109 102 12MB
German Pages 377 [374] Year 2023
Victor Karandashev
Kulturelle Emotions-Modelle
Kulturelle Emotions-Modelle
Victor Karandashev
Kulturelle Emotions-Modelle
Victor Karandashev Fachbereich Psychologie und Beratungsausbildung Aquinas-Kolleg E. Grand Rapids, USA
Dieses Buch ist eine Übersetzung des Originals in Englisch „Cultural Models of Emotions“ von Karandashev, Victor, publiziert durch Springer Nature Switzerland AG im Jahr 2021. Die Übersetzung erfolgte mit Hilfe von künstlicher Intelligenz (maschinelle Übersetzung durch den Dienst DeepL.com). Eine anschließende Überarbeitung im Satzbetrieb erfolgte vor allem in inhaltlicher Hinsicht, so dass sich das Buch stilistisch anders lesen wird als eine herkömmliche Übersetzung. Springer Nature arbeitet kontinuierlich an der Weiterentwicklung von Werkzeugen für die Produktion von Büchern und an den damit verbundenen Technologien zur Unterstützung der Autoren. ISBN 978-3-031-39962-6 ISBN 978-3-031-39963-3 (eBook) https://doi.org/10.1007/978-3-031-39963-3 Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über https://portal.dnb.de abrufbar. © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung, die nicht ausdrücklich vom Urheberrechtsgesetz zugelassen ist, bedarf der vorherigen Zustimmung des Verlags. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Bearbeitungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von allgemein beschreibenden Bezeichnungen, Marken, Unternehmensnamen etc. in diesem Werk bedeutet nicht, dass diese frei durch jedermann benutzt werden dürfen. Die Berechtigung zur Benutzung unterliegt, auch ohne gesonderten Hinweis hierzu, den Regeln des Markenrechts. Die Rechte des jeweiligen Zeicheninhabers sind zu beachten. Der Verlag, die Autoren und die Herausgeber gehen davon aus, dass die Angaben und Informationen in diesem Werk zum Zeitpunkt der Veröffentlichung vollständig und korrekt sind. Weder der Verlag noch die Autoren oder die Herausgeber übernehmen, ausdrücklich oder implizit, Gewähr für den Inhalt des Werkes, etwaige Fehler oder Äußerungen. Der Verlag bleibt im Hinblick auf geografische Zuordnungen und Gebietsbezeichnungen in veröffentlichten Karten und Institutionsadressen neutral. Planung/Lektorat: Joachim Coch Springer ist ein Imprint der eingetragenen Gesellschaft Springer Nature Switzerland AG und ist ein Teil von Springer Nature. Die Anschrift der Gesellschaft ist: Gewerbestrasse 11, 6330 Cham, Switzerland Das Papier dieses Produkts ist recyclebar.
Für Délie Berekoven in Köln, Deutschland, meiner Knochenmarkspenderin, die mir 2020 großzügigerweise ein zweites Leben geschenkt hat
Danksagung
Ich schätze die zahlreichen und umfangreichen Studien, die eine Reihe von Wissenschaftlern aus verschiedenen Disziplinen zur kulturübergreifenden Erforschung von Emotionen durchgeführt haben. Eine Fülle von Verweisen und Zitaten im Buch würdigt ihre wichtigen Beiträge. Ich würdige auch die herausragenden Beiträge zur kulturübergreifenden Emotionsforschung – die für die Entwicklung kultureller Modelle von Emotionen relevant sind – von Wissenschaftlern wie Paul Ekman, James Russell, David Matsumoto, Shinobu Kitayama, Hazel Markus, Nico Frijda, Batja Mesquita, Klaus Scherer, Jeanne Tsai, William Gudykunst, Anna Wierzbicka, Zoltán Kövecses und ihren zahlreichen Mitarbeitern. Außerdem möchte ich dem Lektoratsteam von Springer meine große Anerkennung aussprechen. Es hat meinen Buchvorschlag sehr unterstützt hat und war geduldig mit meinem Perfektionismus bei der Vorbereitung des Manuskripts. Sie wussten, dass „alles länger dauert, als wir denken“. Ich danke dem Ausschuss für Fakultätsentwicklung des Aquinas College, der mir geholfen hat, dieses Buch erfolgreich für die Veröffentlichung vorzubereiten. Schließlich möchte ich mich auch bedanken bei meinem deutsch-amerikanischen guten Freund und Soziologenkollegen Hermann Kurthen für die Überprüfung der Angemessenheit der automatischen Übersetzung dieses Buches aus dem Englischen in die deutsche Sprache.
VII
Einführung
Über mehrere Jahrzehnte hinweg, insbesondere in den 1990er- bis 2010er-Jahren, ist die kulturübergreifende Erforschung von Emotionen zu einem beliebten Thema in verschiedenen Disziplinen wie Anthropologie, Soziologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaft geworden. Die empirische Forschung ist sehr produktiv und hat ihre eigenen soliden disziplinären Traditionen und Methoden entwickelt. Zusammenfassungen der Ergebnisse zu bestimmten Bereichen der Emotionsforschung in diesen Disziplinen wurden in Übersichtsartikeln und Büchern veröffentlicht, die die Variationen von Emotionen in vielen kulturellen Kontexten aufzeigen. Wissenschaftler der Anthropologie, der Soziologie und der Kommunikationswissenschaft waren in diesen Bemühungen besonders produktiv. Psychologen haben sich diesem Forschungsbereich erst später angeschlossen und das Thema dann aber mit großem Interesse, Energie und Produktivität aufgegriffen. Obwohl einige Wissenschaftler in diesen Disziplinen denken, dass sie in ihren theoretischen Rahmen und Methoden autark sind, glaube ich, dass die Konstruktion und Erforschung kultureller Modelle von Emotionen einen interdisziplinären Ansatz benötigt, um die Modelle umfassend zu beschreiben. Methoden, die in der kulturellen und kognitiven Anthropologie, der Sozial- und Kulturpsychologie, der Soziologie und den Kommunikationswissenschaften entwickelt wurden, bereichern alle an der Emotionsforschung beteiligten Disziplinen. Im Laufe der Jahrzehnte haben Forscher viele Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen festgestellt, aber auch große Unterschiede zwischen westlichen und östlichen Mustern des Erlebens und Ausdrucks von Emotionen entdeckt. Auch die kulturellen Unterschiede in Gesellschaften innerhalb der westlichen und östlichen Kulturregionen wurden in zahlreichen Studien anerkannt. Die Vielfalt und Komplexität des Gefühlslebens wurde unter Berücksichtigung ihrer kulturellen Aspekte untersucht. Es wurden kulturelle Unterschiede im Erleben positiver und negativer Emotionen, in ihrer Intensität sowie im verbalen und nonverbalen Ausdruck von Emotionen festgestellt. Diese Unterschiede wurden in der Regel auf den Individualismus und Kollektivismus dieser Gesellschaften zurückgeführt. Später fanden Forscher jedoch heraus, dass Individualismus und Kollektivismus komplexe kulturelle Dimensionen sind, die IX
X
Einführung
je nach dem Kontext des sozialen Lebens variieren. Wissenschaftler haben auch die Rolle anderer kultureller Dimensionen aufgedeckt. Zahlreiche empirische Berichte, Artikel und Kapitel in Sammelbänden haben das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln und in unterschiedlichen kulturellen Kontexten behandelt, wobei hauptsächlich die allgemein verstandenen westlichen und östlichen kulturellen Werte und Normen gegenübergestellt wurden. Ein umfassenderes und detaillierteres globales Bild bleibt jedoch nach wie vor bruchstückhaft und lückenhaft. Ziel dieses Buches ist es, die Erkenntnisse aus verschiedenen Disziplinen in einer umfassenden interdisziplinären Beschreibung kultureller Modelle von Emotionen zu integrieren. Der besondere Fokus des Buches liegt auf der Frage, wie kulturelle Rahmenbedingungen von Gesellschaften das Gefühlsleben von Menschen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten beeinflussen. Dieses Buch gibt einen knappen und umfassenden Überblick über Kulturparameter wie Individualismus-Kollektivismus, Unsicherheitsvermeidung, Machtdistanz, Gleichheit der Geschlechterrollen (kulturelle Weiblichkeit) und Ungleichheit der Geschlechterrollen (kulturelle Männlichkeit), Kontextdifferenzierung und ihre Beziehungen zu verschiedenen Aspekten des Gefühlslebens in Gesellschaften. Das Buch geht jedoch über diese traditionellen Rahmenbedingungen hinaus und stellt andere kulturelle Dimensionen vor, die bisher im Schatten der Mainstream- Forschung standen: Unmittelbarkeit, kulturelle Zeitmuster, Beziehungsmobilität, verschiedene kulturelle Werte und andere. Die Rolle dieser erwähnten Dimensionen im Gefühlsleben der Menschen wird in Kap. 2 aufgezeigt mit dem Ziel Forscher zu ermutigen, sie in ihre Studien über das Erleben und den Ausdruck von Emotionen einzubeziehen. In den Kap. 1 und 2 wird das Konzept der Kultur erweitert und begründet, warum ethnische Zugehörigkeit, Nationen und globale Kulturen nicht die einzigen Kulturen sind, die eine kulturübergreifende Untersuchung verdienen. Länderregionen, religiöse Gruppierungen, Gemeinschaften von Menschen mit einem bestimmten sozioökonomischen Status sowie Mischkulturen sollten ebenfalls als kulturelle Gruppen betrachtet werden. Der Inhalt des Buches ist nach wie vor auf die traditionelle Dichotomie des kulturellen Gegensatzes zwischen West und Ost ausgerichtet, da sehr viele Studien in dieser vergleichenden Perspektive durchgeführt wurden. Dennoch zeigen viele Teile des Buches, dass es sowohl im westlichen als auch im östlichen kulturellen Kontext eine große Vielfalt an kulturellen Erfahrungen und Ausdrucksformen von Emotionen gibt. Dieses Buch verfolgt einen integrativen Ansatz und will verallgemeinernd darstellen, wie die kulturelle Vielfalt emotionalen Ausdrucks und Erlebens die Entwicklung einer Typologie kultureller Modelle von Emotionen ermöglicht. Dieser umfassende Überblick soll den Hintergrund und die Perspektiven für zukünftige kulturübergreifende Untersuchungen von Emotionen schaffen.
Einführung
XI
Hauptmerkmale dieses Buches sind: • Ein umfassender Überblick über klassische und neueste Theorien und Forschungsergebnisse zu Emotionen, die für die Konstruktion von Kulturmodellen relevant sind • Ein umfassender Überblick über kulturelle Modelle von Emotionen aus interdisziplinärer Perspektive • Ein umfassender Überblick über kulturelle Modelle von Emotionen aus internationaler Perspektive Das Buch ist von Interesse für Wissenschaftler aus verschiedenen Disziplinen – Anthropologie, Soziologie, Linguistik, Sozial- und Kulturpsychologie und Kommunikationswissenschaft. Hauptzielgruppe sind Wissenschaftler, die sich für Emotionen interessieren. Eine leicht verständliche Sprache macht das Buch wertvoll für Forscher, Praktiker sowie Studenten und Absolventen. Professoren an Hochschulen und Universitäten, die in vielen Ländern Kurse über Emotionen unterrichten, können Materialien aus verschiedenen Kapiteln verwenden. Im Großen und Ganzen besteht das Buch aus drei Kapitelgruppen, die eng miteinander verwoben sind und aufeinander Bezug nehmen. Die Kap. 1 und 2 sind so etwas wie gesellschaftliche Leitfäden für kulturelle Modelle. Sie befassen sich mit Konzepten von Kulturen und ihren gesellschaftlichen Dimensionen. Die Materialien in diesen Kapiteln sollten am Anfang von Modellkonstruktionen stehen. Kap. 3 steht in gewisser Hinsicht im Mittelpunkt der Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen. Hier geht es um die Theorie und Methodik kultureller Modelle, d. h., wie man diese Modelle konstruiert und erforscht. Die Kap. 4, 5 und 6 repräsentieren Produktionsstätten kultureller Modelle. Sie geben einen Überblick über mehrere Studien und deren Ergebnisse bezüglich kultureller Muster des Gefühlslebens, die als Bausteine für die Konstruktion von Modellen verwendet werden können. In den Kapiteln werden auch mehrere Beispiele für kulturelle Modelle von Emotionen vorgeschlagen, die auf der Zusammenstellung von Erkenntnissen aus bereits abgeschlossenen Studien basieren. Die Materialien dieser Kapitel sollen als Grundlage für die Konstruktion von Modellen dienen. Kap. 1, „Die Vielfalt von Kulturen“, ist eine allgemeine Einführung in das Konzept der Kultur. Es zeigt die Vielfalt der Kulturtypen auf, die über das traditionelle, globale, nationale und ethnische Verständnis von Kultur hinausgeht. Regionale, religiöse Kulturen und die Kulturen von Gemeinschaften mit unterschiedlichem sozioökonomischem Status und unterschiedlicher sozialer Schicht verdienen ebenfalls die Aufmerksamkeit der Forschung. Gemischte und multikulturelle Kulturen sind neue kulturelle Realitäten, die erforscht werden müssen. Kap. 2, „Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen“, gibt einen kurzen Überblick über kulturelle Dimensionen, die es sich lohnt zu untersuchen, um die kulturelle Konzeptualisierung des Gefühlslebens, des Er-
XII
Einführung
lebens und des Ausdrucks von Emotionen besser zu verstehen. Dazu gehören Kollektivismus und Individualismus – unter Berücksichtigung ihrer Vielschichtigkeit, Machtdistanz, Gleichheit von Geschlechterrollen versus Ungleichheit von Geschlechterrollen (kulturelle Weiblichkeit-Maskulinität), Unmittelbarkeit, Kontextdifferenzierung, zeitliche Dimensionen von Kulturen, Reaktion auf Mehrdeutigkeit und Unsicherheit, Überlebens- und Selbstdarstellungswerte von Gesellschaften, relationale Mobilität, Einbettung versus Autonomie, Hierarchie versus Egalitarismus und Beherrschung versus Harmonie. In Kap. 3, „Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu deren Erforschung“, wird das Konzept kultureller Modelle vorgestellt und mit Beispielen belegt. Das Kapitel beschreibt auch pan-kulturelle, kulturübergreifende und kulturelle Ansätze zur Untersuchung von Emotionskonstrukten sowie die Typologie und Vielfalt möglicher kultureller Modelle von Emotionen. In dieser Hinsicht bildet Kap. 3 das Herzstück des Buches: Es basiert auf den Kap. 1 und 2, in denen die kulturellen Rahmenbedingungen möglicher Modelle vorgestellt werden, und geht dann über in die danach folgenden Kap. 4, 5 und 6, welche die kulturellen Muster des Gefühlslebens beschreiben. In Kap. 3 wird auch kurz die Methodik der Erforschung kultureller Emotionsmodelle vorgestellt, einschließlich Themen wie konzeptionelle und messtechnische Äquivalenz, Angemessenheit und Messfehler in der kulturellen Emotionsforschung. Diese Materialien liefern den konzeptionellen Hintergrund, während die danach folgenden Teile einen Überblick über beschreibende, vergleichende und strukturelle Methoden mit einer Zusammenfassung der statistischen Methoden geben, die für die Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen zur Verfügung stehen. Kap. 4, „Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten“, beschreibt die Struktur des Gefühlslebens und die Funktionen von Emotionen in kulturellen Kontexten, einschließlich der Konzepte der emotionalen Kontrolle und Regulierung, der emotionalen Differenzierung bzw. der Komplexität. Dieses Kapitel gibt auch einen Überblick über kulturelle Modelle von Emotionen in Form der Kultur des Selbst und der Kultur der Beziehung. Kap. 5, „Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens“, beschreibt die Physiologie und die Körperempfindungen, die mit dem subjektiven Erleben von Emotionen verbunden sind, sowie Faktoren, die die kulturelle Bewertung von Situationen beeinflussen. In diesem Kapitel werden mehrere Studien vorgestellt, die die kulturübergreifenden Ähnlichkeiten und Unterschiede bei den Normen und dem tatsächlichen Erleben von Emotionen in verschiedenen Kulturen untersucht haben. Das Kapitel gibt einen Überblick über die Erkenntnisse darüber, wie Menschen die Eigenschaften, die positive und negative Valenz und die Intensität von Emotionen erleben. In diesem Kapitel habe ich mehrere kulturelle Modelle von Emotionen zusammengestellt. Sie basieren auf der subjektiven Verortung von Emotionen, der Bedeutung bestimmter Emotionen in bestimmten kulturellen Kontexten, der Wertigkeit und der Intensität emotionaler Erfahrungen. In Kap. 6, „Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen“, werden die Studien vorgestellt, die die Normen und das tatsächliche Verhalten der Menschen beim Ausdruck ihrer Emotionen in verschiedenen Kulturen unter-
Einführung
XIII
sucht haben. Auf der Grundlage der in diesen zahlreichen Studien gewonnenen Erkenntnisse habe ich eine Beschreibung der expressiven und nicht-expressiven kulturellen Modelle, der Modelle des direkten und indirekten Ausdrucks von Emotionen, zusammengestellt. Das Kapitel zeigt auch die Vielfalt der Wege und Kanäle, auf denen Menschen ihre Emotionen in verschiedenen Kulturen ausdrücken, einschließlich des sichtbarsten – des Gesichtsausdrucks. Die Schlussfolgerung fasst die kulturellen Modelle zusammen, die sich aus den Ergebnissen der zahlreichen in diesem Buch besprochenen Studien ergeben. Außerdem werden neue methodische Perspektiven für die künftige Erforschung kultureller Modelle von Emotionen aufgezeigt.
Inhaltsverzeichnis
1
ielfalt von Kulturen �������������������������������������������������������������������������������� 1 V 1.1 Vielfältiges Konzept der Kultur���������������������������������������������������������� 1 1.1.1 Definitionen von Kultur���������������������������������������������������������� 1 1.1.2 Wie sich die Kultur entwickelt������������������������������������������������ 2 1.2 Nationale und regionale Kulturen ������������������������������������������������������ 3 1.2.1 Nationale und transnationale Kulturen ���������������������������������� 3 1.2.2 Regionale und lokale Kulturen ���������������������������������������������� 6 1.3 Multikulturelle Kulturen �������������������������������������������������������������������� 11 1.3.1 Ethnische und multiethnische Kulturen���������������������������������� 11 1.3.2 Mischkulturen ������������������������������������������������������������������������ 12 1.4 Die Kulturen des sozioökonomischen Status und der sozialen Klasse������������������������������������������������������������������������������������ 14 1.4.1 Soziale und wirtschaftliche Kulturen innerhalb der Länder ������������������������������������������������������������������������������ 14 1.4.2 Forschung über soziale und wirtschaftliche Kulturen������������ 15 1.5 Religiöse Kulturen������������������������������������������������������������������������������ 17 1.5.1 Religion als Kultur������������������������������������������������������������������ 17 1.5.2 Eine kulturübergreifende Perspektive auf die Religion���������� 18 1.5.3 Religiöse Lehren über Emotionen������������������������������������������ 20 1.5.4 Einfluss von Religionen auf das Erleben und den Ausdruck von Emotionen ������������������������������������������������������ 21 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 24
2
ulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen�������� 31 K 2.1 Kollektivismus und Individualismus als kulturelle Rahmenbedingungen���������������������������������������������������������������������������������������� 31 2.1.1 Die Konstrukte des Kollektivismus und des Individualismus���������������������������������������������������������������������� 31 2.1.2 Werte und Emotionen in kollektivistischen Kulturkreisen������ 32 2.1.3 Werte und Emotionen in individualistischen Kulturen ���������� 34
XV
XVI
Inhaltsverzeichnis
2.1.4 Vielfältiger Charakter und Vielfalt des Individualismus- Kollektivismus������������������������������������������������������������������������ 36 2.1.5 Variation von Individualismus und Kollektivismus���������������� 38 2.1.6 Das unabhängige versus das interdependente Modell der Kultur�������������������������������������������������������������������������������������� 42 2.2 Machtdistanz als kultureller Rahmenbedingung�������������������������������� 46 2.2.1 Kulturen mit hoher versus niedriger Machtdistanz���������������� 46 2.2.2 Machtdistanz und Gefühlsleben���������������������������������������������� 47 2.3 Gleichheit der Geschlechterrollen und Ungleichheit der Geschlechterrollen������������������������������������������������������������������������������ 49 2.3.1 Das Konstrukt der kulturellen Männlichkeit-Weiblichkeit������ 49 2.3.2 Gleichheit der Geschlechterrollen (Weiblichkeit) versus Ungleichheit der Geschlechterrollen (Männlichkeit) in der Gesellschaft und im emotionalen Leben�������������������������������� 50 2.4 Unmittelbarkeit als kulturelle Rahmenbedingung������������������������������ 51 2.4.1 Das Konzept und die Maßnahmen der Unmittelbarkeit���������� 51 2.4.2 Hochkontakt- versus Niedrigkontakt-Kulturen���������������������� 53 2.4.3 Faktoren, die die zwischenmenschliche Distanz in verschiedenen Kulturen beeinflussen������������������������������������������ 55 2.5 Kontextdifferenzierung als kulturelle Rahmenbedingung������������������ 58 2.5.1 Kontext und funktionale Relativität���������������������������������������� 58 2.5.2 Zwischenmenschliche Kommunikation in kontextintensiven Kulturen���������������������������������������������������������������������������������� 60 2.5.3 Zwischenmenschliche Kommunikation in kontextarmen Kulturkreisen�������������������������������������������������������������������������� 64 2.5.4 Konstrukt der Kontextdifferenzierung������������������������������������ 66 2.6 Zeitliche Muster des Lebens als kulturelle Rahmenbedingung���������� 67 2.6.1 Zeit und Psychologie�������������������������������������������������������������� 67 2.6.2 Zeitliche Orientierung der Kulturen���������������������������������������� 71 2.6.3 Das Lebenstempo als kulturelle Dimension �������������������������� 74 2.7 Reaktion auf Mehrdeutigkeit und Ungewissheit als kulturelle Rahmenbedingung������������������������������������������������������������������������������ 77 2.7.1 Persönliche Ambiguitätstoleranz�������������������������������������������� 77 2.7.2 Kulturell typische Reaktion auf Ungewissheit������������������������ 78 2.8 Die kulturellen Werte des Überlebens und der Selbstdarstellung������ 80 2.8.1 Traditionelle und moderne Gesellschaften ���������������������������� 80 2.8.2 Der moderne kulturelle Wandel hin zur Modernisierung von Gesellschaften������������������������������������������������������������������ 81 2.9 Relationale Mobilität als kulturelle Rahmenbedingung �������������������� 82 2.9.1 Das Konzept der relationalen Mobilität���������������������������������� 82 2.9.2 Beziehungsmobilität und Emotionen in zwischenmenschlichen Beziehungen�������������������������������������� 83 2.10 Kulturelle Werte���������������������������������������������������������������������������������� 85 2.10.1 Neuere Theorien über kulturelle Werte���������������������������������� 85 2.10.2 Der Einfluss kultureller Werte auf Emotionen������������������������ 88 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 90
Inhaltsverzeichnis
XVII
3
heorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer T Erforschung������������������������������������������������������������������������������������������������ 101 3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle���������������������������������� 101 3.1.1 Konzeption der kulturellen Modelle �������������������������������������� 101 3.1.2 Beispiele für kulturelle Modelle in der Sozialwissenschaft������������������������������������������������������������������ 104 3.1.3 Pan-kulturelle und kulturelle Ansätze zur Untersuchung kultureller Modelle von Emotionen���������������� 107 3.1.4 Typologie der kulturellen Modelle des Gefühlslebens ���������� 110 3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle���������������� 118 3.2.1 Kategorialer Ansatz für die Untersuchung von Emotionen������ 118 3.2.2 Das Emotionslexikonals Quelle des Wissens über kulturelle Modelle von Emotionen ���������������������������������������� 121 3.2.3 Dimensionale Herangehensweise an die Untersuchung von Emotionen������������������������������������������������������������������������ 122 3.2.4 Konzeptuelle Äquivalenz von emotionalen Konstrukten in verschiedenen Kulturen���������������������������������������������������������� 127 3.2.5 Kulturelle Stichproben in der Emotionsforschung ���������������� 130 3.2.6 Angemessenheit bei der kulturellen Messung von Emotionen ������������������������������������������������������������������������������ 136 3.3 Erforschung wissenschaftlicher Konstrukte und Dimensionen für die Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen������������������ 145 3.3.1 Beschreibende Methodik kultureller Modelle von Emotionen ������������������������������������������������������������������������������ 145 3.3.2 Vergleichende Methodik kultureller Modelle von Emotionen ������������������������������������������������������������������������������ 147 3.3.3 Strukturelle Methodik kultureller Modelle von Emotionen ������������������������������������������������������������������������������ 150 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 159
4
motionale Prozesse in kulturellen Kontexten���������������������������������������� 173 E 4.1 Konstruktion des Gefühlslebens �������������������������������������������������������� 173 4.1.1 Grundlegende emotionale Phänomene und Prozesse ������������ 173 4.1.2 Kulturelle Konzeptionen von Emotionen�������������������������������� 177 4.1.3 Kulturelle Einflüsse auf das Gefühlsleben������������������������������ 179 4.1.4 Kulturelle Modelle des Selbst und der Beziehung und Modelle von Emotionen�������������������������������������������������� 184 4.1.5 Akkulturation von Gefühlen �������������������������������������������������� 188 4.2 Kultur und Kontrolle von emotionalen Prozessen������������������������������ 190 4.2.1 Konzepte der Emotionskontrolle und -regulierung���������������� 190 4.2.2 Unterdrückung von Emotionen bei europäischen US-Amerikanern �������������������������������������������������������������������� 192 4.2.3 Unterdrückung von Emotionen in ostasiatischen Kulturkreisen�������������������������������������������������������������������������� 193
XVIII
Inhaltsverzeichnis
4.3 Kulturelle Komplexität von Emotionen���������������������������������������������� 194 4.3.1 Die Komplexität der Emotionen �������������������������������������������� 194 4.3.2 Emotionale Differenzierung���������������������������������������������������� 198 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 200 5
ulturelle Modelle des emotionalen Erlebens���������������������������������������� 207 K 5.1 Vielfalt des emotionalen Erlebens������������������������������������������������������ 207 5.1.1 Was ist emotionale Erfahrung? ���������������������������������������������� 207 5.1.2 Wie man emotionale Erfahrungen beschreibt ������������������������ 209 5.1.3 Die kulturellen Modelle, die auf dem Ort der Emotionen basieren ���������������������������������������������������������������������������������� 213 5.1.4 Physiologie in Verbindung mit emotionalem Erleben������������ 217 5.1.5 Körperempfindungen in Verbindung mit Emotionen�������������� 219 5.2 Kulturelle Bewertung von Emotionen und Erfahrung von Emotionen ������������������������������������������������������������������������������������������ 222 5.2.1 Bewertung als Auslöser von Emotionen �������������������������������� 222 5.2.2 Bewertung sozialer Situationen in verschiedenen Kulturen���������������������������������������������������������������������������������� 224 5.2.3 Kulturelle Faktoren der Bewertung und des emotionalen Erlebens���������������������������������������������������������������������������������� 226 5.3 Normen und Erfahrungen mit Emotionen in verschiedenen Kulturen���������������������������������������������������������������������������������������������� 233 5.3.1 Kulturelle Normen des emotionalen Erlebens������������������������ 233 5.3.2 Erfahrungen mit grundlegenden Emotionen, ihre Dimensionalität, Qualität und Häufigkeit in verschiedenen Kulturen���������������������������������������������������������� 238 5.4 Kulturelle Modelle grundlegender und komplexer Emotionen���������� 240 5.4.1 Kulturelle Modelle der Wut���������������������������������������������������� 240 5.4.2 Kulturelle Modelle der selbstbewussten Emotionen�������������� 243 5.4.3 Kulturelle Modelle des Glücks ���������������������������������������������� 246 5.4.4 Kulturelles Modell der Ehre���������������������������������������������������� 249 5.5 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Valenz emotionaler Erfahrungen���������������������������������������������������������������������������������������� 252 5.5.1 Der Wert positiver versus negativer affektiver Zustände�������� 252 5.5.2 Das Erleben positiver und negativer Emotionen in verschiedenen Kulturkreisen�������������������������������������������������� 255 5.5.3 Die Auswirkungen negativer und positiver emotionaler Erfahrungen auf die physische und psychische Gesundheit������������������������������������������������������������������������������ 259 5.6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Intensität des emotionalen Erlebens�������������������������������������������������������������������������� 260 5.6.1 Emotionale Erregung in verschiedenen Kulturen ������������������ 260 5.6.2 Modelle für leidenschaftliches und leidenschaftsloses Leben�������������������������������������������������������������������������������������� 261
Inhaltsverzeichnis
XIX
5.6.3 Leidenschaftliche westliche und leidenschaftslose östliche kulturelle Modelle von Emotionen���������������������������� 264 5.6.4 Kulturelle Unterschiede in der Intensität des emotionalen Erlebens���������������������������������������������������������������������������������� 266 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 268 6
ulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von K Emotionen�������������������������������������������������������������������������������������������������� 281 6.1 Ausdruck von Gefühlen und Kultur���������������������������������������������������� 281 6.1.1 Die verschiedenen Kanäle zum Ausdruck von Emotionen �������� 281 6.1.2 Die Rolle der Kultur beim Ausdruck von Emotionen������������ 283 6.1.3 Frühe Enkulturation von emotionalen Reaktionen ���������������� 288 6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle�������������������������� 290 6.2.1 Kulturelle Darstellungsregeln für den Ausdruck von Emotionen ������������������������������������������������������������������������������ 290 6.2.2 Kulturelles Modell des Emotionsausdrucks und kulturelles Modell der Emotionskontrolle������������������������������������������������ 297 6.2.3 Die Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten in westlichen Kulturen���������������������������������������������������������������������������������� 304 6.2.4 Geschlechtsspezifische Unterschiede im Ausdruck von Emotionen in verschiedenen Kulturkreisen���������������������������� 311 6.3 Ausdrucksstärke von Emotionen im Gesicht�������������������������������������� 318 6.3.1 Methoden zur Untersuchung des Gesichtsausdrucks von Emotionen in verschiedenen Kulturkreisen���������������������������� 318 6.3.2 Kulturübergreifende Ähnlichkeiten im Gesichtsausdruck von Emotionen������������������������������������������������������������������������ 319 6.3.3 Interkulturelle Unterschiede im Gesichtsausdruck von Emotionen ������������������������������������������������������������������������������ 320 6.3.4 Kulturübergreifende Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Wahrnehmung des Gesichtsausdrucks von Emotionen ������������������������������������������������������������������������������ 325 6.4 Modelle des direkten und indirekten Ausdrucks von Emotionen ������ 328 6.4.1 Die Vielfalt von Kulturen in Bezug auf den direkten und indirekten Ausdruck von Emotionen�������������������������������������� 328 6.4.2 Östliche Wege, Emotionen indirekt auszudrücken ���������������� 329 6.4.3 Schweigen, Händeschütteln, Verbeugen als indirekte Ausdrucksformen von Gefühlen �������������������������������������������� 332 Literatur�������������������������������������������������������������������������������������������������������� 333
Schlussfolgerung������������������������������������������������������������������������������������������������ 345 Stichwortverzeichnis���������������������������������������������������������������������������������������� 349
Kapitel 1
Vielfalt von Kulturen
1.1 Vielfältiges Konzept der Kultur 1.1.1 Definitionen von Kultur Allgemeiner Kulturbegriff In den letzten Jahrzehnten haben viele Autoren den Begriff der Kultur definiert. Trotz der Vielzahl der Definitionen kreisen sie alle um dieselbe allgemeine Idee. Kultur ist das System von historisch entstandenen und sozial konstruierten Informationen, Ideen und Bedeutungen, die von einer Gruppe von Menschen geteilt und über Generationen hinweg durch Werte, Überzeugungen, Praktiken, Sprachen, Rituale, Artefakte usw. weitergegeben werden (Kroeber & Kluckhohn, 1952; Markus & Conner, 2013; Matsumoto & Hwang, 2012). Der Kulturkreislauf umfasst (1) die Generierung von Ideen durch die Menschen, die (2) die Art und Weise beeinflussen, wie Menschen in bestimmten Situationen und unter bestimmten Umständen fühlen, denken und sich verhalten. Im Laufe der Zeit bringen die psychologischen Prozesse der Menschen und ihre individuellen Gedanken und Handlungen kulturelle Normen und Praktiken hervor, während diese kulturellen Normen und Praktiken einen enormen Einfluss auf ihre psychologischen Prozesse, Gedanken und Handlungen haben (Lehman et al., 2004; Triandis, 2007). Eine Kultur lehrt sie, was gut (oder schlecht), richtig (oder falsch), moralisch (oder unmoralisch), akzeptabel (oder inakzeptabel) in ihrem täglichen Leben ist (Markus & Conner, 2013; Shweder, 2003). Zur Kultur gehören solche Bestandteile wie die Methoden, die Menschen verwenden, um Dienstleistungen, Güter und Technologie zu teilen (materielle Kultur), die Ideen und das Wissen, die eine Gruppe von Menschen teilt (subjektive Kultur), und die Institutionen und Regeln des sozialen Verhaltens, die sie teilen (soziale Kultur; Chiu & Hong, 2006).
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 V. Karandashev, Kulturelle Emotions-Modelle, https://doi.org/10.1007/978-3-031-39963-3_1
1
2
1 Vielfalt von Kulturen
Vielfalt von Kulturedefinitionen Die Definitionen von Kultur, die in den letzten Jahrzehnten vorgeschlagen wurden (siehe Matsumoto, 2006, S. 220), unterscheiden sich in verschiedenen Disziplinen wie Anthropologie, Soziologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaft. Welcher ist der richtige und umfassendste? Es ist unwahrscheinlich, dass eine einzige und allumfassende Definition von Kultur möglich ist. Ich stimme mit Cohen (2009) überein, dass die Art und Weise, wie Wissenschaftler Kultur definieren, davon abhängt, welche Form von Kultur und welchen Bereich innerhalb dieser Kultur sie in Betracht ziehen. Einige konzentrieren sich eher auf die Bedeutung. Geertz (1973) beispielsweise betrachtet Kultur als eine interpretative Suche nach Bedeutung. In gleicher Weise definiert D’Andrade (1984) Kultur als ein erlerntes Bedeutungssystem. Shweder und Haidt (2000) behaupten, dass Kultur Bedeutungen, Vorstellungen und Interpretationsschemata umfasst. Diese Forscher, die sich für Moral und Werte interessieren, nehmen Kultur in Form von Bedeutungen wahr. Andere konzentrieren sich auf Informationen und Wissen. Boyd und Richerson (1985) definieren Kultur als Informationen, die den Phänotyp von Individuen beeinflussen können und die sie durch Nachahmung und Lehre von anderen Arten lernen. Lumsden (1989, S. 15) stellt fest, dass Kultur ein System von Wissen ist, das zwischen den Mitgliedern einer Gesellschaft geteilt wird und das die Individuen sozial lernen. Diese Forscher, die sich für die kulturelle Evolution und Anpassung interessieren, betrachten Kultur im Sinne von Information. Die Berücksichtigung eines breiten Spektrums von Kulturformen kann uns helfen, unser Verständnis von Kultur zu erweitern, neue Sichtweisen auf Kultur zu fördern und zu verstehen, wie sich die verschiedenen Kulturen ähneln und dennoch voneinander unterscheiden.
1.1.2 Wie sich die Kultur entwickelt Der grundlegende Hintergrund für die Kulturentwicklung Wie entwickeln sich Kulturen? Alle Gesellschaften haben (bis zu einem gewissen Grad) die gleichen Grundbedürfnisse, Ideen und sogar Bedeutungen, aber sie machen einige dieser Bedürfnisse, Ideen und Bedeutungen zugänglicher und elaborierter, während sie andere vernachlässigen und abwerten. Kultur entwickelt sich als ein Anpassungsprozess, wenn Menschen mit ihrer Umwelt interagieren. Kultur ist ein komplexer Komplex menschlicher und gesellschaftlicher Reaktionen auf die Anforderungen des Lebens in bestimmten ökologischen, ökologischen und sozialen Kontexten (DeKay & Buss, 1992; Georgas et al., 2004). Kultur besteht aus den typischen Wegen und Methoden, die Menschen zur Lösung ihrer Probleme und zur Befriedigung ihrer biologischen und sozialen Bedürfnisse in einer Gesellschaft nutzen.
1.2 Nationale und regionale Kulturen
3
Unterschiedliche lokale Bedingungen für die kulturelle Entwicklung Menschen in verschiedenen Teilen der Welt, unter unterschiedlichen geografischen und klimatischen Bedingungen, haben unterschiedliche Ressourcen zur Verfügung, um ihre Bedürfnisse zu erfüllen. Diese Faktoren bestimmen die Art und Weise, wie sie überleben und gedeihen. Nach Matsumoto (2006) ist Kultur das Produkt der Interaktion zwischen „universellen biologischen Bedürfnissen und Funktionen, universellen sozialen Problemen, die zur Befriedigung dieser Bedürfnisse geschaffen wurden, und den Kontexten, in denen Menschen leben“ (S. 219–220). Um die universellen sozialen Probleme und biologischen Bedürfnisse zu bewältigen, passen sich die Menschen an ihre Umgebung an, um zu überleben und zu gedeihen. Die Kultur ist das Ergebnis des Prozesses, in dem die Menschen versuchen, sich an ihre Umgebung anzupassen. In diesem Zusammenhang definiert Matsumoto Kultur auch als „ein gemeinsames System sozial überlieferten Verhaltens, das die Lebensweise der Menschen beschreibt, definiert und leitet und von einer Generation zur nächsten weitergegeben wird“ (S. 220). Kulturen im Wandel Wie schnell entwickelt und verändert sich die Kultur des Verhaltens, des Denkens und der Gefühle? Dies kann Jahrhunderte dauern. Die kulturellen Muster der analytischen und ganzheitlichen Kognition – Aufmerksamkeit, Wahrnehmung, Argumentation und Denken –, die die intellektuellen Traditionen der griechischen Philosophie in Nordamerika und des Konfuzianismus und Daoismus in Ostasien widerspiegeln (Nisbett et al., 2001), haben sich beispielsweise über Jahrhunderte gehalten. Einige kulturelle Muster können sich jedoch innerhalb weniger Jahrzehnte verändern. So sind beispielsweise viele Kulturen, darunter auch das traditionell kollektivistische Japan, heute individualistischer als noch vor einigen Jahrzehnten. Auch wenn diese Tendenz zweideutig ist und der moderne Kollektivismus in Japan mit der Darstellung der japanischen Kultur fortgeführt wurde, ist der kulturelle Wandel spürbar (Hamamura, 2012). Ein weiteres Beispiel ist der Wandel des traditionellen sozialen Engagements und der bürgerlichen Beteiligung in der US-amerikanischen Gesellschaft. Putnam (2000) dokumentierte den Rückgang dieses kulturellen Wertes in den letzten Jahrzehnten.
1.2 Nationale und regionale Kulturen 1.2.1 Nationale und transnationale Kulturen Nationen als Einheiten der Kulturforschung Nationale Kulturen, d. h. die für ein Land typischen Kulturen, haben sich im Laufe der Zeit entwickelt. Historisch gesehen haben Individuen und Gemeinschaften innerhalb nationaler Grenzen dieselben kulturellen Traditionen und Praktiken,
1 Vielfalt von Kulturen
4
sozialen Institutionen und normativen sozialen Einflüsse geteilt. Viele Länder sind monokulturell, aber viele andere sind multikulturell. Geht man vom ersten Fall aus, so haben die Forscher häufig Nationen als Einheiten für die kulturelle und individuelle Ebene der Analysen verwendet. Die überwiegende Mehrheit der kulturübergreifenden Forschung über Emotionen im 20. Jahrhundert wurde im Vergleich von Nationen und Ländern durchgeführt, wobei häufig ein Land (typischerweise die Vereinigten Staaten) als Vertreter der westlichen Kultur und ein anderes (typischerweise Japan oder China) als Vertreter der östlichen Kultur betrachtet wurde. Solche geografischen Regionalkulturen gibt es wahrscheinlich, wenn man einige kulturelle Dimensionen betrachtet. In vielen Fällen ist diese breite Verallgemeinerung jedoch nicht ganz angemessen. Viele europä ische Länder, die als westlich gelten, unterscheiden sich erheblich von Nordamerika. In kulturübergreifenden Studien wurden jahrzehntelang üblicherweise Länder als kulturelle Einheiten für Forschungsvergleiche verwendet. Die Studien von Hofstede (z. B. 1983, 2016) über kulturelle Dimensionen von Gesellschaften, von Schwartz (z. B. 2006, 2014) über kulturelle Wertorientierungen und von vielen anderen, die in diesem Buch zitiert werden, haben nationale kulturelle Stichproben (von Studenten, Lehrern, Angestellten) für ihre Datenerhebung und Analyse verwendet. Die Tatsache, dass sie bei verschiedenen Stichproben in denselben Ländern dieselben Ergebnisse erzielten, bestätigte die Gültigkeit der nationalen Unterteilung der Kulturen. Die Gültigkeit der nationalen Kulturen Einige Wissenschaftler (siehe Minkov & Hofstede, 2012) sind der Ansicht, dass die kulturelle Vielfalt innerhalb einiger Nationen erheblich sein kann, während die Menschen über nationale Grenzen hinweg ähnlich sein können. Die Ergebnisse einer umfassenden kulturübergreifenden Studie (Minkov & Hofstede, 2012), in der die Daten des World Values Survey analysiert wurden, zeigten jedoch die Gültigkeit der nationalen kulturellen Einteilung für die globale Verteilung von Werten: „299 Länderregionen aus 28 Ländern Ost- und Südostasiens, Afrikas südlich der Sahara, Lateinamerikas und der angelsächsischen Welt weisen in Bezug auf die grundlegenden kulturellen Werte eine überwältigende Übereinstimmung entlang nationaler Grenzen auf, wobei grenzüberschreitende Vermischungen relativ selten sind. Dies gilt sogar für Länder wie Malaysia und Indonesien oder Mexiko und Guatemala, obwohl sie gemeinsame Amtssprachen, Religionen, ethnische Gruppen, historische Erfahrungen und verschiedene Traditionen haben. Selbst die Regionen benachbarter afrikanischer Staaten wie Ghana, Burkina Faso und Mali vermischen sich kaum, wenn man sie auf der Grundlage kultureller Werte zusammenfasst. (S. 133)“
Das bedeutet, dass das Konzept der nationalen Kultur tragfähig ist und die Länder als Analyseeinheiten für die kulturübergreifende Forschung von Nutzen sind. Es ist jedoch anzumerken, dass einige Studien über Emotionen (siehe die Studien in den weiteren Kapiteln) gezeigt haben, dass die Variation innerhalb eines Landes bei
1.2 Nationale und regionale Kulturen
5
emotionalen Variablen größer sein kann als die Variation zwischen den Ländern. Das bedeutet, dass andere länderspezifische und typologische Unterschiede eine wichtige Rolle spielen können. Drei Studien haben die kulturellen Unterschiede zwischen den brasilianischen Bundesstaaten anhand der länderübergreifenden Dimensionen von Hofstede untersucht, um zu belegen, dass die nationale Kultur eine brauchbare Einheit für die kulturübergreifende Forschung ist. Alle diese Studien haben gezeigt, dass die brasilianische Nationalkultur in allen brasilianischen Bundesstaaten verbreitet ist. Die Ähnlichkeiten zwischen den Bundesstaaten innerhalb des Landes sind größer als in den lateinamerikanischen Ländern und den Ländern weltweit. Globale transnationale Kulturen Nationale Kulturen weisen aufgrund geografischer und historischer Traditionen sowie religiöser und politischer Faktoren einige Gemeinsamkeiten mit anderen Nachbarländern auf. Einige globale Regionen der Welt können sich in vielen kulturellen Aspekten erheblich unterscheiden. Eine Quelle dieser kulturellen Unterschiede sind die antiken philosophischen Ansichten, die bis in die heutigen Generationen weitergegeben werden. In den letzten Jahrhunderten haben viele Gelehrte den Gegensatz zwischen den westlichen und östlichen Kulturkreisen, deren geistige und kulturelle Perspektiven sich in vielerlei Hinsicht drastisch unterscheiden, bemerkt und sich aktiv damit auseinandergesetzt. Kultur- und kulturübergreifende Studien haben sich aktiv mit der empirischen Untersuchung dieser globalen Unterschiede befasst. Beim Vergleich der Vereinigten Staaten, der Niederlande und manchmal auch anderer europäischer Länder als Vertreter der westlichen Kultur und Japan und China als Vertreter der östlichen Kultur haben die Forscher viele interessante kulturelle Unterschiede zwischen diesen beiden globalen Kulturen der Welt festgestellt. In der Regel verwiesen sie auf Individualismus und Kollektivismus oder ähnliche gesellschaftliche Konzepte als erklärenden kulturellen Rahmen. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Vereinigten Staaten repräsentativ für alle (so genannten) westlichen Länder sind oder ob Japan (oder China) repräsentativ für andere (so genannte) östliche Länder ist. Was ist mit dem Westen gemeint? Was ist mit dem Osten gemeint? Es gibt zum Beispiel viele Unterschiede zwischen ostasiatischen und südasiatischen Kulturen, zwischen US-amerikanischen und westeuropäischen Kulturen. Zwischen den westeuropäischen Ländern gibt es eine Vielzahl von kulturellen Unterschieden. Daher begannen die Forscher, die globale kulturelle Vielfalt der Welt tiefer zu ergründen. Auf der Grundlage der Dimensionen kultureller Werte (siehe Einzelheiten in den folgenden Abschnitten dieses Buches) identifizierte Schwartz (2014) beispielsweise acht transnationale Kulturregionen der Welt: Englischsprachig, westeuropäisch, ostmittel- und baltisch-europäisch, orthodox- osteuropäisch, lateinamerikanisch, südasiatisch, konfuzianisch geprägt sowie afrikanisch und nahöstlich. Jede dieser transnationalen Regionen ist durch ein
6
1 Vielfalt von Kulturen
t ypisches Muster kultureller Werte gekennzeichnet. Acht Kulturen lassen sich jedoch nicht den erwarteten Regionen zuordnen. Schwartz (2014) wies unter anderem auf kulturelle Unterschiede im „Westen“ hin. Er merkte insbesondere an, dass es nicht ganz angemessen ist, die westliche Kultur als individualistisch zu charakterisieren. Die komplexe Analyse kultureller Orientierungen hat erhebliche Unterschiede innerhalb des Westens aufgezeigt. Schwartz und Ros (1995) stellten bei sechs der kulturellen Wertorientierungen erhebliche Unterschiede zwischen den Stichproben in den Vereinigten Staaten und in Westeuropa fest. In den Vereinigten Staaten waren die Werte Beherrschung, Einbettung und Hierarchie höher, während in den westeuropäischen Ländern intellektuelle Autonomie, Egalitarismus und Harmonie höher waren. Nach der Analyse (Schwartz, 2014) beruhen die transnationalen Regionen auf geografischer Nähe. Daher kann ihre kulturelle Ähnlichkeit aufgrund der grenzüberschreitenden Übertragung von Werten, Normen und Praktiken verstanden werden. Sprache, Geschichte, Religion und andere kulturelle Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle.
1.2.2 Regionale und lokale Kulturen Regionalkulturender Nationen Auch Nationen sind nicht unbedingt einheitliche und monokulturelle Systeme (Smith & Bond, 1999). In diesem Sinne ist es nicht ganz richtig, Indien, Russland, die Vereinigten Staaten und andere multiethnische und multikulturelle Länder als nationale Kulturen zu behandeln. Diese Art der Behandlung verdeckt die Vielfalt ihrer Subkulturen oder sogar verschiedener Kulturen, die in einem Land vereint sind. Die Vereinigten Staaten als Einwanderungsland sind in dieser Hinsicht besonders multikulturell. Es scheint also, dass sich der Begriff der US-amerikanischen Kultur in der Literatur weitgehend auf die Kultur der europäischen US-Amerikaner bezieht. Die Kulturen der Afroamerikaner, der asiatischen US-Amerikaner, der Latinoamerikaner und der amerikanischen Ureinwohner werden manchmal als Kulturen von Minderheiten betrachtet. Das Land Deutschland ist kleiner als die Vereinigten Staaten, dennoch gibt es eine große regionale Vielfalt. Es gibt deutliche Unterschiede zwischen den südlichen, nördlichen und östlichen Landesteilen Deutschlands. So unterscheidet sich beispielsweise München kulturell von Mannheim, z. B. in Bezug auf die Arbeitsethik und das Zeitsystem. Die westdeutschen Industriegebiete, wie Frankfurt, Stuttgart, Düsseldorf und Hamburg, sind aufgrund des internationalen Handels kulturell stärker von anderen Ländern beeinflusst (Hall & Hall, 1990). Einige Regionen, wie z. B. Bayern, haben ihre kulturellen Ursprünge und ziehen es vor, ihr kulturelles Erbe bis zu einem gewissen Grad zu pflegen. Historisch gesehen ist Bayern katholisch (auch wenn die Zahl der Katholiken in letzter Zeit rückläufig ist), während
1.2 Nationale und regionale Kulturen
7
viele andere deutsche Gebiete protestantisch sind. Das bayerische Deutsch hat einen starken Sprachdialekt. Die Franzosen in Nordfrankreich unterscheiden sich auch von den Südfranzosen. Das Wetter und die umliegenden Länder haben Einfluss auf die Kulturen in Nordund Südfrankreich. Nordfrankreich ähnelt bis zu einem gewissen Grad Belgien und Deutschland als nordeuropäische Kulturen, während Südfrankreich eher Italien und Spanien als mediterrane Kulturen ähnelt. Die Menschen im Norden Frankreichs sind etwas zurückhaltender und weniger extravagant als die Südfranzosen. Es ist jedoch anzumerken, dass die jüngsten Migrationsströme in Frankreich die französischen Kulturen noch stärker vermischt haben. In vielen Ländern versuchen die Regionen mit ausgeprägten Kulturen, ihre historischen gesellschaftlichen oder kommunalen Identitäten zu bewahren, so z. B. Bayern in Deutschland, Texas in den Vereinigten Staaten, Quebec in Kanada, Schottland im Vereinigten Königreich und Katalonien in Spanien. Regionale kulturelle Vielfalt in den Vereinigten Staaten In den Vereinigten Staaten gibt es eine große regionale und ethnische Vielfalt in der Bevölkerung. Daher ist es schwierig, die typischen kulturellen Merkmale der US-Amerikaner zu verallgemeinern. Wenn Forscher den Begriff „Amerikaner“ verwenden, beziehen sie sich häufig auf die Menschen, die aus Nord- und Westeuropa stammen. Es handelt sich um gut ausgebildete Menschen aus der Mittelschicht, die in Chicago, New York, Washington, D.C., Los Angeles und San Francisco leben. Andere Grenzen existieren tief im Inneren des nordamerikanischen Territoriums. Es handelt sich um eine importierte Grenze, die sich in einer dynamischen, kontinuierlichen Neukombination von Kulturen ausdrückt. So werden beispielsweise der Norden und der Süden der Vereinigten Staaten als unterschiedliche Kulturen betrachtet (z. B. Vandello & Cohen, 1999; Vandello et al., 2008a, b). Auch andere Regionen der Vereinigten Staaten unterscheiden sich kulturell voneinander. Die kulturellen Werte, Normen und Praktiken der Menschen in den verschiedenen geografischen Regionen eines Landes können sich in mancher Hinsicht unterscheiden, etwa in Bezug auf Individualismus und Kollektivismus oder die Bedeutung der Ehre (Cohen, 2009). Frühere Analysen haben ergeben, dass die Kulturen von Hirtengesellschaften der Ehre tendenziell mehr Bedeutung beimessen als die Kulturen von Agrargesellschaften (Cohen et al., 1996). Auf der Grundlage dieser Tatsache erklären Cohen und seine Kollegen, dass die weiße Bevölkerung im Süden der Vereinigten Staaten historisch gesehen hauptsächlich aus schottisch-irischen Hirtengesellschaften stammt und dass die Werte der Ehre bei Südstaatlern stärker ausgeprägt sind und sie auf Beleidigungen heftiger reagieren. Auf der anderen Seite sind die ursprünglichen weißen Siedler und Einwohner im Norden der Vereinigten Staaten hauptsächlich Nachkommen von Bauern.
8
1 Vielfalt von Kulturen
Die Umfragen ergaben, dass weiße Männer aus den Südstaaten im Vergleich zu Männern aus dem Norden häufiger zu einer gewalttätigen Reaktion neigen, wenn die Ehre einer Person bedroht ist. Sie glauben fest daran, dass es für einen Mann wichtig ist, eine Person zu bekämpfen, die seine Frau beleidigt hat. In den Laborexperimenten zeigte sich, dass das Verhalten weißer Männer aus dem Süden ihre Männlichkeit unterstreicht, dass sie aggressiver und konfrontativer sind und dass sie mit Wut reagieren, wenn sie beleidigt werden. Physiologisch gesehen stieg bei ihnen der Testosteron- und Speichelcortisolspiegel an, also die Hormone, die mit Aggression und Stress in Verbindung gebracht werden. Im Gegensatz dazu reagierten weiße Männer aus dem Norden eher mit Verwirrung, wenn sie beleidigt wurden. Es ist erwähnenswert, dass die Verhaltensmuster in Gebieten des Südens, die sich durch ihr Klima, die Geschichte der Sklaverei oder den sozioökonomischen Status unterscheiden, nicht mit diesen Faktoren in Verbindung gebracht werden. Die Kulturen der sozioökonomischen Klassen spielen eine Rolle bei den geschlechtsrollenspezifischen Normen des Emotionsausdrucks. Zum Beispiel erwartet die Gesellschaft in der mittleren und oberen Mittelschicht der europäischen US-Amerikaner, dass Frauen weniger negative Emotionen wie Wut zeigen (Brody & Hall, 2008). Diese weibliche Regel, Wut zu verinnerlichen, spiegelt die kulturelle Geschlechterrolle der Frau wider, die auf fürsorgliche, zuvorkommende, zwischenmenschliche Beziehungen ausgerichtet ist (Zahn-Waxler et al., 1991). In den einkommensschwachen oder arbeitenden Klassen Amerikas ermutigt die Geschlechterrolle einer Frau jedoch auch dazu, „hart“ auszusehen. Die Sozialisierung von Frauen in diesen sozialen Verhältnissen erlaubt es ihnen daher, ihre Wut offen zu äußern, um sich in einer potenziell unsicheren Umgebung zu schützen (Brown, 1999; Eisenberg, 1999; Miller & Sperry, 1987). Die Nachbarschaft zu Mexiko und die Nähe zu anderen Latino-Ländern können auch die besonderen kulturellen Merkmale der südlichen Teile der Vereinigten Staaten erklären, einschließlich des Sprachgebrauchs. „Spanglish“, eine Mischung aus Spanisch und Englisch, ist in den Latino-Gemeinschaften der Vereinigten Staaten unter Menschen, die mit zwei Sprachen und zwei Kulturen aufgewachsen sind, weit verbreitet (Morales, 2003). „Spanglish“ ist nicht nur eine Sprache, sondern für mexikanische US-Amerikaner auch eine verschmolzene Kultur von „Chicanos“, die sich unter dem Einfluss Mexikos und anderer Latino-Länder, einschließlich Puerto Rico und Kuba, entwickelt hat. Regionale kulturelle Vielfalt in Japan Japan weist auch regionale Unterschiede auf. So untersuchten Kitayama, Ishii, Imada, Takemura und Ramaswamy (2006a) die nördliche Grenzregion Japans (Hokkaido). Die Bewohner dieses „wilden Nordens“ Japans, in dem sich während der Meiji-Regierung Ende des 19. Jahrhunderts arbeitslose Samurai niederließen, weisen gewisse historische Gemeinsamkeiten mit der amerikanischen Wildwest- Grenze auf. Das Streben nach persönlichem Erfolg und Reichtum motivierte die
1.2 Nationale und regionale Kulturen
9
frühen Siedler, an die Grenze zu kommen und ihre Selbstständigkeit zu fördern, um zu überleben. Da die Siedler zielorientiert waren, förderte dies ihren Glauben an innerlich motiviertes Verhalten und Individualismus. US-Amerikanische Autoren (Oyserman et al., 2002) lieferten dieselbe Begründung für den Individualismus in den Vereinigten Staaten, der zum Teil auf die Geschichte der US-amerikanischen Frontier zurückgeht. Forschungen haben gezeigt (Kitayama et al., 2006a, b), dass die Menschen in Hokkaido durchweg ein Verhalten an den Tag legen, das individualistischer ist, als man es für typisch japanisch hält. So zeigen die Bewohner von Hokkaido beispielsweise ein individualistisches Muster der Attribution, bei dem dispositionelle (interne) Faktoren als wichtiger angesehen werden als situative (externe) Faktoren, die das Verhalten verursachen. Diese Unterschiede spiegeln sich im emotionalen Erleben und Ausdruck wider. Während für Japaner traditionell nur sozial einbindende positive Emotionen mit Glück in Verbindung gebracht werden, sind für die Menschen in Hokkaido sowohl nicht einbindende positive Emotionen (z. B. Stolz) als auch sozial-harmoniefördernde Emotionen (z. B. freundliche Gefühle) mit Glück verbunden. Die moderne Wissenschaft ermutigt dazu, den Kulturbegriff zu überarbeiten und über nationale und regionale Kulturen hinauszugehen. Das Konzept der kulturellen Gemeinschaft passt perfekt zum Konzept der Kultur. Gemeinschaften sind die Einheiten, mit denen die Mitglieder ästhetische/expressive, kognitive und moralische Bedeutungen teilen. Durch diese Zugehörigkeit gewinnen sie ein Gefühl der Gruppenidentität und der Identität der Grenze zwischen Mitgliedern und Nicht- Mitgliedern. Solche Gemeinschaften werden symbolisch konstruiert, indem sie in Bedeutungen und Rituale eingebunden sind und die Möglichkeit bieten, soziale Beziehungen im Laufe der Zeit zu konstruieren und zu rekonstruieren (Cohen, 1985). Das moderne Kulturverständnis geht noch weiter, indem es die Beziehungen zwischen den Begriffen Kultur, Gemeinschaft, Lokalität, Transnationalismus und Di aspora im Zeitalter der Globalisierung neu überdenkt. Im modernen Zeitalter der Globalisierung sind transnationale Kulturen – Gemeinschaften über Grenzen hinweg – zu einer weiteren Art von Kultur geworden. Solche kulturellen Gemeinschaften sind nicht durch bestimmte physische Orte begrenzt. Sie sind von der Abhängigkeit von direkten zwischenmenschlichen Beziehungen und der Lokalität befreit und bilden dennoch eine Gemeinschaft von Migranten über Grenzen hinweg (Kennedy & Roudometof, 2002). Regionale kulturelle Vielfalt in Brasilien Die brasilianische Gesellschaftskultur ist hierarchisch und strukturiert. Sie liegt bei Machtdistanz und Unsicherheitsvermeidung über dem weltweiten Durchschnitt und bei Individualismus und Maskulinität im Durchschnitt. Die brasilianische Kultur schafft ein Gleichgewicht zwischen Individuum und Gruppe und zwischen Leistung und Fürsorge. Sie ist durch eine ziemlich langfristige Orientierung gekennzeichnet. Sie schätzt Beharrlichkeit mehr als Tradition (Hofstede et al., 2010).
10
1 Vielfalt von Kulturen
Trotz dieser allgemeinen Gemeinsamkeiten gibt es in Brasilien fünf verschiedene Regionen: • Der Süden: Europäisch und wohlhabend, ist hierarchischer, weniger formell, individualistischer und männlicher (leistungsorientiert). • Der Südosten plus Brasilia: städtisch, industriell, dicht besiedelt und ethnisch gemischt, ist weniger männlich und auch kurzfristiger orientiert. • Der zentrale Westen: eine Grenzregion für Siedler, ist weniger formell. • Der Nordosten: tropisch, koloniales Erbe, arm und afro-brasilianisch, ist weniger hierarchisch, formeller und weniger männlich, d. h. fürsorglicher. • Der Norden: das Amazonasbecken und die Heimat der brasilianischen Ureinwohner, ist sehr informell, kollektivistisch und sehr männlich, was in diesem Fall Durchsetzungsvermögen bedeuten kann. (Hofstede et al., 2010, S. 347–348) Großstädte und Kleinstädte als Kulturen Ein weiterer Punkt regionaler kultureller Unterschiede sind die Unterschiede zwischen Kleinstädten und Großstädten. In dieser Hinsicht kann es länderübergreifend einheitliche Muster geben. So können beispielsweise Kleinstädte in Japan den Kleinstädten in Australien ähnlich sein. Forscher (Kashima et al., 2004) untersuchten diese Theorie, indem sie regionale Unterschiede im Konzept des Selbst in einer großen Metropole (Tokio) und einer regionalen Stadt (Kagoshima) in Japan sowie in einer großen Metropole (Melbourne) und einer regionalen Stadt (Wodonga) in Australien untersuchten. Die Autoren interessierten sich für solche Aspekte des individualistischen Selbst wie Handlungsfähigkeit („Ich handele eher auf der Grundlage meines eigenen Urteils als auf der Grundlage der Entscheidungen anderer“) und Durchsetzungsvermögen („Ich setze mich durch, wenn ich mit anderen Menschen nicht einverstanden bin“) sowie für solche Aspekte des kollektivistischen Selbst wie das relationale Selbst („Ich habe Lust, etwas für Menschen in Schwierigkeiten zu tun, weil ich ihren Schmerz fast spüren kann“) und das kollektive Selbst („Ich würde eher als Mitglied meiner Gruppe handeln als allein als Einzelperson“). Auf nationaler Ebene wurde natürlich festgestellt, dass die Australier individualistischer sind, mit höheren Werten für Handlungsfähigkeit und Durchsetzungsvermögen, im Vergleich zu den Japanern, die ihrerseits höhere Werte für das relationale Selbst und das kollektive Selbst aufweisen. Frauen sind eher beziehungsorientiert als Männer. Interessanter ist jedoch, dass Großstadtbewohner in beiden Ländern ein weniger kollektivistisches Selbst haben als Regionalbewohner. Die oben zitierte Studie ist in Bezug auf die kulturellen Stichproben einzigartig. Leider wurden nur wenige kulturelle Studien über Emotionen in Kleinstädten und ländlichen Gebieten durchgeführt, obwohl man davon ausgehen kann, dass sich die Emotionen von Menschen in städtischen und ländlichen Gemeinschaften unterscheiden.
1.3 Multikulturelle Kulturen
11
1.3 Multikulturelle Kulturen 1.3.1 Ethnische und multiethnische Kulturen Ethnische Kulturen Der ethnische und rassische Hintergrund der Teilnehmer wird traditionell als Grundlage für die kulturelle Unterteilung einer Gesellschaft betrachtet. In US- amerikanischen Studien werden solche demografischen Informationen in der Regel erhoben. Die geringe Stichprobengröße einiger Minderheiten in diesen Studien erlaubt es jedoch nicht immer, die kulturelle Variable der Ethnizität in die Analyse einzubeziehen. Die Variable der ethnischen Zugehörigkeit wird deutlicher, wenn ethnische Unterschiede das Ziel der kulturübergreifenden Forschung sind (z. B. Bray, 1970; Matsumoto, 1993; Phinney & Alipuria, 2006; Tsai et al., 2002; Tsai & Levenson, 1997; Van de Vijver et al., 2015). In vielen anderen Studien wird eine ethnische Kultur als eine Art von Kultur häufig zum Thema soziologischer, psychologischer und anthropologischer Forschung. Ethnische und kulturelle Koexistenz Kulturelle Grenzen werden häufig mit nationalen, staatlichen oder Stammesgrenzen assoziiert, die eindeutig identifizierbar sind. Eine Kultur wird im Allgemeinen mit einem Territorium gleichgesetzt (Delgado-Gaitan & Trueba, 1991; Ewing, 1998; Lugo, 1997). Es wird angenommen, dass ein Forscher kulturelle Besonderheiten erwarten sollte, sobald die verschiedenen Gesellschaften durch Grenzen voneinander getrennt sind. Im modernen Zeitalter der Massenmigration wird dies der Realität oft nicht gerecht. In der modernen Welt sind die Menschen mit verschiedenen Kulturen konfrontiert, die mehr oder weniger miteinander kompatibel sein können. Dennoch neigen benachbarte Kulturen dazu, sich miteinander zu vermischen. Die Vermischung von Kulturen ist heutzutage zur Realität geworden (Hao et al., 2016; Harush et al., 2016; Martin & Shao, 2016). Kulturmischung bezieht sich auf „die Koexistenz von repräsentativen Symbolen verschiedener Kulturen im gleichen Raum zur gleichen Zeit“ als neues Paradigma der Polykulturalität in der Kultur- und Psychologieforschung (Hao et al., 2016). Neben der US-amerikanischen, chinesischen und deutschen Kultur kann es auch eine europäische und kalifornische Kultur geben, die nicht unbedingt mit einer ethnischen Zugehörigkeit verbunden ist. Neben der US-amerikanischen und mexikanischen könnte es eine mexikanisch-amerikanische Kultur geben. Die Kulturen an den nationalen Grenzen vermischen sich manchmal miteinander, manchmal nicht. Das Konzept des kulturellen Grenzlandes wurde vorgeschlagen, um einen Raum zu definieren, in dem zwei oder mehr Kulturen dasselbe Gebiet
12
1 Vielfalt von Kulturen
bewohnen (Foley, 1995). Im Allgemeinen bezieht er sich auf einen psychologischen Raum an der Nahtstelle zweier Kulturen in multikulturellen Gesellschaften. Menschen, die in diesen Ländern Grenzen überschreiten, erleben häufig bikulturelle oder multikulturelle Identitäten und entscheiden, mit welcher Kultur – ihrer Herkunfts- oder Adoptivkultur – sie sich lieber identifizieren möchten. Die mexikanisch- amerikanische Grenze ist ein Beispiel für ein solches Land, in dem einige Schüler das Dilemma erleben, ob sie lieber „Gringo“- (weiße) Poesie oder Chicano-Poesie lesen (Saenz, 1997).
1.3.2 Mischkulturen MultikulturelleDurchmischung Die Vielfalt von Kulturformen, ihre Vermischung und Überschneidung innerhalb einer kulturellen Gruppe und die zunehmende multikulturelle Identität des Einzelnen stellen eine zusätzliche Herausforderung für die Definition von Kultur dar. Verschiedene Formen von Kulturen können entlang ähnlicher wie auch unterschiedlicher kultureller Dimensionen definiert und gemessen werden. Kulturelle Gruppen können eine gemischte Kultur haben, die zu verschiedenen Formen von Kultur gehört: national, sozioökonomisch, religiös, regional und möglicherweise andere. Ebenso sind moderne Individuen seltener monokulturell, sondern eher multikulturell, insbesondere im Zeitalter der Massenmigration. Und dieser Multikulturalismus kann sich nicht nur in einer nationalen oder ethnischen Mischung kultureller Identitäten äußern, sondern auch in einer Mischung aus sozioökonomischem Status, sozialer Klasse, religiöser (oder nicht-religiöser oder atheistischer) Zugehörigkeit und dem Leben in einer bestimmten Region innerhalb eines Landes. In einigen großen oder kleinen dynamischen Gemeinschaften gibt es große Unterschiede hinsichtlich der ethnischen und nationalen Herkunft der zusammenlebenden Menschen (z. B. Van de Vijver et al., 2015). Die Menschen in diesen Gemeinschaften erfahren vielfältige Einflüsse und entwickeln eine polykulturelle Identität. Polykulturalität bedeutet, dass „Individuen Einflüsse aus mehreren Kulturen aufnehmen“ (Morris et al., 2015, S. 631). Multikulturelle Identität Für einige Personen kann es eine Herausforderung sein, sich mit einer kulturellen Identität zu identifizieren, da sie eher eine Mischung aus zwei Kulturen haben. Forscher widmen multikulturellen Menschen heute mehr Aufmerksamkeit (Martin & Shao, 2016), und das Konzept der bikulturellen Identitätsintegration zieht die Aufmerksamkeit der Forscher auf sich (Benet-Martínez & Haritatos, 2005; Harush et al., 2016). Zuwanderer können eine bikulturelle Identität erleben und die Elemente der ethnischen Identität aus ihrer Herkunftskultur beibehalten, während sie
1.3 Multikulturelle Kulturen
13
bereits einige Aspekte der Kultur des Landes, in dem sie jetzt leben, erworben haben. Studien haben starke Belege für die positiven Auswirkungen von Bikultu ralität und bikultureller Integration auf Verhalten und Beziehungen erbracht (z. B. Cheng et al., 2014). Im täglichen Leben kann der Einzelne mehrere kulturelle Identitäten entwickeln und in verschiedenen kulturellen Rollen handeln. Nach der Rollentheorie der Sozialpsychologie handelt ein Individuum in jeder beliebigen Episode seines Alltags aus einer sozial definierten sozialen Kategorie heraus (z. B. Tochter, Vater, Fabrikarbeiter, Großmutter), wobei jede Rolle bestimmte Werte, Verhaltensnormen und Erwartungen erfüllt. Ebenso kann ein Individuum in der Kulturpsychologie in jeder beliebigen Episode seines Lebens aus seiner kulturellen Kategorie heraus handeln, die von der einen oder anderen kulturellen Identität beeinflusst wird. Wenn eine individuelle kulturelle Identität aus verschiedenen Kulturen inkorporiert wird, anstatt voneinander getrennt zu bleiben, dann verschwimmen die kulturellen Grenzen innerhalb einer Person. Chang (1999) gibt anschauliche Beispiele für multikulturelle Menschen mit engen Verbindungen zu Korea, die heute in der pluralistischen US-Gesellschaft leben. „Jean Kohl, eine 9-jährige Tochter eines deutschen Vaters und einer koreanischen Mutter, wurde in den Vereinigten Staaten geboren und wuchs dort auf. Ihre Eltern, die fließend Deutsch bzw. Koreanisch sprachen, sprachen zu Hause hauptsächlich Englisch. „Ich bin Amerikanerin“, verkündete sie, fügte aber oft hinzu, dass sie auch Deutsche und Koreanerin sei. Mehrere Sommer lang reiste sie zu ihren Großeltern mütterlicherseits oder väterlicherseits nach Korea oder Deutschland, wo sie die Kultur und Sprache ihrer Eltern kennenlernte. Das deutsche, koreanische und US-amerikanische Erbe vermischte sich in ihrem kulturellen Repertoire. Wo endet für Jean die „amerikanische“ kulturelle Grenze und wo beginnen andere kulturelle Grenzen? Carrie Baumstein, eine 20-jährige Frau, wurde in Korea geboren und im Alter von 2 Jahren von einem messianisch-jüdisch-amerikanischen Ehepaar adoptiert. Seitdem lebt sie in den USA. Als sie aufwuchs, kam sie nicht viel mit der koreanischen Kultur und Sprache in Berührung, sondern war stattdessen von der jüdischen Tradition ihrer Eltern umgeben. Obwohl sie sich in erster Linie mit der jüdischen Kultur identifizierte, wurde sie von ihren Verwandten und Nachbarn oft an ihre koreanische – oder asiatische – Abstammung erinnert. Sie war auf der Suche nach ihrer asiatischen Identität, als sie ein kleines christliches College an der Ostküste besuchte. Wo liegen für Carrie die kulturellen Grenzen zwischen Koreanern und Amerikanern und zwischen messianischen Juden und Christen? Der 15-jährige Peter Lee wurde als Sohn koreanischer Einwanderer in den USA geboren. Seine Eltern besitzen und betreiben eine chemische Reinigung in einem Vorort von Philadelphia. Ihr Englisch ist für das Geschäft ausreichend, aber bei allen anderen Gelegenheiten sprechen sie lieber Koreanisch. Peters Familie besucht regelmäßig eine koreanische Kirche, die in der Regel sowohl als kulturelle als auch als religiöse Gemeinschaft dient. Peters Koreanischkenntnisse sind so begrenzt, dass er normalerweise Englisch spricht, obwohl seine Eltern mit ihm Koreanisch sprechen. In seinen Gedanken und in seinem Herzen ist er definitiv Amerikaner, vielleicht auch gelegentlich ein koreanischer Amerikaner. Aber dass er koreanisch-amerikanische Gleichaltrige gegenüber anderen bevorzugt, ist ein merkwürdiges Phänomen. Wo liegt für Peter die kulturelle Grenze zwischen dem Koreaner und dem „Amerikaner“? Elaine Sook-Ja Cho, 50 Jahre alt, wanderte vor 30 Jahren in die USA ein und heiratete einen 10 Jahre älteren koreanischen Junggesellen. Ihr Mann kam als Student in die USA und fand nach Abschluss seines Studiums eine Anstellung. Elaine war 20 Jahre lang Hausfrau, bevor sie einen kleinen Lebensmittelladen eröffnete. Sie spricht „Konglish“ (eine
14
1 Vielfalt von Kulturen ischung aus koreanischem Satzbau und englischen Wörtern), aber es scheint ihr leicht zu M fallen, Englisch zu sprechen. In ihrem Herzen ist sie Koreanerin, aber in ihren eigenen Worten und durch ihren Lebensstil „amerikanisiert“. Wie weit reicht für Sook-Ja die koreanische kulturelle Grenze, um auf die „amerikanische“ Kultur zu treffen? (Chang, 1999, S. 4)“
Was ist die kulturelle Typologie dieser Personen? Wie würden sie täglich die kulturellen Grenzen überschreiten? Wäre es möglich, morgens koreanisch, mittags deutsch, nachmittags „amerikanisch“ und abends wieder koreanisch zu sein? Diese kulturellen Unterschiede innerhalb von Gruppen und Individuen stellen eine zusätzliche Herausforderung für kulturübergreifende Studien dar. Einige kulturelle Merkmale können in den Köpfen der Menschen zu einem bestimmten Zeitpunkt nur unvollkommen repräsentiert und verfügbar sein (Adams & Markus, 2004). Eine weitere Herausforderung für die Forschung ist die Definition von Kultur in der heutigen Zeit, in der eine Mischung von Kulturen und deren Vermischung ein schnelles Wachstum und eine rasche Ausbreitung erfahren.
1.4 Die Kulturen des sozioökonomischen Status und der sozialen Klasse 1.4.1 Soziale und wirtschaftliche Kulturen innerhalb der Länder Vielfalt von kulturellen Gruppen innerhalb nationaler Kulturen Es gibt eine Vielzahl von Kulturformen, die nach Kriterien wie demografischem Hintergrund, sozioökonomischem Status und sozialer Schicht klassifiziert werden können. Die Menschen, die bestimmte kulturelle Rahmenbedingungen teilen und zu solchen Gruppen gehören, können als Kulturen oder Subkulturen betrachtet werden. Sie haben verschiedene Arten von Gruppenzugehörigkeit und -dynamik, die als kulturell unterschiedlich angesehen werden können und kulturelle Vielfalt demonstrieren. Andere Arten von Kulturen sind möglich. Hier sind einige Beispiele. Basierend auf der Geschlechtszugehörigkeit kann es sich um eine Kultur der Männlichkeit (Basso et al., 2013; Gilmore, 1990; Vandello et al., 2008a, b) bzw. eine Kultur der Weiblichkeit (z. B., Hancock, 2019; Rapoport & El-Or, 1997; Roberts, 2002; Underwood, 1985) handeln mit androgynen und LGBT-lesbischen, schwulen, bisexuellen und Transgender-Kulturen (z. B. Driver, 2008; Herdt, 1997; Ramet, 2002) dazwischen oder darüber hinaus. Es gibt Kulturen entsprechend den Alters- und Generationenunterschieden (z. B. Baker et al., 2015; Brake, 1985; Bucholtz, 2002; Hodkinson, 2016; Hodkinson & Deicke, 2007; Nilan & Feixa, 2006) sowie verschiedene Kulturen, die mit Kunst, Musik und anderen Arten von Aktivitäten und Interessen verbunden sind. Sie werden oft als Subkulturen bezeichnet (Gelder, 2007; Hodkinson & Deicke, 2007). Angesichts dieser vielfältigen Verwendung und relativ mehrdeutigen Auslegung des Konstrukts Kultur begannen einige Autoren zu bezweifeln, dass Kultur ein
1.4 Die Kulturen des sozioökonomischen Status und der sozialen Klasse
15
g eeignetes Konzept für die kulturübergreifende Forschung ist (siehe Fischer & Poortinga, 2018; Poortinga, 2015). In der Tat weichen die moderne Definition und Operationalisierung von Kultur von der ursprünglichen (ebenfalls vielfältigen) ab. Es könnte an der Zeit sein, sie neu zu bewerten und zu überarbeiten. In der Zwischenzeit könnte eine gute andere Lösung darin bestehen, dass die Autoren den Begriff der Kultur in ihren Texten konzeptionell und operativ definieren, entsprechend der Bedeutung, die sie im Sinn haben. Sozioökonomische und soziale Klassen als kulturelle Gruppen Die soziale Klasse und der sozioökonomische Status als Formen von Kulturen verdienen besondere Beachtung, weil sie eine große Variation in den Werten, Überzeugungen, Normen und Praktiken darstellen, die von großen Gruppen von Menschen geteilt und von Generation zu Generation weitergegeben werden (Cohen, 2009). In dieser Hinsicht sind sie mit Nationalität und ethnischer Zugehörigkeit vergleichbar. Sozioökonomische und soziale Klassen können als kulturelle Gruppen betrachtet werden, da sie sich in ihren Werten, Normen und Praktiken unterscheiden. Einzelpersonen in diesen kulturellen Gruppen haben ähnliche Ansichten zu vielen Aspekten des Lebens. So bevorzugen beispielsweise Menschen mit hohem sozioökonomischem Status im Allgemeinen Rockmusik, während Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status Country-Musik bevorzugen. Was sagt uns das über diese Kulturen? Der Inhaltsanalyse zufolge betont die Rockmusik die Selbstverwirklichung und die Anpassung an die Welt. Die Country-Musik hingegen betont eher die Anpassung an Herausforderungen und die Beibehaltung von Widerstandsfähigkeit und Integrität (Snibbe & Markus, 2005).
1.4.2 Forschung über soziale und wirtschaftliche Kulturen npassungs- und Kontrollüberzeugungen in Verbindung mit dem A sozioökonomischen Status Was die allgemeine Lebensauffassung angeht, so respektiert die Kultur mit hohem sozioökonomischem Status die Werte Kontrolle und Handlungsfähigkeit, während die Kultur mit niedrigem sozioökonomischem Status die Werte Flexibilität, Integrität und Widerstandsfähigkeit bevorzugt. Menschen mit einem hohen sozioökonomischen Status glauben, dass sie in der Lage sind, andere zu beeinflussen und ihr Umfeld zu kontrollieren. Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status glauben, dass sie ihr Umfeld nicht kontrollieren können und sich daher an ihre Umgebung anpassen und ihre Integrität bewahren müssen (Snibbe & Markus, 2005). Daher legen sie in Zeiten von Widrigkeiten großen Wert auf Resilienz, im Gegensatz zu Menschen mit hohem sozioökonomischem Status, die sich darauf konzentrieren,
16
1 Vielfalt von Kulturen
ihre Umwelt zu verändern. So sind Menschen aus einer niedrigeren sozialen Schicht möglicherweise weniger motiviert, ihre gesundheitlichen Probleme zu lösen, und halten dies für einen angemessenen Weg, mit ihnen umzugehen. Sie passen sich eher mit Integrität an ihre Gesundheitsprobleme an. Darüber hinaus korreliert ein niedriger sozioökonomischer Status mit einer hohen Religiosität. Daher glauben Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status möglicherweise, dass ihre Gesundheitsprobleme Gottes Wille sind und eine größere Bedeutung haben (Cohen, 2009). Somit kann die unterschiedliche kulturelle Zugehörigkeit zu einer unterschiedlichen Interpretation der Daten und kulturellen Variablen führen. ulturelle Unterschiede zwischen sozioökonomischen Status sind größer K als zwischen Ländern Betrachten wir ein weiteres Beispiel für kulturübergreifende Forschung unter Berücksichtigung des sozioökonomischen Status. Forscher (Haidt et al., 1993) verglichen Erwachsene und Kinder mit höherem und niedrigerem sozioökonomischem Status in drei Städten in den Vereinigten Staaten und in Brasilien. Sie baten die Teilnehmer, Handlungen zu beurteilen, die in hohem Maße respektlos oder ekelerregend waren, auch wenn sie anderen nicht schadeten. Die Autoren fanden heraus, dass Brasilianer diese Handlungen unmoralischer beurteilten als US-Amerikaner. Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status in beiden Ländern bewerteten diese Handlungen als unmoralisch und nicht als Verstoß gegen eine gesellschaftliche Konvention oder eine persönliche Entscheidung. Besonders wichtig ist, dass die Unterschiede aufgrund des sozioökonomischen Status größer waren als die Länderunterschiede. Die kulturelle Dimension des Individualismus kann auch von der sozialen Schicht und den sozialen und wirtschaftlichen Lebensbedingungen abhängen. Daher ist die Verallgemeinerung des Individualismus als kulturelles Merkmal der Vereinigten Staaten möglicherweise nicht ganz angemessen, und andere gesellschaftliche und kulturelle Faktoren spielen eine Rolle. Snibbe und Markus (2005) fanden beispielsweise heraus, dass das Streben nach Einzigartigkeit und Selbstdarstellung für US-Amerikaner mit einem hohen sozioökonomischen Status wichtiger ist als für Menschen mit einem niedrigen sozioökonomischen Status. Andere Studien deuten ebenfalls darauf hin, dass Individualismus für US-Amerikaner mit hohem sozioökonomischem Status eher ein beschreibender Wert ist als für solche mit niedrigem sozioökonomischem Status (Kraus et al., 2009; Stephens et al., 2007). Auf der anderen kulturellen Seite ist der Individualismus auf den Philippinen, in China und Japan – die traditionell als kollektivistische Kulturen gelten – bei Menschen mit hohem sozioökonomischem Status höher als bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status (Guthrie, 1977; Hamamura et al., 2013; Kameda et al., 2005). Diese Auswirkung des sozioökonomischen Status auf die kulturelle Dimension des Individualismus wurde also kulturübergreifend identifiziert und festgestellt.
1.5 Religiöse Kulturen
17
Sozioökonomische Entwicklung und Emotionen Einige Studien (z. B. Arrindell et al., 1997; Basabe et al., 2000; Diener et al., 1995; Wallbott & Scherer, 1988) haben ergeben, dass das subjektive Wohlbefinden und das Erleben positiver Emotionen stark mit der sozioökonomischen Entwicklung und dem hohen Einkommen in den Ländern verbunden sind. In weniger entwickelten Ländern nehmen die Menschen das soziale Leben als sozial belastender und unkontrollierbarer wahr. Infolgedessen erleben sie weniger angenehme Emotionen.
1.5 Religiöse Kulturen 1.5.1 Religion als Kultur Kulturelle Natur der Religion Religion ist die Suche nach Bedeutung im Zusammenhang mit heiligen Dingen, d. h. Dingen, die Gläubige als „heilig, vom Gewöhnlichen ‚abgehoben‘ und der Verehrung und des Respekts würdig“ (Pargament et al., 2005, S. 668) wahrnehmen. Der Glaube an die mächtige und barmherzige Natur Gottes und die Gebete wirken sich auf das emotionale Wohlbefinden aus und führen zu einer starken emotionalen Erfahrung der Nähe zum Heiligen (Silberman, 2005), die sich auf entsprechende emotionale Einstellungen gegenüber anderen Menschen überträgt. Solche emotionalen Dispositionen wie Liebe, Hoffnung, Dankbarkeit, Demut, Vergebung und Selbstbeherrschung werden in muslimischen, hinduistischen, buddhistischen, christlichen und jüdischen Traditionen hoch geschätzt und sind umfassend untersucht worden (Emmons & Paloutzian, 2003). Alle Religionen bestehen aus (1) Erkenntnissen und Überzeugungen, die sich auf die Wahrnehmung der Transzendenz durch die Menschen beziehen, (2) moralischen Regeln und Praktiken, (3) individuellen und kollektiven Ritualen sowie Emotionen, die eine enge Verbundenheit der Menschen untereinander und mit der Transzendenz schaffen, und (4) dem Gefühl der persönlichen Identifikation mit äußerst wertvollen und zeitlosen Gruppen (Saroglou, 2011). Zu diesen Bestandteilen aller Religionen im Laufe der Geschichte (auch der nichttheistischen Religionen) gehören (1) Glaube, (2) Verhalten, (3) Bindung und (4) Zugehörigkeit. Sie sind in allen Religionen vorhanden, wobei sie in den verschiedenen kulturellen und religiösen Gruppen variieren. Religion im kulturellen Kontext der Nation Religion wird häufig als eine von der allgemeinen Kultur losgelöste Kategorie betrachtet. Einige Wissenschaftler sind der Meinung, dass diese Tendenz die westliche, vom Christentum beeinflusste Voreingenommenheit widerspiegelt. Sie sind
18
1 Vielfalt von Kulturen
der Meinung, dass Religion die kulturellen Dimensionen von Gesellschaften wesentlich beeinflusst, aber in der kulturübergreifenden Psychologie eine übersehene Dimension ist (Cohen, 2009; McCutcheon, 1995; Tarakeshwar et al., 2003; Tsai et al., 2013). Religiöse Kulturen ähneln den nationalen Kulturen, unterscheiden sich aber auch in wichtigen Punkten von ihnen. Wie nationale und ethnische Kulturen kann auch die Religion als eine Form von Kultur und kulturellem System betrachtet werden (Cohen, 2009; Saroglou & Cohen, 2013). Religionen können auch zu Subkulturen in ein und demselben Land werden. So ist beispielsweise der Hinduismus eine Subkultur der breiteren indischen Kultur. Eine religiöse Rahmenbedingung der Kultur korreliert mit anderen kulturellen Dimensionen. Diese Korrelationen machen es schwierig, eine besondere Rolle der Religion von anderen kulturellen Dimensionen zu unterscheiden. Religiöse Gruppen als Kulturen Es ist schwierig, Religion als einheitliches kulturelles Konstrukt oder Dimension zu definieren, da sie eine Vielzahl kultureller Gruppen umfasst, wie den monotheistischen Islam, das Judentum, das Christentum, den polytheistischen Hinduismus, den Taoismus, den Shintoismus oder den atheistischen Buddhismus. Sie stellen eine Reihe von Werten, Glaubensvorstellungen, Praktiken und Symbolen dar, die eine durchdringende, kraftvolle und dauerhafte Stimmung und Motivation schaffen, die in einer großen Gruppe von Menschen ähnlich ist. Sie formulieren Vorstellungen einer universellen Existenz mit einer Aura von Fakten, die die Stimmungen und Motivationen einzigartig realistisch machen (Geertz, 1973, S. 90). Religion kann als eine Reihe kultureller religiöser Gruppen und nicht als eine einzige, einheitliche Dimension betrachtet werden, und jede Gruppe kann in verschiedenen kulturellen Dimensionen analysiert werden. Tarakeshwar et al. (2003) schlugen zum Beispiel einen fünfdimensionalen Rahmen für Religion vor, der ideologische, rituelle, erfahrungsbezogene, intellektuelle und soziale Dimensionen umfasst. Die Autoren schlagen diesen Rahmen für die kulturübergreifende Erforschung von Religion vor.
1.5.2 Eine kulturübergreifende Perspektive auf die Religion Kulturelle Dimensionen von Religionen Die Forscher konnten mehrere Hauptdimensionen der Religiosität identifizieren (siehe Saroglou & Cohen, 2013), die in vielen Religionen und Konfessionen mit einigen kulturellen Unterschieden anzutreffen sind. Bei Muslimen, Christen, Juden
1.5 Religiöse Kulturen
19
und Hindus wird zwischen fundamentalistischen (orthodoxen) und suchenden Ausdrucksformen religiöser Überzeugungen und Praktiken unterschieden. Intrinsische und extrinsische religiöse Orientierungen werden bei Katholiken, Protestanten, Orthodoxen, Muslimen und Juden unterschieden. Die Dimension der organisierten traditionellen Religiosität gegenüber der modernen individuellen Spiritualität existiert in vielen kulturellen Kontexten. Die mystische Dimension der Religion, die sich auf die Spiritualität der Mystiker konzentriert, ist in vielen Religionen verbreitet. Die mystischen Erfahrungen scheinen zwischen US-amerikanischen Christen und iranischen Muslimen sowie der Religiosität israelischer Juden, indischer Hindus und tibetischer Buddhisten ähnlich zu sein (siehe Saroglou & Cohen, 2013, für eine detaillierte Übersicht). I nteraktion von religiösen und kulturellen Rahmenbedingungen in der Gesellschaft Religionen stehen in Wechselwirkung mit anderen kulturellen Rahmenbedingungen, die das kulturelle und emotionale Leben der Menschen beeinflussen. Nationale und ethnische Kulturen können eng mit religiösen Kulturen verbunden sein. Die europäischen US-Amerikaner beispielsweise sind eine individualistische Kultur und gehören weitgehend dem Christentum an (Protestanten sind ebenfalls Individualisten). Die Japaner hingegen sind eine kollektivistische Kultur und gehören in der Regel den östlichen Religionen an (Buddhisten sind ebenfalls Kollektivisten). Die kulturellen Unterschiede zwischen dem Westen und dem Osten sind tiefgreifend und über Jahrhunderte hinweg stabil, was teilweise auf die religiösen Aspekte ihres kulturellen Erbes zurückzuführen ist. Religiöse Menschen sind im Allgemeinen auch stärker voneinander abhängig als Nicht-Religiöse (Cohen & Rozin, 2001; Cukur et al., 2004; Triandis, 1995), doch unterscheiden sich die Religionen in ihrem Grad der Interdependenz, je nachdem, ob sie monotheistisch (eher unabhängig) oder nicht-theistisch (eher abhängig) sind. Die protestantischen Gesellschaften sind meist individualistisch und egalitär, die konfuzianischen Gesellschaften sind in der Regel kollektivistisch, und die islamischen Gesellschaften sind in der Regel hierarchisch (Basabe & Ros, 2005). Historisch gesehen hat die Religion häufig die kulturellen Muster von Nationen geprägt (Norris & Inglehart, 2004), obwohl auch der umgekehrte Einfluss stattfand. Die Kultur eines Landes hat die religiöse Entwicklung auf eine bestimmte Weise beeinflusst. Anthropologische Studien haben zum Beispiel gezeigt (Wikan, 1988), dass der Islam in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Werte vertreten kann. Die Religion entsteht durch die Veränderung und Umwandlung der Kultur. Auch wenn die muslimischen Gemeinschaften in den Ländern Bali und Ägypten eine gemeinsame Religion haben und denselben islamischen Glaubensvorstellungen folgen, sind sie doch mit ihren kulturellen Bräuchen im Einklang.
20
1 Vielfalt von Kulturen
1.5.3 Religiöse Lehren über Emotionen Religiöse kulturelle Normen der Emotionen Religiöse kulturelle Traditionen beeinflussen wesentlich die emotionalen Werte der Menschen (Emmons, 2005; Silberman, 2005; Snibbe & Markus, 2002) und lehren sie, welche Gefühle und Handlungen tugendhaft, moralisch, gut und wünschenswert sind und was ein idealer Affekt ist. Religiöse Kulturen lehren auch, welche Gefühle und Verhaltensweisen unmoralisch, sündhaft und unerwünscht sind und daher vermieden werden sollten, und was ein vermiedener Affekt ist (Koopmann-Holm, 2013; Tsai, 2007; Tsai et al., 2006, 2013). Religionen schreiben nicht nur vor, welche Emotionen angemessen sind, sondern auch, welche zu bevorzugen sind, wie intensiv sie sein sollten (Silberman, 2005) und wie eine Person intensive positive Emotionen kultivieren und negative Emotionen regulieren kann. Im Allgemeinen bevorzugen Menschen die Erfahrung positiver emotionaler Zustände. Allerdings wollen sie das Erleben negativer emotionaler Zustände eher vermeiden als das positiver Zustände. Es gibt kulturelle und religiöse Unterschiede darin, wie Menschen bestimmte Gefühle vermeiden wollen (Koopmann-Holm, 2013). Die Studien darüber, wie sich kulturelle Aspekte verschiedener Religionen auf das Gefühlsleben der Menschen auswirken, verdeutlichen die Vielfalt der Liebeserfahrung, da die Liebe ein zentraler Grundsatz vieler religiöser Überzeugungen ist. Der Wert positiver und negativer Emotionen in religiösen Kulturkreisen Viele Religionen legen Wert auf Traditionen und sind recht konservativ, was zur Mäßigung bei der Suche nach Vergnügen, Neuem und Aufregendem anregt. Katholiken, Protestanten, Griechisch-Orthodoxe, Juden und Muslime raten – mehr oder weniger stark – von emotionalen Werten wie Neuheit, Veränderung und dem Streben nach Vergnügen im Leben ab (Schwartz & Huismans, 1995; Saroglou et al., 2004). Eine Studie unter niederländischen Katholiken, niederländischen Protestanten, niederländischen Konfessionslosen und israelischen Juden zeigte, dass die Religion traditionelle Motivation begünstigt und hedonistische Motivation hemmt (Huismans & Schwartz, 1992). Eine gewisse kulturelle Variabilität ist nach wie vor zu erkennen. Den lexikalischen Inhaltsanalysen zufolge fördern christliche Texte häufiger als klassische buddhistische Texte positive Zustände mit hohem Erregungsgrad. Die Ergebnisse empirischer Studien stehen im Einklang mit kulturübergreifenden Unterschieden in der Bedeutung positiver Emotionen mit hohem bzw. niedrigem Erregungszustand in nordamerikanischen (vorwiegend christlichen) und ostasiatischen (vorwiegend buddhistischen) Kulturen (Tsai et al., 2006). Nach den alten Grundlagentexten – den Evangelien im Christentum und dem Lotus-Sutra im Buddhismus – sowie nach den typischen Praktiken in den beiden Religionen werden positive Emotionen mit hohem Erregungsgrad, wie z. B. Aufregung,
1.5 Religiöse Kulturen
21
höher bewertet, während positive Emotionen mit niedrigem Erregungsgrad, wie z. B. Ruhe, im Christentum weniger geschätzt werden als im Buddhismus. Diese Unterschiede entsprechen den Daten aus empirischen Studien. Beim Vergleich des idealen Affekts von christlichen und buddhistischen Praktizierenden fanden Forscher (Tsai et al., 2007) heraus, dass christliche und buddhistische Texte und Praktiken den idealen Affekt tatsächlich beeinflussen. Die Ergebnisse zeigten, dass christliche Praktizierende positive Affektzustände mit hoher Erregung mehr und positive Affektzustände mit niedriger Erregung weniger schätzen als buddhistische Praktizierende (Tsai et al., 2007). Der Wert bestimmter Emotionen Bei der Untersuchung der Erwünschtheit von Liebe, Glück, Stolz, Dankbarkeit, Traurigkeit, Schuld, Scham, Wut und Eifersucht stellten die Forscher fest, dass Christen häufiger als Muslime und Buddhisten das Gefühl haben, Liebe idealerweise und wirklich zu erleben. Muslime hingegen empfinden Scham und Traurigkeit häufiger als Christen, Juden, Buddhisten und Hindus als ideal und real. Buddhisten empfinden im Vergleich zu Christen, Juden, Hindus und Muslimen bei allen emotionalen Erfahrungen weniger Tiefen oder Spitzen (Kim-Prieto & Diener, 2009). Dem Buddhismus zufolge ist das Leben voller Sorgen, Kummer und Leiden. Der beste Weg, dieses Leiden zu beenden, ist, „Erleuchtung“ zu erlangen (Smith, 1991). Die kulturellen Normen für Emotionen in ein und derselben Religion können von Land zu Land unterschiedlich sein. So haben beispielsweise Muslime auf Bali und in Ägypten eine unterschiedliche Einstellung zum Ausdruck von Emotionen (Wikan, 1988). Die Balinesen betrachten Gefühlsausdrücke als Bedrohung für andere und sich selbst, die das Urteilsvermögen beeinträchtigen. Die Ägypter betrachten Gefühlsäußerungen als kulturelle Norm, die für eine positive Gesundheit unerlässlich ist. Auch die emotionalen Reaktionen auf den Tod sind in den beiden Kulturen unterschiedlich. Die Menschen auf Bali reagieren auf den Tod eines Kindes mit ruhigen Emotionen, während in Ägypten heftige emotionale Reaktionen ausgelöst werden.
1.5.4 Einfluss von Religionen auf das Erleben und den Ausdruck von Emotionen Religionen und die Erfahrung spezifischer Emotionen Religiöse Kulturen haben die Emotionen von Gläubigen schon immer tiefgreifend beeinflusst und ihr emotionales Erleben, ihren Ausdruck und ihre emotionale Gesundheit beeinflusst (Saroglou, 2010, 2011; Tsai et al., 2013). Die emotionale Erfahrung der Dankbarkeit ist vielleicht am engsten mit der Religiosität verbunden. Eine kulturübergreifende Studie (McCullough et al., 2002)
22
1 Vielfalt von Kulturen
ergab, dass religiöse Menschen nach Selbst- und Fremdeinschätzung dazu neigen, in ihrem Leben eine dankbare Haltung einzunehmen. Im Christentum sind Dankbarkeit, dankbare Freude und Liebe zu Gott seit jeher Zeichen einer echten emotionalen Erfahrung. Menschen mit einem hohen Maß an Spiritualität erleben mehr Dankbarkeit in ihrer täglichen Stimmung (McCullough et al., 2002). Eine kleine Studie unter katholischen Priestern und Nonnen (Samuels & Lester, 1985) zeigte, dass von 50 Emotionen Dankbarkeit und Liebe zu Gott am häufigsten erlebt werden. Andere Religionen wie der Buddhismus, der Hinduismus, der Islam und das Judentum legen großen Wert auf Dankbarkeit, die eine wünschenswerte und wichtige emotionale Einstellung für ein gutes Leben ist (Emmons & Crumpler, 2000; Kim-Prieto & Diener, 2009). Religion kann auch die Erwünschtheit anderer prosozialer Emotionen beeinflussen; so schätzen religiöse Menschen in verschiedenen Religionen den Wert des Verzeihens höher ein als nicht-religiöse Menschen (Rokeach, 1973). Wir sollten jedoch eine mögliche Variation in der Bedeutung der Vergebung in religiösen Kulturen im Auge behalten (Cohen et al., 2006). Es scheint, dass Schuldgefühle und Ängste die Gläubigen im Katholizismus stärker antreiben als im Protestantismus (Patock-Peckham et al., 1998). In den Vereinigten Staaten sind Protestanten in ihren Persönlichkeitsmerkmalen emotional positiver, z. B. mit hoher Extraversion und niedrigem Neurotizismus, und fühlen sich weniger unwohl mit der Offenheit für Erfahrungen, verglichen mit Katholiken in Europa (Saroglou, 2010). Protestantische Paare haben weniger negative emotionale Auswirkungen einer Scheidung auf ihr Wohlbefinden als katholische Paare (Clark & Lelkes, 2005). In Deutschland haben Protestanten auch ein höheres Vertrauen als Katholiken, und sowohl Protestanten als auch Katholiken haben ein höheres Vertrauen als nicht religiöse Menschen (Traunmiiller, 2011). Protestanten stimmen dispositionellen (internen und persönlichen) Zuschreibungen von Situationen und Emotionen mehr zu als Katholiken (Li et al., 2012). Die Unterschiede sind sogar noch größer, wenn man verschiedene Religionen vergleicht. Menschen, die sich mit einer christlichen oder buddhistischen Religion identifizieren, schätzen positive Zustände mit geringem Erregungszustand mehr als Menschen, die dies nicht tun. Außerdem bevorzugen Christen positive Zustände mit hohem Erregungszustand mehr und positive Zustände mit niedrigem Erregungszustand weniger als Buddhisten (Tsai et al., 2007). Religionen und Wohlbefinden Menschen, die religiösen Überzeugungen folgen und sich an religiösen Praktiken beteiligen, sind tendenziell zufriedener und glücklicher. Sie erleben täglich mehr positive Gefühle (Koenig, 2001; Koenig et al., 2004). Sie sind hoffnungsvoller und haben ein sinnvolles Ziel im Leben. Sie haben weniger Angst, empfinden weniger depressive Symptome und sind weniger anfällig für depressive Episoden (Koenig, 2001; Koenig et al., 2004; Masters & Hooker, 2013; Park & Slattery, 2013). Die Studien, in denen physiologische Messwerte verwendet
1.5 Religiöse Kulturen
23
wurden, zeigten auch, dass religiöse Praxis das Wohlbefinden fördert (Davidson et al., 2003; Inzlicht & Tullett, 2010). Es ist jedoch zu beachten, dass einige Religionen nicht denselben idealen Affekt haben wie andere und das Wohlbefinden in verschiedenen religiösen Kulturen unterschiedlich interpretieren (Tsai et al., 2013). Andere nationale und religiöse Kulturen haben möglicherweise andere gewünschte oder ideale emotionale Zustände. So sind beispielsweise positive Zustände mit hoher Erregung, wie Enthusiasmus und Aufregung, für Christen ein geeignetes Maß für emotionales Wohlbefinden, während sie für Buddhisten unangemessen sein können (Tsai et al., 2007). Diese kulturellen Unterschiede stellen eine Herausforderung bei der Interpretation empirischer Daten dar, da emotionale Zufriedenheit aus dem Erreichen eines hohen Niveaus des idealen Affekts resultieren kann, oder aber aus dem Absenken des idealen Affekts. Religiöse Lehre über den Ausdruck von Emotionen Unterdrücken Religionen Gefühle, wie die Psychoanalyse annahm? Freud betrachtete die Sublimierung als einen Abwehrmechanismus, bei dem unannehmbare Triebe in kreative Aktivitäten umgelenkt werden (Freud, 1905/2000). In einer Reihe von Studien untersuchten Kim et al. (2013) die Unterdrückung von Wut und deren Folgen für die Sublimierung. Die Forscher baten katholische, protestantische und jüdische Teilnehmer, sich entweder an ein wutauslösendes Ereignis zu erinnern und das Denken daran zu unterdrücken, oder sich an ein wutauslösendes Ereignis zu erinnern und das Denken an ein anderes harmloses Thema (z. B. ein Pferd) zu unterdrücken, oder sich an ein neutrales Ereignis zu erinnern und das Denken an ein harmloses Thema zu unterdrücken. Dann baten die Forscher die Teilnehmer, sich mit kreativen Aufgaben zu beschäftigen (z. B. eine Collage anzufertigen, eine Skulptur zu gestalten oder Bildunterschriften für Cartoons zu verfassen). Die Ergebnisse zeigten, dass die Unterdrückung von Wut bei katholischen und jüdischen Teilnehmern keinen Einfluss auf die Kreativität hatte, während die Unterdrückung des Denkens an einen Wut auslösenden Vorfall bei Protestanten viel kreativere und wütendere Kunstprodukte hervorrief (nach Meinung der Expertenrichter; Tsai & Clobert, 2019, S. 308). Diese Ergebnisse zeigen, dass die Unterdrückung von Emotionen nützlich ist, die Folgen und das Produkt der unterdrückten Emotionen jedoch von Religion zu Religion variieren. Mehrere andere Studien haben die Rolle religiöser Werte für das Erleben und den Ausdruck von Emotionen aufgezeigt. Auch wenn es eine weit verbreitete Meinung gibt, dass der Protestantismus und der muslimische Glaube sowie das insgesamt höhere Maß an Religiosität und Orthodoxie die Unterdrückung von Emotionen fördern, stützen empirische Studien diese Vorstellung nicht (Van Hemert et al., 2007; Veenhoven, 1994). Entgegen der Hypothese, dass „Länder mit einem höheren Anteil an Protestanten ein geringeres Maß an positiven Emotionen aufweisen“ (Van Hemert et al., 2007,
24
1 Vielfalt von Kulturen
S. 918), ergab die Meta-Analyse, dass ein höherer Prozentsatz an Protestanten positiv mit den Selbstberichten über positive Emotionen korreliert. Entgegen der Hypothese, dass „Länder mit einem höheren Anteil an Muslimen ein niedrigeres Niveau des allgemeinen Gefühlsausdrucks aufweisen“ (Van Hemert et al., 2007, S. 918), ergab die Meta-Analyse, dass der Anteil der Muslime in einem Land nicht signifikant mit kulturellen Unterschieden im Gefühlsausdruck korreliert. Insgesamt wurde die Erwartung, dass „Länder mit einem höheren Grad an Religiosität möglicherweise restriktiver im Ausdruck von Emotionen sind“ (Van Hemert et al., 2007, S. 918), nicht bestätigt. Die Ergebnisse der Meta-Analyse zeigten, dass „der Ausdruck von Emotionen und insbesondere von positiven Emotionen in religiöseren Ländern höher war“ (Van Hemert et al., 2007, S. 933). Religiöse Lehren zur Emotionsregulierung Verschiedene religiöse Traditionen haben Techniken zur Emotionsregulierung entwickelt, die die alltägliche emotionale Erfahrung der Menschen modulieren können (Schimmel, 1997; Watts, 1996). Insbesondere fördern viele spirituelle Traditionen die Kultivierung transpersonaler Zustände (McCraty et al., 1998). Zen-Meditation bringt positive emotionale Vorteile mit sich (Gillani & Smith, 2001). Die kontem plative Tradition ermutigt dazu, Emotionen zu regulieren, indem man die Leidenschaften beruhigt und emotionale Gelassenheit entwickelt. In einigen Religionen legt die asketische Sichtweise (Allen, 1997) ein größeres Bewusstsein für Emotionen und kreative Wege zum Ausdruck von Emotionen nahe. Religionen bieten spirituelle Begründungen und Methoden für den Umgang mit störenden Emotionen wie Schuld, Depression und Wut. Christliche und jüdische Lehren beispielsweise haben traditionell Wege aufgezeigt, wie man Wut, Stolz, Neid und andere zerstörerische Emotionen beherrschen kann (Schimmel, 1997).
Literatur Adams, G., & Markus, H. R. (2004). Toward a conception of culture suitable for a social psychology of culture. In M. Schaller & C. S. Crandall (Hrsg.), Psychological foundations of culture (S. 335–360). Erlbaum. Allen, D. (1997). Ascetic theology and psychology. In R. C. Roberts & M. R. Talbot (Hrsg.), Limning the psyche: Explorations in Christian psychology (S. 297–316). Eerdmans. Arrindell, W. A., Hatzichristou, C., Wensink, J., Rosenberg, E., van Twillert, B., Stedema, J., & Meijer, D. (1997). Dimensions of national culture as predictors of cross-national differences in subjective well-being. Personality and Individual Differences, 23, 37–53. Baker, S., Buttigieg, M. B., & Robards, B. (Hrsg.). (2015). Youth cultures and subcultures: Aus tralian perspectives. Ashgate Publishing. Basabe, N., & Ros, M. (2005). Cultural dimensions and social behavior correlates: Individualism- collectivism and power distance. International Review of Social Psychology, 18(1), 189–225.
Literatur
25
Basabe, N., Paez, D., Valencia, J., Rimé, B., Pennebaker, J., Diener, E., & González, J. L. (2000). Sociocultural factors predicting subjective experience of emotion: A collective level analysis. Psicothema, 12(Suppl 1), 55–69. Basso, M., McCall, L., & Garceau, D. (2013). Across the great divide: Cultures of manhood in the American West. Routledge. Benet-Martínez, V., & Haritatos, J. (2005). Bicultural identity integration (BII): Components and psychosocial antecedents. Journal of Personality, 73(4), 1015–1050. https://doi.org/ 10.1111/j.1467-6494.2005.00337.x Boyd, R., & Richerson, P. J. (1985). Culture and the evolutionary process. University of Chicago Press. Brake, M. (1985). Comparative youth culture: The sociology of youth cultures and youth subcultures in America, Britain and Canada. Routledge. Bray, D. H. (1970). Extent of future time orientation: A cross-ethnic study among New Zealand adolescents. British Journal of Educational Psychology, 40, 200–208. Brody, L. R., & Hall, J. A. (2008). Gender and emotion in context. In M. Lewis, J. M. Haviland- Jones, & L. F. Barrett (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 395–408). Guilford Press. Brown, L. M. (1999). Raising their voices: The politics of girls’ anger. Harvard University Press. Bucholtz, M. (2002). Youth and cultural practice. Annual Review of Anthropology, 31(1), 525–552. Chang, H. (1999). Re-examining the rhetoric of the “cultural border”. Electronic Magazine of Multicultural Education, 1(1), 1–7. http://www.edchange.org/multicultural/papers/heewon.html. Zugegriffen am 02.04.2020. Cheng, C. Y., Lee, F., Benet-Martínez, V., & Huynh, Q. L. (2014). 13 variations in multicultural experience: Influence of bicultural identity integration on socio-cognitive processes and outcomes. In V. Benet-Martínez & Y. Hong (Hrsg.), The Oxford handbook of multicultural identity (S. 276). Oxford University Press. Chiu, C.-Y., & Hong, Y.-Y. (2006). Social psychology of culture. Psychology Press. Clark, A., & Lelkes, O. (2005). Deliver us from evil: Religion as insurance. Ffhalshs-00590570f. https://halshs.archives-ouvertes.fr/halshs-00590570/document. Zugegriffen am 02.04.2020. Cohen, A. B. (2009). Many forms of culture. American Psychologist, 64, 194–204. Cohen, A. B., & Rozin, P. (2001). Religion and the morality of mentality. Journal of Personality and Social Psychology, 81, 697–710. Cohen, A. B., Malka, A., Rozin, P., & Cherfas, L. (2006). Religion and unforgivable offenses. Journal of Personality, 74, 85–118. Cohen, A. P. (1985). The symbolic construction of community. Ellis Horwood/Tavistock Publications. Cohen, D., Nisbett, R. E., Bowdle, B. F., & Schwarz, N. (1996). Insult, aggression, and the southern culture of honor: An experimental ethnography. Journal of Personality and Social Psychology, 70, 945–960. https://doi.org/10.1037/0022-3514.70.5.945 Cukur, C. S., de Guzman, M. R. T., & Carlo, G. (2004). Religiosity, values, and horizontal and vertical individualism-collectivism: A study of Turkey, the United States, and the Philippines. Journal of Social Psychology, 144, 613–634. D’Andrade, R. G. (1984). Cultural meaning systems. In R. A. Shweder & R. A. LeVine (Hrsg.), Culture theory: Essays on mind, self, and emotion (S. 88–119). Cambridge University Press. Davidson, R. J., Kabat-Zinn, J., Schumacher, J., Rosenkranz, M., Muller, D., Santorclli, S., et al. (2003). Alterations in brain and immune function produced by mindfulness meditation. Psychosomatic Medicine, 6S, 564–570. DeKay, W. T., & Buss, D. M. (1992). Human nature, individual differences, and the importance of context: Perspectives from evolutionary psychology. Current Directions in Psychological Science, 1(6), 184–189. Delgado-Gaitan, C., & Trueba, H. (1991). Crossing cultural borders. The Falmer Press. Diener, E., Diener, M., & Diener, C. (1995). Factors predicting the subjective well-being of nations. Journal of Personality and Social Psychology, 69, 851–864. Driver, S. (2008). Queer youth cultures. SUNY Press.
26
1 Vielfalt von Kulturen
Eisenberg, A. R. (1999). Emotion talk among Mexican American and Anglo American mothers and children from two social classes. Merrill-Palmer Quarterly, 45(2), 267–284. Emmons, R. A. (2005). Emotion and religion. In R. F. Paloutzian & C. L. Park (Hrsg.), Handbook of the psychology of religion and spirituality (S. 235–252). Guilford Press. Emmons, R. A., & Crumpler, C. A. (2000). Gratitude as a human strength: Appraising the evidence. Journal of Social and Clinical Psychology, 19, 56–69. Emmons, R. A., & Paloutzian, R. F. (2003). The psychology of religion. Annual Review of Psychology, 54(1), 377–402. Ewing, K. P. (1998). Crossing borders and transgressing boundaries: Metaphor for negotiating multiple identities. Ethos, 26(2), 262–267. Fischer, R., & Poortinga, Y. H. (2018). Addressing methodological challenges in culture- comparative research. Journal of Cross-Cultural Psychology, 49(5), 691–712. Foley, D. E. (1995). The heartland chronicles. University of Pennsylvania. Freud, S. (2000). Three essays on the theory of sexuality. Basic Books. (Original work published 1905). Geertz, C. (1973). Interpretation of cultures: Selected essays by Clifford Geertz. Basic Books. Gelder, K. (2007). Subcultures: Cultural histories and social practice. Routledge. Georgas, J., Van De Vijver, F. J., & Berry, J. W. (2004). The ecocultural framework, ecosocial indices, and psychological variables in cross-cultural research. Journal of Cross-Cultural Psychology, 35(1), 74–96. Gillani, N. B., & Smith, J. C. (2001). Zen meditation and ABC relaxation theory: An exploration of relaxation states, beliefs, dispositions, and motivations. Journal of Clinical Psychology, 57(6), 839–846. Gilmore, D. D. (1990). Manhood in the making: Cultural concepts of masculinity. Yale University Press. Guthrie, G. (1977). A social-psychological analysis of modernization in the Philippines. Journal of Cross-Cultural Psychology, 8, 177–206. Haidt, J., Koller, S. H., & Dias, M. G. (1993). Affect, culture, and morality, or is it wrong to eat your dog? Journal of Personality and Social Psychology, 65, 613–628. Hall, E. T., & Hall, M. R. (1990). Understanding cultural differences. Intercultural Press. Hamamura, T. (2012). Are cultures becoming individualistic? A cross-temporal comparison of individualism–collectivism in the United States and Japan. Personality and Social Psychology Review, 16(1), 3–24. Hamamura, T., Xu, Q., & Du, Y. (2013). Social class and independence and interdependence among Chinese adolescents. International Journal of Psychology, 48(3), 344–351. https://doi. org/10.1080/00207594.2011.647030 Hancock, M. (2019). Womanhood in the making: Domestic ritual and public culture in urban South India. Routledge. Hao, J., Li, D., Peng, L., Peng, S., & Torelli, C. J. (2016). Advancing our understanding of culture mixing. Journal of Cross-Cultural Psychology, 47(10), 1257–1267. https://doi.org/10.1177/ 0022022116670514 Harush, R., Lisak, A., & Erez, M. (2016). Extending the global acculturation model to untangle the culture mixing puzzle. Journal of Cross-Cultural Psychology, 47(10), 1395–1408. https://doi. org/10.1177/0022022116670261 Herdt, G. H. (1997). Same sex, different cultures: Exploring gay and lesbian lives. Westview Press. Hodkinson, P. (2016). Youth cultures and the rest of life: Subcultures, post-subcultures and beyond. Journal of Youth Studies, 19(5), 629–645. Hodkinson, P., & Deicke, W. (Hrsg.). (2007). Youth cultures: Scenes, subcultures and tribes. Routledge. Hofstede, G. (1983). Dimensions of national cultures in fifty countries and three regions. In J. B. Deregowski, S. Dziurawiec, & R. C. Annis (Hrsg.), Expiscations in cross-cultural psychology (S. 335–355). Swets & Zeitlinger. Hofstede, G. (2016). Country comparison tools. http://geert-hofstede.com/tools.html. Zugegriffen am 15.08.2016.
Literatur
27
Hofstede, G., Garibaldi de Hilal, A. V., Malvezzi, S., Tanure, B., & Vinken, H. (2010). Comparing regional cultures within a country: Lessons from Brazil. Journal of Cross-Cultural Psychology, 41(3), 336–352. Huismans, S., & Schwartz, S. H. (1992). Religiosity and value priorities: A study of Protestants, Catholics, and Jews. In S. Iwawaki, Y. Kashima, & K. Leung (Hrsg.), Innovations in cross- cultural psychology: Selected papers from the tenth international conference of the International Association for Cross-cultural Psychology held at Nara, Japan (S. 237–249). Swets & Zeitlinger. Inzlicht, M., & Tullett, A. M. (2010). Reflecting on God: Religious primes can reduce neurophysiological response to errors. Psychological Science, 21(8), 1184–1190. Kameda, T., Takezawa, M., & Hastie, R. (2005). Where do social norms come from? The example of communal sharing. Current Directions in Psychological Science, 14, 331–334. Kashima, Y., Kokubo, T., Kashima, E. S., Boxall, D., Yamaguchi, S., & Macrae, K. (2004). Culture and self: Are there within-culture differences in self between metropolitan areas and regional cities? Personality and Social Psychology Bulletin, 30, 816–823. Kennedy, P. T., & Roudometof, V. (2002). Communities across borders under globalising conditions: New immigrants and transnational cultures. Routledge. Kim, E., Zeppenfeld, V., & Cohen, D. (2013). Sublimation, culture, and creativity. Journal of Personality and Social Psychology, 105, 639–666. Kim-Prieto, C., & Diener, E. (2009). Religion as a source of variation in the experience of positive and negative emotions. The Journal of Positive Psychology, 4, 447–460. Kitayama, S., Ishii, K., Imada, T., Takemura, K., & Ramaswamy, J. (2006a). Voluntary settlement and the spirit of independence: Evidence from Japan’s “Northern Frontier”. Journal of Personality and Social Psychology, 91, 369–384. Kitayama, S., Mesquita, B., & Karasawa, M. (2006b). Cultural affordances and emotional experience: Socially engaging and disengaging emotions in Japan and the United States. Journal of Personality and Social Psychology, 91(5), 890–903. Koenig, H. G. (2001). Religion and medicine II: Religion, mental health, and related behaviors. The International Journal of Psychiatry in Medicine, 31(1), 97–109. Koenig, H. G., George, L. K., & Titus, P. (2004). Religion, spirituality, and health in medically ill hospitalized older patients. Journal of the American Geriatrics Society, 52, 554–562. Koopmann-Holm, B. (2013). The negative feelings that people want to avoid: Cultural differences and consequences for compassion. Dissertation, Stanford University. http://purl.stanford.edu/ qn512fn5267. Zugegriffen am 02.04.2020. Kraus, M., Piff, P., & Keltner, D. (2009). Social class, the sense of control, and social explanation. Journal of Personality and Social Psychology, 97, 992–1004. Kroeber, A. L., & Kluckhohn, C. K. (1952). Culture: A critical review of concepts and definitions. Harvard University Press. Lehman, D. R., Chiu, C.-Y., & Schaller, M. (2004). Psychology and culture. Annual Review of Psychology, 55, 689–714. Li, Y. J., Johnson, K. A., Cohen, A. B., Williams, M. J., Knowles, E. D., & Chen, Z. (2012). Fundamental(ist) attribution error: Protestants are dispositionally focused. Journal of Personality and Social Psychology, 102, 281–290. Lugo, A. (1997). Reflections on border theory, culture, and the nation. In D. E. Johnson & S. Michaelson (Hrsg.), Border theory (S. 43–67). University of Minnesota. Lumsden, C. J. (1989). Does culture need genes? Ethology and Sociobiology, 10, 11–28. Markus, H. R., & Conner, A. (2013). Clash! Eight cultural conflicts that make us who we are. Penguin. Martin, L., & Shao, B. (2016). Early immersive culture mixing: The key to understanding cognitive and identity differences among multiculturals. Journal of Cross-Cultural Psychology, 47(10), 1409–1429. Masters, K. S., & Hooker, S. A. (2013). Religion, spirituality, and health. In R. F. Paloutzian & C. L. Park (Hrsg.), Handbook of the psychology of religion and spirituality (S. 519–539). Guilford Press.
28
1 Vielfalt von Kulturen
Matsumoto, D. (1993). Ethnic differences in affect intensity, emotion judgments, display rule attitudes, and self-reported emotional expression in an American sample. Motivation and Emotion, 17(2), 107–123. Matsumoto, D. (2006). Culture and nonverbal behavior. In V. Manusov & M. L. Patterson (Hrsg.), The SAGE handbook of nonverbal communication (S. 219–235). Sage. Matsumoto, D., & Hwang, H. S. (2012). Culture and emotion: The integration of biological and cultural contributions. Journal of Cross-Cultural Psychology, 43(1), 91–118. McCraty, R., Barrios-Choplin, B., Rozman, D., Atkinson, M., & Watkins, A. D. (1998). The impact of a new emotional self-management program on stress, emotions, heart rate variability, DHEA and cortisol. Integrative Physiological and Behavioral Science, 33(2), 151–170. McCullough, M. E., Emmons, R. A., & Tsang, J. A. (2002). The grateful disposition: A conceptual and empirical topography. Journal of Personality and Social Psychology, 82(1), 112–127. McCutcheon, R. T. (1995). The category “religion” in recent publications: A critical survey. Numen, 42, 284–309. Miller, P., & Sperry, L. L. (1987). The socialization of anger and aggression. Merrill-Palmer Quarterly, 33(1), 1–31. Minkov, M., & Hofstede, G. (2012). Is national culture a meaningful concept? Cultural values delineate homogeneous national clusters of in-country regions. Cross-Cultural Research, 46(2), 133–159. Morales, E. (2003). Living in Spanglish: The search for Latino identity in America. Macmillan. Morris, M. W., Chiu, C.-Y., & Liu, Z. (2015). Polycultural psychology. Annual Review of Psychology, 66, 631–659. https://doi.org/10.1146/annurev-psych-010814-015001 Nilan, P., & Feixa, C. (Hrsg.). (2006). Global youth?: Hybrid identities, plural worlds. Routledge. Nisbett, R. E., Peng, K., Choi, I., & Norenzayan, A. (2001). Culture and systems of thought: Holistic versus analytic cognition. Psychological Review, 108, 291–310. Norris, P., & Inglehart, R. (2004). Sacred and secular: Religion and politics worldwide. Cambridge University Press. Oyserman, D., Coon, H. M., & Kemmelmeier, M. (2002). Rethinking individualism and collectivism: Evaluation of theoretical assumptions and meta-analyses. Psychological Bulletin, 128(1), 3–72. Pargament, K. I., Magyar-Russell, G. M., & Be Murray-Swank, N. A. (2005). The sacred and the search for significance: Religion as a unique process. Journal of Social Issues, 61, 665–687. Park, C. L., & Slattery, J. (2013). Religiousness/spirituality and mental health. In R. F. Paloutzian & C. L. Park (Hrsg.), Handbook of the psychology of religion and spirituality (2. Aufl., S. 540–559). Guilford Press. Patock-Peckham, J. A., Hutchinson, G. T., Cheong, J., & Nagoshi, C. T. (1998). Effect of religion and religiosity on alcohol use in a college student sample. Drug and Alcohol Dependence, 49(2), 81–88. Phinney, J., & Alipuria, L. (2006). Multiple social categorisation and identity among multiracial, multi-ethnic and multicultural individuals: Processes and implications. In R. Crisp & M. Hewstone (Hrsg.), Multiple Social categorisation: Processes, models and applications (S. 211–238). Psychology Press. Poortinga, Y. (2015). Is “culture” a workable concept for (cross-)cultural psychology? Online Readings in Psychology and Culture, 2(1), 1–21. https://doi.org/10.9707/2307-0919.1139 Putnam, R. (2000). Bowling alone: The collapse and revival of American community. Simon & Schuster. Ramet, S. P. (Hrsg.). (2002). Gender reversals and gender cultures: Anthropological and historical perspectives. Routledge. Rapoport, T., & El-Or, T. (1997). Cultures of womanhood in Israel: Social agencies and gender production. Women’s Studies International Forum, 20, 573–580. Roberts, M. L. (2002). True womanhood revisited. Journal of Women’s History, 14(1), 150–155. Rokeach, M. (1973). The nature of human values. Free Press. Saenz, B. A. (1997). In the borderland of Chicano identity, there are only fragments. In D. E. Johnson & S. Michaelson (Hrsg.), Border theory (S. 68–96). University of Minnesota.
Literatur
29
Samuels, P. A., & Lester, D. (1985). A preliminary investigation of emotions experienced toward God by Catholic nuns and priests. Psychological Reports, 56, 706. Saroglou, V. (2010). Religiousness as a cultural adaptation of basic traits: A five factor model perspective. Personality and Social Psychology Review, 14, 108–125. Saroglou, V. (2011). Believing, bonding, behaving, and belonging: The big four religious dimensions and cultural variation. Journal of Cross-Cultural Psychology, 42, 1320–1340. Saroglou, V., & Cohen, A. B. (2013). Cultural and cross-cultural psychology of religion. In R. F. Paloutzian & C. L. Park (Hrsg.), Handbook of the psychology of religion and spirituality (2. Aufl., S. 330–354). Guilford Press. Saroglou, V., Delpierre, V., & Dernelle, R. (2004). Values and religiosity: A meta-analysis of studies using Schwartz’s model. Personality and Individual Differences, 37(4), 721–734. Schimmel, S. (1997). The seven deadly sins: Jewish, Christian, and classical reflections on human psychology. Oxford University Press. Schwartz, S. (2006). A theory of cultural value orientations: Explication and applications. Comparative Sociology, 5(2–3), 137–182. Schwartz, S. H. (2014). National culture as value orientations: Consequences of value differences and cultural distance. In Handbook of the economics of art and culture (Bd. 2, S. 547–586). Elsevier. Schwartz, S. H., & Huismans, S. (1995). Value priorities and religiosity in four Western religions. Social Psychology Quarterly, 58, 88–107. Schwartz, S. H., & Ros, M. (1995). Values in the west: A theoretical and empirical challenge to the individualism-collectivism cultural dimension. World Psychology, 1, 99–122. Shweder, R. A. (2003). Why do men barbecue?: Recipes for cultural psychology. Harvard University Press. Shweder, R. A., & Haidt, J. (2000). The cultural psychology of the emotions: Ancient and new. In M. Lewis & J. M. Haviland-Jones (Hrsg.), Handbook of emotions (2. Aufl., S. 397–414). Guilford Press. Silberman, I. (2005). Religion as a meaning system: Implications for the new millennium. Journal of Social Issues, 61(4), 641–663. Smith, H. (1991). The world’s religions: Our great wisdom traditions. HarperCollins. Smith, P., & Bond, M. H. (1999). Social psychology across cultures (2. Aufl.). Allyn & Bacon. Snibbe, A. C., & Markus, H. R. (2002). The psychology of religion and the religion of psychology. Psychological Inquiry, 13, 229–234. Snibbe, A. C., & Markus, H. R. (2005). You can’t always get what you want: Educational attainment, agency, and choice. Journal of Personality and Social Psychology, 88, 703–720. Stephens, N., Markus, H., & Townsend, S. (2007). Choice as an act of meaning: The case of social class. Journal of Personality and Social Psychology, 93, 814–830. Tarakeshwar, N., Stanton, J., & Pargament, K. I. (2003). Religion: An overlooked dimension in cross-cultural psychology. Journal of Cross-Cultural Psychology, 34(4), 377–394. Traunmiiller, R. (2011). Moral communities?: Religion as a source of social trust in a multilevel analysis of 97 German regions. European Sociological Review, 27, 346–363. Triandis, H. (1995). Individualism and collectivism. Westview Press. Triandis, H. C. (2007). Culture and psychology: A history of the study of their relationships. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (S. 59–76). Guilford Press. Tsai, J. L. (2007). Ideal affect: Cultural causes and behavioral consequences. Perspectives on Psychological Science, 2(3), 242–259. Tsai, J. L., & Clobert, M. (2019). Cultural influences on emotion: Empirical patterns and emerging trends. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (2. Aufl., S. 292–318). Guilford Press. Tsai, J. L., & Levenson, R. W. (1997). Cultural influences on emotional responding: Chinese American and European American dating couples during interpersonal conflict. Journal of Cross-Cultural Psychology, 28(5), 600–625.
30
1 Vielfalt von Kulturen
Tsai, J. L., Chentsova-Dutton, Y., Freire-Bebeau, L., & Przymus, D. E. (2002). Emotional expression and physiology in European Americans and Hmong Americans. Emotion, 2(4), 380–397. Tsai, J. L., Knutson, B., & Fung, H. H. (2006). Cultural variation in affect valuation. Journal of Personality and Social Psychology, 90(2), 288–307. Tsai, J. L., Miao, F., & Seppala, E. (2007). Good feelings in Christianity and Buddhism: Religious differences in ideal affect. Personality and Social Psychology Bulletin, 33, 409–421. Tsai, J. L., Koopmann-Holm, B., Miyazaki, M., & Ochs, C. (2013). The religious shaping of feeling: Implications of affect valuation theory. In R. F. Paloutzian & C. L. Park (Hrsg.), Handbook of the psychology of religion and spirituality (2. Aufl., S. 274–291). Guilford Press. Underwood, J. O. (1985). Western women and true womanhood: Culture and symbol in history and literature. Great Plains Quarterly, 5, 93–106. Van de Vijver, F. J. R., Blommaert, J. M. E., Gkoumasi, G., & Stogianni, M. (2015). On the need to broaden the concept of ethnic identity. International Journal of Intercultural Relations, 46, 36–46. https://doi.org/10.1016/j.ijintrel.2015.03.021 Van Hemert, D. A., Poortinga, Y. H., & van de Vijver, F. J. (2007). Emotion and culture: A meta- analysis. Cognition and Emotion, 21(5), 913–943. Vandello, J. A., & Cohen, D. (1999). Patterns of individualism and collectivism across the United States. Journal of Personality and Social Psychology, 77, 279–292. Vandello, J. A., Bosson, J. K., Cohen, D., Burnaford, R. M., & Weaver, J. R. (2008a). Precarious manhood. Journal of Personality and Social Psychology, 95(6), 1325–1339. https://doi. org/10.1037/a0012453 Vandello, J. A., Cohen, D., & Ransom, S. (2008b). U.S. Southern and Northern differences in perceptions of norms about aggression: Mechanisms for the perpetuation of a culture of honor. Journal of Cross Cultural Psychology, 39, 162–177. https://doi.org/10.1177/0022022107313862 Veenhoven, R. (1994). Is happiness a trait? Tests of the theory that a better society does not make people any happier. Social Indicators Research, 32, 101–160. Wallbott, H. G., & Scherer, K. R. (1988). How universal and specific is emotional experience?: Evidence from 27 countries on five continents. In K. R. Scherer (Hrsg.), Facets of emotion: Recent research (S. 31–56). Lawrence Erlbaum Associates. Watts, F. N. (1996). Psychological and religious perspectives on emotion. The International Journal for the Psychology of Religion, 6(2), 71–87. Wikan, U. (1988). Bereavement and loss in two Muslim communities: Egypt and Bali compared. Social Science and Medicine, 27, 451–460. Zahn-Waxler, C., Cole, P. M., & Barrett, K. C. (1991). Guilt and empathy: Sex differences and implications for the development of depression. In J. Garber & K. A. Dodge (Hrsg.), The development of emotion regulation and dysregulation (S. 243–272). Cambridge University Press.
Kapitel 2
Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
2.1 Kollektivismus und Individualismus als kulturelle Rahmenbedingungen 2.1.1 Die Konstrukte des Kollektivismus und des Individualismus Mehrere Dimensionen von Kultur Im Laufe der jahrzehntelangen kulturübergreifenden Forschung haben Wissenschaftler der Soziologie, Psychologie und Anthropologie viele kulturelle Dimensionen vorgeschlagen, in denen sich Länder und Nationen unterscheiden können. Einige Forscher (Lytle et al., 1995) haben 75 kulturübergreifende Dimensionen ermittelt. Zu den bekanntesten gehören Individualismus-Kollektivismus, Machtdistanz, Männlichkeit-Weiblichkeit, Egalitarismus-Hierarchie, Motivationswerte, Ehre, Aktivität-Reaktivität, Kontakt-Nicht-Kontakt, Unsicherheitsvermeidung und Modernisierung. Betrachten wir einige dieser Dimensionen, die Forscher in den letzten Jahrzehnten ausgiebig in ihren Studien verwendet haben, insbesondere in Bezug auf ihren Einfluss auf die kulturelle Erfahrung und den Ausdruck von Emotionen. Ich habe einige dieser kulturellen Dimensionen als gute Kandidaten für die Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen aufgegriffen. Die in diesem und den folgenden Kapiteln vorgestellten Studien liefern ausreichende Belege zur Unterstützung dieses Vorschlags.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 V. Karandashev, Kulturelle Emotions-Modelle, https://doi.org/10.1007/978-3-031-39963-3_2
31
32
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
ie kulturelle Besonderheit des Kollektivismus gegenüber D dem Individualismus Individualismus-Kollektivismus war das kulturelle Konstrukt, das Theoretiker verschiedener Disziplinen in der frühen kulturübergreifenden Forschung identifiziert und ausgearbeitet haben (z. B. Hofstede, 1980/1984; Marsella et al., 1985; Triandis, 1995). Die Beziehungen zwischen einem Individuum und einer Gruppe definieren die kulturelle Variable des Kollektivismus und Individualismus, die derzeit in verschiedenen sozialen und psychologischen Bereichen vorherrscht. Kollektivismus und Individualismus als gesellschaftliche Merkmale beschreiben den Grad, in dem die Menschen in einer Gesellschaft in Gruppen integriert sind. Gesellschaften werden als individualistisch oder kollektivistisch bezeichnet, wenn diese Wertorientierungen die Mehrheit der einzelnen Mitglieder kennzeichnen (Hui & Triandis, 1986), auch wenn innerhalb einer bestimmten Gesellschaft individuelle Unterschiede in der vorherrschenden kulturellen Orientierung bestehen. Menschen in einer bestimmten Kultur können in den verschiedenen Beziehungsbereichen mehr oder weniger kollektivistisch und individualistisch sein: zu ihren Eltern, Verwandten, Nachbarn, Kollegen oder Freunden.
2.1.2 Werte und Emotionen in kollektivistischen Kulturkreisen Werte in kollektivistischen Kulturkreisen In kollektivistischen Kulturen sind die Menschen in starke, zusammenhängende Gruppen und Großfamilien integriert. Ein übergeordneter Wert ist die Loyalität des Einzelnen gegenüber einer Gruppe, die ihrerseits die Interessen und das Wohlergehen des Einzelnen schützt und sich gegen andere Gruppen stellt. Die Gruppe fördert bestimmte soziale Aktionen, um gegenseitige Unterstützung und gemeinsame Erfahrungen zu ermöglichen. Die persönliche Privatsphäre wird eingeschränkt, das Gefühl der persönlichen Identität basiert auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe, und die Menschen sind emotional von einer Gruppe abhängig. Bei der persönlichen Motivation ordnen die Menschen individuelle Ziele den Zielen eines Kollektivs unter; Gruppenziele haben Vorrang vor individuellen Zielen. Kollektivistische Kulturen betonen eher die Überzeugungen der Gruppe als die des Einzelnen; sie schätzen die Ansichten der Gruppe mehr als die des Einzelnen, die kollektiven Normen der Gruppe mehr als das individuelle Vergnügen. Menschen in kollektivistischen Kulturen (stark in ihre Beziehung eingebettet) neigen dazu, ihr Verhalten gegenüber Personen aus ihrer Eigengruppe und Fremdgruppe stärker zu unterscheiden als Menschen in individualistischen Kulturen (stark autonom) (Smith & Bond, 1999). Kollektivistische Werte betonen zwischenmenschliche Bindungen, Gruppenharmonie und -solidarität, Bewusstsein und ein größeres Bewusstsein für die Bedürf-
2.1 Kollektivismus und Individualismus als kulturelle Rahmenbedingungen
33
nisse anderer und ein Eingehen auf diese, Verpflichtung, emotionale Abhängigkeit und ein Gefühl der Verbundenheit (Hofstede, 1980/1984, 2011; Hui & Triandis, 1986; Gelfand et al., 2000; Kashima et al., 1995; Triandis, 1995). Ein Gefühl der Verpflichtung, der Pflicht gegenüber der Gruppe sowie die Harmonie innerhalb der Gruppe und die Arbeit in Gruppen sind die Kernaspekte der kollektivistischen Überzeugungen (Oyserman et al., 2002). Triandis und seine Kollegen (Triandis, 1995; Triandis et al., 1988) identifizierten die Beziehungen zur Familie (Einheit, Loyalität und Integrität) als kollektivistische Werte. Freundschaften werden durch stabile Beziehungen bestimmt, die schon früh im Leben entstehen. Menschen in kollektivistischen Kulturen legen unterschiedliche Maßstäbe an die Mitglieder ihrer Eigengruppe im Vergleich zu Fremdgruppen an (Hofstede, 1980/1984): Sie sind kollektivistisch in den Beziehungen zu ihren Eigengruppenm itgliedern (Familie, Freunde usw.), können aber individualistisch in den Beziehungen zu Fremdgruppenmitgliedern (Fremde und Menschen aus anderen kulturellen Gruppen) sein. Beziehungswerte in kollektivistischen Kulturen fördern die Zusammenarbeit innerhalb einer Gruppe und die Harmonie zwischenmenschlicher Beziehungen mehr als die Behauptung eines Einzelnen (Noon & Lewis, 1992). Daher werden Emotionen in diesen Kulturen eher als interaktive denn als individuelle Erfahrungen betrachtet, die eher den sozialen Kontext der Menschen als ihr inneres Selbst widerspiegeln. Emotionen werden als situative Hinweise auf die Beziehungen zwischen Menschen betrachtet. Kollektivismus und emotionale Erfahrung Menschen in kollektivistischen Kulturen geben zu, dass positive und negative Emotionen gleichzeitig auftreten können, und fühlen sich mit einer dialektischen Mischung aus beiden Emotionen recht wohl (Aaker et al., 2008; Kim et al., 2014; Williams & Aaker, 2002). Die Überzeugungen kollektivistischer Kulturen legen den Menschen in diesen Gesellschaften nahe, ihr Erleben und ihren Ausdruck von Emotionen zu mäßigen. Ihre gewünschten Normen bestehen darin, sowohl positive als auch negative Emotionen zu erleben und dabei unbesorgt, ruhig und friedlich zu bleiben. Sie bevorzugen eine geringe Häufigkeit, Dauer und Intensität von Emotionen (Bond, 1993; Tamir et al., 2016; Tsai et al., 2006, 2007). Was die reale Erfahrung betrifft, so neigen Menschen in kollektivistischen Kulturen dazu, ihre Emotionen mit relativ geringer Intensität zu empfinden (Basabe et al., 2000; Markus & Kitayama, 1991; Scherer et al., 1988; Matsumoto, 1991). Verschiedenen Studien zufolge (Kitayama et al., 2000, 2006; Uchida & Kitayama, 2009) erleben Menschen in kollektivistischen Kulturen in ihrem Leben häufiger sozial einbindende Emotionen (wie Respekt, Freundlichkeit und Sympathie) als sozial nicht einbindende Emotionen (wie Selbstwertgefühl, Stolz und Frustration).
34
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Kollektivismus und emotionale Kontrolle Für Menschen in kollektivistischen Kulturen sind die externen interaktionellen Aspekte ihrer Emotionen – das Denken darüber, wie ihre Handlungen und Emotionen auf andere wirken – sehr wichtig. Daher wird in den kulturellen Normen kollektivistischer Kulturen der Kontrolle von Emotionen eine hohe Priorität eingeräumt. Die Menschen zeigen in der Regel ein geringeres Maß an allgemeinem Gefühlsausdruck (Potter, 1988; van Hemert et al., 2007). In kollektivistischen Kulturen wird der öffentliche Ausdruck „negativer“ Emotionen nicht als angemessen angesehen, da er die Gruppenharmonie beeinträchtigen kann. Die Dimension des Kollektivismus ist wahrscheinlich mit der kulturellen Befürwortung von Strategien zur Emotionsregulierung wie der Unterdrückung verbunden. Typische Beispiele für kollektivistische Gesellschaften sind einige asiatische Länder wie Singapur, Taiwan, Hongkong und Pakistan sowie lateinamerikanische Länder wie Kolumbien, Venezuela, Chile und Peru. Menschen aus arabischen und afrikanischen Ländern sowie aus Osteuropa vertreten ebenfalls kollektivistische Überzeugungen, wenn auch in geringerem Maße (Basabe & Ros, 2005).
2.1.3 Werte und Emotionen in individualistischen Kulturen Typische Werte in individualistischen Kulturkreisen Individualistische Kulturen betonen die Ziele des Einzelnen, während kollektivistische Kulturen betonen, dass Gruppenziele Vorrang vor individuellen Zielen haben. In individualistischen Kulturen „sollen die Menschen nur für sich selbst und ihre unmittelbare Familie sorgen“, während in kollektivistischen Kulturen „die Menschen zu Gruppen oder Kollektiven gehören, die im Gegenzug für ihre Loyalität für sie sorgen sollen“ (Hofstede & Bond, 1984, S. 419). Individualistische Kulturen betonen die Ziele des Einzelnen, die persönliche Autonomie, die persönliche Unabhängigkeit, den Vorrang der Einzigartigkeit der Persönlichkeit, die persönlichen Ziele und Handlungen, die Selbstverwirklichung und die Eigeninitiative, die Rechte des Einzelnen und nicht die Pflichten, das eigene Interesse und das der unmittelbaren Familie, den hohen Wert der eigenen Unabhängigkeit und die geringere Berücksichtigung der Bedürfnisse und Interessen anderer Personen. Die persönliche Identität wird durch die Eigenschaften des Einzelnen definiert. Bei der persönlichen Motivation ordnen die Menschen die Ziele des Kollektivs den individuellen Zielen unter. Die Bindungen zwischen den Individuen sind locker. Typische Beispiele für individualistische Gesellschaften sind Australien, Neuseeland, die Vereinigten Staaten, Kanada, Großbritannien, die Niederlande, Italien, Belgien und Dänemark, meist westliche Länder (Hofstede, 1984, 2011; Hui & Triandis, 1986; Gelfand et al., 2000; Kashima et al., 1995; Triandis, 1995).
2.1 Kollektivismus und Individualismus als kulturelle Rahmenbedingungen
35
Triandis und seine Kollegen (Triandis, 1995, 1989) identifizierten persönliche Freiheit, persönliche Autonomie, persönliche Initiative und Selbstvertrauen als die Werte, die mit dem Individualismus in einer Kultur verbunden sind, während Familienzusammenhalt, Familientreue und Familienintegrität die Werte sind, die mit dem Kollektivismus verbunden sind. Menschen in individualistischen Kulturen schließen persönliche und spezifische Freundschaften. Sie sind universalistisch und neigen dazu, für alle die gleichen Maßstäbe anzulegen. Menschen in individualistischen Kulturen, die einen hohen Wert auf Autonomie legen, zeigen häufig ein ähnliches Verhalten gegenüber anderen aus ihrer Eigengruppe und Fremdgruppe, während Menschen in kollektivistischen Kulturen, die einen hohen Wert auf Einbettung legen, dazu neigen, ihr Verhalten gegenüber anderen aus ihrer Eigengruppe und Fremdgruppe stärker zu differenzieren (Smith & Bond, 1999). Individualismus und emotionale Erfahrung Individualismus als kulturelle Dimension steht im Zusammenhang mit der Häufigkeit des Erlebens bestimmter Emotionen und der relativen Annehmlichkeit/Unangenehmheit von Emotionen, die Menschen in ihrem Leben erleben. Forschungsergebnisse deuten darauf hin, dass in Ländern mit einer hohen Individualismus- Dimension die Menschen weniger negative und mehr positive Emotionen erleben (Basabe et al., 2002). Eine interessante Tatsache bezüglich der Unterschiede im Erleben von Emotionen in individualistischen und kollektivistischen Kulturen stammt aus einer anderen Studie (Chentsova-Dutton & Tsai, 2010). Ihre Ergebnisse zeigten, dass die Aufmerksamkeit der europäisch-amerikanischen Teilnehmer auf die individuellen Aspekte des Selbst ihr emotionales Erleben verstärkte, während die Aufmerksamkeit der asiatischen US-Amerikaner auf die relationalen Aspekte des Selbst ihr emotionales Erleben verstärkte. Einer Reihe von Studien zufolge (Kitayama et al., 2000, 2006; Uchida & Kitayama, 2009) erleben Menschen in individualistischen Kulturen in ihrem Leben mehr sozial abweisende Emotionen (z. B. Selbstwertgefühl, Stolz und Frustration) als sozial einbeziehende Emotionen (Respekt, Freundlichkeit und Mitgefühl). Individualismus und Glück Wie kann Individualismus als kulturelle Dimension das Gefühlsleben von Menschen in verschiedenen kulturellen Kontexten beeinflussen? Eine umfassende Studie mit 21 Tausend erwachsenen Befragten (Durchschnittsalter = 30,2 Jahre) aus 48 Ländern in drei Zeiträumen von 1980 bis 2000 (Steel et al., 2018) untersuchte die Beziehungen zwischen subjektivem Wohlbefinden und Individualismus. Die Autoren gingen davon aus, dass die Kultur die Zufriedenheit mit dem Leben und den Beziehungen vor dem Wohlstand vorhersagen kann.
36
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Die Ergebnisse auf individueller Ebene zeigten, dass Individualismus mit allen Aspekten des subjektiven Wohlbefindens negativ korreliert war. Selbst nach Kon trolle des Wohlstands sagte der Individualismus die Lebens- und Familienzufriedenheit negativ voraus. Die mit Individualismus und Autonomie assoziierten Werte scheinen sich nicht positiv auf das Wohlbefinden auf individueller Ebene auszuwirken. Die Autoren erklären dieses Ergebnis mit der positiven Assoziation von Individualismus mit Introvertiertheit (die in einer anderen Studie (Migliore, 2011) festgestellt wurde), die ihrerseits als Persönlichkeitsmerkmal negativ mit dem subjektiven Wohlbefinden korreliert (Steel et al., 2008). Im Gegensatz zu diesem Ergebnis sind glückliche Nationen auf nationaler Ebene in der Regel durch einen hohen Individualismus gekennzeichnet. Auf nationaler Ebene korreliert ein hoher Individualismus positiv mit einem hohen subjektiven Wohlbefinden. Obwohl die Auswirkung des Individualismus-Kollektivismus auf das subjektive Wohlbefinden mit den politischen und wirtschaftlichen Umständen in einem Land zusammenhängt, ist sie dennoch teilweise unabhängig von diesen Rahmenbedingungen. Individualismus und Ausdruck von Gefühlen Die Dimension Individualismus steht wahrscheinlich in Zusammenhang mit der kulturellen Befürwortung von Strategien zur Emotionsregulierung wie dem Ausdruck. Hochgradig individualistische Kulturen weisen ein höheres Maß an allgemeinem Gefühlsausdruck auf (van Hemert et al., 2007). Da individualistische Kulturen die Eigenständigkeit, Autonomie und Einzigartigkeit des Einzelnen schätzen und fördern (Markus & Kitayama, 1991), glauben die Menschen in diesen Kulturen, dass sie ein Recht darauf haben, ihre Emotionen als wichtige persönliche Erfahrungen auszudrücken. Individualistische Kulturen (wie z. B. die US-amerikanische) fördern die äußere Darstellung von Emotionen als Ausdruck der Individualität und übertreiben die Stärke des emotionalen Erlebens (Matsumoto et al., 1998).
2.1.4 Vielfältiger Charakter und Vielfalt des Individualismus-Kollektivismus Die dynamische Natur von Individualismus und Kollektivismus Das Bild, das sich bei realen Kulturvergleichen ergibt, ist jedoch vielschichtiger als die einfache dualistische Unterscheidung zwischen kollektivistisch und individualistisch. Die folgenden Beispiele aus verschiedenen Gesellschaften zeigen, dass Kulturen in dieser Hinsicht nicht statisch sind, sondern sich im Laufe der Zeit und zwischen den Individuen innerhalb der Kulturen ständig verändern (Hamamura, 2012; Matsumoto et al., 1996; Putnam, 2000).
