasse. Hat der Versicherte häufig Kontakt zu seiner Krankenkasse, so kann aus der Sicht eines Versicherten die Verbundenheit zu seiner Kasse durchaus intensiv sein. Es ist anzunehmen, dass sich bei Vertragswettbewerb die Bindungsintensität in Bezug auf die Verbundenheit verstärken wird. Diese Annahme ist dadurch zu begründen, dass ein Versicherter im Krankheitsfall häufiger Kontakt mit seiner Kasse aufnehmen wird, um von ihr Informationen über die Versorger und Hilfe bei der Auswahl der Versorger zu bekommen. Aus der Sicht einer Kasse ist das Versichertensegment eher anonym. Infolgedessen wird sich eine Kasse höchstwahrscheinlich nicht mit einem speziellen Versicherten „verbunden“ fühlen. Wird Intensität über die Kaufhäufigkeit definiert, kann von einer intensiven Beziehung gesprochen werden, wenn innerhalb eines festgelegten Zeitraumes häufig Transaktionen zwischen den Marktpartnern stattfinden, die Kauffrequenz also hoch ist. Da zwischen einer Krankenkasse und ihren Versicherten ___________ 73
Vgl. Jackson (1985), S. 122. Vgl. Peter (1999), S. 29 ff. 75 Vgl. zu Kaufmotiven u. a. Trommsdorf (2002), S. 113 ff.; Kroeber-Riel (2003), S. 152 ff.; Trommsdorf (2004), S. 120. 74
146
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
regelmäßig monatlich eine Transaktion stattfindet, ist durchaus von einer intensiven Beziehung hinsichtlich der Kauffrequenz zu sprechen.
6. Synthese Für die Bindung von Versicherten an eine Krankenkasse ist die vorgestellte Typologisierung äußerst bedeutsam, denn – je nachdem, wie die Bindung zwischen einem Versicherten und einer Kasse charakterisiert ist – lassen sich für die Krankenkasse unterschiedliche Bindungsmaßnahmen ableiten. Hat die Bindung beispielsweise einen Personenbezug, so sind andere Maßnahmen zur Bindung adäquat als wenn die Bindung einen Leistungs- oder Unternehmensbezug hat. Ebenso ist es angebracht, die Instrumente zur Bindung von Versicherten danach auszuwählen, aus welchem Grund sich Versicherte an eine Kasse binden. So müssen bei einem ökonomisch motivierten Käufer andere Bindungsmaßnahmen eingesetzt werden als bei einem Käufer, der sich aus sozialen Gründen an einen Anbieter bindet. Damit ist die vorangegangene Typologisierung nicht nur aus klassifikatorischer Sicht sinnvoll, sondern sie hat für gesetzliche Krankenversicherungen auch praktische Relevanz und bietet in Verbindung mit den theoretischen Überlegungen eine Entscheidungshilfe bei der Auswahl adäquater Handlungsparameter zur Bindung von Versicherten.
E. Selektive Kundenbindung und Erfolgskontrolle Für eine Krankenkasse ist nicht jeder Versicherte gleich viel wert. Es gibt Versicherte, die Eigenschaften besitzen, die für eine Kasse bedeutender sind als andere. Außerdem gibt es Versicherte, die unter Umständen „schädlich“ für eine Kasse sind. Ist es das Ziel einer Krankenkasse, Versicherte zu binden, so sind infolgedessen vor und nach der Implementierung von Aktivitäten zur Kundenbindung folgende zwei Fragen zu beantworten:1 –
Wer soll gebunden werden („Risikoselektion“)?
–
Welchen Erfolgsbeitrag haben die Bindungsmaßnahmen?
Die Beantwortung der ersten Frage ist besonders wichtig, denn sie stellt das Tor für einen erfolgreichen Kundenbindungsprozess und vor allem für den Erfolg einer Kasse dar. Ebenso ist die Frage nach dem Erfolgsbeitrag der Maßnahmen eine besonders wichtige. Im Folgenden wird versucht, diese beiden Fragen zu beantworten.
I. Kundenwert und Kundenmanagement Da nicht jeder Versicherte den gleichen Wert für eine Krankenkasse hat, ist die Beantwortung der Frage – welche Versicherten besonders wichtig sind und welche nicht – für eine Krankenkasse von Bedeutung. Eine geeignete Entscheidungsgrundlage für die Beantwortung dieser Frage ist der Kundenwert. In der Literatur wird zwischen verschiedenen Kundenbewertungsmethoden unterschieden.2 Eine einheitliche Systematisierung verschiedener Verfahren zur Kundenbewertung ist dort jedoch nicht zu finden. Eine Differenzierung der verschiedenen Bewertungsmethoden kann hinsichtlich ___________ 1
Vgl. Homburg/Bruhn (1999), S. 18. Einen Überblick über die Methoden der Kundenbewertung gibt Rudolf-Sipötz (2001), S. 31 ff. Zur Ermittlung des Kundenwertes vgl. z. B. Canning (1982), S. 89 ff. Eine Übersicht über die Ermittlung des Kundendeckungsbeitrages bietet Haag (1992), S. 28 ff. Einen ausführlichen Überblick über alternative Gliederungsmöglichkeiten von Kundenwert-Bestimmungsfaktoren bietet Eberling (2002), S. 128. 2
148
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
–
der Anzahl der verwendeten Kriterien (eindimensionale versus mehrdimensionale Methoden),
–
des Zeithorizontes (statische versus dynamische Methoden) und
–
der Art der verwendeten Kriterien (monetäre versus nicht-monetäre Kriterien)
vorgenommen werden. Mehrdimensionale Methoden sind im Gegensatz zu eindimensionalen Methoden besser in der Lage, den Kundenwert abzubilden. Diesem Vorteil steht jedoch der Nachteil gegenüber, dass für mehrdimensionale Verfahren eine größere Datenmenge benötigt wird. Statische Bewertungsmethoden haben im Vergleich zu dynamischen Methoden den Nachteil, dass Zeiträume nicht mit einbezogen werden. Dynamische Methoden sind folglich besser geeignet, die gesamte Dauer der Beziehung zu berücksichtigen. Damit eignen sie sich besser für Versicherungsbeziehungen, da sich das Risiko eines Schadenseintrittes im Zeitablauf verändern kann. Dies gilt insbesondere für das Krankheitsrisiko, denn es wird davon ausgegangen, dass mit zunehmendem Alter einer Person die Häufigkeit und die Dauer von Erkrankungen zunehmen.3 Dies bedeutet, dass das Risiko einer Erkrankung und die damit verbundene Höhe der krankheitsbedingten Ausgaben nicht über die gesamten Lebensjahre konstant sind. Des Weiteren lassen sich Kundenbewertungsmethoden danach differenzieren, ob sie nur den monetären Wert einer Beziehung zur Berechnung heranziehen oder auch nicht-monetäre Größen berücksichtigen. Die Berücksichtigung von nicht-monetären Größen führt einerseits zu einer genaueren Abbildung des Kundenwertes. Andererseits stellt die Ermittlung von nicht-monetären Größen und deren Umwandlung in monetäre Größen eine große Herausforderung dar.4 Der Wert, den ein Versicherter für eine Krankenkasse hat, kann nicht nur durch eine einzige Variable beschrieben werden, sondern ist das Ergebnis vieler unterschiedlicher Variablen (z. B. Morbidität, Einkommenshöhe). Da er zudem durch den RSA mitbestimmt wird, erscheint für die Berechnung des komplexen Wertes eines Versicherten eine mehrdimensionale Methode angebracht. Ob neben den monetären Kriterien auch nicht-monetäre Kriterien in die Berechnung des Kundenwertes einfließen sollten, ist zum einen davon abhängig zu machen, ___________ 3
Vgl. Hof (2001), S. 27. Vgl. hierzu auch Rudolf-Sipötz (2001), S. 32 und S. 45 ff. Generell hat die Art des Unternehmens und die Art der vermarkteten Produkte auf die Art der Kriterien, die für die Ermittlung des Kundenwertes herangezogen werden, Einfluss. 4
E. Selektive Kundenbindung und Erfolgskontrolle
149
wie leicht die Daten beschafft werden können und zum anderen wie einfach es ist, die nicht-monetären Werte in monetäre Werte umzuwandeln. In der Diskussion um Methoden zur Kundenbewertung gewinnt das Konzept des customer lifetime value (CLV) immer mehr Bedeutung.5 Bei dieser Methode wird der Kapitalwert der Kundenbeziehung berechnet, indem die über den gesamten Beziehungszyklus erwarteten und auf den Zeitpunkt t0 abdiskontierten Ausgaben von den über den gesamten Beziehungszyklus erwarteten und auf den Zeitpunkt t0 abdiskontierten Einnahmen, die dem Kunden zugeordnet werden können, subtrahiert werden. Zu den Einnahmen können – neben monetären Größen – auch nicht-monetäre Größen (z. B. das Referenz- und Informationspotenzial eines Kunden) gezählt werden. Diese Art der Berechnung des Kundenwertes ermöglicht eine relativ umfassende Darstellung der Gesamtbedeutung des Kunden. Für den Fall einer Krankenversicherung könnte der Kundenkapitalwert nach folgender Formel errechnet werden: T
KW
T
Et
Kt
¦ (1 i) ¦ (1 i) t
t 0
t
K AQ
t 0
Quelle: Eigene Darstellung6
E
= erwartete Einnahmen (monetärer [und nicht-monetärer] Art)
i
= Kalkulationszins
K
= erwartete krankheitsbedingte Kosten und erwartete Kosten der Kundenbindung
KAQ = erwartete Kosten der Kundenakquisition KW = Barwert aller dem Kunden zurechenbaren Einnahmen und Ausgaben t
= Jahr bzw. Monat
T
= prognostizierte Dauer der Versicherungsbeziehung
Diese Weise der Berechnung des Kundenwertes erlaubt eine genaue Bestimmung des Wertes einer Beziehung, da es sich um ein mehrdimensionales, dynamisches Verfahren handelt, welches zudem monetäre und – wenn gewünscht – nicht-monetäre Größen zur Bestimmung des Kundenwertes heranzieht. Grundsätzlich kann der Wert eines Versicherten somit positiv oder nega___________ 5 Vgl. Homburg/Daum (1998), S. 137 ff.; Rudolf-Sipötz (2001), S. 45 ff.; Eberling (2002), S. 175 ff. 6 Vgl. zur allgemeinen Berechnung des Kundenkapitalwertes auch Homburg/Daum (1998), S. 137 f.; Homburg/Sieben (2005), S. 444 ff.; Köhler (2005), S. 424 ff.
150
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
tiv sein und stellt damit für die Krankenkassen die Basis für Risikoselektion dar. Ein negativer Kundenwert ist i. d. R. für ein Unternehmen das Zeichen, sich von dem Kunden zu trennen. Durch den Kontrahierungszwang können Krankenkassen jedoch nicht den Versicherungsvertrag auflösen. Trotzdem können sie mittels geeigneter Instrumente (z. B. Einsatz gezielter Werbemaßnahmen) aktiv Risikoselektion betreiben und sich vorwiegend um die Bindung von guten Risiken kümmern. Wenn der (M-)RSA allerdings vollständig funktionieren würde, wäre aus Sicht der Kassen keine Risikoselektion mehr sinnvoll. Da bei dem gegenwärtig geltenden RSA die Morbidität der Versicherten keine Berücksichtigung findet, wird jedoch keine 100 %ige Risikoäquivalenz hergestellt. Fraglich ist auch, ob der M-RSA in der Lage sein wird, eine 100 %ige Risikoäquivalenz zwischen den Kassen herzustellen.7 Es ist vielmehr zu vermuten, dass weiterhin Anreize bestehen werden – möglicherweise in einem geringeren Ausmaße als bisher – Risikoselektion zu betreiben. Welche Versicherten allerdings unter den Bedingungen des M-RSA ein „gutes Risiko“ darstellen, wird sich jedoch wahrscheinlich vom Status quo unterscheiden. Da morbide Versicherte bei Geltung des M-RSA den Beitragsbedarf einer Krankenkasse erhöhen, kann eine Kasse möglicherweise, wenn sie morbide Versicherte besonders wirtschaftlich versorgt, Beitragssatzvorteile erzielen. Grundsätzlich gilt jedoch weiterhin, dass ein Versicherter dann für eine Kasse ein gutes Risiko darstellt, wenn die erwarteten Einnahmen größer als die erwarteten Ausgaben sind. Für Krankenkassen ist die Ermittlung des Kundenwertes nach der dargestellten Formel jedoch nahezu unlösbar. Der Wert eines Mitgliedes einer Krankenkasse wird maßgeblich von seinem Einkommen, seiner Morbidität und der Morbidität der mitversicherten Familienmitglieder determiniert.8 Die Höhe der Beitragszahlungen eines Mitgliedes und die Anzahl der mitversicherten Familienmitglieder können von den Krankenkassen mit relativ wenig Aufwand ermittelt werden. Die Bestimmung der Morbidität eines Versicherten und seiner mitversicherten Familienangehörigen ist jedoch eine große Herausforderung. Vor ___________ 7
Eine Übersicht des R2-Wertes von dem RxGroups+IPHCC-Modell und weiterer Modelle zur Ausgestaltung eines Finanzausgleiches sind zu finden bei IGES/Lauterbach/Wasem (2004), S. 12. Dabei ist R2 ein Maß, welches den Anteil der durch die Morbiditätsmerkmale des jeweiligen Modells erklärten Varianz der Ausgaben zwischen den Individuen an der Gesamtvarianz erklärt. 8 In der Literatur wird häufig darauf hingewiesen, dass 20 % der Versicherten 80 % der Kosten verursachen. Es ist jedoch fraglich, ob es sich immer um dieselben 20 % handelt oder ob die Personen, die 80 % der Kosten verursachen, wechseln. Zieht man zur Beantwortung der Frage, wer gebunden werden soll, den Morbiditätsaspekt hinzu, so ist diese Überlegung nicht zu vergessen. Verursacht ein bestimmter Versicherter in einem Jahr sehr hohe Kosten, so ist nicht notwendigerweise davon auszugehen, dass dies zukünftig immer so sein wird, da die Morbidität nicht zwangsläufig eine statische Größe ist.
E. Selektive Kundenbindung und Erfolgskontrolle
151
der Einführung des GMG konnten die Krankenkassen beispielsweise nur schwer herausfinden, wie häufig ein Versicherter eine ambulante Behandlung in Anspruch nahm, da die Abrechnung der ambulanten Leistungen über die K(Z)Ven erfolgte und diese keine patientenbezogenen Informationen weitergaben.9 Damit hatte die Krankenkasse keine Möglichkeit der Kostenkontrolle dieser Leistungen und demnach auch nur geringe Möglichkeiten, die Morbidität der einzelnen Versicherten korrekt zu erfassen. Eine ansatzweise Erfassung der Morbidität eines Versicherten war nur über ein Beobachten der in Anspruch genommenen stationären Leistungen möglich, da diese direkt durch die jeweilige Krankenkasse beglichen werden mussten.10 Auch über verschreibungspflichtige Medikamente konnte versucht werden, die Morbidität eines Mitgliedes zu erfassen. § 295 SGB V regelt die „neue Abrechnungspraxis“. Danach sind die K(Z)Ven verpflichtet, patientenbezogene Informationen an die gesetzlichen Krankenversicherungen zu übermitteln. Sie müssen gemäß § 295 SGB V für die Abrechnung der Vergütung beispielsweise den Inhalt der Krankenversichertenkarte (z. B. Name, Geschlecht, Geburtsdatum des Versicherten), die Arzt- oder Zahnarztnummer, in Überweisungsfällen die Arzt- oder Zahnarztnummer des überweisenden Arztes, die Art der Inanspruchnahme sowie die Art der Behandlung an die Krankenkassen übermitteln. Diese Regelung ermöglicht den Krankenkassen eine differenziertere Ermittlung des Kundenwertes. Eine exakte Erfassung der Morbidität der Versicherten bleibt hingegen außerordentlich schwierig.11 Neben diesen Größen bestimmt sich der Kundenwert zudem danach, ob das Mitglied eine Meinungsführerposition in der Gesellschaft bzw. in einer für die Krankenkasse attraktiven Gruppe von (potenziellen) Mitgliedern hat oder eine zentrale Position besitzt, wobei unter einer zentralen Position die Anzahl der Interaktionspartner einer Person verstanden wird.12 Hat eine Person viele Interaktionspartner, so besitzt sie eine zentrale Position. Ist ein Mitglied einer Krankenversicherung beispielsweise besonders morbide und sind über ihn noch weitere Familienmitglieder versichert, so scheint dieses Mitglied auf den ersten Blick keinen hohen Kundenwert zu haben. Dies ist allerdings nicht zwingend der Fall, denn hat das Versicherungsmitglied eine Meinungsführerposition in der Gesellschaft oder in einer bestimmten für die Krankenversicherung attrakti___________ 9 Vor dem Inkrafttreten des GMG war die einzige Möglichkeit herauszufinden, ob ein Versicherter einen ambulant tätigen Arzt aufgesucht hat, über eine vom Arzt ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, da der Versicherte diese an die Krankenkasse weiterzuleiten hatte. 10 Bei stationären Behandlungen ist es auch häufig der Fall, dass Krankenhäuser vor Behandlungsbeginn eine Kostenübernahmebescheinigung von der Krankenkasse fordern, bei der der Patient Mitglied ist. 11 Vgl. IGES/Lauterbach/Wasem (2004), S. 10. 12 Vgl. hierzu auch Röck (2000), S. 117.
152
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
ven Gruppe von potenziellen Mitgliedern, kann es – falls es mit seiner Krankenversicherung zufrieden ist – z. B. durch positive Mund-zu-Mund-Propaganda neue Mitglieder für die Krankenkasse gewinnen, und der Kundenwert kann somit für die Kasse durchaus positiv sein. Außerdem können die tatsächlichen Kosten für ihn sowie für die mitversicherten Familienangehörigen niedriger sein als die für den RSA ermittelten durchschnittlichen Kosten für diese Personengruppe.13 Daher ist es durchaus möglich, dass sich eine Krankenkasse momentan durch die Versicherung eines morbiden Versicherten und die kostenlose Mitversicherung von Familienmitgliedern besser stellen kann, wenn diese Versicherten durch die RSA-Ausgleichszahlungen einen positiven Deckungsbeitrag haben. Auch bei Geltung des M-RSA ist es möglich, dass sich eine Kasse durch die Versicherung und effiziente Versorgung morbider Personen besser stellen kann. Auf Basis des Kundenwertes ist zu entscheiden, welche Kunden bei Kundenbindungsaktivitäten besonders beachtet werden sollen und welche nicht. Im Gegensatz zu Kunden mit einem geringen Kundenwert sind Personen mit einem hohen Kundenwert bei Kundenbindungsaktivitäten insbesondere zu berücksichtigen. Je nachdem wie niedrig der Wert eines Kunden ist, sollte gegebenenfalls überlegt werden, ob es sinnvoll ist, die Bindung zu dem Kunden aufrechtzuerhalten, oder ob es sinnvoller wäre, sich aus der Beziehung zurückzuziehen.14 Aufgrund des Kontrahierungszwangs ist es nicht möglich, dass gesetzliche Krankenversicherungen ihren Mitgliedern kündigen, wenn ihr Kundenwert gering oder sogar negativ ist. Ferner dürfen Krankenkassen Mitglieder nicht unterschiedlich behandeln (Diskriminierungsverbot) bzw. von ihnen risikoäquivalente Prämien erheben. Nach § 70 SGB V sind Krankenkassen verpflichtet, „eine bedarfsgerechte und gleichmäßige, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Versorgung der Versicherten zu gewährleisten“. Abschließend ist zu konstatieren, dass ein aktives Kundenmanagement – wie in anderen Branchen möglich – bei Krankenkassen aufgrund der gesetzlichen Vorgaben nicht durchführbar ist. Trotzdem besteht in einem gewissen Rahmen die Möglichkeit, Einfluss auf die Versichertenstruktur zu nehmen, durch die sich Kassen Wettbewerbsvorteile schaffen können.
___________ 13 Zur Berechnung der Finanzkraft, des Beitragsbedarfs und des Ausgleichsbedarfssatzes vgl. Breyer/Zweifel/Kifmann (2003), S. 299 f. 14 Vgl. Whitney (1996), S. 94 f.; Bumbacher (2000), S. 437 ff.; Finsterwalder (2000), S. 1 ff.; Tomczak/Reinecke/Finsterwalder (2000), S. 401 ff.
E. Selektive Kundenbindung und Erfolgskontrolle
153
II. Erfolgsmessung der Bindungsaktivitäten Der letzte Schritt einer Kundenbindungsstrategie besteht in der stetigen Kontrolle der eingesetzten Maßnahmen zur Kundenbindung. Der Tatsache, dass Geschäftsbeziehungen auf der einen Seite positive Wirkungen haben, steht gegenüber, dass die Bindung von Kunden auch Kosten verursacht.15 Maßnahmen, die der Sicherung von langfristigen Kundenbeziehungen dienen, sollten daher einer Kostenanalyse unterzogen werden.16 Bei der Analyse ist es allerdings nicht sinnvoll, allein aus Gründen der Einfachheit nur die „harte“ Kostenseite zu betrachten. Auch die Nutzenseite mit ihren „weichen Faktoren“ – beispielsweise die Einstellung eines Kunden zum Anbieter, ausgedrückt z. B. in Zufriedenheit und Vertrauen – sowie die Verhaltensabsichten eines Kunden – ausgedrückt z. B. in der Wiederkaufabsicht und der Weiterempfehlungsabsicht – gehören zu einer vollständigen Erfassung des Erfolgsbeitrages von Bindungsaktivitäten dazu. Die mit den Maßnahmen verbundenen Grenzkosten sind somit dem aus den Maßnahmen resultierenden Grenznutzen gegenüberzustellen. Dabei gestaltet sich in der Regel die Erfassung der Kosten einfacher als die Erfassung des Nutzens, zumal die nutzenstiftenden Wirkungen häufig mit einem Time-Lag auftreten.17 Zur Messung der Kundenzufriedenheit und der Kundenbindung gibt es in der Literatur zahlreiche Ansätze.18 Generell kann bei der Messung der Kundenbindung zwischen objektiven und subjektiven Verfahren unterschieden werden. Die objektiven Verfahren beziehen sich auf das bisherige Verhalten der Kunden und stützen sich auf objektive Indikatoren bzw. ökonomische Resultate, die nicht durch subjektive Wahrnehmungen verzerrt worden sind. Beispiele hierfür sind die Wiederkaufrate,19 die Erhöhung der Kauffrequenz20 oder der CrossSelling-Quote.21 Im Gegensatz dazu zielen die subjektiven Verfahren auf die
___________ 15
Die Kosten der Kundenbindung sollten immer als eine Investition in zukünftige Geschäftserfolge interpretiert werden und nicht als im Status quo minimierende Gewinneinbussen. Vgl. zu dieser Sichtweise Müller/Riesenbeck (1991), S. 68. 16 Vgl. Bruhn/Georgi (2003), S. 583 ff. 17 Vgl. Dittrich/Reinecke (2001), S. 275 ff.; Bruhn/Georgi (2003), S. 600 ff. 18 Vgl. hierzu beispielsweise Homburg/Faßnacht/Werner (1999), S. 393 ff.; Peter (1999), S. 265 ff.; Homburg/Fürst (2005), S. 559 ff. 19 Unter der Wiederkaufrate wird der Anteil der Kunden vom gesamten Kundenstamm verstanden, der in einem festgelegten Zeitraum wiederholt Transaktionen mit einem Anbieter durchgeführt hat. 20 Unter der Kauffrequenz wird die Häufigkeit der Transaktionen verstanden, die innerhalb eines festgelegten Zeitraums stattfinden. 21 Einen ausführlichen Überblick über verschiedene Verhaltensgrößen zur Erfassung von Kundenbindung bieten Dittrich (2000), S. 204; Dittrich/Reinecke (2001), S. 280.
154
2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
Erfassung der vom Kunden subjektiv empfundenen Zufriedenheit ab.22 Für die Erfassung der Kundenzufriedenheit bietet sich beispielsweise eine Kundenbefragung als externe Informationsquelle an. Die objektive Messung des Erfolgs von Kundenbindungsaktivitäten ist bei Krankenkassen nur teilweise möglich. So ist eine Erhöhung der Kauffrequenz nicht durchführbar, da die Kauffrequenz auf einen Monat festgelegt ist. Auch eine Steigerung der Cross-Selling-Quote ist nur in einem sehr begrenzten Umfang möglich, denn Krankenkassen können lediglich private Zusatzversicherungen vermitteln. Allerdings ist die Vermittlung privater Zusatzversicherungen im strengen Sinne kein Cross-Selling, denn die Kassen selber verkaufen nicht ihre eigenen Produkte, sondern treten nur als Vermittler für die Zusatzversicherungen privater Krankenversicherungsunternehmen auf. Die Wiederkaufrate ist jedoch ein objektiver Parameter, der auch von Kassen zur Messung von Kundenbindungsaktivitäten eingesetzt werden kann. Dabei sollte bei den Krankenkassen unter der Wiederkaufrate der Anteil der Versicherten verstanden werden, der in einem bestimmten festgelegten Zeitraum den gesetzlichen Krankenversicherungsvertrag nicht auflöst. Ein weiteres objektives Kriterium ist das Weiterempfehlungsverhalten der Versicherten. Durch die Befragung von Neukunden kann beispielsweise herausgefunden werden, welcher Anteil der neu abgeschlossenen Versicherungsverträge durch das Weiterempfehlensverhalten von Bestandskunden resultiert. In der Literatur wird zudem der Entwicklung des Marktanteils eine hohe Korrelation mit der Zufriedenheit bzw. mit der Bindung zugeschrieben.23 Auch dieser Parameter kann bei Krankenkassen als Indikator zur Messung der Kundenbindungsaktivitäten herangezogen werden.
III. Grenzen bei der Bindung von Kunden Grundsätzlich kann zwischen psychisch-emotionalen und rechtlichen Grenzen bei der Bindung von Kunden differenziert werden.24 Einerseits können Maßnahmen, die zur Bindung von Kunden beitragen, durchaus legitim sein, allerdings ist es denkbar, dass sie unter moralisch-ethischen Gesichtspunkten fragwürdig sind. Andererseits können Maßnahmen zur (zwanghaften) Bindung von Kunden nicht nur unter moralisch-ethischen Gesichtspunkten fragwürdig sein, sondern zudem gesetzlich untersagt sein. Psychisch-emotionale Grenzen, die die Bindung von Kunden hemmen, können zum einen auf der Abnehmerseite (z. B. variety seeking) und zum anderen ___________ 22
Eine detaillierte Darstellung der messtheoretischen Grundlagen bietet beispielsweise Homburg/Faßnacht/Werner (1999), S. 393 ff. 23 Vgl. Homburg/Faßnacht/Werner (2000), S. 510. 24 Vgl. Peter (1999), S. 257 ff.
E. Selektive Kundenbindung und Erfolgskontrolle
155
auf der Anbieterseite (z. B. das Gewissen) beobachtet werden. Ob das Bedürfnis nach Abwechslung allerdings auch für Krankenversicherungen gilt ist fraglich, denn es ist anzunehmen, dass Mitglieder – wenn sie mit einer Krankenversicherung zufrieden sind – nicht nur aus Gründen des Bedürfnisses nach Abwechslung zu einer neuen Krankenversicherung wechseln, zumal dies mit hohen Transaktionskosten verbunden sein kann. Nach § 175 Absatz 4 SGB V sind Mitglieder einer Krankenkasse nach Ausübung ihres Wahlrechtes für 18 Monate an eine Kasse gebunden. Falls eine Krankenkasse ihren Beitragssatz erhöht, ist ein Mitglied allerdings vor Ablauf der 18 Monate autorisiert zu kündigen. Jedoch gibt es um das Sonderkündigungsrecht regelmäßig Streitigkeiten zwischen den Versicherten und Krankenkassen. So hat die BKK für Heilberufe über einen geraumen Zeitraum durch einen sehr niedrigen Beitragssatz viele neue Versicherte akquirieren können.25 Im April 2003 hat sie ihren Beitragssatz dann von 13,9 % auf 14,8 % angehoben, ihren Mitgliedern jedoch das nach § 175 Absatz 4 SGB V geltende Sonderkündigungsrecht verweigert, falls ihre Mitgliedschaft weniger als 18 Monate betragen hat. Im Jahre 1998 haben die AOK Magdeburg und die AOK Halle fusioniert und im Zuge dieser Fusion wurde der Beitragssatz erhöht. Die Krankenkasse verwehrte ihren Mitgliedern jedoch den Austritt.26 Einen identischen Fall gab es 2003 bei der Fusion von der BKK Gildemeister/Seidensticker mit der BKK Zeppelin. Hier wurde ebenfalls im Zuge der Fusion der Beitragssatz erhöht. Die neu errichtete Krankenkasse akzeptierte den Austritt der Mitglieder allerdings nicht. Es wurde stattdessen darauf hingewiesen, dass es sich bei einer Fusion um eine Schließung von zwei Krankenkassen handelt und somit deren alte Beitragssätze außer Kraft getreten sind. Ihrer Argumentation folgend, läge damit keine Erhöhung des Beitragssatzes vor.27 Das Sozialgericht Stuttgart hat in seinem Urteil von Oktober 2003 allerdings entschieden, dass die aus der Fusion hervorgegangene gesetzliche Krankenversicherung in die Rechte und Pflichten der alten Krankenkassen eintritt.28 Dies bedeutet, dass kein Versicherter Rechte verlieren soll und nicht schlechter gestellt werden darf als vor der Fusion. Das Sonderkündigungsrecht hat demnach Bestand. Ebenso hat das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt in seinem Urteil von Dezember 2003 entschieden. Das Vorgehen der Krankenkassen, ein Sonderkündigungsrecht zu verweigern, wenn im Zuge einer Fusion der Beitragssatz angehoben wird, ist ___________ 25
Vgl. hierzu und zum Folgenden o.V. (2003). Vgl. o.V. (2004b). 27 Vgl. Verbraucherzentrale (2004). Die Fälle, in denen Krankenkassen versuchen, durch eine Fusion das Sonderkündigungsrecht außer Kraft zu setzen, häufen sich in der letzten Zeit. Auch die Taunus BKK, die zum 1. April 2004 mit der BKK Braunschweig fusioniert hat, versuchte, ihren Mitgliedern das Sonderkündigungsrecht zu verweigern. Vgl. o.V. (2004c), S. 125; o.V. (2004d), S. 336 f.; Büser (2004). 28 Vgl. hierzu Verbraucherzentrale Bundesverband e.V. (2003); o.V. (2004b). 26
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2. Teil: Kundenbindung als Erfolgsfaktor im Wettbewerb
damit rechtswidrig. Dessen ungeachtet muss sich eine Krankenkasse bei der zwanghaften Bindung von Mitgliedern die Frage stellen, ob sich die Vorteile der zwanghaften Bindung lohnen oder ob die Nachteile eines solchen Vorgehens nicht langfristig überwiegen und sich negativ auf den Unternehmenserfolg auswirken. Die Zugabeverordnung und das Rabattgesetz regelten bis zum Jahre 2001 in der Bundesrepublik Deutschland die Vergabe von Rabatten, Boni etc. Um den neuen Bedürfnissen von Unternehmen und Nachfragern gerecht zu werden, wurden diese Vorschriften jedoch abgeschafft. Die Interessen der Verbraucher werden allerdings weiterhin durch das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die Preisangabenverordnung gewahrt.29 Gesetzliche Krankenversicherungen unterliegen zusätzlich bei der Vergabe von Boni etc. der Regelung des SGB V. So sind sie verpflichtet, von jedem Mitglied den gleichen Beitragssatz zu verlangen und dürfen nicht unterschiedliche Mitgliedsbeiträge für unterschiedliche Risikogruppen festlegen. Allerdings haben Krankenkassen durch das GMG einen größeren Handlungsspielraum erhalten, der mit dem GKV-WSG noch weiter ausgebaut wurde. Gemäß § 53 SGB V können sie Mitgliedern Selbstbehalte anbieten und so indirekt einen niedrigeren Mitgliedsbeitrag. Auch Prämienzahlungen für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen zu Lasten einer Krankenkasse sind gemäß § 53 SGB V für alle Mitglieder möglich. Die Vergabe von Boni regelt § 65a SGB V, der besagt, dass eine Krankenkasse Versicherten, die regelmäßig an Präventionsmaßnahmen teilnehmen, einen Bonus gewähren kann.
IV. Synthese Die Frage, welche Versicherten gebunden werden sollen und welche nicht, kann nicht abschließend ohne einen Blick auf den Kundenwert beantwortet werden. Bei gesetzlich Krankenversicherten hat insbesondere der (M-)RSA einen großen Einfluss auf den Kundenwert und ist daher bei der Berechnung des Kundenwertes und bei der Überlegung, ob ein Versicherter gebunden werden soll oder nicht, mit einzubeziehen. Die Kosten der Bindung müssen somit dem Nutzen, der durch die Bindung eines Versicherten an eine Kasse entsteht, gegenübergestellt werden. Des Weiteren ist es nicht sinnvoll Bindungsmaßnahmen einzusetzen, diese aber nicht auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen. Abschließend ist zu konstatieren, dass die Bindung von Versicherten für Krankenkassen für die Erreichung ihrer Ziele außerordentlich wichtig ist. Allerdings ist es nicht zweckmäßig, jeden Versicherten binden zu wollen. Viel___________ 29
Vgl. Die Bundesregierung (2001).
E. Selektive Kundenbindung und Erfolgskontrolle
157
mehr muss eine Kasse den Kundenwert und die Kosten der Bindungsaktivitäten bei der Auswahl und dem Einsatz der Instrumente zur Kundenbindung mit berücksichtigen und sich darüber hinaus an die – im Vergleich zu anderen Branchen – strengen gesetzlichen Vorschriften halten.
Dritter Teil
Strategien und Instrumente zur Bindung von Kassenkunden bei Wettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt F. Modelle zur Kundenbindung bei Krankenkassen I. Grundlegende Überlegungen Ein Nachfrager erwirbt beim Güterkauf ein Bündel von Eigenschaften.1 Der Gesamtnutzen eines Produktes besteht daher nicht nur aus einem einzigen Nutzenbestandteil, sondern setzt sich aus den subjektiven Einzelbewertungen der Eigenschaftsausprägungen und somit aus vielen Teilnutzenbestandteilen zusammen (multiattributiver Nutzen). Demzufolge ist der Gesamtnutzen eines Leistungsbündels (U) eine Funktion der Teilnutzenwerte (TNn) der verschiedenen Eigenschaftsausprägungen: U = f(TN1, TN2, ..., TNn).2
PEi, mit i = 1, ..., n, sind verschiedene Eigenschaften eines Produktes bzw. einer Dienstleistung. TNi, mit i = 1, ..., n, sind die jeweiligen Teilnutzen, die zusammen den Gesamtnutzen eines Produktes bzw. Dienstleistung determinieren. Der Gesamtnutzen einer Krankenversicherung ergibt sich beispielsweise für einen Versicherten unter anderem durch den Schutz vor der finanziellen Belastung durch Krankheiten (z. B. Ausfall des Arbeitseinkommens bei gleichzeitiger Zahlung der medizinischen Behandlung), aus der Gewissheit, dass im Falle einer Erkrankung die medizinisch notwendige Versorgung sichergestellt wird, sowie aus der Gewährung von Präventions- und Rehabilitationsangeboten.
___________ 1
Vgl. zur Theorie des eigenschaftsbezogenen Nutzens Lancaster (1966), S. 133 ff.; Lancaster (1971), S. 6 ff.; Herrmann (1994), S. 1304 ff.; Brockhoff (1999), S. 12 ff.; Voeth (2003), S. 55 ff.; Klein/Scheffold/Rüttgers (2005), S. 4 f. 2 Vgl. Lancaster (1966), S. 133 f.; Mengen/Simon (1996), S. 229 f.; Hufnagel (1999), S. 59; Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2003), S. 557 f.
F. Modelle zur Kundenbindung bei Krankenkassen
159
Anzunehmen ist, dass i. d. R. eine Substitution von Teilnutzenbestandteilen möglich ist, ohne dass der Gesamtnutzen tangiert wird.3 Eine Variation der Produkteigenschaft PE2 und einer eventuell damit verbundenen Reduktion des Teilnutzens TN2 – und folglich des Gesamtnutzens eines Leistungsbündels U – kann somit annahmegemäß durch eine Variation der Produkteigenschaft PE1 und einer möglicherweise damit verbundenen Erhöhung des Teilnutzens TN1 kompensiert werden.4
TN2 U
- TN2 TN1 + TN1 Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 24: Substitution von Nutzenbestandteilen
Prinzipiell ist davon auszugehen, dass ein Wirtschaftssubjekt nur dann ein Produkt kaufen wird, wenn der wahrgenommene Nettonutzen des Produktes – der das Ergebnis der Saldierung von wahrgenommenen Nutzen- und Kostenbestandteilen eines Leistungsbündels ist – die individuelle Nutzengrenze (U*) des Wirtschaftssubjektes überschreitet.5 Dabei wird unter der individuellen Nut___________ 3 Es wird angenommen, dass keine limitationale Nutzenfunktion vorliegt, sondern dass Nutzenbestandteile substituiert werden können. Daher kann auch das Konzept der Grenzrate der Substitution als gültig unterstellt werden. Vgl. zur Grenzrate der Substitution Schumann (1992), S. 46 ff.; Mankiw (1999), S. 482 ff.; Varian (1999), S. 45 ff. 4 Der Zusammenhang zwischen Variationen einer Produkteigenschaft und Veränderung des korrespondierenden Teilnutzens ist von dem unterstellten Präferenzmodell abhängig (Idealvektor-, Idealpunkt- und Teilnutzenwertmodell). Vgl. Böcker (1986), S. 557 f.; Schubert (1991), S. 118 ff.; Balderjahn (1994), S. 14. 5 Dies liegt an der Budgetrestriktion und dem Ausgleich der Grenznutzen des Geldes (Gossen II). Vgl. Simon (1992), S. 3 f.; Schumann/Meyer/Ströbele (1999), S. 9 ff. und S. 52 ff.; Adler (2003), S. 14. Bei den traditionellen Verfahren der Messung von Präferenzen und Nutzen für bestimmte Leistungsbündel wird üblicherweise unterstellt, dass Personen grundsätzlich bereit sind, ein Leistungsbündel zu erwerben. Die Verfahren unterscheiden sich lediglich hinsichtlich des Auswahlentscheidungsmodells (FirstChoice-Regel, BTL-Modell, Logit-Choice-Regel etc.). Vgl. Balderjahn (1994), S. 15 f.;
160
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
zengrenze der Nettonutzen verstanden, den ein Produkt einem Wirtschaftssubjekt mindestens spenden muss, damit es für ihn lohnenswert ist, dieses zu erwerben (Abbildung 25).
U*, Nettonutzen
individuelle Nutzengrenze (U*)
Nettonutzen
multiattributive Nutzenkomponente
multiattributive Kostenkomponente
Nettonutzen
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 25: Der Nettonutzen und die individuelle Nutzengrenze
Bei den folgenden Überlegungen wird unterstellt, dass jedes Wirtschaftssubjekt für jedes Produkt eine individuelle Nutzengrenze hat, und die individuelle Nutzengrenze unter anderem durch die Kosten für das jeweilige Produkt sowie durch die Kosten und die Nettonutzen anderer Produkte determiniert wird. Der Grund dafür ist, dass für ein hochpreisiges Produkt ein höherer Anteil von dem insgesamt zur Verfügung stehenden Einkommen verwendet wird als für ein niedrigpreisiges Produkt. Da ein Wirtschaftssubjekt immer versuchen wird, mit seinem gesamten zur Verfügung stehenden Einkommen einen maximalen Nutzen zu erzielen, und letztendlich alle Güter zueinander in Konkurrenz stehen, ist die getroffene Annahme sinnvoll und für die weiteren Überlegungen wichtig.6 Ferner wird unterstellt, dass die Anzahl der wahrgenommenen Nutzenbestandteile sowie das Gewicht, das die einzelnen Nutzenbestandteile am Gesamtnutzen haben, bei jedem Produkt und jedem Wirtschaftssubjekt unterschiedlich hoch sein können.7
___________ Büschken (1994), S. 80 ff.; Herrmann (1994), S. 1304 ff.; Schubert (1995), S. 385 ff.; Weiber/Rosendahl (1996), S. 575 ff.; Voeth/Hahn (1998), S. 119 ff. Eine Diskussion darüber, welchen Nettonutzen ein Produkt mindestens spenden muss, damit es gekauft wird, findet i. d. R. nicht statt. 6 Vgl. hierzu auch Brockhoff (1999), S. 37 ff.; Sattler/Nitschke (2003), S. 23 f. und S. 44 ff. 7 Diese Annahme ist auch zu finden bei Lancaster (1971), S. 6 ff.
F. Modelle zur Kundenbindung bei Krankenkassen
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II. Herleitung der Modelle zur Kundenbindung 1. Ein Modell für Pflichtversicherte Das Produkt „gesetzliche Krankenversicherung“ ist im Vergleich zu anderen Produkten speziell, denn Personen, die ein Jahresarbeitseinkommen unterhalb der vom Gesetzgeber festgelegten Jahresarbeitsentgeltgrenze haben, sind verpflichtet, einen Krankenversicherungsvertrag bei einer Krankenkasse abzuschließen. Dies bedeutet, dass Wirtschaftssubjekte auch dann einen gesetzlichen Krankenversicherungsvertrag abschließen müssen, wenn der Nettonutzen U* noch nicht überschritten hat. Aus diesem Grund ist das Konstrukt der individuellen Nutzengrenze für die Begründung des Erwerbs einer speziellen gesetzlichen Krankenversicherung bei Pflichtversicherten bzw. für den Verbleib eines pflichtversicherten Mitgliedes bei einer Kasse nicht adäquat. Daher wird im Folgenden U* nicht zur Erklärung des Verbleibs eines Pflichtversicherten bei einer speziellen Krankenkasse herangezogen, sondern nur für den freiwillig versicherten Personenkreis. Neben der Krankenkasse, bei dem ein Pflichtversicherter derzeitig versichert ist, existieren diverse andere Krankenkassen, zu denen er grundsätzlich wechseln kann. Er wird jedoch immer nur dann wechseln, wenn der erwartete Nettonutzen bei einer anderen Krankenkasse höher ist als der gegenwärtige Nettonutzen.8 Ist der erwartete Nettonutzen bei einer anderen Krankenversicherung marginal höher als der Nettonutzen bei der gegenwärtigen Krankenversicherung, hat eine pflichtversicherte Person einen Anreiz die Krankenkasse zu wechseln.9 Der erwartete Nettonutzen der marginal besseren Krankenversiche___________ 8 Insbesondere bei selektivem Kontrahieren ist die Einschätzung der Höhe des Nettonutzens einer gesetzlichen Krankenversicherung für einen Nachfrager aus diversen Gründen schwierig, z. B. aufgrund von Zeitinkonsistenzen und Informationsasymmetrien. Dies bedeutet, dass Unsicherheit über die Höhe der zukünftig zu erwartenden (nicht-monetären) Kosten und des zukünftig zu erwartenden Nutzens besteht. Da gegenwärtig der Leistungskatalog und das Versorgungsangebot bei allen Kassen nahezu identisch sind, und da bei Veränderung des Beitragssatzes ein Sonderkündigungsrecht besteht, ist für ein Wirtschaftssubjekt die Einschätzung der Höhe des Nettonutzens einer Krankenkasse momentan vergleichsweise einfach. 9 Nach Gossen II müsste streng genommen berücksichtigt werden, dass nicht nur der absolute Nettonutzen eine Rolle bei der Wahl einer speziellen gesetzlichen Krankenversicherung spielt, sondern auch der Preis für die Versicherungen, da dieser die Höhe des verbleibenden zur Verfügung stehenden Einkommens determiniert. Dies bedeutet, dass ein Pflichtversicherter vor dem Abschluss einer gesetzlichen Krankenversicherung nicht nur die absoluten Nettonutzen der verschiedenen Krankenversicherungsangebote miteinander vergleicht, sondern zudem die Grenznutzen der diversen Angebote den Grenznutzen anderer Produkte gegenüberstellt. Da er jedoch gezwungen ist, einen gesetzlichen Krankenversicherungsvertrag abzuschließen, wird Gossen II zum Teil „ausgehebelt“.
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
rung wird in dieser Arbeit als untere Krankenversicherungskonkurrenzgrenze (KVKGu) betitelt.10 Bei einer Marginalbetrachtung entspricht die KVKGu somit dem Nettonutzen der derzeitigen Krankenversicherung (ǻU = 0). Neben der marginal besseren Versicherung kann es noch weitere Krankenversicherungen geben, bei denen der erwartete Nettonutzen höher ist als der Nettonutzen der derzeitigen Versicherung und höher als der erwartete Nettonutzen der marginal besseren Krankenversicherung. Eine wichtige Funktion bei der Entscheidung eines Pflichtversicherten, weiterhin bei seiner Krankenkasse versichert zu bleiben oder zu wechseln, hat deshalb der erwartete Nettonutzen der besten Krankenkasse. Der Nettonutzen der besten Kasse wird als obere Krankenversicherungskonkurrenzgrenze (KVKGo) betitelt.11 Ist die derzeitige Versicherung bereits die beste am Markt erhältliche Krankenversicherung, so gilt KVKGo = KVKGu.
KVKGo
KVKGu erwarteter Nettonutzen der bestehenden Krankenversicherung
erwarteter Nettonutzen der besten Krankenversicherung
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 26: Untere und obere Krankenversicherungskonkurrenzgrenze
KVKGu spielt bei Wechselüberlegungen vermutlich keine Rolle, denn ein Wirtschaftssubjekt wird sich bei einem Wechsel immer für die beste am Markt erhältliche Alternative entscheiden. Ist der Versicherte bereits bei der besten Versicherung versichert, findet kein Wechsel statt. Zusammengefasst bedeutet dies, dass nur eine wichtige Grenze existiert, die die Bleibeentscheidung eines Pflichtversicherten beeinflusst: KVKGo. Immer dann, wenn der gegenwärtige Nettonutzen eines Pflichtversicherten geringer als KVKGo ist, wird er einen Anreiz haben die Krankenkasse zu wechseln. Die Differenz zwischen dem Nettonutzen der derzeitigen Krankenversicherung und KVKGo wird im Folgenden ___________ 10 Würde der Sprachgebrauch von Thibaut und Kelley zugrunde gelegt, so entspräche KVKGu B. 11 KVKGo hat in einigen Aspekten Ähnlichkeit mit dem Konstrukt CLalt aus der sozialpsychologischen Bindungstheorie von Thibaut und Kelley. Allerdings entspricht KVKGo der besten am Markt erhältlichen Alternative und wird – im Gegensatz zu CLalt – nicht nur maßgeblich durch diese bestimmt.
F. Modelle zur Kundenbindung bei Krankenkassen
163
als „Abwanderungskorridor I“ (AWK I) bezeichnet. Die Größe des AWK I hängt davon ab, in welchem Verhältnis der derzeitige Nettonutzen zu KVKGo steht.
KVKGo
AWK I KVKGu erwarteter Nettonutzen der bestehenden Krankenversicherung
erwarteter Nettonutzen der besten Krankenversicherung
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 27: Abwanderungskorridor I
Um einen Pflichtversicherten zu binden, muss eine Krankenkasse bestrebt sein, keinen AWK I auftreten zu lassen bzw. einen bereits existierenden AWK I zu schließen. Generell würde bei Existenz eines AWK I ein Versicherungswechsel stattfinden. Daher wird angenommen, dass der AWK I erst kürzlich entstanden ist und der Versicherung noch Zeit bleibt, den AWK I zu schließen, bevor der Kunde abwandert. Für die Schließung des AWK I stehen der Versicherung grundsätzlich drei Wege offen: 1. Vergrößerung des Nettonutzens der aktuellen Versicherung Der Nettonutzen kann erhöht werden, indem der primäre Nutzen, der Transaktionsnutzen, der externe oder der emotionale Nutzen gesteigert bzw. die Prämie der Versicherung, die Transaktionskosten, die externen oder die emotionalen Kosten gesenkt werden. Streng genommen handelt es sich hierbei um eine Zusicherung der Vergrößerung des Nettonutzens. Im Unterschied zu der zweiten Möglichkeit soll die Vergrößerung des Nettonutzens jedoch als eine Zusicherung verstanden werden, die in naher Zukunft real erreichbar und plausibel erscheint. Reduktion der Bedeutung von KVKGo (Zusicherung der Vergrößerung des Nettonutzens der aktuellen Versicherung) Die Reduktion der Bedeutung von KVKGo kann beispielsweise durch einen Aufbau von positiven Erwartungen (Erwartungsmanagement) bei den Pflichtversicherten erreicht werden.12 Positive Erwartungen können unter anderem dadurch gebildet werden, indem dem Käufer suggeriert wird, dass in der nächsten Zeit die Versicherung um neue Produkteigenschaften erweitert und dadurch 2.
___________ 12
Vgl. hierzu auch Voeth (2003), S. 272 ff.
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
der Nettonutzen steigen wird (Zusicherung der Vergrößerung des Nettonutzens). 3. Reduktion des erwarteten Nettonutzens der besten Krankenversicherung Der erwartete Nettonutzen der besten Krankenversicherung kann durch die Erhöhung der Wechselkosten für einen Kunden reduziert werden, denn diese werden annahmegemäß den Transaktionskosten eines Krankenkassenwechsels und somit der besten Krankenkasse zugeordnet. Dies impliziert, dass die Höhe der Wechselkosten, die bis zu einem gewissen Grad von der aktuellen Krankenkasse beeinflussbar sind (z. B. durch eine langsame Bearbeitung der Kündigung, keine Bereitstellung von Informationen zur Kündigung), den erwarteten Nettonutzen einer anderen Krankenkasse schmälern und damit die Entscheidung eines Versicherten, zu wechseln oder seiner Kasse treu zu bleiben, beeinflussen können. Welche Strategien eine Krankenkasse verfolgt, um Versicherte zu binden, muss im Einzelfall entschieden werden und ist von diversen situativen Faktoren abhängig. 2. Ein Modell für freiwillig Versicherte In der Bundesrepublik Deutschland hat eine Person dann die Möglichkeit, sich aus der GKV herauszuoptieren, wenn sein Einkommen höher ist als die vom Gesetzgeber festgelegte Jahresarbeitsentgeltgrenze. Dies bedeutet zum einen, dass ein Wirtschaftssubjekt, welches diese Voraussetzung erfüllt, nur dann einen Krankenversicherungsvertrag abschließen wird, wenn der erwartete Nettonutzen einer Krankenversicherung seine individuelle Nutzengrenze überschreitet. Zum anderen wird er, wenn er bereits eine Krankenversicherung abgeschlossen hat, nur dann als freiwillig Versicherter bei dieser Krankenkasse bleiben, wenn der Nettonutzen der derzeitigen Krankenkasse größer als U* und größer als die erwarteten Nettonutzen aller alternativen Krankenversicherungen ist.13 Die Menge aller alternativen Krankenversicherungen ist für einen freiwillig Versicherten – im Vergleich zu der Menge aller alternativen Krankenversicherungen eines Pflichtversicherten – größer, denn er kann –
eine neue Krankenversicherung aus der Menge aller gesetzlichen Krankenversicherungen wählen, – eine private Krankenversicherung oder – gar keinen Krankenversicherungsvertrag abschließen. ___________ 13 Es wird unterstellt, dass die Nettonutzen der alternativen Krankenversicherungen immer die jeweiligen individuellen Nutzengrenzen überschritten haben. Von Grenznutzenbetrachtungen wird aus Vereinfachungsgründen abstrahiert.
F. Modelle zur Kundenbindung bei Krankenkassen
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Da sich freiwillig Versicherte entscheiden können, ob sie überhaupt eine Krankenversicherung abschließen wollen oder nicht, muss das „Modell zur Kundenbindung“ für freiwillig Versicherte um U* erweitert werden, um die Entscheidungssituation eines freiwillig Versicherten besser simulieren zu können. Demnach sind zwei grundlegende Situationen denkbar: 1. Der Nettonutzen der aktuellen Krankenversicherung übersteigt U* Übersteigt der Nettonutzen der aktuellen Krankenversicherung U*, dann ergibt sich die gleiche Situation wie in dem Modell für Pflichtversicherte. Zum einen kann KVKGo dem gegenwärtigen Nettonutzen entsprechen, zum anderen kann KVKGo oberhalb des aktuellen Nettonutzens liegen. Ebenso wie bei Pflichtversicherten muss – um eine dauerhafte Bindung eines freiwillig Versicherten an die Krankenkasse zu erreichen – die Entstehung eines AWK I verhindert bzw. ein bereits bestehender AWK I geschlossen werden. Dies kann ebenso wie bei Pflichtversicherten durch –
die Vergrößerung des Nettonutzens der aktuellen Versicherung,
–
die Reduktion der Bedeutung von KVKGo (Zusicherung der Vergrößerung des Nettonutzens der aktuellen Versicherung) oder durch
–
die Reduktion des erwarteten Nettonutzens der besten Krankenversicherung
geschehen. 2. Der Nettonutzen der aktuellen Krankenversicherung liegt unterhalb von U*14 Veränderungen unterschiedlichster Einflussfaktoren – beispielsweise eine Variation des Einkommens oder der persönlichen Wertschätzung einer Krankenversicherung – können die Höhe von U* beeinflussen und dazu führen, dass U* über den derzeitigen Nettonutzen steigt. Tritt dieser Fall ein, kann von einem Abwanderungskorridor II gesprochen werden, den es zu schließen gilt, um den Versicherten zu binden. Der AWK II wird definiert als die Differenz zwischen U* und dem gegenwärtigen Nettonutzen der Krankenkasse, in der der freiwillig Versicherte Mitglied ist. Je nachdem, in welchem Verhältnis KVKGo zu U* steht, ist es möglich, dass die Schließung des AWK II nicht ausreicht, um den Versicherten zu binden, da immer noch ein AWK I existiert. In diesem Fall muss dafür Sorge getragen werden, dass neben dem AWK II auch der AWK I geschlossen wird. Generell können drei Fälle unterschieden werden, bei denen U* über dem derzeitigen Nettonutzen liegt: ___________ 14 Da es sich hierbei um eine irrationale Situation handelt, wird angenommen, dass diese Situation erst kürzlich eingetreten ist.
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Fall a:
KVKGo entspricht dem derzeitigen Nettonutzen
Fall b: KVKGo liegt oberhalb des derzeitigen Nettonutzens, jedoch unter halb von U* KVKGo liegt oberhalb von U*
Fall c:
Fall a
Fall b U* KVKG0 AWK I
U* AWK II KVKG0 = KVKGu
AWK II
KVKGu Nettonutzen
Nettonutzen
Fall c KVKG0 U* AWK II
AWK I
KVKGu Nettonutzen
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 28: Abwanderungskorridore I und II
Im Fall a besteht ein AWK II, der sich aus dem Verhältnis von U* zu dem aktuellen Nettonutzen ergibt. Um den AWK II zu schließen, können folgende Strategien verfolgt werden: – –
Vergrößerung des Nettonutzens der aktuellen Versicherung oder Reduktion der Bedeutung von U*.
Bei den Fällen b und c besteht neben dem AWK II auch ein AWK I. Liegt KVKGo oberhalb des derzeitigen Nettonutzens, jedoch unterhalb von U*, so ist der AWK I eine Teilmenge des AWK II. Liegt KVKGo oberhalb von U*, so ist der AWK II eine Teilmenge des AWK I. Zur Schließung der Abwanderungskorridore können in beiden Fällen folgende Strategien verfolgt werden: – – – –
Vergrößerung des Nettonutzens der aktuellen Versicherung, Reduktion der Bedeutung von U*, Reduktion der Bedeutung von KVKGo (Zusicherung der Vergrößerung des Nettonutzens der aktuellen Versicherung) oder Reduktion des erwarteten Nettonutzens der besten Krankenversicherung.
Im Falle von b und c reicht die Reduktion der Bedeutung von entweder KVKGo oder U* nicht aus, um den Kunden zu binden. Entweder muss die Be-
F. Modelle zur Kundenbindung bei Krankenkassen
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deutung beider Grenzen reduziert oder der Nettonutzen mindestens soweit erhöht werden, dass im Fall b KVKGo und im Fall c die individuelle Nutzengrenze überschritten wird. Nur dann reicht die Reduktion der Bedeutung von U* (Fall b) bzw. die Reduktion der Bedeutung von KVKGo (Fall c) aus. Zusammengefasst lässt sich feststellen, dass zur Bindung eines freiwillig Versicherten der derzeitige Nettonutzen über der individuellen Nutzengrenze liegen oder die Bedeutung von U* reduziert werden muss. Zudem muss KVKGo unterhalb des gegenwärtigen Nettonutzens liegen beziehungsweise die Bedeutung von KVKGo reduziert werden. Welche Maßnahmen ergriffen werden, um die Abwanderungskorridore zu schließen, hängt unter anderem davon ab, in welchem Verhältnis der derzeitige Nettonutzen zu KVKGo und zu U* steht. Ist der derzeitige Nettonutzen größer als KVKGo, jedoch kleiner als U*, könnte beispielsweise Verbandspolitik betrieben werden, um die Bedeutung von Krankenversicherungen herauszustellen sowie die absolute Wertschätzung von Krankenversicherungen zu erhöhen, und damit die Bedeutung von U* zu reduzieren. Liegt der derzeitige Nettonutzen allerdings unterhalb von KVKGo und U*, würde diese Strategie nicht zu dem Ziel führen, einen freiwillig Versicherten zu binden. Zwar könnte die absolute Wertschätzung von Krankenkassen durch verbandspolitische Maßnahmen erhöht werden, die relativen Positionen der Krankenversicherungen zueinander würden dadurch jedoch nicht beeinflusst. Daher sind die hier vorgenommenen Abgrenzungen nicht nur klassifikatorischer Natur, sondern sind für die Ergreifung effektiver Marketingmaßnahmen zur Bindung von Versicherten relevant.
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“ Bei Vertragswettbewerb sehen sich Krankenkassen aufgrund der erweiterten Möglichkeiten bei der Produktgestaltung auf dem Versicherungsmarkt einem intensiven Wettbewerb um Versicherte ausgesetzt. Die präferenzgerechte Gestaltung des Produktes „gesetzliche Krankenversicherung“ gewinnt in dieser Situation zunehmend an Bedeutung. Daher wird im Folgenden der Schwerpunkt auf die anbieterorientierte Sichtweise der Kundenbindung gelegt, und es werden die gegenwärtig existierenden sowie die zukünftig zu erwartenden Handlungsmöglichkeiten zur Schließung bzw. Verhinderung der Entstehung von Abwanderungskorridoren analysiert.
I. Steigerung des primären Nutzens Unter dem primären Nutzen ist der direkte Nutzen einer Dienstleistung zu verstehen. Im Status quo besteht dieser bei einer Krankenkasse vorwiegend aus dem Schutz vor den finanziellen Folgen einer Krankheit. Werden in der Zukunft Einzelverträge zwischen den Versorgern und den Krankenkassen abgeschlossen, wird der primäre Nutzen einer Krankenversicherung zusätzlich durch weitere Bestandteile determiniert. Diese werden im Folgenden untersucht, und ihr Beitrag zur Bindung von Versicherten herausgestellt.
1. Produktgestaltung Bei selektivem Kontrahieren wird der konkreten Gestaltung eines Krankenversicherungsangebotes eine herausragende Bedeutung für die Höhe des Gesamtnutzens zukommen. Insbesondere ist davon auszugehen, dass die unter Vertrag genommenen Leistungserbringer einen hohen Einfluss auf den primären Nutzen eines Krankenversicherungsangebotes haben werden. Ferner ist an die speziellen Versorgungs- und Leistungsangebote zu denken, die ebenfalls die Höhe des primären Nutzens determinieren werden.
a) Auswahl der Leistungserbringer Mit der Einführung von Vertragswettbewerb wird der im Status quo herrschende Zwang zu gemeinsam und einheitlich abzuschließenden Kollektivver-
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
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trägen zwischen den Verbänden der Krankenkassen und den K(Z)Ven aufgehoben und den Krankenkassen wird die Aufgabe zuteil, selektive Versorgungsverträge auszuhandeln. Für die Krankenkassen bedeutet dies eine gezielte Auswahl von Versorgern vorzunehmen, die ihre Versicherten im Krankheitsfall ohne zusätzliche Auflagen konsultieren können. Ferner bedeutet es, dass Versorgungsund Vergütungsbedingungen ausgehandelt werden müssen. Beim Abschluss von selektiven Versorgungsverträgen müssen die Krankenkassen unter Leistungserbringern mit unterschiedlichen Qualitätsstandards auswählen.1 Da die Qualität der Versorger den primären Nutzen eines Versicherungsangebotes vermutlich maßgeblich beeinflusst, ist die Entscheidung, welche Qualitätsstandards die unter Vertrag zu nehmenden Leistungserbringer erfüllen sollen, für die Vermarktung von Krankenversicherungsangeboten von entscheidender Bedeutung. Ferner wird die Tatsache, ob ein Versicherter im Krankheitsfall einen Versorger aufsuchen kann, den er bereits konsultiert und zu dem er Vertrauen hat, die Höhe des primären Nutzens und damit die Höhe eines möglicherweise bestehenden AWKs mit beeinflussen. Neben der Qualitätsseite ist die Kostenseite zu berücksichtigen, wobei die Kosten eines Versicherungsangebotes eine Funktion mehrerer Variablen ist. Es ist anzunehmen, dass der jeweilige Qualitätsstandard der Versorger deren Vertragsmacht mitbestimmt. Damit beeinflusst die Entscheidung, bestimmte Leistungsanbieter unter Vertrag zu nehmen, die Kostenhöhe eines Versicherungsangebotes. Hierbei ist zu beachten, dass die Kostenhöhe eines Versicherungsangebotes durch die Wahl der Versorger positiv und negativ beeinflusst werden kann. Zum einen können qualitativ gute Versorger aufgrund ihrer hohen Qualitätsstandards von den Kassen höhere Prämien fordern und damit die Kosten des Versicherungsangebotes nach oben treiben. Zum anderen können z. B. durch eine gute Prozessqualität der Versorger Kosten eingespart werden und die Kosteneinsparungen können wiederum an die Versicherten über geringe Beitragssätze weitergegeben werden. Mit Zunahme der Versorgungsverträge werden des Weiteren die anbieterseitigen Transaktionskosten steigen. Eine wachsende Anzahl an Vertragspartnern wird somit zu einer Ausgabensteigerung bei einer Krankenkasse führen – und damit unter Umständen zu einer Erhöhung des Beitragssatzes. Die geplante Anzahl der abzuschließenden Verträge mit Leistungserbringern und die Größe der Versichertengemeinschaft werden ferner Einfluss ___________ 1 Für die Krankenkassen besteht die Schwierigkeit darin, die Qualität der Versorger zu erkennen. Dabei erscheint die Strukturqualität die Qualitätsdimension zu sein, die – im Gegensatz zu der Prozess- und Ergebnisqualität – am einfachsten von den Krankenkassen objektiv beurteilt werden kann. Auch die Patienten stehen der Schwierigkeit gegenüber, die Qualität der Versorger zu erkennen. Jedoch haben die Kassen, im Gegensatz zu den Versicherten, bessere Möglichkeiten zur Qualitätsbeurteilung der Versorger.
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
auf die Verhandlungsmacht einer Krankenkasse haben und somit ebenfalls die Kostenhöhe eines Versicherungsangebotes beeinflussen.2 Bei Vertragswettbewerb muss eine Kasse herausfinden, was für die Steigerung der Zufriedenheit und des Nettonutzens ihrer Versicherten und damit für die Bindung der Versicherten effektiver ist: eine höhere Arztwahlfreiheit und eine höhere Qualität der Versorger oder ein niedriger Beitragssatz. Infolgedessen ist es vor diesem Hintergrund für eine Krankenkasse von essentieller Bedeutung zu entscheiden, –
mit welchen Leistungserbringern kontrahiert werden soll,
–
mit wie vielen Leistungserbringern in welchen Regionen Verträge abgeschlossen und
–
wo – unter der Annahme, dass der Sicherstellungsauftrag bei der Einführung von Vertragswettbewerb von den K(Z)Ven auf die Krankenkassen übergeht – Kooperationsverträge mit anderen Krankenkassen abgeschlossen werden sollen.
Für die Versicherten bedeutet selektives Kontrahieren eine Einschränkung ihrer – im Status quo de jure weitestgehend vorhandenen – freien geographischen, zeitlichen und persönlichen Arztwahl. Inwieweit diese eingeschränkt wird, hängt allerdings von dem gewählten Versicherungsangebot ab. Dabei ist ein Kontinuum zwischen einer vollständig freien Arztwahl und einer gänzlich restringierten Arztwahl vorstellbar. Letzteres würde bedeuten, dass den Versicherten von ihrer Krankenkasse genau vorgeschrieben wird, welchen Arzt sie im Krankheitsfall aufsuchen dürfen. Im Gegensatz dazu würde eine völlig freie Arztwahl bedeuten, dass die Krankenkasse ihren Versicherten freistellt, zu jedem Zeitpunkt jeden Leistungserbringer im ambulanten oder stationären Sektor aufzusuchen – unabhängig davon, ob mit diesem ein Versorgungsvertrag abgeschlossen wurde – und sich verpflichtet, die anfallenden Kosten zu 100 % zu übernehmen. Die differenziertere Ausgestaltung der Versicherungsangebote impliziert eine zunehmende Komplexität und führt zu einer Erhöhung der nachfragerseitigen Informationskosten bei der Suche nach einer geeigneten Kasse. Dem gegenüber stehen im Krankheitsfall geringere Suchkosten bei der Auswahl eines adäquaten Leistungserbringers, da eine Vorauswahl der Versorger bereits durch die Krankenkasse erfolgt ist und diese im Krankheitsfall als Berater bei der Auswahl von adäquaten Ärzten und Krankenhäusern behilflich sein kann. Ferner nehmen die nachfragerseitigen Kontrollkosten der Qualität der Versorger ___________ 2
Vgl. hierzu auch Amelung/Schumacher (2000), S. 60 ff.
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
171
ab, da die Versicherung als Agent des Versicherungsnehmers die Qualitätskontrolle der Leistungserbringer übernimmt. Auch aus transaktionskostentheoretischen Überlegungen ist die Zusammenstellung eines aus Konsumentensicht präferenzgerechten Ärzte- und Krankenhausportfolios für die Bindung von Versicherten wichtig, denn geringere Suchkosten bei der Auswahl eines Leistungserbringers im Krankheitsfall, die aus der Vorauswahl der Versorger durch eine Krankenkasse resultieren, führen zu geringeren nachfragerseitigen Transaktionskosten und einer Steigerung des Nettonutzens. Bietet eine Krankenkasse ein Portfolio an, welches nicht den Präferenzen eines Versicherten entspricht, entstehen für ihn im Krankheitsfall höhere Kosten bei der Suche und u. U. für die Konsultation eines adäquaten Versorgers, und ein Wechsel zu einer Kasse mit einem präferenzgerechteren Leistungserbringerportfolio wird wahrscheinlicher. Vor dem Hintergrund, dass mit zunehmender Komplexität eines Produktes das wahrgenommene Kaufrisiko eines Versicherungsangebotes steigt, hat eine Krankenkasse einen komparativen Konkurrenzvorteil, wenn ein Versicherter mit der Auswahl der Leistungserbringer zufrieden ist, keine kognitive Dissonanz verspürt und Vertrauen zu der Versicherung hat, da in dieser Situation ein Krankenkassenwechsel für den Versicherten mit erhöhten Kosten verbunden ist. Die Bindung von Versicherten wird durch ein zufrieden stellendes Portfolio an Leistungserbringern auch durch die Tatsache gefestigt, dass ein präferenzgerechtes Ärzte- und Krankenhausportfolio wie ein positiver Verhaltensverstärker wirkt. Somit ist das Angebot eines präferenzgerechten Versorgerportfolios auch aus lerntheoretischer Perspektive zur Bindung eines Versicherten an eine Kasse effektiv. Nach der Theorie von Thibaut und Kelley wird ein Versicherter den Versicherungsvertrag bei einer gesetzlichen Krankenversicherung nur dann kündigen, wenn Produktalternativen am Markt erhältlich sind, die ihm einen höheren Nutzen spenden als das derzeitige Angebot. Da bei Vertragswettbewerb die Auswahl der unter Vertrag genommenen Leistungserbringer vermutlich eine, für die Höhe des primären Nutzens eines Krankenversicherungsangebotes, sehr bedeutende Produkteigenschaft ist, ist ein zufrieden stellendes Versorgerportfolio auch aus sozialpsychologischer Perspektive für die Bindung von Versicherten von äußerster Bedeutung. Obwohl davon auszugehen ist, dass auch bei Einführung von Vertragswettbewerb weiterhin eine gesetzliche Bindungsfrist an eine Krankenkasse bestehen bleibt, und durch die höhere Komplexität des Versicherungsangebotes die Suchkosten zur Ermittlung einer geeigneten Kasse steigen, ist die Bedeutsamkeit eines aus Nachfragersicht präferenzgerechten Ärzte- und Krankenhausportfolios ersichtlich, um den Nettonutzen von Versicherten zu erhöhen – damit einen möglicherweise bestehenden Abwanderungskorridor zu schließen bzw.