2.1 Kollektivismus und Individualismus als kulturelle Rahmenbedingungen
37
In den Vereinigten Staaten und Japan wurde dies in einer Reihe von Studien (Matsumoto et al., 1996) aufgezeigt, in denen die Vielfalt von Kollektivismus und Individualismus und deren Wandel während der letzten Jahrzehnte untersucht wurde. Die Autoren analysierten die sozialen Veränderungen in den Vereinigten Staaten und Japan und stellten die stereotypen Vorstellungen von Individualismus und Kollektivismus in diesen Kulturen in Frage. Empirische Daten, die die innerindividuelle und innerkulturelle Variabilität von Individualismus und Kollektivismus untersuchten, verdeutlichten den dynamischen Charakter der Kultur in beiden Ländern. China hat in den letzten Jahrzehnten auch einen raschen kulturellen Wandel erlebt, der zum großen Teil von der jüngeren Generation, den Millennials, vorangetrieben wurde. Der auffälligste kulturelle Wandel ist die Entwicklung einer neuen Art von Individualismus. Diese neue Kohorte ist als Ku-Generation bekannt. Dieses Slangwort ist die chinesische Version des US-amerikanischen Begriffs „cool“ und wird häufig als Symbol für die Rebellion der Jugend verwendet, die danach strebt, die kulturellen Werte der älteren Generation zu verändern (Moore, 2005). Individualismus und Selbstverwöhnung sind zwei wichtige Werte, die mit dem Begriff ku verbunden werden. In der Vergangenheit wurden diese Werte von den Menschen in der chinesischen Mehrheitsgesellschaft nicht gebilligt. Die Millennial-Chinesen beschreiben diese neuen individualistischen Tendenzen als Freiheit, wobei der starke Fokus auf Freiheit ein Maß für den von ihnen geschätzten Individualismus ist. Die Selbstverwöhnung hat für die jungen, gebildeten Städter nicht die gleichen negativen Auswirkungen wie in früheren chinesischen Generationen. Individualismus und Kollektivismus im Prozess der Akkulturation Chinesen, die in die Vereinigten Staaten ziehen und dort leben, erleben andere kulturelle Übergänge. Sie unterliegen einem doppelten kulturellen Einfluss: dem der kollektivistischen Kultur, in der sie aufgewachsen sind, und dem der individualistischen Kultur, indem sie sich den neuen Werten und Verhaltensweisen in Amerika aussetzen (Tsai et al., 2000). Durch Akkulturation übernehmen sie allmählich die vorherrschenden kulturellen Werte und Verhaltensweisen (Feldman et al., 1992). Diese Chinesen befinden sich an einem kulturellen Scheideweg: Sie sind möglicherweise individualistischer als die einheimischen chinesischen Ehepartner, aber weniger individualistisch als die nordamerikanischen Ehepartner. Die Ergebnisse von Fitzpatrick et al. (2006) zeigen die vielschichtigen Muster bei der Unterscheidung zwischen individualistischen und kollektivistischen Kulturen. Sie entdeckten komplexere Ergebnisse: Teilnehmer aus drei Gruppen – gebürtige Chinesen, in China lebende Personen und Nordamerikaner – wiesen einige unerwartete Gemeinsamkeiten und Unterschiede auf. Die Ergebnisse zeigten insbesondere, dass nordamerikanische Ehemänner weniger individualistisch waren als chinesische (ansässige oder einheimische) Ehemänner. Zwischen nordamerikanischen und chinesischen Ehefrauen gab es jedoch
38
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
keine Gruppenunterschiede. Chinesische einheimische Ehefrauen waren weniger kollektivistisch als nordamerikanische oder chinesische einheimische Ehefrauen, und so weiter. Diese Ergebnisse sind wahrscheinlich auf ein Zusammentreffen von Kulturen zurückzuführen (Fitzpatrick et al., 2006). Die Kulturen vermischen und verschmelzen auf unterschiedliche Weise. Chinesische Ehepartner können individualistischere Werte annehmen, wenn sie mit dem westlichen Lebensstil in Berührung kommen. Wenn Nordamerikaner mit östlichen Werten und Kulturen in Berührung kommen, werden sie möglicherweise kollektivistischer. In den Ehen städtischer chinesischer Paare koexistieren traditionelle chinesische Werte und moderne westliche Werte (Pimental, 2000). Viele Korrelationsergebnisse von Fitzpatrick et al. (2006) stimmen mit dieser Auffassung überein, z. B. wurde ein positiver Zusammenhang zwischen Kollektivismus und Individualismus in Mehrheitsgruppen festgestellt. Wir sehen also, dass diese kulturellen Orientierungen keine gegensätzlichen Konstrukte sind. Sie treten in vielfältiger und verwobener Weise auf. Wie Tsai et al. (2000) feststellten, können chinesische Einwanderer, die in den Vereinigten Staaten leben, unterschiedliche kulturelle Orientierungen in verschiedenen Kontexten zum Ausdruck bringen und verfolgen: chinesische Werte – eher zu Hause und in anderen privaten Umgebungen, während US-amerikanische Werte in der Schule, am Arbeitsplatz und in anderen öffentlichen Umgebungen zum Tragen kommen.
2.1.5 Variation von Individualismus und Kollektivismus Vielfalt der individualistischen und kollektivistischen Überzeugungen In den 1980–1990er-Jahren betrachteten viele Autoren Kollektivismus und Individualismus als polare und entgegengesetzte Dimensionen von Kulturen oder Gesellschaften (Chan, 1994; Hofstede, 1984, 2001; Hui & Triandis, 1986; Kitayama et al., 1997) und stellten gewöhnlich westliche (europäische und US-amerikanische) und östliche (ostasiatische) Länder einander gegenüber. Die Konstrukte des Individualismus und des Kollektivismus sind jedoch kulturell vielschichtiger. Jüngste Studien haben ein vielschichtiges und vielschichtiges Bild gezeigt (siehe z. B. Oyserman et al., 2002). Auf der Individualismus-Skala liegen Europäer und Lateinamerikaner ähnlich hoch wie Nordamerikaner, aber höher als Japaner und deutlich höher als Menschen auf dem indischen Subkontinent und in Afrika. Der größte Unterschied in dieser Dimension besteht zwischen den Vereinigten Staaten und China, Taiwan und Hongkong (als konfuzianisch geprägte Länder), während es keinen Unterschied zu Australien, Deutschland und Kanada gibt. Killen & Wainryb (2000) haben die Komplexität von Individualismus und Kollektivismus anhand von Beispielen aus der empirischen Forschung in Japan, dem Nahen Osten und Kolumbien aufgezeigt. Es wurde festgestellt, dass die Unterschiede in den individualistischen Überzeugungen zwischen den einzelnen Ländern geringer und weniger ausgeprägt sind
2.1 Kollektivismus und Individualismus als kulturelle Rahmenbedingungen
39
als die Unterschiede in den kollektivistischen Überzeugungen (Basabe & Ros, 2005). Das parallele Vorhandensein von Kollektivismus und Individualismus wird in vielen Ländern deutlicher, wobei sich die kulturellen Werte miteinander vermischen. Hier sind einige Beispiele. In Thailand – einem hochgradig kollektivistischen Land – wurde bei der Untersuchung von Ehen mit doppeltem Wohnsitz (Schvaneveldt et al., 2001) das Auftreten von „nicht durchsetzungsfähigem Individualismus“ festgestellt, dem die Direktheit des traditionellen Individualismus fehlt, der jedoch gruppeninterne, mit dem Kollektivismus verbundene Werte widerspiegelt. In den Vereinigten Staaten – einem stark individualistisch geprägten Land – sind die europäischen US-Amerikaner tatsächlich individualistischer, da sie die persönliche Unabhängigkeit schätzen, und weniger kollektivistisch, da sie sich weniger verpflichtet fühlen, einer Gruppe anzugehören. Die Ergebnisse von Studien (Oyserman et al., 2002) zeigen jedoch, dass europäische US-Amerikaner nicht individualistischer sind als Latinos oder Afroamerikaner und nicht weniger kollektivistisch als Koreaner oder Japaner. Auch die Asiaten sind in ihren kulturellen Merkmalen nicht homogen. Lediglich die Chinesen weisen deutliche Unterschiede auf, da sie sowohl weniger individualistisch als auch kollektivistischer sind. Oyserman, Coon und Kemmelmeier (2002) fanden heraus, dass Lateinamerikaner, Europäer und Nordamerikaner in Bezug auf individualistische Überzeugungen ähnlich hohe Werte aufwiesen, während die Menschen in Afrika, Indien und Japan niedrigere Werte in dieser Dimension hatten. Auf der anderen Seite wiesen die Menschen in China, Taiwan und Hongkong – den konfuzianischen Ländern – wesentlich niedrigere Werte für Individualismus auf als die Menschen in den Vereinigten Staaten. Menschen in Australien und Deutschland wiesen im Vergleich zu Menschen in Kanada und den Vereinigten Staaten keine unterschiedlichen Werte für Individualismus auf (Oyserman et al., 2002). Bei den kollektivistischen Überzeugungen wiesen Chinesen im Vergleich zu Menschen aus englischsprachigen Ländern höhere Werte auf. Menschen aus Osteuropa, den arabischen Ländern und Afrika sowie Lateinamerikaner wiesen hohe Werte für kollektivistische Überzeugungen auf. Die größten Unterschiede gab es zwischen Nordamerikanern und Menschen aus asiatischen und afrikanischen Ländern. Obwohl sich die Nationen in ihrem Grad an Individualismus und Kollektivismus erheblich unterscheiden, sollten diese Konstrukte und die entsprechenden Dimensionen nicht als einheitliche, sondern vielmehr als mehrdimensionale Konzepte konzipiert werden (Basabe & Ros, 2005; Neto, 2007; Oyserman et al., 2002). Kulturen können in einigen Facetten des Kollektivismus Gemeinsamkeiten aufweisen und sich dennoch in anderen Aspekten des Kollektivismus unterscheiden (Brewer & Chen, 2007; Fiske, 2002). Zum Beispiel können wir sagen, dass Hindus, Inder, Chinesen, Japaner, Koreaner und Mexikaner den Kollektivismus als kulturelle Dimension teilen. Dennoch sind diese nationalen Kulturen in vielerlei Hinsicht unterschiedlich und spezifisch. Insgesamt deuten die Ergebnisse mehrerer Studien (z. B. Stephan et al., 1998) darauf hin, dass Individualismus-Kollektivismus keine einzelne und spezifische Di-
40
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
mension nichtmonolithischer Natur ist. Es handelt sich vielmehr um ein breites Spektrum verschiedener kultureller Dimensionen. nterschiedliche Ausprägungen von Individualismus und Kollektivismus U innerhalb eines Landes Die Facetten der Kollektivismus- und Individualismusdimensionen variieren auch innerhalb einer Nation zwischen sozialen Klassen, Religionen, Regionen von Ländern und möglicherweise auch zwischen anderen kulturellen Gruppen. So könnte es beispielsweise unangemessen sein, die nordamerikanische Kultur als ausschließlich individualistisch zu betrachten. Die Regionen der US-Kultur unterscheiden sich in ihrem Individualismus und Kollektivismus (Vandello & Cohen, 1999) in solchen Variablen auf Staatsebene dieser Konstrukte wie dem Prozentsatz der Alleinlebenden (als Indikator für Individualismus), dem Prozentsatz der Haushalte, in denen Großeltern leben, und dem Prozentsatz der Menschen mit Religionszugehörigkeit (als Indikator für Kollektivismus). Bei diesen Parametern ist der Individualismus in den westlichen Gebirgsregionen und den Great Plains am höchsten, während der Kollektivismus im tiefen Süden und auf Hawaii am größten ist. Der letztgenannte Staat ist besonders kollektivistisch, was wahrscheinlich auf den hohen Anteil der dort lebenden Menschen asiatischer Abstammung zurückzuführen ist. Die Forscher fanden heraus (Vandello & Cohen, 1999), dass in Bezug auf das Wirtschaftssystem die Plantagenwirtschaft mit Kollektivismus korreliert, während selbstverwaltete Betriebe mit Individualismus einhergehen. Ethnische Minderheiten waren in der Regel eher kollektivistisch als individualistisch. Donohue (1990) hat die Komplexität dieser beiden kulturellen Dimensionen hervorgehoben und behauptet, dass Individualismus und Kollektivismus nebeneinander bestehen können: Die US-amerikanische Freiheit assimiliert sowohl individuelle Rechte als auch kollektivistisches Engagement in der Gemeinschaft, sie ist also NICHT ausschließlich mit dem allgemeinen kulturellen Individualismus verbunden. I diozentrismus und Allozentrismus als individuelle Dimensionen von Individualismus und Kollektivismus Während Individualismus oder Kollektivismus die Dimension der Kultur auf Länderebene ist, ist Idiozentrismus oder Allokation die Dimension der Persönlichkeit auf individueller Ebene. Idiozentrismus ist ein individualistisches Persönlichkeitsmerkmal und Allozentrismus ist ein kollektivistisches Persönlichkeitsmerkmal. Idiozentrische und allozentrische Individuen gibt es sowohl in individualistischen als auch in kollektivistischen Gesellschaften. Dennoch weisen individualistische Kulturen typischerweise mehr idiozentrische Individuen auf, während kollektivistische Kulturen in der Regel mehr allozentrische Individuen aufweisen (Eid & Diener, 2001; Lay et al., 1998; Matsumoto & Kupperbusch, 2001; Triandis et al., 1995).
2.1 Kollektivismus und Individualismus als kulturelle Rahmenbedingungen
41
Andere Theorien und Forschungsarbeiten (siehe Basabe & Ros, 2005) schlagen andere Dimensionen kultureller Werte vor. Schwartz (1994) und seine Kollegen schlugen zum Beispiel vor, verschiedene Arten von Kollektivismus zu unterscheiden. Kulturen mit egalitärem Engagement ermutigen den Einzelnen, freiwillig mit anderen zusammenzuarbeiten und sich um ihr Wohlergehen zu kümmern. Kulturen, die den Schwerpunkt auf die Erhaltung des Status quo legen, neigen dazu, die Aufrechterhaltung des Status quo zu fördern. Die Kulturen, die die Hierarchie betonen, fördern Machtunterschiede und hierarchische Rollensysteme. Wettbewerbsorientierter Individualismus und egalitärer Individualismus Eine weitere Variable innerhalb des Individualismus als kultureller Wert, die das kulturelle Modell des Erlebens von Emotionen erklären kann, ist der Wettbewerbsindividualismus gegenüber dem egalitären Individualismus. Der Wettbewerbsindividualismus (typisch für Nordamerikaner) betont die Bedeutung eines hohen Selbstwertgefühls, sich von anderen abzuheben und persönlichen Erfolg zu haben. Der egalitäre Individualismus (typisch für die Belgier) hingegen betont die Integrität des Einzelnen innerhalb seines sozialen Netzwerks der Gleichberechtigung (Schwartz & Ros, 1995). Eine Studie, in der US-Amerikaner und Belgier verglichen wurden (Boiger et al., 2013a, b), stellte die Hypothese auf, dass Wut in der Kultur des US-amerikanischen Individualismus (eher wettbewerbsorientiert) vorteilhafter ist, während Scham in der Kultur des belgischen Individualismus (eher egalitär) vorteilhafter ist. Wut ist eine sozial ungebundene Emotion, die die eigenen Wünsche über die der anderen stellt; sie widerspricht dem egalitären Individualismus. Der Kommunikationseffekt der Scham ist ein anderer: Sie signalisiert den Versuch einer Person, beschädigte soziale Beziehungen zu reparieren. Sie steht eher im Einklang mit den egalitären Werten, die die Aufrechterhaltung egalitärer Beziehungen und Konformität betonen. Die Ergebnisse der Studie, bei der über einen Zeitraum von sieben Tagen Erfahrungen gesammelt wurden, zeigten, dass US-Amerikaner mehr Wut und weniger Scham empfinden als Belgier. Die Kulturen der interdependenten Kontexte sind ebenfalls heterogen, auch wenn in diesen kulturellen Kontexten ähnliche emotionale Muster gefunden wurden. So wurde zum Beispiel die Ähnlichkeit zwischen einbindenden und nicht einbindenden Emotionen in den Stichproben von Japanern und Mexikanern im Vergleich zu US-Amerikanern festgestellt (Savani et al., 2013). Dennoch ist der Wert von affektiven Zuständen in anderen interdependenten kulturellen Kontexten unterschiedlich. Die Studien haben gezeigt, dass Mexikaner eine wesentlich stärkere Präferenz für positive Zustände mit hoher Erregung gegenüber positiven Zuständen mit niedriger Erregung haben. Chinesen hingegen haben eine Vorliebe für positive Zustände mit geringer Erregung gegenüber solchen mit hoher Erregung gezeigt. Das mexikanische Muster des idealen Affekts ähnelte dem der europäischen Kanadier (Ruby et al., 2012). Diese Ergebnisse bestätigen, dass nicht alle kollektivistischen Kulturen den gleichen idealen Affekt haben.
42
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
2.1.6 Das unabhängige versus das interdependente Modell der Kultur Unabhängige und voneinander abhängige Selbst-Konstruktionen Die Menschen in den verschiedenen Kulturen unterscheiden sich in ihren Vorstellungen von der eigenen Person, in ihren Konstruktionen des Selbst und der anderen sowie in der Art und Weise, wie das Selbst und die anderen miteinander in Beziehung stehen, d. h. unabhängig und voneinander abhängig sind. In den letzten Jahrzehnten haben sich die Wissenschaftler weitgehend auf den Vergleich zwischen östlichen und westlichen Kulturen konzentriert, weil diese beiden Kulturregionen in vielerlei Hinsicht wahrscheinlich am stärksten ausgeprägt und kontrastreich sind. Da es sich bei den analysierten und untersuchten Personen überwiegend um Nordamerikaner (insbesondere europäischer Abstammung) auf der einen Seite und Japaner und Chinesen auf der anderen Seite handelt, ist es angemessener, diese beiden großen Regionen der Welt als europäisch-amerikanische Kultur und ostasiatische Kultur zu bezeichnen. Trotz der regionalen Unterschiede in jeder dieser Weltregionen und trotz ihrer Vielfalt haben die Menschen in den Ländern der beiden Regionen viele kulturelle Ideen, Praktiken und soziale Einrichtungen gemeinsam. Der Unterschied zwischen dem unabhängigen Selbstmodell (das in individualistischen Kulturen vorherrscht) und dem interdependenten Selbstmodell (das in kollektivistischen Kulturen vorherrscht) wurde als Erklärungsrahmen für die Erforschung der kulturellen Unterschiede von Emotionen in unabhängigen und interdependenten Modellen der Kultur vorgeschlagen (Markus & Kitayama, 1991; Mesquita & Leu, 2007; Tsai & Clobert, 2019). Da dieser Ansatz mit der Individualismus- bzw. Kollektivismus-Dimension der Kultur in Verbindung gebracht wird, konzentriert er sich auf unabhängige bzw. voneinander abhängige Modelle des Selbst bei dem Versuch, kulturelle Muster von Emotionen zu erklären (Kitayama & Markus, 2000; Markus & Kitayama, 1991; Tsai & Clobert, 2019). Markus & Kitayama (1991) schlugen vor, diese verschiedenen Modelle des Selbst zu verwenden, um kulturelle Muster des emotionalen Erlebens zu beschreiben und zu erklären. Tsai und Clobert (2019) haben einen recht umfassenden Überblick über das emotionale Erleben in diesen beiden Arten von Kulturen gegeben. Ostasiatische interdependente Kulturen Die Vorstellungen von Individualität in vielen ostasiatischen Kulturen implizieren, dass die Individuen in einer Gemeinschaft grundsätzlich miteinander verbunden sind. Kulturelle Normen betonen die Bedeutung der Verbundenheit zwischen Individuen und deren harmonische Interdependenz, einschließlich der Interdependenz des persönlichen Selbst mit anderen. Diese Vorstellung vom Selbst in der Beziehung zu anderen umfasst die Motivation, die Gefühle, das Denken und das Handeln der Menschen. Die psychologischen Grenzen zwischen dem persönlichen Selbst und
2.1 Kollektivismus und Individualismus als kulturelle Rahmenbedingungen
43
dem Selbst der anderen sind unsichtbar und unscharf. Auch wenn das persönliche Selbst wichtig ist, so schließt dieses Selbst doch das Selbst der anderen und die verschiedenen Verbindungen mit ihnen ein. Ein Individuum mit interdependenten Selbstmodellen ist sich bewusst, dass es mit anderen in Beziehung steht, dass es seine Pflichten und Zugehörigkeiten zu anderen hat, dass es die Bedürfnisse anderer (gegenüber seinen eigenen) bevorzugt und dass es dazu ermutigt wird, sich an andere anzupassen (d. h. seine persönlichen Wünsche, Vorlieben und Überzeugungen zu ändern, um mit der Umgebung in Einklang zu stehen). Das persönliche Selbst entwickelt sich durch das Eintauchen in enge Beziehungen und die Identifikation mit wichtigen anderen (oder die Rebellion gegen sie). Für Japaner ist es wichtiger, sich in Beziehungen einzufügen und sich an sie anzupassen, als herauszustechen und andere zu beeinflussen (Morling et al., 2002; Tsai & Clobert, 2019; Weisz et al., 1984). In ostasiatischen Kulturen ist die Vorstellung von der gegenseitigen Abhängigkeit der Menschen weit verbreitet (z. B. Markus & Kitayama, 1991; Uchida et al., 2004). Die Menschen in diesen Kulturen fühlen sich stark motiviert, sich an relevante soziale und zwischenmenschliche Beziehungen anzupassen und sich da rauf einzustellen. Sie fühlen sich ihren sozialen Rollen und sozialen Verpflichtungen verpflichtet und sind bereit, auf soziale Erwartungen zu reagieren (Morling et al., 2002; Weisz et al., 1984). Unabhängige europäische und US-amerikanische Kulturen Nach der europäisch-amerikanischen Auffassung von Individualität sollte der Einzelne in einer Gesellschaft seine Autonomie und Unabhängigkeit von anderen bewahren, indem er sein einzigartiges Selbst verwirklicht und zum Ausdruck bringt. Ein Individuum mit unabhängigen Selbstmodellen ist sich bewusst, dass es von anderen getrennt ist, dass es eigene Wünsche, Vorlieben und Überzeugungen hat, dass seine eigenen Bedürfnisse Vorrang vor denen anderer haben und dass es ermutigt wird, andere zu beeinflussen (d. h. die Umgebung so zu verändern, dass sie den eigenen Wünschen, Vorlieben und Überzeugungen entspricht). Diese Kulturen – mit eigenständigen Selbstmodellen – schätzen die Besonderheit des Einzelnen, seine Autonomie und seine persönliche Leistung. Daher betonen die dort vorherrschenden kulturellen Werte das persönliche Selbst und die individuelle Besonderheit. Das individuelle Selbst ist in dieser Konzeption das Zentrum der Motivation, der Gefühle, des Denkens und des Handelns der Menschen. Der Einzelne schätzt zwar seine sozialen Beziehungen, doch gehen die Beziehungen und Interaktionen von der Unabhängigkeit seines Selbst aus. Das bedeutet, dass sie die Wahl haben, in die Beziehungen einzutreten oder sie zu verlassen. In der europäisch-amerikanischen Kultur ist es wichtiger, herauszustechen und andere zu beeinflussen, als in Beziehungen zu stehen und sich anzupassen (Morling et al., 2002; Weisz et al., 1984).
44
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Unabhängiges Modell des Selbst und des emotionalen Erlebens Individuelle emotionale Erfahrungen in unabhängigen kulturellen Kontexten sind tendenziell stärker auf sich selbst fokussiert. Europäische US-Amerikaner erleben und äußern intensivere Gefühle, wenn sie an sich selbst denken (im Vergleich zu Familienmitgliedern) (Chentsova-Dutton & Tsai, 2010; Uchida et al., 2009). Menschen in unabhängigen Kulturen (z. B. Großbritannien, USA und Deutschland) erleben im Allgemeinen die sozial verbindlichen Gefühle wie Verbundenheit mit anderen, Freundlichkeit, Schuldgefühle und Scham seltener und intensiver, während sozial unverbindliche Emotionen wie Stolz, Überlegenheit, Frustration und Wut häufiger und intensiver auftreten als bei Menschen in östlichen Kulturen (z. B. Japan), Japan) (Kitayama et al., 2006, 2009). Diese Unterschiede entstehen bereits in der frühen Kindheit (Furukawa et al., 2012), und daher neigen US-Amerikaner dazu, häufiger Situationen zu erleben, die Wut auslösen, während Situationen, die Scham auslösen, seltener auftreten als bei Japanern (Boiger et al., 2013a, b). Interdependentes Modell des Selbst und des emotionalen Erlebens Im Gegensatz dazu legen östliche Kulturen mit ihren interdependenten Selbstmodellen Wert darauf, sich in andere einzufügen, zwischenmenschlich verbunden zu sein und in der Gruppe etwas zu erreichen. Folglich betonen die dort vorherrschenden kulturellen Werte des Gefühlslebens die Verbindung mit anderen. Individuelle emotionale Erfahrungen in interdependenten kulturellen Kontexten sind tendenziell stärker auf andere fokussiert. Asiatische US-Amerikaner erleben und äußern häufiger und intensiver Emotionen, wenn sie an Familienmitglieder und andere Beziehungen (im Vergleich zu sich selbst) denken (Chentsova-Dutton & Tsai, 2010; Uchida et al., 2009). Menschen in interdependenten Kulturen (z. B. Japan) erleben im Allgemeinen sozial einbindende Emotionen wie Verbundenheit mit anderen, Freundlichkeit, Schuldgefühle und Scham häufiger und intensiver, während sozial nicht einbindende Emotionen wie Stolz, Überlegenheit, Frustration und Wut im Vergleich zu Menschen in westlichen Kulturen (z. B. Großbritannien, USA und Deutschland) seltener und intensiver auftreten, Vereinigtes Königreich, Vereinigte Staaten und Deutschland) (Kitayama et al., 2006, 2009). Diese Unterschiede zeigen sich bereits in der frühen Kindheit (Furukawa et al., 2012), und so neigen Japaner dazu, häufiger als US-Amerikaner Situationen zu erleben, die Scham hervorrufen, während sie seltener als US-Amerikaner Situationen erleben, die Wut hervorrufen (Boiger et al., 2013a, b). Vielfalt der unabhängigen und interdependenten kulturellen Kontexte Es ist jedoch zu beachten, dass es innerhalb jeder Gruppe dieser Dichotomie eine erhebliche kulturelle Vielfalt gibt: ostasiatische/interdependente versus westliche/ unabhängige Gesellschaften (Mesquita & Leu, 2007; Tsai & Clobert, 2019). Es ist
2.1 Kollektivismus und Individualismus als kulturelle Rahmenbedingungen
45
nicht ganz angemessen, davon auszugehen, dass es nur zwei Arten gibt, Emotionen zu erleben und auszudrücken: nach unabhängigen und interdependenten Modellen. Emotionen in verschiedenen interdependenten Kulturen (darunter nicht nur ostasiatische, sondern auch nicht-ostasiatische interdependente Gesellschaften) sowie in unabhängigen Kulturen (darunter nicht nur europäische US-Amerikaner, sondern auch verschiedene westeuropäische Gesellschaften) können auf unterschiedliche Weise erlebt werden. So ergab eine Studie, dass Menschen in mexikanischen interdependenten Kontexten Emotionen anders erleben als Menschen in japanischen interdependenten Kontexten. Daher sollten bei der Entwicklung kultureller Selbstund Beziehungsmodelle auch andere Dimensionen als Unabhängigkeit und Interdependenz berücksichtigt werden (Mesquita & Leu, 2007). Möglicherweise gibt es auch eine Überschneidung der kulturellen Normen und Modelle dieser beiden scheinbar gegensätzlichen Kulturen. In einer kulturübergreifenden Studie über die Häufigkeit und Intensität von Emotionen fanden Forscher (Eid & Diener, 2001) beispielsweise heraus, dass die taiwanesischen Befragten viele positive Emotionen ähnlich erlebten wie Australier und US-Amerikaner. Stolz war die einzige positive Emotion, bei der Taiwanesen den Festlandchinesen ähnlich waren. Auch bei der Häufigkeit negativer Emotionen waren die Taiwanesen den Australiern und US-Amerikanern ähnlich. Bei der Intensität der negativen Emotionen waren die Unterschiede zwischen Taiwanern und Befragten aus diesen beiden individualistischen Gesellschaften jedoch größer. Die Autoren erklären diese Ergebnisse damit, dass die moderne taiwanesische Kultur unter dem Einfluss von zwei kulturellen Traditionen steht. Es handelt sich um eine Gesellschaft, die historisch mit chinesischen kollektivistischen Werten verbunden ist, aber in der heutigen Zeit stark mit individualistischen Werten verbunden ist (Eid & Diener, 2001). Ein weiteres Beispiel sind die Unterschiede in den westlichen kulturellen Normen zwischen europäischen US-Amerikanern und europäischen Deutschen. Obwohl europäische US-Amerikaner und Deutsche westliche individualistische Werte vertreten, gibt es doch wichtige Unterschiede zwischen den beiden kulturellen Gruppen. Diese Unterschiede liegen in der Art und Weise, wie ihre Vorfahren auf religiöse Verfolgung und wirtschaftliche Not in Europa in den vergangenen Jahrhunderten reagiert haben. Die frühen US-amerikanischen Siedler aus Deutschland wanderten auf der Suche nach einem besseren Leben nach Amerika ein, während die europäischen Deutschen in ihrer Heimat blieben und sich an ihre schwierigen Umstände anpassten. Angesichts dieser historischen Unterschiede ging eine Studie von Koopmann- Holm und Tsai (2014) davon aus, dass dieser „Frontier Spirit“ mit den Unterschieden in der Einstellung zu negativen Emotionen zusammenhängen könnte. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass europäische US-Amerikaner tatsächlich mehr an die Werte des Wilden Westens glauben als Deutsche und deshalb negative affektive Zustände eher vermeiden als Deutsche. Diese Unterschiede im Wunsch, negative Emotionen zu vermeiden, lassen auch Vorhersagen darüber zu, wie Menschen in diesen Kulturen Mitgefühl für eine andere Person ausdrücken.
46
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen „Wenn sie sich vorstellten, dass ein enger Bekannter einen geliebten Menschen verloren hat, schickten europäische Amerikaner im Vergleich zu Deutschen eher eine Beileidskarte, die sich auf das Positive konzentrierte (z. B. „Remembering … let time heal your soul“) als eine, die sich auf das Negative konzentrierte („A severe loss … take time to grieve“). (Tsai & Clobert, 2019, S. 307)“
2.2 Machtdistanz als kultureller Rahmenbedingung 2.2.1 Kulturen mit hoher versus niedriger Machtdistanz Konstrukt der Machtdistanz Die kulturelle Rahmenbedingung der Machtdistanz wurde von Hofstede vorgeschlagen, um zu beschreiben, wie gesellschaftliche kulturelle Normen erwarten und akzeptieren, dass Macht, Status und „vertikale“ Beziehungen in der Gesellschaft ungleich verteilt sind (Hofstede, 1998, 2001). Das Konstrukt der Machtdistanz definiert, wie eine Gesellschaft die Bedeutung von Machthierarchie und sozialem Status für zwischenmenschliche Interaktionen und Beziehungen sieht. Als kulturelle Dimension misst die Machtdistanz das Ausmaß, in dem die Menschen die sozialen Normen anerkennen und akzeptieren, dass die soziale Distanz und die Macht zwischen Personen mit niedrigem und hohem Status sowie mit niedrigem und hohem Rang ungleich verteilt sind. Mit anderen Worten, sie ist ein Maß für die Ungleichheit (im Gegensatz zur Gleichheit) von Status und Macht zwischen Menschen in einer Gesellschaft. Kulturen mit hoher Machtdistanz In Kulturen mit hoher Machtdistanz scheinen diese Machtunterschiede zwischen „Vorgesetzten“ und „Untergebenen“ natürlich zu sein und spiegeln eine „existentielle Ungleichheit“ wider (Hofstede, 1980/1984). In einer Kultur mit hoher Machtdistanz akzeptieren und erwarten die weniger mächtigen Mitglieder, dass die Macht innerhalb einer Gesellschaft ungleich verteilt ist. Autoritätspersonen (z. B. Manager, Älteste und Eltern) und Untergebene (z. B. Arbeiter, Jugendliche und Kinder) sind emotional voneinander distanziert. Förmliche Unterordnung und Respekt vor Menschen mit höherem Status werden besonders geschätzt. Japan, die Philippinen, Singapur, Malaysia, Indien, Mexiko, Guatemala, Venezuela, Kolumbien und Brasilien sind Beispiele für Gesellschaften mit hoher Machtdistanz (Hofstede, 1980/1984). Kulturen mit niedriger Machtdistanz In Kulturen mit niedriger Machtdistanz werden die Menschen als gleichberechtigt angesehen. In einer Kultur mit geringer Machtdistanz werden Egalitarismus und Gleichheit in Beziehungen und Macht erwartet, und es herrscht ein partizipativer und
2.2 Machtdistanz als kultureller Rahmenbedingung
47
beratender Kommunikationsstil vor. Neuseeland, Israel, die Schweiz, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Österreich und Irland sind Beispiele für Länder mit niedriger Machtdistanz (Hofstede, 1998, 2001; Würtz, 2005). Die Vereinigten Staaten liegen bei der Machtdistanz unter dem Medianwert (Andersen et al., 2003).
2.2.2 Machtdistanz und Gefühlsleben Machtdistanz ist prädiktiv für emotionales Erleben Beeinflusst die Machtdistanz als kulturelle Dimension das Gefühlsleben von Menschen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten? In der Emotionsforschung (siehe Basabe et al., 2000) werden traditionell Stichproben aus Gesellschaften mit hohem Kollektivismus und hoher Machtdistanz mit kulturellen Stichproben mit hohem Individualismus und niedriger Machtdistanz verglichen. Diese beiden Dimensionen – Individualismus und geringe Machtdistanz – korrelieren in vielen Gesellschaften häufig miteinander. Die Autoren erklärten kulturelle Unterschiede in Bezug auf Emotionen in der Regel mit individualistischen und kollektivistischen Unterschieden. Wie jedoch die multivariate Analyse mehrerer Studien (Basabe et al., 2000) gezeigt hat, ist die Machtdistanz in Gesellschaften tatsächlich ein relevanterer Prädiktor, der kulturelle Unterschiede im emotionalen Erleben erklärt. Man kann also feststellen, dass die Machtdistanz als kulturelle Dimension das emotionale Erleben wesentlich beeinflusst. Menschen in Gesellschaften mit großer Machtdistanz sind eher launisch und erleben häufiger negative Emotionen wie Wut und Traurigkeit (Arrindell et al., 1997; Basabe et al., 2000). Mehrere Studien (siehe Basabe et al., 2000) haben gezeigt, dass sich die Machtdistanz in einer Gesellschaft auf das Erleben von Angst, Stress, Furcht, Depression und Schuldgefühlen der Menschen auswirkt. Diese Prävalenz negativer Emotionen ist wahrscheinlich auf die starke soziale und hierarchische Differenzierung zurückzuführen, die für diese Art von Gesellschaften typisch ist (z. B. Malaysia und Guatemala). Die große Häufigkeit von Traurigkeit, Wut und anderen negativen Emotionen, die die Menschen empfinden, deutet auf einen potenziellen oder tatsächlichen Konflikt zwischen den Normen und dem tatsächlichen emotionalen Erleben des Lebens hin. Häufiges Erleben und geringere Intensität negativer Emotionen machen also eine Gesellschaft mit hoher Machtdistanz zu einer emotional leidenden Kultur (Basabe et al., 2000). Machtdistanz und Wohlbefinden Eine umfassende Studie mit 21 Tausenden von Erwachsenen (Durchschnittsalter = 30,2 Jahre) aus 48 Ländern in drei Zeiträumen von 1980 bis 2000 (Steel et al., 2018) ergab, dass Machtdistanz auf individueller Ebene eine schwache negative Beziehung zur Lebens- und Beziehungszufriedenheit aufweist. Machtdistanz scheint sich nicht positiv auf das Wohlbefinden des Einzelnen auszuwirken.
48
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Auf nationaler Ebene waren die Ergebnisse ähnlich: Glückliche Nationen haben eine niedrige Machtdistanz. Eine hohe Machtdistanz korreliert dagegen stark mit einem geringen subjektiven Wohlbefinden. Den Daten für das Jahrzehnt 2000–2009 zufolge lagen glückliche Länder mit geringer Machtdistanz, wie Norwegen und die Niederlande, an der Spitze, während die weniger glücklichen Länder mit hoher Machtdistanz, wie die Philippinen und China, am unteren Ende lagen. Obwohl die Wirkung der Machtdistanz auf das subjektive Wohlbefinden mit der politischen und wirtschaftlichen Situation in den Ländern zusammenhängt, ist sie dennoch teilweise unabhängig von diesen Parametern. Machtdistanz und Ausdruck von Gefühlen in Beziehungen Es ist zu erwarten, dass sich die Machtdistanz insbesondere auf zwischenmenschliche Beziehungen und enge Beziehungen auswirkt (d. h. Beziehungen zwischen der alten und der jungen Generation, zwischen Eltern und Kindern, romantische und eheliche Beziehungen). Kulturen mit hoher Machtdistanz (z. B. Indien) können die zwischenmenschliche Interaktion einschränken und freie Verabredungen und Ehen zwischen den Klassen verbieten. Von Einzelpersonen wird erwartet, dass sie nur positive Emotionen gegenüber Personen mit hohem Status und negative Emotionen gegenüber Personen mit niedrigem Status zeigen (Matsumoto, 1991; Porter & Samovar, 1998). Untergebene empfinden körperliche Anspannung und lächeln gewohnheitsmäßig, um Vorgesetzte zu beschwichtigen und höflich zu wirken (Andersen & Bowman, 1999). Aus diesem Grund lächeln viele Asiaten häufig, um reibungslose soziale Beziehungen zu schaffen und aufrechtzuerhalten. Auch die paralinguistischen und vokalischen Hinweise der Sprache passen sich dieser Art von Beziehungen an. Für Japaner vermittelt eine gesenkte Körperhaltung Respekt und Akzeptanz; sie ist ein Zeichen, dass eine Person akzeptierend, vertrauenswürdig und liebevoll ist (Ishii, 1973). Niedergeschlagene Augen signalisieren Aufmerksamkeit und Zustimmung (Cambra & Klopf, 1979). Menschen in Kulturen mit geringer Machtdistanz sind sich dieses Aspekts der Kommunikation weniger bewusst. Sie sind sich nicht bewusst, dass laute, lärmende und übertriebene Stimmlagen von anderen als beleidigend empfunden werden oder als kindisch erscheinen können (Andersen, 2000; Condon & Yousef, 1983). Bei US-Amerikanern werden eine Körperhaltung, die unter der eines anderen liegt, und gesenkte Augen allgemein als Unterordnung interpretiert (Cambra & Klopf, 1979). Man kann davon ausgehen, dass die Machtdistanz bestimmt, wie Menschen ihre Gefühle in formellen und informellen Beziehungen ausdrücken. In Kulturen mit hoher Machtdistanz sind die Individuen und die Organisationen stärker voneinander abhängig als in Kulturen mit geringer Machtdistanz, und sie akzeptieren die Machtunterschiede. Daher sollte in Kulturen mit hoher Machtdistanz der Ausdruck von Emotionen in Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen akzeptabel sein. Im Gegensatz dazu sollte in Kulturen mit geringer Machtdistanz der Ausdruck von Emotionen in Beziehungen zwischen Vorgesetzten und Untergebenen unterdrückt werden.
2.3 Gleichheit der Geschlechterrollen und Ungleichheit der Geschlechterrollen
49
2.3 Gleichheit der Geschlechterrollen und Ungleichheit der Geschlechterrollen 2.3.1 Das Konstrukt der kulturellen Männlichkeit-Weiblichkeit Gleichheit und Ungleichheit der Geschlechterrollen Die kulturellen Rahmenbedingungen von Männlichkeit und Weiblichkeit (Hofstede, 1980/1984; Hofstede & Bond, 1984) wurden mit dem typischen Geschlechterstereotyp der damaligen Zeit in Verbindung gebracht, nicht mit den tatsächlichen Geschlechterunterschieden zwischen Männern und Frauen in einer Gesellschaft. Meiner Meinung nach kann diese Dimension angemessener und präziser als Gleichheit der Geschlechterrollen und Ungleichheit der Geschlechterrollen bezeich net werden. Was die sozialen und wirtschaftlichen Merkmale betrifft, so können weibliche Kulturen als Wohlfahrtsgesellschaften und männliche Kulturen als Wettbewerbsgesellschaften eingestuft werden. Kulturelle Normen in weiblichen Kulturen fördern den Wert des Mitgefühls, die Sorge um schwache Personen und die Aufmerksamkeit für zwischenmenschliche Beziehungen (Hofstede, 1991). ie Kulturen der Ungleichheit der Geschlechterrollen (Kulturen D des Männlichen) In stark männlich geprägten Kulturen sind die Geschlechterrollen stark differenziert. In solchen Kulturen wird den Menschen nahegelegt, sich innerhalb einer begrenzten Anzahl von geschlechtsbezogenen Verhaltensweisen zu verhalten, wobei die Bedeutung der traditionellen Geschlechtsrollenidentifikation betont wird (Andersen, 1988). Maskulinität in der Kultur bedeutet, dass bei Männern typische männliche Eigenschaften wie Stärke, Durchsetzungsvermögen, Leistung, Ehrgeiz und Wettbewerbsfähigkeit vorherrschen. Erfolg und Geld – als typische Vorlieben von Männern – werden als dominante kulturelle Werte angesehen. Zu den Ländern mit hoher Maskulinität gehören Japan, Österreich, Venezuela, Italien, die Schweiz, Mexiko, Irland, Großbritannien, Deutschland und die Karibik (Hofstede, 1984). ie Kulturen der Gleichberechtigung der Geschlechterrollen D (Weibliche Kulturen) In sehr weiblichen Kulturen sind die Geschlechterrollen fließend. Solche Kulturen schreiben keine geschlechtsspezifischen Verhaltensweisen und keine traditionelle Geschlechtsrollenidentifikation vor. Femininität in der Kultur bedeutet, dass die Fürsorge für andere und die Lebensqualität – die als typische Vorlieben von Frauen gelten – als dominante kulturelle Werte vorherrschen. Zu den Ländern mit einer
50
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
hohen Femininität als kulturelle Dimension gehören die Niederlande, Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland, Portugal, Chile und Thailand. Machismo und Marianismo In den lateinamerikanischen Gesellschaften wird die dominante Männlichkeit der Männer als Machismo bezeichnet, während die weiblichen Eigenschaften wie Emotionalität, Zuneigung, Mitgefühl, Fürsorge und Reinheit stark den Frauen zugeschrieben werden – Marianismo. Aus den obigen Länderlisten geht hervor, dass viele südamerikanische Kulturen nicht das typische lateinamerikanische Muster des Machismo aufweisen. Hofstede (1984) stellte fest, dass der Machismo in der Karibik weit verbreitet ist, in anderen südamerikanischen Ländern jedoch nicht vorkommt.
2.3.2 Gleichheit der Geschlechterrollen (Weiblichkeit) versus Ungleichheit der Geschlechterrollen (Männlichkeit) in der Gesellschaft und im emotionalen Leben Kulturelle Weiblichkeit-Männlichkeit und emotionale Erfahrung Wie wirkt sich die kulturelle Maskulinität/Femininität auf das Gefühlsleben von Menschen in unterschiedlichen kulturellen Kontexten aus? Einige empirische Studien (z. B. Arrindell et al., 1997; Paez & Vergara, 1995) haben ergeben, dass kulturelle Weiblichkeit das Erleben und den Ausdruck von Emotionen wesentlich beeinflusst. Andere Studien zeigten, dass Menschen in femininen Kulturen positive Emotionen wie Freude häufiger und negative Emotionen wie Wut und Traurigkeit seltener erleben als in maskulinen Kulturen (Basabe et al., 2000; Diener et al., 1995). Basabe et al. (2000) erklären diese vorherrschende positive Emotionalität in weiblichen Gesellschaften mit einer höheren Häufigkeit positiver und einer geringeren Häufigkeit negativer Ereignisse. Es scheint, dass männliche Kulturen eher normativ und emotional gehemmt sind (Basabe et al., 2000). Kulturelle Weiblichkeit ist förderlich für das Wohlbefinden Was die Auswirkungen der kulturellen Femininität-Maskulinität betrifft, so haben die Studien (z. B. Arrindell et al., 1997; Paez & Vergara, 1995) herausgefunden, dass die kulturelle Femininität in hohem Maße mit dem subjektiven Wohlbefinden des Einzelnen verbunden ist. Menschen in weiblichen Kulturen sind glücklicher. Eine Studie mit 21 Tausenden von Befragten (Durchschnittsalter = 30,2 Jahre) aus 48 Ländern in drei Zeiträumen von 1980 bis 2000 (Steel et al., 2018) ergab, dass
2.4 Unmittelbarkeit als kulturelle Rahmenbedingung
51
Männlichkeit auf individueller Ebene negativ mit der Lebens- und Beziehungszufriedenheit verbunden ist. Weibliche Personen sind tendenziell glücklicher. Kulturelle Männlichkeit als Eigenschaft ist stark mit Materialismus verbunden, doch sind materialistische Werte für das Wohlbefinden problematisch. Materialistischer Konsum steigert definitiv das Glück, aber der Effekt ist in der Regel vorübergehend und nicht von Dauer. Dies haben Studien in einer Reihe von Ländern g ezeigt (Dittmar et al., 2014). Obwohl die Auswirkung von Männlichkeit und Weiblichkeit auf das subjektive Wohlbefinden mit politischen und wirtschaftlichen Institutionen zusammenhängt, ist sie dennoch teilweise unabhängig von diesen Parametern. Auf nationaler Ebene weisen glückliche Nationen einen hohen Anteil an Weiblichkeit auf. Auf nationaler Ebene korreliert eine hohe Maskulinität positiv mit niedrigem subjektivem Wohlbefinden und hohem Stress. Männer können ihrer Gesundheit schaden, wenn sie Emotionen verinnerlichen, anstatt sie zu externalisieren, wie es Frauen häufig tun (Buck, 1984). Androgyne Verhaltensmuster, die sowohl das Weibliche als auch das Männliche in sich vereinen, können sowohl bei Männern als auch bei Frauen zu mehr sozialer Kompetenz, Erfolg und Selbstwertgefühl führen. Man kann davon ausgehen, dass die kulturellen Rahmenbedingungen von Männlichkeit und Weiblichkeit einen Einfluss auf die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Ausdruck von Emotionen in verschiedenen Kulturen haben. In maskulinen Kulturen sollten sich geschlechtsspezifische Unterschiede manifestieren, in femininen Kulturen hingegen nicht. Es ist auch zu erwarten, dass diese kulturelle Dimension die zwischenmenschlichen Beziehungen, insbesondere die engen Beziehungen, beeinflussen wird. Allerdings gibt es bisher keine Studien, die diese Aspekte des Gefühlslebens untersucht haben.
2.4 Unmittelbarkeit als kulturelle Rahmenbedingung 2.4.1 Das Konzept und die Maßnahmen der Unmittelbarkeit Einzelner Aspekt der Unmittelbarkeit Jeder Mensch hat einen bevorzugten persönlichen Raum um sich herum, eine unsichtbare Blase, die sich über seinen Körper hinaus ausdehnt. Dieser persönliche Raum kann von der Beziehung zu den Menschen in der Umgebung, vom emotionalen Zustand der Person, von der ausgeübten Tätigkeit sowie vom kulturellen Hintergrund abhängen. In mehreren Studien wurde der persönliche Raum in Abhängigkeit von persönlichen Einstellungen, individuellen, geschlechts- und altersbezogenen Merkmalen der Kommunikatoren sowie kulturellen Rahmenbedingungen der Gesellschaften untersucht. Unmittelbarkeit ist ein territorialer Aspekt der Kommunikation. Diese Dimension charakterisiert die zwischenmenschlichen Beziehungen in einer Gesellschaft im Sinne einer verhaltensmäßigen und psychologischen Verbundenheit. Menschen
52
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
kommunizieren zwischenmenschliche Nähe durch eine Reihe von Handlungen, die verbale, aber meist nonverbale Äußerungen sein können. Die Dimension der Unmittelbarkeit reicht von einer großen Nähe bis zu einer großen Distanz in der zwischenmenschlichen Interaktion und Kommunikation. Die Nähe wird häufig als Annäherungstendenz, Zugänglichkeit und Wärme interpretiert, während die Ferne als Vermeidungstendenz, Unzugänglichkeit und Distanz interpretiert wird (Andersen, 1985). Diese Interpretation kann jedoch von Kultur zu Kultur variieren. Was das nonverbale Verhalten betrifft, so umfasst die unmittelbare Beziehung offene Körperhaltungen, größere Nähe in der Interaktion, Berührungen, Augenkontakt, Lächeln, mehr Stimmaktivität und Ausdrucksstärke. In einer positiven Beziehung neigen die Personen dazu, solche unmittelbaren Verhaltensweisen zu erwidern (Andersen & Andersen, 1984). Zu einer distanzierten Beziehung gehören enge Körperhaltungen, größere Distanz in der Interaktion, fehlende Berührungen, fehlender Augenkontakt, fehlendes Lächeln, geringere Stimmaktivität und geringere Ausdrucksfähigkeit. Die proxemische Theorie und Forschung der 1960er-Jahre (Hall, 1966) untersuchte ausführlich die Arten der Distanz, die Menschen während einer Interaktion bevorzugt einhalten. Sie wurden klassifiziert als • Abstand zum Publikum (über 210 cm; in diesem Abstand wird die Stimme lauter und der Blickkontakt wird minimiert); • soziale Distanz, die bei formelleren Interaktionen aufrechterhalten wird (122–210 cm, diese Distanz schließt alle anderen als visuelle und auditive Reize aus); • persönliche Distanz, die bei Interaktionen mit Freunden beibehalten wird (etwa 46–122 cm, die Sicht ist nicht mehr verschwommen, die Lautäußerungen nehmen zu); und • Intimdistanz, die in engen Beziehungen beibehalten wird (von 0 bis 46 cm, diese Distanz ist durch schlechtes und verschwommenes Sehen und eine erhöhte Wahrnehmung von Wärme und Geruchsreizen gekennzeichnet; Hall, 1966, zitiert in Sorokowska et al., 2017, S. 579). Kultureller Aspekt der Unmittelbarkeit Die Territorialität in menschlichen Gesellschaften hat sich unter dem starken Einfluss der Kultur entwickelt (Hall & Hall, 1990). Daher variiert der territoriale Raum, der als „mein“ bezeichnet wird, von Kultur zu Kultur und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein Individuum fühlt sich unwohl oder aggressiv, wenn jemand in dieses persönliche Territorium eindringt. Sie können dies nur für kurze Zeit tolerieren. In einigen Kulturen reagieren die Menschen empfindlicher auf Gedränge und das Eindringen anderer in ihren persönlichen Raum. In Nordamerika und vielen nordeuropäischen Ländern wie Deutschland, England, den Niederlanden und Schweden sind diese persönlichen Blasen groß und die Menschen neigen dazu, immer Abstand zu halten. In Italien, Spanien, Griechenland und Südfrankreich hingegen sind diese
2.4 Unmittelbarkeit als kulturelle Rahmenbedingung
53
Blasen kleiner. Eine Gesprächsdistanz, die für die Menschen in den südeuropäischen Kulturen typisch ist, kann von den Menschen im Norden als zu nah und intim empfunden werden. Im Zusammenhang mit diesem Aspekt der räumlichen Kommunikation fühlen sich Menschen in Nordeuropa in der Regel unwohl, wenn jemand sie berührt oder am Ärmel ihres Mantels streift. Die Wahrnehmung des zwischenmenschlichen Raums ist multisensorisch (Karandashev et al., 2019) und umfasst den auditiven, kinästhetischen, taktilen, thermischen und olfaktorischen Raum. In dieser Hinsicht gibt es kulturelle Unterschiede und Präferenzen. US-Amerikaner und Deutsche verlassen sich als kontextarme Menschen auf die auditive Abschirmung, während die kontextstarken Menschen in Italien und Spanien die auditive Abschirmung ablehnen und sich dadurch auszeichnen, dass sie offen für Unterbrechungen und im Einklang mit dem sind, was um sie herum geschieht.
2.4.2 Hochkontakt- versus Niedrigkontakt-Kulturen Konzeption von Hochkontakt- und Niedrigvertragskulturen Unmittelbarkeit kann auch als eine kulturelle Dimension einer Gesellschaft betrachtet werden. Die Kultur, die typische soziale Normen der zwischenmenschlichen Unmittelbarkeit aufweist, wird als Kultur mit hohem Kontaktanteil kategorisiert. Die Menschen in diesen Gesellschaften nehmen eine offene Körperhaltung ein, stehen näher beieinander, berühren sich mehr und neigen dazu, während der zwischenmenschlichen Interaktion mehr Sinnesreize zu verwenden, verglichen mit Gesellschaften mit einer Kultur des geringen Kontakts (Hall, 1966). Diese Verhaltensmuster mit hohem bzw. niedrigem Kontakt sind im täglichen Leben und in affektiven Beziehungen zu finden (Patterson, 1983). Hall (1966) hat so genannte Kontakt- und Nicht-Kontakt-Kulturen vorgeschlagen und eingehend untersucht. Nach diesem Konzept definieren kulturelle Normen die soziale Distanz, die Menschen bevorzugen. Menschen aus Kulturen mit hohem Kontaktanteil bevorzugen unmittelbare nonverbale Verhaltensweisen im Vergleich zu Menschen aus Kulturen mit geringem Kontaktanteil, und sie können dieselbe Distanz unterschiedlich interpretieren, je nach den typischen kulturellen Normen des räumlichen Verhaltens. Eine intime Distanz in einer Kultur kann in einer anderen als persönlich oder sozial angesehen werden. In Hochkontakt-Kulturen verwenden Menschen eine kürzere zwischenmenschliche Distanz und mehr Berührungen während der Kommunikation, während Menschen in Nicht-Kontakt-Kulturen es vorziehen, auf Distanz zu bleiben und Berührungen zu vermeiden. Personen aus Hochkontakt-Kulturen (z. B. Araber, Lateinamerikaner sowie Süd- und Osteuropäer) konstruieren Unmittelbarkeit in Beziehungen, indem sie den sensorischen Input erhöhen, in engeren Abständen interagieren, eine direktere Körperausrichtung beibehalten und sich häufiger berühren als Personen aus Niedrigkontakt-Kulturen (z. B. Asiaten, Nordamerikaner
54
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
und Nordeuropäer). Die Theorie besagt, dass diese Unterschiede auf Unterschiede im Klima und/oder in der Konditionierung zurückzuführen sind. Denn Personen aus Kulturen mit hohem Kontakt bevorzugen taktile und olfaktorische Kommunikationsformen mehr als Personen aus Kulturen mit niedrigem Kontakt (Andersen, 1988; Sussman & Rosenfeld, 1982). Forschung über Gesellschaften mit hohem und niedrigem Kontakt Spätere Forschungen haben diese Theorie gestützt, auch wenn die Ergebnisse nicht völlig überzeugend waren. Es wurde festgestellt, dass Distanz, Blicke und Berührungen als nonverbale Indikatoren für Sympathie, Freundlichkeit und Intimität kulturspezifisch sind. Die Studien brachten etwas gemischte Ergebnisse und Interpretationen (siehe für eine Übersicht La France & Mayo, 1978; Andersen et al., 2003). Als Interpretation schlugen viele Autoren einen Klimafaktor vor. Viele Kulturen mit hohem Kontaktgrad, z. B. Lateinamerikaner, Araber und Mittelmeerländer, befinden sich näher am Äquator in wärmeren Ländern, während Kulturen mit niedrigem Kontaktgrad, z. B. skandinavische und andere nordeuropäische Länder, in der Regel auf hohen Breitengraden in kühleren Ländern angesiedelt sind. Die Surinamer beispielsweise zeigen eine Lebendigkeit in ihren Körperbewegungen, lächeln und lachen häufiger als die Niederländer. Dies stützt die Theorie von der wärmeren Natur der Menschen, die näher am Äquator leben (Vrij & Winkel, 1991). Nordamerikaner und Australier sind mäßig kontaktfreudige Kulturen und leben in gemäßigten Klimazonen (Andersen et al., 2003, S. 75; Patterson, 1983). Selbst innerhalb der Vereinigten Staaten weisen die südlichen Regionen mit wärmeren Breitengraden tendenziell Kulturen mit höherem Kontaktgrad auf. Die jüngste Tendenz der US-Amerikaner, in den Südosten und Südwesten auszuwandern, könnte einer der Gründe für die in neueren Studien festgestellte erhöhte Unmittelbarkeit der US-Amerikaner sein (Andersen et al., 1987). Asiatische Gesellschaften als kontaktarme Kulturen (Barnlund, 1975; Klopf & Thompson, 1991; McDaniel & Andersen, 1998) passen jedoch nicht zu diesem Breitengradmuster für die Klimaauslegung. Der historische Ursprung asiatischer Kulturen, wie z. B. der Einfluss des Konfuzianismus, der die Selbstkontrolle betont, die öffentliche Zurschaustellung von Emotionen verbietet und zu nicht-expressiven zwischenmenschlichen Kontakten ermutigt, kann eine der Ursachen für ihre geringe Kontaktfreudigkeit sein. Spätere Forschungen haben gezeigt, dass Nordamerika und Nordeuropa als relativ kontaktfreudige Kulturen angesehen werden können. Es scheint, dass die westlichen Länder, einschließlich der Vereinigten Staaten, mehr Hochkontaktkulturen geworden sind, als bisher angenommen. Die lateinamerikanischen und arabischen Gesellschaften sind im Vergleich zu Nordamerika sehr kontaktfreudige Kulturen. Nordamerikaner können sich in räumlicher Nähe unwohl und ängstlich fühlen, was für Lateinamerikaner und Araber typisch ist. Nordamerikaner bevorzugen einen distanzierteren Interaktionsstil, bei
2.4 Unmittelbarkeit als kulturelle Rahmenbedingung
55
dem der Geruchskontakt und das taktile Verhalten fehlen, was von Lateinamerikanern und Arabern als entfremdet empfunden werden kann (Almaney & Alwan, 1982; Shuter, 1976). Asiatische Gesellschaften sind definitiv kontaktarme Kulturen (McDaniel & Andersen, 1998; Remland et al., 1991) mit geringer Unmittelbarkeit in der Interaktion, die eine noch distanziertere Kommunikation mit fehlenden Sinneskontakten und fehlendem taktilen und expressiven Verhalten bevorzugen. Die zunehmende Forschung der 1960er- bis 1980er-Jahre zu kulturellen Aspekten der nonverbalen Kommunikation entdeckte sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede, die Beziehungen zwischen kulturellen Rahmenbedingungen und proxemischem Verhalten belegen. So bevorzugten beispielsweise Menschen in mediterranen Kulturen wie Süditaliener und Griechen geringere Abstände als Nordeuropäer wie Schweden und Schotten (Little, 1968). Andere Studien (siehe La France & Mayo, 1978; Remland et al., 1991) verglichen US-Amerikaner mit Arabern, Lateinamerikanern, Mittelmeervölkern, Pakistanern, Deutschen, Italienern, Japanern und Venezolanern. Studien fanden auch Unterschiede zwischen Australiern und Indonesiern, zwischen Arabern, Südeuropäern und Lateinamerikanern im Vergleich zu Asiaten, Menschen aus dem Nahen Osten und Nordeuropäern. Bestimmte Muster von Unterschieden in Bezug auf die Unterscheidung zwischen Menschen mit hohem und niedrigem Kontakt wurden in den Studien über Berührungen festgestellt. Die Sitzposition während der Interaktion ist ein weiteres Beispiel für proxemisches Verhalten, das in den verschiedenen Kulturen unterschiedlich ist und die Dimension der Unmittelbarkeit veranschaulicht. So bevorzugen die Taiwanesen entsprechend den unterschiedlichen kulturellen Gewohnheiten bei der Interaktion mit gleichgeschlechtlichen Partnern in der Regel einen Sitzplatz nebeneinander, während die US-Amerikaner meist eine Sitzecke bevorzugen (Cline & Puhl, 1984).
2.4.3 Faktoren, die die zwischenmenschliche Distanz in verschiedenen Kulturen beeinflussen Zwischenmenschliche Distanz während der Interaktion In europäischen Stichproben (Remland et al., 1991) zeichneten die Forscher natürlich vorkommende Interaktionen in Dyaden auf. Sie fanden heraus, dass die Niederländer eine größere zwischenmenschliche Distanz bevorzugten als die Franzosen und Engländer, während die Franzosen eine größere Distanz als die Engländer bevorzugten. Die Autoren fanden auch heraus, dass die Franzosen dazu neigen, während des Gesprächs weiter voneinander entfernt zu sitzen, aber eine direktere Körperausrichtung als die niederländischen und englischen Partner haben. Die gleichgeschlechtlichen Dyaden berührten sich seltener als die gemischtgeschlechtlichen Dyaden.
56
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Die spätere Studie aus den 1990er-Jahren (Remland et al., 1995) brachte kontroverse Ergebnisse, trotz der Erwartung, dass die Griechen und Italiener (als die Dyaden aus den Kontaktländern) weniger Abstand halten sollten als die Dyaden aus England, Irland, Schottland und den Niederlanden (als die Nicht-Kontaktländer). Die zwischenmenschliche Distanz zwischen den stehenden irischen und schottischen Dyaden war enger als zwischen den italienischen, griechischen, französischen und englischen Dyaden. Die Ergebnisse einer anderen Studie aus dieser Zeit (Regan et al., 1999) stimmten mit der Vorstellung von Hochkontakt- und Niedrigkontaktkulturen überein. In einer naturalistischen Beobachtung von Asiaten und Lateinamerikanern, während sie über den Campus einer großen westlichen Universität gingen, untersuchten die Forscher das öffentliche Berührungsverhalten in Abhängigkeit von der Rasse und der ethnischen Herkunft. In solchen öffentlichen Situationen umarmten sich lateinamerikanische Mann-Frau-Paare (die eher zu Berührungen neigen) eher als asiatische Mann-Frau-Paare (aus kontaktarmen Kulturen). Andere Studien waren jedoch nicht schlüssig (siehe für Literaturhinweiseund eine ausführliche Übersicht Sorokowska et al., 2017; Remland et al., 1995). Insgesamt konnten diese Ergebnisse trotz der Belege für die kulturübergreifende Variabilität zwischenmenschlicher Distanzen die Aufteilung der Kulturen nicht erklären: ob sie auf der geografischen Lage, Umweltfaktoren (z. B. Temperatur einer Region und Bevölkerungswachstumsrate) oder sozialpsychologischen Faktoren (z. B. Kollektivismus/Individualismus und Wohlstand der Gesellschaft) beruhten. In vielen frühen Studien wurde nicht angegeben, ob sie Distanzen zwischen Fremden, Bekannten oder nahestehenden Personen untersuchten. Der letztgenannte Parameter könnte jedoch wichtig sein, um ihn zu berücksichtigen. Wie frühe Forschungsarbeiten gezeigt haben, variiert die wahrgenommene Nähe zu Mitgliedern der in- und outgroup zwischen den Kulturen (Triandis, 1994). Chinesische Studenten fühlen sich beispielsweise ihrer Mutter, ihrem Vater und ihrem Ehepartner (ihren Ingroup-Mitgliedern) näher als US-Amerikaner; sie fühlen sich jedoch ihren Mitbewohnern und Freunden (ihren Outgroup-Mitgliedern) gegenüber distanzierter als die US-Amerikaner (Triandis et al., 1990). In einer aktuellen Studie (Safdar et al., 2009) wurde das Gefühl von Nähe in Beziehungen zwischen Japanern, US-Amerikanern und Kanadiern verglichen. Die Autoren fanden heraus, dass der Grad der subjektiven Nähe in der Beziehung zwischen einer Person und einer Zielperson in den verschiedenen Kulturen unterschiedlich ist, jedoch von einer Reihe von Beziehungen zu dieser Person abhängt. Drei Gruppen waren nah (Familienmitglieder und zwei enge Freunde), mittel (Bekannte und Klassenkameraden) und distanziert (Professoren in drei Ländern). „Japaner gaben an, der distalen Gruppe deutlich näher zu stehen als Amerikaner, sie gaben auch an, der mittleren Gruppe näher zu stehen als Kanadier und Amerikaner und der nahen Gruppe weniger nahe als die Kanadier und Amerikaner. (Safdar et al., 2009, S. 5)“
Diese Ergebnisse scheinen sich von denen einer früheren Studie mit chinesischen Studenten (Triandis et al., 1990) zu unterscheiden und bedürfen einer zusätzlichen kulturellen Interpretation und Replikation.
2.4 Unmittelbarkeit als kulturelle Rahmenbedingung
57
Neuere Studien zur zwischenmenschlichen Distanz Das Interesse am Thema der zwischenmenschlichen Distanz als kulturabhängige Variable ist in jüngster Zeit wieder aufgelebt. Eine Studie von Sorokowska et al. (2017) war in dieser Hinsicht einzigartig. Sie untersuchte die Präferenzen in Bezug auf zwischenmenschliche Distanz mit einer Gesamtstichprobe von 8943 Personen in 42 Ländern (53 Studienstandorte) auf der ganzen Welt. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass klimatische Anforderungen eine Rolle spielen, auch wenn Wohlstandsressourcen beim Verständnis kultureller Tendenzen berücksichtigt werden sollten. Die Distanzpräferenzen hängen von der mittleren Temperatur ab. Die unipolare, mittlere Temperatur ist mit psychologischen Varia blen verbunden, und letztere kann anstelle der klimatischen Nachfragevariable oder zusätzlich zu ihr verwendet werden. Interessant ist, dass die Wirkung der Temperatur bei sozialer und intimer Distanz unterschiedlich war (Sorokowska et al., 2017). In wärmeren Ländern halten die Menschen lieber einen größeren Abstand zu Fremden. Diese Ergebnisse stimmen mit früheren Studien überein (z. B. Ijzerman & Semin, 2010), die zeigten, dass wärmere Bedingungen (im Vergleich zu kälteren) eine engere soziale Nähe begünstigen. Selbst innerhalb eines Landes (z. B. in den Vereinigten Staaten) zeigen Menschen, die in warmen Breitengraden leben, ein engeres Kontaktverhalten und mehr Berührungen als in kälteren Klimazonen (Andersen, 1988). Was die intime Distanz anbelangt, so zogen es die Menschen in wärmeren Ländern vor, einen größeren Abstand zu ihren Intimpartnern zu halten. Sowohl Kälte als auch Hitze sind schwierige Umweltbedingungen. Die negativen Auswirkungen des kälteren Klimas können jedoch bei geringerem Abstand zum Partner gemil dert werden. In dieser Studie (Sorokowska et al., 2017) wurden auch geschlechtsspezifische Unterschiede bei der bevorzugten persönlichen und sozialen Distanz festgestellt: Frauen bevorzugen tendenziell mehr Distanz in der Interaktion. Bei der sozialen Distanz war dieser Effekt des Geschlechts besonders deutlich bei Teilnehmern aus der Schweiz, Malaysia, Saudi-Arabien, Hongkong, Brasilien, Österreich und Indien. Bei der persönlichen Distanz war er besonders deutlich bei den Teilnehmern in der Schweiz, Malaysia, China, Saudi-Arabien, Brasilien, Polen und Nigeria. Die Erklärung für diese Unterschiede war schwierig, doch könnten einige Aspekte des Fragebogens eine Rolle spielen – die Autoren gaben das Geschlecht einer sich nähernden Person nicht an. Diese Ergebnisse – dass Frauen eine größere Distanz in der Interaktion bevorzugen als Männer – unterscheiden sich von früheren Studien, in denen festgestellt wurde, dass Frauen engere zwischenmenschliche Distanzen bevorzugen als Männer (Aiello, 1987; Horenstein & Downey, 2003; Ozdemir, 2008; Patterson & Edinger, 1987). Weitere Untersuchungen zur Verifizierung und Replikation dieser Ergebnisse sind erforderlich. Ähnlich wie in früheren Studien (Aiello, 1987; Gerin-Lajoie et al., 2006; Rapp & Gutzmann, 2000; Webb & Weber, 2003) fanden die Forscher auch heraus, dass das Alter eine Vorhersage der Präferenzen in Bezug auf persönliche und intime
58
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
istanz ermöglicht: Jüngere Menschen neigen dazu, körperlichen Kontakt mit anD deren aufzunehmen (Sorokowska et al., 2017).
2.5 Kontextdifferenzierung als kulturelle Rahmenbedingung 2.5.1 Kontext und funktionale Relativität Beachtung des Kontextes Der Kontext umfasst alle Informationen, die mit einer bestimmten Nachricht verbunden sind, und er ist mit der Bedeutung dieser Nachricht verknüpft. Individuen und Kulturen unterscheiden sich darin, wie viel Wert sie bei der Kodierung und Dekodierung einer Bedeutung, die sie vermitteln, auf Nachrichten und Kontexte legen. Kulturen und Menschen unterscheiden sich in ihrer Aufmerksamkeit für die Details des Kontexts, in dem sie handeln, und messen den Besonderheiten von Situationen, verbalen und nonverbalen Verhaltensweisen unterschiedliche Bedeutung bei. Diese kulturelle Dimension wurde als Kontextdifferenzierung bezeichnet (Hall, 1976, 2000; Hall & Hall, 1990; Matsumoto et al., 2009). Der theoretische Rahmen, der den Kontext als kulturelle Dimension betrachtet, wurde in den frühen 1970er-Jahren vorgeschlagen (Hall, 1976, 2000; Hall & Hall, 1990), um die in einer Kultur vorherrschenden Kommunikationsmuster und das Ausdrucksverhalten zu erklären. Er unterschied zwischen kontextreichen und kontextarmen Kulturen, mit großen Unterschieden in der Art und Weise, wie Menschen in diesen Kulturen den Kontext (im Gegensatz zum Inhalt) von Botschaften in ihren Interaktionen berücksichtigen: die kontextreichen Kulturen sind kontextorientiert, implizit, indirekt und nonverbal, während kontextarme Kulturen inhaltsorientiert, explizit, direkt und verbal sind. Hochkontextuelle Kulturen Im Allgemeinen neigen östliche Gesellschaften dazu, kontextreiche Kulturen zu sein, während westliche Gesellschaften häufiger kontextarme Kulturen sind. Einige Wissenschaftler (Gudykunst & Matsumoto, 1996) behaupten, dass Menschen in kollektivistischen Kulturen kontextreiche Botschaften bevorzugen, während Menschen in individualistischen Kulturen kontextarme Botschaften bevorzugen. Zu den kontextstarken Kulturen gehören Japan, China, Korea, Taiwan, Araber, Afroamerikaner, amerikanische Ureinwohner, mexikanische US-Amerikaner, Spanier und Latinos (Andersen et al., 2003; Hall, 1976; Hall & Hall, 1984; Lustig & Koester, 1999). US-Amerikanische Inder, die ihre Wurzeln in Ostasien haben, sind kontextstarke Kulturen und ähneln in dieser Hinsicht der zeitgenössischen orientalischen Kultur (Hall, 1984). Die meisten lateinamerikanischen Kulturen sind ebenfalls kontextstarke Kulturen, da sie von iberischen (spanischen und portugiesischen) und indigenen Traditionen
2.5 Kontextdifferenzierung als kulturelle Rahmenbedingung
59
beeinflusst sind. Die Menschen im südlichen und östlichen Mittelmeerraum, wie Griechen, Türken und Araber, gehören ebenfalls zu kontextstarken Kulturen. Kontextarme Kulturen Zu den kontextarmen Kulturen gehören Deutschland, die Schweiz, Schweden, Norwegen, Finnland, Dänemark, Kanada und die Vereinigten Staaten (Andersen et al., 2003; Hall, 1976, 1984; Lustig & Koester, 1999). Einige Kulturen, wie England, Frankreich und Italien, vereinen die Merkmale von kontextreichen und kontextarmen Kulturen. Die Menschen in diesen Gesellschaften kommunizieren weniger explizit als in anderen westeuropäischen und nordamerikanischen Kulturen. Der Irrtum der Übergeneralisierung Es lohnt sich auch, ein Wort der Warnung vor einer übermäßigen Verallgemeinerung der kulturellen Ähnlichkeiten bei den Merkmalen im Zusammenhang mit kontextreicher und kontextarmer Kommunikation zu sagen (Andersen, 1999). Auch wenn viele Menschen in einer Kultur solche Merkmale relativ häufig aufweisen, können sie sich aufgrund der kulturellen Normen in einer Gesellschaft dennoch individuell oder typologisch unterschiedlich verhalten. Es ist falsch, einem Individuum alle Merkmale eines kulturspezifischen Verhaltens zuzuschreiben; sie sind eher typisch als wesentlich. Ein weiterer Trugschluss der Übergeneralisierung ist der implizite Ethnozentrismus. Leider sind sich die Angehörigen der beiden gegensätzlichen Kulturen – High-Context und Low-Context – dieser grundlegenden Unterschiede in ihrer Kommunikation, ihrem Verhalten und ihrem Kontext nicht vollständig bewusst und verstehen sie nicht (Andersen et al., 2003). Sie neigen dazu, die Ursachen für das Verhalten des jeweils anderen schnell falsch zuzuordnen. Solche Fehleinschätzungen und Fehlinterpretationen sind die häufigsten Ursachen für Missverständnisse. Funktionale Relativität Das Prinzip der funktionalen Relativität erklärt, wie soziale und kulturelle Gruppen funktionale Merkmale ihrer Sprache je nach sozialem und kulturellem Kontext und je nach den Zielen, die sie in einer Situation erreichen wollen, entwickeln und verwenden (Bernstein, 1971; Hall, 1976, siehe für eine ausführliche Übersicht Lim, 2003). Kommunikatoren verwenden unterschiedliche sprachliche Codes und wechseln diese in verschiedenen kulturell passenden Situationen (Palmer, 1996; Philipsen, 1992). In bestimmten sozialen und kulturellen Kontexten sind sie in der Lage, nicht nur grammatikalisch korrekte, sondern auch pragmatisch angemessene Sätze zu verwenden (Hymes, 1971).
60
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Im Laufe der Jahre haben Forscher so unterschiedliche Kulturen und Sprachen wie die der afrikanischen Länder, der Papua-Neuguineer, der südamerikanischen Ureinwohner, Indonesiens und der Bevölkerung von Pohnpe, Mikronesien, untersucht (siehe Lim, 2003, S. 57) und gezeigt, dass syntaktische Strukturen und lexikalische Elemente von Sprachen die spezifischen Erfahrungen lokaler Gemeinschaften und ihre kulturellen Werte widerspiegeln. Diese Forschung zeigt, wie wichtig es ist, zu verstehen, wie Individuen in kulturellen Gruppen aus einer spezifischen lokalen und nicht aus einer globalen, anglozentrischen Perspektive kommunizieren (Lim, 2003, S. 57). Nachrichten im Kontext In der neueren Forschung über den Sprachgebrauch in verschiedenen Kulturen wird meist der funktionale Relativismus und nicht der linguistische Relativismus herangezogen. Der funktionale Relativismus räumt ein, dass die Formen, die die grammatikalischen Systeme der Sprache annehmen, die sozialen und persönlichen Bedürfnisse erfüllen, denen die Sprache dient (Halliday, 1973, 1978). Eine sprachliche Aussage spiegelt die Lebensumstände und die soziale Stellung einer Person wider. Sie drückt auch die soziale und kulturelle Sichtweise aus. Da Kulturen in unterschiedlichen Umgebungen angesiedelt sind und unterschiedliche Überzeugungen, Einstellungen und Werte haben, unterscheiden sich auch ihre Sprachen. Hall (1976) wandte die frühere theoretische Perspektive (Bernstein, 1971) über die Beziehungen zwischen Sprachgebrauch und Kontext auf die Theorie des kulturellen Kontexts an. Er argumentierte, dass das Verständnis des Kontexts in der Sprache für ein angemessenes Verständnis der Botschaft von entscheidender Bedeutung ist, da die Bedeutung, der sprachliche Code und der Kommunikationskontext eng miteinander verwoben sind. Der Anteil des Kontexts an der Botschaft kann jedoch unterschiedlich sein. Hall (1976) wandte die Theorie des Kontexts an, um zu erklären, wie sich die Kontextabhängigkeit auf die kulturellen Unterschiede im Sprachgebrauch der Menschen auswirkt. Bei kontextarmen Botschaften wird der größte Teil der Informationen explizit im Code angegeben, und es bleibt wenig im Kontext übrig. Bei Nachrichten mit hohem Kontext ist der wesentliche Teil der Informationen im Kontext einer Situation angesiedelt oder einer Person implizit bekannt, und es bleibt wenig im explizit kodierten und übermittelten Teil der Nachricht übrig (Hall, 1976, S. 79).
2.5.2 Zwischenmenschliche Kommunikation in kontextintensiven Kulturen Werte der verbalen Kommunikation Menschen aus dem Mittelmeerraum, Araber und Japaner pflegen enge Beziehungen zu ihren Familien und Freunden (Hall & Hall, 1990). Daher beinhalten ihre normalen
2.5 Kontextdifferenzierung als kulturelle Rahmenbedingung
61
Interaktionen im täglichen Leben bereits solche tiefgreifenden Informationen, die für das gegenseitige Verständnis von großer Bedeutung sind. Sie brauchen keine detaillierte Ausarbeitung einer Nachricht. Menschen mit hohem Kontext können irritiert und ungeduldig sein, wenn Menschen aus Kulturen mit niedrigem Kontext sie um Informationen bitten oder Informationen geben, die sie nicht benötigen. Wenn zu viele Informationen gegeben werden, können die Menschen das Gefühl haben, dass man auf sie einredet. Die ganzheitliche Weltanschauung, der Glaube an Einheit und Harmonie sind traditionell die wichtigsten Grundsätze aller großen ostasiatischen Religionen (Bud dhism, Taoism, and Confucianism, Yum, 1988). Aufgrund dieser Ursprünge ist davon auszugehen, dass die östlichen Kulturen sehr kontextabhängig sind. Sie glauben, dass die Sprache das Denkvermögen und die Vorstellungskraft einschränkt, und sie haben eine ganzheitliche Einstellung zur Kommunikation. Die Worte sind nur ein Teil des gesamten Kommunikationskontextes, der auch die persönlichen Charaktere und die Art der zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen ihnen umfasst (Gudykunst & Kim, 1984). Die Kulturen des Ostens legen wenig Wert auf Worte und ziehen es vor, über die Worte hinaus zu kommunizieren und zu meditieren. Sie glauben, dass die Bedeutungen kontextspezifisch sind und dass daher ein vollständiges Verständnis die geistige Vereinigung mit der anderen Person voraussetzt. Gesprächspausen und Schweigen werden nicht gefürchtet, sondern eher geschätzt (Hasegawa & Gudykunst, 1998; Morsbach, 1976; Oliver, 1971). Das Schweigen ist jedoch nicht immer gut. Menschen ziehen das Schweigen nur dann den Worten vor, wenn Worte eine Bedrohung für sie selbst oder für den anderen darstellen können. Das kann der Fall sein, wenn man herausgefordert wird, wenn man nicht einverstanden ist, wenn man den Frieden bricht, indem man ein Gespräch beginnt, oder wenn man den anderen unterbricht. Wenn die andere Person jedoch eine aktive und reaktionsfähige Beteiligung erwartet, wird Schweigen als unhöflich angesehen. Japaner zum Beispiel sehen Schweigen in manchen Situationen als negativ an (z. B., wenn sie mit einem Fremden kommunizieren), und Schweigen kann negativer bewertet werden als in Amerika (Hasegawa & Gudykunst, 1998). Sprachstile Östliche Hochkontext-Kulturen sind bekannt für den Wert, den sie dem Status des Einzelnen in sozialen Beziehungen beimessen, und für die starke Gruppenorientierung der Menschen. Aus diesem Grund sind für die Menschen in diesen Gesellschaften der angemessene Sprachstil und die richtige Wahl des sprachlichen Codes sehr wichtig. Für sie ist Statusähnlichkeit oder -unterschied für ihre Kommunikation wichtiger als Intimität (enge soziale Distanz) (Hijirida & Sohn, 1986). Dies scheint sich auch in ihrem Sprachgebrauch widerzuspiegeln. Die japanische und die koreanische Sprache verfügen über ein reichhaltiges System der Statusmarkierung. So hat die detaillierte Analyse der japanischen Sprache (Goldstein & Tamura, 1975) zwei wesentliche sprachliche Merkmale aufgezeigt: Statusmarkierung und Grup penorientierung, die sie vom US-amerikanischen Englisch unterscheiden.
62
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Asiaten neigen dazu, zwischen dem privaten Sprachcode (Sprache, die verwendet wird, wenn keine Dritten anwesend sind) und dem öffentlichen Sprachcode (Sprache, die in Anwesenheit anderer verwendet wird) zu unterscheiden (Goldstein & Tamura, 1975). Die Koreaner haben eine noch komplexere Unterscheidung – fünf verschiedene Sprachstile in Bezug auf Förmlichkeit und Respekt: „formale Verbeugung, informelle Verbeugung, Verbeugung, formale Verbeugung und informelle Verbeugung“ (Lim, 2003, S. 62). In diesen Stilen werden verschiedene Flexionsendungen, Anredebegriffe, Pronomen, lexikalische Elemente, Ehrensilben und -suffixe, Partikel und andere verwendet. In ostasiatischen Kulturen sind Beziehungen wichtiger als Handlungen, und der Stil ist wichtiger als der Inhalt. Die Aufrechterhaltung der Beziehung unter Verwendung kulturell vorgeschriebener Stile oder das Zeigen guter Taten ist wichtiger als die Bewältigung der aktuellen Aufgabe oder die Begründung von Beweisen zur Unterstützung von Informationsinhalten. Asiaten achten mehr auf die Gesamtqualität der Interaktion als auf die Bedeutung einzelner Wörter oder Sätze. Sie verlassen sich mehr auf die langfristigen Beziehungen als auf die Worte (Gudykunst & Kim, 1984, S. 142). Japaner werden auch durch die Linse der eingebetteten Verbundenheit in Beziehungen wahrgenommen. Auch dieser Aspekt ihrer Kultur kommt in der Sprache zum Ausdruck. Wenn Japaner sprachliche Code-Entscheidungen treffen, legen sie großen Wert auf die Gruppenidentität. Dementsprechend verbinden die japanischen Sprachstrukturen das Individuum und die Gruppe und trennen beide von der Außenwelt (Goldstein & Tamura, 1975). In der japanischen und koreanischen Sprache, die kollektivistische und kontextreiche Kulturen repräsentieren, wird sorgfältig darauf geachtet, den anderen nicht von sich selbst zu trennen. Im Japanischen und Koreanischen vermeiden es die Kommunikatoren, sich während des Gesprächs auf individuelle Identitäten zu konzentrieren, indem sie nur selten das Personalpronomen du verwenden. Es scheint, dass sie sich auch ohne Pronomen gut verständigen können. Wenn das Subjekt eines Satzes ein Pronomen ist, wird es normalerweise weggelassen. Sie fühlen sich auch nicht unwohl, wenn sie sich nicht an den Namen des anderen erinnern (Goldstein & Tamura, 1975). Die Verwendung von Pronomen in der ersten Person Singular kann den Ort der individuellen Verantwortung signalisieren. Im Englischen zum Beispiel ist die Verwendung von Subjektpronomen obligatorisch: Ein Sprecher muss in einem Satz „I“ oder „you“ erwähnen, selbst wenn der Referent eindeutig ist (Kashima & Kashima, 1998). In anderen Sprachen (z. B. Spanisch, Chinesisch und Japanisch), die kollektivistische und kontextreiche Kulturen repräsentieren, kann ein Sprecher jedoch auf Subjektpronomen (oder Subjekte) in einem grammatischen Satz verzichten. Personalpronomen sind in diesen Fällen nicht erforderlich, da die Verbbeugungen, die grammatikalische Regel der Subjekt-Verb-Übereinstimmung oder auf andere Weise die Referenten angeben. Im Japanischen und Chinesischen können Pronomen auch weggelassen werden (Kashima & Kashima, 1998).
2.5 Kontextdifferenzierung als kulturelle Rahmenbedingung
63
Ausdrucksverhalten In Kulturen mit hohem Kontextwert messen Menschen dem physischen und Beziehungskontext einer Situation große Bedeutung bei und achten weniger auf die expliziten Informationen, die eine Kommunikation enthält (Hall, 1976). Sie ziehen es vor, den Kontext und das Umfeld zu bestimmen, um die Botschaft zu vermitteln, ohne sich direkt auf das Gefühl zu beziehen. Die Bedeutungen werden verinnerlicht, wobei nonverbalen Codes große Bedeutung beigemessen wird (Lustig & Koester, 1999). Die Menschen verlassen sich in der Kommunikation auf Indirektheit und glauben, dass sie Wahrheit und Verständnis ohne Rationalität erreichen können – durch nichtlineares Denken. Durch dieses zirkuläre Denken der Menschen in kontextstarken Kulturen kann sich ihre Kommunikation hin und her bewegen, wobei Details ausgelassen werden und davon ausgegangen wird, dass zwei Sprecher einander implizit verstehen (Choe, 2001; Hall & Hall, 1990; Würtz, 2005). Von einer Person wird erwartet, dass sie in der Lage ist, „zwischen den Zeilen“ zu lesen und die unausgesprochene Botschaft zu verstehen. Die Menschen sprechen in der Regel linear nacheinander, so dass der Sprecher nur selten unterbrochen wird. Menschen nutzen in hohem Maße nonverbale Strategien zur Vermittlung von Bedeutungen und kommunizieren mit Botschaften unter Verwendung von Verhaltenssprache, Gesten, Schweigen, Nähe und anderen paraverbalen Hinweisen Hall (1976; Hall & Hall 1990; Kim et al., 1998; Würtz, 2005). Nonverbale Aspekte der Kommunikation sind wichtiger als verbale Aspekte. Personen in Kulturen mit hohem Kontext sind bei den ersten Interaktionen vorsichtig; sie offenbaren und entwickeln eine Beziehung langsam, verglichen mit Menschen in Kulturen mit niedrigem Kontext, doch die etablierten Beziehungen sind ziemlich tief und stabil. Starke Verhaltensnormen, eine gut strukturierte soziale Hierarchie und enge menschliche Beziehungen beeinflussen ihren Kommunikationsstil (Gudykunst, 1983; Nishimura et al., 2008). Menschen aus kontextreichen Kulturen sind wortkarg und sparsam in ihren Worten, schätzen Pausen und Schweigen in der Kommunikation. Sie können als hinterhältig, verschwiegen und geheimnisvoll wahrgenommen werden (Andersen, 2000). Menschen in kontextstarken Kulturen legen in ihrer sozialen Wahrnehmung keinen Wert auf verbale Kommunikation. Elliot et al. (1981) fanden heraus, dass weniger verbale Menschen in Korea, einer kontextstarken Kultur, als attraktiver wahrgenommen wurden. Menschen in kontextstarken Kulturen sind sensibel für die verschiedenen Aspekte der nonverbalen Kommunikation, insbesondere für kontextuelle Hinweise. Ort und Geschwindigkeit der Interaktion, Körperhaltung, Körperbewegungen und Gesichtsausdruck haben für sie eine größere Bedeutung. Menschen in kontextstarken Kulturen erwarten von ihren Gesprächspartnern, dass sie unartikulierte Stimmungen, subtile Gesten und Hinweise auf die Umgebung verstehen, die Menschen in kontextarmen Kulturen einfach nicht verarbeiten (Andersen et al., 2003; Hall, 1976).
64
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
2.5.3 Zwischenmenschliche Kommunikation in kontextarmen Kulturkreisen Werte der verbalen Kommunikation Nordamerikaner und Nordeuropäer (z. B. Schweizer, Deutsche, Dänen, Schweden und Norweger) neigen dazu, ihre persönlichen Beziehungen und andere Aspekte des täglichen Lebens aufzuteilen, ohne auf komplizierte Details zu achten (Hall & Hall, 1990). Daher brauchen sie bei jeder Kommunikation eine detaillierte Ausarbeitung einer Nachricht. Dieser Aspekt ihrer Interaktion wirkt sich auf viele Situationen und Beziehungen in ihrem Leben aus. Ihre Kommunikationskultur ist kontextarm. Menschen mit niedrigem Kontext können verwirrt und verloren sein, wenn Menschen aus Kulturen mit hohem Kontext ihnen nicht genügend Informationen in einer Nachricht liefern. Wenn sie zu wenig Informationen erhalten, können sie sich übergangen fühlen. Menschen in westlichen Kulturen empfinden eine Pause und die Abwesenheit von Geräuschen in einem Gespräch, wenn sie lange andauern, als unangenehm und peinlich (Hasegawa & Gudykunst, 1998; Morsbach, 1976; Oliver, 1971). In dieser Hinsicht gibt es Unterschiede zwischen den europäischen Kulturen. Die Menschen aus dem Mittelmeerraum, die Spanier, Italiener und Franzosen stehen auf der Kontext-Skala viel höher als die Deutschen und die anderen Nordeuropäer. Im Allgemeinen haben die westlichen Kulturen ihren Ursprung in den alten griechischen und römischen Kulturen (z. B. Aristoteles, Platon, Sokrates), weshalb man davon ausgehen kann, dass es sich um kontextarme Kulturen handelt. Sie bekennen sich zum Prinzip der universellen Bedeutungen und zur Bedeutung des Denkens. Diese westliche kulturelle Tradition des analytischen und rationalen Denkens legt nahe, die Gedanken und Ideen logisch, klar und überzeugend auszudrücken (Gudykunst & Kim, 1984 S. 140). Sprachstile Viele westliche Gesellschaften betrachten die soziale Distanz als wichtiger für die Qualität von Beziehungen als Statusbeziehungen, was wahrscheinlich auf ihre historische Egalitätsbewegung zurückzuführen ist. Daher spielt bei der Wahl des sprachlichen Codes die soziale Distanz (in Bezug auf den Grad der Intimität) eine größere Rolle als der Status der Menschen (Brown & Gilman, 1960). Aus diesem Grund verfügen die indoeuropäischen Sprachen, die meist individualistische und kontextarme Kulturen repräsentieren, nicht über eine mit dem Japanischen oder Koreanischen vergleichbare Formenvielfalt zur Markierung von Statusunterschieden (einige Pronomen, Anredebegriffe und Sprechakte, siehe Lim, 2003, S. 62). Was die Verbundenheit in Beziehungen angeht, so legen Briten und US- Amerikaner Wert auf klare individuelle Grenzen, Autonomie und Abgrenzung in Beziehungen. Die sprachlichen Normen des britischen Englisch spiegeln dies wider. Im gleichen Sinne verbindet das US-amerikanische Englisch Individuum mit
2.5 Kontextdifferenzierung als kulturelle Rahmenbedingung
65
Individuum durch die Verwendung von Namen und nicht-reziproken Pronomen (Lim, 2003; Tamura & Lau, 1992). Sicherlich gibt es auch in den westlichen Gesellschaften eine Loyalität zu bestimmten Gruppen, und ihr Wortschatz spiegelt diese Bindung des Einzelnen an die Gruppe wider. Die sprachlichen Strukturen im Ganzen tun dies jedoch nicht (Lim, 2003). Englische Sprecher wollen die individuelle Identität eines Sprechers und einer anderen Person hervorheben. Die Verwendung von Pronomen in der ersten Person Singular kann den Ort der individuellen Verantwortung signalisieren. Im Englischen ist es unmöglich, ein Gespräch ohne Pronomen oder ohne Bezugnahme auf den Namen des anderen, mit dem man spricht, zu führen (Goldstein & Tamura, 1975). Die Verwendung von Subjektpronomen ist obligatorisch: Ein Sprecher muss „ich“ oder „du“ in einem Satz erwähnen, auch wenn der Referent eindeutig ist (Kashima & Kashima, 1998). Forscher (Kashima & Kashima, 1998) stellten die Theorie auf, dass die sprachliche Praxis des Pronomen-Dropping (das Weglassen des Pronomens in der ersten Person Singular als „I“ im Englischen) mit der psychologischen Unterscheidung zwischen einem Sprecher, einem Gesprächspartner und dem Kontext der Rede zusammenhängt. Englische Sprecher wollen die individuelle Identität eines Sprechers und einer anderen Person hervorheben. Die Verwendung von Pronomen in der ersten Person Singular signalisiert den Ort der individuellen Verantwortung. Die explizite Verwendung des „I“ im Englischen soll die individuelle Identität der Person und des Partners vom Kontext trennen – ein Hinweis auf individualistische Kulturen –, während das Weglassen des „I“ im Spanischen, Japanischen und Chinesischen die Hervorhebung der Person des Sprechers gegenüber dem Gesprächspartner und dem Kontext reduziert – ein Hinweis auf kollektivistische Kulturen. Die Autoren untersuchten die Verwendung von Singularpronomen der ersten und zweiten Person (z. B. ich und du) in 39 Sprachen, die in 71 Kulturen gesprochen werden, und stellten fest, dass Kulturen mit „Nicht-Pronomen-Drop-Sprachen“ tendenziell individualistischer sind als solche mit „Pronomen-Drop-Sprachen“ (Kashima & Kashima, 1998). Eine weitere Beobachtung, die damit zusammenhängt, ist die Tendenz der US-Amerikaner, einen neuen Gesprächspartner mit seinem Vornamen anzusprechen. Einige Wissenschaftler (Hall & Hall, 1990) betrachten dies als eine künstliche Methode, um die Kommunikation kontextbezogen zu gestalten. Diese Art der Anrede beleidigt oft Menschen aus anderen Kulturen, die die Verwendung von Vornamen nur in engen Beziehungen für akzeptabel halten. Sie ziehen es vor, eine f ormelle Anrede zu verwenden, bis die andere Person anzeigt, wann Vertrautheit akzeptabel ist. Ausdrucksverhalten Menschen in kontextarmen Kulturen, wie z. B. in den Vereinigten Staaten und den nordeuropäischen Ländern, messen den Bedeutungen, die das Verhalten anderer und ihre Botschaften explizit vermitteln, mehr Bedeutung bei (Hall, 1976; Lustig & Koester, 1999). Sie ziehen es vor, durch explizite Botschaften in Sprache und Text zu kommunizieren und verlassen sich mehr auf den Inhalt als auf den Kontext der
66
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Kommunikation. Die Bedeutung hängt mehr vom Inhalt der gesprochenen Worte ab. Die kommunikativen Botschaften enthalten klare und eindeutige Informationen mit einem hohen Grad an Spezifität. Die Menschen in diesen Kulturen legen großen Wert auf spezifische Details und genaue Zeitpläne, was auf Kosten des Interaktionskontextes geht (Hall, 1984). Menschen in kontextarmen Kulturen kommunizieren konsequent über ihre Gefühle. Sie verwenden direkte und explizite Botschaften, um sicherzustellen, dass ein Partner sie richtig versteht. Sie verlassen sich in der Kommunikation auf Geradlinigkeit und betonen die Logik und gehen davon aus, dass die Partner durch lineares rationales Denken zur Wahrheit und zum Verständnis gelangen können. Die Konversation entwickelt sich von bereits geäußerten Informationen und Argumenten zu den nächsten. Wenn etwas unklar bleibt, erwarten die Partner in der Regel Erklärungen. Konversationen sind weniger körperlich animiert (Choe, 2001; Hall & Hall, 1990; Nishimura et al., 2008; Würtz, 2005). Menschen in kontextarmen Kulturen verlassen sich im Wesentlichen auf die verbale Kommunikation. Sie werden häufig als übermäßig redselig, übermäßig detailliert, manchmal zu offensichtlich und redundant wahrgenommen. Menschen in kontextarmen Kulturen legen in ihrer sozialen Wahrnehmung Wert auf verbale Kommunikation. Elliot et al. (1981) fanden heraus, dass Menschen in den Vereinigten Staaten verbalere Menschen als attraktiver wahrnehmen. Menschen, insbesondere Männer, in kontextarmen Kulturen sind weniger sensibel für die Wahrnehmung nonverbaler Kommunikation und achten weniger auf die Umstände der Interaktion, Spannung, Bewegungen und Gesichtsausdrücke. Menschen in kontextarmen Kulturen verarbeiten einfach nicht so subtile Aspekte der Kommunikation wie das Verstehen von unartikulierten Stimmungen, subtilen Gesten und Hinweisen aus der Umgebung (Andersen et al., 2003; Hall, 1976).
2.5.4 Konstrukt der Kontextdifferenzierung Kontextdifferenzierung auf kultureller und individueller Ebene Matsumoto und seine Kollegen (Matsumoto et al., 2009) schlugen ein neues Konstrukt vor, die Kontextdifferenzierung (CD), die die relative Konsistenz oder Inkonsistenz des Verhaltens in verschiedenen Kontexten beschreibt und die Verhaltensweisen, die Menschen in verschiedenen Kontexten zeigen, differenziert. Einige Kulturen ermutigen Individuen dazu, ihr Verhalten in verschiedenen Kontexten stark zu differenzieren, während andere eine solche Differenzierung ablehnen. Auf kultureller Ebene fördern Kulturen mit hoher Kontextdifferenzierung die Differenzierung des Verhaltens in verschiedenen Kontexten. Daher kann ein inkonsistentes Verhalten in verschiedenen Kontexten eine kulturelle Norm sein. Die Kulturen mit geringer Kontextdifferenzierung fördern eine geringere Differenzierung des Verhaltens in verschiedenen Kontexten. Somit wäre Konsistenz die kulturelle Norm (Matsumoto et al., 2009).
2.6 Zeitliche Muster des Lebens als kulturelle Rahmenbedingung
67
Das Konstrukt Kontextdifferenzierung unterscheidet sich von der Hall’schen Dimension der kontextstarken und kontextarmen Kulturen, dennoch glaube ich, dass sie eng miteinander verbunden sind und einen ähnlichen Einfluss auf das individuelle Verhalten und das Gefühlsleben haben können. Es ist auch vernünftig zu erwarten, dass die kulturellen Normen kontextstarker Kulturen (im Konstrukt von Hall, 1976, 2000) eine hohe Kontextdifferenzierung (im Konstrukt von Matsumoto et al., 2009) nahelegen – eine Differenzierung von Verhalten und Emotionen in verschiedenen Kontexten. Während es sich bei Halls Konstrukt um eine Dimension auf Kulturebene handelt, ist das Konstrukt von Matsumoto et al. Sowohl auf der individuellen als auch auf der kulturellen Analyseebene anwendbar. Individuelle Maßnahmen zur Kontextdifferenzierung Kontextdifferenzierung ist „der Grad, in dem Individuen ihre Gedanken, Gefühle oder Handlungen entsprechend dem spezifischen Kontext, in dem sie sich befinden, differenzieren“ (Matsumoto et al., 2009, S. 253). Menschen mit einem hohen Grad an Kontextdifferenzierung neigen dazu, sich in einem bestimmten Kontext auf eine bestimmte Weise zu verhalten, zu denken und zu fühlen, während sie sich in einem anderen Kontext auf eine andere Weise verhalten. Menschen mit geringer Kontextdifferenzierung neigen dazu, in verschiedenen Kontexten konsistenter zu handeln, zu denken und zu fühlen. Große individuelle Unterschiede in dieser Dimension sind sowohl innerhalb von Kulturen als auch zwischen Kulturen möglich. Der Vorteil des Konstrukts der Kontextdifferenzierung besteht darin, dass die Autoren (Matsumoto et al., 2009) ein Maß für die Kontextdifferenzierung auf der Grundlage von Ausdrucksregeln vorgeschlagen haben, das auf individueller Ebene eingesetzt werden kann. Es bewertet Verhaltensweisen und Gefühle von Individuen innerhalb einer Kultur sowie kulturübergreifend in verschiedenen Kontexten. Daher sind die Auswirkungen dieses Konstrukts und dieses Maßes auf die Untersuchung kultureller Modelle von Emotionen sehr nützlich.
2.6 Zeitliche Muster des Lebens als kulturelle Rahmenbedingung 2.6.1 Zeit und Psychologie Begriff der Zeit Die moderne westliche wissenschaftliche Tradition des Zeitverständnisses geht auf Newtons mathematische Theorie der absoluten Zeit zurück. Nach Newton (1643–1727) ist die absolute Zeit eine objektive Realität, die in einem gleichmäßigen Rhythmus von Sekunden, Minuten, Tagen, Wochen, Monaten und Jahren abläuft; sie ist nicht wahrnehmbar und existiert unabhängig von jedem
68
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Wahrnehmenden. Die Menschen können die Zeit nur relativ wahrnehmen – gemessen an der Bewegung der wahrnehmbaren Objekte: Sonne und Schatten, Mond und Sterne am Himmel. Die Zeit ist gekennzeichnet durch eine Abfolge von Ereignissen, Wahrnehmungen, Erkenntnissen und Emotionen, den Rhythmus als ein sich wiederholendes Muster von Ereignissen, Wahrnehmungen, Erkenntnissen und Emotionen, die Geschwindigkeit als den Fluss der Zeit – langsam, mittel oder schnell –, die Dauer als die Zeit, die ein Ereignis andauert, und die Synchronität der aufeinander abgestimmten Zeiten der Individuen. Für die Psychologie ist diese individuelle und gruppenbezogene Zeit und die Art und Weise, wie die Menschen sie erleben, das Wichtigste. In der persönlichen, familiären, gemeinschaftlichen und sozialen Realität nimmt der Einzelne die Zeit in relativen Begriffen wahr: (1) in Bezug auf die Ereignisse, die sich in seinem individuellen und gemeinschaftlichen Leben ereignen, und (2) in Bezug auf die Bilder, Gedanken und Gefühle, die in seinem Kopf vorbeiziehen. Zeitliche Aspekte menschlicher Aktivitäten spiegeln sich in psychologischen Prozessen des täglichen Lebens wie Zeitwahrnehmung, Lebensrhythmus, Zeitorientierung und Zeitverwendung wider (McGrath & Tschan, 2004). Zirkuläres Regime des Zeitablaufs Ein traditionelles und natürliches Zeitregime verläuft zirkulär und wiederholt sich in einem Zyklus von Ereignissen: vom Morgen bis zur Nacht jeden Tag, von Tag zu Tag jede Woche, von einer Jahreszeit zur anderen jedes Jahr, von einem Jahr zum anderen in jedem menschlichen Leben. Dies war ein typischer Zeitablauf aus den alten landwirtschaftlichen Epochen für die Mehrheit der einfachen Leute. Das ist die Art und Weise, wie viele Menschen ihre Zeit seit Jahrhunderten routinemäßig erlebt haben. Dies ist ein ganz typisches kulturelles Muster des Zeitablaufs im Leben von Menschen, Familien und kleinen Gemeinschaften in vielen traditionellen und modernen Kulturen. Ich bezeichne diesen individuellen Zeitfluss als ein zirkuläres Zeitregime. Diese Art von Zeit fehlt in der Typologie von Hall und Hall (1990), weil sie den Zeitfluss von Geschäftsleuten untersucht haben. Es handelt sich um eine nichtlineare Zeit in Bezug auf ein individuelles Leben, aber für Historiker ist sie dennoch linear, da sich historische Ereignisse – von einem König zum anderen, von einem Krieg zum anderen – in einer Reihenfolge und entsprechend ihrer Bedeutung entwickeln. Geometrisch gesehen wird das zirkuläre Zeitregime durch kreisförmige Figuren dargestellt (z. B. eine Abfolge ähnlicher Kreise und Quadrate), während das lineare Zeitregime in der Regel auf einer geraden Linie dargestellt wird, die sich von links (Vergangenheit) nach rechts (Zukunft) erstreckt, als eine Abfolge relativ zusammenhängender Ereignisse, mit einem Pfeil am Ende, der die Richtung des Zeitflusses angibt. In den meisten Kulturen der Welt stellen die Menschen die lineare Zeit räumlich von links nach rechts (oder in manchen Fällen von rechts nach links oder von hinten nach vorne) in Bezug auf den Körper dar (z. B. Boroditsky & Gaby, 2010; Fuhrman & Boroditsky, 2010). Die Menschen in Pormpuraaw – einer abgelegenen australischen Aborigine-
2.6 Zeitliche Muster des Lebens als kulturelle Rahmenbedingung
69
Gemeinschaft – stellen die Zeit jedoch anders dar (Boroditsky & Gaby, 2010). Das heißt, die Zeit fließt von links nach rechts, wenn man nach Süden schaut, von rechts nach links, wenn man nach Norden schaut, vom Körper weg, wenn man nach Westen schaut, und zum Körper hin, wenn man nach Osten schaut. Monochrones (lineares) Regime des Zeitablaufs Im modernen wirtschaftlichen und sozialen Zeitalter ist ein lineares Zeitregime unter den Menschen in vielen modernisierten Kulturen weit verbreitet. Räumlich wird es in den Köpfen der Menschen in Form von Kalendern repräsentiert, die Ereignisse und Termine in den unterteilten Zeiträumen – Stunden, Tage, Wochen usw. – markieren. Ich bezeichne dieses Konzept als lineares Zeitregime, das sich sequenziell als eine Reihe von Ereignissen entwickelt, die von Anfang an zu etwas anderem führen: jeden Tag, jede Woche, jede Jahreszeit, jedes Jahr usw. Dies kann auch als monochrone Zeit (Hall & Hall, 1990) bezeichnet werden, da sie auf einer Linie (mono) von der Vergangenheit in die Zukunft (chronic) fließt. Brislin und Kim (2003) bezeichneten sie als Taktzeit, da es für Menschen in Taktzeitkulturen (z. B. in den Vereinigten Staaten) sehr wichtig ist, sich an Pünktlichkeit und Zeitpläne zu halten. Die monochrome Zeit wird linear erlebt, sie ist natürlich in Zeitsegmente unterteilt, so wie eine Straße in Raumsegmente unterteilt ist. Die Zeit ist geplant und getaktet. Der Kalender, die Agenda und die Richtlinien sind wichtiger als die Menschen und Dinge, die daran beteiligt sind. Der Mensch neigt dazu, sich immer nur auf eine Sache zu konzentrieren. Da sich eine Person im monochromen Zeitregime auf eine Sache nach der anderen in einer linearen Reihenfolge konzentriert, mag sie es nicht, wenn sie unterbrochen wird. Die Ereignisse sind in Bezug auf die Zeit wertvoll: Zeit ist Geld. Sie kann ausgegeben werden, verschwendet werden, verloren gehen, und sie hat Prioritäten. Monochrome Menschen nehmen Verpflichtungen ernst als Verpflichtungen mit Fristen und legen Wert auf Pünktlichkeit. Sie engagieren sich für ihre Arbeit und halten sich strikt an ihre Pläne. Sie sind kontextarme Menschen und benötigen daher zusätzliche Informationen zur Erledigung von Aufgaben. Kurzfristige Beziehungen scheinen in vielen Fällen natürlich zu sein. Monochrome Personen achten auf ihre Privatsphäre, ihr Privateigentum und leihen sich selten Dinge von anderen. Sie vermeiden es, andere Menschen abzulenken (Hall & Hall, 1990, S. 15). Heutzutage erscheint das monochrone Zeitregime als natürlich und logisch; es wird in den Vereinigten Staaten als üblicher Zeitablauf im modernen wirtschaftlichen und sozialen Leben erlebt, „mit Pfeifen und Glocken, die die Stunden abzählen“ (Hall & Hall, 1990, S. 14). Sie ist typisch in Großbritannien, Deutschland, den Niederlanden, Schweden, Norwegen, der Schweiz und anderen Ländern. Im Allgemeinen neigen westliche Low-Context-Kulturen dazu, monochrom zu sein. Es ist jedoch anzumerken, dass ein monochromes Zeitregime nicht natürlich ist; es verstößt gegen viele angeborene Rhythmen des Menschen.
70
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Polychromes Regime des Zeitablaufs Das polychrome Zeitregime (Hall & Hall, 1990) unterscheidet sich drastisch vom monochromen Zeitregime, weil die Ereignisse in der subjektiven Erfahrung der Menschen nicht in einer strikten Abfolge auftreten. Es scheint, als ob sie zur gleichen Zeit stattfinden. Die polychrone Zeit wird mit „einem einzigen Punkt verglichen, nicht mit einer Straße“ (S. 14). Die Ereignisse – die beteiligten Dinge und Menschen – sind wichtiger als der Zeitplan. Brislin und Kim (2003) bezeichneten sie als Ereigniszeit, da Menschen in Ereigniszeitkulturen (z. B. in Lateinamerika) den natürlichen Fluss sozialer Ereignisse bevorzugen. Polychrome Menschen sind sehr ablenkbar und anfällig für Unterbrechungen. Sie leihen sich oft und leicht Dinge aus. Sie verstehen Verpflichtungen als Ziele, die es zu erreichen gilt, wenn möglich. Polychroniker sind Menschen, die sehr kontextabhängig sind. Der Schwerpunkt liegt auf der Durchführung menschlicher Transaktionen, nicht auf der Einhaltung von Zeitplänen. Sie ändern ihre Pläne leicht und oft. Sie sind stärker an Menschen gebunden und haben eine starke Tendenz, lebenslange Beziehungen aufzubauen und sich auf sie zu verlassen. Zum Beispiel unterhalten sich zwei Lateiner an einer Straßenecke in einem polychromen Zeitregime, das für sie selbstverständlich ist. Sie kommen wahrscheinlich lieber zu spät zu ihrem nächsten Treffen, als das laufende Gespräch zu unterbrechen, bis es auf natürliche Weise zu Ende ist. Eine andere polychrome Person, die auf ihn wartet, versteht das Zuspätkommen ohne weiteres, während die Beschwerde einer monochromen Person über die Verspätung als Beleidigung empfunden wird. Beispiele für solche zeitflexiblen Kulturen sind lateinamerikanische und mediterrane Völker. Im Allgemeinen neigen kontextstarke Kulturen wie die des Nahen Ostens, Südeuropas sowie Mittel- und Südamerikas zur Polychronie. Seit seiner Einführung durch Hall (1983; Hall & Hall, 1990) wurden mehrere Studien im Bereich des Managements durchgeführt. Die Forscher haben Instrumente entwickelt, um dieses Konstrukt auf individueller Ebene als Zeitpersönlichkeit zu messen: Attitude Index and Orientation Scale (Bluedorn et al., 1992), The Inventory of Polychronic Values (Bluedorn et al., 1999) und Polychronic- Monochronic Tendency Scale (Lindquist & Kaufman-Scarborough, 2007). Die Studien wurden größtenteils in den Vereinigten Staaten durchgeführt, wie die oben genannten, oder in Spanien (Adams & van Eerde, 2010). Obwohl in Spanien als mediterraner Kultur ein polychromer Stil vorherrschen sollte, haben die Ergebnisse bei Managern in Madrid gezeigt, dass sie monochrom sind. Leider wurden bisher nicht viele empirische kulturübergreifende Studien durchgeführt (z. B. Nonis et al., 2005). Zeit- und Gefühlsregime Was die Auswirkungen der verschiedenen Zeitregime auf das Gefühlsleben der Menschen betrifft, so haben sie unterschiedliche Einflüsse. Das zirkuläre Zeitregime ist routinemäßig und daher relativ entspannt mit ruhigen Emotionen bei kleinen
2.6 Zeitliche Muster des Lebens als kulturelle Rahmenbedingung
71
Freuden und kleinen Enttäuschungen. Das zirkuläre Zeitregime geht von dauerhaften oder wiederkehrenden Beziehungen aus, in denen sich Menschen auf Wunsch oder aus Notwendigkeit regelmäßig treffen. Diese Beziehungen können angespannt oder entspannt sein. Das monochrone Zeitregime ist voll von neuen Ereignissen, dem Bedürfnis nach Fortschritt vom Schlechten zum Besseren, vom Guten zum Besten, und daher ist es stärker verdichtet mit intensiven Gefühlen der Freude über Erfolge und der Frustration über Misserfolge. Das monochrone Zeitregime intensiviert einige Beziehungen, während es andere lockert. Durch die Abschottung gleicht die Zeit einem Raum, zu dem einige Menschen Zugang haben, während andere nur begrenzt Zutritt haben. Die erfolgreiche Umstellung von einem zirkulären Zeitsystem im Privatleben auf ein monochromes Zeitsystem im Geschäftsleben (und zurück) ist für moderne Menschen wichtig. Dann können sie die Routine des Lebens vermeiden, die für einige von ihnen langweilig sein könnte, und sie vermeiden die Überlastung mit intensiven geschäftlichen Emotionen und können sich in ihrem Privatleben entspannen. Die polychrome Zeiteinteilung scheint die emotionalen Vorteile der zirkulären und der monochromen Zeiteinteilung zu vereinen und bietet den Menschen mehr Flexibilität in ihren Beziehungen. Leider gibt es bisher keine Studien, die die Auswirkungen dieser Zeitmodelle auf das Gefühlsleben und die engen Beziehungen der Menschen untersucht haben.
2.6.2 Zeitliche Orientierung der Kulturen Kurzfristige gegenüber langfristiger Orientierung Eine weitere kulturelle Dimension der Zeitwahrnehmung, die sich zwischen den Kulturen unterscheidet, ist die kurzfristige und die langfristige Orientierung. Menschen in kurzfristig orientierten Kulturen handeln und denken mehr in der unmittelbaren Gegenwart und in einer kurzfristigen Perspektive, während Menschen in langfristig orientierten Kulturen mehr an die Zukunft denken und handeln und in der Lage sind, die Befriedigung sozialer, materieller und emotionaler Bedürfnisse aufzuschieben (Hofstede & Minkov, 2010; Minkov & Hofstede, 2012). Hofstede (2001) führte eine groß angelegte kulturübergreifende Studie durch, in der er die Befragten in 36 Ländern der Welt zu ihrer Zeitwahrnehmung befragte. Die Ergebnisse zeigten, dass die kurzfristig orientierten Länder Ghana, Nigeria, Sierra Leone, Philippinen, Spanien, Kanada, Botswana, Malawi, Gambia, Simbabwe, Vereinigte Staaten und Neuseeland sind, während die langfristig orientierten Länder Norwegen, Dänemark, Ungarn, Thailand, Tschechische Republik, Indien, Brasilien, Südkorea, Japan, Taiwan, Hongkong und China sind. Zu den mittelfristig orientierten Ländern gehören Australien, Österreich, Deutschland, Polen, Schweden, Italien, Belgien, Frankreich, die Schweiz, Finnland und die Niederlande. Die Forscher fanden heraus, dass das Leben in Kulturen mit langfristiger Orientierung mit kulturspezifischen Arten von zwischenmenschlichen Beziehungen
72
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
v erbunden ist. Sie zeichnen sich durch ungleiche Statusbeziehungen, hierarchische Organisation und horizontale Zusammenarbeit aus. Die Menschen glauben, dass Demut eine große menschliche Tugend ist, und konzentrieren sich auf den Aufbau langfristiger Beziehungen. In den Familien wird mehr zwischen Älteren und Jüngeren sowie zwischen Geschwistern unterschieden. All diese Faktoren führen vermutlich zu einer stabilen Gesellschaft (Hofstede, 2001). Hofstede (2001) fand auch heraus, dass von den 22 Ländern, die er untersuchte, die Gesellschaften mit kurzfristiger Orientierung (die meisten westlichen Länder) dazu neigen, die Werte zukunftsorientierter Belohnungen, wie Ausdauer und Sparsamkeit, zu unterstützen. Die langfristig orientierten Länder (z. B. China und Taiwan) befürworten und respektieren dagegen eher traditionelle Werte wie die Erfüllung sozialer Verpflichtungen und die Wahrung des „Gesichts“. Die langfristige Orientierung ist mit weiteren gesellschaftlichen Merkmalen verbunden. Eine Meta-Analyse von Studien aus 26 Ländern (Van Hemert et al., 2007) hat gezeigt, dass die Langzeitorientierung signifikant mit dem Ausdruck von Emotionen zusammenhängt. Vergangenheitsorientierung versus Zukunftsorientierung Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft … wo leben die Menschen, wo verbringen sie ihre Zeit am meisten? Individuelle und typologische Unterschiede in dieser Hinsicht sind offensichtlich. Manche Menschen träumen gerne von der Zukunft, andere schwelgen in Erinnerungen an die Vergangenheit, wieder andere ziehen es vor, im gegenwärtigen Moment ihres Lebens zu leben. Diese innere Verortung der Zeit ist sicherlich eine subjektive Erfahrung. Objektiv gesehen vergeht die absolute Zeit gleichmäßig und in einer Richtung – von der Vergangenheit in die Zukunft –, aber subjektiv erlebt sie jeder anders. Die Zeitorientierung – ein weitgehend unbewusster kognitiver Prozess – legt einen Fokus und eine relative Gewichtung der persönlichen Erfahrungen in den zeitlichen Kategorien Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft fest (Goldrich, 1967; Kluckhohn & Strodtbeck, 1961; Lee et al., 2017). Die Rahmenbedingung der Zeitorientierung reicht im Kontinuum von einer Kategorie der Vergangenheit über die Gegenwart bis hin zur Zukunft und gibt die Kategorie an, der eine Person ihre kognitive Aufmerksamkeit schenkt. Diese Orientierung legt eher einen relativen als einen ausschließlichen Schwerpunkt auf das zeitliche Kontinuum (Shipp et al., 2009; Zimbardo & Boyd, 1999). Das Zimbardo Time Perspective Inventory (ZTPI et al., 1999) ist ein Maß für fünf zeitliche Orientierungen auf individueller Ebene: Positive Vergangenheit (PP), Negative Vergangenheit (PN), Hedonistische Gegenwart (PH), Fatalistische Gegenwart (PF) und Zukunft (F). Das Instrument hat sich in mehr als 20 Ländern als kulturübergreifend gültig erwiesen (siehe Übersicht in Sircova et al., 2014) und wurde in einem umfassenden kulturübergreifenden Vergleich verwendet. Die Ergebnisse der jüngsten Studie, die 12 200 Teilnehmer in 26 Stichproben aus 24 Ländern umfasste, bestätigten die fünf zeitlichen Orientierungen in vielen Ländern mit
2.6 Zeitliche Muster des Lebens als kulturelle Rahmenbedingung
73
unterschiedlichen kulturellen Traditionen. Die Autoren berichten jedoch nicht über kulturübergreifende Unterschiede bei diesen Variablen (Sircova et al., 2014). Die Forschung mit diesem Zeitperspektiven-Inventar hat mehrere Assoziationen zwischen den Ergebnissen der Subskalen und psychischen Gesundheitsproblemen, Selbstwertgefühl, spirituellem Wachstum, psychologischem Wohlbefinden, Lebenszufriedenheit, positiven und zufriedenstellenderen Beziehungen zu anderen Menschen aufgezeigt (siehe Übersicht (Sircova et al., 2014). Daher ist die Erwartung berechtigt, dass Zeitperspektive und Zeitorientierung Auswirkungen auf das Gefühlsleben und die Beziehungen von Menschen in kulturellen Kontexten haben können. Gibt es in den Ländern eine Vergangenheits- und eine Zukunftsorientierung? Obwohl die Zeitorientierung ein individueller psychologischer Parameter ist, spielt der kulturelle Hintergrund eine Rolle bei der Festlegung der individuellen Präferenzen (Gonzalez & Zimbardo, 1985; Hill et al., 2000; Levine, 2008). Es gibt kulturelle Unterschiede in der Zeitorientierung. Kulturen können auch nach Zukunfts-, Gegenwarts- und Vergangenheitsorientierung kategorisiert werden. Menschen aus zukunftsorientierten Kulturen neigen beispielsweise dazu, zukunftsrelevante Informationen zu speichern und mehr über die Zukunft zu denken und zu kommunizieren als Menschen aus gegenwarts- oder vergangenheitsorientierten Kulturen. Die Anthropologen Hall und Hall (1990) stellten fest, dass Indien und der Iran vergangenheitsorientierte Länder sind; die urbanen Vereinigten Staaten sind auf die Gegenwart und die kurzfristige Zukunft ausgerichtet, während die Länder Lateinamerikas sowohl vergangenheits- als auch gegenwartsorientiert sind. Die Autoren haben jedoch kein Maß für die Zeitorientierung angegeben, die sie berücksichtigt haben. Der Dimension der Zukunftsorientierung wurde in der Forschung sowohl auf individueller als auch auf kultureller Ebene große Aufmerksamkeit geschenkt (siehe Ashkanasy et al., 2004). Die individuelle Zukunftsorientierung als Dimension spiegelt das subjektive Zeiterleben wider, das sich an Zielen und Ereignissen orientiert, die in der Zukunft stattfinden (Trommsdorff, 1983). Kulturelle Zukunftsorientierung spiegelt das Ausmaß wider, in dem eine Gesellschaft zukunftsorientierte Verhaltensweisen wie die Erwartung aufgeschobener Belohnung und Planung fördert (House et al., 1999). Diese Dimension wird als grundlegende Wertorientierung aller Kulturen betrachtet (siehe für eine detaillierte Übersicht Ashkanasy et al., 2004; Kluckhohn & Strodtbeck, 1961). Eine kürzlich durchgeführte rigorose (in Bezug auf die Methodik) und umfassende (in Bezug auf die globale Abdeckung) Studie brachte eine systematische Sicht auf dieses Konzept. Die Analyse der Daten des Global Leadership and Organizational Behavior Effectiveness (GLOBE)-Forschungsprojekts, das 62 Länder umfasste (Ashkanasy et al., 2004), ergab, dass die Menschen in nordeuropäischen und nordamerikanischen Ländern eine höhere Zukunftsorientierung aufweisen, während die Menschen in osteuropäischen, lateinamerikanischen, arabischen und lateinamerikanischen Ländern eine geringere Zukunftsorientierung haben. Die Werte von Befragten aus asiatischen Ländern sind weitgehend über das gesamte Spektrum verteilt.
74
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Es ist jedoch anzumerken, dass die westlichen Länder in Bezug auf diese Variable nicht homogen sind. Es gibt Unterschiede zwischen den Ländern und auch innerhalb der multirassischen oder multiethnischen Länder. Die Autoren (Ashkanasy et al., 2004) fanden auch heraus, dass innerhalb Europas die Menschen in den nördlichen Ländern (z. B. Deutschland, die Niederlande und Österreich) zukunftsorientierter sind als die Menschen in den Mittelmeerländern (z. B. Italien und Griechenland). In den Vereinigten Staaten sind europäische US-Amerikaner stärker zukunftsorientiert als Afroamerikaner und Hispanics (Brown & Segal, 1996; Graham, 1981; Marin & Marin, 1991). Asiatische US-Amerikaner sind stärker zukunftsorientiert als Schwarze (Steinberg et al., 2009). In Neuseeland sind Menschen europäischer Abstammung im Vergleich zu den Māori, den polynesischen Ureinwohnern Neuseelands, stärker zukunftsorientiert (Bray, 1970).
2.6.3 Das Lebenstempo als kulturelle Dimension Das Tempo des Handelns und der Kommunikation Das Lebenstempo ist die Geschwindigkeit der täglichen Aktivitäten der Menschen. Wie hoch ist das Tempo beim Gehen, Arbeiten, Essen und Sprechen? Kann dies als eine kulturelle Dimension betrachtet werden, die mit dem Gefühlsleben und den Beziehungen der Menschen in einer Kultur zusammenhängt? Levine und seine Kollegen führten eine Reihe von kulturübergreifenden Studien mit objektiven Messungen durch (Levine et al., 1989; Levine & Norenzayan, 1999). In einer Studie (Levine & Norenzayan, 1999) beobachteten die Forscher in 31 Ländern, wie die Menschen in den Innenstädten von Großstädten eine Strecke von 60 Fuß zurücklegten, wie schnell die Transaktionen in den Postämtern abliefen und wie genau die Uhren gingen. Die Autoren fanden heraus, dass das Lebenstempo nach diesen Maßstäben in Italien, Irland, Deutschland, der Schweiz und Japan am schnellsten war, während es in Brasilien, El Salvador, Mexiko, Indonesien und Syrien am langsamsten war. Mehrere ökologische und kulturelle Variablen korrelierten mit diesem Lebenstempo (Levine & Norenzayan, 1999). In Bezug auf die Temperaturen waren die Bewohner heißerer Orte langsamer als die Bewohner kühlerer Orte. Die Bewohner von Großstädten waren schneller als die von Kleinstädten. Die Menschen in Ländern mit einer dynamischen und aktiven Wirtschaft waren schneller. Menschen in individualistischen Kulturen waren ebenfalls schneller. Interessante Ergebnisse gab es zu den Auswirkungen des Lebensrhythmus auf Gesundheit und Glück. Menschen in schnelleren Orten haben im Allgemeinen eine schlechtere Gesundheit, sind aber glücklicher. Die zeitlichen Lebensnormen variieren je nach Region, Ethnie und sozioökonomischer Subkultur innerhalb eines Landes. In den Vereinigten Staaten zum Beispiel sind die Menschen in den nordöstlichen Staaten schnelllebig, während die Menschen im Westen (vor allem in Kalifornien) eher entspannt sind. Die Menschen
2.6 Zeitliche Muster des Lebens als kulturelle Rahmenbedingung
75
im Nordosten der USA gehen schneller, reden schneller, arbeiten schneller und tragen häufiger Uhren als die Menschen in anderen US-amerikanischen Städten. Was die ethnischen und sozioökonomischen Kulturen betrifft, so sagen die amerikanischen Ureinwohner, dass sie nach der „Indianerzeit“ leben. Mexikanisch- Amerikaner unterscheiden zwischen der tatsächlichen Zeit auf der Uhr (hora inglesa) und der eher beiläufigen Zeit (hora mexicana). Afroamerikaner unterscheiden häufig zwischen dem Zeitgefühl ihrer eigenen Kultur und dem Zeitgefühl der europäischen US-Amerikaner. Ihr vorherrschendes Tempo ist sehr langsam, und die Zeit ist nicht organisiert, verglichen mit den typischerweise schnellen und gut geplanten europäischen US-Amerikanern. Dennoch können sie ihr Tempo beschleunigen, wenn die Umstände es erfordern. Sie können pünktlich sein, wenn sie es wollen, und sind unpünktlich, wenn sie es nicht wollen (Levine, 2008). Eine Geografie der Zeit (Levine, 2008) liefert viele kulturübergreifende Beispiele dafür, wie Menschen die Zeit wahrnehmen, interpretieren und sich in dieser Perspektive verhalten und wie sich diese Aspekte ihres Lebens auf ihren Wohlstand, ihre Gesundheit und ihr Glück auswirken. Im Allgemeinen sind Menschen, die in schnellen Gesellschaften und Städten leben, wohlhabender. Dennoch sind sie in ihrem Leben vielen Belastungen ausgesetzt, die ihre kardiovaskuläre Gesundheit gefährden: Sie haben ein höheres Risiko, an einer koronaren Herzkrankheit zu erkranken. Die Menschen in den schnellen Städten haben eher eine höhere Lebenszufriedenheit. Das Tempo der Kommunikation Die Geschwindigkeit und das Tempo, mit denen Menschen kommunizieren, sind typologische Merkmale, die von ihrem Temperament und ihrem Charakter abhängen. Manche Menschen können schnell kodieren, sprechen und die Botschaften der anderen sofort entschlüsseln. Sie bevorzugen beispielsweise kurze oder lange Sätze, einfache oder komplexe grammatikalische und stilistische Strukturen, einfache oder komplexe Wörter. Unter Berücksichtigung all dieser Merkmale der Kommunikation können ihre Botschaften langsam oder schnell sein. Dies kann sich auch auf die Art und Weise beziehen, wie schnell Menschen ihre Beziehungen entwickeln. Die Dimension der Nachrichtengeschwindigkeit kann auch die in einer Gesellschaft vorherrschenden typischen Kommunikationsmuster sowie das Spektrum von langsamer bis schneller Nachrichtengeschwindigkeit charakterisieren. Nach der kulturellen Dimension der Nachrichtengeschwindigkeit (Hall & Hall, 1990) bevorzugen Menschen in Kulturen mit hoher Nachrichtengeschwindigkeit schnelle Nachrichten (typisch für kontextarme Kulturen). Solche Nachrichten werden schnell und einfach übermittelt und entschlüsselt. Dazu gehören z. B. Prosa, Schlagzeilen, Propaganda, Fernsehwerbung, einfache Emotionen und leichte Vertrautheit. In den Kulturen der schnellen Botschaften (z. B. in den Vereinigten Staaten) sind die Menschen bestrebt, schnell Kontakte zu knüpfen. Sie neigen dazu, sich schnell zu offenbaren und Beziehungen aufzubauen, die jedoch recht oberflächlich sein können. US-Amerikaner sind unglaublich freundlich, informell und mitfühlend, doch ihre
76
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Kommunikation beinhaltet in der Regel keinen Austausch tiefer Gefühle und Vertraulichkeiten (Hall & Hall, 1990). Diese Art der Kommunikation und Beziehung könnte von Menschen aus Kulturen mit hohem Kontext und langsamer Nachrichtenübermittlung als oberflächlich angesehen werden, während sie von Menschen aus Kulturen mit niedrigem Kontext und hoher Geschwindigkeit als Respekt vor der Privatsphäre und Vertraulichkeit betrachtet werden könnte. Menschen in Kulturen mit langsamer Nachrichtengeschwindigkeit bevorzugen langsame Nachrichten (typisch für Kulturen mit hohem Kontext). Es braucht mehr Zeit und etwas mehr Mühe, sie zu übermitteln und zu entschlüsseln. Beispiele hierfür sind Poesie, Kunst, Fernsehdokumentationen, komplexe Gefühle und tiefe Beziehungen. In den Kulturen der langsamen Botschaften braucht man mehr Zeit, um jemanden gut kennen zu lernen. In diesen Kulturen (z. B. in vielen europäischen und arabischen Ländern) geben die Menschen ihre Emotionen preis und gehen allmählich Beziehungen ein, die jedoch tief verwurzelt und von langer Dauer sind. Daher werden persönliche Beziehungen und Freundschaften hoch geschätzt (Hall & Hall, 1990). Diese Art der Kommunikation und Beziehung könnte von Menschen aus Kulturen mit hohem Kontext und langsamer Nachrichtenübermittlung als tief und aufrichtig angesehen werden, während sie von Menschen aus Kulturen mit niedrigem Kontext und hoher Geschwindigkeit als aufdringlich und indiskret angesehen werden könnte. Innerhalb der Kulturen gibt es eindeutige individuelle und typologische Unterschiede in den Präferenzen für langsame und schnelle Nachrichten. Dennoch sind die typischen kulturellen Muster, denen manche Menschen besser entsprechen als andere, nach wie vor erkennbar. Eine Studie (Lee & Boster, 1992) fand heraus, dass die Sprechgeschwindigkeit in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Auswirkungen auf die Glaubwürdigkeit haben kann. Schnelles Sprechen ist ein wirksames Mittel, um die Glaubwürdigkeit US-amerikanischer Sprecher (sowohl Männer als auch Frauen) und koreanischer Sprecherinnen zu erhöhen. Langsames Sprechen ist jedoch effektiver, um die Glaubwürdigkeit koreanischer männlicher Sprecher zu erhöhen. Zum Tempo der Kommunikation gehört auch das Tempo des Informationsflusses durch ein Netz. Wie schnell oder langsam? Wie lange braucht eine Nachricht, um den Empfänger zu erreichen? Kulturell bedingte Missverständnisse über den Prozess des Informationsflusses behindern häufig eine angemessene kulturübergreifende Kommunikation. Hall und Hall (1990) haben hierzu interessante Beobachtungen gemacht. In kontextarmen Kulturen wie der Schweiz, Deutschland oder den Vereinigten Staaten können Informationen nicht frei fließen. Sie sind stark gebündelt und abgeschottet, so dass sie sich nur langsam verändern. Informationen werden als In strument zur Kontrolle und Steuerung eingesetzt. Im Gegensatz dazu bewegen sich Informationen in kontextreichen Kulturen wie Frankreich, Spanien und Japan schnell, die Menschen leben in einem Meer von Informationen. Der zwischenmenschliche Kontakt untereinander ist wichtiger als alles andere; Informationen
2.7 Reaktion auf Mehrdeutigkeit und Ungewissheit als kulturelle Rahmenbedingung
77
fließen ungehindert. Die Menschen stehen in ständigem Kontakt, bleiben in Verbindung und halten sich auf dem Laufenden. „Da es sich bei diesen Kulturen ebenfalls um Kulturen mit hohem Informationsfluss handelt, bedeutet der Verlust des Kontakts, dass man aufhört, als lebensfähiges menschliches Wesen zu existieren“ (Hall & Hall, 1990, S. 23).
2.7 Reaktion auf Mehrdeutigkeit und Ungewissheit als kulturelle Rahmenbedingung 2.7.1 Persönliche Ambiguitätstoleranz Ambiguitätstoleranz als Persönlichkeitsmerkmal bestimmt die Art und Weise, wie eine Person „Informationen über mehrdeutige Situationen oder Reize wahrnimmt und verarbeitet, wenn sie mit einer Reihe von ungewohnten, komplexen oder inkongruenten Hinweisen konfrontiert wird“ (Furnham & Ribchester, 1995, S. 179). Dies sind genau die Situationen, denen ein Liebhaber bei seinen Liebesabenteuern häufig begegnet. Eine Person mit niedriger Ambiguitätstoleranz empfindet Stress, reagiert voreilig und vermeidet mehrdeutige Reize. Am anderen Ende der Skala nimmt eine Person mit hoher Ambiguitätstoleranz mehrdeutige Situationen/Reize als wünschenswert, herausfordernd und interessant wahr und leugnet oder verzerrt ihre Komplexität der Inkongruenz nicht (Furnham & Ribchester, 1995, S. 179). Ambiguitätstoleranz oder -intoleranz ist eine Persönlichkeitsvariable, die emotionale und wahrnehmungsbezogene Komponenten umfasst. Eine Person kann emotionale Ambivalenz begrüßen (oder zumindest akzeptieren) oder verleugnen. Eine Person kann kognitive Ambiguität tolerieren oder intolerant gegenüber ihr sein. In den letzten Jahrzehnten haben Forscher die Variable der Ambiguitätsintoleranz als Persönlichkeitsmerkmal eingehend untersucht. Sie untersuchten diese Variable auch in verschiedenen Gruppen und Ländern und setzten sie mit einer Reihe von sozialen, politischen und religiösen Variablen in Beziehung (siehe Furnham & Ribchester, 1995). Die Ungewissheit und Mehrdeutigkeit verschiedener Situationen kann die Menschen vor die Entscheidung stellen, was sie tun und wie sie sich verhalten sollen. In einigen Gesellschaften ist das Leben in solch riskanten, unsicheren und unklaren Situationen typisch und normal. Die Menschen passen sich daran an und unternehmen daher keine Anstrengungen, sie zu vermeiden. Einige können solche Situationen sogar genießen, während die anderen sie tolerieren. In anderen Gesellschaften scheint das Leben unter riskanten und unklaren Bedingungen unangenehm und unerträglich zu sein. Daher haben die Menschen den starken Wunsch, das Risiko der Ungewissheit zu verringern, indem sie solche Situationen meiden.
78
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
2.7.2 Kulturell typische Reaktion auf Ungewissheit Unsicherheitsvermeidung als kulturelle Dimension Hofstedes Konzept der Unsicherheitsvermeidung als kulturelle Dimension ähnelt der Ambiguitätstoleranz einer Person als individuelle Eigenschaft. Sie sind unterschiedlich. Sie sind zwar nicht synonym, aber dennoch verwandt. Unsicherheitsvermeidung ist weitreichender als Intoleranz gegenüber Mehrdeutigkeit, die bekannte Alternativen voraussetzt. Diese kulturelle Dimension wurde von Hofstede (1980/1984; Hofstede & Bond, 1984) vorgeschlagen, um die Einstellung der Menschen gegenüber mehrdeutigen Situationen und die Überzeugungen zu beschreiben, die sie entwickeln, um diese zu vermeiden. Hofstede untersuchte die Verteilung der individuellen Unterschiede in den Gesellschaften und stellte fest, dass sich die Länder im Durchschnitt in ihrer Unsicherheitsvermeidung und -toleranz unterscheiden. Menschen in Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung neigen dazu, Unsicherheit stärker zu vermeiden als Mitglieder von Kulturen mit geringer Unsicherheitsvermeidung. Wie Menschen und Kulturen auf das Leben mit Ungewissheit reagieren Wie reagieren Menschen und Kulturen auf ein Leben, das Unsicherheit, Stress und Angst erzeugt? Einige versuchen, die Regeln für normatives Verhalten zu verschärfen und so Ungewissheit zu vermeiden, während andere besser in der Lage sind, Ungewissheit ohne übermäßige Ängste und Stress zu ertragen. Zu den Ländern, die am ehesten intolerant gegenüber Mehrdeutigkeit sind und Ungewissheit vermeiden, gehören Portugal, Griechenland, Spanien, Belgien, Frankreich, Japan, Peru, Chile und Argentinien. Zu den Ländern mit der höchsten Ambiguitätstoleranz und der geringsten Unsicherheitsvermeidung gehören Irland, England, Dänemark, Schweden, Hongkong, Singapur, die Philippinen, Indien und die Vereinigten Staaten (Hofstede, 1984). Auch innerhalb eines Landes kann es kulturelle Unterschiede geben. Andersen et al. (1990) haben beispielsweise herausgefunden, dass in den Vereinigten Staaten die Intoleranz gegenüber Mehrdeutigkeit in den südlichen Bundesstaaten viel höher ist als in den Nördlichen. Hofstede (1980/1984) behauptet, dass Gesellschaften mit verschiedenen Unsicherheiten umgehen müssen, die durch die Natur, soziale Gruppen, Organisationen und andere Menschen verursacht werden und daher nicht kontrolliert werden können. Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung streben danach, Handlungen zu strukturieren durch Aufgabenorientierung und Ritualisierierung. Er zeigte auf, wie die Unsicherheitsvermeidung mit den Studien über nationale Unterschiede zusammenhängt, die sich mit Dingen wie Angst, Leistung, Motivation und Werten befassen. Personen und Kulturen mit einer hohen Unsicherheitsvermeidung neigen dazu, das Eingehen von Risiken zu vermeiden und Versagensängste zu empfinden, während Personen mit einer niedrigen Unsicherheitsvermeidung das Risiko so
2.7 Reaktion auf Mehrdeutigkeit und Ungewissheit als kulturelle Rahmenbedingung
79
annehmen, wie es ist, ohne Angst zu empfinden (Hofstede, 1980/1984, 2001). Menschen in Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung neigen dazu, zu denken, dass „was anders ist, gefährlich ist“, während Menschen in Kulturen mit geringer Unsicherheitsvermeidung dazu neigen, zu denken, dass „was anders ist, neugierig macht“ (Hofstede, 1984, S. 119). Unsicherheitsvermeidung und Gefühlsleben Wie kann sich die Unsicherheitsvermeidung als kulturelle Dimension auf das Gefühlsleben von Menschen in verschiedenen kulturellen Kontexten auswirken? In einigen Studien (z. B. Hofstede, 1984; Fernandez et al., 2000; Lynn & Martin, 1995; Schimmack, 1996) wurde festgestellt, dass die Unsicherheitsvermeidung in einer Gesellschaft stark mit Emotionalität verbunden ist. Nach Hofstede (1984) sind die Kulturen mit starker Unsicherheitsvermeidung (z. B. Griechenland) tendenziell aktiver und emotionaler, während die Menschen in den Kulturen mit schwacher Unsicherheitsvermeidung (z. B. Dänemark) weniger emotional und entspannt sind. Einige andere Studien (Arrindell et al., 1997) fanden heraus, dass Menschen in Kulturen mit starker Unsicherheitsvermeidung mehr negative Emotionen, mehr Angst und ein geringeres subjektives Wohlbefinden erleben. In diesen Kulturen ist die Häufigkeit von Ärger, Angst und Traurigkeit höher. Die Prävalenz der Dimension Unsicherheitsvermeidung steht in Zusammenhang mit kulturellen Unterschieden im Erleben positiver oder negativer Emotionen – dem Thema, das uns in diesem Buch in erster Linie interessiert. Menschen in Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung erleben häufiger negative Emotionen und erleben seltener positive Emotionen als Menschen in Kulturen mit geringer Unsicherheitsvermeidung. Menschen in Ländern mit hoher Unsicherheitsvermeidung neigen dazu, mehr Emotionen zu zeigen. Sie erkennen Emotionen wie Traurigkeit und Angst angemessener als Menschen in Ländern mit geringer Unsicherheitsvermeidung (Hofstede, 1984; Schimmack, 1996). Sie erleben eine hohe emotionale Intensität (Basabe et al., 2000). Eine Studie mit 21 Tausenden von Befragten (Durchschnittsalter = 30,2 Jahre) in 48 Ländern in drei Zeiträumen von 1980 bis 2000 (Steel et al., 2018) ergab, dass die Unsicherheitsvermeidung und das subjektive Wohlbefinden auf individueller Ebene nicht miteinander korrelieren. Dennoch haben glückliche Nationen im Durchschnitt eine niedrige Unsicherheitsvermeidung. Obwohl der Effekt der Unsicherheitsvermeidung auf das subjektive Wohlbefinden mit politischen und wirtschaftlichen In stitutionen zusammenhängt, ist er dennoch teilweise unabhängig von diesen Rahmenbedingungen. In Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung gibt es einen starken Wunsch nach Konsens. Die Menschen betrachten abweichendes Verhalten als nicht akzeptabel. Sie neigen dazu, Emotionen stärker zu zeigen als Personen aus Kulturen mit geringer Unsicherheitsvermeidung. Sie zeigen ihre Emotionen offen, insbesondere drücken sie mehr Emotionen in Beziehungen aus (Gudykunst & Matsumoto, 1996).
80
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
2.8 Die kulturellen Werte des Überlebens und der Selbstdarstellung 2.8.1 Traditionelle und moderne Gesellschaften Die Theorie der Modernisierung Die Modernisierungstheorie betrachtet Gesellschaften anhand ihrer wirtschaftlichen, sozialen, politischen und kulturellen Merkmale und unterscheidet sie entlang des Spektrums zwischen traditionellen und modernen Gesellschaften (Inglehart, 1997; Inglehart & Baker, 2000; Inglehart & Welzel, 2005). Es wird vorgeschlagen, dass zwei bipolare Dimensionen Gesellschaften unterscheiden: Materialismus- Postmaterialismus und Modernisierung-Postmodernisierung. Gesellschaften, die auf der Materialismus-Skala einen hohen Wert haben, legen großen Wert auf Überleben und Sicherheit (z. B. Wirtschaftswachstum und stabile Wirtschaft), während Gesellschaften, die auf der Postmaterialismus-Skala einen hohen Wert auf Selbstdarstellung und Toleranz gegenüber Minderheiten legen (z. B. soziale Teilhabe, Freiheit und humane Gesellschaft). Die Überlebenswerte betonen die physische und wirtschaftliche Sicherheit (Inglehart & Baker, 2000), während sich die Selbstausdruckswerte auf die Lebensqualität und das subjektive Wohlbefinden konzentrieren (Inglehart, 1997, S. 349). Beide Wertegruppen beeinflussen dementsprechend den Gefühlsausdruck und die zwischenmenschlichen Bezie hungen. Inglehart und seine Kollegen (Inglehart, 1997; Inglehart & Baker, 2000; Inglehart & Welzel, 2005) schlugen den Begriff Modernisierung vor – den Übergang von Gesellschaften mit vorherrschenden Überlebenswerten zu Gesellschaften mit vorherrschenden Selbstdarstellungswerten. Was die beiden wesentlichen Dimensionen zwischenmenschlicher Bezie hungen – soziale Distanz (Intimität vs. soziale Distanz) und Machtstatus (hoher vs. niedriger Machtstatus) – betrifft, so legen traditionelle Gesellschaften mehr Wert auf den Machtstatus als auf die soziale Distanz, während moderne Gesellschaften mehr Wert auf die soziale Distanz als auf die Machtdistanz legen. Sozioökonomische Faktoren spielen eine entscheidende Rolle bei der Modernisierung von Gesellschaften. Inglehart und Baker (2000) haben in ihrer Analyse der Daten des World Value Survey (aus 60 Ländern, 75 % der Weltbevölkerung) gezeigt, dass sozioökonomische Rahmenbedingungen die Entwicklung der Länder (1) von kulturellen Werten, die das Überleben betonen, zu Werten, die die Selbstentfaltung betonen, und (2) von traditionellen Werten zu säkularen und rationalen Werten weitgehend erklären. Historische Religionen scheinen ebenfalls eine Rolle bei der Modernisierung zu spielen, möglicherweise in Verbindung mit dem aktuellen sozioökonomischen Status. In den Ländern mit protestantischem Ursprung werden die Werte der Selbstdarstellung hoch geschätzt, während in den Ländern mit orthodoxem Ursprung diese Werte nur gering geschätzt werden.
2.8 Die kulturellen Werte des Überlebens und der Selbstdarstellung
81
Modernisierung von Gesellschaften und Emotionen Die Modernisierung wirkt sich auf viele Aspekte des Sozialverhaltens und der Beziehungen aus. Insbesondere haben Studien herausgefunden (Karandashev et al., 2019), dass sich die Präferenzen der Menschen bei der Paarung in traditionellen und modernen Kulturen unterscheiden. „Die stabilen biologisch und evolutionär bedingten Merkmale der körperlichen Erscheinung, wie Geruch, Haut, Körper usw., sind wichtig für die sensorischen Präferenzen bei der romantischen Anziehung in weniger modernisierten Gesellschaften, die durch größere Machtdistanz, geringeren Individualismus, Nachsicht und emanzipative Werte gekennzeichnet sind. Andererseits sind die Merkmale des Aussehens des romantischen Partners, die flexibler und leichter zu ändern sind, wie z. B. expressives Verhalten, Kleidung, Tanz usw., in modernisierten Gesellschaften mit geringerer Machtdistanz und hohen Werten von Individualismus, Nachsicht und Emanzipation wichtiger.“
Die Studie über den Zusammenhang zwischen Emotionen und Lebenszufriedenheit in 46 Ländern (Kuppens et al., 2008) ergab, dass trotz der allgemeinen Tendenz, dass positive Emotionen stärker mit der Lebenszufriedenheit verbunden sind als negative Emotionen, dieser positive Effekt positiver Emotionen auf die Lebenszufriedenheit in den moderneren Ländern, die den Selbstausdruck schätzen (z. B. die Vereinigten Staaten, Kanada, Australien und die Niederlande), größer war als in Ländern, die das Überleben schätzen (z. B. Simbabwe, China, Ungarn und Russland). Ausgehend von der Unterscheidung zwischen Überlebenswerten (die in traditionellen Gesellschaften vorherrschen) und selbstdarstellerischen Werten (die in modernisierten Gesellschaften vorherrschen) können zwei kulturelle Modelle von Emotionen vorgeschlagen werden: das evolutionär begründete und das selbstdarstellerische Modell. Mehrere der oben zitierten Studien geben Aufschluss über mögliche Profile ihrer emotionalen Muster, doch ist noch viel mehr Forschung nötig, um diese zu vertiefen.
2.8.2 Der moderne kulturelle Wandel hin zur Modernisierung von Gesellschaften Multikulturelle Transformation von Gesellschaften Die moderne Welt ist in hohem Maße multikulturell und integriert – in vielen Fällen „verwestlicht“. Mobilität und Migration finden viel häufiger statt als je zuvor. Verschiedene Kulturen nehmen ähnliche Werte auf und erwerben sie im Zuge der Modernisierung (Hatfield & Rapson, 1996; Leung & Iwawaki, 1988). Die frühere Unterteilung in westliche und östliche Kulturen scheint überholt zu sein. Moderne Gesellschaften verschmelzen verschiedene kulturelle Merkmale. So weist Finnland beispielsweise einige Merkmale sowohl der westlichen als auch der
82
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
östlichen Kultur auf. Es teilt die Werte nordeuropäischer Gesellschaften mit niedrigem Kontext – Demokratie, Gleichberechtigung der Frauen, Menschenrechte und Ökologie –, doch sein Kommunikationsstil ist eher dem östlicher Kulturen mit hohem Kontext ähnlich – introvertiert, bescheiden, ruhig, schweigsam, ungern unterbrechend, Vorrang der Diplomatie vor der Wahrheit, wenig Körper und Gesichtsausdruck (Nishimura et al., 2008). Modernisierung Verschiebung Das moderne Finnland zeigt ein Janusgesicht – ein vorwärts und ein rückwärts gerichtetes, wie die römische Gottheit Janus. Es ähnelt in vielerlei Hinsicht einer Hochkontextkultur, hat sich jedoch in letzter Zeit verändert und die Merkmale moderner Gesellschaften mit niedrigerem Kontext angenommen. Man spricht sich häufiger mit Vornamen an, unterbricht den Partner, stellt mehr Fragen und führt überzeugendere Smalltalks. Dies gilt zumindest für den Kommunikationsstil der jüngeren Generation (Nishimura et al., 2008). Ist der schweigende Finne also Realität oder ein Mythos? Wie Salo-Lee (2007), finnischer Professor für Kommunikation, meint, handelt es sich eher um einen Mythos. Er ist bei Finnen und Ausländern gut bekannt, doch der Mythos verblasst allmählich, auch als Stereotyp. Die moderne indische Kultur hat sich stärker verwestlicht. Sie entwickelt sich aufgrund von Reisen, Handel, Fernsehen und Technologie rasch zu einer modernen kontextarmen Kultur (Lewis, 1996, 2003; Sen, 2005). Heute sind sie eher dialogorientiert und bevorzugen die direkte Kommunikation. Die Unterschiede zwischen dem US-amerikanischen und dem indischen Kommunikationsstil bleiben jedoch bestehen. Eine kürzlich durchgeführte kulturübergreifende Studie (Kapoor et al., 2003) hat gezeigt, dass indische Studenten mehr indirekte Kommunikation und eine positivere Wahrnehmung von Gesprächsstille verwenden als US-Amerikaner. Die Ergebnisse zeigen, dass sich der indische Kommunikationsstil der Low-Context- Kultur annähert (Kapoor et al., 2003).