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
dessen Entstehung zu verhindern – und eine Abwanderung des Mitgliedes nach Ablauf der gesetzlichen Bindungsfrist zu vermeiden. Abschließend lässt sich aufgrund der Tatsache, dass ein gutes Leistungsangebot bereits im Status quo für Versicherte ein äußerst wichtiger Parameter bei der Auswahl einer Krankenkasse ist,3 die Vermutung aufstellen, dass bei Vertragswettbewerb die Qualität der Leistungserbringer, mit denen eine Krankenkasse selektiv kontrahiert, den primären Nutzen eines Krankenversicherungsangebotes und damit die Entscheidung für oder gegen eine Krankenkasse maßgeblich beeinflusst.
b) Spezielle Versorgungs- und Leistungsangebote Zu den speziellen Versorgungsangeboten gehören beispielsweise die integrierte Versorgung, die besondere ambulante ärztliche Versorgung, DMPs und Primärarztmodelle. Spezielle Leistungsangebote sind unter anderem die Teilnahme an Modellvorhaben. Integrierte Versorgungsmodelle und DMPs können als ein Versprechen zur effizienteren und qualitativ hochwertigeren Versorgung verstanden werden, die durch eine verbesserte Zusammenarbeit und Koordination der an der Versorgung der Patienten Beteiligten bzw. durch die Behandlung der Patienten nach evidenzbasierten Leitlinien erreicht werden kann.4 Somit ist das Angebot von integrierten Versorgungsmodellen und DMPs an sich ein Parameter, der die Höhe des Primärnutzens einer Krankenversicherung positiv beeinflusst. Zudem können die Krankenkassen monetäre Anreize schaffen (z. B. in Form von Bonusregelungen) und realisierte Effizienzvorteile an den teilnehmenden Versicherten weitergeben, um den nachfragerseitigen Nutzen dieser Angebote und damit den Nettonutzen der Krankenversicherung zu erhöhen.5 Auch Primärarztmodelle gehören zu den speziellen Versorgungsangeboten und bestimmen die Höhe des primären Nutzens eines Krankenversicherungsangebotes. Sie können unter anderem danach differenziert werden, ob der Versicherte oder die Krankenkasse den Primärarzt auswählt, der den Versicherten im Krankheitsfall durch das System lotst. Weiterhin ist danach zu unterscheiden, ob die Versicherten – wenn sie sich für einen bestimmten Primärarzt entschieden haben bzw. wenn ihnen ein bestimmter Primärarzt zugeteilt wurde – die Möglichkeit haben, selbstständig andere Ärzte aufzusuchen und die Behandlungskosten auch bei den selbst ausgewählten Ärzten übernommen werden, ___________ 3
Vgl. Zok (2003), S. 39 ff. Vgl. Baur/Böcker (2001), S. 7 f.; Jacobs/Schulze (2004b), S. 97. 5 Vgl. zu diesen Überlegungen auch Jacobs/Schulze (2004b), S. 98 ff. 4
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
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oder ob sie verpflichtet sind, den Anordnungen des Primärarztes Folge zu leisten, um die Kassenleistung zu erhalten. Es ist ferner vorstellbar, dass speziell ausgebildete Fachkräfte einer Krankenkasse den Versicherten im Krankheitsfall durch das System lotsen und bei der Auswahl von Ärzten und Krankenhäusern behilflich sind. Bietet eine Krankenkasse selbstständig solch ein umfassendes Gesundheitsmanagement an und übernimmt eine Lotsenfunktion für ihre Versicherten, muss die Kompetenz der Krankenkassenmitarbeiter auch medizinische Fachkompetenz umfassen. Schließlich ist auch die besondere ambulante ärztliche Versorgung zu den speziellen Versorgungsangeboten einer Krankenkasse zu zählen. Durch den geschickten Abschluss von selektiven Versorgungsverträgen mit ambulant tätigen Ärzten, haben die Kassen eine weitere Möglichkeit, die Höhe des primären Nutzens eines Versicherungsangebotes mitzubestimmen. Neben den Versorgungsangeboten sind Leistungsangebote konstituierend für die Höhe des primären Nutzens eines Krankenversicherungsangebotes. Diverse Kundenbindungstheorien unterstützen die Nutzung der speziellen Versorgungs- und Leistungsangebote zur Bindung von Versicherten an eine Kasse. Hat sich ein Versicherter beispielsweise für die Teilnahme an einer integrierten Versorgungsform entschlossen, steigen für ihn bei einem Wechsel der Krankenkasse die Wechselkosten, da – unter der Prämisse, dass er mit diesem Angebot zufrieden ist – er eine andere Krankenversicherung finden muss, die ihm ähnliche Versorgungsmöglichkeiten bietet. Die dadurch erhöhten Suchkosten bei einem Kassenwechsel führen infolgedessen zu einer Reduktion des erwarteten Nettonutzens anderer Kassen. Zudem trägt die Höhe des wahrgenommenen Risikos, dass das Versorgungs- und Leistungsangebot bei einer anderen Kasse nicht den Wünschen entspricht, zu einer Reduktion des erwarteten Nettonutzens von anderen Kassen bei. Nach der mikroökonomischen Theorie von Hirschman ist die Erhöhung der nachfragerseitigen Wechselkosten eine Möglichkeit, bei Unzufriedenheit mit einem Produkt, den Widerspruch zu fördern und Abwanderung zu verhindern. Somit führt das Angebot von speziellen Versorgungs- und Leistungsmodellen zum einen durch die Erhöhung der Wechselkosten zu einer Stimulierung der Beschwerdeaktivität. Zum anderen bietet sich durch die erhöhte Beschwerdebereitschaft die Möglichkeit, die Versicherungsangebote zu optimieren, um damit eine Abwanderung von unzufriedenen Versicherten zu verhindern. Umgekehrt wirkt die Zufriedenheit mit den speziellen Versorgungs- und Leistungsangeboten wie ein positiver Verhaltensverstärker und trägt somit ebenfalls zur Bindung von Versicherten bei. Grundsätzlich gilt bei zusätzlichen Versorgungs- und Leistungsangeboten – ebenso wie bei der Auswahl und Anzahl der unter Vertrag zu nehmenden Ver-
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
sorger –, dass ein ausgedehntes Versorgungs- und Leistungsangebot vermutlich mit steigenden Beitragssätzen korreliert, da das Angebot die Ausgaben einer Kasse erhöht. Hier ist von der Kasse zu prüfen, was für die Bindung von Versicherten effektiver ist: ein umfangreiches Versorgungs- und Leistungsangebot oder ein niedriger Beitragssatz. Anzunehmen ist, dass die Präferenz für ein ausgedehntes Versorgungs- und Leistungsangebot vorwiegend vom Alter und der Morbidität eines Versicherten abhängt. Des Weiteren sind die zusätzlichen Versorgungs- und Leistungsangebote nur dann wettbewerbsrelevant, wenn sie von den Versicherten zum einen geschätzt und zum anderen wahrgenommen werden.6 Zu erwähnen bleibt weiterhin, dass bei dem Angebot von Versorgungs- und Leistungsangeboten auf den „Less-is-better“-Effekt zu achten ist.7 Dieser Effekt besagt, dass Personen unter Umständen Leistungen mit einem geringeren monetären Wert höher bewerten als andere Leistungen. Dies liegt daran, dass in unterschiedlichen Entscheidungssituationen unterschiedliche Referenzpunkte zugrunde gelegt werden. Der „Less-is-better“-Effekt tritt insbesondere dann auf, wenn unterschiedliche Angebote separat evaluiert werden. In solch einem Fall kann es sein, dass eine Leistung A, die teurer ist als andere Leistungen aus dem gleichen Leistungsbereich, höher bewertet wird als eine andere (substituierbare) Leistung B, die absolut teurer ist – jedoch im Vergleich zu anderen Leistungen aus dem gleichem Leistungsbereich günstiger – als Leistung A. Folglich ist es unter Umständen für die Wahrnehmung der Güte eines Krankenversicherungsangebotes besser, eine Produktkomponente anzubieten, die absolut kostengünstiger ist als eine Produktkomponente aus einem anderen Bereich, jedoch im Vergleich zu Komponenten aus dem gleichen Bereich am oberen Ende der Preisskala angesiedelt ist.
2. Erweiterung der Produkteigenschaften durch private Zusatzversicherungen Gegenwärtig ist es Krankenkassen gesetzlich untersagt, private Zusatzversicherungen anzubieten. Sie sind lediglich autorisiert, eine Vermittlerposition zwischen ihren Versicherungsnehmern und einem privaten Krankenversicherungsunternehmen einzunehmen. Unter der Annahme, dass sie zukünftig befugt sind, selbstständig private Zusatzversicherungen anzubieten, können sie durch weitere Leistungsbestandteile nachfragerseitigen Zusatznutzen generieren.8 ___________ 6
Vgl. Kepplinger (2006), S. 9 f. Eine ausführliche Darstellung des „Less-is-better“-Effektes ist zu finden bei Hsee (1998), S. 107 ff. 8 Vgl. Giering (2000), S. 103. 7
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
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Aber auch im Status quo kann nachfragerseitiger Zusatznutzen bereits in gewissem Umfang durch die Vermittlung von privaten Zusatzversicherungen generiert werden Im Status quo haben Versicherte, die über eine Krankenkasse bei einem privaten Krankenversicherungsunternehmen eine Zusatzversicherung zu speziellen Konditionen abgeschlossen haben, generell nicht die Möglichkeit, diese – bei Kündigung ihres gesetzlichen Krankenversicherungsvertrages – zu den gleichen Konditionen mitzunehmen. Kündigt ein Versicherter beispielsweise bei einer BKK seinen gesetzlichen Krankenversicherungsvertrag und wechselt zu einer anderen deutschen gesetzlichen Krankenversicherung, die keine Betriebskrankenkasse ist, so kann er die Zusatzversicherung zwar mitnehmen, aber der Beitrag für diese erhöht sich ab dem 1. des Monats, der auf die Beendigung der Versicherung bei der Betriebskrankenkasse folgt.9 Im Gegensatz dazu kann die Zusatzversicherung bei anderen gesetzlichen Krankenversicherungen ohne Einschränkung mitgenommen werden, wenn die Prämien risikoäquivalent kalkuliert und keine speziellen Konditionen hinsichtlich der Prämien zwischen der Kasse und dem privaten Krankenversicherungsunternehmen ausgehandelt wurden. Unter der Prämisse, dass ein Versicherter bei einem Kassenwechsel die speziellen Konditionen der Zusatzversicherung verliert, auch wenn eine Krankenkasse zukünftig selbstständig Anbieter der privaten Zusatzversicherung ist, befindet sich der Versicherte in einer Abhängigkeitsposition gegenüber der jeweiligen Kasse. Ein Wechsel zu einer anderen Krankenkasse wird somit erschwert, denn die private Zusatzversicherung wird – im Gegensatz zu den solidarisch finanzierten GKV-Leistungen – durch (annähernd) risikoäquivalente Prämien finanziert, die bei Neuabschluss einer privaten Zusatzversicherung mit zunehmendem Alter steigen. Somit sinkt der erwartete Nettonutzen einer alternativen Krankenversicherung mit zunehmendem Alter eines Versicherten und die Gefahr eines opportunistischen Verhaltens einer Kasse steigt. Nach der Theorie von Thibaut und Kelley wird ein Versicherter den Versicherungsvertrag bei einer gesetzlichen Krankenversicherung nur dann kündigen, wenn Produktalternativen am Markt erhältlich sind, die ihm einen höheren Nutzen spenden als das derzeitige Angebot. Ist eine private Zusatzversicherung Leistungsbestandteil eines Krankenversicherungsangebotes und bestimmt dadurch die Höhe des Primärnutzens der Versicherung mit, hängt die Höhe der Wechselkosten, neben den anderen dargestellten Faktoren, auch vom individuellen Gesundheitszustand und vom Alter eines Versicherten ab.10 Dies impliziert, dass der erwartete Nettonutzen einer alternativen gesetzlichen Kranken___________ 9 Vgl. beispielsweise Barmenia Versicherungen (2006a), S. 3 f.; Barmenia Versicherungen (2006b), S. 4 f. 10 Vgl. Terhorst (2000), S. 1 ff.
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
versicherung durch die altersbedingt zunehmenden Wechselkosten reduziert wird und durch andere Komponenten kompensiert werden muss, um eine Wechselbereitschaft hervorzurufen. Unter der Prämisse, dass private Zusatzversicherungen bei einem Wechsel von einer Krankenkasse zu einer anderen Kasse nicht bzw. nur zu anderen Konditionen mitgenommen werden dürfen, ist das Angebot von privaten Zusatzversicherungen ein Instrument, welches – durch die Reduktion des erwarteten Nettonutzens alternativer Krankenversicherungen und die Erhöhung des Nettonutzens der derzeitigen Versicherung – das Auftreten eines Abwanderungskorridors verhindern kann und für die Bindung von Kunden nützlich ist.
II. Steigerung des Transaktionsnutzens Einem Anbieter stehen verschiedene Handlungsparameter zur Steigerung des Transaktionsnutzens zur Verfügung. Zu nennen ist zunächst der Service, der sich aus verschiedenen Komponenten zusammensetzt. Grundsätzlich kann dieser dahingehend differenziert werden, ob er sich regelmäßig nur auf die Nachkaufphase bezieht, für den Aufbau von Wettbewerbvorteilen in einer speziellen Phase des Kaufentscheidungsprozesses genutzt wird oder in dem gesamten Kaufprozess vollständig integriert ist.11 Bei Krankenkassen nimmt der Service einen immer wichtigeren Stellenwert bei der Gewinnung von neuen Versicherten und der Bindung von Versicherten ein, denn durch ein umfassendes Servicekonzept kann nachfragerseitiger Zusatznutzen generiert und der Transaktionsnutzen gesteigert werden.12 Zu einem umfassenden Servicekonzept gehören insbesondere freundliche, hilfsbereite und kompetente Mitarbeiter, die Kundenanliegen schnell und zuverlässig bearbeiten. Die Erreichbarkeit der Krankenkasse ist darüber hinaus eine wichtige Bestimmungskomponente für die Höhe des Transaktionsnutzens.13 Hier kann zwischen der physischen Erreichbarkeit, die sich in der Geschäftsstellendichte und der Nähe der Geschäftstellen zum Wohn- bzw. Arbeitsort niederschlägt, sowie der telefonischen Erreichbarkeit bzw. der Erreichbarkeit via E-Mail differenziert werden. Das Angebot von Kundenzeitschriften, eine informative Homepage sowie die rechtzeitige Information über Gesetzes- und Leistungsänderungen tragen ebenfalls zur Steigerung des Transaktionsnutzens bei. Auch ___________ 11
Vgl. zu den drei Typen der Servicestrategien Müller/Riesenbeck (1991), S. 77 f. Vgl. Kienbaum Consultants International (2002); AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen (2005), S. 6 ff.; Töpfer/Opitz (2005), S. 2; Töpfer (2006), S. 2. Vgl. zum Service als Instrument zur Kundenbindung auch Meyer/Blümelhuber (2000), S. 276 ff. Vgl. zu der Generierung von Zusatznutzen durch Service Giering (2000), S. 140 f. 13 Vgl. Kepplinger (2006), S. 7. 12
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
177
ein Beschwerdemanagement gehört zu einem umfassenden Servicekonzept.14 Wird dem Kunden bei Unzufriedenheit die Gelegenheit gegeben, sich zu beschweren, wird die Beschwerde ernst genommen und an der Beseitigung des Problems gearbeitet, trägt dies zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und damit zur Erhöhung des Transaktionsnutzens bei.15 Ferner kann ein gutes Beschwerdemanagement den Widerspruch von unzufriedenen Kunden fördern, die Abwanderung dieser Kunden verhindern (vgl. mikroökonomische Theorie von Hirschman) und somit zur Reduktion von nachfragerseitig vorhandenen kognitiven Dissonanzen beitragen. Insofern zeigt sich, dass der Einsatz des Handlungsparameters „Erhöhung des Transaktionsnutzens“ und die daraus abgeleiteten Maßnahmen aus theoretischer Perspektive von der mikroökonomischen Theorie von Hirschman und der Dissonanztheorie unterstützt werden. Auch die Theorie des wahrgenommenen Risikos unterstreicht die Bedeutsamkeit dieses Handlungsparameters in Bezug auf die Bindung von Versicherten, denn mit einem umfassenden Servicekonzept kann eine Versicherung die Zufriedenheit eines Versicherten stärken und damit das wahrgenommene Risiko bei einem Versicherungswechsel erhöhen, weil ein Versicherter sich nicht sicher sein kann, dass die neue Kasse einen ebenso guten Service anbietet.16 Ferner wirkt ein guter Service und die daraus folgende Zufriedenheit der Versicherten wie ein positiver Verhaltensverstärker und trägt somit auch aus lerntheoretischer Perspektive zur Bindung von Versicherten bei. Ein umfangreiches Serviceangebot ist allerdings mit Kosten verbunden, die unter Umständen zu einem höheren Beitragssatz führen. Für die effektive Bindung von Versicherten ist aus Sicht einer Kasse daher zunächst festzustellen, ob ein umfassendes Servicekonzept bei ihren Versicherten zu einem höheren Nettonutzen führt oder ob ein geringerer Beitragssatz den Nettonutzen positiver beeinflusst. Letztendlich wird – auch nach der Theorie von Thibaut und Kelley – die Höhe des Nettonutzens der maßgebliche Parameter sein, den die Versicherten bei ihrer Entscheidung, eine Kasse zu wechseln oder ihr treu zu bleiben, zugrunde legen.
___________ 14
Vgl. beispielsweise Günter (2001), S. 261; Stauss (2005), S. 318 ff. Vgl. zu der Bindungswirkung der Beschwerdezufriedenheit Stauss (2000b), S. 298 ff. 16 Vgl. Müller/Riesenbeck (1991), S. 77. 15
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
III. Steigerung des externen und emotionalen Nutzens bzw. Senkung der externen und emotionalen Kosten Per definitionem entsteht externer Nutzen dann, wenn das Verhalten Dritter auf den Nutzen einer Person positiven Einfluss hat. Externe Kosten entstehen dann, wenn das Verhalten Dritter negativen Einfluss auf den Nutzen einer Person hat, ohne dass dies über den Preismechanismus abgebildet wird. Bei Vertragswettbewerb hat das Verhalten der von einer Krankenkasse unter Vertrag genommenen Versorger Einfluss auf den Nutzen eines Versicherten/Patienten. Da die Qualität eines Versorgers von einer Kasse nicht 100 %ig über den Preismechanismus abgebildet werden kann und verschiedene Versicherte/Patienten darüber hinaus eine subjektiv unterschiedliche Qualitätsvorstellung haben, ist in dieser speziellen Situation von externem Nutzen bzw. externen Kosten zu sprechen, die die Höhe des Gesamtnutzens eines Krankenversicherungsangebotes mit determinieren. Eine Kasse kann durch den geschickten Abschluss von Versorgungsverträgen versuchen, den externen Nutzen ihres Krankenversicherungsangebotes zu erhöhen bzw. die externen Kosten zu reduzieren. Hat eine Krankenkasse A mit einem Versorger einen Versorgungsvertrag abgeschlossen, der diesen verpflichtet, bestimmte hohe Qualitätsstandards einzuhalten, für die er von Kasse A besonders vergütet wird, so kann Krankenkasse B von der gesicherten hohen Versorgungsqualität profitieren, ohne dass ihr dafür Kosten entstehen, wenn sie ebenfalls mit diesem Versorger einen Versorgungsvertrag abgeschlossen, aber ein geringeres Honorar ausgehandelt hat (z. B. aufgrund geringerer ausgehandelter Qualitätsstandards). Da der Versorger jedoch wegen des Vertrages mit Kasse A gewisse hohe Qualitätsstandards einhalten muss, ist die erhöhte Qualität für Krankenkasse B und ihre Versicherten ein positiver externer Effekt. Durch den gezielten Abschluss von Versorgungsverträgen mit Versorgern, die aufgrund anderer abgeschlossener Versorgungsverträge verpflichtet sind, einen hohen Qualitätsstandard einzuhalten, kann eine Krankenkasse versuchen, die positiven externen Effekte zu erhöhen, um damit den Nettonutzen der Versicherung zu steigern. Natürlich werden die Versorger versuchen, von allen Kassen, die einen Vertrag mit ihnen abschließen, einen höheren Preis für eine höhere Qualität auszuhandeln. Aber durch ein geschicktes Verhandeln ist es möglich, dass Kassen von der gesicherten Qualität, für die andere Krankenkassen zahlen, profitieren. Zur Reduktion von emotionalen Kosten bzw. zur Erhöhung des emotionalen Nutzens stehen einer Krankenkasse zahlreiche Handlungsparameter zur Verfügung. Beispielsweise kann sie ein Beschwerdemanagement einführen, mit dem im Fall von nachfragerseitiger Unzufriedenheit versucht werden kann, kognitive Dissonanzen zu reduzieren. Auch Vertrauen des Versicherten zur Kasse, die
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
179
Reputation der Krankenkasse und positive bzw. negative Mund-zu-MundPropaganda haben Einfluss auf die Höhe der nachfragerseitigen emotionalen Nutzen/Kosten.17 Zudem kann die Fortschrittlichkeit einer Krankenkasse – zum Beispiel in Bezug auf neue Versorgungsformen – den emotionalen Nutzen steigern. Findet der Fortschritt einer Krankenkasse in neuen Versorgungsformen ihren Ausdruck, so kann dies zudem zur Erhöhung des primären Nutzens beitragen. Wird ein Versicherter nach Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages in seinem Kauf bestätigt (z. B. durch ein Informationsmanagement der Kasse), führt dies zu einem guten Gefühl – und damit ebenfalls zur Erhöhung des emotionalen Nutzens. Das gute Gefühl fungiert des Weiteren als ein positiver Verhaltensverstärker (vgl. Lerntheorie) und trägt zur Bindung des Versicherten an die Kasse bei. Eine Person wird nicht jede Entscheidung in allen Einzelheiten durchdenken und nicht alle Vor- und Nachteile zur Entscheidungsfindung abwiegen.18 Vielmehr kann es sein, dass Entscheidungen schnell, ohne kompliziertes und großes Nachdenken getroffen werden. Bei solchen Entscheidungen kommen die „mental contents“, die zur Entscheidung führen, einem Individuum schnell und ohne große Schwierigkeiten ins Gedächtnis.19 Auch die Entscheidung, ob etwas gut ist und angenommen oder schlecht ist und eher gemieden werden soll, wird von Wirtschaftsubjekten sehr schnell gefällt.20 Diese Erkenntnis von Kahneman kann sich eine Krankenkasse zu Nutze machen. So besteht das Produkt „Krankenversicherung“ aus verschiedenen Bestandteilen, die für Personen von unterschiedlicher Bedeutung sind. Ist einer Krankenkasse bekannt, dass ein bestimmter Produktbestandteil bzw. eine Eigenschaft der Kasse für Versicherte einen hohen emotionalen Wert besitzt (z. B. Image oder Reputation) bzw. ist ihr bekannt, dass bestimmte Versorger grundsätzlich zu einem hohen externen Nutzen beitragen, ist denkbar, dass sich ein Individuum nur deshalb für eine ___________ 17
Vgl. von Wangenheim/Bayon/Weber (2002), S. 191. Vgl. hierzu und zum Folgenden Kahneman (2003), S. 1450 ff. 19 Kahneman bezeichnet die Einfachheit und Schnelligkeit, mit der Attribute ins Gedächtnis gelangen, mit dem Terminus „assessibility“. Attribute, die schnell, routiniert und automatisch vom System 1 produziert werden, werden nach Kahneman als „natural assessments“ betitelt. Beispiele für natural assessments sind Überraschung, Gefühle und die Fähigkeit, Relationen zwischen Objekten herzustellen (z. B. Ähnlichkeiten und Entfernungen). 20 Kahneman und Frederick konnten durch ihre Experimente eine Liste von natural assessments erstellen. So haben sie herausgefunden, dass die Schnelligkeit, mit der Attribute ins Gedächtnis gerufen werden, unter anderem von der Erfahrung und dem Training der Wirtschaftssubjekte abhängig ist. Kahneman zeigt überdies, dass äußere Gegebenheiten Einfluss auf die Schnelligkeit haben, mit der Attribute ins Gedächtnis gerufen werden. Wird beispielsweise ein großer roter Buchstabe neben einem kleinen grünen Buchstaben platziert, so denkt ein Wirtschaftssubjekt zunächst an die Farbe Rot. Vgl. Kahneman/Frederick (2002), S. 49 ff.; Kahneman (2003), S. 1452 f. 18
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
bestimmte Krankenkasse entscheidet, weil dieses Element/diese Eigenschaft bei der Kasse bzw. dem Versicherungsangebot vorhanden ist.21 Die Wahlentscheidung wird nicht mehr rein rational getätigt, sondern ist emotional geprägt und intuitiv. Würde die Person Kosten und Nutzen aller einzelnen Bestandteile des Krankenversicherungsangebotes ermitteln und mit den Kosten und Nutzen der Angebotselemente anderer Krankenkassen vergleichen, hätte sie unter Umständen eine andere Entscheidung getroffen, da die ermittelten Nettonutzen anderer Krankenversicherungen höher sind.
IV. Senkung des Entgelts und der nachfragerseitigen Transaktionskosten Eine Senkung des Beitragssatzes oder der nachfragerseitigen Transaktionskosten impliziert eine Steigerung des Nettonutzens eines Krankenversicherungsangebotes. Vor dem Hintergrund des zu erwartenden verstärkten Wettbewerbs um gute Versorgungsformen und den damit verbundenen Schwierigkeiten, bieten die Ausgestaltung des Beitragssatzes und die Reduktion der nachfragerseitigen Transaktionskosten relativ einfache Handlungsmöglichkeiten zur Steigerung des Nettonutzens.
1. Ausgestaltung des Beitragssatzes a) Selbstbehalte Gemäß § 53 SGB V haben Krankenkassen die Möglichkeit, ihren Mitgliedern Selbstbehalte anzubieten.22 Wird dieses Angebot von den Versicherten angenommen, muss ihnen im Gegenzug eine Prämienzahlung gewährt werden, was eine Senkung der direkt von einem Mitglied zu tragenden Kosten und damit eine Steigerung des Nettonutzens der Krankenversicherung impliziert.23 Dieses trägt zu einer Schließung/Verringerung eines möglicherweise bestehenden Abwanderungskorridors bei bzw. verhindert dessen Entstehung. Zugleich ___________ 21
Vgl. Töpfer/Opitz (2005), S. 5. Bis März 2007 konnten die Kassen Selbstbehalttarife nur ihren freiwillig Versicherten anbieten. Seit April 2007 sind sie allerdings autorisiert, Selbstbehalttarife allen Mitgliedern anzubieten. An dieser Stelle wird von einer Diskussion abstrahiert, ob Selbstbehalte mit dem Solidarprinzip der GKV vereinbar oder ob sie unsolidarisch sind, weil sie den Beitragssatz für andere Mitglieder einer Kasse möglicherweise erhöhen. 23 Laut Gesetz darf keine Beitragssatzsenkung erfolgen, sondern eine Krankenkasse ist verpflichtet, die Ermäßigung direkt mit dem Mitglied abzurechnen. 22
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
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kann durch das Angebot von Selbstbehalten ex-ante moral hazard entgegengewirkt werden.24 Die Erhöhung des Nettonutzens stellt vor dem Hintergrund der sozialpsychologischen Theorie von Thibaut und Kelley eine geeignete Möglichkeit dar, eine bestehende Beziehung zu stärken, da ihr – bei der subjektiven Bewertung des Nutzens und der Kosten von unterschiedlichen Wahlmöglichkeiten – eine bessere Stellung zukommt. Zudem können Selbstbehalte – unter der Prämisse, dass diese den Mitgliedern zusätzlichen Nutzen spenden – zur Reduktion des erwarteten Nettonutzens anderer Krankenkassen beitragen, denn sie müssen bei einem Kassenwechsel höhere Suchkosten aufwenden, um eine Kasse zu finden, die ebenfalls Selbstbehalte anbietet.
b) Prämienzahlungen Eine Prämienzahlung für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen zu Lasten der Krankenkasse ist möglich, sofern eine Krankenkasse dies in ihrer Satzung vorgesehen hat.25 Mit solch einem Angebot haben Krankenkassen die Möglichkeit, in zweifacher Hinsicht Einfluss auf die Höhe des Gesamtnutzens der Versicherung zu nehmen. Zum einen wird die emotionale Nutzenkomponente durch die Bildung positiver Erwartungen bei den Versicherten auf eine Prämienzahlung bei Nichtinanspruchnahme von Leistungen zu Lasten der Krankenkasse in ihrer Höhe positiv beeinflusst. Zum anderen wird das Entgelt in seiner Höhe beeinflusst, falls tatsächlich eine Zahlung erfolgt. Im Gegensatz zu dem Angebot von Selbstbehalten wirkt eine Prämienzahlung auch wie ein positiver Verhaltensverstärker, da Handlungen, die von einer Krankenkasse gewünscht werden, belohnt und Handlungen, die unerwünscht sind, „bestraft“ werden. Zudem kann die Prämienzahlung, ebenso wie das Angebot von Selbstbehalten, dem ex-ante moral hazard entgegenwirken.26 Der Einsatz dieses Handlungsparameters ist – vor dem Hintergrund einer Einflussnahme auf die Höhe des Nettonutzens (und damit auf den Abwanderungskorridor) sowie dem Entgegenwirken von ex-ante moral hazard – zum einen zweckdienlich zur Bindung von Versicherten (vgl. Theorie von Thibaut ___________ 24
Vgl. Braun/Reiners/Rosenwirth et al. (2006), S. 40 ff. Als Kritik an einer Prämienzahlung für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen kann angeführt werden, dass den Krankenkassen finanzielle Mittel entzogen werden, die sonst zur Versorgung von morbiden Versicherten genutzt werden könnten. Von einer ausführlichen Diskussion dieses Themas wird jedoch an dieser Stelle abstrahiert. 26 Vgl. Braun/Reiners/Rosenwirth et al. (2006), S. 31 ff. 25
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
und Kelley) und zum anderen förderlich, um das Verhalten der Versicherten in gewissem Umfang zu steuern, und damit die Ausgaben der Krankenkasse für medizinische Leistungen zu reduzieren. Ferner kann eine Prämienzahlung – unter der Prämisse, dass dieses den Versicherten zusätzlichen Nutzen spendet – zur Reduktion des erwarteten Nettonutzens anderer Krankenkassen beitragen, denn die Versicherten müssen bei einem Kassenwechsel höhere Suchkosten aufwenden, um eine Kasse zu finden, die ebenfalls Zahlungen vorsieht, wenn Versicherte und ihre mitversicherten Angehörigen keine Leistungen zu Lasten der Kasse in Anspruch genommen haben.
c) Selbstbeteiligung Co-Payments, als direkte Form der finanziellen Beteiligungen an der Inanspruchnahme von individuellen medizinischen Leistungen, sind gegenwärtig in zahlreichen Bereichen der GKV für die Versicherten verpflichtend.27 Eine freiwillige Selbstverpflichtung zu Selbstbeteiligungen in Verbindung mit einer Prämienreduktion ist im Status quo für die Versicherten allerdings nicht vorgesehen – in der Zukunft jedoch denkbar. Durch die Prämienreduktion böte dieser Handlungsparameter für die Krankenkasse die Möglichkeit, auf die Kostenhöhe (Entgelt) der Versicherungsleistung – und damit auf die Höhe des Nettonutzens – Einfluss zu nehmen. Durch den Einsatz dieses Instrumentes kann daher – ebenso wie bei dem Angebot von Selbstbehalten und Beitragsrückzahlungen – der Gesamtnutzen eines Leistungsbündels variiert und die Entstehung eines Abwanderungskorridors verhindert bzw. zur Schließung/Verringerung eines möglicherweise bestehenden Abwanderungskorridors beigetragen werden. Auch hier kann die sozialpsychologische Theorie von Thibaut und Kelley als theoretische Fundierung herangezogen werden, denn eine Erhöhung des Nettonutzens trägt zur Bindung von Versicherten bei. Indem die Versicherten bei medizinischen Behandlungen direkt finanziell an den entstehenden Kosten beteiligt werden, kann zudem dem ex-ante- und vor allem dem ex-post moral hazard entgegengewirkt werden.28 Wie auch bei den Selbstbehalten und dem Angebot von Prämienzahlungen, kann das Angebot von Selbstbeteiligungen – unter der Prämisse, dass dieses den Versicherten zusätzlichen Nutzen spendet – zur Reduktion des erwarteten Nettonutzens anderer Krankenkassen beitragen. Dies resultiert daraus, dass Versicherte bei einem Kassenwechsel höhere Kosten für die Suche nach einer ___________ 27 Die Pflicht zu Selbstbeteiligungen existiert in der GKV beispielsweise bei Arzneimitteln, Heil- und Hilfsmitteln und bei der Konsultation von Ärzten (Praxisgebühr). 28 Vgl. Braun/Reiners/Rosenwirth et al. (2006), S. 35 ff.
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
183
anderen geeigneten Kasse aufwenden müssen, um eine Kasse zu finden, die ihren Versicherten ebenfalls Selbstbeteiligungen anbietet.
d) Bonusmodelle Eine Krankenkasse ist autorisiert, allen Versicherten die Teilnahme an Bonusmodellen anzubieten. Diese sind dadurch gekennzeichnet, dass sich derjenige, der sich für die Annahme eines solchen Angebotes entscheidet, zur Teilnahme an primären Präventionsmaßnahmen oder zur Inanspruchnahme von Leistungen zur Früherkennung von Krankheiten verpflichtet. Durch die Gewährung von Boni kann eine Kasse in einem bestimmten Umfang das Verhalten der Versicherten steuern.29 Erhofft werden dadurch Einsparungen bei der Kuration der Versicherten. Allerdings sind die Einspareffekte für eine einzelne Kasse unsicher, da Versicherte ihre Kasse wechseln können und dann möglicherweise eine andere Kasse von den Präventionsmaßnahmen, die durch die originäre Kasse durch Bonuszahlungen gefördert wurden, profitiert. Aus Sicht einer einzelnen Kasse sind Bonusprogramme daher nicht ausschließlich positiv zu beurteilen. Ebenso wie die Gewährung einer Prämienzahlung wirkt der Bonus für gesundheitsbewusstes Verhalten wie ein positiver Verhaltensverstärker, weil von der Krankenkasse gewünschtes Verhalten positiv sanktioniert wird und unerwünschtes Verhalten für den Versicherten keine positive Reaktion hervorruft. Mit dem Angebot von Bonusmodellen kann eine Krankenkasse durch die Reduktion des Entgelts – ebenso wie mit den anderen Maßnahmen zur Gestaltung des Beitragssatzes – die Höhe des Nettonutzens (und damit die Höhe eines möglicherweise existierenden Abwanderungskorridors) positiv beeinflussen und eine bestehende Beziehung festigen, indem diese bei dem subjektiven Vergleich von Kosten und Nutzen der zur Verfügung stehenden Wahlmöglichkeiten eine bessere Stellung einnimmt (vgl. Theorie von Thibaut und Kelley). Unter der Prämisse, dass Bonusmodelle den Versicherten zusätzlichen Nutzen spenden, kann ein freiwilliges Angebot von Bonusmodellen ferner zur Reduktion des erwarteten Nettonutzens anderer Versicherungen beitragen, denn Versicherte müssen bei einem Kassenwechsel höhere Kosten bei der Suche nach einer anderen adäquaten Kasse aufwenden, um eine Kasse zu finden, die ihren Versicherten ebenfalls Bonusmodelle anbietet.
___________ 29
Vgl. Braun/Reiners/Rosenwirth et al. (2006), S. 21 f.
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
2. Beeinflussung der Höhe der nachfragerseitigen Transaktionskosten Die Infrastruktur einer Krankenkasse trägt zur Höhe der nachfragerseitigen Transaktionskosten bei. Ein konstituierendes Element der Infrastruktur ist die physische Erreichbarkeit einer Kasse, welche sich unter anderem in der Anzahl der Geschäftsstellen niederschlägt. Neben der absoluten Anzahl der Geschäftsstellen ist weiterhin relevant, in welcher regionalen Entfernung sich diese zu dem Wohn- bzw. Arbeitsplatz eines Versicherten befinden, wann sie geöffnet haben und wie hoch die durchschnittlichen Wartezeiten sind. Je besser die Infrastruktur ausgestaltet ist, desto geringer sind die Transaktionskosten für einen Versicherten im Falle einer gewünschten Kontaktaufnahme mit der Versicherung. Anzumerken ist, dass zur Kontaktaufnahme nicht unbedingt eine Geschäftsstelle notwendig ist, sondern auch die Bereitstellung einer (24-stündig erreichbaren und kostenlosen) Telefonhotline bzw. eines E-Mail-Kontaktformulars Wege zur Kontaktaufnahme darstellen.30 Insbesondere bei Internetfilialen erscheint die mühelose telefonische und elektronische Erreichbarkeit eine wichtige Maßnahme zur Senkung der nachfragerseitigen Transaktionskosten zu sein. Jedoch differieren die Präferenzen der Versicherten hinsichtlich der Methode der Kontaktaufnahme.31 Für die Bindung von Versicherten ist es daher wichtig herauszufinden, welche Methode sie bevorzugen, denn die Bereitstellung von unterschiedlichen Kontaktaufnahmemöglichkeiten verursacht ungleich hohe Kosten und trägt in unterschiedlich hohem Ausmaß zur Steigerung des Beitragssatzes einer Kasse bei. Die umgehende Bearbeitung von Kundenanfragen sowie eine informative Homepage tragen ferner zur Reduktion von nachfragerseitigen Transaktionskosten bei. Einem Anbieter stehen somit verschiedene Maßnahmen zur Verfügung, um die nachfragerseitigen Transaktionskosten in Form von Mühe, Zeit und Geld für die Vorbereitung, Durchführung und Kontrolle der Transaktion zu beeinflussen und den Nettonutzen eines Produktes zu steigern.32 Die Reduktion der Transaktionskosten stärkt die Kundenbindung, denn der Nettonutzen wird gesteigert – und damit die Höhe eines möglicherweise bestehenden Abwanderungskorridors reduziert bzw. dessen Entstehung vorgebeugt. Zudem sind Beziehungen, die aus transaktionskostentheoretischer Perspektive effizient sind, stabiler als Beziehungen, die für einen Nachfrager hohe Transaktionskosten induzieren.33 ___________ 30
Die Art der Kontaktaufnahme, die eine Kasse ihren Versicherten anbietet, ist ein gutes Mittel zur Marktsegmentierung bzw. zur Risikoselektion. 31 Vgl. Kepplinger (2006), S. 11 f. 32 Vgl. Kaas (2001), S. 224 ff. 33 Vgl. Peter (1999), S. 89 ff.
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
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V. Bildung positiver Erwartungen Der Aufbau positiver Erwartungen kann für den Erfolg einer Versicherung eine wichtige Rolle spielen.34 Falls der derzeitige Nettonutzen bei einem Pflichtversicherten unterhalb von KVKGo liegt bzw. bei einem freiwillig Versicherten geringer als U* oder KVKGo ist, bedeutet dies, dass die Personen von dem Abschluss eines Krankenversicherungsvertrages absehen oder eine bereits bestehende Krankenversicherung kündigen, wenn sie keine Vergrößerung des Nettonutzens durch eine Erhöhung der Nutzenkomponente erwarten oder der erwartete Nettonutzen von alternativen Krankenversicherungen nicht reduziert werden kann. Da die Bedeutung von U* bzw. von KVKGo durch positive Erwartungsbildung beeinflusst werden kann, ist es aus Sicht einer Kasse sinnvoll, an diesem Punkt anzusetzen und den Aufbau positiver Erwartungen auf der Nachfragerseite zu fördern, um einen eventuell bestehenden Abwanderungskorridor zu schließen bzw. dessen Entstehung zu verhindern. Dies kann durch unterschiedliche kommunikationspolitische Maßnahmen geschehen.35 Grundsätzlich kann zwischen einem unternehmensgesteuerten Erwartungsmanagement und einem Erwartungsmanagement, das durch unternehmensexterne Personen gesteuert wird, differenziert werden. Neben dem Informationsmanagement und der traditionellen Werbung können positive Erwartungen durch (virtuelle) Communities36 geweckt werden. Im Unterschied zum Informationsmanagement und zur Werbung kann eine (virtuelle) Community von einem Unternehmen initiiert werden. Die Steuerung der Information und der Inhalte geht allerdings i. d. R. von den Mitgliedern einer Community aus. Der Kern einer Community ist der Themenfokus, um den sich dann das Community-Leben entwickelt.37 Durch die Interaktion der Community-Mitglieder kann ein Unternehmen etwas über die Präferenzen der Mitglieder erfahren.38 Ferner kann durch die vereinfachte Art und Weise der Interaktionen zwischen Community-Teilnehmer und Unternehmen eine Beziehung intensiviert und Loyalität erzeugt werden.39 Der vertrauensvolle Informationsfluss un___________ 34
Vgl. Besen/Farell (1994), S. 118; Brockhoff (1999), S. 37; Voeth (2003), S. 274 ff. Vgl. zur Wichtigkeit der positiven Erwartungsbildung bei Konsumenten Katz/ Shapiro (1985), S. 425. 36 Virtuelle Communities werden definiert als Gemeinschaften von Personen oder Organisationen im Cyberspace, die sowohl unter den Community-Mitgliedern als auch zwischen den Mitgliedern und den Betreibern einen Informations- und Erfahrungsaustausch ermöglichen. Einen umfassenden Einblick über virtuelle Communities bietet Rheingold (1993); einen kurzen Überblick über virtuelle Communities bietet Fritz (2000), S. 131 ff. 37 Vgl. Paul/Runte (1999), S. 122 ff. 38 Vgl. Armstrong/Hagel III (1997), S. 143; Paul/Runte (1999), S. 124. 39 Vgl. Armstrong/Hagel III (1997), S. 149; Frost/Strauss (2001), S. 310 ff. 35
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
ter den Mitgliedern und die Neigung der Konsumenten, nach dem Austausch von Informationen beim Kauf eines Produktes eher ein Risiko einzugehen, unterstützt Kaufentscheidungen, und Produkte mit einem hohen Anteil von Vertrauenseigenschaften können leichter vertrieben werden.40 Aus Sicht einer Kasse bieten Communities damit eine kostengünstige Möglichkeit, positive Erwartungen bei Versicherten aufzubauen. Eine Krankenkasse sollte aus diesem Grund die Bildung einer Community in Erwägung ziehen. Werden die Erwartungen allerdings nicht erfüllt, so besteht die Gefahr, dass die Versicherten enttäuscht werden und Wechselgedanken hegen. Individuen sind nach einer Gruppendiskussion eher bereit, ein Risiko einzugehen als vor einer Gruppendiskussion.41 Überdies sind interpersonelle Kommunikationswege dazu geeignet, zusätzliche Informationen zu übermitteln und positive Erwartungen aufzubauen.42 Da Personen häufig zufällig zusammentreffen, treten Gruppendiskussionen über bestimmte Produkte vielfach unvorhergesehen auf. Erwartungen über den Erfolg von Produkten werden daher in Gruppendiskussionen – da i. d. R. kein Mitarbeiter des Unternehmens an der Diskussion beteiligt ist – von unternehmensexternen Personen gesteuert. Natürlich kann ein Unternehmen auch Gruppendiskussionen initiieren und durch gezielte Eingriffe in die Diskussion die Erwartungen der Teilnehmer beeinflussen. Aus Sicht einer Kasse bieten Gruppendiskussionen eine attraktive Alternative, auf die Erwartungsbildung von Personen Einfluss zu nehmen, obwohl die Gefahr besteht, dass Teilnehmer der Gruppendiskussion auch negative Äußerungen über das Krankenversicherungsangebot tätigen und somit die Erwartungen negativ beeinflussen. Des Weiteren muss sich eine Kasse bewusst sein, dass die Initiierung und Durchführung von Gruppendiskussionen Kosten verursacht. Eine Möglichkeit, die Kosten möglichst gering zu halten, besteht darin, nur Personen zu einer Gruppendiskussion einzuladen, die eine Schlüsselfunktion für die Weiterleitung von positiven Informationen über die Krankenversicherung einnehmen. Schließlich kann die Wahl des Distributionsweges zur Generierung positiver Erwartungen beitragen. Eine wichtige Unterteilung ist die Unterscheidung der Distribution von Krankenversicherungen über das WWW oder über traditionelle Absatzkanäle. Generell kann davon ausgegangen werden, dass die Wahl des Absatzkanals sowie die Wahl der Absatzkanalbreite zur Etablierung von (positiven) Erwartungen beiträgt, denn ein breiter Absatzkanal kann von Versicherten als Qualitätsindikator angesehen werden. Kritisch bleibt anzumerken, dass die Breite und die Art des Distributionskanals als Qualitätsindikator sicherlich ___________ 40
Vgl. Paul/Runte (1999), S. 128. Vgl. Woodside (1972), S. 223. 42 Vgl. Rogers (1983), S. 197 f. 41
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
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nur in Verbindung mit anderen marketingpolitischen Maßnahmen größere Wirkung zeigt. So sollte zum Beispiel durch Werbung die Breite des Absatzkanals kommuniziert werden, um sicher zu stellen, dass Versicherte den breiten Absatzkanal auch tatsächlich wahrnehmen. Eine weitere Möglichkeit für Krankenkassen, positive Erwartungen bei Konsumenten zu bilden und damit KVKGo bzw. U* zu reduzieren, ist die Zusicherung der Erhöhung des Nettonutzens. Dies kann u. a. durch die Ankündigung einer Ausdehnung des Krankenversicherungsangebotes oder einer Modifizierung des bereits bestehenden Angebotes geschehen. Die Bildung positiver Erwartungen kann ferner zur Reduktion von möglicherweise vorhandenen nachfragerseitigen kognitiven Dissonanzen und damit zur Reduktion der emotionalen Kostenkomponente beitragen. Des Weiteren tragen Maßnahmen zur Bildung positiver Erwartungen zum Aufbau eines größeren wahrgenommenen Risikos bei einem Kassenwechsel bei, indem den Versicherten suggeriert wird, dass der Nettonutzen der aktuellen Kasse in der Zukunft gesteigert wird und es sich lohnt, der aktuellen Versicherung treu zu bleiben, da nicht gesichert ist, dass die andere Kasse ein ebenso gutes Angebot hat. Insofern lässt sich konstatieren, dass der Aufbau positiver Erwartungen auch aus theoretischer Perspektive eine geeignete Maßnahme für Krankenkassen zur Bindung von Versicherten darstellt. Die Ergreifung spezieller Maßnahmen zur Erwartungsbildung hängt von der Konstellation des derzeitigen Nettonutzens zu KVKGo und U* ab. Liegt KVKGo über dem derzeitigen Nettonutzen, ist es aus Sicht der Kasse nicht zweckdienlich, erwartungsbildende Maßnahmen zu ergreifen, die beispielsweise die Bedeutung des Produktes Krankenversicherung an sich betreffen (z. B. durch verbandspolitische Maßnahmen), da hierdurch alle Krankenversicherungen gestärkt werden. In solch einer Situation muss eine Krankenkasse erwartungsbildene Maßnahmen ergreifen, die ihre relative Position verbessern. Dies kann beispielsweise durch die Zusicherung der Erhöhung des Nettonutzens geschehen.
VI. Synthese Durch die Stärkung dezentraler Wettbewerbsprozesse in Form des selektiven Kontrahierens entstehen zwei Wettbewerbsebenen: Auf der ersten Ebene besteht eine wechselseitige Konkurrenz zwischen Krankenkassen und Versorgern, wobei die gesetzlichen Krankenversicherungen um effektive und effiziente Versorgungsverträge und die Versorger um für sie günstige Verträge mit den
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3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Krankenkassen konkurrieren.43 Auf der zweiten Ebene konkurrieren die Krankenkassen um Versicherte und die Versorger um Patienten. Durch die Einführung eines selektiven Vertragssystems wird die Anzahl der Instrumente verändert, die Krankenkassen zur Bindung von Versicherten einsetzen können. Dies liegt unter anderem an der – im Vergleich zum Status quo – größeren Gestaltungsfreiheit bei den Versicherungsangeboten. Die unternehmerischen Entscheidungen (z. B. im Hinblick auf produktpolitische Entscheidungen) werden in dieser Situation zunehmen, denn im Status quo werden den Krankenkassen beispielsweise die Entscheidungen, mit welchen und wie vielen Versorgern zu welchen Konditionen kontrahiert wird, durch das gemeinsame und einheitliche Kontrahieren abgenommen. Eine größere Freiheit bei der Gestaltung des Krankenversicherungsangebotes führt auf der einen Seite zu differenzierteren Leistungsangeboten und damit zu präferenzgerechten Krankenversicherungsangeboten. Auf der anderen Seite nehmen jedoch die Komplexität des Produktes „gesetzliche Krankenversicherung“ und die Informationskosten für die Nachfrager bei der Suche nach einer geeigneten Kasse zu.44 Somit steht eine Krankenkasse bei der Stärkung von dezentralen Wettbewerbsprozessen vor einer neuen Vermarktungssituation und der Entscheidung, welche Handlungsparameter zur Bindung von Versicherten am effektivsten und effizientesten einzusetzen sind. Eine Übersicht über den Beitrag der einzelnen vorgestellten Instrumente zur Reduktion des AWK I und AWK II bzw. zur Verhinderung der Entstehung eines AWK I bzw. AWK II sind in Tabelle 3 aufgeführt. Es ist ersichtlich, dass –
alle Handlungsparameter zur Vergrößerung des Nettonutzens beitragen,
–
die Mehrzahl der Instrumente zur Reduktion des erwarteten Nettonutzens alternativer Krankenkassen beitragen und
–
lediglich die positive Erwartungsbildung geeignet ist, um die Bedeutung von U* und KVKGo zu reduzieren.
___________ 43 Vgl. hierzu und zum Folgenden die Ausführungen vom Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005b), S. 41. 44 Nach Dittrich bewirkt eine Deregulierung der wettbewerblichen Rahmenbedingungen eher eine Abnahme der Kundenbindung. Auf der anderen Seite bewirken höher wahrgenommene Beschaffungsrisiken eher eine Zunahme der Kundenbindung. Vgl. Dittrich (2000), S. 11 ff.
G. Instrumente zur Schließung eines „Abwanderungskorridors“
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Tabelle 3 Instrumente zur Bindung von Versicherten
Reduktion der Bedeutung von U*
Reduktion der Bedeutung von KVKGo
Auswahl der Leistungserbringer Spezielle Versorgungs- und Leistungsangebote Erweiterung der Produkteigenschaften durch private Zusatzversicherungen Steigerung des Transaktionsnutzens Steigerung des externen und emotionalen Nutzens bzw. Senkung der externen und emotionalen Kosten
Vergrößerung des Nettonutzens
Reduktion des erwarteten Nettonutzens alternativer Krankenkassen
X
X
X
X
X
X
X
X
Ausgestaltung des Beitragssatzes Selbstbehalt
X
X
Prämienzahlungen
X
X
Selbstbeteiligung
X
X
Bonusmodell
X
X
Beeinflussung der nachfragerseitigen Transaktionskosten positive Erwartungsbildung Quelle: Eigene Darstellung
X
X
X
X
190
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Der Einsatz der vorgestellten Instrumente ist i. d. R. mit Kosten verbunden, die Auswirkungen auf die Höhe des Beitragssatzes haben können. Beispielsweise ist zu vermuten, dass ein ausgedehntes Portfolio an Versorgern oder ein umfangreiches Versorgungs- und Leistungsangebot zu einem höheren Beitragssatz führt. Der zusätzliche Nutzen, der durch einen bestimmten Handlungsparameter generiert wird, kann also durch die dadurch entstehenden zusätzlichen Kosten zunichte gemacht werden. Krankenkassen müssen infolgedessen eruieren, welche Parameter ihren Versicherten den höchsten Nutzen spenden und damit die Sinnhaftigkeit des Einsatzes bestimmter Handlungsparameter gegeneinander abwiegen. Abschließend lässt sich konstatieren, dass eine verstärkte Wettbewerbsorientierung auf dem GKV-Versorgungsmarkt zum einen die Anzahl der zur Verfügung stehenden Handlungsparameter zur Bindung von Versicherten verändert und zum anderen Auswirkungen auf den effektiven und effizienten Einsatz der Handlungsparameter hat. Vor dem Hintergrund, dass bereits heute ein „gutes Leistungsangebot“ für die Versicherten ein wichtiger Parameter bei der Auswahl einer Krankenkasse ist,45 ist insbesondere bei Vertragswettbewerb zu prognostizieren, dass die Qualität der Versorger, mit der eine Kasse kontrahiert, bei den Versicherten einen erheblichen Einfluss auf den Gesamtnutzen eines Krankenversicherungsangebotes haben wird und damit, aufgrund der theoretischen Überlegungen, die Bindung von Versicherten beeinflusst. Da der Preis bei nahezu jeder Kaufentscheidung ein entscheidungsrelevanter Parameter ist, und weil die Höhe des Breitagssatzes einer Krankenkasse gegenwärtig von solch außerordentlicher Wichtigkeit bei einer Wahlentscheidung ist, ist nicht zu vermuten, dass die Höhe des Beitragssatzes bei Vertragswettbewerb keinen Einfluss auf den Gesamtnutzen hat. Im Gegenteil, es erscheint plausibel anzunehmen, dass die Höhe des Beitragssatzes auch bei Vertragswettbewerb ein bedeutender Parameter bei der Auswahl eines Krankenversicherungsangebotes bleiben wird. Fraglich ist allerdings, wie wichtig den Versicherten eine möglichst „freie Arztwahl“ ist. Um die relativen Wichtigkeiten einzelner Komponenten und deren Teilnutzenwerte herauszufinden, bietet sich das Verfahren der Conjoint-Analyse an.
___________ 45
Vgl. Zok (2003), S. 39 ff.
H. Empirische Befunde In diesem Kapitel werden die Teilnutzenwerte eines hypothetischen Versicherungsangebotes für ein definiertes Kundensegment bei verstärkter Wettbewerbsorientierung auf dem GKV-Versorgungsmarkt bestimmt. Dazu werden zunächst die vorliegende Problemstellung konkretisiert und der theoretische Hintergrund sowie der Ablauf einer Conjoint-Analyse dargestellt, um dann – auf fundierter theoretischer Basis – die empirische Untersuchung vorzustellen. Abschließend werden die aus dieser Untersuchung ableitbaren Konsequenzen für Krankenkassen aufgezeigt.
I. Problemstellung Bei Vertragswettbewerb stehen Krankenkassen einer vollkommen neuen Vermarktungssituation gegenüber und sind mit der Herausforderung konfrontiert, ein Krankenversicherungsprodukt selbstständig zusammenzustellen. Eine besondere Herausforderung ist dabei, dass sie keine Kenntnis darüber haben, welche Komponenten in welchem Umfang zu dem Gesamtnutzen eines Krankenversicherungsproduktes beitragen. Daher ist es für Kassen von besonderem Interesse, die Nutzen und die relativen Wichtigkeiten von einzelnen Produktkomponenten zu ermitteln, um für die Versicherten ein präferenzgerechtes Angebot erstellen zu können, welches die Entstehung eines AWKs verhindert bzw. dazu beiträgt, einen möglicherweise bestehenden AWK zu schließen. Die Methode, die sich am besten für die Ermittlung von Nutzenwerten eignet, ist die Conjoint-Analyse. Sie gehört zu den multivariaten Analyseverfahren, die die Ermittlung individueller Nutzenstrukturen zum Ziel hat.1 Aus empirisch ermittelten Gesamtnutzenwerten für ein Objekt können mit Hilfe der ConjointAnalyse die Teilnutzenwerte einzelner Produktkomponenten errechnet werden. Neben der traditionellen Conjoint-Analyse existieren diverse Weiterentwicklungen des Conjoint-Verfahrens wie beispielsweise die Adaptive ConjointAnalyse (ACA), die Choice-Based Conjoint-Analyse (CBC) und die Limit Conjoint-Analyse (LCA), wobei alle Verfahren Vor- und Nachteile haben.2 Bei ___________ 1
Vgl. hierzu und zum Folgenden Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2003), S. 544 ff. Vgl. zu den alternativen Conjoint-Verfahren Schubert (1995), S. 380 f.; Weiber/ Rosendahl (1997), S. 108 ff.; Brzoska (2003), S. 110 ff.; Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2006), S. 609. 2
192
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
der ACA können beispielsweise relativ viele Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen in die Studie aufgenommen werden, und es können vor der Rang- bzw. Ratingvergabe nicht relevante Eigenschaften durch den Probanden ausgeblendet werden. Dabei besteht jedoch die Gefahr, dass der Proband Eigenschaften eliminiert, die nur auf den ersten Blick irrelevant sind. Zudem ist die Datenerhebung nur am Computer möglich und es kann keine Nichtkaufentscheidung integriert werden. Bei der CBC werden den Probanden so genannte Choice Sets vorgelegt, aus denen sie den am meisten präferierten Stimulus oder gegebenenfalls auch keinen auswählen. Es werden somit „echte“ Auswahlentscheidungen abgebildet. Die CBC liefert allerdings nur aggregierte und keine individuellen Werte, so dass keine Marktsimulationen durchgeführt werden können. Bei der Limit Conjoint-Analyse wird mit Hilfe einer Limit-Karte eine Nichtkaufentscheidung in die Conjoint-Analyse integriert. Die Lage der LimitKarte gibt dabei an, bis zu welchem Rangplatz bzw. bis zu welchem Ratingwert ein Proband bereit ist, ein Produkt zu erwerben. Für die vorliegende empirische Untersuchung wurde das Verfahren der Limit Conjoint-Analyse gewählt, da dieses – im Gegensatz zur CBC – individuelle Werte liefert und damit Marktsimulationen möglich sind, weil mittels der Limit-Karte eine Nichtkaufentscheidung integriert werden kann und weil darüber hinaus für die Durchführung – im Gegensatz zur ACA – keine kostenintensiven Softwarelösungen auf dem PC implementiert werden müssen.3 Da Pflichtversicherte nicht die Option haben keine gesetzliche Krankenversicherung abzuschließen, sie bei Vertragswettbewerb aber die Wahl zwischen einer Grundversorgung und einer über die Grundversorgung hinaus gehenden Versorgung haben, ist die Integration einer Limit-Karte bzw. einer Nichtkaufentscheidung in das Conjoint-Verfahren zweckmäßig und sinnvoll. Die Nichtkaufentscheidung bezieht sich dabei allerdings nur auf die über die Grundversorgung hinausgehenden Komponenten.
___________ 3 Für den schweizerischen Krankenversicherungsmarkt ist von Becker ein DiscreteChoice-Experiment durchgeführt worden. Allerdings wurden in diesem Experiment vorwiegend Merkmale in das Untersuchungsdesign aufgenommen, die sich auf Arzneimittel und auf alternativmedizinische Leistungen beziehen. Vgl. Becker (2006), S. 127 ff.
H. Empirische Befunde
193
II. Die Conjoint-Analyse: ein dekompositionelles Verfahren zur Ermittlung von Teilnutzenwerten 1. Theoretischer Hintergrund, Methodik und Anwendungsbereiche einer Conjoint-Analyse Für die Marketingwissenschaft ist es von essentieller Bedeutung, das Kaufverhalten von Personen zu erklären, um fundierte Vermarktungsentscheidungen treffen zu können. Aus diesem Grund sind in der Vergangenheit – als Kritik an der klassischen mikroökonomischen Haushaltstheorie – zahlreiche verhaltenswissenschaftlich orientierte Modelle entwickelt worden, die zur Erklärung des Kaufverhaltens beitragen sollen.4 Wichtig für die Erklärung von Kaufverhalten ist die Präferenz. Diese lässt Rückschlüsse auf das Ausmaß der Vorziehenswürdigkeit von Beurteilungsobjekten einer Person während eines Zeitraums zu.5 Besondere Eigenschaften von Präferenzen sind, dass sich diese nur einer bestimmten Person zuweisen lassen und im Zeitablauf nicht stabil sind. Sie bilden lediglich für einen gewissen Zeitraum einen gültigen Indikator für die Vorziehenswürdigkeit eines bestimmten Objektes. Dies liegt daran, dass sich die Bedingungskonstellationen im Zeitablauf verändern können und damit die Präferenzen eines Individuums. Zudem existieren Präferenzen nur dann, wenn eine Person mindestens zwei Entscheidungsalternativen anhand ihrer relevanten Eigenschaften beurteilt. Präferenzen lassen sich demnach immer nur als das Ergebnis eines Bewertungsprozesses charakterisieren. In der Literatur ist das Begriffsverständnis der Präferenzen nicht ganz eindeutig dahingehend, ob bei der Bewertung der Alternativen restriktive Kauffaktoren eingehen oder nicht.6 Hierfür haben sich in der anglo-amerikanischen Literatur die Begriffe der „constrained preferences“ und der „unconstrained preferences“ durchgesetzt. Werden bei einer Bewertung von Entscheidungsalternativen kaufrestriktive Faktoren mit in den Bewertungsprozess einbezogen, wird von constrained preferences gesprochen. Unconstrained preferences sind demgegenüber das Ergebnis eines Bewertungsprozesses, in dem keine restriktiven Kauffaktoren berücksichtigt werden.
___________ 4 Ein Überblick über die wichtigen Ansätze der Kaufentscheidung findet sich bei Schulz (1972), S. 24 ff.; Sternthal/Craig (1982), S. 44 ff.; Kuß (1987), S. 17 ff. 5 Vgl. Böcker (1986), S. 556. Vgl. zu dem Konstrukt der Präferenz auch Büschken (1994), S. 72 f.; Hahn (1997), S. 4 ff.; Fischer (2001), S. 8 ff.; Teichert (2001), S. 22 ff.; Brzoska (2003), S. 38. 6 Vgl. hierzu und zum Folgenden Trommsdorf/Bleicker/Hildebrandt (1980), S. 270 und S. 272; Srinivasan (1982), S. 81 ff.; Rao/Gautschi (1986), S. 62; Balderjahn (1993), S. 22 ff.
194
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Präferenzen können als die abgeleiteten Ergebnisse eines Nutzenvergleichs zwischen Alternativen verstanden werden.7 Im Sinne der constrained preferences stellen Präferenzen das Ergebnis des Vergleiches von Nettonutzen dar, der als die Differenz des subjektiv wahrgenommenen Nutzens und der subjektiv wahrgenommenen Kosten eines Produktes definiert wird. Den multiattributiven Präferenzmodellen liegt die Annahme zugrunde, dass die Präferenzen der Konsumenten durch die Diskriminierung von alternativen Produkten anhand der wahrgenommenen Produktbestandteile gebildet werden.8 Sie unterstellen, dass sich die Präferenz für ein bestimmtes Produkt in zwei Schritten bildet. Zunächst bilden sich Teilpräferenzen für bestimmte Produktbestandteile anhand einer bestimmten Nutzenfunktion.9 Im Anschluss daran findet eine Aggregation dieser Teilpräferenzen zu einer Gesamtpräferenz statt. Für die erfolgreiche Vermarktung neuer Produkte ist das Wissen um die Höhe der Teilnutzen einzelner Produktkomponenten sowie um die relativen Wichtigkeiten der Eigenschaften bedeutsam.10 Da die Einzelbewertung der Produktbestandeile für die Konsumenten oftmals schwierig ist, wird in der Marktforschung auf das Verfahren der Conjoint-Analyse (Verbund-Analyse) zurückgegriffen. Auf Basis von empirisch erhobenen Präferenzurteilen für Leistungsbündel erlaubt die Conjoint-Analyse die Ermittlung der Teilnutzenwerte der Produkteigenschaften. Sie gehört damit zu den dekompositionellen Verfahren.11 Ihren Ursprung hat die Conjoint-Analyse in den Forschungsarbeiten von Luce und Tukey. Im Jahre 1971 wurde sie von Green und Rao auf Marketingfragestellungen übertragen.12 Durch ihre vielfältigen Einsatzmöglichkeiten hat sie in der Vergangenheit in der Wissenschaft und in der Praxis eine hohe Verbreitung gefunden.13 Sie eignet sich unter anderem ___________ 7
Vgl. hierzu Teichert (2001), S. 24; Brzoska (2003), S. 20. Vgl. hierzu Schubert (1995), S. 378; Brzoska (2003), S. 38. 9 In der Literatur wird hauptsächlich zwischen den folgenden drei Nutzenmodellen differenziert: Vektor-, Idealpunkt- und Teilnutzenmodell. Für einen detaillierten Überblick dieser Nutzenmodelle vgl. Green/Srinivasan (1990), S. 105; Büschken (1994), S. 76 f.; Schubert (1995), S. 378; Perrey (1998), S. 68 ff.; Brzoska (2003), S. 38 ff. 10 Vgl. Albers (2000), S. 369 ff. 11 Vgl. Green/Srinivasan (1978), S. 104. 12 Vgl. Luce/Tukey (1964), S. 1 ff.; Green/Rao (1971), S. 355 ff. 13 Vgl. zu den verschiedenen Anwendungsgebieten der Conjoint-Analyse Balderjahn (1991), S. 33 ff.; Green/Krieger (1991), S. 20 ff.; Schubert (1991), S. 132 ff. und S. 157 ff.; Balderjahn (1994), S. 12 ff.; Büschken (1994), S. 80 ff.; DeSabro/Ramaswamy/Cohen (1995), S. 137 ff.; Schubert (1995), S. 376 und S. 388; Homburg/Gruner (1996), S. 7 ff.; Weiber/Rosendahl (1996), S. 577 ff.; Tacke/Pohl (1998), S. 881 f.; Voeth/Hahn (1998), S. 119; DeSabro/DeSabro (2001), S. 457 ff.; Green/Krieger/Wind (2001), S. 57; Teichert (2001), S. 473; Steiner/Baumgartner (2004), S. 616 f.; Jonen/ Lingnau (2005), S. 354 ff.; Klein/Scheffold/Rüttgers (2005),S. 6 ff. 8
H. Empirische Befunde
– – – –
195
für die Neuproduktplanung, für die Modifizierung bereits existierender Produkte, für die Ermittlung individueller (maximaler) Zahlungsbereitschaften, für Marktsimulationen z. B. – zur Bestimmung von Preis-Absatz-Funktionen und – zur Bestimmung von Marktanteilen sowie – für die Durchführung von Marktsegmentierungen und Positionierungsanalysen.
Ein Erfolgsfaktor für die Steigerung der Kundenzufriedenheit ist die Ausrichtung des Leistungsangebotes an die Kundenerwartungen.14 Daher ist es sinnvoll, die Kunden bereits mit in die Phase der Produktkonzeption einzubeziehen. Genau dies ist mittels Conjoint-Analyse möglich. Mit der ConjointAnalyse wird ermittelt, wie hoch die absoluten Teilnutzenwerte von Produkteigenschaften sind und wie groß das Präferenzänderungspotenzial einer Eigenschaft ist (relative Wichtigkeit). Unter der Annahme einer linear-additiven Verknüpfung der Nutzenbestandteile können zudem die Gesamtnutzen unterschiedlicher Leistungsbündel bestimmt werden.15 Das additive Modell der ConjointAnalyse ist dabei wie folgt formulierbar:16 J
Uki = ȝi +
Mj
¦ ¦E
jmi
u F jm
j 1 mj 1
Uki
= geschätzter Gesamtnutzenwert für Stimulus k bei Proband i
ȕjmi
= Teilnutzenwert für Ausprägung m von Merkmal j bei Proband i
ȝi
= Basisnutzen für Proband i
1: falls bei Stimulus k das Merkmal j in Ausprägung m vorliegt Ȥjm
=
0: falls bei Stimulus k das Merkmal j nicht in Ausprägung m vorliegt
___________ 14
Vgl. Müller/Riesenbeck (1991), S. 77; Meyer/Dornach (1996), S. 40 f. Vgl. zum linear-additiven Zusammenhang der Teilnutzen Lancaster (1971), S. 15. 16 Vgl. zur Schätzung der Nutzenwerte Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2003), S. 557 f. 15
196
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Auf Grundlage dieses Wissens kann auf der Anbieterseite eine fundierte Entscheidung hinsichtlich der Konzeption eines Neuproduktes getroffen werden. Ferner können Produkte, die bereits am Markt veräußert werden, daraufhin überprüft werden, ob sie noch die Kundenerwartungen erfüllen oder ob Modifikationen notwendig sind, um den Nutzen zu steigern. Werden Verbesserungspotenziale offen gelegt, können Produktmodifikationen zum einen zur Steigerung der Kundenzufriedenheit und zum anderen u. U. zur Vergrößerung des Marktvolumens – und somit zur Vergrößerung des eigenen Marktanteils – beitragen. Dabei wird die Vergrößerung des Marktvolumens und des Marktanteils durch die Überführung von Nichtkäufern zu Käufern erreicht (marktbezogene Neukunden). Die Vergrößerung des Marktanteils kann zudem dadurch erreicht werden, dass Kunden, die vorher bei Konkurrenzunternehmen Produkte gekauft haben, gewonnen werden (anbieterbezogene Neukunden). Die in der Conjoint-Analyse zu ermittelnden Teilnutzen beziehen sich auf die Ausprägungen von Objekteigenschaften. Bei deren Auswahl sind bestimmte Kriterien zu berücksichtigen.17 Wird der Preis als Komponente mit einbezogen, können individuelle Zahlungsbereitschaften für bestimmte Leistungsbündel errechnet werden. Die verschiedenen Merkmalsausprägungen der Eigenschaft „Preis“ müssen dabei als Preisobergrenzen eines Nachfragers interpretiert werden.18 Tatsächlich kann die maximale Zahlungsbereitschaft größer sein als der abgefragte Wert. Um auf Basis der empirisch ermittelten individuellen Nutzenwerte Marktsimulationen durchführen zu können, ist ein bestimmtes Auswahlverhalten von Nachfragern zugrunde zu legen. In der Literatur werden gewöhnlich folgende drei Kaufentscheidungsmodelle diskutiert:19 –
die First-Choice-Regel,
–
das BTL-Modell (Grundmodell und erweitertes Modell) und
–
das Logit-Modell.
Bei der First-Choice-Regel wird unterstellt, dass ein Konsument grundsätzlich die Wahlentscheidung zugunsten der Alternative trifft, die aus seiner Sicht den höchsten Gesamtnutzen aufweist. Dieser Alternative wird demnach eine ___________ 17 Einen ausführlichen Überblick über die zu beachtenden Kriterien bei der Auswahl der Eigenschaftsausprägungen für die Durchführung einer Conjoint-Analyse bieten Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2003), S. 548 f. 18 Eine ausführliche Darstellung zur Ermittlung von individuellen Zahlungsbereitschaften aufgrund von indirekten Preisbefragungen bieten Adler (2003), S. 10 ff.; Balderjahn (2003), S. 397 f. Vgl. zum Problem der Berechnung maximaler Zahlungsbereitschaften mittels traditioneller Conjoint-Analyse Klein/Scheffold/Rüttgers (2005), S. 12 f. 19 Eine ausführliche Darstellung dieser Entscheidungsmodelle ist zu finden bei Louviere (1988), S. 66; Green/Srinivasan (1990), S. 14 f.; Balderjahn (1993), S. 101 f.; Hahn (1997), S. 153 ff.; Teichert (2001), S. 72 ff.; Adler (2003), S. 30 ff.; Backhaus/ Erichson/Plinke et al. (2003), S. 584.
H. Empirische Befunde
197
Kaufwahrscheinlichkeit von 100 % zugeordnet. Alle anderen Alternativen haben eine Kaufwahrscheinlichkeit von 0 %. Bei dem von Bradley, Terry und Luce entwickelten BTL-Modell wird jedem Produkt eines Alternativsets eine individuelle Kaufwahrscheinlichkeit zugeordnet. Sie errechnet sich, indem ein Quotient aus dem Nutzen für ein bestimmtes Leistungsbündel und der Summe der Nutzenwerte aller Leistungsbündel gebildet wird.20
Pi1 =
U i1 N
¦U
in
n 1
Pi1 = Auswahlwahrscheinlichkeit für Produkt 1 bei Konsument i Ui1 = subjektiver Nutzen für Produkt 1 bei Konsument i Uin = subjektiver Nutzen für n Produkte bei Konsument i N
= Index der Produktprofile n, mit n Element {1, 2, …, N}
Die Ermittlung der Kaufwahrscheinlichkeiten bei dem Logit-Modell ist ähnlich dem BTL-Modell. Im Unterschied zum BTL-Modell wird im Zähler des Quotienten der Nutzen für ein Leistungsbündel als Exponent der Euler’schen Zahl eingesetzt. Im Nenner stehen die Nutzenwerte aller Leistungsbündel ebenfalls als Exponent der Euler’schen Zahl.
Pj1 =
eU i 1 N
¦e
U in
n 1
e = Euler’sche Zahl
Die Marktsimulation für ein bestimmtes Leistungsbündel geschieht in Abhängigkeit des zugrunde gelegten Entscheidungsmodells und der angebotenen Konkurrenzprodukte. So können beispielsweise Marktanteile für unterschiedli___________ 20 Bei dem erweiterten BTL-Modell werden die geschätzten subjektiven Nutzen der Produkte noch mit einem Parameter Į potenziert. Vgl. Teichert (2001), S. 72 f.
198
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
che Leistungsbündel auf Grundlage der empirisch ermittelten Gesamtnutzenurteile und der Zugrundelegung eines Kaufentscheidungsmodells hergeleitet werden.21 Bei dieser Art, Marktanteile zu berechnen, ist allerdings kritisch anzumerken, dass potenzielle Nichtkäufer nicht erkannt werden und damit der Marktanteil systematisch überschätzt wird.22 Um eine Segmentierung von in sich homogenen und untereinander heterogenen Nachfragern vornehmen zu können, kann ebenfalls auf die Ergebnisse der Conjoint-Analyse zurückgegriffen werden. Dabei bilden die empirisch ermittelten Präferenzdaten die Ausgangsbasis für eine Clusteranalyse.23
2. Zur Durchführung einer Online-Conjoint-Analyse mit Limit-Karte a) Zur Limit Conjoint-Analyse und der Limit-Karte als Instrument zur Bestimmung von Nutzennullpunkten Bei einer Conjoint-Analyse werden Probanden gebeten, die ihnen vorgelegten Stimuli in eine Vorziehenswürdigkeitsrangfolge zu bringen bzw. ihnen Ratingwerte zuzuordnen. Eine methodische Schwäche der traditionellen Conjoint-Analyse ist der fehlende Einbezug von echten Auswahlentscheidungen, ohne dass der Vorteil einer individuellen Nutzenschätzung aufgegeben wird.24 Diese Schwäche kann durch Einführung einer Limit-Karte behoben werden, mit der eine Auswahlentscheidung in die Conjoint-Analyse integriert wird. Der Vorteil einer Nutzenschätzung auf Individualniveau wird dabei nicht aufgegeben. Diese Variante der Conjoint-Analyse wird als Limit Conjoint-Analyse bezeichnet. Bei der Limit Conjoint-Analyse werden die Auskunftspersonen aufgefordert, im Anschluss an die Bildung einer Vorziehenswürdigkeitsrangfolge bzw. nach ___________ 21 Wird die First-Choice-Regel zugrunde gelegt, ist die relative Häufigkeit, mit der ein bestimmtes Leistungsbündel bei einer repräsentativen Stichprobe den höchsten Gesamtnutzen aufweist, identisch mit dem Marktanteil. Bei Zugrundelegung des BTLModells bzw. des Logit-Modells können die durchschnittlichen Kaufwahrscheinlichkeiten als Marktanteil interpretiert werden. 22 Nach Weiber und Rosendahl kann die Schätzung des Marktpotenzials bei Zugrundelegung der Annahme, dass ein Konsument immer ein Produkt aus dem Alternativset erwirbt, zu „erheblichen Fehlinterpretationen“ führen. Weiber/Rosendahl (1997), S. 114. Dieses Problem der traditionellen Conjoint-Analyse wird durch die Limit ConjointAnalyse zum Teil gelöst. Vgl. Voeth/Hahn (1998), S. 123 ff. 23 Einen ausführlichen Überblick über die Clusteranalyse ist zu finden bei Backhaus/ Erichson/Plinke et al. (2003), S. 479 ff. 24 Vgl. zu der Limit Conjoint-Analyse Hahn (1997), S. 201 ff.; Voeth/Hahn (1998), S. 119 ff.; Brzoska (2003), S. 110 ff. Vgl. zu den Vor- und Nachteilen einer Limit Conjoint-Analyse beispielsweise Liehr (2005), S. 144 ff.