2.9 Relationale Mobilität als kulturelle Rahmenbedingung 2.9.1 Das Konzept der relationalen Mobilität Konzept der relationalen Mobilität Mit dem Konzept der Beziehungsmobilität wurde ein sozio-ökologischer Faktor vorgeschlagen, der erklären kann, wie viel Freiheit und Gelegenheit eine Gesellschaft dem Einzelnen bietet, zwischenmenschliche Beziehungen auf der Grundlage seiner persönlichen Präferenzen zu wählen und zu wechseln (Yuki & Schug, 2012). Die relationale Mobilität ist „das Ausmaß der Möglichkeiten, die Menschen in einer bestimmten Gesellschaft oder einem bestimmten sozialen Kontext haben, um
2.9 Relationale Mobilität als kulturelle Rahmenbedingung
83
neue Beziehungspartner auszuwählen“ (Yuki et al., 2007, S. 3). In einigen Gesellschaften und Gemeinschaften ist der Einzelne in sein soziales Netzwerk eingebettet und hat daher nur wenige Möglichkeiten, neue Interaktionspartner außerhalb seiner aktuellen Beziehungen auszuwählen. In anderen Gesellschaften und Gemeinschaften hingegen haben Individuen viele Möglichkeiten, neue Partner auszuwählen und Beziehungen einzugehen. Die Beziehungsmobilität variiert in menschlichen Gesellschaften, Ländern, Regionen und verschiedenen historischen Epochen (Karandashev, 2017). Relationale Mobilität und persönliche Wahlmöglichkeiten Der Grad der Mobilität zwischen Gruppen und Personen erklärt, wie sich Gruppenzugehörigkeiten und persönliche Beziehungen durch persönliche Entscheidungen oder durch die Möglichkeiten der Umwelt entwickeln (Adams, 2005; Chen et al., 2009; Oishi et al., 2007; Schug et al., 2009; Yamagishi & Yamagishi, 1994; Yuki et al., 2007). Menschen, die in Gesellschaften mit hoher Beziehungsmobilität leben, haben viele Möglichkeiten, neue Bekanntschaften zu schließen, neue Beziehungen aufzubauen und Beziehungen, die für sie nicht mehr interessant oder nützlich sind, zu beenden. Sie sind aufgrund ihrer persönlichen Entscheidung in Beziehungen, nicht aufgrund äußerer gesellschaftlicher, gemeinschaftlicher oder familiärer Zwänge. Beziehungsmobilität ist eine Möglichkeit, die eine Gesellschaft oder Gemeinschaft dem Einzelnen bietet, eine neue Beziehung einzugehen, wenn er auf einen neuen Partner trifft.
2.9.2 Beziehungsmobilität und Emotionen in zwischenmenschlichen Beziehungen Relationale Mobilität über Kulturen hinweg Ausgehend von einem sozio-ökologischen Kulturansatz hängen die Verhaltenstendenzen, die ein Individuum an den Tag legt, um die gewünschten Ergebnisse zu erzielen, von dem sozialen und ökologischen Umfeld ab, in dem es sich befindet. Diese Anpassungsstrategien führen zur Herausbildung kulturübergreifender Unterschiede (Yuki & Schug, 2012). Die Beziehungsmobilität als gesellschaftliche Dimension ist in modernen Kulturen wie den Vereinigten Staaten, Kanada, den westlichen und nordeuropäischen Ländern höher. Sie betrachten ihre Beziehungen als freiwillig (Wiseman, 1986), gehören in der Regel Gruppen an, deren Grenzen sich überschneiden und durchlässig sind (Triandis, 1995), und haben mehr potenzielle Partner für ihre Freundschaften, romantischen Beziehungen und Bekanntschaften. US-Amerikaner verfügen über breite Netzwerke schwacher Bindungen (Granovetter, 1973). Eine umfassende
84
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Studie über die Beziehungsmobilität in 39 Gesellschaften ergab, dass Menschen in Gesellschaften mit hoher Beziehungsmobilität mehr „proaktive zwischenmenschliche Verhaltensweisen (z. B. Selbstauskunft und soziale Unterstützung) und psychologische Tendenzen, die ihnen helfen, Beziehungen aufzubauen und zu erhalten (z. B. allgemeines Vertrauen, Intimität und Selbstwertgefühl)“ (S. 7521) erleben und zum Ausdruck bringen. Menschen, die in traditionellen Gesellschaften mit geringer Beziehungsmobilität leben, haben wenig Möglichkeiten, neue Bekanntschaften zu schließen. Ihre Beziehungen werden durch die Umwelt und die Gruppe geschaffen und aufrechterhalten, und nicht durch ihre persönliche Wahl. In diesen sozialen Kontexten sind Beziehungen im Allgemeinen stabiler und widerstandsfähiger gegen Veränderungen (Wiseman, 1986; Yamagishi et al., 1998). Die Partner sind durch Verpflichtungen und soziale Institutionen aneinandergebunden. Im Allgemeinen war die relationale Mobilität in Gesellschaften mit voneinander abhängigen Subsistenzformen, wie der Landwirtschaft, und in Gesellschaften mit stärkeren ökologischen Bedrohungen geringer. Heutzutage ist die relationale Mobilität in vielen traditionellen Gesellschaften der Welt gering, z. B. in Westafrika und Ostasien. Die Menschen sind an bestehende Beziehungen in einer Gemeinschaft gebunden, die sie als obligatorisch empfinden; sie haben weniger neue Bekanntschaften und potenzielle Partner für Freundschafts- und Paarungsbeziehungen. Auswirkungen der relationalen Mobilität auf das Gefühlsleben Die relationale Mobilität einer Gesellschaft oder Gemeinschaft, in der Menschen leben, ist mit ihrem Denken, ihren Gefühlen und ihrem Verhalten verbunden. Diese kulturelle Dimension beeinflusst Aufmerksamkeit, Zuschreibung, leidenschaftliche Liebe und Engagement (San Martin et al., 2019; Yuki & Schug, 2020). Kulturübergreifende Studien haben gezeigt, dass die Beziehungsmobilität verschiedene Aspekte der Emotionen beeinflusst, die Menschen in Beziehungen erleben, insbesondere im Vergleich zwischen nordamerikanischen und ostasiatischen Ländern (Yamada et al., 2017). Die Studien haben diese Variablen in den Vereinigten Staaten, Japan (Tsuji, 2002), China (Ho, 1998) und Ghana (Adams, 2005) untersucht. Insbesondere die zwischenmenschlichen Beziehungen sind in östlichen Gesellschaften in der Regel stabiler und dauerhafter. So ziehen Japaner beispielsweise seltener um als US- Amerikaner (Long, 1991). So kann beispielsweise die relationale Mobilität – die üblicherweise mit modernen Kulturen assoziiert wird – Auswirkungen auf das Erleben und den Ausdruck zwischenmenschlicher Emotionen haben. So können Menschen in Gesellschaften, in denen die freie Wahl und der Austausch von Partnern kulturell akzeptiert ist, mehr Leidenschaft empfinden – eine hohe Beziehungsmobilität. Andererseits können Menschen in Gesellschaften, in denen stabile Beziehungen als kulturell normativ angesehen werden, weniger leidenschaftlich sein – eine geringe relationale
2.10 Kulturelle Werte
85
Mobilität. Forscher fanden heraus (Yamada et al., 2017), dass in den Vereinigten Staaten – einer Gesellschaft mit hoher relationaler Mobilität – Individuen leidenschaftlicher sind, während in Japan – einer Gesellschaft mit niedriger relationaler Mobilität – Individuen weniger leidenschaftlich gegenüber ihren romantischen Partnern sind. Zusätzlich zu den nationalen Unterschieden fanden die Autoren (Yamada et al., 2017) heraus, dass die wahrgenommene Beziehungsmobilität in der lokalen Ökologie auch die Intensität der Leidenschaft der Teilnehmer beeinflusst.
2.10 Kulturelle Werte 2.10.1 Neuere Theorien über kulturelle Werte Wertvorstellungen Kulturelle Werte sind die weit gefassten und situationsübergreifenden Ziele und Wunschvorstellungen, die eine Gesellschaft den Menschen im Leben nahelegt. Es sind die allgemeinen und abstrakten Vorstellungen von dem, was gut und richtig, was wünschenswert und angemessen ist. Menschen, die einer Kultur angehören, teilen implizit oder explizit ihre kulturellen Wertvorstellungen. Im Laufe der Jahrzehnte haben sich viele soziale Disziplinen wie die Kulturanthropologie und die Sozial- und Kulturpsychologie eingehend mit Werten befasst. Die allgemeine interdisziplinäre Konzeption von Werten, die die Ansichten vieler Wissenschaftler widerspiegelt, wurde von Schwartz (1992, 1994) in sechs Hauptmerkmalen beschrieben: 1. Werte sind Überzeugungen, die untrennbar mit Affekten verbunden sind. 2. Werte beziehen sich auf wünschenswerte Ziele, die zum Handeln motivieren. 3. Werte gehen über spezifische Handlungen und Situationen hinaus. 4. Werte dienen als Normen oder Kriterien. 5. Die Werte sind nach ihrer Bedeutung zueinander geordnet. 6. Die relative Bedeutung der verschiedenen Werte ist handlungsleitend. Unterschiedliche Werte drücken verschiedene Arten von Zielen und entsprechender Motivation aus. Persönliche Werte spiegeln persönliche Ziele wider, während kulturelle Werte die Ziele der Kultur zum Ausdruck bringen. Trompenaars Theorie der kulturellen Werte Diese Theorie und Methode wurden in erster Linie für die Untersuchung kultureller Werte in Organisations-, Unternehmens- und Führungskulturen auf der ganzen Welt entwickelt. Bei der Untersuchung von Werten in einer umfangreichen Stichprobe von Tausenden von Befragten (Mitarbeiter von Organisationen) in 46 Ländern (Smith et al., 1996; Trompenaars & Hampden-Turner, 1998) wurden zwei Werte-
86
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
dimensionen auf Länderebene ermittelt: (1) egalitäres Engagement versus Konservatismus und (2) utilitaristisches Engagement versus loyales Engagement. Die erste kulturelle Dimension ist das egalitäre Engagement gegenüber dem Konservatismus. In den Kulturen, die egalitäres Engagement fördern, neigen die Menschen dazu, allgemeine und abstrakte Prinzipien des Richtigen und Gerechten zu befürworten. Sie sind der Meinung, dass bei der Organisation eher unpersönliche Kriterien (z. B. Qualifikationen) als eine persönliche Beziehung berücksichtigt werden sollten. In den Kulturen, die den Konservatismus fördern, bevorzugen die Menschen in der Regel ihren unmittelbaren persönlichen Beziehungskreis und nicht Außenstehende. Zu diesem Wertetyp gehören Werte wie der Vorrang von persönlichen oder familiären Beziehungen in Geschäftsbeziehungen und die Loyalität gegenüber dem Chef. Die zweite kulturelle Dimension ist das utilitaristische Engagement im Gegensatz zum loyalen Engagement. Unter utilitaristischem Engagement versteht man das Engagement in einer Organisation, das darauf beruht, wie sie die individuellen Ziele einer Person erfüllt. Loyales Engagement bedeutet das Engagement in einer Organisation auf der Grundlage einer dauerhaften Identifikation mit der Organisation, wenn deren Ziele als persönliche Ziele wahrgenommen werden. Schwartz’ Theorie der kulturellen Werte Schwartz (1992, 1994, 1999, 2003, 2006) hat zwei wichtige Konzeptionen menschlicher Werte entwickelt und ausführlich untersucht: (1) Die Theorie der grundlegenden persönlichen Werte, die zehn allgemeine persönliche Werte umfasst (z. B. Hedonismus, Sicherheit, Selbstbestimmung, Leistung, Konformität und Wohlwollen). (2) Die Theorie der kulturellen Werte, die sieben kulturelle Werte umfasst (z. B. Einbettung, Autonomie, Egalitarismus, Beherrschung und Harmonie). Die erste Theorie beschreibt grundlegende Werte auf individueller Ebene. Dies sind Persönlichkeitsmerkmale. Die zweite Theorie beschreibt Werte auf kultureller Ebene. Dabei handelt es sich um normative Wertorientierungen, die Kulturen charakterisieren (Schwartz, 2011). In diesem Kapitel konzentrieren wir uns auf die kulturellen Werte, die die Gesellschaft und nicht den Einzelnen prägen. Dies sind die kulturellen Rahmenbedingungen einer Gesellschaft. Auf der Grundlage einer umfassenden Erhebung der Wertvorstellungen von Tausenden von Befragten (Schülern und Lehrern) aus 63 Ländern hat Schwartz (1992, 1994, 1999) sieben länderspezifische Wertorientierungen ermittelt. • Die Einbettung betont die Aufrechterhaltung des Status quo, den Anstand und die Zurückhaltung von Handlungen oder Neigungen, die die solidarische Gruppe oder die traditionelle Ordnung, in die Menschen eingebettet sind, stören könnten. • Die intellektuelle Autonomie betont, dass es wünschenswert ist, dass der Einzelne seine eigenen Ideen und intellektuellen Richtungen unabhängig verfolgt.
2.10 Kulturelle Werte
87
• Die affektive Autonomie betont, dass es wünschenswert ist, dass der Einzelne affektiv positive Erfahrungen macht. • Die Hierarchie betont die Legitimität einer ungleichen Verteilung von Macht, Rollen und Ressourcen. • Der Egalitarismus betont die Überwindung egoistischer Interessen zugunsten eines freiwilligen Engagements für das Wohlergehen der anderen. • Bei der Beherrschung steht das Vorankommen durch aktive Selbstbehauptung im Vordergrund. • Harmonie betont die harmonische Anpassung an die Umgebung (zitiert in Smith et al., 2002, S. 193). Weitere Analysen (Schwartz, 1999, 2003, 2006, 2014) ergaben sieben Wertetypen auf Länderebene, die sich in drei Dimensionen gliederten – Eingebundenheit versus Autonomie, Hierarchie versus Egalitarismus und Beherrschung versus Harmonie – und eine quasi zirkuläre Struktur bildeten. Forscher haben diese Wertedimensionen auf Kulturebene und ihre Struktur in kulturellen Stichproben aus 60 Nationen repliziert (z. B. Schwartz & Bardi, 2001; Schwartz & Boehnke, 2004). Die Dimension Einbettung versus Autonomie beschreibt, wie die Gesellschaft die Grenzen zwischen einem Individuum und einer größeren Gruppe regelt. In Kulturen mit hohem Autonomiegrad betrachtet die Gesellschaft den Einzelnen als unabhängig (autonom) von seiner Gruppe. Von autonomen Personen wird erwartet, dass sie ihre eigene Einzigartigkeit schätzen, ihren eigenen Ideen, Vorlieben und Fähigkeiten folgen und ihre eigenen internen Vorlieben, Motive und Gefühle zum Ausdruck bringen. In der Theorie und Forschung (Schwartz, 1994, 1999, 2006) werden zwei Arten von Autonomie unterschieden: intellektuelle und affektive Autonomie. Eine Gesellschaft mit einem hohen kulturellen Wert der intellektuellen Autonomie motiviert die Menschen dazu, persönliche Interessen und eigene Ideen zu verfolgen. Dieser Wert regt zu unabhängigen intellektuellen Bestrebungen und Wachstum an. Die affektive Autonomie spiegelt den Wert des Vergnügens und des aufregenden Lebens wider und ermutigt die Menschen, ihre eigenen positiven affektiven Erfahrungen zu machen. In Kulturen mit hohem Einbettungsgrad sind die Menschen eng in ihre Gruppe eingebettet. Der wichtigste Wert und Sinn des individuellen Lebens sind mit der Identifikation einer Person mit einer Gruppe, sozialen Beziehungen, einer gemeinsamen Lebensweise und der Verfolgung gemeinsamer Ziele der Gruppe verbunden. Diese kollektive Ausrichtung der Einbettung in die Gesellschaft impliziert die Achtung der sozialen Ordnung und Tradition sowie die Aufrechterhaltung angemessener Beziehungen zu den Menschen in der unmittelbaren sozialen Umgebung einer Person. Dieser Wert legt nahe, dass der Einzelne seine Dispositionen und Handlungen, die die Solidarität der Gruppe stören könnten, zurückhält. Die kulturelle Dimension von Hierarchie und Egalitarismus bestimmt, wie die Gesellschaft die soziale Ordnung aufrechterhält und wie die Menschen sich mit anderen koordinieren, ihr Wohlergehen berücksichtigen und ihre gegenseitigen Abhängigkeiten verwalten.
88
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
In Kulturen mit hoher Hierarchie wird die Gesellschaft als ein hierarchisches System sozialer Beziehungen mit zugeschriebenen Rollen betrachtet. Das System der sozialen Macht dient dazu, das verantwortungsvolle Verhalten seiner Mitglieder zu gewährleisten. Es wird erwartet, dass der Einzelne diese hierarchische Rollenverteilung wahrnimmt und den mit seiner Rolle verbundenen Verpflichtungen nachkommt. Sie sollten Statusunterschiede in der Macht und die ungleiche Verteilung von Ressourcen als legitim akzeptieren. Die Werte Autorität, soziale Macht, Reichtum und Demut sind in hierarchischen Gesellschaften sehr wichtig. In Kulturen mit einem hohen Grad an Egalitarismus erwartet die Gesellschaft, dass sich die Menschen gegenseitig als gleichwertig wahrnehmen und füreinander Verantwortung übernehmen. Von den Menschen wird erwartet, dass sie die Gleichheit in zwischenmenschlichen Beziehungen respektieren. Der Wert des Egalitarismus impliziert die freiwillige Verpflichtung zur Zusammenarbeit mit anderen und den Wunsch, das Wohlergehen der anderen Mitglieder der Gesellschaft zu fördern. Soziale Gerechtigkeit, Ehrlichkeit und Verantwortung haben einen hohen Stellenwert. Die Dimension der Harmonie gegenüber der Beherrschung beschreibt die gesellschaftlichen Werte, wie der Einzelne die Beziehungen zu anderen Menschen und zur Umwelt regelt. In Kulturen mit einem hohen Maß an Harmonie wird von den Menschen erwartet, dass sie sich in ihre Umgebung oder ihre sozialen Beziehungen einfügen. Im ökologischen Sinne unterstreicht der Wert der Harmonie die Bedeutung der Einheit mit der Umwelt, der Anpassung an die Natur und der Selbsttranszendenz. In den Beziehungen zu anderen betont dieser Wert die soziale und zwischenmenschliche Anpassung. Die Menschen sind motiviert, die Dinge zu verstehen und zu schätzen, wie sie sind, anstatt sie zu lenken und zu verändern. In Kulturen mit hohem Beherrschungsgrad betont die Gesellschaft die Notwendigkeit der Kontrolle von Situationen gegenüber der Anpassung an das soziale Umfeld. Sie ermutigt den Einzelnen, die Umwelt zu beherrschen und zu verändern. Der Wert der Beherrschung unterstreicht die Bedeutung des Vorankommens. Der Einzelne ist motiviert, persönliche Ziele aktiv zu verfolgen, auch wenn dies auf Kosten anderer geht. Die persönlichen Merkmale einer hohen Priorität sind Selbstbehauptung, Kompetenz, Wagemut, Ehrgeiz und Erfolg.
2.10.2 Der Einfluss kultureller Werte auf Emotionen Da es sich bei Werten um Überzeugungen handelt, die eng mit Gefühlen verknüpft sind, kann man davon ausgehen, dass persönliche und kulturelle Werte das emotionale Erleben und den Ausdruck der Menschen in einer Kultur stark beeinflussen. Schwartz (2012) kommentierte: „Wenn Werte aktiviert werden, werden sie von Gefühlen durchdrungen. Menschen, für die Unabhängigkeit ein wichtiger Wert ist, werden erregt, wenn ihre Unabhängigkeit bedroht ist, verzweifeln, wenn sie hilflos sind, sie zu schützen, und sind glücklich, wenn sie sie genießen können“ (S. 3). Die
2.10 Kulturelle Werte
89
Wertorientierungen, die die Menschen vertreten, sollten sich auf ihr emotionales Erleben und ihren Gefühlsausdruck auswirken, indem sie bestimmte Emotionen fördern oder hemmen. Kulturelle Werte als mit Emotionen verbundene Überzeugungen können die Kernbestandteile kultureller Modelle von Emotionen sein. Affektive Autonomie ist ein offensichtlicher Kandidat für diese Rolle, und diese länderspezifische Dimension sollte mit der Tendenz der Menschen zu größerer emotionaler Ausdrucksfähigkeit verbunden sein. Diese Erwartung wurde jedoch nicht bestätigt; die Variablen der Werte auf Kulturebene erklärten die Unterschiede in den Effektgrößen nicht (Van Hemert et al., 2007). Kulturelle Werte werden mit der Komplexität von Emotionen in verschiedenen Kulturen in Verbindung gebracht, wie die Korrelationen zwischen den kulturellen Werten von Schwartz und den Werten der Emotionsdifferenzierung zeigen (Matsumoto et al., 2009). Vor allem Menschen in Ländern mit höheren kulturellen Werten für Hierarchie und Einbettung zeigten eine höhere Emotionsdifferenzierung. Auf der anderen Seite zeigten Menschen in Ländern mit geringerer affektiver Autonomie und geringerem Egalitarismus eine höhere Emotionsdifferenzierung. Forscher fanden heraus (Wong et al., 2008), dass kulturelle Wertorientierungen mit den Mitteln des nonverbalen Ausdrucks von Emotionen auf kultureller Ebene in Verbindung stehen. Insbesondere in Gesellschaften mit einem hohen Stellenwert der Hierarchie neigen die Menschen dazu, den nonverbalen Ausdruck negativer Emotionen wie Angst, Schuld und Scham zu unterdrücken. In Gesellschaften mit einem hohen Wert an Autonomie und einem niedrigen Wert an Einbettung sind die Menschen eher bereit, Freude nonverbal auszudrücken als in Gesellschaften mit einem hohen Wert an Einbettung. In Gesellschaften mit einem hohen Wert der Beherrschung sprechen die Menschen weniger, wenn sie Wut erleben – geringer verbaler Ausdruck. In einer anderen Studie wurde jedoch festgestellt, dass kulturelle Werte mit der Tendenz zur Unterdrückung von Emotionen verbunden sind (Matsumoto et al., 2008). In Kulturen mit einem hohen Wert an Einbettung und Hierarchie und einem niedrigen Wert an affektiver Autonomie und Egalitarismus neigen Menschen häufiger dazu, ihre Gefühle zu unterdrücken. Eine solche Unterdrückung des Gefühlsausdrucks hilft ihnen, die soziale Ordnung aufrechtzuerhalten und sich an hierarchische Beziehungen anzupassen. Die Art und Weise, wie Menschen die Anpassung an das Leben in einem neuen Land bewältigen, spiegelt auch die emotionale Erfahrung wider. Eine Studie zeigte (Bardi & Guerra, 2011), dass kulturelle Wertedimensionen wie Einbettung versus Autonomie und Hierarchie versus Egalitarismus psychologische Bewältigungsstrategien beeinflussen. Die Stichprobe umfasste 292 internationale Universitätsstudenten in ihrem ersten Jahr in Großbritannien. Die Autoren stellten die begründete Hypothese auf, dass die Teilnehmer aus Ländern mit einem hohen Grad an Einbettung Bewältigungsstrategien verwenden würden, die Tradition und Gruppeninteressen betonen, während die Teilnehmer aus Ländern mit einem hohen Grad an Autonomie Bewältigungsstrategien verwenden würden, die sich auf Entscheidungen und Handlungen konzentrieren.
90
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Die Autoren erwarteten auch, dass Schüler aus Ländern mit hoher Hierarchie, die auf festen Hierarchien und Rollen beruhen, passive Strategien anwenden würden, während Schüler aus Ländern mit hoher Egalität, die auf der Förderung von Eigenverantwortung und verantwortungsvollem Verhalten beruhen, aktive Strategien anwenden würden. Insgesamt zeigten die Ergebnisse der Studie, dass Teilnehmer, die aus Ländern mit hoher Einbettung und Hierarchie stammten, häufiger emotionsfokussierte oder vermeidende Bewältigungsstrategien einsetzten. Das Forschungsdesign wies jedoch Störvariablen auf, die es nicht erlaubten, festzustellen, ob kulturelle Werte oder Anpassungsschwierigkeiten die Bewältigungsstrategien beeinflussten. Die Forscher interpretierten die Daten im Hinblick auf die größere kulturelle Distanz bei den kulturellen Werten in den Heimatländern im Vergleich zu Großbritannien als Gastland. Dies verursacht spätere Schwierigkeiten bei der Anpassung an das neue Land (Bardi & Guerra, 2011).
Literatur Aaker, J., Drolet, A., & Griffin, D. (2008). Recalling mixed emotions. Journal of Consumer Research, 35, 268–278. Adams, G. (2005). The cultural grounding of personal relationship: Enemyship in North American and West African worlds. Journal of Personality and Social Psychology, 88(6), 948–968. Adams, S. J., & van Eerde, W. (2010). Time use in Spain: Is polychronicity a cultural phenomenon? Journal of Managerial Psychology, 25(7), 764–776. Aiello, J. R. (1987). Human spatial behavior. In D. Stokols & I. Altman (Hrsg.), Handbook of environmental psychology (S. 389–504). Wiley. Almaney, A., & Alwan, A. (1982). Communicating with the Arabs. Waveland. Andersen, P. (1988). Explaining intercultural differences in nonverbal communication. In L. A. Samovar & R. E. Porter (Hrsg.), Intercultural communication: A reader (S. 272–281). Wadsworth. Andersen, P. A. (1985). Nonverbal immediacy in interpersonal communication. In A. W. Siegman & S. Feldstein (Hrsg.), Multichannel integrations of nonverbal behavior (S. 1–36). Lawrence Erlbaum. Andersen, P. A. (1999). Nonverbal communication: Forms and functions. Mayfield. Andersen, P. A. (2000). Explaining intercultural differences in nonverbal communication. In L. A. Samovar & R. E. Porter (Hrsg.), Intercultural communication: A reader (9. Aufl., S. 258–279). Wadsworth. Andersen, P. A., & Andersen, J. F. (1984). The exchange of nonverbal communication. In L. A. Samovar & R. E. Porter (Hrsg.), Intercultural communication: A reader. Wadsworth. Andersen, P. A., & Bowman, L. (1999). Positions of power: Nonverbal influence in organizational communication. In L. K. Guerrero, J. A. DeVito, & M. L. Hecht (Hrsg.), The nonverbal communication reader: Classic and contemporary readings (S. 317–334). Waveland. Andersen, P. A., Lustig, M. W., & Andersen, J. F. (1987). Regional patterns of communication in the United States: A theoretical perspective. Communication Monographs, 54, 128–144. Andersen, P. A., Lustig, M. W., & Andersen, J. E. (1990). Changes in latitude, changes in attitude: The relationship between climate and interpersonal communication predispositions. Communication Quarterly, 38, 291–311. Andersen, P. A., Hecht, M. L., Hoobler, G. D., & Smallwood, M. (2003). Nonverbal communication across cultures. In W. B. Gudykunst (Hrsg.), Cross-cultural and intercultural communication (S. 73–90). Sage.
Literatur
91
Arrindell, W. A., Hatzichristou, C., Wensink, J., Rosenberg, E., van Twillert, B., Stedema, J., & Meijer, D. (1997). Dimensions of national culture as predictors of cross-national differences in subjective well-being. Personality and Individual Differences, 23, 37–53. Ashkanasy, N., Gupta, V., Mayfield, M., & Trevor-Roberts, E. (2004). Future orientation. In R. House, P. Changes, M. Javidan, P. Dorfman, & W. Gupta (Hrsg.), Culture, leadership, and organizations: The GLOBE study of 62 societies (S. 282–342). Sage. Bardi, A., & Guerra, V. M. (2011). Cultural values predict coping using culture as an individual difference variable in multicultural samples. Journal of Cross-Cultural Psychology, 42(6), 908–927. Barnlund, D. C. (1975). Communicative styles in two cultures: Japan and the United States. In A. Kendon, R. M. Harris, & M. R. Key (Hrsg.), Organization of behavior in face-to-face interaction (S. 427–456). Mouton. Basabe, N., & Ros, M. (2005). Cultural dimensions and social behavior correlates: Individualism- collectivism and power distance. International Review of Social Psychology, 18(1), 189–225. Basabe, N., Paez, D., Valencia, J., Rimé, B., Pennebaker, J., Diener, E., & González, J. L. (2000). Sociocultural factors predicting subjective experience of emotion: A collective level analysis. Psicothema, 12(Suppl 1), 55–69. Basabe, N., Paez, D., Valencia, J., Gonzalez, J. L., Rimé, B., & Diener, E. (2002). Cultural dimensions, socioeconomic development, climate, and hedonic level. Cognition & Emotion, 16, 103–125. Bernstein, B. (1971). Class, codes and control: Vol. 1. Theoretical studies toward a sociology of language. Routledge & Kegan Paul. Bluedorn, A. C., Kaufman, C. F., & Lane, P. M. (1992). How many things do you like to do at once? An introduction to monochronic and polychronic time. Academy of Management Perspectives, 6(4), 17–26. Bluedorn, A. C., Kalliath, T. J., Strube, M. J., & Martin, G. D. (1999). Polychronicity and the Inventory of Polychronic Values (IPV): The development of an instrument to measure a fundamental dimension of organizational culture. Journal of Managerial Psychology, 14(3/4), 205–231. Boiger, M., De Deyne, S., & Mesquita, B. (2013a). Emotions in “the world”: Cultural practices, products, and meanings of anger and shame in two individualist cultures. Frontiers in Psychology, 4, Article 867. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2013.00867 Boiger, M., Mesquita, B., Uchida, Y., & Barrett, L. F. (2013b). Condoned or condemned: The situational affordance of anger and shame in the US and Japan. Personality and Social Psychology Bulletin, 39(4), 540–553. Bond, M. H. (1993). Emotions and their expression in Chinese culture. Journal of Nonverbal Behavior, 17(4), 245–262. Boroditsky, L., & Gaby, A. (2010). Remembrances of times east: Absolute spatial representations of time in an Australian aboriginal community. Psychological Science, 21(11), 1635–1639. Bray, D. H. (1970). Extent of future time orientation: A cross-ethnic study among New Zealand adolescents. British Journal of Educational Psychology, 40, 200–208. Brewer, M. B., & Chen, Y.-R. (2007). Where (who) are collectives in collectivism? Toward conceptual clarification of individualism and collectivism. Psychological Review, 114, 133–151. Brislin, R. W., & Kim, E. S. (2003). Cultural diversity in people’s understanding and use of time. Applied Psychology: An International Review, 52, 363–382. https://doi.org/10.1111/14640597.00140 Brown, C. M., & Segal, R. (1996). Ethnic differences in temporal orientation and its implications for hypertension management. Journal of Health and Social Behavior, 37, 350–361. Brown, R., & Gilman, A. (1960). The pronouns of power and solidarity. In T. A. Sebeok (Hrsg.), Style in language (S. 252–276). MIT Press. Buck, R. (1984). The communication of emotion. Guilford Press. Cambra, R. E., & Klopf, D. W. (1979). A cross-cultural analysis of interpersonal needs. Paper presented at the speech association intercultural communication conference, Honolulu.
92
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Chan, D. K. (1994). COLINDEX: A refinement of three collectivism measures. In U. Kim, H. C. Triandis, C. Kagitcibasi, S. Choi, & G. Yoon (Hrsg.), Individualism and collectivism: Theory, method, and applications (S. 200–210). Sage. Chen, J., Chiu, C.-y., & Chan, S.-F. (2009). The cultural effects of job mobility and the belief in a fixed world. Journal of Personality and Social Psychology, 97, 851–865. Chentsova-Dutton, Y. E., & Tsai, J. L. (2010). Self-focused attention and emotional reactivity: The role of culture. Journal of Personality and Social Psychology, 98, 507–519. Choe, Y. (2001). Intercultural conflict patterns and intercultural training implications for Koreans. Paper presented at the 16th Biennial World Communication Association conference, Cantabria. Cline, R. J., & Puhl, C. A. (1984). Gender, culture, and geography: A comparison of seating arrangements in the United States and Taiwan. International Journal of Intercultural Relations, 8, 199–219. Condon, J. C., & Yousef, F. (1983). An introduction to intercultural communication. Bobbs-Merrill. Diener, E., Diener, M., & Diener, C. (1995). Factors predicting the subjective Well-being of nations. Journal of Personality and Social Psychology, 69, 851–864. Dittmar, H., Bond, R., Hurst, M., & Kasser, T. (2014). The relationship between materialism and personal well-being: A meta-analysis. Journal of Personality and Social Psychology, 107, 879–924. Donohue, W. (1990). The new freedom: Individualism and collectivism in the social lives of Americans. Transaction Publishers. Eid, M., & Diener, E. (2001). Norms for experiencing emotions in different cultures: Inter- and intra-national differences. Journal of Personality and Social Psychology, 81(5), 869–885. Elliot, S., Scott, M. D., Jensen, A. D., & McDonough, M. (1981). Perceptions of reticence: A cross-cultural investigation. Annals of the International Communication Association, 5(1), 591–602. Feldman, S., Mont-Reynaud, R., & Rosenthal, D. (1992). When East meets West: The acculturation of values of Chinese adolescents in the U.S. and Australia. Journal of Research on Adolescence, 2, 147–173. Fernandez, I., Carrera, P., Sanchez, F., Paez, D., & Candia, L. (2000). Differences between cultures in emotional verbal and non-verbal reactions. Psicothema, 12(Suppl 1), 83–92. Fiske, A. P. (2002). Using individualism and collectivism to compare cultures – A critique of the validity and measurement of the constructs: Comment on Oyserman et al. (2002). Psychological Bulletin, 128, 78–88. Fitzpatrick, J., Liang, S., Feng, D., Crawford, D., Tsorell, G., & Morgan-Fleming, B. (2006). Social values and self-disclosure: A comparison of Chinese native, Chinese resident (in U.S.) and North American spouses. Journal of Comparative Family Studies, 37, 113–127. Fuhrman, O., & Boroditsky, L. (2010). Cross-cultural differences in mental representations of time: Evidence from an implicit nonlinguistic task. Cognitive Science: A Multidisciplinary Journal, 34(8), 1430–1451. Furnham, A., & Ribchester, T. (1995). Tolerance of ambiguity: A review of the concept, its measurement and applications. Current Psychology, 14(3), 179–199. Furukawa, E., Tangney, J., & Higashibara, F. (2012). Cross-cultural continuities and discontinuities in shame, guilt, and pride: A study of children residing in Japan, Korea and the USA. Self and Identity, 11, 90–113. Gelfand, M., Spurlock, D., Sniezek, J., & Shao, L. (2000). Culture and social prediction: The role of information in enhancing confidence in social predictions in the United States and China. Journal of Cross-Cultural Psychology, 31, 498–516. Gerin-Lajoie, M., Richards, C. L., & McFadyen, B. J. (2006). The circumvention of obstacles during walking in different environmental contexts: A comparison between older and younger adults. Gait & Posture, 24, 364–369. Goldrich, J. M. (1967). A study in time orientation: The relation between memory for past experience and orientation to the future. Journal of Personality and Social Psychology, 6(2), 216–221. https://doi.org/10.1037/h0024556
Literatur
93
Goldstein, B. Z., & Tamura, K. (1975). Japan and America: A comparative study in language and culture. Charles E. Turtle. Gonzalez, A., & Zimbardo, P. G. (1985). Time in perspective. Psychology Today, 19(3), 20–26. Graham, R. J. (1981). The role of perception of time in consumer research. Journal of Consumer Research, 7, 335–342. Granovetter, M. (1973). The strength of weak ties. American Journal of Sociology, 78, 1360–1380. Gudykunst, W. B. (1983). Uncertainty reduction and predictability of behavior in low-and high-context cultures: An exploratory study. Communication Quarterly, 31(1), 49–55. Gudykunst, W. B., & Kim, Y. Y. (1984). Communicating with strangers: An approach to intercultural communication. Addison-Wesley. Gudykunst, W. B., & Matsumoto, Y. (1996). Cross-cultural variability of communication in personal relationships. In W. B. Gudykunst, S. TingToomey, & T. Nishida (Hrsg.), Communication in personal relationships across cultures (S. 19–56). Sage. Hall, E. T. (1966). The hidden dimension (2. Aufl.). Anchor Books/Doubleday. Hall, E. T. (1976). Beyond culture. Doubleday/Anchor. Hall, E. T. (1983). The dance of life: The other dimension of time. Doubleday. Hall, E. T. (1984). The Dance of Life: The Other Dimension of Time. Doubleday. Hall, E. T. (2000). Context and meaning. In L. A. Samovar & R. E. Porter (Hrsg.), Intercultural communication: A reader (9. Aufl., S. 34–43). Wadsworth Publishing Co. Hall, E. T., & Hall, E. T. (1984). The dance of life: The other dimension of time. Anchor. Hall, E. T., & Hall, M. R. (1990). Understanding cultural differences. Intercultural Press. Halliday, M. (1973). Explorations in the functions of language. Elsevier. Halliday, M. (1978). Language as social semiotic: The social interpretation of language and meaning. University Park. Hamamura, T. (2012). Are cultures becoming individualistic? A cross-temporal comparison of individualism-collectivism in the United States and Japan. Personality and Social Psychology Review, 16(1), 3–24. Hasegawa, T., & Gudykunst, W. B. (1998). Silence in Japan and the United States. Journal of Cross-Cultural Psychology, 29, 668–684. Hatfield, E., & Rapson, R. L. (1996). Love and sex: Cross-cultural perspectives. Allyn and Bacon. Hijirida, K., & Sohn, H. M. (1986). Cross-cultural patterns of honorifics and sociolinguistic sensitivity to honorific variables: Evidence from English, Japanese, and Korean. Papers in Linguistics, 19, 365–401. Hill, O. W., Block, R. A., & Buggie, S. E. (2000). Culture and beliefs about time: Comparisons among Black Americans, Black Africans, and White Americans. The Journal of Psychology, 134, 443–461. Ho, D. Y. F. (1998). Interpersonal relationships and relationship dominance: An analysis based on methodological relationism. Asian Journal of Social Psychology, 1, 1–16. Hofstede, G. (1984). Culture’s consequences: International differences in work-related values. SAGE. Originally published in 1980. Hofstede, G. (1991). Cultures and organizations. Software of the mind. McGraw-Hill. Hofstede, G. (1998). Attitudes, values and organizational culture: Disentangling the concepts. Organization Studies, 19(3), 477–493. Hofstede, G. (2001). Culture’s consequences: Comparing values, behaviors, institutions, and organizations across nations (2. Aufl.). Sage. Hofstede, G. (2011). Dimensionalizing cultures: The Hofstede model in context. Online Readings in Psychology and Culture, 2(1), 2307–0919. Hofstede, G., & Bond, M. H. (1984). Hofstede’s culture dimensions: An independent validation using Rokeach’s value survey. Journal of Cross-Cultural Psychology, 15(4), 417–433. Hofstede, G., & Minkov, M. (2010). Long-versus short-term orientation: New perspectives. Asia Pacific Business Review, 16(4), 493–504. Hong, J., & Lee, A. Y. (2010). Feeling mixed but not torn: The moderating role of construal level in mixed emotions appeals. Journal of Consumer Research, 37, 456–472.
94
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Horenstein, V. D. P., & Downey, J. L. (2003). A cross-cultural investigation of self-disclosure. North American Journal of Psychology, 5, 373–386. House, R. J., Ranges, P. J., Ruiz-Quintanilla, S. A., Dorfman, P. W., Javidan, M., Dickson, M., et al. (1999). Cultural influences on leadership and organizations: Project GLOBE. In W. Mobley, J. Gessner, & V. Arnold (Hrsg.), Advances in global leadership (Bd. 1, S. 171–234). JAL. Hui, C. H., & Triandis, H. C. (1986). Individualism-collectivism: A study of cross-cultural researchers. Journal of Cross-Cultural Psychology, 17(2), 225–248. Hymes, D. H. (1971). Sociolinguistics and the ethnography of speaking. In E. Ardener (Hrsg.), Social anthropology and language (S. 47–93). Tavistock. IJzerman, H., & Semin, G. R. (2010). Temperature perceptions as a ground for social proximity. Journal of Experimental Social Psychology, 46, 867–873. Inglehart, R. (1997). Modernization and postmodernization: Cultural, economic, and political change in 43 societies. Princeton University Press. Inglehart, R., & Baker, W. E. (2000). Modernization, cultural change, and the persistence of traditional values. American Sociological Review, 65(1), 19–51. https://doi.org/10.2307/2657288 Inglehart, R., & Welzel, C. (2005). Modernization, cultural change, and democracy: The human development sequence. Cambridge University Press. Ishii, S. (1973). Characteristics of Japanese nonverbal communication behavior. Communication, 2, 163–180. Kapoor, S., Hughes, P., Baldwin, J. R., & Blue, J. (2003). The relationship of individualism- collectivism in India and the United States. International Journal of Intercultural Relations, 27, 683–700. Karandashev, V. (2017). Romantic love in cultural contexts. Springer. Karandashev, V., Zarubko, E., Artemeva, V., Evans, M., Morgan, K. A. D., Neto, F., et al. (2019). Cross-cultural comparison of sensory preferences in romantic attraction. Sexuality and Culture. Published online 3 Jul 2019. https://doi.org/10.1007/s12119-019-09628-0 Kashima, E. S., & Kashima, Y. (1998). Culture and language: The case of cultural dimensions and personal pronoun use. Journal of Cross-Cultural Psychology, 29(3), 461–486. Kashima, Y., Yamaguchi, S., Kim, U., Choi, S., Gelfand, M., & Yuki, M. (1995). Culture, gender, and self: A perspective from individualism-collectivism research. Journal of Personality and Social Psychology, 69, 925–937. Killen, M., & Wainryb, C. (2000). Independence and interdependence in diverse cultural contexts. New Directions for Child and Adolescent Development, 2000(87), 5–21. Kim, D., Pan, Y., & Park, H. S. (1998). High-versus low-context culture: A comparison of Chinese, Korean, and American cultures. Psychology & Marketing, 15(6), 507–521. Kim, J., Seo, M., Yu, H., & Neuendorf, K. (2014). Cultural differences in preference for entertainment messages that induce mixed responses of joy and sorrow. Human Communication Research, 40, 530–552. Kitayama, S., & Markus, H. R. (2000). The pursuit of happiness and the realization of sympathy: Cultural patterns of self, social relations, and well-being. In E. Diener & E. M. Suh (Hrsg.), Culture and subjective well-being (S. 113–161). MIT Press. Kitayama, S., Markus, H. R., Matsumoto, H., & Norasakkunkit, V. (1997). Individual and collective process in the construction of the self: Self-enhancement in the United States and self- criticism in Japan. Journal of Personality and Social Psychology, 72, 1245–1267. Kitayama, S., Markus, H. R., & Kurokawa, M. (2000). Culture, emotion, and well-being: Good feelings in Japan and the United States. Cognition and Emotion, 14, 93–124. Kitayama, S., Mesquita, B., & Karasawa, M. (2006). Cultural affordances and emotional experience: Socially engaging and disengaging emotions in Japan and the United States. Journal of Personality and Social Psychology, 91(5), 890–903. Kitayama, S., Park, H., Sevincer, A. T., Karasawa, M., & Uskul, A. K. (2009). A cultural task analysis of implicit independence: Comparing North America, Western Europe, and East Asia. Journal of Personality and Social Psychology, 97(2), 236–255. https://doi.org/10.1037/ a0015999
Literatur
95
Klopf, D. W., & Thompson, C. A. (1991). Nonverbal immediacy differences among Japanese, finish and American university students. Perceptual and Motor Skills, 73, 209–210. Kluckhohn, F. R., & Strodtbeck, F. L. (1961). Variations in value orientations. Row, Peterson. Koopmann-Holm, B., & Tsai, J. L. (2014). Focusing on the negative: Cultural differences in expressions of sympathy. Journal of Personality and Social Psychology, 107, 1092–1115. Kuppens, P., Realo, A., & Diener, E. (2008). The role of positive and negative emotions in life satisfaction judgment across nations. Journal of Personality and Social Psychology, 95, 66–75. La France, M., & Mayo, C. (1978). Cultural aspects of nonverbal communication. International Journal of Intercultural Relations, 2(1), 71–89. Lay, C., Fairlie, P., Jackson, S., Ricci, T., Eisenberg, J., Sato, T., et al. (1998). Domain-specific allocentrism-idiocentrism: A measure of family connectedness. Journal of Cross-Cultural Psychology, 29(3), 434–460. Lee, H. O., & Boster, F. J. (1992). Collectivism-individualism in perceptions of speech rate: A cross-cultural comparison. Journal of Cross-Cultural Psychology, 23(3), 377–388. Lee, S., Liu, M., & Hu, M. (2017). Relationship between future time orientation and item nonresponse on subjective probability questions: A cross-cultural analysis. Journal of Cross-Cultural Psychology, 48(5), 698–717. Leung, K., & Iwawaki, S. (1988). Cultural collectivism and distributive behavior. Journal of Cross-Cultural Psychology, 19, 35–49. Levine, R. N. (2008). A geography of time: On tempo, culture, and the pace of life. Basic Books. Levine, R. V., & Norenzayan, A. (1999). The pace of life in 31 countries. Journal of Cross-Cultural Psychology, 30, 178–205. Levine, R. V., Lynch, K., Miyake, K., & Lucia, M. (1989). The type A city: Coronary heart disease and the pace of life. Journal of Behavioral Medicine, 12, 509–524. Lewis, R. D. (1996). When cultures collide. Managing successfully across cultures. Nicholas Brealey Publishing. Lewis, R. D. (2003). The intercultural imperative: Global trends in the 21st century. Intercultural Press. Lim, T.-S. (2003). Language and verbal communication across cultures. In W. B. Gudykunst (Hrsg.), Handbook of international and intercultural communication (S. 53–71). Sage. Lindquist, J. D., & Kaufman-Scarborough, C. (2007). The polychronic-monochronic tendency model: PMTS scale development and validation. Time & Society, 16(2–3), 253–285. Little, K. B. (1968). Cultural variations in social schemata. Journal of Personality and Social Psychology, 10, 1–7. Long, L. (1991). Residential mobility differences among developed countries. International Regional Science Review, 1, 133–147. Lustig, M. W., & Koester, J. (1999). Intercultural competence: Interpersonal communication across culture (3. Aufl.). Longman. Lynn, R., & Martin, T. (1995). National differences for thirty-seven nations in extraversion, neuroticism, psychoticism and economic, demographic and other correlates. Personality and Individual Differences, 19, 403–406. Lytle, A. L., Brett, J. M., Barsness, Z. I., Tinsley, C. H., & Janssens, M. (1995). A paradigm for confirmatory cross-cultural research in organizational behavior. Research in Organizational Behavior, 17, 167–214. Marin, G., & Marin, B. V. (1991). Research with Hispanic populations. Sage. Markus, H. R., & Kitayama, S. (1991). Culture and the self: Implications for cognition, emotion, and motivation. Psychological Review, 98, 224–253. Marsella, A. J., De Vos, G. A., & Hsu, F. L. (Hrsg.). (1985). Culture and self: Asian and Western perspectives. Tavistock Publications. Matsumoto, D. (1991). Cultural influences on facial expressions of emotion. Southern Communication Journal, 56, 128–137. Matsumoto, D., & Kupperbusch, C. (2001). Idiocentric and allocentric differences in emotional expression, experience, and the coherence between expression and experience. Asian Journal of Social Psychology, 4(2), 113–131.
96
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Matsumoto, D., Kudoh, T., & Takeuchi, S. (1996). Changing patterns of individualism and collectivism in the United States and Japan. Culture & Psychology, 2(1), 77–107. Matsumoto, D., Takeuchi, S., Andayani, S., Kouznetsova, N., & Krupp, D. (1998). The contribution of individualism vs. collectivism to cross-national differences in display rules. Asian Journal of Social Psychology, 1(2), 147–165. Matsumoto, D., Yoo, S. H., & Nakagawa, S. (2008). Culture, emotion regulation, and adjustment. Journal of Personality and Social Psychology, 94(6), 925–937. Matsumoto, D., Yoo, S. H., & Fontaine, J. (2009). Hypocrisy or maturity? Culture and context differentiation. European Journal of Personality, 23(3), 251–264. McDaniel, E. R., & Andersen, P. A. (1998). Intercultural variations in tactile communication. Journal of Nonverbal Communication, 22, 59–75. McGrath, J. E., & Tschan, F. (2004). Temporal matters in social psychology: Examining the role of time in the lives of groups and individuals. American Psychological Association. https://doi. org/10.1037/10659-000 Mesquita, B., & Leu, J. (2007). The cultural psychology of emotion. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (S. 734–759). Guilford Press. Migliore, L. A. (2011). Relation between big five personality traits and Hofstede’s cultural dimensions: Samples from the USA and India. Cross Cultural Management: An International Journal, 18, 38–54. Minkov, M., & Hofstede, G. (2012). Hofstede’s fifth dimension: New evidence from the world values survey. Journal of Cross-Cultural Psychology, 43(1), 3–14. Moore, R. L. (2005). Generation Ku: Individualism and China’s millennial youth. Ethnology, 44(4), 357–376. Morling, B., Kitayama, S., & Miyamoto, Y. (2002). Cultural practices emphasize influence in the United States and adjustment in Japan. Personality and Social Psychology Bulletin, 28(3), 311–323. Morsbach, H. (1976). Aspects of nonverbal communication in Japan. In L. Samovar & R. Porter (Hrsg.), Intercultural communication: A reader (2. Aufl.). Wadsworth. Neto, F. (2007). Love styles: A cross-cultural study of British, Indian, and Portuguese college students. Journal of Comparative Family Studies, 38(2), 239–254. Nishimura, S., Nevgi, A., & Tella, S. (2008). Communication style and cultural features in high/ low context communication cultures: A case study of Finland, Japan and India. Teoksessa A. Kallioniemi (toim.), Uudistuva ja kehittyvä ainedidaktiikka. Ainedidaktinen symposiumi, 8(2008), 783–796. Nonis, S. A., Teng, J. K., & Ford, C. W. (2005). A cross-cultural investigation of time management practices and job outcomes. International Journal of Intercultural Relations, 29(4), 409–428. Noon, J. M., & Lewis, J. R. (1992). Therapeutic strategies and outcomes: Perspectives from different cultures. British Journal of Medical Psychology, 65(2), 107–117. Oishi, S., Lun, J., & Sherman, G. D. (2007). Residential mobility, self-concept, and positive affect in social interactions. Journal of Personality and Social Psychology, 93, 131–141. Oliver, R. (1971). Communication and culture in ancient India and China. Syracuse University Press. Oyserman, D., Coon, H. M., & Kemmelmeier, M. (2002). Rethinking individualism and collectivism: Evaluation of theoretical assumptions and meta-analyses. Psychological Bulletin, 128(1), 3–72. Ozdemir, A. (2008). Shopping malls: Measuring interpersonal distance under changing conditions and across cultures. Field Methods, 20, 226–248. Paez, D., & Vergara, A. (1995). Culture differences in emotional knowledge. In J. A. Russel, J. M. Fernández-Dols, A. S. R. Manstead, & J. C. Wellenkamp (Hrsg.), Everyday conceptions of emotion. Kluwer Academic Press. Palmer, G. B. (1996). Toward a theory of cultural linguistics. University of Texas Press. Patterson, M. L. (1983). Nonverbal behavior: A functional perspective. Springer.
Literatur
97
Patterson, M. L., & Edinger, J. A. (1987). A functional analysis of space in social interaction. In A. W. Siegman & S. Feldstein (Hrsg.), Nonverbal behavior and communication (S. 523–562). Lawrence Erlbaum Associates. Philipsen, G. (1992). Speaking culturally: Explorations in social communication. State University of New York Press. Pimental, E. (2000). Just how do I love thee? Marital relations in urban China. Journal of Marriage and the Family, 62, 32–47. Porter, R. E., & Samovar, L. A. (1998). Cultural differences in emotional expression: Implications for intercultural communication. In P. A. Andersen & L. K. Guerrero (Hrsg.), Handbook of communication and emotion: Research, theory, applications, and contexts (S. 452–472). Academic. Potter, S. H. (1988). The cultural construction of emotion in rural Chinese social life. Ethos, 16(2), 181–208. Putnam, R. (2000). Bowling alone: The collapse and revival of American community. Simon & Schuster. Rapp, M. A., & Gutzmann, H. (2000). Invasions of personal space in demented and nondemented elderly persons. International Psychogeriatrics, 12, 345–352. Regan, P. C., Jerry, D., Narvaez, M., & Johnson, D. (1999). Public displays of affection among Asian and Latino heterosexual couples. Psychological Reports, 84(Suppl 3), 1201–1202. Remland, M. S., Jones, T. S., & Brinkman, H. (1991). Proxemic and haptic behavior in three European countries. Journal of Nonverbal Behavior, 15, 215–232. Remland, M. S., Jones, T. S., & Brinkman, H. (1995). Interpersonal distance, body orientation, and touch: Effects of culture, gender, and age. The Journal of Social Psychology, 135(3), 281–297. Ruby, M. B., Falk, C. F., Heine, S. J., Villa, C., & Silberstein, O. (2012). Not all collectivisms are equal: Opposing preferences for ideal affect between East Asians and Mexicans. Emotion, 12, 1206–1209. Safdar, S., Friedlmeier, W., Matsumoto, D., Yoo, S. H., Kwantes, C. T., Kakai, H., & Shigemasu, E. (2009). Variations of emotional display rules within and across cultures: A comparison between Canada, USA, and Japan. Canadian Journal of Behavioural Science/Revue canadienne des sciences du comportement, 41(1), 1–10. https://doi.org/10.1037/a0014387 Salo-Lee, L. (2007). Tämän päivän “suomalaisuus”. [Today’s ‘Finnishness’]. http://www.kantti. net/luennot/2007/humanismi/03_salo-lee.shtml. Zugegriffen am 18.11.2019. Cited in Nishimura, S., Nevgi, A., & Tella, S. (2008, p. 788). San Martin, A., Schug, J., & Maddux, W. W. (2019). Relational mobility and cultural differences in analytic and holistic thinking. Journal of Personality and Social Psychology, 116(4), 495–518. https://doi.org/10.1037/pspa0000142 Savani, K., Alvarez, A., Mesquita, B., & Markus, H. R. (2013). Feeling close and doing well: The prevalence and motivational effects of interpersonally engaging emotions in Mexican and European American cultural contexts. International Journal of Psychology, 48, 682–694. Scherer, K. R., Matsumoto, D., Wallbott, H. G., & Kudoh, T. (1988). Emotional experience in cultural context: A comparison between Europe, Japan, and the United States. In K. R. Scherer (Hrsg.), Facets of emotion: Recent research (S. 5–30). Lawrence Erlbaum. Schimmack, U. (1996). Cultural influences on the recognition of emotion by facial expressions: Individualistic or Caucasian cultures? Journal of Cross-Cultural Psychology, 27, 37–50. Schug, J., Yuki, M., Horikawa, H., & Takemura, K. (2009). Similarity attraction and actually selecting similar others: How cross-societal differences in relational mobility affect interpersonal similarity in Japan and the USA. Asian Journal of Social Psychology, 12, 95–103. Schvaneveldt, P., Young, M., & Schvaneveldt, J. (2001). Dual resident marriages in Thailand: A comparison of two cultural groups of women. Journal of Comparative Family Studies, 32, 347–360. Schwartz, S. (2003). Mapping and interpreting cultural differences around the world. In H. Vinken, J. Soeters, & P. Ester (Hrsg.), Comparing cultures, dimensions of culture in a comparative perspective (S. 43–73). Brill.
98
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Schwartz, S. (2006). A theory of cultural value orientations: Explication and applications. Comparative Sociology, 5(2–3), 137–182. Schwartz, S. H. (1992). Universals in the content and structure of values: Theoretical advances and empirical tests in 20 countries. Advances in Experimental Social Psychology, 25, 1–65. Schwartz, S. H. (1994). Beyond individualism/collectivism: New cultural dimensions of values. In U. Kim, H. C. Triandis, C. Kagitcibasi, S. Choi, & G. Yoon (Hrsg.), Individualism and collectivism: Theory, method and applications (S. 85–119). Sage. Schwartz, S. H. (1999). Cultural value differences: Some implications for work. Applied Psychology: An International Review, 48, 23–48. Schwartz, S. H. (2011). Values: Cultural and individual. In F. J. R. van de Vijver, A. Chasiotis, & S. M. Breugelmans (Hrsg.), Fundamental questions in cross-cultural psychology (S. 463–493). Cambridge University Press. https://doi.org/10.1017/CBO9780511974090.019 Schwartz, S. H. (2012). An overview of the Schwartz theory of basic values. Online Readings in Psychology and Culture, 2(1), 2307–0919. Schwartz, S. H. (2014). National culture as value orientations: Consequences of value differences and cultural distance. In Handbook of the economics of art and culture (Bd. 2, S. 547–586). Elsevier. Schwartz, S. H., & Bardi, A. (2001). Value hierarchies across cultures: Taking a similarities perspective. Journal of Cross-Cultural Psychology, 32, 268–290. Schwartz, S. H., & Boehnke, K. (2004). Evaluating the structure of human values with confirmatory factor analysis. Journal of Research in Personality, 38, 230–255. Schwartz, S. H., & Ros, M. (1995). Values in the west: A theoretical and empirical challenge to the individualism-collectivism cultural dimension. World Psychology, 1, 99–122. Schwartz, S. H., Cieciuch, J., Vecchione, M., Davidov, E., Fischer, R., Beierlein, C., et al. (2012). Refining the theory of basic individual values. Journal of Personality and Social Psychology, 103(4), 663–688. Sen, A. (2005). The argumentative Indian: Writings on Indian history, culture and identity. Penguin Books. Shipp, A. J., Edwards, J. R., & Lambert, L. S. (2009). Conceptualization and measurement of temporal focus: The subjective experience of the past, present, and future. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 110(1), 1–22. Shuter, R. (1976). Proxemics and tactility in Latin America. Journal of Communication, 26, 46–62. Sircova, A., van de Vijver, F. J. R., Osin, E., Milfont, T. L., Fieulaine, N., Kislali-Erginbilgic, A., et al. (2014). A global look at time: A 24-country study of the equivalence of the Zimbardo time perspective inventory. SAGE Open, 4, 1–12. https://doi.org/10.1177/2158244013515686 Smith, P., & Bond, M. H. (1999). Social psychology across cultures (2. Aufl.). Allyn & Bacon. Smith, P. B., Peterson, M. F., & Wang, Z. M. (1996). The manager as mediator of alternative meanings. Journal of International Business Studies, 27, 115–137. Smith, P. B., Peterson, M. F., & Schwartz, S. H. (2002). Cultural values, sources of guidance, and their relevance to managerial behavior: A 47-nation study. Journal of Cross-Cultural Psychology, 33(2), 188–208. Sorokowska, A., Sorokowski, P., Hilpert, P., Cantarero, K., Frackowiak, T., Ahmadi, K., et al. (2017). Preferred interpersonal distances: A global comparison. Journal of Cross-Cultural Psychology, 48(4), 577–592. Steel, P., Schmidt, J., & Schultz, J. (2008). Refining the relationship between personality and subjective well-being. Psychological Bulletin, 134, 138–161. Steel, P., Taras, V., Uggerslev, K., & Bosco, F. (2018). The happy culture: A theoretical, meta- analytic, and empirical review of the relationship between culture and wealth and subjective well-being. Personality and Social Psychology Review, 22(2), 128–169. Steinberg, L., Graham, S., O’Brien, L., Woolard, J., Cauffman, E., & Banich, M. (2009). Age differences in future orientation and delay discounting. Child Development, 80, 28–44. Stephan, C. W., Stephan, W. G., Saito, I., & Barnett, S. M. (1998). Emotional expression in Japan and the United States: The nonmonolithic nature of individualism and collectivism. Journal of Cross-Cultural Psychology, 29(6), 728–748.
Literatur
99
Sussman, N. M., & Rosenfeld, H. M. (1982). Influence of culture, language and sex on conversational distance. Journal of Personality and Social Psychology, 42, 66–74. Tamir, M., Schwartz, S. H., Cieciuch, J., Riediger, M., Torres, C., Scollon, C., et al. (2016). Desired emotions across cultures: A value-based account. Journal of Personality and Social Psychology, 111, 67–82. Tamura, T., & Lau, A. (1992). Connectedness versus separateness: Applicability of family-therapy to Japanese families. Family Process, 31, 319–340. Triandis, H. (1995). Individualism and collectivism. Westview Press. Triandis, H. C. (1989). The self and social behavior in differing cultural contexts. Psychological Review, 96, 506–520. Triandis, H. C. (1994). Culture and social behaviour. McGraw-Hill. Triandis, H. C., Bontempo, R., Villareal, M. J., Asai, M., & Lucca, N. (1988). Individualism and collectivism: Cross-cultural perspectives on self-ingroup relationships. Journal of Personality and Social Psychology, 54, 323–338. Triandis, H. C., McCusker, C., & Hui, C. H. (1990). Multimethod probes of individualism and collectivism. Journal of Personality and Social Psychology, 47, 1363–1375. Triandis, H. C., Chan, D. K. S., Bhawuk, D. P., Iwao, S., & Sinha, J. B. (1995). Multimethod probes of allocentrism and idiocentrism. International Journal of Psychology, 30(4), 461–480. Trommsdorff, G. (1983). Future orientation and socialization. International Journal of Psychology, 18, 381–406. Trompenaars, F., & Hampden-Turner, C. (1998). Riding the waves of culture: Understanding diversity in global business (2. Aufl.). McGraw Hill. Tsai, J. L., & Clobert, M. (2019). Cultural influences on emotion: Empirical patterns and emerging trends. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (2. Aufl., S. 292–318). Guilford Press. Tsai, J. L., Levenson, R. W., & Carstensen, L. L. (2000). Autonomic, subjective, and expressive responses to emotional films in older and younger Chinese Americans and European Americans. Psychology and Aging, 15(4), 684–693. Tsai, J. L., Knutson, B., & Fung, H. H. (2006). Cultural variation in affect valuation. Journal of Personality and Social Psychology, 90(2), 288–307. Tsai, J. L., Miao, F. F., Seppala, E., Fung, H. H., & Yeung, D. Y. (2007). Influence and adjustment goals: Sources of cultural differences in ideal affect. Journal of Personality and Social Psychology, 92, 1102–1117. Tsuji, R. (2002). Estimating acquaintanceship volume in Japan and US. Paper presented at the second joint conference of the mathematical sociology in Japan and in America, Vancouver. Uchida, Y., & Kitayama, S. (2009). Happiness and unhappiness in east and west: Themes and variations. Emotion, 9, 441–456. Uchida, Y., Norasakkunkit, V., & Kitayama, S. (2004). Cultural constructions of happiness: Theory and empirical evidence. Journal of Happiness Studies, 5(3), 223–239. Uchida, Y., Townsend, S. S. M., Markus, H. R., & Bergsieker, H. B. (2009). Emotions as within or between people? Cultural variation in lay theories of emotion expression and inference. Personality and Social Psychology Bulletin, 35, 1427–1439. Van Hemert, D. A., Poortinga, Y. H., & van de Vijver, F. J. (2007). Emotion and culture: A meta- analysis. Cognition and Emotion, 21(5), 913–943. Vandello, J. A., & Cohen, D. (1999). Patterns of individualism and collectivism across the United States. Journal of Personality and Social Psychology, 77, 279–292. Vrij, A., & Winkel, F. W. (1991). Cultural patterns in Dutch and Surinam nonverbal behavior: An analysis of simulated police/citizens encounters. Journal of Nonverbal Behavior, 15, 169–184. Webb, J. D., & Weber, M. J. (2003). Influence of sensory abilities on the interpersonal distance of the elderly. Environment and Behavior, 35, 695–711. Weisz, J. R., Rothbaum, F. M., & Blackburn, T. C. (1984). Standing out and standing in: The psychology of control in America and Japan. American Psychologist, 39(9), 955–969. Williams, P., & Aaker, J. L. (2002). Can mixed emotions peacefully coexist? Journal of Consumer Research, 28(4), 636–649.
100
2 Kulturelle Rahmenbedingungen und ihr Einfluss auf Emotionen
Wiseman, J. (1986). Friendship: Bonds and binds in a voluntary relationship. Journal of Social and Personal Relationships, 3(2), 191–211. Wong, S., Bond, M. H., & Rodriguez Mosquera, P. M. (2008). The influence of cultural value orientations on self-reported emotional expression across cultures. Journal of Cross-Cultural Psychology, 39(2), 224–229. Würtz, E. (2005). Intercultural communication on web sites: A cross-cultural analysis of web sites from high-context cultures and low-context cultures. Journal of Computer-Mediated Communication, 11(1), 274–299. Yamada, J., Kito, M., & Yuki, M. (2017). Passion, relational mobility, and proof of commitment: A comparative socio-ecological analysis of an adaptive emotion in a sexual market. Evolutionary Psychology, 15(4), 1474704917746056. Yamagishi, T., & Yamagishi, M. (1994). Trust and commitment in the United States and Japan. Motivation and Emotion, 18, 129–166. Yamagishi, T., Jin, N., & Miller, A. S. (1998). In-group favoritism and culture of collectivism. Asian Journal of Social Psychology, 1, 315–328. Yuki, M., & Schug, J. (2012). Relational mobility: A socioecological approach to personal relationships. In O. Gillath, G. Adams, & A. Kunkel (Hrsg.), Decade of behavior 2000–2010. relationship science: Integrating evolutionary, neuroscience, and sociocultural approaches (S. 137–151). American Psychological Association. https://doi.org/10.1037/13489-007 Yuki, M., & Schug, J. (2020). Psychological consequences of relational mobility. Current Opinion in Psychology, 32, 129–132. Yuki, M., Schug, J., Horikawa, H., Takemura, K., Sato, K., Yokota, K., & Kamaya, K. (2007). Development of a scale to measure perceptions of relational mobility in society. CERSS working paper 75. Center for Experimental Research in Social Sciences, Hokkaido University. Yum, J. O. (1988). The impact of Confucianism on interpersonal relationships and communication patterns in East Asia. Communication Monographs, 55, 374–388. Zimbardo, P. G., & Boyd, J. N. (1999). Putting time in perspective: A valid, reliable individual- differences metric. Journal of Personality and Social Psychology, 77, 1271–1288.
Kapitel 3
Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle 3.1.1 Konzeption der kulturellen Modelle Kulturelle Modelle in der multidisziplinären Forschung In den letzten Jahrzehnten sind die Theorien und Forschungen zu kulturellen Modellen in den Geistes-, Verhaltens- und Sozialwissenschaften populär geworden. Das Konzept des kulturellen Modells erregt das Interesse der Anthropologie (z. B. Bennardo, 2018a, b; Bennardo & De Munck, 2014; Kronenfeld, 2008; Plaut, 2002; Strauss, 1992), der Linguistik (z. B. Geeraerts, 2003; Holland & Quinn, 1987; Kristiansen & Dirven, 2008; White, 1987), der Medizin (z. B., Angel & Williams, 2000; Garro, 1994; Kirmayer & Sartorius, 2007; Weiss, 1988), Kognitionswissenschaft (Bruner, 1986, 1990; Nisbett & Miyamoto, 2005; Shore, 1996), Entwicklungspsychologie (z. B. Keller, 2003; Keller et al., 2006; Lamm & Keller, 2007; Suizzo, 2002), die Psychologie des Selbst (z. B. Cross & Gore, 2003; Vignoles et al., 2016) und der Emotionen (z. B. Bachen & Illouz, 1996; Wong & Tsai, 2007) als Erklärungsrahmen für kulturelle Phänomene. Die verschiedenen Definitionen sind recht ähnlich oder überschneiden sich. Begriffliche Definition des Kulturmodells Kulturelle Modelle sind die kognitiven Schemata oder mentalen Modelle von Welten, die von den Mitgliedern einer Gesellschaft kollektiv geteilt werden und Wissen in systemischen Bedeutungseinheiten organisieren. Sie sind relativ einfache oder komplexe Einheiten des Kernwissens. Das Konzept des kulturellen Modells gilt als eine Weiterentwicklung der grundlegenden Analyseeinheiten, die über die dimensionale Analyse hinausgeht. Das kulturelle Modell wird als eine Struktur dargestellt, © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 V. Karandashev, Kulturelle Emotions-Modelle, https://doi.org/10.1007/978-3-031-39963-3_3
101
102
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
die aus Kern- und Randkomponenten besteht, die als Knoten mit bestimmten Werten dargestellt werden. Kulturelle Konzepte, ihre Merkmale, ideale Emotionen, kulturell wichtige Ereignisse können die in der Struktur dargestellten Analyseeinheiten sein. Das Modell ist eine kognitive Struktur, die kulturelles Wissen enthält, das von Menschen in einer kulturellen Gemeinschaft geteilt wird. Das kulturelle Modell kann intellektuelles und pragmatisches Wissen darüber enthalten, wie man denkt, fühlt und sich verhält (Kronenfeld, 2008). Es dient als Speicher für kulturelles Wissen und motiviert das Verhalten (D’Andrade, 1992; De Munck, 2019; Holland & Quinn, 1987; Kronenfeld, 2008; Strauss, 1992). Der Einzelne ist Akteur und Subjekt einer sozial konstruierten und aufgezwungenen kulturellen Welt (Holland et al., 1998). Nach der Cultural Model Theory (Bennardo, 2018a, b; Bennardo & de Munck, 2020) ist Kultur mentales Wissen, das von Menschen in einer bestimmten Gemeinschaft geteilt wird. Die Theorie (Bennardo, 2018a, b) geht davon aus, dass der Ort der Kultur in den Köpfen der Individuen liegt. Die Gemeinschaften können territorial in Ländern oder geografischen Regionen angesiedelt sein oder auch nicht. Es kann sich auch um jede soziale Gruppe handeln, die sich selbst als Kultur anerkennt und in der Individuen ihre Identität teilen. Jüngste Beispiele für Kulturen sind die verschiedenen internetbasierten Gruppen. Dieses Wissen, das Kulturen ausmacht, ist als eine Reihe von mentalen Modellen oder kulturellen Modellen strukturiert, die von den Individuen als Komponenten der Kultur geteilt werden. Einige Wissenschaftler (z. B. Lowe, 2019) weisen jedoch darauf hin, dass kulturelle Modelle nicht nur das von einer Gruppe von Individuen geteilte Wissen widerspiegeln, sondern auch das geteilte Wissen, das seinen Ursprung in kulturell vermittelten Erfahrungen hat. Ein kulturelles Modell ist ein kollektives Wissen, doch die einzelnen Mitglieder einer kulturellen Gemeinschaft haben ihre persönlichen Vorstellungen von diesem kollektiven Wissen. Daher können kulturelle Modelle sowohl auf kultureller als auch auf individueller Ebene untersucht werden. Auch wenn in vielen Studien das Konzept des kulturellen Modells verwendet wird, um ein ideales Modell des Verständnisses der Menschen in einer Kultur darzustellen, ist es möglich, das Konzept des kulturellen Modells zu verwenden, um das typische Modell des realen Verhaltens, Denkens und Fühlens darzustellen. Forschung zu kulturellen Modellen in Anthropologie und Psychologie Kulturelle Modelle sind zu einem beliebten theoretischen Rahmen und einer beliebten Forschungsmethode in der Anthropologie (z. B. Bennardo, 2018a, b; Bennardo & De Munck, 2014; De Munck & Bennardo, 2019; De Munck & Kronenfeld, 2016; Holland et al., 1998; Kronenfeld, 2008, 2018) und Psychologie (z. B. Fehr, 1994; Fehr & Russell, 1984, 1991) geworden. Anthropologen haben den Begriff Kulturmodell verwendet, um Muster von Ideen und Praktiken zu beschreiben, die mit bestimmten sozialen, kulturellen und psychologischen Phänomenen verbunden
3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle
103
sind. Eine kürzlich durchgeführte Umfrage unter Europäern, Nordamerikanern, Lateinamerikanern und amerikanischen Ureinwohnern, Südasiaten, Südostasiaten, Afrikanern und Pazifikinsulanern lieferte beispielsweise eine empirisch fundierte Typologie kultureller Modelle (Bennardo & De Munck, 2014). Die wachsende Popularität der Cultural Model Theory in der Kulturanthropologie zur Erforschung verschiedener Aspekte der kulturellen Realität spiegelte sich in einer Reihe neuerer Veröffentlichungen zum Thema wider (siehe z. B. Bennardo, 2018a, b; De Munck & Bennardo, 2019), insbesondere in der Veröffentlichung einer Sonderausgabe des Journal of Cultural Cognitive Science (Bennardo & de Munck, 2020). Das Konzept der kulturellen Modelle wurde auch in der Psychologie und den Kommunikationswissenschaften entwickelt, insbesondere in der Anwendung auf die Affektforschung. Mesquita und Leu (2007) beschreiben kulturelle Modelle als die Bedeutungen und Praktiken, denen Emotionen in sozialen und kulturellen Kontexten entsprechen. Spezifische Bedeutungen und Praktiken des Selbst und der Beziehungen in diesen Kontexten sind von besonderer Bedeutung. Kulturelle Modelle bieten einen Rahmen für die Sozialisation, der die Anforderungen der sozioökonomischen Struktur einer Gesellschaft, die Art der Gemeinschaft, das soziale und kulturelle Umfeld und die menschliche Ökologie widerspiegelt (Karandashev, 2017; Keller et al., 2006). Kulturelle Modelle beschreiben, wie Gedanken, Emotionen und Handlungen im täglichen Leben einer Gesellschaft ablaufen. Kulturelle Modelle im Kontext dieses Buches sind die typischen Muster von Verhaltensweisen, Überzeugungen, Gedanken und Emotionen, die viele Menschen in einer Kultur aufgrund des gemeinsamen kulturellen Hintergrunds, den sie durch ihre Erziehung erlernt haben, miteinander teilen. Kulturelle Modelle von Emotionen als Typologien des Gefühlslebens Das Konzept des emotionalen Stils, das in der Anthropologie vorgeschlagen wurde (Middleton, 1989), klingt zum Beispiel wie die Definition des kulturellen Modells der Emotionen. Es handelt sich um „die normative Organisation von Emotionen, ihre einheimische Klassifizierung, Kommunikationsform, Ausdrucks intensität, Ausdruckskontexte und Verknüpfungsmuster untereinander und mit anderen Kulturbereichen“ (S. 188). Der emotionale Stil beschreibt die kulturelle Ordnung von Emotionen in Gesellschaften. Die acht Elemente des emotionalen Stils (konstitutive und regulative Regeln, Kommunikation, Verknüpfung, Salienz, Dynamik, Dissonanz, Distanzierung), die der Autor vorgeschlagen hat, identifizieren im Wesentlichen die Dimensionen von Emotionen als soziokulturelle Konstruktionen. Kulturelle Modelle ähneln in vielerlei Hinsicht kulturellen Typen und Stilen und können in bestimmten Kontexten als Synonyme verwendet werden.
104
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
3.1.2 Beispiele für kulturelle Modelle in der Sozialwissenschaft Kulturelle Modelle der Kontextdifferenzierung Hier sind einige Beispiele für kulturelle Modelle, die Wissenschaftler bisher entwickelt haben. Kulturelle Modelle der Kontextdifferenzierung waren in der kognitiven Psychologie nützlich, während die Modelle des Selbst in der Entwicklungspsychologie und der Psychologie der Emotionen nützlich waren. Die Forschung hat gezeigt, dass kulturelle Faktoren die menschlichen Wahrnehmungsprozesse beeinflussen (siehe Übersicht in Nisbett & Miyamoto, 2005). Das kulturelle Modell der Wahrnehmungsprozesse von Menschen in westlichen Kulturen ist kontextunabhängig und analytisch und konzentriert sich auf ein markantes Objekt unabhängig von seinem Kontext. Das kulturelle Modell der Wahrnehmungsprozesse von Menschen in asiatischen Kulturen ist kontextabhängig und ganzheitlich und berücksichtigt die Beziehung zwischen dem Objekt und dem Kontext, in dem sich das Objekt befindet. Die Autoren haben eine Fülle von Forschungsergebnissen zu den Mechanismen vorgelegt, die solche Unterschiede in der Wahrnehmung verursachen, die nicht kulturübergreifend universell sind (Nisbett & Miyamoto, 2005). Obwohl die Autoren diese beiden Wahrnehmungsarten nicht ausdrücklich als kulturelle Modelle bezeichnet haben, sind sie es im Wesentlichen doch. Eine Reihe von Wahrnehmungsmerkmalen dient als Kriterium für die Unterscheidung dieser Modelle. Kulturelle Modelle der psychologischen Entwicklung In der Psychologie wurden drei kulturelle Entwicklungsmodelle vorgeschlagen: das Modell der Unabhängigkeit, das Modell der Interdependenz und das Modell der autonomen Verbundenheit (Kagitçibasi, 1996, 2005). Zwei Dimensionen – (1) die Dimension der zwischenmenschlichen Distanz mit den Polen der Verbundenheit und des Getrenntseins und (2) die Dimension der Handlungsfähigkeit mit den Polen der Autonomie und Heteronomie – wurden zur Konstruktion dieser Modelle verwendet. Die Kombinationen der Pole der beiden zugrunde liegenden unabhängigen Dimensionen ergaben entsprechende Modelle. Drei kulturelle Modelle wurden wie folgt charakterisiert: „Das Unabhängigkeitsmodell legt den Schwerpunkt auf die Wahrnehmung des Individuums als getrennt, autonom, abgegrenzt und in sich geschlossen. Die Sozialisierungsstrategien konzentrieren sich auf mentale Zustände und persönliche Qualitäten, um Selbstverbesserung und Selbstmaximierung zu unterstützen. Das Unabhängigkeitsmodell ist charakteristisch für urbane, gebildete Familien in industrialisierten und post-industrialisierten Informationsgesellschaften. Das Modell der Interdependenz stellt das Individuum in den Vordergrund, das mit anderen in Beziehung steht und heteronom ist (Koagent). Die Sozialisierungsstrategien konzentrieren sich auf die Akzeptanz von Normen und Hierarchien, um zum harmonischen Funktionieren der sozialen Einheit, insbesondere der Familie, beizutragen. Das Modell der Inter-
3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle
105
dependenz ist charakteristisch für ländliche, auf Subsistenz basierende, hauptsächlich bäuerliche Familien. Das Modell der autonomen Verbundenheit verbindet zwischenmenschliche Verbundenheit mit autonomen Funktionen. Die Sozialisierungsstrategien konzentrieren sich sowohl auf eine harmonische Integration in die Familie als auch auf Autonomie als Akteur. Das Modell der autonomen Verbundenheit beschreibt die städtischen, gebildeten Familien der Mittelschicht in Gesellschaften mit einem vernetzten kulturellen Erbe. (Keller et al., 2006, S. 156)“
Wie man sieht, wurde bei der Erstellung dieser Modelle die typologische Analyse auf der Grundlage der Kombination zweier kultureller Dimensionen verwendet. Kulturelle Modelle der Bindung Mehrere andere Modelle wurden auf ähnliche Weise als Kombination von zwei Dimensionen entwickelt. So wurde beispielsweise die Typologie der Bindung als Kombination der beiden Dimensionen Angst und Vermeidung konstruiert und umfasste die folgenden Stile: (1) sichere Bindung, (2) ängstlich-ambivalente Bindung, (3) ängstlich-vermeidende Bindung und (4) desorganisierte Bindung (z. B. Bartholomew & Horowitz, 1991; Brennan et al., 1998; Keller, 2018). Die europäisch- amerikanischen und westeuropäischen Studien zur Bindung bei Kindern haben diesen Forschungsbereich dominiert und die sichere Bindung als normatives Modell betrachtet. Mehrere kulturübergreifende Studien aus den 1980–1990er-Jahren (siehe für eine Übersicht Keller, 2013; van IJzendoorn & Kroonenberg, 1988; van IJzendoorn & Sagi-Schwartz, 2008) verglichen die Verteilung dieser Bindungstypen in vielen kulturellen Stichproben und versuchten, kulturelle Muster zu finden. Die Meta-Analysen der in diesen Studien gewonnenen kulturübergreifenden Daten ergaben jedoch, dass Intrakulturelle Unterschiededer Bindungsstile im Vergleich zu interkulturellen Unterschieden viel größer ist (van IJzendoorn & Kroonenberg, 1988). Somit haben die Ergebnisse die Rolle der Kultur abgeschwächt. Das Problem war jedoch, dass die Bindungstheorie methodologisch ethnozen trisch war und kulturell unterschiedliche Erziehungsphilosophien und Sozialisationsstrategien nicht berücksichtigte. Die Definition von Bindung und ihre Messung spiegelten das Konzept der psychologischen Autonomie der westlichen Mittelschichtskultur wider. Die kulturellen Ansichten und Werte vieler nicht-westlicher und insbesondere ländlicher sozialer und ökologischer Umgebungen unterscheiden sich erheblich von diesem Konzept. Forscher (siehe für einen Überblick Keller, 2013, 2018; Quinn & Mageo, 2013) haben ihre Kritik geäußert und die Kategorisierung von Bindung als sicher oder unsicher und die Messung dieser Dimension als kulturübergreifend anwendbar in Frage gestellt. Die Autoren haben auch argumentiert, dass die Konzepte, die mit der Kategorie der unsicheren Bindung verbunden sind, und das experimentelle Design der Strange Situation, mit der sie gemessen wird, ethnozentrisch sind (Quinn & Mageo, 2013). Was die kulturübergreifende Entwicklung betrifft, so schlug Keller (2013, 2018) vor, über die traditionellen Konzepte und Methoden der Bindungs- und
106
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
remdenangstforschung hinauszugehen, die psychologische Autonomie als kulF turellen Wert voraussetzten. Sie konzeptualisierte die Bindungstheorie in einem kultursensiblen Rahmen, der die kulturellen Werte nicht-westlicher und ländlicher Kulturen einbezieht. Die Autorin (Keller, 2013) schlug eine Strategie und ein empirisches kulturübergreifendes Forschungsprogramm vor, das sowohl die evolutionären als auch die kulturellen Grundlagen der Bindung berücksichtigt, einschließlich kultureller Praktiken wie kulturspezifische Sozialisation und multiple Betreuungsarrangements. So bestimmen die in den verschiedenen kulturellen Kontexten unterschiedlichen Modelle der Kindheit die verschiedenen kulturellen Modelle der Bindung (Keller, 2003, 2007). Kulturelle Modelle zum Krankheitsverständnis Kulturelle Modelle zum Verständnis von Krankheiten können mehrere Typen umfassen, je nachdem, welche Kriterien die medizinischen Forscher in jedem Fall anwenden: • Erklärungsmodelle, die kausale Zuschreibungen vornehmen und spezifische Mechanismen oder Prozesse der Pathophysiologie unterstellen • Prototypen, d. h. hervorstechende Bilder oder Beispiele aus der persönlichen Erfahrung, der Familie, dem Freundeskreis, den Massenmedien und der Populärkultur, die verwendet werden, um analog auf die eigene Situation zu schließen • Implizite Modelle und prozedurales Wissen, die möglicherweise schwer zu artikulieren sind, weil sie in die Körperpraktiken und die Art und Weise des Erlebens von Not eingebettet sind (Kirmayer & Sartorius, 2007, S. 832). Kirmayer und Sartorius (2007) weisen darauf hin, dass Erklärungen und Zuschreibungen von Symptomen diese Symptome verstärken können und daher zu kulturspezifischen Formen von hypochondrischer Sorge, Panikstörung und medizinisch unerklärten Symptomen führen. Die Autoren behaupten, dass kulturelle Modelle beeinflussen, wie Menschen ihre Symptome erleben und berichten, wie sie die Psychophysiologie reflektieren, welchen Symptomen sie Aufmerksamkeit schenken, wie sie die Symptome zuschreiben und interpretieren und welche Art der Bewältigung und Behandlung sie suchen. Je nach kulturellem Erklärungsmodell können ganz unterschiedliche Symptome und Sorgen auftreten. Kulturelle Erklärungsmodelle beleuchten auch die Prävalenz und Bedeutung klinischer Präsentationen von Symptomen und Syndromen und bestimmen, ob die Symptome zu Angst, Hilfesuche und Behinderung führen. Kulturelle Modelle tragen auch zu psychopathologischen Prozessen bei. Autoren (Kirmayer & Sartorius, 2007) geben Beispiele dafür, wie kulturelle Erklärungsmodelle nicht nur das Erleben von Symptomen, sondern auch deren Assoziation mit somatischen Syndromen beeinflussen können. Zum Beispiel, „Der Verlust von Sperma im Urin wird in Indien mit dem „Dhat-Syndrom“ in Verbindung gebracht, das auf der Vorstellung beruht, dass Sperma die Lebensenergie konzentriert;
3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle
107
Epigastrisches Brennen wird in Korea mit hwa-byung („Feuerkrankheit“) in Verbindung gebracht, basierend auf der Vorstellung eines Ungleichgewichts von „Feuer“ als einem Grundbestandteil des Körpers; Hitze im Kopf ist ein unspezifisches Symptom, das häufig in Äquatorialafrika berichtet wird und auf der Vorstellung von der Bedeutung der zentralen Hitze für die Konstitution des Menschen beruht (Kirmayer & Sartorius, 2007, S. 835).“
Die Symptome sind in einigen Kulturen häufiger anzutreffen, weil sie Teil eines Krankheitsprototyps sind. Zum Beispiel wurde Bewusstseinsverlust häufiger in Puerto Rico berichtet als in anderen Teilen Nordamerikas aufgrund des Einflusses der kulturellen Schablone für den ataque de nervios, einen „Nervenanfall“, der mit Symptomen wie Weinen, Schreien und dissoziativem Verhalten, einschließlich Bewusstseinsverlust, verbunden ist (Kirmayer & Sartorius, 2007, S. 835). In diesem Fall dienen die Verstärkung bestimmter Symptome – aufgrund ihrer kulturspezifischen Erklärungen und Zuschreibungen – und die kulturell prototypischen Assoziationen dieser Symptome mit bestimmten Syndromen als komplexe Hauptkriterien für die Definition dieser kulturellen Krankheitsmodelle. Die in einer Kultur vorherrschenden kulturellen Überzeugungen bestimmen die Entwicklung dieser Modelle.
3.1.3 Pan-kulturelle und kulturelle Ansätze zur Untersuchung kultureller Modelle von Emotionen Etischer Ansatz in den Kulturwissenschaften In der kulturübergreifenden Forschung wird zwischen dem etischen und dem emischen Ansatz unterschieden. Forscher, die den etischen Ansatz verfolgen, beschreiben und erforschen Emotionen anhand von Konstrukten, die in einem allgemeinen theoretischen Rahmen entwickelt werden, wobei sie davon ausgehen, dass dieser Rahmen kulturübergreifend universell ist. Ausgehend von dieser Annahme der Universalität werden in den Studien die kulturellen Ähnlichkeiten und Unterschiede der Konstrukte untersucht. Diese kulturübergreifenden Konstrukte und Dimensionen unterscheiden sich in ihrem Ausmaß und ihrer relativen Positionierung in den verschiedenen Kulturen (Ronen & Shenkar, 1985). Es handelt sich weitgehend um eine quantitative Art der Forschung. Diese Kulturstudien gehen davon aus, dass westliche Konstrukte und Instrumente in anderen Kulturen die gleiche Bedeutung haben. Daher wurden sie in nicht-westlichen Gesellschaften zum Vergleich eingesetzt. Eine solche vergleichende Methode zeugt von Ethnozentrismus (Nisbet, 1971). Der etische Ansatz ist in der Erforschung von Emotionen in der Psychologie, Soziologie und Kommunikationswissenschaft weit verbreitet. Anthropologie und Linguistik verwenden diesen Ansatz weniger häufig. Eine Fülle von Studien zu diesem Ansatz ist in den Kapiteln dieses Buches verteilt.
108
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Die Anpassung von Forschungsinstrumenten, die in einer Kultur entwickelt wurden, an andere kulturelle Gegebenheiten ist ein typisches Beispiel für eine etische Methodologie. In diesem Fall gehen die Wissenschaftler davon aus, dass emotionale Konstrukte in ihrer Natur und ihren Vorstellungen kulturübergreifend universell sind, sich aber in ihrem Ausmaß von Kultur zu Kultur unterscheiden. Die konzeptionelle Äquivalenz impliziert die Messäquivalenz. Zur Untersuchung der Messäquivalenzwurden verschiedene Analyseverfahren eingesetzt (Hui & Triandis, 1985). Besonders häufig wurde die konfirmatorische Mehrgruppen-Faktorenanalyse eingesetzt (Steenkamp & Baumgartner, 1998; Vandenberg & Lance, 2000). Bei der Faktorenanalyse verwenden die Forscher eine Korrelations-/Kovarianzmatrix als Input. Eine konzeptionell ähnliche, aber dennoch andere Methode ist die Multigruppen- Faktorenanalyse mit latenten Klassen (Clogg & Goodman, 1985; Hagenaars, 1990; Morren et al., 2011; Vermunt & Magidson, 2005). Diese Methode läuft als konkurrierende Faktorenanalyse in mehreren Gruppen ab. Der Mehrgruppenansatz verwendet den Vergleich von Messmodellen, die sich auf der Ebene der Heterogenität (Ungleichheit) unterscheiden, die durch eine exogene (gruppierende) Variable verursacht wird (McCutcheon, 1987, 2002). Bei dieser Methode wird die Kreuzklassifizierung der Antworten auf Skalenitems analysiert. In Latentklassenmodellen behandeln die Forscher Indikatoren und latente Variablen als kategoriale Variablen. (Hagenaars, 1990; McCutcheon, 1987, 2002). Normalverteilung, Homogenität der Varianzen, lineare Beziehung oder andere traditionelle Modellierungsannahmen werden nicht erwartet (Magidson & Vermunt, 2004). Die Latent-Class-Faktoranalyse (LCFA) ermöglicht auch die Erkennung und Kontrolle der extremen Antwortverzerrungen im kulturübergreifenden Datensatz (Kankarash & Moors, 2011; Moors, 2003; Morren et al., 2011). Emischer Ansatz in den Kulturwissenschaften Forscher, die dem emischen Ansatz folgen, beschreiben und erforschen Emotionen anhand von Konstrukten, die in einem kulturspezifischen Rahmen entwickelt werden und sich vermutlich kulturell von anderen Kulturen unterscheiden. Dieser Ansatz hebt kulturelle Unterschiede und kulturellen Relativismus hervor und zeigt, dass sich das Verhalten in verschiedenen Kulturen qualitativ unterscheidet. Es handelt sich weitgehend um eine qualitative Art der Forschung (Karandashev, 2017; Karandashev et al., 2019). Der emische Ansatz zielt darauf ab, die Beobachtungen und Interpretationen von Situationen, Verhalten und mentalen Prozessen aus der Sicht der Teilnehmer zu verstehen und zu beschreiben. Dieser Ansatz ist typisch für Disziplinen, die Emotionen in verschiedenen kulturellen Kontexten erforschen, wie Anthropologie, Psycholinguistik, Soziologie und Literaturwissenschaft (siehe für eine detaillierte und vielfältige Übersicht Karandashev, 2017; Karandashev et al., 2019). Eine Fülle von anthropologischen und linguistischen Studien zu diesem Ansatz ist in den Kapiteln dieses Buches verstreut.
3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle
109
In der Psychologie und der Kommunikationswissenschaft wurde dieser Ansatz bisher weniger häufig verwendet. Die größte Herausforderung beim emischen Ansatz besteht darin, die Äquivalenz der Konstrukte zu gewährleisten, wie sie in verschiedenen Kulturen dargestellt wird, wenn ähnliche, aber unterschiedliche Kon strukte zusammenkommen (Campbell, 1986; Werner & Campbell, 1970). Zum Beispiel können Forscher ein Konstrukt entwickeln und Items für ein Instrument gleichzeitig in mehreren Kulturen erstellen. Die kulturübergreifenden Items werden zu Vergleichszwecken beibehalten, während Item-Spezifika oder kulturspezifische Items entfernt werden. Dann übernehmen die Forscher diesen gemeinsamen Satz von Items für die Vorbereitung von Testversionen in den lokalen Sprachen. Die übrigen Items können für die kulturspezifischen Versionen reserviert werden. Dieser Ansatz, der eine solche emische Methodik bei der Entwicklung von In strumenten bevorzugt, wurde in einer Studie (Boehnke et al., 2014) veranschaulicht, in der die Beziehung zwischen väterlicher Wärme und Vertrauen in fünf kulturellen Stichproben (Deutsch, Moldawien-Russisch, Togo-Französisch, Sambia-Englisch und Simbabwe-Shona) untersucht wurde. Forscher aus diesen Kulturen erstellten unabhängig voneinander Items. In der Studie überprüften sie die strukturelle und messtechnische Äquivalenz der Items, die in den verschiedenen Sprachversionen unterschiedlich formuliert sind. Eine andere mögliche emische Strategie besteht darin, ein Konstrukt unabhängig auszuarbeiten und ein Instrument innerhalb der Kulturen zu entwickeln. Anschließend werden alle Instrumente in allen Kulturen angewandt. Mit diesem Ansatz lassen sich sowohl universelle als auch kulturspezifische Aspekte eines Konstrukts aufdecken. Das Verfahren ist jedoch zeitaufwändig. Gleichgewicht zwischen etischen und emischen Ansätzen Der emische Ansatz lehnt den etischen Ansatz nicht ab. Der etische Ansatz identifiziert Konstrukte, die menschliches Verhalten als auch mentale und emotionale Prozesse charakterisieren und die in allen Kulturen gleich sind. Der emische Ansatz ist kulturell sensibler für indigene Psychologien. Er untersucht die Erscheinungsformen dieser allgemeinen Konstrukte und entwickelt weitere Konzepte, die die allgemeine konzeptionelle Struktur des kulturellen Wissens ergänzen (Chiu & Hong, 2006; He & van de Vijver, 2012; Ho, 1998; Poortinga, 1999; Triandis, 2000). Auch wenn sich der etische und der emische Ansatz deutlich voneinander unterscheiden, können beide in einer Studie in ein Gleichgewicht gebracht werden. Eine Möglichkeit, ein solches Gleichgewicht herzustellen, besteht darin, von der Etik auszugehen und emische Konzepte einzubeziehen. Dies ist eine abgeleitete Etik anstelle einer aufgezwungenen Etik (Berry, 1969, 1989). Auf diese Weise sammeln die Forscher emisches Wissen über ähnliche Konstrukte in kulturellen Kontexten. Sie berücksichtigen, inwieweit die Konstrukte und Messgrößen kulturell angemessen sind. Sie entwickeln verbesserte Instrumente und führen deren kulturübergreifende Validierung durch. Eine andere Möglichkeit, ein Gleichgewicht zwischen etischen und emischen Aspekten in der Forschung zu erreichen, besteht darin, von emischen
110
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Konzepten auszugehen, die kulturspezifisch sind, und diese Konzepte dann auf andere Kulturen anzuwenden (He & van de Vijver, 2012). In der kulturübergreifenden Forschung sind drei Forschungsansätze gebräuchlich: der universalistische, der kontextualistische und der integrative Ansatz. Einige Wissenschaftler befürworten jedoch den integrativen Ansatz: entweder den Ansatz der abgeleiteten Ästhetik oder den Ansatz der indigenen Psychologie (Berry, 1969, 1989; Kim et al., 2000). Der Ansatz der indigenen Psychologie unterscheidet zwischen monokultureller indigener Psychologie und kulturübergreifender indigener Psychologie. Ihre Konvergenz kann die ausgewogene kulturelle Psychologie versprechen (Yang, 2000). Eine klare begriffliche und operative Definition von Emotionskonzepten, die kultursensibel und offen für kulturell unterschiedliche kulturelle Bedeutungen, Erfahrungen und Ausdrucksformen von Emotionen sind, bildet die Grundlage für ein angemessenes und gültiges kulturelles Emotioinsmodell. In den folgenden Kapiteln werden mehrere Studien zu den Beziehungen zwischen Emotionen und Kultur vorgestellt, und zwar sowohl aus etischer als auch aus emischer Sicht, in einigen Fällen auch aus ausgewogenen etisch-emischen Ansätzen. Das Buch selbst stellt meiner Meinung nach ein Beispiel für einen solchen ausgewogenen und interdisziplinären Ansatz bei der Untersuchung kultureller Modelle von Emotionen dar.
3.1.4 Typologie der kulturellen Modelle des Gefühlslebens Top-Down- und Bottom-Up-Ansätze Konstruktion von Kulturmodellen Es ist sinnvoll, kulturelle Modelle als die in Kulturen vorgeschriebenen, bevorzugten oder vorherrschenden Arten oder Stile des Gefühlslebens zu betrachten. Zur Konstruktion solcher Modelle kann eine Vielzahl von Kriterien und Gefühlsdomänen herangezogen werden. Die Dimensionen von Kultur sind Kern- oder Ankerparameter, die die typischen Muster des Gefühlslebens in den Kulturen entlang dieser Dimensionen erklären. Zu den emotionalen Bereichen, die in die Beschreibung der kulturellen Modelle von Emotionen einbezogen werden können, gehören die Darstellung und Interpretation emotionaler Phänomene, die Werte von Emotionen, typische Bewertungen, das typische Erleben grundlegender und komplexer Emotionen, die typische Valenz und Intensität des emotionalen Erlebens, die typischen Ausdrucksformen von Emotionen und so weiter. Es gibt im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, kulturelle Modelle zu erstellen. Die erste würde ich die Top-Down-Methode nennen. Die Forscher beginnen von oben – der theoretischen Postulierung und Fundierung einer kulturellen Dimension als unabhängige Rahmenbedingung (Variable) – und gehen dann nach unten – zur theoretischen Erklärung, zur Auswahl verfügbarer Erkenntnisse und zur empirischen Erforschung der emotionalen Rahmenbedingung (Variablen), die die kulturelle Dimension mit sich bringt. Bei diesem Ansatz gehören die ANOVA und die Regressionsanalyse zu den typischen statistischen Methoden, die auf empirische
3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle
111
Daten angewendet werden, um die kulturellen Muster von Emotionen aufzudecken. Die kulturellen Modelle des Selbst und der Beziehung, die in den folgenden Abschnitten beschrieben werden, sind Beispiele für diese Top-down-Methode. Die zweite würde ich die Bottom-up-Methode nennen. Die Forscher beginnen von unten – mit der Auswahl verfügbarer Erkenntnisse, empirischer Untersuchungen und der Beschreibung kulturtypischer emotionaler Muster – und gehen dann nach oben – zur theoretischen Erklärung der Frage, welche für ausgewählte Kulturen typischen kulturellen Dimensionen diese kulturspezifischen Emotionsmuster erklären können. Bei diesem Ansatz sind multidimensionale Skalierung, Faktorenanalyse und Clusteranalyse die typischen statistischen Methoden, die zur Aufdeckung kultureller Modelle eingesetzt werden. Die kulturellen Modelle von Schuld und Scham, die in den folgenden Abschnitten beschrieben werden, sind Beispiele für diese Bottom-up-Methode. Die beiden Methoden – Top-down und Bottom-up – schließen sich nicht gegenseitig aus und können innerhalb derselben Studie und desselben Forschungsdesigns verwendet werden, wenn die Forscher das Problem von zwei Seiten angehen: von oben und von unten. ulturelle Modelle von Emotionen auf der Grundlage kultureller und K sozialer Rahmenbedingungen Die Top-down-Methode zur Konstruktion von Emotionsmodellen basiert auf kulturellen und sozialen Dimensionen. Dies können die Modelle des Gefühlslebens in Kulturen mit unabhängigem Selbstkonzept und interdependentem Selbstkonzept sein, die Modelle der Emotionen in Kulturen mit hohem und niedrigem Kontakt, die Modelle der Emotionen in Kulturen mit starren und flexiblen Geschlechterrollen. Das Selbst- und Beziehungsmodell (Mesquita & Leu, 2007) ist das einzige Modell dieser Art, das bisher gut ausgearbeitet wurde. Jede der in den obigen Abschnitten (Kap. 2) vorgestellten kulturellen Dimensionen kann als Anker und Grundlage für die Konstruktion dieser Art von kulturellen Modellen dienen. Zu diesen Modellen, die die Dimensionen von Kulturen widerspiegeln, gehören 1. Individualistische und kollektivistische Modelle 2. Modelle von hohen und niedrigen Machtdistanzen 3. Die Modelle von Kulturen mit starren Geschlechterrollen und flexiblen Geschlechterrollen 4. Die Modelle der kontaktreichen und kontaktarmen Kulturen 5. Die Modelle der hohen Kontextdifferenzierung und der niedrigen Kontextdifferenzierung 6. Die Modelle der vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Zeitorientierung 7. Die Modelle des langsamen und des schnellen Tempos der Zeit 8. Die Modelle der Unsicherheitsvermeidung und der Unsicherheitsakzeptanz 9. Die traditionellen Modelle des Überlebens (biologisch und sozial) und die modernen Modelle der Selbstdarstellung 10. Die Modelle der geringen und der hohen relationalen Mobilität, usw.
112
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Grundsätzlich können alle kulturellen Dimensionen, die in den vorangegangenen Abschnitten oder in anderen Abschnitten behandelt wurden, als Grundlage für die Konstruktion eines kulturellen Modells dienen, wenn die Forscher über ausreichende theoretische und empirische Belege dafür verfügen, wie diese kulturellen Dimensionen mit den kulturellen Normen der Emotionen, dem emotionalen Erleben und Ausdruck der Menschen in einer bestimmten Kultur zusammenhängen. Auf diese Weise können viele kulturelle Dimensionen – nicht nur die traditionell und ausgiebig erforschten Individualismus und Kollektivismus oder die unabhängige und interdependente Selbstkonstruktion – als unabhängige Variablen für die Kon struktion eines kulturellen Modells der Emotionen dienen. Auch multidimensionale Modelle, die mehr als eine kulturelle Dimension umfassen, können entwickelt werden und zu komplexeren Modellen führen. In den Abschnitten des zweiten Kapitels habe ich die möglichen stückweisen Entwürfe solcher Kulturmodelle zusammengestellt. In jedem Abschnitt habe ich eine Kulturdimension definiert, die Gesellschaften beschrieben, die sich durch unterschiedliche Ausprägungen dieser Dimension auszeichnen, und dann theoretische und empirische Studien darüber ausgewertet, wie diese Kulturdimension die Muster des Gefühlslebens beeinflusst oder beeinflussen kann. Einige dieser Dimensionen sind umfassend untersucht worden, und daher gibt es zu ihnen eine Fülle von Fakten und Erkenntnissen über das Erleben und den Ausdruck von Emotionen, während die anderen viel weniger erforscht wurden. Hier besteht weiterer Forschungsbedarf. Die hohe Korrelation zwischen mehreren kulturellen Dimensionen ist eine weitere Komplikation bei der Konstruktion dieser Art von Kulturmodellen. Wie ich bereits erwähnt habe, korrelieren beispielsweise Individualismus und Kollektivismus sowie eine geringe und hohe Machtdistanz (sowie einige andere) in vielen Gesellschaften stark miteinander. Forscher haben traditionell viele Unterschiede in den emotionalen Mustern, die in einigen Ländern vorherrschen, mit den Normen individualistische und kollektivistischer Gesellschaften erklärt. Eine spätere Studie hat jedoch gezeigt, dass die Dimension der Machtdistanz für die Erklärung dieser kulturellen Unterschiede wichtiger ist. Der Ansatz der kulturellen Dimension zur Charakterisierung von Gesellschaften geht davon aus, dass eine bestimmte Dimension mehr oder weniger in allen Gesellschaften vorhanden ist. Bei der Konstruktion anderer kultureller Modelle von Emotionen unter Verwendung regionaler, nationaler, religiöser und sozioökonomischer Rahmenbedingungen ist dieser Ansatz jedoch nicht immer anwendbar. In einer Region oder Nation kann ein bestimmter Parameter vorhanden sein, während er in anderen nicht vorhanden ist. Und dies erklärt nur, warum die kulturspezifische Erfahrung oder der Ausdruck von Emotionen in dieser Kultur vorhanden ist. Zum Beispiel werden viele kulturelle Unterschiede in den Emotionen zwischen US-Amerikanern und Japanern mit Individualismus versus Kollektivismus, unabhängigem versus interdependentem Selbstkonzept erklärt. Einige kulturspezifische Muster des emotionalen Erlebens und Ausdrucks in Japan lassen sich jedoch eher durch den Einfluss des Zen-Buddhismus als durch die kulturelle Dimension des Kollektivismus erklären. Wie in den folgenden Abschnitten gezeigt wird, ist die mexikanische Kultur ebenfalls kol-
3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle
113
lektivistisch geprägt, aber die Mexikaner unterscheiden sich in ihren Mustern des Erlebens und Ausdrucks von Emotionen wesentlich von den Japanern. In ähnlicher Weise lassen sich die chinesischen Merkmale des emotionalen Erlebens und Ausdrucks eher durch den Einfluss des Konfuzianismus als durch ihre kollektivistische Natur erklären. Zen-Buddhismus und Konfuzianismus sind regionalspezifische Faktoren, aber keine kulturellen Dimensionen in ihrem traditionellen Verständnis. Geografische und ethnische Modelle Die Top-down-Methode zur Erstellung von Emotionsmodellen kann auch auf regionalen, nationalen, ethnischen, religiösen, sozioökonomischen oder städtischen und ländlichen Rahmenbedingungen der Bevölkerung basieren. Die möglichen Entwürfe dieser Modelle werden in den Abschnitten von Kap. 1 vorgestellt. Ein Forscher kann zum Beispiel die finnische und die japanische Gesellschaft als nationale Kulturen auswählen und ihre Ähnlichkeiten und Unterschiede anhand zahlreicher kultureller, gesellschaftlicher und lokaler Merkmale ihres Lebens umfassend untersuchen und beschreiben. Dies könnten finnische und japanische kulturelle Modelle von Emotionen sein. Dies wären zwei beschreibende Modelle, die miteinander verglichen und nicht in die globale Skala der kulturellen Dimensionen eingeordnet würden. Die religiösen Modelle von Emotionen können auf ähnliche Weise konstruiert werden, und zwar auf der Grundlage der religiösen Lehren über Emotionen sowie der Erfahrung und des Ausdrucks von Emotionen in verschiedenen Religionen oder Konfessionen. Kulturelle Modelle können groß und kulturübergreifend sein, z. B. östliche Kultur vs. westliche Kultur. Sie können regional sein, z. B. osteuropäische vs. westeuropäische Kulturmodelle. Sie können national sein, z. B. US-amerikanische und. Japanische Kulturmodelle. Kulturelle Modelle können emotionale Muster bestimmter ethnischer Gruppen innerhalb einer Kultur charakterisieren, z. B. afroamerikanische und chinesisch- amerikanische kulturelle Modelle. Letztere können die Merkmale eines allgemeinen US-amerikanischen Modells und eines typischen chinesischen ethnischen Modells der Liebe kombinieren. Das chinesisch-chinesische und das US-amerikanisch- chinesische Modell können sich unterscheiden, da sie gemeinsame Merkmale, aber auch einige Unterschiede aufweisen. Auch innerhalb eines Landes sind verschiedene Kombinationen von kulturell-ethnischen Gefühlsmodellen möglich. ulturelle Modelle von Emotionen auf der Grundlage K von Gesellschaftsmerkmalen Es ist erwähnenswert, dass es innerhalb von Kulturen geschlechts-, alters- und schichtspezifische Unterschiede im emotionalen Erleben und Ausdruck gibt. Allerdings gibt es bisher nicht viele Studien, die diese Variablen untersuchen (siehe für
114
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
einen kurzen Überblick Tsai & Clobert, 2019). Dennoch sind kulturelle Modelle von Emotionen, die diese kulturellen Untergruppen charakterisieren, möglich. Andere gesellschaftliche Dimensionen können die Grundlage für kulturelle Modelle von Emotionen sein. Diese könnten sein: (1) Die emotionalen Modelle von Kulturen mit niedrigem, mittlerem und hohem sozioökonomischem Status (2) Die Modelle traditioneller und modernisierter Gesellschaften (Modernisierung kann in diesem Fall sowohl als kulturelles als auch als gesellschaftliches Merkmal betrachtet werden) (3) Die Modelle der städtischen und ländlichen Kulturen (4) Die Modelle von Gesellschaften mit Gleichheit und Ungleichheit der Geschlechter (5) Das männliche und das weibliche Emotionsmodell (6) Die gesellschaftlichen Modelle der Emotionen Jugend, mittleres Alter und ältere Generationen Kulturelle Modelle, die auf typischen Gefühlsmustern basieren Die Bottom-up-Methode zur Erstellung von Emotionsmodellen kann auf den typischen Mustern emotionaler Erfahrungen und Ausdrücke beruhen. Die Komponenten dieser Muster können die Bedeutungen und kulturellen Normen von Emotionen, die Bewertungen von Ereignissen und Situationen, die Valenz und Intensität des emotionalen Erlebens, die Ausprägung, die Prävalenz oder der kulturelle Wert bestimmter Emotionen sowie die Qualität und Intensität des emotionalen Ausdrucks sein. Die Entwürfe dieser Modelle werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. der Bedeutung von Emotionen und Bewertungen sind dies beispielsweise die intrapersonellen und interaktiven Modelle von Emotionen, die Modelle von Emotionen, die durch kontrollierbare und unkontrollierbare Ereignisse ausgelöst werden, die Modelle von selbstbezogenen und beziehungsbezogenen Bewertungen. Je nach Intensität des emotionalen Erlebens handelt es sich um leidenschaftliche oder leidenschaftslose Modelle von Emotionen. Je nach der bevorzugten Valenz des emotionalen Erlebens handelt es sich um positive, negative oder ausgeglichene Modelle von Emotionen. Je nach Ausprägung bestimmter Emotionen handelt es sich dabei um kulturelle Modelle der Freude, des Stolzes, der Schuld, der Scham oder der Ehre. Ausgehend von den Normen und den tatsächlichen Formen des Gefühlsausdrucks handelt es sich um expressive oder nicht expressive kulturelle Modelle, um Modelle des direkten oder nicht direkten Ausdrucks von Gefühlen. Die Modelle der Emotionen können auch die kulturellen Normen der Emotionen (z. B. fokaler oder idealer Affekt) oder die realen Vorkommnisse des emotionalen Erlebens und Ausdrucks beschreiben.
3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle
115
In den folgenden Kapiteln habe ich die Daten und Ergebnisse zahlreicher Studien zusammengetragen, um die kulturtypischen Muster emotionaler Erfahrungen und Ausdrucksformen zu beschreiben und zu belegen. Diese Studien untersuchten auch die kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen, die mit diesen emotionalen Mustern verbunden sind, so dass die Bewegungen von unten nach oben erfolgen. Diese Studien werden auch in den Kap. 1 und 2 zitiert, wo der Topdown-Ansatz vorgestellt wird. Auf diese Weise verschmelzen beide Ansätze von verschiedenen Seiten her und schaffen eine umfassendere Beschreibung der kulturellen Modelle. Einige dieser Modelle können als fragmentarisch erscheinen und nur einen Teil des menschlichen Gefühlslebens abdecken. Daher können komplexere Modelle von Emotionen entstehen, wenn mehr als einer der oben aufgeführten Parameter einbezogen wird. Bei dieser Bottom-up-Methode zur Erstellung von Emotionsmodellen werden zunächst die typischen Emotionsmuster ermittelt, während die kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, die diese Muster des Gefühlslebens bestimmen, in einem zweiten Schritt untersucht werden. Vielfalt kultureller Muster des Gefühlslebens Forscher erforschen und identifizieren die Muster des Gefühlslebens auf der Grundlage verschiedener Komponenten, Bereiche und Kriterien des emotionalen Erlebens und Ausdrucks. Diese sind unter anderem • Vorstellungen von Emotionen im Allgemeinen und die Bedeutungen bestimmter Emotionen. Dieser Bereich der emotionalen Muster wurde in der Psycholinguistik und der Anthropologie eingehend erforscht, wobei beispielsweise die unterschiedlichen Bedeutungen und Einstellungen gegenüber Wut aufgezeigt wurden. • Kulturelle Normen für Emotionen (fokale Emotionen, erwünschte Emotionen, idealer Affekt). Dieser Bereich der emotionalen Muster wurde in der Soziologie und Kulturpsychologie eingehend erforscht, wobei beispielsweise Unterschiede zwischen solchen Normen in individualistischen und kollektivistischen Kulturen aufgezeigt wurden. • Bewertungen von Ereignissen und Situationen, die Emotionen hervorrufen. Dieser Bereich wurde vor allem in der Kulturpsychologie erforscht, die zum Beispiel gezeigt hat, dass das Ereignis als kontrollierbar oder unkontrollierbar, als ich- oder beziehungsorientiert bewertet werden kann. Dies sind die Bewertungsmuster, die in einigen Kulturen mehr oder weniger typisch sind. • Die bevorzugte und vorherrschende Valenz und Intensität des emotionalen Erlebens. Diese Bereiche wurden vor allem in der Psychologie und in der Kommunikationswissenschaft erforscht. Die Studien haben zum Beispiel gezeigt, dass das Erleben positiver Emotionen und eine hohe Intensität der Emotionen die beiden vorherrschenden und bevorzugten Muster des Gefühls-
116
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
lebens bei europäischen US-Amerikanern sind, während das Erleben ausgeglichener positiver und negativer Emotionen und eine niedrige Intensität der Emotionen die beiden vorherrschenden und bevorzugten Muster des Gefühlslebens bei Ostasiaten sind. • Die Qualität und Intensität des Gefühlsausdrucks. Die Studien haben gezeigt, dass Emotionen je nach Valenz, Art und kulturellem Wert auf unterschiedliche Weise ausgedrückt werden. So lassen sich beispielsweise zwei Muster des Gefühlsausdrucks unterscheiden: hochexpressiv (häufig und bevorzugt bei europä ischen US-Amerikanern) und niedrigexpressiv (häufig und bevorzugt bei Ostasiaten). • Repräsentativität und Rangfolge der Emotionen in Bezug auf ihren Wert oder ihre Prävalenz im emotionalen Erleben. Diese Aspekte der Muster wurden in verschiedenen Disziplinen, die sich mit Emotionen beschäftigen, untersucht. Diese Arten von Emotionsmustern sind durch die Emotionen gekennzeichnet, die mehr oder weniger repräsentativ, mehr oder weniger prototypisch für das kulturell normative oder reale Gefühlsleben der Menschen in einer Kultur sind. Manchmal sind sie so stark ausgeprägt, dass sie zu den zentralen Themen kultureller Modelle von Emotionen werden (Mesquita & Ellsworth, 2001; Mesquita & Frijda, 1992). Dazu gehören das kulturelle Muster des Stolzes, das kulturelle Muster der Ehre, das kulturelle Muster von Schuld und Scham. • Zusammensetzung der Elemente und die Art der Beziehungen zwischen den Elementen innerhalb eines kulturellen Modells. Die Beziehungen zwischen den Elementen in der Struktur können unterschiedlicher Art sein: deskriptiv, logisch, taxonomisch, propositional, Teil-Ganzes-Beziehungen, evaluativ, sequenziell, prozedural, kausal und so weiter (Bennardo, 2018a, b; de Munck, 2019). Diese strukturellen Muster von Emotionen beschreiben, wie viele Elemente und welche Arten von Elementen (Bedeutungen, Bewertungen, das Erleben einer Emotion, ihre Valenz, Intensität, Kraft, der Ausdruck einer Emotion usw.) enthalten sind und wie nah oder entfernt die Elemente voneinander sind. Sie können sequenzielle und zeitliche Beziehungen zwischen den Elementen beschreiben. Die Untersuchung und Beschreibung dieser und anderer Muster von Emotionen innerhalb bestimmter kultureller, geografischer Regionen und Länder, ethnischer oder gesellschaftlicher Gruppen kann westeuropäische, nordeuropäische, ostasiatische, nahöstliche, europäisch-amerikanische, deutsche, französische, griechische, chinesische und japanische nationale Modelle oder kulturelle Modelle von Emotionen der Samoaner, Tonganer, Utku-Eskimos sowie viele andere hervorbringen. Einige kulturelle Dimensionen und die Dimensionen der Emotionen können in bestimmten kulturellen Gruppen und Gesellschaften hervorstechend sein, in anderen jedoch nicht, während andere gedämpft sein können.
3.1 Theorien und Beispiele für kulturelle Modelle
117
ulturelle Modelle der Realität normativer Emotionen, des emotionalen K Erlebens und des Ausdrucks Kulturelle Modelle von Emotionen können jedoch auf unterschiedliche Weise existieren. Genauso wie Morris und seine Kollegen (2015) der Ansicht sind, dass kulturelle Normen in verschiedenen Realitäten existieren können, sollten wir zugeben, dass kulturelle Modelle von Emotionen auch verschiedene Aspekte der normativen Realität darstellen können. Insbesondere werden kulturelle Modelle (ebenso wie die Normen) in einer Kultur als institutionalisierte Praktiken, Regeln, Sanktionsmuster und Verhaltensregelmäßigkeiten dargestellt – als objektives kulturelles Umfeld. Darüber hinaus können kulturelle Modelle von Emotionen subjektive Wahrnehmungen, Annahmen und individuelle Erwartungen widerspiegeln, und zwar in Form von wahrgenommenen beschreibenden Normen (Interpretationsrahmen, die bestimmen, wie Menschen die Normen ihrer Gesellschaft wahrnehmen), wahrgenommenen injunktiven Normen (Verhaltensmuster, die soziale Zustimmung oder Missbilligung hervorrufen) und persönlichen Normen (Selbsterwartungen). Die Unterscheidung all dieser Arten von kulturellen Modellen von Emotionen ist aus methodischer Sicht wichtig, um die Ergebnisse verschiedener Studien vergleichbar zu machen. Kulturelle Modelle können ein ideales Modell – wie es idealerweise sein sollte – oder ein reales Modell – wie es in der Realität des täglichen Lebens ist – darstellen. So entdeckte der Kulturanthropologe (Swidler, 2002), dass die romantische Liebe als ideales Modell der Liebe junge Männer und Frauen bei ihrer Suche nach dem Seelenpartner fürs Leben inspiriert und motiviert. Sie macht romantische Beziehungen zwischen Männern und Frauen lebendig und attraktiv. Sie gibt Männern und Frauen Hoffnung auf die Möglichkeit der persönlichen Veränderung und Entwicklung des Partners. Im wirklichen Leben neigen sie jedoch dazu, praktische Aspekte der Liebe zu bevorzugen und einen Partner für Paarungszwecke zu schätzen. Die Unterscheidung zwischen tatsächlichem und idealem Affekt (Tsai, 2007; Tsai et al., 2006) ist in diesem Zusammenhang wichtig. Die Untersuchung des tatsächlichen Affekts konzentriert sich auf das tatsächliche Erleben von Emotionen durch Menschen als Reaktion auf eine bestimmte Situation oder im Allgemeinen. Tatsächlicher Affekt setzt die Bewertung von Emotionen als positiv oder negativ voraus. Im Gegensatz dazu geht der ideale Affekt davon aus, dass Individuen in einer Gesellschaft idealerweise bestimmte Emotionen auf eine bestimmte Art und Weise empfinden wollen, die für andere wünschenswert ist. Der ideale Affekt funktioniert wie Normen des emotionalen Erlebens, mit einigen Unterschieden, die diese auszeichnen. Mit dem Affektbewertungsindex (AVI) können sowohl der tatsächliche als auch der ideale Affekt bewertet werden (Tsai et al., 2006). Zur Bewertung des tatsächlichen Affekts werden die Teilnehmer mit dem AVI gebeten, zu bewerten, wie oft sie bestimmte Emotionen tatsächlich empfinden. Zur Erfassung des idealen Affekts werden die Teilnehmer gebeten, einzuschätzen, wie oft sie idealerweise eine Reihe von Zuständen empfinden würden. Ich möchte diese methodische Unterscheidung für zukünftige Studien über kulturelle Modelle von Emotionen hervorheben.
118
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle 3.2.1 Kategorialer Ansatz für die Untersuchung von Emotionen Kategoriales Paradigma in der Emotionsforschung Bei der kulturübergreifenden Erforschung von Emotionen haben zwei Hauptansätze dominiert: kategoriale und dimensionale. In diesem und den folgenden Abschnitten gehe ich auf ihre Beiträge zur Konstruktion von kulturellen Modellen des Gefühlslebens ein. Diese beiden Ansätze ergänzen sich gegenseitig in ihrer Strukturierung des Gefühlslebens. Forscher, die im kategorialen Paradigma arbeiten, konzeptualisieren Emotionen als voneinander getrennte Kategorien, die durch bestimmte physiologische und neuronale Merkmale, spezifische subjektive Erfahrungen und durch Verhaltens- und Gesichtsausdrücke beschrieben werden können. Emotionen sind vielschichtige Einheiten. Beim kategorialen Ansatz zur Untersuchung von Emotionen haben beschreibende und qualitative Methoden Vorrang vor vergleichenden und quantitativen Methoden. Emotionen können in einer prototypischen, rangmäßigen oder hierarchischen Struktur organisiert werden. Sie können nach Valenz (positiv versus negativ) oder Intensität (Erregung) geordnet werden. Somit kann dieser Ansatz die Elemente der ersten Dimension enthalten. Theorien und Forschung über grundlegende Emotionen Die Theorien und Forschungen zu den Basisemotionen stellen einen kategorialen Ansatz für die Untersuchung von Emotionen dar. Der kategoriale Ansatz geht davon aus, dass das Gefühlsleben aus einer Reihe diskreter Emotionen besteht, die sich hinsichtlich ihrer Vorgeschichte, ihrer physiologischen Prozesse, ihrer emotionalen Erfahrung und ihres Verhaltensausdrucks qualitativ voneinander unterscheiden (z. B. Ekman, 1999; Oatley & Johnson-Laird, 1990). Es wird davon ausgegangen, dass eine bestimmte Anzahl diskreter Emotionen und deren Mischungen ein vielfältiges Spektrum menschlicher Emotionen beschreiben. Die Theorien gehen davon aus, dass sich die Grundemotionen qualitativ voneinander unterscheiden. Sie haben separate, spezifische und einzigartige Reaktionsmuster in physiologischen und neuronalen Systemen, im subjektiven Erleben, im Verhalten und im Gesichtsausdruck (Collet et al., 1997; Ekman, 1972). Die Anzahl der Basisemotionen variiert von einer Theorie zur anderen. Ekman (1972, 1992) schlug sechs Grundemotionen vor (Wut, Ekel, Angst, Freude, Traurigkeit und Überraschung), Plutchik (Plutchik, 2001; Plutchik et al., 1979) schlug acht vor (Freude-Trauer, Wut-Angst, Vertrauen-Misstrauen, Überraschung-Erwartung), Izard (1977, 1992, 2007) identifizierte zehn, Jack und Kollegen (Jack et al., 2016)
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
119
erkannten vier irreduzible Emotionen (Glück, Traurigkeit, Wut und Angst). Diese Erkenntnisse basierten in der Regel auf experimenteller Forschung zum Gesichtsausdruck von Emotionen. Kulturübergreifende Studien dieses Ansatzes versuchen zu untersuchen, ob bestimmte Emotionen (z. B. Wut, Schuld, Scham) von Menschen in verschiedenen Kulturen erlebt werden oder adäquat erkannt werden können. So folgten Jack et al. (2016) der klassischen Methodik des experimentellen Designs, um Gesichtsausdrücke von Emotionen unabhängig von soziokulturellen Einflüssen zu untersuchen. Als die Autoren die Gesichtsausdrücke von 60 Emotionen in zwei Kulturen modellierten, stellten sie fest, dass die vier latenten Gesichtsausdrucksmuster, die in beiden Kulturen üblich sind, über 60 kulturübergreifend gültige Gesichtsausdrücke ergeben. Somit bilden die einfachen Ausdrucksmuster die Grundlage für komplexere Gesichtsausdrücke. Einige Emotionen werden mit der gleichen Gesichtsreaktion dargestellt. So stellte sich beispielsweise heraus, dass bei Überraschung und Angst dieselben Gesichtsmuskeln zum Einsatz kommen, so dass sie eher eine als zwei Emotionen darstellen können. Ähnliches fanden die Forscher für einige andere Emotionen heraus (Ekel und Wut oder Erregung und Schock). Grundlegende Emotionen in verschiedenen Kulturen Diese Basisemotionen sind kulturübergreifend universell und können in Bezug auf Bedeutung, Erfahrung, Ausdruck und Anerkennung kulturübergreifend verglichen werden (Ekman, 1992, 1999). Freude, Überraschung, Traurigkeit, Ekel, Angst und Wut sind häufige, diskrete Emotionen, die in der kulturübergreifenden Forschung weithin anerkannt sind. Kulturübergreifende Studien haben gezeigt, dass Menschen in vielen gebildeten und vorgebildeten Gesellschaften in der Lage sind, Gesichtsausdrücke dieser grundlegenden Emotionen zu zeigen und zu erkennen (z. B. Ekman et al., 1969; Izard, 1971) sowie nonverbale emotionale Äußerungen (z. B. Lachen und Schreie) zu erkennen, die diese Emotionen ausdrücken (Sauter et al., 2010). Der kategoriale Ansatz betrachtet Emotionen als eine Frage der An- oder Abwesenheit in einer Kultur. Typische Beispiele für diesen methodischen Ansatz sind das Vorhandensein oder Fehlen von Wörtern für eine Emotion in einer Kultur (wie in der kognitiven Linguistik), die Fähigkeit von Menschen, eine Emotion im Gesichtsausdruck zu erkennen (wie in der experimentellen Psychologie), und das Aufspüren separater neuronaler Systeme, die an der Erfahrung grundlegender Emotionen beteiligt sind. Bei einem kategorialen Ansatz geht es um die Frage, ob Menschen in einer Kultur z. B. eine kategorische Emotion, nämlich Schuld, empfinden oder nicht. Grundlegende und komplexe Emotionen Eine grundlegende Prämisse des Konzepts der Basisemotionen ist, dass diese Emotionen als Bausteine für komplexe Emotionen (z. B. Verlegenheit, Ekel, Neid, Scham, Schuld, Eifersucht, Dankbarkeit, Stolz) dienen, die Mischungen der Basisemotionen sind. In der Theorie von Ekman beispielsweise entsteht aus der Mischung von Wut
120
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
und Ekel die komplexe Emotion der Verachtung, während sich Wut, Angst und Ekel zu Hass verbinden. Die Versuche, eine umfassende Theorie zu konstruieren und empirische Forschung nach dieser konzeptionellen Idee durchzuführen, waren mäßig erfolgreich. Es ist bisher nicht vollständig gelungen. Es scheint eine Herausforderung zu sein, die vielen komplexen Emotionen in die grundlegenden Emotionen zu zerlegen. Ähnlich wie in Plutchiks Theorie mischen sich acht Grundemotionen miteinander wie die Farbtöne in einem Farbkreis. Die emotionalen „Grundfarben“ verschmelzen zu komplementären und sekundären emotionalen „Farben“. Nach dieser Theorie ist Optimismus ein Ergebnis von Vorfreude und Freude, während Ehrfurcht eine Mischung aus Angst und Überraschung ist. Struktur der Basisemotionen Basisemotionen können auch die zentralen Punkte im Layout sein, das die Struktur von Emotionen beschreibt, wobei jede Basisemotion als zentrale und prototypische Bezeichnung für eine Reihe ähnlicher Emotionen dient (Harmon-Jones et al., 2017). Als beispielsweise in einer Studie (Shaver et al., 1987) Teilnehmer gebeten wurden, die Emotionswörter „Bitterkeit“, „Irritation“, „Frustration“ und „Wut“ zu sortieren, gruppierten sie diese semantisch nahe beieinander mit dem zugrunde liegenden Prototyp „Ärger“. Auf die gleiche Weise fanden Shaver und Kollegen (Alonso-Arbiol et al., 2006; Shaver et al., 1987, 1992, 1996, 2001) bei der Verwendung des Emotionslexikons der englischen, italienischen, baskischen und indonesischen Sprache heraus, dass die Wörter der emotionalen Domäne in diesen kulturellen Kontexten um mehrere Basisemotionen strukturiert sind. Die Wörter der Grundemotionen sind die zentralen Punkte, während andere Emotionswörter ähnliche, aber unterschiedliche Bedeutungen vermitteln. ulturelle Modelle auf der Grundlage eines kategorialen Ansatzes K für Emotionen Nach dem kategorialen Ansatz können verschiedene Arten von kulturellen Modellen von Emotionen konstruiert werden. Eine Art von Modellen basiert auf allgemeinen kulturellen Konzepten von Emotionen, die sich aus philosophischen kulturellen Traditionen entwickelt haben. Beispiele für solche Modelle werden in den folgenden Abschnitten vorgestellt. Dazu gehören (1) intrapersonale, interpersonale, interaktive und objektivierte Modelle, (2) dualistische und monistische Modelle. Andere Arten von Modellen beschreiben Ähnlichkeiten und Unterschiede in der kulturellen Bedeutung einer bestimmten Emotion. Die in den folgenden Abschnitten beschriebenen kulturellen Modelle von Ärger und Glück können als Beispiele dienen. Andere Modelle beschreiben den Stellenwert einer bestimmten Emotion unter anderen in einer bestimmten Kultur. Die kulturellen Modelle von Ehre, Scham und Schuld, die in den folgenden Abschnitten beschrieben werden, können als Beispiele dienen.
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
121
Die Studien mit kategorialem Ansatz können Emotionen auch nach den vorgeschlagenen Merkmalen klassifizieren: affektive Valenz, motivationale Richtung und Erregung. Daher können einige dieser kulturellen Modelle sowohl kategoriale als auch dimensionale Ansätze verwenden.
3.2.2 Das Emotionslexikonals Quelle des Wissens über kulturelle Modelle von Emotionen Kulturelle Modelle, die auf einem kategorialen Ansatz beruhen, sind in der Psycholinguistik (z. B. Athanasiadou & Tabakowska, 1998; Goddard, 1995; Kövecses, 2000, 2002; Wierzbicka, 1992, 1999) und der Kulturanthropologie (z. B. Abu- Lughod, 1986/2000; Briggs, 1970; Levy, 1973; Lutz, 1982, 1988; Potter, 1988) durchaus üblich. Viele Forscher verwenden Emotionswörter, um das Gefühlserleben der Menschen zu verstehen. Sie verwenden Emotionswörter in ihren Experimenten und Umfragen als unabhängige Variablen (Stimuli) oder als abhängige Variablen (Verhaltensentscheidungen). In der westlichen Wissenschaft werden traditionell seit langem englische, französische und deutsche Wörter zur Kategorisierung und Beschreibung von Emotionen im interkulturellen Vergleich verwendet (Lutz, 1988; Russell, 1991). Die Lexika der Emotionen in den verschiedenen Sprachen sind in ihren Bedeutungen recht ähnlich. Die Forscher übersetzten also einfach die ursprünglichen, sagen wir englischen, Emotionsbegriffe in andere Sprachen und versicherten sich der Angemessenheit der Rückübersetzung. Die Emotionswörter in diesen Sprachen sind jedoch möglicherweise nicht die repräsentativsten für den Emotionsbereich in anderen Kulturen (Russell, 1991). Die Klassifizierung von Emotionen und der Wortschatz sind immer noch unterschiedlich. Und es ist schwierig, die genaue Bedeutung von Emotionswörtern in andere Sprachen zu übertragen (Goddard, 1997; Wierzbicka, 1999). Einige englische Wörter für Emotionen haben keine Entsprechung in anderen Sprachen und umgekehrt (Wierzbicka, 1986, 1999). Zum Beispiel haben die in ihren Kulturen häufig verwendeten Emotionswörter wie Schadenfreude im Deutschen (Boecker et al., 2015; Leach et al., 2003, 2015), saudade im Portugiesischen (Farrell, 2006; Neto & Mullet, 2014; Silva, 2012), amae im Japanischen (Morsbach & Tyler, 1986; Niiya et al., 2006; Yamaguchi, 2004), dapdaphada und uulhada im Koreanischen (Schmidt-Atzert & Park, 1999) keine Entsprechung im Englischen. Man könnte argumentieren, dass die kulturübergreifende Analyse des Emotionslexikons zwar für die Linguistik wertvoll ist, aber möglicherweise nicht die Realität des Gefühlslebens in den verschiedenen Kulturen widerspiegelt. Dennoch gehen viele psycholinguistische und psychologische Studien davon aus, dass der emotionale Wortschatz im Wesentlichen die zugrunde liegenden emotionalen Phänomene widerspiegelt (z. B. Kövecses, 2000, 2002; Wierzbicka, 1992, 1999). Wierzbicka (1999) kommt zu dem Schluss, dass die vorherrschenden Emotionswörter im Allge-
122
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
meinen mit gesellschaftlichen Werten und kulturellen Modellen von Emotionen verbunden sind, zumindest in ihren historischen Ursprüngen. Diese Assoziationen sind jedoch nicht einfach und direkt. Wie die Forschung gezeigt hat, bedeuten die Unterschiede im Emotionslexikon zwischen den Kulturen nicht unbedingt, dass die damit verbundenen Emotionsprozesse ebenfalls unterschiedlich sind (z. B. Breugelmans & Poortinga, 2006; Frijda et al., 1995; Russell, 1991; Sabini & Silver, 2005). Die universalistische Orientierung in der Emotionsforschung geht davon aus, dass trotz einiger Unterschiede im Emotionslexikon Emotionsprozesse in allen Kulturen ähnlich sind (z. B. Ekman, 1994; Scherer & Wallbott, 1994). Dieselben emotionalen Phänomene und Erfahrungen können auf verschiedene verbale und nonverbale Weise ausgedrückt werden.
3.2.3 Dimensionale Herangehensweise an die Untersuchung von Emotionen Was ist ein dimensionales Paradigma? Forscher, die im dimensionalen Paradigma arbeiten, betrachten Emotionen als Fragmente emotionaler Erfahrung, die aneinandergrenzen oder sich überschneiden können. Emotionen sind die Facetten des subjektiven Erlebens, die in einer Struktur um eine bestimmte Anzahl von Dimensionen herum beschrieben und angeordnet werden. Die Forscher konzeptualisieren Emotionen anhand dieser zugrundeliegenden Dimensionen, die vermutlich allen Emotionen gemeinsam sind, sich aber im Grad ihrer Präsenz unterscheiden. Dieser Ansatz legt auch nahe, dass alle Emotionen eine gemeinsame und miteinander verknüpfte neurophysiologische Grundlage haben. Wie in den folgenden Abschnitten zu sehen ist, haben die Theorien und die empirische Forschung eine Vielzahl von emotionalen Dimensionen ermittelt. Die beiden Dimensionen Valenz (Angenehmheit, hedonischer Ton) und Intensität (Erregung) sind – mit einer gewissen Variation der Terminologie in den verschiedenen Theorien – weit verbreitet. Einige Wissenschaftler haben Dimensionen wie Bewertung/Angenehmheit, Potenz-Kontrolle, Aktivierung-Erregung und Unvorhersehbarkeit entdeckt. Andere haben Dominanz als eine wichtige Dimension erkannt. Bei der tieferen Erforschung der Dimensionalität positiver Emotionen wurden Dimensionen wie Absorption, Potenz, Altruismus und Spiritualität erkannt (Argyle & Crossland, 1987). Die Untersuchung komplexerer Emotionen führte zu komplexeren Klassifizierungen von Emotionen (siehe die folgenden Kapitel). Zweidimensionale Theorien der Emotionen Beim dimensionalen Ansatz werden Bewertungen, emotionales Erleben und emotionaler Ausdruck in einem psychometrischen Raum dargestellt, der um bestimmte Dimensionen herum angeordnet ist. Seit mehreren Jahrzehnten erforschen Emoti-
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
123
onswissenschaftler die Dimensionen, die ausreichen können, um verschiedene emotionale Erfahrungen zu beschreiben. Der zweidimensionale psychometrische Raum, der Valenz (Angenehmheit) und Intensität (Erregung) einschließt, ist der beliebteste und am häufigsten verwendete. Das ist verständlich, denn der zweidimensionale psychometrische Raum ist einfacher zu verstehen. Er lässt sich leicht im zweidimensionalen physischen Raum darstellen und vorstellen. Einige Forscher haben drei oder vier Dimensionen vorgeschlagen. Einige dieser dimensionalen Modelle von Emotionen sind in kulturübergreifenden Stichproben validiert worden. Lassen Sie uns diese und andere Beispiele für dimensionale Modelle von Emotionen kurz zusammenfassen. Der zweidimensionale Raum ist die weit verbreitete dimensionale Struktur des emotionalen Erlebens. Verschiedene Emotionen nehmen unterschiedliche Positionen ein, je nachdem, wie die zugrunde liegenden Dimensionen gemessen werden (z. B. Russell, 1980; Russell & Feldman Barrett, 1999; Watson, 2000). Die Forscher können die Natur dieser beiden Dimensionen unterschiedlich interpretieren. Einige Forscher definieren diese Dimensionen als positiven Affekt und negativen Affekt (z. B. Watson, 2000; Watson & Tellegen, 1985), andere als Angenehmheit- Unangenehmheit und Erregung-Schläfrigkeit (Russell, 1980, 2003). Nichtsdestotrotz sind die Dimensionen in diesen beiden Theorien mehr oder weniger gleichwertig. Ihre Paare sind gedrehte Versionen des jeweils anderen (Russell & Feldman Barrett, 1999; Watson, 2000). Das Cirkumplexe- Emotionsmodell ist ein Beispiel für einen dimensionalen Ansatz (Feldman Barrett & Russell, 1998; Russell, 1980; Russell & Feldman Barrett, 1999). Dieses Modell geht von zwei Dimensionen aus – Valenz und Erregung –, die in einem kreisförmigen Raum angeordnet sind, in dem die Emotionen verteilt sind. Die horizontale Achse steht für die Valenz, die vertikale Achse für die Erregung, und die Kreuzung dieser Linien bedeutet eine neutrale Valenz und ein mittleres Erregungsniveau. Emotionen werden in diesem zweidimensionalen Raum entsprechend ihrem Valenz- und Erregungsniveau dargestellt. Zum Beispiel hat Stolz eine hohe Annehmlichkeit und hohe Erregung, Traurigkeit eine niedrige Annehmlichkeit und niedrige Erregung, Wut eine niedrige Annehmlichkeit und hohe Erregung. Eine weitere dimensionale Theorie wird in dem Modell der positiven Aktivierung- negativen Aktivierung (PANA) beschrieben. Es besagt, dass positiver und negativer Affekt zwei getrennte und relativ unabhängige Dimensionen sind. Die horizontale Achse steht für niedrigen bis hohen negativen Affekt und die vertikale Achse für niedrigen bis hohen positiven Affekt (Watson & Tellegen, 1985; Watson et al., 1999, siehe auch Rubin & Talarico, 2009). Das PANA-Modell kann (siehe Watson & Tellegen, 1985) als eine 45-Grad-Drehung des Cirkumplexmodells betrachtet werden, das durch zwei Hauptachsen definiert ist. Nach einer anderen dimensionalen Theorie, dem Vektormodell der Emotionen (Bradley et al., 1992), bestimmen zwei Variablen – eine Dimension der Erregung und eine binäre Wahl der Valenz – zwei Vektoren, die bei null Erregung und neutraler Valenz beginnen und als gerade Linien verlaufen. Einer verläuft in Richtung der positiven Valenz, der andere in Richtung der negativen Valenz.
124
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Dreidimensionale Theorien der Emotionen Plutchiks Theorie (Plutchik, 2001; Plutchik et al., 1979), die oben als kategorisch beschrieben wurde, kann auch als dreidimensionales Emotionsmodell betrachtet werden. Es kombiniert die Merkmale sowohl des kategorialen als auch des dimensionalen Ansatzes. Emotionen werden in konzentrischen Kreisen abgebildet. Die inneren Kreise stehen für grundlegende, die äußeren Kreise für komplexe Emotionen. Die inneren Kreise der Emotionen verschmelzen zu den äußeren Kreisen der Emotionen. Emotionale Wörter werden auf der Grundlage ihrer Ähnlichkeit in diesen Raum eingezeichnet. Die Emotionen, die in unterschiedlicher Intensität auftreten, werden zu emotionalen „Dyaden“ von Emotionen kombiniert. Ein weiteres Beispiel für einen dimensionalen Ansatz ist das PAD-Modell des emotionalen Zustands (Mehrabian, 1996), das drei Dimensionen zur Darstellung von Emotionen vorschlägt: Vergnügen, Erregung und Dominanz. Die Dimension „Freude-Unlust“ beschreibt, wie angenehm eine Emotion ist. Die Dimension Erregung-Nicht-Erregung charakterisiert die Intensität der Emotion. Die Dimension Dominanz-Unterwürfigkeit charakterisiert die Kontrollfunktion der Emotion. Auf der Grundlage umfangreicher Studien zu semantischen Differentialen schlugen Osgood und seine Kollegen (Osgood et al., 1975) drei Rahmenbedingungen für affektive Bedeutungen vor: Bewertung (wie „gut/schlecht“), Potenz (wie „stark/ schwach“) und Aktivität (wie „passiv/aktiv“) und stellten fest, dass sie kulturübergreifend universell sind. Spätere Studien bestätigten die kulturübergreifende Gültigkeit dieser Emotionsdimensionen. MacKinnon und Keating (1989) fanden die Anwendbarkeit dieser drei Dimensionen des semantischen Differentials für den Vergleich der Emotionsstruktur von Kanadiern und US-Amerikanern. Shaver und Kollegen (Alonso-Arbiol et al., 2006; Shaver et al., 1987, 1992, 1996, 2001) konnten Bewertung, Potenz und Aktivität als kulturübergreifend ähnliche Dimensionen von Emotionen in vier Sprachen (Englisch, Italienisch, Baskisch und Indonesisch) identifizieren. Vierdimensionale Strukturen von Emotionen Auf der Grundlage eines theoretisch orientierten Ansatzes haben Fontaine, Scherer und Kollegen (Fontaine et al., 2007) eine vierdimensionale Struktur des Gefühlslebens aufgezeigt. Sie untersuchten „die sechs Komponenten von Emotionen: (a) Bewertungen von Ereignissen, (b) psychophysiologische Veränderungen, (c) motorische Ausdrücke, (d) Handlungstendenzen, (e) subjektive Erfahrungen und (f) Emotionsregulation“ (Fontaine et al., 2007, S. 1050) in englischer, niederländischer und französischer Sprache. Die Autoren fanden heraus, dass 144 Merkmale von Emotionen auf 24 Emotionsbegriffe anwendbar sind und Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Bedeutung von Emotionswörtern in diesen drei Sprachen in vier Dimensionen zufriedenstellend darstellen können. In der Reihenfolge ihrer Bedeutung sind dies Bewertung/Unangenehmheit, Potenz-Kontrolle, Aktivierung/Erregung und Unvorhersehbarkeit.
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
125
Die Prototypentheorie der Emotionen Der prototypische methodische Ansatz zur Untersuchung von Emotionen stellt die Konvergenz von kategorialen und dimensionalen Paradigmen dar. Er ist kategorisch, weil er Emotionen oder emotionale Episoden als Analyseeinheiten behandelt, ohne sie weiter zu zerlegen. Er ist dimensional, weil er diese Einheiten in einer Rangfolge und Struktur anordnet. In der prototypischen Theorie und der empirischen Forschung (Fehr & Russell, 1984; Russell & Feldman Barrett, 1999) werden die Emotionen (z. B. Freude, Überraschung, Wut, Angst) oder emotionale Episoden (komplexe Prozesse und Teilereignisse, die Emotionen im Laufe der Zeit entfalten) als mehr oder weniger repräsentative (prototypische) Mitglieder der Familie der Emotionen betrachtet. Das Konzept der Emotionen hat eine interne Struktur, in der sich die verschiedenen Arten von Emotionen voneinander unterscheiden, je nachdem, wie nahe sie dem Familienoberhaupt, das als Emotion bezeichnet wird, stehen. Diese Emotionen haben unscharfe, aber nicht eindeutige Grenzen, die sie voneinander abgrenzen. In Anlehnung an die Prototyp-Perspektive fanden Forscher heraus, dass die Emotionen Glück, Respekt, Ehrfurcht, Liebe, Angst, Neid, Wut und andere Kategorien von Emotionen ihre Beziehungen als Mitglieder der Emotionsfamilie darstellen. Menschen sind in der Lage, sie von schlechteren zu besseren Beispielen für Emotionen zu ordnen, von den prototypischsten zu den peripheren Emotionen (Fehr & Russell, 1984; Russell, 1991; Russell & Feldman Barrett, 1999). Es ist zu beachten, dass in diesem Forschungsdesign jede einzelne Emotion in prototypischen Beziehungen der Nähe zum Begriff der Emotion eingeordnet wird. Die Beziehung zwischen den einzelnen Emotionen zueinander ist nicht Gegenstand der direkten Untersuchung. Nach dieser prototypischen Sichtweise können Forscher jedoch eine solche Prototyp-Analyse verwenden, um die prototypischen Beziehungen zwischen so spezifischen Emotionen wie Angst, Wut, Liebe und Engagement mit anderen zu untersuchen (z. B. Fehr, 1988; Fehr & Russell, 1991; Russell & Fehr, 1994). Vergleich im dimensionalen Ansatz Der dimensionale Ansatz betrachtet Emotionen als eine Frage des Ausmaßes (nicht des Vorhandenseins oder der Abwesenheit wie beim kategorialen Ansatz), als eine Frage der zugrunde liegenden Dimensionen und Assoziationen, die die Emotion in einer Kultur hat. Ein dimensionaler Ansatz, z. B. die Verwendung mehrerer Merkmale aus verschiedenen Emotionskomponenten, kann für die Untersuchung der Ähnlichkeit und Unterschiedlichkeit von Emotionsprozessen in verschiedenen Kulturen geeignet sein (Mesquita et al., 1997). Dieser Ansatz kann anstelle des Vergleichs kategorischer Emotionsbezeichnungen von Vorteil sein, insbesondere bei der Erforschung von Emotionen, für die es in einer Kultur keine Worte gibt (Breugelmans & Poortinga, 2006).
126
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Forscher, die einen dimensionalen Ansatz verfolgen, messen Emotionen anhand einer Reihe von Merkmalen (Dimensionen) zu verschiedenen Emotionskomponenten. Als Stimuli wurden in den Studien Körperempfindungen (Breugelmans et al., 2005; Scherer & Wallbott, 1994), kognitive Bewertungen (Roseman et al., 1996; Scherer, 1997a, b) und Handlungstendenzen (Frijda et al., 1989) verwendet. Dieser Ansatz ermöglicht den Vergleich von Emotionsprozessen zwischen verschiedenen Kulturen, selbst wenn sich das Emotionslexikon unterscheidet (Frijda et al., 1995). Außerdem sind kulturübergreifende Studien durch die Verwendung mehrerer Indikatoren zur Messung von Emotionen im Vergleich zur Messung mit einem einzigen Item weniger anfällig für kulturelle Verzerrungen (Fontaine et al., 2002). Ausgehend von einem dimensionalen Ansatz ist eine interessante Forschungsfrage, ob Emotionsmerkmale, die mit einer Schuldkategorie assoziiert werden, bei Menschen in einer Kultur in ähnlicher Weise vorkommen und sich von Merkmalen der Scham unterscheiden. Nach dem dimensionalen Ansatz baten Forscher (Breugelmans & Poortinga, 2006) beispielsweise Teilnehmer in zwei ländlichen, kulturell unterschiedlichen Stichproben, die Emotionen Scham und Schuld anhand von 29 beschreibenden Merkmalen (Dimensionen) zu beschreiben. Die Menschen in diesen beiden Kulturen waren in der Lage, diese beiden Emotionen zu unterscheiden, obwohl das Lexikon in einer Kultur (die Rarámuri-Indianer in Mexiko) ein und dasselbe Wort für Schuld und Scham verwendet, während in einer anderen Kultur (Javaner) zwei verschiedene Wörter verwendet werden. ulturelle Modelle auf der Grundlage des dimensionalen Ansatzes K für Emotionen Der dimensionale Ansatz für Emotionen ermöglicht die Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen auf der Grundlage verschiedener Dimensionen der Bewertung, des emotionalen Erlebens und des Ausdrucks. Die Messung, annähernde Messung oder Quasimessung ausgewählter emotionaler Dimensionen dient als Kriterium für solche Modelle. So ist beispielsweise die kulturelle Einstellung zur Regulierung von Emotionen von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Einige Gesellschaften befürworten das freie Erleben und den offenen Ausdruck von Emotionen, während andere vorschlagen, das Erleben und den Ausdruck von Emotionen zu kontrollieren und sogar zu unterdrücken. In der Folge können kulturelle Modelle der Emotionsregulation entwickelt werden. Die Ergebnisse der Studien, die solche Modelle unterstützen, werden in den folgenden Kapiteln vorgestellt. Die kulturelle Dimension „locus of control“, bei der Emotionen von einer Person, die ein Ereignis in ihrem Leben bewertet, als kontrollierbar oder unkontrollierbar angesehen werden, bildet das Kriterium für eine weitere Typologie von Modellen. Die in den folgenden Abschnitten vorgestellten Studien liefern empirische Belege dafür, dass diese Modelle auf den Vergleich von Kulturen anwendbar sind. Die Dimension der Intensität des emotionalen Erlebens erlaubt es, die Kulturen nach leidenschaftlichen und leidenschaftslosen Modellen von Emotionen zu katego-
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
127
risieren. Die kulturübergreifende Forschung, die in den folgenden Abschnitten ausführlich dargestellt wird, liefert überzeugende Ergebnisse, die diese Einteilung der Modelle unterstützen. Was den Ausdruck von Emotionen betrifft, so legen zahlreiche Studien in der Psychologie und der Kommunikationsforschung nahe, dass es wichtig ist, zwischen expressiven und nicht expressiven kulturellen Modellen von Emotionen zu unterscheiden, sowie zwischen solchen, die zum direkten und indirekten Ausdruck von Emotionen neigen.