H. Empirische Befunde
199
der Vergabe von Ratingwerten anzugeben, bis zu welchem Rang- bzw. Ratingwert sie die Stimuli als kaufenswert erachten. Neben den in der traditionellen Conjoint-Analyse üblichen Annahmen, dass die Abstände zwischen ordinalskalierten Rangdaten äquidistant sind – und diese folglich wie metrische intervallskalierte Daten bewertet und die Rangdaten als Nutzenwerte interpretiert werden können – wird bei der Limit Conjoint-Analyse zusätzlich angenommen, dass die Position der Limit-Karte den Nutzennullpunkt des Probanden darstellt.25 Dadurch werden die intervallskalierten Werte auf ein höheres Skalenniveau transformiert und es kann von verhältnisskalierten Werten ausgegangen werden.26 Das Setzen einer Limit-Karte führt dazu, dass die Stimuli in zwei Gruppen unterteilt werden. Eine Gruppe weist Gesamtnutzenwerte größer null und die andere Gruppe Gesamtnutzenwerte kleiner null auf. Stimuli, die einen Nutzenwert größer null haben, werden als kaufenswert betrachtet. Stimuli, die Nutzenwerte kleiner als null besitzen, werden als nicht-kaufenswert erachtet. Am jeweiligen Nutzennullpunkt sind die Probanden hinsichtlich eines Kaufes indifferent.27 Im Unterschied zur traditionellen Conjoint-Analyse ist der geschätzte individuelle Basisnutzen bei der Limit Conjoint-Analyse um die Position der Limit-Karte verändert (Basisnutzendifferenz).28 Die geschätzten Teilnutzenwerte und die relativen Wichtigkeiten der Merkmale sind jedoch bei der Limit Conjoint-Analyse und der traditionellen Conjoint-Analyse identisch.29 Im Vergleich zur traditionellen Conjoint-Analyse sind zentrale Vorteile der Limit Conjoint-Analyse beispielsweise die realitätsnäheren Ergebnisse von Marktsimulationen und die Bestimmung von realitätsnäheren Preis-AbsatzFunktionen, da durch die Limit-Karte die Nachfrager in Käufer und Nichtkäufer aufgeteilt werden können. Auch die Ermittlung von maximalen individuellen Zahlungsbereitschaften kann mit Hilfe einer Limit Conjoint-Analyse durchgeführt werden. Dabei wird unterstellt, dass sich der Nettonutzen eines Produktes aus dem subjektiven Wert der Produkteigenschaften abzüglich der Kosten für das Produkt ergibt.30 Unter Kosten wird dabei zumeist lediglich der Preis (p) für das Produkt verstanden, von anderen kostendeterminierenden Faktoren ___________ 25 Einige weitere Annahmen im Hinblick auf das Skalenniveau sind zu finden bei Voeth/Hahn (1998), S. 122 f.; Brzoska (2003), S. 90 und S. 113; Berekhoven/Eckert/ Ellenrieder (2004), S. 76; Klein (2004), S. 168; Liehr (2005), S. 145. 26 Vgl. hierzu und zur Kritik an der Transformation Voeth/Hahn (1998), S. 121; Klein (2004), S. 170 f.; Liehr (2005), S. 145 f. 27 Vgl. Brzoska (2003), S. 112. 28 Vgl. Voeth/Hahn (1998), S. 121 ff.; Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2003), S. 558 f. 29 Vgl. Hahn (1997), S. 206. 30 Vgl. Simon (1992), S. 2 ff.; Adler (2003), S. 14; Klein/Scheffold/Rüttgers (2005), S. 4.
200
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
(z. B. von den Transaktionskosten) wird abstrahiert. Die Überführung der Teilnutzenwerte in monetäre Größen bildet die Ausgangslage für die Ermittlung der maximalen individuellen Zahlungsbereitschaft.31 Darauf aufbauend werden die monetären Teilgrößen jeder Produkteigenschaft zu einer Größe, dem Reservationspreis (r), aggregiert. Ein Konsument a ist maximal bereit, den Reservationspreis für das Leistungsbündel (l) zu zahlen.
Ua(l) = ra(l) – p = 0
Ein Nachfrager wird die ihm zur Verfügung stehenden monetären Mittel allerdings auf alle im Wettbewerb zueinander stehenden Produkte so aufteilen, dass der Grenznutzen des Geldes in jeder Verwendung gleich ist, denn Ziel ist es, den Gesamtnutzen zu maximieren (Gossen II).32 In der Conjoint-Analyse werden jedoch lediglich konkurrierende Angebotsalternativen einer Produktart betrachtet, die Konkurrenz zu allen anderen im Wettbewerb stehenden Produkten wird ausgeblendet.33 Ein Konsument unterliegt jedoch Budgetrestriktionen. Von diesen wird in conjointanalytischen Betrachtungen allerdings ebenfalls abstrahiert. Kritisch zu beurteilen ist vor diesem Hintergrund insbesondere die bei der Berechnung maximaler Zahlungsbereitschaften für Leistungsbündel getroffene Annahme, dass ein Konsument bei einem Nettonutzen von null indifferent zwischen Kauf und Nichtkauf ist.34 Abhilfe könnte die Annahme schaffen, dass ein Proband bei dem Setzen der Limit-Karte bereits die zu bewertenden Leistungsbündel mit allen anderen im Wettbewerb stehenden Produkten verglichen und seine eigene Budgetrestriktion berücksichtigt hat.35
___________ 31
Vgl. Adler (2003), S. 14 f. Vgl. exemplarisch Schumann/Meyer/Ströbele (1999), S. 9 ff. und S. 52 ff. 33 Vgl. Büschken (1994), S. 81. Vgl. zudem zu der Überschätzung von gemessenen Zahlungsbereitschaften mittels Conjoint-Analyse Sattler/Nitschke (2001), S. 1 ff. 34 Vgl. exemplarisch zu dieser getroffenen Annahme Adler (2003), S. 15. 35 Allerdings bedeutet die Platzierung der Limit-Karte vor den ersten Rangplatz bzw. vor den besten zu vergebenden Ratingwert nur, dass die Probanden keine Kaufbereitschaft für ein Produkt des Stimulisets haben. Für ein Produkt, welches nicht in dem zu bewertenden Stimuliset enthalten ist, jedoch aus Merkmalsausprägungen, die Bestandteil der Conjoint-Analyse waren, besteht und einen positiven Gesamtnutzen erzielt, wird grundsätzlich eine Kaufbereitschaft unterstellt. Auch dieses ist kritisch zu beurteilen, denn ein Proband kann für eine gesamte Produktgruppe grundsätzlich keine Kaufbereitschaft haben. Dies kann jedoch auch mittels Limit Conjoint-Analyse, insbesondere bei Vergabe von Rangplätzen, nicht zum Ausdruck gebracht werden. Vgl. hierzu Voeth/ Hahn (1998), S. 128 f. 32
H. Empirische Befunde
201
b) Vorteile einer Übertragung von Conjoint-Analysen auf das WWW Bei der Durchführung einer Conjoint-Analyse liegt eine Schwierigkeit in der Generierung einer adäquaten Stichprobengröße.36 Dies liegt insbesondere daran, dass bei der klassischen Conjoint-Analyse in Papierform die Kosten mit zunehmender Stichprobengröße ansteigen. So fallen bei einer papiergestützten Conjoint-Analyse zunächst Druckkosten an. Zudem treten Reise- und Zeitkosten für den Interviewer auf, um Probanden in geographisch entfernten Regionen mit in die Stichprobe aufzunehmen und eine Repräsentativität der Stichprobe sicherzustellen. Auch wenn der Interviewer nicht persönlich zu dem Probanden reist, treten Kosten z. B. in Form von Telefon- oder Versandkosten auf. Eine weitere Schwierigkeit von Conjoint-Analysen in Papierform entsteht durch den „Medienbruch“ bei der Übertragung der erhobenen Daten in die zur Ermittlung der Teilnutzenwerte notwendigen Statistikprogramme.37 Eine conjointanalytische Erhebung stellt für die Auskunftsperson eine komplexe Aufgabe dar. Um eine kognitive Überforderung der Probanden zu begrenzen, sollte den Teilnehmern die Möglichkeit gegeben werden, die Stimuli vor der endgültigen Vergabe der Ratingwerte bzw. vor der Eintragung der Präferenzrangfolge optisch in eine Reihenfolge zu bringen. Dies erfordert eine bildliche bzw. verbale Beschreibung der Stimuli auf Papierkarten o. Ä. Um die Stimulikarten in eine optische Reihenfolge bringen zu können, muss den Probanden bei der Erhebung daher ausreichend Platz geboten werden. Dies schränkt das Umfeld ein, in dem eine Conjoint-Analyse durchgeführt werden kann. Die Stichprobengenerierung wird folglich auf die Erhebung kleinerer Untersuchungseinheiten in Laborsituationen beschränkt.38 Bei der Übertragung der conjointanalytischen Befragung auf das WWW als Dienst des Internets eröffnet sich die Möglichkeit, die Stichprobe auf eine breitere Basis zu stellen. Dies resultiert daraus, dass auch Probanden in die Untersuchung einbezogen werden können, die bei einer papiergestützten Untersuchung aus Kostengründen nicht erreichbar sind. Darüber hinaus ist es möglich, die Stimuli in multimedialer Form zu präsentieren. Dadurch wird eine bessere Visualisierung für die Probanden erreicht und unter Umständen die Validität der Conjoint-Analyse gesteigert. Ferner liegt ein Vorteil der Datenerhebung über das WWW in der Möglichkeit, die Probandeneingaben zu prüfen, bevor sie gespeichert werden, wobei die Überprüfung der Eingaben entweder clientoder serverseitig erfolgen kann. Dadurch kann die Qualität der Daten verbessert ___________ 36 Vgl. zum Problem der Stichprobengenerierung und der Vorteile einer Übertragung von Conjoint-Analyse auf das WWW Klein/Scheffold/Rüttgers (2005), S. 13 ff. 37 Mögliche Fehlerquellen können beispielsweise Ermüdungserscheinungen bei der übertragenden Person und schlecht lesbare Datensätze sein. 38 Vgl. Klein/Scheffold/Rüttgers (2005), S. 14.
202
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
werden.39 Schließlich gestattet die Befragung über das WWW einen direkten Import der Daten in die für die Berechnung der Teilnutzenwerte notwendigen Statistikprogramme. Außerdem ist es möglich, bereits bei der Erhebung „Missing Values“ auszuschließen, indem die Probanden auf die Nichtbeantwortung einer Frage hingewiesen werden. Ferner können der Datentyp und der Wertebereich der Antworten überprüft werden.
c) Kritische Betrachtung der Vorteilhaftigkeit von Online-Conjoint-Analysen Obwohl die Durchführung einer Conjoint-Analyse über das WWW zahlreiche Vorteile aufweist, ist eine solche Vorgehensweise nicht unproblematisch.40 Wesentlich für die Generierung einer repräsentativen Stichprobe ist, dass die für die Stichprobe erforderliche Personengruppe Zugang zum Internet hat. Obwohl die absolute Anzahl der Internetnutzer in der BRD in der Vergangenheit stark angestiegen ist, sind nicht alle Personenkreise gleichermaßen im WWW präsent.41 Diese Tatsache wird in der Literatur unter dem Begriff „Digital Divide“ diskutiert.42 Dieser lässt sich grundsätzlich in den regionalen, den Generationen-, den Geschlechter-, den Einkommens- und den Bildungs-Divide untergliedern. Der regionale Digital Divide kann zum einen zwischen verschiedenen Ländern auftreten und zum anderen innerhalb verschiedener Regionen eines Landes. So waren im Jahre 2005 56 % der westdeutschen Bevölkerung online, wohingegen der Anteil in den neuen Bundesländern lediglich bei 49 % lag.43 Die digitale Spaltung zwischen den neuen und alten Bundesländern nahm in der Vergangenheit jedoch zunehmend ab.44 Obwohl die absolute Zahl der InternetNutzer stetig zunimmt und sich der Digital Divide zwischen den alten und neuen Bundesländern reduziert, ist vor einer conjointanalytischen Erhebung über das WWW zu prüfen, ob der regionale Digital Divide die Repräsentativität der Stichprobe gefährdet. Wird eine Online-Conjoint-Analyse jedoch beispielsweise von einer Kasse genutzt, die nur in einer bestimmten Region tätig ist, ist der regionale Digital Divide nicht bedeutsam, wenn die Repräsentativität der Per___________ 39
Eine ausführliche Darstellung zur Überprüfung der Probandeneigenschaften und Speicherung der erhobenen Daten ist zu finden bei Klein/Scheffold/Rüttgers (2005), S. 20 f. 40 Vgl. zu der kritischen Betrachtung von Online Conjoint-Analysen vor allem Klein/ Scheffold/Rüttgers (2005), S. 22 ff. 41 Vgl. TNS Infratest (2004), S. XLIX. 42 Vgl. zum Digital Divide Quay (2001), S. 12 ff.; Huang/Keser/Leland et al. (2003), S. 507 ff.; Molina (2003), S. 137 ff.; van Dijk/Hacker (2003), S. 315 ff. 43 Vgl. TNS Infratest (2005), S. 255. 44 Vgl. Statistisches Bundesamt (2004a), S. 195.
H. Empirische Befunde
203
sonengruppe, über die die Kasse Informationen sammeln möchte, im WWW gewährleistet ist. Die digitale Spaltung zwischen den Generationen wird ebenfalls zunehmend geringer. Gleichwohl bestehen derzeit noch erhebliche Unterschiede bei der Nutzung des Internets zwischen den verschiedenen Altersgruppen. So nutzten das Internet im Jahre 2005 beispielsweise 83 % der 14–29jährigen, 76 % der 30–39jährigen und 64 % der 40–49jährigen.45 Dagegen haben lediglich 20 % der über 60jährigen Interneterfahrung. Trotzdem hat sich die Struktur der Internet-Nutzer in den letzten Jahren zugunsten der älteren Generation verändert.46 Dennoch ist vor der Durchführung einer Online-Conjoint-Analyse zu prüfen, ob die Unterschiede bei der Internetnutzung in den verschiedenen Altersklassen die Ergebnisse der Analyse negativ beeinflussen. Der Anteil der männlichen Internet-Nutzer ist seit 1997 gesunken, wohingegen der Anteil der weiblichen Internet-Nutzer gestiegen ist.47 Waren im Jahre 1997 noch 73 % der Internet-Nutzer männlich und nur 27 % weiblich, konnte im Jahre 2005 bereits fast eine Gleichverteilung der weiblichen und männlichen Nutzer konstatiert werden (45 % versus 55 %). Die Bildung und das Haushaltseinkommen spielen bei der Nutzung des Internets weiterhin eine große Rolle.48 So korrelieren positiv ein höherer Bildungsabschluss und steigende Haushaltseinkommen mit einer höheren Internet-Nutzung. Auch hier ist somit vor der Durchführung einer Online-Conjoint-Analyse zu prüfen, ob die Personengruppe, über die eine Krankenkasse Informationen sammeln möchte, im WWW repräsentativ vertreten ist oder ob durch den Generationen-, Einkommens- bzw. Bildungs-Divide der Einsatz einer Online-Conjoint-Analyse nicht gerechtfertigt ist. Im Vergleich zu einem persönlichen Interview besteht eine weitere Schwierigkeit der Durchführung einer Online-Conjoint-Analyse darin, dass die Angaben der Probanden bezüglich leicht erkennbarer Kriterien (z. B. Alter und Geschlecht) nicht überprüft werden können.49 Es kann außerdem nicht ausgeschlossen werden, dass ein Proband mehrere Fragebögen ausfüllt. Dies kann zu ___________ 45 Vgl. hierzu und zum Folgenden TNS Infratest (2004), S. 200; TNS Infratest (2005), S. 249 ff. Die Ergebnisse einer Studie der Forschungsgruppe Wahlen zu der InternetNutzer-Struktur im Jahre 2005 sind etwas abweichend. Vgl. daher Forschungsgruppe Wahlen (2005), S. 1. 46 Vgl. hierzu und zum Folgenden o.V. (2004a). 47 Vgl. hierzu und zum Folgenden o.V. (2004a); TNS Infratest (2004), S. 198 ff.; TNS Infratest (2005), S. 247. 48 Vgl. o.V. (2004a); Statistisches Bundesamt (2004b), S. 28; TNS Infratest (2004), S. 203 f.; Forschungsgruppe Wahlen (2005), S. 2; TNS Infratest (2005), S. 252 ff. 49 Diese Problematik tritt jedoch auch bei papiergestützten Conjoint-Analysen auf, die nicht in der Form eines persönlichen Interviews durchgeführt werden.
204
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
einer Verfälschung der Stichprobenzusammensetzung führen. Da die Teilnahme an einer conjointanalytischen Befragung sehr aufwändig ist, stellt sich jedoch die Frage, ob ein Proband mehrfach an der Befragung teilnehmen wird. Die kognitive Überlastung der Probanden bei der Bewertung der Stimuli am PC ist zudem unter Umständen höher als bei einer persönlichen Befragung durch einen Interviewer, denn bei einem persönlichen Gespräch kann der Interviewer bei Verständnisschwierigkeiten sofort Hilfe leisten. Um die kognitive Überlastung zu minimieren, ist daher bei Befragungen über das WWW besonders darauf zu achten, dass die Aufgaben klar gestellt, die Fragen auf das Wesentliche reduziert und die Anzahl der zu bewertenden Stimuli begrenzt sind. Zusätzlich kann eine Chat-Funktion eingerichtet werden, mit der die Auskunftsperson schriftlich mit einem Interviewer Kontakt aufnehmen kann. Dadurch wird gewährleistet, dass Fragen unmittelbar beantwortet werden können.
d) Konzeption einer Online-Conjoint-Analyse Bei einer Online-Conjoint-Analyse ist auf die sorgfältige Gestaltung des Fragebogens zu achten, da dieser die Qualität der Inputdaten beeinflusst.50 Zudem muss sichergestellt sein, dass die Stimulikarten am Bildschirm zu verschieben sind, um die kognitive Belastung der Probanden zu minimieren. Hierfür bietet sich die Nutzung von Dynamic Hypertext Markup Language (DHTML) an. Dabei werden bestimmte Bereiche einer Website als Division gekennzeichnet, die durch die Probanden mit der Maus angeklickt und verschoben werden können. Dies ermöglicht dem Teilnehmer der Befragung, die Stimulikarten am Bildschirm in eine optische Reihenfolge zu bringen, bevor die endgültige Vergabe der Ränge bzw. der Ratingwerte erfolgen muss. Für die Verwendung von DHTML ist es wichtig, dass Javascript im Browser des Probanden aktiviert ist. Eine fehlende Aktivierung führt dazu, dass die Stimulikarten auf dem Browser nicht optisch verschoben werden könnten. Vor der Teilnahme an der Umfrage sollte aus diesem Grund sichergestellt sein, dass die Auskunftsperson Javascript aktiviert hat. Grundsätzlich ist auch eine serverseitige Lösung des Verschiebens der Karten möglich. Dieses ist jedoch mit einem vergleichbar höheren Programmieraufwand verbunden. Zudem müssen bei jedem Verschiebevorgang die Daten zwischen Client und Server übertragen werden, was – je nach Internetverbindung – die Zeit für das Ausfüllen des Fragebogens verzögert. Anzunehmen ist, dass, durch eine fehlende Möglichkeit des optischen Verschiebens der Karten auf dem Bildschirm, die Vergabe von ___________ 50 Vgl. zu der Konzeptionierung und Durchführung einer Online-Conjoint-Analyse Klein/Scheffold/Rüttgers (2005), S. 16 ff.
H. Empirische Befunde
205
Rangplätzen bzw. Ratingwerten erschwert und die Qualität der Daten dadurch verschlechtert wird. Nachdem ein Proband den Fragebogen komplett ausgefüllt hat, sind die Daten zu speichern. Hierzu bietet sich eine serverseitige Speicherung an, damit die Befragungsergebnisse am Ende der Erhebung in gebündelter Form vorliegen.51 Wichtig bei der Speicherung der Daten ist, dass Datenschutzrechte nicht verletzt werden.
III. Ermittlung von Teilnutzenwerten für ausgewählte GKV-Komponenten Ziel der in dieser Arbeit durchgeführten Online-Conjoint-Analyse ist es, exemplarisch die Teilnutzenwerte sowie die relativen Wichtigkeiten einzelner Komponenten eines hypothetischen Versicherungsproduktes bei einem Versichertensegment zu ermitteln. Daran soll gezeigt werden, wie die Ergebnisse einer Conjoint-Analyse von Kassen genutzt werden können, um ihr Versicherungsangebot zu optimieren. Die theoretischen Überlegungen über die Instrumente, die einer Krankenkasse bei Vertragswettbewerb zur Schließung bzw. zur Verhinderung der Entstehung eines AWKs zur Verfügung stehen, hat dabei die Auswahl der Merkmale maßgeblich bestimmt. Mit der Kenntnis über die Höhe der Teilnutzenwerte und der relativen Wichtigkeiten von Produkteigenschaften können Aussagen darüber getroffen werden, welches Versicherungsprodukt zur Bindung von Versicherten genutzt werden kann, indem es zur Schließung/Verringerung eines bestehenden AWKs bzw. zur Verhinderung der Entstehung desselben beiträgt.
1. Aufbau und Ablauf der Analyse a) Auswahl des Kundensegmentes Exemplarisch wird für das Segment der Studenten und Absolventen eine Online-Conjoint-Analyse durchgeführt. Die Entscheidung, eine Online-ConjointAnalyse für dieses Segment durchzuführen, hat verschiedene Gründe. Zunächst ist festzustellen, dass der Wert eines Versicherten für eine einzelne Kasse grundsätzlich positiv oder negativ ist und damit die Basis für Risikoselektion darstellt. Da im gegenwärtig geltenden RSA die Ausgaberisiken eines Versicherten nicht ausreichend abgebildet sind, ist es momentan aus wirtschaft___________ 51 Zur Sicherheit können die Daten auch noch per E-Mail an den Interviewer gesendet werden.
206
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
licher Sicht einer einzelnen Kasse sinnvoll, Risikoselektion nach der Morbidität zu betreiben.52 Ferner ist der erwartete durchschnittliche Verdienst eines Akademikers höher als der erwartete durchschnittliche Verdienst eines NichtAkademikers. Da beitragspflichtige Einnahmen gegenwärtig nur zu ca. 92 % im RSA bereinigt werden, lohnt es sich aus Kassensicht, auch Risikoselektion nach dem Einkommen zu betreiben.53 Des Weiteren ist empirisch erwiesen, dass Personen, die ausreichend monetäre Mittel zur Verfügung haben, nicht so häufig erkranken wie Personen mit geringen monetären Ressourcen.54 Studenten und Absolventen sind somit tendenziell gesünder als ihre nichtakademischen Altersgenossen und verursachen damit vermutlich weniger Leistungsausgaben als der Durchschnitt der entsprechenden RSA-Gruppe. Damit gehören Studenten und Absolventen zu den „guten Risiken“ und infolgedessen momentan zu einem für Kassen attraktiven Versichertensegment.55 Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist Risikoselektion allerdings ineffizient und mit Blick auf die Solidarität auch äußerst problematisch, denn der Kassenwettbewerb soll nicht zu einer Optimierung der Versichertenstruktur einer Kasse beitragen, sondern zu einer Verbesserung der Qualität und Wirtschaftlichkeit der Versorgung führen. Da Risikoselektion nicht zur Verbesserung der Qualität und Effizienz der medizinischen Versorgung beiträgt, sondern im Gegenteil Krankenkassen, die sich um die Verbesserung der medizinischen Versorgung von morbiden Versicherten bemühen, unter Umständen vom Markt gedrängt werden, wenn Risikoselektion kostengünstiger ist als die effiziente Versorgung von morbiden Versicherten, ist Risikoselektion sozialpolitisch unerwünscht und kontraproduktiv.56 Falls die Ausgleichsfaktoren des RSA dahingehend modifiziert würden, dass sich Risikoselektion nicht mehr lohnt – so wie es mit dem M-RSA intendiert ist –, wäre grundsätzlich jeder Versicherte gleich attraktiv und es wäre aus kassenindividueller Sicht lohnenswert, sich um die effektive und effiziente medizinische Versorgung der Versicherten zu kümmern und sich somit um die Bindung aller Versicherten zu bemühen. Fraglich ist jedoch, ob der M-RSA in der Lage sein wird, den kassenindividuellen Anreiz zur Risikoselektion vollständig aufzuheben. ___________ 52 Vgl. zur Risikoselektion und zu den dysfunktionalen Folgen von Risikoselektion Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 11 ff. 53 Vgl. OECD (2004), S. 14 und S. 164 ff. 54 Vgl. Kawachi/Kennedy/Lochner et al. (1999), S. 222; Rodgers (1999), S. 5 ff.; Statistisches Bundesamt (2004a), S. 479 ff.; Lillard/Burkhauser (2005), S. 109 ff.; Sachverständigenrat zur Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen (2005a), S. 29 ff. 55 In der Kienbaum Krankenversicherungs-Studie von 2002 gaben 70 % der befragten Krankenkassen an, dass Studenten und Absolventen die Hauptzielgruppe sind. Vgl. hierzu Kienbaum Consultants International (2002). 56 Vgl. Höppner/Stefan/Rothgang et al. (2005), S. 11 ff.
H. Empirische Befunde
207
Ein zweiter Grund für die exemplarische Untersuchung dieses Segmentes ist, dass bei Studenten und Absolventen noch keine intensive mehrjährig gewachsene Bindung zu einer Krankenkasse besteht, weil diese Personengruppe i. d. R. über einen langen Zeitraum über die Familienversicherung der Eltern mit versichert war. Da zudem nachgewiesen wurde, dass Kassenwechsler durchschnittlich jünger sind als diejenigen, die ihre Krankenkasse nicht wechseln, bietet es sich an, die Bindung zu diesem Segment – durch das Angebot eines präferenzgerechten Versicherungsproduktes – zu festigen bzw. durch das präferenzgerechte Angebot neue Versicherte zu akquirieren.57 Der dritte Grund für die Auswahl dieses Segmentes war rein pragmatisch. Die Herstellung des Kontaktes zu Studierenden und Absolventen war – im Vergleich zur Herstellung des Kontaktes zu einem anderen Segment – relativ einfach und die Kosten der Kontaktaufnahme dadurch verhältnismäßig gering. Zudem sind Studierende und Absolventen mit wissenschaftlichen Untersuchungen vertraut und daher vermutlich eher bereit, an einer solchen Erhebung teilzunehmen als Personen, die noch keine bzw. geringe Erfahrung mit wissenschaftlichen Untersuchungen haben. Schließlich ist diese Personengruppe online gut erreichbar und daher für die Erhebung der Daten über das WWW geeignet.
b) Ermittlung der relevanten Merkmale und Konstruktion der Stimuli Bei Einführung von Vertragswettbewerb sehen sich die Krankenkassen zum ersten Mal den Herausforderungen gegenübergestellt, mit welchen und wie vielen Versorgern sie in welchen Regionen Versorgungsverträge abschließen sollen. Das Produkt „gesetzliche Krankenversicherung“ wird folglich um neue, wichtige Produktbestandteile erweitert und – im Vergleich zum Status quo – komplexer. Gegenwärtig liegen noch keine Erkenntnisse darüber vor, welche Bedeutung die Versicherten in dieser Situation den einzelnen Produktbestandteilen beimessen. Daher wurde bei der Auswahl der Merkmale für die hier durchgeführte Online-Conjoint-Analyse Wert darauf gelegt, dass vorwiegend Produkteigenschaften Einzug in die conjointanalytische Betrachtung finden, die momentan von Krankenkassen noch nicht selbstständig gestaltet werden können und deren Ausgestaltung aufgrund der theoretischen Überlegungen voraussichtlich einen erheblichen Einfluss auf die Höhe des Gesamtnutzens und damit auf einen möglicherweise bestehenden AWK haben.58 Bei dem hier untersuchten Krankenversicherungsangebot handelt es sich somit um ein ___________ 57 Vgl. Schwarze/Andersen (2001), S. 10; Zok (2003), S. 39; Höppner/Buitkamp/ Braun et al. (2004a), S. 26. 58 Vgl. Kapitel 7.
208
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
(hoch-)innovatives Produkt. Dies bedeutet jedoch nicht, dass Eigenschaften, die nicht in die Online-Conjoint-Analyse aufgenommen wurden, nicht konstituierend für den Gesamtnutzen einer Krankenversicherung sind. Es ist davon auszugehen, dass bei Vertragswettbewerb jede Krankenkasse in der BRD aufgrund des Bedarfsprinzips dazu verpflichtet sein wird, im gesamten Bundesgebiet die medizinische Versorgung ihrer Versicherten sicherzustellen. Um diesem Prinzip gerecht zu werden, wird es jedoch nicht notwendig sein, Einzelverträge mit Versorgern in jedem Gebiet abzuschließen. Vielmehr ist vorstellbar, dass Krankenkassen ohne Versorgungsverträge in bestimmten Regionen mit anderen Krankenkassen, die in diesen Gebieten mit Versorgern kontrahiert haben, spezielle Versorgungsabkommen abschließen, so dass alle Versicherten im Krankheitsfall bedarfsgerecht behandelt werden können. Daher wird von der Frage, in welchen Regionen Krankenkassen Versorgungsverträge abschließen, im Folgenden abstrahiert. Für die Ermittlung der Merkmale, die bei Vertragswettbewerb konstituierend für den Gesamtnutzen einer Krankenversicherung sind, und deren Teilnutzenwerte mittels Online-Conjoint-Analyse herausgefunden werden sollen, wurde auf die Überlegungen des Kapitels G. zurückgegriffen, Literaturauswertungen vorgenommen, Umfragen von diversen Organisationen untersucht und Expertengespräche geführt.59 Aufgrund dessen und aufgrund von Plausibilitätsüberlegungen konnten zunächst folgende zwei relevante Merkmale identifiziert werden: 1.
Verträge mit Ärzten und Krankenhäusern nach Qualitäts- oder Kostenkriterien,
2.
Anzahl der unter Vertrag zu nehmenden Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe.
Bei der Einführung von Vertragswettbewerb stehen Krankenkassen vor der Entscheidung, mit welchen Leistungserbringern sie zu welchen Konditionen Versorgungsverträge abschließen sollen. Um dieses zu entscheiden, ist es notwendig, die Präferenzen des Zielkundensegmentes zu ermitteln und herauszufinden, ob die Versicherten grundsätzlich Verträge mit Leistungserbringern von hoher Qualität präferieren oder ob sie mehr Wert auf eine kostengünstige Versorgung – die sich in einem niedrigeren Beitragssatz niederschlägt – bei Einhaltung der gesetzlichen Qualitätsstandards legen. Denkbar ist auch, dass die Versicherten Verträge mit Leistungserbringern von hoher Qualität im stationären Bereich präferieren, im ambulanten Bereich jedoch mit der gesetzlichen Mindestqualität zufrieden sind oder umgekehrt. Da die Höhe des Gesamtnutzens ___________ 59 Vgl. beispielsweise Wasem/Güther (1998), S. 51 ff.; Nolting/Wasem (2002), S. 4 ff.; Zok (2002), S. 29 ff.; TNS Emnid (2003); Janssen-Cilag GmbH (2005).
H. Empirische Befunde
209
eines Versicherungsangebotes vermutlich stark von der Ausprägung dieses Merkmals abhängt und damit die Wechselentscheidung beeinflusst, wurde das Merkmal „Qualität der unter Vertrag genommenen Ärzte bzw. Krankenhäuser“ in die Online-Conjoint-Analyse aufgenommen. Aus Sicht eines Versicherten stellt die Anzahl der unter Vertrag genommenen Leistungserbringer in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe – und damit der Grad der regionalen Arztwahlfreiheit – ein Kriterium dar, welches die Entscheidung für oder gegen eine Krankenversicherung wahrscheinlich ebenfalls erheblich beeinflusst. Aus diesem Grund wurde auch das Merkmal „Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte sowie Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe“ mit in die Online-Conjoint-Analyse aufgenommen. Aus erhebungstechnischen Gründen ist die Anzahl der Merkmale und Merkmalsausprägungen in einer Conjoint-Analyse zu begrenzen.60 Neben den zwei bereits diskutierten Merkmalen existiert jedoch eine Vielzahl weiterer Variablen, die den Gesamtnutzen einer Krankenversicherung determinieren.61 Da in der Online-Conjoint-Analyse die Teilnutzen von jungen und potenziell gesunden Versicherten ermittelt werden sollen und anzunehmen ist, dass dieses Kundensegment hohen Wert darauf legt, die Höhe des Beitragssatzes bzw. einer Prämie zu beeinflussen, wurde das Merkmal „Angebote zur Prämiengestaltung“ ebenfalls mit als relevantes Merkmal in die Online-Conjoint-Analyse aufgenommen.62 Aus theoretischer Sicht ist die Aufnahme von Selbstbehalten, Selbstbeteiligungen und Bonusmodellen in die Merkmalsliste zusätzlich interessant, da ein Bezug zu ex-ante und ex-post moral hazard hergestellt werden kann. Um die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten für die Komponenten eines hypothetischen Versicherungsproduktes zu ermitteln, wurde das Merkmal „monatlicher Preisaufschlag auf die Grundprämie“ für Leistungen, die über die Grundsicherung hinausgehen, zudem in die conjointanalytische Untersuchung aufgenommen. Um die exemplarische Möglichkeit der Berechnung maximaler Zahlungsbereitschaften nicht auszuschließen, wurde für die hier durchgeführte Online-Conjoint-Analyse der Beitragssatz durch eine Prämie ersetzt, da diese in absoluten Zahlen dargestellt werden kann. Folgende Annahmen wurden dabei zugrunde gelegt: –
Die Prämie für die Grundsicherung entspricht den erwarteten Durchschnittskosten der Versicherten für die Grundsicherung.
–
Die Prämie ist nicht einkommens- oder morbiditätsabhängig.
___________ 60
Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2003), S. 549. Vgl. Kapitel G. 62 Vgl. beispielsweise Zok (2005), S. 1 ff. 61
210
– – –
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Ein Versicherter muss einen festen Beitrag für die Grundsicherung bezahlen. Der Arbeitgeber entrichtet einen eigenen festen Beitrag an die Krankenkasse. Sozial schwache Personen erhalten für die Grundsicherung staatliche Transferleistungen.
Der monatliche Prämienaufschlag für Mehrleistungen muss von jedem Versicherten vollständig selbstständig bezahlt werden. Die Bestandteile der Grundsicherung wurden wie folgt definiert: –
eine Ärzte- und Krankenhausliste nach Standardqualität,
–
1 bis 2 Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe und
–
keine Angebote zur Prämiengestaltung.
Die im Anschluss erfolgte Auswahl der Merkmalsausprägungen der vier Merkmale erfolgte unter Plausibilitätsaspekten. Um Ergebnisverzerrungen vorzubeugen, die aus einer unterschiedlich hohen Anzahl von Merkmalsausprägungen bei den verschiedenen Merkmalen entstehen können, wurden für die Merkmale „Qualität der unter Vertrag genommenen Ärzte bzw. Krankenhäuser“, „Angebote zur Prämiengestaltung“ und „monatlicher Preisaufschlag auf die Grundprämie“ jeweils vier Merkmalsausprägungen ausgewählt. Für das Merkmal „Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte sowie Krankenhäuser in Wohnbzw. Arbeitsortnähe“ sind drei Merkmalsausprägungen gewählt worden. Bei dem Merkmal „Qualität der unter Vertrag genommenen Ärzte bzw. Krankenhäuser“ ist zwischen den Merkmalsausprägungen – – – –
Ärzte mit hoher Qualität und Krankenhäuser mit Standardqualität, Krankenhäuser mit hoher Qualität und Ärzte mit Standardqualität, Ärzte und Krankenhäuser mit hoher Qualität sowie Ärzte und Krankenhäuser mit Standardqualität
differenziert worden. Die Merkmalsausprägungen des Merkmals „Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte sowie Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe“ wurden als – 1 bis 2 Ärzte je Fachrichtung und 1 bis 2 Krankenhäuser, – 2 bis 3 Ärzte je Fachrichtung und 2 bis 3 Krankenhäuser sowie – mehr als 3 Ärzte je Fachrichtung und mehr als 3 Krankenhäuser angegeben.
H. Empirische Befunde
211
Bei den „Angeboten zur Prämiengestaltung“ wurde zwischen – Angeboten mit Selbstbehalten, – Angeboten mit Selbstbeteiligungen, – Angeboten mit Bonusmodellen und – keine Angebote unterschieden.63 Als „monatlicher Preisaufschlag auf die Grundprämie“, die € 100 betrug, wurden folgende Werte festgesetzt: – – – –
€ 0, € 40, € 80 und € 120.
Die Anzahl der Stimuli läge bei vier Merkmalen mit dreimal vier und einmal drei Merkmalsausprägungen bei Verwendung der Profilmethode bei 192 (4x4x4x3=192). Da ein Vergleich dieser hohen Stimulianzahl zu einer kognitiven Überforderung der Probanden führen würde und aufgrund dessen keine validen Bewertungen zu erwarten wären, wurde von dieser Methode abgesehen und den Probanden ein orthogonales Haupteffekt-Design mit 16 Stimuli vorgelegt (vgl. Tabelle 4).64
___________ 63 Es wird angenommen, dass die vier Merkmalsausprägungen nicht kombinierbar sind, so dass eine Krankenkasse ihren Versicherten zu jedem Zeitpunkt immer nur ein Angebot zur Prämiengestaltung unterbreiten kann. 64 Das reduzierte Design wurde mittels SPSS 12.0 und der darin integrierten Prozedur „Orthoplan“ erstellt. Vgl. zur Erstellung von orthogonalen Haupteffekte-Designs Addelman (1962), S. 21 ff.
212
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung Tabelle 4 Reduziertes Design Merkmal
Merkmalsausprägung
Qualität
Ärzte hohe Qualität; KH Standardqualität
Stimulus A B
X
X
Prämiengestaltung
L
X
X
M
N
X
X
X
X
X
X
X
X
X
P
X
X
X
O
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X
X X X X
Bonusmodell
X
keine Angebote
monatl. Preisaufschlag
K
X
X
Selbstbeteiligung
X
X X X
X
X
X
X
X X X
€ 40
€ 120
J
X
X
mehr als 3 Ärzte und KH
€ 80
I
X
X
2 bis 3 Ärzte und KH
€0
G H
X X
Ärzte und KH Standardqualität
Selbstbehalt
F
X
Ärzte Standardqualität; KH hohe Qualität
1 bis 2 Ärzte und KH
D E
X
Ärzte und KH hohe Qualität
Anzahl der Ärzte und KH
C
X X
X
X
X
X X
X X
X X
X
H. Empirische Befunde
213
c) Gestaltung und Durchführung der Datenerhebung für die Online-Conjoint-Analyse mit Limit-Karte Die Datenerhebung zur Ermittlung der Teilnutzenwerte der Merkmalsausprägungen wurde im WWW durchgeführt; sie erscheint gerechtfertigt, da die Zielgruppe für die Stichprobe zu einem hohen Prozentanteil das WWW nutzt. Vom 13. bis zum 15. April 2005 wurde in einem ersten Schritt ein Pretest durchgeführt, an dem 11 Personen der Universität Duisburg-Essen teilgenommen haben. Verständnisschwierigkeiten bei der Formulierung der Fragen konnten aufgrund geäußerter Kritik eliminiert werden und Verbesserungsvorschläge ermöglichten es, die Gestaltung der Webseite zu optimieren. Für die empirische Messung der Teilnutzenwerte wurde von Ende April bis Ende Juni 2005 unter der URL www.onlineconjoint.info die Conjoint-Analyse online geschaltet.65 Um eine ausreichende Anzahl von Teilnehmern zu gewinnen, wurden alle Fachschaften der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultäten deutscher Universitäten und Fachhochschulen angeschrieben mit der Bitte, den Link zu der Umfrage bei der jeweiligen Studierendengemeinschaft bekannt zu machen. Zudem wurden die Mitglieder des Ausschusses für Gesundheitsökonomie im Verein für Socialpolitik gebeten, die URL ihren Studierenden zugänglich zu machen. Ferner wurde auf den Homepages des Lehrstuhls für Allgemeine Wirtschaftspolitik der Universität Duisburg-Essen, des Lehrstuhls für Internationales Marketing der Universität Duisburg-Essen und des Lehrstuhls für Marketing der Universität Hohenheim jeweils ein Link zu der Umfrage geschaltet. Schließlich erschien ein Artikel mit einem Link zu der Umfrage im Mai 2005 im Newsletter Campus: Aktuell der Universität Duisburg-Essen. Bevor die Auskunftspersonen gebeten wurden, die dargestellten Stimuli in eine Vorziehenswürdigkeitsreihenfolge zu bringen, erfolgte eine kurze Einführung in das derzeitige System der GKV. Im Anschluss daran ist das Zukunftsszenario, auf das in der Befragung Bezug genommen wurde, ausführlich dargestellt worden. Das Zukunftsszenario zeichnet sich dadurch aus, dass Vertragswettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt existiert und Krankenkassen selektive Versorgungsverträge mit Ärzten und Krankenhäusern abschließen. Jede Krankenkasse hat demnach eine eigene Ärzte- und Krankenhausliste. Für die Versicherten dieser Krankenkasse bedeutet dies, dass sie lediglich autorisiert sind, Versorger aufzusuchen, mit denen ihre Krankenkasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat. Sollten die Versicherten Versorger konsultieren, mit denen kein Vertrag abgeschlossen wurde, müssen sie sich an den eventuell anfallenden Zusatzkosten beteiligen. In dem Zukunftsszenario ist es weiterhin möglich, dass Krankenkassen allen Versicherten ein Angebot mit Selbstbehalt, ___________ 65
Vgl. Anhang.
214
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Selbstbeteiligung und/oder ein Bonusmodell unterbreiten. Hat sich ein Versicherter dann für eine spezielle Krankenkasse entschieden und dort einen Versicherungsvertrag abgeschlossen, ist er – ebenso wie im Status quo – 18 Monate an diese Krankenkasse gebunden. Nach der Vorstellung des Zukunftsszenarios wurden die Probanden über die vier Merkmale mit ihren jeweiligen Merkmalsausprägungen ausführlich informiert. Ferner sollten die Teilnehmer davon ausgehen, dass sie für eine obligatorische monatliche Grundversorgung € 100 bezahlen müssen, und dass für Mehrleistungen selbstständig ein monatlicher Prämienaufschlag auf die Grundprämie zu zahlen ist. Die Komponenten der Grundversorgung sind wie folgt charakterisiert worden: – – –
Ärzte und Krankenhäuser mit Standardqualität, 1 bis 2 Ärzte jeder Fachrichtung und 1 bis 2 Krankenhäuser in Wohn- bzw. in Arbeitsortnähe, keine Angebote zur Prämiengestaltung.
Aufgrund des relativ komplexen Themas und der relativ hohen kognitiven Anforderungen an die Befragten, wurden den Teilnehmern vor Beginn der tatsächlichen conjointanalytischen Befragung drei Verständnisfragen zum Zukunftsszenario gestellt. Im Anschluss daran wurden die Probanden gebeten, die 16 Kaufangebote in eine persönliche Rangfolge zu bringen von „Rangplatz 1 = sehr gutes Angebot“ bis „Rangplatz 16 = sehr schlechtes Angebot“. Danach wurden sie aufgefordert anzugeben, bis zu welchem Rangplatz sie die Angebote annehmen würden. Dabei hatten sie auch die Option, „kein Angebot“ anzunehmen. Ein solches Vorgehen wird in der Literatur als Setzung einer LimitKarte bezeichnet, welches das Feld in kaufenswerte und nichtkaufenswerte Alternativen trennt.66 Das individuelle Limit wird für die Feststellung der Prognosevalidität benötigt, weil bei den klassischen Kaufentscheidungsmodellen (z. B. First-Choice-Regel, BTL-Modell) die Prognoseergebnisse sehr stark von dem verwendeten Entscheidungsmodell abhängen. Für die Validierungsstimuli zur Messung der Prognosevalidität wurden zwei Krankenversicherungsangebote ausgewählt, die weder in dem präsentierten Kartenset enthalten waren noch aus Extremausprägungen bestanden, da diese i. d. R. leichter zu prognostizieren sind.67 Zudem wird durch die Verwendung von Validierungsstimuli eher eine ___________ 66 Vgl. Voeth/Hahn (1998), S. 121; Voeth (2000), S. 80 f.; Sattler/Nitschke (2003), S. 971. Bei den Merkmalen und deren Merkmalsausprägungen handelt es sich um Mehrleistungen einer Krankenkasse. Die Versicherten können sich frei entscheiden, ob ihnen die Grundversorgung ausreicht oder ob sie mehr Leistungen wünschen. Daher erscheint es sinnvoll, durch das Setzen einer Limit-Karte einen echten Wahlakt in die ConjointAnalyse mit einzubeziehen. 67 Vgl. Albrecht (2000), S. 150.
H. Empirische Befunde
215
reale Kaufsituation erreicht als durch die Verwendung von Holdout-Karten.68 Zum Abschluss der Befragung wurden die Probanden gebeten, noch einige statistische Fragen zu beantworten.
2. Ergebnis der Online-Conjoint-Analyse a) Statistische Kennzahlen In dem genannten Zeitraum haben insgesamt 165 Probanden an der OnlineConjoint-Analyse teilgenommen. In einem ersten Schritt wurden die Datensätze nach vorab festgelegten Kriterien begutachtet und entsprechend reduziert. Hierzu wurden aus der Stichprobe zunächst die Datensätze derjenigen Probanden entfernt, die zwei der drei Verständnisfragen zum Zukunftsszenario nicht richtig beantwortet hatten. In diesen Fällen musste davon ausgegangen werden, dass diese Probanden das Zukunftsszenario nicht richtig verstanden hatten und somit auch nicht in der Lage waren, die Karten in eine konsistente Vorziehenswürdigkeitsreihenfolge zu bringen. Von den 165 Teilnehmern haben insgesamt neun Personen zwei der drei Verständnisfragen falsch beantwortet und deren Datensätze wurden daher nicht berücksichtigt. Zudem sind aus den verbleibenden 156 Datensätzen zwei weitere Datensätze entfernt worden, da diese nicht den Anforderungen entsprachen. Aufgrund von fehlenden Werten mussten keine Fragebögen ausgeschlossen werden, da die Probanden den Fragebogen nur vollständig beantwortet abschicken konnten. Somit verbleiben 154 Datensätze (93,33 %) für die weiteren Auswertungen. Diese Anzahl erscheint für eine Conjoint-Analyse ausreichend groß.69 Nach der Reduktion der Fragebögen können in einem zweiten Schritt Aussagen zu grundlegenden statistischen Kennzahlen der Stichprobe getroffen werden. Es wird deutlich, dass der Anteil der weiblichen Teilnehmer um 11,6 Prozentpunkte höher ist als der Anteil der männlichen Teilnehmer und dass der Anteil der Studierenden mit 59,1 % um 18,2 Prozentpunkte über dem Anteil der Absolventen liegt (40,9 %).
___________ 68
Vgl. Sattler/Hensel-Börner/Krüger (2001), S. 778. Eine Übersicht über diverse Conjoint-Analysen mit unterschiedlich hohen Stichprobengrößen ist zu finden bei Ernst/Sattler (2000), S. 5. Vgl. zu dem zu erhebenden Datenumfang bei einer Conjoint-Analyse auch Hahn (1997), S. 136. Hahn empfiehlt, dass bei conjointanalytischen Befragungen die Stichprobengröße aus mindestens 100 Probanden bestehen soll. 69
216
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung Tabelle 5 Grundlegende statistische Kennzahlen Kenngröße
Stichprobe Ø = 26,27 (ı = 3,707) weiblich: 55,8 % männlich: 44,2 % Absolvent: 40,9 % Student: 59,1 %
Alter Geschlecht Studienstatus
Neben den grundlegenden statistischen Kennzahlen wurden die Probanden gebeten, Angaben hinsichtlich ihres derzeitigen Versicherungsstatus (PKV versichert, GKV versichert bzw. gar nicht versichert) und eines möglicherweise bereits erfolgten Krankenkassenwechsels zu machen. Zudem wurden die Befragten gebeten anzugeben, wie häufig sie im Jahr einen Arzt aufsuchen sowie eine Einschätzung ihres Gesundheitszustandes vorzunehmen. Schließlich sind die Teilnehmer aufgefordert worden, einer Skala anzugeben, wie hoch ihr monatlich zur Verfügung stehendes Einkommen ist. Diese Skala war in 500-EuroSchritte unterteilt und reichte von „bis 500 Euro“ bis „mehr als 2000 Euro“. Tabelle 6 Statistische Kennzahlen Kenngröße Art der derzeitigen Versicherung selbstständige Krankenkassenwahl Krankenkassenwechsel jährliche Arztbesuche
Gesundheitszustand
monatliches Einkommen
Stichprobe PKV: 9,1 % GKV: 89,6 % gar nicht versichert: 1,3 % ja: 62,3 % nein: 37,7 % ja: 40,9 % nein: 59,1 % Ø = 4,59 (ı = 3,884) sehr gut: 36,4 % gut: 50 % mittel: 11,7 % schlecht: 0 % sehr schlecht: 0 % keine Angabe: 1,9 % bis € 500: 36,4 % € 500 bis € 1000: 32,5 % € 1001 bis € 1500: 14,3 % € 1501 bis € 2000: 9,7 % mehr als € 2000: 5,2 % keine Angabe: 1,9 %
H. Empirische Befunde
217
Es fällt auf, dass der weitaus größte Teil der Befragten (89,6 %) bei einer gesetzlichen Krankenkasse versichert ist. Lediglich 9,1 % der Teilnehmer sind bei einer privaten Krankenversicherung und nur 1,3 % sind gar nicht versichert. Dies liegt vermutlich zum einen daran, dass 59,1 % der Probanden zu dem Zeitpunkt der Befragung noch studiert haben und damit nach § 5 Absatz 9 SGB V versicherungspflichtig sind. Zum anderen ist ersichtlich, dass nur ein geringer Anteil der Teilnehmer ein monatlich zur Verfügung stehendes Einkommen von über € 1500 hat und damit das jährliche Bruttoeinkommen wahrscheinlich bei den meisten der Befragten unterhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze liegt. Da es sich bei den Befragten auch um Studierende handelte, die i. d. R. bis zum 25. Lebensjahr in der Familienversicherung der Eltern mitversichert sind, ist es für die Fragestellung hilfreich zu wissen, ob sie schon einmal selbstständig eine Krankenkasse ausgewählt haben. 62,3 % der Probanden haben bereits mindestens einmal eine Krankenversicherung selbstständig ausgewählt, und 40,9 % der Befragten haben immerhin schon mindestens einmal eine Krankenkasse gewechselt. Somit ist davon auszugehen, dass der überwiegende Anteil der Probanden sich bereits mit dem Thema Krankenkassenwahl und Krankenkassenwechsel intensiv auseinandergesetzt hat. Die Höhe der durchschnittlichen jährlichen Arztbesuche ist mit 4,59 und einer Standardabweichung von 3,884 relativ gering. Dies ist unter anderem damit zu erklären, dass 36,4 % der Befragten ihren Gesundheitszustand als sehr gut einschätzen, 50 % als gut und lediglich 11,7 % als mittel. Mit schlecht oder sehr schlecht beurteilt kein Befragungsteilnehmer den eigenen Gesundheitszustand.
b) Schätzung der Teilnutzenwerte Bei den Rangdaten wurde – wie allgemein üblich – angenommen, dass die Abstände zwischen den ordinal-skalierten Rangdaten äquidistant sind und somit wie metrische, intervallskalierte Daten bewertet werden können.70 Vor der tatsächlichen Schätzung der Teilnutzenwerte sind die Rangdaten zunächst durch Anwendung der nachfolgenden Gleichung in Gesamtnutzenwerte überführt worden. Uki = (K + 1) - Rki Uki = Gesamtnutzenwert für Stimulus k bei Proband i Rki = Rang des Stimulus k bei Proband i K
= Anzahl der Stimuli
___________ 70 Vgl. Teichert (1994), S. 614; Brzoska (2003), S. 90 und S. 113; Berekhoven/ Eckert/Ellenrieder (2004), S. 76; Klein (2004), S. 168; Liehr (2005), S. 145.
218
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Anschließend wurde eine Transformation der Nutzenwerte in Limitwerte anhand der nachfolgenden Transformationsregel vorgenommen.71 ULki = Uki – LWi + 0,5
ULki = Limit-Gesamtnutzenwert des Stimulus k bei Proband i Li
= Rang hinter den die Limit-Karte von Proband i gesetzt wurde
LWi
= Wert, hinter den die Limit-Karte von Proband i gesetzt wurde; (LWi = (K + 1) – Li)
Im Anschluss an diese Transformation wurden die Teilnutzenwerte der Eigenschaftsausprägungen geschätzt, wobei das Teilnutzenmodell unterstellt wurde. Für die Aggregation der individuellen Teilnutzenwerte mussten diese zunächst normiert werden, um eine Vergleichbarkeit der Werte zu gewährleisten.72 Durch die Normierung der Teilnutzenwerte wird sichergestellt, dass die geschätzten Teilnutzenwerte auf dem gleichen Nullpunkt und der gleichen Skaleneinheit basieren.73 Die durchschnittlichen normierten Teilnutzenwerte sowie die relativen Wichtigkeiten der Eigenschaften sind in Tabelle 7 dargestellt.74
___________ 71
Vgl. zu den Transformationsregeln Voeth/Hahn (1998), S. 121. In der Literatur wird vorgeschlagen, die geschätzten Teilnutzenwerte zunächst auf einen Nullpunkt zu justieren, indem die Differenz zwischen den Teilnutzenwerten einer Eigenschaft und dem geringsten Teilnutzenwert der entsprechenden Eigenschaft gebildet wird. Anschließend erfolgt eine Justierung der Skaleneinheit, indem die Teilnutzenwerte durch die Summe der maximalen Teilnutzenwerte je Eigenschaft dividiert werden. Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2003), S. 566 ff. 73 Vgl. Voeth (2002), S. 358 ff. 74 Von einer möglichen Heterogenität der Probanden hinsichtlich der normierten Teilnutzenwerte bzw. der relativen Wichtigkeiten wird an dieser Stelle abstrahiert. 72
H. Empirische Befunde
219
Tabelle 7 Durchschnittlich normierte Teilnutzenwerte und relative Wichtigkeiten Merkmalsausprägung
monatlicher Preisaufschlag
Prämiengestaltung
Anzahl der Ärzte und KH
Qualität
Merkmal
durchschnittl. normierte Teilnutzenwerte
Ärzte hohe Qualität; KH Standardqualität
0,198
Ärzte Standardqualität; KH hohe Qualität
0,163
Ärzte und KH hohe Qualität
0,353
Ärzte und KH Standardqualität
0,016
1 bis 2 Ärzte und KH
0,022
2 bis 3 Ärzte und KH
0,045
> als 3 Ärzte und KH
0,071
Selbstbeteiligung
0,056
Selbstbehalt
0,082
Bonusmodell
0,124
keine Angebote
0,085
€0
0,364
€ 40
0,260
€ 80
0,147
€ 120
0,006
relative Wichtigkeiten
36,706 %
9,054 %
17,156 %
37,085 %
Für die Konzeption eines Versicherungsproduktes sind allerdings nicht nur die absoluten Werte der Teilnutzen bedeutsam. Auch das Wissen um die relativen Wichtigkeiten der Eigenschaften ist für die Gestaltung eines Produktes notwendig, denn die relativen Wichtigkeiten geben Aufschluss darüber, welches Merkmal – ausgehend von der schlechtesten Merkmalsausprägung – das größte Präferenzänderungspotenzial hat.75 ___________ 75 Vgl. hierzu Hahn (1997), S. 171 ff. Ein Anbieter, der eine Modifikation eines existierenden Produktes plant, bietet nicht zwingend das schlechteste Produkt an. Daher ist für eine Produktvariation die Ausgangssituation des zu modifizierenden Produktes von
220
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Es ist festzustellen, dass die Eigenschaften „Qualität der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser“ sowie „monatlicher Preisaufschlag auf die Grundprämie“ – im Vergleich zu den Merkmalen „Angebote zur Prämiengestaltung“ und „Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe“ – die größeren Präferenzänderungspotenziale haben.76 Über die größte relative Wichtigkeit mit 37,085 % verfügt die Eigenschaft „monatlicher Preisaufschlag auf die Grundprämie“. Das Merkmal „Qualität der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser“ hat nur eine marginal geringere relative Wichtigkeit von 36,706 %. Das Merkmal „Angebote zur Prämiengestaltung“ hat ein Präferenzänderungspotenzial von 17,156 %. Im Vergleich zu der Eigenschaft „monatlicher Preisaufschlag auf die Grundprämie“ ist dieses jedoch eindeutig geringer. Über die geringste relative Wichtigkeit verfügt das Merkmal „Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe“ (9,045 %). Da es sich bei Probanden um ein eher gesundes Kundensegment handelt, welches mit den Leistungserbringern relativ wenig in Berührung kommt (vgl. durchschnittliche Arztbesuche pro Jahr und Einschätzung des persönlichen Gesundheitszustandes), erscheint das vorliegende Ergebnis auf den ersten Blick erstaunlich. Es war zwar zu vermuten, dass die Qualität der Versorger für den Gesamtnutzen von großer Bedeutung ist,77 aber man hätte annehmen können, dass der monatliche Preisaufschlag auf die Grundprämie und die Angebote zur Prämiengestaltung im Vergleich zur Qualität der unter Vertrag genommenen Versorger viel höhere Teilnutzenwerte aufweisen. Das Ergebnis zeigt jedoch, dass bereits bei diesem jungen und eher gesunden Kundensegment Qualitätsaspekte bei der Auswahl eines Versicherungsangebotes eine bedeutende Rolle spielen. Fasst man die relativen Wichtigkeiten der beiden Merkmale „Qualität der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser“ und „Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe“ sowie der beiden Merkmale „Angebote zur Prämiengestaltung“ und „monatlicher Preisaufschlag auf die Grundprämie“ zusammen, dann zeigt sich sogar, dass diese beiden Merkmalsgruppen für die Beeinflussung der Höhe des Gesamtnutzens nahezu von gleicher relativer Wichtigkeit sind („Qualität der ___________ Bedeutung. Folglich ist bei einer Produktvariation nicht an dem Merkmal mit der höchsten relativen Wichtigkeit in Bezug auf die gesamte Nutzenspanne anzusetzen, sondern an dem Merkmal mit der höchsten relativen Wichtigkeit in Bezug auf die variationsrelevante Nutzenspanne. 76 Green und Wind merken kritisch an, dass die relativen Wichtigkeiten eines Attributes von den gewählten Merkmalsausprägungen abhängen. Vgl. Green/Wind (1975), S. 111. 77 Vgl. Kapitel G.I.1.a).
H. Empirische Befunde
221
unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser“ und „Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe“: relative Wichtigkeit ca. 45 % – „Angebote zur Prämiengestaltung“ und „monatlicher Preisaufschlag auf die Grundprämie“: relative Wichtigkeit ca. 55 %). Wenn Qualitätsaspekte bei der Auswahl eines Krankenversicherungsangebotes bereits bei einem jungen und gesunden Kundensegment von solch hoher Bedeutung sind, dann ist zu vermuten, dass diese bei älteren und morbideren Versicherten für die Höhe des Gesamtnutzens mindestens von einer gleich hohen Wichtigkeit sein werden.
c) Validität der Ergebnisse aa) Die untersuchten Validitätskriterien Unter der Validität eines Messinstrumentes wird der Grad der Genauigkeit verstanden, mit dem ein Verfahren das Merkmal, das es zu messen vorgibt, auch tatsächlich misst.78 Somit besitzt ein Messinstrument eine hohe Validität, wenn es frei von systematischen Fehlern ist – Fehler also rein zufällig sind.79 In der Literatur wird die Validität auch als das anspruchsvollste Gütekriterium beschrieben, da die Objektivität und Reliabilität der erhobenen Daten vorausgesetzt werden.80 Der Begriff Validität wird von unterschiedlichen Verfassern allerdings nicht immer gleichbedeutend verwendet.81 In der Regel wird zwischen der Inhalts-, der Kriteriums- und der Konstruktvalidität unterschieden (Abbildung 29).82 Die Inhaltsvalidität betrifft die logische Schlüssigkeit einer Erhebung und überprüft die Plausibilität, Vollständigkeit und Angemessenheit eines Erhebungsverfahrens.83 Bei der Kriteriumsvalidität werden die gemessenen Werte anhand eines Gütekriteriums beurteilt. Die Konstruktvalidität liegt dann vor, wenn aufgrund von theoretischen Überlegungen Hypothesen über die kausalen Beziehungen von Variablen gebildet werden und diese den Messergebnis___________ 78
Vgl. Müller-Hagedorn/Sewing/Toporowski (1993), S. 125; Stier (1999), S. 56 ff.; Berekhoven/Eckert/Ellenrieder (2004), S. 90 f. 79 Vgl. Hüttner/Schwarting (2002), S. 13. 80 Vgl. Voeth (2000), S. 226. 81 Vgl. zu den unterschiedlichen Validitätsbegriffen Hossinger (1982), S. 35. 82 Definitionen der verschiedenen Validitätsarten sind unter anderem zu finden bei Green/Srinivasan (1978), S. 115; Müller-Hagedorn/Sewing/Toporowski (1993), S. 126; Weiber/Rosendahl (1996), S. 573 ff.; Bortz/Döring (2002), S. 199 ff.; Hüttner/Schwarting (2002), S. 15 f.; Braun (2004), S. 106; Klein (2004), S. 131 ff.; Schäfers (2004), S. 22 f.; Liehr (2005), S. 175. 83 Vgl. hierzu und zum Folgenden Müller-Hagedorn/Sewing/Toporowski (1993), S. 126 ff.; Bortz/Döring (2002), S. 199 f.; Brzoska (2003), S. 48; Braun (2004), S. 106; Klein (2004), S. 132 f.
222
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
sen entsprechen.84 Da die Konstruktvalidierung mit einigen Problemen behaftet ist,85 wird für die Beurteilung der Erhebungsgüte in dieser Arbeit eine Überprüfung der Inhaltsvalidität (speziell der Face-Validität) und der Kriteriumsvalidität (speziell der prädikativen internen Validität86 und der internen (Übereinstimmungs-)Validität87) durchgeführt. Dies entspricht auch der in der Literatur üblichen Vorgehensweise zur Überprüfung der Güte einer ConjointStudie.88
Validität
Konstruktvalidität
Kriteriumsvalidität
Inhaltsvalidität
FaceValidität ExpertenValidität
Prognosevalidität
interne Validität
externe interne Validität Validität
Übereinstimmungsvalidität
Kreuzvalidität
innere externe Validität Validität
Quelle: In Anlehnung an Müller-Hagedorn/Sewing/Toporowski (1993), S. 126; Brzoska (2003), S. 48
Abbildung 29: Arten der Validität
bb) Inhaltsvalidität Die inhaltliche Validität kann in die Face-Validität und die ExpertenValidität unterteilt werden. Der Unterschied zwischen der Face-Validität und ___________ 84 Vgl. zu der Konstruktvalidität Müller-Hagedorn/Sewing/Toporowski (1993), S. 128 f.; Bortz/Döring (2002), S. 200 f.; Liehr (2005), S. 174. 85 Zur Problematik einer Konstruktvalidierung vgl. Brzoska (2003), S. 49. 86 Einige Autoren bezeichnen diese Art der Validität auch einfach als Prognosevalidität. Auch in dieser Arbeit wird dieser begrifflichen Bezeichnung gefolgt. Vgl. exemplarisch Schubert (1995), S. 388; Brzoska (2003), S. 50. 87 In der Literatur wird diese Art der Validität auch mit dem Begriff der internen Validität bezeichnet. Vgl. Fischer (2001), S. 107. 88 Vgl. Green/Srinivasan (1978), S. 115; Müller-Hagedorn/Sewing/Toporowski (1993), S. 125 ff.
H. Empirische Befunde
223
der Experten-Validität besteht darin, dass bei der Experten-Validität die Plausibilitätsbewertung von Experten vorgenommen wird.89 Ziel einer Conjoint-Analyse ist die Messung von Teilnutzenwerten für bestimmte Eigenschaften eines Objektes. Somit kann eine Vollständigkeit und Angemessenheit der Erhebung unterstellt werden, wenn eine repräsentative Auswahl der nutzenstiftenden Eigenschaften eines Objektes bei der Erhebung berücksichtigt wurde.90 Da bei der Auswahl der Merkmale und ihren Merkmalsausprägungen für eine Conjoint-Analyse die Relevanz der Merkmale für den Gesamtnutzen gefordert wird, kann die Vollständigkeit und Angemessenheit bei Conjoint-Analysen als gegeben unterstellt werden.91 Hinsichtlich der geforderten Plausibilität kann überprüft werden, ob die geschätzten Teilnutzenwerte a priori unterstellte Relationen erfüllen. Je höher dabei die Anzahl der individuell verletzen Teilnutzenrelationen ist, desto schlechter ist die Inhaltsvalidität. Zu beachten ist allerdings, dass nicht für alle Eigenschaften Hypothesen über die Relation der Teilnutzenwerte gebildet werden können. Bei dem Merkmal „monatlicher Preisaufschlag auf die Grundprämie“ kann die Hypothese aufgestellt werden, dass der Teilnutzen des geringsten monatlichen Preisaufschlages am höchsten und der Teilnutzen des höchsten monatlichen Preisaufschlages am geringsten ist. Dagegen kann bei dem Merkmal „Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe“ vermutet werden, dass der höchste Teilnutzenwert erzielt wird, wenn mehr als drei Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe unter Vertrag genommen werden. Der geringste Teilnutzenwert wird dann erzielt, wenn mit lediglich ein bis zwei Ärzten und Krankenhäusern in Wohnbzw. Arbeitsortnähe ein Vertrag abgeschlossen wird. Bei dem Merkmal „Qualität der Ärzte und Krankenhäuser“ ist zu erwarten, dass der Teilnutzenwert der Merkmalsauprägung „Ärzte und Krankenhäuser mit hoher Qualität“ am höchsten ist, und der Teilnutzenwert der Merkmalsausprägung „Ärzte und Krankenhäuser mit Standardqualität“ den geringsten Teilnutzenwert aufweist. Allerdings kann inhaltlich keine sinnvolle Hypothese darüber aufgestellt werden, welcher Teilnutzenwert der Merkmalsausprägung „Ärzte mit hoher Qualität und Krankenhäuser mit Standardqualität“ bzw. „Krankenhäuser mit hoher Qualität und Ärzte mit Standardqualität“ höher ist. Weiterhin ist inhaltlich keine sinnvolle Hypothese über die Relationen der Teilnutzenwerte bei den Prämiengestaltungsmodellen zu formulieren. Auf Basis der aufgestellten Hypothesen werden auf individueller Ebene die a priori unterstellten Teilnutzenrelationen untersucht. Die Messergebnisse sind in Tabelle 8 dargestellt. ___________ 89
Vgl. Hüttner/Schwarting (2002), S. 15. Vgl. Hossinger (1982), S. 22; Müller-Hagedorn/Sewing/Toporowski (1993), S. 126. 91 Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2003), S. 548; Liehr (2005), S. 174. 90
224
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung Tabelle 8 Anteil korrekt prognostizierter Teilnutzenrelationen Stichprobe
Zufallsmodell
Anzahl der Ärzte und KH
73,38 %
57,14 %
monatlicher Preisaufschlag
99,35 %
53,30 %
Qualität der Ärzte und KH
92,21 %
55,84 %
Zunächst fällt auf, dass die Anteile der korrekt prognostizierten Teilnutzenrelationen bei den Eigenschaften monatlicher Preisaufschlag und Qualität der Ärzte und Krankenhäuser höher ist als der Anteil der korrekt prognostizierten Teilnutzenrelationen des Merkmals Anzahl der Ärzte und Krankenhäuser. Um jedoch eine Aussage über die Güte der Messung ableiten zu können, müssen die erzielten Ergebnisse mit anderen Studien verglichen werden. Allerdings liegen bisher keine Studien mit vergleichbarem Untersuchungsziel vor. Aus diesem Grund empfiehlt es sich, die Teilnutzenwerte einer Stichprobe heranzuziehen, die auf Basis von Pseudozufallszahlen (Zufallsmodell) ermittelt wurden.92 Bei dem Vergleich der korrekt prognostizierten Teilnutzenrelationen der Stichprobe und des Zufallsmodells wird deutlich, dass der Anteil der korrekt prognostizierten Teilnutzenrelationen bei der Stichprobe bei allen drei Merkmalen deutlich höher ist als bei dem Zufallsmodell. Mit Hilfe eines Zweistichprobentests für die Differenz von Anteilswerten wird untersucht, inwieweit der Unterschied der ermittelten Werte signifikant ist.93 Wie zu erwarten war, ist die Differenz zwischen dem Anteil der korrekt prognostizierten Teilnutzenrelationen der Stichprobe und des Zufallsmodells höchst signifikant auf dem Niveau p0,001. Dies bedeutet, dass der Anteil der korrekt prognostizierten Teilnutzenrelationen der Stichprobe nicht zufallsbedingt ist und somit von einer plausiblen Messung ausgegangen werden kann. ___________ 92
Die Conjoint-Analyse mit den Pseudozufallszahlen wurde mit der identischen Anzahl von Datensätzen wie die Conjoint-Analyse der Stichprobe durchgeführt. Vgl. zum Einsatz eines Zufallsmodells Huber/Wittink/Wedel et al. (1993), S. 110 f.; Hartmann (2004), S. 100. 93
Die Prüfgröße ist z
( p1 p 2 ) p (1 p )
n1 n2 n1 n2
mit p
n1 p1 n2 p2 . n1 n2
Dabei stellt n die Stichprobengröße und p den Anteil der korrekt prognostizierten Teilnutzenrelationen innerhalb der Stichprobe dar. Vgl. Bleymüller/Gehlert/Gülicher (2004), S. 112 f.