3.2.4 Konzeptuelle Äquivalenz von emotionalen Konstrukten in verschiedenen Kulturen Konzept der kulturübergreifenden Äquivalenz Bei der Erforschung und Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen muss sichergestellt werden, dass die in verschiedenen kulturellen Stichproben erzielten Ergebnisse gleichwertig sind. Das Konzept der Äquivalenz beschreibt, ob es angemessen ist, die mit einem Messinstrument in verschiedenen Stichproben erzielten Ergebnisse zu vergleichen (Fontaine, 2004; Van de Vijver & Tanzer, 2004). Die drei Ebenen der Äquivalenz sollten berücksichtigt werden: (1) Konstruktäquivalenz, (2) Äquivalenz der Messeinheiten und (3) volle Punktgleichwertigkeit (He & van de Vijver, 2012; Van de Vijver & Leung, 1997; Van de Vijver & Tanzer, 2004). Konstruktäquivalenz oder strukturelle Äquivalenz bedeutet, dass Forscher in verschiedenen Kulturen das gleiche Konstrukt messen. Diese Art der Äquivalenz charakterisiert die Identität von Konstrukten in Studien über kulturelle Stichproben hinweg. Eine quantitative Messskala muss in diesem Fall nicht identisch sein. Die Methoden zur Untersuchung und Bewertung der Konstruktäquivalenz sind verschiedene Arten von Strukturanalysen (z. B. explorative oder konfirmatorische Faktorenanalyse, multidimensionale Skalierung und Clusteranalyse). Äquivalenz der Messeinheiten oder metrische Äquivalenz bedeutet, dass Forscher in verschiedenen Kulturen das Konstrukt mit derselben Messeinheit (auf Intervall- oder Verhältnisebene), aber unterschiedlicher Herkunft messen. Diese Art der Äquivalenz kennzeichnet die Identität der Messeinheit in Studien über kulturelle Stichproben hinweg. Eine solche metrische Äquivalenz ermöglicht den Vergleich von Werten innerhalb kultureller Stichproben. So können beispielsweise die Unterschiede zwischen Männern und Frauen oder zwischen Menschen verschiedenen Alters in jeder kulturellen Gruppe verglichen werden. Auch die Korrelationen und typischen Muster der Mittelwerte zwischen den kulturellen Stichproben können verglichen werden. Allerdings können die Forscher die Werte nicht direkt zwischen den einzelnen kulturellen Gruppen vergleichen. Ein gültiger kulturübergreifender Vergleich ist nicht möglich, es sei denn, die Messungen wurden auf denselben Ursprung umgerechnet.
128
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Vollständige Score-Äquivalenz oder skalare Äquivalenz bedeutet, dass Forscher in verschiedenen Kulturen das Konstrukt anhand von Skalen mit der gleichen Messeinheit und dem gleichen Ursprung messen. Diese Art der Äquivalenz kennzeichnet die Identität der Messeinheit und des Skalenursprungs in Studien über kulturelle Stichproben hinweg. In diesem Fall können die Forscher die Werte in den kulturellen Stichproben direkt vergleichen. Auf dieser Ebene der Äquivalenz ist der kulturübergreifende Vergleich von Mittelwerten in kulturellen Gruppen unter Verwendung von t-Tests und Varianzanalysen („NOVA) geeignet, um kulturübergreifende Unterschiede zu untersuchen (He & van de Vijver, 2012). onstruktäquivalenz bei der Anpassung und Validierung von K ausländischen Messinstrumenten in anderen Kulturen Viele Jahre lang entwickelten Wissenschaftler aus westlichen Ländern (z. B. den Vereinigten Staaten) die emotionalen Konstrukte und die Instrumente zu deren Messung. Dann übersetzten und validierten Forscher aus anderen Ländern diese Konstrukte in ihren eigenen Kulturen (z. B. Deutschland, Italien, Russland und Japan). Der Hauptzweck einer solchen ausländischen Validierung bestand darin, sicherzustellen, dass die übersetzten Instrumente dieselben Konstrukte messen, die ihre westlichen Kollegen im Sinn hatten. Ziel der kulturübergreifenden Studien war es, zu vergleichen, wie ähnlich oder unterschiedlich die in den neuen kulturellen Stichproben gemessenen Konstrukte im Vergleich zu den in der ursprünglichen westlichen Stichprobe gemessenen Konstrukten sind. Daher waren diese Studien vermutlich westlich orientiert, weil die Ergebnisse der westlichen Stichprobe als Maßstab herangezogen wurden. Eine alternative Interpretation ist, dass diese Kon strukte kulturübergreifend universell sind. Es wird davon ausgegangen, dass die westlichen Autoren von Emotionsmessungen ihre Konstrukte wissenschaftlich ausarbeiten und ihre ausländischen Kollegen ihre übersetzte Version so nah wie möglich am Original validieren müssen. Wenn einige Items der Messung nicht mit dem ursprünglichen Konstrukt übereinstimmen, versuchen die Forscher, diese zu überarbeiten, um sie dem Original anzunähern. Die Rückübersetzung einer Messung ist einer der häufig verwendeten Schritte, um diese Konstruktäquivalenz zu erreichen. Forscher haben Richtlinien vorgeschlagen, um eine angemessene Äquivalenz der Items in der kulturübergreifenden Forschung zu erreichen (Behling & Law, 2000; Cha et al., 2007; Hambleton & Zenisky, 2011; Van de Vijver & Hambleton, 1996). Bei diesem Prozess der Auslandsanpassung eines Instruments nimmt die Vergleichbarkeit des Konstrukts zwischen den Kulturen zu, während die lokale kulturelle Validität abnimmt (He & van de Vijver, 2012). In diesem Fall ist die Erstellung eines neuen Instruments der Weg zur Verbesserung der kulturellen Eignung des Konstrukts und der Validität des Instruments. Für die Entwicklung von Instrumenten, die in verschiedenen Kulturen nicht vollständig gleichwertig sind, können die Strukturgleichungsmodellierung und die Item-Response-Analyse als statistische Methoden eingesetzt werden (Van de Vijver & Leung, 1997).
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
129
Kern- und periphere Komponenten im Inhalt der Konstruktäquivalenzen Die moderne Wissenschaft der Emotionen, wie sie in den folgenden Kapiteln anhand zahlreicher Belege gezeigt wird, beginnt zu erkennen, dass gleiche oder ähnliche emotionale Konstrukte (z. B. Wut, Glück) in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Bedeutungen haben können. Auch wenn die Kernbedeutung eines Konstrukts trotz der Unterschiede in den Worten kulturübergreifend universell sein kann, so können doch die jeweiligen kulturellen Konnotationen und der Inhalt des Konstrukts unterschiedlich sein. Daher sollte die moderne Interpretation der Konstruktäquivalenz einräumen, dass ein emotionales Konstrukt einen Kerninhalt haben kann, der kulturübergreifend äquivalent ist, während periphere Komponenten einen kulturspezifischen Inhalt haben können, der kulturübergreifend nicht äquivalent ist. Die Studie von Schwartz und Sagiv (1995) über Werte ist ein Beispiel für einen solchen Ansatz. Bei der Untersuchung von Werten in 88 Stichproben aus 40 Ländern schlugen die Autoren Kriterien vor, um festzustellen, was kulturübergreifend universell und was kulturspezifisch in Bezug auf Wertbedeutung und -struktur ist. Test-Retest-Analysen und Analysen mit zufällig aufgeteilten Stichproben zeigen, dass etwa ein Drittel der Abweichungen kulturspezifische Merkmale darstellen. Die Autoren fanden heraus, dass 44 (von 57) Werten in ihrer Bedeutung sehr konsistent sind, während die verbleibenden 13 Werte in den verschiedenen Stichproben nicht konsistent sind. Daher können die letztgenannten Wertelemente nicht zwischen den Kulturen in Bezug auf ihre Mittelwerte verglichen werden, während sie qualitativ innerhalb einer bestimmten Kultur und qualitativ mit anderen Kulturen analysiert werden können. Viele Emotionsstudien haben sich aktiv mit dem kulturübergreifenden Vergleich von Mittelwerten für Emotionen in verschiedenen Kulturen beschäftigt oder nach Korrelationen zwischen kulturellen und emotionalen Variablen gesucht. Dann waren sie mehr daran interessiert, die kulturübergreifende Äquivalenz emotionaler Konstrukte und ihrer Messungen festzustellen und schenkten den kulturellen Besonderheiten weniger Aufmerksamkeit. Dieser Akzent im Forschungsinteresse variierte jedoch von Disziplin zu Disziplin. Die Anthropologie beispielsweise war schon immer an den kulturellen Besonderheiten und der Einzigartigkeit von Emotionen interessiert. Das jüngste Interesse der Sozialwissenschaften an einheimischen Konzepten von Kultur und Emotionen ist vielversprechend und kann produktiv sein. Das Defizit an geeigneten statistischen Methoden zur Erfassung dieser komplexeren Strukturen ist eines der Hindernisse auf diesem Weg. Es ist wichtig, geeignet statistische Methoden zu entwickeln, mit denen die komplexen Strukturen von Konstrukten analysiert werden können. Die Faktorenanalyse, die Clusteranalyse, die Latentklassenanalyse und ihre Erweiterungen, die ich in einem anderen Abschnitt dieses Buches kurz beschreibe, sind Beispiele für solche Methoden, die für die strukturelle Untersuchung kulturübergreifender Ähnlichkeiten und Unterschiede geeignet sind.
130
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Kulturelle Sensibilität bei den Definitionen von Konstrukten Kulturübergreifende Studien sollten sensibel dafür sein, wie emotionale Konstrukte in anderen Kulturen definiert und beschrieben werden. Dies kann durch Beobachtungen von Forschern zur Entwicklung von prosozialem Verhalten und Empathie bei Kleinkindern veranschaulicht werden (Friedlmeier et al., 2015). Deutsche und japanische Mütter beschrieben ihre Reaktionen und Gefühle in Konfliktsituationen mit ihrem Kind. „Deutsche Mütter beschrieben ihre eigene emotionale Reaktion als wütend, empathisch und (un)geduldig werden. Japanische Mütter hingegen benutzten weder einen Emotionsbegriff noch Sätze, um einen inhärenten emotionalen Zustand auszudrücken, sondern gaben eher allgemeine Verhaltensbeschreibungen, wenn sie nach ihrer emotionalen Reaktion gefragt wurden (z. B. „Ich lasse sie noch eine Weile weitermachen“ oder „Ich sage ihr, dass wir gehen müssen, da andere uns zu Hause erwarten“). Als der Projektkollege aus Japan die Aussagen kodierte, konnte er jedoch Emotionen in diesen Antworten erkennen. Nach einer Diskussion innerhalb des Projektteams wurden diese Aussagen mehreren japanischen Austauschstudenten sowie deutschen Studenten vorgelegt und diese gebeten, den emotionalen Gehalt zu bewerten. Das Ergebnis war überraschend: Die deutschen Studenten erkannten kaum emotionale Inhalte, während die japanischen Studenten den gleichen Emotionen hinter jeder Aussage stark zustimmten. (Friedlmeier et al., 2015, S. 128)“
Diese Beobachtungen deuten darauf hin, dass die emotionalen Konstrukte auf kulturspezifische Weise definiert und beschrieben werden können, und kulturübergreifende Studien können davon profitieren, wenn Forscher eng mit Kollegen in den jeweiligen Kulturen zusammenarbeiten (Jensen, 2012). Es ist wichtig, qualitative Methoden anzuwenden, um kulturspezifische Phänomene zu entdecken, um das „Risiko zu vermeiden, kulturell voreingenommene konzeptionelle Kategorien zu verwenden und die Kategorien aus unserer vertrauten kulturellen Position heraus zu erklären“ (Saarni, 1998, S. 651).
3.2.5 Kulturelle Stichproben in der Emotionsforschung Größe und Repräsentativität kultureller Stichproben Die kultur- und kulturübergreifende Erforschung von Emotionen in der Anthropologie wird traditionell in Form von Feldstudien durchgeführt, um die Vielfalt des Gefühlslebens und die Bedeutung von Emotionen in Gesellschaften zu erforschen, die von den Mainstream-Kulturen relativ isoliert sind. Das ist ein großer Vorteil. Solche Studien haben interessante und produktive Einblicke in die kulturelle Vielfalt der emotionalen Vorstellungen, Erfahrungen, Ausdrucksformen und kulturellen Modelle von Emotionen in diesen Kulturen gebracht. Sie haben das wissenschaftliche Wissen über die Beziehungen zwischen Kultur und Emotionen wesentlich vertieft. Sie liefern der Wissenschaft wertvolle Fallstudien über mögliche kulturelle Modelle von Emotionen, die in den folgenden Abschnitten ausführlich behandelt werden. Die Stichprobengröße dieser Studien ist jedoch relativ klein. Wie können wir zum
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
131
Beispiel sicher sein, dass 28 Personen aus zwei Ländern repräsentativ für die in diesen Ländern typischen oder vorherrschenden kulturellen Modelle sind? Die Anthropologie ist also sehr gut darin, kulturelle Modelle als Fallstudien zu beschreiben, aber sie ist weniger überzeugend bei der Beantwortung der Frage, wie repräsentativ dieses Modell für eine bestimmte Gesellschaft ist. Bei der Untersuchung von Emotionen in der Psychologie und der Kommunikationswissenschaft wurden im Allgemeinen größere kulturelle Stichproben verwendet als in der Anthropologie. Die Stichprobengröße variiert jedoch je nach Forschungsdesign: weniger Teilnehmer in experimentellen Studien und mehr Teilnehmer in Umfragestudien. Die zuvor aufgeworfene Frage, wie repräsentativ diese kulturellen Stichproben sind, bleibt jedoch bestehen. In der Soziologie wurden bei Umfragestudien über Emotionen in verschiedenen Kulturen sogar noch größere Stichproben von Befragten verwendet. Wir wissen jedoch nie, wie viele Teilnehmer es sein sollten, um für eine Kultur repräsentativ zu sein. Zu diesem Zweck verwenden die Forscher Annahmen, induktive Schlussfolgerungen, Näherungswerte und geeignete statistische Methoden. Die Replikation der Ergebnisse in anderen Studien mit anderen, kulturell ähnlichen Stichproben ist ein guter Weg, um zu bestätigen, dass ein kulturelles Emotionsmodell für eine bestimmte Gesellschaft repräsentativ ist. Viele akademische Zeitschriften sind jedoch nicht bereit, Replikationsstudien zu veröffentlichen, was den kumulativen Charakter der kulturübergreifenden Ergebnisse schmälert. Stichprobengröße und Repräsentativität der Stichproben sind wichtige Rahmenbedingungen der Forschung, um gültige und zuverlässige Ergebnisse über kulturelle Ähnlichkeiten und Unterschiede zu erhalten. Die Stichprobengröße sollte eine ausreichende statistische Aussagekraft gewährleisten, um einen echten kulturellen Effekt festzustellen. Die Größe der Stichproben ist jedoch keine Garantie für ihre Repräsentativität. Daher ist es wichtig, die Variablen zu beschreiben, die bei kultur übergreifenden Studien von Interesse sind, und zu ermitteln, wie gut die Stichproben diese repräsentieren. Wie in den folgenden Kapiteln zu sehen ist, hatten viele kulturübergreifende Studien über Emotionen leider nur eine relativ bescheidene Stichprobengröße. Daher sind Replikationsstudien und Meta-Analysen wertvoll, um die vorhandenen Ergebnisse zu validieren und zu konsolidieren. In einer kürzlich erschienenen Übersicht und Diskussion vieler kulturübergreifender Studien wurden Bedenken hinsichtlich der Replizierbarkeit geäußert und die Replikation als langfristige Strategie in der kulturübergreifenden Forschung angesprochen (Milfont & Klein, 2018). Die Erwartungen an die Replizierbarkeit können jedoch in den Disziplinen, die sich mit Kultur beschäftigen, unterschiedlich sein. So sind sich beispielsweise die kulturübergreifende Psychologie und die Kommunikationswissenschaft der kultur übergreifenden Ergebnisse bewusst und erwarten, dass diese replizierbar sind (obwohl es keine Replikationsstudien gibt). Die Kulturanthropologie hat keine solchen Erwartungen; Anthropologen erforschen die einzigartigen Kulturen und stellen unsere Stereotypen in Frage. Die Betonung der einzigartigen Merkmale einer untersuchten Kultur ist das Wichtigste.
132
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Profile kultureller Stichproben Viele kulturübergreifende Studien wurden mit Universitätsstudenten in den westeuropäischen Ländern und Nordamerika und im Gegensatz dazu in Japan und China durchgeführt. Die Forschungsergebnisse, die in den folgenden Kapiteln besprochen werden, haben gezeigt, dass der Vergleich der konventionell als westlich und östlich bezeichneten Kulturen in vielerlei Hinsicht interessant, produktiv und überraschend ist, da die kulturellen Modelle von Emotionen in diesen Kulturen sehr unterschiedlich und kontrastreich sind. Nach der anfänglichen Faszination für diese kulturelle Entdeckung begannen die Emotionsforscher jedoch zu erkennen, dass die westlichen und östlichen Kulturen recht unterschiedlich sind. Der Vergleich zwischen dem Westen und dem Osten ist möglicherweise zu global, zu verallgemeinernd und daher nicht ausreichend, um die kulturelle Vielfalt innerhalb jeder dieser Regionen widerzuspiegeln. Die westliche US-amerikanische Kultur unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht von vielen westeuropäischen Kulturen, wie die Ergebnisse der in diesem Buch besprochenen Studien zeigen. Daher ist es nicht ganz angemessen, von der westlichen Kultur zu sprechen, wenn die Teilnehmer einer Studie aus den Vereinigten Staaten oder/und den Niederlanden stammen. Er lässt eine zu weite Ausdehnung und Verallgemeinerung zu. Es könnte gut sein, wenn die Forscher bei der Interpretation ihrer Ergebnisse vorsichtig wären und vorzugsweise spezifischer wären. Westeuropa ist immer noch ein ziemlich vages Konzept – es bedarf einer genaueren Definition. Es ist nicht immer klar, ob Forscher die nordeuropäischen Länder einschließen, wenn sie von Westeuropa sprechen. Was ist mit den südeuropäischen Ländern? Spanien und Portugal zum Beispiel gehören zu den Ländern, die in beide Richtungen kategorisiert werden können. Die kulturelle Einteilung der europä ischen Gesellschaften sollte eher auf der Grundlage mehrerer kultureller Dimensionen und nicht nur des Individualismus erfolgen. Zu welcher kulturellen Gruppe gehören Litauen, Polen, die Tschechische Republik und Ungarn? Forscher messen die Stellung vieler Länder auf der Skala mehrerer kultureller Dimensionen, doch die multidimensionale Kulturtypologie ist nicht gut etabliert. Auch die westliche US-amerikanische Gesellschaft ist vielfältig und multikulturell. Daher erscheint es nicht angemessen, die Teilnehmer einer Studie als US- Amerikaner zu bezeichnen, da die Stichprobe aus Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund bestehen kann, obwohl die US-amerikanische Gesellschaft vermutlich einige gemeinsame allgemeine Merkmale und Werte aufweist. Dennoch ist sie multikulturell, und es ist nicht immer klar, wo die kulturellen Trennungen und Grenzen verlaufen. Es mag bis zu einem gewissen Grad angemessen sein, die Teilnehmer als europäische US-Amerikaner und asiatische US-Amerikaner zu bezeichnen, da sich diese globalen regionalen kulturellen Gruppen deutlich voneinander unterscheiden. Wie die in den Kapiteln dieses Buches besprochenen Studien zeigen, sind sie jedoch auch innerhalb dieser globalen Regionen unterschiedlich. Daher ist es in vielen Studien über Emotionen sinnvoll, spezifischer zu sein: nicht nur europäische US-Amerikaner, sondern französische US-Amerikaner, deutsche US- Amerikaner, niederländische US-Amerikaner, italienische US-Amerikaner; und
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
133
nicht nur asiatische US-Amerikaner, und stattdessen japanische US-Amerikaner, chinesische US-Amerikaner, Pilipino-Amerikaner, indische US-Amerikaner (nicht zu verwechseln mit indianischen Ureinwohnern). Forscher in den Vereinigten Staaten haben diese US-amerikanischen Kulturgruppen regelmäßig als Repräsentanten ihrer Herkunftskulturen verwendet und damit interessante kulturübergreifende Ergebnisse erzielt. Dieser Ansatz kann jedoch einen methodischen Nachteil haben, wenn die Teilnehmer einen unterschiedlichen Grad der Akkulturation aufweisen. Die Mittelwertbildung dieser kulturellen Akkulturation kann den Vergleich der Kulturen weniger überzeugend machen. Daher ist es für die Forscher wichtig, ein Akkulturationsmaß zu verwenden, damit diese Studien wirklich aussagekräftig sind. Die Selbstauskunft der Teilnehmer über ihre ethnische Herkunft ist möglicherweise keine gültige Variable für ihre kulturelle Identität, wenn sie seit vielen Jahren im Land leben oder wenn es sich um Einwanderer der zweiten Generation handelt. Die östlichen Länder sind noch vielfältiger und multikultureller. Ostasiatische und westasiatische Kulturen unterscheiden sich erheblich voneinander, ebenso wie viele Länder innerhalb dieser Kulturregionen. Auch hier ist es besser, wenn die Forscher den kulturellen Hintergrund der Teilnehmer genauer benennen. Die Kulturen Japans, Chinas, Indiens und anderer ost- und südasiatischer Länder sind unterschiedlich. Einige asiatische Länder, wie z. B. Indien, sind auch sehr multikulturell. Daher ist es trotz einiger gemeinsamer kultureller Mentalitäten der Inder möglicherweise nicht ganz angemessen, die Ergebnisse aus einer kulturellen Region Indiens auf alle anderen zu extrapolieren oder die in verschiedenen kulturellen Stichproben in ganz Indien gewonnenen Daten zu mitteln. Die Studien, die mit Zufallsstichproben von Ländern und Teilnehmern innerhalb von Ländern durchgeführt wurden, erweitern und vertiefen unser Wissen über kulturelle Modelle von Emotionen. Sie zeigen die Rolle spezifischer kultureller Dimensionen auf und vergleichen das Erleben und den Ausdruck von Emotionen, die in bestimmten kulturellen Kontexten vorherrschen. Dennoch liefern sie oft nicht genügend Daten für die Erstellung umfassender multidimensionaler und typologischer Kulturmodelle. Da in vielen Ländern nur bruchstückhafte Daten zur Verfügung stehen, ist es eine Herausforderung, die regionalen oder nationalen kulturellen Modelle von Emotionen darzustellen. Die Stichproben der Teilnehmer mit gemischter kultureller Identität Die Modernisierung vieler Länder verwischt die kulturellen Unterschiede zwischen ihnen, die in der Vergangenheit deutlich waren. Die moderne Welt verliert also allmählich, aber zunehmend, ihre kulturelle Vielfalt auf nationaler Ebene. Die kulturellen Unterschiede zwischen den Nationen scheinen sich zu verringern. Der andere Trend ist jedoch die zunehmende kulturelle Vielfalt der Bevölkerung in vielen modernen Ländern, die auf umfangreichere Migration als früher, auf Akkulturation oder kulturelle Verschmelzung der Einwanderer und auf die wachsende Zahl interkultureller Familien zurückzuführen ist. All diese Prozesse verkomplizie-
134
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
ren die Definitionen von Kultur und kultureller Identität. Gemischte Kulturen und gemischte kulturelle Identitäten sind heute häufiger anzutreffen als früher. Multikulturelle Menschen können komplexere und vielfältigere Kognitionen, Emotionen und Persönlichkeiten haben (Benet-Martinez & Haritatos, 2005; Hong et al., 2000; Phinney & Alipuria, 2006). Angesichts dieser Entwicklungen stehen die Kulturwissenschaften vor neuen Herausforderungen, wenn die Teilnehmer gemischte kulturelle Identitäten haben. Und die Population derjenigen, die eine gemischte Identität haben, die aufgrund ihrer gemischten kulturell-diversen genetischen Geschichte schwer zu definieren ist, nimmt in vielen Ländern zu. Soll der kulturelle Hintergrund anhand von demografischen Fragebögen und der aktuellen oder früheren Staatsangehörigkeit der Eltern oder Großeltern ermittelt werden? Welcher Kultur gehört Brian an, wenn er in England geboren wurde und viele Jahre dort lebte, als Erwachsener nach Japan zog und dort 40 Jahre lang lebte? Es gibt noch kompliziertere Geschichten des multikulturellen Lebens. Ein methodisches Problem bei der kulturübergreifenden Erforschung von Emotionen ist die Frage, wie man die Kultur der Teilnehmer identifizieren kann, der sie angehören. Dies ist in der modernen Zeit der Migration und der interkulturellen Ehen eine besondere Herausforderung. Viele gemischte Kulturen und kulturelle Identitäten sind in der kulturübergreifenden Psychologie der Emotionen ausführlich als Akkulturation – Übergang von einer Kultur zu einer anderen und Aneignung einer anderen Kultur – untersucht worden. In vielen Fällen handelt es sich bei diesem Prozess jedoch nicht um einen Übergang, sondern um eine Verschmelzung. Der Einzelne zieht es vielleicht vor, in einer Mischkultur zu leben und seine kulturelle Identität zu verschmelzen. Die modernen Konzepte von Kultur und kultureller Identität werden also immer komplexer und sogar komplizierter, wie in früheren Kapiteln gezeigt wurde. Im Zusammenhang mit diesem Kapitel stellt sich die Frage, wie die kulturellen Stichproben unter Berücksichtigung all dieser durch Multikulturalismus, Migration und Akkulturation verursachten Komplikationen zusammengestellt werden können. Die Stichproben werden weniger homogen und mehr differenziert. ulturelle Stichprobe sind unter anderen gesellschaftlichen K Rahmenbedingungen unterschiedlich Studenten einer kleinen Anzahl von Universitäten aus mehreren Ländern repräsentieren bestimmte kulturelle Gemeinschaften. Die kulturübergreifende Variation anderer gesellschaftlicher Rahmenbedingungen und Störvariablen kann die Merkmale kultureller Stichproben unvergleichbar machen. Dies können Unterschiede im Bildungsniveau, im städtischen oder ländlichen Wohnsitz oder in der Zugehörigkeit zu religiösen Gruppen sein. Wie Boer, Hanke und He (2018) feststellten, rekrutieren viele kulturübergreifende Studien nur zwei Stichproben. Daher sollten die Forscher bei ihren Verallgemeinerungen vorsichtig sein.
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
135
Studenten im Grundstudium sind die typischen Teilnehmer vieler kulturübergreifender Studien über Emotionen. Unter dem praktischen Gesichtspunkt der Zugänglichkeit ist dies aufgrund von Beschränkungen bei den Ressourcen und der Zugänglichkeit verständlich. Auch wenn implizit erwartet wird, dass die Stichproben von Universitätsstudenten in verschiedenen Kulturen übereinstimmen, ist diese Annahme möglicherweise nicht gültig. Mehrere Faktoren können dazu beitragen. Dazu gehören die unterschiedlichen Altersgruppen, die Qualität der Ausbildung und die Einschreibequoten in Entwicklungs- und Industrieländern. Universitätsstudenten spiegeln zumeist die Meinungen, Werte, Einstellungen, Erfahrungen und den Ausdruck von Emotionen der jungen Mittelschicht wider. Daher spiegelt der Pool dieser Teilnehmer möglicherweise nicht vollständig die kulturellen Modelle anderer Gesellschaftssegmente wider. Die Erweiterung des kulturellen Wissens über Emotionen über diese Einschränkungen hinaus ist wirklich lohnenswert. In Kap. 1 habe ich ausführlich die wissenschaftlichen Arbeiten und Studien besprochen, die gezeigt haben, dass sich innerhalb ein und derselben nationalen Kultur die die religiösen und regionalen Subkulturen von Menschen mit mittlerem, hohem und niedrigem sozioökonomischen Status erheblich unterscheiden können. Dementsprechend können auch die kulturellen Modelle von Emotionen innerhalb eines Landes variieren. In den letzten Jahrzehnten haben Forscher die Stichproben ihrer kulturübergreifenden Untersuchung von Emotionen erweitert und andere kulturelle Kategorien von Teilnehmern einbezogen. Sie haben häufiger Teilnehmer mit unterschiedlichen Emotionsmodellen und aus anderen Kulturen in ihre Studien einbezogen (Chentsova- Dutton & Lyons, 2016). In kulturübergreifenden Studien werden häufig drei Strategien der Stichprobenziehung eingesetzt: Zufallsstichproben, unsystematische Zufallsstichproben und gezielte Stichproben. Jeder Stichprobenansatz hat bestimmte Auswirkungen auf die Analyse auf kultureller und individueller Ebene und kann je nach den Zielen der Studien angemessen eingesetzt werden (Boehnke et al., 2011). Eine zufällige Auswahl von kulturellen Stichproben und repräsentativen Stichproben von Teilnehmern innerhalb jeder Kultur ist die ideale Strategie. Die mangelnde Zugänglichkeit des Teilnehmerpools und andere Ressourcen schränken jedoch oft die Möglichkeit ein, dieses Ziel zu erreichen. Zufallsstichproben sind praktischer und werden daher in kulturübergreifenden Studien häufiger verwendet. Die Forscher sollten jedoch bei der Verallgemeinerung ihrer Ergebnisse vorsichtig sein. Gezielte Stichproben werden auf der Grundlage von Rahmenbedingungen ausgewählt, die mit den Forschungszielen und den untersuchten Variablen in Verbindung gebracht werden können. Wenn die Stichproben in einigen für eine Studie relevanten Rahmenbedingungen nicht übereinstimmen, müssen die Forscher diese Parameter möglicherweise durch statistische Korrekturen für diese störenden Unterschiede kontrollieren. Im Allgemeinen sollte eine optimale Stichprobenziehung von den Forschungszielen und der Verteilung der Zielvariablen geleitet werden (He & van de Vijver, 2012).
136
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
3.2.6 Angemessenheit bei der kulturellen Messung von Emotionen Die Konzepte der Messäquivalenz und der Verzerrung Die Konstrukte wie Einstellungen, Werte und Eigenschaften sind latente Variablen (z. B. Faktoren), die nicht direkt gemessen werden können. Daher bewerten Messinstrumente wie Erhebungen, Fragebögen, psychometrische Skalen und Inventare diese latenten Konstrukte (Variablen) mit Items als Indikatoren für diese latenten Variablen (Milfont & Fischer, 2010). Wenn ein Forscher ein latentes Konstrukt stichprobenübergreifend vergleicht, wird erwartet, dass jedes Item – der beobachtete Indikator – in allen Stichproben in ähnlicher Weise mit der latenten Variable verbunden ist. Insgesamt bedeutet die Messinvarianz des gesamten Messinstruments, dass alle Items – die beobachteten Indikatoren – in jeder Stichprobe auf die gleiche Weise mit dem latenten Konstrukt (der Variablen) verbunden sind. Durch den Vergleich der empirischen Beziehungen zwischen der latenten Variable und den Indikatoren in den verschiedenen Stichproben prüfen die Forscher die Messäquivalenz. Wenn diese Beziehungen ähnlich sind, ist die Messung äquivalent. Messinvarianz bedeutet also, dass die Messstruktur des latenten Faktors und die Items im Messinstrument stabil und invariant sein sollten. Der Zusammenhang zwischen den Items (Skalenwerten) und den latenten Faktoren (latenten Konstrukten) der Befragten sollte in verschiedenen Gruppen und Messzeitpunkten gleich sein (Mellenbergh, 1989; Van De Schoot et al., 2015). Unter dem Begriff der Messäquivalenz versteht man die Vergleichbarkeit von Konstrukten (Werten, Einstellungen, Dimensionen), die mit einem Messinstrument in unterschiedlichen Gruppen gemessen werden. Der Begriff der Messinvarianz wird häufig als Synonym für die Messäquivalenz verwendet. Es bezieht sich auf die statistische Eigenschaft des Messinstruments, das Konstrukt (Meinung, Ü berzeugungen, Werte usw.) in gleichwertiger Weise über Gruppen von Befragten hinweg zu messen (siehe zur Überprüfung Davidov et al., 2014; Johnson, 1998; Van de Vijver & Leung, 2011; Vandenberg & Lance, 2000). quivalenz der Messungen und Verzerrungen in der Ä kulturübergreifenden Forschung Die Frage der Messäquivalenz bezieht sich meist auf Studien mit Teilnehmern aus verschiedenen kulturellen Gruppen und Ländern. Dennoch gibt es viele andere Fälle, in denen ein Vergleich wichtig sein kann (z. B. in verschiedenen sozialen Kategorien, multikulturellen Gemeinschaften, zu unterschiedlichen Zeitpunkten). Menschen aus verschiedenen sozioökonomischen Gruppen und Bildungsschichten verstehen bestimmte Konzepte möglicherweise unterschiedlich. Einige regionale Gesellschaften und Gemeinschaften sind mehrsprachig und multikulturell – eine Herausforderung für den kulturübergreifenden Vergleich, auf die ich in anderen Ab-
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
137
schnitten dieses Buches eingegangen bin. Die Sprachgewandtheit sowie die lexikalischen und stilistischen Fähigkeiten der Menschen in einer Amtssprache können sehr unterschiedlich sein. Daher kann die Verwendung und Übersetzung von Messinstrumenten sogar innerhalb eines Landes deren Gleichwertigkeit verzerren (siehe Davidov et al., 2014). Viele Studien haben gezeigt (siehe Van De Schoot et al., 2015), dass die Annahme der Messinvarianz bei Erhebungsskalen schwer zu erfüllen ist. Die Ergebnisse, bei denen die Messparameter in den verschiedenen Gruppen genau gleich sind, sind selten. Aus diesem Grund lassen viele Forscher die Problematik der Mess invarianz einfach außer Acht und vergleichen die Mittelwerte latenter Faktoren in Gruppen ohne psychometrische Grundlage (siehe Übersicht Van De Schoot et al., 2015). Dies ist eine Quelle von Messfehlernverzerrungen. Wenn die Messinvarianz nicht bestätigt wird, ist es möglich, dass die Befragten den Items des Instruments unterschiedliche Bedeutungen beimessen. Und die Gültigkeit von Vergleichen zwischen Mittelwerten latenter Faktoren ist beeinträchtigt. Messäquivalenz ist eine Voraussetzung für den Vergleich von Variablen zwischen Gruppen. Unterschiedliche Faktorladungen können darauf hindeuten, dass die Befragten Konstrukte unterschiedlich verstehen, und unterschiedliche Intercepts können da rauf hindeuten, dass sie eine Skala unterschiedlich verwenden (Davidov et al., 2014, S. 65). Dennoch sollte das Problem der Messäquivalenz nicht zwangsläufig von Vergleichen zwischen Ländern abhalten. Davidov et al. (2014) fassen die Strategien zusammen, die Forscher anwenden können, um mit der Nicht-Äquivalenz von Messungen bei länderübergreifenden Vergleichen umzugehen: 1. Suchen Sie nach Untergruppen von Ländern oder Konzepten, bei denen die Gleichwertigkeit der Messungen gegeben ist, und fahren Sie mit länderübergreifenden Vergleichen dieser Konzepte in dieser Gruppe oder diesen Gruppen von Ländern fort. 2. Stellen Sie fest, wie schwerwiegend die Verletzung der Messäquivalenz ist und ob sie noch sinnvolle Vergleiche zwischen den Ländern zulässt. Im Zweifelsfall lassen Sie nicht-invariante Items weg. 3. Versuchen Sie, die individuellen, gesellschaftlichen oder historischen Ursachen der Nichtgleichwertigkeit von Messungen zu erklären (S. 65). Zur Bewertung der Äquivalenz von Messungen können multidimensionale Skalierung, Hauptkomponentenanalyse, explorative Faktorenanalyse und konfirmatorische Faktorenanalyse verwendet werden (Milfont & Fischer, 2010). In der kultur übergreifenden Psychologie verwenden Forscher zur Prüfung der Messinvarianz häufig die konfirmatorische Faktorenanalyse für mehrere Gruppen. Um die Messinvarianz zu untersuchen, führen sie eine Reihe von zunehmend eingeschränkten Strukturgleichungsmodellen durch und testen, ob sich diese Modelle signifikant unterscheiden (siehe Cheung & Rensvold, 2002; Van de Schoot et al., 2012). Davidov und Kollegen (Davidov et al., 2014) schlugen außerdem vor, einige neue Ansätze und statistische Methoden anzuwenden, um auf Messäquivalenz zu testen, wie
138
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
z. B. explorative Strukturgleichungsmodellierung (ESEM), Bayes’sche Strukturgleichungsmodellierung (BSEM) und Alignment. Vorurteil Voreingenommenheit ist ein bestimmter Aspekt des Forschungsdesigns oder der Forschungsmethode, „er die Ergebnisse einer Studie verzerrt und sie weniger valide macht als von den Forschern erwartet. Systematische Messfehler können die Aussagekraft kulturübergreifender Vergleiche und Rückschlüsse auf die kulturelle Variabilität beeinträchtigen. In der kulturübergreifenden Forschung führt eine Verzerrung dazu, dass die in verschiedenen Stichproben erzielten Ergebnisse nicht gleichwertig sind und Ähnlichkeiten und Unterschiede falsch dargestellt werden. Die Unterschiede in den Punktwerten als Indikatoren eines Konstrukts repräsentieren möglicherweise nicht wirklich die tatsächlichen Unterschiede im Konstrukt (Van de Vijver & Tanzer, 2004). Und dieses Problem könnte in Studien weiter verbreitet sein, als die Emotionsforscher glauben. Van Hemert, Poortinga und van de Vijver (2007) führten beispielsweise eine Meta-Analyse von 190 kulturübergreifenden Emotionsstudien durch, die zwischen 1967 und 2000 veröffentlicht wurden, um zu beurteilen, ob die kulturübergreifenden Unterschiede bei den Emotionsvariablen „valide (inhaltliche Faktoren) oder methodenbedingt (statistische Artefakte, kulturelle Verzerrungen)“ sind. Die Ergebnisse haben gezeigt, dass „eine Korrektur für statistische Artefakte und methodenbedingte Faktoren die beobachteten kulturübergreifenden Effektgrößen erheblich reduziert.“ (S. 913). Die Inhaltsanalyse (Boer et al., 2018) vieler quantitativer kulturübergreifender Studien, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, hat gezeigt, dass die Forscher in einer eher geringen Zahl von Fällen die Messäquivalenz (Invarianz) geprüft haben. Nur wenige Studien verwenden statistische Methoden, um die Auswirkungen von Messfehlern auszuschließen. Die Analyse der Äquivalenz wird in der aktuellen kulturübergreifenden Forschung nur selten erwähnt. Die Autoren zeigten die Techniken und Methoden für die Invarianztests auf, die derzeit verfügbar sind und dazu beitragen können, Verzerrungen in der kulturübergreifenden Forschung zu bewerten und zu verringern. Konstruktions- und Messinstrumentenfehler Konstruktverzerrung bedeutet, dass Forscher ein Konstrukt messen, das in verschiedenen Kulturen nicht dieselbe Definition hat. Dies kann der Fall sein, wenn sich die Bedeutung des Konstrukts in den verschiedenen Kulturen nur teilweise überschneidet. Dies kann auch vorkommen, wenn Forscher die relevanten Verhaltens- und Antwortvariablen, die mit dem Konstrukt zusammenhängen, in jeder kulturellen Stichprobe auslassen oder nicht richtig messen (Van de Vijver & Poortinga, 1997). Wie ich in den folgenden Kapiteln zeigen werde, hat das Konstrukt des Glücks in west-
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
139
lichen und ostasiatischen Kulturen beispielsweise unterschiedliche Bedeutungen (Uchida et al., 2004). Das Konzept des Glücks ist nicht universell und enthält mehrere kulturspezifische Aspekte. Das Konstrukt überschneidet sich möglicherweise nur teilweise mit anderen Kulturen. Daher muss bei der Messung von Glück die mögliche gemeinsame sowie unterschiedliche kulturelle Bedeutung von Glück berücksichtigt werden. Der Fehler der Konstruktverzerrung kann auftreten, wenn Forscher in kulturellen Stichproben nicht dasselbe, sondern nur teilweise überlappende Instrumentarium oder verschiedene Versionen desselben Instruments verwenden, die vermutlich dasselbe Konstrukt messen. In der Praxis ist eine Verzerrung des Konstrukts jedoch wahrscheinlicher, wenn Forscher dasselbe Instrument in verschiedenen kulturellen Kontexten verwenden, ohne dass kulturell validiert wurde, dass es dasselbe Kon strukt misst. Die kulturübergreifende Forschung erfordert die Verwendung kultursensibler Messinstrumente. Eine explizite und umfassende konzeptionelle und operative Definition der zu untersuchenden Konstrukte ist der beste Weg, um eine Verzerrung der Konstrukte zu vermeiden. Diese Anforderung wird in der Emotionsforschung nicht immer befolgt. So verwenden einige Wissenschaftler beispielsweise Begriffe wie Wut, Liebe, Scham und Schuld als unabhängige (oder abhängige) Variablen. Erstens definieren sie diese Konstrukte nicht begrifflich, weil im Laufe der Jahre der Emotionsforschung „jeder weiß“, was Wut ist. Zweitens definieren sie diese Konstrukte nicht operativ, indem sie die Wörter als Stimuli darstellen. Die in den folgenden Kapiteln vorgestellten Untersuchungen zeigen jedoch, dass die Bedeutung emotionaler Wörter unterschiedlich interpretiert werden kann. Die Teilnehmer können – individuell und kulturell bedingt – spezifische Konnotationen oder Bezugspunkte zu diesen Emotionen haben. Sie denken dabei an verschiedene Situationen und Umstände, an die reale, gewünschte, normative Erfahrung oder einfach an eine kulturelle Vorstellung von einer Emotion im Kopf. Daher können explizite konzeptionelle und operationale Definitionen sowie explizite schriftliche Anweisungen an die Teilnehmer dazu beitragen, eine mögliche Konstruktverzerrung zu vermeiden. Itemverzerrung Eine Itemverzerrung liegt vor, wenn eine Aussage, eine Frage, ein Wort, ein Bild oder ein anderer Stimulus in anderen Kulturen eine andere Bedeutung haben kann. Die Itemverzerrung beeinträchtigt teilweise die Äquivalenz des Instruments oder einiger seiner Skalen. Das unterschiedliche Verständnis des Items (unabhängige Variable) führt dazu, dass die Antworten (abhängige Variable) nicht angemessen vergleichbar sind. Eine Verzerrung kann durch eine schlechte Übersetzung in eine andere Sprache, durch mehrdeutige oder ambivalente Konnotationen in verschiedenen Kulturen oder durch eine bestimmte Assoziation entstehen, die eine Aussage oder ein Wort für Menschen in einer Kultur hat, in einer anderen aber nicht. Einige Wörter und Ausdrücke sind kulturspezifisch und haben in anderen Sprachen möglicherweise
140
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
keine entsprechenden Worte. Das englische „I feel blue“ oder „I feel the chemistry between us“ sind nicht gut übersetzbar. Die Verwendung kulturspezifischer Metaphern in Messinstrumenten macht sie daher anfällig für Verzerrungen bei den Items. Mein bester Rat wäre, bei der Konstruktion von Messinstrumenten eine einfache Sprache und ein Vokabular zu verwenden, das für Personen mit niedrigem (oder zumindest mittlerem) Bildungsniveau geeignet ist. Das Missverstehen eines Satzes, einer Frage oder eines Wortes durch einen Muttersprachler kann ebenfalls eine Quelle von Verzerrungen sein. Eine exakte Übersetzung der Items (Fragen, Wörter, Aussagen) eines Messin struments mag wünschenswert sein, wichtiger ist jedoch die adäquate und kultursensible Übersetzung ihrer Bedeutung. Trotz dieser Bemühungen um eine perfekte Übersetzung können die Teilnehmer in verschiedenen kulturellen Stichproben die Items jedoch nicht gleich interpretieren. Außerdem können einige Items, die in einer Kultur anwendbar sind, in einer anderen nicht anwendbar sein. So sind beispielsweise die Fragen zu den Geschlechterrollen im Haus und zum Autofahren in einigen Ländern, in denen viele Teilnehmer nicht in Häusern leben und keine Autos besitzen, nicht anwendbar. Trotz des Erfordernisses der sprachlichen Äquivalenz für die kulturübergreifende Messung eines Konstrukts schlagen einige Autoren (Boehnke et al., 2014) vor, diese Anforderung zu lockern. Anstatt identisch formulierte Items in verschiedenen Sprachversionen eines Instruments zu verwenden, schlagen sie vor, eine emische Methodik zu verfolgen. Bei der Entwicklung des Instruments sollten die Forscher innerhalb der Kulturen unabhängig voneinander Items entwickeln und dann die strukturelle und messtechnische Äquivalenz des Instruments untersuchen. Voreingenommenheit im Antwortstil Einzelpersonen oder Gruppen von Teilnehmern können eine systematische Tendenz haben, bestimmte Antwortkategorien oder bestimmte Punkte auf Bewertungskalen zu verwenden, wenn sie ein Zielkonstrukt bewerten. Unabhängig vom Inhalt der Frage in einer Umfrage neigen sie dazu, auf bestimmte Weise zu antworten (Paulhus, 1991a, b; Van Vaerenbergh & Thomas, 2013). Die Antwortstile können von den emotionalen Zuständen der Teilnehmer, von Persönlichkeitsmerkmalen und kulturellen Faktoren beeinflusst werden. Die Korrekturen für die verzerrten Antwortstile können wichtig sein, um die tatsächlichen kulturübergreifenden Unterschiede in den untersuchten Konstrukten und nicht die kulturellen Unterschiede in den Antwortstilen zu ermitteln. Allerdings sollten die Forscher bei einer solchen Korrektur und Anpassung vorsichtig vorgehen. Wenn die Werte in kulturellen Stichproben sowohl auf Antwortstile als auch auf echte Unterschiede zwischen den Gruppen zurückzuführen sind, kann die Anpassung für Antwortstile echte kulturübergreifende Unterschiede aufheben (He & van de Vijver, 2012; Van Vaerenbergh & Thomas, 2013). Betrachten wir einige der Antwortstilverzerrungen.
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
141
Unter Zustimmung versteht man die Tendenz, Aussagen unabhängig von ihrem Inhalt eher zuzustimmen („Ja-Sagen“) als ihnen zu widersprechen. Ein Acquiescence Bias zeigt sich, wenn die Teilnehmer der Mehrheit der Fragen, Aussagen oder Items zustimmen und nur zögerlich widersprechen. Die Anzahl der Punkte in der Likert- Bewertungsskala kann sich auf die Zustimmung auswirken (z. B. Hui & Triandis, 1989; Weijters et al., 2010). Insbesondere dann, wenn eine Skala einen Mittelpunkt als Antwortanker hat, ist die Zustimmung höher (Weijters et al., 2010). Menschen mit Merkmalen des kognitiven Stils wie kognitive Einfachheit, starre mentale Organisation und Intoleranz gegenüber Alternativen neigen dazu, in ihren Antworten mehr Nachgiebigkeit zu zeigen als Menschen mit sozialer Besorgnis und sozial erwünschtem Verhalten (Knowles & Nathan, 1997). Nachgiebigkeit ist in den Antworten von Teilnehmern mit niedrigem sozioökonomischem Status und aus kollektivistischen Kulturen häufiger anzutreffen (Harzing, 2006; Rammstedt et al., 2013; Smith & Fischer, 2008). Eine andere Art von Antwortverzerrung ist der Halo-Effekt. Dabei handelt es sich um eine beständige Tendenz der Teilnehmer, sich bei der Bewertung der Einstellung gegenüber einer Zielperson oder einem Zielobjekt auf den allgemeinen Eindruck zu verlassen. Eine allgemeine positive oder negative Bewertung einer Person verändert (oder passt an) die Bewertungen der Eigenschaften der Person, die entsprechend positiv oder negativ bewertet werden, unabhängig von anderen verfügbaren oder unzureichenden Informationen (Berscheid & Walster, 1972; Cooper, 1981; Dion et al., 1972; Nisbett & Wilson, 1977). Was schön ist, ist gut. Was gut ist, ist in jeder Hinsicht gut. Der Halo-Effekt kann die Bewertung eines Objekts oder einer Person im Falle sehr positiver oder negativer Emotionen erheblich verändern. Wenn Menschen glücklich sind, glauben sie, dass sie in jeder Hinsicht glücklich sind. Glück umfasst alle Aspekte des Lebens. Wenn ein Mann oder eine Frau leidenschaftlich liebt, lieben sie alles an ihrem Geliebten. Nachfragemerkmale können auch bestimmte Auswirkungen auf das Verhalten und die Reaktionen der Teilnehmer haben und die Ergebnisse als Artefakt des Forschungsdesigns verändern (Orne, 1962; Rosnow, 2002; Rosnow & Rosenthal, 1997). Der Begriff Nachfragemerkmale steht für die Idee, dass die Teilnehmer wissen können, welche Ergebnisse ein Forscher erwartet und welches Verhalten von den Teilnehmern erwartet wird (McCambridge et al., 2012). Dies kann zum Beispiel der Fall sein, wenn die Teilnehmer die implizite Annahme, ein „guter Forschungsteilnehmer“ zu sein, auf eine bestimmte Weise interpretieren. Insbesondere zeigen sie bestimmte Verhaltensweisen oder beantworten Fragen mit einer gewissen persönlichen Voreingenommenheit. Auf diese Weise versuchen sie, ein gutes Subjekt zu sein, um die Erwartungen des Forschers zu erfüllen (Nichols & Maner, 2008). Die Voreingenommenheit, ein „guter Studienteilnehmer“ zu sein, kann die Ergebnisse der Studie beeinträchtigen, so dass sie zwischen den kulturellen Gruppen nicht angemessen vergleichbar sind. Anstelle der impliziten Anweisung „Sei du selbst und verhalte dich so, als wärst du allein“, versuchen Teilnehmer in einigen
142
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Kulturen möglicherweise, „einen guten Eindruck zu machen, unabhängig davon, wie du dich wirklich fühlst.“ Der Wunsch, einen guten Eindruck auf die Forscher zu machen, kann die Ergebnisse erheblich verfälschen. Ich muss jedoch zugeben, dass bisher keine Studien durchgeführt wurden, die diesen Effekt in einem kulturübergreifenden Umfeld untersucht haben. Extreme Response Bias ist eine Tendenz der Teilnehmer, auf Fragen zu antworten oder Items in extremer Weise zu bewerten. Sie neigen dazu, eher mit den extremen Antworten zu antworten als mit denen aus der Mitte. Die Bewertung ihrer Einstellungen mit 5 von 5 oder 1 von 5 bei der Mehrheit der Aussagen ist ein klarer Hinweis auf einen extremen Stil. Es ist wichtig zu beachten, dass extreme Antwortverzerrungen die beschreibenden und inferentiellen Statistiken beeinflussen und daher die Validität der kulturübergreifenden Vergleiche beeinträchtigen (Cheung & Rensvold, 2000). Die Unterschiede in der extremen Antwortverzerrung in kulturellen Stichproben können zu falschen und ungültigen Schlussfolgerungen über tatsächliche Unterschiede zwischen Kulturen führen. Kulturen unterscheiden sich in der Tendenz zu extremer Antwortverzerrung (Arce-Ferrer, 2006; Greenleaf, 1992; Hui & Triandis, 1989; Smith & Fischer, 2008). Im Vergleich zu anderen Kulturen neigen Teilnehmer aus mediterranen und lateinamerikanischen Ländern sowie Afroamerikaner und Latinoamerikaner in den Vereinigten Staaten beispielsweise eher zu extremen Antworten (Cheung & Rensvold, 2000). Die Methoden zur Erkennung von Messfehlern Messungsungleichheit und Antwortverzerrungen können die Ergebnisse des Vergleichs von Einstellungen zwischen kulturellen Gruppen verzerren (Kankarash & Moors, 2011; Morren et al., 2011; Van de Vijver & Leung, 2011). Statistische Korrekturen und Anpassungen sind in der Phase der Datenanalyse nützlich. Werden diese nicht angewandt, können ungültige oder unzureichende Emotionsmodelle entstehen. Mittelwerte und Korrelationen oder einige komplexere statistische Methoden, die von ihnen abgeleitet sind, sind die typischsten bei der Konstruktion von kulturellen Modellen. Die Forscher haben verschiedene Analysemethoden zur Aufdeckung von Verzerrungen und zur Überprüfung der Gleichwertigkeit vorgeschlagen. Zu diesen Methoden gehören die explorative Faktorenanalyse (EFA), die konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) und die differenzielle Item-Funktionsanalyse (DIF) (He & van de Vijver, 2012). Forscher können die Häufigkeit bestimmter Antworten, die Mittelwerte und Standardabweichungen der Werte von Einzelpersonen und kulturellen Gruppen verwenden, um diese Antworttendenzen zu kontrollieren (Fischer, 2004). Lassen Sie uns einige Beispiele betrachten. Korrelationen zwischen den Werten, die auf der Grundlage einer kulturinternen (oder interindividuellen) Standardisierung der Rohwerte korrigiert wurden, können anzeigen, inwieweit der Antwortstil die Werte beeinflusst. Unterschiede in der Größe der Korrelationen zeigen, wie ausgeprägt der Antwortstil in dem Datensatz ist (He & van de Vijver, 2012).
3.2 Methodik der Emotionsforschung und kulturelle Modelle
143
Hier ist ein weiterer Ansatz zur Erkennung von verzerrten Antwortstilen. Zunächst führen die Forscher eine Regressionsanalyse durch, bei der standardisierte Werte zur Vorhersage der Rohwerte verwendet werden. Zweitens vergleichen sie die Rohwerte mit den vorhergesagten Werten in t-Tests. Mit dieser Analyse lassen sich die kulturellen Gruppen ermitteln, die einen verzerrten Antwortstil aufweisen (Hanges, 2004). Eine weitere Methode zur Erkennung und Behandlung eines Antwortstils ist die Berechnung der Antwortstil-Scores. Dabei kann es sich um den Anteil der Items handeln, die als Maß für die Duldung gebilligt werden. Oder es handelt sich um den Anteil der extremen Antworten als Maß für die Bewertung der Extremität (Van Dijk et al., 2009). ie Bewertung von Emotionen, die sich auf die eigene Person oder die D kulturelle Gruppe beziehen Bei der selbstbezogenen Bewertung bitten die Forscher die Teilnehmer, ihre Präferenzen, ihr Erleben und ihren Ausdruck von Emotionen selbst anzugeben und zu bewerten. Dies ist eine gängige Methode in der kulturübergreifenden Emotionsforschung. Introspektionen der eigenen Gedanken, Gefühle, Einstellungen und die Reflexion des eigenen Verhaltens liefern Indikatoren für die Untersuchung. Die selbstbezogene Bewertung offenbart individuelle Vorlieben und Unterschiede. Es ist zu beachten, dass eine solche Selbsteinschätzung für die Untersuchung objektiver kultureller Unterschiede voreingenommen sein kann, da die Teilnehmer möglicherweise keine typischen Vertreter ihrer Kultur sind; sie können eher für oder gegen die Normen ihrer kulturellen Gruppe sein. Die Normen, das Erleben und der Ausdruck von Emotionen auf der Ebene der Kultur und auf der Ebene des Einzelnen können sich unterscheiden. Diese Unterschiede können auf das Ausmaß zurückzuführen sein, in dem ein Individuum innerhalb einer Kultur die kulturellen Werte verinnerlicht hat. Aus diesem Grund sind einige Personen repräsentativer für den kulturellen Typus als andere. Die Unterschiede können auch auf die individuelle und typologische Vielfalt der Individuen innerhalb von Gesellschaften zurückzuführen sein. Wenn wir die Selbsteinschätzungen der einzelnen Personen zusammenfassen, können wir sagen, dass die US-amerikanische Kultur extravertiert und selbstbewusst ist, aber sehr viele Personen in dieser Gesellschaft introvertiert, schüchtern und ängstlich sind. Dies könnten die Gründe dafür sein, dass viele Studien (siehe z. B. Fischer, 2006) gezeigt haben, dass selbst- und kulturbezogene Bewertungen in einer Reihe von kulturellen und psychologischen Dimensionen wenig übereinstimmen. Mehrere Wissenschaftler haben sich auch zu den möglichen Problemen der Messung und des Vergleichs von Selbsteinschätzungen der Teilnehmer als Kulturindikatoren geäußert (z. B. Heine et al., 2002; Oyserman et al., 2002; Peng et al., 1997). So haben Studien gezeigt (Heine et al., 2002), dass soziale Vergleichsprozesse aufgrund des Referenzgruppeneffekts den kulturübergreifenden Vergleich erschweren und Selbsteinschätzungen verwirren und mehrdeutig machen können. Wenn die
144
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Teilnehmer sich selbst in einer kulturellen Stichprobe bewerten, haben sie möglicherweise andere Vergleichsmaßstäbe im Kopf als die Teilnehmer in einer anderen kulturellen Stichprobe. Daher können die in der kulturübergreifenden Forschung mit subjektiven Likert-Skalen gewonnenen Daten aufgrund unterschiedlicher Bezugsgruppen beeinträchtigt werden. Bei einem gruppenbezogenen Bewertungsansatz bitten die Forscher die Teilnehmer, das typische Verhalten anderer Mitglieder ihrer kulturellen Gruppe zu bewerten. Eine solche Methodik offenbart die sozialen Wahrnehmungen, beschreibenden Normen und Erfahrungen einer kulturellen Gruppe. Diese gruppenbezogene Bewertung spiegelt die Normen wider, die innerhalb einer Gruppe geteilt werden. Die gruppenbezogene Bewertung kann eine wertvolle Alternative zur Selbsteinschätzung sein. Die Studien haben gezeigt, dass sich die Selbsteinschätzung und die gruppenbezogene Bewertung möglicherweise nicht oder nur teilweise überschneiden oder komplexere Beziehungen aufweisen (z. B. Fischer, 2006; House et al., 2003; Peng et al., 1997; Terracciano et al., 2005). Während beispielsweise „Kulturexperten darin übereinstimmten, dass Ostasiaten kollektivistischer sind als Nordamerikaner, konnten kulturübergreifende Vergleiche von Merkmals- und Einstellungsmessungen ein solches Muster nicht aufzeigen“ (Heine et al., 2002, S. 903). Bei der Verallgemeinerung von kulturellen Unterschieden müssen die unterschiedlichen Bezugspunkte der Bewertungen berücksichtigt werden (Fischer, 2006). Bei der Erforschung kultureller Normen, Werte und Verhaltensweisen sollten Personen gebeten werden, diese Aspekte der Kultur in Bezug auf ihre Gesellschaft zu bewerten und nicht in Bezug auf ihre persönlichen Ansichten und Vorlieben. Diese Bewertung ist valider, wenn diese kulturellen Phänomene beobachtbar und normativ sind. Wenn die Forschung darauf abzielt zu untersuchen, wie kulturelle Normen und Werte die Variablen auf der individuellen Ebene der Teilnehmer beeinflussen, dann ist die selbstbezogene Bewertung geeignet. Bewertung versus Rangfolge bei der Konstruktion von Kulturmodellen In den vorangegangenen Abschnitten dieses Kapitels wurde gezeigt, dass das Verfahren der Bewertung im Rahmen von Selbstauskünften anfällig für Antwortverzerrungen ist, wie z. B. Duldung, extreme Antworten, Halo-Effekt und ähnliches. Dies kann für die Forscher eine Herausforderung bei der Entdeckung des tatsächlichen differenzierten Werts von Emotionen und des tatsächlichen Erlebens und Ausdrucks von Emotionen darstellen. Es scheint, dass es eine natürliche Tendenz ist, alles auf einmal zu wollen. Wenn die Teilnehmer ein Hochgefühl empfinden, neigen sie dazu, alles als großartig zu bewerten. Die Kultur kann diese Tendenz noch abmildern. Diese Schwierigkeiten mit den Verzerrungen bei der Bewertung von Antworten können die Faktorenanalyse verdecken und die tatsächlichen kulturellen Unterschiede bei den Emotionen verschleiern. Das Rangfolgeverfahren als Forced-Choice-Verfahren kann in einigen Fällen der kulturübergreifenden Forschung helfen, Ziele zu erreichen. Die Ergebnisse von Studien in verschiedenen Bereichen zeigen, dass di Ergebnisse von Bewertung und
3.3 Erforschung wissenschaftlicher Konstrukte und Dimensionen für die Konstruktion … 145
Rangfolgen ähnlich sind oder das Rangfolgeverfahren eine bessere Validität aufweist (z. B. Moors et al., 2016; Moore, 1975; Rankin & Grube, 1980; Van Herk & van de Velden, 2007). Zum Beispiel haben Forscher (Harzing et al., 2009) das Problem der unterschiedlichen Antwortformate untersucht und eine Lösung vorgeschlagen. Die Ergebnisse ihrer Studie zeigten, dass das einfache Antwortformat der 7-Punkte-Likert-Skala im Vergleich zu den traditionellen 5-Punkte-Likert-Skalen zwar Vorteile hat, aber eine Rangfolge eine bessere Lösung ist. Wenn diese Antwortformate verwendet werden, bringen die Ergebnisse eine bessere Validität der länderübergreifenden Unterschiede. Die Studie von Russell und Gray (1994) hat gezeigt, dass sowohl Bewertung als auch Rangfolge ihre jeweiligen Vorzüge haben können. Im Allgemeinen korrelieren die mit den beiden Methoden gewonnenen Daten. Es gibt einige Faktoren, die ihre Gültigkeit und Zuverlässigkeit beeinflussen und die für Emotionsforscher von Interesse sind. Insbesondere Teilnehmer, die eine größere Streuung ihrer Bewertungen aufweisen, haben eine gute Übereinstimmung zwischen ihren Bewertungen und Rängen. Bei der relativen Instruktion weisen die Bewertungen der Teilnehmer eine größere Streuung auf als bei der absoluten Instruktion. Ein Rangfolgeverfahren hat seine Vorteile, wenn die Items gut unterscheidbar sind. Wenn eine Rangfolge nicht geeignet ist, ist ein Bewertungsverfahren mit relativen Anweisungen eine gute Option (Russell & Gray, 1994, S. 79). Forscher haben gelegentlich das Rangfolgeantwortformat als Alternative zur Bewertung in Wertestudien verwendet (z. B. McCarty & Shrum, 2000; Moore, 1975; Rankin & Grube, 1980), und einige Wissenschaftler stellten fest, dass „Rangfolgen und Bewertungen Ergebnisse liefern, die ähnlicher sind als oft angenommen“ (Moors et al., 2016, S. 15). Das Rangfolgenverfahren kann bei der Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen eingesetzt werden, wenn Wissenschaftler daran interessiert sind, die relativen Werte bestimmter Emotionen oder Dimensionen in einer Kultur zu untersuchen oder die Wertestrukturen von Emotionen in verschiedenen Kulturen zu vergleichen.
3.3 Erforschung wissenschaftlicher Konstrukte und Dimensionen für die Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen 3.3.1 Beschreibende Methodik kultureller Modelle von Emotionen eschreibender Ansatz für kulturelle Modelle von Emotionen B in der Anthropologie Dieser Ansatz ist typisch für die Anthropologie und die Linguistik und stützt sich weitgehend auf die qualitative Beschreibung des Gefühlslebens, der Gefühlsvorstellungen oder der Gefühlsphänomene in einem bestimmten kulturellen Kontext. Mes-
146
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
sungen und quantitative Methoden können, müssen aber nicht verwendet werden. Das kulturelle Modell dieses Typs beschreibt das Gefühlsleben der Menschen in einer Kultur als eine einzigartige kulturelle Konstruktion. Bei diesem Ansatz ist der Vergleich mit dem Gefühlsleben in anderen Kulturen begrenzt und erfolgt meist deskriptiv und qualitativ, nicht quantitativ. Die anthropologischen Modelle der Wut, die in den folgenden Abschnitten vorgestellt werden, sind Beispiele für solche beschreibenden Modelle. Diese Modelle sind die Fallstudien zur kulturellen Vielfalt, die unsere Sichtweise auf Emotionen als kulturelle Phänomene und ihre vielfältigen Verbindungen zu anderen Aspekten des kulturspezifischen Lebens erweitern. Wie Nelson und Jankowiak (2021, S. 41) feststellten, besteht „ein Hauptziel der Anthropologie darin, kulturelle Stereotypen in Frage zu stellen …“. So untersuchte Lutz (1982, 1988) die Kultur der Ifaluk, Gerber (1975) die Kultur der Samoaner, (White, 1985) die Kultur der Salomonen, Myers (1979) die Kultur der Pintupi-Aborigines in Australien, Abu-Lughod (1986/2000) die Kultur eines Beduinenstammes in Ägypten, Briggs (1970) die Kultur der Utku-Inuit in Nordkanada. Diese Anthropologen haben gezeigt, dass sich viele indigene Ansichten über Emotionen in diesen Kulturen drastisch von der US-amerikanischen Sichtweise unterscheiden, wodurch die U S-amerikanische ethnozentrische Meinung in dieser Hinsicht in Frage gestellt wird. Dieses und viele andere Beispiele, die in den folgenden Kapiteln dieses Buches vorgestellt werden, veranschaulichen diesen Punkt. Zu den Methoden, die Kulturanthropologen in ihrer Forschung einsetzen, gehören teilnehmende Beobachtungen, strukturierte und unstrukturierte Interviews, freie Auflistung, Stapelsortierung, Fragebögen, Skalierung, Konsensanalyse (Bernard, 2006; Bernard & Gravlee, 2014; De Munck, 2009; Ember & Ember, 2009). In Erweiterung der traditionellen Methoden der Kulturanthropologie schlug Chrisomalis (2006) eine vergleichende Perspektive mit diachronen Methoden vor. Bei diesem Ansatz sind Ereignisse und Prozesse in ihrer zeitlichen Perspektive die Analyseeinheiten, die miteinander verglichen werden, was einen direkten Vergleich des kulturellen Wandels im Laufe der Zeit ermöglicht. eschreibender Ansatz für kulturelle Modelle von Emotionen B in der Psycholinguistik Psycholinguistische Studien vergleichen das Lexikon der Emotionen in verschiedenen Sprachen, die möglicherweise die vorherrschende Emotionologie (Wierzbicka, 1999) und kulturelle Modelle von Emotionen widerspiegeln (z. B. Athanasiadou & Tabakowska, 1998; Goddard, 1995; Ljung, 2010; Wierzbicka, 1991, 1992, 1999, 2003, 2004). Emotionale Erfahrungen werden im Wesentlichen durch Metaphern, Metonymien und verwandte Konzepte ausgedrückt. Diese lexikalischen Einheiten weisen viele kulturübergreifende Ähnlichkeiten auf, offenbaren aber auch kulturelle Unterschiede (Boers, 2003; Kövecses, 2003, 2005, 2006). Der Vergleich von Idiomen, Sprichwörtern und figurativen Verbindungen in kulturübergreifender Perspektive
3.3 Erforschung wissenschaftlicher Konstrukte und Dimensionen für die Konstruktion … 147
zeigt auch wichtige Erkenntnisse über Emotionen in verschiedenen Sprachen und Kulturen (Dobrovolskij & Piirainen, 2005). eschreibender Ansatz für kulturelle Modelle von Emotionen B in der Psychologie Die kulturübergreifende Psychologie verwendet auch beschreibende Methoden in der Feldarbeit und in Fallstudien (siehe Berry et al., 1997; Lonner & Berry, 1986). Kulturpsychologen setzen auch qualitative beschreibende Forschungsdesigns ein, die die ausgedehnte Arbeit von Forschern im Feld einschließen. Dieser Ansatz eignet sich gut für eingehende und detaillierte Beschreibungen eines Phänomens, über das nur wenig bekannt ist (Karasz & Singelis, 2009). eschreibender Ansatz für kulturelle Modelle von Emotionen B in persönlichen Beobachtungen Andere nützliche Quellen für kulturelles Wissen sind persönliche Beobachtungen von Menschen, die in diesen kulturellen Kontexten gelebt haben. Dabei kann es sich um die Aufzeichnungen von Reisenden, Einwanderern, Journalisten oder Menschen handeln, die vorübergehend als Fachleute in einem anderen Land leben. Dies können auch die Expertenmeinungen lokaler Gelehrter sein. Wenn sie in Büchern, Zeitschriften und Medienforen dokumentiert und systematisch zusammengestellt werden, können sie die Daten aus der Beobachterperspektive darstellen (z. B. Daun, 1995; Davies & Ikeno, 2011; Ferguson, 2016; Flippo, 2018; Hendry, 2019). Auch wenn sie lückenhaft und bruchstückhaft sind, können sie als „Fallstudien“ betrachtet werden. Selbst wenn sie anekdotisch sind, können sie, wenn sie aus unabhängigen Quellen stammen, ihre Gültigkeit bestätigen. In ihrer kumulativen Menge und Reichweite können sie als überzeugende Beweise dienen, die andere, mit strenger wissenschaftlicher Methodik erhobene Daten gut ergänzen können.
3.3.2 Vergleichende Methodik kultureller Modelle von Emotionen Quantitativ vergleichender Ansatz für kulturelle Modelle von Emotionen Dieser Ansatz ist eher typisch für Psychologie, Soziologie und Kommunikationswissenschaften (z. B. Berry et al., 1997; Cohen, 2007; Davidov et al., 2018; Matsumoto & Van de Vijver, 2010; Van de Vijver & Leung, 1997; Zhu, 2016). In der Anthropologie und Linguistik wird sie weniger häufig eingesetzt (z. B. De Munck, 2009; Jakobovits, 1966; Kövecses, 2006; Wierzbicka, 1999). In vielen Studien (siehe Bernard, 2006; Bernard & Gravlee, 2014; De Munck, 2009; Ember &
148
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Ember, 2009; Johnson, 1978) verwenden Kulturanthropologen quantitative Methoden der Datenerhebung (z. B. Skalierung, freie Auflistung, Stapelsortierung, strukturierte Fragebögen) und Analyse (univariate, bivariate und multivariate Analysen). Zusätzlich zu den qualitativen konzeptionellen und operativen Beschreibungen von Emotionen, ihren Erfahrungen und Ausdrucksformen versuchen die Forscher, ihre Ähnlichkeiten und Unterschiede zu quantifizieren. Wenn Emotionen qualitativ gleichwertig sind, können sie auch quantitativ verglichen werden. Zum Beispiel scheinen die Dimensionen der Valenz (positiv vs. negativ) und der Intensität (hoch vs. niedrig) in vielen Kulturen gleichwertig zu sein. Daher verglichen die Forscher die Vorlieben und das Erleben positiver, negativer oder ausgeglichener Emotionen der Menschen und untersuchten, wie ähnlich oder unterschiedlich die Kulturen in dieser Hinsicht sind. Auf der Grundlage der Typizität dieser Gemeinsamkeiten und Unterschiede lassen sich entsprechende kulturelle Modelle von Emotionen konstruieren, die in den folgenden Kapiteln beschrieben werden. Auf die gleiche Weise werden im weiteren Verlauf des Buches die Modelle der leidenschaftlichen und leidenschaftslosen Emotionen auf der Grundlage der Typizität von Emotionen mit hoher oder niedriger Intensität beschrieben. Dieses vergleichende Paradigma war in den letzten Jahrzehnten wahrscheinlich das typischste und lieferte eine Fülle von Erkenntnissen für die Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen. So wurden beispielsweise westliche und östliche Kulturen, US-amerikanische und japanische Länder in Bezug auf eine Reihe von Emotionen, deren Erfahrungen und Ausdrucksformen verglichen. Bei diesem Ansatz messen die Forscher mehrere speziell ausgewählte emotionale Variablen in absichtlich (oder zufällig) ausgewählten kulturellen Stichproben. Dann führen sie eine Varianzanalyse (ANOVA) dieser Variablen zwischen kategorisch unterschiedlichen Gruppen durch und interpretieren Ähnlichkeiten und Unterschiede im Lichte des verfügbaren Wissens über diese Kulturen. So war beispielsweise die Kategorisierung der japanischen (oder chinesischen) Stichprobe als einer kollektivistischen Kultur zugehörig, während die US-amerikanische (eigentlich europäisch-amerikanische) Stichprobe einer individualistischen Kultur angehörte, in vielen Studien ein ausreichender Erklärungsrahmen. Später wurde dieser Rahmen mit der Einführung des Konzepts des unabhängigen und interdependenten Selbstkonzepts vertieft (siehe Einzelheiten im vorherigen und folgenden Kapitel). Alternativ dazu korrelieren Forscher diese emotionalen Variablen (ihre Mittelwerte oder Mittelwertmuster) mit kulturellen Variablen (z. B. Individualismus und Kollektivismus) in einer Reihe von kulturellen Stichproben. Mehrere Studien, die mit solchen Forschungsdesigns durchgeführt wurden, haben umfangreiches Wissen geliefert, um individualistische und kollektivistische Modelle von Emotionen zu konstruieren, mit unabhängigen und interdependenten Selbstkonstruktionen als Erklärungsrahmen. Wenn Emotionen in verschiedenen Kulturen qualitativ nicht gleichwertig sind, können sie nur qualitativ mit einer Beschreibung von Ähnlichkeiten und Unterschieden oder mit einem Maß für das Vorhandensein oder Fehlen von Emotionen verglichen werden – wie beim kategorialen beschreibenden Ansatz, siehe oben.
3.3 Erforschung wissenschaftlicher Konstrukte und Dimensionen für die Konstruktion … 149
ultidimensionale Herangehensweise an kulturelle Modelle M von Emotionen In vielschichtigen Fällen können Emotionen mit komplexeren mehrdimensionalen, mehrstufigen oder strukturellen Methoden verglichen werden. Der Hauptzweck kategorialer und dimensionaler Ansätze bei der Konstruktion kultureller Modelle besteht darin, Ähnlichkeiten und Unterschiede in Stichproben zu finden und diese mit einigen kulturellen Faktoren und Dimensionen in Verbindung zu bringen, die diese wahrscheinlich beeinflussen. Die Zahl der emotionalen und kulturellen Variablen, die die Forscher messen können, hat sich in den letzten Jahrzehnten erheblich erweitert. Und die Zahl der Studien mit kategorialen und dimensionalen Ansätzen nimmt weiter zu, wodurch immer mehr Wissen über Emotionen in verschiedenen Ländern gesammelt wird. Der einfache und sogar mehrfache Vergleich von Nationen in emotionalen Variablen mit einer Statistik (wie dem Mittelwert oder der Korrelation) kann jedoch die kulturelle Komplexität des Gefühlslebens verschleiern (Eid & Diener, 2001). Der multidimensionale Ansatz der Emotionsforschung und die entsprechenden Methoden berücksichtigen die beschreibenden Statistiken (z. B. Mittelwerte und Standardabweichungen) mehrerer emotionaler Variablen und vergleichen diese gleichzeitig mit mehreren kulturellen Variablen. Die Analyse der Varianz einzelner Variablen (unter anderem) aus einer Emotionsgruppe und der Vergleich dieser Varianz mit der Varianz einzelner Variablen (unter anderem) aus einer Kulturgruppe sind das Wesentliche dieser multidimensionalen vergleichenden Methodik. Die einzelnen Variablen auf der einen Seite werden mit den einzelnen Variablen auf der anderen Seite verglichen. ANOVA und Pierson-Korrelation bzw. ihre Ableitungen sind die typischen statistischen Instrumente. Der Zweck einer wirklich multidimensionalen Methodik besteht darin, mehrere emotionale Variablen (oder kulturelle Variablen) gleichzeitig zu analysieren und Typologien ihrer Kombinationen zu erstellen. Die Entdeckung (1) der emotionalen Typologien als typische Kombinationen von Emotionen und ihren Dimensionen – emotionale Muster von Mittelwerten und Standardabweichungen – und (2) der Beziehungen dieser Muster zu kulturellen Dimensionen sind die Schritte hin zu echter Multidimensionalität in kulturellen Modellen von Emotionen. Dies ist der Bottom-up-Ansatz, wie er oben beschrieben wurde. Auf die gleiche Weise sind die Entdeckung (1) der kulturellen Typologie als typische Muster kultureller Dimensionen und (2) die Identifizierung der einzelnen Emotionen oder emotionalen Muster, die für diese Kulturtypen typisch sind, die Schritte zu einer weiteren Multidimensionalität kultureller Modelle von Emotionen. Dies ist der Top-Down-Ansatz. Verschiedene multivariate Statistiken wie die multivariate Varianzanalyse (MANOVA), die multivariate Kovarianzanalyse „MANCOVA), die multivariate Regression, die Diskriminanzanalyse und die Clusteranalyse sind nützlich, um dieses Ziel zu erreichen. Sie ermöglichen den Vergleich der komplexen kulturellen Muster von Bedeutung, Erfahrung und Ausdruck von Emotionen.
150
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
3.3.3 Strukturelle Methodik kultureller Modelle von Emotionen Erforschung der Beziehungen zwischen Konstrukten und ihren Strukturen Die Forscher sind auch an der Erforschung der Beziehungen zwischen emotionalen Variablen in verschiedenen kulturellen Kontexten interessiert. Dabei handelt es sich um die Beziehungen der Kovarianz, der semantischen Ähnlichkeit, der Kausalität und andere. Die Korrelationen zwischen den Variablen zeigen ihre Verbindung und die Korrelationsstruktur der emotionalen Prozesse, des Erlebens und des Ausdrucks und ermöglichen dann den Vergleich dieser Strukturen zwischen den Kulturen. Dies sieht immer noch wie ein vergleichender Ansatz aus, ist jedoch mit multidimensionalen und strukturellen Ansätzen integriert. Verschiedene statistische Methoden wie die kanonische Korrelationsanalyse, die Hauptkomponentananalyse, die Strukturgleichungsmodellierung, die Faktorenanalyse, die multidimensionale Skalierung, die Diskriminanzanalyse und die Clusteranalyse ermöglichen es, die typischen Strukturen der (korrelationalen oder semantischen) Beziehungen zwischen emotionalen Variablen in einer bestimmten Kultur zu ermitteln. Anschließend vergleichen die Forscher diese Strukturen in verschiedenen Kulturen, um ihre strukturellen Ähnlichkeiten und manchmal auch Unterschiede zu bewerten. Die Strukturgleichungsmodellierung (SEM) ist ein Ansatz zur statistischen Analyse von Daten, der verschiedene Methoden, Techniken und Erweiterungen umfasst. Sein Hauptzweck besteht darin, die Struktur der Beziehungen zwischen beobachteten Maßnahmen und latenten Variablen zu untersuchen. Der SEM-Ansatz hat viele Vorteile für die Untersuchung konzeptioneller Strukturen im Vergleich zur Korrelation, die traditionell in den Verhaltens- und Sozialwissenschaften verwendet wird (Hoyle, 1995; Kline, 2015). Die konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) ist wahrscheinlich die vielversprechendste SEM-Methode für die Entwicklung kultureller Modelle von Emotionen und wird daher im Folgenden ausführlicher behandelt. Insgesamt hat die kulturübergreifende Psychologie viele Methoden der Datenerhebung und statistischen Analyse entwickelt (z. B. Davidov et al., 2018; Matsumoto & Van de Vijver, 2010; Van de Vijver & Leung, 1997), die für die Entwicklung struktureller kultureller Modelle von Emotionen genutzt werden können. Einige von ihnen werden in den folgenden Abschnitten kurz vorgestellt. Konfirmatorische Mehrgruppen-Faktorenanalyse Ziel der Faktorenanalyse ist es, die Faktoren zu ermitteln, die für die Variation und Kovariation zwischen den Indikatoren eines Instruments verantwortlich sind. Ein Faktor (latente Variable) ist eine Variable, die mit Indikatoren (beobachteten Maßen), wie Umfrageantworten, Bewertungen von Items, Verhaltensbewertungen,
3.3 Erforschung wissenschaftlicher Konstrukte und Dimensionen für die Konstruktion … 151
verbunden ist. Diese latente Variable (Faktor) ist für die Korrelationen zwischen den beobachteten Messgrößen verantwortlich. Das bedeutet, dass die beobachteten Maße aufgrund der latenten Variable als gemeinsame Ursache, aufgrund des Einflusses desselben zugrunde liegenden Konstrukts, miteinander korrelieren. Diese Beziehungsstrukturen sind die Messmodelle für latente Variablen. Ein solches Messmodell bietet ein einfacheres Verständnis für die Kovariation zwischen Indikatoren. Es reduziert die Anzahl der gemessenen Variablen auf eine geringere Anzahl von Faktoren (Brown, 2015; Thompson, 2004). Die konfirmatorische Faktorenanalyse (CFA) wird häufig zum Zweck der Entwicklung von Messskalen und der gruppenübergreifenden Validierung eingesetzt. Sie ist nützlich, wenn Forscher ihre theoretische Struktur eines Konstrukts verifizieren wollen. Die CFA untersucht Messmodelle als typische Beziehungsstrukturen zwischen (a) Indikatoren (beobachtbare Messgrößen) und (b) latenten Variablen (Faktoren), wie z. B. der Gesamtpunktzahl des Instruments und den Teilskalenwerten, die die Variablen zur Messung des Konstrukts darstellen. Die konfirmatorische Faktorenanalyse für mehrere Gruppen (MG-CFA) ist eine Erweiterung der Strukturgleichungsmodellierung (SEM). Die Methode ist für viele Studien typisch geworden, die die Invarianz von Strukturen und Messgrößen über Gruppen hinweg untersuchen (Chen, 2008; Hirschfeld & Von Brachel, 2014). MG- CFA vergleicht „Mittelwerte, Varianzen und Kovarianzen latenter Variablen über Gruppen hinweg, wobei die Messparameter invariant gehalten werden“ (Asparouhov & Muthén, 2014, S. 495). Die konfirmatorische Faktorenanalyse für mehrere Gruppen ist besonders nützlich, um die Messinvarianz in der interkulturellen Psychologie zu untersuchen. Die Methode kann sehr wertvoll für die Entwicklung struktureller kultureller Modelle von Emotionen sein, die kulturübergreifend ähnlich sind. Wenn Forscher die Theorie aufstellen, dass ihr strukturelles Emotionsmodell in bestimmten kulturellen Gruppen – aufgrund einiger kultureller Faktoren – gleich sein sollte, wäre die konfirmatorische Mehrgruppen-Faktorenanalyse eine gute Option. Die Methode ist jedoch nicht empfindlich gegenüber den möglicherweise unterschiedlichen Beziehungen zwischen diesen Variablen in anderen Kulturen. Sie zielt darauf ab, die Struktur der Beziehungen zwischen emotionalen Variablen in verschiedenen kulturellen Stichproben gleichwertig zu machen. Die Methode kann die Forscher auch darüber informieren, dass sich das strukturelle Emotionsmodell in einer Kultur von dem anderer Kulturen unterscheidet. Der Vergleich der beiden Modelle ist jedoch eine andere und separate Aufgabe. Die Alignment-Methode als neue Methode für die konfirmatorische Mehrgruppen- Faktorenanalyse (MG-CFA) wird verwendet, „um gruppenspezifische Faktormittelwerte und -varianzen zu schätzen, ohne dass exakte Messinvarianz erforderlich ist“ (Asparouhov & Muthén, 2014, S. 495). Die Methode ist in der Lage, Modelle für mehrere Gruppen zu schätzen und kann eine wertvolle Alternative zu MG-CFA- Methoden sein, die die Messinvarianz manuell schätzen (mit Modifikationsindizes). Die Alignment-Methode automatisiert und vereinfacht die Analyse der Messinvarianz. Die multiple Faktorenanalyse (MFA) kann eine weitere alternative Methode (Abdi & Valentin, 2007; Abdi et al., 2013; Pagès, 2014) zur Untersuchung von Kon-
152
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
struktstrukturen in der interkulturellen Forschung sein. Die MFA ist eine Erweiterung der Hauptkomponentenanalyse (PCA), die es ermöglicht, „einen Satz von Beobachtungen zu analysieren, der durch mehrere Gruppen von Variablen beschrieben wird“ (Abdi & Valentin, 2007, S. 658). Die MFA erforscht die gemeinsamen Strukturen, die in allen oder einigen dieser Gruppen vorhanden sind. „Zunächst wird eine PCA für jede Datentabelle berechnet und jede Datentabelle „normalisiert“, indem alle Elemente durch den ersten Singulärwert aus der PCA geteilt werden. Zweitens werden alle normalisierten Datentabellen zu einer großen Datentabelle aggregiert, die mittels einer (nicht-normalisierten) PCA analysiert wird, die eine Reihe von Faktor-Scores für die Beobachtungen und Ladungen für die Variablen liefert. (Abdi et al., 2013, S. 149)“
Um Gemeinsamkeiten und Diskrepanzen aufzudecken, werden die verschiedenen Datensätze auf die globale Analyse projiziert. Jede Datentabelle zeigt eine Reihe von partiellen Faktorwerten für die Beobachtungen an. Diese Informationen offenbaren den spezifischen „Blickwinkel“ dieser Datentabelle (Abdi et al., 2013). Forscher in verschiedenen Bereichen der Wissenschaft verwenden MFA. Ich glaube, dass die kulturübergreifende Erforschung von Emotionen ebenfalls von ihrem Einsatz profitieren kann, wenn es um kulturelle Gruppen geht, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Strukturen der Konstrukte zu ermitteln. Multidimensionale Skalierung und kulturelle Modelle von Emotionen Multidimensionale Skalierung (MDS) ist eine statistische Methode der Datenreduktion, die die Struktur in einer Reihe von Abstandsmaßen zwischen Objekten (z. B. Emotionen, Personen, Kulturen) analysiert. Der Input für die Analyse sind dis tanzähnliche Daten, wie quantitative Maße für Ähnlichkeiten, Unähnlichkeiten, Dis tanz oder Nähe zwischen Objektpaaren. Die Datensätze können Bewertungen von Ähnlichkeiten zwischen Emotionen, Individuen, Kulturen sowie Interkorrelationen zwischen Messgrößen enthalten. Subjektive Bewertungen der Ähnlichkeit oder Unähnlichkeit zwischen Objekten (z. B. Emotionen, Individuen, Kulturen), Attributen (z. B. Dimensionen) oder Skripten von Ereignissen und Verhaltensweisen können mit MDS untersucht werden. Die Methode kann mehrere Datensätze analysieren, die von mehreren Befragten, Bewertern oder kulturellen Stichproben stammen (Borg & Groenen, 2005; Borg et al., 2012). Die MDS analysiert die Daten und lokalisiert die Objekte als Punkte in einem geometrischen Begriffsraum. Die Abstände zwischen den Punkten stellen Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten zwischen Objekten im euklidischen Raum dar. Die ähnlichen Objekte werden durch die Punkte dargestellt, die nahe beieinander liegen, während die unähnlichen Objekte durch die Punkte dargestellt werden, die weit voneinander entfernt sind (Borg & Groenen, 2005; Borg et al., 2012; Young, 2013). Die Struktur der Beziehungen zwischen den Objekten wird als zwei- oder dreidimensionales Streudiagramm dargestellt, das zum besseren Verständnis der dimensionalen Struktur der Daten beiträgt. Der konzeptionelle Raum kann nicht-euklidisch sein und mehr Dimensionen haben.
3.3 Erforschung wissenschaftlicher Konstrukte und Dimensionen für die Konstruktion … 153
Die multidimensionale Skalierung (MDS) wurde in der Emotionsforschung eingesetzt, auch für interkulturelle Vergleiche. So haben Forscher beispielsweise untersucht, wie Menschen in verschiedenen Kulturen und Sprachen Ähnlichkeiten und Unterschiede in der Bedeutung von Gefühlen wahrnehmen, die mit Worten beschrieben werden, in den Gefühlen, die durch Gesichtsausdrücke ausgedrückt werden (Herrmann & Raybeck, 1981; Katsikitis, 1997; Russell, 1994); Russell et al., 1989), in den Merkmalen von Stimmmustern von Emotionen (Van Bezooijen et al., 1983) und in den emotionalen Skripten (Panayiotou, 2008). Interkulturelle Wissenschaftler können die MDS effektiv für die Entwicklung kultureller Modelle von Emotionen einsetzen. Latenklassenanalyse und kulturelle Modelle von Emotionen Die Latentklassenanalyse ist ein statistisches Verfahren, das die Untersuchung eines Messmodells ermöglicht, bei dem Personen in latente Klassen eingeteilt werden können. Eine solche Klassifizierung basiert in der Regel auf den typischen Mustern multivariater kategorialer Daten, wie z. B. den Antworten der Teilnehmer. Die gleichzeitige Latentklassenanalyse über Gruppen hinweg stellt eine besonders interessante und perspektivische Methode zur Untersuchung der Messäquivalenz (Invarianz) in der kulturübergreifenden Forschung dar (Kankaraš et al., 2010; Kankaraš & Vermunt, 2014). Sie ist vorteilhaft für den Vergleich der latenten Strukturen zwischen mehreren kulturellen Gruppen. Eid und Kollegen (z. B. Eid & Diener, 2001; Eid et al., 2003; Kim-Prieto & Eid, 2004) haben vorgeschlagen, die Latentklassenanalyse als Methode zur Erforschung und Bewertung typologischer Strukturen von Emotionen einzusetzen. Die Autoren beschreiben mehrere Vorteile dieses methodischen Ansatzes. Die Latentklassenanalyse ermöglicht die Untersuchung von „(a) kategorialen Antwortvariablen, (b) intraund internationalen Unterschieden in individuellen Profilen und (c) universellen und kulturspezifischen Normtypen.“ (Eid & Diener, 2001, S. 883). Aufgrund dieser Vorteile eignet sich die Methode gut für den kulturübergreifenden Vergleich von emotionalem Erleben und Ausdruck. Sie bietet auch die analytische Möglichkeit, strukturelle kulturelle Modelle von Emotionen zu konstruieren, indem sie die Äquivalenz von Strukturen in verschiedenen Kulturen misst. Obwohl die Analyse die starke Annahme der Messinvarianz für die gesamte kulturübergreifende Stichprobe ablehnte, konnten die Autoren (Eid & Diener, 2001) dennoch diejenigen Personengruppen identifizieren, die in allen Ländern gleichwertig sind, und diejenigen, die kulturspezifisch sind. Ihr Modell mit universellen und kulturspezifischen Klassen hat die strukturelle Äquivalenz und die strukturelle Vielfalt von Emotionsnormen zwischen den Kulturen gezeigt. Die Latentklassenanalyse ist in der Lage, universelle von kulturspezifischen Emotionsmustern zu trennen. Die Methode ermöglicht es auch, verschiedene Klassen zu identifizieren, die den Mustern verschiedener Kulturen entsprechen, sowie Variationen von Mustern innerhalb von Kulturen (Eid & Diener, 2001). Die Methode verwendet also einen typologischen
154
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Ansatz, der informativer und produktiver ist als eine dimensionale Herangehensweise für die Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen. Clusteranalyse zur Entwicklung kultureller Modelle von Emotionen Die Clusteranalyse ist eine statistische Methode zur Analyse multivariater Daten, deren Hauptziel darin besteht, eine Stichprobe von Fällen (z. B. Objekte, Einzelpersonen, Gruppen) in Untergruppen zu klassifizieren, die homogen und gut voneinander getrennt sind. Diese Klassifizierung erfolgt auf der Grundlage des Wertes mehrerer Variablen von Forschungsinteresse (z. B. Einstellungen, Handlungen, Emotionen). Die Fälle mit der gleichen Teilmenge ähneln einander und bilden aufgrund dieser Ähnlichkeit ein homogenes Teilmengen-Cluster. Diese Fälle innerhalb des Clusters werden getrennt und unterscheiden sich von den Fällen in anderen Clustern. So bestimmt die Clusteranalyse mehrdimensionale Abstände zwischen den Fällen anhand von Ähnlichkeiten und Unterschieden zwischen den entsprechenden Variablen. Die Forscher wählen die Cluster von Fällen aus, die relativ geringe Abstände aufweisen. Die verborgenen Muster der Ähnlichkeiten und Unterschiede zwischen den Fällen in ihren Variablen schaffen eine Struktur der Fälle, ihre Taxonomie oder Typologie. Unter mehreren Clustering-Techniken sind nichthierarchisches und hierarchisches Clustering die am häufigsten verwendeten (Bezdek, 2017; Kaufman & Rousseeuw, 2009; Kettenring, 2006; Maxwell et al., 2002). Bei der nichthierarchischen Clusterung werden die Fälle mithilfe eines iterativen Algorithmus in eine Reihe von Clustern aufgeteilt, wobei die Varianz innerhalb der Cluster minimiert und die Varianz zwischen den Clustern maximiert wird. Die zweistufige Clustering-Technik vergleicht die Werte der Modellauswahlkriterien in verschiedenen Clustering-Lösungen und wählt automatisch die optimale Anzahl von Clustern. Beim k-means-Clustering kann die Anzahl der Cluster ausgewählt werden, die der Algorithmus erzeugt. Wenn die Forscher zum Beispiel annehmen, dass sie vier Cluster erhalten möchten, wählen sie in der k-means-Option 4 aus. Dann teilt der Algorithmus der Clusteranalyse die Fälle in vier Cluster mit minimaler Intra- Cluster-Varianz und maximaler Inter-Cluster-Varianz ein. Die Qualität und Bedeutung der Cluster wird anhand der Clusterschwerpunkte, der relativen Größe der Cluster und einer sinnvollen Erklärung im Lichte des theoretischen Konzepts interpretiert. Das hierarchische Clustering verwendet einen schrittweisen Prozess, bei dem in jedem Schritt mehrere nahe beieinander liegende Fälle zusammengeführt werden. Bei diesem hierarchischen Verfahren entsteht eine baumartige Struktur (Dendrogramm), bei der jeder Fall ein Blatt an der Spitze des Baumes ist, während alle Fälle eine einzige Gruppe am unteren Ende bilden. Obwohl diese Clustermethoden in sozialwissenschaftlichen Studien produktiv sind, sind sie möglicherweise nicht so effektiv, wenn es um Daten geht, bei denen
3.3 Erforschung wissenschaftlicher Konstrukte und Dimensionen für die Konstruktion … 155
die Cluster mehrdeutig sind oder sich gegenseitig überschneiden. In diesem Fall kann das Fuzzy-Clustering eine flexible Alternative zu den anderen Clustermethoden darstellen. Die Methode ermöglicht es, dass ein Fall gleichzeitig zu mehr als einem Cluster gehört (Bolin et al., 2014; De Oliveira & Pedrycz, 2007; Höppner et al., 1999). In vielen Studien wird die Clusteranalyse eingesetzt, um Fälle (Objekte, Personen, soziale Gruppen) auf der Grundlage der beobachteten Variablen, die diese messen, zu klassifizieren. Es ist jedoch auch möglich, die Clusteranalyse zur Dimensionsreduktion – also zur Clusterung von Variablen – einzusetzen (Farrelly et al., 2017; Revelle, 1979, 2019; Tryon, 1958). So kann beispielsweise die hierarchische Clusteranalyse (HCA) eine nützliche nichtparametrische Methode für die psychometrische Analyse von Umfragedaten sein. Eine Studie (Farrelly et al., 2017) hat gezeigt, dass die HCA im Vergleich zur EFA mehrere Vorteile hat. Die Grafiken der HCA, wie Dendrogramme, Mittelwertplots und Heatmaps, sind sehr hilfreich. Wenn hierarchisches Clustering zur Validierung von faktoriell konzipierten Maßnahmen verwendet wird, zeigt es stabilere und konsistentere Ergebnisse. Methoden der Clusteranalyse finden in verschiedenen Bereichen Anwendung, z. B. im Marketing, in der Wirtschaft, in den Sozialwissenschaften, in der Biologie und in der Medizin (siehe Fonseca, 2013; Hennig et al., 2015; Kaufman & Rousseeuw, 2009; Kettenring, 2006; Maxwell et al., 2002), da sie für verschiedene Klassifizierungsaufgaben nützlich sind. In der Soziologie wurde die Clusteranalyse beispielsweise verwendet, um eine fünffache Typologie von Wohlfahrtsstaatssystemen zu erstellen (Bambra, 2007), um den Austausch zwischen den Generationen in US-amerikanischen Familien zu strukturieren, um Familientypen zu identifizieren (Henry et al., 2005) und um Kasinospieler zu klassifizieren (Lee et al., 2006). Die kulturübergreifende Forschung hat die Clusteranalyse aktiv genutzt, um Länder anhand einiger kultureller Rahmenbedingungen zu klassifizieren (z. B. Ladwig et al., 2012; Maleki & de Jong, 2014; Merritt, 2000; Minkov & Hofstede, 2014; Ronen & Shenkar, 1985; Widmer et al., 1998), wie z. B. kulturelle Dimensionen, Werte, sozioökonomische Variablen von Gesellschaften und Persönlichkeitsmerkmale. In der Emotionsforschung setzten Forscher (z. B. Stephens et al., 2010) die Clusteranalyse ein, um die Spezifität grundlegender Emotionen in Bezug auf Variablen des autonomen Nervensystems (ANS) zu untersuchen und die verschiedenen Cluster von Individuen auf der Grundlage ihrer individuellen Reaktionstendenzen zu identifizieren (diese sind extrem alpha-adrenergisch, extrem beta-adrenergisch oder relativ reaktionslos). Forscher nutzten das Clustering, um die Taxonomie des Vokabulars der Emotionen zu erforschen (Storm & Storm, 1987). Die Clusteranalyse wurde auch für das Clustern von Emotionen in kultureller und kulturübergreifender Perspektive verwendet (Dietze, 1963; Scollon et al., 2004; Toivonen et al., 2012). Die latente Clusteranalyse (LCA) ist eine weitere statistische Technik der Clusterbildung zur Untersuchung von Typologien. Sie basiert auf dichotomen Variablen und identifiziert latente Klassen auf der Grundlage der Antwortmuster (Clogg, 1995; Hagenaars & Halman, 1989; Lazarsfeld & Henry, 1968).
156
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Diese Fähigkeiten und statistischen Techniken, die oben zusammengefasst wurden, machen die Clusteranalyse zu einer sehr perspektivischen statistischen Methode, um kulturelle Modelle von Emotionen als Typologien von emotionalen Mustern in verschiedenen Kulturen zu erstellen. Ihre Vorteile liegen in der Möglichkeit, Fälle und Variablen zu klassifizieren. Auf der individuellen Ebene der Studie (siehe nächster Abschnitt) können die Forscher einzelne Teilnehmer als Fälle behandeln und diese anhand der Variablen der emotionalen Bedeutungen, Erfahrungen und Ausdrücke klassifizieren. Je nach Aufgabenstellung kann es sinnvoll sein, die Teilnehmer aus allen kulturellen Stichproben auf einmal einzubeziehen oder eine Clusteranalyse für jede Stichprobe separat durchzuführen. Die Zusammenstellung der Gruppen von Teilnehmern, die sich innerhalb der Cluster ähneln und von denen in anderen Clustern unterscheiden, eröffnet verschiedene Möglichkeiten für weitere Analysen. Dies ist ein besserer Ansatz als die Durchschnittsbildung der emotionalen Variablen für eine gesamte kulturelle Stichprobe mit der ungeprüften Annahme ihrer Homogenität. Es ist wahrscheinlich, dass die kulturelle Stichprobe heterogen ist und einer differenzierteren weiteren Analyse bedarf. Die Unterscheidung zwischen kulturellen Emotionsmodellen kann nicht an den „Grenzen“ kultureller Stichproben liegen, sondern sogar innerhalb dieser Stichproben. Eine ähnliche Art der Analyse wurde mit der latenten Klassenfaktoranalyse durchgeführt (Eid et al., 2003; Eid & Diener, 2001). Auf der kulturellen Ebene der Studie (siehe nächster Abschnitt) können Kulturen auch die Fälle für die Clusteranalyse sein, wie in einigen neueren Studien (Minkov & Hofstede, 2012, 2014), wenn die Stichprobe der Kulturen ausreichend ist und über entsprechende Emotionsvariablen verfügt. Wie bereits erwähnt, kann die Clusteranalyse auch zur Dimensionsreduktion und damit zur Klassifizierung von Variablen eingesetzt werden. Während die Faktorenanalyse die Dimensionsreduktion auf der Grundlage von Korrelation/Kovarianz durchführt, erfolgt die Dimensionsreduktion bei der Clusteranalyse auf der Grundlage von Ähnlichkeiten und Unähnlichkeiten zwischen den Variablen. Die Art der Beziehungen zwischen latenten Emotionsvariablen kann sich bei beiden Analysetypen überschneiden, ist aber dennoch unterschiedlich. Bei der Faktorenanalyse können die beobachteten Messgrößen (Items) aus verschiedenen Gründen korrelieren und kovariieren, z. B. aufgrund von Kausalität, Assoziationen mit dritten Variablen oder semantischen Ähnlichkeiten. Und die Forscher kennen möglicherweise die Art dieser Kovarianz zwischen den Items nicht. Daher bezeichnen sie diese latente Variable mit einem sehr allgemeinen Begriff „Faktor“. Wenn Forscher die Items auf der Grundlage ihrer Ähnlichkeit in Gruppen einteilen wollen, ist die Clusteranalyse die vorzuziehende Methode. Die Clusteranalyse von Variablen (Items) als Indikatoren für Emotionen kann helfen, die typischen Muster des emotionalen Erlebens und Ausdrucks in verschiedenen Kulturen zu identifizieren. So kann die Clusterung von Fällen oder Variablen oder eine strategische Kombination beider Ansätze je nach Ziel der Studie verschiedene Möglichkeiten zur Erstellung kultureller Modelle von Emotionen bieten.
3.3 Erforschung wissenschaftlicher Konstrukte und Dimensionen für die Konstruktion … 157
Mehrstufige Methodik kultureller Modelle Die Mehrebenenmethodik impliziert, dass psychologische Rahmenbedingungen auf Länderebene oder auf individueller Ebene analysiert werden können. Triandis und Kollegen (Triandis et al., 2001) untersuchten zum Beispiel, wie die Variablen Kultur, Persönlichkeit, Täuschung und Emotionen bei internationalen Managementverhandlungen zusammenhängen. Die Autoren wendeten eine Mehrebenananalyse an und fanden auf kultureller und individueller Ebene unterschiedliche Zusammenhänge zwischen Kollektivismus und dem Einsatz von „Täuschung in Verhandlungen und zu größeren emotionalen Reaktionen (d. h. Schuld, Scham und Ekel) nach dem Einsatz von Täuschung“ (S. 73). Kulturelle Modelle können Variablen auf jeder dieser Ebenen beschreiben und analysieren, indem sie entsprechende Variablensätze verwenden: Individualismus der Gesellschaft, Machtdistanz, Kontextdifferenzierung oder relationale Mobilität – auf der Länderebene, während Idiozentrismus (psychologische Variable des Individualismus), Persönlichkeitsmerkmale, vorherrschende emotionale Valenz, Intensität oder Expressivität – auf der individuellen Ebene. Es ist auch möglich, die Variablen einer Ebene aus den Variablen einer anderen Ebene durch Aggregation oder Disaggregation der Werte abzuleiten (Van de Vijver et al., 2008). Im Falle der Aggregation werden beispielsweise die Werte auf Kul turebene für Variablen von Persönlichkeitsmerkmalen durch Aggregation der individuellen Werte für diese Variablen erhalten, wenn ein Forscher die Stichprobenmittelwerte in nationalen Stichproben berechnet (Fischer & Poortinga, 2018; Smith et al., 2013). Der Fallstrick einer solchen Aggregation besteht darin, dass beispielsweise alle Teilnehmer aus den Vereinigten Staaten – einem durchschnittlich extravertierten Land – den hohen Extraversionswert erreichen, obwohl viele US- Amerikaner introvertiert sind. Diese aggregierten Einzelvariablen sollten mit Vorsicht interpretiert werden, um den methodischen Trugschluss zu vermeiden, den ich als „durchschnittliche Temperatur der menschlichen Körper unter den Patienten im Krankenhaus“ bezeichne. Wir können die letztgenannte Variable berechnen, aber sie wäre für die Forschung bedeutungslos. Die individuellen Variablen auf Länder ebene verschleiern und verdecken die tatsächliche individuelle Vielfalt der Menschen innerhalb eines Landes. Im Falle einer Disaggregation werden die Individualismuswerte auf individueller Ebene einfach den einzelnen Teilnehmern auf der Grundlage ihrer Variablen auf nationaler Ebene zugeordnet (Fischer & Poortinga, 2018). Der Fallstrick der Disag gregation besteht darin, dass Teilnehmer aus den Vereinigten Staaten als individualistisch gelten, weil sie in einem individualistischen Land leben, während Teilnehmer aus einem ostasiatischen Land als kollektivistisch eingestuft werden. Diese Annahme ist unklar und möglicherweise nicht angemessen. Wie ich bereits in einem früheren Abschnitt angemerkt habe, ist es nicht offensichtlich, ob die Tatsache, wo der Einzelne aufgewachsen ist, oder wo und wie lange er lebt, wichtiger ist. Auch die individuellen Unterschiede innerhalb einer Gesellschaft sollten berücksichtigt werden.
158
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Die expliziten Tests zur Überprüfung solcher mehrdeutigen Annahmen können nützlich sein, um Verwechslungen zu vermeiden. Es gibt gute Beispiele für Studien, in denen Forscher die Messung der kulturellen Identität in ihr Forschungsdesign aufgenommen haben (z. B. Nguyen & Benet-Martínez, 2013; Tsai et al., 2002). Forscher, die verschiedene Techniken der Mehrebenenanalyse anwenden (Hox, 2010; Muthén & Muthén, 1998–2017), können die Daten auf jeder Ebene und die Beziehungen zwischen den Ebenen untersuchen. Statistische Analysen von Wechselwirkungen zwischen Variablen einer höheren Ebene (Länder) und Variablen einer niedrigeren Ebene (Individuen, die in diesen Ländern verschachtelt sind) sind möglich (Fischer & Poortinga, 2018). Zum Beispiel analysiert die Mehrebenen-Komponentenanalyse (MLCA) verschachtelte Daten (Kuppens et al., 2006). Das ist ganz typisch für das Forschungsdesign kulturübergreifender Studien, bei denen die Teilnehmer in Kulturen verschachtelt sind, während diese Kulturen wiederum in größeren Kulturen (bis hin zu universellen) verschachtelt sein können. Im Allgemeinen kann die Methode für verschiedene Aufgaben der kulturübergreifenden Analyse der Strukturen numerischer Daten verwendet werden, z. B. für die strukturelle Äquivalenz von Messinstrumenten oder die strukturelle Äquivalenz einer bestimmten Klasse von Variablen. Im Falle der Emotionsforschung sind die gesellschaftlichen Normen des Erlebens und des Ausdrucks von Emotionen die Variablen der kulturellen Ebene, während das tatsächliche Erleben und der Ausdruck von Emotionen die Variablen der individuellen Ebene sind. Die Forscher können die kulturellen Modelle von Emotionen in einer Gesellschaft auf jeder dieser Ebenen oder in Wechselwirkung mit beiden untersuchen. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, die Variable der internen subjektiven Perspektive und die Variablen der externen objektiven Perspektive auf Emotionen zu unterscheiden. Die Innenperspektive ist eine Variable, die von Interesse ist, wenn ein Forscher fragt: „Wie/wann erleben Sie diese Emotion …“, oder „Wie/wann zeigen Sie diese Emotion …“ in einem bestimmten sozialen Kontext. Auf der anderen Seite ist die Außenperspektive eine Variable, die von Interesse ist, wenn ein Forscher fragt: „Wie/wann erleben die Menschen in Ihrem Land ihre Emotionen …“ oder „Wie zeigen die Menschen in Ihrem Land ihre Emotionen …“ in einem bestimmten sozialen Kontext. Die erste Perspektive spiegelt die Variable der individuellen Ebene wider, während die zweite Perspektive die Variable der Länderebene widerspiegelt. Die erste Art von Variablen kann selbstbezogen und selbstverteidigend sein, mit der Tendenz, sich mit einer Kultur (d. h. den Menschen dieser Kultur) zu identifizieren oder sich ihr zu widersetzen. Die zweite Art von Variablen ist ebenfalls subjektiv und kann aufgrund der Selbstidentifikation mit oder der Ablehnung der Kultur verzerrt sein, aber sobald sie über individuelle Meinungen verallgemeinert wird, stellt sie ein objektives Bild des kulturellen Lebens dar. Es ist ein lohnendes Forschungsdesign, die Interaktion dieser beiden Ebenen zu untersuchen, um ein umfassendes und vielschichtiges kulturelles Emotionsmodell zu erstellen. Die methodische Unterscheidung zwischen selbstbezogener Bewertung und gruppenbezogener Bewertung, die in früheren Abschnitten erörtert wurde, ist hier von Bedeutung. Diese beiden Arten von Antwortformaten spiegeln die Variablen
Literatur
159
auf individueller Ebene (selbstbezogene Bewertung) bzw. auf Länderebene (gruppenbezogene Bewertung) wider. Viele Mehrebenenanalysen in der kulturübergreifenden Forschung konzentrieren sich traditionell auf zwei Ebenen: die Ebene der Kultur (Land oder Bevölkerung) und die individuelle Ebene. Es ist jedoch möglich und könnte interessant sein, kulturelle Modelle zu untersuchen, die drei Ebenen umfassen: (1) Kultur als Land, (2) Kultur als ethnische Gemeinschaft, (3) individuelle Ebene. Diese Art von Forschungsdesign kann angesichts des facettenreichen Konzepts von Kultur und der Vielfalt der Kulturtypen, die in den vorangegangenen Abschnitten vorgestellt wurden, nützlich sein.
Literatur Abdi, H., & Valentin, D. (2007). Multiple factor analysis (MFA). In N. J. Salkind (Hrsg.), Encyclopedia of measurement and statistics (S. 657–663). Sage. Abdi, H., Williams, L. J., & Valentin, D. (2013). Multiple factor analysis: Principal component analysis for multitable and multiblock data sets. Wiley Interdisciplinary Reviews: Computational Statistics, 5(2), 149–179. Abu-Lughod, L. (2000). Veiled sentiments: Honor and poetry in a Bedouin society. University of California Press. (Original work published 1986). Alonso-Arbiol, I., Shaver, P. R., Fraley, R. C., Oronoz, B., Unzurrunzaga, E., & Urizar, R. (2006). Structure of the Basque emotion lexicon. Cognition and Emotion, 20(6), 836–865. Angel, R. J., & Williams, K. (2000). Cultural models of health and illness. In Handbook of multicultural mental health (S. 25–44). Academic. Arce-Ferrer, A. J. (2006). An investigation into the factors influencing extreme-response style. Educational and Psychological Measurement, 66(3), 374–392. Argyle, M., & Crossland, J. (1987). The dimensions of positive emotions. British Journal of Social Psychology, 26(2), 127–137. Asparouhov, T., & Muthén, B. (2014). Multiple-group factor analysis alignment. Structural Equation Modeling: A Multidisciplinary Journal, 21(4), 495–508. Athanasiadou, A., & Tabakowska, E. (Hrsg.). (1998). Speaking of emotions: Conceptualisation and expression. Mouton de Gruyter. Bachen, C. M., & Illouz, E. (1996). Imagining romance: Young people’s cultural models of romance and love. Critical Studies in Media Communication, 13(4), 279–308. Bambra, C. (2007). Defamilisation and welfare state regimes: A cluster analysis. International Journal of Social Welfare, 16(4), 326–338. Bartholomew, K., & Horowitz, L. M. (1991). Attachment styles among young adults: A test of a four-category model. Journal of Personality and Social Psychology, 61, 226–244. Behling, O., & Law, K. S. (2000). Translating questionnaires and other research instruments: Problems and solutions. Sage. Benet-Martınez, V., & Haritatos, J. (2005). Bicultural identity integration (BII): Components and psychological antecedents. Journal of Personality, 73, 1015–1050. Bennardo, G. (2018a). Cultural models theory. Anthropology Newsletter, 59(4), e139–e142. Bennardo, G. (2018b, July 17). Cultural models theory. Anthropology News website. https://doi. org/10.1111/AN.919 Bennardo, G., & de Munck, V. (2020). Cultural model theory in cognitive anthropology: Recent developments and applications. Journal of Cultural Cognitive Science, 4, 1–2. https://doi. org/10.1007/s41809-020-00055-4
160
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Bennardo, G., & De Munck, V. C. D. (2014). Cultural models: Genesis, methods, and experiences. Oxford University Press. Bernard, H. R. (2006). Research methods in anthropology: Qualitative and quantitative approaches (4. Aufl.). Rowman & Littlefield. Bernard, H. R., & Gravlee, C. C. (Hrsg.). (2014). Handbook of methods in cultural anthropology (2. Aufl.). Rowman & Littlefield. Berry, J. W. (1969). On cross-cultural comparability. International Journal of Psychology, 4, 119–128. Berry, J. W. (1989). Imposed etics-emics-derived etics: The operationalization of a compelling idea. International Journal of Psychology, 24, 721–735. Berry, J. W., Poortinga, Y. H., & Pandey, J. (Hrsg.). (1997). Handbook of cross-cultural psychology (Theory and method, Bd. 1). Allyn & Bacon. Berscheid, E., & Walster, E. (1972). Beauty and the best. Psychology Today, 5, 42–46. Bezdek, J. C. (2017). A primer on cluster analysis: 4 basic methods that (usually) work. Design Publication. Boecker, L., Likowski, K. U., Pauli, P., & Weyers, P. (2015). The face of schadenfreude: Differentiation of joy and schadenfreude by electromyography. Cognition and Emotion, 29(6), 1117–1125. Boehnke, K., Lietz, P., Schreier, M., & Wilhelm, A. (2011). Sampling: The selection of cases for culturally comparative psychological research. In D. Matsumoto & F. J. R. van de Vijver (Hrsg.), Culture and psychology. Cross-cultural research methods in psychology (S. 101–129). Cambridge University Press. Boehnke, K., Arnaut, C., Bremer, T., Chinyemba, R., Kiewitt, Y., Koudadjey, A. K., et al. (2014). Toward emically informed cross-cultural comparisons: A suggestion. Journal of Cross-Cultural Psychology, 45(10), 1655–1670. Boer, D., Hanke, K., & He, J. (2018). On detecting systematic measurement error in cross-cultural research: A review and critical reflection on equivalence and invariance tests. Journal of Cross-Cultural Psychology, 49, 713–734. Boers, F. (2003). Applied linguistics perspectives on cross-cultural variation in conceptual metaphor. Metaphor and Symbol, 18(4), 231–238. Bolin, J. H., Edwards, J. M., Finch, W. H., & Cassady, J. C. (2014). Applications of cluster analysis to the creation of perfectionism profiles: A comparison of two clustering approaches. Frontiers in Psychology, 5, 343. Borg, I., & Groenen, P. J. (2005). Modern multidimensional scaling: Theory and applications. Springer. Borg, I., Groenen, P. J., & Mair, P. (2012). Applied multidimensional scaling. Springer. Bradley, M. M., Greenwald, M. K., Petry, M., & Lang, P. J. (1992). Remembering pictures: Pleasure and arousal in memory. Journal of Experimental Psychology: Learning, Memory, & Cognition, 18, 379–390. Brennan, K. A., Clark, C. L., & Shaver, P. R. (1998). Self-report measurement of adult attachment: An integrative overview. In J. A. Simpson & W. S. Rholes (Hrsg.), Attachment theory and close relationships (S. 46–76). Guilford Press. Breugelmans, S. M., & Poortinga, Y. H. (2006). Emotion without a word: Shame and guilt among Rarámuri Indians and rural Javanese. Journal of Personality and Social Psychology, 91(6), 1111–1122. Breugelmans, S. M., Ambadar, Z., Vaca, J. B., Poortinga, Y. H., Setiadi, B., Widiyanto, P., & Philippot, P. (2005). Body sensations associated with emotions in Rarámuri Indians, rural Javanese, and three student samples. Emotion, 5(2), 166–175. Briggs, J. L. (1970). Never in anger: Portrait of an Eskimo family. Harvard University Press. Brown, T. A. (2015). Confirmatory factor analysis for applied research (2. Aufl.). Guilford Press. Bruner, J. (1986). Actual minds, possible worlds. Plenum Press. Bruner, J. (1990). Acts of meaning. Harvard University Press. Campbell, D. T. (1986). Science’s social system of validity-enhancing collective belief change and the problems of the social sciences. In D. W. Fiske & R. A. Shweder (Hrsg.), Metatheory in social science: Pluralities and subjectivities (S. 108–135). University of Chicago Press.
Literatur
161
Cha, E. S., Kim, K. H., & Erlen, J. A. (2007). Translation of scales in cross-cultural research: Issues and techniques. Journal of Advanced Nursing, 58(4), 386–395. Chen, F. F. (2008). What happens if we compare chopsticks with forks? The impact of making inappropriate comparisons in cross-cultural research. Journal of Personality and Social Psychology, 95(5), 1005–1018. https://doi.org/10.1037/a0013193 Chentsova-Dutton, Y. E., & Lyons, S. H. (2016). Different ways of measuring emotions cross- culturally. In H. L. Meiselman (Hrsg.), Emotion measurement (S. 601–628). Woodhead Publishing. Cheung, G. W., & Rensvold, R. B. (2000). Assessing extreme and acquiescence response sets in cross-cultural research using structural equations modeling. Journal of Cross-Cultural Psychology, 31, 187–212. Cheung, G. W., & Rensvold, R. B. (2002). Evaluating goodness-of-fit indexes for testing measurement invariance. Structural Equation Modeling, 9(2), 233–255. Chiu, C.-Y., & Hong, Y.-Y. (2006). Social psychology of culture. Psychology Press. Chrisomalis, S. (2006). Comparing cultures and comparing processes: Diachronic methods in cross-cultural anthropology. Cross-Cultural Research, 40(4), 377–404. Clogg, C. C. (1995). Latent class models. In G. Arminger, C. C. Clogg, & M. E. Sobel (Hrsg.), Handbook of statistical modeling for the social and behavioral sciences (S. 311–359). Plenum. Clogg, C. C., & Goodman, L. A. (1985). Simultaneous latent structure analysis in several groups. Sociological Methodology, 15, 81–110. Cohen, D. (2007). Methods in cultural psychology. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (S. 196–236). Guilford Press. Collet, C., Vernet-Maury, E., Delhomme, G., & Dittmar, A. (1997). Autonomic nervous system response patterns specificity to basic emotions. Journal of the Autonomic Nervous System, 62(1–2), 45–57. Cooper, W. H. (1981). Ubiquitous halo. Psychological Bulletin, 90(2), 218–244. https://doi.org/10. 1037/0033-2909.90.2.218 Cross, S. E., & Gore, J. S. (2003). Cultural models of the self. In M. R. Leary & J. P. Tangney (Hrsg.), Handbook of self and identity (S. 536–564). Guilford Press. D’Andrade, R. G. (1992). Cultural models and motivations. In R. D’Andrade & C. Strauss (Hrsg.), Human motives and cultural models (S. 23–44). Cambridge University Press. Daun, A. (1995). Swedish mentality. Penn State University Press. Davidov, E., Meuleman, B., Cieciuch, J., Schmidt, P., & Billiet, J. (2014). Measurement equivalence in cross-national research. Annual Review of Sociology, 40, 55–75. Davidov, E., Schmidt, P., & Billiet, J. (Hrsg.). (2018). Cross-cultural analysis: Methods and applications (2. Aufl.). Routledge. Davies, R. J., & Ikeno, O. (2011). Japanese mind: Understanding contemporary Japanese culture. Tuttle Publishing. De Munck, V. C. (2009). Research design and methods for studying cultures. Rowman Altamira. De Munck, V. C. (2019). Romantic love in America: straight, gay, polyamorous. The Rowman & Littlefield. De Munck, V. C., & Bennardo, G. (2019). Disciplining culture: A sociocognitive approach. Current Anthropology, 60(2), 174–193. De Munck, V. C., & Kronenfeld, D. B. (2016). Romantic love in the United States: Applying cultural models theory and methods. SAGE Open, 6(1), 2158244015622797. De Oliveira, J. V., & Pedrycz, W. (Hrsg.). (2007). Advances in fuzzy clustering and its applications. Wiley. Dietze, A. G. (1963). Types of emotions or dimensions of emotion? A comparison of typal analysis with factor analysis. The Journal of Psychology, 56(1), 143–159. Dion, K., Berscheid, E., & Walster, E. (1972). What is beautiful is good. Journal of Personality and Social Psychology, 24, 285–290. Dobrovolskij, D., & Piirainen, E. (2005). Figurative language. Cross-cultural and cross-linguistic perspectives. Elsevier.
162
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Eid, M., & Diener, E. (2001). Norms for experiencing emotions in different cultures: Inter- and intra-national differences. Journal of Personality and Social Psychology, 81(5), 869–885. Eid, M., Langeheine, R., & Diener, E. (2003). Comparing typological structures across cultures by multigroup latent class analysis: A primer. Journal of Cross-Cultural Psychology, 34(2), 195–210. Ekman, P. (1972). Universals and cultural differences in facial expressions of emotion. In J. Cole (Hrsg.), Nebraska symposium motivation, 1971 (Bd. 19, S. 207–282). University of Nebraska Press. Ekman, P. (1992). Are there basic emotions? Psychological Review, 99, 550–553. Ekman, P. (1994). Moods, emotions, and traits. In P. Ekman & R. Davidson (Hrsg.), The nature of emotion: Fundamental questions (S. 56–58). Oxford University Press. Ekman, P. (1999). Basic emotions. In T. Dalgleish & T. Power (Hrsg.), The handbook of cognition and emotion (S. 45–60). Wiley. Ekman, P., Sorenson, E. R., & Friesen, W. V. (1969). Pancultural elements in facial displays of emotion. Science, 164, 86–88. Ember, C. R., & Ember, M. (2009). Cross-cultural research methods (2. Aufl.). AltaMira Press. Farrell, P. (2006). Portuguese saudade and other emotions of absence and longing. In B. Peeters (Hrsg.), Semantic primes and universal grammar: Empirical evidence from the romance languages (S. 235–258). John Benjamins. Farrelly, C. M., Schwartz, S. J., Amodeo, A. L., Feaster, D. J., Steinley, D. L., Meca, A., & Picariello, S. (2017). The analysis of bridging constructs with hierarchical clustering methods: An application to identity. Journal of Research in Personality, 70, 93–106. Fehr, B. (1988). Prototype analysis of the concepts of love and commitment. Journal of Personality and Social Psychology, 55, 557. Fehr, B. (1994). Prototype-based assessment of laypeople’s views of love. Personal Relationships, 1, 309–331. Fehr, B., & Russell, J. A. (1984). The concept of emotion viewed from a prototype perspective. Journal of Experimental Psychology: General, 113(3), 464–486. Fehr, B., & Russell, J. A. (1991). The concept of love viewed from a prototype perspective. Journal of Personality and Social Psychology, 60(3), 425–438. Feldman Barrett, L., & Russell, J. A. (1998). Independence and bipolarity in the structure of current affect. Journal of Personality and Social Psychology, 74(4), 967–984. https://doi.org/10. 1037/0022-3514.74.4.967 Ferguson, R. (2016). Scandinavians: In search of the soul of the North. Head of Zeus. Fischer, R. (2004). Standardization to account for cross-cultural response bias: A classification of score adjustment procedures and review of research in JCCP. Journal of Cross-Cultural Psychology, 35, 263–282. https://doi.org/10.1177/0022022104264122 Fischer, R. (2006). Congruence and functions of personal and cultural values: Do my values reflect my culture’s values? Personality and Social Psychology Bulletin, 32(11), 1419–1431. Fischer, R., & Poortinga, Y. H. (2018). Addressing methodological challenges in culture- comparative research. Journal of Cross-Cultural Psychology, 49(5), 691–712. Flippo, H. (2018). When in Germany, do as the Germans do: The clued-in guide to German life, language, and culture (2. Aufl.). McGraw-Hill. Fonseca, J. R. (2013). Clustering in the field of social sciences: That is your choice. International Journal of Social Research Methodology, 16(5), 403–428. Fontaine, J. R. J. (2004). Equivalence. In K. Kempf-Leonard (Hrsg.), Encyclopedia of social measurement (Bd. 1, S. 803–813). Academic. Fontaine, J. R. J., Poortinga, Y. H., Setiadi, B., & Markam, S. S. (2002). Cognitive structure of emotion terms in Indonesia and The Netherlands. Cognition & Emotion, 16, 61–86. https://doi. org/10.1080/02699933014000130 Fontaine, J. R. J., Scherer, K. R., Roesch, E. B., & Ellsworth, P. (2007). The world of emotion is not two-dimensional. Psychological Science, 18(12), 1050–1057. https://doi.org/10.1111/j.14679280.2007.02024.x
Literatur
163
Friedlmeier, W., Corapci, F., & Benga, O. (2015). Early emotional development in cultural perspective. In L. Jensen (Hrsg.), Oxford handbook of human development and culture: An interdisciplinary perspective (S. 127–148). Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/oxfor dhb/9780199948550.013.9 Frijda, N. H., Kuipers, P., & ter Schure, E. (1989). Relations among emotion, appraisal, and emotional action readiness. Journal of Personality and Social Psychology, 57(2), 212–228. https:// doi.org/10.1037/0022-3514.57.2.212 Frijda, N. H., Markam, S. S., Sato, K., & Wiers, R. (1995). Emotions and emotion words. In J. A. Russell, A. J. R. Manstead, J. C. Wellenkamp, & J. M. Fernandez-Dols (Hrsg.), Everyday conceptions of emotions: An introduction to the psychology, anthropology, and linguistics of emotions (S. 121–143). Kluwer Academic. Garro, L. C. (1994). Narrative representations of chronic illness experience: Cultural models of illness, mind, and body in stories concerning the temporomandibular joint (TMJ). Social Science & Medicine, 38(6), 775–788. Geeraerts, D. (2003). Cultural models of linguistic standardization. In R. Dirven, R. Frank, & M. Pütz (Hrsg.), Cognitive models in language and thought: Ideology, metaphors and meanings (S. 25–68). Mouton de Gruyter. Gerber, E. R. (1975). The cultural patterning of emotions in Samoa. University of California. Goddard, C. (1995). Conceptual and cultural issues in emotion research. Culture & Psychology, 1(2), 289–298. Goddard, C. (1997). Cultural values and “cultural scripts” of Malay (Bahasa Melayu). Journal of Pragmatics, 27, 183–201. Greenleaf, E. A. (1992). Measuring extreme response style. Public Opinion Quarterly, 56, 323–351. Hagenaars, J. A. (1990). Categorical longitudinal data: Log-linear panel, trend, and cohort analysis. Sage. Hagenaars, J. A., & Halman, L. C. (1989). Searching for ideal types: The potentialities of latent class analysis. European Sociological Review, 5(1), 81–96. Hambleton, R. K., & Zenisky, A. L. (2011). Translating and adapting tests for cross-cultural assessments. In D. Matsumoto & F. J. R. van de Vijver (Hrsg.), Cross-cultural research methods in psychology (S. 46–74). Cambridge University Press. Hanges, P. (2004). Response bias correction procedure used in GLOBE. In R. J. House, P. J. Hanges, M. Javidan, P. J. Dorfman, & V. Gupta (Hrsg.), Culture, leadership, and organizations: The GLOBE study of 62 culture (S. 737–752). Sage. Harmon-Jones, E., Harmon-Jones, C., & Summerell, E. (2017). On the importance of both dimensional and discrete models of emotion. Behavioral Sciences, 7(4), 66. Harzing, A.-W. (2006). Response styles in cross-national survey research: A 26-country study. International Journal of Cross Cultural Management, 6, 243–266. https://doi.org/10.1177/ 1470595806066332 Harzing, A. W., Baldueza, J., Barner-Rasmussen, W., Barzantny, C., Canabal, A., Davila, A., et al. (2009). Rating versus ranking: What is the best way to reduce response and language bias in cross-national research? International Business Review, 18(4), 417–432. He, J., & van de Vijver, F. (2012). Bias and equivalence in cross-cultural research. Online Readings in Psychology and Culture, 2(2). https://doi.org/10.9707/2307-0919.1111 Heine, S. J., Lehman, D. R., Peng, K., & Greenholtz, J. (2002). What’s wrong with cross-cultural comparisons of subjective Likert scales? The reference-group effect. Journal of Personality and Social Psychology, 82, 903–918. Hendry, J. (2019). Understanding Japanese society (5. Aufl.). Routledge. Hennig, C., Meila, M., Murtagh, F., & Rocci, R. (Hrsg.). (2015). Handbook of cluster analysis. CRC Press. Henry, D. B., Tolan, P. H., & Gorman-Smith, D. (2005). Cluster analysis in family psychology research. Journal of Family Psychology, 19(1), 121. Herrmann, D. J., & Raybeck, D. (1981). Similarities and differences in meaning in six cultures. Journal of Cross-Cultural Psychology, 12(2), 194–206.
164
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Hirschfeld, G., & Von Brachel, R. (2014). Improving multiple-group confirmatory factor analysis in R – A tutorial in measurement invariance with continuous and ordinal indicators. Practical Assessment, Research, and Evaluation, 19(1), 7. Ho, D. Y. F. (1998). Indigenous psychologies: Asian perspectives. Journal of Cross-Cultural Psychology, 29, 88–103. Holland, D., & Quinn, N. (Hrsg.). (1987). Cultural models in language and thought. Cambridge University Press. Holland, D., Lachicotte, W., Jr., Skinner, D., & Cain, C. (1998). Identity and agency in cultural worlds. Harvard University Press. Hong, Y. Y., Morris, M. W., Chiu, C. Y., & Benet-Martinez, V. (2000). Multicultural minds: A dynamic constructivist approach to culture and cognition. American Psychologist, 55(7), 709–720. Höppner, F., Klawonn, F., Kruse, R., & Runkler, T. (1999). Fuzzy cluster analysis: Methods for classification, data analysis and image recognition. Wiley. House, R. J., Hanges, P. J., Javidan, M., Dorfman, P., & Gupta, V. (Hrsg.). (2003). GLOBE, cultures, leadership, and organizations: GLOBE study of 62 societies. Sage. Hox, J. J. (2010). Multilevel analysis: Techniques and applications (2. Aufl.). Routledge. Hoyle, R. H. (1995). The structural equation modeling approach: Basic concepts and fundamental issues. In R. H. Hoyle (Hrsg.), Structural equation modeling: Concepts, issues, and applications (S. 1–15). Sage. Hui, C. H., & Triandis, H. C. (1985). Measurement in cross-cultural psychology: A review and comparison of strategies. Journal of Cross-Cultural Psychology, 16(2), 131–152. Hui, C. H., & Triandis, H. C. (1989). Effects of culture and response format on extreme response style. Journal of Cross-Cultural Psychology, 20, 296–309. https://doi.org/10.1177/ 0022022189203004 Izard, C. E. (1971). The face of emotion. Appleton-Century-Crofts. Izard, C. E. (1977). Human emotions. Plenum Press. Izard, C. E. (1992). Basic emotions, relations among emotions, and emotion-cognition relations. Psychological Review, 99(3), 561–565. https://doi.org/10.1037/0033-295X.99.3.561 Izard, C. E. (2007). Basic emotions, natural kinds, emotion schemas, and a new paradigm. Perspectives on Psychological Science, 2(3), 260–280. Jack, R. E., Sun, W., Delis, I., Garrod, O. G., & Schyns, P. G. (2016). Four not six: Revealing culturally common facial expressions of emotion. Journal of Experimental Psychology: General, 145(6), 708–730. Jakobovits, L. A. (1966). Comparative psycholinguistics in the study of cultures. International Journal of Psychology, 1(1), 15–37. Jensen, L. A. (2012). Bridging universal and cultural perspectives: A vision for developmental psychology in a global world. Child Development Perspectives, 6, 98–104. https://doi.org/10.1111/ j.1750-8606.2011.00213.x Johnson, A. (1978). Quantification in anthropology. Stanford University Press. Johnson, T. P. (1998). Approaches to equivalence in cross-cultural and cross-national survey research. In J. A. Harkness (Hrsg.), Cross-cultural survey equivalence (S. 1–40). Zentrum für Umfragen, Methoden und Analysen. Kagitçibasi, C. (1996). Family and human development across countries: A view from the other side. Lawrence Erlbaum. Kagitçibasi, C. (2005). Autonomy and relatedness in cultural context: Implications for family, parenting, and human development. Journal of Cross-Cultural Psychology, 36(4), 403–422. Kankaraš, M., & Vermunt, J. K. (2014). Simultaneous latent class analysis across groups. In A. C. Michalos (Hrsg.), Encyclopedia of quality of life and well-being research (S. 5969–5974). Springer. Kankaraš, M., Moors, G., & Vermunt, J. K. (2010). Testing for measurement invariance with latent class analysis. In E. Davidov, P. Schmidt, & J. Billiet (Hrsg.), Cross-cultural analysis: Methods and applications (S. 359–384). Routledge.
Literatur
165
Kankarash, M., & Moors, G. (2011). Measurement equivalence and extreme response bias in the comparison of attitudes across Europe: A multigroup latent-class factor approach. Methodology: European Journal of Research Methods for the Behavioral and Social Sciences, 7, 68–80. https://doi.org/10.1027/1614-2241/a000024 Karandashev, V. (2017). Romantic love in cultural contexts. Springer. Karandashev, V., Zarubko, E., Artemeva, V., Evans, M., Morgan, K. A. D., Neto, F., et al. (2019). Cross-cultural comparison of sensory preferences in romantic attraction. Sexuality and Culture. Published online 3 Jul 2019. https://doi.org/10.1007/s12119-019-09628-0 Karasz, A., & Singelis, T. M. (2009). Qualitative and mixed-methods research in cross-cultural psychology. Journal of Cross-Cultural Psychology, 40, 909–916. Katsikitis, M. (1997). The classification of facial expressions of emotion: A multidimensional- scaling approach. Perception, 26(5), 613–626. Kaufman, L., & Rousseeuw, P. J. (2009). Finding groups in data: An introduction to cluster analysis. Wiley. Keller, H. (2003). Socialization for competence: Cultural models of infancy. Human Development, 46(5), 288–311. https://doi.org/10.1159/000071937 Keller, H. (2007). Cultures of infancy. Lawrence Erlbaum. Keller, H. (2013). Attachment and culture. Journal of Cross-Cultural Psychology, 44(2), 175–194. Keller, H. (2018). Universality claim of attachment theory: Children’s socioemotional development across cultures. Proceedings of the National Academy of Sciences, 115(45), 11414–11419. Keller, H., Lamm, B., Abels, M., Yovsi, R., Borke, J., Jensen, H., et al. (2006). Cultural models, socialization goals, and parenting ethnotheories: A multicultural analysis. Journal of Cross- Cultural Psychology, 37(2), 155–172. Kettenring, J. R. (2006). The practice of cluster analysis. Journal of Classification, 23(1), 3–30. Kim, U., Park, Y. S., & Park, D. (2000). The challenge of cross-cultural psychology: The role of the indigenous psychologies. Journal of Cross-Cultural Psychology, 31(1), 63–75. Kim-Prieto, C., & Eid, M. (2004). Norms for experiencing emotions. Journal of Happiness Studies, 5(3), 241–268. Kirmayer, L. J., & Sartorius, N. (2007). Cultural models and somatic syndromes. Psychosomatic Medicine, 69(9), 832–840. Kline, R. B. (2015). Principles and practice of structural equation modeling. Guilford Press. Knowles, E. S., & Nathan, K. T. (1997). Acquiescent responding in self-reports: Cognitive style or social concern? Journal of Research in Personality, 31(2), 293–301. Kövecses, Z. (2000). Metaphor and emotion: Language, culture, and body in human feeling. Cambridge University Press. Kövecses, Z. (2002). Emotion concepts: Social constructionism and cognitive linguistics. In S. R. Fussell (Hrsg.), The verbal communication of emotions (S. 117–132). L. Erlbaum Associates. Kövecses, Z. (2003). Metaphor and emotion: Language, culture, and body in human feeling. Cambridge University Press. Kövecses, Z. (2005). Metaphor in culture: Universality and variation. Cambridge University Press. Kövecses, Z. (2006). Language, mind, and culture: A practical introduction. Oxford University Press. Kristiansen, G., & Dirven, R. (Hrsg.). (2008). Cognitive sociolinguistics: Language variation, cultural models, social systems. Walter de Gruyter. Kronenfeld, D. (2008). Cultural models. Intercultural Pragmatics, 5(1), 67–74. Kronenfeld, D. B. (2018). Cultural models. In The international encyclopedia of anthropology (S. 1–8). Wiley. Kuppens, P., Ceulmans, E., Timmerman, M. E., Diener, E., & Kim-Prieto, C. (2006). Universal intracultural and intercultural dimensions of the recalled frequency of emotional experience. Journal of Cross-Cultural Psychology, 37(5), 491–515. Ladwig, T., Richter, N., Ringle, C. M., & Heitger, N. (2012). Cultural hybrid personalities? Clustering nations according to the big five personality traits (November 22, 2012). Hamburg University of Technology (TUHH) research paper 009.
166
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Lamm, B., & Keller, H. (2007). Understanding cultural models of parenting: The role of intracultural variation and response style. Journal of Cross-Cultural Psychology, 38(1), 50–57. Lazarsfeld, P. F., & Henry, N. W. (1968). Latent structure analysis. Houghton Mifflin. Leach, C. W., Spears, R., Branscombe, N. R., & Doosje, B. (2003). Malicious pleasure: Schadenfreude at the suffering of another group. Journal of Personality and Social Psychology, 84(5), 932–943. https://doi.org/10.1037/0022-3514.84.5.932 Leach, C. W., Spears, R., & Manstead, A. S. R. (2015). Parsing (malicious) pleasures: Schadenfreude and gloating at others’ adversity. Frontiers in Psychology, 6, Article 201. Lee, C. K., Lee, Y. K., Bernhard, B. J., & Yoon, Y. S. (2006). Segmenting casino gamblers by motivation: A cluster analysis of Korean gamblers. Tourism Management, 27(5), 856–866. Levy, R. I. (1973). Tahitians. University of Chicago Press. Ljung, M. (2010). Swearing: A cross-cultural linguistic study. Palgrave Macmillan. Lonner, W., & Berry, J. (1986). Field methods in cross-cultural research. Sage. Lowe, E. D. (2019). Are shared models always cultural models? A study of the cultural model of affect and emotion in Chuuk. Journal of Cultural Cognitive Science, 4, 1–13. Lutz, C. (1982). The domain of emotion words on Ifaluk. American Ethnologist, 9(1), 113–128. Lutz, C. (1988). Unnatural emotions: Everyday sentiments on a Micronesian atoll and their challenge to western theory. University of Chicago Press. MacKinnon, N. J., & Keating, L. J. (1989). The structure of emotions: Canada-United States comparisons. Social Psychology Quarterly, 52, 70–83. Magidson, J., & Vermunt, J. K. (2004). Latent class models. In D. Kaplan (Hrsg.), The Sage handbook of quantitative methodology for the social sciences (S. 175–198). Sage. Maleki, A., & de Jong, M. (2014). A proposal for clustering the dimensions of national culture. Cross-Cultural Research, 48(2), 107–143. Matsumoto, D., & Van de Vijver, F. J. (Hrsg.). (2010). Cross-cultural research methods in psychology. Cambridge University Press. Maxwell, B. A., Pryor, F. L., & Smith, C. (2002). Cluster analysis in cross-cultural research. World Cultures, 13(1), 22–38. McCambridge, J., De Bruin, M., & Witton, J. (2012). The effects of demand characteristics on research participant behaviours in non-laboratory settings: A systematic review. PLoS One, 7(6), e39116. McCarty, J. A., & Shrum, L. J. (2000). The measurement of personal values in survey research: A test of alternative rating procedures. Public Opinion Quarterly, 64(3), 271–298. McCutcheon, A. L. (1987). Latent class analysis. Sage. McCutcheon, A. L. (2002). Basic concepts and procedures in single- and multiple-group latent class analysis. In J. A. Hagenaars & A. L. McCutcheon (Hrsg.), Applied latent class analysis (S. 56–85). Cambridge University Press. Mehrabian, A. (1996). Pleasure-arousal-dominance: A general framework for describing and measuring individual differences in temperament. Current Psychology, 14(4), 261–292. Mellenbergh, G. J. (1989). Item bias and item response theory. International Journal of Educational Research, 13(2), 127–143. Merritt, A. (2000). Culture in the cockpit: Do Hofstede’s dimensions replicate? Journal of Cross-Cultural Psychology, 31, 283–301. Mesquita, B., & Ellsworth, P. C. (2001). The role of culture in appraisal. In K. R. Scherer & A. Schorr (Hrsg.), Appraisal processes in emotion: Theory, methods, research (S. 233248). Oxford University Press. Mesquita, B., & Frijda, N. H. (1992). Cultural variations in emotions: A review. Psychological Bulletin, 112(2), 179–204. https://doi.org/10.1037/0033-2909.112.2.179 Mesquita, B., & Leu, J. (2007). The cultural psychology of emotion. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (S. 734–759). Guilford Press. Mesquita, B., Frijda, N. H., & Scherer, K. R. (1997). Culture and emotion. In P. Dasen & T. S. Saraswathi (Hrsg.), Handbook of cross-cultural psychology. Basic processes and human development (Bd. 2, S. 255–297). Allyn & Bacon.
Literatur
167
Middleton, D. R. (1989). Emotional style: The cultural ordering of emotions. Ethos, 17(2), 187–201. Milfont, T., & Klein, R. (2018). Replication and reproducibility in cross-cultural psychology. Journal of Cross-Cultural Psychology, 49, 735–750. Milfont, T. L., & Fischer, R. (2010). Testing measurement invariance across groups: Applications in cross-cultural research. International Journal of Psychological Research, 3(1), 111–130. Minkov, M., & Hofstede, G. (2012). Is national culture a meaningful concept? Cultural values delineate homogeneous national clusters of in-country regions. Cross-Cultural Research, 46(2), 133–159. Minkov, M., & Hofstede, G. (2014). Clustering of 316 European regions on measures of values: Do Europe’s countries have national cultures? Cross-Cultural Research, 48(2), 144–176. Moore, M. (1975). Rating versus ranking in the Rokeach value survey: An Israeli comparison. European Journal of Social Psychology, 5(3), 405–408. https://doi.org/10.1002/ejsp.2420050313 Moors, G. (2003). Diagnosing response style behavior by means of a Latent-class factor approach: Socio-demographic correlates of gender role attitudes and perceptions of ethnic discrimination reexamined. Quality and Quantity, 37, 277–302. Moors, G., Vriens, I., Gelissen, J., & Vermunt, J. (2016). Two of a kind. Similarities between ranking and rating data in measuring values. Survey Research Methods, 10(1), 15–33. Morren, M., Gelissen, J. P., & Vermunt, J. K. (2011). Dealing with extreme response style in cross-cultural research: A restricted latent class factor analysis approach. Sociological Methodology, 41(1), 13–47. Morris, M. W., Hong, Y., Chiu, C., & Liu, Z. (2015). Normology: Integrating insights about social norms to understand cultural dynamics. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 129, 1–13. https://doi.org/10.1016/j.obhdp.2015.03.001 Morsbach, H., & Tyler, W. J. (1986). A Japanese emotion: Amae. In R. Harre (Hrsg.), The social construction of emotions (S. 289–307). Basil Blackwell. Muthén, L. K., & Muthén, B. O. (1998–2017). Mplus user’s guide (7. Aufl.). Muthén & Muthén. Myers, F. R. (1979). Emotions and the self: A theory of personhood and political order among Pintupi aborigines. Ethos, 7(4), 343–370. Nelson, A., & Jankowiak, W. (2021). Love’s ethnographic record: Beyond the love/arranged marriage dichotomy and other false essentialisms. In C. Mayer & E. Vanderheiden (Hrsg.), International handbook of love: Transcultural and transdisciplinary perspectives (S. 41–57). Springer. Neto, F., & Mullet, E. (2014). A prototype analysis of the Portuguese concept of saudade. Journal of Cross-Cultural Psychology, 45(4), 660–670. Nguyen, A. M. D., & Benet-Martínez, V. (2013). Biculturalism and adjustment: A meta-analysis. Journal of Cross-Cultural Psychology, 44(1), 122–159. Nichols, A. L., & Maner, J. K. (2008). The good-subject effect: Investigating participant demand characteristics. The Journal of General Psychology, 135(2), 151–166. Niiya, Y., Ellsworth, P. C., & Yamaguchi, S. (2006). Amae in Japan and the United States: An exploration of a “culturally unique” emotion. Emotion, 6(2), 279–295. Nisbet, R. (1971). Ethnocentrism and the comparative method. In A. Desai (Hrsg.), Essays on modernization of underdeveloped societies (Bd. 1, S. 95–114). Thacker. Nisbett, R. E., & Miyamoto, Y. (2005). The influence of culture: Holistic versus analytic perception. Trends in Cognitive Sciences, 9(10), 467–473. Nisbett, R. E., & Wilson, T. D. (1977). The halo effect: Evidence for unconscious alteration of judgments. Journal of Personality and Social Psychology, 35(4), 250–256. https://doi.org/10. 1037/0022-3514.35.4.250 Oatley, K., & Johnson-Laird, P. N. (1990). Semantic primitives for emotions: A reply to Ortony and Clore. Cognition and Emotion, 4(2), 129–143. Orne, M. T. (1962). On the social psychology of the psychological experiment: With particular reference to demand characteristics and their implications. American Psychologist, 17, 776–783. Osgood, C. E., May, W. H., & Mirron, M. S. (1975). Cross-cultural universals of affective meanings. University of Illinois Press.
168
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Oyserman, D., Coon, H. M., & Kemmelmeier, M. (2002). Rethinking individualism and collectivism: Evaluation of theoretical assumptions and meta-analyses. Psychological Bulletin, 128(1), 3–72. Pagès, J. (2014). Multiple factor analysis by example using R. CRC Press. Panayiotou, G. (2008). Emotional dimensions reflected in ratings of affective scripts. Personality and Individual Differences, 44(8), 1795–1806. Paulhus, D. L. (1991a). Measures of personality and social psychological attitudes. In J. P. Robinson & R. P. Shaver (Hrsg.), Measures of social psychological attitudes series (Bd. 1, S. 17–59). Academic. Paulhus, D. L. (1991b). Measurement and control of response bias. In J. P. Robinson, P. R. Shaver, & L. S. Wrightsman (Hrsg.), Measure of personality and social psychological attitudes (S. 17–59). Academic. Peng, K., Nisbett, R., & Wong, N. (1997). Validity problems comparing value across cultures and possible solutions. Psychological Methods, 2, 329–344. Phinney, J., & Alipuria, L. (2006). Multiple social categorisation and identity among multiracial, multi-ethnic and multicultural individuals: Processes and implications. In R. Crisp & M. Hewstone (Hrsg.), Multiple social categorisation: Processes, models and applications (S. 211–238). Psychology Press. Plaut, V. C. (2002). Cultural models of diversity in American: The psychology of difference and inclusion. In R. A. Shweder, M. Minow, & H. R. Markus (Hrsg.), Engaging cultural differences: The multicultural challenge in liberal democracies (S. 365–395). Russell Sage Foundation. Plutchik, R. (2001). The nature of emotions: Human emotions have deep evolutionary roots, a fact that may explain their complexity and provide tools for clinical practice. American Scientist, 89(4), 344–350. Plutchik, R., Kellerman, H., & Conte, H. R. (1979). A structural theory of ego defenses and emotions. In Emotions in personality and psychopathology (S. 227–257). Springer. Poortinga, Y. H. (1999). Do differences in behaviour imply a need for different psychologies? Applied Psychology, 48, 419–432. Potter, S. H. (1988). The cultural construction of emotion in rural Chinese social life. Ethos, 16(2), 181–208. Quinn, N., & Mageo, J. (Hrsg.). (2013). Attachment reconsidered: Cultural perspectives on a western theory. Springer. Rammstedt, B., Kemper, C. J., & Borg, I. (2013). Correcting big five personality measurements for acquiescence: An 18-country cross-cultural study. European Journal of Personality, 27(1), 71–81. Rankin, W. L., & Grube, J. W. (1980). A comparison of ranking and rating procedures for value system measurement. European Journal of Social Psychology, 10(3), 233–246. Revelle, W. (1979). Hierarchical cluster analysis and the internal structure of tests. Multivariate Behavioral Research, 14(1), 57–74. Revelle, W. (2019). An introduction to the psych package: Part II: Scale construction and psychometrics. https://cran.r-project.org/web/packages/psychTools/vignettes/overview.pdf. Zugegriffen am 03.04.2019. Ronen, S., & Shenkar, O. (1985). Clustering countries on attitudinal dimensions: A review and synthesis. Academy of Management Review, 10, 435–454. Roseman, I. J., Antoniou, A. A., & Jose, P. E. (1996). Appraisal determinants of emotions: Constructing a more accurate and comprehensive theory. Cognition and Emotion, 10, 241–277. Rosnow, R., & Rosenthal, R. (1997). People studying people: Artifacts and ethics in behavioral research. Freeman. Rosnow, R. L. (2002). The nature and role of demand characteristics in scientific inquiry. Prevention & Treatment, 5(1), 37. Rubin, D. C., & Talarico, J. M. (2009). A comparison of dimensional models of emotion: Evidence from emotions, prototypical events, autobiographical memories, and words. Memory, 17(8), 802–808.
Literatur
169
Russell, J. A. (1980). A circumplex model of affect. Journal of Personality and Social Psychology, 39(6), 1161–1178. https://doi.org/10.1037/h0077714 Russell, J. A. (1991). Culture and the categorization of emotions. Psychological Bulletin, 110, 426–450. Russell, J. A. (1994). Is there universal recognition of emotion from facial expression? A review of the cross-cultural studies. Psychological Bulletin, 115(1), 102–141. https://doi.org/10.1037/ 0033-2909.115.1.102 Russell, J. A. (2003). Core affect and the psychological construction of emotion. Psychological Review, 110, 145–172. Russell, J. A., & Fehr, B. (1994). Fuzzy concepts in a fuzzy hierarchy: Varieties of anger. Journal of Personality and Social Psychology, 67, 186–205. Russell, J. A., & Feldman Barrett, L. (1999). Core affect, prototypical emotional episodes, and other things called emotion: Dissecting the elephant. Journal of Personality and Social Psychology, 76, 805–819. Russell, J. A., Lewicka, M., & Niit, T. (1989). A cross-cultural study of a circumplex model of affect. Journal of Personality and Social Psychology, 57, 848–856. Russell, P. A., & Gray, C. D. (1994). Ranking or rating? Some data and their implications for the measurement of evaluative response. British Journal of Psychology, 85(1), 79–92. Saarni, C. (1998). Issues of cultural meaningfulness in emotional development. Developmental Psychology, 34, 647–652. https://doi.org/10.1037/0012-1649.34.4.647 Sabini, J., & Silver, M. (2005). Why emotion names and experiences don’t neatly pair. Psychological Inquiry, 16(1), 1–10. Sauter, D. A., Eisner, F., Ekman, P., & Scott, S. K. (2010). Cross-cultural recognition of basic emotions through nonverbal emotional vocalizations. Proceedings of the National Academy of Sciences, 107(6), 2408–2412. Scherer, K. R. (1997a). Profiles of emotion-antecedent appraisal: Testing theoretical predictions across cultures. Cognition and Emotion, 11(2), 113–150. Scherer, K. R. (1997b). The role of culture in emotion-antecedent appraisal. Journal of Personality and Social Psychology, 73(4), 902–922. Scherer, K. R., & Wallbott, H. G. (1994). Evidence for universality and cultural variation of differential emotion response patterning. Journal of Personality and Social Psychology, 66(2), 310–328. Schmidt-Atzert, L., & Park, H.-S. (1999). The Korean concepts of Dapdaphada and Uulhada: A cross-cultural study of the meaning of emotions. Journal of Cross-Cultural Psychology, 30(5), 646–654. Schwartz, S. H., & Sagiv, L. (1995). Identifying culture-specifics in the content and structure of values. Journal of Cross-Cultural Psychology, 26, 92–116. Scollon, C. N., Diener, E., Oishi, S., & Biswas-Diener, R. (2004). Emotions across cultures and methods. Journal of Cross-Cultural Psychology, 35(3), 304–326. Shaver, P., Schwartz, J., K’rson, D., & O’Connor, C. (1987). Emotion knowledge: Further exploration of a prototype approach. Journal of Personality and Social Psychology, 52, 1061–1086. https://doi.org/10.1037/0022-3514.52.6.1061 Shaver, P. R., Wu, S., & Schwartz, J. C. (1992). Cross-cultural similarities and differences in emotion and its representation. In M. S. Clark (Hrsg.), Review of personality and social psychology (Bd. 13, S. 175–212). Sage. Shaver, P. R., Morgan, H. J., & Wu, S. (1996). Is love a “basic” emotion? Personal Relationships, 3, 81–96. https://doi.org/10.1111/j.1475-6811.1996.tb00105.x Shaver, P. R., Murdaya, U., & Fraley, R. C. (2001). Structure of the Indonesian emotion lexicon. Asian Journal of Social Psychology, 4, 201–224. Shore, B. (1996). Culture in mind: Cognition, culture, and the problem of meaning. Oxford University Press. Silva, Z. B. (2012). Saudade – A key Portuguese emotion. Emotion Review, 4(2), 203–211.
170
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
Smith, P. B., & Fischer, R. (2008). Acquiescence, extreme response bias and culture: A multilevel analysis. In F. J. R. Van de Vijver, D. A. van Hemert, & Y. H. Poortinga (Hrsg.), Multilevel analysis of individuals and cultures (S. 285–314). Taylor & Francis/Lawrence Erlbaum. Smith, P. B., Fischer, R., Vignoles, V., & Bond, M. H. (2013). Understanding social psychology across cultures: Engaging with others in a changing world (2. Aufl.). Sage. Steenkamp, J. E. M., & Baumgartner, H. (1998). Assessing measurement invariance in cross- national consumer research. Journal of Consumer Research, 25, 78–90. Stephens, C. L., Christie, I. C., & Friedman, B. H. (2010). Autonomic specificity of basic emotions: Evidence from pattern classification and cluster analysis. Biological Psychology, 84(3), 463–473. Storm, C., & Storm, T. (1987). A taxonomic study of the vocabulary of emotions. Journal of Personality and Social Psychology, 53(4), 805–816. Strauss, C. (1992). Models and motives. In R. D’Andrade & C. Strauss (Hrsg.), Human motives and cultural models (S. 1–20). Cambridge University Press. Suizzo, M. A. (2002). French parents’ cultural models and childrearing beliefs. International Journal of Behavioral Development, 26(4), 297–307. Swidler, A. (2002). Talk of love: How culture matters. University of Chicago Press. Terracciano, A., Abdel-Khalek, N., Ádám, L., Adamovová, C. K., Ahn, H. N., Ahn, B., et al. (2005). National character does not reflect mean personality trait levels in 49 cultures. Science, 310, 96–100. Thompson, B. (2004). Exploratory and confirmatory factor analysis. American Psychological Association. Toivonen, R., Kivelä, M., Saramäki, J., Viinikainen, M., Vanhatalo, M., & Sams, M. (2012). Networks of emotion concepts. PLoS One, 7(1), e28883. Triandis, H. C. (2000). Dialectics between cultural and cross-cultural psychology. Asian Journal of Social Psychology, 3, 185–195. Triandis, H. C., Carnevale, P., Gelfand, M., Robert, C., Wasti, S. A., Probst, T., et al. (2001). Culture and deception in business negotiations: A multilevel analysis. International Journal of Cross Cultural Management, 1(1), 73–90. Tryon, R. C. (1958). General dimensions of individual differences: Cluster analysis vs. multiple factor analysis. Educational and Psychological Measurement, 18(3), 477–495. Tsai, J. L. (2007). Ideal affect: Cultural causes and behavioral consequences. Perspectives on Psychological Science, 2(3), 242–259. Tsai, J. L., & Clobert, M. (2019). Cultural influences on emotion: Empirical patterns and emerging trends. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (2. Aufl., S. 292–318). Guilford Press. Tsai, J. L., Chentsova-Dutton, Y., Freire-Bebeau, L., & Przymus, D. E. (2002). Emotional expression and physiology in European Americans and Hmong Americans. Emotion, 2(4), 380–397. Tsai, J. L., Knutson, B., & Fung, H. H. (2006). Cultural variation in affect valuation. Journal of Personality and Social Psychology, 90(2), 288–307. Uchida, Y., Norasakkunkit, V., & Kitayama, S. (2004). Cultural constructions of happiness: Theory and empirical evidence. Journal of Happiness Studies, 5(3), 223–239. Van Bezooijen, R., Otto, S. A., & Heenan, T. A. (1983). Recognition of vocal expressions of emotion: A three-nation study to identify universal characteristics. Journal of Cross-Cultural Psychology, 14(4), 387–406. Van de Schoot, R., Lugtig, P., & Hox, J. (2012). A checklist for testing measurement invariance. European Journal of Developmental Psychology, 9(4), 486–492. Van De Schoot, R., Schmidt, P., De Beuckelaer, A., Lek, K., & Zondervan-Zwijnenburg, M. (2015). Editorial: Measurement invariance. Frontiers in Psychology, 6, 1064. https://doi.org/10.3389/ fpsyg.2015.01064 Van de Vijver, F., & Hambleton, R. K. (1996). Translating tests. European Psychologist, 1(2), 89–99. Van de Vijver, F., & Tanzer, N. K. (2004). Bias and equivalence in cross-cultural assessment: An overview. Revue Européenne de Psychologie Appliquée/European Review of Applied Psychology, 54(2), 119–135.
Literatur
171
Van de Vijver, F., van Hermert, D. A., & Poortinga, Y. H. (Hrsg.). (2008). Multilevel analysis of individuals and cultures. Lawrence Erlbaum. Van de Vijver, F. J. R., & Leung, K. (1997). Methods and data-analysis for cross-cultural research. Sage. Van de Vijver, F. J. R., & Leung, K. (2011). Equivalence and bias: A review of concepts, models, and data analytic procedures. In D. Matsumoto & F. J. R. Van de Vijver (Hrsg.), Cross-cultural research methods in psychology (S. 17–45). Cambridge University Press. Van de Vijver, F. J. R., & Poortinga, Y. H. (1997). Towards an integrated analysis of bias in cross-cultural assessment. European Journal of Psychological Assessment, 13, 29–37. https:// doi.org/10.1027/1015-5759.13.1.29 Van Dijk, T. K., Datema, F., Piggen, A.-L. J. H. F., Welten, S. C. M., & Van de Vijver, F. J. R. (2009). Acquiescence and extremity in cross-national surveys: Domain dependence and country-level correlates. In A. Gari & K. Mylonas (Hrsg.), Quod erat demonstrandum: From Herodotus’ ethnographic journeys to cross-cultural research (S. 149–158). Pedio Books. Van Hemert, D. A., Poortinga, Y. H., & van de Vijver, F. J. (2007). Emotion and culture: A meta- analysis. Cognition and Emotion, 21(5), 913–943. Van Herk, H., & van de Velden, M. (2007). Insight into the relative merits of rating and ranking in a cross-national context using three-way correspondence analysis. Food Quality and Preference, 18(8), 1096–1105. Van IJzendoorn, M. H., & Kroonenberg, P. M. (1988). Cross-cultural patterns of attachment: A meta-analysis of the strange situation. Child Development, 59, 147–156. Van IJzendoorn, M. H., & Sagi-Schwartz, A. (2008). Cross-cultural patterns of attachment: Universal and contextual dimensions. In J. Cassidy & P. R. Shaver (Hrsg.), Handbook of attachment: Theory, research and clinical applications (S. 713–734). Guilford Press. Van Vaerenbergh, Y., & Thomas, T. D. (2013). Response styles in survey research: A literature review of antecedents, consequences, and remedies. International Journal of Public Opinion Research, 25(2), 195–217. Vandenberg, R. J., & Lance, C. E. (2000). A review and synthesis of the measurements invariance literature: Suggestions, practices, and recommendations for organizational research. Organizational Research Methods, 3, 4–69. Vermunt, J. K., & Magidson, J. (2005). Factor analysis with categorical indicators: A comparison between traditional and latent class approaches. In A. Van der Ark, M. A. Croon, & K. Sijtsma (Hrsg.), New developments in categorical data analysis for the social and behavioral sciences (S. 41–62). Erlbaum. Vignoles, V. L., Owe, E., Becker, M., Smith, P. B., Easterbrook, M. J., Brown, R., et al. (2016). Beyond the ‘east – west’ dichotomy: Global variation in cultural models of selfhood. Journal of Experimental Psychology: General, 145(8), 966–1000. Watson, D. (2000). Mood and temperament. Guilford Press. Watson, D., & Tellegen, A. (1985). Toward a consensual structure of mood. Psychological Bulletin, 98(2), 219–235. https://doi.org/10.1037/0033-2909.98.2.219 Watson, D., Wiese, D., Vaidya, J., & Tellegen, A. (1999). The two general activation systems of affect: Structural findings, evolutionary considerations, and psychobiological evidence. Journal of Personality and Social Psychology, 76(5), 820–838. https://doi.org/10.1037/ 0022-3514.76.5.820 Weijters, B., Cabooter, E., & Schillewaert, N. (2010). The effect of rating scale format on response styles: The number of response categories and response category labels. International Journal of Research in Marketing, 27, 236–247. https://doi.org/10.1016/j.ijresmar.2010.02.004 Weiss, M. G. (1988). Cultural models of diarrheal illness: Conceptual framework and review. Social Science & Medicine, 27(1), 5–16. Werner, O., & Campbell, D. T. (1970). Translating, working through interpreters, and the problem of decentering. In R. Naroll & R. Cohen (Hrsg.), A handbook of cultural anthropology (S. 398–419). American Museum of National History.
172
3 Theorien, Beispiele für kulturelle Modelle und Methoden zu ihrer Erforschung
White, G. M. (1985). Premises and purposes in a Solomon Islands ethnopsychology. In G. M. White & J. Kirkpatrick (Hrsg.), Person, self, and experience: Exploring Pacific ethnopsychologies (S. 328–366). University of California Press. White, G. M. (1987). Proverbs and cultural models: An American psychology of problem solving. In D. Holland & N. Quinn (Hrsg.), Cultural models in language and thought (S. 151–172). Cambridge University Press. Widmer, E. D., Treas, J., & Newcomb, R. (1998). Attitudes toward nonmarital sex in 24 countries. Journal of Sex Research, 35(4), 349–358. Wierzbicka, A. (1986). Human emotions: Universal or culture-specific? American Anthropologist, 88(3), 584–594. Wierzbicka, A. (1991). Cross-cultural pragmatics: The semantics of human interaction. Mouton de Gruyter. Wierzbicka, A. (1992). Semantics, culture and cognition: Universal human concepts in culture- specific configurations. Oxford University Press. Wierzbicka, A. (1999). Emotions across languages and cultures: Diversity and universals. Cambridge University Press. Wierzbicka, A. (2003). Cross-cultural pragmatics. Mouton de Gruyter. Wierzbicka, A. (2004). ‘Happiness’ in cross-linguistic & cross-cultural perspective. Daedalus, 133(2), 34–43. Wong, Y., & Tsai, J. (2007). Cultural models of shame and guilt. In J. L. Tracy, R. W. Robins, & J. P. Tangney (Hrsg.), The self-conscious emotions: Theory and research (S. 209–223). Guilford Press. Yamaguchi, S. (2004). Further clarifications of the concept of amae in relation to dependence and attachment. Human Development, 47, 28–33. Yang, K. S. (2000). Monocultural and cross-cultural indigenous approaches: The royal road to the development of a balanced global psychology. Asian Journal of Social Psychology, 3(3), 241–263. Young, F. W. (2013). Multidimensional scaling: History, theory, and applications. Psychology Press. Zhu, H. (Hrsg.). (2016). Research methods in intercultural communication: A practical guide. Wiley Blackwell.
Kapitel 4
Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
4.1 Konstruktion des Gefühlslebens 4.1.1 Grundlegende emotionale Phänomene und Prozesse Emotionale Grundphänomene Die vier typischsten Begriffe – Gefühl, Emotion, affektiven Zustand und Stimmung – werden in der wissenschaftlichen Literatur verwendet, um emotionale Phänomene zu beschreiben, z. B. neuronale und physiologische Prozesse, subjektives Erleben, Ausdruck und Verhalten. Sie werden häufig austauschbar verwendet, jedoch mit leicht unterschiedlicher Bedeutung. Das Gefühl ist ein vager Begriff, der in der modernen Psychologie nicht genau definiert ist und daher in verschiedenen Zusammenhängen verwendet wird. Gefühl wird als eine flüchtige Erfahrung verstanden, die physiologische Prozesse, Körper empfindungen und subtile subjektive Aspekte von Emotionen verkörpert, wie z. B. Kältegefühl, Wärmegefühl, Hitzegefühl, schnellerer Herzschlag, veränderte Atmung, Kloß im Hals, Erröten, Schwitzen, Gänsehaut, Magengefühle, Herzrasen bei Angst, Leichtigkeit in Gliedern und Körper bei Freude, weiche Knie, Erröten bei Scham und Hitze in den Augen (Breugelmans et al., 2005; Cromby, 2007). In vielen wissenschaftlichen Zusammenhängen wird das Wort Gefühl jedoch häufig als Sy nonym für Emotion verwendet. Emotionen sind ein Komplex interner, kurzlebiger und erregender biopsychosozialer Reaktionen, die mentale oder verhaltensbezogene Handlungen beinhalten können (Ekman, 1994; Matsumoto & Hwang, 2012). Furcht, Ekel und Wut sind Beispiele für solche Reaktionen. Emotionen sind schneller als die kognitive Informationsverarbeitung. Daher helfen sie, eine Situation zu bewerten. Eine solche schnelle Bewertung ermöglicht ein sofortiges Handeln und erfordert nur eine mini male bewusste Beteiligung (Tooby & Cosmides, 2008).
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 V. Karandashev, Kulturelle Emotions-Modelle, https://doi.org/10.1007/978-3-031-39963-3_4
173
174
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Der affektive Zustand (oder Affekt) definiert eine emotionale Erfahrung in Form von Erregung – hoch bis niedrig – und Wertigkeit – positiv bis negativ (Feldman Barrett & Russell, 1999; Larsen & Diener, 1992). Die Begriffe Affekt und affektiver Zustand werden in der Wissenschaft in einem recht breiten Bedeutungsspektrum verwendet. Die Stimmung beschreibt einen weniger spezifischen und weniger intensiven emotionalen Zustand, der nicht offensichtlich durch ein bestimmtes Ereignis oder einen Reiz ausgelöst wird. Emotionen sind kurzlebige Zustände, die einige Sekunden oder Minuten andauern, während Stimmungen einige Tage andauern (Davidson, 1994; Watson & Clark, 1994). Alle diese emotionalen Begriffe – Gefühle, Emotionen, affektive Zustände, Stimmungen und andere sind emotionale Phänomene, die zusammenfassend als emotionale Erfahrungen bezeichnet werden. Einige von ihnen lassen sich nicht per fekt in die oben genannten emotionalen Kategorien einordnen (z. B. Hungergefühle, Müdigkeit, Gelassenheit, Überlegenheit, Respekt und freundliche Gefühle). Die Prozesse der Bewertung, des Bewusstseins und der Interpretation von Ge fühlen – physisch und psychosomatisch – verwandeln die Gefühle in Emotionen, affektive Zustände und Stimmungen. Die subjektive Wahrnehmung von Körper empfindungen, bewusste oder unbewusste Reflexionen des neuroendokrinen, skelettmuskulären und autonomen Nervensystems lösen die emotionale Ver arbeitung aus (Levenson, 2003). Bestimmte Gefühlsmuster werden durch Wahr nehmung und Bewertung zu Emotionen. Kulturelle Unterschiede bei Emotionen wurden in Bezug auf vorausgehende Er eignisse, Bewertungen, subjektive Gefühle, Verhaltenskomponenten (z. B. Matsu moto et al., 1988; Mesquita & Walker, 2003; Scherer et al., 1988) und die Struktur von Emotionen (Fontaine et al., 2002; Scollon et al., 2004) festgestellt. Klassifizierungen von Emotionen Es gibt mehrere Gruppen von Emotionen, die in den letzten Jahrzehnten erforscht wurden. Dazu gehören grundlegende Emotionen wie Wut, Traurigkeit, Ekel, Angst und Überraschung (Ekman, 1992, 1999; Izard, 2007), positive Emotionen wie Freude, Hoffnung, Dankbarkeit, Stolz, Inspiration und Liebe (Fredrickson, 2001; Fredrickson & Cohn, 2008; Fredrickson & Losada, 2005), prosoziale Emotionen wie Bedauern, Freude, Empathie, Mitgefühl und Mitleid (McCullough et al., 2007; Stürmer et al,. 2005), selbstbewusste Emotionen, wie Schuld, Scham, Peinlichkeit und Stolz (Lewis, 2008; Prinz & Nichols, 2010; Tangney & Fischer, 1995; Tracy & Robins, 2004), und moralische Emotionen wie Verachtung, Ekel, Wut, Verlegenheit, Scham, Schuld, Mitgefühl und Dankbarkeit (Haidt, 2003; Tangney, 1999; Tangney et al., 2007). Diese Gruppen schließen sich nicht gegen seitig aus, sondern überschneiden sich vielmehr. Einige von ihnen sind eher bio logisch bedingt, während andere eher kulturell bedingt sind (siehe Matsumoto & Hwang, 2012; Russell, 1991).
4.1 Konstruktion des Gefühlslebens
175
Emotionen als biopsychosoziale Prozesse Emotionen umfassen mehrere Komponenten, wie Reaktionen, Gefühle und Empfin dungen, subjektive Erfahrungen und Emotionen, Ausdrucksverhalten und Hand lungstendenzen. Emotionen sind biopsychosoziale Prozesse (Matsumoto & Hwang, 2012), denn sie wirken: • Die Muster der physiologischen Reaktionen, die im autonomen und zentralen Nervensystem ablaufen. • Die Konstellationen der mentalen Aktivitäten, die notwendig sind, um emotio nale Reaktionen hervorzurufen, zu regulieren und aufrechtzuerhalten. • Die sozialen Prozesse, die die soziale Bedeutung von Emotionen beeinflussen und bestimmen, wie sich Emotionen in einem bestimmten sozialen Kontext entwickeln. er Komponentenverarbeitungsansatz zur Untersuchung D des Gefühlslebens Der komponentendynamische Ansatz wurde in der Emotionsforschung populär. Er betrachtet Emotionen als Prozesse, die sich im Laufe der Zeit in ständiger Inter aktion mit der Umwelt und anderen Menschen entwickeln. Emotionen werden durch die Bewertung von Emotionshinweisen ausgelöst, die dann eine synchroni sierte Reihe von Reaktionen aktivieren: physiologische, erfahrungsbezogene und verhaltensbezogene (Ellsworth, 1991; Frijda, 1986; Gross & John, 1998, 2003; La zarus, 1991; Scherer, 1984). Gemäß den Bewertungstheorien von Emotionen hängen diese Komponenten von kognitiven Bewertungen ab (Scherer & Fontaine, 2019) – der damit verbundenen Interpretation einer Situation und eines Ereignisses (Barrett et al., 2007; Lazarus, 1991; Ortony & Turner, 1990). Das Erleben von Ärger entsteht beispielsweise aus der Einschätzung, dass das Ereignis eine negative Valenz hat, dass es ungerecht ist und frustrierend sein könnte, und dass eine Person einen Täter dafür verantwortlich machen kann. Die Bewertung einer Neuartigkeit gehört zu den wichtigsten Aus lösern von Emotionen (Ellsworth, 2013). Bewertungen ähneln emotionalen Reaktionen (Roseman et al., 1995), während kulturelle Normen, Interpretationsschemata und Rahmen als Kriterien für Be wertungsprozesse dienen und somit emotionale Erfahrungen vermitteln (Markus & Kitayama, 1991; Shweder, 1993). Sie sind also ihrerseits abhängig vom kulturellen Kontext, in dem sie stattfinden. Kulturelle Rahmenbedingungen beeinflussen die Art und Weise, wie Menschen die Welt wahrnehmen und auf Situationen und Ereig nisse reagieren. Sie bestimmen und rahmen die emotionalen Erfahrungen und Ver haltensweisen der Menschen in einer Kultur. Emotionen als biopsychosoziale Reaktionen auf Ereignisse erfordern potenziell Handlungen und Interaktionen (Barrett et al., 2007; Lazarus, 1991; Ortony & Turner, 1990). Das Erleben von Emotionen setzt auch eine Handlungstendenz voraus – die
176
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Bereitschaft, auf die Situation und das Ereignis zu reagieren. Das Erleben von Wut kann zum Beispiel aus der Tendenz bestehen, die Situation zu kontrollieren, den Täter zu konfrontieren oder Vergeltung zu üben. Im Verlauf der Interaktion beinhalten Emotionen die Reaktionen auf voran gegangene Ereignisse sowie die Antizipation der weiteren Entwicklung der Inter aktionen. Sie umfassen physiologische Reaktionen, Körperempfindungen, Gefühle, Bewertungen, Ausdrücke und Handlungstendenzen als Komponenten der emotionalen Prozesse (Matsumoto & Hwang, 2012; Mesquita & Frijda, 1992; Scherer & Fontaine, 2019). Diese Reaktionen sind jedoch nicht unbedingt sichtbar. Ein Output-Filter, der als emotionale Regulierung fungiert, steuert, wie die Reaktionen verhaltensmäßig aus gedrückt werden. So wirken sich die Aktivierung der emotionalen Reaktionen und ihre Modulation auf die emotionale Expressivität aus (Gross & John, 1998, 2003). Universalität grundlegender emotionaler Prozesse Die groß angelegten kulturübergreifenden Umfragestudien zur Erforschung emo tionaler Reaktionen (Cosnier et al., 1986; Scherer & Wallbott, 1994; Wallbott et al., 1986) waren in der Lage, die kulturübergreifenden gemeinsamen Muster der ein fachen nonverbalen Ausdrücke für verschiedene Emotionen zu ermitteln. Die emo tionalen Ausdrucksweisen für komplexere Emotionen und Gefühlskomplexe waren jedoch kulturell unterschiedlich. In diesem Sinne legt das Konzept des psychologischen Universalismus nahe, dass die grundlegenden emotionalen Prozesse in den verschiedenen Kulturen zwar ähnlich sein mögen, die Erscheinungsformen dieser Prozesse jedoch kulturell unter schiedlich sind (Berry et al., 2002; Poortinga & Soudijn, 2002). Die Ergebnisse der Studie über Scham und Schuld (Breugelmans & Poortinga, 2006) in zwei kulturell unterschiedlichen ländlichen Stichproben im Vergleich zu studentischen Stich proben stützen diese Idee des psychologischen Universalismus in Bezug auf diese modalen Emotionen. Die Autoren fanden heraus, dass die Menschen in diesen Kul turen in der Lage sind, 29 Emotionsmerkmale in den Beschreibungen dieser beiden Emotionen zu unterscheiden, obwohl in einer Kultur (Rarámuri – eine Gruppe von Ureinwohnern in Mexiko) die Menschen nur ein Wort für die beiden Emotionen Schuld und Scham verwenden, während sie in der anderen (Javaner) zwei ver schiedene Wörter benutzen (Breugelmans & Poortinga, 2006). Auch die Daten aus der Linguistik stimmen mit dieser Schlussfolgerung überein. Es gibt definitiv Universalien im Sprachgebrauch für den kommunikativen Aus druck. Vergleichende linguistische Studien zeigen einige Ähnlichkeiten zwischen den Kulturen, die sich auf der allgemeinen atomaren und semantischen Ebene zei gen, aber nicht auf der spezifischen molekularen und episodischen Ebene, die stär ker kulturell geprägt ist. So scheinen sprachliche Universalien des Ausdrucks eher für semantische Primitive und grundlegende semantische Elemente zu gelten, wäh rend kulturelle Unterschiede eher in der spezifischen Verwendung der Sprache und der Pragmatik zu Tage treten (Lim, 2003). Lim vertrat die Ansicht, dass der Anglo
4.1 Konstruktion des Gefühlslebens
177
zentrismus nach wie vor das vorherrschende Paradigma der heutigen kulturüber greifenden Studien zur Pragmatik als einem Bereich der Linguistik ist, der den praktischen Gebrauch von Zeichen, Wörtern und Sätzen untersucht. Es ist jedoch wichtig, pragmatische Merkmale im Sprachgebrauch vieler Sprachen zu ver gleichen, um wirklich gültige kulturübergreifende Verallgemeinerungen zu er halten. Die Forscher haben bereits viele interessante kulturspezifische Unterschiede festgestellt (siehe Lim, 2003, S. 67).
4.1.2 Kulturelle Konzeptionen von Emotionen Kulturelle Bedeutungen von Emotionen Die Konstruktion von Emotionen hängt von den soziokulturellen Kontexten ab, in denen sie auftreten (Boiger & Mesquita, 2014). Kulturen, in denen die Autonomie des Einzelnen und die Selbstdarstellung im Vordergrund stehen, können beispiels weise den Ausdruck von Wut begrüßen, da diese Emotionen es den Menschen er möglichen, ihre Wünsche auszudrücken und ihre Beziehungen anzupassen. Daher sind die Emotionen der Wut in solchen Kulturen weit verbreitet. Im Gegensatz dazu wird in Kulturen, die die gegenseitige Abhängigkeit und Bescheidenheit in den Be ziehungen betonen, der Ausdruck von Wut als unreif angesehen und entmutigt. Die Bedeutungen derselben Emotionen können in verschiedenen Kulturen unter schiedlich sein (z. B. Russell, 1991; Trommsdorff & Cole, 2011; Uchida & Ki tayama, 2009). Kulturelle Unterschiede in den emotionalen Mustern entstehen, weil kulturelle Kontexte bestimmte Arten von Bewertungen einschränken oder andere fördern, je nach ihren Werten. Die Konnotationen und Inhalte bestimmter Emotionen passen sich an Normen und Praktiken an, die zur Verfolgung kultureller Ziele und Werte beitragen. So wird beispielsweise in der US-amerikanischen Kultur die Bedeutung der Autonomie betont, während in der Eskimo- oder japanischen Kultur die Auf rechterhaltung der Harmonie und die Anpassung an andere im Vordergrund stehen. Aus diesem Grund neigen US-Amerikaner dazu, bei persönlicher Frustration leicht Wut zu empfinden und auszudrücken, während Eskimos oder Japaner Wutausdrücke im Allgemeinen ignorieren und die Situation eher deeskalieren (Briggs, 1970; Markus & Kitayama, 1991). Was die kulturspezifischen Bewältigungs strategien betrifft, so neigen US-Amerikaner dazu, ihre Wutgefühle durch aggressi ves Verhalten zu externalisieren. Japaner ziehen es vor, ihre Wut durch transzenden tale Neubewertung und Selbstverbesserung zu bewältigen (Uchida & Ki tayama, 2009). Für europäische US-Amerikaner ist die Bedeutung von Glück mit positiven hedonistischen Erfahrungen und persönlichem Erfolg verbunden, während für Japa ner Glück mit sozialer Harmonie verbunden ist. In der nordamerikanischen Kultur ist Glück eine hedonistische Erfahrung, die persönlichen Erfolg signalisiert und dazu beiträgt, ihn zu erreichen. In der japanischen Kultur beinhaltet Glück eine
178
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
gewisse soziale Ambivalenz – es ist eher förderlich für harmoniebetonte Be ziehungen (Uchida & Kitayama, 2009). Amerikanische Auffassung von Emotionen In der US-amerikanischen Kultur ist, ähnlich wie in einigen westeuropäischen Kul turen, das Individuum eine Grundeinheit der Gesellschaft, und die Privatsphäre des Gefühlslebens ist eine wichtige Wertorientierung. Daher sind Emotionen im Selbst des Einzelnen angesiedelt, und die Menschen wissen über diese Emotionen und Ge fühle durch ihre Introspektion Bescheid. Daher sind die primären Bezugspunkte von Emotionen die inneren Gefühle und affektiven Zustände einer Person. Aus die sem Grund bezeichnen die Begriffe für Emotionen im Allgemeinen die inneren sub jektiven Zustände der Menschen, die sie anderen mitteilen. Diese Gefühle sind für das Erleben und den Ausdruck von Emotionen wichtiger als die soziale Bewertung (Lutz, 1982, 1988). Für die US-Amerikaner sind die wichtigsten Aspekte ihrer Kultur die Möglich keit, innere Gefühle zu äußern und ihre individuellen emotionalen Erfahrungen aus zudrücken. Das Selbst und die individuellen Erfahrungen sind die Wurzeln des so zialen Handelns. Persönliche Emotionen und emotionale Erfahrungen haben eine Priorität, die soziales Handeln legitimiert (Potter, 1988, S. 182). Die US-amerikanische Kultur befürwortet den offenen Ausdruck von Emotio nen, anstatt sie unter der Kontrolle der Vernunft zu halten. Dennoch neigen kultu relle Überzeugungen dazu, Emotionen gegenüber der Vernunft abzuwerten, wobei geschlechtsspezifische Unterschiede zugelassen werden. Traditionell werden Män ner als vernunftbegabter angesehen als Frauen, und Frauen gelten als emotionaler als Männer (Lynch, 1990). Die chinesische Auffassung von Emotionen Die chinesische Kultur hat ein anderes Verständnis von Emotionen als die US- amerikanische. Die Menschen sind sich ihrer Emotionen bewusst. Für sie sind je doch die somatischen und zwischenmenschlichen Prozesse, die mit dem Erleben von Emotionen verbunden sind, die primären Bezugspunkte. Emotionen sind keine ausreichende Begründung für wichtige soziale Handlungen und Beziehungen. Für die Chinesen erwirbt der Mensch den sozialen Sinn des Lebens eher aus dem sozialen Kontext als aus der individuellen emotionalen Erfahrung. Die Emotionen, die im Individuum vorhanden sind, sind nur Begleitphänomene des sozialen Le bens, aber keine zentralen. Sie sind logischerweise sekundär und haben keinen wesentlichen Einfluss auf die sozialen Beziehungen. Das soziale Leben findet un abhängig von jeder Emotion statt. Die soziale Ordnung existiert unabhängig von in neren subjektiven Gefühlen (Potter, 1988). Ausgehend von diesen kulturellen Nor men betrachtet ein Chinese seine Gefühle als unabhängig von seinen sozialen Be ziehungen.
4.1 Konstruktion des Gefühlslebens
179
Indische Auffassung von Gefühlen Die indischen Vorstellungen von Emotionen haben ihre kulturellen Eigenheiten. In den indischen Sprachen Sanskrit und Bengali gibt es keinen einzigen Begriff für Emotionen, sondern mehrere verwandte Wörter. Die alten spirituellen Traditionen in Indien wie Āyurveda, Brahmanismus, Ve danta und Yoga suggerierten ein Ideal der Emotionslosigkeit, das ein Individuum durch die Kontrolle seiner Sinne, seines Geistes und seiner Emotionen erreichen kann. Dieses Ideal der Emotionslosigkeit führte im Westen zu einer stereotypen Auf fassung der indischen Vorstellung von Emotionen (Bilimoria & Wenta, 2015; McDa niel, 1995). Diese Traditionen sind jedoch im modernen Indien nicht weit verbreitet. Die modernen devotionalen und ästhetischen Traditionen unterscheiden sich von diesen alten Denkschulen (McDaniel, 1995). Es ist erwähnenswert, dass der indi sche Ansatz in Bezug auf Emotionen zwischen den Begriffen bhava als persönliche Emotion und rasa als unpersönliche Emotion unterscheidet, bei der ein Individuum als Beobachter distanziert ist. Der kulturelle Wert legt nahe, die Emotion der bhakti zu intensivieren, bis sie überwältigend und kraftvoll wird. Rasa, als entpersönlichte Emotion, wird höher bewertet als eine persönliche Emotion. Eine Person erlebt und schätzt rasa-Emotionen wie durch ein Glasfenster. Dies ermöglicht es, unangenehme Gefühle aus der inneren Erfahrung herauszuhalten und sie als Kunstobjekt zu be trachten. In diesem Fall werden die Emotionen nicht als Leidenschaften und Störun gen, sondern als ästhetische Objekte betrachtet. Emotionen werden zu einer aktiven Antwort, die sich mit Bedeutung und Schönheit auseinandersetzt, und nicht zu einer passiven Reaktion auf ein Ereignis (McDaniel, 1995).
4.1.3 Kulturelle Einflüsse auf das Gefühlsleben Biologische versus kulturelle Faktoren von Emotionen Die Rolle biologischer und sozialer Faktoren bei der Entstehung von Emotionen ist seit Jahrzehnten diskutiert worden. In jüngster Zeit vertreten viele Emotionsforscher die theoretische Position, dass sowohl biologische als auch soziale (kulturelle) Rahmenbedingungen bestimmen, wie sich Emotionsprozesse entwickeln. Demnach können Emotionen kulturübergreifend universell und kulturübergreifend unterschiedlich sein (z. B. Ekman, 1972; Ekman et al., 1987; Matsumoto & Hwang, 2012; Mesquita, 2003; Mesquita & Frijda, 1992). Die Bedeutungen, Erfahrungen und Ausdrücke von Emotionen können sich trotz Ähnlichkeiten zwischen den Kul turen erheblich unterscheiden (Mesquita, 2003; Shweder et al., 2008). Das Ausmaß, in dem ein solcher kultureller Einfluss auftreten kann, hängt jedoch von bestimmten Aspekten des Gefühlslebens ab. Es geht um den relativen Beitrag von biologischen und kulturellen Faktoren. Matsumoto und Hwang (2012) schlu gen vor, dass „der relative Beitrag biologischer und kultureller Faktoren zu den Emotionen davon abhängt, welche Emotionen untersucht werden und welcher spezifische Bereich der Emotionen bewertet wird“ (S. 92).
180
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
In den letzten Jahrzehnten wurden in umfangreichen Studien verschiedene Be reiche von Emotionen untersucht, wie z. B. physiologische Reaktionen, Gesichtsausdrücke, stimmliche Äußerungen, subjektive Erfahrungen, die Bedeutung von Emotionen, ihre Deskriptoren, Merkmale und Konzepte von Emotionen (siehe für einen detaillierten Überblick Matsumoto & Hwang, 2012). Nach einer umfassenden Untersuchung der kulturellen Variationen von Emotionen (Mesquita & Frijda, 1992) bestehen kulturelle Ähnlichkeiten und Unterschiede in vielen Komponenten des Emotionsprozesses, einschließlich der Ereignisse, die Emotionen auslösen, der Bewertung der Ereignisse, der Muster physiologischer Reaktionen, der Erfahrung von Emotionen, der Handlungsbereitschaft, des emotionalen Verhaltens und der Emotionsregulation. Bereiche des Gefühlslebens und der Kultur Matsumoto und Hwang (2012) schlugen vor, dass das Gefühlsleben von Individuen aus mehreren emotionalen Bereichen besteht, die in unterschiedlichem Maße von kulturellen Einflüssen beeinflusst werden: (1) Priming-Reaktionen (kognitives Ga ting, Ausdrucksverhalten und physiologische Reaktionen), (2) subjektives Erleben (Affekt, Gefühle und Selbstberichte), (3) Emotionsbedeutung (Überzeugungen über Emotionen, Werte über Emotionen und Einstellungen zu Emotionen). Priming-Reaktionen sind die unmittelbaren Reaktionen auf ein Ereignis oder einen Reiz. Der Beitrag der Kultur zu diesen Reaktionen ist gering. Subjektive Erfahrungen umfassen selbstberichtete Erfahrungen, die interne Kennzeichnung von Emotionen und deren Interpretationen, die durch die Bewertung stärker von der Kultur beeinflusst werden. Einstellungen, Überzeugungen und Werte stellen die Be deutung von Emotionen dar. Sie sind offensichtlich und stark von der Kultur beein flusst (Matsumoto & Hwang, 2012). Während Priming-Reaktionen und subjektive Erfahrungen die momentanen Konstruktionen und Muster von Emotionen sind, die bei Interaktionen und inner halb von Beziehungen entstehen, sind die kulturellen Einstellungen, Überzeugungen und Werte in der Regel recht stabile Voraussetzungen für die Konstruktion von Emotionen. Kulturelle Kontexte betonen bestimmte Werte und Praktiken und schrei ben einer Person vor, wie sie zu handeln und mit anderen in Beziehung zu treten hat. Alle Kulturen enthalten Skripte, prototypische Handlungen, Einstellungen, Regeln, Überzeugungen und Werte, die Emotionen repräsentieren. Diese Komponenten können weniger differenziert sein; sie bilden die emotionale Komplexität eines In dividuums und einer Gesellschaft. Soziale Funktionen von Emotionen Die kulturelle Regulierung der Emotionen der Menschen spielt eine wichtige Rolle im Leben der Gesellschaften. Daher entwickeln verschiedene Kulturen ihre eigenen Normen für das Erleben und den Ausdruck von Emotionen.
4.1 Konstruktion des Gefühlslebens
181
Da Emotionen als primäre Motivatoren für das Verhalten dienen, erfüllen sie be stimmte soziale Funktionen. Sie fördern die Einhaltung von Normen und schaffen Sanktionen gegen deren Bruch und Verletzung (Keltner & Haidt, 1999; Tomkins, 1962, 1963). Sie sind in der Lage, soziale Beziehungen zu regulieren, zu erleichtern und zu koordinieren. Sie helfen Gruppen, effektiv zu funktionieren. Durch die Nor men, die Emotionen regulieren, stellen Kulturen sicher, dass das Verhalten von Einzelpersonen und Gruppen mit kulturellen Skripten übereinstimmt, was dazu bei trägt, die soziale Koordination zu verbessern und das soziale Chaos zu verringern (Matsumoto & Hwang, 2012). Die sozialen Funktionen vieler Emotionen werden in allen Kulturen in ähnlicher Weise anerkannt, doch ihre Bedeutung hängt von kulturellen Normen, Zielen und Idealen ab, die Mesquita als kulturelle Mandate bezeichnet, da sie ihren sozialen Funktionen dienen (Mesquita, 2003; Mesquita et al., 2017). In ihrem Lichte werden einige Emotionen, die den gesellschaftlich erwünschten Ergebnissen förderlich sind, geschätzt, während andere abgewertet und daher unterdrückt oder vermieden werden. Infolgedessen werden Emotionen, die mit den kulturellen Vorgaben übereinstimmen, im Alltag der Menschen intensiv und häufig erlebt und aus gedrückt, während Emotionen, die nicht mit diesen übereinstimmen, weniger inten siv und seltener auftreten (Mesquita, 2003). Die Allgegenwart von Scham bei einem Beduinenstamm in Ägypten (Abu-Lughod, 1986/2000) und die Vermeidung von Wut bei den Utku-Inuit in Nordkanada (Briggs, 1970) sind zwei häufig genannte Beispiele in diesem Zusammenhang. Zwischenmenschliche Prozesse in kulturellen Kontexten fördern und ermög lichen jene Emotionen, die mit ihren kulturellen Vorgaben vereinbar sind. Dem entsprechend neigen Menschen dazu, bestimmte Situationen mit bestimmten Emotionen zu assoziieren und ihnen häufig zu begegnen. Kulturen haben auch äquivalente sprachliche Repräsentationen und produzieren entsprechende Kinderbücher, während die Menschen detailliertere und ausgefeiltere zwischen menschliche Skripte für die Emotionen haben, die dem kulturellen Mandat entsprechen, wie z. B. Scham in Japan und Ärger in Deutschland (Mesquita et al., 2017). Ein weiteres Beispiel für einen Vergleich: Gemäß den taiwanesischen kulturellen Normen der Anpassung an andere wird in Kinderbüchern eher ein ruhiges als ein aufgeregtes Lächeln dargestellt, während die Hauptfiguren in Märchenbüchern gemäß den nordamerikanischen kulturellen Normen der Beein flussung der Umgebung in der Regel eher ein aufgeregtes als ein ruhiges Lächeln zeigen (Tsai et al., 2007). Bindungs- und Distanzierungsfunktion von Emotionen Menschen in verschiedenen kulturellen Kontexten neigen dazu, Emotionen in Bezug auf ihre -Bindungs- und Distanzierungsfunktionen zu interpretieren (Ki tayama et al., 2000). Die Dimension des sozialen Engagements reicht von sozial einbindenden bis zu sozial distanzierenden Emotionen. Sie wird als eine andere Di mension als Annäherung und Vermeidung betrachtet.
182
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Diese Tendenzen sind offensichtlich, da kulturell normative Emotionen Gegen stand zwischenmenschlicher und kultureller Regulierung sind. Forscher (Mesquita et al., 2017) haben dies in kulturübergreifenden Studien mit japanischen, türki schen, belgischen und US-amerikanischen Teilnehmern nachgewiesen. Beim Vergleich des Auftretens von sozial einbindenden und nicht einbindenden Emotionen in den Stichproben nordamerikanischer und japanischer Studenten fan den Forscher (Kitayama et al., 2006) heraus, dass Menschen die Emotionen, die dem Erreichen eines kulturellen Mandats förderlich sind, mit höherer Intensität erleben, während die Emotionen, die ein kulturelles Mandat verletzen, mit geringe rer Intensität erlebt werden. Die Ergebnisse zeigten, dass Nordamerikaner mehr positive, ablenkende Emo tionen (z. B. Stolz) im Vergleich zu positiven, einbindenden Emotionen (z. B. freund liche Gefühle) erlebten. Japaner hingegen erlebten mehr positive einbindende Emo tionen im Vergleich zu positiven nicht einbindenden Emotionen. Was den Vergleich zwischen den Kulturen betrifft, so erlebten die US-Amerikaner mehr positive disen gaging Emotionen (z. B. Stolz) als die Japaner, während sich Japaner und US- Amerikaner bei der Angabe positiver engaging Emotionen (z. B. freundliche Ge fühle) nicht unterschieden. Darüber hinaus erlebten US-Amerikaner negative disen gaging Emotionen (z. B. Ärger) stärker als Japaner. Japaner hingegen erlebten negative einbindende Emotionen (z. B. Scham) stärker als US-Amerikaner. Diese Ergebnisse stimmen im Allgemeinen mit der Theorie der Autoren überein, dass „disengagierende Emotionen (wie Stolz und Wut) in nordamerikanischen Kon texten, in denen das kulturelle Mandat die Unabhängigkeit ist, stärker verbreitet sind, weil Emotionen mit distanzierenden Funktionen als Ausdruck und Erreichen der Unabhängigkeit angesehen werden können …“ Im Gegensatz dazu sind „sozial einbindende Emotionen (freundliche Gefühle, Scham) in japanischen Kontexten, in denen das kulturelle Mandat eine Interdependenz ist, stärker verbreitet, weil Emo tionen, die eine Bindungsfunktion haben, mit diesem japanischen Mandat überein stimmen“ (Mesquita et al., 2017, S. 103). Auf der Grundlage einer Reihe von Studien kommen die Autoren zu dem Schluss, dass Menschen ihr emotionales Erleben in einer Situation so gestalten, dass es bes ser zu den kulturellen Vorgaben passt, die ihr Verhalten leiten. Sie schaffen aktiv die Bedeutung der Situation und die Emotionen, die sie erleben. Gesellschaften formen aktiv und passiv die kulturellen Muster des emotionalen Erlebens. Menschen neigen dazu, häufiger die Emotionen zu erleben und auszudrücken, die ihnen helfen, in ihrer Kultur ein guter Mensch zu sein (Barrett, 2012, 2017; Boiger & Mesquita, 2014; Mesquita et al., 2016). Darüber hinaus legt die Forschung nahe, dass das Be folgen von kulturell normativen Emotionen in einer Weise, die kulturell angemessen ist, eine bessere Anpassung und ein besseres Wohlbefinden des Einzelnen ermög licht (siehe für eine Übersicht Mesquita et al., 2017). Emotionale Angebote in Kulturen Emotionen sind dynamische Prozesse, die sich auf einer kleinen Zeitskala während der Interaktion mit Ereignissen, Situationen und anderen Menschen von Moment zu
4.1 Konstruktion des Gefühlslebens
183
Moment entwickeln (Boiger & Mesquita, 2014). Wie Individuen diese Emotionen erleben, hängt von den emotionalen Angeboten ab – dem Spektrum der Emotionen, die in einer bestimmten Kultur, Beziehung und unter bestimmten Umständen wahr scheinlich auftreten können. Emotionale Angebote während kurzer oder langer Interaktionen bestimmen das Erleben (oder Nicht-Erleben) und den Ausdruck (oder Nicht-Ausdruck) von Emotionen, die sich je nach dem Input anderer von Moment zu Moment unterschiedlich entwickeln. Freunde, Liebhaber und Bekannte nehmen das emotionale Verhalten ihrer Partner auf und verlassen sich auf deren emotionale Reaktionen, vor allem wenn sie mehrdeutige Situationen einschätzen. Wie die Kultur Emotionen reguliert Kulturen regulieren Emotionen auf verschiedene Weise. Sie können biologische Emotionen auf kulturell verfügbare Ereignisse kalibrieren. Aus diesem Grund über nehmen die Menschen die kulturellen Standards dessen, worüber sie emotional sein sollten. Kulturen regulieren die Grundierungsreaktionen. Auf diese Weise erwerben die Menschen das Wissen, welche Art von emotionalen Reaktionen sie zeigen soll ten, wenn eine Emotion ausgelöst wird. Sie lernen auch, welche Verhaltensweisen akzeptabel sind, wenn bestimmte Emotionen auftreten. Durch die Bewertung kön nen Kulturen die Qualität des subjektiven Erlebens von Emotionen definieren und die Intensität des emotionalen Erlebens regulieren. Durch kulturelles Wissen ver anlassen Kulturen die Entstehung von sozialen und anderen menschlichen Emotio nen. Kulturen definieren emotionale Bedeutungen, Werte, Einstellungen und Über zeugungen über Emotionen in Gesellschaften (Matsumoto & Hwang, 2012). Emotionen im Kontext von Beziehungen Qualität und Intensität von Emotionen in sozialen Interaktionen hängen auch vom Kontext der laufenden Beziehungen zu anderen ab. Familiäre und andere ver wandtschaftliche Bindungen sowie enge Beziehungen können die möglichen und wahrscheinlichen Emotionen und die Art und Weise, wann und wie diese Emotio nen ausgedrückt werden, einschränken. In romantischen und ehelichen Beziehungen zum Beispiel erleben die Partner eine synchronisierte emotionale Zeitdynamik (Butler, 2011; Butner et al., 2007). Die Emotionen der Partner in einer Paarbeziehung schwanken miteinander. Sie sind in ihrem Gefühlsleben voneinander abhängig: Eine Beziehung bringt sie dazu, die möglichen Emotionen, die sie täglich erleben, aufeinander abzustimmen: Wenn sich ein Partner glücklich fühlt, tut dies auch der andere. Emotionale Synchronität zwischen Partnern kann sich auch in physiologischen Rahmenbedingungen manifestieren, die mit Emotionen verbunden sind (Larson & Almeida, 1999; Levenson & Gottman, 1983; Saxbe & Repetti, 2010). Insbesondere sind die physiologischen Muster der Partner während emotional intensiver Inter aktionen in Parametern wie Herzfrequenz, Hautleitwert und Speichelcortisol miteinander verbunden. Es ist erwähnenswert, dass Paare in angespannten und
184
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
instabilen Beziehungen mehr solcher physiologischen Verbindungen aufweisen. Negativer Affekt und die damit verbundenen physiologischen Veränderungen scheinen sich leichter zu übertragen möglicherweise unbewusst, durch Mimikry (Hatfield et al., 1994), während positiver Affekt weniger betroffen ist (Larson & Al meida, 1999; Levenson & Gottman, 1983).
4.1.4 Kulturelle Modelle des Selbst und der Beziehung und Modelle von Emotionen Die kulturellen Modelle des Selbst und der Beziehung Der erste Ansatz, der bei der Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen ver wendet werden kann, basiert auf den kulturellen Dimensionen von Gesellschaften und Gemeinschaften. Bei diesem Ansatz wählen die Forscher eine wichtige Kultur dimension aus, klassifizieren die Gesellschaften nach diesem Kriterium und ana lysieren und überprüfen dann systematisch die verfügbaren Forschungsergebnisse, um ein umfassendes Bild davon zu erhalten, wie ähnlich oder unterschiedlich die emotionalen Muster sind, die das Gefühlsleben der Menschen in diesen Gesell schaften ausmachen. Individualismus und Kollektivismus gehören zu den beliebten kulturellen Dimensionen für die Untersuchung von Emotionen. Menschen in indi vidualistischen Gesellschaften zeichnen sich durch ein unabhängiges Modell des Selbst aus, während Menschen in kollektivistischen Gesellschaften durch ein interdependentes Modell des Selbst gekennzeichnet sind (Markus & Kitayama, 1991; Mesquita & Leu, 2007; Tsai & Clobert, 2019). Diese Modelle können die Unter schiede in den Mustern ihres Gefühlslebens erklären. Insbesondere die mit diesen kulturellen Unterschieden verbundenen Selbstkonstruktionen spielen eine wichtige Rolle bei der Konstruktion und dem Erleben von Emotionen (Nezlek et al., 2008a, b). In diesem Sinne wurden in den letzten Jahrzehnten in der theoretischen und em pirischen kulturübergreifenden Forschung zu Emotionen die emotionalen Er fahrungen von Menschen in einem ostasiatischen, interdependenten kulturellen Kontext mit denen in einem westlichen, unabhängigen kulturellen Kontext ver glichen. Entsprechend dieser Unterscheidung schlugen Mesquita und Leu (2007) vor, dass Emotionen die kulturellen Modelle des Selbst und der Beziehung wider spiegeln, die bestimmte Emotionen einschränken und ermöglichen. Auf der Grundlage dieses Erklärungsrahmens schlugen Mesquita und Leu (2007) die kulturellen Modelle von Emotionen vor, die die kulturellen Modelle des Selbst und der Beziehung widerspiegeln. Diese Modelle entwickelten sich aus der um fangreichen Forschung, die die Emotionen von Menschen im ostasiatischen, interdependenten kulturellen Kontext und im westlichen, unabhängigen kulturellen Kontext gegenüberstellte. Den Autoren zufolge (Mesquita & Leu, 2007) sind die Hauptthemen kulturelle Modelle, idealer Affekt und emotionale Stile die wich
4.1 Konstruktion des Gefühlslebens
185
tigsten Faktoren, die das Gefühlsleben von Menschen in verschiedenen Kulturen bestimmen. Zu den Bereichen dieser kulturellen Modelle gehören auch fokale, nor mative und ideale emotionale Darstellungen. Die Autoren haben gezeigt, dass diese kulturellen Modelle verschiedene Komponenten des emotionalen Erlebens und Ausdrucks beeinflussen, wie „die Bewertung des Ereignisses, die Handlungsbereit schaft, körperliche Veränderungen, expressives und instrumentelles Verhalten und bewusste Regulierungsprozesse“ (S. 736). In diesem Abschnitt fasse ich diese beiden Modelle – das kulturelle Modell des Selbst und das kulturelle Modell der Beziehung – zusammen und zeige auf, wie sie das Gefühlsleben der Menschen in diesen Kulturen beeinflussen. Die Einzelheiten der Studien und die entsprechenden Verweise werden im Folgenden vorgestellt und in den folgenden Kapiteln aufgeteilt. Bewertungen in den kulturellen Modellen von Selbst und Beziehung Das kulturelle Modell des Selbst (das in unabhängigen Kulturen vorherrscht) und das kulturelle Modell der Beziehung (das in interdependenten Kulturen vorherrscht) beeinflussen, wie Individuen in diesen Kulturen ähnliche Situationen bewerten. Ein Individuum in einer unabhängigen Kultur (z. B. ein Europäer) neigt dazu, eine Si tuation unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, wie sich die Situation auf die individuellen Ziele auswirken kann, während ein Individuum in einer interdependenten Kultur (z. B. ein Japaner) die Situation unter dem Gesichtspunkt beurteilt, wie sich die Situation auf die Beziehungsziele auswirken kann. Diese beiden Arten von Be wertungen lösen nach den beiden verschiedenen kulturellen Modellen unterschied liche emotionale Reaktionen auf die ähnliche Situation aus und führen zu unter schiedlichem emotionalem Erleben und Ausdruck. Im Rahmen des kulturellen Selbstmodells (egozentrisch) besteht eine typische Bewertung der Situation, wenn etwas Schlimmes passiert ist, darin, der anderen Person die Schuld für ihren Fehler oder ihre Beleidigung zu geben, was das Erleben von Ärger sowie dessen durchsetzungsfähigen und aggressiven Ausdruck verursacht. Im Rahmen des kulturellen Beziehungsmodells (auf andere fokussiert) ist eine typische Bewertung einer ähn lichen Situation die Annahme, dass die andere Person einen Grund hatte, so zu han deln. Infolgedessen empfindet ein Individuum Mitleid mit der anderen Person, das verminderte emotionale Erleben und zeigt sich darin, nichts gegen diese Person zu unternehmen. In einer Studie über das emotionale Erleben von Niederländern, Türken und Su rinamesen stellte Mesquita (2001) fest, dass für die türkischen und surinamischen Befragten ihre Emotionen weitgehend Beziehungsphänomene sind. Diese Tatsache spiegelt den interdependenten Aspekt dieser Kulturen wider. Bei den nieder ländischen Befragten konzentrieren sich die Emotionen weniger auf die sozialen Beziehungen, sondern sind eher interne Phänomene des Individuums. Diese Tat sache spiegelt den unabhängigen Aspekt dieser Kultur wider.
186
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Inside-Out- und Outside-In-Perspektiven in der Kulturbewertung Der ähnliche Aspekt des interdependenten kulturellen Modells des emotionalen Er lebens in Bezug auf die japanische Kultur wurde durch die Gegenüberstellung der Outside-in-Perspektive mit der Inside-out-Perspektive hervorgehoben (Hamaguchi, 1985). Menschen in unabhängigen Kulturen neigen dazu, die Bedeutung sozialer Situationen, die Emotionen auslösen, in erster Linie aus ihrer individuellen Per spektive wahrzunehmen – eine Inside-Out-Perspektive. Menschen in interdependenten Kulturen nehmen die Bedeutung solcher Situationen aus der Perspektive anderer Menschen wahr – der Outside-in-Perspektive (Hamaguchi, 1985). In einer anderen kulturübergreifenden Studie (Mesquita & Leu, 2007) wurde festgestellt, dass die Beurteilungen der japanischen Teilnehmer (einer Stichprobe aus einer interdependenten Kultur) im Vergleich zu den US-amerikanischen Teil nehmern (einer Stichprobe aus einer unabhängigen Kultur) stärker auf das Bewusst sein der Bedeutung der Situation für andere ausgerichtet waren. Als sie über ihre Erfahrungen mit Emotionen und Verhalten in Situationen der Demütigung, Beleidigung oder Wertschätzung in der Vergangenheit berichteten, waren die japani schen Teilnehmer in der Lage, die Perspektive der anderen und ihre eigene Perspektive zu unterscheiden. Mehr als 40 % der japanischen Teilnehmer beschrieben und bewerteten die Situation aus einer Outside-in-Perspektive – dem Blickwinkel einer dritten Person. Diese Fähigkeit, die abweichende Perspektive anderer zu verstehen, könnte der Grund dafür sein, dass viele Japaner auf Beleidigungen mit Nichtstun re agierten. Da sie sich der Perspektive einer anderen Person bewusst waren, reagier ten sie mit geringerer Wahrscheinlichkeit gegen den Beleidiger. In dieser Studie be schrieb und bewertete keiner der US-Amerikaner die Situationen aus einer solchen Outside-in-Perspektive. Die Einnahme einer Inside-Out-Perspektive veranlasste die europäischen US-Amerikaner dazu, selbstbewusst und aggressiv zu handeln. Eine ähnliche Unterscheidung zwischen der Tendenz, eine Situation aus einer Outside-in-Perspektive wahrzunehmen (typisch für interdependente Kulturen) und der Tendenz, eine Situation aus einer Inside-out-Perspektive wahrzunehmen (ty pisch für unabhängige Kulturen), zeigte sich bei der Untersuchung der Zuschreibung emotionaler Erfahrungen an andere (Cohen & Gunz, 2002). Kanadische Teilnehmer östlicher Abstammung (interdependente Kultur) zeigten im Vergleich zu Kanadiern westlicher Abstammung eine bessere Fähigkeit zur impliziten Wahrnehmung der Perspektive anderer. So haben mehrere Studien gezeigt, dass die Perspektive der anderen im Modell der interdependenten Kulturen eher in die Beurteilung der Situation einbezogen wird als im Modell der unabhängigen Kulturen. rfahrung und Ausdruck von Emotionen in den Modellen von Selbst E und Beziehung Ein weiteres Beispiel sind die Normen für das Erleben und den Ausdruck positiver und negativer Emotionen entsprechend diesen beiden kulturellen Modellen. Die
4.1 Konstruktion des Gefühlslebens
187
Menschen in den Kulturen mit dem kulturellen Selbstmodell und dem kulturellen Beziehungsmodell verwenden die für ihre Kulturen spezifischen Stile der Emotions regulation. Nach dem ersten Modell neigen die Menschen dazu, positive Emotionen zu maximieren und negative Emotionen zu minimieren. Nach dem zweiten Modell neigen die Menschen dazu, die Mäßigung positiver und negativer Emotionen zu betonen. Menschen in der europäisch-amerikanischen Kultur, die perfekt zum Konzept des kulturellen Selbstmodells passt, bewundern die gehobene und aufgeregte positive Erfahrung sowie den offenen Ausdruck positiver Emotionen, sind jedoch bestrebt, negative Gefühle zu vermeiden. Menschen in dieser Kultur sind eher be reit, ihr Glück anderen gegenüber auszudrücken und zu zeigen. Die Menschen in der japanischen Kultur, die gut zum Konzept des kulturellen Beziehungsmodells passt, fördern ein maßvolles Erleben und Ausdrücken von positiven und negativen Emotionen. Sie sind eher bereit, die Realität negativer Emotionen als einen natürlichen Teil des Lebens zu akzeptieren, ebenso wie positive Emotionen. Japaner können mit einer Mischung aus positiven und negativen Emotionen besser umgehen als europäische US-Amerikaner, da sie eine ganzheitliche und dia lektische Sichtweise auf Emotionen haben. Sogar Glück erleben und beschreiben sie als eine gemischte Emotion aus positiven und negativen Affekten. Nach dem kulturellen Beziehungsmodell glauben die Menschen in dieser Kultur, dass der über mäßige Ausdruck von Glück zu Dissonanzen in zwischenmenschlichen Be ziehungen führen kann, wenn das Glück einer Person nicht mit den unglücklichen oder ruhigen Emotionen der anderen Person kongruent ist und diese sich un wohl fühlt. Viele andere Studien (z. B. Mesquita, 2001; Mesquita & Karasawa, 2002; Tsai & Clobert, 2019) fanden ebenfalls Unterstützung für diese theoretische Unter scheidung des emotionalen Erlebens zwischen den kulturellen Modellen des Selbst und der Beziehung. Mesquita und Karasawa (2002) untersuchten beispielsweise die täglichen Emotionen US-amerikanischer und japanischer Studenten, die in den Ver einigten Staaten leben, sowie japanischer Studenten, die in Japan leben. Indem sie eine Woche lang viermal täglich Fragebögen ausfüllten, fanden die Autoren heraus, dass europäische US-Amerikaner ihr Gefühlsleben als angenehmer empfanden als zwei japanische Gruppen. Die Daten zeigten, dass interdependente Sorgen das emotionale Erleben von Japanern beeinflussen. Allerdings sind sowohl unabhängige als auch interdependente Anliegen für das emotionale Erleben von US-Amerikanern prädiktiv. Letzteres Ergebnis lässt sich durch die größere kulturelle Vielfalt der US-amerikanischen Gesellschaft im Vergleich zur Japanischen erklären. Vielfalt kultureller Selbst- und Beziehungsmodelle Unabhängige und interdependente Kulturen sind sehr unterschiedlich, und daher spiegelt die Unterscheidung dieser beiden als homogene Gegensätze der asiatischen und westlichen Gesellschaften nicht die Vielfalt ihrer emotionalen Erfahrungen wider (Mesquita & Leu, 2007; Tsai & Clobert, 2019). Bei kulturübergreifenden
188
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Studien zu Emotionen sollten neben Unabhängigkeit und Interdependenz auch an dere kulturelle Dimensionen berücksichtigt werden (Mesquita & Leu, 2007). Die Unterscheidung zwischen unabhängigen und interdependenten Kulturen führt nicht zu einem ausreichenden Verständnis der kulturellen Unterschiede im emotionalen Erleben. Zu den unabhängigen Kulturen gehören nicht nur die europä ischen US-Amerikaner, sondern auch verschiedene westeuropäische Gesellschaften. Zu den interdependenten Kulturen gehören nicht nur die ostasiatischen, sondern auch die nicht-ostasiatischen interdependenten Gesellschaften. Tatsächlich gibt es verschiedene Arten von interdependenten und kollektivistischen Kulturmodellen. In den folgenden Abschnitten werden die Beispiele des japanischen und des mexikani schen Modells beschrieben. Beide sind zwar interdependent, unterscheiden sich aber erheblich in anderen Kulturdimensionen und im emotionalen Erleben. Es wer den die europäischen, US-amerikanischen, französischen, deutschen und skandina vischen Modelle beschrieben. Alle sind zwar unabhängig, unterscheiden sich aber in anderen kulturellen und emotionalen Dimensionen voneinander. Diese beiden Arten kultureller Modelle von Emotionen – das Selbst- und das Beziehungsmodell – weisen eine größere Vielfalt auf, wenn andere kulturelle Dimen sionen berücksichtigt werden. Obwohl die Gegenüberstellung von westlichen (unabhängigen) und asiatischen (voneinander abhängigen) Kulturen gültig ist und das Gefühlsleben sehr gut erklärt, reicht diese Gegenüberstellung bei der Anwendung auf viele Kulturen möglicherweise nicht aus.
4.1.5 Akkulturation von Gefühlen Konzept der Akkulturation Ein Individuum kann sich eine andere Kultur auf verschiedene Weise aneignen: durch Sozialisierung, kulturelle Assimilation oder Akkommodation, Enkulturation oder Akkulturation. Es ist möglich, dass es mehr oder weniger sensible Perioden für den Erwerb von Kultur gibt, zum Beispiel für das Erlernen von Sprachen oder für die Entwicklung von Geschmacks- und Essensvorlieben. Nach einer solchen sen siblen Periode kann sich ein Individuum eine Kultur nicht mehr in derselben Weise aneignen wie eine einheimische Person. Die kulturellen Veränderungen können je nach Art und Form der Kulturen und ihrer Kompatibilität eine unterschiedliche Dy namik annehmen. Während dieser Akkulturationsprozesse kann eine Person Schwierigkeiten haben, mit einer fremden Sprache, anderen Werten, Über zeugungen, Verhaltensnormen und Lebensmitteln anderer Kulturen zurecht zukommen. Ebenso wie Werte, Überzeugungen und Verhaltensnormen ist auch die kulturelle Konstruktion des Gefühlslebens relativ stabil und verändert sich in der Regel lang sam innerhalb der nationalen Grenzen, kann aber auch dynamisch sein, wenn Men schen von einem Land in ein anderes wandern. Im letzteren Fall findet eine emotio nale Akkulturation statt. Wenn Menschen zwischen Kulturen wechseln, passen sie
4.1 Konstruktion des Gefühlslebens
189
ihre emotionalen Muster an den Kontext an, den eine neue Kultur bietet (Boiger & Mesquita, 2014). Darüber hinaus ändern Menschen, die sich zwischen Kulturen be wegen, ihre emotionalen Muster entsprechend denjenigen, die ihnen ihr neuer kul tureller Kontext bietet. Emotionale Akkulturation von Zuwanderern Sobald Einwanderer neuen Situationen ausgesetzt sind, die sich kulturell unter scheiden, können sie früher oder später ihre Bedeutungssysteme anpassen (Savani et al., 2011). Dies geschieht bei europäischen US-Amerikanern langsamer, da sie einen kulturellen Wert zu beeinflussen haben, und bei Indern schneller, da sie einen kulturellen Wert anzupassen haben (Boiger et al., 2012; Morling et al., 2002; Rose man et al., 1995; Weisz et al., 1984). Die Forschung hat die emotionale Akkulturation von Einwanderern in ver schiedenen kulturellen Stichproben nachgewiesen. In der Studie über emotionale Muster koreanischer Einwanderer in Amerika und türkischer Einwanderer in Bel gien im Vergleich zu den emotionalen Mustern ihrer jeweiligen Siedlungskulturen sammelten die Forscher (De Leersnyder et al., 2011, 2013) Daten zu den emotiona len Ereignissen, die die Einwanderer in ihrem Leben erlebten, und zum Ausmaß, in dem sie jede der 20 Emotionen empfanden. Anschließend verglichen die Autoren das Profil eines Zuwanderers mit dem durchschnittlichen Profil der jeweiligen Gast kultur als Grad seiner emotionalen Akkulturation. Sie entdeckten, dass die Ein wanderer, die mehr Zeit in der Gastkultur verbracht hatten, emotionalen Mustern ähnlicher waren als der Durchschnitt der Mainstream-Kultur. Darüber hinaus zeig ten die Zuwanderer, die häufiger mit Menschen in einem neuen kulturellen Kontext interagierten (im Vergleich zu denjenigen, die dies nicht taten), emotionalere Mus ter, die der neuen Kultur ähnlicher waren. Sie änderten ihre kulturellen emotionalen Interpretationen und passten ihre emotionalen Muster an. Ähnliche Ergebnisse wurden in anderen Studien erzielt. Als Consedine, Chentsova-Dutton und Krivoshekova (2014) das emotionale Erleben von Frauen untersuchten, die aus der Dominikanischen Republik, Haiti, den englischsprachigen Ländern der Karibik und Osteuropa in die USA eingewandert waren, stellten die Forscher fest, dass die emotionale Ähnlichkeit mit Menschen der US-amerikanischen Kultur umso größer war, je länger die Einwanderer in den USA lebten. Positives Ergebnis der emotionalen Akkulturation Es ist wichtig zu erwähnen, dass, wie Studien gezeigt haben (Consedine et al., 2014; De Leersnyder et al., 2014, 2015), eine solche emotionale Akkulturation positive Auswirkungen auf das physische und psychische Wohlbefinden von Zuwanderern hat. Die Zuwanderer mit einer größeren kulturellen Passung ihrer emotionalen Mus ter in der Gastkultur hatten ein besseres relationales und psychisches Wohlbefinden. Diese Folgen der Akkulturation wirkten sich jedoch nur in kulturell erwünschten
190
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Situationen positiv aus: in den USA in Situationen, die Autonomie fördern, in Korea in Situationen, die Verbundenheit fördern, in Belgien jedoch in beiden Arten von Si tuationen (De Leersnyder et al., 2015). Es ist interessant, dass Zuwanderer ihre emotionalen Muster ändern können, wenn sie sich zu Hause in ihrer Heimatkultur aufhalten oder wenn sie sich außer halb ihres Zuhauses in der Gastkultur befinden. Da sie bikulturell sind, neigen sie dazu, ihre emotionalen Einstellungen in diesen kulturell unterschiedlichen Situatio nen – unbewusst oder bewusst – zu ändern (De Leersnyder, 2017).
4.2 Kultur und Kontrolle von emotionalen Prozessen 4.2.1 Konzepte der Emotionskontrolle und -regulierung Die menschliche Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren Das Erleben und der Ausdruck von Emotionen können natürliche Vorgänge sein, wenn sie so fließen, wie sie sind. Dies ist typisch für das Gefühlsleben von Tieren. Sie haben die adaptive Fähigkeit – die instinktiv oder erlernt sein kann –, ihre emo tionalen Reaktionen je nach den Umständen anzupassen. Nur der Mensch als selbst bewusster und sich seiner selbst bewusster Mensch lernt jedoch, seine Emotionen in Abhängigkeit von seinen Zielen absichtlich zu verändern. Die menschliche Fähigkeit, emotionale Reaktionen zu kontrollieren, anzupassen und zu verändern, um Ziele und gewünschte Ergebnisse in einem bestimmten Kon text zu erreichen, wird als Emotionsregulation bezeichnet. Die Regulierung kann bewusst oder unbewusst, absichtlich oder unabsichtlich erfolgen. Jungen und Mäd chen lernen durch ihre frühe kulturelle Sozialisation, wie sie Emotionen richtig ausdrücken und ihren Ausdruck entsprechend regulieren können. Zum Beispiel können Mädchen in der Interaktion mit einem Fremden ein höheres Maß an Glücks gefühlen ausdrücken als wenn sie allein sind, und so ihre Glücksausdrücke hoch regulieren, um dem Fremden zu gefallen. Im Gegensatz dazu drücken Jungen in der Interaktion mit einer fremden Person ein geringeres Maß an Freude aus als wenn sie allein sind. Sie regulieren ihre Freude herunter, um „cool und ruhig“ zu wirken (Chaplin, 2015). Kinder lernen, ihren Gefühlsausdruck in Abhängigkeit vom zwischenmensch lichen Kontext anzupassen. Zeman und Garber (1996) fanden bei US-amerikanischen weißen Teilnehmern aus der Mittelschicht im Alter von 7–12 Jahren heraus, dass Kinder negative Emotionen (z. B. Wut, Traurigkeit) häufiger ausdrücken, wenn sie allein oder vor einem Elternteil sind, als wenn sie mit Gleichaltrigen zusammen sind. Wie sie erklärten, erwarteten sie, dass ihre Eltern ihre Emotionen akzeptieren würden, während Gleichaltrige sie ablehnen würden. In ihren Interaktionen mit an deren dachten die Kinder an die Erwartungen der anderen.
4.2 Kultur und Kontrolle von emotionalen Prozessen
191
Methoden der Emotionsregulierung Emotionsregulierung kann auf verschiedenen Stufen emotionaler Prozesse statt finden: (1) Auswahl der Situation, (2) Veränderung der Situation, (3) Einsatz der Aufmerksamkeit, (4) kognitive Veränderung oder (5) Modulation physiologischer, erfahrungsbezogener oder verhaltensbezogener Reaktionen (Gross, 2001). Mehrere Studien (siehe Übersicht in Matsumoto, 2006) haben kulturelle Unter schiede in der Emotionsregulation nachgewiesen. Insbesondere unterscheiden sich Kulturen in der Auswahl der Stimuli, in den Bewertungen, die Emotionen auslösen, im Ausdruck von Emotionen, in den Darstellungsregeln, die ihre Modifikation re geln, in der Bewältigung und in den Prozessen der kognitiven Neubewertung (Reappraisal). Zu den kognitiven Veränderungen gehört beispielsweise die kognitive Neubewertung, bei der eine Person eine emotionsauslösende Situation neu konstruiert, um deren emotionale Auswirkungen zu verändern (Gross, 1998, 2001; Gross & John, 2003). Diese Emotionsregulierungsprozesse werden von den Kulturen beein flusst. Wie ich in den vorangegangenen Abschnitten gezeigt habe, lösen zum Bei spiel kulturelle Ansichten und Werte bestimmte Arten der Beurteilung und Neu bewertung von Situationen aus. Die Modulation der Reaktion ist ein weiteres Beispiel für die Emotionsregulation. Eine Person kann sich auf die expressive Unterdrückung konzentrieren, d. h. auf die Hemmung eines laufenden emotionalen Ausdrucksverhaltens (Gross, 2001; Gross & John, 2003). Diese Unterdrückungsstrategie kann z. B. im Falle von Wut adaptiv sein, da ein offener Ausdruck von Wut eine Bedrohung für zwischenmenschliche Beziehungen darstellen kann. Obwohl die Unterdrückung von Emotionen im All gemeinen der Aufrechterhaltung von Beziehungen förderlich ist, kann sie einige ne gative soziale Folgen haben (Butler et al., 2003; Gross & John, 2003). Die Häufig keit der Gefühlsunterdrückung und ihre Folgen werden jedoch durch kulturelle Werte gemildert. Kultur und Emotionsregulierung Zu den ersten Studien zu diesem Thema gehörte ein von Friesen durchgeführtes Experiment (zitiert in Ekman, 1972, 1993). Die Ergebnisse zeigten, dass japanische und europäische Teilnehmer die gleichen Gesichtsausdrücke zeigten, während sie allein einen emotionalen Film ansahen, jedoch zeigten die japanischen Teilnehmer mehr positive und weniger negative Ausdrücke, wenn ein Versuchsleiter anwesend war. Die Japaner unterdrückten also ihre Emotionen stärker als die Europäer. Jüngste Studien haben gezeigt (Butler et al., 2007; Gross & John, 2003), dass asiatische US-Amerikaner in den Vereinigten Staaten im Vergleich zu Weißen häu figer zu gewohnheitsmäßiger Unterdrückung neigen. Sie neigen auch dazu, eine Diskrepanz zwischen inneren Gefühlen und äußeren Äußerungen wahrzunehmen
192
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
und nutzen die Maskierung häufiger als Weiße (Gross & John, 1998). Asiatische US-Amerikaner zeigen im Vergleich zu europäischen US-Amerikanern eine stär kere Unterdrückung von Stresssignalen (Okazaki, 2002). Man kann also feststellen, dass US-Amerikaner mit asiatischen Werten in ihrem täglichen Leben häufiger Emotionen unterdrücken als US-Amerikaner mit westeuropäischen Werten. Diese Unterschiede in der Anwendung und den Folgen der emotionalen Unter drückung lassen sich durch die kulturellen Werte in Europa und Asien erklären.
4.2.2 Unterdrückung von Emotionen bei europäischen US-Amerikanern egative Wahrnehmung von Gefühlsunterdrückung bei europäischen N US-Amerikanern Die europäisch-amerikanischen Kulturen bevorzugen einen offenen Ausdruck von Ge fühlen. Die Strategie des Ausdrucks von Emotionen wird in US-amerikanischen und einigen anderen westlichen Kulturen mehr geschätzt als die Unterdrückung. Gemäß den westeuropäischen Werten der Selbstbehauptung und Unabhängigkeit wird der of fene Ausdruck von Emotionen in vielen Situationen gesellschaftlich befürwortet. Die Unterdrückung von Emotionen dient bei europäischen US-Amerikanern vor allem dem psychologischen Selbstschutz und dem Rückzug im Falle sozialer Be drohungen (Markus & Kitayama, 1991; Matsumoto, 1990; Oyserman et al., 2002; Tsai & Levenson, 1997) und geht mit vermeidender Bindung, fehlendem Vertrauen in andere und sozialem Rückzug einher (Gross & John, 2003). Anthropologische und linguistische Untersuchungen haben auch gezeigt (Wierzbicka, 1994), dass europäische US-Amerikaner ihre Emotionen unterdrücken, um ihren Willen durch zusetzen und ihr Selbst zu schützen. Da die Unterdrückung in der europäisch-amerikanischen Kultur in der Regel dem Ziel des Selbstschutzes dient, wird sie von negativen Emotionen begleitet (But ler et al., 2003; Gross & John, 2003). Eine Studie zeigte (Butler et al., 2007), dass bei US-Amerikanern mit westeuropäischen Werten regelmäßige Unterdrückung die Entwicklung von Selbstschutzmechanismen, negativen Emotionen (z. B. Angst und Wut), negativer Partnerwahrnehmung, verminderter zwischenmenschlicher Re aktionsfähigkeit und feindseligem Verhalten verursacht. Eine hohe widersprüch liche Motivation, Emotionen auszudrücken oder zu unterdrücken, führt bei europä ischen US-Amerikanern, nicht aber bei Chinesen, zu einer geringeren Lebens zufriedenheit (Suh et al., 1998) und einer geringeren zwischenmenschlichen Reaktionsfähigkeit (Butler et al., 2007). Gefühlsunterdrückung und zwischenmenschliche Reaktionsfähigkeit Zwischenmenschliche Reaktionsfähigkeit ist die wichtige Bereitstellung von an gemessenen Antworten auf die Gesprächsbedürfnisse eines Partners. Sie erleichtert
4.2 Kultur und Kontrolle von emotionalen Prozessen
193
die Koordinierung der sozialen Interaktion und führt zu einer stärkeren Beziehung, Zugehörigkeit und einem positiven Verhältnis. Eine niedrige interpersonelle Reaktionsfähigkeit hingegen bedeutet ein vermindertes Interesse am Partner und den Wunsch, sich zurückzuziehen (Berg & Derlega, 1987; Davis, 1982; Laurenceau et al., 1998). Dieser Parameter der Kommunikation wirkt sich wesentlich auf die Emotionen und die zwischenmenschlichen Beziehungen aus, wird jedoch durch die Kultur vermittelt. Bei US-Amerikanern mit westeuropäischen Werten ist die geringe Reaktions fähigkeit einer Person eine Folge der Unterdrückung (Butler et al., 2007). Der Part ner interpretiert dies dann wahrscheinlich als Gleichgültigkeit, Rückzug oder Feind seligkeit und reagiert weniger freundlich und feindseliger. Infolgedessen wird der Partner nicht bereit sein, eine Freundschaft oder eine andere Art von enger Be ziehung aufzubauen (Berg & Derlega, 1987; Davis 1982; Laurenceau et al., 1998). Diese negativen sozialen Folgen wurden allgemein in experimentellen Studien nachgewiesen (Butler et al., 2003; Gross, 2002; Gross & John, 2003; John & Gross, 2004).
4.2.3 Unterdrückung von Emotionen in ostasiatischen Kulturkreisen Unterdrückung von Emotionen als Selbstregulierungsstrategie Ostasiatische Kulturen bevorzugen ein gemäßigtes Gefühlsleben. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Unterdrückung von Emotionen in diesen Kulturen im Ver gleich zur europäisch-amerikanischen Kultur eine hoch angesehene Regulierungs strategie ist (Butler et al., 2007; Ford & Mauss, 2015; Su et al., 2014; Wei et al., 2013). Ostasiatische Kulturen sind überwiegend kollektivistisch. Sie erwarten, dass der Einzelne sein Verhalten an die Gruppe anpasst. Diese Kulturen betonen Werte wie Harmonie innerhalb der Gruppe, Konformität und Gehorsam. Um diesen Wer ten gerecht zu werden, hält der Einzelne seine emotionalen Äußerungen zurück, die die Harmonie innerhalb der Gruppe gefährden. Aufgrund dieser Werte ist die Unter drückung in der asiatischen Kultur eher normativ und prosozial (Suh et al., 1998). Nach den asiatischen Werten der Interdependenz und der Harmonie in den Beziehungen nutzen die Menschen die Unterdrückung für prosoziale Ziele und bei positiven sozialen Interaktionen. Asiatische Kulturen fördern die Unterdrückung von Emotionen in Situationen, in denen die Sorge besteht, jemand anderen zu ver letzen, und in dem Versuch, Beziehungen zu erhalten (Wierzbicka, 1994). Für Menschen mit asiatischen kulturellen Werten hat die Unterdrückung nicht so nachteilige Auswirkungen wie für europäische US-Amerikaner. Kulturelle Unter schiede in der Reaktionsfähigkeit der Unterdrücker vermittelten ihre emotionalen Reaktionen. Die negativen sozialen Auswirkungen der Unterdrückung werden also durch kulturelle Werte gemildert. US-Amerikaner mit asiatischen Werten zeigten keine geringe Reaktionsfähigkeit als Folge der Unterdrückung. Obwohl sie ihre
194
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Emotionen unterdrückten, blieben sie sozial verbunden und vermieden negative Auswirkungen auf ihre sozialen Interaktionen und Beziehungen (Butler et al., 2007). nterschiede in den Kulturen gegenüber Unterschieden U in den Persönlichkeitsmerkmalen Es bleibt die Frage, ob kulturelle Unterschiede oder durchschnittliche Persönlichkeitsmerkmale zwischen den Ländern die kulturübergreifenden Unterschiede in der Emotionsregulation bestimmen. Die Ergebnisse einer kürzlich durchgeführten Stu die (Matsumoto, 2006) ergaben Unterschiede zwischen den Vereinigten Staaten und Japan in verschiedenen Aspekten der Emotionsregulation. Die Datenanalyse ergab jedoch, dass individuelle Unterschiede in Persönlichkeitsmerkmalen wie Extra version, Neurotizismus und Gewissenhaftigkeit die Länderunterschiede bei allen Emotionsregulationsvariablen vollständig ausgleichen. „was als kulturelle Unterschiede erschien, könnten in Wirklichkeit Gruppenunterschiede bei den Persönlichkeitsmerkmalen gewesen sein, die zu den offensichtlichen kulturellen Unterschieden führten. Das heißt, die beobachteten länderübergreifenden Unterschiede zwischen den USA und Japan sind möglicherweise nicht auf etwas Kulturelles an sich zurückzuführen, sondern darauf, dass die Amerikaner eher Persönlichkeiten haben, die mit einer stärkeren Neubewertungstendenz verbunden sind, während die Japaner eher Persön lichkeiten haben, die mit einer stärkeren Unterdrückungstendenz verbunden sind. (Matsu moto, 2006, S. 430)“
4.3 Kulturelle Komplexität von Emotionen 4.3.1 Die Komplexität der Emotionen Emotionslexikon und Wissen über Emotionen Kulturen unterscheiden sich in Bezug auf Emotionssprache, konzeptuelles Wissen über Emotionen, emotionsbezogene Werte, emotionale Bewertungen von Ereig nissen, Gefühlsregeln (Normen für subjektives Erleben) und Darstellungsregeln (Normen für den Ausdruck von Emotionen). Alle Bereiche des Gefühlslebens kön nen mehr oder weniger differenziert sein, was die Komplexität des Gefühlslebens bestimmt (Matsumoto et al., 2009; Trnka et al., 2018; Su et al., 2014; Wei et al., 2013). Zahlreiche linguistische, anthropologische und psychologische Studien haben die Emotionssprache untersucht und die kulturübergreifende Vielfalt und Komplexi tät des Emotionslexikons für die grundlegenden und komplexen Emotionen auf gezeigt (Johnson-Laird & Oatley, 1992; Kövecses, 2000, 2002; Russell, 1991; Wierzbicka, 1992, 1999). Viele kulturübergreifende Sprachen weisen Gemeinsam keiten und dennoch Unterschiede in ihren Emotionslexika und grundlegenden Emotionskategorien auf (siehe Russell, 1991).
4.3 Kulturelle Komplexität von Emotionen
195
Menschen, die in verschiedenen Sprachen kommunizieren, verwenden eine Viel zahl von Konzepten mit unterschiedlichen Unterteilungen. Viele englische Kate gorien und Wörter für Emotionen haben nicht dieselben Entsprechungen in anderen Sprachen, während die Sprachen in anderen Kulturkreisen ihre kulturspezifischen Emotionswörter haben (siehe z. B. Karandashev, 2019; Russell, 1991). Verschiedene Kulturen haben ähnliche, aber unterschiedliche Emotionslexika, die aus ver schiedenen Mengen von Emotionswörtern bestehen, die mehr oder weniger diffe renziert sein können. Nichtsdestotrotz können sie mit anderen Konzepten erklärt und in einfachere lexikalische Einheiten zerlegt werden. Die Studien zu Emotionssprachen haben die kulturübergreifenden Universalien in den Konstruktionen von Emotionslexika sowie die Differenzierung in ihrer Komplexität aufgezeigt (Fontaine et al., 2013; Shaver et al., 1987, 1992, 1996, 2001; Russell, 1991; Wierzbicka, 1986, 1992, 1999). So haben beispielsweise mehrere kulturübergreifende Studien Ähnlichkeiten im Emotionslexikon vieler Sprachen und Kulturen nachgewiesen. So konnten Forscher in der englischen, italienischen, baskischen und indonesischen Sprache (Alonso- Arbiol et al., 2006; Shaver et al., 1987, 1992, 1996, 2001), im philippinischen Emotionslexikon (Church et al., 1999) und in vielen Sprachen auf der ganzen Welt (Fehr & Russell, 1991) ähnlich ausgeprägte Basisemotionen identifizieren. Die untergeordneten Kategorien von Emotionen waren jedoch zahlreicher und kulturell vielfältiger. Die Anzahl der sprachlichen Bezeichnungen für Emotionskategorien, die Anzahl der synonymen Wörter in Emotionslexika, die semantische Spezifität von Wörtern für komplexe Emotionen und die Häufigkeit der Verwendung von Emotionswörtern im Alltag bestimmen die Komplexität von Emotionslexika, und die Kulturen unter scheiden sich in dieser Hinsicht. Auf der Grundlage einer detaillierten Untersuchung des emotionalen Wort schatzes, der in der anthropologischen und linguistischen Forschung in vielen Kul turen entdeckt wurde, fasste Russell (1991) die wichtigsten Ergebnisse wie folgt zusammen: 1. Grundkategorien von Emotionen sind pankulturell, untergeordnete Kategorien kulturspezifisch; 2. Emotionale Schwerpunkte sind pankulturell, Grenzen kulturspezifisch; 3. Die meisten Emotionskategorien sind kulturspezifisch, können aber durch pan kulturelle semantische Primitive definiert werden (S. 426). Die Analyse der Beziehungen zwischen Gefühlswörtern und der Struktur des Emotionslexikons ermöglicht es, die Komplexität des Gefühlslebens von Menschen in verschiedenen Kulturen aufzuzeigen. Ihre hierarchischen oder mehrdimensionalen Strukturen können bei der Konstruktion kultureller Modelle der mentalen Repräsentation von Emotionen sehr produktiv sein. Mehrere Beispiele werden in den fol genden Kapiteln vorgestellt. Konzeptuelles Wissen über Emotionen besteht aus Emotionskonzepten, konzeptuellen Metaphern, Metonymien und verwandten Konzepten, die emotionales
196
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Wissen, Erfahrungen, kulturelle prototypische Szenarien und Skripte beschreiben und definieren. Das konzeptuelle Wissen und das Emotionslexikon spiegeln die vor herrschende kulturelle Emotionologie in Bezug auf Werte, Gedanken und Gefühle wider (Kövecses, 2000, 2002; Wierzbicka, 1992, 1999) und können eine wichtige Informationsquelle für die Konstruktion kultureller Emotionsmodelle sein. Gefühlsbetonte Werte Emotionsbezogene Werte sind Vorlieben für bestimmte Arten des emotionalen Er lebens, des Ausdrucks und der Regulierung von Emotionen. Menschen in einer be stimmten Kultur können Emotionen umarmen oder vermeiden, Emotionen offen oder verdeckt ausdrücken. Sie bevorzugen entweder Gefühlsausdruck oder Ge fühlsunterdrückung als Strategien der Gefühlsregulierung. Mehrere empirische Studien (siehe unten) haben kulturelle Unterschiede im Er leben positiver oder negativer Emotionen untersucht und festgestellt, dass dies im Allgemeinen der Fall ist, (1) Ostasiaten bevorzugen ein Gleichgewicht zwischen negativen und positiven Emotionen mehr als Westler; (2) Ostasiaten bevorzugen weniger intensive positive Emotionen und hoch inten sive positive Emotionen weniger als Westler; (3) Ostasiaten und Westler unterscheiden sich in ihrer emotionalen Komplexität und in der Tendenz, positive und negative Emotionen als Reaktion auf dieselbe Situation zu erleben; (4) Ostasiaten entscheiden sich weniger für emotionalen Ausdruck und mehr für Unterdrückung als Westler. Im Folgenden wollen wir einige dieser kulturellen Werte des Gefühlslebens näher betrachten. Westliche Menschen neigen dazu, entweder positive oder negative Emotionen gegenüber Ereignissen und Situationen zu empfinden. Das gleichzeitige Auftreten positiver und negativer Emotionen ist in ihrem emotionalen Erleben relativ selten, während ein solches Erleben bei Ostasiaten häufiger vorkommt (Bagozzi et al., 1999; Schimmack et al., 2002). Diese Unterschiede lassen sich durch die Prävalenz der kulturell dominanten linearen volkstümlichen Erkenntnistheorie in westlichen Kulturen und der dialektischen volkstümlichen Erkenntnistheorie in ostasiatischen Kulturen mit ihrer holistischen Weltsicht und der Akzeptanz von Veränderungen er klären (Hui et al., 2009; Kim et al., 2014; Spencer-Rodgers et al., 2010). Dialektische Überzeugungen lassen die Komplementarität von gegensätzlichen Emotionen und Widersprüchen zu, so wie sie sind. Studien zur emotionalen Komplexität in westlichen und ostasiatischen Stichproben ergaben kulturelle Unterschiede, die mit einer solchen erkenntnistheoretischen Erklärung übereinstimmen (Kitayama et al., 2000; Perunovic et al., 2007; Scollon et al., 2005).
4.3 Kulturelle Komplexität von Emotionen
197
Gefühlsregeln Gefühlsregeln sind eine Reihe von Vorschriften, die vorschlagen, welche Emotionen Menschen in bestimmten typischen Situationen fühlen sollten oder nicht fühlen sollten. Gefühlsregeln sind die gesellschaftlichen Erwartungen darüber, wie es an gemessen und wünschenswert ist, bestimmte Emotionen in verschiedenen Kontex ten zu fühlen (Eid & Diener, 2001). Gefühlsregeln sind spezifischer als emotionsbezogene Werte und legen mehr Wert auf die Angemessenheit des Er lebens einzelner Emotionen in bestimmten Kontexten. In einer kulturübergreifenden Studie über Gefühlsregeln (Eid & Diener, 2001) für Freude, Zuneigung, Stolz, Zufriedenheit, Wut, Angst, Traurigkeit und Schuld gefühle, die in zwei kollektivistischen (China, Taiwan) und zwei individualistischen (Vereinigte Staaten, Australien) Kulturen durchgeführt wurde, baten die Forscher die Teilnehmer zu bewerten, wie wünschenswert oder angemessen es ist, diese Ge fühle zu erleben. Die Ergebnisse zeigten, dass in kollektivistischen Kulturen Schuldgefühle und in individualistischen Kulturen Stolz als angemessenere Emotionen an gesehen wurden. Die Autoren interpretieren diese Ergebnisse dahingehend, dass in kollektivistischen (konfuzianischen) Kulturen selbstreflexive Emotionen im Zu sammenhang mit den Fehlern oder falschen Handlungen einer Person einen hohen Stellenwert haben, während in individualistischen Kulturen selbstreflexive Emotio nen im Zusammenhang mit den erfolgreichen Handlungen einer Person einen hohen Stellenwert haben. Ausdrucksregeln Darstellungsregeln sind die kulturellen Normen, wie bestimmte Emotionen verbal und nonverbal ausgedrückt und gegebenenfalls in sozialen Situationen und Um ständen modifiziert werden sollten (Ekman & Friesen, 1969, 1971; Matsumoto et al., 2005, 2009). Wie in den vorangegangenen Abschnitten eingeführt, beschreibt das Konstrukt der Kontextdifferenzierung (Matsumoto et al., 2009), wie unter schiedlich sich Individuen in einer Kultur in verschiedenen Situationen und in der Interaktion mit verschiedenen Menschen verhalten und Emotionen ausdrücken. Die kulturellen Normen einiger Kulturen empfehlen eine Differenzierung des Ver haltens je nach Situation und Menschen, mit denen eine Person interagiert, während andere Kulturen eine Konsistenz über Situationen und Menschen hinweg empfehlen. Kulturen mit hoher Kontextdifferenzierung raten zu einer stärkeren Differenzie rung zwischen den Emotionen. Auf diese Weise – und durch die Differenzierung der Emotionsausdrücke innerhalb eines Kontexts – können Menschen zwischen ver schiedenen Kontexten differenzieren. Kulturen mit geringer Kontextdifferenzierung hingegen sind der Ansicht, dass die Differenzierung von Emotionen in einer egali tären Gesellschaft nicht wichtig ist, und empfehlen, Emotionen in verschiedenen Si tuationen, Kontexten und mit verschiedenen Personen einheitlich auszudrücken.
198
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Daher sollten Menschen in Kulturen mit hoher Kontextdifferenzierung eine höhere Komplexität von Emotionen und deren Ausdrucksformen aufweisen als Menschen in Kulturen mit niedriger Kontextdifferenzierung.
4.3.2 Emotionale Differenzierung Kontext-Differenzierung Das vorgeschlagene Maß der Kontextdifferenzierung (Matsumoto et al., 2009) er möglicht es, sowohl die individuelle als auch die kulturelle Komplexität von Emo tionen in Darstellungsregeln zu bewerten. Letzteres ist für das Thema dieses Buches von besonderem Interesse. Das Display Rule Assessment Inventory (DRAI) fragt die Teilnehmer, „was sie tun sollten, wenn sie jede von sieben Emotionen gegen über Interaktionspartnern in zwei Situationen – öffentlich und privat – empfinden würden“ (S. 255). Die Unterscheidung zwischen hohem und niedrigem Kontext ist eine Variable für die emotionale Komplexität der Darstellungsregeln. Einige Perso nen und Kulturen unterscheiden nur wenig zwischen Emotionen und Darstellungs regeln, während andere große Unterschiede zwischen den Emotionen machen. Daher „umfasst dieses Maß eine Schätzung der Variabilität zwischen den Emotio nen für jede Situation, die dann über alle Situationen hinweg gepoolt wird … Grö ßere Variabilitäten spiegeln eine größere Differenzierung in der Ausdrucksfähigkeit der Befragten bei den verschiedenen Emotionen wider; kleinere Variabilitäten wür den weniger widerspiegeln“ (S. 254). Die Differenzierung der Ausdrucksfähigkeit von Emotionen in verschiedenen Beziehungskontexten wurde beispielsweise in einer Studie über Darstellungsregeln nachgewiesen, in der japanische, US-amerikanische und kanadische Studenten ver glichen wurden (Safdar et al., 2009). Die Autoren fanden heraus, dass die Japaner bei starken Emotionen (Verachtung, Wut und Ekel) ihre Darstellungsregeln in Ab hängigkeit von der Nähe zu ihren Partnern stärker differenzieren als die Teilnehmer der US-amerikanischen und kanadischen Stichproben. Die Darstellungsregeln für den Ausdruck von Verachtung, Ekel und Wut gegenüber Partnern in enger Be ziehung (z. B. Familienmitglieder und enge Freunde) sind in den drei Kulturen gleich, unterscheiden sich aber bei Partnern in mittlerer (Bekannte und Klassen kameraden) und entfernter Beziehung (Professoren) (Safdar et al., 2009). So hat die japanische Kultur, die durch eine hohe Kontextdifferenzierung gekennzeichnet ist, im Vergleich zu den US-amerikan US-amerikanischen und kanadischen Kulturen, die durch eine geringe Kontextdifferenzierung gekennzeichnet sind, eine größere Differenzierung in den Ausdrucksregeln gegenüber Personen aus ihren nahen, mitt leren und entfernten Gruppen gezeigt. Nach ihren kulturellen Darstellungsregeln halten es die Japaner für angemessen, negative starke und positive Emotionen „weniger gegenüber Mitgliedern der dista
4.3 Kulturelle Komplexität von Emotionen
199
len als der mittleren Gruppe und weniger gegenüber Mitgliedern der mittleren als der nahen Gruppe“ auszudrücken (S. 8). So sind die Japaner in engen Beziehungen am ausdrucksstärksten bei negativen starken (Verachtung, Ekel und Ärger) und positiven Emotionen (Glück). Was das Glück betrifft, so zeigte sich eine ähnliche Differenzierung der Darstellungsregeln in der Ausprägung gegenüber Personen aus nahen, mittleren und entfernten Gruppen in US-amerikan US-amerikanischen und kanadischen Stichproben. Für Emotionen wie Traurigkeit, Angst und Überraschung fanden die Autoren keine signifikanten Unterschiede in den Darstellungsregeln gegenüber Personen mit unterschiedlicher Nähe (Safdar et al., 2009). In den folgenden Abschnitten werden weitere kulturübergreifende Studien zu Darstellungsregeln vorgestellt. Die Messung emotionaler Komplexität Was ist emotionale Komplexität und wie können wir sie messen? Wie können wir die Komplexität des Gefühlslebens in verschiedenen Kulturen vergleichen? Emo tionale Komplexität kann definiert und gemessen werden als • Emotionale Differenzierung – die Fähigkeit von Individuen, Emotionen auf dif ferenzierte Weise zu erleben, mit einer Vielzahl von diskreten Emotionen, so wohl positiven als auch negativen (Grossmann & Ellsworth, 2017; Grossmann et al., 2016; Gruhn et al., 2013). • Emotionale Dialektik – die Akzeptanz des gleichzeitigen oder aufeinander folgenden Erlebens von angenehmen und unangenehmen Gefühlszuständen (Ba gozzi et al., 1999; Lindquist & Barrett, 2008). • Emotionale Granularität – die Fähigkeit von Personen, emotionale Erfahrungen mit Spezifität und Präzision zu verbalisieren (Kashdan et al., 2015; Lindquist & Barrett, 2008). In den Studien konnte festgestellt werden, welche kulturellen Rahmenbedingungen von Gesellschaften mit emotionaler Komplexität verbunden sind. Insbesondere kol lektivistische Länder, Länder mit größerer Machtdistanz und maskuline Länder haben differenziertere und komplexere Regeln für den Ausdruck von Emotionen, vor allem im Falle negativer Emotionen (Fernandez et al., 2000). Eine andere Studie (Matsumoto et al., 2009), die bereits in früheren Kapiteln kurz kommentiert wurde, fand Zusammenhänge zwischen den Hofstede- Kulturdimensionen und den kulturellen Werten von Schwartz und den Ergebnissen der Emotionsdifferenzierung. Je höher Hierarchie, Machtdistanz und Einbettung in einem Land sind, desto höher ist die Emotionsdifferenzierung auf Länderebene, wohingegen Individualismus (vs. Kollektivismus), affektive Autonomie (und bis zu einem gewissen Grad Egalitarismus) niedriger sind, desto höher ist die Emotions differenzierung auf Länderebene. Somit sind diese kulturellen Dimensionen prä diktive Rahmenbedingungen für die kulturelle Komplexität von Emotionen.
200
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Literatur Abu-Lughod, L. (2000). Veiled sentiments: Honor and poetry in a Bedouin society. University of California Press. (Original work published 1986). Alonso-Arbiol, I., Shaver, P. R., Fraley, R. C., Oronoz, B., Unzurrunzaga, E., & Urizar, R. (2006). Structure of the Basque emotion lexicon. Cognition and Emotion, 20(6), 836–865. Bagozzi, R. P., Wong, N., & Yi, Y. (1999). The role of culture and gender and the relationship bet ween positive and negative affect. Cognition and Emotion, 3, 641–672. Barrett, L. F. (2012). Emotions are real. Emotion, 12, 413–429. Barrett, L. F. (2017). How emotions are made: The secret life of the brain. Houghton Mifflin. Barrett, L. F., & Russell, J. A. (1999). The structure of current affect: Controversies and emerging consensus. Current Directions in Psychological Science, 8(1), 10–14. Barrett, L. F., Mesquita, B., Ochsner, K. N., & Gross, J. J. (2007). The experience of emotion. Annual Review of Psychology, 58, 373–403. Berg, J. H., & Derlega, V. J. (1987). Responsiveness and self-disclosure. Plenum Press. Berry, J. W., Poortinga, Y. H., Segall, M. H., & Dasen, P. R. (2002). Cross-cultural psychology: Research and applications (2. Aufl.). Cambridge University Press. Bilimoria, P., & Wenta, A. (Hrsg.). (2015). Emotions in Indian thought-systems. Routledge. Boiger, M., & Mesquita, B. (2014). A socio-dynamic perspective on the construction of emotion. In L. F. Barrett & J. A. Russell (Hrsg.), The psychological construction of emotion (S. 377–398). Guilford Press. Boiger, M., Mesquita, B., Tsai, A. Y., & Markus, H. R. (2012). Influencing and adjusting in daily emotional situations: A comparison of European and Asian American action styles. Cognition & Emotion, 26(2), 332–340. Breugelmans, S. M., & Poortinga, Y. H. (2006). Emotion without a word: Shame and guilt among Rarámuri Indians and rural Javanese. Journal of Personality and Social Psychology, 91(6), 1111–1122. Breugelmans, S. M., Ambadar, Z., Vaca, J. B., Poortinga, Y. H., Setiadi, B., Widiyanto, P., & Phi lippot, P. (2005). Body sensations associated with emotions in Rarámuri Indians, rural Java nese, and three student samples. Emotion, 5(2), 166–175. Briggs, J. L. (1970). Never in anger: Portrait of an Eskimo family. Harvard University Press. Butler, E. A. (2011). Temporal interpersonal emotion systems: The “TIES” that form relationships. Personality and Social Psychology Review, 15(4), 367–393. Butler, E. A., Egloff, B., Wilhelm, F. H., Smith, N. C., Erickson, E. A., & Gross, J. J. (2003). The social consequences of expressive suppression. Emotion, 3, 48–67. Butler, E. A., Lee, T. L., & Gross, J. J. (2007). Emotion regulation and culture: Are the social con sequences of emotion suppression culture-specific? Emotion, 7(1), 30–48. Butner, J., Diamond, L. M., & Hicks, A. M. (2007). Attachment style and two forms of affect co regulation between romantic partners. Personal Relationships, 14, 431–455. Chaplin, T. M. (2015). Gender and emotion expression: A developmental contextual perspective. Emotion Review, 7(1), 14–21. https://doi.org/10.1177/1754073914544408 Church, A. T., Katigbak, M. S., Reyes, J. A., & Jensen, S. M. (1999). The structure of affect in a non-western culture: Evidence for cross-cultural comparability. Journal of Personality, 67(3), 505–534. Cohen, D., & Gunz, A. (2002). As seen by the other …: Perspectives on the self in the memories and emotional perceptions of Easterners and Westerners. Psychological Science, 13(1), 55–59. Consedine, N. S., Chentsova-Dutton, Y. E., & Krivoshekova, Y. S. (2014). Emotional acculturation predicts better somatic health: Experiential and expressive acculturation among immigrant women from four ethnic groups. Journal of Social and Clinical Psychology, 33(10), 867–889. Cosnier, J., Dols, J. M. F., & Fernandez, A. J. (1986). The verbalization of emotional experiences. In K. R. Scherer, H. G. Wallbott, & A. B. Summerfield (Hrsg.), Experiencing emotion: A cross-cultural study (S. 117–128). Cambridge University Press.
Literatur
201
Cromby, J. (2007). Toward a psychology of feeling. International Journal of Critical Psychology, 21(94), 94–118. Davidson, R. J. (1994). On emotion, mood, and related affective constructs. In P. Ekman & R. J. Davidson (Hrsg.), The nature of emotion: Fundamental questions (S. 51–55). Oxford Uni versity Press. Davis, D. (1982). Determinants of responsiveness in dyadic interactions. In W. Ickes & E. G. Know les (Hrsg.), Personality, roles and social behavior (S. 85–140). Springer. De Leersnyder, J. (2017). Emotional acculturation: A first review. Current Opinion in Psychology, 17, 67–73. De Leersnyder, J., Mesquita, B., & Kim, H. S. (2011). Where do my emotions belong? A study of immigrants’ emotional acculturation. Personality and Social Psychology Bulletin, 37(4), 451–463. De Leersnyder, J., Mesquita, B., & Kim, H. (2013). Emotional acculturation. In D. Hermans, B. Mesquita, & B. Rime (Hrsg.), Changing emotions (S. 127–133). Psychology Press. De Leersnyder, J., Mesquita, B., Kim, H. S., Eom, K., & Choi, H. (2014). Emotional fit with cul ture: A predictor of individual differences in relational well-being. Emotion, 14, 241–245. De Leersnyder, J., Kim, H., & Mesquita, B. (2015). Feeling right is feeling good: Psychological well-being and emotional fit with culture in autonomy- versus relatedness-promoting situati ons. Frontiers in Psychology, 6, Article 630. https://doi.org/10.3389/fpsyg.2015.00630 Eid, M., & Diener, E. (2001). Norms for experiencing emotions in different cultures: Inter- and in tra-national differences. Journal of Personality and Social Psychology, 81(5), 869–885. Ekman, P. (1972). Universals and cultural differences in facial expressions of emotion. In J. Cole (Hrsg.), Nebraska symposium motivation, 1971 (Bd. 19, S. 207–282). University of Ne braska Press. Ekman, P. (1992). Are there basic emotions? Psychological Review, 99, 550–553. Ekman, P. (1993). Facial expression and emotion. American Psychologist, 48(4), 384–392. https:// doi.org/10.1037/0003-066X.48.4.384 Ekman, P. (1994). Moods, emotions, and traits. In P. Ekman & R. Davidson (Hrsg.), The nature of emotion: Fundamental questions (S. 56–58). Oxford University Press. Ekman, P. (1999). Basic emotions. In T. Dalgleish & T. Power (Hrsg.), The handbook of cognition and emotion (S. 45–60). Wiley. Ekman, P., & Friesen, W. (1969). The repertoire of nonverbal behavior: Categories, origins, usage, and coding. Semiotica, 1, 49–98. Ekman, P., & Friesen, W. V. (1971). Constants across cultures in the face and emotion. Journal of Personality and Social Psychology, 17, 124–129. Ekman, P., Friesen, W. V., O’Sullivan, M., Chan, A., Diacoyanni-Tarlatzis, I., Heider, K., et al. (1987). Universals and cultural differences in the judgments of facial expressions of emotion. Journal of Personality and Social Psychology, 53(4), 712–717. https://doi.org/10.1037/00223514.53.4.712 Ellsworth, P. C. (1991). Some implications of cognitive appraisal theories of emotion. In K. Strong man (Hrsg.), International review of studies on emotion (S. 143–161). Wiley. Ellsworth, P. C. (2013). Appraisal theory: Old and new questions. Emotion Review, 5, 125–131. https://doi.org/10.1177/1754073912463617 Fehr, B., & Russell, J. A. (1991). The concept of love viewed from a prototype perspective. Journal of Personality and Social Psychology, 60(3), 425–438. Fernandez, I., Carrera, P., Sanchez, F., Paez, D., & Candia, L. (2000). Differences between cultures in emotional verbal and non-verbal reactions. Psicothema, 12(Suppl 1), 83–92. Fontaine, J. R. J., Poortinga, Y. H., Setiadi, B., & Markam, S. S. (2002). Cognitive structure of emotion terms in Indonesia and The Netherlands. Cognition & Emotion, 16, 61–86. https://doi. org/10.1080/02699933014000130 Fontaine, J. R. J., Scherer, K. R., & Soriano, C. (Hrsg.). (2013). Components of emotional meaning: A sourcebook. Oxford University Press. Ford, B. Q., & Mauss, I. B. (2015). Culture and emotion regulation. Current Opinion in Psychology, 3, 1–5.
202
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Fredrickson, B. (2001). The role of positive emotions in positive psychology: The broaden-and- build theory of positive emotions. American Psychologist, 56(3), 218–226. Fredrickson, B., & Losada, M. F. (2005). Positive affect and the complex dynamics of human flou rishing. American Psychologist, 60(7), 678–686. Fredrickson, B. L., & Cohn, M. A. (2008). Positive emotions. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones, & L. F. Barrett (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 777–796). Guilford Press. Frijda, N. H. (1986). The emotions. Cambridge University Press. Gross, J. J. (1998). Antecedent-and response-focused emotion regulation: Divergent consequences for experience, expression, and physiology. Journal of Personality and Social Psychology, 74(1), 224–237. Gross, J. J. (2001). Emotion regulation in adulthood: Timing is everything. Current Directions in Psychological Science, 10, 214–219. Gross, J. J. (2002). Emotion regulation: Affective, cognitive, and social consequences. Psychophysiology, 39, 281–291. Gross, J. J., & John, O. P. (1998). Mapping the domain of expressivity: Multimethod evidence for a hierarchical model. Journal of Personality and Social Psychology, 74, 170–191. Gross, J. J., & John, O. P. (2003). Individual differences in two emotion regulation processes: Im plication for affect, relationships, and well-being. Journal of Personality and Social Psychology, 85, 348–362. Grossmann, I., & Ellsworth, P. C. (2017). What are mixed emotions and what conditions foster them? Life-span experiences, culture and social awareness. Current Opinion in Behavioral Sciences, 15, 1–5. Grossmann, I., Huynh, A. C., & Ellsworth, P. C. (2016). Emotional complexity: Clarifying defini tions and cultural correlates. Journal of Personality and Social Psychology, 111(6), 895–916. https://doi.org/10.1037/pspp0000084 Gruhn, D., Lumley, M. A., Diehl, M., & Labouvie-Vief, G. (2013). Time-based indicators of emo tional complexity: Interrelations and correlates. Emotion, 13(2), 226–237. Haidt, J. (2003). The moral emotions. In R. J. Davidson, K. R. Scherer, & H. H. Goldsmith (Hrsg.), Series in affective science. Handbook of affective sciences (S. 852–870). Oxford Uni versity Press. Hamaguchi, F. (1985). A contextual model of the Japanese: Towards a methodological innovation in Japanese studies. Journal of Japanese Studies, 11, 289–321. Hatfield, E., Cacioppo, J. T., & Rapson, R. L. (1994). Emotional contagion. Cambridge Uni versity Press. Hui, C. M., Fok, H. K., & Bond, M. H. (2009). Who feels more ambivalence? Linking dialectical thinking to mixed emotions. Personality and Individual Differences, 46, 493–498. Izard, C. E. (2007). Basic emotions, natural kinds, emotion schemas, and a new paradigm. Perspectives on Psychological Science, 2(3), 260–280. John, O. P., & Gross, J. J. (2004). Healthy and unhealthy emotion regulation personality processes, individual differences, and life span development. Journal of Personality, 72, 1301–1333. Johnson-Laird, P. N., & Oatley, K. (1992). Basic emotions, rationality, and folk theory. Cognition & Emotion, 6(3–4), 201–223. Karandashev, V. (2019). Cross-cultural perspectives on the experience and expression of love. Springer. Kashdan, T. B., Barrett, L. F., & McKnight, P. E. (2015). Unpacking emotion differentiation: Transforming unpleasant experience by perceiving distinctions in negativity. Current Directions in Psychological Science, 24(1), 10–16. Keltner, D., & Haidt, J. (1999). Social functions of emotion at four levels of analysis. Cognition and Emotion, 13(5), 505–521. Kim, J., Seo, M., Yu, H., & Neuendorf, K. (2014). Cultural differences in preference for entertain ment messages that induce mixed responses of joy and sorrow. Human Communication Research, 40, 530–552. Kitayama, S., Markus, H. R., & Kurokawa, M. (2000). Culture, emotion, and well-being: Good feelings in Japan and the United States. Cognition and Emotion, 14, 93–124.
Literatur
203
Kitayama, S., Mesquita, B., & Karasawa, M. (2006). Cultural affordances and emotional expe rience: Socially engaging and disengaging emotions in Japan and the United States. Journal of Personality and Social Psychology, 91(5), 890–903. Kövecses, Z. (2000). Metaphor and emotion: Language, culture, and body in human feeling. Cam bridge University Press. Kövecses, Z. (2002). Emotion concepts: Social constructionism and cognitive linguistics. In S. R. Fussell (Hrsg.), The verbal communication of emotions (S. 117–132). L. Erlbaum As sociates. Larsen, R. J., & Diener, E. (1992). Promises and problems with the circumplex model of emotion. In M. S. Clark (Hrsg.), Review of personality and social psychology: Emotion (S. 25–59). Sage. Larson, R., & Almeida, D. (1999). Emotional transmission in the daily lives of families: A new pa radigm for studying family process. Journal of Marriage and the Family, 61, 5–20. Laurenceau, J., Barrett, L. F., & Peitromonaco, P. R. (1998). Intimacy as an interpersonal process: The importance of self-disclosure and partner disclosure, and perceived partner responsiveness in interpersonal exchanges. Journal of Personality and Social Psychology, 74, 1238–1251. Lazarus, R. S. (1991). Emotion and adaptation. Oxford University Press. Levenson, R. W. (2003). Blood, sweat, and fears: The autonomic architecture of emotion. Annals of the New York Academy of Sciences, 1000(1), 348–366. Levenson, R. W., & Gottman, J. M. (1983). Marital interaction: Physiological linkage and affective exchange. Journal of Personality and Social Psychology, 45(3), 587–597. Lewis, M. (2008). Self-conscious emotions: Embarrassment, pride, shame, and guilt. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones, & L. F. Barrett (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 742–756). Guil ford Press. Lim, T.-S. (2003). Language and verbal communication across cultures. In W. B. Gudykunst (Hrsg.), Handbook of international and intercultural communication (S. 53–71). Sage. Lindquist, K. A., & Barrett, L. F. (2008). Emotional complexity. In M. Lewis, J. M. Haviland- Jones, & L. F. Barrett (Hrsg.), The handbook of emotions (S. 513–530). Guilford Press. Lutz, C. (1982). The domain of emotion words on Ifaluk. American Ethnologist, 9(1), 113–128. Lutz, C. (1988). Unnatural emotions: Everyday sentiments on a Micronesian atoll and their challenge to western theory. University of Chicago Press. Lynch, O. M. (1990). Divine passions. University of California Press. Markus, H. R., & Kitayama, S. (1991). Culture and the self: Implications for cognition, emotion, and motivation. Psychological Review, 98, 224–253. Matsumoto, D. (1990). Cultural similarities and differences in display rules. Motivation and Emotion, 14(3), 195–214. Matsumoto, D. (2006). Are cultural differences in emotion regulation mediated by personality traits? Journal of Cross-Cultural Psychology, 37(4), 421–437. Matsumoto, D., & Hwang, H. S. (2012). Culture and emotion: The integration of biological and cultural contributions. Journal of Cross-Cultural Psychology, 43(1), 91–118. Matsumoto, D., Kudoh, T., Scherer, K. R., & Wallbott, H. (1988). Antecedents of and reactions to emotions in the United States and Japan. Journal of Cross-Cultural Psychology, 19(3), 267–286. Matsumoto, D., Yoo, S. H., Hirayama, S., & Petrova, G. (2005). Development and validation of a measure of display rule knowledge: The display rule assessment inventory. Emotion, 5(1), 23–40. Matsumoto, D., Yoo, S. H., & Fontaine, J. (2009). Hypocrisy or maturity? Culture and context dif ferentiation. European Journal of Personality, 23(3), 251–264. McCullough, M. E., Bono, G., & Root, L. M. (2007). Rumination, emotion, and forgiveness: Three longitudinal studies. Journal of Personality and Social Psychology, 92(3), 490–505. McDaniel, J. (1995). Emotion in Bengali religious thought: Substance and metaphor. In J. Marks & R. T. Ames (Hrsg.), Emotions in Asian thought (S. 39–63). SUNY Press. Mesquita, B. (2001). Emotions in collectivist and individualist contexts. Journal of Personality and Social Psychology, 80(1), 68–74.
204
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Mesquita, B. (2003). Emotions as dynamic cultural phenomena. In R. Davidson, H. Goldsmith, & K. R. Scherer (Hrsg.), The handbook of affective sciences (S. 871–890). Oxford Uni versity Press. Mesquita, B., & Frijda, N. H. (1992). Cultural variations in emotions: A review. Psychological Bulletin, 112(2), 179–204. https://doi.org/10.1037/0033-2909.112.2.179 Mesquita, B., & Karasawa, M. (2002). Different emotional lives. Cognition & Emotion, 16(1), 127–141. Mesquita, B., & Leu, J. (2007). The cultural psychology of emotion. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (S. 734–759). Guilford Press. Mesquita, B., & Walker, R. (2003). Cultural differences in emotions: A context for interpreting emotional experiences. Behaviour Research and Therapy, 41(7), 777–793. Mesquita, B., Boiger, M., & De Leersnyder, J. (2016). The cultural construction of emotions. Current Opinion in Psychology, 8, 31–36. Mesquita, B., Boiger, M., & De Leersnyder, J. (2017). Doing emotions: The role of culture in ever yday emotions. European Review of Social Psychology, 28(1), 95–133. Morling, B., Kitayama, S., & Miyamoto, Y. (2002). Cultural practices emphasize influence in the United States and adjustment in Japan. Personality and Social Psychology Bulletin, 28(3), 311–323. Nezlek, J. B., Kafetsios, K., & Smith, C. V. (2008a). Emotions in everyday social encounters: Cor respondence between culture and self-construal. Journal of Cross-Cultural Psychology, 39(4), 366–372. Nezlek, J. B., Sorrentino, R. M., Yasunaga, S., Otsubo, Y., Allen, M., Kouhara, S., & Shuper, P. A. (2008b). Cross-cultural differences in reactions to daily events as indicators of cross- cultural differences in self-construction and affect. Journal of Cross-Cultural Psychology, 39(6), 685–702. Okazaki, S. (2002). Self-other agreement on affective distress scales in Asian Americans and White Americans. Journal of Counseling Psychology, 49, 428–437. Ortony, A., & Turner, J. H. (1990). What’s basic about basic emotions. Psychological Review, 97, 315–331. Oyserman, D., Coon, H. M., & Kemmelmeier, M. (2002). Rethinking individualism and collecti vism: Evaluation of theoretical assumptions and meta-analyses. Psychological Bulletin, 128(1), 3–72. Perunovic, W. Q. E., Heller, D., & Rafaeli, E. (2007). Within-person changes in the structure of emotion: The role of cultural identification and language. Psychological Science, 18(7), 607–613. Poortinga, Y. H., & Soudijn, K. (2002). Behaviour – Culture relationships and ontogenetic develop ment. In H. Keller, Y. H. Poortinga, & A. Schölmerich (Hrsg.), Between culture and biology: Perspectives on ontogenetic development (S. 320–340). Cambridge University Press. Potter, S. H. (1988). The cultural construction of emotion in rural Chinese social life. Ethos, 16(2), 181–208. Prinz, J. J., & Nichols, S. (2010). Moral emotions. In J. M. Doris & The Moral Psychology Re search Group (Hrsg.), The moral psychology handbook (S. 111–146). Oxford University Press. Roseman, I. J., Dhawan, N., Rettek, S. L., Naidu, R. K., & Thapa, K. (1995). Cultural differences and cross-cultural similarities in appraisals and emotional responses. Journal of Cross-Cultural Psychology, 26, 23–48. Russell, J. A. (1991). Culture and the categorization of emotions. Psychological Bulletin, 110, 426–450. Safdar, S., Friedlmeier, W., Matsumoto, D., Yoo, S. H., Kwantes, C. T., Kakai, H., & Shigemasu, E. (2009). Variations of emotional display rules within and across cultures: A comparison bet ween Canada, USA, and Japan. Canadian Journal of Behavioural Science/Revue canadienne des sciences du comportement, 41(1), 1–10. https://doi.org/10.1037/a0014387 Savani, K., Morris, M. W., Naidu, N. V. R., Kumar, S., & Berlia, N. V. (2011). Cultural conditio ning: Understanding interpersonal accommodation in India and the United States in terms of
Literatur
205
the modal characteristics of interpersonal influence situations. Journal of Personality and Social Psychology, 100(1), 84–102. Saxbe, D., & Repetti, R. L. (2010). For better or worse? Coregulation of couples’ cortisol levels and mood states. Journal of Personality and Social Psychology, 98(1), 92–103. Scherer, K. R. (1984). Emotion as a multicomponent process: A model and some cross-cultural data. In P. Shaver (Hrsg.), Review of personality and social psychology (Bd. 5, S. 37–63). Sage. Scherer, K. R., & Fontaine, J. R. (2019). The semantic structure of emotion words across langua ges is consistent with componential appraisal models of emotion. Cognition and Emotion, 33(4), 673–682. Scherer, K. R., & Wallbott, H. G. (1994). Evidence for universality and cultural variation of diffe rential emotion response patterning. Journal of Personality and Social Psychology, 66(2), 310–328. Scherer, K. R., Matsumoto, D., Wallbott, H. G., & Kudoh, T. (1988). Emotional experience in cul tural context: A comparison between Europe, Japan, and the United States. In K. R. Scherer (Hrsg.), Facets of emotion: Recent research (S. 5–30). Lawrence Erlbaum. Schimmack, U., Oishi, S., & Diener, E. (2002). Cultural influences on the relation between plea sant emotions and unpleasant emotions: Asian dialectic philosophies or individualism- collectivism? Cognition and Emotion, 76(6), 705–719. Scollon, C. N., Diener, E., Oishi, S., & Biswas-Diener, R. (2004). Emotions across cultures and methods. Journal of Cross-Cultural Psychology, 35(3), 304–326. Scollon, C. N., Diener, E., Oishi, S., & Biswas-Diener, R. (2005). An experience sampling and cross-cultural investigation of the relation between pleasant and unpleasant affect. Cognition and Emotion, 19(1), 27–52. Shaver, P., Schwartz, J., Kirson, D., & O’Connor, C. (1987). Emotion knowledge: Further ex ploration of a prototype approach. Journal of Personality and Social Psychology, 52, 1061–1086. https://doi.org/10.1037/0022-3514.52.6.1061 Shaver, P. R., Wu, S., & Schwartz, J. C. (1992). Cross-cultural similarities and differences in emo tion and its representation. In M. S. Clark (Hrsg.), Review of personality and social psychology (Bd. 13, S. 175–212). Sage. Shaver, P. R., Morgan, H. J., & Wu, S. (1996). Is love a “basic” emotion? Personal Relationships, 3, 81–96. https://doi.org/10.1111/j.1475-6811.1996.tb00105.x Shaver, P. R., Murdaya, U., & Fraley, R. C. (2001). Structure of the Indonesian emotion lexicon. Asian Journal of Social Psychology, 4, 201–224. Shweder, R. A. (1993). The cultural psychology of emotions. In M. Lewis & J. Hovland (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 417–437). Guilford Press. Shweder, R. A., Haidt, J., Horton, R., & Joseph, C. (2008). The cultural psychology of the emoti ons: Ancient and renewed. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones, & L. Feldman Barrett (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 409–427). Guilford Press. Spencer-Rodgers, J., Peng, K., & Wang, L. (2010). Dialecticism and the co-occurrence of positive and negative emotions across cultures. Journal of Cross-Cultural Psychology, 41, 109–115. Stürmer, S., Snyder, M., & Omoto, A. M. (2005). Prosocial emotions and helping: The moderating role of group membership. Journal of Personality and Social Psychology, 88(3), 532–546. https://doi.org/10.1037/0022-3514.88.3.532 Su, J. C., Wei, M., & Tsai, H. T. (2014). Running away from unwanted feelings: Culture matters. Cognition and Emotion, 28(7), 1313–1327. Suh, E., Diener, E., Oishi, S., & Triandis, H. C. (1998). The shifting basis of life satisfaction jud gements across cultures: Emotions versus norms. Journal of Personality and Social Psychology, 74, 482–493. Tangney, J. P. (1999). The self-conscious emotions: Shame, guilt, embarrassment and pride. In T. Dalgleish & M. J. Power (Hrsg.), Handbook of cognition and emotion (S. 541–568). Wiley. https://doi.org/10.1002/0470013494.ch26 Tangney, J. P., & Fischer, K. (Hrsg.). (1995). Self-conscious emotions: The psychology of shame, guilt, embarrassment, and pride. Guilford Press.
206
4 Emotionale Prozesse in kulturellen Kontexten
Tangney, J. P., Stuewig, J., & Mashek, D. J. (2007). Moral emotions and moral behavior. Annual Review of Psychology, 58, 345–372. Tomkins, S. S. (1962). Affect, imagery, and consciousness (Vol. 1: The positive affects). Springer. Tomkins, S. S. (1963). Affect, imagery, and consciousness (Vol. 2: The negative affects). Springer. Tooby, J., & Cosmides, L. (2008). The evolutionary psychology of the emotions and their relation ship to internal regulatory variables. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones, & L. Feldman Barrett (Hrsg.), Handbook of emotions (3. Aufl., S. 114–137). Guilford Press. Tracy, J. L., & Robins, R. W. (2004). Putting the self into self-conscious emotions: A theoretical model. Psychological Inquiry, 15(2), 103–125. Trnka, R., Šolcová, I. P., & Tavel, P. (2018). Components of cultural complexity relating to emoti ons: A conceptual framework. New Ideas in Psychology, 51, 27–33. Trommsdorff, G., & Cole, P. M. (2011). Emotion, self-regulation, and social behaviour in cultural contexts. In X. Chen & K. H. Rubin (Hrsg.), Socioemotional development in cultural context (S. 131–163). Guilford Press. Tsai, J. L., & Clobert, M. (2019). Cultural influences on emotion: Empirical patterns and emerging trends. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (2. Aufl., S. 292–318). Guilford Press. Tsai, J. L., & Levenson, R. W. (1997). Cultural influences on emotional responding: Chinese Ame rican and European American dating couples during interpersonal conflict. Journal of Cross-Cultural Psychology, 28(5), 600–625. Tsai, J. L., Louie, J. Y., Chen, E. E., & Uchida, Y. (2007). Learning what feelings to desire: Socia lization of ideal affect through children’s storybooks. Personality and Social Psychology Bulletin, 3, 17–30. Uchida, Y., & Kitayama, S. (2009). Happiness and unhappiness in east and west: Themes and va riations. Emotion, 9, 441–456. Wallbott, H. G., Ricci-Bitti, P., & Banninger-Huber, E. (1986). Non-verbal reactions to emotional experiences. In K. R. Scherer, H. G. Wallbott, & A. B. Summerfield (Hrsg.), Experiencing emotion: A cross-cultural study (S. 98–116). Cambridge University Press. Watson, D., & Clark, L. A. (1994). Emotions, moods, traits, and temperaments: Conceptual dis tinctions and empirical findings. In P. Ekman & R. J. Davidson (Hrsg.), The nature of emotion: Fundamental questions (S. 89–93). Oxford University Press. Wei, M., Su, J. C., Carrera, S., Lin, S.-P., & Yi, F. (2013). Suppression and interpersonal harmony: A cross-cultural comparison between Chinese and European Americans. Journal of Counseling Psychology, 60, 625–633. Weisz, J. R., Rothbaum, F. M., & Blackburn, T. C. (1984). Standing out and standing in: The psy chology of control in America and Japan. American Psychologist, 39(9), 955–969. Wierzbicka, A. (1986). Human emotions: Universal or culture-specific? American Anthropologist, 88(3), 584–594. Wierzbicka, A. (1992). Semantics, culture and cognition: Universal human concepts in culture- specific configurations. Oxford University Press. Wierzbicka, A. (1994). Emotion, language, and cultural scripts. In S. Kitayama & H. R. Markus (Hrsg.), Emotion and culture (S. 133–196). American Psychological Association. Wierzbicka, A. (1999). Emotions across languages and cultures: Diversity and universals. Cam bridge University Press. Zeman, J., & Garber, J. (1996). Display rules for anger, sadness, and pain: It depends on who is watching. Child Development, 67(3), 957–973.
Kapitel 5
Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
5.1 Vielfalt des emotionalen Erlebens 5.1.1 Was ist emotionale Erfahrung? Quellen des Wissens über emotionale Erfahrungen Subjektives emotionales Erleben entsteht aus mehreren Quellen: physiologische Veränderungen und Körperempfindungen, das Bewusstsein für diese Veränderungen, die Wahrnehmung eines emotionsauslösenden Ereignisses und dessen Bewertung. Das Erleben von Emotionen hat zwar biologische Wurzeln, kann aber dennoch durch kulturelle Faktoren wie Bewertung, Interpretation und Etikettierung beeinflusst werden, die wiederum von der kulturspezifischen Bedeutung des Ereignisses abhängen (Matsumoto & Hwang, 2012; Scherer et al., 1988). Um das emotionale Erleben der Menschen zu erforschen, erheben die Forscher Daten, die eine Vielzahl von Variablen unter verschiedenen Umständen und Ereignissen umfassen. Sie befragen die Teilnehmer zu ihrer Einstellung zu kulturellen Normen des emotionalen Erlebens. Retrospektiv bewerten sie die von ihnen selbst angegebene Häufigkeit realer emotionaler Erfahrungen oder episodischer Erinnerungen an emotionale Ereignisse, die sie persönlich erlebt haben. Dabei kann es sich um semantisches Wissen über allgemeine emotionale Ereignisse (z. B. eine Hochzeit) oder um autobiografische Erinnerungen an eine Episode des Wütendseins handeln (Rubin & Talarico, 2009; Watson et al., 1988). In experimentellen Situationen können die Forscher Stimuli wie emotionale Gesichtsausdrücke, emotionale Wörter, Bildreize oder affektive Zustände verwenden.
© Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 V. Karandashev, Kulturelle Emotions-Modelle, https://doi.org/10.1007/978-3-031-39963-3_5
207
208
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
ahmenbedingungen des emotionalen Erlebens für die Konstruktion R kultureller Modelle von Emotionen Im Rahmen dieses Kapitels beleuchte und überprüfe ich verschiedene Aspekte des emotionalen Erlebens, die zur Konstruktion kultureller Modelle von Emotionen verwendet werden können. Ich präsentiere die empirischen Belege aus verschiedenen Disziplinen, die dies unterstützen. In diesem Abschnitt fasse ich einige zentrale Punkte kurz zusammen, die im folgenden Abschnitt ausführlicher analysiert werden. Daher verzichte ich auf die entsprechenden Verweise auf die Quellen und Studien. Erstens: Menschen mit unterschiedlichem kulturellem Hintergrund konzeptualisieren Emotionen unterschiedlich und richten ihre Aufmerksamkeit während des Erlebens von Emotionen auf ihre • innere subjektive Erfahrungen • soziale Beziehungen, oder • die Beziehungen zwischen der Person und dem Ereignis. In den letzten Jahrzehnten haben viele theoretische und empirische Studien in der Psychologie, Soziologie, Kommunikationswissenschaft und Anthropologie das Vorhandensein dieser kulturell unterschiedlichen Modelle von Emotionen gezeigt: intrapersonal, interpersonal, interaktiv. Das objektivierte Emotionsmodell gehört wahrscheinlich zur dritten Gruppe, ist aber so einzigartig und hat seinen Ursprung in der indischen Kultur, dass ich es in einem eigenen Abschnitt beschreibe. Zweitens: Auch wenn die grundlegenden Muster der physiologischen und neuronalen Aktivitäten, die mit emotionalem Erleben verbunden sind, kultur übergreifend universell sind, können Menschen doch über kulturell entwickelte Fähigkeiten verfügen, ihr Erleben von Emotionen zu verändern. Dies kann z. B. durch kulturelle Normen der Selbstregulierung, durch Meditation oder Unterdrückung geschehen. Das Gleiche gilt für die mit Emotionen verbundenen Körperempfindungen. Auch wenn sie sich in den verschiedenen Kulturen im Wesentlichen ähneln, haben spätere Studien doch einige Unterschiede ergeben. Viele dieser Unterschiede lassen sich durch die unterschiedlichen Auffassungen über die Beziehungen zwischen Herz (emotionaler Teil) und Verstand (rationaler Teil) des Geisteslebens erklären. Nach der dualistischen Sichtweise, die für westliche Kulturen typisch ist, stehen Verstand (rational) und Herz (emotional) in einer dichotomen Beziehung. Der Mensch kann sich von seinen Gefühlen (Herz) oder von seinem Verstand (Verstand) leiten lassen. In der monistischen Sichtweise, die für ostasiatische Kulturen typisch ist, integrieren die kulturellen Überzeugungen die rationalen und emotionalen Anteile des geistigen Lebens. Angesichts dieser weltanschaulichen Unterschiede ist es möglich, über dualistische und monistische Modelle des geistigen Lebens nachzudenken und darüber, wie sie sich auf die Erfahrung von Emotionen auswirken. Drittens sind kulturübergreifende, universelle und spezifische Bewertungen von Ereignissen und Interpretationen von Situationen wichtige Faktoren, die das Erle-
5.1 Vielfalt des emotionalen Erlebens
209
ben von Emotionen durch Menschen beeinflussen. Es gibt bestimmte kulturelle Muster von Bewertungen, die von kulturellen Werten (z. B. Ehre, Autonomie, Verbundenheit), Selbstkonstruktionen usw. abhängen. Dementsprechend kann man über selbst- und fremdbezogene Bewertungsmuster nachdenken, die für unabhängige und interdependente Kulturmodelle charakteristisch sein können, und darüber, wie diese Modelle das emotionale Erleben beeinflussen. Viertens unterscheiden sich Kulturen in ihren kulturellen Normen und ihrer realen Erfahrung mit grundlegenden und komplexen Emotionen wie Wut, Glück, Stolz, Ehre, Scham, Schuld und anderen. Diese Emotionen können eine kulturell bedingte Bedeutung haben und in den kulturellen Überzeugungen und im Bewusstsein der Menschen eine wichtige Rolle spielen. In diesem Zusammenhang kann man von einer Kultur des Stolzes, einer Kultur der Ehre, einer Kultur der Scham usw. oder von verschiedenen kulturellen Modellen des Glücks sprechen. Fünftens gibt es zahlreiche empirische Belege (die in den folgenden Abschnitten vorgestellt werden) dafür, dass sich Kulturen in Bezug auf den Wert und die Prävalenz positiver, negativer oder ausgewogener Emotionen sowie in Bezug auf den Wert einer hohen bzw. niedrigen emotionalen Intensität unterscheiden. Daher ist es sinnvoll, die kulturellen Modelle des positiven, negativen oder ausgeglichenen Erlebens von Emotionen zu konstruieren. In gleicher Weise basieren die kulturellen Modelle des leidenschaftlichen und leidenschaftslosen Lebens auf dem Wert und der Prävalenz hoher oder niedriger Erregungszustände.
5.1.2 Wie man emotionale Erfahrungen beschreibt Analogien des physischen Raums, die das emotionale Erleben beschreiben Da mit Emotionen verbundenen Gefühle schwer zu definieren sind verwenden Menschen zur besseren Beschreibung ihrer Gefühle häufig Worte, Metaphern und Sätze, die sich auf den physischen Raum und Analogien beziehen. Es ist einfacher, Emotionen in anderen, einfacheren und greifbareren Begriffen zu verstehen. Der mentale und emotionale Raum scheint nicht greifbar zu sein, um die Realität der subjektiven emotionalen Erfahrung zu erfassen. Daher nutzen die Menschen den physischen Raum ihres Körpers, um ihre Gefühle zu visualisieren und sich vorzustellen. Man kann sagen, dass emotionale Konzepte aus der körperlichen Aktivität durch Bewertung und metaphorische Projektion hervorgehen. Menschen verwenden häufig räumliche Wahrnehmungen und Vorstellungen als Abbildungsmetaphern für das Verständnis von Emotionskonzepten. Da Emotionen die Konstellationen psychosomatischer Gefühle widerspiegeln, die bewertet und interpretiert werden, erscheinen Wörter für Körperempfindungen und Metaphern, die sich auf Emotionen beziehen, natürlich (siehe Karandashev, 2019, S. 11). Metaphern für Emotionen, Affekte und Stimmungen werden in der englischen Umgangssprache häufig verwendet (Averill, 1990; Schnall, 2014). „Rot“ wird im
210
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Allgemeinen mit Wut assoziiert, „weiß“ mit Angst und „blau“ mit Traurigkeit. Wut ist „explodierend“, Verzweiflung ist „erdrückend“ und Freude ist „berstend“. Metaphorische Ausdrücke wie „kalte Füße“, „Schmetterlinge im Bauch“, „untröstlich“, „ein Schauer über den Rücken“ usw. werden häufig verwendet, wenn man von Gefühlen spricht. Die Forschung hat gezeigt (Glenberg et al., 2008; Niedenthal et al., 2005; Wilson & Gibbs Jr, 2007), dass das Verständnis von subjektiven und abstrakten Wörtern, die sich auf Emotionen beziehen, sensorische und motorische Systeme aktiviert. Aus diesem Grund verwenden Menschen häufig spezielle Analogien, um ihr emotionales Erleben zu beschreiben. Insbesondere assoziieren sie Emotionskonzepte gedanklich mit räumlichen Koordinaten in der horizontalen und vertikalen Ebene. Positive und negative Gefühlszustände im imaginären physischen Raum Auf der horizontalen Ebene ordnen Rechtshänder und Linkshänder positive und negative Konzepte unterschiedlich zu. Experimentelle Studien (Casasanto, 2009) ergaben, dass Rechtshänder positive Konzepte mit ihrem rechten Raum assoziieren, während negative Konzepte mit ihrem linken Raum assoziiert werden. Linkshänder zeigten das gegenteilige Muster: Sie assoziierten den rechten Raum mit negativen Konzepten und den linken Raum mit positiven Konzepten. Die vom Autor vorgeschlagene Interpretation dieser gegensätzlichen mentalen Konnotationen für Valenz ist, dass „Rechts- und Linkshänder implizit positive Valenz stärker mit der Seite des Raums assoziierten, auf der sie mit ihren dominanten Händen fließender agieren konnten“ (Casasanto, 2009, S. 351). Neurowissenschaftliche Studien bestätigten eine solche Differenzierung auf der horizontalen Ebene: Die linke Hemisphäre wird mit der Verarbeitung positiver Konzepte assoziiert, während die rechte Hemisphäre mit der Verarbeitung negativer Konzepte verbunden ist (Davidson, 1992; Gadea et al., 2011). Die Lage der positiven und negativen Konzepte auf der vertikalen Ebene ist nicht von der Händigkeit abhängig: Menschen assoziieren die räumliche Lage „oben“ mit positiven Konzepten, während die räumliche Lage „unten“ mit negativen Konzepten verbunden ist (Marmolejo-Ramos et al., 2013; Schnall, 2014). In Bezug auf positive und negative emotionale Zustände kann man sagen: „Ich könnte Bäume ausreißen“ oder „ich bin in einer guten Stimmung“, oder im Gegensatz dazu: „Ich bin deprimiert“ oder „ich bin in eine Depression gefallen“. Ein anderes Beispiel: eine aufrechte, entspannte Haltung einer Person, wenn sie sich glücklich fühlt, und eine zusammengesackte, hängende Haltung, wenn sie sich deprimiert fühlt (Schnall, 2014, S. 3). Die vertikale Ebene ist in den Köpfen der Menschen wichtiger als die horizontale Ebene, wenn es um die mentale Assoziation mit den Wertigkeiten emotionaler Konzepte geht. Dieses Ergebnis gilt sowohl für australische als auch für japanische Teilnehmer, obwohl sie sich in ihrem kulturellen und sprachlichen Hintergrund unterscheiden und unterschiedliche Schreibachsen verwenden: Die Australier schrei-
5.1 Vielfalt des emotionalen Erlebens
211
ben entlang der horizontalen Achse (nach rechts), während die Japaner entlang der vertikalen Achse (nach unten) schreiben (Marmolejo-Ramos et al., 2013). Körperlexikon zum emotionalen Erleben Körpermetaphern sind in der Alltagssprache der Menschen weit verbreitet. Einige von ihnen sind typischer als andere (Kövecses, 2000; Schnall, 2014, siehe auch Karandashev, 2019, S. 5). Kopf und Herz sind die Begriffe, die am häufigsten in metaphorischen Beschreibungen des geistigen und emotionalen Lebens verwendet werden. In der westlichen Tradition gilt der Kopf als Ort des rationalen Denkens, während das Herz als Ort der Emotionen gilt (z. B. Berendt & Tanita, 2011). „Höre auf dein Herz“ (in der Annahme „nicht auf deinen Kopf“) bedeutet, dass du auf deine Gefühle hörst (in der Annahme „nicht auf dein Denken“). Das Herz als Behälter für Emotionen ist eine der typischen Metaphern für Emotionen (Kövecses, 2000). Viele Sprachen haben die Herzmetapher für Emotionen (siehe Karandashev, 2019). In einigen Kulturen und Sprachen werden Emotionen in anderen Teilen des Körpers verankert. Bei den Tahitianern befinden sich die Emotionen im Darm (Levy, 1973), bei den Japanern im Unterleib, Bauch, Magen, Darm und Gedärmen (Berendt & Tanita, 2011), bei den Nigerianern, der Akan-Ethnie in Ghana und den Menschen im zentralen und östlichen Teil der Elfenbeinküste im Bauch (Agyekum, 2015), bei den malaiischen Ureinwohnern in der Leber (Howell, 1981). Die kulturellen Metaphern der Emotionen drücken solche Vorstellungen aus, wenn die Menschen sagen, dass sie ihre Eingeweide „vor Wut kochen“ fühlen (Kövecses, 2000) oder ihre Leber „vor Schreck springt“ (Lutz, 1988) oder „meine Leber ist meine Seele“ (Pérez, 2008). Solche kulturellen Unterschiede hängen mit den entsprechenden indigenen Vorstellungen von körperlichen und geistigen Funktionen sowie mit der Polysemie der Wörter zusammen, die verschiedene Körperteile bezeichnen (Agyekum, 2015, siehe auch Karandashev, 2019). Ist es angemessen, emotionale Erfahrungen mit Hilfe von Gefühlswörtern und Metaphern zu erforschen? Handelt es sich dabei um die Beschreibung von Erfahrungen oder um den Ausdruck von Emotionen? Entscheidend für die Beantwortung dieser Fragen ist, dass Ausdruck und Erfahrung von Emotionen miteinander inter agieren. Der Ausdruck von Emotionen hilft dem Einzelnen, sein subjektives emotio nales Erleben besser zu verstehen. Der Ausdruck von Emotionen dient als Objektivierung des subjektiven Erlebens. Dimensionale Struktur des emotionalen Erlebens Das zweidimensionale Emotionsmodel, das ursprünglich mit einer englischsprachigen Studentenstichprobe ermittelt wurde, umfasste die Valenz (Freude – Unlust) und die Erregung (Erregung – Schläfrigkeit) (Russell, 1980). Es wurde in
212
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
kulturübergreifenden Untersuchungen (Russell et al., 1989) mit griechischen, polnischen, estnischen und chinesischen Teilnehmern weiter validiert. Einige Forscher schlugen die dritte Dimension vor: Macht (Fontaine et al., 2002; Shaver et al., 1987, 1992), andere sogar die vierte Dimension Neuheit (Fontaine et al., 2007, 2013). Ein neuerer komponentenorientierter Ansatz in der Emotionsforschung, der sich in sprach- und kulturübergreifenden Emotionsbegriffen widerspiegelt, hat ergeben, dass vier Dimensionen den semantischen Raum des Emotionslebens parsimonisch repräsentieren: Valenz, Erregung, Macht, Neuheit (Fontaine et al., 2007, 2013). In einer sprach- und kulturübergreifenden Studie mit einem umfangreichen Datensatz (34 Stichproben aus 27 Ländern in 23 Sprachen, Fontaine et al., 2007, 2013) konnten diese Dimensionen zuverlässig ermittelt werden. Die spätere Studie, bei der eine größere und repräsentativere Liste von Emotionsbegriffen verwendet wurde, replizierte diese Ergebnisse erfolgreich mit einer Vielzahl von Emotionsbegriffen, die viele Emotionsmerkmale beschreiben, die die Komponenten Bewertung, körperliche Reaktion, Handlungstendenz, Gefühl und Ausdruck des Emotionsprozesses darstellen (Gillioz et al., 2016). Die Valenzdimension charakterisiert den hedonischen Ton des emotionalen Erlebens und unterscheidet zwischen angenehmen und unangenehmen Emotionen. Die Erregungsdimension beschreibt die Intensität des emotionalen Erlebens und unterscheidet Emotionen mit hoher Erregung (z. B. Angst und Liebe) von Emotionen mit niedriger Erregung (z. B. Mitgefühl und Depression). Die Machtdimension unterscheidet zwischen starken Emotionen (z. B. Wut) und schwachen Emotionen (z. B. Traurigkeit und Angst). Die Neuheitsdimension unterscheidet zwischen Emotionen mit hohem Neuheitsgrad (wie Überraschung und Freude) und Emotionen mit geringem Neuheitsgrad (wie Schuld und Angst). Die Neuheitsdimension ist wichtig für die Unterscheidung zwischen „vorhersehbaren Emotionen (wie denen, die durch die eigenen Handlungen ausgelöst werden) und den eher unvorhersehbaren, die durch plötzliche äußere Ereignisse ausgelöst werden, die die Aufmerksamkeit der Person entweder in positiver oder in negativer Hinsicht vollständig einnehmen“ (Gillioz et al., 2016, S. 144). Sie ist gekennzeichnet durch „Bewertungen der Unvorhersehbarkeit und Plötzlichkeit sowie durch Gesichtsausdrücke wie herunterfallende Kinnladen und weit geöffnete Augen“ (S. 141). In diesen Studien wurde die semantische Dimensionalität von Emotionen untersucht. Es bleibt die Frage, ob diese Dimensionen das tatsächliche emotionale Erleben der Menschen widerspiegeln. Nach den Studien (Larsen & Diener, 1992; Russell, 1980; Thayer, 1989; Watson & Tellegen, 1985), in denen Menschen gebeten wurden, zu bewerten, wie bestimmte Emotionen ihre emotionalen Zustände beschreiben, sind die beiden Dimensionen der Emotionen – Valenz und Erregung – am stärksten ausgeprägt. Bisher wurden keine Studien durchgeführt, in denen untersucht wurde, ob die vier Dimensionen – Valenz, Erregung, Macht und Neuartigkeit – das emotionale Erleben der Menschen besser wiedergeben könnten.
5.1 Vielfalt des emotionalen Erlebens
213
5.1.3 Die kulturellen Modelle, die auf dem Ort der Emotionen basieren I ntrapersonales Emotionsmodell: Die Kulturen der Vereinigten Staaten und Westeuropas Das intrapersonale Modell überwiegt in den westlichen Kulturen und betrachtet Emotionen als eher intrapersonale und weniger interpersonale Phänomene. In der westlichen wissenschaftlichen Tradition sind die internen subjektiven Zustände eines Individuums die primären Bezugspunkte der Emotionskonzepte (z. B. Bockover, 1995; Lutz, 1982). Folglich bezeichnen die Wörter des Emotionslexikons die inneren Zustände einer Person. Ein solches intrapersonelles Modell von Emotionen spiegelt sich in den Begriffen wider, die Emotionen beschreiben. Die moderne Konzeptualisierung und sogar der Begriff der Emotion in der westlichen Wissenschaft sind eng mit ihrer englischen Bedeutung verbunden (Danzinger, 1997). Das lateinische emovere („ausziehen“, „wegziehen“) prägte den Begriff Emotion im frühen neunzehnten Jahrhundert (Bilimoria & Wenta, 2015); viele andere Weltsprachen haben keine einzelnen Wörter, die dem englischen Wort Emotion entsprechen (Solomon, 1995; Wierzbicka, 2004). Da es sich bei Emotionen um private und natürliche physiologische Erfahrungen handelt, bezieht sich das englische Emotionslexikon hauptsächlich auf innere Gefühlszustände und deren physiologische Beschreibungen (Lutz, 1982). In den vorherrschenden Kulturen der Vereinigten Staaten und Westeuropas werden Emotionen als einzigartige individuelle Erfahrungen betrachtet. Emotionen sind personenspezifisch und es lohnt sich daher, sie zu erleben und offen auszudrücken (Friedlmeier et al., 2015). In den westlichen kulturellen Werten wird erwartet, dass Menschen „die soziale Ordnung durch Bezugnahme auf innere Gefühle unterstützen“ (Potter, 1988, S. 194). Die Studien zu den Emotionstheorien von Laien (Uchida et al., 2009) haben gezeigt, dass die US-Amerikaner Emotionen als Phänomene verstehen und erleben, die sich innerhalb eines Individuums abspielen. Die US-Amerikaner betonen die Bedeutung des Individuums und glauben, dass ihre Gefühle für ihr Erleben von Emotionen wesentlich sind. Die Ursprünge sinnvoller emotionaler Erfahrungen liegen im Selbst. Die Privatsphäre des Gefühlslebens ist ein sehr wichtiger Wert. Expressiver Individualismus ist ein wesentlicher Aspekt der US-amerikanischen Kultur – der Einzelne drückt seine Gefühle aus und kommuniziert mit anderen. Ihre persönlichen Emotionen haben eindeutig Vorrang (Lutz, 1988). Im intrapersonalen Modell werden Emotionen also als interne individuelle Zustände betrachtet. Die implizite Annahme ist, dass unterschiedliche Emotionen in erster Linie durch physiologische Aktivierungsmuster, Gesichtsausdruck, positive oder negative Valenz oder Erregungsniveau definiert werden.