H. Empirische Befunde
225
cc) Interne (Übereinstimmungs-)Validität Die Messung der Übereinstimmung der empirischen Inputdaten und den – auf Basis der geschätzten Nutzenwerte – ermittelten Präferenzdaten ist Gegenstand der internen (Übereinstimmungs-)Validität.94 Somit stellt die interne (Übereinstimmungs-)Validität auf die interne Konsistenz der gemessenen Daten ab. Für die Überprüfung der internen (Übereinstimmungs-)Validität wird der Korrelationskoeffizient Kendalls tau gewählt.95 Dieser beruht auf einem paarweisen Vergleich der Untersuchungseinheiten und gibt bei einer ConjointAnalyse die Korrelation zwischen den tatsächlich empirisch erhobenen Rängen und den aus den conjointanalytischen Berechnungen resultierenden Rängen (Rangkorrelation) wieder.96 Die Bildung des durchschnittlichen Wertes von Kendalls tau über alle Probanden ergibt einen Wert von 0,927. Betrachtet man den durchschnittlichen Wert von Kendalls tau bei dem Zufallsmodell (0,711), so fällt auf, dass der Wert von Kendalls tau bei dem Zufallsmodell deutlich schlechter ist als der Wert bei der Stichprobe. Mit Hilfe eines KolmogorovSmirnov-Zweistichprobentests zur Untersuchung der maximalen Differenz zwischen zwei kumulierten Verteilungen kann die Signifikanz der Abweichung der Verteilung der gemessenen Werte und der Verteilung der simulierten Werte bestimmt werden.97 Es ist festzustellen, dass das Ergebnis sehr signifikant ist (p=0,000). Damit sind die hohen Werte für die (Übereinstimmungs-)Validität nicht auf Zufallseffekte zurückzuführen. Zudem liegt der Wert deutlich über dem in der Literatur geforderten Wert von 0,8 für sehr gute Ergebnisse bei conjointanalytischen Untersuchungen.98 Tabelle 9 gibt die Korrelationen auf Individualniveau wieder. Auch hier wird ersichtlich, dass Kendalls tau bei 93,51 % ___________ 94 Vgl. Green/Srinivasan (1978), S. 115; Fischer (2001), S. 107; Backhaus/Erichson/ Plinke et al. (2003), S. 578. 95 Für die Messung der internen (Übereinstimmungs-)Validität kann ebenfalls der Korrelationskoeffizient Pearsons R zur Anwendung kommen. Wenn die Probanden jedoch aufgefordert werden, die Stimuli in eine persönliche Rangfolge zu bringen, wird üblicherweise der Korrelationskoeffizient Kendalls tau herangezogen. Bei der Vergabe von Ratingwerten wird i. d. R. Pearsons R genutzt. Vgl. Backhaus/Erichson/Plinke et al. (2003), S. 578. 96 Vgl. Hofer (2003), S. 102 f. 97
2 Die Prüfgröße ist F
4 D2
n1 n2 . D wird definiert als die maximale Differenz n1 n2
zwischen den beiden kumulierten Verteilungen. n stellt die jeweilige Stichprobengröße dar. Die Bestimmung der Signifikanz der Abweichung kann mittels der F -Tabelle vorgenommen werden. Vgl. Weisenfeld (1987), S. 268 f.; Brosius (2004), S. 844 und S. 858 ff. 98 Vgl. Büschken (1994), S. 80; Fischer (2001), S. 109 f.; Liehr (2005), S. 198 f. 2
226
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
der Befragten über dem geforderten Grenzwert von 0,8 liegt. Dies lässt auf eine hohe interne (Übereinstimmungs-)Validität der Untersuchung schließen.99
Tabelle 9 Kendalls tau als Gütemaß für die interne (Übereinstimmungs-)Validität Kendalls tau
kumulierter Anteil der Auskunftspersonen
0,99
27,92 %
0,98
32,47 %
0,97
36,36 %
0,96
48,05 %
0,95
54,55 %
0,9
71,43 %
0,85
85,71 %
0,8
93,51 %
0,75
96,10 %
0,7
97,40 %
0,65
98,05 %
0,6
98,70 %
0,55
99,35 %
0,5
100,00 %
dd) Prognosevalidität Mit der Prognosevalidität wird untersucht, ob die gemessenen Daten geeignet sind, um damit Wahlentscheidungen von Nachfragern prognostizieren zu können. Zwei Wahlentscheidungen liegen in hypothetischer Form durch die den Probanden präsentierten Validierungskarten als Ja/Nein-Entscheidung vor.100 Bei der Präsentation der Validierungskarten wurde darauf geachtet, dass ___________ 99
Vgl. Fahrmeier/Künstler/Pigeot et al. (2004), S. 139. Vgl. Voeth (2000), S. 228.
100
H. Empirische Befunde
227
die vorgelegten Stimuli kein Bestandteil der Menge der Karten waren, die zur Schätzung der Teilnutzenwerte herangezogen wurden, um die Unabhängigkeit der Validitätsmessung von der Schätzung der Teilnutzenwerte sicherzustellen.101 Zudem wurde darauf geachtet, dass die Kaufangebote nicht per se in die Kategorie kaufenswert bzw. nicht-kaufenswert einzustufen waren.102 Um die Kaufentscheidung prognostizieren zu können, sind zunächst mittels geschätzter Teilnutzenwerte die Gesamtnutzenwerte der zwei hypothetischen Kaufangebote berechnet worden. Im Anschluss daran wurden Angebote, die einen Gesamtnutzenwert geringer null aufwiesen, aufgrund der Annahmen, die der Limit Conjoint-Analyse zugrunde liegen, als nicht-kaufenswert eingestuft. Angebote, die einen Gesamtnutzenwert größer oder gleich null aufwiesen, wurden als kaufenswert eingestuft. Somit ist es möglich, für jeden einzelnen Probanden der Stichprobe eine Prognose über seine Wahlentscheidung hinsichtlich der beiden Kaufangebote abzugeben.103 Zur Beurteilung der Prognosevalidität von Conjoint-Studien kann zwischen Kriterien auf individuellem und auf aggregiertem Niveau unterschieden werden. Dabei ist das Problem aggregierter Auswahlentscheidungen, dass ein Vorhersagefehler durch einen anderen ausgeglichen werden kann, ohne dass die Kennzahl verschlechtert wird. Bei individuellen Kennzahlen wird hingegen kritisch angemerkt, dass Probanden bei der Wiederholung von Fragen oftmals unterschiedliche Antworten geben.104 Da somit keine der beiden Vorgehensweisen per se vorzuziehen ist, wird die Prognosevalidität zum einen auf individuellem und zum anderen auf aggregiertem Niveau untersucht. Ein Kriterium zur Messung der Prognosevalidität auf individuellem Niveau ist die Hit Rate. Für die Ermittlung der Hit Rate wird bei jedem Probanden individuell überprüft, ob die reale Wahlentscheidung bei den Validierungsstimuli mit der prognostizierten Wahlentscheidung bei den Validierungsstimuli übereinstimmt. Mathematisch wird sie aus dem Quotient aus der Summe aller korrekt prognostizierten Kauf- bzw. Nichtkaufbereitschaften der Probanden und der Summe aller den Probanden vorgelegten Wahlentscheidungen gebildet.105
___________ 101
Vgl. Klein (2004), S. 208. Die beiden Validierungsstimuli, die den Probanden vorgelegt wurden, bestanden aus folgenden Merkmalsausprägungen: „Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität“, „1 bis 2 Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe“, „Bonusmodell“, „Preisaufschlag: € 80“ (Angebot 1) und „Ärzte und KH: hohe Qualität“, „mehr als 3 Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe“, „Bonusmodell“, „Preisaufschlag: € 40“ (Angebot 2). 103 Vgl. Voeth/Hahn (1998), S. 119 ff. 104 Vgl. Dall’Olmo/Ehrenberg/Castleberry et al. (1997), S. 437 ff. 105 Vgl. zu der Hit Rate Voeth (2000), S. 228. 102
228
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Hit Rate =
Wkorrekt Wgesamt
Wkorrekt Wgesamt
= Summe der korrekt prognostizierten Wahlent- scheidungen bei allen Probanden = Anzahl aller vorgelegten Wahlentscheidungen
Insgesamt konnten mit den geschätzten Nutzenwerten bei dem ersten Validierungsstimulus 123 Wahlentscheidungen (79,87 %) richtig prognostiziert werden. Bei dem zweiten Stimulus konnten sogar 130 Wahlentscheidungen (84,42 %) richtig prognostiziert werden. Die Gesamt-Hit Rate liegt somit bei 82,14 %. Mit einem Zweistichprobentest für die Differenz von Anteilswerten werden diese Werte den Werten des Zufallsmodells gegenübergestellt und auf signifikante Unterschiede überprüft.106 Dabei zeigt sich, dass die Werte der Stichprobe höchst signifikant auf dem Niveau von p0,001 von den Werten des Zufallsmodells abweichen. Somit kann konstatiert werden, dass es sich um eine gute Messung handelt und dass mit einer Hit Rate von über 80 % die Prognosevalidität insgesamt als sehr hoch eingeschätzt werden kann.107 Auf aggregiertem Niveau wird die Prognosevalidität auf zwei unterschiedliche Arten gemessen. Dabei kann danach differenziert werden, ob bei den Validitätskriterien ausschließlich die empirisch ermittelten Inputdaten und die Daten des geschätzten Nutzenmodells zugrunde gelegt werden oder zugleich ein Referenzwert hinzugezogen wird. In der Regel werden zwei Kennzahlen zur Überprüfung der Prognosevalidität auf aggregiertem Niveau herangezogen, bei denen neben der Zahl der Validierungsstimuli lediglich die empirisch erhobenen und die prognostizierten Käuferanteile Bestandteile des Terms sind. Dies sind der Root Mean Squared Error (RMSE) und der Mean Absolute Error (MAE).108 ___________ 106
Die Prüfgröße ist z
( p1 p 2 ) p (1 p )
n1 n2 n1 n2
mit p
n1 p1 n2 p2 . n1 n2
In der Prüfgröße stellt n die Stichprobengröße dar. p ist der Anteil der korrekt prognostizierten Wahlentscheidungen innerhalb der Stichprobe. Vgl. Bleymüller/Gehlert/ Gülicher (2004), S. 112 f. 107 Vgl. Liehr (2005), S. 204 f. 108 Vgl. Brodie/de Kluyer (1987), S. 423 ff.; Green/Helsen (1989), S. 349; Brodie/ Bonfrer (1994), S. 277 ff.; Danaher (1994), S. 287 ff.; Green/Krieger (1996), S. 858 f.;
H. Empirische Befunde
¦ (W Wˆ ) i
229
2
i
i
RMSE
VS
¦ W Wˆ i
MAE
i
i
VS
Wi = Anteil der tatsächlichen Käufer des Validierungsstimulus i Wi = Anteil der prognostizierten Käufer des Validierungsstimulus i VS = Anzahl der vorgelegten Validierungsstimuli
Validitätskriterien, die einen Referenzwert mit in die formale Berechnung einbeziehen, sind der Relative Absolute Error (RAE) und Theils U.109 Als Referenzwert kann bei einer Ja/Nein-Entscheidung (Kauf/Nichtkauf) eine Zufallswahrscheinlichkeit von 50 % verwendet werden. Für alle Werte gilt, je geringer die Werte der Indikatoren ausfallen, desto höher ist die Prognosevalidität des geschätzten Nutzenmodells. Etablierte Grenzwerte zur Bewertung der Prognosevalidität existieren in der Literatur jedoch bisher nicht.
RAE
¦ W Wˆ ~ ¦ W W i
i
i
i
i
i
TheilsU
¦ (W Wˆ ) ~ ¦ (W W ) i
i
i
i
2
i
2
i
Wi = Referenzwert für den Validierungsstimulus i
___________ Leeflang/Wittink/Wedel et al. (2000), S. 500 ff.; Hanssens/Parsons/Schultz (2001), S. 381 ff.; Andrews/Ansari/Currim (2002), S. 92. 109 Vgl. Leeflang/Wittink/Wedel et al. (2000), S. 507; Hanssens/Parsons/Schultz (2001), S. 384.
230
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Die Werte der aggregierten Prognoseindikatoren sind in Tabelle 10 dargestellt. Es ist ersichtlich, dass MAE den geringsten und Theils U den größten Fehlerwert aufweist. Alle Werte sind jedoch relativ gering, womit eine hohe Prognosevalidität zu konstatieren ist.
Tabelle 10 Prognoseindikatoren der aggregierten Auswahlentscheidungen RMSE
0,1048
MAE
0,1006
RAE
0,2520
Theils U
0,2605
An den Ausführungen zum RMSE und zum MAE ist zu kritisieren, dass eine Beurteilung und Interpretation der Prognoseindikatoren in Bezug auf deren absolute Höhe schwierig ist. Aus diesem Grund wird in der Literatur vorgeschlagen, die Resultate für den RMSE und den MAE den Werten eines Zufallsmodells gegenüberzustellen.110 Problematisch ist hieran allerdings, dass die Ergebnisse insgesamt sehr stark vom Anteil der geäußerten Kaufurteile abhängen. So ist bei einem Anteil von 50 % Käufern innerhalb der Erhebung auf Basis einer Zufallsstichprobe mit ebenfalls ca. 50 % prognostizierten Käufern bei der Stichprobe immer von guten Vergleichswerten auszugehen, weil diese gegen null tendieren. Vor diesem Hintergrund wird auf die Ermittlung des RMSE und des MAE mit Prognosedaten des Zufallsmodells verzichtet. Daneben existieren mit dem RAE und Theils U zwei Gütemaße, bei denen die Vorhersagefähigkeit unmittelbar im Verhältnis zu einem Referenzwert begutachtet wird.111 Als Referenzwert wird eine Zufallsprognose für die beiden Validierungsstimuli in Höhe von 50 % prognostizierter Käuferanteile zugrunde gelegt.
3. Exemplarische Simulationen auf Basis der geschätzten Teilnutzenwerte Für die der Erhebung zugrunde liegende Fragestellung ist es von Interesse zu ermitteln, welche Merkmalskombination für die Bindung von Versicherten ei___________ 110
Vgl. Hartmann (2004), S. 102; Liehr (2005), S. 203 f. Vgl. Leeflang/Wittink/Wedel et al. (2000), S. 506 f.; Hanssens/Parsons/Schultz (2001), S. 384. 111
H. Empirische Befunde
231
nen besonders großen Beitrag liefert. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich eine Person für den Abschluss einer bestimmten Krankenversicherung bzw. für den Verbleib bei einer Kasse entscheidet, ist abhängig von den Angeboten der Konkurrenz. Um simulieren zu können, welchen Marktanteil eine Krankenkasse – bei Einführung von Vertragswettbewerb und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten der Kassen bei der Gestaltung ihres Krankenversicherungsangebotes – voraussichtlich haben wird, muss das zukünftige Wettbewerbsumfeld annähernd realitätsnah abgebildet werden. Eine exakte Prognose der Angebotsstruktur ist jedoch nahezu unmöglich. Daher werden im Folgenden beispielhaft drei verschiedene Wettbewerbsumfelder simuliert, um daran Marktchancen alternativer Wettbewerbsstrategien einer Krankennkasse „Student/Absolvent“ zu demonstrieren. Die drei Wettbewerbsumfelder charakterisieren sich dadurch, dass in dem ersten Wettbewerbsumfeld die Angebote der Konkurrenten fast identisch sind („Wettbewerbsumfeld I“), in dem zweiten Wettbewerbsumfeld unterscheiden sich die Konkurrenzangebote etwas mehr voneinander („Wettbewerbsumfeld II“) und im dritten Wettbewerbsumfeld unterscheiden sich die Angebote der Konkurrenten erheblich voneinander („Wettbewerbsumfeld III“). Die Merkmalsausprägungen des Ausgangsangebotes der Krankenkasse „Student/Absolvent“ wurden mit einem Zufallsgenerator generiert und sind bei der Ausgangssimulation in allen drei Wettbewerbsumfeldern identisch. Bei der Analyse von Marktreaktionen ist die Frage zu beantworten, welche Auswirkungen die Veränderungen ausgesuchter Produktmerkmale auf die Wahlentscheidungen von Konsumenten haben.112 Im Vergleich zur traditionellen Conjoint-Analyse hängen die Ergebnisse der Limit Conjoint-Analyse davon ab, wie die Probanden ihre Limit-Karte platzieren.113 Bei Marktsimulationen ist daher zu überprüfen, ob Nichtkäufer existieren. Zudem ist ein Kaufentscheidungsmodell für die Simulation zugrunde zu legen. Bei einer Limit ConjointAnalyse erscheint das von Bradley, Terry und Luce entwickelte probabilistische BTL-Modell das am besten geeignete Entscheidungsmodell zu sein. Dieses ordnet allen Produkten eine Kaufwahrscheinlichkeit zu und weist nicht – wie beispielsweise die First-Choice-Regel – dem am meisten präferierten Stimulus eine Kaufwahrscheinlichkeit von 100 % und allen anderen Angeboten eine von 0 % zu.114 Da mit der Positionierung der Limit-Karte ausgedrückt wird, für welche Produkte grundsätzlich eine Kaufbereitschaft besteht und welche Produkte als nicht kaufenswert eingestuft werden, kommt das BTL-Modell somit der Limit Conjoint-Analyse am nächsten. Aus den dargelegten Gründen wird bei den folgenden Marktsimulationen dem Vorschlag von Voeth gefolgt und ___________ 112
Vgl. Green/Srinivasan (1990), S. 14; Balderjahn (1993), S. 19 ff.; Weiber/Rosendahl (1997), S. 114. 113 Vgl. hierzu Voeth/Hahn (1998), S. 128 f. 114 Vgl. Voeth/Hahn (1998), S. 126.
232
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
das BTL-Modell als Entscheidungsmodell zugrunde gelegt. Die ursprüngliche Form des Modells ist allerdings etwas zu modifizieren, da durch das Setzen einer Limit-Karte eine Auswahlbegrenzung der Alternativen stattgefunden hat. Es werden nur noch Produkte berücksichtigt, die einen positiven Gesamtnutzenwert erzielen und somit eine Kaufwahrscheinlichkeit größer als eins haben.115 Dies führt zu veränderten Rahmenbedingungen bei Marktsimulationen.116
U inLCA N
¦U
für U inLCA t 0
LCA in
n 1
PinLCA
= 0 für U inLCA < 0
PinLCA
= Auswahlwahrscheinlichkeit für Produkt n bei Konsument i
U inLCA
= geschätzter Gesamtnutzen für Produkt n bei Konsument i
N
= Index der Produktprofile n, mit n Element {1, 2, …, N}
Für die nachfolgenden Marktsimulationen in den drei verschiedenen Wettbewerbsumfeldern gelten folgende Annahmen: Das Konkurrenzumfeld lässt sich komplett durch vier Angebote abbilden, und die Konkurrenz reagiert nicht auf Marketingaktionen der Krankenkasse „Student/Absolvent“, die in den drei verschiedenen Wettbewerbsumfeldern anfänglich immer folgendes Krankenversicherungsprodukt anbietet:
___________ 115
Vgl. Hahn (1997), S. 209. Vgl. zu den Veränderungen der Simulation von Kaufentscheidungen durch das Setzen einer Limit-Karte Brzoska (2003), S. 114 ff. 116
H. Empirische Befunde
233
Krankenkasse Student/Absolvent Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität 2 bis 3 Ärzte und Krankenhäuser Selbstbeteiligung € 40
Wettbewerbsumfeld I Die vier Konkurrenzangebote werden bei dem Wettbewerbsumfeld I durch folgende Merkmalsausprägungen spezifiziert:
Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität
Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität
Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität
Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität
mehr als 3 Ärzte und Krankenhäuser
mehr als 3 Ärzte und Krankenhäuser
mehr als 3 Ärzte und Krankenhäuser
mehr als 3 Ärzte und Krankenhäuser
keine Angebote
Selbstbehalte
Bonusmodell
Selbstbeteiligung
€ 40
€ 40
€ 40
€ 40
Wird vor dem Hintergrund des skizzierten Wettbewerbsumfelds eine Marktsimulation durchgeführt, kann mittels Limit Conjoint-Analyse ein Nichtkäuferanteil von 35,71 % identifiziert werden. Demzufolge beträgt das Marktvolumen lediglich 64,29 %, so dass der Markt nicht voll ausgeschöpft wird. Bei Zugrundelegung des modifizierten BTL-Modells ergeben sich für die fünf skizzierten Produkte die in Abbildung 30 dargestellten Marktanteile.
234
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung 35,00% 30,12%
30,00% 23,64%
Marktanteile
25,00% 20,78% 20,00%
14,16%
15,00%
11,30%
10,00% 5,00% 0,00% Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Angebot Student/Absolvent
Konkurrenzangebote Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 30: Simulationsergebnis für das Ausgangsszenario bei dem Wettbewerbsumfeld I
Es zeigt sich, dass unter den gegebenen Annahmen die Krankenkasse „Student/Absolvent“ lediglich einen Marktanteil von 11,30 % erreicht. Den größten Marktanteil mit 30,12 % erreicht das Angebot C, gefolgt von Angebot B mit einem Marktanteil von 23,64 % und Angebot A mit einem Marktanteil von 20,78 %. Angebot D hat mit einem Marktanteil von 14,16 % einen nur geringfügig höheren Marktanteil als die Krankenkasse „Student/Absolvent“. Da sich die Kassen A, B, C und D nur hinsichtlich der Angebote zur Prämiengestaltung unterscheiden, wird deutlich, dass die Versicherten das Angebot eines Bonusmodells vor den anderen Angeboten bzw. vor keinem Angebot zur Prämiengestaltung präferieren. Aus Sicht der Krankenkasse „Student/Absolvent“ ist es wichtig zu entscheiden, welche Wettbewerbsstrategie eingesetzt werden kann, um ihren Marktanteil zu vergrößern. Durch Variation der Produkteigenschaften des offerierten Angebotes kann sie versuchen, Nichtkäufer in Käufer zu überführen oder Versicherte von der Konkurrenz abzuwerben. Für die Produktvariation stehen der Krankenkasse „Student/Absolvent“ grundsätzlich folgende Optionen zur Verfügung: –
Veränderung der Struktur der unter Vertrag genommenen Krankenhäuser, z. B. von Krankenhäusern mit Standardqualität zu Krankenhäusern mit hoher Qualität (Produktpolitik);
H. Empirische Befunde
235
–
Variation der Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser, z. B. von 2 bis 3 Ärzten je Fachrichtung und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe der Versicherten zu mehr als 3 Ärzten je Fachrichtung und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe der Versicherten (Produktpolitik);
–
Veränderung des Angebotes zur Prämiengestaltung, z. B. Angebot von Selbstbehalten oder Bonusmodellen anstelle des Angebotes zur Selbstbeteiligung (Produktpolitik);
–
Veränderung des monatlichen Prämienaufschlages, z. B. auf € 0 (Preispolitik);
–
Kombination von Produkt- und Preisstrategien (Marketingmix).
In einem ersten Schritt ist es interessant zu simulieren, wie sich der Marktanteil der Krankenasse „Student/Absolvent“ verändert, wenn sie anstelle der Selbstbeteiligung ein Bonusmodell anbietet. Bei einer solchen Produktmodifikation verringert sich der Anteil der Nichtkäufer um 0,65 Prozentpunkte auf 35,06 % (Abbildung 31). Das Marktvolumen könnte mit dieser Maßnahme also lediglich geringfügig erhöht werden. Der Marktanteil für das modifizierte Produkt würde sich jedoch um 8,1 Prozentpunkte auf 19,40 % vergrößern. Dies bedeutet, dass die Marktanteilsvergrößerung nur zu einem geringen Teil aus der Überführung von Nichtkäufern zu Käufern und zu einem größeren Teil durch die Abwerbung von Versicherten der Konkurrenzkassen resultiert (anbieterbezogene Neukunden), denn fast alle Konkurrenzangebote verlieren im Vergleich zur Ausgangssimulation Versicherte. Lediglich Kasse D kann von der Produktvariation der Kasse „Student/Absolvent“ geringfügig profitieren und ihren Marktanteil von 14,16 % auf 15,09 % ausbauen. Im Status quo ist das Angebot eines Bonusmodells nach § 65a SGB V nur dann zulässig, wenn die Aufwendungen für die Förderung des gesundheitsbewussten Verhaltens nach § 65a Absatz 1 und 2 SGB V mittelfristig durch Einsparungen und Effizienzsteigerungen, die durch diese Maßnahmen erzielt werden, finanziert werden. Einer Kasse ist es nach § 65a Absatz 4 SGB V gegenwärtig untersagt, ihren Beitragssatz aufgrund einer Bonusregelung zu erhöhen. Da in dem vorgestellten Zukunftsszenario die Angebote zur Prämiengestaltung jedoch freiwillig sind und Versicherte die Wahl haben, eine Kasse auszuwählen, die ein solches Angebot anbietet oder nicht, spricht nichts dagegen, wenn eine Kasse in dem Zukunftsszenario auch dann ein Bonusmodell anbietet, wenn dadurch ein höherer Prämienaufschlag auf die Grundprämie notwendig ist.
236
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Produktmodifikation
35,00%
Ausgangsszenario 30,12% 30,00%
24,08%
25,00%
Marktanteile
22,63% 20,00%
18,80%
23,64%
20,78%
19,40%
15,09% 14,16%
15,00%
11,30% 10,00%
5,00%
0,00% Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Angebot Student/Absolvent
Konkurrenzangebote 35,80%
35,71%
35,60% 35,40% 35,20% 35,06% 35,00% 34,80% 34,60% Nichtkäuferanteil Produktmodifikation
Nichtkäuferanteil Ausgangssituation
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 31: Produktvariation: Bonusmodell statt Selbstbeteiligung
Es muss lediglich gewährleistet sein, dass die Grundprämie für die Grundversorgung durch ein Angebot zur Prämiengestaltung nicht in ihrer Höhe beeinflusst wird. Abbildung 32 zeigt die Absatzmenge (share of choices) der Krankenkasse „Student/Absolvent“ bei unterschiedlich hohen monatlichen Preisaufschlägen auf die Grundprämie und der Merkmalskombination: Ärzte mit hoher
H. Empirische Befunde
237
Qualität und Krankenhäuser mit Standardqualität, 2 bis 3 Ärzte jeder Fachrichtung und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe sowie Angebot eines Bonusmodells.117
45,00% 41,18% 40,00% 35,00%
Marktanteil
30,00% 25,00% 19,40%
20,00% 15,00% 10,00%
8,27% 5,00% 4,59% 0,00% €0
€ 40
€ 80
€ 120
m onatlicher Preisaufschlag
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 32: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Bonusmodell statt Selbstbeteiligung
Es ist ersichtlich, dass höhere monatliche Prämienaufschläge mit einem geringeren Marktanteil einhergehen. Insbesondere bei einer Erhöhung des Prämienaufschlages von € 0 auf € 40 wandern relativ viele Versicherte ab, so dass der Marktanteil von 41,18 % auf 19,40 % sinkt. Bei einer Erhöhung von € 40 auf € 80 und einer Erhöhung von € 80 auf € 120 reagieren die Kunden allerdings zunehmend unsensibler auf eine Preiserhöhung. Da bei den hier vorliegenden Simulationen das Teilnutzenwertmodell zugrunde gelegt wurde, ist zu beachten, dass nur Informationen über den Marktanteil des betrachteten Krankenversicherungsangebotes bei einem monatlichen Preisaufschlag von € 0, € 40, € 80 und € 120 vorliegen. Die Verbindungslinie zwischen den simulierten Marktanteilen ist daher lediglich hypothe___________ 117 Vgl. zur Berechnung von Preis-Absatz-Funktionen mittels Conjoint-Analysen Simon/Kucher (1988), S. 171 ff.; Balderjahn (1991), S. 33 ff.; Balderjahn (1994), S. 13 ff.; Büschken (1994), S. 82 ff.; Adler (2003), S. 29 ff.
238
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
tisch. Trotzdem kann die auf Grundlage einer Online-Conjoint-Analyse abgeleitete Preisabsatzfunktion von Kassen zur Preisfindung herangezogen werden, und es können für alternative Preise die voraussichtlichen Marktanteile bestimmt werden.118 Da die Konkurrenzangebote bei dem Wettbewerbsumfeld I relativ ähnlich sind, ist es weiterhin interessant zu ermitteln, wie sich der Marktanteil der Krankenkasse „Student/Absolvent“ verändert, wenn sie ein Angebot erstellt, welches sich von den bisher am Markt erhältlichen Krankenversicherungsangeboten in jeglicher Hinsicht differenziert. Variiert die Kasse „Student/Absolvent“ neben dem „Angebot zur Prämiengestaltung“ auch die Qualität der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser, indem nur noch mit Leistungserbringern von hoher Qualität kontrahiert wird, und nimmt sie anstatt 2 bis 3 Leistungserbringer in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe mehr als 3 Versorger unter Vertrag, dann erhöht sich ihr Marktanteil im Vergleich zur Ausgangssituation um 43,36 Prozentpunkte von 11,30 % auf 54,66 % (vgl. Abbildung 33). Alle anderen Kassen müssen im Vergleich zur Ausgangssituation mit einem Marktanteilsverlust rechnen. Der Nichtkäuferanteil verringert sich im Vergleich zur Ausgangssituation um 22,07 Prozentpunkte, so dass ein Teil des Marktanteilgewinns der Kasse „Student/Absolvent“ durch die Überführung von Nichtkäufern zu Käufern und ein Teil des Marktanteilgewinns durch die Abwanderung von Versicherten von den Konkurrenzkassen resultiert. Eine Entscheidung für eine spezielle Produktvariation ist immer daraufhin zu überprüfen, ob diese Kosten verursacht und u. U. eine Preisänderung für das modifizierte Produkt notwendig ist. Da die Kasse „Student/Absolvent“ die höhere Qualität der unter Vertrag genommenen Krankenhäuser und die größere Anzahl an Versorgern in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe vermutlich nicht zu dem gleichen Prämienaufschlag wie in der Ausgangssituation anbieten kann, ist zu ermitteln, wie sich der Marktanteil bei einem höheren Preisaufschlag auf die Grundprämie verändert.
___________ 118
Vgl. Büschken (1994), S. 84.
H. Empirische Befunde
239 Produktmodifikation
60,00% 54,66%
Ausgangsszenario
50,00%
Marktanteile
40,00%
30,12% 30,00% 23,64% 20,78% 20,00% 13,59% 11,40%
14,16% 11,30%
11,93% 8,42%
10,00%
0,00% Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Angebot Student/Absolvent
Konkurrenzangebote
40,00% 35,71% 35,00% 30,00% 25,00% 20,00% 13,64% 15,00% 10,00% 5,00% 0,00% Ni chtkäuf er antei l Pr oduktmodi f i kati on
Ni chtkäuf er antei l Ausgangssi tuati on
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 33: Produktvariation: Marketingmix
Abbildung 34 zeigt die Preisabsatzfunktion der Krankenkasse „Student/Absolvent“ bei unterschiedlich hohen monatlichen Preisaufschlägen und der Merkmalskombination: Ärzte und Krankenhäuser mit hoher Qualität, mehr als 3 Ärzte jeder Fachrichtung und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe sowie Angebot eines Bonusmodells. Es ist wiederum ersichtlich, dass höhere monatliche Preisaufschläge auf die Grundprämie mit einem geringeren Marktanteil einhergehen. Allerdings reagieren die Personen – im Gegensatz zur vorangegangenen Preissimulation – in allen Intervallen ähnlich auf Preiserhöhungen, so dass eine Preiserhöhung um € 40 immer zu einem nahezu identisch hohen Marktanteilsverlust führt. Interessant ist, dass die Kasse „Student/
240
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Absolvent“ auch bei einem monatlichen Preisaufschlag auf die Grundprämie in Höhe von € 120 immer noch einen Marktanteil von 30,01 % erreichen kann. Gelänge es der Kasse, das Angebot für einen Prämienaufschlag von € 80 anzubieten, dann könnte sie im Vergleich zur Ausgangssituation ihren Marktanteil um 30,38 Prozentpunkte auf 41,68 % erhöhen. Hier wird deutlich, dass bei einem Teil des Kundensegmentes durchaus eine hohe Zahlungsbereitschaft für ein Krankenversicherungsprodukt vorliegt, wenn es bestimmte Merkmale besitzt.
70,00%
66,14%
60,00% 54,66% 50,00%
Marktanteil
41,68% 40,00%
30,00% 30,01% 20,00%
10,00%
0,00% €0
€ 40
€ 80
€ 120
m onatlicher Preisaufschlag
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 34: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Marketingmix
Abschließend ist zu konstatieren, dass bei dem Wettbewerbsumfeld I die Kasse „Student/Absolvent“ die Chance hat, ein Versicherungsangebot zu erstellen, welches sich von den Angeboten der Konkurrenten vollständig differenziert. Mit einer solchen Strategie kann die Kasse ihren Marktanteil erheblich vergrößern, indem sie zum einen für bisherige Nichtkäufer attraktiv wird und zum anderen für Versicherte, die ansonsten bei den Konkurrenzkassen einen Versicherungsvertrag abschließen würden.
H. Empirische Befunde
241
Wettbewerbsumfeld II Bei dem Wettbewerbsumfeld II werden die vier Konkurrenzangebote durch folgende Merkmalsausprägungen spezifiziert: Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität
Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität
Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität
Ärzte: hohe Qualität; Krankenhäuser: Standardqualität
2 bis 3 Ärzte und Krankenhäuser
1 bis 2 Ärzte und Krankenhäuser
1 bis 2 Ärzte und Krankenhäuser
1 bis 2 Ärzte und Krankenhäuser
Bonusmodell
Bonusmodell
keine Angebote
Selbstbehalt
€ 120
€ 80
€ 80
€0
Wird vor dem Hintergrund des skizzierten Wettbewerbsumfelds eine Marktsimulation durchgeführt, kann mittels Limit Conjoint-Analyse ein Nichtkäuferanteil von 35,71 % identifiziert werden. Die einzelnen Angebote erreichen die in Abbildung 35 dargestellten Marktanteile.
70,00% 58,83%
60,00%
Marktanteile
50,00% 40,00% 30,00% 20,86% 20,00% 10,00%
6,08%
7,59%
6,64%
Angebot A
Angebot B
Angebot C
0,00% Angebot D
Angebot Student/Absolvent
Konkurrenzangebote Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 35: Simulationsergebnis für das Ausgangsszenario bei dem Wettbewerbsumfeld II
242
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
Die Krankenkasse mit dem Angebot D hat in dieser Situation den größten (58,83 %) und die Krankenkasse „Student/Absolvent“ den zweitgrößten Marktanteil (20,86 %). Die Kassen mit den Angeboten A, B und C erreichen lediglich einen Marktanteil zwischen 6,08 % und 7,59 %. Die Versicherten wählen demnach vorwiegend die Angebote der Kassen D und „Student/Absolvent“. Dies liegt sicherlich auch mit daran, dass die Kassen A, B und C im Vergleich zu den anderen beiden Anbietern einen relativ hohen monatlichen Preisaufschlag auf die Grundprämie verlangen, obwohl sich die Versicherungsangebote nicht maßgeblich von den Angeboten D und „Student/Absolvent“ differenzieren. Kontrahiert die Kasse „Student/Absolvent“ anstatt mit Krankenhäusern mit Standardqualität mit Krankenhäusern, die hohe Qualitätsstandards erfüllen, dann stellt sich die Situation gänzlich anders dar (vgl. Abbildung 36). Zunächst gäbe es im Vergleich zur Ausgangssituation lediglich einen Nichtkäuferanteil von 14,29 %, das Marktvolumen würde sich also merklich vergrößern. Ferner könnte die Kasse „Student/Absolvent“ ihren Marktanteil um 29,94 Prozentpunkte auf 50,80 % ausbauen. Alle anderen Kassen würden im Vergleich zur Ausgangssituation Versicherte verlieren. Der Zugewinn an Versicherten bei der Kasse „Student/Absolvent“ resultiert dabei zum einen durch die Überführung ehemaliger Nichtkäufer zu Käufern und zum anderen durch die Abwerbung von Versicherten anderer Kassen, denn alleine die Überführung ehemaliger Nichtkäufer zu Käufern würde nicht zu einem Marktanteil von 50,80 % führen.119 Der Abschluss von Versorgungsverträgen ausschließlich mit Leistungserbringern, die hohe Qualitätsstandards erfüllen, führt bei der Kasse „Student/Absolvent“ vermutlich zu höheren Kosten, die sie durch einen höheren Preisaufschlag auf die Grundprämie an die Versicherten weitergeben muss.