214
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
I nterpersonelles Emotionsmodell: Die Fälle der chinesischen und polynesischen Kulturen Nach dem interpersonellen Modell werden Emotionen im Kontext sozialer Beziehungen betrachtet und nicht als innere Zustände. Aus dieser Perspektive sind verschiedene Emotionen die Veränderungen der Beziehung zwischen einer Person und anderen. Dementsprechend beschreiben die Emotionsdimensionen verschiedene Aspekte der Beziehungen zwischen sich selbst und anderen (De Rivera & Grinkis, 1986). Das interpersonelle Emotionsmodell ist in ostasiatischen Kulturen vorherrschend und betrachtet Emotionen als zwischenmenschlich fokussierte Erfahrung und nicht als intrapersonelle Erfahrung. Dieses interpersonelle Modell ist soziozentrisch und beziehungsorientiert. In ostasiatischen Konzepten werden Emotionen als kontextbezogene Erfahrung betrachtet, und die Menschen drücken ihre Gefühle nicht direkt und offen aus, sondern eher in Verhaltensbeschreibungen (Friedlmeier et al., 2015). Menschen in diesen Kulturen bevorzugen die Erfahrung eines größeren Gleichgewichts zwischen positiven und negativen Gefühlszuständen, sie bevorzugen niedrige gegenüber hocherregten positiven Zuständen, sie neigen dazu, ihren Gefühls ausdruck zu unterdrücken, und die Unterdrückung hat positive Auswirkungen. Die Untersuchung der Emotionstheorien von Laien (Uchida et al., 2009) hat gezeigt, dass Japaner Emotionen als Phänomene verstehen und subjektiv erleben, die in Beziehungen zwischen Menschen auftreten. In ähnlicher Weise konzentriert sich das chinesische Emotionsmodell mehr auf soziale Beziehungen als auf innere subjektive Erfahrungen. Nach den chinesischen kulturellen Werten gewinnt der Einzelne den sozialen Sinn seines Lebens in erster Linie aus dem sozialen Kontext und nicht aus inneren subjektiven Zuständen. Die Menschen messen den Emotionen in ihren sozialen Beziehungen keinen hohen Stellenwert bei und glauben nicht, dass ihre Emotionen eine ausreichende Begründung für ihr soziales Handeln liefern. Emotionen haben nicht die Macht, soziale Beziehungen zu schaffen, aufrechtzuerhalten oder aufzulösen. Sie sind davon überzeugt, dass Beziehungen unabhängig von Emotionen bestehen. Die chinesischen kulturellen Werte gehen davon aus, dass „die Kontinuität der sozialen Ordnung unabhängig von inneren Gefühlen besteht“ (Potter, 1988, S. 194). In der chinesischen Kultur werden zwischenmenschliche Prozesse, die mit Emotionen verbunden sind, als besonders wichtig angesehen. Die Menschen sind sich ihrer emotionalen Erfahrungen bewusst und erkennen an, dass Emotionen existieren. Emotionen werden als natürliche Begleiterscheinung des Lebens betrachtet, sind aber von untergeordneter Bedeutung (Potter, 1988, S. 186). Ein solches interpersonelles Modell von Emotionen spiegelt sich auch in den Wörtern wider, die Emotionen beschreiben. Anders als im englischen Emotionslexikon, das sich in der Regel auf innere Gefühle und Zustände bezieht (Lutz, 1982), bezeichnen Emotionswörter in einigen anderen Kulturen und entsprechenden Sprachen ausdrücklich die Beziehungen zwischen einer Person und einem Ereignis (oder einer anderen Person). Beispiele hierfür sind die Kulturen Polynesiens, wie die der Samoaner (Gerber, 1975), der Salomonen (White, 1985) und die der
5.1 Vielfalt des emotionalen Erlebens
215
Pintupi-Aborigines (Myers, 1979). Nach den Überzeugungen und dem Wortschatz der Menschen in diesen Kulturen beziehen sich Emotionen auf die Beziehungen zwischen Menschen oder zwischen Menschen und Ereignissen. Die Emotionswörter der malaiisch-polynesischen Ureinwohner eines mikronesischen Atolls im Westpazifik beispielsweise stehen für die Situationen, in denen die Emotion auftritt. Die 31 Emotionswörter der ifalukischen Sprache beziehen sich auf die Situationen und sozialen Aktivitäten, die sie auslösen. Objektiviertes Emotionsmodell: Die Fälle Indien und China Die indische Auffassung von Emotionen ist ein Beispiel für objektivierte Modelle. Nach den traditionellen indischen philosophischen und ästhetischen Traditionen werden Emotionen eher objektiviert und nicht verinnerlicht (Lynch, 1990). Der sprachlich spezifische Begriff rasa erklärt die indische kulturelle Interpretation von Emotionen. Der Begriff rasa umfasst zwei Bedeutungen: künstlerisch – in Bezug auf den Akt der Erzeugung – und ästhetisch – in Bezug auf die Wahrnehmung und den Genuss. Der Begriff bezeichnet die objektive Verkörperung des ersten Prozesses, der künstlerischen Produktion, die den zweiten Prozess, den Genuss der Wahrnehmung, hervorruft. Der Begriff rasa umfasst die Subjektivität und die Objektivität (Thampi, 1965). Die englische Sprache kennt kein Wort mit dieser vielschichtigen Bedeutung. Dieses sprachliche Artefakt kann die kulturellen Unterschiede zwischen dem angloamerikanischen und dem indischen Verständnis von Emotionen teilweise erklären. Ein rasa bedeutet auch den entwickelten genussvollen Zustand der Stimmung, der sthāyi-bhāva genannt wird. Es ist der globale Geisteszustand eines Individuums, der auf seiner oder ihrer emotionalen Verfassung basiert. Die indische Philosophie unterscheidet zwischen einer gewöhnlichen Lebens emotion und einem emotionalen Inhalt der ästhetischen Erfahrung. Die Lebens emotion wird als eine Störung, als eine Aufregung im Bewusstsein betrachtet. Sie rührt sich und tritt in Aktion. Die poetische Erfahrung von Emotionen rührt und erregt unseren Geist, aber nicht unser Verhalten. In der poetischen Erfahrung werden die Emotionen nicht einfach durchlebt oder erlitten; sie werden beobachtet und ausgekostet. Im normalen Leben kann ein Mensch eine Emotion kontrollieren. Er oder sie kann die Emotion durch Konzentration der Aufmerksamkeit auf sie zerstören. Eine losgelöste kontemplative Haltung gegenüber dem emotionalen Erleben verhindert die emotionalen Störungen des Herzens (Thampi, 1965, S 77). „In der poetischen Erfahrung, wenn wir die Emotionen „distanzieren“, d. h., wenn wir sie als eine nicht-alltägliche Beziehung zu uns begreifen, verschwinden sie nicht; im Gegenteil, sie gewinnen an Klarheit und werden genießbar. Die befreiende Funktion der Poesie ergibt sich zum Teil aus dieser Natur der poetischen Erfahrung. Wenn wir in der Lage sind, die Gefühle konkret und fast greifbar zu formulieren und genau zu definieren, erlangen wir eine Art Herrschaft über sie. Wir kennen ihr Wesen, ihre Möglichkeiten, ihre inneren Bestandteile und Unterscheidungen. Dies hilft uns, menschliche Situationen und Erfahrungen
216
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens besser zu verstehen und zu klären. Es hilft uns, nicht mehr Sklave von Emotionen zu sein, die im Allgemeinen chaotisch, blind und mächtig sind. Dies ist eine der Bedeutungen der Aussage, dass die Poesie unseren Blick auf das Leben schärft.“
Nach Ansicht der indischen Gelehrten ist die romantische Poesie nicht subjektiv, sondern objektiv. Ein Dichter objektiviert Gefühle in Form von Handlungen, Bildern und Figuren und löst die Erfahrung vom Subjekt – der Persönlichkeit – ab. Wenn eine Person eine solche Einstellung zu Gefühlen erlangt hat, ist sie in der Lage, diese Gefühle zu beherrschen. Im heutigen Indien wird die Tradition des rasa noch immer befolgt (Lynch, 1990; McDaniel, 1995). Die indische Schauspielschule im alten Sanskrit-Drama und im modernen indischen Kino veranschaulicht dieses Verständnis von Emotionen, das sich von der westlichen Tradition unterscheidet. Die indischen Schauspieler wenden die Rasa- Methode an, bei der „einfühlsame Emotionen vom Darsteller vermittelt werden und somit vom Publikum gefühlt werden“. Dies unterscheidet sich deutlich von der westlichen Stanislawski-Methode, bei der „der Schauspieler zu einer lebendigen, atmenden Verkörperung einer Figur werden muss, anstatt einfach nur Emotionen zu vermitteln“ (Saumi, 2016, S. 52). Während die indische Schauspielmethode die Objektivierung von Emotionen veranschaulicht, veranschaulicht die westliche Methode die Verinnerlichung von Emotionen. Losgelöstheit und Selbstreflexivität als Wege der Objektivierung von Emotionen sind die kulturellen Einstellungen, die die indische Kultur mit der chinesischen teilt. Der chinesische Begriff des Genießens ähnelt dem indischen Konzept des rasa (Sundararajan, 2010) und wird im heutigen China immer noch verwendet (Ye, 2007). Selbstreflexivität und Losgelöstheit sind einige Gemeinsamkeiten, die diese beiden kulturellen Einstellungen zu Emotionen aufweisen. Die Selbstreflexivität bezieht sich auf zwei Dimensionen des Bewusstseins: (1) Erfahrung erster Ordnung gegenüber Bewusstsein zweiter Ordnung und (2) nach außen gerichtete Aufmerksamkeit gegenüber selbst gerichteter Aufmerksamkeit (Lambie & Marcel, 2002). Das Bewusstsein zweiter Ordnung ist das Bewusstsein der Erfahrung erster Ordnung, das ein Individuum reflektieren und berichten kann. Nach innen gerichtete Aufmerksamkeit ist ein selbstreflexives Bewusstsein, sie konstituiert Bewusstsein als „mein“ Bewusstsein. Während das Schmecken die Erfahrung erster Ordnung ist, nämlich die Aromen eines Lebensmittels zu mögen, ist das Schmecken das Bewusstsein zweiter Ordnung, zu wissen, dass man die Aromen mag. Das Schmecken ermöglicht es, das Schmecken zu reflektieren und somit diese Erfahrung zu steuern, indem es feine Unterscheidungen trifft (Frijda & Sundararajan, 2007). Ein solches Bewusstsein zweiter Ordnung für emotionales Erleben und eine nach innen gerichtete Aufmerksamkeit für Emotionen sind auch in den Beispielen für andere Emotionen erkennbar. Dies erklärt, wie Chinesen die Intensität ihrer Emotionen objektivieren und damit mäßigen können. Durch diese Merkmale unterscheidet sich die chinesische kulturell normative Erfahrung von Emotionen von der natürlichen, nach außen gerichteten Emotion erster Ordnung, die für die westliche interne subjektive Erfahrung intensiver leidenschaftlicher Emotionen kulturell normativ ist.
5.1 Vielfalt des emotionalen Erlebens
217
Interaktives Emotionsmodell: Der Fall Polynesien Die Kultur von Ifaluk kann für die polynesische Auffassung von Emotionen als primär interaktive Prozesse stehen. Für die Menschen in diesen Kulturen sind Emotionen zwischenmenschliche Handlungsmuster (z. B. Sympathie, Abschied und Gefahr). Sie glauben, dass Emotionen untrennbar mit der Aktivität verbunden sind, die diese Emotionen auslöst (Lutz, 1988). In der polynesischen Kultur unterscheiden die Sprecher Emotionen anhand der Situationen, in denen die entsprechenden Gefühle auftreten. Fünf grundlegende Emotionsgruppen entsprechen fünf typischen Situationen: Glück, Gefahr, Verlust und Verbindung mit anderen, menschliches Versagen sowie übermäßig komplexe und missverstandene Ereignisse. Die (in Polynesien gesprochene) Ifalukische Sprache hat 31 Emotionswörter und kein einziges Wort für Emotion selbst (Lutz, 1982, 1988).
5.1.4 Physiologie in Verbindung mit emotionalem Erleben ulturübergreifende Ähnlichkeiten in der Physiologie K emotionaler Reaktionen Emotionales Erleben besteht aus physiologischen Prozessen und subjektiven psychologischen Gefühlen, die in diesem und dem folgenden Abschnitt betrachtet werden. Die Forschung hat gezeigt, dass die Aktivität des autonomen Nervensystems bei verschiedenen Emotionen unterschiedlich ist und die mit Emotionen verbundenen physiologischen Prozesse in verschiedenen kulturellen Kontexten im Wesentlichen ähnlich sind (Bond, 1993; Ekman et al., 1983; Levenson et al., 1992; Soto et al., 2005; Tsai et al., 2000). So ergab eine Studie, dass die emotionsspezifischen Aktivitätsmuster des autonomen Nervensystems der Minangkabau (einer indigenen ethnischen Gruppe in Indonesien und West-Sumatra) und der US-Amerikaner ähnlich sind (Levenson et al., 1992). Andere Forscher (Tsai et al., 2000, 2002) fanden ebenfalls keine kulturellen Unterschiede in der physiologischen Reaktion während der Exposition gegenüber emotionsauslösenden Reizen oder beim Wiedererleben früherer emotionaler Episoden zwischen chinesischen US-Amerikanern, Hmong-Amerikanern und europä ischen US-Amerikanern. In einer anderen Studie (Soto et al., 2005) fanden die Forscher heraus, dass die physiologischen Reaktionen auf Emotionen auslösende Stimuli in zwei kulturellen Gruppen – mexikanischen US-Amerikanern und chinesischen US-Amerikanern – ähnlich waren und keine signifikanten Unterschiede aufwiesen. Die autonome Physiologie der emotionalen Reaktion scheint also nicht durch kulturelle Einflüsse beeinflusst zu werden. Dennoch gaben mexikanische US-Amerikaner an, signifikant mehr Emotionen zu empfinden als chinesische US-Amerikaner. Dies bedeutet, dass
218
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
die Teilnehmer aus diesen Kulturen trotz fehlender Unterschiede bei den physiologischen Reaktionen unterschiedliche subjektive Erfahrungen gemacht haben. In westlichen Kulturen zeigen Männer trotz der Daten, dass Frauen die meisten Emotionen stärker zum Ausdruck bringen – was in den folgenden Abschnitten erörtert wird –, die gleiche oder manchmal sogar eine höhere physiologische Erregung (z. B. höhere Blutdruck- und Cortisolwerte). Männer, die innerlich erregt sind, neigen dazu, ihre Emotionen für sich zu behalten, während Frauen ihre Emotionen frei ausdrücken (Buck, 1984; Chaplin et al., 2008; Levenson et al., 1994; Stroud et al., 2002). Eine andere kulturübergreifende Studie über physiologische Symptome (Scherer & Wallbott, 1994) von sieben grundlegenden Emotionskategorien (Freude, Traurigkeit, Angst, Wut, Scham, Schuld und Ekel) untersuchte das Erleben von Emotionen mit Hilfe von Fragebögen zur Selbsteinschätzung. Die Daten zeigten, dass sich die berichteten Muster des emotionalen Erlebens in 37 Ländern auf allen Kontinenten weitgehend überschnitten. Allerdings sollte die Beschränkung von Selbstauskünften zu physiologischen Symptomen beachtet werden. Trotz einiger Belege für kulturübergreifende Ähnlichkeiten in den physiologischen Mustern emotionaler Reaktionen kommen viele Studien zu widersprüchlichen Ergebnissen (siehe Übersicht in Philippot & Rimé, 1997). Die empirischen Befunde reichen nicht aus, um die Fragen nach kulturübergreifenden Variationen in der Physiologie der Emotionen zu beantworten. Kulturell veränderte physiologische Erfahrung von Emotionen Emotionales Erleben wird von der Kultur beeinflusst, und es gibt, wie wir in den folgenden Abschnitten sehen werden, Muster kultureller Unterschiede. Auch wenn die physiologische Aktivität und das subjektive Erleben grundlegender Emotionen kulturübergreifend ähnlich sein mögen, so sind doch die kulturellen Normen, der Ausdruck komplexer Emotionen und die Einstellungen kulturübergreifend unterschiedlich. Es gibt einige Hinweise darauf, dass das physiologische Erleben von Emotionen durch die Kultur verändert werden kann. Nach der chinesischen Kulturtradition beispielsweise sind extreme Emotionen schädlich für soziale Beziehungen und das Individuum, weshalb eine Mäßigung des Gefühlsausdrucks und die Übung der Gefühlskontrolle empfohlen werden (Klineberg, 1938; Potter, 1988; Russell & Yik, 1996; Wu & Tseng, 1985; Zheng & Berry, 1991). Daher lernen Menschen schon früh in ihrer sozialen Entwicklung, dass starke emotionale Erlebnisse gezügelt und unterdrückt werden sollten (Kleinman, 1986). Das Bestreben, diese Unterdrückung zu erreichen, kann zu einer „Somatisierung“ von Emotionen führen (Lynch, 1990), d. h. Emotionen werden in körperlichen Symptomen manifestiert. Zum Beispiel könnte eine Person über Bauchschmerzen klagen, wenn sie wütend ist, anstatt ihren Partner anzuschreien. Der gesamte menschliche Körper und die entsprechenden physiologischen Prozesse sind an der Erfahrung von Emotionen beteiligt, doch können indigene Kulturen
5.1 Vielfalt des emotionalen Erlebens
219
diese verschiedenen Teilen zuordnen. Emotionen sind das Spiegelbild der Prozesse, die in einem Körper ablaufen. Doch wo im menschlichen Körper sind die physiologischen Prozesse angesiedelt? Kopf und Herz sind die lebenswichtigen Organe, die häufig mit dem Erleben von Emotionen in Verbindung gebracht werden. Genauer gesagt, ist der Kopf der Ort des rationalen Denkens, während das Herz der Ort der Emotionen ist. Diese dualistische Sichtweise ist ein typisches Verständnis für viele westliche Kulturen. Menschen, die sich von ihrem Herzen leiten lassen, lassen sich eher von ihren Gefühlen als von ihrem Verstand leiten (Berendt & Tanita, 2011). Dieser westliche, englischsprachige Glaube stellt eine Dichotomie von Verstand und Herz dar, den rationalen und emotionalen Teilen des Lebens der Menschen. Japanische und thailändische Sprachen und Kulturen vertreten eine monistische Sichtweise, die den rationalen und den emotionalen Teil des Lebens der Menschen integriert. Eine solche integrative Interpretation von Emotionen findet sich in den japanischen Ausdrücken hara (Bauch/Abdomen) und dem thailändischen Ausdruck jai (Herz). Die Thailänder verwenden das Wort jai (Herz), um Aspekte des geistigen Lebens und Verhaltens wie den Zustand des Herzens, das Denken und Treffen von Entscheidungen, Verhalten und Benehmen, Beziehungen und soziales Leben zu beschreiben. Der gleichen monistischen Sichtweise folgend, verwenden Japaner jedoch mehrere Schlüsselwörter: kokoro (Herz), mune (Brust/Brust), hara (Bauch) (Berendt & Tanita, 2011, S. 71). In einigen Sprachen und Kulturen werden Emotionen anders dargestellt. Die Tahitianer glauben, dass Emotionen im Darm entstehen (Levy, 1973). Für malaiische Ureinwohner sind Gefühle und Gedanken in der Leber angesiedelt (Howell, 1981). Einigen türkischen Ausdrücken zufolge sind die Gefühle ebenfalls in der Leber angesiedelt. Es gibt jedoch auch idiomatische Ausdrücke für das türkische Wort für Herz (yürek, kalp) (Pérez, 2008). In einigen afrikanischen Kulturen wie Nigeria, dem Volk der Akan in Ghana und der Elfenbeinküste ist der Bauch der Sitz des emotionalen Erlebens. Es ist erwähnenswert, dass in diesen Kulturen der Körperteil yam (Bauch) die verflochtene Beziehung zwischen dem Bauch, der Brust, dem Herzen, dem Gehirn und der Gebärmutter darstellt (Agyekum, 2015).
5.1.5 Körperempfindungen in Verbindung mit Emotionen hnlichkeiten in den kulturellen Mustern der mit Emotionen Ä verbundenen Körperempfindungen Im Allgemeinen sind die Muster der Körperempfindungen, die die einzelnen Emotionen beschreiben, in Studien mit unterschiedlichen methodischen Ansätzen ähnlich (siehe Philippot & Rimé, 1997). Zu den Mustern der Freude gehören beispielsweise eine erhöhte Körpertemperatur, eine beschleunigte Herzfrequenz, das Gefühl eines Kloßes im Hals und ei-
220
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
nige Veränderungen der Muskelsymptome. Zu den Mustern der Wut gehören eine erhöhte Körpertemperatur und Herzfrequenz, eine höhere Atemfrequenz, intensiveres Schwitzen und Muskelanspannung. Das Muster der Angst hat ähnliche Körperempfindungen wie Wut, unterscheidet sich aber in einigen Punkten: (1) niedrigere Körpertemperatur und (2) Magensymptome. Das Muster der Traurigkeit beinhaltet weniger Körperempfindungen, insbesondere im Bereich des Halses und des Magens. Sind die Muster der Körperempfindungen physiologisch oder sozial bedingt? Die Forschung zur viszerozeptiven Wahrnehmung hat gezeigt, dass Menschen ihre physiologischen Veränderungen in der Regel als diffuse und nicht gut identifizierbare Erregungsempfindungen wahrnehmen. Sie haben oft Schwierigkeiten zu erklären und zu berichten, was sie fühlen (Karandashev, 2019, S. 5; Philippot & Rimé, 1997, S. 7). Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das körperliche Empfinden von Emotionen ein konstruktiver Prozess ist, der unbewusst durch die sozialen Schemata der typischen physiologischen Veränderungen, die mit bestimmten Emotionen verbunden sind, bestimmt wird (Rimé et al., 1990). Daher sollte das Verständnis der Natur und der Ursprünge sozialer Schemata als soziale Konstruktionen (Averill, 1985) dazu beitragen, die individuelle Erfahrung und die kulturübergreifenden Unterschiede bei Körperempfindungen besser zu erklären. Die in mehreren Studien erhobenen kulturübergreifenden Daten (siehe Philippot & Rimé, 1997) haben gezeigt, dass die sozialen Schemata der Körperempfindungen für viele Emotionen kulturübergreifend recht ähnlich sind. Die frühen Studien der 1980er-Jahre waren nicht in der Lage, kulturübergreifende Unterschiede bei Körperempfindungen im Zusammenhang mit dem Erleben von Emotionen festzustellen. Die kulturübergreifenden Ähnlichkeiten bei den Körperempfindungen im Zusammenhang mit Emotionen waren vorherrschend. I nterkulturelle Unterschiede bei den mit Emotionen verbundenen Körperempfindungen In den späteren Studien der 1990er-Jahre wurde die Forschungsmethodik verbessert, insbesondere durch die Verwendung einer verfeinerten Operationalisierung, die Erweiterung der Liste der Körperempfindungen, die Erhöhung der Zahl der in die Studien einbezogenen Kulturen und den Einsatz leistungsfähigerer Statistiken (siehe Philippot & Rimé, 1997). Die Forscher verwendeten eine multivariate Varianzanalyse und stellten fest, dass mit jeder Emotion unterschiedliche Muster von Körperempfindungen verbunden sind. Dennoch zeigten die Daten, dass die Kultur diese Gefühlsprofile erheblich verändert. Obwohl kulturübergreifende Ähnlichkeiten in diesen Mustern festgestellt wurden, deuten die Ergebnisse darauf hin, dass diese Muster zwischen den Kulturen statistisch signifikant variieren. Forscher (siehe Philippot & Rimé, 1997) fanden heraus, dass soziale Emotionen (Freude, Ekel, Scham und Schuld) im Vergleich zu anderen (Überraschung, Traurigkeit, Angst und Wut) größere kulturelle Unterschiede aufweisen. Körperliche
5.1 Vielfalt des emotionalen Erlebens
221
Empfindungen wie Muskelsensationen, Atem- und Temperaturveränderungen wiesen mehr kulturelle Unterschiede auf als andere. Italienische Teilnehmer berichteten, dass sie weniger Atem- und Rachensymptome im Zusammenhang mit Wut und mehr Muskelentspannung im Zusammenhang mit Traurigkeit erlebten. Diese Unterschiede waren im Vergleich zu den nordamerikanischen Teilnehmern besonders groß. Die US-Amerikaner berichteten, dass sie bei ihrem Erleben von Freude, Angst und Wut die erhöhte Temperatur stärker spürten als Teilnehmer aus drei anderen Ländern (Belgien, Bolivien und Italien). Die an der Entstehung von Emotionen beteiligten Prozesse können sich je nach Art der Emotionen unterschiedlich entwickeln. Biologische Emotionen haben typische und diskrete physiologische Muster. Ihre Empfindungen sind ziemlich ausgeprägt. Beurteilungsprozesse und Selbstberichte über emotionale Erfahrungen sind kulturübergreifend ähnlich. Kulturelle Emotionen haben nicht unbedingt einzigartige typische und diskrete physiologische Muster. Ihre Empfindungen können gemischt, komplex und überlappend sein. Beurteilungsprozesse und emotionale Erfahrungen sind eher kulturabhängig (Matsumoto & Hwang, 2012). Verbale oder visuelle Selbstberichte von Menschen über ihr emotionales Erleben sind wahrscheinlich die einzige Möglichkeit, diesen Aspekt ihrer Emotionen zu erfahren. Sie können ihr Verhalten beobachten, aber nicht ihre Gefühle. Es ist eine Herausforderung für sie, ihre physiologischen und subjektiven Erfahrungen zu objektivieren und zu rationalisieren (Karandashev, 2019, S. 5). ulturelle Fähigkeiten zur Unterscheidung von Körperempfindungen bei K verschiedenen Emotionen Die umfangreichen Studien über die Beziehungen zwischen Körperempfindungen und Emotionen haben gezeigt (z. B. Scherer & Wallbott, 1994; Scherer et al., 1986), dass Menschen in verschiedenen Kulturen die gleiche Fähigkeit haben, Körperempfindungen bei verschiedenen Emotionen zu unterscheiden. Eine spätere Studie (Breugelmans et al., 2005) vertrat ebenfalls die Ansicht, dass Körperempfindungen, die mit Emotionen wie Freude, Wut, Angst, Traurigkeit, Ekel, Überraschung und Scham verbunden sind, kulturübergreifend ähnlich sind, und deutete auf eine kultur übergreifende Verallgemeinerbarkeit der Körperempfindungsprofile für diese Emotionen hin, mit einigen kulturellen Abweichungen (z. B. für Wut in der Rarámuri- Kultur und Überraschung in der javanischen Kultur). Spätere Studien erweiterten diese Ergebnisse unter Verwendung neuer Methoden und unter Einbeziehung anderer Kulturen (Nummenmaa et al., 2014; Volynets et al., 2019). Sie wiesen nach, dass Menschen konsistente, topografisch getrennte und diskrete, sich jedoch teilweise überschneidende Muster von Körperempfindungen erleben, die jeder der sechs Basisemotionen, sieben nichtbasalen (komplexen) Emotionen und einem neutralen Zustand entsprechen. Die Autoren stellten fest, dass diese Muster kulturell universell sind. In experimentellen Studien wurden diese Muster (Körperkarten) mit verschiedenen Stimuli reproduziert: emotionale Wörter, Geschichten, Filme und Gesichtsausdrücke.
222
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
„Die meisten Grundemotionen waren mit Empfindungen erhöhter Aktivität im oberen Brustbereich verbunden, die wahrscheinlich mit Veränderungen der Atmung und der Herzfrequenz zusammenhängen. Auch die Empfindungen im Kopfbereich waren bei allen Emotionen gleich, was wahrscheinlich sowohl physiologische Veränderungen im Gesichtsbereich (d. h. Aktivierung der Gesichtsmuskulatur, Hauttemperatur, Tränenfluss) als auch die durch die emotionalen Ereignisse ausgelösten gefühlsmäßigen Veränderungen der Geistes inhalte widerspiegelt. Die Empfindungen in den oberen Gliedmaßen waren am ausgeprägtesten bei auf Annäherung ausgerichteten Emotionen, Wut und Glück, während Empfindungen einer verminderten Gliedmaßenaktivität ein bestimmendes Merkmal von Traurigkeit waren. Empfindungen im Verdauungstrakt und im Bereich des Halses traten vor allem bei Ekel auf. Im Gegensatz zu allen anderen Emotionen war Glück mit verstärkten Empfindungen am ganzen Körper verbunden. Die nicht-grundlegenden Emotionen wiesen ein viel geringeres Maß an Körperempfindungen und räumlicher Unabhängigkeit auf, mit Ausnahme eines hohen Maßes an Ähnlichkeit zwischen den Gefühlszuständen Angst und Traurigkeit und ihren jeweiligen verlängerten, klinischen Varianten von Angst und Depression. (Nummenmaa et al., 2014, S. 648)“
Neben der Studie mit 701 Teilnehmern in Finnland, Schweden (westeuropäische Kulturen) und Taiwan (ostasiatische Kultur, Nummenmaa et al., 2014) haben die Forscher auch die kulturübergreifende Ähnlichkeit dieser Körperempfindungskarten in einer internationalen Stichprobe von 3954 Teilnehmern aus 101 Ländern nachgewiesen, wobei es keine geschlechtsspezifischen Unterschiede gab (Volynets et al., 2019).
5.2 Kulturelle Bewertung von Emotionen und Erfahrung von Emotionen 5.2.1 Bewertung als Auslöser von Emotionen Individuell und kulturell geprägte Wertschätzung Das Erleben von Emotionen ist ein Komplex von Prozessen. Wie wir in den vorangegangenen Abschnitten gesehen haben, gehört auch eine Bewertung dazu. Emotionen sind keine einfache Empfindung, sondern entwickeln sich als vielschichtige emotionale Erfahrung. Theorie und Forschung haben gezeigt, dass eine Person zunächst einen Reiz, ein Ereignis oder eine Situation bewertet und diese Bewertung dann eine Emotion auslöst. Dieselbe Situation, die unterschiedlich bewertet wird, verursacht unterschiedliche Emotionen (Ellsworth & Scherer, 2003; Frijda, 1993; Siemer et al., 2007). Die geweckte Emotion aktiviert die Physiologie, das Fühlen, das Denken und das Ausdrucksverhalten. Die allgemeine Theorie geht davon aus, dass Menschen, die Situationen gleich einschätzen, auch die gleichen Emotionen erleben. Je nach subjektiver Einschätzung der Folgen, die ein Ereignis für ein Individuum haben kann, kann das Ereignis eine bestimmte Emotion hervorrufen. Eine Bewertung von Situationen und Umständen unter dem Gesichtspunkt, ob sie angenehm-zielfördernd
5.2 Kulturelle Bewertung von Emotionen und Erfahrung von Emotionen
223
oder unangenehm-zielhemmend sind, führt zum Erleben von positiven oder negativen Emotionen (Scherer, 1993; Smith & Lazarus, 1993). Eine Bewertung ist individuell subjektiv und kulturell bedingt. Eine Person mit bestimmten Temperament- und Persönlichkeitsmerkmalen, die sich in bestimmten sozioökonomischen und Lebensumständen befindet oder die Bedeutung einer Situation kulturspezifisch wahrnimmt, kann dazu veranlagt sein, Situationen als angenehm und zielfördernd (oder unangenehm und zielhemmend) zu bewerten. Daher sind Emotionen nicht universell und werden nicht von allen Individuen und Gesellschaften in gleicher Weise erlebt. Kulturelle Bewertungen bestimmen das individuelle Erleben von Emotionen und prädisponieren Menschen dazu, Lebensereignisse zu betrachten und Handlungen anderer Personen auf eine bestimmte Weise zu interpretieren (Frijda, 1993; Lynch, 1990; Mesquita & Ellsworth, 2001). Die Unterschiede im kulturellen Verständnis einer emotionalen Situation und in der Bedeutung eines Ereignisses, das Emotionen auslöst, führen zu Unterschieden in der Bewertung, der Konstruktion von emotionalen Erfahrungen und im Ausdruck. Die Dimensionen der Bewertung, die das emotionale Erleben bestimmen, sind in allen Kulturen weitgehend ähnlich. Die Forscher haben mehrere mehr oder weniger komplexe Dimensionen der Bewertung ermittelt. Dazu gehören (1) primitive Dimensionen wie Aufmerksamkeitsaktivität, Annehmlichkeit, Gewissheit, Zielorientierung und Bewältigungsfähigkeit, (2) kognitiv komplexere Dimensionen wie Norm/Selbstkompatibilität und Legitimität und (3) komplexe Dimensionen wie Verantwortung, erwartete Anstrengung und Kontrolle (Mauro et al., 1992). Bewertung im Lichte des kulturellen Wertes der Ehre Betrachten wir diese Unterschiede anhand eines Beispiels, bei dem die Einschätzungen, Erfahrungen und Verhaltensweisen von Männern aus dem Süden und Norden der Vereinigten Staaten von Amerika in einer experimentellen Situation verglichen wurden, in der sie beleidigt wurden (Cohen et al., 1999). Männer in südlichen Kulturkreisen haben eine andere Einstellung zum Wert der Ehre als Männer in nördlichen Kulturkreisen. Daher reagieren sie empfindlicher auf Beleidigungen, vor allem, wenn sie absichtlich erfolgen, da sie ihre Ehre in Frage stellen (Cohen et al., 1996). Zum Zweck der emotionalen Selbstregulierung hat die Kultur der Südländer bestimmte Höflichkeitsregeln entwickelt, die den Menschen helfen, weniger empfänglich für kleine Kränkungen und subtile Feindseligkeiten zu sein. Auf diese Weise vermeiden sie implizit zu häufige Ärgererfahrungen. Die Kultur der Nordländer hingegen bereitet sie gut darauf vor, solche kleinen Feindseligkeiten und Unhöflichkeiten zu bemerken. Diese kulturellen Unterschiede in der Bewertung zeigten sich in den Reaktionen der Teilnehmer auf eine experimentelle Situation (Cohen et al., 1999), in der ein lästiger Mitbewohner die Erledigung der Aufgabe behinderte. In einer solchen Situation reagierten die Teilnehmer aus dem Süden länger als die Teilnehmer aus dem
224
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Norden mit der Emotion des Ärgers, was sich im Gesichtsausdruck und in der verbalen oder körperlichen Konfrontation zeigte. Sobald die Teilnehmer aus dem Süden jedoch aufgrund dieser ärgerlichen Situation wütend wurden, erlebten und äußerten sie ihre Wut intensiver und waren zu einer verbalen oder körperlichen Konfrontation bereit. Sobald die Südstaatler die Beleidigung ernst nahmen, sahen sie sich also veranlasst, sich zu revanchieren und ihre Ehre zu verteidigen. Trotz dieser typischen kulturellen Tendenzen bei den Reaktionen auf diese Versuchssituation gab es Unterschiede im individuellen Erleben von Emotionen. Einige Nordstaatler und Südstaatler blieben ruhig, während andere wütend wurden. Männer aus diesen beiden Kulturkreisen sind also prädisponiert, die Stimuli, die Emotionen auslösen, auf eine bestimmte Art und Weise wahrzunehmen und sie entsprechend zu bewerten. Diejenigen aus interdependenten kulturellen Kontexten (Südländer) nehmen die soziale Situation mit Blick auf die Beziehung wahr und bewerten sie, während diejenigen aus unabhängigen kulturellen Kontexten (Nordländer) die gleiche soziale Situation mit Blick auf die Person wahrnehmen und bewerten. Diese Unterschiede lösen unterschiedliche Arten von emotionalen Erfahrungen aus.
5.2.2 Bewertung sozialer Situationen in verschiedenen Kulturen Kulturübergreifend gemeinsame Bewertungen Die Bewertung einiger Situationen und Ereignisse ist kulturübergreifend universell, während die Bewertung anderer von Kultur zu Kultur variieren kann, abhängig von den kulturspezifischen Bedeutungen, die Menschen diesen Situationen und Ereignissen zuschreiben (Matsumoto & Hwang, 2012; Shweder et al., 2008). So können beispielsweise Todesrituale als Trauer oder als Feier des Lebens wahrgenommen werden und folglich unterschiedliche Emotionen hervorrufen (Hoy, 2013; Mead, 1943; Metcalf & Huntington, 1991). Die Emotionen, die Ereignisse auslösen, hängen von Bewertungen ab, während die Bewertungen ihrerseits von der kulturspezifischen Bedeutung der Ereignisse abhängen können. Ähnliche Bewertungsmuster können ähnliche Emotionen hervorrufen, während unterschiedliche Muster kulturelle Unterschiede in den Emotionen verursachen. Die Bedeutung bestimmter Bewertungsdimensionen und die unterschiedliche Zugänglichkeit dieser Dimensionen in verschiedenen Kulturen erklären die kulturellen Unterschiede in der Bewertung und folglich im Erleben von Emotionen (Mesquita & Ellsworth, 2001). Diese Bewertungen sind in vielerlei Hinsicht kulturübergreifend ähnlich und lösen dieselben Emotionen aus. Studien haben gezeigt (Kuppens et al., 2004; Scherer et al., 2001), dass sich die zugrunde liegenden Bewertungsmuster, die als proximale Auslöser von Emotionen dienen, überschneiden. Emotionen kovariieren in
5.2 Kulturelle Bewertung von Emotionen und Erfahrung von Emotionen
225
v erschiedenen Kulturen in Abhängigkeit von diesen Bewertungen. Die Ergebnisse der Studie (Kuppens et al., 2006) legen nahe, dass „Der Grad der Überschneidung zwischen den Bewertungsmustern von zwei Emotionen kann auch in anderen Kulturen ähnlich sein: Wenn zwei Emotionen in einer Kultur durch sehr ähnliche (bzw. unterschiedliche) Bewertungsmuster gekennzeichnet sind, kann man davon ausgehen, dass sie auch in einer anderen Kultur durch ähnliche (bzw. unterschiedliche) Muster gekennzeichnet sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass die Bewertungsmuster selbst in allen Kulturen ähnlich sind. (S. 510)“
Die Ähnlichkeiten in den Bewertungsmustern, die Emotionen auslösen, wurden in kulturübergreifenden Untersuchungen festgestellt. In umfassenden Studien (siehe Scherer, 1997a, b) wurde in 37 Ländern untersucht, welche Arten von Situationen Emotionen wie Wut, Ekel, Angst, Freude, Traurigkeit, Scham und Schuld auslösen. Die Situationen wurden in allgemeine Gruppen eingeteilt (z. B. gute und schlechte Nachrichten, vorübergehende und dauerhafte Trennung, Erfolg und Misserfolg). Die Ergebnisse zeigten, dass alle Gruppen von Ereignissen im Leben der Menschen in 37 Kulturen vorkommen und jedes Ereignis bestimmte Emotionen auslöst, wobei die Häufigkeit in allen Ländern relativ ähnlich ist. So sind beispielsweise Ereignisse wie „vorübergehende Treffen mit Freunden“, „Beziehungen zu Freunden“ und „Erfolgssituationen“ die häufigsten Auslöser für Glück. Ereignisse wie „Ungerechtigkeit“ und „Beziehungen“ sind die häufigsten Auslöser für Ärger. Ereignisse wie „Tod“ und „Beziehungen“ sind die häufigsten Auslöser für Traurigkeit. Die kulturellen Stichproben unterscheiden sich in der Häufigkeit, mit der die Ereignisse eine Emotion auslösen, und in der Bedeutung, die diese Ereignisse haben. Kulturell unterschiedliche Bewertungen Unterschiede und Besonderheiten in der Bewertung und im emotionalen Erleben können aufgrund der gegenseitigen Wechselwirkung von Kultur und Emotion von Kultur zu Kultur variieren (z. B. Fontaine et al., 2002; Markus et al., 1996; Mesquita & Frijda, 1992; Mesquita et al., 1997; Shaver et al., 1992) – siehe weitere Einzelheiten weiter unten in diesem Kapitel. Kulturelle Unterschiede wurden bei Europäern, US-Amerikanern und Japanern festgestellt (Scherer et al., 1988). In einigen kulturellen Stichproben lösen dieselben Ereignisse bestimmte Emotionen relativ häufiger aus als in anderen. Und bei einigen Emotionen gibt es kulturspezifische Auslöser. Dies gilt insbesondere, 1. Die Weltnachrichten lösten bei Europäern und US-Amerikanern häufiger Traurigkeit aus als bei den Japanern. 2. Probleme in den Beziehungen führten jedoch bei den Japanern zu mehr Traurigkeit als bei US-Amerikanern oder Europäern. 3. Fremde und leistungsbezogene Situationen lösten bei US-Amerikanern mehr Angst aus, während neue Situationen, Verkehr und Beziehungen bei Japanern häufiger Angst auslösten.
226
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
4. das Gehen im Dunkeln löst in Japan weniger Angst aus als in den Vereinigten Staaten 5. Situationen, in denen Fremde involviert waren, lösten bei Japanern häufiger Ärger aus als bei US-Amerikanern oder Europäern. 6. Situationen, in denen es um Beziehungen geht, lösen bei US-Amerikanern mehr Ärger aus als bei Japanern (zitiert in Matsumoto & Hwang, 2012, S. 100). Wie ich in früheren Abschnitten dargelegt habe, spiegeln die kulturellen Modelle des unabhängigen und des interdependenten Selbstkonzepts wider, wie Menschen eine Situation einschätzen. Die typische Einschätzung einer Situation durch eine Person in einer unabhängigen Kultur beinhaltet die Wahrnehmung, wie sich die Situation auf die individuellen Ziele auswirken kann. Im Gegensatz dazu geht es bei der typischen Beurteilung einer Situation durch eine Person in einer interdependenten Kultur um die Wahrnehmung, wie sich die Situation auf die Beziehungsziele auswirken kann (Mesquita & Leu, 2007, S. 737).
5.2.3 Kulturelle Faktoren der Bewertung und des emotionalen Erlebens Kulturelle Unterschiede im Selbstkonzept und im Erleben von Emotionen Unterschiedliche Selbstkonstruktionen von Individuen in unabhängigen (mehr auf sich selbst fokussierten) und interdependenten (mehr auf andere fokussierten) Kulturmodellen können die Unterschiede in den emotionalen Reaktionen auf eine ähnliche Situation erklären. Die Einschätzung, die andere Person für ihre Beleidigung verantwortlich zu machen, ist der vorherrschende US-amerikanische Weg, um Wut zu empfinden, was konsekutiv durchsetzungsfähiges und aggressives Verhalten auslöst. Aus einer anderen Perspektive betrachtet, ist die typische japanische Bewertung einer ähnlichen Situation die Annahme, dass die andere Person einen guten Grund hatte, sich so zu verhalten. Eine solche Einschätzung des Mitgefühls mit dem Täter führt zu einem geringeren emotionalen Erleben und wahrscheinlich zum Nichtstun. Diese beiden Bewertungen haben also zu Unterschieden im emotionalen Erleben und Verhalten geführt (Mesquita & Leu, 2007). Wie ich bereits in früheren Abschnitten erläutert habe, sind Menschen in einem unabhängigen Kulturmodell eher auf sich selbst fokussiert, während sie in einem interdependenten Kulturmodell eher auf andere fokussiert sind. Entsprechend diesen Unterschieden sind Menschen aus dem europäischen Kulturkreis emotional reaktionsfreudiger, wenn sie einzelnen Aspekten des Selbst ihre Aufmerksamkeit schenken, als Menschen aus dem asiatischen Kulturkreis. Im Gegensatz dazu zeigen Menschen aus asiatisch-amerikanischen Kulturen eine ähnliche oder größere emotionale Reaktivität als europäische US-Amerikaner, wenn sie auf Beziehungs aspekte des Selbst achten (Chentsova-Dutton & Tsai, 2010).
5.2 Kulturelle Bewertung von Emotionen und Erfahrung von Emotionen
227
Sensibilität für den sozialen Kontext und das Erleben von Emotionen Menschen in unabhängigen Kulturen sind stärker auf sich selbst fokussiert, während Menschen in interdependenten Kulturen eher auf Beziehungen fokussiert sind. Daher ist es vernünftig zu erwarten, dass der soziale Kontext von Situationen das emotionale Erleben von Menschen in diesen beiden Kulturmodellen unterschiedlich beeinflussen kann. In einer kulturübergreifenden Studie (Oishi et al., 2004) wurde das emotionale Erleben von Studenten in Japan und Indien, von US-amerikanischen Studenten im Mittleren Westen (hauptsächlich europäische US-Amerikaner) und von hispanischen Studenten in Kalifornien untersucht. Die Teilnehmer füllten fünfmal am Tag eine Skala positiver und negativer affektiver Zustände aus und gaben dabei jedes Mal an, ob sie (1) allein, (2) mit einem Freund, (3) mit einem Klassenkameraden/Arbeitskollegen, (4) mit einem Liebespartner, (5) mit einem Fremden oder (6) mit der Familie zusammen waren. Die Ergebnisse zeigten, dass in allen kulturellen Stichproben die positiven und negativen affektiven Zustände in allen Situationen weitgehend übereinstimmten. Allerdings variierten diese emotionalen Erfahrungen von einem sozialen Kontext zum anderen. Diese Variationen waren in der unabhängigen (europäisch-amerikanischen) Stichprobe geringer als in den beiden interdependenten (hispanischen und japanischen) Stichproben. Die Daten der indischen Teilnehmer unterschieden sich von denen, die in den anderen interdependenten kulturellen Stichproben erhoben wurden. Die Ergebnisse der Studie (Oishi et al., 2004) haben gezeigt, dass die Teilnehmer aus interdependenten kulturellen Stichproben in ihrem emotionalen Erleben (insbesondere in positiven affektiven Zuständen) sensibler auf unterschiedliche soziale Kontexte reagierten als Teilnehmer aus unabhängigen kulturellen Stichproben. Die Teilnehmer aus der unabhängigen Kultur erlebten Emotionen in Situationen mit oder ohne andere Personen nicht unterschiedlich, während die Teilnehmer aus den interdependenten Kulturen Emotionen je nach Beziehungsumständen unterschiedlich erlebten. Daraus schlossen die Autoren, dass der soziale Kontext das emotionale Erleben in interdependenten Kulturen beeinflusst, nicht aber in unabhängigen Kulturen. Darüber hinaus analysierten die Autoren (Oishi et al., 2004) die Variabilität des emotionalen Erlebens innerhalb der einzelnen Personen in sechs sozialen Situationen. Insgesamt waren die Schwankungen bei positiven als bei negativen affektiven Zuständen größer. Somit beeinflussten die Unterschiede in den sozialen Umständen die Variationen im Erleben positiver Emotionen stärker als die der negativen. Darüber hinaus haben die Forscher kulturübergreifende Unterschiede in den Stichproben je nach der in interdependenten Kulturen vorherrschenden Beziehungsorientierung festgestellt. In interdependenten Kulturen wirkten sich die jeweiligen sozialen Situationen stärker auf das individuelle Niveau der positiven und negativen Emotionen aus als in unabhängigen Kulturen. Die Studien, die eine andere Methodik verwendeten, stimmten mit diesen Ergebnissen überein (Masuda et al., 2008). Die Forscher untersuchten eher die Perspektive eines Beobachters auf Emotionen als die eigene Introspektion. Das emotionale Erleben wurde durch die Wahrnehmung des emotionalen Erlebens der in den Car-
228
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
toons dargestellten Personen erforscht. Japanische und europäisch-amerikanische Teilnehmer sollten die Emotionen einer zentralen Person bewerten, die Glück, Traurigkeit oder Wut zeigte. Diese Person war von vier anderen Personen umgeben, deren Gesichtsausdrücke verschiedene Emotionen darstellten. Die Ergebnisse zeigten, dass Japaner – in Übereinstimmung mit einem interdependenten Modell ihrer Kultur – bei ihrer Beurteilung des emotionalen Erlebens der zentralen Person die Emotionen aller in der Karikatur dargestellten Personen berücksichtigten. Dagegen bewerteten europäisch-amerikanische Teilnehmer – entsprechend einem unabhängigen Modell ihrer Kultur – die Emotionen der Hauptperson ausschließlich auf der Grundlage ihrer Mimik und achteten nicht auf die Emotionen der Personen in ihrer Umgebung. In anderen Studien (Masuda et al., 2008; Tsang & Wu, 2005) wurden die Augen der Teilnehmer bei der Bearbeitung einer ähnlichen Aufgabe zur Beurteilung von Emotionen verfolgt. Die Forscher kamen in beiden Studien zu ähnlichen Ergebnissen. Die japanischen und taiwanesischen Teilnehmer waren in der Lage, ihre Aufmerksamkeit zwischen der zentralen Person und anderen Personen in der Karikatur zu verteilen, während die US-Amerikaner ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf die zentrale Person richteten. Die Ergebnisse bestätigen also, dass Menschen aus der Kultur mit unabhängigen Modellen emotionale Erfahrungen aus der Perspektive eines Individuums wahrnehmen, während Menschen aus der Kultur mit interdependenten Modellen emotionale Erfahrungen aus einer Beziehungsperspektive wahrnehmen. Für ein Individuum aus interdependenten Kulturen werden Menschen in einer Situation in den Emotionsstimulus einbezogen, wenn sie zur selben Gruppe gehören oder mit dem Individuum verwandt sind. ulturelle Einstellungen zu individuellem Handeln und persönlicher K Kontrolle und Erfahrung von Emotionen Für Menschen in interdependenten Kulturen sind die relationalen Bedeutungen einer Situation die wichtigsten Faktoren, die zu den Beurteilungen beitragen. Im Gegensatz dazu sind für Menschen in unabhängigen Kulturen die individuelle Handlungsfähigkeit und Kontrolle die wichtigsten Faktoren für die Bewertung. Studien haben ergeben, dass die individuelle Handlungsfähigkeit eine zentrale Dimension des emotionalen Erlebens für US-Amerikaner und Menschen in mehreren westeuropäischen Ländern ist (Frijda et al., 1989; Matsumoto et al., 1988; Scherer, 1984; Smith & Ellsworth, 1985). Daher sind kulturspezifische Bewertungen von Situationen mit Betonung von Handlungsfähigkeit und persönlicher Kontrolle eher typisch für Personen, die in unabhängigen Kulturen leben (Ellsworth & Scherer, 2003; Frijda et al., 1989; Weiner, 1986). Menschen in diesen kulturellen Kontexten (z. B. Europäer) neigen dazu, die zentralen Ereignisse und Ergebnisse in ihrem Leben ihrer persönlichen Handlungsfähigkeit zuzuschreiben – unabhängig und persönlich erreicht (Markus & Kitayama, 1991). Für Menschen in ostasiatischen Ländern wie Japan, der Volksrepublik China und Hongkong ist die Dimension des individuellen Handelns jedoch ein weit weniger
5.2 Kulturelle Bewertung von Emotionen und Erfahrung von Emotionen
229
wichtiger Faktor bei der Bewertung von Situationen, die Emotionen hervorrufen (Matsumoto et al., 1988; Mauro et al., 1992; Scherer, 1997a, b). Diese kulturspezifischen Einstellungen zu Handlungsfähigkeit und Kontrollierbarkeit wirken sich erheblich auf das Wohlbefinden von Menschen in unabhängigen Kulturen aus. So ist zum Beispiel das Gefühl der Handlungsfähigkeit wie Stolz ein starker Prädiktor für das Wohlbefinden von US-Amerikanern. Im Gegensatz dazu sagen in interdependenten Kulturen, wie z. B. der japanischen, die Gefühle der Verbundenheit das Wohlbefinden des Einzelnen besser voraus als die Emotionen der Handlungsfähigkeit (Kitayama et al., 2000, 2006; Mesquita & Karasawa, 2002). Menschen in individualistischen unabhängigen Kulturen (z. B. Westeuropäer und europäische US-Amerikaner) nehmen die Welt als kontrollierbar wahr (Mesquita & Ellsworth, 2001; Morling et al., 2002; Weisz et al., 1984), während Menschen in kollektivistischen interdependenten Kulturen (z. B, Inder, Japaner und Tahitianer) eine solche Einstellung nicht haben (Miller et al., 1990; Savani et al., 2011). Diese Dimension der Kontrollierbarkeit und Unkontrollierbarkeit kultureller Einstellungen spiegelt sich in den erlebten Emotionen wider. Betrachten wir Beispiele für Emotionen im Zusammenhang mit Misserfolg und Erfolg bei der Zielerreichung. Wenn das Erreichen eines Ziels blockiert ist, diese Situation aber als kontrollierbar interpretiert wird, kann sie geändert werden. Die Einschätzung der US-Amerikaner, dass die Dinge in der Kontrolle des Einzelnen liegen, führt zu Frustration und Ärger (Frijda et al., 1989; Kuppens et al., 2003; Stein et al., 1993). Die Interpretation von Ereignissen und Situationen durch solche kulturellen Werte führt also zu Unterschieden in der Intensität und Häufigkeit von Ärger und Frustration, die zwischen europä ischen US-Amerikanern und Indern (und Tahitianern) zu beobachten sind, und zu Ähnlichkeiten zwischen Indern und Tahitianern. Die Welt, die von den Menschen als unkontrollierbar und unvorhersehbar verstanden wird, ist weniger frustrierend als die Welt, in der der Einzelne alles Mögliche erreichen kann. Studien (Levy, 1978; Roseman et al., 1995) stützen diese Erklärung. Das allgemeine Gefühl der Tahitianer, dass der Einzelne nur eine begrenzte Kontrolle über die Natur und das Verhalten anderer hat, bestimmt den Mangel an Wut in der tahitianischen Kultur (Levy, 1978, S. 226), die sich von der US- amerikanischen Kultur unterscheidet. US-Amerikaner empfinden eine höhere Intensität von Wut als Inder, wenn sie sich an autobiografische Ereignisse erinnern. Darüber hinaus wird die Intensität der Wut durch eine Bewertung der Ereignisse vermittelt (Roseman et al., 1995). Diese Unterschiede in den kulturellen Einstellungen zur Handlungsfähigkeit spiegeln sich auch in den entsprechenden Emotionen, Motivationen und Verhaltensweisen der Umweltkontrolle wider, die in den Kulturen vorherrschen. Europäisch- amerikanische und westeuropäische Kulturen fördern die Werte der Einflussnahme auf die physische und soziale Umwelt und schätzen daher hohe Aktivierungszustände, die dem Einzelnen helfen, seine Energie für die Einflussnahme zu mobilisieren. Die ostasiatischen Kulturen fördern die Werte der Anpassung an die physische und soziale Umwelt und schätzen daher niedrige Aktivierungszustände, die dem
230
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Einzelnen helfen, seine Aufmerksamkeit auf die wichtigen Reize in der physischen und sozialen Umwelt zu richten (Tsai et al., 2006a, b). ulturelle Tendenzen bei der Zuschreibung von Erfolg und Misserfolg und K dem Erleben von Emotionen Die europäisch-amerikanische individualistische Kultur ermutigt Menschen dazu, Stolz zu empfinden und auszudrücken, da diese Emotion ein hohes Selbstwertgefühl und das Gefühl der eigenen Leistung demonstriert (Mascolo et al., 2003). Die chinesische kollektivistische Kultur hingegen hält Menschen davon ab, Stolz zu empfinden und auszudrücken, da persönliche Leistungen eher den zwischenmenschlichen Beziehungen zugeschrieben werden sollten, die Unterstützung geben, als ausschließlich dem eigenen Selbst. Stattdessen ermutigt die chinesische Kultur dazu, Scham zu empfinden. Dieses Gefühl fördert den sozialen Zusammenhalt und die Harmonie. In der europäisch-amerikanischen individualistischen Kultur zum Beispiel verwenden Menschen häufig selbstverstärkende und selbstschützende Zuschreibungen. Im Gegensatz dazu verwenden Menschen in ostasiatischen kollektivistischen Kulturen diese Arten von Zuschreibungen wesentlich seltener. Menschen in diesen Kulturen verwenden häufiger selbstkritische Zuschreibungen als selbstverstärkende (siehe Imada & Ellsworth, 2011). Insgesamt sind Menschen in individualistischen Kulturen Nordamerikas (z. B. europäische US-Amerikaner und europäische Kanadier) stark motiviert, ihr positives Selbst und ihre positiven Emotionen zu stärken und zu erhalten. Ihre kulturspezifischen selbstsichernden Bewertungen von Ereignissen tragen dazu bei, diese Selbstzufriedenheit zu erreichen. Menschen in ostasiatischen kollektivistischen Kulturen (z. B. in Japan und China) hingegen verwenden in der Regel keine derartigen selbstbezogenen Bewertungen. Stattdessen verwenden sie bescheidene, demütige und selbstkritische Interpretationen. So erinnern sich europäische US-Amerikaner besser an Ereignisse, die ihr Selbstwertgefühl steigerten, während sich Japaner besser an Ereignisse erinnern, die ihr Selbstwertgefühl verringerten (Kitayama et al., 1997). Europäische US- Amerikaner neigen dazu, Erfolge, nicht aber Misserfolge sich selbst zuzuschreiben, und zeigen damit eine weit verbreitete selbstsichernde Attribution. Japaner hingegen neigen dazu, sich nicht nur Erfolge, sondern auch Misserfolge selbst zuzuschreiben (Heine & Lehman, 1997; Kitayama et al., 1995a, b; Markus & Kitayama, 1991). Ein Japaner schätzt sich selbst in der Regel nicht besser ein als Japaner im Durchschnitt. Diese Tendenz zeigt sich sogar bei den Eigenschaften, die in der japanischen Kultur wichtig sind (z. B. Kooperation und Loyalität). Aufgrund dieser beiden kulturell unterschiedlichen Kausalzuschreibungen (Beurteilungen) von Erfolg und Misserfolg erleben Menschen in individualistischen und kollektivistischen Kulturen unterschiedliche Emotionen.
5.2 Kulturelle Bewertung von Emotionen und Erfahrung von Emotionen
231
„Wenn Menschen ihren Erfolg sich selbst zuschreiben, erleben sie Emotionen wie Stolz, Zufriedenheit, Überlegenheit und Zuversicht (positive Selbst-Agentur-Emotionen). Wenn Menschen jedoch glauben, dass ihr Erfolg anderen Menschen zu verdanken ist, erleben sie ganz andere Emotionen wie Dankbarkeit, Verpflichtung, Wertschätzung und Freundlichkeit gegenüber den Menschen, die ihnen geholfen haben (positive Fremdbestimmungsemotionen). Wird der Erfolg als durch unpersönliche Umstände verursacht angesehen, fühlen sich die Menschen glücklich und freudig überrascht (positive situationsbedingte Emotionen). (Imada & Ellsworth, 2011, S. 330)“
Europäischstämmige US-Amerikaner mit ihrer kulturellen Tendenz zur Selbstaufwertung schreiben den Erfolg sich selbst zu und empfinden daher eher starke positive Emotionen der Selbstwirksamkeit (z. B. Stolz). Ostasiaten mit ihrer kulturellen Tendenz zur Selbstverleugnung schreiben den Erfolg externen Faktoren zu und empfinden daher eher positive Emotionen der Fremdbestimmung und der Situationsbestimmung (z. B. Glücksgefühle und Dankbarkeit). Zur Unterstützung dieser Interpretation baten die Forscher in einer kulturübergreifenden experimentellen Studie mit US-Amerikanern und Japanern (Imada & Ellsworth, 2011) die Teilnehmer, sich an ihre persönlichen Erfahrungen zu erinnern und sich dann Erfolgs- oder Misserfolgssituationen vorzustellen und ihre Handlungsbewertungen und Emotionen zu beschreiben. Die Ergebnisse zeigten, dass unterschiedliche kulturelle Zuschreibungen unterschiedliche Emotionen nach sich ziehen. „In Erfolgssituationen berichteten Amerikaner über stärkere Emotionen aufgrund individueller Handlungsfähigkeit (z. B. Stolz) verglichen mit Japanern, während Japaner eine stärkere Emotion infolge situationbedingter Handlungsfähigkeit (Glück) berichteten. (Imada & Ellsworth, 2011, S. 329)“
Diese kulturellen Unterschiede bei der Zuschreibung und dem Erleben von Emotionen lassen sich also durch eine unterschiedliche selbstverstärkende Motivation erklären. Als die Forscher bei Japanern und US-Amerikanern dieselbe Art von Attribution auslösten, gab es keine signifikanten kulturellen Unterschiede im Erleben von Emotionen. Kulturelle Dimensionen der Gesellschaft und Erfahrung von Emotionen Gudykunst und Ting-Toomey (1988, S. 391) führten mehrere Analysen durch, die den Schluss zuließen, dass Hofstedes Theorie einige der kulturübergreifenden Unterschiede in der Einstellung zu Emotionen und den entsprechenden Bewertungen erklären kann. Die Autoren berechneten die Spearman-Rangfolgekorrelation zwischen der Rangfolge der sieben Kulturen und den vier Dimensionen der kulturellen Variabilität und berechneten dann den Prozentsatz der Befragten, der auf der Grundlage der beiden am häufigsten genannten Emotionen für jede der Fragen ausgewählt wurde. Es wurden nur wenige statistisch signifikante Korrelationen gefunden, von denen viele den Erwartungen von Hofstede (1980/1984) zu entsprechen scheinen. Unsicherheitsvermeidung und Machtdistanz korrelierten am stärksten negativ mit
232
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
der Angst. Die Kulturen mit hoher Machtdistanz akzeptieren Zwangsgewalt, während sie in den Kulturen mit niedriger Machtdistanz nicht akzeptiert wird. Forscher (Gudykunst & Ting-Toomey, 1988) fanden auch heraus, dass Menschen in hochgradig männlichen Kulturen mit höherer Wahrscheinlichkeit am meisten unter Stress leiden, was auf nationaler Ebene mit ihrer Betonung von Entschlossenheit, Leistung und Exzellenz in Verbindung gebracht werden kann. Weibliche Kulturen hingegen legen mehr Wert auf Intuition, Dienstleistung und versuchen nicht, besser als andere zu sein, was im Gegensatz zu den Werten der männlichen Leistungskultur steht. Die Daten deuten darauf hin (Gudykunst & Ting-Toomey, 1988), dass Menschen in individualistischen Kulturen eher dazu neigen, Ärger zu empfinden. Außerdem bevorzugen sie Interessenvielfalt und Vergnügen gegenüber Ordnung und Pflicht, während kollektivistische Kulturen in dieser Hinsicht das Gegenteil sind – sie betonen Ordnung und Pflicht gegenüber Vielfalt und Vergnügen. Diese Ergebnisse sind verständlich, da in stark individualistischen Kulturen von den Menschen erwartet wird, dass sie emotional unabhängig sind, während in stark kollektivistischen Kulturen erwartet wird, dass sie emotional abhängig sind. Gudykunst und Ting-Toomey (1988) führten eine weitere interessante Analyse darüber durch, wie kulturelle Dimensionen mit der Bewertung von Emotionen verbunden sind. Sie verwendeten die Daten einer anderen Studie (Wallbott & Scherer, 1986b) und berechneten die Spearman-Rangfolgekorrelation des Prozentsatzes der Befragten, die die drei häufigsten Antezedenzien von Emotionen angaben, mit den Werten von Hofstede (1983) für die acht Kulturen (Großbritannien, Frankreich, Belgien, Westdeutschland, Italien, Spanien, Schweiz und Israel). Die Autoren fanden mehrere signifikante Beziehungen zwischen den Kulturdimensionen von Hofstede (1983) und den Antezedenzien für bestimmte Emotionen, die mit Hofstedes Theorie übereinstimmen. Insbesondere werden Ungerechtigkeit und Ungleichheit in Kulturen mit hoher Machtdistanz als natürlich akzeptiert, während sie in Kulturen mit geringerer Machtdistanz als inakzeptabel empfunden werden. Daher ist Ungerechtigkeit als Antezedens für Wut eher in Kulturen mit geringer Machtdistanz zu erwarten. Neuartige Situationen sind in Kulturen mit geringer Unsicherheitsvermeidung wahrscheinlicher, da es in diesen Gesellschaften keine formalen Regeln für die Interaktion gibt. Andererseits gibt es in Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung formale Regeln für die Interaktion in neuartigen Situationen, und diese schüren keine Angst. Darüber hinaus glauben die Menschen in Kulturen mit großer Machtdistanz, dass es in dieser Welt eine Ordnung der Ungleichheit gibt und jeder seinen rechtmäßigen Platz hat (Hofstede, 1984, S. 122). Daher sollten neuartige Situationen für den Einzelnen nicht bedrohlich sein und Angst auslösen, da er oder sie durch die soziale Ordnung „geschützt“ ist. Ein weiteres Ergebnis dieser Analyse (Gudykunst & Ting-Toomey, 1988) war, dass in Kulturen mit hoher Maskulinität, in denen Leistung und Performance einen hohen Stellenwert haben, neuartige Situationen eher zu Angst führen, weil sie die Fähigkeit des Einzelnen, diese Ziele zu erreichen, herausfordern können.
5.3 Normen und Erfahrungen mit Emotionen in verschiedenen Kulturen
233
5.3 Normen und Erfahrungen mit Emotionen in verschiedenen Kulturen 5.3.1 Kulturelle Normen des emotionalen Erlebens Arten kultureller Normen des emotionalen Erlebens Es gibt eine Vielzahl von kulturellen Normen zur Regulierung des Gefühlslebens. Kulturen können ihre Normen vorschreiben und bestimmte Überzeugungen darüber vermitteln, wie und wann es für Menschen angemessen ist, bestimmte Emotionen zu empfinden (z. B. Hochschild, 1979; Mesquita & Frijda, 1992; Shweder, 1993; Soto et al., 2005). Solche kulturellen Normen des emotionalen Erlebens stellen Gefühlsregeln (Hochschild, 1979; Hochschild, 2003) und die kulturelle Angemessenheit des Erlebens bestimmter Emotionen dar (Eid & Diener, 2001; Kuppens et al., 2006). Dabei handelt es sich um allgemeine soziale Konventionen darüber, was Menschen in bestimmten sozialen Kontexten fühlen sollten, was sie nicht fühlen sollten und was sie fühlen möchten. Nach solchen Regeln sollen Menschen bestimmte Gefühle nicht empfinden oder zumindest nicht ausdrücken, während andere Gefühle erlaubt sind, aber nur in bestimmten Kontexten und nach kulturell akzeptablen Ausdrucksregeln. Die kulturellen Normen sind die fokalen, normativen und idealen Darstellungen von Emotionen in den Kulturen (Mesquita & Leu, 2007). Fokale Emotionen sind diejenigen, die in einer Kultur bewundert und verachtet werden (Mesquita & Ellsworth, 2001). Sie motivieren das Verhalten in einer kulturell erwünschten Weise. Die Menschen suchen die bewunderten Emotionen und vermeiden die verachteten Emotionen. Folglich treten bewunderte Emotionen häufig auf, während verachtete Emotionen selten vorkommen (Mesquita & Frijda, 1992; Mesquita & Leu, 2007). Ein Beispiel für eine bewunderte Fokusemotion in der US-amerikanischen Kultur ist das Glück. Erhöhte Glücksgefühle und Aufregung sind die gewünschten Ziele, die der Einzelne anstrebt und schätzt (D’Andrade, 1984). Menschen fühlen sich besser, wenn sie positive Ereignisse erleben. Sie schaffen und suchen viele Anlässe, wie Auszeichnungen, Feiern und Komplimente, die ihnen den Zustand des Glücks vermitteln. Sie sind ausdrucksstärker, wenn sie anderen ihr Glück mitteilen (siehe Mesquita & Leu, 2007). Der Begriff der kulturellen Normen als erwünschte Emotionen wurde im Konzept des idealen Affekts (wie man sich fühlen möchte) vorgeschlagen. „Der ideale Affekt basiert auf persönlichen Vorlieben, während die Normen für das emotionale Erleben und die Gefühlsregeln auf einvernehmlichen Vorlieben beruhen. Mit anderen Worten: Menschen können sich zwar darüber einig sein, welche Gefühle angemessen sind oder was sie fühlen sollten, aber sie können sich darin unterscheiden, inwieweit sie diese Zustände für sich selbst befürworten“ (Tsai, 2007, S. 243). Zum Beispiel schätzen US-Amerikaner den positiven Affekt hoher Erregung (z. B. Aufregung) mehr als Chinesen (aus Hongkong). Auf der anderen Seite schätzen Chine-
234
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
sen den positiven Affekt niedriger Erregung (z. B. Ruhe) mehr als US-Amerikaner (Tsai, 2007; Tsai et al., 2006a, b). Kultureller Wert bestimmter Emotionen Forscher haben auch kulturübergreifende Ähnlichkeiten im Erlebniswert vieler Emotionen festgestellt (z. B. Eid & Diener, 2001; Sommers, 1984). Dabei handelt es sich um Emotionen, die in allen Kulturen wünschenswert sind (z. B. Freude, Glück, Liebe), und um solche, die in allen Kulturen gefährlich und destruktiv sind (z. B. Wut, Hass, Ärger, Angst, Sorge). Im Allgemeinen gibt es kulturübergreifende Ähnlichkeiten in Bezug auf den Erlebniswert von Emotionen, die durch externe und unkontrollierbare Ursachen ausgelöst werden (z. B. Wut, Sorge, Freude) (Eid & Diener, 2001). Interkulturelle Unterschiede zeigen sich typischerweise im Wert von Emotionen, die durch interne und kontrollierbare Ursachen ausgelöst werden, wie im Fall von selbstbewussten Emotionen (z. B. Stolz, Schuld) (Eid & Diener, 2001). Ebenso kann Stolz unterschiedliche kulturelle Bedeutungen haben und sich daher in seinem spezifischen Wert unterscheiden. So betrachten Chinesen im Vergleich zu US- Amerikanern den Stolz auf Leistungen, die für andere von Nutzen sind, als akzeptabler als den Stolz auf Leistungen, die persönliche Erfolge demonstrieren (Stipek, 1998). Es gibt noch einige andere spezifische Akzente im kulturellen Wert bestimmter Emotionen. Für Menschen in den Kulturen Westindiens ist Stolz eine wichtige Emotion, für Griechen das Gefühl von Respekt, für US-Amerikaner die Erfahrung von Begeisterung (Sommers, 1984). Die Ergebnisse der hier zitierten Studie (Eid & Diener, 2001) zeigten, dass für Menschen in unabhängigen Kulturen (USA und Australien) Stolz im Allgemeinen wünschenswert und Schuld meist unerwünscht war. Das Muster der Erwünschtheit in zwei interdependenten Kulturen (China und Taiwan) war ähnlich, aber doch etwas anders. Das Normschema für positive Emotionen in China betrachtet Stolz und Zufriedenheit als eher negativ. Das Normmuster für positive Emotionen in Taiwan bewertet Zufriedenheit als positiv, Stolz jedoch als neutral oder negativ. Viele Chinesen und ein kleinerer Teil der Taiwanesen betrachten Schuldgefühle als positive oder neutrale Emotion, während sie, wie ich bereits erwähnt habe, in unabhängigen Kulturen definitiv als unerwünscht bewertet wird. In ähnlicher Weise wurden in den kulturellen Kontexten afrikanischer Gesellschaften die entgegengesetzten Normen der Erwünschtheit von Stolz und Schuld festgestellt. Eine große Studie (Kim-Prieto & Eid, 2004), die in Nigeria, Ghana, Tansania, Simbabwe und Südafrika durchgeführt wurde, ergab, dass die Menschen in den stärker kollektivistisch geprägten afrikanischen Ländern Stolz als weniger wünschenswert ansehen, während Schuldgefühle im Vergleich zu den weniger kollektivistisch geprägten afrikanischen Ländern als wünschenswerter gelten. In einer großen Studie, die hier zitiert wird (Eid & Diener, 2001), wurde festgestellt, dass in vielen kulturellen Stichproben die hohe Erwünschtheit von Ärger mit der geringen Erwünschtheit von Schuld verbunden ist. Menschen in den Kulturkrei-
5.3 Normen und Erfahrungen mit Emotionen in verschiedenen Kulturen
235
sen, die Wut als wünschenswert ansehen, betrachten Schuld immer als unerwünscht, und umgekehrt wird in Kulturkreisen, die Wut als unerwünscht ansehen, Schuld als wünschenswert betrachtet. ormen der Emotionen in unabhängigen und N interdependenten Kulturmodellen Kulturelle Unterschiede zwischen individualistischen und kollektivistischen Kulturen und die entsprechenden unabhängigen und interdependenten Selbstkonzepte der Menschen, die ich im früheren Teil dieses Buches ausführlich besprochen habe, können Unterschiede in den kulturellen Normen des Erlebens von Emotionen vorhersagen. Lee, Aaker und Gardner (2000) fanden heraus, dass Menschen mit diesen beiden Selbstkonzepten unterschiedliche Regulierungsschwerpunkte bevorzugen: Annäherung versus Vermeidung. Menschen mit einem unabhängigen Selbstkonzept neigen dazu, sich mehr darauf zu konzentrieren, wie sie ihre eigenen Wünsche und Bestrebungen angehen. Sie richten ihre Aufmerksamkeit eher auf positive als auf negative Informationen über sich selbst. Diejenigen mit interdependenten Selbstkonzepten konzentrieren sich eher darauf, wie sie die Verletzung sozialer Normen vermeiden und verhindern können. Sie achten mehr auf negative als auf positive Informationen über sich selbst. In einer umfassenden Studie (Eid & Diener, 2001) wurden die Normen für das Erleben von Emotionen innerhalb und zwischen Ländern bei 1846 Teilnehmern in kollektivistischen Ländern (China und Taiwan) und in individualistischen Ländern (USA und Australien) verglichen. Die Forscher räumten ein, dass die Selbstkon struktionen und die regulatorischen Schwerpunkte mit den kulturellen Normen für das Erleben von Emotionen zusammenhängen könnten, wobei sie insbesondere die Unterschiede im Erleben von selbstbewussten oder selbstreflektierten Emotionen in den verschiedenen Kulturen berücksichtigten. Wie erwartet, wurden die größten Unterschiede zwischen kollektivistischen und individualistischen Kulturen bei den Normen für das Erleben selbstbewusster und selbstreflektierender Emotionen (z. B. Schuld und Stolz) festgestellt. Die Autoren fanden heraus, dass die selbstbewussten Emotionen, die durch einen Erfolg ausgelöst werden, der durch eigene Anstrengungen erreicht wurde (z. B. Stolz), einen hohen Wert für Menschen mit unabhängigem Selbstkonzept und Aufstiegsorientierung (in individualistischen Gesellschaften) haben. Auf der anderen Seite haben die selbstbewussten Emotionen, die durch die Verletzung sozialer Normen oder die Nichterfüllung sozialer Verpflichtungen ausgelöst werden (z. B. Schuldgefühle), einen hohen Wert für Menschen mit interdependenten Selbstkonzepten und Präventionsfokus (in kollektivistischen Gesellschaften) (Eid & Diener, 2001). Es ist anzumerken, dass kollektivistische Gesellschaften insgesamt eine größere Vielfalt an emotionalen Normen aufweisen als individualistische Gesellschaften. Die Daten zeigten (Eid & Diener, 2001), dass solche kulturellen Normen in individualistischen Ländern nicht sehr variabel waren – insbesondere in Bezug auf ange-
236
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
nehme Emotionen –, während die Forscher in kollektivistischen Ländern eine erhebliche intranationale Variabilität feststellten. Lockerheit – Enge der kulturellen Normen der Emotionen Das Konzept der Enge (im Gegensatz zur Lockerheit) definiert „die Stärke der sozialen Normen und das Ausmaß, in dem eine Gesellschaft innerhalb der Gesellschaft sanktioniert“ (Gelfand et al., 2006, S. 1225). Die kulturelle Dimension der Enge- Lockerheit ist ein Faktor, der erklären kann, inwieweit die gesellschaftliche Kultur das Erleben bestimmter Emotionen begünstigt oder benachteiligt und wie streng die Gesellschaft diesen Aspekt des Verhaltens der Menschen reguliert. Gesellschaften unterscheiden sich in der Art und Weise, wie streng oder locker sie bei der Festlegung und Einhaltung kultureller Normen des emotionalen Erlebens sind (Gelfand et al., 2006; Pelto, 1968; Triandis, 1989; Triandis & Suh, 2002). Strenge Kulturen sind recht homogen und autoritär in ihrer Einstellung zu Normen. Sie schreiben starre Normen und strenge Sanktionen für Abweichungen von diesen vor. Daher verspüren die Menschen in diesen Gesellschaften einen hohen Druck, diese Normen zu befolgen (Eid & Diener, 2001). Lockere Kulturen sind heterogener und variabel in ihren Normen. Sie legen flexible Normen fest und tolerieren Abweichungen von ihnen. Daher sind die Menschen in solchen Gesellschaften relativ frei, diesen Normen zu folgen. Die Vereinigten Staaten von Amerika und Australien zum Beispiel sind ziemlich strenge Kulturen, was die Normen für positive Emotionen angeht. Die Menschen in diesen Gesellschaften können den psychologischen Druck verspüren, Freude, Glück, Stolz und Liebe zu empfinden. Diese Kulturen scheinen die Wünschbarkeit von Glück vorzuschreiben. Sie haben sogar ihr verfassungsmäßiges Recht auf das Streben nach Glück. Dies sind implizite kulturelle Normen. Abweichungen von diesen Normen wirken sich auf das persönliche Leben aus, da Unglücklichsein als Versagen angesehen wird. Es ist erwähnenswert, dass diese beiden Gesellschaften zwar in ihren Normen für soziales Verhalten locker sind, aber im Bereich der Emotionen eng nebeneinanderliegen (Eid & Diener, 2001). China und Taiwan sind zwei kollektivistische, aber relativ lockere Kulturen (Triandis, 1989). Sie scheinen im Bereich der kulturellen Normen für das Erleben positiver Emotionen locker zu sein. Die Normen und Einstellungen gegenüber Emotionen sind unterschiedlich. Manche Menschen glauben, dass positive Emotionen unerwünscht sind; deshalb ist es akzeptabel, unglücklich zu sein. Viele Menschen in diesen beiden Gesellschaften betrachten das Gefühl des Stolzes als unerwünscht, während viele andere das Gefühl des Stolzes als akzeptabel ansehen (Eid & Diener, 2001). Außerdem können die Menschen in den beiden Gesellschaften unterschiedliche Bedeutungen des Konzepts im Sinn haben: Stolz als eine Leistung, die einen persönlichen Erfolg demonstriert, oder als eine Leistung, die anderen zugutekommt (Stipek, 1998). Die Normen für das Erleben positiver Emotionen sind also nicht sehr eng gefasst und bedeuten nicht, dass jeder Einzelne sie befolgen muss. Was die Normen für negative Emotionen betrifft, so sind alle vier Gesellschaften
5.3 Normen und Erfahrungen mit Emotionen in verschiedenen Kulturen
237
(die Vereinigten Staaten, Australien, China und Taiwan) relativ heterogen und haben lockere Normen für das Erleben unangenehmer Emotionen, wobei China am heterogensten ist. Kulturelle Normen und Erfahrung von Emotionen Die kulturellen Muster des emotionalen Erlebens und die Häufigkeit einzelner Emotionen werden wesentlich von den kulturellen Normen bestimmt, die die fokalen, normativen und idealen Darstellungen von Emotionen in den Kulturen umfassen. Interkulturelle Analysen (Kuppens et al., 2006) haben gezeigt, dass das durchschnittliche Niveau des Erlebens zwischenmenschlicher Emotionen (Dankbarkeit, Scham, Schuld, Eifersucht) in den verschiedenen Ländern unterschiedlich ist und in hohem Maße mit kulturellen Normen für zwischenmenschliche Emotionen korreliert. Diesen Daten zufolge unterscheiden sich die Menschen in verschiedenen Ländern in der Häufigkeit, mit der sie sich an das Erleben zwischenmenschlicher Emotionen erinnern. Menschen in kollektivistischen Kulturen erleben zwischenmenschliche Emotionen häufiger als Menschen in individualistischen Kulturen. Dies könnte darauf hindeuten, dass in Gesellschaften mit kollektivistischen Werten eher zwischenmenschliche Erfahrungen und Verhaltensweisen als innere Erfahrungen die Quelle von Emotionen sind. Die Autoren (Kuppens et al., 2006) weisen auch darauf hin, dass die kulturelle Angemessenheit bestimmter Emotionen in einer Kultur einen Einfluss darauf haben kann, wie die Befragten die Häufigkeit ihrer Erfahrungen mit diesen Emotionen einschätzen. Kulturelle Normen können dazu führen, dass eine Person erwartet, diese Emotionen zu erleben (oder nicht zu erleben), was wiederum den Bewertungsprozess bestimmt, der die Emotionen hervorruft. Außerdem können diese Normen des emotionalen Erlebens Menschen implizit dazu ermutigen, bestimmte Situationen zu erleben, die sie dazu veranlassen, kulturell angemessene Emotionen zu empfinden, und andere Situationen zu vermeiden, die kulturell unangemessene Emotionen hervorrufen. Die Daten, die belegen, dass emotionale Erfahrungen – bis zu einem gewissen Grad – von kulturellen Normen für Emotionen beeinflusst werden, stammen auch aus einer anderen Studie (Eid & Diener, 2001), die in den Vereinigten Staaten von Amerika und Australien (individualistische Kulturen) sowie China und Taiwan (kollektivistische Kulturen) durchgeführt wurde. Die Forscher fanden niedrige und mittlere Korrelationen zwischen den kulturellen Normen für positive Emotionen in diesen Ländern und der Häufigkeit und Intensität des emotionalen Erlebens. Die Korrelationen zwischen den kulturellen Normen für negative Emotionen und dem emotionalen Erleben waren geringer und weniger stark. Kulturelle Normen in Japan fördern sozial einbindende Emotionen wie Freundlichkeit und Schuldgefühle, während kulturelle Normen in den Vereinigten Staaten von Amerika sozial nicht einbindenden Emotionen wie Stolz und Ärger fördern. Die Ergebnisse der Studie (Kitayama et al., 2006) zeigten, dass Japaner in verschiedenen sozialen Situationen häufiger und mit höherer Intensität einbindende Emotio-
238
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
nen im Vergleich zu nicht einbindenden Emotionen erlebten. Im Gegensatz dazu erlebten US-Amerikaner nicht einbindende Emotionen häufiger und mit höherer Intensität im Vergleich zu einbindenden Emotionen. Studien haben gezeigt (Kitayama et al., 2000, 2006), dass die kulturellen Normen der Gesellschaften mit den Werten des zwischenmenschlichen Engagements des Selbst (im Gegensatz zum Nicht-Engagement) und der Interdependenz (im Gegensatz zur Unabhängigkeit) Auswirkungen auf das persönliche Erleben positiver Gefühle haben. Entsprechend ihrer kulturellen Normen des zwischenmenschlichen Engagements des Selbst und der Interdependenz erleben die Japaner häufiger positive Emotionen wie Gelassenheit und Hochgefühl in Verbindung mit ihrer Erfahrung von sozial einbindenden positiven Emotionen wie freundlichen Gefühlen. Im Gegensatz dazu erleben die US-Amerikaner gemäß ihren kulturellen Normen der interpersonellen Loslösung des Selbst und der Unabhängigkeit diese positiven Emotionen häufiger in Verbindung mit ihren Erfahrungen mit sozial losgelösten positiven Emotionen, wie Stolz.
5.3.2 Erfahrungen mit grundlegenden Emotionen, ihre Dimensionalität, Qualität und Häufigkeit in verschiedenen Kulturen Erfahrung grundlegender Emotionen und ihre Dimensionalität Die Daten über das emotionale Erleben in verschiedenen Kulturen wurden mit Hilfe von Online-Selbstauskünften über Emotionen, Erfahrungsstichproben und retro spektiven Berichten erhoben. Die Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass emotionale Erfahrungen sowohl kulturübergreifende Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede aufweisen. Viele Studien fanden viele Ähnlichkeiten in den grundlegenden Dimensionen, den Basisemotionen und der Struktur des emotionalen Erlebens (z. B. Fontaine et al., 2002; Mesquita et al., 1997; Mesquita & Frijda, 1992; Osgood et al., 1975; Shaver et al., 1992) – siehe weitere Einzelheiten unten in diesem Kapitel. Die Daten aus vielen kulturellen Stichproben haben gezeigt, dass die Struktur des emotionalen Erlebens im Wesentlichen ähnlich ist (siehe hierzu Kuppens et al., 2006). Ähnlichkeiten wurden vor allem bei einigen grundlegenden Komponenten und Prozessen festgestellt. Solche Dimensionen des emotionalen Erlebens wie Angenehmheit-Unangenehmheit (positiver Affekt vs. negativer Affekt), Erregung- Schläfrigkeit oder Intensität und Potenz schienen universell zu sein (Kuppens et al., 2006; Osgood et al., 1975; Russell & Feldman Barrett, 1999). Die Studien zu diesen emotionalen Dimensionen in kulturübergreifender Perspektive werden in den folgenden Abschnitten besprochen. Studien haben verschiedene Aspekte der Ähnlichkeit im selbstberichteten subjektiven Erleben grundlegender Emotionen zwischen chinesischen US-Amerikanern und europäischen US-Amerikanern (Lee & Levenson, 1992; Tsai et al., 2006a, b),
5.3 Normen und Erfahrungen mit Emotionen in verschiedenen Kulturen
239
zwischen japanischen und europäischen US-Amerikanern (Lazarus et al., 1966), zwischen europäischen US-Amerikanern und Hmong-Amerikanern (Tsai et al., 2002) festgestellt. In einem breiteren internationalen Vergleich führten Forscher Umfragen in mehreren europäischen Ländern (Scherer et al., 1986) und in 27 Ländern auf fünf Kontinenten durch (Wallbott & Scherer, 1986a, 1988). Über alle Kulturen hinweg berichteten die Befragten über ziemlich universelle Erfahrungen mit Emotionen wie Freude, Traurigkeit, Angst und Ärger. Intensität und Dauer des emotionalen Erlebens, selbst wahrgenommene physiologische Symptome, nonverbale und verbale Reaktionen und die selbst wahrgenommene Fähigkeit, Emotionen zu kontrollieren, waren recht ähnlich. Eine spätere Studie (Scherer & Wallbott, 1994), die auf einer großen kulturübergreifenden Stichprobe aus 37 Ländern basierte, untersuchte das subjektive Erleben und die physiologischen Symptome im Zusammenhang mit sieben grundlegenden Emotionen – Freude, Traurigkeit, Angst, Ärger, Scham, Schuld und Ekel. Die Autoren fanden deutliche Unterschiede in den Mustern der mit diesen Emotionen verbundenen Erfahrungen und Symptome. Die Muster des subjektiven emotionalen Erlebens waren kulturübergreifend stabil, wobei es erhebliche kulturübergreifende Überschneidungen gab. Valenz, Intensität und soziales Engagement sind die Dimensionen des emotionalen Erlebens, die bei den Basisemotionen kulturübergreifend ähnlich sind. Qualität und Häufigkeit des emotionalen Erlebens Viele Studien haben die Unterschiede im mittleren Niveau und in der Häufigkeit des Erlebens bestimmter Emotionen in verschiedenen Kulturen aufgezeigt (Basabe et al., 2002; Kuppens et al., 2006; Matsumoto et al., 1988; Scherer et al., 1988; Scherer & Wallbott, 1994; Scollon et al., 2004; Scollon et al., 2005). Es gibt mehrere Faktoren, die die Qualität und Intensität des emotionalen Erlebens beeinflussen können. Dazu gehören individuelle Unterschiede im Temperament und in der Persönlichkeit von Menschen innerhalb einer Gesellschaft (oder zwischen verschiedenen Ländern), kulturelle Unterschiede in den Überzeugungen und Normen sowie soziale und wirtschaftliche Situationen und Ereignisse, denen Menschen in ihrem Leben begegnen und die positive und negative Emotionen hervorrufen. Die Studie zum emotionalen Erleben (Kuppens et al., 2006) auf der Grundlage von Erinnerungshäufigkeiten hat gezeigt, dass dieses Erleben in höherem Maße durch universelle Faktoren auf Personenebene und in geringerem Maße durch interkulturelle Faktoren auf Länderebene vorhergesagt wird. Die Autoren (Basabe et al., 2002) überprüften sechs Studien, die mit einer großen Stichprobe von Kulturen in jedem dieser Länder (26, 27, 26, 33, 42 und 29 Länder) durchgeführt wurden, und untersuchten die Selbsteinschätzung von zwei Variablen des emotionalen Erlebens: (1) Gleichgewicht von Angenehmheit-Unangenehmheit und (2) Intensität der Emotionen, wobei die nationalen Durchschnittswerte verglichen wurden. Die Autoren fanden heraus, dass die durchschnittliche Ausgewogen-
240
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
heit und die relative Häufigkeit positiver und negativer Emotionen in den einzelnen Ländern unterschiedlich sind und dass diese Unterschiede durch kulturelle und gesellschaftliche Dimensionen (Individualismus-Kollektivismus, Männlichkeit-Weiblichkeit usw.) vorhergesagt werden. Kulturelle Stile des emotionalen Erlebens Kulturelle Modelle von Emotionen können als kulturell repräsentative emotionale Stile verstanden werden, die die typischen und auffälligsten Arten des Erlebens von Emotionen umfassen. Ein charakteristisches und ausgeprägtes Muster des emotionalen Erlebens beschreibt den emotionalen Stil. Wie bereits erwähnt, hat der Anthropologe Middleton (1989) das Konzept des emotionalen Stils vorgeschlagen, um die einheimische Klassifizierung von Emotionen, ihre normative Organisation und Ordnung sowie ihre Beziehungen zueinander und zu anderen kulturellen Phänomenen einer Gesellschaft zu definieren. Das Konzept des emotionalen Stils umfasst auch die Formen, Intensitäten und Kontexte des Ausdrucks von Emotionen. Middleton ging jedoch nicht über die begriffliche Definition des emotionalen Stils hinaus und untersuchte die kulturellen emotionalen Stile nicht empirisch in kulturübergreifender Perspektive. Für die Konstruktion des emotionalen Stils können verschiedene Kriterien festgelegt werden: die Qualität, die Valenz, die Intensität und die Häufigkeit der Emotionen sowie ihr Ausdruck. Einfache Beispiele für emotionale Stile sind leidenschaftlich und leidenschaftslos, positiv und negativ, expressiv und unterdrückend. Die Komplexität dieser Stile hängt von der Anzahl der Rahmenbedingungen ab, die in die Konstruktion des Modells des emotionalen Stils einbezogen werden.
5.4 Kulturelle Modelle grundlegender und komplexer Emotionen 5.4.1 Kulturelle Modelle der Wut ut als kulturübergreifende, universelle und doch kulturell W unterschiedliche Emotion Allgemein und universell in menschlichen Gesellschaften ist Wut eine Emotion, die auftritt, wenn eine Person frustriert, verletzt oder bedroht wird. Doch nicht die Frustration selbst macht einen Menschen wütend, sondern vielmehr die Überzeugung, dass die Frustration, der Schaden oder die Bedrohung ungerechtfertigt ist. „Der Ausdruck von Wut ist dazu gedacht, diese Situation zu bereinigen, um Respekt zu erlangen“ (Myers, 1988, S. 594). Diese Bedeutung von Wut scheint universell zu sein. Wenn Menschen in verschiedenen Gesellschaften sagen, dass sie „wütend“ sind, können sie jedoch über
5.4 Kulturelle Modelle grundlegender und komplexer Emotionen
241
unterschiedliche Gefühle sprechen. Kulturen können ihre eigenen sozialen Bedeutungen von Wut haben und haben daher unterschiedliche kulturelle Einstellungen zu Erfahrung und Ausdruck dieser Emotion. Wut in der Kultur der Utku Eskimos Anthropologische Studien haben beispielsweise ergeben, dass bei den Utku- Eskimos – einem Inuit-Stamm im Norden Kanadas – Verhaltensnormen gelten, die den Ausdruck von Wut ablehnen (Briggs, 1970). Nach ihrer kulturellen Überzeugung sind Menschen mit wütenden Gedanken und Verhaltensweisen gefährlich und beängstigend, weil sie wahrscheinlich ihre Selbstkontrolle verlieren. Ein wichtiger moralischer Grundsatz der Utku-Eskimo ist die Kontrolle der Gefühle. Die Regeln der emotionalen Selbstbeherrschung und des Gefühlsausdrucks unterscheiden sich jedoch, wenn sie auf Kinder im frühen Alter (bis zu sechs Jahren) und auf ältere Kinder und Erwachsene angewendet werden. Eltern erlauben kleinen Kindern, zu schreien, zu weinen und Wutanfälle zu bekommen. Von älteren Kindern und Erwachsenen wird jedoch erwartet, dass sie ihren Verstand und ihre Vernunft unter Kontrolle haben (Briggs, 1970, S. 111–112). Wutausdrücke sind bei den erwachsenen Utku nicht oder nur selten zu finden. Sobald eine Person ihre Wut zeigt, missbilligen die anderen Eskimos diesen Ausdruck. Diese Situationen sind so beschämend und gefürchtet, dass die Person darauf bedacht ist, sie zu vermeiden. Aufgrund dieser sozialen Sanktionierung haben die Menschen in der Utku-Kultur wenig Gelegenheit, Wutgefühle zu zeigen, und verfügen über eine erstaunliche Fähigkeit, ihre Wut zu kontrollieren. Die Utku-Menschen neigen dazu, auch bei anderen Emotionen weniger expressiv zu sein. Sie sind der Meinung, dass selbst positive Emotionen nicht zu intensiv ausgedrückt werden sollten. Der Ausdruck des persönlichen Glücks wird geschätzt, wenn er zaghaft ist. Zuneigung und Beschützerinstinkt gegenüber anderen können mit dem Wert der persönlichen Unabhängigkeit kollidieren. Ihre Liebes- und Traurigkeitsbekundungen sind kaum wahrnehmbar. Ehegatten, Eltern und ihre älteren Kinder zeigen selten liebevolle Gesten wie Händchenhalten, Umarmungen und Küsse. Wenn sich geliebte Menschen trennen und wieder zusammenfinden, ist ein sanfter Händedruck der einzige emotionale Ausdruck. Tränen werden als unangebracht angesehen. Wut in der Kaluli-Kultur Der kulturelle Geist und der Glaube der Kaluli (die Kultur in Papua-Neuguinea, im südwestlichen Pazifik) unterscheidet sich von dem der Utku-Eskimos. Die Menschen werden ermutigt, ihre Wut zu zeigen. Ihre kulturelle Ideologie betont durchsetzungsfähige Energie, überschwänglichen Elan, produktive Vitalität und persönlichen Dynamismus. Diese Einstellungen werden in erster Linie als männlicher Kaluli-Stil betrachtet; Kaluli-Frauen können jedoch auch durchsetzungsfähig sein, wenn
242
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
auch in geringerem Maße. Aufgrund dieses Wertes der Selbstbehauptung ist Wut für Männer wichtig, denn sie ist der extreme Ausdruck von Durchsetzungsvermögen. Die Neigung, wütend zu werden, zeigt ihren Charakter. Wut ist ein Gefühl, das bei den Kaluli sowohl bewundert als auch gefürchtet wird (Schieffelin, 1983). „Ein Mensch, dessen Erwartungen enttäuscht wurden oder der Unrecht oder Verletzungen durch andere erlitten hat, unterdrückt seinen Ärger normalerweise nicht. Vielmehr ist es wahrscheinlich, dass er seinen Ärger zu einer großartigen, beängstigenden Wut inszeniert, indem er sich mit Drohungen und Vorwürfen gegen seinen (oft ebenso wütenden) Gegner wendet, in einer unberechenbaren Übung sozialer Grenzüberschreitung, die gelegentlich zu Gewalt führt. (Schieffelin, 1983, S 183).“
Man kann sehen, dass der Ausdruck des Ärgers eines Kaluli-Mannes eine Botschaft seines Leidens und seiner Frustration vermittelt. Implizit ist es eine Form des Appells an die Unterstützung anderer. Der Ausdruck von Wut wirkt nicht nur einschüchternd auf andere, sondern steht auch im Einklang mit ihrem selbstbewussten kulturellen Geist. Wut in der samoanischen Kultur In gewisser Weise ähnlich, aber von der Bedeutung her anders, ist die kulturelle Interpretation von Wut in der samoanischen Kultur. Gerber (1975) beschreibt in seiner Studie über samoanische Emotionen Wut als eine Emotion, die in bestimmten Beziehungskontexten moralisch gerechtfertigt ist. Sie ist für samoanische Männer angemessen, da sie ein wesentlicher Bestandteil ihrer Identität als dominanter Mann in der samoanischen Gesellschaft ist. Ehefrauen und Kinder mögen es vielleicht nicht, wenn der Ehemann seine Wut zeigt, aber sie erkennen an, dass ein solcher Ausdruck kulturell angemessen ist. Der richtige Ausdruck von Wut ist Teil des samoanischen männlichen Gefühlsstils. Außerdem können sich Frau und Kinder entfremdet und ungeliebt fühlen, wenn der Mann seine Wut nicht gelegentlich zum Ausdruck bringt (Gerber, 1975). Zorn in der Kultur der Pintupi Ein weiteres Beispiel ist die Bedeutung und der Ausdruck von Wut bei den Pintupi – der Kultur der australischen Ureinwohner, auf die ich im vorigen Abschnitt kurz eingegangen bin. Im sozialen Leben der Pintupi stehen die Emotionen Wut und Mitgefühl in einem dialektischen Verhältnis zueinander. Die kulturellen Überzeugungen betonen die Werte der gemeinsamen Identität mit anderen und des Mitgefühls. Doch trotz dieser Betonung ist Wut an sich keine schlechte Emotion. Wut wird als akzeptabel und angemessen angesehen, während Kampf und Gewalt in moderatem Ausmaß kein Problem darstellen (Myers, 1988). Es ist wichtig festzuhalten, dass Gewalt bei den Pintupi nicht das Ziel hat, andere zu beherrschen oder zu kontrollieren. Die Wut einer Person wird als Reaktion auf
5.4 Kulturelle Modelle grundlegender und komplexer Emotionen
243
die Ablehnung von Zugehörigkeit verstanden. Die Menschen neigen dazu, Wut und Kampf als Ausdruck von Selbstbehauptung und Autonomie zu akzeptieren. Die Frage der speziellen kulturellen Interpretation ist, wie Sympathie, Mitgefühl (als Verbundenheit) und Wut, Gewalt (als Abgrenzung) in der Pintupi-Kultur inte griert sind (Myers, 1988). Es sieht so aus, als ob die Menschen jede individuelle Handlung im Hinblick auf die gemeinsame Identität bewerten. Daher stellen die Emotionen des Mitgefühls und der Wut zwei Aspekte desselben kulturellen Wertes der Pintupi dar – Autonomie. Es handelt sich nicht um primitive und isolierte Emotionen, sondern um Emotionen, die innerlich miteinander verbunden sind. „Mitgefühl, ein Ausdruck von Verbundenheit oder Identität mit anderen, spiegelt die Einschätzung der Pintupi wider, dass Autonomie (die Fähigkeit und der Respekt für Selbstbestimmung, so dass niemand bereit ist, sich von anderen sagen zu lassen, was er zu tun hat) von der Aufrechterhaltung von Beziehungen zu anderen abhängt. Umgekehrt entsteht Wut – die von den Pintupi als Negation des Mitgefühls verstanden wird (jemand, der wütend ist, hat in der Regel kein Mitgefühl für das Objekt seiner Wut) – aus der wahrgenommenen Ablehnung von Beziehungen und der Behauptung von Autonomie im Angesicht von Verlust. (Myers, 1988, S. 596)“
Die kulturellen Überzeugungen der Pintupi-Kultur erkennen also zwei Wege der Autonomie an: (1) Aufrechterhaltung der Verwandtschaft und (2) Differenzierung (Konflikt). Diese Dualität wird in einem Gefühl der Zusammengehörigkeit oder einer gemeinsamen Identität aufgelöst. Im Allgemeinen werden die Pintupi wütend, wenn „sie von jemandem, den sie für einen Verwandten halten, kein Essen bekommen, wenn ein Ehepartner (oder Liebhaber) von einem anderen ‚gestohlen‘ wird oder wegläuft, wenn ihnen eine Bitte verweigert wird und ganz allgemein, wenn sie in ihren Wünschen nach Hilfe nicht unterstützt werden“ (Myers, 1988, S 597). Sie nehmen diese Handlungen als Ablehnung des anderen wahr, ihre gemeinsame Identität und Beziehung zu respektieren. Sie verstehen das Ausbleiben von Gegenleistungen für Handlungen auch als Ablehnung ihrer Verbundenheit. All diese kulturspezifischen Interpretationen machen die Menschen wütend (Myers, 1988).
5.4.2 Kulturelle Modelle der selbstbewussten Emotionen Modelle Emotionalen Mitgefühls Eine psycholinguistische Analyse der Wörter, die Sympathie, Mitgefühl und Empathie im Englischen und im marokkanischen Arabisch ausdrücken, ergab, dass ihre Bedeutungen mit den kulturellen Interaktionsmodellen in der englischen und marokkanischen Kultur zusammenhängen (Elasri, 2018). Die kulturellen Unterschiede zwischen den englischen Begriffen und ihren marokkanisch-arabischen Entsprechungen entsprechen dem Grad der Nähe zwischen einer Person, die Emotionen erlebt, und einer anderen Person.
244
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Im Englischen wird das Wort „compassion“ (Mitgefühl) im Zusammenhang mit allen Beziehungen zu anderen Personen verwendet – egal ob sie nah oder fern sind. In der englischen Kultur unterscheidet das Modell der zwischenmenschlichen Interaktion also nicht zwischen nahen und fernen Personen. Das marokkanische Arabisch verwendet zwei verschiedene Äquivalente des Wortes Mitgefühl, die sich auf die Gefühle gegenüber nahen und fernen Anderen beziehen. Das marokkanische Modell der sozialen Interaktion unterscheidet also zwischen den Mitgefühlsgefühlen einer Person gegenüber einer Person, die sie gut kennt, und einer Person, die sie nicht kennt. Folglich wird im marokkanischen Modell das Mitgefühl in der Beziehung zu „nahen“ Menschen eher als warm, offen und mit einem offenen Ausdruck des Mitgefühls beschrieben, während es in der Beziehung zu „fernen“ Menschen eher zurückhaltend ist (Elasri, 2018). Ein weiteres Beispiel für ein Modell des Mitgefühls ist die Beschreibung des Gefühlslebens der Pintupi, einer kulturellen Gruppe von Aborigines in der westlichen Wüste Australiens (Myers, 1986). Die Erfahrung und der Ausdruck von Mitgefühl ist ein natürlicher Aspekt ihres täglichen Lebens. Es zeigt sich im Teilen von Handarbeiten, in der Fürsorge und in der Sorge um das Wohlergehen der anderen. Jeder ist bestrebt, den Anschein von Egoismus und Selbstbehauptung zu vermeiden. Nach Myers (1986, S. 18) ist „der hervorstechendste Aspekt des Lebens in Pintupi- Gemeinschaften seine affektive Grundlage, das Vertrauen auf emotionale Kriterien statt auf Regeln als Handlungsrahmen“. Der vorgeschriebene emotionale Ton vermittelt sorgfältig zwischenmenschliche Beziehungen der Verwandtschaft. Unangemessene emotionale Äußerungen und unangemessene Handlungen lösen das Gefühl der Verlegenheit oder Scham aus. Die Emotion der Scham, die in das Modell des Mitgefühls einbezogen ist, koordiniert die Bedürfnisse nach Verwandtschaft und persönlicher Autonomie. Ein kulturelles Ideal der Pintupi kommt im Mitgefühl für andere zum Ausdruck. In der Folge ermutigt das moralische Prinzip des Mitgefühls zu einem spezifischen, fürsorglichen Verhalten gegenüber anderen. Kinder in der Pintupi-Kultur lernen schon in frühen Jahren, wann und wie sie mitfühlend sein und das Verhalten anderer interpretieren können. Kulturelle Modelle von Scham und Schuld Ein weiteres Beispiel sind die kulturellen Modelle von Scham und Schuld. Im Allgemeinen empfindet eine Person Scham und Schuld, wenn sie in den Augen anderer oder in ihren eigenen Augen etwas „Schlechtes“ oder „Falsches“ getan hat. Scham wird in der Regel empfunden, wenn die Person von anderen (real oder imaginär) negativ bewertet wird, und Schuldgefühle werden im Allgemeinen empfunden, wenn die Person von sich selbst negativ bewertet wird (z. B. Smith et al., 2002). So wird Scham als die Furcht erlebt, das eigene mangelhafte Selbst vor anderen bloßzustellen, während Schuld als die Furcht erlebt wird, den eigenen Ansprüchen nicht gerecht zu werden (Benedict, 1946; Kitayama et al., 1995a, b). Die frühen kulturellen Modelle von Scham und Schuld in der Anthropologie betonten die kulturellen Unterschiede in der Erfahrung von Scham und Schuld zwi-
5.4 Kulturelle Modelle grundlegender und komplexer Emotionen
245
schen der US-amerikanischen und der japanischen Kultur (Benedict, 1946), wobei die US-amerikanische Kultur als „Schuldkultur“ und die japanische Kultur als „Schamkultur“ beschrieben wurde. Seitdem haben empirische Studien erhebliche kulturelle Unterschiede bei den Auslösern, Werten und Verhaltensfolgen von Scham und Schuld nachgewiesen (siehe Wong & Tsai, 2007). In neueren Studien konnte festgestellt werden, dass diese Unterschiede mit einem unabhängigen Selbstkonzept (typisch für die Vereinigten Staaten) und einem interdependenten Selbstkonzept (typisch für Japan, Korea und China) verbunden sind. Wong und Tsai (2007) kamen zu dem Schluss, dass das kulturelle Modell von Scham und Schuld, das mit dem unabhängigen Selbstkonzept (das in den Vereinigten Staaten als individualistischem Land vorherrscht) verbunden ist, diese beiden Emotionen klar voneinander unterscheidet. Das kulturelle Modell von Scham und Schuld, das mit einem interdependenten Konzept des Selbst verbunden ist (in fernöstlichen Kulturen, die zuvor als kollektivistische Länder aufgeführt wurden), unterscheidet dagegen nicht zwischen diesen beiden Emotionen. Die Menschen in diesen Kulturen empfinden diese Emotionen eher als gleichartig. Wong und Tsai (2007) fassen zusammen: „Scham und Schuld können in kollektivistischen Kontexten weniger differenziert sein, weil Menschen in diesen Kontexten sich selbst nicht als getrennt von ihren Beziehungen zu anderen, ihren Kontexten oder ihren Handlungen betrachten.“ (S. 231). Somit stellen die kulturellen Modelle von Scham und Schuld ein Beispiel für die Modelle dar, die auf der kulturellen Fähigkeit beruhen, zwischen zwei Emotionen zu differenzieren. Das Erleben und der Ausdruck von Scham hängen von einer kulturspezifischen Bewertung der Situation ab. In unabhängigen westlichen Kulturen empfindet eine Person Scham, wenn die Bewertung einer Situation nicht mit ihrer bevorzugten persönlichen Identität übereinstimmt, die sie sozial präsentiert (Mesquita & Leu, 2007). Das Gefühl der Scham wird durch die Einschätzung ausgelöst, dass eine Situation, die sich ereignet hat, mit der Identität der Person unvereinbar ist, was das Gefühl der Diskrepanz zu den typischen oder gewünschten Eigenschaften der Person hervorruft (Tracy & Robins, 2004). In unabhängigen kulturellen Kontexten implizieren die Erfahrung und der Ausdruck von Scham daher ein unveränderliches persönliches Versagen und den Wunsch, aus dem Blickfeld der anderen zu verschwinden, was die persönliche Identität verletzt. Der Ausdruck von Scham verfolgt das Ziel, sich der Situation einer möglichen sozialen Ablehnung zu entziehen sowie eine innere Dissonanz zwischen einer positiven persönlichen Identität und der Situation, die dieser Identität widerspricht, zu vermeiden. In westlichen Kulturen konzentriert sich Scham auf innere Fehler (Crystal et al., 2001). In interdependenten ostasiatischen Kulturen empfindet eine Person Scham, wenn die Einschätzung einer Situation nicht mit den Beziehungszielen übereinstimmt (Mesquita & Leu, 2007). Das Gefühl der Scham wird durch die Einschätzung hervorgerufen, dass eine Situation im Widerspruch zu der Bedeutung steht, die der Erfüllung von Verpflichtungen gegenüber anderen (Eltern, Familie und Gemeinschaft) zukommt. Diese Situation kann auch Schande über das Volk bringen, zu dem die Person gehört. In diesem kulturellen Kontext konzentriert sich Scham im Allgemeinen auf negative soziale und Beziehungsergebnisse (Crystal et al., 2001). Die Erfah-
246
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
rung und der Ausdruck von Scham in ostasiatischen Kulturen zielen darauf ab, den anderen zugefügten Schaden zu beheben und Beziehungen wiederherzustellen. (Frijda et al., 1989; Mesquita & Karasawa, 2004). Daher sollte Scham sozial deklariert und öffentlich in Form von Entschuldigungen ausgedrückt werden, mit einer Absichtserklärung, das beschämende Verhalten und die Identität zu ändern (Mascolo et al., 2003). Ein solches öffentliches Eingeständnis der Scham soll zur Selbstverbesserung motivieren und die Zugehörigkeit einer Person zur sozialen Gruppe bekräftigen. Die Normen für das Erleben von Schuld unterscheiden sich auch in den kulturellen Kontexten afrikanischer Gesellschaften. Eine kulturübergreifende Studie (Kim- Prieto & Eid, 2004), die in Nigeria, Ghana, Tansania, Simbabwe und Südafrika durchgeführt wurde, zeigte, dass Schuldgefühle in stärker kollektivistisch geprägten afrikanischen Gesellschaften im Vergleich zu weniger kollektivistisch geprägten afrikanischen Ländern als erstrebenswerter angesehen werden, während Stolz als weniger erstrebenswert gilt. Auch hier zeigt sich, dass Schuld und Stolz in den kulturell unterschiedlichen Emotionsmodellen gegensätzlich bewertet werden. Die Kulturen der Schuld und der Scham haben in den letzten Jahrzehnten in den Kulturwissenschaften viel Aufmerksamkeit erhalten. Wissenschaftler haben ihre kulturspezifischen psychologischen Mechanismen, die kulturellen Bewertungen, die sie auslösen, ihre Erfahrung und ihren Ausdruck untersucht (z. B. Bierbrauer, 1992; Casimir & Schnegg, 2002; Fontaine et al., 2006; Ha, 1995; Tangney et al., 1995; Wong & Tsai, 2007). Die zahlreichen Veröffentlichungen zu diesem Thema würden den Umfang und die Kapazität dieses Buches bei weitem sprengen.
5.4.3 Kulturelle Modelle des Glücks Universelle und kulturspezifische kulturelle Modelle des Glücks Studien (siehe z. B. Diener et al., 2013) haben deutliche Hinweise darauf geliefert, dass nationale soziale Umfelder und Bedingungen sowie individuelle Umstände Auswirkungen auf Glück und Wohlbefinden haben. Eine mehrstufige Überprüfung mehrerer Studien hat gezeigt, dass einige soziale und persönliche Rahmenbedingungen wie Einkommen, die Befriedigung psychosozialer Bedürfnisse und Extraversion in vielen Kulturen stark mit subjektivem Wohlbefinden und Lebenszufriedenheit verbunden sind. Die Verfügbarkeit von sozialer Unterstützung korreliert mit dem Erleben positiver Gefühle. Die Länder, die sowohl wohlhabend sind als auch psychosoziale Bedürfnisse erfüllen, sind am glücklichsten, während die Länder, die arm sind und psychosoziale Bedürfnisse nicht erfüllen, am wenigsten glücklich sind. Insgesamt haben die Komponenten des subjektiven Wohlbefindens, ihre Beziehungen und die gesellschaftlichen Faktoren, die sie beeinflussen, universelle und kulturspezifische Aspekte. Was die globalen Kulturregionen betrifft, so wurden die Glücksmodelle in der Regel zwischen dem westlichen (europäisch-amerikanischen) Kulturmodell
5.4 Kulturelle Modelle grundlegender und komplexer Emotionen
247
des unabhängigen Selbst und dem östlichen (ostasiatischen) Kulturmodell des interdependenten Selbst verglichen. Euroamerikaner assoziieren Glück mit individuell ausgerichtetem subjektivem Wohlbefinden, persönlichen Errungenschaften und dem Streben nach positiven Gefühlen. Ostasiaten assoziieren Glück mit sozial orientiertem subjektivem Wohlbefinden, der Erfüllung sozialer Rollenverpflichtungen und einem dialektischen Gleichgewicht positiver und negativer hedonischer Gefühle (z. B. Diener et al., 2002; Lu & Gilmour, 2004; Kitayama et al., 2000; Suh et al., 1998; Uchida et al., 2008; Uchida & Kitayama, 2009). Diese und andere Aspekte dieser globalen kulturellen Modelle des Glücks werden in den folgenden Abschnitten beschrieben. Amerikanisches Modell des Glücks Das US-amerikanische Modell betrachtet Glück in erster Linie als persönliches Glück, das sich aus persönlicher Leistung ergibt. Glück ist eine weitgehend und überwiegend positive hedonistische Erfahrung. Zu den Faktoren, die die US- amerikanische individualistische Kultur widerspiegeln und die in hohem Maße mit Glück verbunden sind, gehören persönliche Leistung (Emmons, 1986), das Erreichen unabhängiger Ziele (Oishi & Diener, 2001), persönliche Kontrolle (Kitayama et al., 2010) und individuelles Selbstwertgefühl (Campbell, 1981; Diener & Diener, 1995). Andererseits haben in der US-amerikanischen Kultur Beziehungsharmonie und soziale Unterstützung einen schwachen Einfluss auf das Glück (Uchida et al., 2008). Die jüngste Studie (Uchida & Kitayama, 2009) analysierte die spontanen Beschreibungen von Glück durch US-amerikanische und japanische Teilnehmer mit multidimensionaler Skalierung und stellte fest, dass das US-amerikanische Glücksmodell zwei hervorstechende Merkmale aufweist: Es ist persönlich und positiv. Dies steht im Einklang mit dem europäisch-amerikanischen kulturellen Modell des Selbst als unabhängig. Für die US-Amerikaner gilt Glück als höchste persönliche Leistung und Selbstwertgefühl. Mehrere Studien (Kwan et al., 1997; Uchida et al., 2004) untersuchten die Rolle des Selbstwertgefühls, der Beziehungsharmonie und der emotionalen Unterstützung als Faktoren, die zur Lebenszufriedenheit beitragen, und stellten fest, dass in der nordamerikanischen Stichprobe das Selbstwertgefühl der einzige Prädiktor für die Lebenszufriedenheit war. Viele US-Amerikaner streben mehr nach persönlichem Glück als Asiaten. Einigen Studien zufolge (z. B. Diener et al., 2002, 1995; Kitayama et al., 2000; Oishi, 2002) berichten US-Amerikaner häufiger über positive Emotionen als Japaner. Das subjektive Wohlbefinden von Menschen in individualistischen Kulturen ist wesentlich höher als in kollektivistischen Kulturen. Aus methodischer Sicht schlug Oishi (2002) jedoch vor, dass diese kulturübergreifenden Unterschiede möglicherweise nicht die Unterschiede im tatsächlichen emotionalen Erleben widerspiegeln. Diese Unterschiede könnten zum Teil auf eine
248
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
motivierte Tendenz der US-Amerikaner zurückzuführen sein, mehr Aufmerksamkeit aufzubringen, sich zu erinnern und über positive emotionale Erfahrungen zu berichten. Ostasiatische Modelle des Glücks Das japanische Modell, ein Beispiel für ostasiatische Kulturmodelle, sieht Glück in erster Linie als Ergebnis der Verwirklichung sozialer Harmonie und glaubt an eine ganzheitliche Auffassung von Glück, die die natürliche Koexistenz positiver und negativer affektiver Zustände zulässt. Das japanische Modell des Glücks ist eher sozial als persönlich und wird als ambivalente Erfahrung aufgefasst. Zu den Faktoren, die die japanische kollektivistische Kultur widerspiegeln und die in hohem Maße mit Glück verbunden sind, gehören positives soziales Engagement (Kitayama et al., 2000, 2006), die Erfüllung von Beziehungspflichten und die Anpassung an soziale Normen (Suh et al., 1998), das Erreichen von zwischenmenschlichen Zielen (Oishi & Diener, 2001) und Beziehungsharmonie (Kang et al., 2003; Kwan et al., 1997) sowie der Erhalt emotionaler Unterstützung (Uchida et al., 2008). In der japanischen Kultur hingegen korreliert das Selbstwertgefühl weniger mit dem Glück (Diener & Diener, 1995). Neben dem persönlichen Glück sind Ostasiaten auch motiviert, zwischenmenschliches und gemeinschaftliches Wohlbefinden und Glück zu erreichen (Morling et al., 2002; Uchida et al., 2004). Das Glück des Einzelnen in ostasiatischen Kulturen hängt mehr von seinen positiven sozialen Beziehungen zu anderen ab als von seinen persönlichen Errungenschaften und Vergnügungen. Persönliches Glück kann sogar die sozialen Beziehungen stören. Mangelnde Bescheidenheit und übermäßiger Ausdruck von persönlichem Erfolg können bei anderen Eifersucht und Neid hervorrufen. Daher streben die Menschen eher nach Harmonie in den Beziehungen und sozialem Wohlbefinden als nach persönlichem Glück. Glück wird eher als intersubjektiver Zustand denn als introsubjektiver Zustand betrachtet, wobei der Schwerpunkt auf Mitgefühl, Sympathie und Unterstützung liegt. Ein Zustand des Glücks hängt vom Bewusstsein der sozialen Harmonie ab (Kitayama & Markus, 2000). Die hier zitierte aktuelle Studie (Uchida & Kitayama, 2009), in der die Beschreibungen des Glücks durch japanische und US-amerikanische Teilnehmer verglichen wurden, ergab, dass das japanische Glücksmodell zwei hervorstechende Merkmale aufweist: Es ist sozial und ambivalent. Das Glücksverständnis der Menschen ist stark beziehungsorientiert und konzentriert sich auf die letztendliche Bedeutung sozialer Beziehungen. Dies steht im Einklang mit dem japanischen kulturellen Modell des Selbst als interdependent. Forscher (Kwan et al., 1997; Uchida et al., 2004) untersuchten den relativen Beitrag von Selbstwertgefühl, emotionaler Unterstützung und Beziehungsharmonie zur Lebenszufriedenheit. Sie fanden heraus (Kwan et al., 1997), dass bei Teilnehmern in Hongkong (asiatische Kultur) Beziehungsharmonie und Selbstwertgefühl gleichermaßen wichtige Prädiktoren für die Lebenszufriedenheit waren. Die Studien erga-
5.4 Kulturelle Modelle grundlegender und komplexer Emotionen
249
ben auch (Uchida et al., 2004), dass bei Teilnehmern in Japan und auf den Philippinen (zwei asiatische Kulturen) die wahrgenommene emotionale Unterstützung durch nahestehende Personen und das Selbstwertgefühl gleichermaßen zum Glücks erleben beitrugen. Die emotionale Ambivalenz des Glücks könnte mit der Idee von Yin und Yang in der alten konfuzianischen Philosophie zusammenhängen: Alles existiert in der Dualität als Einheit von untrennbaren, gegensätzlichen und sich ergänzenden Aspekten des Lebens. Glück ist für Ostasiaten kein absoluter Zustand, sondern eine dynamische, relative und kontextabhängige Erfahrung. Als beispielsweise US-amerikanische und chinesische Teilnehmer gebeten wurden, die Dynamik und Veränderung von Glück im Leben darzustellen (Ji et al., 2001), wählten US-Amerikaner eher lineare Graphen, während Chinesen eher nichtlineare Graphen wählten. Letztere stellten die vorübergehende und schwankende Natur des Glücks dar. Der Konfuzianismus sowie der Buddhismus und der Taoismus sind ostasiatische Kulturideologien, die eine ganzheitliche Weltsicht vertreten und davon ausgehen, dass alles mit allem zusammenhängt. Insbesondere positive affektive Zustände sind mit negativen verbunden und können mit ihnen verflochten sein. Im Gegensatz zur europäisch-amerikanischen Kulturauffassung, in der positive und negative Gefühlszustände als widersprüchlich erscheinen, werden sie in ostasiatischen Kulturen als komplementär angesehen.
5.4.4 Kulturelles Modell der Ehre Ehre als kulturelles Phänomen Ehre ist das Gefühl des eigenen Wertes und des geachteten Selbstkonzepts in der eigenen Sicht und in der Wahrnehmung der anderen. Im Mittelpunkt der Ehre steht die Aufrechterhaltung eines guten persönlichen Rufs sowie eines kollektiven Rufs (z. B. des Familienrufs). Die persönliche Ehre ist das Gefühl, das von dem eigenen inneren Ehrgefühl (d. h. der Sorge um die Ehre) abhängt, das einen dazu motiviert, sich ehrenhaft zu verhalten, um Unehre zu vermeiden. Doch erst die soziale Anerkennung einer Person macht ihren Anspruch auf Ehre wirklich geltend. Kollektive Ehre ist ein Gefühl, das von einer Gruppe von Menschen geteilt wird. Die kollektive Ehre bezieht sich auf verschiedene Bezugsgruppen: enge Freunde, politische Partei und Familie (Pitt-Rivers, 1968; Rodriguez Mosquera, 2013; Rodriguez Mosquera et al., 2002; Stewart, 1994). In den Ehrenkulturen werden viele emotionale Ereignisse in Abhängigkeit von ihren sozialen Folgen in Bezug auf die Ehre bewertet. Die Gefühle der Stärke und Macht eines Individuums gegenüber anderen lösen die mit der Ehre verbundenen Emotionen aus, die wichtig sind, weil sie seine sozialen Rechte bestimmen (Abu-Lughod, 2000; Cohen, 1996; Cohen & Nisbett, 1994, 1997; Cohen et al., 1996; Davis, 1977/2016; Peristiany, 1965). In auf Ehre basierenden Kulturen stehen der soziale Status und die Beziehungen des Einzelnen bei der emotionalen Bewer-
250
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
tung im Vordergrund. Die Menschen nehmen die soziale Stellung als natürlich und im Wesentlichen vom Status abhängig wahr (Abu-Lughod, 1986/2000), wobei dies jedoch manchmal als verhandelbar angesehen wird (Cohen et al., 1996). Die Kulturen der Ehre in verschiedenen Gesellschaften In der frühen Forschung wurde die Bedeutung der Ehre als kulturelles Phänomen in der Regel den Grenzregionen und nicht den institutionalisierten Gesellschaften zugeschrieben (Nisbett & Cohen, 1996; Sommers, 2009; Stewart, 1994) sowie kollektivistischen Kulturen und nicht individualistischen Kulturen (Abu-Lughod, 2000; Jakubowska, 1989; Peristiany, 1965). Auch in so unterschiedlichen Ländern wie Mazedonien, Neuseeland, Spanien, Brasilien, dem Vereinigten Königreich, den Vereinigten Staaten, Israel und Japan gibt es unterschiedliche Ehrvorstellungen, unabhängig davon, ob es sich um individualistische oder kollektivistische Gesellschaften handelt. Laut der Studie von Guerra, Giner-Sorolla und Vasiljevic (2013) erkennen die Menschen in jeder dieser Kulturen Integrität, Familienehre, weibliche Ehre und männliche Ehre als unterschiedliche Aspekte der Ehre an. Nach dieser Kategorisierung werden Südeuropa (d. h. die Türkei, Pakistan) und die südlichen US-Bundesstaaten als Ehrenkulturen betrachtet. In ländlichen und städtischen Gebieten mediterraner Kulturen (z. B. Spanien, siehe Mosquera et al., 2002) spielt die Ehre in den Normen, Überzeugungen und sozialen Praktiken eine große Rolle. Südostasiatische Länder (z. B. Südkorea) werden als Gesichtskulturen betrachtet. Nordeuropäische Länder (z. B. Deutschland) und nordamerikanische Staaten werden als Würdekulturen bezeichnet (Anjum et al., 2019). Wie Rodriguez Mosquera et al. (2002) feststellten, wird Ehre in den nordeuropäischen Ländern (z. B. in den Niederlanden) heutzutage zwar weniger geschätzt, war und ist aber immer noch in gewissem Maße vorhanden. Niederländische Ausdrücke wie „Er ist zu stolz, um dieses Angebot anzunehmen“ oder „Er fühlte sich geehrt, dass er eingeladen wurde“ spiegeln die Existenz eines Ehrbegriffs wider. Regionalübergreifende Forschungen in den Vereinigten Staaten untersuchten die Art der männlichen Ehre in diesen Kulturen bei weißen, nicht-hispanischen Männern aus dem Norden und Süden. Dabei ging es um die Frage, wie sie Wut und Aggression als Reaktion auf Beleidigungen einsetzen (Cohen et al., 1996; Cohen & Nisbett, 1994, 1997; Leung & Cohen, 2011; Vandello et al., 2008). Die Ergebnisse zeigen, dass Menschen in Ehrenkulturen bereit sind, ihren Ruf als harte Männer mit Gewalt zu schützen. Die Männer aus dem Süden befürworten Gewalt als Reaktion auf Beleidigungen oder Drohungen. Sie sind stärker davon überzeugt, dass Beleidigungen ihrem Ruf der Härte schaden (Cohen et al., 1996). Daher zeigen Personen aus einer Kultur, die den Wert der Ehre betont, selbst bei einer geringfügigen Beleidigung wahrscheinlich physiologische, emotionale und verhaltensmäßige Anzeichen von Wut.
5.4 Kulturelle Modelle grundlegender und komplexer Emotionen
251
Eine Kultur der Ehre in den Vereinigten Staaten Wie ich bereits in früheren Abschnitten erwähnt habe, unterscheiden sich einige implizite kulturelle Normen der Kultur in den Südstaaten der Vereinigten Staaten von den Normen der Kultur in den Nordstaaten in Bezug auf die Einstellung und den Wert der Ehre (Cohen et al., 1996). Obwohl Menschen in südlichen Ländern weniger empfänglich für subtile Feindseligkeiten und kleine Beleidigungen sind, reagieren sie besonders empfindlich und überempfindlich auf große Beleidigungen. Unbewusst ziehen sie es vor, die kleinen Beleidigungen, Gesten und Handlungen anderer nicht zu bemerken, um häufige Wutausbrüche zu vermeiden. Wenn die Beleidigungen und Kränkungen jedoch absichtlich und öffentlich sind, bedrohen diese Handlungen ernsthaft das Ehrgefühl. Die Beleidigungen werden als Verletzung der Ehre empfunden. Sobald die Beleidigung schwerwiegend ist, fühlen sich Südstaatler gezwungen, ihre Ehre zu verteidigen. Wenn eine Situation wirklich ärgerlich ist, werden Südländer richtig wütend und bringen ihre Wut und ihre aggressiven Reaktionen intensiv zum Ausdruck, wobei es zu verbalen und körperlichen Konfrontationen kommen kann. Nachdem sie ihre Wut zum Ausdruck gebracht haben, neigen Südländer dazu, weniger nachtragend zu sein (im Vergleich zu Nordländern), da sie ihre Stärke zeigen und der Punkte stand ausgeglichen ist (Cohen et al., 1999). Diese kulturellen Tendenzen sind historisch bedingt und immer noch weit verbreitet (Cohen et al., 1999). Nichtsdestotrotz führen individuelle und typologische Persönlichkeitsunterschiede dazu, dass die Südstaatler die mit Ehre verbundenen Emotionen individuell erleben. Verschiedene Bedeutungen von Ehre Der Begriff der Ehre kann in verschiedenen Kulturen und Sprachen unterschiedliche Bedeutungen haben. Betrachten wir die Beispiele der spanischen und der niederländischen Kultur. Die Ergebnisse einer Studie (Rodriguez Mosquera et al., 2002) zeigen, dass die Werte der sozialen und familiären Interdependenz (z. B. Bescheidenheit, Respekt vor Eltern und älteren Menschen) in der spanischen Kultur wichtiger sind als in der niederländischen. Im Gegensatz dazu sind Werte wie Leistung und Selbstbestimmung (z. B. Ehrgeiz, Fähigkeit, Unabhängigkeit) in der niederländischen Kultur wichtiger als in der spanischen. In weiteren kulturübergreifenden Untersuchungen (Rodriguez Mosquera und Kollegen) wurde das Ehrenkonzept auf vier Arten erweitert: (1) Familienehre, der Wert des Schutzes der Ehre der eigenen Familie; (2) Integritätsehre, der Wert des Ansehens einer Person für Ehrlichkeit und fairen Umgang; (3) männliche Ehre, der Wert des „männlichen“ Ansehens für die Unterstützung durchsetzungsfähiger Männlichkeit (z. B., Unterstützung einer Familie, sexuelle Erfahrungen); (4) weibliche Ehre, der Wert der Verpflichtung einer Frau im Hinblick auf ihre traditionelle
252
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Geschlechterrolle (z. B. Wahrung der Keuschheit und sexuellen Bescheidenheit (Rodriguez Mosquera et al., 2014). Andere Theoretiker schlugen Ehre, Gesicht und Würde als drei kulturelle Kategorien vor (Leung & Cohen, 2011), die von der relativen Bedeutung der Normen der Ehrlichkeit, Vertrauenswürdigkeit, Gegenseitigkeit und Bestrafung in einer Kultur abhängen. In Ehrenkulturen sind diese Normen hauptsächlich äußerlich, verinnerlicht und führen zum Verlust der Ehre im Falle einer Beleidigung. In Gesichtskulturen sind sie überwiegend äußerlich und beinhalten hierarchiebezogene Bewertungen. Vertrauenswürdige Menschen sind sehr darauf bedacht, ihr Gesicht zu wahren. In Kulturen der Würde ist die Bewertung des Selbst intern und jeder wird als gleichwertig behandelt. Menschen in Ehrenkulturen bevorzugen das Erleben und den Ausdruck von Wut und Scham zum Zweck der Verteidigung. In der Türkei beispielsweise werden die Emotionen Wut und Scham zugelassen, weil sie für das türkische, kulturell normative Verständnis von Ehre von Vorteil sind. In Japan wird die Emotion Scham zugelassen, nicht aber Wut, weil diese Erfahrungen und der Ausdruck von Emotionen für die japanischen kulturellen Normen der Gesichtswahrung von Vorteil sind (Boiger et al., 2014).
5.5 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Valenz emotionaler Erfahrungen 5.5.1 Der Wert positiver versus negativer affektiver Zustände as Konzept der emotionalen Valenz in der D kulturübergreifenden Forschung Schon in der frühen Forschung taucht die Dimension der Valenz, die zwischen positiven und negativen Emotionen unterscheidet, in kulturübergreifenden Studien immer wieder auf (z. B. Diener & Emmons, 1985; Russell, 1980; Russell et al., 1989; Russell & Carroll, 1999; Van Hemert et al., 2007). Eine große und umfassende kulturübergreifende Studie (Kuppens et al., 2006) über die emotionalen Erfahrungen von 9300 Befragten aus 48 Nationen hat gezeigt, dass die Gruppen der positiven und negativen Emotionen kulturübergreifend ähnlich zu sein scheinen. Eine andere Studie (Scollon et al., 2005) kam ebenfalls zu ähnlichen Ergebnissen. Eine weitere Tatsache, die die Bedeutung der Unterscheidung zwischen positiven und negativen Gruppen von Emotionen in der kulturübergreifenden Forschung untermauert, stammt aus einer Studie von Van Hemert et al. (2007). Soziopolitische und psychologische Variablen, die länderübergreifend aggregiert werden, zeigen entgegengesetzte Korrelationsmuster (mit entgegengesetztem Vorzeichen) mit dem selbstberichteten Erleben von positiven und negativen Emotionen. Somit ist der Kontrast zwischen positiven und negativen Emotionen für die kulturübergreifende
5.5 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Valenz emotionaler Erfahrungen
253
Forschung relevant und spiegelt die gegensätzlichen Bedeutungen der beiden Gruppen von Emotionen wider (Diener & Emmons, 1985; Van Hemert et al., 2007). Positive und negative Dimensionen des emotionalen Erlebens wurden auch in vielen Studien über Affekt und Stimmung zuverlässig ermittelt (Watson et al., 1988; Watson & Tellegen, 1985). In kulturübergreifender Hinsicht wurde die Unterscheidung zwischen positivem und negativem Affekt durch Studien bestätigt, die mit kulturellen Stichproben in China (Huang et al., 2003), Spanien (Joiner Jr et al., 1997), Mexiko (Rodriguez & Church, 2003) und Italien (Terraciano et al., 2003) durchgeführt wurden. Kulturelle Normen und das Erleben positiver und negativer Emotionen Kulturelle Normen haben einen wesentlichen Einfluss darauf, wie Menschen in verschiedenen Gesellschaften und in unterschiedlichen Beziehungskontexten Emotionen erleben. Wie der Einzelne glaubt, dass er Emotionen erleben möchte, bestimmt, wie er sie erlebt. Kulturelle Unterschiede in den sozialen Normen über die Angemessenheit, bestimmte Emotionen zu empfinden, und das tatsächliche emotionale Erleben der Menschen sind miteinander verknüpft (Eid & Diener, 2001). Kulturelle Normen des emotionalen Erlebens können die Emotionen der Menschen regulieren. Dies gilt zum Beispiel für positive Emotionen: „Menschen, die positive Emotionen schätzen, sind möglicherweise aufmerksamer gegenüber positiven Ereignissen, suchen möglicherweise Situationen, die positive Emotionen auslösen, bewerten positive Ereignisse positiver, bleiben möglicherweise länger in positiven Situationen und versuchen, ihre positiven Gefühle aufrechtzuerhalten oder sogar zu verstärken. Menschen hingegen, die positive Gefühle für unangemessen halten, vermeiden wahrscheinlich Situationen, die positive Gefühle auslösen, sind möglicherweise nicht in der Lage, positive Situationen auch positiv zu bewerten. Sie ziehen sich möglicherweise viel früher aus positiven Situationen zurück und versuchen möglicherweise sogar, positive Gefühle zu dämpfen (Eid & Diener, 2001, S. 870).“
Studien (Eid & Diener, 2001; Kuppens et al., 2006) haben gezeigt, dass nationale Unterschiede im durchschnittlichen Niveau des positiven Affekts mit der kulturellen Angemessenheit des Erlebens positiver Emotionen zusammenhängen. Derselbe Regulationsmechanismus kann auch wirken, wenn die kulturelle Angemessenheit des Erlebens negativer Emotionen das Erleben negativer Affekte bestimmen kann: „Menschen, die negative Emotionen (z. B. Wut) für angemessen halten, könnten Situationen suchen, die Wut auslösen, wenn sie davon ausgehen, dass diese Situationen hilfreich wären (z. B. zur Klärung von Konflikten, zur Durchsetzung ihrer Ziele). Diese Menschen könnten eher dazu neigen, Situationen im Hinblick darauf zu bewerten, ob sie ihr Ziel behindern könnten, sie könnten sich nicht aus Ärger-Situationen zurückziehen und sie könnten versuchen, ihren Ärger so lange aufrechtzuerhalten, wie sie glauben, dass dies für die Durchsetzung ihrer Ziele notwendig ist. Menschen, die glauben, dass das Erleben von Wut unangemessen ist, könnten jedoch Situationen vermeiden, die Wut hervorrufen. Sie konzentrieren sich bei der Bewertung einer Situation möglicherweise nicht auf die Komponenten einer Situation, die einem persönlichen Ziel im Wege stehen, und sie versuchen möglicherweise, sich frühzeitig aus einer Ärger-Situation zurückzuziehen und ihre Ärger- Reaktion zu unterdrücken oder zu dämpfen. (Eid & Diener, 2001, S. 870)“
254
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Die unterschiedlichen kulturellen Werte in Bezug auf das ideale emotionale Erleben stimmen nicht immer mit den Emotionen überein, die die Menschen tatsächlich erleben. Das tatsächliche Erleben von Emotionen- wie sich Menschen tatsächlich fühlen (tatsächlicher Affekt) kann sich von den kulturellen Normen der gewünschten Emotionen- wie sich Menschen fühlen möchten (idealer Affekt) unterscheiden. Den Studien zufolge (Tsai, 2007; Tsai et al., 2006) könnten diese Unterschiede auf kulturelle Unterschiede im idealen Affekt zwischen den Kulturen und auch auf individuelle Unterschiede zwischen Personen zurückzuführen sein. Persönlichkeitsmerkmale und Temperament des Einzelnen bestimmen in hohem Maße, wie er Emotionen erlebt (Tsai et al., 2006), und es könnte eine erhebliche Variabilität dieser individuellen Unterschiede innerhalb einer Kultur geben, die auf der Ebene eines durchschnittlichen Landes/einer durchschnittlichen Kultur eine Herausforderung darstellen. er Wert des emotionalen Erlebens in unabhängigen und D interdependenten Modellen der Kultur Unterschiede im emotionalen Erleben zwischen westlichen und ostasiatischen Kulturen, die mit unabhängigen bzw. interdependenten Selbstmodellen zusammenhängen, bestehen auch in dem Wert, den sie dem Erleben positiver (bzw. negativer) affektiver Zustände beimessen, und in dem Wert, den sie positiven Zuständen mit hoher bzw. niedriger Erregung beimessen (Tsai & Clobert, 2019). Gemäß der Unterscheidung zwischen unabhängigen und interdependenten Selbstmodellen neigen westliche Menschen eher dazu, positive Emotionen zu maximieren und negative zu minimieren als ostasiatische Menschen. Im Allgemeinen geben positive Emotionen den Menschen das Gefühl, dass sie besser sind als andere, dass sie etwas Besonderes sind. Häufig rufen diese Emotionen Neid bei anderen hervor und machen die Menschen weniger sensibel für die Bedürfnisse anderer. Negative Emotionen hingegen führen dazu, dass man sich selbst schlecht fühlt. Diese Emotionen rufen oft keinen Neid bei anderen hervor und können dazu führen, dass man für den Schmerz anderer Menschen empfänglicher ist. Aufgrund ihres unabhängigen Selbstmodells wollen sich westliche Menschen positiv von anderen unterscheiden: sich abheben, einzigartig sein und zeigen, wie besonders sie sind. Östliche Menschen mit ihrem interdependenten Selbstmodell wollen sich in andere einfügen, sich an andere anpassen, sich der Gruppe anpassen und zeigen, wie ähnlich sie anderen sind. Obwohl sich viele Menschen wünschen, mehr positive als negative Gefühle zu empfinden, variiert das Ausmaß dieses Unterschieds je nach Kultur. Menschen in allen Kulturen wollen positive Gefühlszustände mehr erleben als negative, doch aufgrund kultureller Unterschiede ist diese Tendenz in ostasiatischen Kulturen weniger ausgeprägt – sie legen Wert auf ein Gleichgewicht zwischen positiven und negativen Gefühlen.
5.5 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Valenz emotionaler Erfahrungen
255
5.5.2 Das Erleben positiver und negativer Emotionen in verschiedenen Kulturkreisen uropäisch-amerikanisches Modell der Erfahrung positiver und E negativer Emotionen Europäische US-Amerikaner nehmen positive und negative emotionale Erfahrungen als bipolare Gegensätze wahr (Bagozzi et al., 1999). Sie neigen dazu, positive Emotionen zu maximieren und negative zu minimieren, sie bevorzugen positive Zustände mit hoher Erregung gegenüber solchen mit niedriger Erregung, und sie drücken Emotionen, die zu positiven Ergebnissen führen, offen aus. Das Erleben positiver Emotionen ist bei Nordamerikanern relativ stärker ausgeprägt als bei Asiaten. Insbesondere europäische US-Amerikaner erleben positive (angenehme) Emotionen intensiver und häufiger, während sie negative (unangenehme) Emotionen weniger intensiv und seltener erleben (Mesquita & Karasawa, 2002; Oishi, 2002; Scollon et al., 2004; Tsai & Levenson, 1997). Auch erinnern sich europäische US-Amerikaner im Vergleich zu asiatischen US-Amerikanern positiver an ihre vergangenen emotionalen Erfahrungen in einer Situation und beschreiben diese, als sie sich zum Zeitpunkt der Aufgabe tatsächlich fühlten (Oishi, 2002). In anderen Studien konnte diese positive Erinnerungsneigung der europäischen US-Amerikaner jedoch nicht bestätigt werden (Scollon et al., 2004). Ostasiatisches Modell der Erfahrung positiver und negativer Emotionen Bei Ostasiaten treten in ihrem subjektiven Erleben häufig positive und negative Emotionen gleichzeitig auf. Sie erleben diese Emotionen gleichzeitig (Bagozzi et al., 1999). Obwohl eine Mischung von Emotionen im Leben europäischer US-Amerikaner gelegentlich vorkommt, haben Studien herausgefunden, dass diese emotionale Ambivalenz bei Menschen in ostasiatischen Gesellschaften stärker ausgeprägt ist als in westlichen Gesellschaften (Bagozzi et al., 1999; Schimmack et al., 2002; Scollon et al., 2005). Ostasiaten (z. B. Chinesen, Koreaner, Japaner, Inder und asiatische US-Amerikaner) schätzen und erleben stärker als Westler (z. B. europäische US-Amerikaner, Hispanoamerikaner in den Vereinigten Staaten) ein Gleichgewicht zwischen positiven und negativen affektiven Zuständen (Scollon et al., 2005; Sims et al., 2015). Dies kann erklären, warum Ostasiaten dazu neigen, ihre Erfahrungen mit positiven Emotionen im Vergleich zu Westlern zu dämpfen. Wenn sich beispielsweise Japaner an positive Ereignisse in ihrem Leben erinnern, genießen sie ihr Glück weniger und dämpfen ihr Glück während dieser positiven Ereignisse stärker (Miyamoto & Ma, 2011). Wenn Chinesen in einer Beziehung sind, neigen sie dazu, ein emotionales Gleichgewicht zu erleben. In einer Studie wurde festgestellt, dass chinesische US-Amerikaner bei Gesprächen über ihre Be-
256
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
ziehung ihre Emotionen eher mäßigen und kontrollieren und im Vergleich zu europäischen US-Amerikanern weniger Phasen und eine geringere Variabilität der positiven Emotionen erleben (Tsai & Levenson, 1997). Wie ich bereits in früheren Abschnitten erörtert habe, können Menschen in einer ostasiatischen Kultur das gleichzeitige Auftreten von positiven und negativen Emotionen, von „gemischten“ Emotionen, natürlich akzeptieren. Für Menschen in einer westlichen Kultur ist dies eine größere Herausforderung, weshalb sie dazu neigen, solche Erfahrungen zu vermeiden. Europäische US-Amerikaner beispielsweise empfinden weniger gemischte Gefühle als chinesische US-Amerikaner und Hongkong-Chinesen (Sims et al., 2015). In weiteren Studien wurden die Einzelheiten dieser Erfahrung untersucht. Insbesondere fanden Forscher heraus, dass Menschen in vielen Kulturen selten angenehme und unangenehme Emotionen gleichzeitig empfinden (Scollon et al., 2005) und dass eine dialektische Mischung aus positiven und negativen Emotionen normalerweise in positiven Situationen auftritt (Leu et al., 2010). Ostasiatische bikulturelle Menschen, die in westlichen Ländern leben, können ihren Modus des emotionalen Erlebens wechseln. Wenn sie sich mit einer asiatischen Kultur identifizieren oder in einer asiatischen Sprache kommunizieren, ist es wahrscheinlicher, dass sie eine dialektische Mischung von Emotionen erleben. Wenn sie sich jedoch mit einer westlichen Kultur identifizieren oder in einer nicht-asiatischen Sprache kommunizieren, neigen sie weniger dazu, solche dialektischen Emotionen zu erleben (Perunovic et al., 2007). Ostasiaten kommen mit gemischten emotionalen Erfahrungen besser zurecht als Westler (Aaker et al., 2008; Hong & Lee, 2010; Kim et al., 2014; Williams & Aaker, 2002), erkennen die Ereignisse ihres Lebens – auch die positiven – als gemischter mit Emotionen als europäische US-Amerikaner (Leu et al., 2010; Miyamoto et al., 2010) und beschreiben Glück als eine gemischtere Emotion (Uchida & Kitayama, 2009). egulierungsstile für positives und negatives emotionales Erleben R in westlichen und östlichen Kulturen Mesquita und Leu (2007) interpretieren diese ost-westlichen Unterschiede im emotionalen Erleben durch kulturspezifische Regulationsstile in unabhängigen (westlichen) und interdependenten (östlichen) Kulturen. Wenn etwas Schlimmes passiert ist, versuchen Menschen sowohl in ostasiatischen als auch in westlichen Kulturen, den positiven Aspekt des Ereignisses zu finden und empfinden daher auch eine positive Emotion. Wenn hingegen etwas Gutes passiert ist, bemühen sich nur Menschen in ostasiatischen Kulturen, den negativen Aspekt des Ereignisses zu finden. Dies charakterisiert zwei kulturelle Ansätze zur Emotionsregulierung: Der europäisch-amerikanische Stil, bei dem der Schwerpunkt auf der Maximierung positiver Gefühle und der Minimierung negativer Gefühle liegt, und der ostasiatische Stil, bei dem der Schwerpunkt auf der Mäßigung positiver und negativer Gefühle liegt.
5.5 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Valenz emotionaler Erfahrungen
257
Ergebnisse auf Länderebene (Grossmann et al., 2016) belegen eine wichtige Rolle des unabhängigen Selbstmodells (das in individualistischen Kulturen vorherrscht) gegenüber dem interdependenten Selbstmodell (das in kollektivistischen Kulturen vorherrscht) bei der Ausprägung dieser kulturellen Unterschiede. I nterdependente Kulturen und ihre Modelle der Erfahrung positiver und negativer Emotionen: Mexikanischer und japanischer Vergleich Die mexikanische interdependente Kultur scheint sich in Bezug auf das emotionale Erleben stark von der japanischen zu unterscheiden. Menschen in ostasiatischen Kulturen (z. B. Japaner) neigen dazu, ihre positiven Emotionen zu mäßigen, um ihre sozialen Rollen zu erfüllen und sich in die Beziehungen mit anderen einzufügen. Die Menschen in der mexikanischen Kultur wenden eine solche Emotionsmoderation nicht an. Positive Emotionen und emotionale Ausdrucksfähigkeit werden gefördert und geschätzt (Klein, 2001). Die mexikanischen kulturellen Normen betrachten persönliches Glück und glückliche Ereignisse ausdrücklich als vereinbar mit der Erfüllung von Rollen, der gegenseitigen Abhängigkeit in Beziehungen und der sozialen Anpassung, während negative Ereignisse heruntergespielt werden. Menschen in der mexikanischen interdependenten kollektivistischen Kultur neigen dazu, Emotionen wesentlich anders zu erleben als in der japanischen interdependenten kollektivistischen Kultur (Mesquita & Leu, 2007). Die philosophische dialektische Tradition der ostasiatischen Kulturen und nicht der ostasiatische Kollektivismus tragen zu dem Muster der Beziehung zwischen angenehmen und unangenehmen Emotionen bei, wenn positive und negative Emotionen nicht miteinander korrelieren (Schimmack et al., 2002). Anders als in asiatischen interdependenten Kulturen (z. B. Japaner und Inder) erleben Menschen in einigen nicht-asiatischen interdependenten Kulturen (z. B. Mexikaner) hohe positive affektive Zustände, die sogar höher sind als in der europäischen US-amerikanischen Kultur. Drei Gruppen von Messinstrumenten (globale Selbstberichte, eine Erfahrungsstichprobe für eine Woche und die Erinnerung der Teilnehmer an ihre Emotionen aus der Woche der Erfahrungsstichprobe) erbrachten konvergente Ergebnisse. Die Messungen zeigten kulturelle Unterschiede (Scollon et al., 2004). Hispanische Studenten in Kalifornien erlebten deutlich mehr positive Emotionen als europäische US-amerikanische Universitätsstudenten. Die positiven Emotionen asiatischer Studenten in den Vereinigten Staaten sowie in Japan und Indien waren geringer. Außerdem erlebten Hispanoamerikaner und europäische US-Amerikaner im Vergleich zu den beiden asiatischen Stichproben weniger negative Emotionen. Es zeigt sich also, dass Hispanoamerikaner und Asiaten, die beide interdependenten Kulturen angehören, ihre Emotionen sehr unterschiedlich erleben.
258
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Entwicklung kultureller Werte des emotionalen Erlebens in der Kindheit Einige Studien haben ergeben, dass sich Präferenzen für das Erleben positiver und negativer affektiver Zustände schon in der Kindheit entwickeln. Nach den Einschätzungen der Eltern in Bezug auf die Temperamentseigenschaft „positive Affektivität“ erleben Säuglinge in westlichen Gesellschaften wie den Vereinigten Staaten, Italien, Spanien und Finnland positive Emotionen mit hoher Intensität der Freude, Reaktivität und Lächeln/Lachen. Diese Studien zeigten auch, dass Säuglinge in asiatischen Kulturen wie Japan, China, Russland und Polen eher „negative Affektivität“, Kummer und Angst erleben (Gaias et al., 2012; Gartstein et al., 2003, 2006, 2010; Slobodskaya et al., 2013). Unter den westlichen Ländern wurden beim Vergleich US-amerikanischer Säuglinge mit spanischen und italienischen Kindern einige feine Unterschiede festgestellt. Dennoch waren die affektiven Merkmale spanischer und italienischer Kinder insgesamt den US-amerikanischen Kindern ähnlicher als den chinesischen. Die älteren spanischen und italienischen Kinder zeigten eine höhere Tendenz zum Lächeln und Lachen. Die US-amerikanischen Kinder hingegen waren stabiler in ihrer „positiven Affektivität“ (Gartstein et al., 2006; Montirosso et al., 2011). Kulturelle Unterschiede in der elterlichen Praxis können diese Unterschiede in der Affektivität der Kinder beeinflussen. Europäisch-amerikanische Eltern fördern frühes Durchsetzungsvermögen und Individualität bei Säuglingen, während italienische Eltern- Kind-Interaktionen und enger Körperkontakt Zugehörigkeit und Verbundenheit fördern (Bornstein et al., 2008, 2012). Polnische und russische Säuglinge wiesen sehr ähnliche Affektivitätsprofile auf. Diese Ähnlichkeit könnte auf ihren gemeinsamen slawischen kulturellen Hintergrund zurückzuführen sein. Ein Vergleich der Daten russischer, polnischer und US-amerikanischer Stichproben ergab eine höhere „negative Affektivität“ und eine niedrigere „positive Affektivität“ russischer Kinder im Vergleich zu den US- Amerikanern, jedoch eine Ähnlichkeit zwischen polnischen und US-amerikanischen Kindern bei den Merkmalen „positive Affektivität“ und „negative Affektivität“ (Gartstein et al., 2003, 2005, 2010). Diese gesellschaftlichen Unterschiede in der emotionalen Ausdrucksfähigkeit könnten als Ergebnis kultureller Unterschiede in der Erziehungspraxis interpretiert werden. Viele Studien, die hier zitiert wurden, stützen dies. Eine alternative Erklärung ist auch durch das Temperament möglich. Diese Unterschiede in der emotionalen Ausdrucksfähigkeit und Reaktivität zeigen sich schon in der frühen Kindheit. Die Ergebnisse einiger Studien deuten darauf hin, dass asiatische Säuglinge im Vergleich zu kaukasischen Säuglingen tendenziell eine geringere Erregung aufweisen (Caudill & Weinstein, 1969; Freedman & Freedman, 1969; Kagan et al., 1978; Lewis, 1989; Lewis et al., 1993). Freedman und Freedman (1969) entdeckten insbesondere, dass neugeborene asiatische US-Amerikaner weniger labil sind und weniger bereit sind, ein auf ihr Gesicht gelegtes Tuch wegzunehmen; sie sind ruhiger und leichter zu trösten, wenn sie in Not sind, als europäische US-Amerikaner. Caudill und Weinstein (1969) stellten fest, dass japanische Säuglinge im Vergleich zu europäisch-amerikani-
5.5 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Valenz emotionaler Erfahrungen
259
schen Säuglingen in den Vereinigten Staaten weniger leicht erregbar sind. Mehrere Forscher (Lewis, 1989; Lewis et al., 1993) stellten fest, dass japanische Säuglinge bei Babyuntersuchungen im Vergleich zu europäisch-amerikanischen Säuglingen weniger reaktiv sind. Sie reagieren auch seltener mit heftigem Kummer auf eine Impfung. Daten zeigten (Kagan et al., 1978), dass chinesisch-amerikanische Säuglinge im Vergleich zu europäisch-amerikanischen Säuglingen weniger aktiv sind, weniger lautstark reagieren und weniger lächeln, wenn sie visuelle oder auditive Ereignisse wahrnehmen. In einer späteren Studie (Kagan et al., 1994) mit 4 Monate alten Säuglingen aus den Vereinigten Staaten (Boston), Irland (Dublin) und China (Peking) wiesen die Forscher kulturübergreifende Unterschiede im Reaktionsvermögen auf visuelle, auditive und olfaktorische Reize nach. Die Beobachtungen zeigten, dass chinesische Säuglinge deutlich weniger aktiv, reizbar und lautstark sind als US-amerikanische und irische Säuglinge. Die US-amerikanischen Säuglinge wiesen das höchste Reaktivitätsniveau auf. Da diese Temperamentsunterschiede bei sehr jungen Kindern zu beobachten sind, vermuten einige Autoren, dass auch genetische Faktoren eine Rolle bei diesen kulturübergreifenden Unterschieden spielen könnten (Kagan et al., 1994).
5.5.3 Die Auswirkungen negativer und positiver emotionaler Erfahrungen auf die physische und psychische Gesundheit Auswirkungen negativer Emotionen auf Gesundheit und Wohlbefinden Es ist erwähnenswert, dass empirische Ergebnisse zeigen, dass die kulturelle Bedeutung positiver und negativer Erfahrungen darüber entscheidet, wie sich die tatsächlichen Erfahrungen mit negativen und positiven Emotionen auf die körperliche und geistige Gesundheit auswirken. Viele Studien haben gezeigt, dass negative Emotionen mit zahlreichen negativen physiologischen und psychologischen Folgen einhergehen (z. B. verstärkte Schmerzen und Müdigkeit, erhöhte kardiovaskuläre Erkrankungen, erhöhtes Krebsrisiko, geringere Lebenszufriedenheit und schnellere Sterblichkeit) (siehe für eine detaillierte Übersicht Tsai & Clobert, 2019). Bei der Befragung von mehr als 150.000 Personen aus 142 Ländern zu ihren Emotionen und ihrer Gesundheit fanden Forscher (Pressman et al., 2013) heraus, dass sowohl in Industrie- als auch in Entwicklungsländern Menschen, die mehr negativen Affekt erleben, die schlechtere Gesundheit haben. Diese schädlichen Auswirkungen negativer affektiver Zustände auf negative physiologische und psychologische Ergebnisse variieren jedoch im Ausmaß zwischen den Kulturen (Consedine et al., 2002; Curhan et al., 2014; Diener & Suh, 2000; (Kuppens et al., 2008; Miyamoto et al., 2013; Miyamoto & Ryff, 2011). Solche kulturellen Unterschiede traten selbst dann auf, wenn objektive Marker für die körperliche Gesundheit verwendet wurden (siehe Übersicht in Tsai & Clobert, 2019).
260
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Auswirkungen positiver Emotionen auf Gesundheit und Wohlbefinden Was die Auswirkungen positiver Emotionen auf Gesundheit und Lebenszufriedenheit betrifft, so waren die Ergebnisse optimistisch. Die bereits erwähnte Studie über die Beziehungen zwischen Emotionen und Lebenszufriedenheit in 46 Ländern (Kuppens et al., 2008) ergab, dass positive Emotionen im Vergleich zu negativen Emotionen in allen Ländern eine stärkere Vorhersagekraft für die Lebenszufriedenheit haben. Eine andere Studie (Leu et al., 2011) ergab, dass das Erleben positiver Emotionen bei europäischen US-Amerikanern sowie bei in den Vereinigten Staaten geborenen asiatischen US-Amerikanern weniger mit depressiven Symptomen verbunden war. Das Ausmaß dieser Assoziation von positiven Emotionen mit weniger depressiven Symptomen war jedoch bei europäischen US-Amerikanern größer als bei asiatischen US-Amerikanern. Abweichend von diesem Trend war das Erleben positiver Emotionen bei asiatischen Einwanderern in die Vereinigten Staaten nicht mit depressiven Symptomen verbunden.
5.6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Intensität des emotionalen Erlebens 5.6.1 Emotionale Erregung in verschiedenen Kulturen Die kulturellen Werte niedriger und hoher emotionaler Erregung Die Kulturen unterscheiden sich in ihrer Einstellung zum Erleben von niedriger und hoher Erregung, von Emotionen mit geringer und hoher Intensität. Die Normen östlicher (kollektivistischer) Kulturen fördern das Erleben von Emotionen mit geringer Erregung mehr als das Erleben von Emotionen mit hoher Erregung. Diese kulturell normativen Einstellungen hängen mit den wünschenswerten psychologischen Qualitäten in solchen Kulturen zusammen – Konformität und Anpassung an andere Menschen. Die Emotionen mit niedriger Erregung tragen besser zur Erreichung dieses Ziels bei als die Emotionen mit hoher Erregung. Die Normen westlicher (individualistischer) Kulturen hingegen legen nahe, die Emotionen mit hoher Erregung stärker zu erleben als die Emotionen mit niedriger Erregung. Die kulturell normativen Einstellungen dieser Kulturen ermutigen die Menschen, andere zu beeinflussen. Die Emotionen mit hoher Erregung sind gut geeignet und effektiv, um diese Ziele zu erreichen (Lim, 2016). ulturell unterschiedliches Erleben von niedriger und hoher K emotionaler Erregung Diese Unterschiede in den kulturell geförderten Normen des emotionalen Erregungsniveaus zeigen sich auch in den tatsächlichen Erregungsniveaus des emotionalen Erlebens: Menschen in östlichen Kulturen neigen dazu, in ihrem Alltag über-
5.6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Intensität des emotionalen Erlebens
261
wiegend Emotionen mit niedrigem Erregungsniveau zu erleben, während das emotionale Erleben von Menschen in westlichen Kulturen häufiger mit Emotionen mit hohem Erregungsniveau verbunden ist (Lim, 2016). Die Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Menschen in verschiedenen Kulturen ein unterschiedliches Maß an emotionaler Erregung bei tatsächlichen und idealen Emotionen haben (Lim, 2016). Mehrere kulturübergreifende Studien (siehe Übersicht in Lim, 2016) haben gezeigt, dass Männer und Frauen in östlichen Kulturen Emotionen mit niedriger Erregung häufiger erleben als Emotionen mit hoher Erregung. Im Gegensatz dazu erleben Menschen in westlichen Kulturen Emotionen mit hoher Erregung häufiger als Emotionen mit niedriger Erregung (Lim, 2016).
5.6.2 Modelle für leidenschaftliches und leidenschaftsloses Leben Die Bedeutung von Emotionen im Leben der Menschen Die kulturellen Werte einer Gesellschaft können Emotionen als lebenswichtige Kräfte oder als störende Episoden im Leben der Menschen betrachten (Wierzbicka, 1999). Folglich nehmen Menschen starke Emotionen entweder als willkommene oder lästige Lebenserfahrung wahr. Kulturelle Einstellungen können eine leidenschaftliche oder leidenschaftslose Lebensweise begünstigen. Solomon (1995) glaubt, dass Lord Byron ein kultureller Verfechter eines leidenschaftlichen Ideals war, das typisch für die westliche Mentalität ist, während ein buddhistischer Bodhisattva ein Verfechter eines leidenschaftslosen Lebensideals war, das typisch für die östliche Mentalität ist. Die westlichen Ideale des leidenschaftlichen Lebens ermutigen dazu, die Leidenschaft in verschiedenen Situationen zu erleben und auszudrücken. Liebe und Hass können und sollen stark sein. Die östlichen Ideale des leidenschaftslosen Lebens halten Erfahrung und Ausdruck von Leidenschaft für unerwünscht. Diese kulturelle Einstellung lässt das Leben voller Emotionen von bescheidener Intensität noch zu. Was das tatsächliche Erleben von Emotionen angeht, so haben die Studien (Roseman et al., 1995) gezeigt, dass Inder im Allgemeinen über eine geringere Intensität von Emotionen berichten als US-Amerikaner. Kulturelle Unterschiede in der Bewertung vermitteln diese Unterschiede in der Gefühlsintensität. Leidenschaftliche Ideale Westliche Kulturen gehen davon aus, dass der Mensch ein Recht darauf hat, Emotionen natürlich zu erleben und auszudrücken, während östliche Kulturen dazu anregen, Emotionen zu moderieren (Pennebaker & Graybeal, 2001). Diese Unterschiede sind immer noch geschlechtsspezifisch. In der US-amerikanischen und chinesi-
262
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
schen Kultur erlauben die Geschlechternormen Frauen, intensive Emotionen natürlich und offen zu erleben und auszudrücken, während die Normen Männern nahelegen, ihre Emotionen zu mäßigen und Strategien zur Emotionsregulierung zu verwenden (Davis et al., 2012). Leidenschaftslose Ideale Asiaten sind weniger expressiv und weniger durchsetzungsfähig. Sie ziehen es vor, den Ausdruck negativer Botschaften und Konfrontationen zu unterdrücken (siehe für einen ausführlichen Überblick Lim, 2003, S. 64). Höflichkeit ist für sie wichtiger als Wahrheitsliebe (Gudykunst & Kim, 1984, S. 142). Wenn sie also erwarten, dass eine direkte und sachliche Antwort peinlich oder unangenehm sein könnte, geben sie lieber eine angenehme und angenehme Antwort auf eine Frage (Hall & Whyte, 1960). Sowohl in der japanischen als auch in der thailändischen Kultur neigen die Menschen dazu, sich zu bemühen, anderen keinen Ärger zu bereiten und ihre Gefühle nicht zu verletzen (Lebra, 1976; Smurkupt & Barna, 1976; Suzuki, 1986). Nach der kulturellen Tradition ist Emotionalität bei Asiaten ein Zeichen für mangelnde Selbstkontrolle. Daher neigen Asiaten dazu, den Ausdruck ihrer Gefühle zu unterdrücken. Sie sagen lieber „gut“ als „fantastisch“ und „nicht sehr gut“ als „schrecklich“. Selbst wenn sie starke persönliche Zuneigung ausdrücken, bevorzugen sie einen Stil der Indirektheit und des Zögerns. Direkte verbale Liebes- und Respektsbekundungen können bei ihnen den Eindruck erwecken, misstrauisch und nicht aufrichtig zu sein. Ein übermäßiges Kompliment oder verbales Lob kann einen Partner in Verlegenheit bringen (Gudykunst & Kim, 1984, S. 142). er Wert von Moderation und Kontrolle bei emotionalen Erfahrungen: D Der Fall China Die chinesische Kultur veranschaulicht die östlichen kulturellen Überzeugungen, dass extreme Emotionen die soziale Harmonie und die Beziehungen stören und gefährlich sind; sie können auch Krankheiten bei einer Person auslösen (Klineberg, 1938; Potter, 1988; Russell & Yik, 1996; Wu & Tseng, 1985; Zheng & Berry, 1991). Ethnographischen Untersuchungen zufolge wird Emotionen in China im Vergleich zu US-amerikanischen Werten eine geringere Relevanz und Bedeutung für soziale Beziehungen und das Leben der Menschen beigemessen (Potter, 1988). Kulturelle Einstellungen betrachten emotionale Erfahrungen als irrelevant, manchmal sogar als gefährlich für soziale Beziehungen. Daher legen die chinesischen kulturellen Normen mehr Wert auf emotionale Kontrolle und Mäßigung als die europäisch- amerikanische Mainstream-Kultur (Potter, 1988; Russell & Yik, 1996; Song, 1985; Wu & Tseng, 1985). Chinesen und chinesische US-Amerikaner neigen dazu, Hemmungen und Zurückhaltung beim Erleben und Ausdrücken von Emotionen zu empfinden. Jüngsten kultur
5.6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Intensität des emotionalen Erlebens
263
übergreifenden Studien zufolge (z. B. Eid & Diener, 2001) zeigen chinesische Teilnehmer im Vergleich zu Taiwanern, Australiern und europäischen US-Amerikanern die geringste Häufigkeit und Intensität sowohl positiver als auch negativer Emotionen. Dieser Effekt ist sogar beim Erleben von Emotionen zu beobachten, die in der chinesischen Kultur als wünschenswert angesehen werden (z. B. Schuldgefühle). Wahrscheinlich haben die kulturellen Werte der Mäßigung und Unterdrückung von Emotionen, die in China allgemein hochgeschätzt werden, Auswirkungen auf das tatsächliche emotionale Erleben. Die kulturübergreifenden Unterschiede im Erleben von Emotionen zwischen den Ländern könnten auf soziale Normen, Genetik, die Physiologie emotionaler Reaktionen, die Persönlichkeit oder die Lebensumstände in den Gesellschaften zurückzuführen sein. Es ist jedoch anzumerken, dass die chinesische Kulturgruppe zwischen China und Amerika sowie das Ausmaß der Akkulturation zwischen einzelnen Personen innerhalb der Vereinigten Staaten (z. B. Chinesen und chinesische US-Amerikaner) erheblich variieren kann. Sie können mehr oder weniger die Sitten und Gebräuche ihrer Herkunftskultur übernehmen (Triandis et al., 1986). Daher zeigen zum Beispiel „chinesische US-Amerikaner, die stärker an die europäische US-amerikanische Mainstream-Kultur angepasst sind, weniger emotionale Mäßigung und Kontrolle als chinesische US-Amerikaner, die weniger an die europäische US-amerikanische Mainstream-Kultur angepasst sind“ (Tsai & Levenson, 1997, S. 604). Experimentelle Ergebnisse stützen diese kulturellen Unterschiede jedoch nur teilweise (Tsai & Levenson, 1997). nterschiedliche kulturelle Einstellungen zum Erleben von Emotionen U in europäischen Kulturkreisen Auch die westlichen kulturellen Einstellungen zum Erleben von Emotionen sind unterschiedlich. Die angloamerikanische akademische Psychologie beispielsweise vermittelt häufig eine kulturspezifische Einstellung zu einem Gefühlszustand (zitiert in Fehr & Russell, 1984) als Abweichung von einem normalen Zustand der Gelassenheit. Nach dieser Auffassung ist das Erleben sehr intensiver Emotionen ein Zustand, der die Fähigkeit zur Verhaltenskontrolle ernsthaft beeinträchtigt. Solche impliziten Annahmen stehen im Einklang mit den kulturellen Werten einer einfluss reichen Strömung innerhalb der angloamerikanischen Kultur. Obwohl ähnliche Einstellungen auch in anderen Kulturen anzutreffen sein mögen, argumentiert Wierzbicka (1999), dass sie sich in der englischen Sprache widerspiegeln. Daher glaube ich, dass sie ein Teil des angloamerikanischen kulturellen Modells von Emotionen sein können, das implizit von intensiven emotionalen Erfahrungen abrät. Im Gegensatz zu diesem Modell sind solche Annahmen und Einstellungen zu Emotionen in der deutschen, italienischen oder russischen Mainstream-Kultur weniger offensichtlich. So werden beispielsweise in der traditionellen russischen Kultur die Emotionen „Freude“, „Entzücken“, „Traurigkeit“, „Kummer“ usw. als natürliche Zustände des Menschen betrachtet, während das Fehlen von „Emotionen“ ein abstumpfender Zustand des Herzens und der Seele eines Menschen wäre. Zusätz-
264
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
lich zu dieser Beobachtung stellte Wierzbicka (1999) fest, dass das russische Emotionslexikon häufig als aktive und nicht als passive Erfahrung konzeptualisiert. Emotionen sind „innere Aktivitäten, an denen man teilnimmt, und nicht Zustände, die man passiv durchlebt, und deshalb werden sie oft mit Verben und nicht mit Adjektiven bezeichnet“ (S. 18), z. B. sich freuen und nicht freudig sein, wütend sein und nicht zornig sein. Die Vorstellung von „Gelassenheit“ als „Normalzustand“ eines Menschen ist NICHT das russische Kulturideal. Daher glaube ich, dass die Akzeptanz intensiver emotionaler Erfahrungen ein Teil des russischen kulturellen Modells der Emotionen ist. Natürlich sind die Gesellschaften heterogen und verändern sich im Laufe der Zeit. Die Menschen können sich in ihrer Einstellung zu Emotionen unterscheiden – einige mögen emotionaler sein als andere. Dennoch spiegelt die Sprache in bestimmten historischen Perioden die vorherrschende Emotionologie der Kulturen wider (Wierzbicka, 1999). Lexikon und begriffliche Metaphern konstituieren teilweise die kulturelle Realität (Kövecses, 2005, S. 189).
5.6.3 Leidenschaftliche westliche und leidenschaftslose östliche kulturelle Modelle von Emotionen motionale Intensität im Rahmen von unabhängigen und E interdependenten Modellen des Selbst Wie bereits in den vorangegangenen Abschnitten erwähnt, möchten Menschen im Allgemeinen mehr positive als negative Emotionen erleben, doch aufgrund ihres kulturellen Hintergrunds bevorzugen sie möglicherweise unterschiedliche Arten von positiven Emotionen und den Grad der emotionalen Erregung, den sie idealerweise empfinden möchten. Die Selbstmodelle von Personen mit unabhängigen und interdependenten Selbstmodellen erklären diese Ungleichheiten (Tsai & Clobert, 2019). Personen mit einem unabhängigen Selbstmodell (wie die US-Amerikaner) werden kulturell ermutigt, andere zu beeinflussen. Solche Handlungen erfordern eine erhöhte physiologische Erregung. Folglich bevorzugen Menschen in diesen Kulturen positive Zustände mit hoher Erregung, Energie, Aufregung und Begeisterung als Ideal. Andererseits werden Personen mit einem interdependenten Selbstmodell (z. B. Chinesen oder Japaner) kulturell dazu angehalten, sich an andere anzupassen. Um sich anzupassen, sollten sie lernen, was andere wollen, und ihr eigenes Verhalten entsprechend ändern. Dies erfordert eine geringere Aktivität, die mit einer geringeren physiologischen Erregung einhergeht. Folglich bevorzugen die Menschen in diesen Kulturen im Allgemeinen das Erleben von Emotionen mit geringer Häufigkeit, Intensität und Dauer. Gemäß dem kulturellen Glauben an die Mäßigung von Emotionen streben sie danach, auch positive emotionale Zustände mit Friedlichkeit, Ruhe und Gelassenheit zu erleben (Bond, 1993; Tamir et al., 2016; Tsai et al., 2006a, b, 2007a, b, c).
5.6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Intensität des emotionalen Erlebens
265
Eine Reihe von Studien hat diese Interpretationen unterstützt (Tsai et al., 2006a, b, 2007a, b, c). Europäische US-Amerikaner wollen Enthusiasmus, Aufregung und andere positive Emotionen mit hoher Erregung als idealere Zustände empfinden als Hongkong-Chinesen, während Hongkong-Chinesen Friedlichkeit, Ruhe und andere positive Emotionen mit niedriger Erregung als idealere Zustände empfinden wollen als europäische US-Amerikaner. Chinesische US-Amerikaner, die sich gleichermaßen an der europäischen und der chinesischen Kultur orientieren, schätzen positive Zustände mit hoher Erregung ebenso sehr wie ihre europäischen Kollegen und positive Zustände mit niedriger Erregung ebenso sehr wie ihre Kollegen aus Hongkong (Tsai et al., 2006a, b, 2007a, b, c). Auch hier bestätigen Studien, dass diese Unterschiede auf kulturelle Unterschiede bei den Zielen der Beeinflussung oder Anpassung zurückzuführen sind. In Umfragen und experimentellen Studien in verschiedenen Kulturen neigen Menschen, die andere beeinflussen wollen, zu positiven Zuständen mit hoher Erregung, und Menschen, die sich an andere anpassen wollen, zu positiven Zuständen mit niedriger Erregung. Kulturelle Unterschiede im idealen Affekt korrespondieren mit den tatsächlichen affektiven Zuständen, die Individuen erleben und was sie tatsächlich fühlen (Tsai et al., 2007a, b, c). Die Unterschiede in den Präferenzen für positive Zustände mit hoher oder niedriger Erregung haben damit zu tun, wie Menschen andere wahrnehmen, was ihnen guttut und wie sie Krankheit und Wohlbefinden einschätzen. So schildern beispielsweise europäische US-Amerikaner im Vergleich zu Hongkong-Chinesen mehr aufregende und weniger ruhige Aktivitäten, wenn sie an ihren idealen Urlaub denken, und sie wählen eher aufregende Musik als asiatische US-Amerikaner (Tsai, 2007; Tsai et al., 2007a, b, c). Im Verbraucherverhalten neigen europäische US-Amerikaner eher dazu, aufregende (im Vergleich zu ruhigen) Produkte zu wählen als Peking- Chinesen, Hongkong-Chinesen und chinesische US-Amerikaner (Tsai et al., 2015). Kulturell idealer Affekt und Wohlbefinden Was die Auswirkungen eines kulturell idealen Affekts auf die Gesundheit und das Wohlbefinden betrifft, so ergab eine Studie (Tsai et al., 2006a, b), dass bei Hongkong- Chinesen, chinesischen US-Amerikanern und europäischen US-Amerikanern die größere Diskrepanz zwischen dem, wie man sich idealerweise fühlen möchte, und dem, wie man sich tatsächlich fühlt, mit mehr depressiven Symptomen verbunden ist. Diese Zusammenhänge sind jedoch von Kultur zu Kultur unterschiedlich. Bei den europäischen US-Amerikanern sagten Diskrepanzen zwischen idealen und tatsächlichen hocherregten positiven Zuständen depressive Symptome voraus, Diskrepanzen zwischen idealen und tatsächlichen niedrig erregten positiven Zuständen jedoch nicht. Bei den Hongkong-Chinesen sagten nur Diskrepanzen zwischen idealen und tatsächlichen positiven Zuständen mit geringer Erregung Depressionen voraus. Bei den chinesischen US-Amerikanern, die sich gleichermaßen an beiden Kulturen orientieren, sind beide Arten von Diskrepanzen mit Depressionen verbunden. Eine andere Studie (Young et al., 2013) ergab, dass bei europäischen US- Amerikanern negative Emotionen mit geringer Erregung, wie z. B. sich träge und
266
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
matt zu fühlen, im Gegensatz zu positiven Emotionen mit hoher Erregung, mit körperlichen Gesundheitsproblemen zusammenhängen, während bei chinesischen US-Amerikanern negative Emotionen mit hoher Erregung, wie z. B. sich ängstlich oder nervös zu fühlen, im Gegensatz zu positiven Emotionen mit geringer Erregung, mit verstärkten körperlichen Gesundheitsproblemen einhergehen. Die empirischen Daten zeigen auch, dass das Fehlen hocherregbarer positiver Emotionen häufig mit Depressionen verbunden ist. Diese Zusammenhänge sind bei europäischen US-Amerikanern stärker ausgeprägt als bei Hongkong-Chinesen. Das Fehlen positiver Emotionen mit geringer Erregung ist jedoch bei Hongkong- Chinesen stärker mit Depressionen verbunden als bei europäischen US-Amerikanern (Tsai & Clobert, 2019). Wie alle diese Ergebnisse zeigen, bevorzugt die europäisch-amerikanische Kultur (mit dem Wert eines unabhängigen Selbstmodells) positive emotionale Zustände mit hoher Erregung stärker und positive emotionale Zustände mit niedriger Erregung weniger als ostasiatische Kulturen (mit dem Wert eines interdependenten Selbstmodells). Die Ergebnisse stützen die Theorie, dass kulturell idealer Affekt vorhersagen und erklären kann, was Menschen gut finden, sowie ihre Vorstellungen von Wohlbefinden, Depression und ihren Gesundheitszustand.
5.6.4 Kulturelle Unterschiede in der Intensität des emotionalen Erlebens Individualismus versus Kollektivismus und Intensität der Emotionen Individualismus und Kollektivismus als kulturelle Dimensionen sind mit der Intensität des Erlebens von Emotionen verbunden. Wie ich bereits in den vorangegangenen Abschnitten erläutert habe, neigen Menschen in individualistischen Kulturen dazu, ihre Aufmerksamkeit auf interne individuelle emotionale Erfahrungen zu richten, während Menschen in kollektivistischen Kulturen ihre Aufmerksamkeit auf externe interaktionelle Aspekte ihrer Emotionen richten und daran denken, wie ihre Handlungen andere beeinflussen. Diese kulturellen Unterschiede können sich auf die Intensität des emotionalen Erlebens auswirken. Studien legen nahe, dass Menschen in individualistischen Kulturen ihre Emotionen intensiver empfinden als in kollektivistischen Kulturen (Basabe et al., 2000; Markus & Kitayama, 1991; Matsumoto, 1991; Scherer et al., 1988). Die Ergebnisse einiger Studien (z. B. Arrindell et al., 1997; Diener et al., 1995) zeigten, dass Individualismus als kulturelle Dimension mit einer hohen Intensität egozentrischer Emotionen verbunden war. Daten aus anderen Studien (Basabe et al., 2000; Diener et al., 1995) stützten ebenfalls die Erkenntnisse, dass öffentliche Akzeptanz, soziale Erwünschtheit und das Erleben einer hohen Intensität negativer und positiver Emotionen in individualistischen Kulturen eine soziale Norm darstellen.
5.6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage der Intensität des emotionalen Erlebens
267
Gesellschaftliche Machtdistanz und Intensität der Emotionen Daten (Basabe et al., 2000) haben gezeigt, dass Menschen in Kulturen mit hoher Machtdistanz die moderierten Emotionen mit geringerer Intensität und geringerer Variabilität erleben. Die Ergebnisse mehrerer Studien (siehe Basabe et al., 2000) haben gezeigt, dass die kulturellen Normen der Kulturen mit hoher Machtdistanz den Wert von Respekt und Unterwerfung schätzen, während sie den Wert des individuellen emotionalen Erlebens herabsetzen. Eine multivariate Analyse der Daten (Basabe et al., 2000) ergab, dass eine hohe Machtdistanz einer der stärksten Prädiktoren für eine niedrige Emotionsintensität war. In diesen Kulturen sind sowohl positive Emotionen (Zufriedenheit, Freude und Stolz) als auch negative Emotionen (Traurigkeit, Angst und Wut) gesellschaftlich weniger erwünscht und weniger intensiv. In den Gesellschaften mit großer Ungleichheit sind soziale Normen für das Erleben von Emotionen geringerer Intensität angemessen und funktional. Eine hohe Intensität von Wut und anderen negativen Emotionen in diesen Kulturen impliziert einen Mangel an zwischenmenschlichem Respekt und Unterordnung. Daher werden die Menschen durch soziale Normen so sozialisiert, dass sie das Auftreten von Situationen, die negative Emotionen hervorrufen, und deren Vorgeschichte minimieren. Oder sie schenken ihren inneren Gefühlen, die mit solchen Situationen verbunden sind, nicht allzu viel Aufmerksamkeit. Kulturelle Weiblichkeit stand in keinem Zusammenhang mit der Intensität des emotionalen Erlebens (Basabe et al., 2000). ozioökonomische Rahmenbedingungen der Gesellschaft und Intensität S der Emotionen Auch die sozioökonomische Entwicklung spielt eine wichtige Rolle bei der Beeinflussung der Intensität des subjektiven Erlebens von Emotionen (z. B. Arrindell et al., 1997; Basabe et al., 2000; Diener et al., 1995; Wallbott & Scherer, 1988). Insbesondere Wallbott und Scherer (1988) zeigten, dass Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen dazu neigen, Emotionen intensiver zu erleben. Die Autoren vermuten, dass Menschen in armen Ländern das soziale Leben als weniger kontrollierbar wahrnehmen und dass ihre emotionalen Reaktionen auf schwierige Lebensereignisse intensiver und länger anhaltend sind. Erwünschtheit von Emotionen und Intensität ihrer Erfahrung Die Erwünschtheit und Angemessenheit bestimmter Emotionen in Gesellschaften kann auch die Intensität des emotionalen Erlebens bestimmen. Hier spielt die Sozialisation eine wichtige Rolle. Wenn Menschen wissen, dass bestimmte Emotionen in einer Kultur erwünscht sind, fühlen sie sich frei, diese Emotionen intensiv zu erleben. Umgekehrt können sie, wenn sie wissen, dass bestimmte Emotionen unangemessen oder unerwünscht sind, lernen, die Intensität ihres Erlebens nach unten zu
268
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
regulieren. Die Normen der Erwünschtheit und die tatsächlichen emotionalen Erfahrungen in Bezug auf Häufigkeit und Intensität korrelieren bei positiven Emotionen stärker miteinander als bei negativen Emotionen (Eid & Diener, 2001).
Literatur Aaker, J., Drolet, A., & Griffin, D. (2008). Recalling mixed emotions. Journal of Consumer Research, 35, 268–278. Abu-Lughod, L. (2000). Veiled sentiments: Honor and poetry in a Bedouin society. University of California Press. (Original work published 1986). Agyekum, K. (2015). Akan metaphoric expressions based on yam ‘stomach’. Cognitive Linguistic Studies, 2(1), 94–115. Anjum, G., Kessler, T., & Aziz, M. (2019). Cross-cultural exploration of honor: Perception of honor in Germany, Pakistan, and South Korea. Psychological Studies, 64, 147–160. Arrindell, W. A., Hatzichristou, C., Wensink, J., Rosenberg, E., van Twillert, B., Stedema, J., & Meijer, D. (1997). Dimensions of national culture as predictors of cross-national differences in subjective well-being. Personality and Individual Differences, 23, 37–53. Averill, J. R. (1985). The social construction of emotion: With special reference to love. In K. J. Gergen & K. E. Davis (Hrsg.), The social construction of the person. Springer. Averill, J. R. (1990). Inner feelings, works of the flesh, the beast within, diseases of the mind, driving force, and putting on a show: Six metaphors of emotion and their theoretical extensions. In D. E. Leary (Hrsg.), Metaphors in the history of psychology (S. 104–132). Cambridge University Press. Bagozzi, R. P., Wong, N., & Yi, Y. (1999). The role of culture and gender and the relationship between positive and negative affect. Cognition and Emotion, 3, 641–672. Basabe, N., Paez, D., Valencia, J., Rimé, B., Pennebaker, J., Diener, E., & González, J. L. (2000). Sociocultural factors predicting subjective experience of emotion: A collective level analysis. Psicothema, 12(Suppl 1), 55–69. Basabe, N., Paez, D., Valencia, J., Gonzalez, J. L., Rimé, B., & Diener, E. (2002). Cultural dimensions, socioeconomic development, climate, and hedonic level. Cognition & Emotion, 16, 103–125. Benedict, R. (1946). The chrysanthemum and the sword: Patterns of Japanese culture. Houghton Mifflin. Berendt, E. A., & Tanita, K. (2011). The ‘heart’ of things: A conceptual metaphoric analysis of heart and related body parts in Thai, Japanese and English. Intercultural Communication Studies, 20(1), 65–78. Bierbrauer, G. (1992). Reactions to violation of normative standards: A cross-cultural analysis of shame and guilt. International Journal of Psychology, 27(2), 181–193. Bilimoria, P., & Wenta, A. (Hrsg.). (2015). Emotions in Indian thought-systems. Routledge. Bockover, M. I. (1995). The concept of emotion revisited: A critical synthesis of Western and Confucian thought. In J. Marks & R. T. Ames (Hrsg.), Emotions in Asian thought (S. 161–180). State University of New York Press. Boiger, M., Gungor, D., Karasawa, M., & Mesquita, B. (2014). Defending honour, keeping face: Interpersonal affordances of anger and shame in Turkey and Japan. Cognition and Emotion, 28(7), 1255–1269. Bond, M. H. (1993). Emotions and their expression in Chinese culture. Journal of Nonverbal Behavior, 17(4), 245–262. Bornstein, M. H., Tamis-LeMonda, C. S., Hahn, C., & Haynes, O. M. (2008). Maternal responsiveness to young children at three ages: Longitudinal analysis of a multidimensional, m odular, and specific parenting construct. Developmental Psychology, 44, 867–874. https://doi.org/10. 1037/0012-1649.44.3.867
Literatur
269
Bornstein, M. H., Putnick, D. L., Suwalsky, J. T. D., Venuti, P., de Falco, S., Zingman de Galperin, C., et al. (2012). Emotional relationships in mothers and infants: Culture-common and community-specific characteristics of dyads from rural and metropolitan settings in Argentina, Italy, and the United States. Journal of Cross-Cultural Psychology, 43, 171–198. https://doi. org/10.1177/0022022110388563 Breugelmans, S. M., Ambadar, Z., Vaca, J. B., Poortinga, Y. H., Setiadi, B., Widiyanto, P., & Philippot, P. (2005). Body sensations associated with emotions in Rarámuri Indians, rural Javanese, and three student samples. Emotion, 5(2), 166–175. Briggs, J. L. (1970). Never in anger: Portrait of an Eskimo family. Harvard University Press. Buck, R. (1984). The communication of emotion. Guilford Press. Campbell, A. (1981). The sense of well-being in America. McGraw-Hill. Casasanto, D. (2009). Embodiment of abstract concepts: Good and bad in right-and left-handers. Journal of Experimental Psychology: General, 138(3), 351–367. Casimir, M. J., & Schnegg, M. (2002). Shame across cultures: The evolution, ontogeny and function of a “moral emotion”. In H. Keller, Y. H. Poortinga, & A. Schölmerich (Hrsg.), Between culture and biology: Perspectives on ontogenetic development (S. 270–302). Cambridge University Press. Caudill, W., & Weinstein, H. (1969). Maternal care and infant behavior in Japan and America. Psychiatry, 32, 12–43. Chaplin, T. M., Hong, K., Bergquist, K., & Sinha, R. (2008). Gender differences in response to emotional stress: An assessment across subjective, behavioral, and physiological domains and relations to alcohol craving. Alcoholism: Clinical and Experimental Research, 32(7), 1242–1250. Chentsova-Dutton, Y. E., & Tsai, J. L. (2010). Self-focused attention and emotional reactivity: The role of culture. Journal of Personality and Social Psychology, 98, 507–519. Cohen, D. (1996). Law, social policy, and violence: The impact of regional cultures. Journal of Personality and Social Psychology, 70(5), 961–978. Cohen, D., & Nisbett, R. E. (1994). Self-protection and the culture of honor: Explaining southern homicide. Personality and Social Psychology Bulletin, 20, 551–567. https://doi. org/10.1177/0146167294205012 Cohen, D., & Nisbett, R. E. (1997). Field experiments examining the culture of honor: The role of institutions in perpetuating norms about violence. Personality and Social Psychology Bulletin, 23, 1188–1199. https://doi.org/10.1177/01461672972311006 Cohen, D., Nisbett, R. E., Bowdle, B. F., & Schwarz, N. (1996). Insult, aggression, and the southern culture of honor: An experimental ethnography. Journal of Personality and Social Psychology, 70, 945–960. https://doi.org/10.1037/0022-3514.70.5.945 Cohen, D., Vandello, J., Puente, S., & Rantilla, A. (1999). “When you call me that, smile!”: How norms for politeness, interaction styles, and aggression work together in Southern culture. Social Psychology Quarterly, 62(3), 257–275. Consedine, N. S., Magai, C., Cohen, C. I., & Gillespie, M. (2002). Ethnic variation in the impact of negative emotion and emotion inhibition on the health of older adults. Journals of Gerontology, Series B: Psychological Sciences, 57, 396–408. Crystal, D. S., Parrott, W. G., Okazaki, Y., & Watanabe, H. (2001). Examining relations between shame and personality among university students in the United States and Japan: A developmental perspective. International Journal of Behavioral Development, 25(2), 113–123. Curhan, K. B., Sims, T., Markus, H. R., Kitayama, S., Karasawa, M., Kawakami, N., et al. (2014). Just how bad negative affect is for your health depends on culture. Psychological Science, 25, 2277–2280. D’Andrade, R. G. (1984). Cultural meaning systems. In R. A. Shweder & R. A. LeVine (Hrsg.), Culture theory: Essays on mind, self, and emotion (S. 88–119). Cambridge University Press. Danzinger, K. (1997). Naming the mind: How psychology found its language. Sage. Davidson, R. J. (1992). Anterior cerebral asymmetry and the nature of emotion. Brain and Cognition, 20(1), 125–151. Davis, E., Greenberger, E., Charles, S., Chen, C., Zhao, L., & Dong, Q. (2012). Emotion experience and regulation in China and the United States: How do culture and gender shape emotion responding? International Journal of Psychology, 47(3), 230–239.
270
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Davis, J. (1977/2016). People of the Mediterranean: An essay in comparative social anthropology. Routledge. De Rivera, J., & Grinkis, C. (1986). Emotions as social relationships. Motivation and Emotion, 10(4), 351–369. Diener, E., & Diener, M. (1995). Cross-cultural correlates of life satisfaction and self-esteem. Journal of Personality and Social Psychology, 68, 653–663. Diener, E., & Emmons, R. A. (1985). The independence of positive and negative affect. Journal of Personality and Social Psychology, 47, 1105–1117. Diener, E., & Suh, E. M. (Hrsg.). (2000). Culture and subjective well-being. The MIT Press. Diener, E., Diener, M., & Diener, C. (1995). Factors predicting the subjective well-being of nations. Journal of Personality and Social Psychology, 69, 851–864. Diener, E., Lucas, R. E., & Oishi, S. (2002). Subjective well-being: The science of happiness and life satisfaction. In C. R. Snyder & S. J. Lopez (Hrsg.), The handbook of positive psychology (S. 63–73). Oxford University Press. Diener, E., Oishi, S., & Ryan, K. L. (2013). Universals and cultural differences in the causes and structure of happiness: A multilevel review. In C. Keyes (Hrsg.), Mental well-being (S. 153–176). Springer. Eid, M., & Diener, E. (2001). Norms for experiencing emotions in different cultures: Inter- and intra-national differences. Journal of Personality and Social Psychology, 81(5), 869–885. Ekman, P., Levenson, R. W., & Friesen, W. V. (1983). Autonomic nervous system activity distinguishes among emotions. Science, 221(4616), 1208–1210. Elasri, K. (2018). A linguistic and cultural analysis of sympathy, compassion, empathy and pity in English and Moroccan Arabic. International Journal of Linguistics and Literature, 7(4), 81–90. Ellsworth, P. C., & Scherer, K. R. (2003). Appraisal processes in emotion. In R. J. Davidson, H. Goldsmith, & K. R. Scherer (Hrsg.), Handbook of the affective sciences (S. 572–595). Oxford University Press. Emmons, R. A. (1986). Personal strivings: An approach to personality and subjective well-being. Journal of Personality and Social Psychology, 51, 1058–1068. Fehr, B., & Russell, J. A. (1984). The concept of emotion viewed from a prototype perspective. Journal of Experimental Psychology: General, 113(3), 464–486. Fontaine, J. R. J., Poortinga, Y. H., Setiadi, B., & Markam, S. S. (2002). Cognitive structure of emotion terms in Indonesia and The Netherlands. Cognition & Emotion, 16, 61–86. https://doi. org/10.1080/02699933014000130 Fontaine, J. R. J., Luyten, P., de Boeck, P., Corveleyn, J., Fernandez, M., Herrera, D., et al. (2006). Untying the Gordian knot of guilt and shame: The structure of guilt and shame reactions based on situation and person variation in Belgium, Hungary, and Peru. Journal of Cross-Cultural Psychology, 37, 273–292. Fontaine, J. R. J., Scherer, K. R., Roesch, E. B., & Ellsworth, P. (2007). The world of emotion is not two-dimensional. Psychological Science, 18(12), 1050–1057. https://doi.org/10.1111/ j.1467-9280.2007.02024.x Fontaine, J. R. J., Scherer, K. R., & Soriano, C. (Hrsg.). (2013). Components of emotional meaning: A sourcebook. Oxford University Press. Freedman, D. G., & Freedman, N. C. (1969). Behavioural differences between Chinese – American and European-American newborns. Nature, 224(5225), 1227–1227. Friedlmeier, W., Corapci, F., & Benga, O. (2015). Early emotional development in cultural perspective. In L. Jensen (Hrsg.), Oxford handbook of human development and culture: An interdisciplinary perspective (S. 127–148). Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/oxfor dhb/9780199948550.013.9 Frijda, N. H. (1993). The place of appraisal in emotion. Cognition and Emotion, 7, 357–387. Frijda, N. H., & Sundararajan, L. (2007). Emotion refinement: A theory inspired by Chinese poetics. Perspectives on Psychological Science, 2, 227–241. Frijda, N. H., Kuipers, P., & ter Schure, E. (1989). Relations among emotion, appraisal, and emotional action readiness. Journal of Personality and Social Psychology, 57(2), 212–228. https:// doi.org/10.1037/0022-3514.57.2.212
Literatur
271
Gadea, M., Espert, R., Salvador, A., & Martí-Bonmatí, L. (2011). The sad, the angry, and the asymmetrical brain: Dichotic listening studies of negative affect and depression. Brain and Cognition, 76(2), 294–299. Gaias, L. M., Raikkonen, K., Komsi, N., Gartstein, M. A., Fisher, P. A., & Putnam, S. P. (2012). Cross-cultural temperamental differences in infants, children, and adults in the United States of America and Finland. Scandinavian Journal of Psychology, 53, 119–128. https://doi. org/10.1111/j.1467-9450.2012.00937.x Gartstein, M. A., Slobodskaya, H. R., & Kinsht, I. A. (2003). Cross-cultural differences in temperament in the first year of life: United States of America (US) and Russia. International Journal of Behavioral Development, 27, 316–328. https://doi.org/10.1080/01650250244000344 Gartstein, M. A., Knyazev, G. G., & Slobodskaya, H. R. (2005). Cross-cultural differences in the structure of infant temperament: United States of America (US) and Russia. Infant Behavior and Development, 28, 54–61. https://doi.org/10.1016/j.infbeh.2004.09.003 Gartstein, M. A., Gonzalez, C., Carranza, J. A., Ahadi, S. A., Ye, R., Rothbart, M. K., & Yang, S. W. (2006). Studying the development of infant temperament through parent report: Commonalities and differences for the People’s Republic of China, the United States of America, and Spain. Child Psychiatry and Human Development, 37, 145–161. Gartstein, M. A., Slobodskaya, H. R., Zylicz, P. O., Gosztyla, D., & Nakagawa, N. (2010). A cross-cultural evaluation of temperament development: Japan, United States of America, Poland and Russia. International Journal of Psychology and Psychological Therapy, 10, 55–75. https://doi.org/10.1177/016502541142218 Gelfand, M. J., Nishii, L. H., & Raver, J. L. (2006). On the nature and importance of cultural tightness-looseness. Journal of Applied Psychology, 91(6), 1225–1244. https://doi.org/10.1037/ 0021-9010.91.6.1225 Gerber, E. R. (1975). The cultural patterning of emotions in Samoa. University of California. Gillioz, C., Fontaine, J. R. J., Soriano, C., & Scherer, K. R. (2016). Mapping emotion terms into affective space: Further evidence for a four-dimensional structure. Swiss Journal of Psychology, 75(3), 141–148. https://doi.org/10.1024/1421-0185/a000180 Glenberg, A. M., Sato, M., Cattaneo, L., Riggio, L., Palumbo, D., & Buccino, G. (2008). Processing abstract language modulates motor system activity. The Quarterly Journal of Experimental Psychology, 61(6), 905–919. Grossmann, I., Huynh, A. C., & Ellsworth, P. C. (2016). Emotional complexity: Clarifying definitions and cultural correlates. Journal of Personality and Social Psychology, 111(6), 895–916. https://doi.org/10.1037/pspp0000084 Gudykunst, W. B., & Kim, Y. Y. (1984). Communicating with strangers: An approach to intercultural communication. Addison-Wesley. Gudykunst, W. B., & Ting-Toomey, S. (1988). Culture and affective communication. American Behavioral Scientist, 31(3), 384–400. Guerra, V. M., Giner-Sorolla, R., & Vasiljevic, M. (2013). The importance of honor concerns across eight countries. Group Processes and Intergroup Relations, 16, 298–318. https://doi. org/10.1177/1368430212463451 Ha, F. I. (1995). Shame in Asian and Western cultures. American Behavioral Scientist, 38, 1114–1131. Hall, E. T., & Whyte, W. E. (1960). Intercultural communication. Human Organization, 19, 5–12. Heine, S. J., & Lehman, D. R. (1997). The cultural construction of self-enhancement: An examination of group-serving biases. Journal of Personality and Social Psychology, 72, 1268–1283. Hochschild, A. (1979). Emotion work, feeling rules, and social structure. American Journal of Sociology, 85(3), 551–575. Hochschild, A. (2003). The commercialization of intimate life: Notes from home and work. University of California Press. Hofstede, G. (1983). Dimensions of national cultures in fifty countries and three regions. In J. B. Deregowski, S. Dziurawiec, & R. C. Annis (Hrsg.), Expiscations in cross-cultural psychology (S. 335–355). Swets & Zeitlinger.
272
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Hofstede, G. (1984). Culture’s consequences: International differences in work-related values. SAGE. Originally published in 1980. Hong, J., & Lee, A. Y. (2010). Feeling mixed but not torn: The moderating role of construal level in mixed emotions appeals. Journal of Consumer Research, 37, 456–472. Howell, S. (1981). Rules not words. In P. Heelas & A. Lock (Hrsg.), Indigenous psychologies: The anthropology of the self (S. 133–143). Academic. Hoy, W. (2013). Do funerals matter? The purposes and practices of death rituals in global perspective. Routledge. https://doi.org/10.4324/9780203072745 Huang, L., Yang, T., & Li, Z. (2003). Applicability of the positive and negative affect scale in Chinese. Chinese Mental Health Journal, 17, 54–56. Imada, T., & Ellsworth, P. C. (2011). Proud Americans and lucky Japanese: Cultural differences in appraisal and corresponding emotion. Emotion, 11(2), 329–345. Jakubowska, L. (1989). A matter of honor. The World and I, 4, 670–677. Ji, L. J., Nisbett, R. E., & Su, Y. (2001). Culture, change, and prediction. Psychological Science, 12(6), 450–456. Joiner, T. E., Jr., Sandin, B., Chorot, P., Lostao, L., & Marquina, G. (1997). Development and factor analytic validation of the SPANAS among women in Spain: (More) cross-cultural convergence in the structure of mood. Journal of Personality Assessment, 68, 600–615. Kagan, J., Kearsley, R. B., & Zelazo, P. R. (1978). Infancy: Its place in human development. Harvard University Press. Kagan, J., Arcus, D., Snidman, N., Feng, W. Y., Hendler, J., & Greene, S. (1994). Reactivity in infants: A cross-national comparison. Developmental Psychology, 30(3), 342–345. https://doi. org/10.1037/0012-1649.30.3.342 Kang, S., Shaver, P. R., Sue, S., Min, K., & Jing, H. (2003). Culture-specific patterns in the prediction of life satisfaction: Roles of emotion, relationship quality, and self-esteem. Personality and Social Psychology Bulletin, 29, 1596–1608. Karandashev, V. (2019). Cross-cultural perspectives on the experience and expression of love. Springer. Kim, J., Seo, M., Yu, H., & Neuendorf, K. (2014). Cultural differences in preference for entertainment messages that induce mixed responses of joy and sorrow. Human Communication Research, 40, 530–552. Kim-Prieto, C., & Eid, M. (2004). Norms for experiencing emotions. Journal of Happiness Studies, 5(3), 241–268. Kitayama, S., & Markus, H. R. (2000). The pursuit of happiness and the realization of sympathy: Cultural patterns of self, social relations, and well-being. In E. Diener & E. M. Suh (Hrsg.), Culture and subjective well-being (S. 113–161). MIT Press. Kitayama, S., Markus, H. R., & Matsumoto, H. (1995a). Culture, self, and emotion: A cultural perspective on “self-conscious” emotions. In J. P. Tangney & K. W. Fischer (Hrsg.), Self-conscious emotions: The psychology of shame, guilt, embarrassment, and pride (S. 439–464). Guilford Press. Kitayama, S., Takagi, H., & Matsumoto, H. (1995b). Causal attribution of success and failure: Cultural psychology of the Japanese self. Japanese Psychological Review, 38, 247–280. Kitayama, S., Markus, H. R., Matsumoto, H., & Norasakkunkit, V. (1997). Individual and collective process in the construction of the self: Self-enhancement in the United States and self- criticism in Japan. Journal of Personality and Social Psychology, 72, 1245–1267. Kitayama, S., Markus, H. R., & Kurokawa, M. (2000). Culture, emotion, and well-being: Good feelings in Japan and the United States. Cognition and Emotion, 14, 93–124. Kitayama, S., Mesquita, B., & Karasawa, M. (2006). Cultural affordances and emotional experience: Socially engaging and disengaging emotions in Japan and the United States. Journal of Personality and Social Psychology, 91(5), 890–903. Kitayama, S., Karasawa, M., Curhan, K. B., Ryff, C. D., & Markus, H. R. (2010). Independence and interdependence predict health and wellbeing: Divergent patterns in the United States and Japan. Frontiers in Psychology, 1, 163.
Literatur
273
Klein, A. M. (2001). Tender machos: Masculine contrasts in the Mexican baseball league. In A. Yiannakis & M. J. Melnick (Hrsg.), Contemporary issues in the sociology of sport (S. 291–303). Human Kinetics. Kleinman, A. (1986). Social origins of distress and disease: Depression, neuraesthenia, and pain in modern China. Yale University Press. Klineberg, O. (1938). Emotional expression in Chinese literature. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 33(4), 517–520. Kövecses, Z. (2000). Metaphor and emotion: Language, culture, and body in human feeling. Cambridge University Press. Kövecses, Z. (2005). Metaphor in culture: Universality and variation. Cambridge University Press. Kuppens, P., Van Mechelen, I., Smits, D. J. M., & De Boeck, P. (2003). The appraisal basis of anger: Specificity, necessity and sufficiency of components. Emotion, 3(3), 254–269. Kuppens, P., Van Mechelen, I., Smits, D. J. M., & De Boeck, P. (2004). Associations between emotions: Correspondence across different data types and componential basis. European Journal of Personality, 18, 159–176. Kuppens, P., Ceulmans, E., Timmerman, M. E., Diener, E., & Kim-Prieto, C. (2006). Universal intracultural and intercultural dimensions of the recalled frequency of emotional experience. Journal of Cross-Cultural Psychology, 37(5), 491–515. Kuppens, P., Realo, A., & Diener, E. (2008). The role of positive and negative emotions in life satisfaction judgment across nations. Journal of Personality and Social Psychology, 95, 66–75. Kwan, V. S. Y., Bond, M. H., & Singelis, T. M. (1997). Pancultural explanations for life satisfaction: Adding relationship harmony to self-esteem. Journal of Personality and Social Psychology, 73(5), 1038–1051. https://doi.org/10.1037/0022-3514.73.5.1038 Lambie, J., & Marcel, A. (2002). Consciousness and emotion experience: A theoretical framework. Psychological Review, 109, 219–259. Larsen, R. J., & Diener, E. (1992). Promises and problems with the circumplex model of emotion. In M. S. Clark (Hrsg.), Review of personality and social psychology: Emotion (S. 25–59). Sage. Lazarus, R. S., Tomita, M., Opton, E., Jr., & Kodoma, M. (1966). A cross-cultural study of stress-reaction patterns in Japan. Journal of Personality and Social Psychology, 4, 622–633. Lebra, T. S. (1976). Japanese patterns of behavior. University Press of Hawaii. Lee, A. Y., Aaker, J. L., & Gardner, W. L. (2000). The pleasures and pains of distinct self-construals: The role of interdependence in regulatory focus. Journal of Personality and Social Psychology, 78, 1122–1134. Lee, K. J., & Levenson, R. W. (1992, October). Ethnic similarities in emotional reactivity to an unanticipated startle. Poster session presented at the meeting for the Society for Psychophysiological Research, San Diego. Leu, J., Mesquita, B., Ellsworth, P. C., Zhang, Z., Yuan, H., Bucktel, E., et al. (2010). Situational differences in dialectical emotions: Boundary conditions in a cultural comparison of North Americans and East Asians. Cognition and Emotion, 24(3), 419–435. Leu, J., Wang, J., & Koo, K. (2011). Are positive emotions just as “positive” across cultures? Emotion, 11, 994–999. Leung, A. K. Y., & Cohen, D. (2011). Within- and between-culture variation: Individual differences and the cultural logics of honor, face, and dignity cultures. Journal of Personality and Social Psychology, 100, 507–526. https://doi.org/10.1037/a0022151 Levenson, R. W., Ekman, P., Heider, K., & Friesen, W. V. (1992). Emotion and autonomic nervous system activity in Minangkanau of West Sumatra. Journal of Personality and Social Psychology, 62, 972–988. Levenson, R. W., Carstensen, L. L., & Gottman, J. M. (1994). Influence of age and gender on affect, physiology, and their interrelations: A study of long-term marriages. Journal of Personality and Social Psychology, 67(1), 56–68. Levy, R. I. (1973). Tahitians. University of Chicago Press. Levy, R. I. (1978). Tahitian gentleness and redundant controls. In A. Montagu (Hrsg.), Learning non-aggression: The experience of non-literate societies (S. 222–235). Oxford University Press.
274
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Lewis, M. (1989). Culture and biology: The role of temperament. In P. R. Zelazo & R. G. Barr (Hrsg.), Challenges to developmental paradigms: Implications for theory assessment and treatment (S. 203–223). Erlbaum. Lewis, M., Ramsay, D. S., & Kawakami, K. (1993). Differences between Japanese infants and Caucasian American infants in behavioral and cortisol response to inoculation. Child Development, 64(6), 1722–1731. Lim, N. (2016). Cultural differences in emotion: Differences in emotional arousal level between the East and the West. Integrative Medicine Research, 5(2), 105–109. Lim, T.-S. (2003). Language and verbal communication across cultures. In W. B. Gudykunst (Hrsg.), Handbook of international and intercultural communication (S. 53–71). Sage. Lu, L., & Gilmour, R. (2004). Culture and conceptions of happiness: Individual oriented and social oriented SWB. Journal of Happiness Studies, 5, 269–291. Lutz, C. (1982). The domain of emotion words on Ifaluk. American Ethnologist, 9(1), 113–128. Lutz, C. (1988). Unnatural emotions: Everyday sentiments on a Micronesian atoll and their challenge to western theory. University of Chicago Press. Lynch, O. M. (1990). Divine passions. University of California Press. Markus, H., Kitayama, S., & VandenBos, G. R. (1996). The mutual interactions of culture and emotion. Psychiatric Services, 47(3), 225–226. https://doi.org/10.1176/ps.47.3.225 Markus, H. R., & Kitayama, S. (1991). Culture and the self: Implications for cognition, emotion, and motivation. Psychological Review, 98, 224–253. Marmolejo-Ramos, F., Elosúa, M. R., Yamada, Y., Hamm, N. F., & Noguchi, K. (2013). Appraisal of space words and allocation of emotion words in bodily space. PLoS One, 8(12), e81688. Mascolo, M. J., Fischer, K. W., & Li, J. (2003). Dynamic development of component systems of emotions: Pride, shame, and guilt in China and United States. In R. J. Davidson, K. Scherer, & H. H. Goldsmith (Hrsg.), Handbook of affective science (S. 375–408). Oxford University Press. Masuda, T., Ellsworth, P. C., Mesquita, B., Leu, J., Tanida, S., & Van de Veerdonk, E. (2008). Placing the face in context: Cultural differences in the perception of facial emotion. Journal of Personality and Social Psychology, 94(3), 365–381. https://doi.org/10.1037/0022-3514.94.3.365 Matsumoto, D. (1991). Cultural influences on facial expressions of emotion. Southern Communication Journal, 56, 128–137. Matsumoto, D., & Hwang, H. S. (2012). Culture and emotion: The integration of biological and cultural contributions. Journal of Cross-Cultural Psychology, 43(1), 91–118. Matsumoto, D., Kudoh, T., Scherer, K. R., & Wallbott, H. (1988). Antecedents of and reactions to emotions in the United States and Japan. Journal of Cross-Cultural Psychology, 19(3), 267–286. Mauro, R., Sato, K., & Tucker, J. (1992). The role of appraisal in human emotions: A cross-cultural study. Journal of Personality and Social Psychology, 62(2), 301–317. McDaniel, J. (1995). Emotion in Bengali religious thought: Substance and metaphor. In J. Marks & R. T. Ames (Hrsg.), Emotions in Asian thought (S. 39–63). SUNY Press. Mead, M. (1943). Coming of age in Samoa: A study of adolescence and sex in primitive societies. Penguin Books. Mesquita, B., & Ellsworth, P. C. (2001). The role of culture in appraisal. In K. R. Scherer & A. Schorr (Hrsg.), Appraisal processes in emotion: Theory, methods, Research (S. 233–248). Oxford University Press. Mesquita, B., & Frijda, N. H. (1992). Cultural variations in emotions: A review. Psychological Bulletin, 112(2), 179–204. https://doi.org/10.1037/0033-2909.112.2.179 Mesquita, B., & Karasawa, M. (2002). Different emotional lives. Cognition & Emotion, 16(1), 127–141. Mesquita, B., & Karasawa, M. (2004). Self-conscious emotions as dynamic cultural processes. Psychological Inquiry, 15, 161–166. Mesquita, B., & Leu, J. (2007). The cultural psychology of emotion. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (S. 734–759). Guilford Press. Mesquita, B., Frijda, N. H., & Scherer, K. R. (1997). Culture and emotion. In P. Dasen & T. S. Saraswathi (Hrsg.), Handbook of cross-cultural psychology. Basic processes and human development (Bd. 2, S. 255–297). Allyn & Bacon.
Literatur
275
Metcalf, P., & Huntington, R. (1991). Celebrations of death: The anthropology of mortuary ritual (2. Aufl.). Cambridge University Press. Middleton, D. R. (1989). Emotional style: The cultural ordering of emotions. Ethos, 17(2), 187–201. Miller, J. G., Bersoff, D. M., & Harwood, R. L. (1990). Perceptions of social responsibilities in India and in the United States: Moral imperatives or personal decisions? Journal of Personality and Social Psychology, 58, 33–47. Miyamoto, Y., & Ma, X. (2011). Dampening or savoring positive emotions: A dialectical cultural script guides emotion regulation. Emotion, 11, 1346–1357. Miyamoto, Y., & Ryff, C. D. (2011). Cultural differences in the dialectical and non-dialectical emotional styles and their implications for health. Cognition and Emotion, 25, 22–39. Miyamoto, Y., Uchida, Y., & Ellsworth, P. C. (2010). Culture and mixed emotions: Cooccurrence of positive and negative emotions in Japan and the United States. Emotion, 10, 404–415. Miyamoto, Y., Morozink Boylon, J., Coe, C. L., Curhan, K. B., Levine, C. S., Markus, H. R., et al. (2013). Negative emotions predict elevated interleukin-6 in the United States but not in Japan. Brain, Behavior, and Immunity, 34, 79–85. Montirosso, R., Cozzi, P., Putnam, S. P., Gartstein, M. A., & Borgatti, R. (2011). Studying cross- cultural differences in temperament in the first year of life: United States and Italy. International Journal of Behavioral Development, 35, 27–37. https://doi.org/10.1177/0165025410368944 Morling, B., Kitayama, S., & Miyamoto, Y. (2002). Cultural practices emphasize influence in the United States and adjustment in Japan. Personality and Social Psychology Bulletin, 28(3), 311–323. Myers, F. (1986). Pintupi Country, Pintupi Self. Washington and Canberra: Smithsonian Institute and AIAS. Myers, F. R. (1979). Emotions and the self: A theory of personhood and political order among Pintupi aborigines. Ethos, 7(4), 343–370. Myers, F. R. (1988). The logic and meaning of anger among Pintupi aborigines. Man, 23, 589–610. Niedenthal, P. M., Barsalou, L. W., Winkielman, P., Krauth-Gruber, S., & Ric, F. (2005). Embodiment in attitudes, social perception, and emotion. Personality and Social Psychology Review, 9(3), 184–211. Nisbett, R. E., & Cohen, D. (1996). Culture of honor: The psychology of violence in the south. Westview Press. Nummenmaa, L., Glerean, E., Hari, R., & Hietanen, J. K. (2014). Bodily maps of emotions. Proceedings of the National Academy of Sciences, 111(2), 646–651. Oishi, S. (2002). The experiencing and remembering of well-being: A cross-cultural analysis. Personality and Social Psychology Bulletin, 28, 1398–1406. Oishi, S., & Diener, E. (2001). Goals, culture, and subjective well-being. Personality and Social Psychology Bulletin, 27, 1674–1682. Oishi, S., Diener, E., Scollon, C. N., & Biswas-Diener, R. (2004). Cross-situational consistency of affective experiences across cultures. Journal of Personality and Social Psychology, 86, 460–472. Osgood, C. E., May, W. H., & Mirron, M. S. (1975). Cross-cultural universals of affective meanings. University of Illinois Press. Pelto, P. J. (1968, April). The difference between “tight” and “loose” societies. Transactions, 5, 37–40. Pennebaker, J. W., & Graybeal, A. (2001). Patterns of natural language use: Disclosure, personality, and social integration. Current Directions in Psychological Science, 10(3), 90–93. Pérez, R. G. (2008). A cross-cultural analysis of heart metaphors. Revista Alicantina de Estudios Ingleses, 2, 25–56. Peristiany, J. G. (Hrsg.). (1965). Honour and shame: The values of Mediterranean society. Weidenfeld and Nicolson. Perunovic, W. Q. E., Heller, D., & Rafaeli, E. (2007). Within-person changes in the structure of emotion: The role of cultural identification and language. Psychological Science, 18(7), 607–613. Philippot, P., & Rimé, B. (1997). The perception of bodily sensations during emotion: A cross- cultural perspective. Polish Psychological Bulletin, 28, 175–188.
276
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Pitt-Rivers, J. (1968). Honor. In D. Sills (Hrsg.), International encyclopedia of the social sciences (S. 503–511). Macmillan. Potter, S. H. (1988). The cultural construction of emotion in rural Chinese social life. Ethos, 16(2), 181–208. Pressman, S. D., Gallagher, M. W., & Lopez, S. J. (2013). Is the emotion-health connection a “first- world problem”? Psychological Science, 24, 544–549. Rimé, B., Philippot, P., & Cisamolo, D. (1990). Social schemata of peripheral changes in emotion. Journal of Personality and Social Psychology, 59, 38–49. Rodriguez, C., & Church, A. T. (2003). The structure and personality correlates of affect in Mexico: Evidence of cross-cultural comparability using the Spanish language. Journal of Cross Cultural Psychology, 34, 211–230. Rodriguez Mosquera, P. M. (2013). In the name of honor. On virtue, reputation, and violence. Group Processes and Intergroup Relations, 16, 271–388. https://doi.org/10.1177/1368430212472590 Rodriguez Mosquera, P. M., Manstead, A. S., & Fischer, A. H. (2002). Honor in the Mediterranean and northern Europe. Journal of Cross-Cultural Psychology, 33(1), 16–36. Rodriguez Mosquera, P. M., Tan, L. X., & Saleem, F. (2014). Shared burdens, personal costs on the emotional and social consequences of family honor. Journal of Cross-Cultural Psychology, 45(3), 400–416. https://doi.org/10.1177/0022022113511299 Roseman, I. J., Dhawan, N., Rettek, S. L., Naidu, R. K., & Thapa, K. (1995). Cultural differences and cross-cultural similarities in appraisals and emotional responses. Journal of Cross-Cultural Psychology, 26, 23–48. Rubin, D. C., & Talarico, J. M. (2009). A comparison of dimensional models of emotion: Evidence from emotions, prototypical events, autobiographical memories, and words. Memory, 17(8), 802–808. Russell, J. A. (1980). A circumplex model of affect. Journal of Personality and Social Psychology, 39(6), 1161–1178. https://doi.org/10.1037/h0077714 Russell, J. A., & Carroll, J. M. (1999). On the bipolarity of positive and negative affect. Psychological Bulletin, 125, 3–30. Russell, J. A., & Feldman Barrett, L. (1999). Core affect, prototypical emotional episodes, and other things called emotion: Dissecting the elephant. Journal of Personality and Social Psychology, 76, 805–819. Russell, J. A., & Yik, M. S. M. (1996). Emotion among the Chinese. In M. H. Bond (Hrsg.), The handbook of Chinese psychology (S. 166–188). Oxford University Press. Russell, J. A., Lewicka, M., & Niit, T. (1989). A cross-cultural study of a circumplex model of affect. Journal of Personality and Social Psychology, 57, 848–856. Saumi, M. M. (2016). Indian cinema and pop culture. Epitome: International Journal of Multidisciplinary Research, 2(5), 49–57. http://www.epitomejournals.com/VolumeArticles/FullTextPDF/124_Research_Paper.pdf. Zugegriffen am 04.05.2019. Savani, K., Morris, M. W., Naidu, N. V. R., Kumar, S., & Berlia, N. V. (2011). Cultural conditioning: Understanding interpersonal accommodation in India and the United States in terms of the modal characteristics of interpersonal influence situations. Journal of Personality and Social Psychology, 100(1), 84–102. Scherer, K. R. (1984). Emotion as a multicomponent process: A model and some cross-cultural data. In P. Shaver (Hrsg.), Review of personality and social psychology (Bd. 5, S. 37–63). Sage. Scherer, K. R. (1993). Studying the emotion-antecedent appraisal process: An expert system approach. Cognition and Emotion, 7, 325–355. Scherer, K. R. (1997a). Profiles of emotion-antecedent appraisal: Testing theoretical predictions across cultures. Cognition and Emotion, 11(2), 113–150. Scherer, K. R. (1997b). The role of culture in emotion-antecedent appraisal. Journal of Personality and Social Psychology, 73(4), 902–922. Scherer, K. R., & Wallbott, H. G. (1994). Evidence for universality and cultural variation of differential emotion response patterning. Journal of Personality and Social Psychology, 66(2), 310–328.
Literatur
277
Scherer, K. R., Wallbott, H. G., & Summerfield, A. B. (Hrsg.). (1986). European monographs in social psychology. Experiencing emotion: A cross-cultural study. Cambridge University Press/ Editions de la Maison des Sciences de l’Homme. Scherer, K. R., Matsumoto, D., Wallbott, H. G., & Kudoh, T. (1988). Emotional experience in cultural context: A comparison between Europe, Japan, and the United States. In K. R. Scherer (Hrsg.), Facets of emotion: Recent research (S. 5–30). Lawrence Erlbaum. Scherer, K. R., Schorr, A., & Johnstone, T. (2001). Appraisal processes in emotion. In Theory, methods, research. Oxford University Press. Schieffelin, E. L. (1983). Anger and shame in the tropical forest: On affect as a cultural system in Papua New Guinea. Ethos, 11(3), 181–191. Schimmack, U., Oishi, S., & Diener, E. (2002). Cultural influences on the relation between pleasant emotions and unpleasant emotions: Asian dialectic philosophies or individualism-collectivism? Cognition and Emotion, 76(6), 705–719. Schnall, S. (2014). Are there basic metaphors? In M. Landau, M. D. Robinson, & B. P. Meier (Hrsg.), The power of metaphor: Examining its influence on social life (S. 225–247). American Psychological Association. https://doi.org/10.1037/14278-010 Scollon, C. N., Diener, E., Oishi, S., & Biswas-Diener, R. (2004). Emotions across cultures and methods. Journal of Cross-Cultural Psychology, 35(3), 304–326. Scollon, C. N., Diener, E., Oishi, S., & Biswas-Diener, R. (2005). An experience sampling and cross-cultural investigation of the relation between pleasant and unpleasant affect. Cognition and Emotion, 19(1), 27–52. Shaver, P., Schwartz, J., Kirson, D., & O’Connor, C. (1987). Emotion knowledge: Further exploration of a prototype approach. Journal of Personality and Social Psychology, 52, 1061–1086. https://doi.org/10.1037/0022-3514.52.6.1061 Shaver, P. R., Wu, S., & Schwartz, J. C. (1992). Cross-cultural similarities and differences in emotion and its representation. In M. S. Clark (Hrsg.), Review of personality and social psychology (Bd. 13, S. 175–212). Sage. Shweder, R. A. (1993). The cultural psychology of emotions. In M. Lewis & J. Hovland (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 417–437). Guilford Press. Shweder, R. A., Haidt, J., Horton, R., & Joseph, C. (2008). The cultural psychology of the emotions: Ancient and renewed. In M. Lewis, J. M. Haviland-Jones, & L. Feldman Barrett (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 409–427). Guilford Press. Siemer, M., Mauss, I., & Gross, J. J. (2007). Same situation – different emotions: How appraisals shape our emotions. Emotion, 7(3), 592–600. https://doi.org/10.1037/1528-3542.7.3.592 Sims, T., Tsai, J. L., Jiang, D., Wang, I., Fung, H. H., & Zhang, X. (2015). Wanting to maximize the positive and minimize the negative: Implications for mixed affective experience in American and Chinese contexts. Journal of Personality and Social Psychology, 109, 292–315. Slobodskaya, H. R., Gartstein, M. A., Nakagawa, A., & Putnam, S. P. (2013). Early temperament in Japan, the United States, and Russia. Do cross-cultural differences decrease with age? Journal of Cross-Cultural Psychology, 44, 438–460. https://doi.org/10.1177/0022022112453316 Smith, C. A., & Ellsworth, P. C. (1985). Patterns of cognitive appraisal in emotion. Journal of Personality and Social Psychology, 48, 813–838. Smith, C. A., & Lazarus, R. S. (1993). Appraisal components, core relational themes, and the emotions. Cognition and Emotion, 7, 233–269. Smith, R. H., Webster, J. M., Parrott, W. G., & Eyre, I. L. L. (2002). The role of public exposure in moral and nonmoral shame and guilt. Journal of Personality and Social Psychology, 83, 138–159. Smurkupt, S., & Barna, L. (1976). Impact of nonverbal communication in an intercultural setting: Thailand. In F. Casmir (Hrsg.), International and intercultural communication annual (Bd. 3). Speech Communication Association. Solomon, R. C. (1995). The cross-cultural comparison of emotion. In J. Marks & R. T. Ames (Hrsg.), Emotions in Asian thought (S. 253–294). State University of New York Press. Sommers, S. (1984). Adults evaluating their emotions: A cross-cultural perspective. In C. Z. Malatesta & C. Izard (Hrsg.), Emotions in adult development (S. 319–338). Sage.
278
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Sommers, T. (2009). The two faces of revenge: Moral responsibility and the culture of honor. Biology and Philosophy, 24, 35–50. https://doi.org/10.1007/s10539-008-9112-3 Song, W. (1985). A preliminary study of the character traits of the Chinese. In W. S. Tseng & D. Y. H. Wu (Hrsg.), Chinese culture and mental health (S. 47–55). Academic Press. Soto, J. A., Levenson, R. W., & Ebling, R. (2005). Cultures of moderation and expression: Emotional experience, behavior, and physiology in Chinese Americans and Mexican Americans. Emotion, 5(2), 154–165. Stein, N. L., Trabasso, T., & Liwag, M. (1993). The representation and organization of emotional experience: Unfolding the emotion episode. In M. Lewis & J. M. Haviland (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 279–300). Guilford Press. Stewart, F. H. (1994). Honor. Chicago University Press. Stipek, D. (1998). Differences between Americans and Chinese in the circumstances evoking pride, shame, and guilt. Journal of Cross-Cultural Psychology, 29, 616–629. Stroud, L. R., Salovey, P., & Epel, E. S. (2002). Sex differences in stress responses: Social rejection versus achievement stress. Biological Psychiatry, 52(4), 318–327. Suh, E., Diener, E., Oishi, S., & Triandis, H. C. (1998). The shifting basis of life satisfaction judgements across cultures: Emotions versus norms. Journal of Personality and Social Psychology, 74, 482–493. Sundararajan, L. (2010). Two flavors of aesthetic tasting: Rasa and savoring a cross-cultural study with implications for psychology of emotion. Review of General Psychology, 14(1), 22–30. Suzuki, T. (1986). Language behavior in Japan: The conceptualization of personal relations. In T. S. Lebra & W. R. Lebra (Hrsg.), Japanese culture and behavior (Rev. Aufl., S. 142–157). University Press of Hawaii. Tamir, M., Schwartz, S. H., Cieciuch, J., Riediger, M., Torres, C., Scollon, C., et al. (2016). Desired emotions across cultures: A value-based account. Journal of Personality and Social Psychology, 111, 67–82. Tangney, J. P., Burggraf, S. A., & Wagner, P. E. (1995). Shame-proneness, guilt-proneness, and psychological symptoms. In J. P. Tangney & K. W. Fischer (Eds.), Self-conscious emotions: The psychology of shame, guilt, embarrassment, and pride (S. 343–367). Guilford Press. Terraciano, A., McCrae, R. R., & Costa, P. T., Jr. (2003). Factorial and construct validity of the Italian Positive and Negative Affect Schedule (PANAS). European Journal of Psychological Assessment, 19, 131–141. Thampi, G. M. (1965). “Rasa” as aesthetic experience. Journal of Aesthetics and Art Criticism, 24(1), 75–80. Thayer, R. E. (1989). The biopsychology of mood and arousal. Oxford University Press. Tracy, J. L., & Robins, R. W. (2004). Putting the self into self-conscious emotions: A theoretical model. Psychological Inquiry, 15(2), 103–125. Triandis, H., Kashima, Y., Shimada, E., & Villareal, M. (1986). Acculturation indices as a means of confirming cultural differences. International Journal of Psychology, 21(1), 43–70. Triandis, H. C. (1989). The self and social behavior in differing cultural contexts. Psychological Review, 96, 506–520. Triandis, H. C., & Suh, E. M. (2002). Cultural influences on personality. Annual Review of Psychology, 53, 133–160. Tsai, J. L. (2007). Ideal affect: Cultural causes and behavioral consequences. Perspectives on Psychological Science, 2(3), 242–259. Tsai, J. L., & Clobert, M. (2019). Cultural influences on emotion: Empirical patterns and emerging trends. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (2. Aufl., S. 292–318). Guilford Press. Tsai, J. L., & Levenson, R. W. (1997). Cultural influences on emotional responding: Chinese American and European American dating couples during interpersonal conflict. Journal of Cross-Cultural Psychology, 28(5), 600–625. Tsai, J. L., Levenson, R. W., & Carstensen, L. L. (2000). Autonomic, subjective, and expressive responses to emotional films in older and younger Chinese Americans and European Americans. Psychology and Aging, 15(4), 684–693.
Literatur
279
Tsai, J. L., Chentsova-Dutton, Y., Freire-Bebeau, L., & Przymus, D. E. (2002). Emotional expression and physiology in European Americans and Hmong Americans. Emotion, 2(4), 380–397. Tsai, J. L., Knutson, B., & Fung, H. H. (2006a). Cultural variation in affect valuation. Journal of Personality and Social Psychology, 90(2), 288–307. Tsai, J. L., Levenson, R. W., & McCoy, K. (2006b). Cultural and temperamental variation in emotional response. Emotion, 6(3), 484–497. Tsai, J. L., Louie, J. Y., Chen, E. E., & Uchida, Y. (2007a). Learning what feelings to desire: Socialization of ideal affect through children’s storybooks. Personality and Social Psychology Bulletin, 3, 17–30. Tsai, J. L., Miao, F., & Seppala, E. (2007b). Good feelings in Christianity and Buddhism: Religious differences in ideal affect. Personality and Social Psychology Bulletin, 33, 409–421. Tsai, J. L., Miao, F. F., Seppala, E., Fung, H. H., & Yeung, D. Y. (2007c). Influence and adjustment goals: Sources of cultural differences in ideal affect. Journal of Personality and Social Psychology, 92, 1102–1117. Tsai, J. L., Chim, L., & Sims, T. L. (2015). Understanding affect and consumer behavior across cultures: The role of ideal affect. In A. Y. Lee & S. Ng (Hrsg.), Handbook of culture and consumer behavior (S. 68–98). Oxford University Press. Tsang, S., & Wu, C. (2005). What constitutes my subjective well-being: Is the subjective well- being of interdependent-self individuals rooted in others’ subjective well-being? Paper presented at the sixth biennial conference of the Asian Association of Social Psychology, Wellington. Uchida, Y., & Kitayama, S. (2009). Happiness and unhappiness in east and west: Themes and variations. Emotion, 9, 441–456. Uchida, Y., Norasakkunkit, V., & Kitayama, S. (2004). Cultural constructions of happiness: Theory and empirical evidence. Journal of Happiness Studies, 5(3), 223–239. Uchida, Y., Kitayama, S., Mesquita, B., Reyes, J. A. S., & Morling, B. (2008). Is perceived emotional support beneficial? Well-being and health in independent and interdependent cultures. Personality and Social Psychology Bulletin, 34, 741–754. Uchida, Y., Townsend, S. S. M., Markus, H. R., & Bergsieker, H. B. (2009). Emotions as within or between people? Cultural variation in lay theories of emotion expression and inference. Personality and Social Psychology Bulletin, 35, 1427–1439. Van Hemert, D. A., Poortinga, Y. H., & van de Vijver, F. J. (2007). Emotion and culture: A meta- analysis. Cognition and Emotion, 21(5), 913–943. Vandello, J. A., Cohen, D., & Ransom, S. (2008). U.S. Southern and Northern differences in perceptions of norms about aggression: Mechanisms for the perpetuation of a culture of honor. Journal of Cross Cultural Psychology, 39, 162–177. https://doi.org/10.1177/0022022107313862 Volynets, S., Glerean, E., Hietanen, J. K., Hari, R., & Nummenmaa, L. (2019). Bodily maps of emotions are culturally universal. Emotion. Advance online publication. https://doi.org/10.1037/ emo0000624 Wallbott, H. G., & Scherer, K. R. (1986a). How universal and specific is emotional experience? Evidence from 27 countries on five continents. Information (International Social Science Council), 25(4), 763–795. Wallbott, H. G., & Scherer, K. R. (1986b). The antecedents of emotional experiences. In K. Scherer, H. Wallbott, & A. Summerfield (Hrsg.), Experiencing emotion: A cross-cultural study (S. 69–83). Cambridge University Press. Wallbott, H. G., & Scherer, K. R. (1988). How universal and specific is emotional experience?: Evidence from 27 countries on five continents. In K. R. Scherer (Hrsg.), Facets of emotion: Recent research (S. 31–56). Lawrence Erlbaum Associates. Watson, D., & Tellegen, A. (1985). Toward a consensual structure of mood. Psychological Bulletin, 98(2), 219–235. https://doi.org/10.1037/0033-2909.98.2.219 Watson, D., Clark, L. A., & Tellegen, A. (1988). Development and validation of brief measures of positive and negative affect: The PANAS scales. Journal of Personality and Social Psychology, 54, 1063–1070. Weiner, B. (1986). An attributional theory of motivation and emotion. Springer-Verlag.
280
5 Kulturelle Modelle des emotionalen Erlebens
Weisz, J. R., Rothbaum, F. M., & Blackburn, T. C. (1984). Standing out and standing in: The psychology of control in America and Japan. American Psychologist, 39(9), 955–969. White, G. M. (1985). Premises and purposes in a Solomon Islands ethnopsychology. In G. M. White & J. Kirkpatrick (Hrsg.), Person, self, and experience: Exploring Pacific ethnopsychologies (S. 328–366). University of California Press. Wierzbicka, A. (1999). Emotions across languages and cultures: Diversity and universals. Cambridge University Press. Wierzbicka, A. (2004). Preface: Bilingual lives, bilingual experience. Journal of Multilingual and Multicultural Development, 25(2–3), 94–104. Williams, P., & Aaker, J. L. (2002). Can mixed emotions peacefully coexist? Journal of Consumer Research, 28(4), 636–649. Wilson, N. L., & Gibbs, R. W., Jr. (2007). Real and imagined body movement primes metaphor comprehension. Cognitive Science, 31(4), 721–731. Wong, Y., & Tsai, J. (2007). Cultural models of shame and guilt. In J. L. Tracy, R. W. Robins, & J. P. Tangney (Hrsg.), The self-conscious emotions: Theory and research (S. 209–223). Guilford Press. Wu, D. Y., & Tseng, W. S. (1985). Introduction: The characteristics of Chinese culture. In Chinese culture and mental health (S. 3–13). Academic. Ye, Z. (2007). Taste as a gateway to Chinese cognition. In A. Schalley & D. Khlentzos (Hrsg.), Mental states (language and cognitive structure) (Bd. 2, S. 109–132). John Benjamins. Young, H. R., Sims, T., Charles, A., & Tsai, J. L. (2013, January 19). Western affective representations of illness collide with Asian Americans’ affective indicators of illness. Poster presentation. Society for Personality and Social Psychology, New Orleans. Zheng, X., & Berry, J. W. (1991). Psychological adaptation of Chinese sojourners in Canada. International Journal of Psychology, 26(4), 451–470.
Kapitel 6
Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
6.1 Ausdruck von Gefühlen und Kultur 6.1.1 Die verschiedenen Kanäle zum Ausdruck von Emotionen onverbaler und verbaler Ausdruck von Emotionen N in verschiedenen Kulturkreisen Emotionen werden nach außen hin durch verbale und nonverbale Kommunikation, Interaktion und Verhalten ausgedrückt. Menschen nutzen Mimik, Gestik, Körpersprache und Körperhaltung, stimmliche, taktile und kinästhetische Sinnessysteme, um ihre Gefühle und Emotionen zu vermitteln. Alle Ausdrucksmodalitäten sind an der Emotionskommunikation beteiligt. Die visuellen und auditiven Kanäle wurden jedoch in der Forschung stärker beachtet und behandelt als andere. Gesichts- und Stimmausdrücke waren für die Wissenschaftler von besonderem Interesse. Einige Körperhaltungen, Gesten, Gesichtsausdrücke und andere nonverbale Si gnale scheinen in ihren Formen und Bedeutungen kulturübergreifend ähnlich zu sein. Das Augenbrauenblitzen und das Heben der Augenbrauen in der sechsten Sekunde sind beispielsweise nonverbale Begrüßungssignale in so unterschiedlichen Kulturen wie den Papuas, Samoanern, Balinesen, Buschmännern, Europäern und südamerikanischen Ureinwohnern. Auch die Gesichtsausdrücke des Flirtens und der Verlegenheit waren in diesen Gesellschaften ähnlich (siehe Keating, 1994). Dennoch können dieselben Gesten für Menschen in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Dinge bedeuten, während unterschiedliche Gesten in verschiedenen Kulturen unterschiedliche Bedeutungen haben können. Gesten und ihre Bedeutungen sind kulturelle Konventionen. Zum Beispiel, „Ein Kopfschütteln mit „Nein“ als Ausdruck der Ablehnung im Westen würde in Indien Zustimmung bedeuten. Genauso andersartig signalisiert -Zeichen mit drei erhobenen Fingern, Daumen und Zeigefinger ein „OK“ im Westen „Geld“ in Japan und lädt in weiten Teilen Südamerikas zu einer sexuellen Begegnung ein (siehe Keating, 1994, S. 178).“ © Der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 V. Karandashev, Kulturelle Emotions-Modelle, https://doi.org/10.1007/978-3-031-39963-3_6
281
282
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Die Kultur spielt eine wichtige Rolle beim verbalen und nonverbalen Ausdruck von Emotionen. Sie beeinflusst den Gesichtsausdruck, den Blick, die Sprachqualität, den Tonfall, den zwischenmenschlichen Raum, die Gesten, die Bewegungen der Körperteile und des ganzen Körpers (Cosnier et al., 1986; Matsumoto, 2006; Wallbott et al., 1986). Mehrere kulturübergreifende Studien aus den 1980–90er-Jahren berichteten über die Ergebnisse für verbale und nonverbale Reaktionen und den Ausdruck von Emotionen (Cosnier et al., 1986; Keating, 1994; Wallbott et al., 1986) und untersuchten emotionale Reaktionsmuster. Insbesondere ergaben die Untersuchungen, dass US-Amerikaner verbal und nonverbal emotional ausdrucksstärker sind als Japaner (Matsumoto et al., 1988). Die Art und Weise, wie Menschen ihre Emotionen ausdrücken, kann aufgrund der unterschiedlichen kulturellen Bedeutung bestimmter Formen des Gefühlsausdrucks qualitativ unterschiedlich sein. Während beispielsweise US-Amerikaner und viele Westeuropäer lächeln, um Freude auszudrücken, lächeln Chinesen und Japaner vielleicht, wenn sie in Gegenwart einer hochgestellten Person in Bedrängnis geraten. Sie versuchen oft, Ärger und Verlegenheit durch Lächeln zu verbergen (Ekman, 1972). ulturübergreifende Muster der nonverbalen Ausdrucksfähigkeit K von Emotionen In einer breiteren kulturübergreifenden Perspektive wurden in einer groß angelegten Studie (Wallbott et al., 1986), an der acht europäische Länder beteiligt waren, die typischen Muster des nonverbalen emotionalen Ausdrucksverhaltens für die vier untersuchten Emotionen Freude, Angst, Traurigkeit und Ärger ermittelt. Es wurde festgestellt, dass die charakteristischen Ausdrucksmerkmale für Freude „Lachen und Lächeln“, „expansive Bewegungen“ und „Bewegungen in Richtung einer anderen Person“ waren. Für Wut waren „Veränderungen in der Sprachqualität“ und „Veränderungen in der Bewegungsqualität“ ganz typisch. Diese Unterschiede in den Reaktionsmustern der nonverbalen Verhaltensweisen auf die Emotionen waren jedoch in allen kulturellen Stichproben ähnlich. Lediglich die Quantität der nonverbalen Reaktionen und der Grad der Kontrolle waren in diesen Ländern unterschiedlich. Nichtsdestotrotz entdeckten andere Forscher (Cosnier et al., 1986) im selben Datensatz signifikante kulturelle Unterschiede für die Arten der verbalen Äußerungen: die „Nichts“-Reaktion, den Ausruf (z. B. Wort, Summen und vokale Embleme) und die Diskussion (z. B. Satz, vollständiger Ausdruck und Diskussion) für die vier Emotionen. Eine kulturübergreifende Studie (Scherer & Wallbott, 1994) zu sieben Grundemotionen (Freude, Traurigkeit, Angst, Wut, Scham, Schuld und Ekel) mit Selbstauskunftsfragebögen zum Ausdrucksverhalten, die in 37 Ländern durchgeführt wurden, ergab ähnliche Ergebnisse für mehrere kulturelle Unterschiede bei der Emotionsregulation, der symbolischen Darstellung und dem Ausdruck. Dazu gehörten Annäherungsverhalten, nonverbales Verhalten, paralinguistisches Verhalten
6.1 Ausdruck von Gefühlen und Kultur
283
und verbales Verhalten. Die Autoren stellten fest, dass die ausgeprägten Reaktionsmuster über die sieben Emotionen hinweg konsistent und stark ausgeprägt waren; es wurden jedoch keine kulturellen Unterschiede festgestellt. Kulturelle Spezifität gab es nur auf der absoluten Ebene, nicht aber bei den Mustern der Emotionsreaktionen.
6.1.2 Die Rolle der Kultur beim Ausdruck von Emotionen ulturelle Dimension des Individualismus und des Ausdrucks K von Gefühlen Welche Beziehungen bestehen zwischen dem Ausdruck von Emotionen und den Dimensionen einer Kultur? Auf der Grundlage der in früheren Studien (Scherer & Wallbott, 1994; Wallbott et al., 1986) gewonnenen Daten berechneten Gudykunst und Ting-Toomey (1988) Rangfolgekorrelationen zwischen den Kulturdimensionen und dem Prozentsatz der Befragten in einer Kultur, die die spezifische Art von Reaktionen angaben. Verbale und nonverbale Reaktionen (z. B. Körperreaktionen) korrelieren positiv mit Individualismus. Am Beispiel der Vereinigten Staaten und Japans zeigt sich, dass individualistische Kulturen den verbalen Aspekten der Kommunikation den Vorzug geben, einschließlich des direkten Ausdrucks von Emotionen, während kollektivistische Kulturen der verbalen Dimension nicht voll vertrauen und auf indirekte Botschaften achten (Gudykunst & Ting-Toomey, 1988; Okabe, 1983). Trotz dieser letztgenannten Unterschiede haben Untersuchungen gezeigt, dass Menschen in individualistischen Kulturen häufiger nonverbale Ausdrucksformen verwenden als Menschen in kollektivistischen Kulturen (siehe für Übersichten, siehe La France & Mayo, 1978; Ramsey, 1979). Eine Metaanalyse zahlreicher Studien, die in 26 Ländern durchgeführt wurden (Van Hemert et al., 2007), untermauerte diese Erkenntnisse zusätzlich: Menschen in Gesellschaften, die eine höhere Individualismus-Dimension aufweisen, sind tendenziell emotional ausdrucksstärker. Der Einfluss des Individualismus-Kollektivismus auf den Ausdruck von Emotionen (mehr auf der kulturellen und weniger auf der individuellen Ebene) ist jedoch im Allgemeinen mäßig, vor allem wenn man den vielschichtigen und multidimensionalen Charakter dieser breiten Dimension berücksichtigt, die eine Reihe von kulturellen Merkmalen umfasst (Stephan et al., 1998). ulturelle Dimension der Ungewissheitsvermeidung und des Ausdrucks K von Emotionen Das Bild der kulturübergreifenden Unterschiede im nonverbalen und verbalen Ausdruck von Emotionen wird komplexer, wenn die Forscher die Kombination zweier kultureller Dimensionen in ihre Analysen einbeziehen. Die folgenden Studien
284
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
zeigen eine solche Interaktion zwischen dem Einfluss von Individualismus und Unsicherheitsvermeidung. Den ersten Studien zufolge drücken Menschen in Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung ihre Emotionen stärker aus als Menschen in Kulturen mit geringer Unsicherheitsvermeidung. Zum Beispiel zeigen Japaner – die Kultur der hohen Unsicherheitsvermeidung – bei ersten Interaktionen mit Fremden im Allgemeinen mehr nonverbale bindungsbezogene Ausdrücke als US-Amerikaner – die Kultur der niedrigen Unsicherheitsvermeidung (Gudykunst & Kim, 1984; Hofstede, 1984). In kollektivistischen Kulturen mit hoher Unsicherheitsvermeidung (wie z. B. Japan) beschränken sich die Menschen jedoch auf die Darstellung positiver Emotionen (z. B. Dankbarkeit), da die Darstellung negativer Emotionen (z. B. Ärger) die Harmonie in der Gruppe beeinträchtigen würde. Diese kulturelle Tendenz wurde in mehreren Studien (Argyle et al., 1986; Matsumoto, 1990) anhand von Stichproben aus Japan, den Vereinigten Staaten, Hongkong, Italien und England nachgewiesen. Beispielsweise befürworten Italiener und Engländer – beides Kulturen mit niedrigeren Werten für Unsicherheitsvermeidung und Individualismus – das Zeigen von Wut und Stress in Beziehungen, während Japaner – eine Kultur mit niedrigeren Werten für Unsicherheitsvermeidung und Kollektivismus – das Zeigen von Wut und Stress nicht befürworten (Argyle et al., 1986). Laut einer Metaanalyse über 26 Länder hinweg (Van Hemert et al., 2007) neigen Menschen in Gesellschaften mit hoher Unsicherheitsvermeidung dazu, mehr negative Emotionen zu zeigen. Modernisierung von Gesellschaften und Ausdruck von Emotionen Angesichts dieser Erkenntnisse ist es wichtig, mehrere kulturelle Dimensionen, die eine Gesellschaft charakterisieren, zu berücksichtigen, um ihre Zusammenhänge mit Mustern des Gefühlsausdrucks besser zu verstehen. In diesem Zusammenhang wurde von Inglehart und Kollegen (Inglehart, 1997; Inglehart & Baker, 2000; Inglehart & Welzel, 2005) ein wichtiges Konzept der Modernisierung vorgeschlagen (siehe das frühere Kapitel dieses Buches), das zwischen traditionellen Gesellschaften (gekennzeichnet durch Überlebenswerte) und modernisierten Gesellschaften (gekennzeichnet durch Werte der Selbstdarstellung) unterscheidet. Die kulturellen Normen von Gesellschaften mit einer hohen Modernisierungsdimension ermutigen den Einzelnen, seine Gefühle offen auszudrücken. ulturelle Dimension von Anspannung und Lockerheit und Ausdruck K von Gefühlen Die kulturelle Dimension von Enge und Lockerheit, die in früheren Abschnitten erörtert wurde, wirkt sich auch auf die Normen darüber aus, wie wünschenswert oder zulässig der Ausdruck bestimmter Emotionen in einer Gesellschaft ist (Gelfand et al., 2006; Pelto, 1968; Triandis & Suh, 2002). Gesellschaften mit einer engen Kultur haben strenge Normen für den Ausdruck von Emotionen und sanktionieren
6.1 Ausdruck von Gefühlen und Kultur
285
Abweichungen von diesen Normen strenger. Daher neigen die Menschen dazu, zurückhaltend und zurückhaltend zu sein. Sie halten sich selbst wie auch andere Mitglieder der kulturellen Gemeinschaft von übermäßig expressivem emotionalem Verhalten zurück. Die lockeren Kulturen sind flexibler und haben weniger kulturelle Beschränkungen für emotionale Verhaltensweisen und weniger strenge soziale Normen für den Ausdruck von Emotionen, die eine größere Abweichung von den Normen zulassen. Die Bandbreite der möglichen Selbstdarstellungen ist größer als in engen Kulturen. Daher neigen die Menschen dazu, ihre Emotionen stärker zum Ausdruck zu bringen. Kulturelle Dimension der Machtdistanz und des Ausdrucks von Emotionen Die Ergebnisse mehrerer Studien (Basabe et al., 2000) haben gezeigt, dass Menschen in Gesellschaften mit großer Machtdistanz viele negative Emotionen erleben, aber weniger emotionalen Ausdruck zeigen. Dies könnte darauf zurückzuführen sein, dass der öffentliche Ausdruck negativer Emotionen in diesen Kulturen nicht normativ ist. In einer Kultur mit großer Machtdistanz, wie der chinesischen, die durch Machtungleichheit gekennzeichnet ist, ist der sorgfältig überwachte Selbstausdruck von Emotionen sehr wichtig. Das störende Zeigen bestimmter Emotionen und unangemessene Gefühlsäußerungen werden während der Sozialisierung durch Schamtechniken sozial kontrolliert (siehe Bond, 1993; Bond et al., 1985). Die Rolle der Merkmale einer hohen Machtdistanz in der Gesellschaft beim Ausdruck von Emotionen ist besonders wichtig für die Unterschiede zwischen Interaktionen mit höherem und niedrigerem Status. Menschen neigen dazu, ihren Gefühlsausdruck je nach dem Status der Machtbeziehungen zwischen sich selbst und anderen zu verändern. Individuen in einer Gesellschaft lernen durch emotionale Sozialisation, welches emotionale Verhalten und welcher emotionale Ausdruck gegenüber anderen in Abhängigkeit von Statusunterschieden angemessen sind. Im Allgemeinen werden in Kulturen mit großer Machtdistanz die Emotionen gefördert, die Statusunterschiede erhalten (Matsumoto, 1991). Der Ausdruck positiver Emotionen gegenüber Personen mit höherem Status und negativer Emotionen gegenüber Personen mit niedrigerem Status ist eine kulturelle Norm (Collins, 1984). Der Einzelne zieht es vor, Emotionen gegenüber Vorgesetzten zu unterdrücken, weil ihr Ausdruck die hoch geschätzten Statusunterschiede gefährden kann. In Kulturen mit geringer Machtdistanz hingegen werden Emotionen gefördert, die Machtstatusunterschiede minimieren (Matsumoto, 1991). Die Menschen neigen dazu, positive Emotionen gegenüber Personen mit niedrigerem Status und negative Emotionen gegenüber Personen mit höherem Status auszudrücken. In dieser Art von egalitärer Kultur glauben die Menschen, dass sie negative Emotionen gegenüber Personen mit höherem Status ausdrücken können. Sie fühlen sich frei von der Angst vor Sanktionen und der Notwendigkeit, Emotionen zu unterdrücken, die
286
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Statusunterschiede bedrohen, weil die Statusunterschiede in der Gesellschaft oder Gemeinschaft minimal sind. In den Gesellschaften mit großer Machtdistanz sind die Unterschiede im Stil der Gefühlsäußerungen gegenüber Personen mit hohem Status und Personen mit niedrigem Status größer. In den Gesellschaften mit geringer Machtdistanz sind diese Unterschiede dagegen geringer. kologische, wirtschaftliche und gesellschaftspolitische Faktoren und Ö Ausdruck von Emotionen Neben der Kultur können auch ökologische, wirtschaftliche und soziopolitische Rahmenbedingungen eine Rolle beim Ausdruck von Emotionen spielen. Was den Temperaturparameter betrifft, so fanden Forscher (Pennebaker et al., 1996) eine geringe, aber statistisch signifikante positive Korrelation zwischen dem Breitengrad der Region, in der die Menschen leben, und ihren selbstberichteten Gefühlsäußerungen. Dabei handelte es sich um einen relativ geringen Prädiktor in 26 Ländern (Pennebaker et al., 1996). Die Meta-Analyse anderer Studien, die zu diesem Thema durchgeführt wurden, ergab jedoch keine Unterstützung für diesen Temperaturfaktor (Van Hemert et al., 2007). Was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrifft, so ergab dieselbe umfassende Metaanalyse (Van Hemert et al., 2007) keine signifikanten Korrelationen. Der wirtschaftliche Wohlstand spielt also keine Rolle für die emotionale Ausdrucksfähigkeit. Mehrere politische Parameter korrelieren jedoch mit der Ausdrucksfähigkeit. In Ländern mit mehr Menschenrechten und Demokratie sind die Menschen im Allgemeinen emotional ausdrucksstärker. Menschen in stabileren Gesellschaften drücken eher positive Emotionen aus. Was die Hofstede’schen Werte betrifft, so sind Menschen in Gesellschaften mit höherem Individualismus und kurzfristiger Orientierung tendenziell ausdrucksstärker in ihren Emotionen. Psychologische Faktoren und Ausdruck von Emotionen Psychologische Variablen von Menschen, die länderübergreifend aggregiert werden, können auch den Ausdruck von kulturtypischen Emotionen erklären. Dazu gehören offensichtlich Extraversion, subjektives Wohlbefinden, Optimismus und das Vorherrschen positiver Affekterfahrungen – Variablen, die positiv mit der allgemeinen emotionalen Expressivität, der Tendenz zum Ausdruck positiver Emotionen, aber negativ mit der Tendenz zum Ausdruck negativer Emotionen korrelieren (Van Hemert et al., 2007). Wie ich bereits in früheren Abschnitten erläutert habe, sind die Erfahrungen mit positiven und negativen Emotionen voneinander unabhängige (nicht unbedingt gegensätzliche) Variablen. Die Unterschiede im selbstberichteten Erleben dieser beiden Gruppen von Emotionen werden in der kulturübergreifenden Forschung häufig festgestellt (z. B. Diener & Emmons, 1985; Russell, 1980; Russell & Carroll,
6.1 Ausdruck von Gefühlen und Kultur
287
1999; Van Hemert et al., 2007). Die Unabhängigkeit dieser Emotionsgruppen wurde auch in der Studie zur Erkennung von nonverbalen emotionalen Vokalisierungen von Grundemotionen in zwei Kulturen (zwei englische und zwei Himba-Gruppen, Sauter et al., 2010) bestätigt. Die Ergebnisse zeigten, dass Vokalisationen negativer Emotionen kulturübergreifend, während Vokalisationen der meisten positiven Emotionen kulturspezifisch erkannt werden. Dieses Ergebnis unterstreicht die Bedeutung der Unterscheidung zwischen positiven und negativen Emotionen nicht nur im Erleben, sondern auch im Ausdruck von Emotionen. Die Autoren (Sauter et al., 2010) glauben, dass dieser Unterschied eine Bindungsfunktion positiver Emotionen widerspiegelt. Expressive nonverbale Vokalsignale verschiedener positiver Emotionen werden innerhalb jeder Kultur erkannt, aber nicht über kulturelle Gruppen hinweg. Diese emotionalen Signale werden also von den Mitgliedern der kulturellen Eigengruppe geteilt. Dieses Ergebnis ihrer Studie kann als Beweis dafür interpretiert werden, dass Ausdrücke positiver Emotionen bindungsbezogener soziale Funktionen haben. usdruck von Gefühlen gegenüber Mitgliedern von Eigen- und A Fremdgruppen in verschiedenen Kulturen Die kulturellen Normen für den Ausdruck von Gefühlen hängen auch von der Zielperson ab, mit der eine Person kommuniziert. Menschen in verschiedenen Kulturen neigen dazu, innerhalb ihres sozialen Netzwerks zwischen Personen zu unterscheiden, die zu ihrer Eigengruppe („wir“) und Fremdgruppe („sie“) gehören. So äußern sie beispielsweise gegenüber Mitgliedern der Fremdgruppe häufiger und intensiver negative Emotionen als gegenüber Mitgliedern der Eigengruppe. Dieser Unterschied spiegelt die starke Unterscheidung zwischen der Eigengruppe (als „wir“) und der Fremdgruppe (als „sie“) sowie die Sorge um die Harmonie der Beziehung zur Eigengruppe wider. Die Gesellschaften unterscheiden sich in ihren kulturspezifischen Vorstellungen von diesen beiden Arten von Gruppen (Triandis, 1994). Insbesondere Menschen in kollektivistischen Kulturen neigen aufgrund ihrer hohen Konformität, die notwendig ist, um Einheit und Harmonie innerhalb der Gruppe zu bewahren, dazu, stark zwischen Menschen zu unterscheiden, die Mitglieder ihrer Eigengruppe sind und solchen, die es nicht sind. Menschen in individualistischen Gesellschaften unterscheiden nicht, zumindest nicht merklich, zwischen Personen, die zu ihrer Eigengruppe und zur Fremdgruppe gehören. Sie fühlen sich im Allgemeinen keiner Gruppe zugehörig. Zur Veranschaulichung dieser kulturellen Unterschiede sei ein Beispiel angeführt. In der Studie über den Ausdruck von Emotionen (Safdar et al., 2009) waren die japanischen Teilnehmer (aus einer kollektivistischen Kultur) besser in der Lage, zwischen nahen, mittleren und entfernten Gruppen zu unterscheiden als US-Amerikaner und Kanadier (individualistische Kultur). Wie spiegelt sich diese Fähigkeit, zwischen Eigengruppe und Fremdgruppe in Kulturen zu unterscheiden, in den Darstellungsregeln für den Ausdruck von Emotionen wider? Unterscheiden sich die Kulturen in dieser Hinsicht? US-Amerikanische
288
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
und japanische Studenten wurden gebeten, zu beurteilen, ob der Ausdruck bestimmter Emotionen gegenüber Zielpersonen wie Familienmitgliedern, Freunden und Bekannten angemessen ist (Matsumoto, 1990). Den Ergebnissen dieser Studie zufolge halten US-Amerikaner im Vergleich zu Japanern den Ausdruck von Traurigkeit gegenüber Familienmitgliedern und Freunden für angemessener. Auf der anderen Seite halten Japaner im Vergleich zu US-Amerikanern den Ausdruck von Wut gegenüber Personen außerhalb ihrer Großfamilie und engen Freunde für angemessener. Ähnliche Ergebnisse, die teilweise mit der früheren Studie (Matsumoto, 1990) übereinstimmen, wurden in einer späteren Studie (Safdar et al., 2009) erzielt. Die Autoren stellten fest, dass japanische Teilnehmer im Vergleich zu US-Amerikanern und Kanadiern dazu neigen, die Darstellungsregeln für den Ausdruck starker Emotionen (Wut, Verachtung, Ekel) besser zwischen nahen, mittleren und entfernten Gruppen zu unterscheiden.
6.1.3 Frühe Enkulturation von emotionalen Reaktionen nkulturation von Gefühlsausdrücken durch Interaktion E mit Pflegekräften Emotionsmuster werden bereits im frühen Kindesalter erworben. Sie entwickeln sich zunächst auf natürliche Weise und sind daher in allen Kulturen weitgehend ähnlich. Mit dem Ausdruck von Emotionen signalisieren Säuglinge ihren Bezugspersonen ihre Bedürfnisse und Gefühlszustände. Säuglinge sind nur begrenzt in der Lage, den Ausdruck ihrer Emotionen zu regulieren. Im Laufe der Zeit erlernen Säuglinge durch die Interaktion mit ihren Bezugspersonen den normativen Charakter von Emotionen und die Fähigkeit, diese zu regulieren. Kinder lernen, wie sie Emotionen ausdrücken und modulieren können. Eine solche emotionale Sozialisation beinhaltet die Modellierung von Emotionen und deren Ausdruck durch die Betreuungspersonen sowie das Zeigen spezifischer Reaktionen auf Situationen, die Emotionen auslösen (Thompson & Meyer, 2007). In einer Beobachtungsstudie reagierten japanische und US-amerikanische Mütter mit denselben leicht übertriebenen Ausdrücken auf die positiven Emotionen, die von den Säuglingen gezeigt wurden. Die Mütter beider Kulturen zeigten ihren Säuglingen fast nie negative Gefühle (Kanaya et al., 1988, 1989). Das Erlernen kulturspezifischer spontaner emotionaler Äußerungen beginnt auch im Säuglingsalter und in der frühen Kindheit. Als beispielsweise Forscher (Camras et al., 1998) japanische, chinesische und europäische US-Amerikaner im Alter von 11 Monaten beobachteten, stellten sie fest, dass die chinesischen Säuglinge weniger expressiv waren als die europäischen und japanischen. Die Reaktionsmodelle der Betreuungspersonen auf emotional aufgeladene Interaktionssituationen mit einem
6.1 Ausdruck von Gefühlen und Kultur
289
Kind variieren in verschiedenen Kulturen (z. B. in den Vereinigten Staaten, der Türkei und Rumänien, Corapci et al., 2018). Das von Müttern gezeigte Ausdrucksverhalten beeinflusst die Regulierung der Gefühlsäußerungen von Säuglingen und Kleinkindern, vielleicht aufgrund von Nachahmung (Camras et al., 1998; Friedlmeier et al., 2019; Kanaya et al., 1988, 1989). Eine andere kulturübergreifende Studie (Friedlmeier et al., 2019) untersuchte die Verhaltensmuster von Müttern in einer Situation des Aufschubs von Belohnung und beobachtete deren Auswirkungen auf die emotionalen Reaktionen von Kleinkindern. Die Autoren fanden kulturelle Ähnlichkeiten bei diesen Variablen in den Stichproben israelisch-jüdischer und europäischer US-Amerikaner, die ü berwiegend individualistische Kulturen repräsentieren, aber Unterschiede zu den Stichproben von Türken und Rumänen, die kollektivistische Kulturen repräsentieren. eschlechtsspezifische Unterschiede in den Mustern des Gefühlsausdrucks G in der frühen Kindheit Viele Kulturen fördern auch eine frühe geschlechtsspezifische Differenzierung der Ausdrucksmuster von Emotionen in der Kindheit (Brody, 1999; Maccoby, 1988). Studien zur Emotionsausdrucksfähigkeit von Kindern wurden hauptsächlich in Kanada, den Vereinigten Staaten und einigen westeuropäischen Ländern mit weißen Jugendlichen der mittleren und oberen Mittelschicht durchgeführt (Chaplin, 2015). Kinder erwerben durch soziales Lernen Ausdrucksverhalten, das ihrer Geschlechterrolle entspricht (Chaplin, 2015). Insbesondere können sie ihre Emotionen in bestimmten Situationen entsprechend den von ihren Eltern vorgelebten Modellen ausdrücken oder nicht. Mütter können zum Beispiel Muster des „weiblichen“ Gefühlsausdrucks zeigen, wenn sie Fröhlichkeit ausdrücken, auch wenn sie diese nicht wirklich empfinden. Wenn Mädchen dieses Verhalten beobachten, können sie in einem geeigneten Kontext diesem weiblichen Muster des Gefühlsausdrucks folgen. Eine weitere Möglichkeit, wie Eltern das geschlechtsspezifische Ausdrucksverhalten ihrer Kinder fördern können, besteht darin, den Emotionen der Kinder, die mit ihrer Geschlechterrolle übereinstimmen, mehr Aufmerksamkeit zu schenken. Eine Studie über Eltern-Kind-Interaktionen, die mit Vorschulkindern (im Alter von 4 und 6 Jahren aus der weißen US-amerikanischen Mittelschicht) durchgeführt wurde, ergab, dass Mädchen im Vergleich zu Jungen eher unterwürfige Gefühle ausdrücken. Die Autoren (Chaplin et al., 2005) beobachteten, dass Väter (überraschenderweise nicht Mütter) stärker auf situative Äußerungen von Traurigkeit, Angst und anderen unterwürfigen Emotionen von Mädchen reagierten als bei Jungen, sie reagierten jedoch stärker auf situative Äußerungen von Wut und anderen disharmonischen Emotionen von Jungen im Vergleich zu Mädchen. Dieses elterliche Verhalten im Vorschulalter sozialisiert Mädchen implizit dazu, Traurigkeit offen auszudrücken, aber ihre Wut nur begrenzt zu äußern.
290
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle 6.2.1 Kulturelle Darstellungsregeln für den Ausdruck von Emotionen Das Konzept der kulturellen Ausdrucksregeln Kulturen unterscheiden sich in ihren Vorstellungen darüber, wie und wann Emotionen ausgedrückt werden sollten (z. B. Ekman, 1972; Hochschild, 1979; Mesquita & Frijda, 1992; Shweder, 1993; Soto et al., 2005). Die gesellschaftlichen Normen für den Ausdruck von Emotionen werden als kulturelle Darstellungsregeln bezeichnet (Ekman & Friesen, 1969, 1971; Matsumoto et al., 2005). Menschen verschiedener Kulturen lernen, wie sie kulturelle Regeln entschlüsseln können. Diese Regeln werden bereits in der Kindheit und Jugend erlernt und schreiben vor, welche Art von Gefühlen in bestimmten Kontexten gezeigt werden dürfen. Sie schreiben vor, wann bestimmte Gefühle geäußert werden müssen, andere dürfen nie geäußert werden, wieder andere nur nach bestimmten Regeln und in bestimmten Kontexten. Forscher fanden in verschiedenen kulturellen Kontexten typische Ausdrucksformen wie Verstärkung, Entschärfung, Qualifizierung und Maskierung (Matsumoto et al., 2005, 2008b, 2009). Die Autoren beschreiben diese Ausdrucksformen wie folgt: • Drücke ein Gefühl so aus, wie es ist, ohne Hemmungen. • Drücke ein Gefühl aus, aber mit weniger Intensität als die eigenen wahren Gefühle. • Drücke ein Gefühl aus, aber mit mehr Intensität als die eigenen wahren Gefühle. • Versuche neutral zu bleiben; äußere nichts. • Drücke ein Gefühl aus, aber verbinde es mit einem Lächeln, um das Gefühl zu relativieren. • Lächle nur, ohne etwas anderes zu zeigen, um dein wahres Gefühl zu verbergen. (Matsumoto et al., 2005, S. 40) Ausdrucksregeln geben dem Einzelnen eine Anleitung für normative Verhaltensweisen, die für soziale Rollen angemessen sind (z. B. Ehefrau, Ehemann, Mutter, Vater, Tochter, Sohn). Eine Person sollte ihr Erleben von Emotionen und ihr Ausdrucksverhalten regulieren, um entsprechend einer sozialen Rolle zu handeln. Die Darstellungsregeln, die den Ausdruck von Emotionen regeln, entsprechen den kulturell definierten sozialen Rollen und unterstützen so das Überleben der Gruppe und ihre soziale Koordination. I nterkultureller Vergleich der Darstellungsregeln für emotionale Ausdrucksfähigkeit Studien ergaben, dass es zwischen vier ethnischen Gruppen in den Vereinigten Staaten Unterschiede bei den kulturellen Darstellungsregeln gibt (Matsumoto, 1993). Die Forscher fanden kulturelle Unterschiede zwischen US-amerikanischen, japani-
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
291
schen und russischen Teilnehmern (Matsumoto et al., 2005). Komplexe Muster kultureller Ähnlichkeiten und Unterschiede zeigten sich beim Ausdruck verschiedener Emotionen. US-Amerikaner drückten mehr Angst und Abscheu aus als Russen, während sie mehr Freude empfanden als Russen und Japaner. Sowohl US- Amerikaner als auch Russen äußerten mehr Verachtung und Wut als Japaner. Die japanischen Teilnehmer neigen dazu, mehr zu de-amplifizieren als die US-Amerikaner und Russen. Andererseits neigen die US-Amerikaner dazu, Traurigkeit und Ekel stärker zu verstärken als die Russen, während die Japaner dazu neigen, Überraschung und Angst stärker zu verstärken als die Russen. Eine große kulturübergreifende Studie (Fernandez et al., 2000) umfasste Stichproben aus 21 Kulturen, um die Regeln für die Darstellung von Freude, Traurigkeit und Wut sowohl im verbalen als auch im nonverbalen Bereich zu untersuchen. Die Ergebnisse zeigten, dass Teilnehmer aus nordamerikanischen und europäischen Kulturen im Vergleich zu lateinamerikanischen und asiatischen Kulturen ein höheres Maß an verbalem und nonverbalem Ausdruck von Emotionen bei Traurigkeit und Wut angaben. Teilnehmer aus asiatischen Kulturen gaben für alle Emotionen, einschließlich Freude, das niedrigste Niveau des emotionalen Ausdrucks an. Anders als die asiatischen, aber ähnlich wie die euro-amerikanischen Teilnehmer, berichteten die Lateinamerikaner über ein höheres Maß an emotionalem Ausdruck bei Freude. Forscher (Fernandez et al., 2000) verwendeten eine breite Palette kultureller Stichproben und multivariate Analysen, die zeigten, dass frühere Studien die Bedeutung des Individualismus für eine hohe emotionale Ausdrucksfähigkeit überschätzten. Andere kulturelle, soziale und wirtschaftliche Rahmenbedingungen können ebenfalls eine Rolle spielen. Ihre Ergebnisse zeigten, dass Menschen in lateinamerikanischen Ländern negative Emotionen weniger stark ausdrückten als Nordamerikaner und Europäer, aber ähnlich wie Asiaten. Allerdings zeigten sie eine höhere Ausprägung positiver Emotionen (z. B. Freude, Sympathie). Lateinamerikaner, die einer relativ kollektivistischen Kultur angehören, betonen die Bedeutung der Geselligkeit. Daher drücken sie ihre negativen Emotionen nur ungern aus und sind eher bereit, positive Emotionen zu zeigen. In einer anderen Studie (Safdar et al., 2009) wurden die Regeln für die Darstellung von Emotionen bei japanischen, US-amerikanischen (einschließlich Weißen, Asiaten, Latinos, Afroamerikanern) und kanadischen Universitätsstudenten verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass die Darstellungsregeln der japanischen Kultur im Vergleich zu den beiden nordamerikanischen Gesellschaften weniger den Ausdruck starker Emotionen (z. B. Verachtung, Wut und Ekel) zulassen. Die japanischen Darstellungsregeln raten im Vergleich zur kanadischen Gesellschaft auch davon ab, positive Emotionen (z. B. Überraschung, Freude) auszudrücken. Die Teilnehmer der japanischen und der beiden nordamerikanischen Stichproben unterschieden sich nicht in den Darstellungsregeln für den Ausdruck von machtlosen Emotionen (Safdar et al., 2009). Diese Ergebnisse deuten im Allgemeinen darauf hin, dass die Kulturen der Vereinigten Staaten und Kanadas expressiv sind, während die japanische Kultur nicht-expressiv ist.
292
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
wischenmenschliche Beziehungen und Darstellungsregeln Z in verschiedenen Kulturen Ausdrucksstärke bzw. Nicht-Ausdrucksstärke bei den Regeln für die Darstellung von Emotionen hängt auch davon ab, wie sich die affektiven Modi von Emotionen auf zwischenmenschliche Beziehungen auswirken. In vielen kulturellen Kontexten neigen Menschen dazu, positive Emotionen so auszudrücken, wie sie sich fühlen, und sie neigen dazu, ihren Ausdruck negativer Emotionen zu kontrollieren (Matsumoto et al., 2008a). Der Ausdruck positiver Emotionen zieht die Menschen im Allgemeinen zueinander hin, während der Ausdruck negativer Emotionen sie voneinander abstößt. Die Ergebnisse der Studien zeigen, dass negative Emotionen wie Verachtung, Wut und Ekel in jeder Kultur potenziell störend für soziale Beziehungen sind und daher kontrolliert werden müssen. Aufgrund dieser destruktiven Wirkung auf zwischenmenschliche Beziehungen ermutigen die kulturellen Normen vieler Gesellschaften dazu, den Ausdruck dieser Emotionen gegenüber Mitgliedern der eigenen Gruppe und Personen mit höherem Status zu minimieren (Gottman & Levenson, 2000; Matsumoto & Hwang, 2012; Rozin et al., 1999). Es hat sich gezeigt, dass sich die Darstellungsregeln in Beziehungen zu Personen aus der Eigengruppe und zur Fremdgruppe unterscheiden. Sie sind tendenziell ausdrucksstärker gegenüber den Mitgliedern von In-Gruppen als gegenüber den Mitgliedern von Out-Gruppen (Matsumoto et al., 2008a). Menschen in einer Eigengruppe-Beziehung teilen ihre vergangenen und gegenwärtigen Erfahrungen sowie ihre Erwartungen für die Zukunft. Sie haben das Gefühl, zu diesen Gruppen zu gehören, mit einem Gefühl der Vertrautheit und des Vertrauens. Daher sind sie weniger ängstlich, weniger unklar und unsicher und können sich besser ausdrücken. Die Ergebnisse der Studie (Matsumoto et al., 2008a) haben gezeigt, dass dieser Unterschied in der Ausdrucksfähigkeit zwischen Eigengruppe und Fremdgruppe kulturübergreifend ähnlich ist. Die Teilnehmer aus allen 32 Ländern sind der Meinung, dass der Ausdruck von Emotionen gegenüber Mitgliedern von In-Gruppen angemessener ist als gegenüber Mitgliedern von Out-Gruppen. Darüber hinaus kommen die Autoren zu dem Schluss, dass diese Kulturen unterschiedliche Regeln für die Darstellung von Emotionen gegenüber Familienmitgliedern (engen Freunden) und Fremden haben. Menschen neigen dazu, ihre positiven Emotionen auszudrücken, wenn sie mit Familienmitgliedern und engen Freunden zusammen sind, während sie es vorziehen, negative Emotionen zu unterdrücken, wenn sie mit Fremden zusammen sind. Einige empirische Daten zeigen, dass die Darstellungsregeln mit dem tatsächlichen Ausdruck von Emotionen übereinstimmen, den Menschen zeigen (z. B. Matsumoto & Hwang, 2012; Matsumoto & Kupperbusch, 2001; Wagner & Smith, 1991). Unter den spezifischen Emotionen werden Angst, Ekel und Verachtung als die am wenigsten geeigneten Emotionen sowohl bei den Mitgliedern der Eigengruppe als auch der Fremdgruppe bewertet. Der Ausdruck dieser Emotionen ist störend für soziale Beziehungen, wie Studien zeigten (Gottman & Levenson, 2000; Matsumoto et al., 2008a; Rozin et al., 1999).
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
293
Die Darstellungsregeln entsprechen jedoch möglicherweise nicht dem tatsächlichen Ausdruck von Emotionen. Obwohl die japanischen Teilnehmer der Studie von Matsumoto (Matsumoto, 1990) angaben, dass sie eher als US-Amerikaner negative Emotionen gegenüber Außenstehenden ausdrücken würden, lächelten die japanischen Probanden in der Studie von Friesen aus dem Jahr 1972 (zitiert in Matsumoto, 1990) bei spontanen Gefühlsäußerungen, um ihre negativen Gefühle in Gegenwart anderer zu verbergen. Die Werte und das tatsächliche Verhalten stimmen also nicht immer überein. Dimensionen von Kultur und Ausdrucksregeln In einer frühen Studie wurden die Auswirkungen von Individualismus und Kollektivismus sowie der Machtdistanz auf die Darstellungsregeln von Japanern und US- Amerikanern untersucht (Matsumoto, 1990). Im Vergleich zwischen Japanern (einer kollektivistischen Kultur mit hoher Machtdistanz) und US-Amerikanern (einer individualistischen Kultur mit geringer Machtdistanz) stellte Matsumoto fest, dass die US-Amerikaner Traurigkeit und Ekel in der eigenen Gruppe für angemessener halten als die Japaner; dies liegt daran, dass die US-amerikanische Kultur negative Emotionen in der eigenen Gruppe toleriert und einen solchen Ausdruck nicht als Bedrohung für den Zusammenhalt oder die Harmonie ansieht. Die US-Amerikaner halten auch Glücksgefühle in der Öffentlichkeit für angemessener als die Japaner; das liegt daran, dass die US-amerikanische Kultur positive Emotionen in der Fremdgruppe nicht sanktioniert, sondern eher fördert. Die kulturellen Unterschiede zwischen Individualismus und Kollektivismus erklären diese Ergebnisse also sehr gut. Die Japaner sind der Meinung, dass es angemessen ist, Wut gegenüber einer anderen Gruppe und gegenüber Personen mit niedrigerem Status zu äußern. In der japanischen Kultur ist der Wert der Machtdistanz (Macht, Status und hierarchische Beziehungen) sehr hoch. Daher erlaubt die japanische Kultur den Ausdruck negativer Emotionen gegenüber anderen, die einen niedrigeren Status haben, um die Machtdistanz innerhalb vertikaler Beziehungen aufrechtzuerhalten, eine größere Differenzierung zwischen In-Gruppen und Out-Gruppen zu fördern und die Harmonie innerhalb der Gruppe zu erleichtern. Neben kollektivistischen Werten erhöht eine stärkere Differenzierung gegenüber Fremdgruppen den Grad der Harmonie in den Eigengruppen. Die US- amerikanische Kultur hingegen betont die Gleichheit und entmutigt daher das Zeigen negativer Emotionen gegenüber anderen, die einen niedrigeren Status haben, da dies die Unterschiede betont (Matsumoto, 1990). Spätere Studien aus den 1990er- bis 2000er-Jahren haben einen Zusammenhang zwischen Individualismus und Kollektivismus als kulturelle Dimension und Expressivitätsnormen anhand von mehr kulturellen Stichproben nachgewiesen (z. B. Matsumoto et al., 1998, 2008a; Safdar et al., 2009). Die Ergebnisse einer Fragebogenstudie (Matsumoto et al., 1998) zu kulturellen Unterschieden bei den Darstellungsregeln für sieben Emotionen in vier Ländern
294
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
(USA, Russland, Japan und Südkorea) unterstützen ebenfalls diese Rolle von Individualismus und Kollektivismus in den kulturellen Gruppen, die in dieser Studie auf individueller Ebene als Idiozentrismus (ein individualistisches Persönlichkeitsmerkmal) und Allokationismus (ein kollektivistisches Persönlichkeitsmerkmal) gemessen wurden.) In einer anderen Studie (Matsumoto & Kupperbusch, 2001) fanden Forscher heraus, dass idiozentrische Teilnehmer ihre negativen Gefühle gegenüber einem Experimentator mit höherem Status nicht verbargen, während allozentrische Teilnehmer dies taten. Allozentrische Teilnehmer verdeckten nicht nur negative, sondern auch positive Gefühle. Die Darstellungsregeln der kollektivistischen Kultur fördern also die Unterdrückung aller Emotionen. Die Erhebungsstudie über 32 Länder (Matsumoto et al., 2008a) zeigte, dass ein höherer kultureller Individualismus in einem Land mit Normen einhergeht, die eine höhere Ausdrucksfähigkeit, insbesondere für positive Emotionen, vorsehen. Auf der anderen Seite haben die Länder, die einen hohen kulturellen Kollektivismus aufweisen, Normen, die eine geringere allgemeine Ausdrucksfähigkeit fördern. Die Autoren versuchten, dieses Ergebnis dadurch zu interpretieren, dass der höhere Individualismus mit einer höheren Extraversion auf Länderebene korreliert, einem Persönlichkeitsmerkmal, das die Ausdrucksfähigkeit charakterisiert. Meiner Meinung nach lässt sich dieser Zusammenhang zwischen Individualismus und höherer Expressivität jedoch besser durch die Unterscheidung zwischen traditionellen und modernen Gesellschaften erklären (Inglehart, 1997; Inglehart & Baker, 2000; Inglehart & Welzel, 2005), die ich in den vorangegangenen Abschnitten ausführlich beschrieben habe. Traditionelle Gesellschaften fördern Überlebenswerte, während moderne Gesellschaften Selbstausdruckswerte fördern. Traditionelle Gesellschaften neigen dazu, überwiegend kollektivistisch zu sein, während moderne Gesellschaften dazu neigen, überwiegend individualistisch zu sein. Eine andere kulturübergreifende Studie zu Darstellungsregeln (Safdar et al., 2009), die in einem früheren Abschnitt zitiert wurde, fand Unterschiede in den Normen für den Ausdruck von Emotionen in der japanischen, der US-amerikanischen und der kanadischen Stichprobe (Safdar et al., 2009). Diese Unterschiede spiegeln im Allgemeinen die gemeinsamen kulturellen Normen von kollektivistischen und individualistischen Gesellschaften wider (Eid & Diener, 2001). Die Tendenz der Menschen, ihre Emotionen zu unterdrücken, hängt mit verschiedenen kulturellen Werten zusammen (Matsumoto et al., 2008b). In Gesellschaften, die auf die Aufrechterhaltung der sozialen Ordnung bedacht sind und in denen Einbettung, Hierarchie und langfristige Orientierung einen hohen Stellenwert haben, während individuelle affektive Autonomie und Egalitarismus einen niedrigen Stellenwert haben, neigen Menschen dazu, ihre Emotionen zu unterdrücken. Die sozialen Normen dieser Kulturen fördern die Unterdrückung des Gefühlsausdrucks, weil eine solche Regulierung wichtig ist, um sich an die Beziehungen in einem bestimmten sozialen Kontext anzupassen. In der bereits erwähnten Studie (Fernandez et al., 2000) konnten die Autoren mehrere kulturelle Rahmenbedingungen von Gesellschaften ermitteln, die mit dem verbalen und nonverbalen Ausdruck von Emotionen in Verbindung gebracht werden. Es handelt sich dabei um hohen Individualismus, kulturelle Weiblichkeit und
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
295
geringe Machtdistanz. In diesen Kulturen verbergen die Menschen ihre echten Gefühle nicht. Sie glauben, dass der Ausdruck von Emotionen ihre sozialen Beziehungen nicht zerstören wird. Menschen in Kulturen mit hohem Kollektivismus, kultureller Maskulinität, hoher Machtdistanz und geringer Unsicherheitsvermeidung neigen dazu, ihre Emotionen sowohl verbal als auch nonverbal weniger auszudrücken. Die Daten aus dieser Studie ergaben keinen direkten Zusammenhang zwischen Unsicherheitsvermeidung und emotionaler Ausdrucksfähigkeit. Die anderen Rahmenbedingungen vermitteln wahrscheinlich ihre Beziehungen. So unterscheidet sich beispielsweise die hohe Unsicherheitsvermeidung in lateinamerikanischen Ländern von der hohen Unsicherheitsvermeidung in südeuropäischen Ländern. Der Ausdruck von Emotionen ist in lateinamerikanischen Gesellschaften geringer; ihre kulturellen Normen legen eine emotionale Regulierung nahe, die Emotionen unterdrückt (Fernandez et al., 2000). Kultureller Vergleich des Ausdrucks positiver und negativer Emotionen In vielen individualistischen Ländern (insbesondere in den Vereinigten Staaten) hat das Erleben positiver Emotionen (insbesondere Glück) einen hohen Stellenwert. Die sozialen Normen üben einen großen Druck auf die Menschen aus, sich freudig und glücklich zu fühlen und diese Gefühle auszudrücken. Daher suchen die Menschen in ihrem Leben nach freudigen und glücklichen Situationen. Unglücklichsein wird als persönliches Versagen und sein Ausdruck als Abweichung empfunden (Eid & Diener, 2001). In vielen kollektivistischen Ländern (z. B. in China) werden das Erleben und der Ausdruck positiver Emotionen als unerwünscht empfunden. So berichteten chinesische Teilnehmer einer kulturübergreifenden Studie über die geringere Intensität und Häufigkeit positiver Emotionen (z. B. Freude und Glück) im Vergleich zu Amerika und Australien (Eid & Diener, 2001). Einer anderen Studie zufolge (Safdar et al., 2009) sind die japanischen Einstellungen zum Ausdruck positiver Emotionen jedoch weniger eindeutig. Somit unterscheidet sich eine kollektivistische Kultur (in diesem Fall Japan) in dieser Einstellung nicht von individualistischen Kulturen (Amerika und Kanada). Menschen in kollektivistischen Kulturen neigen dazu, den offenen Ausdruck von Emotionen zu vermeiden. Diese kulturelle Disposition bei den Darstellungsregeln ist besonders wichtig für negative, starke Emotionen. Der offene Ausdruck von Verachtung, Ekel und Wut ist in kollektivistischen Gesellschaften, wie z. B. der japanischen, kulturell unangemessen (Miyake & Yamazaki, 1995), da solche Äußerungen die Autorität bedrohen und die zwischenmenschliche Harmonie stören. Eine andere Studie (Matsumoto et al., 1998) ergab jedoch, dass Japaner ihre Emotionen mehr unter Kontrolle haben als US-Amerikaner. Sie neigen dazu, nicht nur die Darstellung starker negativer Emotionen zu begrenzen, sondern auch eine positive Emotion wie Glück.
296
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Die positive Tendenz im Ausdrucksverhalten wurde in der Studie nachgewiesen, in der Dating-Paare über Konflikte in ihren Beziehungen sprachen (Tsai et al., 2006). Auch wenn die Daten keine Unterschiede in der autonomen Reaktivität und dem emotionalen Erleben in zwei kulturellen Stichproben zeigten, so zeigten die Ergebnisse doch, dass europäisch-amerikanische Partner in ihren Gesprächen mehr positive und weniger negative emotionale Ausdrücke zeigten als chinesisch- amerikanische Partner. In individualistischen Kulturen wie der US-amerikanischen und der kanadischen Gesellschaft betrachten die Menschen den Ausdruck negativer, starker Emotionen wie Verachtung, Ekel und Wut als funktional. Wenn sie auf angemessene Weise ausgedrückt werden, fördern sie die Selbstbehauptung und schützen die Freiheit und die individuellen Rechte (Eid & Diener, 2001). Viele Menschen in diesen Kulturen glauben, dass der Ausdruck von Wut zur Klärung einer Situation beitragen kann (Eid & Diener, 2001). Daher sind sie toleranter gegenüber dem Ausdruck dieser Emotionen (Safdar et al., 2009). In einer früheren Studie zeigten Teilnehmer einer US-amerikanischen Stichprobe eine geringere Kontrolle über Verachtung, Wut und Ekel als Teilnehmer aus kollektivistischen Ländern (Matsumoto et al., 1998). Die Einstellung zum Ausdruck machtloser Emotionen wie Traurigkeit und Angst ist in kollektivistischen Kulturen weniger ausgeprägt, da sie die Einheit der Gruppe und die zwischenmenschliche Harmonie nicht offensichtlich bedrohen. Sie ziehen den Einzelnen aus der Gruppe zurück, stören aber nicht die Beziehungen. Daher unterscheiden sich kollektivistische Kulturen in dieser Hinsicht nicht von individualistischen Kulturen (Safdar et al., 2009). In einer früheren Studie zeigten Teilnehmer aus einer US-amerikanischen Stichprobe – einer individualistischen Kultur – jedoch mehr Kontrolle über das Zeigen von Traurigkeit und Angst als Teilnehmer aus kollektivistischen Ländern (Matsumoto et al., 1998). In einer anderen, umfassenderen Studie über Darstellungsregeln (Matsumoto et al., 2009) wurden in 32 Ländern die Darstellungsregeln für die Emotionen Wut, Verachtung, Ekel, Angst, Glück, Traurigkeit und Überraschung in öffentlichen und privaten Umgebungen während der Interaktion mit verschiedenen Zielpersonen untersucht: Vater, Mutter, Bruder, Schwester, enger Freund, Bekannter, wenn man allein ist usw. Doch selbst innerhalb westlicher, vermutlich individualistischer Kulturen kann es zu unterschiedlichen Ausdrucksformen kommen. So neigen US-Amerikaner beim Ausdruck von Sympathie dazu, negative Emotionen stärker zu vermeiden als Deutsche, da sie sich nicht wohl dabei fühlen, die Sympathie nur mit negativen Gefühlen auszudrücken (Koopmann-Holm & Tsai, 2014). Ein weiteres Beispiel ist der Unterschied zwischen US-Amerikanern und Kanadiern bei den Darstellungsregeln für den Ausdruck von Verachtung. US-Amerikaner sind der Meinung, dass Menschen mehr Verachtung zeigen sollten als Kanadier (Safdar et al., 2009). Die Autoren erklären diesen Unterschied mit der Darstellung der Persönlichkeit in diesen beiden Gesellschaften (Terracciano & McMcrae, 2007). Kanadier glauben, dass die typische Persönlichkeitseigenschaft eines Kanadiers Verträglichkeit ist, während US-Amerikaner glauben, dass die typische Persönlichkeitseigenschaft eines US-Amerikaners Durchsetzungsvermögen ist. Da es für Kanadier im Vergleich zu
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
297
US-Amerikanern wertvoller ist, angenehm zu erscheinen, sind sie der Meinung, dass sie den Ausdruck von Verachtung einschränken sollten (Safdar et al., 2009).
6.2.2 Kulturelles Modell des Emotionsausdrucks und kulturelles Modell der Emotionskontrolle uswirkung kultureller Dimensionen auf den Wert des Ausdrucks und der A Unterdrückung von Emotionen Einige kulturelle Traditionen fördern den freien Ausdruck von Emotionen, während andere dazu raten, Emotionen zu kontrollieren. Ein Vergleich des Ausdrucksstils zwischen Westlern (z. B. US-Amerikanern) und Ostlern (z. B. Chinesen und Japanern) kann diesen Unterschied verdeutlichen. So neigen US-Amerikaner beispielsweise dazu, ihre Emotionen extrovertierter zu zeigen, während Angehörige vieler asiatischer Kulturen der Meinung sind, dass es wichtig ist, ihre Emotionen zu mäßigen und zu kontrollieren (siehe Tsai & Levenson, 1997). Die folgenden Abschnitte zeigen jedoch, dass diese Ost-West-Unterscheidung die Vielfalt der emotionalen Ausdrucksstile in vielen Kulturen nicht vollständig erklärt. Individualismus (im Gegensatz zu Kollektivismus), Machtdistanz, kulturelle Männlichkeit und einige andere kulturelle Variablen auf der Länderebene der Analyse zeigten häufig ihre Beziehungen zur emotionalen Expressivität. So wurde beispielsweise festgestellt, dass Menschen in den Vereinigten Staaten – einer individualistischen Kultur – ihre negativen Emotionen stärker zum Ausdruck bringen als Menschen in Costa Rica und Japan – kollektivistischen Kulturen (Stephan et al., 1998, 1996). Die Menschen in kollektivistischen Gesellschaften und mit hoher Machtdistanz sind im Allgemeinen weniger gefühlsbetont. Der Ausdruck guter Gefühle (z. B. Sympathie) gegenüber anderen ist jedoch eher typisch für Länder mit hohem Kollektivismus und Machtdistanz, in denen Respekt und Harmonie besonders geschätzt werden. Der öffentliche Ausdruck von Kummer, Ärger und sogar übermäßiger Freude kann von anderen als Mangel an Respekt verstanden werden. In Kulturen mit hoher Machtdistanz werden daher emotionale Äußerungen gefördert, die Unterschiede im sozialen Status legitimieren (Fernandez et al., 2000). nabhängige und voneinander abhängige Modelle des Selbst und des U Ausdrucks von Gefühlen Die Unterschiede in den Emotionen zwischen westlichen und ostasiatischen Kulturen, die sich aus ihren unabhängigen bzw. interdependenten Selbstmodellen ergeben, liegen in der Bedeutung, die sie dem Ausdruck oder der Unterdrückung von Emotionen beimessen (Markus & Kitayama, 1991; Tsai & Clobert, 2019). Wie in den vorangegangenen Abschnitten beschrieben, erkennen Menschen mit einem
298
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
unabhängigen Selbstmodell sich selbst als von anderen getrennt an. Sie glauben an die Priorität persönlicher Bedürfnisse, Wünsche, Überzeugungen und Vorlieben. Menschen mit interdependenten Selbstmodellen hingegen sehen sich selbst als mit anderen verbunden. Sie glauben an die Prioritäten der Bedürfnisse, Pflichten und Zugehörigkeiten anderer. Aufgrund des Selbstverständnisses dieser beiden Kulturkreise haben die Menschen unterschiedliche Einstellungen zum Ausdruck von Emotionen. Die Normen westlicher Kulturen fördern nicht nur unabhängige Modelle des Selbst, sondern auch den freien Ausdruck von Emotionen, da ein solcher offener Ausdruck das Selbst einer Person als eigenständig und einzigartig hervorhebt. Darüber hinaus wird der Ausdruck von Emotionen als wichtig für die psychische Gesundheit angesehen. Da westliche Kulturen dem Gefühlsausdruck einen hohen Stellenwert einräumen, sind emotionale Kontrolle und Unterdrückung für europäische US- Amerikaner schwieriger und könnten schädlich sein, da sie ihrem kulturellen Ideal zuwiderlaufen (z. B. Butler et al., 2007; Mauss & Butler, 2010, siehe für eine ausführlichere Übersicht Tsai & Clobert, 2019). Im Gegensatz dazu fördern östliche Kulturen voneinander abhängige Modelle des Selbst und raten davon ab, Emotionen offen zu zeigen. Kulturelle Normen legen nahe, dass ein offener Ausdruck von Emotionen bei anderen ein schlechtes Gefühl hervorrufen kann und somit der zwischenmenschlichen Harmonie schaden kann (Soto et al., 2005). Menschen aus dem Osten neigen im Vergleich zu Menschen aus dem Westen dazu, ihre Gefühle zu kontrollieren. Sie sind weniger expressiv in ihren Emotionen (Heine, 2010; Henrich et al., 2010; Kitayama & Cohen, 2007; Markus & Kitayama, 1991). Menschen in östlichen Kulturen zwingen ihre Emotionen in der Regel nicht anderen auf, da dies der Aufrechterhaltung harmonischer Beziehungen abträglich sein kann. In solchen kulturellen Kontexten neigen Menschen dazu, ihre Gefühle zu unterdrücken, anstatt sie auszudrücken (Ford & Mauss, 2015; Matsumoto, 1990; Su et al., 2014; Wei et al., 2013). Da östliche Kulturen eher Wert auf Unterdrückung als auf den Ausdruck von Emotionen legen, entsprechen emotionale Kontrolle und Unterdrückung ihrem kulturellen Ideal und sind für Asiaten von Vorteil (Butler et al., 2007; Le & Impett, 2013; Mauss & Butler, 2010, siehe auch für einen ausführlicheren Überblick Tsai & Clobert, 2019). Aufgrund ihrer erlernten kulturellen Normen fällt es Ostasiaten leichter, ihre Emotionen herunterzuregulieren und zu unterdrücken, und dies erfordert weniger Ressourcen als bei europäischen US-Amerikanern (Murata et al., 2013). Die kulturelle Tradition des passiven Rückzugs als Verteidigungstaktik ist in mehreren asiatischen Kulturen üblich. Die Vermeidung der Kommunikation ihrer Ansichten, die Verringerung der Beteiligung und der weiteren Interaktion mit anderen sind die verborgenen psychologischen Wege, um mit negativen Emotionen umzugehen. Die bevorzugten Reaktionen sind passiv, selten aktiv (Barnlund, 1975, S. 448). Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass Asiaten in einer Vielzahl von sozialen Situationen und Beziehungen emotionale Äußerungen als weniger „angemessen“ betrachten als europäische US-Amerikaner (Matsumoto, 1993). Diese kulturellen
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
299
Normen beeinträchtigen die Fähigkeit zur emotionalen Selbstregulierung. Untersuchungen zufolge (Soto et al., 2011) zeigen asiatische und europäische US- Amerikaner das gleiche Ausmaß an Emotionen, wenn sie aufgefordert werden, emotionale Reaktionen in einer emotionalen Situation zu unterdrücken. Die europäischen US-Amerikaner sind jedoch eher in der Lage, ihre Emotionen zu zeigen, wenn sie ihre emotionalen Reaktionen verstärken müssen, als die asiatischen US-Amerikaner. Diese Schlussfolgerungen wurden durch psychophysiologische, verhaltensbezogene und selbstberichtete Messungen gestützt. Wie ich an anderer Stelle kommentiert habe, stehen diese Unterschiede im Einklang mit den kulturellen Vorteilen der Unterdrückung für asiatische US-Amerikaner und dem Nutzen des Ausdrucks für europäische US-Amerikaner. Sozialisierung der Emotionsregulation in der Kindheit Kulturelle Normen für den Ausdruck und die Regulierung von Emotionen werden von Kindern recht früh erworben. Sie lernen, ihren Gefühlsausdruck an die kulturell akzeptierten Regeln anzupassen, wann, wo und wie man Gefühle ausdrückt (Saarni, 1999). Für die Entwicklung der Fähigkeit zur Emotionsregulation ist es wichtig, zwischen Emotionserleben und Emotionsausdruck zu unterscheiden. Infolgedessen entwickeln sich Darstellungsregeln. Eine kulturübergreifende Studie (Joshi & MacLean, 1994) verglich englische und indische Vorschulkinder im Alter von 4–5 Jahren und stellte fest, dass indische Mädchen besser in der Lage waren, zwischen dem Erleben von Emotionen und deren Ausdruck zu unterscheiden als indische Jungen und auch besser als englische Mädchen und Jungen. Sie erklärten, dass der Ausdruck von Emotionen auf sozialen Normen beruht, die von ihnen Respekt vor Älteren, Unterordnung unter Autoritäten und soziale Verpflichtungen erwarten. Das Verschweigen negativer Emotionen ist ein Beispiel für diese kulturellen Regeln der Darstellung. In einer anderen Studie (Raval et al., 2007) wurden die Darstellungsregeln indischer Kinder weiter untersucht. Die Autoren fanden heraus, dass die städtischen indischen Gujarati-Kinder im Alter von 5–9 Jahren Traurigkeit und Wut als weniger geeignet für den offenen Ausdruck ansehen als Schmerz. Mädchen drückten Traurigkeit häufiger aus als Wut. Wenn die Mädchen ihre Traurigkeit und Wut zum Ausdruck brachten, taten sie dies indirekt – auf eine subtile Art und Weise. Indische Mädchen und Jungen neigen also dazu, ihre Gefühle zu kontrollieren. Allerdings gab es auch geschlechtsspezifische Unterschiede. Mädchen versuchten häufiger als Jungen, ihre Wut zu kontrollieren. Eine andere Studie verglich die Emotionsregulation zwischen nepalesischen und US-amerikanischen Kindern. Die Autoren fanden heraus, dass brahmanische nepalesische Kinder im frühen Schulalter (erste bis fünfte Klasse) sich der Notwendigkeit, Ärger zu verbergen, stärker bewusst sind als nepalesische oder US- amerikanische Tamang-Kinder (Cole et al., 2002; Cole & Tamang, 1998);
300
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
In ähnlicher Weise zeigte ein Vergleich von Vorschulkindern im Alter von 4–5 Jahren in Japan und den Vereinigten Staaten (Zahn-Waxler et al., 1996), dass japanische Kinder häufiger versuchten, ihre Emotionen zu regulieren (z. B. als Reaktion auf einen Konflikt) und weniger Wut und Aggression äußerten als US-ameri kanische Kinder. Ein anderes Beispiel ist ein Vergleich der Gefühlsausdrücke von chinesisch- amerikanischen und europäisch-amerikanischen Kindern im Alter von 4 und 7 Jahren (Garrett-Peters & Fox, 2007). Die Forscher untersuchten die Regeln der Emotionsdarstellung in einer enttäuschenden Situation – beim Erhalt eines unerwünschten Geschenks. 7-jährige europäisch-amerikanische Kinder waren in der Lage, ihre Enttäuschung zu verbergen und positive Emotionen besser auszudrücken als die 4-Jährigen. Dies deutet auf eine sich entwickelnde Sozialisierung der Emotionsregulation in diesen Jahren hin. Allerdings war der Ausdruck positiver Emotionen bei chinesisch-amerikanischen Kindern im Alter von 7 Jahren immer noch genauso niedrig wie bei ihren 4 Jahre alten Altersgenossen. Letzteres scheint überraschend, da die chinesische Kultur großen Wert auf emotionale Zurückhaltung legt. Die Autoren interpretieren diesen unerwarteten Befund dahingehend, dass die chinesischen kulturellen Normen zwar die emotionale Zurückhaltung bei Traurigkeit und Wut, nicht aber bei Enttäuschung fördern. Auch die Akkulturation scheint eine Rolle zu spielen: Die chinesisch- amerikanischen Kinder, die besser an die US-amerikanische Kultur angepasst waren, zeigten einen ähnlichen Gefühlsausdruck wie die europäisch-amerikanischen Kinder (d. h. sie verbargen die Enttäuschung und zeigten einen positiven Ausdruck). Was die geschlechtsspezifischen Unterschiede angeht, so zeigten Mädchen in beiden kulturellen Gruppen weniger negative Ausdrücke als Jungen (Garrett-Peters & Fox, 2007). Die Entwicklung der emotionalen Regulierung positiver Emotionen in der Kindheit ist auch kulturspezifisch. Kinder in östlichen und westlichen Gesellschaften unterscheiden sich darin, wie sie positive Emotionen ausdrücken. Östliche Kinder lernen ihre kulturelle Norm der Bescheidenheit und ziehen es daher vor, den Ausdruck positiver Emotionen zu verbergen. So fanden Forscher (Lee et al., 2000) he raus, dass chinesische und taiwanesische Kinder im Alter von 11 Jahren im Vergleich zu jüngeren Kindern im Alter von 7 Jahren der Meinung sind, dass es gut und akzeptabel ist, die eigenen guten Taten und Leistungen unbemerkt zu lassen oder sogar zu verbergen. Ebenso drückten japanische Vorschulkinder weniger Stolz (eher Verlegenheit) aus, wenn sie einen Erfolg erzielten, als europäisch-amerikanische und afroamerikanische Kinder (Lewis et al., 2010). So erwerben Kinder die kulturellen Normen für den Ausdruck von Emotionen recht früh. Die Studien haben bisher kulturübergreifende Unterschiede in den Regeln der Gefühlsdarstellung aufgezeigt, die mit der traditionellen Gegenüberstellung von westlichen, individualistischen und östlichen, kollektivistischen Kulturen übereinstimmen. In individualistischen Gesellschaften ermutigen Eltern und Kinder die Normen des offenen Ausdrucks von Emotionen als Selbstdarstellung ihrer Individualität. In kollektivistischen Gesellschaften unterstützen die Eltern die kulturellen Normen der sozialen Harmonie und der Bescheidenheit sowie die ent-
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
301
sprechenden Regeln für das Verbergen positiver und negativer Emotionen, und die Kinder eignen sich diese Normen sehr früh an. Diese Unterschiede stehen im Einklang mit emotionalen Kompetenzmodellen der emotionalen Entwicklung (Friedlmeier et al., 2011). Nach dem individualistischen emotionalen Kompetenzmodell, das auf einem unabhängigen Selbstkonzept basiert (vorherrschend in westlichen Kulturen), spiegeln Emotionen individuelle Bedürfnisse wider und sollten daher offen kommuniziert und respektiert werden. Im Gegensatz dazu hat das Modell der relationalen emotionalen Kompetenz, das auf einem interdependenten Selbstkonzept beruht (das in östlichen Kulturen vorherrscht), Emotionen eine geringere Bedeutung im Leben als die Interessen der eigenen Gruppe. Daher haben der Respekt gegenüber anderen und ein angemessenes Verhalten Vorrang vor dem offenen Ausdruck von Gefühlen. Diese Kulturen befürworten den offenen Ausdruck nur für sozial verbindliche Emotionen (wie Scham und Schuld), die die Regulierung sozialer Beziehungen und die Aufrechterhaltung der sozialen Harmonie fördern. Mehrere Studien haben gezeigt, wie Kinder diese kulturspezifischen emotionalen Kompetenzen erwerben und wie die Emotionssozialisation kulturelle Unterschiede im Emotionsausdruck fördert (siehe Friedlmeier et al., 2015). Chinesischer Stil des Gefühlsausdrucks Die chinesische Moralvorstellung von der Mäßigung der Gefühle hat ihren Ursprung in den alten konfuzianischen Lehren. Daher werden die Kinder dazu erzogen, ihre Impulse zu kontrollieren (Ho, 1994). Soziale Harmonie, die mit der Selbstkontrolle von Emotionen verbunden ist, hat eine höhere Priorität als der individuelle Selbstausdruck (Klineberg, 1938; Wu & Tseng, 1985). Studien legen nahe (siehe Bond, 1993), dass Chinesen dazu neigen, ihren Gefühlsausdruck sorgfältig zu regulieren. Diese kulturelle Norm beruht auf der Sorge, dass eine übermäßige Ausdrucksfähigkeit die Statushierarchie und die Gruppenharmonie stören würde. In der chinesischen Kultur werden die Gefühle in engen Beziehungen zwar vorausgesetzt, aber nicht mitgeteilt. Chinesen neigen dazu, die Art ihrer Gefühle in Familienbeziehungen nicht zu besprechen und auszudrücken. „Der Sohn kennt das Herz der Mutter nicht, die Mutter kennt das Herz des Sohnes nicht“ – so lautet ein chinesisches Sprichwort unter Dorfbewohnern (Potter, 1988, S. 201). Ebenso drückt ein Vater seine Zuneigung zu seinem Sohn nicht offen aus. Eine kulturelle Tradition des angemessenen Verhaltens empfiehlt, die gebührende Distanz zwischen Eltern und Kindern zu wahren. Chinesen sind der Meinung, dass soziale und physische Distanz ein besserer Weg zur Aufrechterhaltung einer angemessenen Beziehung ist, als das Zeigen von Zuneigung. Sie sind der Meinung, dass ein offener Ausdruck von Gefühlen die Stärke der Beziehung zwischen Eltern und ihren Kindern schwächen kann, in der die Muster von Gehorsam und Respekt grundlegend sein sollen. Für Chinesen ist das Sprechen über Gefühle zur Bestätigung von Beziehungen fremd und für ihre engen Beziehungen nicht relevant (Potter, 1988). Die Fähigkeit,
302
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
etwas Gutes zu tun, und nicht die Fähigkeit, Gefühle zu empfinden und auszudrücken, wird als das Wichtigste angesehen. Auch wenn Chinesen im Allgemeinen ihre Emotionen nur spärlich zeigen, hat Potter (1988) beobachtet, dass chinesische Dorfbewohner ihre Emotionen nicht verbergen und deren Ausdruck nicht vermeiden. Sie können in ihrem täglichen Leben ausdrucksstark sein, halten es aber nicht für wichtig, über ihre Gefühle zu sprechen. Japanischer Stil des Gefühlsausdrucks Der japanische Ausdrucksstil enthält viele respektvolle, bescheidene Formen und eine Vielzahl von Strategien, um Höflichkeit auszudrücken. Der Gesprächskontext ist wichtig, um die Bedeutung hinter den Worten zu erkennen. Japaner verwenden selten persönliche Namen (Nishimura et al., 2008). Die Anfang der 1970er-Jahre unter japanischen Studenten durchgeführte Studie (Barnlund, 1975) ergab sowohl aus japanischer als auch aus US-amerikanischer Sicht sehr einheitliche Profile ihrer Ausdruckskultur. Die Japaner sahen sich selbst und wurden von den US-Amerikanern als „förmlich“, „zurückhaltend“, „ausweichend“ und „vorsichtig“ betrachtet. Die Japaner fügten auch Begriffe wie „still“, „ernst“ und „abhängig“ hinzu. Japaner bevorzugen also formelle Begegnungen. Sie sind vorsichtig und zurückhaltend, wenn es darum geht, sich auszudrücken, und ziehen es vor, still und ausweichend zu sein, anstatt offen und ehrlich. Ihr sehr begrenztes Selbst wird kontrolliert und vorsichtig ausgedrückt. Ihr größeres privates Selbst ist verborgen und unbekannt. Diese Eigenschaften stimmen mit frühen Veröffentlichungen von Wissenschaftlern überein (z. B. Benedict, 1946, Doi, 1962, Nakamura, 1964, Nakane, 1970, siehe für eine ausführliche Übersicht und Literaturhinweise Barnlund, 1975). Japaner ziehen es vor, ihre persönliche Offenheit zu begrenzen: sowohl verbal als auch nonverbal. Ihr durchschnittlicher Grad der Selbstauskunft liegt bei 0,75, im Vergleich zu US-Amerikanern – 1,12 (Barnlund, 1975). Bei vertrauten Personen (männliche und weibliche Freunde, Mutter und Vater) sind die Werte für die Selbstauskunft bei Japanern jedoch höher – 1,00, im Vergleich zu US-Amerikanern – 1,44. Die Japaner wahren also eine größere zwischenmenschliche Distanz als die US-Amerikaner, selbst gegenüber ihren engsten Vertrauten und Freunden. Etwa die Hälfte ihrer zwischenmenschlichen Kommunikation mit vertrauten Personen beinhaltet eine mäßig umfassende Offenlegung des eigenen Ichs. Hauptsächlich neigen die Japaner dazu, selbst mit ihren Eltern und engsten Freunden nur in allgemeiner Form zu sprechen. Was die ideale Kommunikation zwischen Mann und Frau betrifft, so stimmten 54 % der japanischen Männer und 71 % der japanischen Frauen der Aussage zu, dass es wichtig ist, „Dinge frei und offen zu besprechen“. 43 % der Männer und nur 23 % der Frauen stimmten der Aussage zu, dass „in einer idealen Ehe der Mann und die Frau einander verstehen, ohne zu sprechen“ (Morsbach, 1988b, S. 210). Körperkontakt ist ein empfindlicher Indikator für zwischenmenschliche Distanz. In Japan gelten andere Regeln für den Körperkontakt als in den Vereinigten Staaten.