___________ 119
Ein Nichtkäuferanteil von 35,71 % entspricht bei 154 Probanden ca. 54 Personen, wohingegen ein Nichtkäuferanteil von 14,29 % ca. 22 Personen entspricht. Insgesamt gäbe es im Vergleich zur Ausgangsituation also 32 Käufer mehr. Würden alle 32 neuen Käufer das Angebot der Krankenkasse „Student/Absolvent“ auswählen und würde die Kasse keine ihrer bisherigen Versicherten verlieren, so hätte sie einen Marktanteil von ca. 41 %.
H. Empirische Befunde
243
Produktmodifikation
70,00%
Ausgangsszenario 58,83%
60,00%
50,80%
Marktanteile
50,00%
40,00%
36,39%
30,00% 20,86% 20,00%
7,59%
10,00% 3,74%
6,08%
5,00%
4,07% 6,64%
0,00% Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Angebot Student/Absolvent
Konkurrenzangebote
40,00% 35,71% 35,00% 30,00% 25,00% 20,00% 14,29%
15,00% 10,00% 5,00% 0,00%
Nichtkäuferanteil Produktmodifikation
Nichtkäuferanteil Ausgangssituation
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 36: Produktvariation: Krankenhäuser mit hoher Qualität anstatt mit Standardqualität
In Abbildung 37 ist daher die Preisabsatzfunktion für das simulierte Produkt dargestellt. Es ist ersichtlich, dass eine Erhöhung des Prämienaufschlages auf die Grundprämie in Höhe von € 40 immer zu einem nahezu gleich großen Marktanteilsverlust führt. Im Vergleich zur Ausgangssituation kann die Kasse „Student/Absolvent“ durch die simulierte Produktvariation allerdings auch bei einem monatlichen Preisaufschlag auf die Grundprämie in Höhe von € 120 ihren Marktanteil immerhin noch um 4,74 Prozentpunkte erhöhen.
244
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
70,00% 64,19% 60,00% 50,80%
Marktanteil
50,00% 37,94%
40,00%
30,00% 25,60% 20,00%
10,00%
0,00% €0
€ 40
€ 80
€ 120
m onatlicher Preisaufschlag
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 37: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Krankenhäuser mit hoher Qualität anstatt mit Standardqualität
Böte die Kasse „Student/Absolvent“ zusätzlich zu den Versorgungsverträgen mit Ärzten und Krankenhäusern mit hoher Qualität anstatt 2 bis 3 Ärzte je Fachrichtung und 2 bis 3 Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe eine wohn- bzw. arbeitsortnahe Versorgung mit mehr als 3 Ärzten je Fachrichtung und mehr als 3 Krankenhäusern an, dann könnte die Kasse ihren Marktanteil um weitere 1,99 Prozentpunkte erhöhen (vgl. Abbildung 38). Da sich das Marktvolumen allerdings nicht verändern würde (Nichtkäuferanteil: 14,29 %), resultierte die Erhöhung des Marktanteils ausschließlich aus der Abwerbung von Versicherten der Konkurrenzkassen, und es würde ein Verdrängungswettbewerb stattfinden. Da die Transaktionskosten einer Kasse durch das Kontrahieren mit einer größeren Anzahl an Versorgern steigen, ist fraglich, ob sie ein solches Angebot weiter für einen Preisaufschlag von € 40 anbieten kann. Um zu ermitteln, wie sich der Marktanteil bei verschiedenen Preisaufschlägen auf die Grundprämie verändert, wird die Preisabsatzfunktion für dieses Produkt bestimmt.
H. Empirische Befunde
245
Produktmodifikation
70,00%
Ausgangsszenario 58,83%
60,00%
52,79%
Marktanteile
50,00%
40,00% 34,53% 30,00% 20,86% 20,00%
7,59%
10,00% 3,71%
6,08%
4,99%
3,99% 6,64%
0,00% Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Angebot Student/Absolvent
Konkurrenzangebote 40,00% 35,71% 35,00% 30,00% 25,00% 20,00% 14,29%
15,00% 10,00% 5,00% 0,00%
Nichtkäuferanteil Produktmodifikation
Nichtkäuferanteil Ausgangssituation
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 38: Produktvariation: Marketingmix
Wie aus Abbildung 39 ersichtlich, erreicht die Kasse „Student/Absolvent“ bei einem monatlichen Prämienaufschlag auf die Grundprämie in Höhe von € 80 einen Marktanteil von 42,06 % und kann im Vergleich zur Ausgangssituation ihren Marktanteil um 21,2 Prozentpunkte erhöhen. Bei einem monatlichen Prämienaufschlag in Höhe von € 120 erreicht sie immerhin noch einen Marktanteil von 27,97 %, was um 7,11 Prozentpunkte höher wäre als in der Ausgangssituation. Die Variation des Ausgangsproduktes ist demnach auch bei
246
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
dem Wettbewerbsumfeld II in jedem Fall lohnenswert, um das Ziel, einen größeren Marktanteil zu generieren, zu erreichen. 70,00%
66,46%
60,00% 52,79% 50,00%
Marktanteil
42,06% 40,00%
30,00% 27,97% 20,00%
10,00%
0,00% €0
€ 40
€ 80
€ 120
m onatlicher Preisaufschlag
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 39: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Marketingmix
Wettbewerbsumfeld III Die vier Konkurrenzangebote werden bei dem Wettbewerbsumfeld III durch folgende Merkmalsausprägungen spezifiziert:
Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Ärzte und Krankenhäuser: hohe Qualität
Ärzte: Standardqualität; Krankenhäuser: hohe Qualität
Ärzte: Standardqualität; Krankenhäuser: hohe Qualität
Ärzte und Krankenhäuser: Standardqualität
mehr als 3 Ärzte und Krankenhäuser
2 bis 3 Ärzte und Krankenhäuser
mehr als 3 Ärzte und Krankenhäuser
1 bis 2 Ärzte und Krankenhäuser
Bonusmodell
Selbstbeteiligung
keine Angebote
Selbstbehalt
€ 120
€ 80
€ 80
€0
H. Empirische Befunde
247
Wird vor dem Hintergrund des skizzierten Marktszenarios eine Marktsimulation durchgeführt, kann mittels Limit Conjoint-Analyse ein Nichtkäuferanteil von 24,68 % identifiziert werden. Das Marktvolumen beträgt somit lediglich 75,32 %, so dass der Markt nicht voll ausgeschöpft wird. Bei Zugrundelegung des modifizierten BTL-Modells ergeben sich für die fünf skizzierten Produkte die in Abbildung 40 dargestellten Marktanteile. Es zeigt sich, dass, unter den gegebenen Annahmen, die Krankenkasse „Student/Absolvent“ einen Marktanteil von 19,32 % erreichen kann. Den größten Marktanteil mit 37,09 % hat Kasse A.
40,00%
37,09%
35,00%
30,57%
Marktanteile
30,00% 25,00% 19,32% 20,00% 15,00% 9,98%
10,00% 3,04%
5,00% 0,00% Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Angebot Student/Absolvent
Konkurrenzangebote Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 40: Simulationsergebnis für das Ausgangsszenario bei dem Wettbewerbsumfeld III
Bei einer Veränderung des Angebotes zur Prämiengestaltung von Selbstbeteiligungen zu Bonusmodellen verringert sich – im Vergleich zur Ausgangssituation – der Anteil der Nichtkäufer um 3,9 Prozentpunkte. Der Marktanteil der Krankenkasse „Student/Absolvent“ vergrößert sich um 9,5 Prozentpunkte auf 28,82 %. Dabei ist die Vergrößerung des Marktanteils lediglich zu einem geringen Anteil auf die Überführung von Nichtkäufern zu Käufern zurückzuführen. Würden nur ehemalige Nichtkäufer akquiriert, hätte die Krankenkasse „Student/Absolvent“ einen Marktanteil von 22,31 %.120 Der größere Teil der ___________ 120 Bei 154 Probanden entspricht ein Nichtkäuferanteil von 24,68 % 38 Personen. Insgesamt zeigen demnach 116 Teilnehmer eine Kaufbereitschaft. Dies entspricht, bei einem Marktanteil von 19,32 %, ca. 22 Personen, die in der Ausgangssituation bei der Kasse „Student/Absolvent“ eine Krankenversicherung abschließen. Eine Verringerung des Nichtkäuferanteils um 3,9 Prozentpunkte auf 20,78 % bedeutet, dass von den 154 Personen nun 121 Personen eine Kaufbereitschaft bekunden. Würden alle ehemaligen Nichtkäufer zur Krankenkasse „Student/Absolvent“ wandern, so schließen ca. 27 Personen bei dieser Krankenkasse einen Vertrag ab. Dies entspricht einem Marktanteil von 22,31 %.
248
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
neu gewonnenen Abnehmer sind somit ehemalige Versicherte der Konkurrenzkassen, die aufgrund der Änderung des Merkmals „Angebote zur Prämiengestaltung“ abgeworben werden. Somit findet bei der Variation der Produkteigenschaft „Angebote zur Prämiengestaltung“ ein Verdrängungswettbewerb statt. Produktmodifikation
40,00% 37,09%
Ausgangsszenario
35,00% 32,28% 30,57% 28,82%
30,00% 25,74% Marktanteile
25,00% 19,32%
20,00%
15,00% 9,41% 9,98%
10,00%
5,00%
2,93% 3,04%
0,00% Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Angebot Student/Absolvent
Konkurrenzangebote 24,68%
25,00% 24,00% 23,00% 22,00% 20,78% 21,00% 20,00% 19,00% 18,00% Nicht käuf erant eil Produkt modif ikat ion
Nicht käuf erant eil Ausgangssit uat ion
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 41: Produktvariation: Bonusmodell statt Selbstbeteiligung
Abbildung 42 zeigt die Preisabsatzfunktion der Krankenkasse „Student/Absolvent“ bei unterschiedlich hohen monatlichen Preisaufschlägen auf die Grundprämie und der Merkmalskombination: Ärzte mit hoher Qualität und Krankenhäuser mit Standardqualität, 2 bis 3 Ärzte jeder Fachrichtung und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe eines Versicherten sowie Angebot eines Bonusmodells.
H. Empirische Befunde
249
50,00% 46,08% 45,00% 40,00%
Marktanteil
35,00% 30,00% 25,00% 19,32%
20,00% 15,00%
12,31%
10,00% 5,00%
5,44%
0,00% €0
€ 40
€ 80
€ 120
m onatlicher Preisaufschlag
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 42: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Bonusmodell statt Selbstbeteiligung
Verändert die Krankenkasse „Student/Absolvent“ neben dem Angebot zur Prämiengestaltung auch die Struktur der unter Vertrag genommenen Krankenhäuser, schließt also Verträge mit Krankenhäusern von hoher Qualität ab und reduziert gleichzeitig die Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser von 2 bis 3 Ärzten je Fachrichtung und Krankenhäusern in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe auf 1 bis 2 Ärzte je Fachrichtung und Krankenhäusern in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe, dann könnte der Marktanteil der Krankenkasse „Student/Absolvent“ auf 51,49 % gesteigert werden. Zudem reduziert sich der Nichtkäuferanteil im Vergleich zur Ausgangssituation um 13,64 Prozentpunkte auf 11,04 % (vgl. Abbildung 43) und das Marktvolumen steigt von 75,32 % auf 88,96 %. Der Markt würde also besser ausgeschöpft. Die vier Konkurrenzkrankenkassen müssten allerdings bei einer solchen Produktvariation der Kasse „Student/Absolvent“ zum Teil eine sehr hohe Reduktion ihres Marktanteils befürchten. Insgesamt bleibt festzustellen, dass ein großer Anteil an Versicherten in diesem Wettbewerbsumfeld ihre Kasse wechseln, wenn eine Krankenkasse die Anzahl der Ärzte je Fachrichtung und die Anzahl der Krankenhäuser in Wohnbzw. Arbeitsortnähe reduziert aber gleichzeitig ausschließlich Versorgungsverträge mit Leistungserbringern von hoher Qualität abschließt. Obwohl das Angebot A auch durch Versorgungsverträge mit Ärzten und Krankenhäusern von hoher Qualität charakterisiert ist, wandern die Versicherten zur Krankenkasse
250
3. Teil: Strategien und Instrumente zur Kundenbindung
„Student/Absolvent“ ab. Dies liegt wahrscheinlich daran, dass die Krankenkasse „Student/Absolvent“ einen geringeren Prämienaufschlag verlangt. Die großen Marktanteilsveränderungen der Krankenkassen verdeutlichen die hohe Wechselbereitschaft dieses Kundensegmentes.
Produktmodifikation
60,00%
Ausgangsszenario 51,49% 50,00%
Marktanteile
40,00%
37,09% 30,57%
30,00% 21,91% 20,00%
19,32% 16,23%
7,66% 9,98%
10,00% 2,71% 3,04% 0,00% Angebot A
Angebot B
Angebot C
Angebot D
Angebot Student/Absolvent
Konkurrenzangebote
30,00% 24,68% 25,00% 20,00% 15,00%
11,04%
10,00% 5,00% 0,00% Ni chtkäuf er antei l Pr oduktmodi f i kati on
Ni chtkäuf er antei l Ausgangssi tuati on
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 43: Produktvariation: Marketingmix
Auf der einen Seite ist bei einer Variation der Struktur der unter Vertrag genommenen Krankenhäuser (von Krankenhäusern mit Standardqualität zu Krankenhäusern mit hoher Qualität) anzunehmen, dass die Kosten für die Krankenkasse steigen und damit der monatliche Prämienaufschlag auf die Grundprämie für die Versicherten erhöht werden muss. Allerdings wird auf der anderen Seite die geringere Anzahl der unter Vertrag genommenen Versorger vermutlich die
H. Empirische Befunde
251
Kosten der Kasse reduzieren. Wie sich die Gesamtkosten letztendlich entwickeln, ist an dieser Stelle nicht zu prognostizieren. Dennoch ist es interessant zu ermitteln, wie sich unterschiedliche Prämienaufschläge auf die Marktanteile der Kasse „Student/Absolvent“ auswirken. Wie aus Abbildung 44 ersichtlich, gehen höhere monatliche Preisaufschläge auf die Grundprämie mit einem geringeren Marktanteil einher. Allerdings reagieren die Personen in allen Intervallen ähnlich auf Preiserhöhungen, so dass eine Preiserhöhung um einen bestimmten Betrag immer zu einem nahezu identisch hohen Marktanteilsverlust führt.
70,00% 66,53% 60,00% 51,49%
Marktanteil
50,00%
40,00% 34,10% 30,00%
20,00% 16,58% 10,00%
0,00% €0
€ 40
€ 80
€ 120
m onatlicher Preisaufschlag
Quelle: Eigene Darstellung
Abbildung 44: Preisabsatzfunktion – Produktvariation: Marketingmix
Abschließend ist zu konstatieren, dass auch bei einem Wettbewerbsumfeld, welches sich dadurch auszeichnet, dass die Konkurrenzkassen Produkte am Markt anbieten, die sich sehr voneinander unterscheiden, eine Variation der Produkteigenschaften die Chance bietet, den eigenen Marktanteil zu vergrößern. Jedoch ist es für eine Kasse einfacher, in einem Wettbewerbsumfeld, bei dem die Konkurrenten alle nahezu identische Produkte anbieten (vgl. Wettbewerbsumfeld I), durch eine Variation ihres Produktangebotes ihren Marktanteil auszubauen als in einem Wettbewerbsumfeld, in dem die Konkurrenzkassen alle unterschiedliche Produkte anbieten.
Zusammenfassung
Conjoint-Analyse als Grundlage für die erfolgreiche Kundenbindung Ausgangssituation Ziel der Arbeit war es, die Bedeutung von Kundenbindung für die Zielerreichung von Krankenkassen bei verstärkter Wettbewerbsorientierung auf dem GKV-Versorgungsmarkt zu untersuchen sowie zu analysieren, wie Versicherte unter diesen Umständen an eine Krankenkasse gebunden werden können. Mit der Einführung der freien Kassenwahl zum 1. Januar 1996 durch das GSG des Jahres 1992 und der Einführung des RSA sind erste Schritte in Richtung verstärktem Wettbewerb zwischen den Krankenkassen erfolgt. Allerdings beschränkt sich dieser bisher vorwiegend auf einen Wettbewerb um Mitglieder mittels niedriger Beitragssätze, da bislang weit reichende wettbewerbsorientierte Strukturreformen auf der Leistungsseite ausgeblieben sind. Dies führt dazu, dass das Produktangebot durch den Zwang zu Kollektivverhandlungen bei den Krankenkassen weitestgehend identisch ist. Eine präferenzgerechte Versorgung der Versicherten ist somit im Status quo nur bedingt gegeben. Es kann sogar im Gegenteil plakativ von einer Einheitskasse in mehrfacher Kopie gesprochen werden. Durch strukturpolitische Maßnahmen – beispielsweise durch das flächendeckende Einführen von selektivem Kontrahieren – könnte dies abgeändert und eine präferenzgerechtere Versorgung der Versicherten gefördert werden, da durch wettbewerbliche Aktivitäten der gesetzlichen Krankenversicherungen eine Vielzahl unterschiedlicher Versicherungsangebote existieren würden. Veränderung der wettbewerblichen Lage durch selektives Kontrahieren Mit der Einführung von selektiven Versorgungsverträgen zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern ist eine Veränderung der derzeitigen wettbewerblichen Lage in zweifacher Hinsicht zu erwarten. Zum einen würde der Wettbewerb um Mitglieder zwischen den gesetzlichen Krankenversicherungen intensiviert, da der Beitragssatz als Wettbewerbsparameter einer Krankenkasse um neue Parameter auf dem Versorgungsmarkt ergänzt würde. Die Krankenkassen wären gezwungen, präferenzgerechte Versorgungsverträge mit den Leistungserbringern abzuschließen, um Versicherte zu binden. Zum anderen
Zusammenfassung
253
würde der Wettbewerb zwischen den Versorgern verstärkt, da diese in einer solchen Situation um Versorgungsverträge mit den Krankenkassen konkurrieren. Da sich die Leistungserbringer hinsichtlich ihrer Qualität differenzieren und davon auszugehen ist, dass gesetzlich festgelegt wird, dass Krankenkassen mit Versorgern von zu geringer Qualität keine Versorgungsverträge abschließen dürfen, ist darüber hinaus ein Qualitätswettbewerb der Versorger zu erwarten. Dieser würde zudem dem „Gebot der Qualität“ dienlich sein. Eine verstärkte Wettbewerbsorientierung auf dem GKV-Versorgungsmarkt führt somit zu –
einer größeren Auswahl an Versicherungsangeboten und zu
–
einer präferenzgerechteren Versorgung der Versicherten
im Vergleich zum Status quo. Darüber hinaus ist zu vermuten, –
dass die Such- und Informationskosten der Versicherten bei der Auswahl eines adäquaten Leistungserbringers im Krankheitsfall abnehmen, da die Krankenkassen bereits eine Vorauswahl der Versorger vornehmen.
–
dass sich die Patienten – im Unterschied zum Status quo – bei ihrer Krankenkasse über die Qualität der Versorger informieren können, da diese die Qualität der unter Vertrag genommenen Versorger kennt bzw. besser in der Lage ist, die Qualität zu beurteilen und Qualitätskontrollen vornimmt. Die Krankenversicherung kann daher im Bedarfsfall eine Beraterfunktion ausüben und bei der Auswahl eines adäquaten Leistungserbringers behilflich sein. Die individualvertragliche Regelung wäre zudem besser mit dem Subsidiaritätsprinzip zu vereinbaren.
Die Vorteile von selektivem Kontrahieren sind jedoch auch kritisch zu betrachten, denn eine individualvertragliche Regelung führt im Vergleich zu einer kollektivvertraglichen Regelung zu höheren Transaktionskosten bei den Krankenkassen und den Versorgern. Diese resultieren unter anderem aus der selbstständigen Aushandlung von adäquaten Versorgungsverträgen. Neben den Anbahnungs- und Abschlusskosten der Versorgungsverträge fallen bei den Krankenkassen darüber hinaus Überwachungs-, Durchsetzungs- und Kontrollkosten an. Falls die gesetzlichen Krankenversicherungen die Kosten für die Konsultation von Leistungserbringern, mit denen kein Versorgungsvertrag besteht, nicht vollständig übernehmen – was zu erwarten ist, denn ansonsten würde selektives Kontrahieren keinen Sinn ergeben –, würde selektives Kontrahieren ferner zu einer Einschränkung der derzeitig vorhandenen Arztwahlfreiheit der Versicherten führen. Die größere Produktvielfalt führt schließlich zu einer komplexeren nachfragerseitigen Entscheidungssituation und damit zu höheren Informations-
254
Zusammenfassung
kosten für die Versicherten bei der Suche nach einer adäquaten Krankenversicherung. Wird der Zwang zu Kollektivverhandlungen aufgehoben und verstärkter Wettbewerb auf dem GKV-Versorgungsmarkt zugelassen, ist sicherzustellen, dass das Solidar- und Bedarfsprinzip nicht ausgehebelt werden. Dies beinhaltet auch, dass den Krankenkassen nicht die Möglichkeit gegeben wird, den Leistungskatalog, d. h. den gesetzlich festgelegten Versorgungsumfang, einzuschränken. Daher ist – ebenso wie im Status quo – ein für alle gesetzlichen Krankenversicherungen einheitlicher Grundleistungskatalog verbindlich vorzuschreiben und eine flächendeckende bedarfsgerechte Versorgung der Versicherten durch jede Krankenkasse sicherzustellen. Bei Abkehr von dieser Forderung hätten Krankenkassen den Anreiz, eine Minimalversorgung zu einem geringen Preis anzubieten. Zu denken wäre beispielsweise daran, dass in bestimmten Regionen mit keinen Leistungserbringern kontrahiert wird und auch keine Kooperationsverträge mit anderen Krankenkassen abgeschlossen würden. Die Konsequenz wäre, dass diese Krankenversicherungen gute Risiken attrahieren. Die guten Risiken könnten sich mit dem Abschluss eines solchen Versicherungsvertrages aus der Solidargemeinschaft herausoptieren und somit das Solidarprinzip aushebeln. Aus diesem Grund ist bei der Einführung einer individualvertraglichen Lösung das Angebot eines Grundleistungskatalogs mit einem festgelegten Leistungsumfang sicherzustellen. Zudem sind für den gesetzlich festgelegten Leistungskatalog, im Sinne des Solidarprinzips, die Prämien risikounabhängig zu erheben, was weiterhin einen kassenübergreifenden Risikostrukturausgleich erforderlich macht. Zentrale Erkenntnisse In der Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Bindung von Versicherten zur Erreichung des Ziels der Sicherung des Kassenfortbestandes bzw. der Erhaltung oder Vergrößerung der Versichertenzahl von großer Wichtigkeit ist. So ist für die –
Bindung eines Pflichtversicherten an einen Anbieter die Höhe des Nettonutzens bedeutsam.
–
Bei der Bindung eines freiwillig Versicherten ist darüber hinaus die individuelle Nutzengrenze wichtig.
Bei Einführung von selektivem Kontrahieren steht eine Krankenkasse allerdings vor einer vollkommen neuen Vermarktungssituation mit bedeutenden neuen Wettbewerbsparametern und der Notwendigkeit, unternehmerische Entscheidungen in Bezug auf die Produktgestaltung zu treffen. So sind die Kassen bei Vertragswettbewerb auf dem Versorgungsmarkt vor die Entscheidung gestellt, mit welchen und wie vielen Leistungserbringern sie Verträge abschließen
Zusammenfassung
255
sollen. Um diese neue Freiheit bei der Vertragsgestaltung strategisch für sich zu nutzen, muss eine Kasse wissen, welche Merkmale eines Krankenversicherungsangebotes für die Bindung von Versicherten besonders wichtig sind. Die (Online-)Conjoint-Analyse ist ein adäquates Instrument, welches Krankenkassen strategisch für sich nutzen können, –
um erstens die Präferenzen von Versicherten zu ermitteln,
–
um zweitens ein präferenzgerechtes Angebot zu erstellen und
–
um drittens bei einer verschärften Wettbewerbssituation auf dem GKVVersorgungsmarkt einen möglicherweise bestehenden Abwanderungskorridor zu schließen oder zuminderst zur Verringerung eines Abwanderungskorridors beizutragen.
Beispielhaft konnte in dieser Arbeit mittels Online-Conjoint-Analyse demonstriert werden, welche Merkmale einer Krankenversicherung bei Einführung von selektivem Kontrahieren für das Segment der Studenten und Absolventen von besonderer Relevanz sind. Es zeigte sich, dass die Qualität der Ärzte und Krankenhäuser, mit denen eine Krankenkasse Versorgungsverträge abschließt, sowie die Höhe des monatlichen Prämienaufschlages (im Vergleich zu den Angeboten zur Prämiengestaltung und der Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe eines Versicherten) für die Höhe des Gesamtnutzens einer gesetzlichen Krankenversicherung besonders wichtig sind. Dies ist erstaunlich, denn man hätte auch vermuten können, dass die Prämie bei einem sehr jungen und gesunden Kundensegment von viel höherer Wichtigkeit als die Qualität der unter Vertrag genommenen Versorger ist. Da jedoch gezeigt werden konnte, dass die Qualität der Versorger bereits bei diesem jungen und gesunden Kundensegment von erheblicher Bedeutung ist, dürfen die Qualitätsaspekte bei einem älteren und morbideren Versichertensegment von mindestens gleich hoher Wichtigkeit sein. Erstaunlich ist ferner, dass die Anzahl der unter Vertrag genommenen Ärzte und Krankenhäuser in Wohn- bzw. Arbeitsortnähe eines Versicherten für das untersuchte Kundensegment von sehr geringer relativer Wichtigkeit ist. Diese Information ist für eine Kasse speziell vor dem Hintergrund wichtig, da eine große Anzahl an Versorgungsverträgen vermutlich mit hohen Transaktionskosten verbunden ist. Höhere Transaktionskosten führen jedoch dazu, dass möglicherweise der monatliche Prämienaufschlag erhöht werden muss. Ein hoher Prämienaufschlag generiert allerdings negative Teilnutzenwerte, was den Gesamtnutzen des Krankenversicherungsangebotes negativ beeinflussen würde. Die empirischen Ergebnisse geben sogar Anlass zu der Vermutung, dass die negativen Teilnutzenwerte eines hohen monatlichen Prämienaufschlages nicht durch besonders hohe Teilnutzenwerte einer höheren Anzahl an unter Vertrag genommenen Ärzten und Krankenhäusern kompensiert werden können. An
256
Zusammenfassung
dieser Stelle wird nochmals deutlich, welche hilfreichen Informationen die Ergebnisse einer Conjoint-Analyse für die präferenzgerechte Gestaltung eines Krankenversicherungsproduktes bereitstellen kann, insbesondere vor dem Hintergrund, dass bisher keine Erkenntnisse darüber vorlagen, welche Produkteigenschaften bei einer veränderten Wettbewerbssituation den Versicherten besonders wichtig und welche von untergeordneter Bedeutung sind. Ferner konnte mittels Marktsimulationen demonstriert werden, dass eine Kasse bei einem Wettbewerbsumfeld mit gering differenzierten Konkurrenzangeboten relativ einfach durch eine Variation ihres Produktangebotes ihren Marktanteil signifikant erhöhen kann. Darüber hinaus konnte gezeigt werden, dass auch bei einem Wettbewerbsumfeld mit sehr unterschiedlichen Konkurrenzangeboten, durch geschickte Gestaltung des eigenen Angebots, eine beträchtliche Chance besteht, den Marktanteil zu vergrößern. Sicher erscheint allerdings, dass unterschiedliche Nachfragersegmente verschiedene Präferenzen hinsichtlich einer optimalen Ausgestaltung eines Krankenversicherungsangebotes haben werden. Daher ist es für die Bindung von Versicherten sinnvoll und notwendig, dass für andere Versichertensegmente ebenfalls ermittelt wird, welche Produkteigenschaften von besonderer Bedeutung sind. Um jedoch für verschiedene Versichertensegmente ein präferenzgerechtes Leistungsangebot gestalten zu können, ist es erforderlich, dass eine einzelne Kasse mehr Möglichkeiten zu selektivem Kontrahieren erhält als im Status quo. Anzumerken ist abschließend, dass die dargestellte empirische Untersuchung lediglich für ein spezielles Kundensegment durchgeführt worden ist. Somit sind die Ergebnisse auch nur für dieses Nachfragersegment repräsentativ. Zudem konnten aus erhebungstechnischen Gründen nur einige ausgewählte relevante Merkmale mit in die conjointanalytische Untersuchung aufgenommen werden. Es ist aber anzunehmen, dass auch andere Produktkomponenten (z. B. der Service sowie die Leistungs- und Versorgungsangebote) für den Gesamtnutzen des Angebotes einer Krankenkasse konstituierend sind und damit zur Schließung/Reduzierung eines möglicherweise vorhandenen Abwanderungskorridors bzw. zur Verhinderung der Entstehung beitragen. Diese Komponenten sollten daher bei der Produktkonzeption nicht außer Acht gelassen werden. Hier böte es sich für die Zukunft an, zusätzlich noch eine Adaptiven Conjoint-Analyse durchzuführen, da es diese erlaubt, mehrere Eigenschaften und Eigenschaftsausprägungen in das Design zu integrieren.1 Weiterhin muss eine Kasse bei der Variation ihres Produktes auch immer die Kostenseite berücksichtigen sowie die Auswirkungen auf die Attraktivität ihres Angebotes. ___________ 1
Vgl. Weiber/Rosendahl (1997), S. 110.
Zusammenfassung
257
Weiterer Forschungsbedarf Weiterer Forschungsbedarf besteht darin, –
die Teilnutzen und relativen Wichtigkeiten für andere Produktbestandteile eines Krankenversicherungsproduktes zu ermitteln. Zu denken wäre beispielsweise an das Image, den Bekanntheitsgrad oder die Servicekomponenten einer Krankenkasse, die sich ebenfalls wieder in verschiedene einzelne Bestandteile (z. B. Erreichbarkeit der Krankenkasse, Freundlichkeit und Kompetenz der Mitarbeiter) auffächern ließen.
–
Auch haben unterschiedliche Kundensegmente unterschiedliche Präferenzen hinsichtlich verschiedener Produktkomponenten. Aus diesem Grund wäre es interessant und notwendig, eine Analyse der Teilnutzenkomponenten und der relativen Wichtigkeiten der Produktkomponenten für andere Kundensegmente (z. B. für das Segment von älteren und chronisch kranken Personen) zu ermitteln.
–
Zudem wäre es interessant zu untersuchen, wie sich die Verhandlungsmacht zwischen den Krankenkassen bzw. Zusammenschlüssen von Krankenkassen und Versorgern in verschiedenen Regionen und Fachgebieten unterscheidet und welche Auswirkungen diese auf die Vertragsgestaltung hat.
–
Schließlich wäre es wünschenswert, die Höhe der Transaktionskosten, die durch selektives Kontrahieren entstünden, zu quantifizieren und mit der Höhe der entstehenden Transaktionskosten einer kollektivvertraglichen Regelung zu vergleichen, um zu evaluieren, ob die individualvertragliche Lösung im Vergleich zur kollektivvertraglichen Lösung aus transaktionskostentheoretischer Perspektive insgesamt als effizienteres Verfahren zu bewerten ist. Anzumerken ist allerdings, dass ein aus transaktionskostentheoretischer Sicht effizienteres Ergebnis allerdings nicht den Schluss zulässt, dass ein Verfahren insgesamt als effizienter im Vergleich zu dem anderen zu bewerten ist, denn die Effizienz und Vorteilhaftigkeit eines Verfahrens hängt nicht nur von den Transaktionskosten, sondern auch von vielen anderen Faktoren ab, so z. B. von der Effizienz der medizinischen Versorgung.
Fazit Durch die Online-Conjoint-Analyse konnte ermittelt werden, dass qualitativ gute Leistungserbringer für die Höhe des Gesamtnutzens einer Krankenversicherungsangebotes bereits bei einem jungen und gesunden Kundensegment von äußerster Bedeutung ist. Um diese jungen Kunden bei Vertragswettbewerb zu binden, müssen Krankenkassen demzufolge mit qualitativ guten Leistungser-
258
Zusammenfassung
bringern selektive Verträge abschließen. Daraus kann geschlossen werden, dass bei der Einführung von selektivem Kontrahieren nicht nur mit einem Preiswettbewerb, sondern vor allem mit einem Qualitätswettbewerb zu rechnen ist.
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Sachwortregister Abwanderungskorridor 163, 165, 166, 168, 171 Add-on-Vergütung 41, 55, 74 adverse Selektion 108 Allokationsfunktion 69 Anbietertreue 122 Anwartschaftsdeckungsverfahren 64 Bedarfsprinzip 27 Behandlungsmarkt 35, 77 Beitragsbedarfsausgleich 32 Beitragssatz 19, 28, 47, 48, 61, 71, 77, 90, 180 Bindungsintensität 145 Bindungsobjekt 136, 140 Bindungssymmetrie 136, 142 Bindungsursache 136, 137 Bonusmodell 50, 183 BTL-Modell 196 Conjoint-Analyse 191 Digital Divide 202 Diskriminierungsverbot 27, 152 Dissonanz 115 DMP 53, 172 Einzelleistungsvergütung 38 Elastizität 100 Erwartungen 185 Finanzkraftausgleich 31 First-Choice-Regel 196 freie Arztwahl 35 freie Kassenwahl 43, 56 Freiheitsfunktion 69 GAP-Modell 127 GKV-WSG 25, 51 GMG 52 GSG 19
Hausärztliche Versorgung 51 Heterogenität der Leistungserbringer 35 Hit Rate 227 individuelle Nutzengrenze 159, 164 Informationsökonomik 107 Inhaltsvalidität 222 Innovationsfunktion 69 Instrumente zur Risikoselektion 32 Kassenfortbestand 88 Kassenwahlrecht 91 Kassenwechsler 59 Kassenwettbewerb 46 kognitive Prozesse 113 Kollektivverhandlungen 39 Kollektivverträge 39 Konfliktargument 78 Kontrahierungszwang 27, 152 Körperschaften des öffentlichen Rechts 29, 82 Krankenversicherungskonkurrenzgrenze 162, 185 Kundenbindung 96, 153 Kundenbindungsmanagement 99 Kundenorientierung 124 Kundenwert 147 Kundenzufriedenheit 126, 153 Leistungskatalog 19 Logit-Modell 196 Marktversagensargument 78 Mean Absolute Error 228 Modellprojekte 54 Modellvorhaben 172 moralisches Risiko 108 morbiditätsorientierter Risikostrukturausgleich 33 Morbiditätsrisiko 39
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Sachwortregister
Nettonutzen 132, 161, 164, 177 Nettonutzendifferenz 142 Neue Institutionenökonomik 103 Nutzen 131, 158, 200 Online-Conjoint-Analyse 204 Optionsguteigenschaft 35
Service 54 Sicherstellungsauftrag 76 Signaling 109 Solidarprinzip 27, 31, 50, 78 sozialpsychologische Bindungstheorie 118 Subsidiarität 28
Präferenz 193 Prämienzahlung 49, 181 primärer Nutzen 132, 168, 172 Primärkassen 19 Prinzipal-Agenten-Beziehung 36, 37, 45 Produktnutzen 132 Prognosevalidität 226 Prospect Theorie 113
Teilnutzen 158, 205, 217 Theils U 229 Transaktionskosten 76, 133, 171, 184 Transaktionskostentheorie 104 Transaktionsnutzen 132, 176
Quasirente 106
Validität 221 Versicherungsmarkt 41, 75 Versicherungspflicht 42 Versorgungsmarkt 37, 72, 75, 190 Verteilungsfunktion 69 Vertragswettbewerb 91, 143, 178, 191, 207
Regelleistungsvolumina 39 Relative Absolute Error 229 Risiko 111 risikoäquivalente Prämie 64 Risikoselektion 30, 147, 206 Root Mean Squared Error 228 RSA 31, 150, 205 Sachleistungsprinzip 29 Selbstbehalt 48, 181 Selbstbeteiligung 182 Selbstverwaltung 29 selektives Kontrahieren 20, 73, 75, 91, 168
Über-, Unter- und Fehlversorgung 25 Übereinstimmungsvalidität 225
Wahltarife 49, 50 Wechselkosten 173 Wettbewerb 68, 72 Wettbewerbsparameter 19, 47 Wirtschaftlichkeitsgebot 28 WWW 201 Zufriedenheit 173