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
303
Japaner – ähnlich wie US-Amerikaner – hatten den engsten Kontakt mit Freunden des anderen Geschlechts, dann mit Müttern, dann mit gleichgeschlechtlichen Freunden und zuletzt mit Vätern. Allerdings gab es einige kulturelle Unterschiede (Barnlund, 1975). Japaner halten Freunde des anderen Geschlechts für etwas geeigneter als Mütter oder gleichgeschlechtliche Freunde. Berührungen in einer engen Beziehung werden in Japan auf die gleiche Weise eingesetzt wie in den Vereinigten Staaten. Das Empfangen und Initiieren von Körperkontakt beruht auf Gegenseitigkeit: Eine geringere oder höhere Häufigkeit des Berührtwerdens ist mit einer geringeren oder höheren Häufigkeit des Berührens verbunden. Dennoch haben in beiden Kulturen Männer etwas häufiger „berührenden“ Kontakt mit dem anderen Geschlecht, während Frauen relativ häufiger „berührt werden“. (Barnlund, 1975). Bei Nachrichten, die in ihr Privatleben, in ihr Selbstverständnis oder in ihre Weltsicht eingreifen, bevorzugen Japaner eine Abwehrtaktik wie den „passiven Rückzug“. Obwohl sie in ihrer Reaktion verschiedene Formen und Inhalte verwenden können, besteht das verborgene psychologische Motiv darin, die Mitteilung ihrer Ansichten zu vermeiden und die Beteiligung und weitere Interaktion mit anderen zu verringern. Sie entscheiden sich häufig dafür, „zu sagen, dass ich nicht darüber sprechen möchte“, „verbal anzudeuten, dass ich lieber nicht antworten möchte“ und „zu schweigen“. Sie berichten selten, dass sie „ihm sagen, er solle sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern“, „ihn mit Humor oder Sarkasmus in die Schranken weisen“ oder „mich durch Erklärungen und Argumente verteidigen“. Die bevorzugten Antworten sind vom Typ „passiv“, selten „aktiv“. (Barnlund, 1975, S. 448). Indischer Stil des Gefühlsausdrucks Der Ausdrucksstil in der indischen Kultur ist durch zwischenmenschliche Distanz gekennzeichnet. Mit älteren Menschen wird in respektvoller Form gesprochen. Jüngere Brüder und Schwestern nennen ihre älteren Geschwister nie beim Vornamen, sondern nur tai (älteste Schwester), mai (zweitälteste Schwester) und bhau (ältester Bruder). (Nishimura et al., 2008, S. 792). Das indische Englisch ist förmlich, poetisch und höflich mit Ausdrücken der Bescheidenheit und der Respektterminologie. Für Inder hat verbales und nonverbales Ausdrucksverhalten nicht den Zweck, Fakten und Wissen auszutauschen oder Emotionen zu teilen; Kommunikation ist vielmehr der Weg, um Harmonie zu erhalten und Beziehungen zu knüpfen (Lewis, 1996, 2003; Pakiam, 2007). Inder neigen dazu, lange Sätze und mehrdeutige Ausdrücke zu verwenden. Das kann zu Missverständnissen zwischen Kommunikatoren aus indischen Kulturen mit hohem Kontext und westlichen Kulturen mit geringem Kontakt führen (Zaidman, 2001). Inder sind familienorientiert und loyal gegenüber ihrer Gruppe; sie halten sich an ein hierarchisches System, an Verpflichtungen und an die Pflichten eines Familienmitglieds. Sie sind kollektivistisch in ihrer lokalen Gruppe, aber individualistisch in den Beziehungen zu Außenstehenden (Lewis, 1996, 2003).
304
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Kaluli Stil des Gefühlsausdrucks Die Kaluli sind ein nicht alphabetisiertes indigenes Volk, das im tropischen Wald von Papua-Neuguinea lebt. Es handelt sich um eine egalitäre Gesellschaft, in der es keine festen Autoritäts- oder Statuspositionen gibt. Der Einzelne ergreift eigene Ini tiativen und fördert die Zusammenarbeit mit anderen. Charakterstärke und energisches Durchsetzungsvermögen sind Teil des kulturellen Geistes der Kaluli-Männer. Die starke persönliche Energie bestimmt den emotionalen Stil, den Schieffelin (1983) als expressiv leidenschaftlich charakterisiert. Wenn Kaluli-Menschen eine starke Emotion erleben, wie z. B. Verlegenheit, Angst, Wut, Trauer und Mitleid, verbergen sie ihre Gefühle nicht, sondern drücken sie offen aus. Indem sie ihre Gefühle ausdrücken, neigen sie dazu, andere zu beeinflussen. Sie erschrecken sie, wie im Fall von Wut, oder sie rufen ihr Mitgefühl und ihre Unterstützung hervor, wie im Fall von Trauer. Kummer und Trauer werden offen geäußert, um das Mitgefühl und die Unterstützung anderer auszulösen. Wie Schieffelin (1983) hervorhebt, fungiert diese Darstellung von Emotionen also eher „als Erklärung des Geistes, der Motivation und/oder der Absicht und nicht als bloßer kathartischer Ausdruck von Gefühlen“ (S. 183). Für die Kaluli bedeutet ein Ausdruck von Wut, dass die wütende Person unter einem Verlust, einem unerfüllten Wunsch oder einer enttäuschten Hoffnung leidet. Ein Ausdruck von Wut ist nicht nur beängstigend, sondern bedeutet häufig auch ein energisches Flehen um Unterstützung. Indem die Person ihre Notlage für alle hörbar schreit, will sie deren mitfühlende Aufmerksamkeit wecken. Der Ausdruck von Wut ist für die Kaluli eine rhetorische und legitime Kraft ihres selbstbewussten kulturellen Geistes.
6.2.3 Die Vielfalt von Ausdrucksmöglichkeiten in westlichen Kulturen ie Normen des Gefühlsausdrucks in homogenen und D heterogenen Gesellschaften Es ist davon auszugehen, dass der Ausdruck von Emotionen davon abhängt, wie homogen oder heterogen die Gesellschaften in ihrer historischen kulturellen Per spektive sind: ob die heutige Bevölkerung eines Landes aus der Migration aus wenigen oder zahlreichen Ländern über einen Zeitraum von 500 Jahren hervorgegangen ist (Rychlowska et al., 2015). Die Menschen in historisch homogenen Gesellschaften haben eine gemeinsame Sprache, Normen und kulturelle Praktiken, während die Menschen in historisch heterogenen Gesellschaften in dieser Hinsicht unterschiedlich sind. Die Theorie besagt, dass Menschen in historisch heterogenen Gesellschaften in der Lage sein sollten, ihre emotionalen Ausdrücke zu verstärken, um ihre Gefühle genau zu vermitteln. Bei einer erneuten Analyse der Daten zu Ausdrucksregeln aus
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
305
32 Ländern (Matsumoto et al., 2008a) stellten die Forscher fest, dass die Menschen in historisch heterogeneren Ländern stärker daran glauben, dass Emotionen offen ausgedrückt und nicht unterdrückt werden sollten. Sie stimmten auch darin überein, dass Lächeln eher der sozialen Bindung als der Statussignalisierung dient (Rychlowska et al., 2015). In einigen Kulturen gibt es strenge Normen für die Regulierung von Emotionen, um institutionelle Rollen und Normen zu erfüllen – institutionelle Orientierung –, während andere Kulturen Wert darauflegen, Emotionen unreguliert auszudrücken – impulsive Orientierung (Gordon, 1989). Beide Orientierungen können von Menschen jeder Kultur genutzt werden, je nach Kontext. Frankreich repräsentiert eine Kultur mit impulsiver Orientierung, während die Vereinigten Staaten die Kultur mit der institutionellen Orientierung in Bezug auf emotionales Verhalten repräsentieren. Grandey, Fisk und Steiner (2005) nennen die Vereinigten Staaten als Beispiel für eine Kultur mit einer starken institutionellen Ausrichtung auf Gefühle. Für US- Amerikaner gibt es eine starke Norm, positiv zu handeln und negative Gefühle zu verbergen, um einen guten Eindruck zu machen (Schneider, 1981). In ihrer verbalen Kommunikation verwenden die US-Amerikaner häufig den Stil der Überschrift: Sie kündigen in der Regel zu Beginn an, worüber sie sprechen werden. US-Amerikaner neigen dazu, bei der Begrüßung und bei formellen Einführungen zu lächeln (Hall & Hall, 1990, S. 142) und sind mehr darauf bedacht, Ärger zu unterdrücken als europäische und asiatische Studenten (Sommers, 1984a, b). Amerikanischer Ausdrucksstil Amerikaner bevorzugen es, ihre Botschaften direkt zu formulieren, und übersehen dabei manchmal nonverbale Signale wie leichte Veränderungen der Körperhaltung, der Atmung und subtile Veränderungen der Stimme. US-Amerikaner geben gerne an, rühmen sich und übertreiben ihre Gefühle. Sie bewundern einen guten Sinn für Humor und Witze und neigen dazu, Spannungen in sozialen Situationen mit Humor abzubauen. US-Amerikaner ziehen es vor, ihre sozialen Gespräche leicht zu halten und sich nicht an ernsthaften philosophischen Diskussionen zu beteiligen, da sie die Philosophie als ein abstraktes und theoretisches Gebiet betrachten (Hall & Hall, 1990). Die US-Amerikaner unterscheiden sich von den Deutschen auch im Ausdruck von Mitgefühl als Reaktion auf das Leiden einer Person. US-Amerikaner neigen mehr als Deutsche dazu, negative Gefühle zu vermeiden. Um negative Emotionen zu vermeiden, fühlen sich US-Amerikaner weniger wohl mit Beileidsbekundungen, die nur negative Gefühle erwähnen. Beim Vergleich US-amerikanischer und deutscher Beileidskarten (Tsai et al., 2013) stellten die Forscher fest, dass US- amerikanische Beileidskarten positiver und optimistischer sind als deutsche Karten (z. B. „Mögen Sie Trost finden“), während deutsche Beileidskarten eher negativ sind (z. B. „Ich hoffe, diese Worte zeigen, wie sehr ich Ihren Schmerz teile“). Amerikaner unterscheiden sich auch in ihrem Gefühlsausdruck von Japanern. In einer Studie aus den frühen 1970er-Jahren (Barnlund, 1975) wurden sowohl aus
306
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
US-amerikanischer als auch aus japanischer Sicht sehr konsistente Profile ihrer Ausdruckskultur entdeckt. US-Amerikaner sahen sich selbst und wurden von Japanern als „informell“, „gesprächig“, „offen“, „durchsetzungsfähig“ und „spontan“ wahrgenommen. Japaner nahmen die US-Amerikaner als „humorvoll“ wahr, während die US-Amerikaner sich selbst eher als „impulsiv“ wahrnahmen. Die US- Amerikaner bevorzugen also informelle Begegnungen, sie sind selbstdarstellerisch, selbstbewusst, gesprächig und spontan. Sie sind offen und teilen ihre Erfahrungen mit. Was die verbale und nonverbale Offenlegung betrifft, so zeigen die US- Amerikaner insgesamt ein höheres Maß an Selbstoffenbarung. Die durchschnittliche Offenheit der US-Amerikaner übertrifft die verbale Offenheit der Japaner – sogar in ihren intimen Beziehungen. US-Amerikanische Liebhaber müssen häufig hören, dass ihre Partner sie lieben. Was den körperlichen Kontakt als Indikator für die zwischenmenschliche Distanz betrifft, so war der körperliche Kontakt bei US-Amerikanern in allen Beziehungskategorien doppelt so häufig wie bei Japanern. US-Amerikaner empfinden Freunde des anderen Geschlechts als besonders attraktiv. Die meisten US- Amerikaner gaben an, dass sie mit einem Freund oder einer Freundin des anderen Geschlechts körperlichen Kontakt in allen Bereichen des Körpers hatten. US- Amerikaner scheinen in allen engen Beziehungen körperlich zugänglicher und ausdrucksstärker zu sein. Wut scheint in der US-amerikanischen Kultur weit verbreitet zu sein. Tavns meinte (1982), dass „der Individualismus des amerikanischen Lebens. ... … Wut hervorruft und zu ihrer Entladung ermutigt; denn wenn alles möglich ist, sind Einschränkungen lästig“ (S. 65). Die weit verbreiteten Wutausbrüche sind also darauf zurückzuführen, dass die US-Amerikaner ihre Rechte in hohem Maße wahrnehmen. Die Vorstellung der US-Amerikaner von Individualismus und ihren weitreichenden Rechten konstituiert ihre kulturelle Bedeutung von Wut. Wenn andere in den persönlichen Raum der US-Amerikaner und in ihr Privatleben eindringen oder ihre Weltanschauung in Frage stellen, wenden sie die Strategie der „aktiven Aggression“ an. Sie ziehen es vor, sich stärker zu engagieren, ihre Überzeugungen zu vertiefen und denjenigen, die ihre Überzeugungen in Frage stellen, aggressiv zu antworten. Sie reagieren mit Drohungen und verwenden aktive Formen wie „die Bemerkung direkt beantworten, auch wenn es unangenehm ist“, „mich durch Erklärungen und Argumente verteidigen“ und „Humor und Sarkasmus verwenden, um ihn in seine Schranken zu weisen“. Sie entscheiden sich selten dafür, „andere zu fragen, was sie denken“, „zu lachen“ und „das Thema zu wechseln“ (Barnlund, 1975, S. 449). Sowohl in der US-amerikanischen als auch in der japanischen Kultur gibt es keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede; die kulturellen Unterschiede haben Vorrang vor den geschlechtsspezifischen Unterschieden. Es ist allgemein bekannt, dass die europäisch-amerikanische Kultur die Menschen dazu ermutigt, ihre Emotionen offen auszudrücken; es besteht die Überzeugung, dass ein solcher ungehemmter emotionaler Selbstausdruck die Zufriedenheit in Beziehungen und die Gesundheit fördert. Es sei darauf hingewiesen, dass die kulturellen Gruppen in den Vereinigten Staaten recht heterogen sind; daher ist es
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
307
nicht ganz korrekt und angemessen, die emotionale Ausdrucksfähigkeit von Asiaten mit der von US-Amerikanern oder Europäern (den so genannten Westlern) zu vergleichen. Bei den europäischen US-Amerikanern hängt der Ausdruck von Emotionen auch von ihrer Einwanderungsherkunft ab. Normative kulturelle Unterschiede im Ausdruck von Emotionen bleiben je nach Herkunftsland bestehen. So neigen beispielsweise europäische US-Amerikaner skandinavischer Abstammung dazu, weniger ausdrucksstark zu sein, während europäische US-Amerikaner irischer Abstammung eher dazu neigen, ausdrucksstärker zu sein (Tsai & Chentsova-Dutton, 2003). Und diese Unterschiede sind besonders groß beim Ausdruck von Liebe und Glück. Französischer Ausdrucksstil Frankreich wiederum ist ein Beispiel für eine Kultur mit impulsiver Ausrichtung auf Emotionen. Die Franzosen haben eine sehr emotionale Art, Dinge zu tun: Sie können sehr fröhlich und einnehmend sein. Dennoch schlägt das französische Temperament manchmal um sich (Hallowell et al., 2002, S. 14), was auf eine impulsive Orientierung im Vergleich zu den US-Amerikanern hinweist. Die Franzosen machen sich keine Gedanken über „falsche Kumpanei“ oder falsche Ungezwungenheit (Hall & Hall, 1990, S. 117). Der „Service mit einem Lächeln“ ist in den Vereinigten Staaten nicht nur im Geschäfts- und Dienstleistungsbereich, sondern auch in anderen Lebensbereichen präsent, während die Franzosen sich nicht darum kümmern. Hall und Hall (1990, S. 102) charakterisieren den französischen Kommunikationsstil als eloquent, indirekt und offen. Dies steht in gewissem Gegensatz nicht nur zur US-amerikanischen, sondern auch zur benachbarten deutschen Kultur, in der ein direkter Kommunikationsansatz die Norm ist. Die Franzosen lieben kleine Gespräche und Konversationen. Jede Verabredung beginnt mit einem allgemeinen Gespräch. Sie sind in der Regel über aktuelle Ereignisse informiert und diskutieren diese gerne. Da sie sehr kontextbezogen kommunizieren, ziehen es die Franzosen vor, in ihren Dialogen Raum für Fantasie zu lassen und nicht alle Details auszubuchstabieren. In der verbalen Kommunikation schätzen sie Raffinesse, Geheimnis und Nuancen des Ausdrucks. Der französische kontextorientierte Kommunikationsstil weist einige Ähnlichkeiten, aber auch Unterschiede zur japanischen kontextorientierten Kultur auf. Die Franzosen sprechen häufig über etwas, ohne sich explizit zu äußern, und gehen davon aus, dass der Zuhörer die versteckte Botschaft intuitiv versteht. In dieser Hinsicht ist ihr Kommunikationsstil der japanischen Kultur ähnlich. Dennoch ist ihr Stil anders, denn sie lieben lebhafte Diskussionen mit logischer Rhetorik. Was das Gefühlsleben und die Handlungen betrifft, so haben die frühen mediterranen Kulturen die moderne französische Kultur beeinflusst, und das Verhalten der Menschen ähnelt wesentlich mehr den Kulturen Südeuropas als den Kulturen anderer nordeuropäischer Länder. Die Franzosen sind Traditionalisten; sie respektieren Status und Formalitäten und haben einen guten Sinn für Humor.
308
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Das scheinbar widersprüchliche Verhalten der Franzosen könnte auf innere Konflikte zwischen Gefühl, Logik und Pragmatismus zurückzuführen sein. Franzosen empfinden Emotionen intensiv und bringen ihre Zuneigung, Liebe, ihren Unmut und ihre Wut offen und manchmal demonstrativ zum Ausdruck. Sie neigen dazu, ihre Meinung in Diskussionen aktiv zu verteidigen und beschäftigen sich gedanklich mit sehr detaillierten und komplexen Problemen, die sie nicht aufgeben, bis sie gelöst sind. Die Franzosen sind ungeduldig, neigen zu inneren Konflikten zwischen Emotionen und Pragmatismus oder Logik. Geduld gehört nicht zu den wichtigsten Werten der Franzosen, was vielleicht an ihrem Temperament liegt. Die Menschen handeln in schnellem Tempo: Sie bewegen sich rasch und denken schnell, erwarten ein einfaches Ja oder Nein, keine langwierigen Diskussionen, sondern wollen eine Entscheidung treffen (Hall & Hall, 1990). Der katholische Glaube lehrt sie Vergebung. Die Eltern lehren sie Selbstdisziplin, Gehorsam und gute Manieren. Im Erwachsenenleben erwarten sie Gehorsam von ihren Untergebenen. Die Franzosen sind konservative Traditionalisten und resistent gegen Veränderungen, auch wenn sie in den letzten Jahrzehnten immer offener für neue Erfahrungen geworden sind. Die Franzosen sind sehr individualistisch und gehen nicht immer auf die Bedürfnisse anderer Menschen ein. Sie reagieren auch nicht auf öffentlichen Druck oder auf den Druck anderer. Im Gegensatz zu den Deutschen sind sie Nonkonformisten. Die Franzosen achten penibel auf soziale Normen und sind sehr perfektionistisch in Bezug auf Stil, Verhalten, Kleidung und Umgangsformen. Sie sind höflich und erwarten Präzision in der Sprache und die richtige Herangehensweise bei sozialen Interaktionen. Die Haltung und Körperhaltung einer Person während einer Interaktion vermitteln Korrektheit und Förmlichkeit. Sie bevorzugen keinen informellen und lässigen Stil der US-Amerikaner (Hall & Hall, 1990). Deutscher Ausdrucksstil Der deutsche Ausdrucksstil wird in der Regel als direkt, geradlinig und detailliert in seiner verbalen Ausdrucksweise charakterisiert. Die Deutschen, die einer kontextarmen Kultur angehören, neigen dazu, viel mehr Informationen und Erklärungen zu geben, als Menschen aus kontextstarken Kulturen eigentlich brauchen. Sie mögen es, Beispiele, Fakten und Zahlen logisch und geordnet darzustellen, um die Glaubwürdigkeit zu wahren. Die Zusammenfassung aller wichtigen Punkte am Ende der Kommunikation ist sehr wichtig, auch wenn sie bereits zuvor erklärt wurden (Hall & Hall, 1990, S. 49–50). Einige grammatikalische und lexikalische Merkmale der deutschen Sprache spiegeln ihre Kultur der verbalen Kommunikation wider. Das Verb steht häufig am Ende eines deutschen Satzes; daher dauert es eine Weile, bis ein Zuhörer vollständig versteht, was ein deutscher Sprecher sagen will, bis er das Ende seiner Rede erreicht hat. Die deutsche Sprache ist wortgetreuer als die englische und die Bedeutungen der Wörter sind in der Regel präzise. Während viele englische Wörter in
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
309
v erschiedenen Bedeutungen verwendet werden können, hat jedes deutsche Wort eine genaue Bedeutung (Hall & Hall, 1990). Die Deutschen sind Konformisten. Sie sind ernsthaft, offen, realistisch und bevorzugen einen konservativen Ansatz bei Umgangsformen und Kleidung. Deutsche sind hartnäckig, störrisch und können arrogant sein. Im Gegensatz zu den US- Amerikanern sind sie ernsthaft und mögen kein soziales Geplauder und keinen Smalltalk. Sie sind nicht offen für zufällige Bekanntschaften oder Fremde und machen keine „Konversation“ bei gesellschaftlichen Zusammenkünften. Gut erzogene Deutsche erheben ihre Stimme nicht (Hall & Hall, 1990, S. 52–53). Mit ihrem ernsten und manchmal unnahbaren Auftreten haben die Deutschen ein tiefes Bedürfnis, verstanden und respektiert zu werden. Sie schätzen Respekt mehr als Bewunderung; dennoch haben sie das Bedürfnis, gemocht zu werden. Obwohl die Deutschen nicht viele Emotionen zeigen, sind ihre Gefühle intensiv. Ihr Stimmungsbild ist häufig melancholisch und pessimistisch. Deutsche neigen dazu, tiefe Freundschaftsbeziehungen zu entwickeln, in denen sie ihre privaten Gefühle und Probleme besprechen. Im privaten Gespräch mit engen Freunden diskutieren sie gerne über den philosophischen Sinn des Lebens. Deutsche betrachten die meisten US-amerikanischen Freundschaften als oberflächlich. Irischer Ausdrucksstil Ethnographischen Beobachtungen zufolge schätzen die irischen kulturellen Werte und Normen des Gefühlsausdrucks Humor und Lachen als Mittel zum Ausdruck der eigenen Gefühle. Auch das Ausdrücken von Leid ist akzeptabel (Greeley, 1979; McGoldrick, 1996). Der Einfluss der Herkunft ihrer Vorfahren ist bei Einwanderern irischer Abstammung, die wahrscheinlich nie mit der ursprünglichen irischen Kultur in Irland in Berührung gekommen sind, immer noch spürbar. Die modernen europäischen US-Amerikaner irischer Abstammung legen großen Wert auf den Ausdruck von Gefühlen. In experimentellen Situationen des Wiedererlebens von Emotionen sind sie sehr expressiv. Diese ausdrucksstarken Merkmale sind besonders ausgeprägt beim Ausdruck von Liebe und Glück (Tsai & Chentsova- Dutton, 2003). Skandinavischer Ausdrucksstil Viele Menschen in den skandinavischen Ländern (Dänemark, Schweden, Norwegen, Finnland und Island) sind typischerweise zurückhaltend. Ihr kulturelles Erbe basiert auf zwei impliziten ethischen Grundsätzen: „Glaube nicht, dass du etwas Besonderes bist“ und „Bleibe unter dir“ (Erickson, 2005, S. 642). Für die Skandinavier ist die sozialistische Idee, dass die Gesellschaft wichtiger ist als der Einzelne, sehr wichtig für ihr Leben. Egalitarismus, Toleranz, Gewaltlosigkeit und Mäßigung sind für sie wesentliche Werte. Sie halten strikte Grenzen zwischen dem Privaten und dem Öffentlichen ein. Andere ethnische Gruppen
310
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
würden diesen Charakterzug als schüchtern bezeichnen. Skandinavier haben den Wunsch nach Autonomie und eine Vorliebe für die Einsamkeit. Während viele US-Amerikaner glauben, dass schüchterne Menschen weniger intelligent, weniger kompetent und gesellschaftlich weniger erwünscht sind und Schüchternheit daher als negative Eigenschaft betrachten, ist Schüchternheit für Skandinavier positiv: Sie sehen schüchterne Menschen als sensibel, nachdenklich und nicht aufdringlich (Daun, 1995; Erickson, 2005). Auch wenn andere dieses Verhalten als Introvertiertheit, Rückzug, Ablehnung und Ängstlichkeit interpretieren mögen, schreiben die Skandinavier selbst zu, dass sie weniger verbal, lautstark und aufdringlich sind. Skandinavier neigen dazu, aufdringliche Fragen, tiefe und ausführliche Diskussionen mit Menschen außerhalb ihrer engen Beziehungen zu vermeiden. In Gesprächen können sie passiv wirken. Ihre sozialen Normen fördern die emotionale Kontrolle und die Mäßigung im Ausdruck von Emotionen (Midelfort & Midelfort, 1982; Pennebaker et al., 1996; Rodnick, 1955). Die Menschen in diesen Kulturen scheinen emotional gehemmter zu sein als in anderen europäischen Kulturen. In Norwegen zum Beispiel ziehen es die Menschen vor, den Ausdruck bestimmter negativer Emotionen (z. B. „übermäßige“ Wut) zu reduzieren, weil „der Ausdruck dieser Emotionen die nachbarschaftlichen Beziehungen beeinträchtigen würde“ (Midelfort & Midelfort, 1982; Rodnick, 1955, S. 14). Norweger neigen auch dazu, das Erleben von Freude und anderen positiven Emotionen zu minimieren (Erickson & Simon, 1996). Es ist interessant, dass die skandinavischen Sprachen keinen großen Wortschatz an aggressiven Wörtern enthalten. Dies kann die Vermeidung von Konflikten widerspiegeln, die Zurückhaltung von Aggressivität und die Bevorzugung praktischer Lösungen. Im Falle eines Verlustes und unbewältigter Trauer kann der Mangel an Ausdrucksfähigkeit jedoch negative Folgen haben: Sie können anfällig für die Entwicklung körperlicher oder psychischer Symptome sein (Erickson, 2005). Finnland ist ein typisches Beispiel für den skandinavischen Ausdrucksstil. Die Kommunikation der Finnen ist schweigend und ziemlich monologisch, mit langsamen Redewendungen und relativ langen Pausen. Finnische Sprecher mögen es nicht, wenn sie durch verbale Ausrufe, Applaus oder andere oberflächliche externe Rückmeldungen unterbrochen werden. Sie hören einem Sprecher zu, ohne äußerlich zu erkennen zu geben, dass sie ihm ihre Aufmerksamkeit schenken; doch eigentlich ist dies ihre Art, am aufmerksamsten zuzuhören (Nishimura et al., 2008; Tella, 2005, zitiert in Nishimura et al., 2008, S. 788). Amerikaner skandinavischer Abstammung, die wahrscheinlich nie in Kontakt mit ihrer ursprünglichen Kultur in Europa waren, folgen weiterhin den kulturellen Werten der emotionalen Kontrolle wie ihre Vorfahren. In experimentellen Situationen des Wiedererlebens von Emotionen waren sie weniger expressiv und bewahrten mehr emotionale Kontrolle im Vergleich zu US-Amerikanern irischer Abstammung. Selbst beim Ausdruck von Glück und Liebe waren sie eher zurückhaltend (Tsai & Chentsova-Dutton, 2003).
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
311
6.2.4 Geschlechtsspezifische Unterschiede im Ausdruck von Emotionen in verschiedenen Kulturkreisen ulturelle Stereotypen zu geschlechtsspezifischen Unterschieden in der K emotionalen Ausdrucksfähigkeit Oscar Wilde bemerkte einmal: „Das Gesicht eines Mannes ist seine Autobiographie; das Gesicht einer Frau ist ihr Werk der Fiktion“ (zitiert in La France & Mayo, 1979, S. 96). Das bedeutet, dass das Gesicht eines Mannes wirklich seinen inneren Zustand widerspiegelt, während das Gesicht einer Frau eine Erfindung ist. Das Gesicht einer Frau spiegelt möglicherweise weniger ihren eigenen inneren Zustand wider als den der Personen, mit denen sie interagiert. Dies kann daran liegen, dass die Erwartungen an die Geschlechterrolle in vielen Gesellschaften von Frauen verlangen, dass sie reaktiv und reaktionsfähig sind. Im Gegensatz dazu wird von Männern in vielen Kulturen erwartet, dass sie proaktiv, unabhängig, selbstbewusst und entschlossen sind. Sie sind weniger auf die sozio-emotionalen Aspekte zwischenmenschlicher Beziehungen eingestellt und mehr darauf bedacht, ihre Arbeit zu erledigen (La France & Mayo, 1979, S. 96). Die kulturelle Überzeugung, dass Frauen emotionaler sind als Männer, ist allgemein bekannt, und die Forschung zu Geschlechterstereotypen hat ihr Vorhandensein nachgewiesen (Birnbaum et al., 1980; Fabes & Martin, 1991; Fischer, 1993). „Emotional zu sein“ ist nicht charakteristisch für das männliche Kulturmodell. Frauen werden in verschiedenen kulturellen Kontexten als emotionaler wahrgenommen als Männer und sind es auch tatsächlich (Fernandez et al., 2000; Simon & Nath, 2004; Timmers et al., 2003). Weibliche und männliche Ausdrucksregeln für Emotionen Einige Forscher bezweifelten jedoch, dass die empirische Unterstützung für solche geschlechtsspezifischen Unterschiede im Gefühlsausdruck und -erleben ausreichend ist (z. B. Brody & Hall, 1993; Fischer, 1993; La France & Banaji, 1992; Shields, 1991). Die in westlichen Kulturen durchgeführten Studien (Brody, 1999; Fischer & Manstead, 2000) zeigten geschlechtsspezifische Unterschiede in der emotionalen Expressivität (Brody, 1999; Fischer & Manstead, 2000). Bestimmte Regeln für die Darstellung von Emotionen sind bei Frauen und Männern in verschiedenen Kulturen verbreitet (Brody & Hall, 2008). In den europäischen Ländern Amerikas und in vielen westeuropäischen Ländern erwarten die Kulturen, dass Frauen intensivere positive Emotionen (z. B. Freude, Glück, Hoffnung, Interesse) zeigen und negative Emotionen (z. B. Traurigkeit, Furcht, Angst, Scham und Schuld) verinnerlichen (Brody & Hall, 2008). Diese weiblichen Regeln für den Ausdruck positiver und die Verinnerlichung negativer Emotionen spiegeln die kulturellen Geschlechterrollen von Frauen wider, die erwarten, dass sie auf
312
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
zwischenmenschliche Beziehungen, Fürsorge und Entgegenkommen ausgerichtet sind (Zahn-Waxler et al., 1991). Ausgedrückte positive und verinnerlichte negative Emotionen fördern die Verbundenheit mit anderen und erleichtern Beziehungen. Geteilte Freude fördert die Bindung. Ausgedrückte Traurigkeit ruft bei anderen Mitgefühl hervor und bringt Menschen in gemeinsamer Trauer zusammen (Barrett & Campos, 1987; Izard & Ackerman, 2000). Im Gegensatz zu diesen weiblichen Darstellungsregeln erwarten die europäisch- amerikanische und viele westeuropäische Kulturen, dass Männer solche „zarten“ negativen Emotionen wie Traurigkeit und Angst verinnerlicht, weniger intensiv und weniger häufig zum Ausdruck bringen. Da andererseits Verachtung und Wut als negative Emotionen die Überwindung von Hindernissen fördern, indem sie nach außen drängen, erlauben die kulturellen Normen Männern, diese Emotionen offen und intensiv auszudrücken, anstatt sie zu verinnerlichen. Solche Darstellungsregeln, die es Männern erlauben, bestimmte Emotionen zu externalisieren und auszudrücken, stehen im Einklang mit ihrer Geschlechterrolle, unabhängig, durchsetzungsfähig und aggressiv zu sein (Brody, 1999, 2000; Brody & Hall, 2008). Es ist wichtig zu beachten, dass sich diese geschlechtsspezifischen Unterschiede im Ausdruck von Emotionen in verschiedenen sozialen und kulturellen Kontexten und in der zwischenmenschlichen Interaktion in bestimmten Situationen unterschiedlich manifestieren (Brody, 1999; Chaplin, 2015). Die sozial-konstruktivistische Theorie geht davon aus, dass ein Individuum weniger geschlechtsspezifische Unterschiede im Emotionsausdruck zeigt, wenn es allein ist oder wenn es in Gegenwart einer Person ist, die es gut kennt und der es vertraut. In diesen Fällen fühlen sie sich wohler und erlauben sich daher, jegliche Emotionen auszudrücken, ohne auf ihre Geschlechterrollen Rücksicht zu nehmen. Eine Person zeigt jedoch mehr geschlechtsspezifische Unterschiede, wenn sie sich in Gegenwart einer unbekannten Person oder eines Gleichaltrigen befindet (Chaplin & Aldao, 2013; La France et al., 2003; Zeman & Garber, 1996). Sie neigen dazu, sich gegenüber einer solchen Person „sozial akzeptabel“ zu verhalten und sich an die Geschlechterrollen zu halten. Kulturelle Hintergründe und ethnische Zugehörigkeit können sich auf die Geschlechterrollen beim Ausdruck von Emotionen auswirken, auch wenn die Daten, die dies belegen, noch begrenzt sind (Chaplin, 2015). Eine kürzlich durchgeführte kulturübergreifende Studie (Safdar et al., 2009) zeigte, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Darstellungsregeln – wie Menschen ihre Emotionen ausdrücken sollten – in drei kulturellen Gruppen ähnlich sind: Kanadier, US- Amerikaner und Japaner. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Ausdrucksregeln waren je nach Emotion und Kontaktpartner in den verschiedenen Kulturen größer oder kleiner. Männer neigen eher dazu, starke Emotionen (z. B. Wut) auszudrücken als Frauen, und Frauen neigen eher dazu, machtlose Emotionen (z. B. Traurigkeit, Angst) und Glück auszudrücken als Männer. Was die spezifischen Zielfiguren betrifft, so glauben sowohl Männer als auch Frauen, dass sie dieselben Darstellungsregeln verwenden sollten, um starke Emotionen gegenüber Personen in enger Beziehung (Eigengruppenmitglieder) und schwache Emotionen gegenüber Personen in distanzierter Beziehung (Fremdgruppenitglieder) auszudrücken. Die
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
313
arstellungsregeln von Männern und Frauen unterscheiden sich also je nach dem D spezifischen Beziehungskontext (Safdar et al., 2009). Entgegen ihren Erwartungen konnten die Autoren (Safdar et al., 2009) keine größeren geschlechtsspezifischen Unterschiede in Japan im Vergleich zu den Vereinigten Staaten und Kanada feststellen. Sie entdeckten jedoch, dass die größten geschlechtsspezifischen Unterschiede bei den Darstellungsregeln für den Ausdruck von Emotionen bei den Kanadiern und die geringsten Unterschiede bei den Japanern zu finden waren. Die Autoren erklären die geringeren Unterschiede zwischen Männern und Frauen in Japan mit den allgemeinen kulturellen Normen der Höflichkeit, die das Zeigen von Emotionen verhindern. Diese Normen der Zurückhaltung beim Ausdruck von Emotionen machen einen geschlechtsspezifischen Effekt weniger einflussreich. Obwohl Frauen in den Vereinigten Staaten gleich häufig emotionale Erfahrungen machen (Simon & Nath, 2004), drücken sie ihre Emotionen leichter aus als Männer. Aus kultureller Sicht wird der Ausdruck von Emotionen stärker von der Sozialisation beeinflusst als das Erleben von Emotionen (z. B. Brody, 1993; Kring & Gordon, 1998). Aufgrund kultureller Normen lernen Männer, ihre Gefühle zu verbergen, während Frauen lernen, ihre Emotionen freier auszudrücken. Berücksichtigt man den kulturellen Kontext, sind diese geschlechtsspezifischen Ausdrucksunterschiede sogar noch kontrastreicher. In den kulturellen Normen der europäischen, US- amerikanischen und einiger anderer westlicher Kulturen sollten Frauen beispielsweise häufig lächeln, unabhängig von ihrer momentanen Stimmung und ihren Gefühlen. Andererseits ist es für muslimische Männer in einigen westafrikanischen Kulturen kulturell angemessener, nur gedämpfte emotionale Reaktionen zu zeigen. Ebenso sollten junge Männer in der traditionellen Masai-Gesellschaft in Ostafrika „ein steinernes Gesicht und lange, ununterbrochene Blicke“ zeigen (Keating, 1994, S. 178). Geschlechtsspezifische Unterschiede im Ausdruck bestimmter Emotionen Die Studien ergaben, dass das Erleben und die Ausdrucksfähigkeit von Emotionen miteinander unvereinbar sein können und dass sich Männer und Frauen in dieser Hinsicht unterscheiden: Männer haben intensivere emotionale Erfahrungen, während Frauen eine höhere emotionale Ausdrucksfähigkeit haben. Diese geschlechtsspezifischen Unterschiede hängen auch von der Art der Emotion ab (Deng et al., 2016). In einigen Kontexten sind Männer bei Wut, Aggression und Stolz ausdrucksstärker als Frauen (Archer, 2004; Brebner, 2003; Brody & Hall, 1993; Kring & Gordon, 1998; La France & Mayo, 1979; La France et al., 2003, siehe für eine detaillierte Übersicht Chaplin, 2015). Was spezifische Emotionen betrifft, so haben Studien gezeigt, dass Frauen Angst verbal und nonverbal häufiger, mit größerer Intensität und häufigerem Gesichtsausdruck ausdrücken als Männer, mehr weinen und frieren, wenn sie Angst haben (Allen & Haccoun, 1976; Brody & Hall, 1993; Fischer, 1993; Kring & Gordon,
314
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
1998; Wallbott et al., 1986). Studien haben auch ergeben, dass Frauen ihre Traurigkeit intensiver und häufiger, häufiger und in größerem Umfang zum Ausdruck bringen als Männer. Wenn sie weinen, geschieht dies intensiver, häufiger, mit nonverbalen Äußerungen und Veränderungen der Stimmqualität (Allen & Haccoun, 1976; Balswick & Avertt, 1977; Brody & Hall, 1993; Dosser et al., 1983; Fischer, 1993; Kring & Gordon, 1998; Lombardo et al., 1983; Oliver & Toner, 1990; Wallbott et al., 1986). Was Angst und Depression betrifft, so äußern Frauen zwar häufiger Angst und Depression als Männer, es gibt jedoch keine eindeutigen Beweise dafür, dass sie diese Gefühle tatsächlich intensiver und häufiger erleben. Die Forschung zeigt nicht immer konsistente geschlechtsspezifische Unterschiede: Einige Studien ergaben, dass Frauen intensiver und häufiger Furcht oder Angst empfinden als Männer (z. B. Allen & Haccoun, 1976; Berenbaum et al., 1995; Dillon et al., 1985; Scherer et al., 1986), andere wiederum lassen keine signifikanten geschlechtsspezifischen Unterschiede erkennen (z. B., Gotlib & Meyer, 1986; Kring & Gordon, 1998; Small et al., 1984; Sprecher & Sedikides, 1993; Stapley & Haviland, 1989, siehe ausführliche Übersicht über diese Studien Madden et al., 2000). Das Gleiche gilt für Traurigkeit und Depression. Einige Studien ergaben, dass Frauen diese Gefühle intensiver und häufiger erleben als Männer (z. B. Allen & Haccoun, 1976; Eisenberg et al., 1994; Grossman & Wood, 1993; Scherer et al., 1986; Sprecher & Sedikides, 1993), andere Studien ergaben jedoch keine Unterschiede (z. B. Ganong & Coleman, 1984; Gotlib & Meyer, 1986; Kring & Gordon, 1998; Small et al., 1984; Watson & Clark, 1992, siehe ausführliche Übersicht über diese Studien Madden et al., 2000). Eine kürzlich durchgeführte Metaanalyse von Studien zu geschlechtsspezifischen Unterschieden ergab, dass viele dieser Studien irgendwo in der Mitte liegen (Petersen & Hyde, 2010). Negative Emotionalität von Frauen Im Bereich der negativen Emotionen sind die Unterschiede zwar relativ gering, aber offensichtlich vorhanden (Brody & Hall, 2008; Chaplin & Aldao, 2013; Else-Quest et al., 2012; Fischer et al., 2004; McLean & Anderson, 2009). In allen Kulturen sind Frauen generell stärker von Sozialangst (Caballo et al., 2014) und Prüfungsangst (Bodas & Ollendick, 2005) betroffen als Männer. Die kulturübergreifenden Studien, die den tatsächlichen Ausdruck von Emotionen im täglichen Leben anhand von Beobachterberichten und klinischen Bewertungen untersuchten, zeigten ebenfalls eine negative Emotionalität von Frauen (Diener et al., 1985; Fujita et al., 1991; Seidlitz & Diener, 1998), allerdings nicht immer (Barrett et al., 1998). Darüber hinaus verwenden Frauen bei der Bewältigung negativer Emotionen eher Strategien, die mit negativen Emotionen zusammenhängen, wie kognitives Grübeln und die Suche nach emotionaler Unterstützung (Tamres et al., 2002). Es scheint auch Unterschiede in den Beziehungssituationen zu geben, die negative Emotionalität auslösen. Männer drücken mehr negative Emotionen aus, wenn ihre Partner mehr Intimität verlangen,
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
315
während Frauen mehr negative Emotionalität zeigen, wenn ihre Partner sie zurückweisen (Brody et al., 2002). Zur Erklärung dieser geschlechtsspezifischen Unterschiede wurden mehrere Theorien vorgeschlagen. Einige von ihnen konzentrieren sich auf sozioökonomische Faktoren wie die Rolle von Stereotypen, die Stigmatisierung von Frauen, soziale Rollen und die Rolle der Macht, während andere sich auf kognitive Prozesse wie die Bewertung, Unterschiede im Gedächtnis für emotionale Erfahrungen und das Vertrauen auf implizite Überzeugungen konzentrieren (siehe für eine detaillierte Übersicht Madden et al., 2000). Zu den bekanntesten neueren Theorien gehören die Theorie der Erwartungszustände (Correll & Ridgeway, 2006), die die Beziehung zwischen geschlechtsspezifischen Emotionsüberzeugungen und sozialen Rollen erklärt, und die Theorie der Emotionsausübung als Geschlechtsausübung (Shields, 2002; Shields & Dicicco, 2011), die Zusammenhänge zwischen emotionalen Äußerungen, Überzeugungen über Emotionen und geschlechtsspezifischem Selbstverständnis erklärt. Weibliche emotionale Ausdrucksfähigkeit in der sozialen Interaktion Früheren Studien zufolge (siehe La France & Mayo, 1979) zeigten Frauen eine höhere nonverbale Sensibilität als Männer, spätere Studien waren in dieser Hinsicht jedoch inkonsistent. Daher wurde in einer neueren Studie zu geschlechtsspezifischen Unterschieden bei der Emotionserkennung (Fischer et al., 2018) versucht, die Hypothese der emotionalen Sensitivität an einer großen Stichprobe zu testen, und es wurden insgesamt keine geschlechtsspezifischen Unterschiede festgestellt. Frauen haben Schwierigkeiten, sich zu unterhalten, wenn sie ihr Gegenüber nicht sehen können. Frauen lächeln mehr als Männer. Die Blasen des persönlichen Raums, die Frauen umgeben, sind kleiner als die, die Männer umgeben. Frauen sind verbindlicher und freundlicher gegenüber anderen als Männer. Frauen sind in der Lage, auf Männer einzugehen und ihnen gegenüber unterwürfig zu sein. Was die Berührung beim Ausdruck von Emotionen angeht, so bestätigt die Forschung die geschlechtsspezifischen Unterschiede und spiegelt das Stereotyp wider, dass Frauen passiv sind, während Männer in Beziehungen aktiv sind. Kulturelle Stereotypen charakterisieren Frauen als gesprächiger. Die Forschung hat jedoch das Gegenteil bewiesen: Bei den meisten Begegnungen zwischen den Geschlechtern reden die Männer und die Frauen hören zu (siehe Übersicht der Studien, La France & Mayo, 1979). Ein weiterer geschlechtsspezifischer Unterschied besteht in der Art des nonverbalen Verhaltens, mit dem Emotionen ausgedrückt werden (La France & Mayo, 1979). Dieser geschlechtsspezifische Unterschied steht im Einklang mit den typischen kulturellen Normen, die von Frauen ein reaktives Verhalten und von Männern ein proaktives Verhalten erwarten. Die Reaktivität der Frauen zeigt sich darin, dass sie sensibler auf die Ausdrucksfähigkeit anderer reagieren und dazu neigen, das Verhalten ihres Partners zu ergänzen. Auf der anderen Seite zeigt sich die Proaktivität
316
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
der Männer darin, dass sie häufiger reden, unterbrechen und insgesamt nonverbal dominant sind, insbesondere gegenüber Frauen. ultureller Faktor der geschlechtsspezifischen Unterschiede im Ausdruck K von Emotionen Die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der emotionalen Ausdrucksfähigkeit hängen jedoch von den kulturellen Parametern der Gesellschaften ab. Im Allgemeinen erleben Frauen in der Studie über 37 Länder (Fischer & Manstead, 2000) intensivere Emotionen und zeigen offenere Gefühlsäußerungen als Männer. Allerdings sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der Intensität des Erlebens und im Ausmaß des Ausdrucks von Freude, Scham, Ekel und Schuld in unabhängigen Kulturen größer als in interdependenten Kulturen. Im Allgemeinen sind Frauen in Amerika und Europa in Bezug auf Gesicht und Stimme ausdrucksstärker als Männer. Studien in den Vereinigten Staaten und einigen westeuropäischen Ländern haben über kleine signifikante geschlechtsspezifische Unterschiede im Ausdruck von Emotionen berichtet: Frauen zeigen mehr Gefühlsausdruck als Männer, insbesondere bei positiven Emotionen (z. B. Freude und Glück), verinnerlichen aber negative Emotionen (z. B. Traurigkeit und Angst). Daten, die durch Beobachtung des schriftlichen und verbalen Verhaltens von Frauen gewonnen wurden, zeigen, dass Frauen mehr negative Emotionen ausdrücken als Männer (z. B. Burke et al., 1976; Levenson et al., 1994). Eine andere Studie (Fernandez et al., 2000) untersuchte die Bedeutung von Männlichkeit und Weiblichkeit als kulturelle Dimension bei der Vorhersage einer hohen verbalen und nonverbalen Ausdrucksfähigkeit von Emotionen. Die Ergebnisse zeigten, dass die geschlechtsspezifischen Unterschiede in der emotionalen Ausdrucksfähigkeit bei den asiatischen Teilnehmern geringer waren als bei den nordamerikanischen Teilnehmern. Bei den Nordamerikanern waren die geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Freude und Traurigkeit größer und beim verbalen Ausdruck von Ärger geringer. Nach der Interpretation der Autoren kann die höhere Männlichkeit der nordamerikanischen Gesellschaft diese Ergebnisse erklären. Die US-amerikanische Kultur neigt dazu, Geschlechterunterschiede zu betonen und legitimiert nach wie vor so selbstbewusste Emotionen wie Wut (Hofstede, 1998). esellschaftliche und sozioökonomische Faktoren für G geschlechtsspezifische Unterschiede im Ausdruck von Emotionen Die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Ausdruck von Emotionen variieren in der Gesellschaft je nach sozioökonomischen Bedingungen, ethnischer Zugehörigkeit und Kultur. Ethnische Gruppen haben möglicherweise unterschiedliche geschlechtsspezifische Regeln für den Ausdruck von Emotionen. In einer US- amerikanischen Stichprobe (Matsumoto, 1993) hielten beispielsweise kaukasische Erwachsene die Darstellung von Angst für angemessener als hispanische Er-
6.2 Expressive und nicht-expressive kulturelle Modelle
317
wachsene und von Traurigkeit für angemessener als Afroamerikaner und asiatische US-Amerikaner. Chaplin (2015) kommentierte diese Daten folgendermaßen: „Kaukasische Eltern in den USA ermutigen möglicherweise eher Mädchen zum Ausdruck von Traurigkeit, während afroamerikanische Eltern möglicherweise eher vom Ausdruck von Traurigkeit abraten, möglicherweise sowohl bei Jungen als auch bei Mädchen.“ (S. p. 19). Eine Meta-Analyse (La France et al., 2003) hat gezeigt, dass die ethnische Zugehörigkeit die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Ausdruck positiver Emotionen mildert. Insbesondere bei Kaukasiern gibt es größere Geschlechtsunterschiede beim Lächeln – Frauen lächeln mehr als Männer – im Vergleich zu anderen ethnischen Gruppen wie Asiaten und Afroamerikanern. Dies deutet darauf hin, dass ethnische Zugehörigkeit und Kultur beim Ausdruck von Emotionen eine Rolle spielen können. Eine umfassende Studie (37 Länder der Welt, Fischer et al., 2004) über geschlechtsspezifische Unterschiede bei sechs Emotionen ergab, dass geschlechtsspezifische Muster des emotionalen Erlebens und Ausdrucks, die in Studien an westlichen Stichproben gefunden wurden, kulturübergreifend universell sind. Frauen neigen dazu, eher kraftlose Emotionen zu erleben (z. B. Traurigkeit, Angst), während Männer eher starke Emotionen erleben (z. B. Wut). Es wurde auch festgestellt, dass diese geschlechtsspezifischen Unterschiede nicht mit dem Status der Frauen und ihrer Rolle in den jeweiligen Ländern zusammenhängen (operationalisiert durch das Gender Empowerment Measure, GEM). Eine andere kulturübergreifende Studie (Schmitt, 2015) legt nahe, dass es unwahrscheinlich ist, dass geschlechtsspezifische Unterschiede bei den Emotionen durch die Sozialisierung der Geschlechterrollen in den Kulturen verursacht werden. Überraschenderweise und unerwartet fand der Autor die geringsten geschlechtsspezifischen Unterschiede in eher patriarchalischen Ländern, während die größten geschlechtsspezifischen Unterschiede in skandinavischen egalitären Ländern zu finden waren. Auch andere Ergebnisse sprechen für diese Interpretation. Über alle Kulturen hinweg sind die geschlechtsspezifischen Unterschiede in Bezug auf Neurotizismus – eine Eigenschaft, die sich hauptsächlich auf negative Emotionen bezieht – und Depression in Ländern mit höherer sozialpolitischer Gleichstellung der Geschlechter offensichtlich und größer, und nicht kleiner, wie man erwarten würde, wenn die geschlechtsspezifischen Unterschiede nur auf Geschlechterrollen, geschlechtsspezifische Sozialisation und Patriarchat zurückzuführen wären (Hopcroft & McLaughlin, 2012; Hyde et al., 2008; Schmitt, 2015; Van de Velde et al., 2010). Und diese Unterschiede sind in Gesellschaften mit hoher Geschlechtergerechtigkeit größer als in Gesellschaften mit niedriger Geschlechtergerechtigkeit. Die geschlechtsspezifischen Unterschiede im Ausdruck von Emotionen hängen also vom kulturellen Hintergrund und der ethnischen Zugehörigkeit ab. Geschlechterrollen und Stereotypen anderer Kulturen können das Erleben und den Ausdruck von Emotionen beeinflussen. Allerdings sind Studien zu geschlechtsspezifischen Unterschieden im Erleben und Ausdruck von Emotionen in anderen Kulturen nicht ohne
318
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Weiteres verfügbar. Daher können wir die oben genannten Ergebnisse nicht verallgemeinern, und es sind weitere Forschungen erforderlich.
6.3 Ausdrucksstärke von Emotionen im Gesicht 6.3.1 Methoden zur Untersuchung des Gesichtsausdrucks von Emotionen in verschiedenen Kulturkreisen Methodik der Gesichtserkennung In den letzten Jahrzehnten haben Forscher den Gesichtsausdruck und die Erkennung von Emotionen in kulturübergreifender Perspektive ausgiebig erforscht. Insbesondere in den Studien, die den Ausdruck grundlegender Emotionen untersuchten, wurde häufig die Methodik der Mimikerkennung angewandt (z. B. Ekman, 1992; Ekman et al., 1987; Elfenbein & Ambady, 2002; Izard, 1994; Jack et al., 2009, 2012, 2016; Matsumoto, 1992; Mesquita & Frijda, 1992). Bei diesem Forschungsdesign schauen sich die Teilnehmer Dias (oder Fotos) mit Gesichtern an und wählen aus einer Liste von Alternativen einen passenden Emotionsbegriff für die dargestellte Emotion aus. In kulturübergreifenden Studien wird der Prozentsatz der Antworten und Teilnehmer, die den beabsichtigten Emotionsbegriff aus verschiedenen Kulturen ausgewählt haben, verglichen. Der hohe Prozentsatz beweist die kulturübergreifende Universalität der Gesichtserkennung von Basisemotionen (Matsumoto, 1992). Eye-Tracking-Technologien und Neuroimaging der Gesichtsmimik Mit Hilfe der neuen Technologien zur Blickverfolgung, der Neurobildgebung und der statistischen Analyseverfahren konnten die Forscher die Aufmerksamkeit der Beobachter auf verschiedene Aspekte des expressiven (oder nicht ausdrucksstarken) Gesichts verfolgen. Die wichtigsten kulturellen Unterschiede, die die Forscher feststellten, betrafen die Beobachtungs- und Dekodierungsstrategien, die Teile des Gesichts, auf die sich Menschen bei der Erkennung von Emotionen konzentrieren, sowie die Wahrnehmung von Personen aus der kulturellen Eigengruppe und Fremdgruppe (z. B. Blais et al., 2008; Jack et al., 2016; Yuki et al., 2007). Diese Forschungsrichtung folgt in der Regel einem kategorialen Ansatz und geht davon aus, dass Emotionen unverwechselbare Muster von Gesichtsbewegungen haben. Das mag für grundlegende Emotionen (z. B. Freude, Wut) zutreffen. Komplexere Emotionen (z. B. Bedauern, Trauer) und insbesondere soziale Emotionen (z. B. Scham und Schuld) sind jedoch nicht Gegenstand dieser vergleichenden Forschung, da sie keine ausgeprägten Muster der Gesichtsausdrücke erkennen lassen.
6.3 Ausdrucksstärke von Emotionen im Gesicht
319
esichtserkennung von gemorphten Fotografien mit emotionalem G Gesichtsausdruck Die Verwendung von gemorphten Fotos von Gesichtsausdrücken von Emotionen ist ein weiterer interessanter und produktiver Weg, um grundlegende Emotionen aus kategorialer Sicht zu untersuchen (Calder et al., 1996; Wang et al., 2006). Die allmähliche Veränderung von Gesichtsmerkmalen in solchen gemorphten Fotografien von Gesichtsausdrücken und die Forced-Choice-Etikettierungstechnik ermöglichen es den Forschern, die kategoriale Wahrnehmung von Gesichtsausdrücken zu untersuchen, die grundlegende Emotionen verankern. Eine drastische Veränderung in den Beurteilungen des Beobachters an den Kategoriengrenzen für Basisemotionen kann als Hinweis auf die unterschiedlichen Erkennungsmuster für jede der Basisemotionen dienen. Die Beurteilung von Ausdrücken innerhalb von Kategorien als ähnlicher im Vergleich zur Beurteilung von Ausdrücken über Kategorien hinweg ist ebenfalls ein Hinweis auf kategoriale Wahrnehmung. Empirische Daten haben das Vorhandensein diskreter Spitzenwerte für die korrekte Identifizierung jeder Grundemotion und Verwechslungen bei der Identifizierung des Mittelpunkts benachbarter emotionaler Regionen festgestellt, was eher für eine kategoriale Wahrnehmung als für eine dimensionale Wahrnehmung emotionaler Ausdrücke spricht (Calder et al., 1996; Etcoff & Magee, 1992; Wang et al., 2006).
6.3.2 Kulturübergreifende Ähnlichkeiten im Gesichtsausdruck von Emotionen Kulturübergreifende Universalität im Gesichtsausdruck von Emotionen Frühe Studien erbrachten den empirischen Nachweis der kulturübergreifenden Universalität des Gesichtsausdrucks verschiedener Emotionen (z. B. Wut, Ekel, Angst, Glück, Traurigkeit und Überraschung). Dabei kamen verschiedene Methoden zum Einsatz (z. B. Ekman, 1972; Izard, 1971; Mesquita et al., 1997). Die Studienreihe von Ekman und seinen Kollegen war ein früher Meilenstein (Ekman, 1972; Ekman et al., 1987; Ekman & Friesen, 1971; Ekman et al., 1969). Die Forscher untersuchten die Ähnlichkeit der Gesichtsausdrücke von Emotionen in verschiedenen Kulturen und die kulturübergreifende Fähigkeit zur Erkennung von Gesichtsausdrücken als Hinweis auf die Universalität einer Reihe von Grundemotionen (z. B. Ekman et al., 1987; Ekman & Friesen, 1971). Die Erkenntnisse aus diesen Experimenten waren konsistent und zeigten schlüssig, dass universelle Gesichtsausdrücke von Emotionen mit Daten aus westlichen und östlichen Ländern, aus gebildeten und vorgebildeten Kulturen verbunden sind. Die Teilnehmer an diesen Stichproben sprachen sechs verschiedene Sprachgruppen: Dani, Englisch, Fore, Japanisch, Portugiesisch und Spanisch. Die Ergebnisse zeigten, dass die Menschen die Mimik nicht durch die Massenmedien und den Kontakt
320
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
mit gebildeten Menschen aus dem Westen lernen. So erkannten die Menschen in den präliteraten Kulturen von Neuguinea und Borneo sechs grundlegende Emotionen (Freude, Traurigkeit, Ekel, Überraschung, Wut und Angst, Ekman et al., 1969) korrekt. Ekman (1972) berichtete über die kulturübergreifende Universalität von Gesichtsausdrücken, stellte jedoch keine kulturellen Unterschiede fest. Im Anschluss an die ursprüngliche Studie von Ekman fanden kanadische, deutsche, französische und japanische Forscher Beweise für die Universalität des Gesichtsausdrucks von Emotionen in ihren kulturellen Stichproben. Es scheint also, dass die Universalität des Gesichtsausdrucks von Emotionen nicht mehr zur Debatte steht (siehe Matsumoto, 2000, 2006). ethodische Überlegungen zur Gesichtserkennung von Emotionen in der M kulturübergreifenden Forschung Zahlreiche Studien lieferten Beweise dafür, dass Gesichtsausdrücke von Emotionen kulturübergreifend universell sind, und Ende der 1980er-Jahre schien diese Schlussfolgerung in der Psychologie nicht mehr in Frage gestellt zu werden (Matsumoto, 1990, S. 195). Einige Forscher (z. B. Russell, 1994) überprüften jedoch ausführlich die interne, konvergente und ökologische Validität dieser kulturübergreifenden Ergebnisse. Die Ergebnisse sahen weniger überzeugend aus als zuvor. Die Teilnehmer waren zwar in der Lage, Gesichtsausdrücke mit Emotionsbezeichnungen zu assoziieren, aber diese Assoziation variierte je nach Kultur und war lose und nicht ausreichend konsistent mit verschiedenen alternativen Erklärungen (Russell, 1994, S. 102).
6.3.3 Interkulturelle Unterschiede im Gesichtsausdruck von Emotionen Kulturelle Vielfalt im Gesichtsausdruck von Emotionen In kulturübergreifenden Studien wurden zwei separate und unterschiedliche psychologische Phänomene im Zusammenhang mit dem Gesichtsausdruck von Emotionen untersucht: der Ausdruck von Emotionen und die Erkennung von Emotionen. In diesem Abschnitt gehe ich auf die Studien zum Emotionsausdruck ein, während der nächste Abschnitt der Emotionserkennung gewidmet ist. Auch wenn Emotionen in allen Kulturen auf die gleiche Art und Weise ausgedrückt werden, so unterscheiden sich doch die spezifischen kulturellen Darstellungsnormen und wirken sich je nach sozialem Kontext auf die eigenen Äußerungen und die Beurteilung der Äußerungen anderer Menschen aus. Viele Studien berichteten über die Ergebnisse kulturübergreifender Vergleiche, die die Universalität des mimischen Ausdrucks von Emotionen in Frage stellten. Ihre Daten haben den Einfluss der Kultur auf den Gesichtsausdruck von Emotionen
6.3 Ausdrucksstärke von Emotionen im Gesicht
321
gezeigt (z. B. Jack et al., 2009, 2012). Die Autoren legten Ergebnisse vor, die zeigen, dass westliche Teilnehmer die sechs grundlegenden Emotionen mit verschiedenen Sets von Gesichtsbewegungen darstellen, während östliche Teilnehmer keine derart unterschiedlichen Gesichtsausdrücke zeigen. Die emotionale Intensität wird bei den östlichen Teilnehmern durch dynamische Augenaktivität dargestellt. (Jack et al., 2012, S. 7241). Was bestimmte Emotionen anbelangt, so haben Edelmann et al. (1987) Selbstberichte von Teilnehmern in den Ländern Italien, Spanien, Griechenland, Westdeutschland und dem Vereinigten Königreich vorgelegt, in denen sie sich an ein tatsächliches (oder typisches) Ereignis erinnerten, das ihnen peinlich war. In allen Stichproben umfasste die nonverbale Reaktion eine Kombination aus Lächeln, Grinsen oder Lachen und Vermeiden von Blickkontakt. Die griechischen Teilnehmer lächelten/grinsten mehr, wandten aber weniger den Blick ab. Im Vergleich zu den Teilnehmern aus den anderen vier Ländern empfanden sie eine viel intensivere und längere Verlegenheit. Und sie bemühten sich mehr, ihre Verlegenheit zu kontrollieren. Die britischen Teilnehmer, die vielleicht von ihrem Wesen her „leichter“ sind, erlebten im Vergleich zu den anderen Stichproben Peinlichkeiten von geringerer Intensität und kürzerer Dauer und zeigten als Reaktion auf die peinliche Situation ausgiebiges Lachen und Lächeln/Grinsen (Edelmann et al., 1986, 1987). Ein weiteres Beispiel ist der Ausdruck von Glück. In den interdependenten kollektivistischen Kulturen, die Harmonie in Beziehungen betonen, ist der Ausdruck von hoch aktiviertem Glück recht selten (Lutz, 1987; Tsai et al., 2002). Kulturelle Normen betrachten das ausgiebige expressive Glück als potenziell störend für Beziehungen, da es im Gegensatz zu den traurigen oder gemäßigten Emotionen anderer stehen kann und somit andere Menschen emotional dissonant und unbehaglich macht (Lutz, 1987; Mesquita & Leu, 2007). Viele andere Forscher untersuchten kulturelle Unterschiede im emotionalen Gesichtsausdruck (z. B. Argyle et al., 1986; Gudykunst & Kim, 1984; Gudykunst & Ting-Toomey, 1988; siehe für eine detaillierte Übersicht Matsumoto et al., 2003; Matsumoto, 2006). Einige von ihnen werden in den früheren Abschnitten über Ausdrucksregeln behandelt. Kulturelle Unterschiede beim Lächeln als Ausdruck von Gefühlen In der europäisch-amerikanischen Kultur ist man der Meinung, dass Lächeln ein natürlicher Ausdruck positiver Emotionen ist, insbesondere bei Frauen. Sie sind vor allem als ausgiebig lächelnd bekannt. Lächeln ist ein Zeichen von Glück, Gewissheit und Vertrauen. Lächeln ist ein Zeichen für eine positive Einstellung, Respekt und Freundlichkeit. Die US-Amerikaner glauben, dass es gut ist, zu lächeln, und dass Lächeln die Welt zum Lächeln bringt. Das Gefühl, glücklich zu sein, scheint sich ganz natürlich im Lächeln auszudrücken. Andererseits kann auch das einfache Lächeln einer Person ein Glücksgefühl auslösen. Das Lächeln scheint reziprok zu sein: Eine Person
322
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
neigt dazu, jemanden, der lächelt, zurückzulächeln, und diese Reaktion ist häufig unwillkürlich (Beamish et al., 2019). Obwohl ein Lächeln häufig mit Glück assoziiert wird, haben Studien gezeigt, dass Menschen mit einem Lächeln auch andere Emotionen ausdrücken können (Gorvett, 2017; Martin et al., 2017), wie z. B. Verlegenheit, Kummer und Verwirrung. Im Allgemeinen kann Lächeln drei verschiedene Arten von funktional unterschiedlichen emotionalen Erfahrungen ausdrücken: Freude, Zugehörigkeit und Dominanz (Niedenthal et al., 2010). Menschen drücken Genusslächeln spontan aus, wenn sie Vergnügen erleben. Ein verbindliches Lächeln drückt Bindungsemotionen aus, die mit der positiven Absicht verbunden sind, soziale Beziehungen zu schaffen und zu erhalten. Dominanzlächeln drückt Emotionen aus, die mit dem Gefühl von Stolz, dem Bewusstsein des sozialen Status und der Fähigkeit zur Kontrolle verbunden sind. Die Studie (Rychlowska et al., 2015) hat gezeigt, dass Menschen in verschiedenen Kulturen in der Lage sind, diese drei Arten des Lächelns zu unterscheiden. Auf der anderen Seite können Wahrnehmung und Interpretation des Lächelns je nach kulturellen Normen unterschiedlich sein. Diese Perspektive wirft ein Licht auf die kulturelle Art des emotionalen Ausdrucks und des Lächelns. Für Menschen in westlichen Kulturen ist die Mundregion am wichtigsten für die Interpretation von Gesichtsausdrücken und Lächeln, während die Augenregion in östlichen Kulturen am wichtigsten ist (Mai et al., 2011). Die Bewertung des Lächelns kann kulturell unterschiedlich ausfallen, und Lächeln kann nicht nur positive, sondern auch negative Assoziationen hervorrufen. Obwohl lächelnde Menschen in vielen Kulturen als attraktiv, freundlich, fröhlich, zugänglich und gemeinschaftlich beurteilt werden, können sie in einigen Kulturen als weniger intelligent und weniger vertrauenswürdig wahrgenommen werden (Krys et al., 2016). In einigen Ländern wie Norwegen, Russland und Polen ist das Lächeln in der Kultur verpönt. Ein Lächeln wird dort mit Verrücktheit, Dummheit oder Betrug assoziiert (Bedford et al., 2008; EURES, 2010; Krys et al., 2016). Die Menschen in ostasiatischen Kulturen sind auch dafür bekannt, dass sie nicht lächeln. Im Vergleich zu europäischen US-Amerikanern neigen Japaner dazu, ihren Ausdruck des Lächelns zu kontrollieren und zu verbergen, um sich den kulturellen Traditionen anzupassen (Matsumoto et al., 1998). Kulturelle und gesellschaftliche Faktoren des Lächelns Mehrere kulturelle und gesellschaftliche Faktoren können zu einer unterschiedlichen Wahrnehmung und Interpretation des Ausdrucks von Emotionen durch Smileys beitragen. Dazu gehören ein heterogener bzw. homogener kultureller Hintergrund, die Korruption einer Gesellschaft und ein unabhängiges bzw. interdependentes Selbstkonzept.
6.3 Ausdrucksstärke von Emotionen im Gesicht
323
Die Heterogenität ist die kulturelle Dimension, die Gesellschaften kennzeichnet, in denen die heutige Bevölkerung über einen langen Zeitraum aus vielen Herkunftsländern eingewandert ist. Homogenität hingegen kennzeichnet die Gesellschaften, in denen die heutige Bevölkerung aus wenigen Herkunftsländern stammt (Rychlowska et al., 2015). Die Autoren fanden heraus, dass Menschen in heterogenen Gesellschaften eher ein zugehöriges Lächeln zeigen, während Menschen in homogenen Gesellschaften ein dominantes Lächeln zeigen. Nordamerika war zum Beispiel schon immer eine heterogene Kultur. Viele Einwanderer haben sich in den Vereinigten Staaten niedergelassen und sprechen verschiedene Sprachen. Daher waren in der Welt der Fremden, die mit anderen kommunizieren müssen, nonverbale Ausdrücke und ein Lächeln das schnellste Mittel, um einen guten Willen und einen Wunsch nach Frieden auszudrücken (Khazan, 2017). Die kulturelle Dimension der Unsicherheitsvermeidung wirkt sich auch auf die Wahrnehmung des Lächelns aus. Insbesondere Menschen, die in Ländern mit geringer Unsicherheitsvermeidung leben, neigen dazu, eine lächelnde Person als weniger intelligent einzuschätzen. Außerdem zeigt die Forschung, dass das gesellschaftliche Ausmaß der Korruption die positive Bedeutung des Lächelns untergräbt und seine Vertrauenswürdigkeit schwächt (Krys et al., 2016). Menschen in unabhängigen Kulturen neigen dazu, hoch aktiviertes Glück durch expansiveres Verhalten und Lächeln auszudrücken. In einer experimentellen Situation (Tsai et al., 2002) wurden Teilnehmer aus Europa und Amerika gebeten, ihre hochintensiven Emotionen (wie z. B. Glück) erneut zu erleben, indem sie sich an sehr emotionale Episoden ihrer Vergangenheit erinnerten. Obwohl sich die physiologische Aktivität und die subjektiven Gefühle, die mit den erlebten Emotionen verbunden waren, in diesen kulturellen Gruppen nicht unterschieden, zeigte das aufgezeichnete Gesichtsverhalten der Teilnehmer, dass europäische US-Amerikaner (westliche unabhängige Kultur) im Vergleich zu Hmong-Amerikanern (ostasiatische interdependente Kultur) signifikant mehr soziales Lächeln zeigten. Die stärker akkulturierten Hmong-Amerikaner, die die US-amerikanische Kultur übernommen haben, zeigten jedoch eine höhere Häufigkeit des sozialen Lächelns bei Glück. Die Autoren interpretieren diese Ergebnisse dahingehend, dass das soziale Lächeln von europäischen US-Amerikanern und hoch akkulturierten Hmong-Amerikanern nonverbale Botschaften an andere Menschen ausdrücken könnte. Da sie Glück erleben, die gesellschaftlich erwünschte Emotion in einer unabhängigen Kultur (den Vereinigten Staaten), sind sie erfolgreich. Aufgrund der Sozialisierung und starker stereotyper Erwartungen sind Frauen kommunaler und neigen daher eher zum Lächeln (La France et al., 2003). Als Forscher (La France et al., 2003) die geschlechtsspezifischen Unterschiede beim Lächeln auf der Grundlage mehrerer kulturübergreifender Studien analysierten, stellten sie fest, dass Frauen im Allgemeinen mehr lächeln als Männer. Diese Unterschiede variierten jedoch je nach Nationalität, ethnischer Zugehörigkeit und Alter.
324
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
ntwicklung des kulturspezifischen Ausdrucks von Gefühlen E in der Kindheit Es stellt sich die Frage, (1) in welchem Zeitraum der individuellen Entwicklung diese kulturellen Unterschiede auftreten und (2) ob sie auf biologische ethnische Ursprünge oder auf kulturelle Einflüsse zurückzuführen sind. Die Studien über die frühe Kindheit sind in dieser Hinsicht nützlich. So entdeckten Entwicklungspsychologen (Camras et al., 1992), dass die Ausdrücke negativer Emotionen bei einer Armfesselung bei US-amerikanischen und japanischen Säuglingen (von 5 Monaten) ähnlich sind, US-amerikanische Kinder jedoch schneller reagierten. Insgesamt zeigen chinesische Kinder, und in geringerem Maße auch japanische Kinder, weniger negative und positive Emotionen und haben eine längere Latenzzeit für emotionale Reaktionen als US-amerikanische Kinder (Camras et al., 1998). Die Unterschiede in der emotionalen Ausdrucksfähigkeit zwischen europäisch- amerikanischen und chinesischen Säuglingen (im Alter von 11 Monaten) sind stärker ausgeprägt als zwischen europäisch-amerikanischen und japanischen Säuglingen. Chinesische und japanische Säuglinge unterscheiden sich ebenfalls signifikant. So zeigten chinesische Säuglinge im Vergleich zu japanischen und US-amerikanischen Säuglingen dieses Alters insgesamt eine geringere Ausdrucksfähigkeit. Chinesische Säuglinge hatten eine längere Latenzzeit bei der mimischen Darstellung von Ärger/Frust (sanftes Zurückhalten des Arms) und nach einem angstauslösenden Verfahren (knurrender Spielzeuggorillakopf). Interkulturelle Unterschiede zeigten sich bei einigen spezifischen Handlungen im Mittelgesicht, den Augenbrauen und den Wangen (z. B. gesenkte Augenbrauen). Lächeln ist einer der offensichtlichsten Gesichtsausdrücke der Freude beim Menschen. Säuglinge zeigen es in der Regel bereits im Alter von 2 bis 3 Monaten. Die Häufigkeit des Lächelns nimmt in den folgenden Monaten zu und erreicht mit etwa 4 Monaten ihren Höhepunkt. Dieses Alter ist in vielen Kulturkreisen (z. B. in Israel, Japan, den Vereinigten Staaten und Uganda) ähnlich und wahrscheinlich universell. Die zunehmende kulturelle Divergenz zeigt sich jedoch in den folgenden Monaten des Säuglingsalters (Super & Harkness, 2010). Kulturell bedingte Unterschiede in der emotionalen Ausdrucksfähigkeit finden sich auch in den folgenden Jahren der Kindheit. So untersuchten Forscher (Camras et al., 2006) Mädchen aus vier kulturellen Gruppen: Festlandchinesen, von US- Familien adoptierte chinesisch-amerikanische Mädchen, chinesisch-amerikanische Mädchen (nicht adoptiert) und europäische US-Amerikanerinnen. Die Ergebnisse zeigten, dass die europäischen Mädchen im Allgemeinen ausdrucksstärker waren und insbesondere mehr ekelbezogene Ausdrücke zeigten als die chinesischen Mädchen vom Festland. Sie zeigten auch mehr Lächeln als die anderen Gruppen. Die US-amerikanisch-chinesischen Mädchen, die von US-amerikanischen Familien adoptiert wurden, zeigten mehr Ekelausdrücke im Vergleich zu den chinesischen Mädchen vom Festland. Wahrscheinlich haben sie die Ausdrucksnormen ihrer Adoptivkultur bereits gelernt.
6.3 Ausdrucksstärke von Emotionen im Gesicht
325
6.3.4 Kulturübergreifende Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Wahrnehmung des Gesichtsausdrucks von Emotionen Wahrnehmung von Emotionen in verschiedenen Kulturkreisen In diesem Abschnitt werden kulturübergreifende Studien zur Wahrnehmung von Emotionsausdrücken untersucht. Während das Forschungsdesign für den Emotionsausdruck untersucht, wie Menschen bestimmte Emotionen zeigen (auf Anweisung oder auf natürliche Weise), wird bei der Emotionserkennung untersucht, wie Menschen – Beobachter – Emotionen wahrnehmen und erkennen. Dennoch bietet das letztgenannte Design ein nützliches Fenster für die Erforschung des Emotionsausdrucks. Die Studien zu beiden Forschungsdesigns kommen zu Ergebnissen, die recht gut miteinander übereinstimmen (Yuki et al., 2007). Eine Reihe von Studien aus den 1970er- bis 1990er-Jahren hat kulturübergreifende Ähnlichkeiten bei der Beurteilung des Ausdrucks verschiedener Emotionen, der Bewertung ihrer Intensität und der Art und Weise, wie Menschen den wahrgenommenen Ausdruck von Intensität mit dem subjektiven Erleben anderer in Verbindung bringen, dokumentiert. Gleichzeitig fanden viele Studien erhebliche Unterschiede bei der Erkennung von Emotionen, ethnische Unterschiede bei der Bewertung von Intensität, Zuschreibungen von Intensität, Rückschlüsse auf Erfahrungen, die dem Gesichtsausdruck von Emotionen zugrunde liegen, und wie kulturelle Dimensionen zur Beurteilung von Emotionen in verschiedenen Ländern beitragen (siehe für eine detaillierte Übersicht Matsumoto, 1992; Matsumoto et al., 2003). Studien zur Erkennung von Emotionen zeigen auch kulturübergreifende Unterschiede. Ostasiatische Teilnehmer zeigen durchweg eine geringere Erkennungsleistung bei einigen negativen Gesichtsausdrücken als westliche kaukasische Teilnehmer (Elfenbein & Ambady, 2002; Matsumoto, 1992; Mesquita & Frijda, 1992; Russell, 1994). Kürzlich fanden Forscher heraus, dass östliche Teilnehmer bei Erkennungsaufgaben eine Dekodierungsstrategie anwenden, die es ihnen nicht erlaubt, Gesichtsausdrücke von „Ekel“ und „Angst“ angemessen zu unterscheiden. Sie fixieren sich typischerweise auf die Augenregion, während westliche Teilnehmer ihre Fixationen gleichmäßig über das Gesicht verteilen. Diese Unterschiede in den Dekodierungsstrategien führen bei östlichen Menschen zu Verwirrung bei der Emotionserkennung (Jack et al., 2009). Die Ergebnisse anderer kulturübergreifender Studien stimmen mit den oben dargestellten überein. In einer Studie (Blais et al., 2008) untersuchten die Forscher, wie westlich-kaukasische (vermutlich Glasgow, Schottland) und ostasiatische (chinesische und japanische internationale Studenten in Glasgow) Teilnehmer den Gesichtsausdruck von Emotionen lernten, erkannten und kategorisierten. Die Autoren haben westliche und östliche Unterschiede in den Beobachtungsstrategien entdeckt, indem sie die Augenbewegungen der Teilnehmer aufzeichneten, wenn diese versuchten, Informationen aus Gesichtern zu gewinnen. Westliche Kaukasier zeigten
326
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
verstreute Muster von Fixierungen auf Gesichtern mit Schwerpunkt auf dem Dreieck (zwei Augen und Mund). Im Gegensatz dazu fixierten Ostasiaten eher den zentralen Bereich des Gesichts (Augen und Nase). Menschen aus diesen beiden Kulturen neigen also dazu, Informationen aus dem menschlichen Gesicht zu verarbeiten, indem sie unterschiedlichen Aspekten der Gesichtsinformationen Aufmerksamkeit schenken. rkennung von Emotionen, die von Mitgliedern einer kulturellen Gruppe E im Vergleich zu Mitgliedern einer anderen Gruppe gezeigt werden Es ist erwähnenswert, dass Beobachter aus verschiedenen Kulturkreisen die Gesichter und den Gesichtsausdruck von Personen aus ihrer eigenen kulturellen Gruppe besser erkennen als Personen aus einer anderen Gruppe (Blais et al., 2008; Elfenbein & Ambady, 2002, 2003; Meissner & Brigham, 2001). Menschen neigen dazu, sich auf spezifische nonverbale Kommunikationsfähigkeiten ihrer eigenen Kultur zu verlassen, wenn sie den Gesichtsausdruck anderer Menschen interpretieren. Einige Forscher bezeichnen solche Fähigkeiten als Gesichts-„Akzente“ oder „Dialekte“ (Elfenbein & Ambady, 2002, 2003; Marsh et al., 2003). Beobachter erkennen die Emotionen von Personen aus ihrer kulturellen Gruppe leichter, weil sie die in dieser Kultur vorherrschenden typischen Gesichtsausdrücke besser kennen. Die Fähigkeit, emotionale Gesichtsausdrücke von Personen aus anderen Kulturkreisen angemessen zu beurteilen, kann sich im Laufe der Zeit ändern, wenn die Beobachter mehr mit der anderen Kultur und ihren kulturspezifischen nonverbalen Ausdrucksnormen in Berührung kommen und diese besser kennen lernen. Wenn Beobachter mit dieser Kultur vertrauter werden, können sie die Emotionen von Menschen aus dieser Kultur genauer beurteilen (Elfenbein & Ambady, 2002, 2003; Elfenbein et al., 2004; Marsh et al., 2003; Shimoda et al., 1978). Yuki et al. (2007) fanden in ihrer Studie heraus, dass Menschen je nach kulturellen Normen des Emotionsausdrucks dazu neigen, ihre kulturspezifischen Gesichtsausdrücke zu verwenden, um Emotionen zu erkennen. So verließen sich beispielsweise Japaner vorwiegend auf die Augen und US-Amerikaner auf den Mund, wenn sie die in illustrierten Gesichtern und am Computer bearbeiteten Gesichtsausdrücken realer Menschen dargestellten Emotionen Glück und Traurigkeit interpretierten (Yuki et al., 2007). Die Interpretation der Autoren beruht auf der Tatsache, dass es für Personen, die ihre Emotionen ausdrücken, schwieriger ist, die Muskeln um die Augen zu kontrollieren als die Muskeln um den Mund (Ekman, 1992; Ekman & Friesen, 1975; Ekman et al., 1988). Daher sind in der japanischen Kultur, in der emotionale Zurückhaltung die Norm ist, die Augen anderer Menschen aufschlussreicher über deren wahren emotionalen Zustand. In der US-amerikanischen Gesellschaft hingegen, in der der offene Ausdruck von Emotionen die kulturelle Norm ist, ist der dynamische und expressive Mund informativer für die Erkennung von Gefühlszuständen.
6.3 Ausdrucksstärke von Emotionen im Gesicht
327
Erkennung von Qualitäten und Intensität von Gesichtsausdrücken Viele Forscher haben auch die kulturellen Unterschiede bei der Beurteilung und Zuschreibung der Eigenschaften von Gesichtsausdrücken und deren Intensität aufgezeigt. Insbesondere haben Studien ergeben, dass asiatische und asiatisch- amerikanische Teilnehmer (Hongkong, Japan, Sumatra-Länder und die Vereinigten Staaten) dazu neigen, dem Gesichtsausdruck von auf Fotos abgebildeten Weißen eine geringere emotionale Intensität zuzuschreiben als nicht-asiatische Teilnehmer (Ekman et al., 1987; Matsumoto, 1993), während in einer anderen Studie Japaner Australier als ausdrucksstärker einschätzten. Asiatische US-Amerikaner bewerteten die geringere Intensität von Gesichtsausdrücken auf Fotos, die europäische US-Amerikaner, Australier und Japaner zeigten (Ekman et al., 1987; Matsumoto, 1993; Pittam et al., 1995). Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass Japaner, wie auch Menschen aus anderen asiatischen Kulturen, Emotionen als weniger intensiv empfinden als westliche Kulturen. Was die Zuschreibung von Intensität betrifft, so ergab eine Studie in zehn Ländern (Ekman et al., 1987) länderübergreifende Unterschiede bei der Zuschreibung von Intensität zu den Gesichtsausdrücken anderer Personen. Bei den meisten Emotionen schätzten die US-Amerikaner die Ausdrücke intensiver ein als die Japaner. Diese Unterschiede könnten auf kulturelle Dekodierungsregeln zurückzuführen sein (Matsumoto & Ekman, 1989). In späteren Studien wurden diese Ergebnisse ebenfalls bestätigt (z. B. Biehl et al., 1997; Matsumoto, 1990). In den Vereinigten Staaten wurden zwischen vier ethnischen Gruppen (Matsumoto, 1993) Unterschiede in der Affektintensität, der Beurteilung von Emotionen, der Einstellung zu Darstellungsregeln und dem selbstberichteten Gefühlsausdruck festgestellt. Kulturelle Unterschiede finden sich auch in den Schlussfolgerungen, die Menschen in Bezug auf ein vermutetes subjektives Erleben machen, das dem Gesichtsausdruck von Emotionen zugrunde liegt (Matsumoto et al., 1999). Die kulturellen Unterschiede hängen von der Stärke des zu beurteilenden Ausdrucks ab. Während US-Amerikaner bei starken Ausdrücken die äußere Darstellung von Emotionen viel höher bewerteten als das innere Erleben, zeigten Japaner in dieser Hinsicht keine Unterschiede. Bei schwachen Ausdrücken hingegen bewerteten die Japaner das innere Erleben höher als die äußere Darstellung, während bei den US-Amerikanern kein Unterschied festgestellt wurde. Diese Unterschiede in der Beurteilung erklären die Autoren aus den angenommenen Dekodierungsregeln für den Ausdruck, die sich in beiden Kulturen unterscheiden. Die kulturellen Dimensionen Individualismus-Kollektivismus, Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung und Maskulinität-Femininität (Hofstede, 1984, 1983) tragen zu länderübergreifenden Unterschieden in der Erkennungsrate von Emotionen bei. Matsumoto (1989) fand in einer Stichprobe von 15 Kulturen Korrelationen zwischen der Erkennung ausgewählter Emotionen und diesen vier kulturellen Dimensionen. Eine spätere Meta-Analyse (Schimmack, 1996) fand ebenfalls heraus, dass sich die Emotionswahrnehmung in Abhängigkeit von den kulturellen Dimensionen unterscheidet.
328
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
6.4 Modelle des direkten und indirekten Ausdrucks von Emotionen 6.4.1 Die Vielfalt von Kulturen in Bezug auf den direkten und indirekten Ausdruck von Emotionen Direktheit und Indirektheit im Ausdruck von Gefühlen als kulturelle Stile Im Allgemeinen ist es in vielen Sprachen – auch in westlichen Gesellschaften – üblich, dass Menschen mehr meinen, als sie tatsächlich sagen. Da die Interpretation von der Kenntnis des Kontextes abhängt, versuchen sie, die Bedeutungen auszuarbeiten (Grice, 1975). Im Westen vermitteln grammatikalische Merkmale wie längere grammatikalische Strukturen, der Konjunktiv und bedingte Stimmungen Indirektheit. Indirektheit ist ein nützliches sprachliches Mittel zum Ausdruck von Emotionen, Gefühlen und Erfahrungen in einigen Beziehungssituationen. Im Osten verwenden die Menschen einen anderen Ansatz, um Indirektheit auszudrücken: Sie verschleiern die Bedeutung und vermeiden die Verbalisierung. Japaner ziehen es beispielsweise vor, nicht zu sagen, was sie wollen, und neigen dazu, Spezifikation und Präzision zu vermeiden (Mizutani & Mizutani, 1987). Auch in der javanischen Kultur begünstigen die gesellschaftlichen Normen ein hohes Maß an Indirektheit und das Verbergen der eigenen Gedanken und Gefühle in einigen sozial schwierigen Situationen. Dementsprechend sind die Menschen nicht bereit, sich Problemen in ihrer nackten Wahrheit zu stellen, sie ziehen es vor, nicht zu sagen, was ihnen durch den Kopf geht und was sie wirklich denken (sie reden lieber um den heißen Brei herum), und sie zeigen ihre wahren Gefühle nie direkt (Geertz, 1976; Wierzbicka, 1991). ulturelle Unterschiede im direkten und indirekten Ausdruck K von Emotionen Der Vergleich zwischen dem Westen und dem Osten spiegelt die kulturellen Modelle der Ausdruckskraft möglicherweise nicht ganz angemessen wider. Die westlichen Länder sind in dieser Hinsicht recht unterschiedlich. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass das britische Englisch und das nordamerikanische Englisch im Vergleich zu den europäischen Sprachen eher das Recht auf Ausdruck und die emotionale Autonomie des Einzelnen betonen (Wierzbicka, 1991). Ansonsten variiert die Unmittelbarkeit des Ausdrucks in den westlichen Gesellschaften. So begünstigen beispielsweise englische Kulturnormen (Westeuropa und USA) im Vergleich zu polnischen Normen (Mitteleuropa) die Indirektheit (Wierzbicka (1991)), während sie im Vergleich zu afroamerikanischen Normen und den Normen der australischen Aborigines eher die Direktheit bei der Suche nach Informationen vom Adressaten fördern (Abrahams, 1976; Eades, 1982; Sansom, 1980).
6.4 Modelle des direkten und indirekten Ausdrucks von Emotionen
329
Im Vergleich zu den englischsprachigen Gesellschaften (Amerikaner und Briten) erwarten die griechischen kulturellen Normen ein viel höheres Maß an Indirektheit in der sozialen Interaktion (Tannen, 1981), während die israelischen kulturellen Normen dazu ermutigen, generell direkter zu sein. Die Menschen in Israel sind nicht sehr auf soziale Distanz bedacht und richten ihren Interaktionsstil auf solidarische Höflichkeit aus (Blum-Kulka et al., 1985). Menschen in slawischen Kulturen, der italienischen Kultur, der jüdischen Kultur und der afroamerikanischen Kultur sind sehr expressiv. Unabhängig davon, ob die Gefühle gut oder schlecht sind, schätzen diese Kulturen einen ungehemmten Gefühlsausdruck (Wierzbicka, 1991). Deutsche, polnische, russische, serbokroatische und spanische Sprecher drücken ihre Gedanken und Gefühle ebenfalls direkter aus als Englischsprachige (Wierzbicka, 1991). Asiatische Gesellschaften, die kontextreiche Kulturen sind, können sich auch in ihrer Ausdruckskraft erheblich unterscheiden. Die arabischen Kulturen im Nahen Osten unterscheiden sich beispielsweise von den ostasiatischen Kulturen und neigen dazu, übermäßig ausdrucksstark zu sein (Gudykunst & Kim, 1984; Suleiman, 1973). Die arabische Sprache hat viele grammatikalische Strukturen für Übertreibung und Behauptung: „Einige häufig vorkommende Endungen sollen die Bedeutung unterstreichen, die Verdopplung der Laute einiger Konsonanten erzeugt stärkere Effekte, und die Wiederholung von Pronomen und Wörtern erhöht die Aussagekraft“ (Lim, 2003, S. 64). Arabische Metaphern, Analogien und lange Aneinanderreihungen von Adjektiven als rhetorische und stilistische Mittel führen zu noch stärkeren Übertreibungen (Suleiman, 1973). Menschen in arabischen Kulturen, die übermäßig expressiv und durchsetzungsfähig sind, neigen in der Kommunikation dazu, das Bild über die Bedeutung, die Form über die Funktion und den Affekt über die Genauigkeit zu stellen (Zahanrna, 1995). Interessanterweise sind die Präferenzen der Asiaten, einer kontextstarken Kultur, genau umgekehrt.
6.4.2 Östliche Wege, Emotionen indirekt auszudrücken Ehrensystem Da Asiaten nicht über eine Fülle von grammatikalischen Formen verfügen, um Emotionen indirekt auszudrücken, verwenden sie in Situationen, in denen sie ihre Bedeutungen verbalisieren müssen, das gut entwickelte System der Ehrerbietung. Solche Ehrerbietungen, die ein gewisses Maß an Respekt für andere ausdrücken, sollen die wahrscheinliche Bedrohung durch das Gesicht kompensieren. In anderen Situationen, z. B. wenn Asiaten mit einem Freund sprechen, wenn sie sich streiten oder wenn sie sich auf Englisch unterhalten, ist die Verwendung von Ehrentiteln unangemessen. Dann können sie sehr direkt sein.
330
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Indirekte und mehrdeutige Verbalisierung Geringe Ausdrucksfähigkeit und geringes Durchsetzungsvermögen, wie sie für Ostasiaten typisch sind, bringen eine hohe Mehrdeutigkeit in ihre Botschaften. Einige ostasiatische Sprachen weisen grammatikalische Konstruktionen auf, die die Mehrdeutigkeit fördern. Im Japanischen und im Koreanischen zum Beispiel wird das Subjekt eines Satzes häufig ausgelassen, die Ziffern sind nicht spezifisch, es gibt viele unvollständige Sätze, die Verben stehen am Ende des Satzes, und so kann die Bedeutung eines Satzes erst bestimmt werden, wenn der ganze Satz gesprochen wurde. Die Einstellung der Japaner zur Verbalisierung führt zu echter Zweideutigkeit. Sie können stundenlang reden, ohne ihre Meinung klar zum Ausdruck zu bringen (Morsbach, 1976), sie können mehrmals hai (ja) sagen und damit nicht unbedingt ihre Zustimmung ausdrücken. Sowohl der Sprecher als auch der Zuhörer verstehen dieses hai als „Ich verstehe, was Sie sagen“. Kontexthohe Kommunikation Aufgrund dieser kulturellen Traditionen, ihre Gefühle und Gedanken indirekt auszudrücken, haben die Menschen im Osten – die eine kontextreiche Kommunikation bevorzugen – spezielle Strategien entwickelt, um die Botschaft genau zu entschlüsseln. Im Japanischen, so Yoshikawa (1978), sind das, was eine Person verbal auszudrücken beabsichtigt, und das, was sie tatsächlich ausdrückt, zwei verschiedene Dinge. Um die beabsichtigte Bedeutung zu verstehen, ist es wichtig, die Kontextinformationen zu kennen und über eine gute Intuition zu verfügen, die durch eine Reihe von Kontakten mit dem Sprecher erworben wurde. In gleicher Weise entwickeln Koreaner noon-chi (wörtlich übersetzt als „Augenmaß“), um aus einer mehrdeutigen Botschaft die Absicht, den Wunsch, die Stimmung und die Einstellung des Sprechers herauszufinden. Dies ist eine wesentliche Fähigkeit ihrer Kommunikationskompetenz (Lim & Choi, 1996). Einige Personen haben mehr Erfahrung und können Noon-chi besser einsetzen als andere. Wenn eine Person nicht über die Fähigkeit verfügt, noon-chi zu verwenden, kann dies das Gesicht des Sprechers bedrohen, da er/sie gezwungen wäre, ausdrücklich etwas zu sagen (Lim & Choi, 1996). Augenkontakt In allen Kulturen wird der Blickkontakt als wichtig für die tägliche Kommunikation angesehen. Dies spiegelt sich in den „Augen“-Metaphern der verschiedenen Kulturen wider. In Nordamerika sagt man zum Beispiel „Die Augen sind die Fenster zur Seele“, während man in Japan sagt „Die Augen sind so beredt wie die Zunge“.
6.4 Modelle des direkten und indirekten Ausdrucks von Emotionen
331
llerdings kann der Augenkontakt mehr oder weniger häufig, direkt oder indirekt, A mit direktem oder abgewandtem Blick verwendet werden. Insgesamt neigen Menschen dazu, eine Person, die Blickkontakt hält, als sympathischer, intelligenter, vertrauenswürdiger und dominanter wahrzunehmen als eine Person, die weniger Blickkontakt zeigt. Ein übermäßiger Blickkontakt des Kommunikators kann jedoch dazu führen, dass sich eine Person unwohl fühlt (Kleinke, 1986). Der Wert und die Normen des Blicks in der Kommunikation unterscheiden sich jedoch von Kultur zu Kultur. Im Allgemeinen halten Menschen in westlichen Kulturen den Blickkontakt bei sozialen Interaktionen für wichtiger als Menschen in ostasiatischen Kulturen (Akechi et al., 2013). Insbesondere Befragte aus Italien und dem Vereinigten Königreich stufen den Blickkontakt während eines Gesprächs als wichtiger ein als Befragte aus Japan und Hongkong (Argyle et al., 1986). Menschen in Nordamerika zeigen mehr Augenkontakt als Japaner. Im Allgemeinen ist die Indirektheit in ostasiatischen Kulturen die soziale Norm, die von übermäßigem und direktem Augenkontakt abrät und dazu ermutigt, den Blick zu vermeiden (Argyle & Cook, 1976). Darüber hinaus ist zu beachten, dass in der japanischen Kultur die Vermeidung von Blickkontakt ein Zeichen von Respekt und demütiger Unterwerfung ist (Argyle et al., 1986). Eine aktuelle Studie (Akechi et al., 2013) untersuchte die Bewertung von Blickkontakt mit einer Person, die einen emotional neutralen Ausdruck zeigt. Als unabhängige Variable (Stimuli) verwenden die Autoren zwei Arten von Blicken – direkt und abgewandt. Sie verglichen die physiologischen Reaktionen und Bewertungen des Gesichtsausdrucks von Menschen aus westeuropäischen (finnischen) und ostasiatischen (japanischen) Kulturen. Die Ergebnisse zeigten kulturübergreifende Ähnlichkeiten und Unterschiede. Was die Gemeinsamkeiten betrifft, so reagierten die Beobachter in beiden Kulturen mit einer stärkeren Verlangsamung der Herzfrequenz, kürzeren Blickzeiten und höheren Bewertungen der subjektiven Erregung auf ein Gesicht mit direktem Blick im Vergleich zu einem abgewandten Blick. Kulturelle Unterschiede wurden bei den bewertenden Reaktionen der Beobachter auf verschiedene Arten des Augenkontakts – direkter und abgewandter Blick – festgestellt (Anmut, Annäherungsfähigkeit, Dominanz und grundlegende Emotionen, die im Gesicht gezeigt wurden). Diese Unterschiede könnten auf kulturelle Normen und spezifische Darstellungsregeln zurückzuführen sein. Im Vergleich zur finnischen Stichprobe empfanden die japanischen Teilnehmer ein Gesicht mit direktem Blickkontakt als unangenehm, unnahbar, dominant, wütender und trauriger. Japaner neigen dazu, den häufigen und langen direkten Blickkontakt von Gesichtern als Signal für Wut und einen unnahbaren Eindruck zu überinterpretieren. Somit haben direkte und abgewandte Blicke einen kulturspezifischen Einfluss auf die Wahrnehmung von Gesichtsausdrücken (Akechi et al., 2013, S. 9).
332
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
6.4.3 Schweigen, Händeschütteln, Verbeugen als indirekte Ausdrucksformen von Gefühlen Schweigen als nicht direktes Ausdrucksverhalten Viele Menschen in westlichen Kulturen sind nicht bereit, Stille in der Kommunikation zu tolerieren. Einige Menschen im Westen wissen natürlich die Bedeutung der Stille in der Kommunikation zu schätzen. Es scheint jedoch ein natürlicher Aspekt des japanischen Verhaltens zu sein (Morsbach, 1988b). Die Japaner werden oft als „schweigsam“ angesehen. Sie neigen dazu, ihre wahren Gefühle zu verbergen. Wenn sich eine Person in der Öffentlichkeit befindet, neigt sie dazu, ihre wahren Gefühle hinter leeren und stillen Gesichtern oder einem Lächeln zu verbergen. Zum Beispiel ist Schweigen die „typische“ und traditionelle Art für Frauen, ihre Gefühle der Überraschung zu verbergen, indem sie den Mund mit der Handfläche bedecken. Das fast bewegungslose Gesicht der Japaner verrät wenig von ihren inneren Gefühlen. Japaner scheinen in Gesprächen langsam zu sein; sie brauchen etwas länger, um Fragen zu beantworten, auch wenn sie perfekt verstehen. Sie fühlen sich in der Stille wohl und fürchten die Stille nicht so sehr wie die US-Amerikaner. Die japanische Kultur ist stark vom Zen-Buddhismus beeinflusst, in dem das Schweigen, nicht die Worte, einen hohen Stellenwert hat. Stille Kommunikation wird in Japan idealisiert, kann aber ein Mythos sein (Morsbach, 1988b). Im modernen Japan ist der Zen-Buddhismus selten, und Schweigen ist eher das Ideal als die Realität. In der Praxis sind die Dinge anders. Amerikaner hingegen sind viel ausdrucksstärker – nonverbal und verbal. Japaner mit ihren kulturellen Normen der Stille und des Schweigens nehmen US-Amerikaner häufig als „wortreich“ wahr und assoziieren dies mit einem „oberflächlichen Charakter“ (Morsbach, 1988b, S. 206). US-Amerikaner bewegen ständig Stirn und Augenbrauen, wenn sie sprechen, und diese Bewegungen drücken die inneren Gefühle hinter den Worten aus. US-Amerikaner neigen dazu, ihre Freude und Ängste ganz offen zu zeigen. Händeschütteln als nonverbales Ausdrucksverhalten In vielen modernen Ländern ist die Begrüßung per Handschlag ein gängiger Ausdruck von Emotionen in der Kommunikation. Er ist in Europa und Afrika weit verbreitet, obwohl es regionale Unterschiede gibt. In Großbritannien schüttelt man sich nur die Hand, wenn man sich nach langer Zeit wiedersieht, während die Franzosen jedem die Hand schütteln, der sich auf einer Party trifft, und noch einmal, wenn sie sich verabschieden. Für viele Menschen im Westen ist das Händeschütteln „natürlich“. Es ist ein „demokratisches“ Zeichen der Gleichheit. Die japanische Kultur bildet in dieser Hinsicht eine Ausnahme – dort schüttelt man sich selten die Hand.
Literatur
333
Die Koreaner folgten bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs der japanischen Praxis, aber jetzt ist es ein akzeptierter Brauch, die Hand zu schütteln (Morsbach, 1988a). Verbeugung als nonverbales Ausdrucksverhalten In einigen Kulturen gibt es verschiedene besondere nonverbale Ausdrucksformen von Emotionen in der Kommunikation. In vielen nicht-westlichen Ländern verbeugen sich die Menschen, um ihre Gefühle auszudrücken. In den westlichen Gesellschaften war die Verbeugung während des Mittelalters von großer Bedeutung, doch ist sie seitdem verschwunden. Heutzutage wird die Verbeugung als etwas typisch Japanisches angesehen. Sie ist keine natürliche Bewegung, sondern muss erlernt werden: Die Verbeugung kann unterschiedlich tief sein, in verschiedenen Positionen (im Stehen oder Sitzen) und in verschiedenen sozialen Situationen erfolgen (Morsbach, 1988a). Gegenwärtig wird die Verbeugung im Westen als etwas Negatives interpretiert, während sie für Japaner eine wichtige Form der zwischenmenschlichen Kommunikation ist, die in ihrer sozial komplexen und hierarchischen Kultur Status und Gefühle ausdrückt. Sie kommt nicht nur in formellen Situationen, sondern auch in anderen Arten von Beziehungen vor.
Literatur Abrahams, R. D. (1976). Talking black. Newbury House. Akechi, H., Senju, A., Uibo, H., Kikuchi, Y., Hasegawa, T., & Hietanen, J. K. (2013). Attention to eye contact in the West and East: Autonomic responses and evaluative ratings. PLoS One, 8(3), e59312. Allen, J. G., & Haccoun, D. M. (1976). Sex differences in emotionality: A multidimensional approach. Human Relations, 29, 711–722. Archer, J. (2004). Sex differences in aggression in real-world settings: A meta-analytic review. Review of General Psychology, 8(4), 291–322. Argyle, M., & Cook, M. (1976). Gaze and mutual gaze. Cambridge University Press. Argyle, M., Henderson, M., Bond, M., Iizuka, Y., & Contarello, A. (1986). Cross-cultural variations in relationship rules. International Journal of Psychology, 21(1–4), 287–315. Balswick, J., & Avertt, C. P. (1977). Differences in expressiveness: Gender interpersonal orientation, and perceived parental expressiveness as contributing factors. Journal of Marriage and the Family, 39, 121–127. Barnlund, D. C. (1975). Communicative styles in two cultures: Japan and the United States. In A. Kendon, R. M. Harris, & M. R. Key (Hrsg.), Organization of behavior in face-to-face interaction (S. 427–456). Mouton. Barrett, K. C., & Campos, J. J. (1987). Perspectives on emotional development: II. A functionalist approach to emotions. In J. D. Osofsky (Hrsg.), Handbook of infant development (2. Aufl., S. 555–578). Wiley. Barrett, L. F., Robin, L., Pietromonaco, P. R., & Eyssell, K. M. (1998). Are women the “more emotional” sex? Evidence from emotional experiences in social context. Cognition & Emotion, 12, 555–578.
334
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Basabe, N., Paez, D., Valencia, J., Rimé, B., Pennebaker, J., Diener, E., & González, J. L. (2000). Sociocultural factors predicting subjective experience of emotion: A collective level analysis. Psicothema, 12(Suppl 1), 55–69. Beamish, A. J., Foster, J. J., Edwards, H., & Olbers, T. (2019). What’s in a smile? A review of the benefits of the clinician’s smile. Postgraduate Medical Journal, 95(1120), 91–95. Bedford, N., Fallon, S., & McAdam, M. (2008). Lonely planet – Destination Poland. LPP. Benedict, R. (1946). The chrysanthemum and the sword: Patterns of Japanese culture. Houghton Mifflin. Berenbaum, H., Fujita, F., & Pfennig, J. (1995). Consistency, specificity, and correlates of negative emotions. Journal of Personality and Social Psychology, 68, 342–352. Biehl, M., Matsumoto, D., Ekman, P., Hearn, V., Heider, K., Kudoh, T., & Ton, V. (1997). Matsumoto and Ekman’s Japanese and Caucasian Facial Expressions of Emotion (JACFEE): Reliability data and cross-national differences. Journal of Nonverbal Behavior, 21, 3–22. Birnbaum, D. W., Nosanchuk, T. A., & Croll, W. L. (1980). Children’s stereotypes about sex differences in emotionality. Sex Roles, 6, 435–443. Blais, C., Jack, R. E., Scheepers, C., Fiset, D., & Caldara, R. (2008). Culture shapes how we look at faces. PLoS One, 3(8), e3022. Blum-Kulka, S., Danet, B., & Gherson, R. (1985). The language of requesting in Israeli society. In J. P. Forgas (Hrsg.), Language and social situations (S. 113–139). Springer. Bodas, J., & Ollendick, T. H. (2005). Test anxiety: A cross-cultural perspective. Clinical Child and Family Psychology Review, 8(1), 65–88. Bond, M. H. (1993). Emotions and their expression in Chinese culture. Journal of Nonverbal Behavior, 17(4), 245–262. Bond, M. H., Wan, K. C., Leung, K., & Giacalone, R. (1985). How are responses to verbal insult related to cultural collectivism and power distance? Journal of Cross-Cultural Psychology, 16, 111–127. Brebner, J. (2003). Gender and emotions. Personality and Individual Differences, 34(3), 387–394. Brody, L. R. (1993). On understanding gender differences in the expression of emotion: Gender roles, socialization, and language. In S. L. Ablon, D. Brown, E. Khantzian, & J. Mack (Hrsg.), Human feelings: Explorations in affective development and meaning (S. 89–121). Analytic Press. Brody, L. R. (1999). Gender, emotion, and the family. Harvard University Press. Brody, L. R. (2000). The socialization of gender differences in emotional expression: Display rules, infant temperament, and differentiation. In A. H. Fischer (Hrsg.), Gender and emotion: Social psychological perspectives (S. 24–47). Cambridge University Press. Brody, L. R., & Hall, J. A. (1993). Gender and emotion. In M. Lewis & J. M. Haviland (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 447–460). Guilford Press. Brody, L. R., & Hall, J. A. (2008). Gender and emotion in context. In M. Lewis, J. M. Haviland- Jones, & L. F. Barrett (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 395–408). Guilford Press. Brody, L. R., Muderrisoglu, S., & Nakash-Eisikovits, O. (2002). Emotions, defenses, and gender. In R. F. Bornstein & J. M. Masling (Hrsg.), The psychodynamics of gender and gender role (S. 203–249). American Psychological Association. Burke, R. J., Weir, T., & Harrison, D. (1976). Disclosure of problems and tensions experienced by marital partners. Psychological Reports, 38, 531–542. Butler, E. A., Lee, T. L., & Gross, J. J. (2007). Emotion regulation and culture: Are the social consequences of emotion suppression culture-specific? Emotion, 7(1), 30–48. Caballo, V. E., Salazar, I. C., Irurtia, M. J., Arias, B., Hofmann, S. G., & CISO-A Research Team. (2014). Differences in social anxiety between men and women across 18 countries. Personality and Individual Differences, 64, 35–40. Calder, A. J., Young, A. W., Perrett, D. I., Etcoff, N. L., & Rowland, D. (1996). Categorical perception of morphed facial expressions. Visual Cognition, 3, 81–117. Camras, L. A., Oster, H., Campos, J. J., Miyake, K., & Bradshaw, D. (1992). Japanese and American infants’ responses to arm restraint. Developmental Psychology, 28, 578–583. https://doi. org/10.1037/0012-1649.28.4.578
Literatur
335
Camras, L. A., Oster, H., Campos, J., Campos, R., Ujie, T., Miyake, K., et al. (1998). Production of emotional facial expressions in European American, Japanese, and Chinese infants. Developmental Psychology, 34(4), 616–628. Camras, L. A., Bakeman, R., Chen, Y., Norris, K., & Cain, T. R. (2006). Culture, ethnicity, and children’s facial expressions: A study of European American, mainland Chinese, Chinese American, and adopted Chinese girls. Emotion, 6, 103–114. https://doi.org/10.1037/15283542.6.1.103 Chaplin, T. M. (2015). Gender and emotion expression: A developmental contextual perspective. Emotion Review, 7(1), 14–21. https://doi.org/10.1177/1754073914544408 Chaplin, T. M., & Aldao, A. (2013). Gender differences in emotion expression in children: A meta- analytic review. Psychological Bulletin, 139, 735–765. Chaplin, T. M., Cole, P. M., & Zahn-Waxler, C. (2005). Parental socialization of emotion expression: Gender differences and relations to child adjustment. Emotion, 5(1), 80–88. Cole, P. M., & Tamang, B. L. (1998). Nepali children’s ideas about emotional displays in hypothetical challenges. Developmental Psychology, 34, 640–646. https://doi.org/10.1037/00121649.34.4.640 Cole, P. M., Bruschi, C. J., & Tamang, B. L. (2002). Cultural differences in children’s emotional reactions to difficult situations. Child Development, 73, 983–996. https://doi.org/10.1111/14678624.00451 Collins, R. (1984). The role of emotion in social structure. In K. Scherer & P. Ekman (Hrsg.), Approaches to emotion (S. 385–396). Erlbaum. Corapci, F., Friedlmeier, W., Benga, O., Strauss, C., Pitica, I., & Susa, G. (2018). Cultural socialization of toddlers in emotionally charged situations. Social Development, 27(2), 262–278. Correll, S. J., & Ridgeway, C. L. (2006). Expectation states theory. In J. Delamater (Hrsg.), Handbook of social psychology (S. 29–51). Springer. Cosnier, J., Dols, J. M. F., & Fernandez, A. J. (1986). The verbalization of emotional experiences. In K. R. Scherer, H. G. Wallbott, & A. B. Summerfield (Hrsg.), Experiencing emotion: A cross-cultural study (S. 117–128). Cambridge University Press. Daun, A. (1995). Swedish mentality. Penn State University Press. Deng, Y., Chang, L., Yang, M., Huo, M., & Zhou, R. (2016). Gender differences in emotional response: Inconsistency between experience and expressivity. PLoS One, 11(6), e0158666. Diener, E., & Emmons, R. A. (1985). The independence of positive and negative affect. Journal of Personality and Social Psychology, 47, 1105–1117. Diener, E., Sandvik, E., & Larsen, R. J. (1985). Age and sex effects for emotional intensity. Developmental Psychology, 21, 542–546. Dillon, K. M., Wolf, E., & Katz, H. (1985). Sex roles, gender, and fear. The Journal of Psychology, 119, 355–359. Doi, L. T. (1962). Amae: A key concept for understanding Japanese personality structure. In R. J. Smith & R. K. Beardsley (Hrsg.), Japanese culture: Its development and characteristics (S. 307–313). Aldine. Dosser, D. A., Balswick, J. O., & Halverson, C. F., Jr. (1983). Situational context of emotional expressiveness. Journal of Counseling Psychology, 30, 51–66. Eades, D. (1982). You gotta know how to talk: Information seeking in south-east Queensland aboriginal society. Australian Journal of Linguistics, 2, 61–82. Edelmann, R. J., Asendorpf, J., Contarello, A., Zammuner, V., Georgas, J., & Villanueva, C. (1986). Self-reported expression of embarrassment in five European cultures. Paper presented at the 8th international congress of cross-cultural psychology, Istanbul. Edelmann, R. J., Asendorpf, J., Conrtarello, A., Georgas, J., Villanueva, C., & Zammuner, V. (1987). Self-reported verbal and non-verbal strategies for coping with embarrassment in five European cultures. Social Science Information, 26, 869–883. Eid, M., & Diener, E. (2001). Norms for experiencing emotions in different cultures: Inter- and intra-national differences. Journal of Personality and Social Psychology, 81(5), 869–885. Eisenberg, N., Fabes, R. A., Murphy, B., Karbon, M., Maszk, P., Smith, M., et al. (1994). The relations of emotionality and regulation to dispositional and situational empathy-related responding. Journal of Personality and Social Psychology, 66, 776–797.
336
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Ekman, P. (1972). Universals and cultural differences in facial expressions of emotion. In J. Cole (Hrsg.), Nebraska symposium motivation, 1971 (Bd. 19, S. 207–282). University of Nebraska Press. Ekman, P. (1992). Are there basic emotions? Psychological Review, 99, 550–553. Ekman, P., & Friesen, W. (1969). The repertoire of nonverbal behavior: Categories, origins, usage, and coding. Semiotica, 1, 49–98. Ekman, P., & Friesen, W. V. (1971). Constants across cultures in the face and emotion. Journal of Personality and Social Psychology, 17, 124–129. Ekman, P., & Friesen, W. V. (1975). Unmasking the face: A guide to recognizing emotions from facial clues. Prentice Hall. Ekman, P., Sorenson, E. R., & Friesen, W. V. (1969). Pancultural elements in facial displays of emotion. Science, 164, 86–88. Ekman, P., Friesen, W. V., O’Sullivan, M., Chan, A., Diacoyanni-Tarlatzis, I., Heider, K., et al. (1987). Universals and cultural differences in the judgments of facial expressions of emotion. Journal of Personality and Social Psychology, 53(4), 712–717. https://doi.org/10.1037/00223514.53.4.712 Ekman, P., Friesen, W. V., & O’Sullivan, M. (1988). Smiles when lying. Journal of Personality and Social Psychology, 54, 414–420. Elfenbein, H. A., & Ambady, N. (2002). On the universality and cultural specificity of emotion recognition: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 128(2), 203–235. https://doi.org/10.1037/ 0033-2909.128.2.203 Elfenbein, H. A., & Ambady, N. (2003). When familiarity breeds accuracy: Cultural exposure and facial emotion recognition. Journal of Personality and Social Psychology, 85, 276–290. Elfenbein, H. A., Mandal, M. K., Ambady, N., Harizuka, S., & Kumar, S. (2004). Hemifacial differences in the in-group advantage in emotion recognition. Cognition and Emotion, 18, 613–629. Else-Quest, N. M., Higgins, A., Allison, C., & Morton, L. C. (2012). Gender differences in self-conscious emotional experience: A meta-analysis. Psychological Bulletin, 138, 947–982. Erickson, B. M. (2005). Scandinavian families: Plain and simple. In M. G. McGoldrick, J. Nydia, & N. Garcia-Preto (Hrsg.), Ethnicity and family therapy (3. Aufl., S. 641–654). Guilford Press. Erickson, B. M., & Simon, J. S. (1996). Scandinavian families: Plain and simple. In M. McGoldrick, J. Giordano, & J. K. Pearce (Hrsg.), Ethnicity and family therapy (S. 595–608). Guilford Press. Etcoff, N. L., & Magee, J. J. (1992). Categorical perception of facial expression. Cognition, 44, 227–240. EURES. (2010). Living and working in Norway. http://www.eures.dk/JobSeeker/Landeinfo-og- jobdatabaser/Norden/Living_and_working_in_Norway_%28engelsk%29.aspx. Zugegriffen am 05.06.2019. Fabes, R. A., & Martin, C. L. (1991). Gender and age stereotypes of emotionality. Personality and Social Psychology Bulletin, 17, 532–540. Fernandez, I., Carrera, P., Sanchez, F., Paez, D., & Candia, L. (2000). Differences between cultures in emotional verbal and non-verbal reactions. Psicothema, 12(Suppl 1), 83–92. Fischer, A. H. (1993). Sex differences in emotionality: Fact or stereotype? Feminism & Psychology, 3, 303–318. Fischer, A. H., & Manstead, A. S. R. (2000). The relation between gender and emotion in different cultures. In A. H. Fischer (Hrsg.), Gender and emotion: Social psychological perspectives (S. 71–98). Cambridge University Press. Fischer, A. H., Rodriguez Mosquera, P. M., Van Vianen, A. E., & Manstead, A. S. (2004). Gender and culture differences in emotion. Emotion, 4, 87–94. Fischer, A. H., Kret, M. E., & Broekens, J. (2018). Gender differences in emotion perception and self-reported emotional intelligence: A test of the emotion sensitivity hypothesis. PLoS One, 13(1), e0190712. Ford, B. Q., & Mauss, I. B. (2015). Culture and emotion regulation. Current Opinion in Psychology, 3, 1–5.
Literatur
337
Friedlmeier, W., Corapci, F., & Cole, P. (2011). Emotion socialization in cross-cultural perspective. Social and Personality Psychology Compass, 5, 410–427. https://doi.org/10.1111/j.17519004.2011.00362.x Friedlmeier, W., Corapci, F., & Benga, O. (2015). Early emotional development in cultural perspective. In L. Jensen (Hrsg.), Oxford handbook of human development and culture: An interdisciplinary perspective (S. 127–148). Oxford University Press. https://doi.org/10.1093/oxfor dhb/9780199948550.013.9 Friedlmeier, W., Corapci, F., Susa-Erdogan, G., Benga, O., & Kurman, J. (2019). Cultural variations of maternal emotion regulation of toddler’s emotions in a delay of gratification context. Culture and Brain, 7, 1–27. https://doi.org/10.1007/s40167-018-0076-0 Fujita, F., Diener, E., & Sandvik, E. (1991). Gender differences in negative affect and well-being: The case for emotional intensity. Journal of Personality and Social Psychology, 61, 427–434. Ganong, L. H., & Coleman, M. (1984). Sex, sex roles, and familial love. Journal of Genetic Psychology, 148, 45–52. Garrett-Peters, P. T., & Fox, N. A. (2007). Cross-cultural differences in children’s emotional reactions to a disappointing situation. International Journal of Behavioral Development, 31, 161–169. https://doi.org/10.1177/0165025407074627 Geertz, C. (1976). The religion of Java. Chicago University Press. Gelfand, M. J., Nishii, L. H., & Raver, J. L. (2006). On the nature and importance of cultural tightness-looseness. Journal of Applied Psychology, 91(6), 1225–1244. https://doi.org/10.1037/00219010.91.6.1225 Gordon, S. L. (1989). Institutional and impulsive orientations in selective appropriating emotions to self. In D. D. Franks & D. McCarthy (Hrsg.), The sociology of emotions: Original essays and research papers (S. 115–136). JAI Press. Gorvett, Z. (2017, April 10). There are 19 types of smile but only six are for happiness. BBC Future. http://www.bbc.com/future/story/20170407-why-all-smiles-are-not-the-same. Zuge griffen am 24.05.2020. Gotlib, I. H., & Meyer, J. P. (1986). Factor analysis of the multiple affect adjective check list: A separation of positive and negative affect. Journal of Personality and Social Psychology, 50, 1161–1165. Gottman, J. M., & Levenson, R. W. (2000). The timing of divorce: Predicting when a couple will divorce over a 14-year period. Journal of Marriage & the Family, 62, 737–745. Grandey, A. A., Fisk, G. M., & Steiner, D. D. (2005). Must “service with a smile” be stressful? The moderating role of personal control for American and French employees. Journal of Applied Psychology, 90(5), 893. Greeley, A. M. (1979). The American Irish: A report from great Ireland. International Journal of Comparative Sociology, 20, 67–81. Grice, H. R. (1975). Logic and conversation. In P. Cole & J. L. Morgan (Hrsg.), Syntax and semantics (Speech acts, Bd. 3, S. 41–58). Academic. Grossman, M., & Wood, W. (1993). Sex differences in intensity of emotional experience: A social role interpretation. Journal of Personality and Social Psychology, 65, 1010–1022. Gudykunst, W. B., & Kim, Y. Y. (1984). Communicating with strangers: An approach to intercultural communication. Addison-Wesley. Gudykunst, W. B., & Ting-Toomey, S. (1988). Culture and affective communication. American Behavioral Scientist, 31(3), 384–400. Hall, E. T., & Hall, M. R. (1990). Understanding cultural differences. Intercultural Press. Hallowell, R., Bowen, D. E., & Knoop, C. I. (2002). Four seasons goes to Paris. Academy of Management Executive, 16(4), 7–24. Heine, S. I. (2010). Cultural psychology. In S. T. Fiske, D. T. Gilbert, & G. Lindzey (Hrsg.), Handbook of social psychology (5. Aufl., Bd. 2, S. 1423–1464). Wiley. Henrich, J., Heine, S. J., & Norenzayan, A. (2010). The weirdest people in the world? Behavioral and Brain Sciences, 33, 61–83. Ho, D. Y. F. (1994). Cognitive socialization in Confucian cultures. In P. M. Greenfield & R. R. Cocking (Hrsg.), Cross-cultural mots of minority child development. Lawrence Erlbaum.
338
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Hochschild, A. (1979). Emotion work, feeling rules, and social structure. American Journal of Sociology, 85(3), 551–575. Hofstede, G. (1983). Dimensions of national cultures in fifty countries and three regions. In J.B. Deregowski, S. Dziurawiec, & R. C. Annis (Hrsg.), Expiscations in cross-cultural psychology (S. 335–355). Swets & Zeitlinger. Hofstede, G. (1984). Culture’s consequences: International differences in work-related values. SAGE. Originally published in 1980. Hofstede, G. (1998). Attitudes, values and organizational culture: Disentangling the concepts. Organization Studies, 19(3), 477–493. Hopcroft, R. L., & McLaughlin, J. (2012). Why is the sex gap in feelings of depression wider in high gender equity countries? The effect of children on the psychological well-being of men and women. Social Science Research, 41, 501–513. Hyde, J. S., Mezulis, A. H., & Abramson, L. Y. (2008). The ABCs of depression: Integrating affective, biological, and cognitive models to explain the emergence of the gender difference in depression. Psychological Review, 115, 291–313. Inglehart, R. (1997). Modernization and postmodernization: Cultural, economic, and political change in 43 societies. Princeton University Press. Inglehart, R., & Baker, W. E. (2000). Modernization, cultural change, and the persistence of traditional values. American Sociological Review, 65(1), 19–51. https://doi.org/10.2307/2657288 Inglehart, R., & Welzel, C. (2005). Modernization, cultural change, and democracy: The human development sequence. Cambridge University Press. Izard, C. E. (1971). The face of emotion. Appleton-Century-Crofts. Izard, C. E. (1994). Innate and universal facial expressions: Evidence from developmental and cross-cultural research. Psychological Bulletin, 115(2), 288–299. https://doi.org/10.1037/00332909.115.2.288 Izard, C. E., & Ackerman, B. P. (2000). Motivational, organizational, and regulatory functions of discrete emotions. In M. Lewis & J. M. Haviland-Jones (Hrsg.), Handbook of emotions (2. Aufl., S. 253–264). Guilford Press. Jack, R. E., Blais, C., Scheepers, C., Schyns, P. G., & Caldara, R. (2009). Cultural confusions show that facial expressions are not universal. Current Biology, 19(18), 1543–1548. Jack, R. E., Garrod, O. G., Yu, H., Caldara, R., & Schyns, P. G. (2012). Facial expressions of emotion are not culturally universal. Proceedings of the National Academy of Sciences, 109(19), 7241–7244. Jack, R. E., Sun, W., Delis, I., Garrod, O. G., & Schyns, P. G. (2016). Four not six: Revealing culturally common facial expressions of emotion. Journal of Experimental Psychology: General, 145(6), 708–730. Joshi, M. S., & MacLean, M. (1994). Indian and English children’s understanding of the distinction between real and apparent emotion. Child Development, 65, 1372–1384. https://doi. org/10.1111/j.1467-8624.1994.tb00822.x Kanaya, Y., Bradshaw, L. B., Nakamura, C., & Miyake, K. (1988). Expressive behavior of Japanese mothers in response to their 5-month-old infants’ negative and positive emotion expression (Annual report 1986–1987, 10, 55–59). Research and Clinical Center for Child Development, Faculty of Education, Hokkaido University. Kanaya, Y., Nakamura, C., & Miyake, K. (1989). Cross-cultural study of expressive behavior of mothers in response to their 5-month-old infants’ different emotion expression. Research and Clinical Center for Child Development, Annual Report, 11, 25–31. Keating, C. F. (1994). World without words: Messages from face and body. In W. J. Lonner & R. Malpass (Hrsg.), Psychology and culture (S. 175–182). Allyn & Bacon. Khazan, O. (2017, May 3). Why Americans smile so much: How immigration and cultural values affect what people do with their faces. The Atlantic. https://www.theatlantic.com/science/ archive/2017/05/why-americans-smile-so-much/524967/. Zugegriffen am 24.05.2020. Kitayama, S., & Cohen, D. (Hrsg.). (2007). Handbook of cultural psychology. Guilford Press. Kleinke, C. L. (1986). Gaze and eye contact: A research review. Psychological Bulletin, 100(1), 78–100.
Literatur
339
Klineberg, O. (1938). Emotional expression in Chinese literature. The Journal of Abnormal and Social Psychology, 33(4), 517–520. Koopmann-Holm, B., & Tsai, J. L. (2014). Focusing on the negative: Cultural differences in expressions of sympathy. Journal of Personality and Social Psychology, 107, 1092–1115. Kring, A. M., & Gordon, A. H. (1998). Sex differences in emotion: Expression, experience, and physiology. Journal of Personality and Social Psychology, 74(3), 686–703. Krys, K., Vauclair, C. M., Capaldi, C. A., Lun, V. M. C., Bond, M. H., Domínguez-Espinosa, A., et al. (2016). Be careful where you smile: Culture shapes judgments of intelligence and honesty of smiling individuals. Journal of Nonverbal Behavior, 40(2), 101–116. La France, M., & Banaji, M. (1992). Toward a reconsideration of the gender emotion relationship. In M. S. Clark (Hrsg.), Review of personality and social psychology: Emotion and social behavior (Bd. 14, S. 178–202). Sage. La France, M., & Mayo, C. (1978). Cultural aspects of nonverbal communication. International Journal of Intercultural Relations, 2(1), 71–89. La France, M., & Mayo, C. (1979). A review of nonverbal behaviors of women and men. Western Journal of Communication (includes Communication Reports), 43(2), 96–107. La France, M., Hecht, M. A., & Paluck, E. L. (2003). The contingent smile: A meta-analysis of sex differences in smiling. Psychological Bulletin, 129(2), 305–334. Le, B. M., & Impett, E. A. (2013). When holding back helps: Suppressing negative emotions during sacrifice feels authentic and is beneficial for highly interdependent people. Psychological Science, 24, 1809–1815. Lee, A. Y., Aaker, J. L., & Gardner, W. L. (2000). The pleasures and pains of distinct self-construals: The role of interdependence in regulatory focus. Journal of Personality and Social Psychology, 78, 1122–1134. Levenson, R. W., Carstensen, L. L., & Gottman, J. M. (1994). Influence of age and gender on affect, physiology, and their interrelations: A study of long-term marriages. Journal of Personality and Social Psychology, 67(1), 56–68. Lewis, M., Takai-Kawakami, K., Kawakami, K., & Sullivan, M. W. (2010). Cultural differences in emotional responses to success and failure. International Journal of Behavioral Development, 34, 53–61. https://doi.org/10.1177/0165025409348559 Lewis, R. D. (1996). When cultures collide. Managing successfully across cultures. Nicholas Brealey Publishing. Lewis, R. D. (2003). The cultural imperative: Global trends in the 21st century. Intercultural Press. Lim, T., & Choi, S. (1996). Interpersonal relationships in Korea. In W. B. Gudykunst, S. Toomey, & T. Nishida (Hrsg.), Communication in personal relationships across cultures (S. 122–136). Sage. Lim, T.-S. (2003). Language and verbal communication across cultures. In W. B. Gudykunst (Hrsg.), Handbook of international and intercultural communication (S. 53–71). Sage. Lombardo, W. K., Cretser, G. A., Lombardo, B., & Mathis, S. L. (1983). ‘Fer cryin’ out loud – There is a sex difference. Sex Roles, 9, 987–996. Lutz, C. (1987). Goals, events, and understanding in Ifaluk emotion theory. In N. Quinn & D. Holland (Hrsg.), Cultural models in language and thought (S. 290–312). Cambridge University Press. Maccoby, E. E. (1988). Gender as a social category. Developmental Psychology, 24, 755–765. Madden, T. E., Barrett, L. F., & Pietromonaco, P. R. (2000). Sex differences in anxiety and depression: Empirical evidence and methodological questions. In Gender and emotion: Social psychological perspectives (S. 277–298). Cambridge University Press. Mai, X., Ge, Y., Tao, L., Tang, H., Liu, C., & Luo, Y. J. (2011). Eyes are windows to the Chinese soul: Evidence from the detection of real and fake smiles. PLoS One, 6(5), e19903. Markus, H. R., & Kitayama, S. (1991). Culture and the self: Implications for cognition, emotion, and motivation. Psychological Review, 98, 224–253. Marsh, A. A., Elfenbein, H. A., & Ambady, N. (2003). Nonverbal “accents”: Cultural differences in facial expressions of emotion. Psychological Science, 14, 373–376. Martin, J., Rychlowska, M., Wood, A., & Niedenthal, P. (2017). Smiles as multipurpose social signals. Trends in Cognitive Sciences, 21(11), 864–877.
340
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Matsumoto, D. (1990). Cultural similarities and differences in display rules. Motivation and Emotion, 14(3), 195–214. Matsumoto, D. (1991). Cultural influences on facial expressions of emotion. Southern Communication Journal, 56, 128–137. Matsumoto, D. (1992). American-Japanese cultural differences in the recognition of universal facial expressions. Journal of Cross-Cultural Psychology, 23(1), 72–84. Matsumoto, D. (1993). Ethnic differences in affect intensity, emotion judgments, display rule attitudes, and self-reported emotional expression in an American sample. Motivation and Emotion, 17(2), 107–123. Matsumoto, D. (2006). Culture and nonverbal behavior. In V. Manusov & M. L. Patterson (Hrsg.), The SAGE handbook of nonverbal communication (S. 219–235). Sage. Matsumoto, D., & Ekman, P. (1989). American-Japanese differences in intensity ratings of facial expressions of emotion. Motivation and Emotion, 13, 143–157. Matsumoto, D., & Hwang, H. S. (2012). Culture and emotion: The integration of biological and cultural contributions. Journal of Cross-Cultural Psychology, 43(1), 91–118. Matsumoto, D., & Kupperbusch, C. (2001). Idiocentric and allocentric differences in emotional expression, experience, and the coherence between expression and experience. Asian Journal of Social Psychology, 4(2), 113–131. Matsumoto, D., Kudoh, T., Scherer, K. R., & Wallbott, H. (1988). Antecedents of and reactions to emotions in the United States and Japan. Journal of Cross-Cultural Psychology, 19(3), 267–286. Matsumoto, D., Takeuchi, S., Andayani, S., Kouznetsova, N., & Krupp, D. (1998). The contribution of individualism vs. collectivism to cross-national differences in display rules. Asian Journal of Social Psychology, 1(2), 147–165. Matsumoto, D., Kasri, R., & Kooken, K. (1999). American-Japanese cultural differences in judgments of expression intensity and subjective experience. Cognition and Emotion, 13, 201–218. Matsumoto, D., Franklin, B., Choi, J., Rogers, D., & Tatani, H. (2003). Cultural influences on the expression and perception of emotions. In W. B. Gudykunst (Hrsg.), Handbook of international and intercultural communication (S. 91–110). Sage. Matsumoto, D., Yoo, S. H., Hirayama, S., & Petrova, G. (2005). Development and validation of a measure of display rule knowledge: The display rule assessment inventory. Emotion, 5(1), 23–40. Matsumoto, D., Yoo, S.-H., Fontaine, J., Anguas-Wong, A. M., Arriola, M., Ataca, B., et al. (2008a). Mapping expressive differences around the world: The relationship between emotional display rules and individualism vs. collectivism. Journal of Cross-Cultural Psychology, 39, 55–74. Matsumoto, D., Yoo, S. H., & Nakagawa, S. (2008b). Culture, emotion regulation, and adjustment. Journal of Personality and Social Psychology, 94(6), 925–937. Matsumoto, D., Yoo, S. H., & Fontaine, J. (2009). Hypocrisy or maturity? Culture and context differentiation. European Journal of Personality, 23(3), 251–264. Mauss, I., & Butler, E. A. (2010). Cultural context moderates the relationship between emotion control values and cardiovascular challenge versus threat responses. Biological Psychology, 84, 521–530. McGoldrick, M. (1996). Irish families in America. Aisling Magazine. http://www.aislingmagazine. com/aislingmagazine/articles/TAM19/Irish%20families.html. Zugegriffen am 05.06.2019. McLean, C. P., & Anderson, E. R. (2009). Brave men and timid women? A review of the gender differences in fear and anxiety. Clinical Psychology Review, 29, 496–505. Meissner, C. A., & Brigham, J. C. (2001). Thirty years of investigating the own-race bias in memory for faces: A meta-analytic review. Psychology, Public Policy, and Law, 7(1), 3–35. https:// doi.org/10.1037/1076-8971.7.1.3 Mesquita, B., & Frijda, N. H. (1992). Cultural variations in emotions: A review. Psychological Bulletin, 112(2), 179–204. https://doi.org/10.1037/0033-2909.112.2.179 Mesquita, B., & Leu, J. (2007). The cultural psychology of emotion. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (S. 734–759). Guilford Press.
Literatur
341
Mesquita, B., Frijda, N. H., & Scherer, K. R. (1997). Culture and emotion. In P. Dasen & T. S. Saraswathi (Hrsg.), Handbook of cross-cultural psychology. Basic processes and human development (Bd. 2, S. 255–297). Allyn & Bacon. Midelfort, C. F., & Midelfort, H. C. (1982). Norwegian families. In J. Giordano (Hrsg.), Ethnicity and family therapy (S. 438–456). Guilford Press. Miyake, K., & Yamazaki, K. (1995). Self-conscious emotions: The psychology of shame, guilt, embarrassment, and pride. In J. P. Tangney & K. W. Fischer (Hrsg.), Self-conscious emotions: The psychology of shame, guilt, embarrassment, and pride (S. 488–504). Guilford Press. Mizutani, O., & Mizutani, N. (1987). How to be polite in Japanese. The Japan Times. Morsbach, H. (1976). Aspects of nonverbal communication in Japan. In L. Samovar & R. Porter (Hrsg.), Intercultural communication: A reader (2. Aufl.). Wadsworth. Morsbach, H. (1988a). Nonverbal communication and hierarchical relationships: The case of bowing in Japan. In F. Poyatos (Hrsg.), Cross-cultural perspectives in nonverbal communication (S. 189–199). Hogrefe. Morsbach, H. (1988b). The importance of silence and stillness in Japanese nonverbal communication: A cross-cultural approach. In F. Poyatos (Hrsg.), Cross-cultural perspectives in nonverbal communication (S. 201–215). Hogrefe. Murata, A., Moser, J. S., & Kitayama, S. (2013). Culture shapes electrocortical responses during emotion suppression. Social Cognitive and Affective Neuroscience, 8, 595–601. Nakamura, H. (1964). Consciousness of the individual and the universal among the Japanese. Philosophy East and West, 14(3/4), 333–351. Nakane, C. (1970). Japanese society. University of California Press. Niedenthal, P., Mermillod, M., Maringer, M., & Hess, U. (2010). The simulation of smiles (SIMS) model: Embodied simulation and the meaning of facial expression. Behavioral and Brain Sciences, 33, 417–433. Nishimura, S., Nevgi, A., & Tella, S. (2008). Communication style and cultural features in high/ low context communication cultures: A case study of Finland, Japan and India. Teoksessa A. Kallioniemi (toim.), Uudistuva ja kehittyvä ainedidaktiikka. Ainedidaktinen symposiumi, 8(2008), 783–796. Okabe, R. (1983). Cultural assumptions of East and West: Japan and the United States. In W. Gudykunst (Hrsg.), Intercultural communication theory: Current perspective (S. 21–44). Sage. Oliver, S. J., & Toner, B. B. (1990). The influence of gender role typing on the expression of depressive symptoms. Sex Roles, 22, 775–791. Pakiam, A. (2007, December 17, updated 2011, April). “Face-saving” in cross-cultural communication. The Hindu Business Line. http://www.thehindubusinessline.com/manager/2007/12/17/ stories/2007121750321100.htm. Zugegriffen am 05.06.2019. Pelto, P. J. (1968, April). The difference between “tight” and “loose” societies. Transactions, 5, 37–40. Pennebaker, J. W., Rimé, B., & Blankenship, V. E. (1996). Stereotypes of emotional expressiveness of Northerners and Southerners: A cross-cultural test of Montesquieu’s hypotheses. Journal of Personality and Social Psychology, 70(2), 372–380. Petersen, J. L., & Hyde, J. S. (2010). A meta-analytic review of research on gender differences in sexuality, 1993–2007. Psychological Bulletin, 136, 21–38. Pittam, J., Gallois, C., Iwawaki, S., & Kroonenberg, P. (1995). Australian and Japanese concepts of expressive behavior. Journal of Cross-Cultural Psychology, 26(5), 451–473. Potter, S. H. (1988). The cultural construction of emotion in rural Chinese social life. Ethos, 16(2), 181–208. Ramsey, S. J. (1979). Nonverbal behavior: An intercultural perspective. In M. K. Asante, E. Newmark, & C. A. Blake (Hrsg.), Handbook of intercultural communication (S. 71–89). Sage. Raval, V. V., Martini, T. S., & Raval, P. H. (2007). Would others think it is okay to express my feelings?’ Regulation of anger, sadness and physical pain in Gujarati children in India. Social Development, 16, 79–105. https://doi.org/10.1111/j.1467-9507.2007.00373.x Rodnick, D. (1955). The Norwegians: A study in national culture. Public Affairs Press. Rozin, P., Lowery, L., Imada, S., & Haidt, J. (1999). The CAD triad hypothesis: A mapping between three moral emotions (contempt, anger, disgust) and three moral codes (community, autonomy, divinity). Journal of Personality and Social Psychology, 75(4), 574–585.
342
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Russell, J. A. (1980). A circumplex model of affect. Journal of Personality and Social Psychology, 39(6), 1161–1178. https://doi.org/10.1037/h0077714 Russell, J. A. (1994). Is there universal recognition of emotion from facial expression? A review of the cross-cultural studies. Psychological Bulletin, 115(1), 102–141. https://doi.org/10.1037/ 0033-2909.115.1.102 Russell, J. A., & Carroll, J. M. (1999). On the bipolarity of positive and negative affect. Psychological Bulletin, 125, 3–30. Rychlowska, M., Miyamoto, Y., Matsumoto, D., Hess, U., Gilboa-Schechtman, E., Kamble, S., et al. (2015). Heterogeneity of long-history migration explains cultural differences in reports of emotional expressivity and the functions of smiles. Proceedings of the National Academy of Sciences, 112, 2429–2436. Saarni, C. (1999). The development of emotional competence. Guilford Press. Safdar, S., Friedlmeier, W., Matsumoto, D., Yoo, S. H., Kwantes, C. T., Kakai, H., & Shigemasu, E. (2009). Variations of emotional display rules within and across cultures: A comparison between Canada, USA, and Japan. Canadian Journal of Behavioural Science/Revue canadienne des sciences du comportement, 41(1), 1–10. https://doi.org/10.1037/a0014387 Sansom, B. (1980). The camp at Wallaby cross: Aboriginal fringe dwellers in Darwin. Australian Institute of Aboriginal Studies. Sauter, D. A., Eisner, F., Ekman, P., & Scott, S. K. (2010). Cross-cultural recognition of basic emotions through nonverbal emotional vocalizations. Proceedings of the National Academy of Sciences, 107(6), 2408–2412. Scherer, K. R., & Wallbott, H. G. (1994). Evidence for universality and cultural variation of differential emotion response patterning. Journal of Personality and Social Psychology, 66(2), 310–328. Scherer, K. R., Wallbott, H. G., & Summerfield, A. B. (Hrsg.). (1986). European monographs in social psychology. Experiencing emotion: A cross-cultural study. Cambridge University Press/ Editions de la Maison des Sciences de l’Homme. Schieffelin, E. L. (1983). Anger and shame in the tropical forest: On affect as a cultural system in Papua New Guinea. Ethos, 11(3), 181–191. Schimmack, U. (1996). Cultural influences on the recognition of emotion by facial expressions: Individualistic or Caucasian cultures? Journal of Cross-Cultural Psychology, 27, 37–50. Schmitt, D. P. (2015). The evolution of culturally-variable sex differences: Men and women are not always different, but when they are…it appears not to result from patriarchy or sex role socialization. In V. A. Weekes-Shackelford & T. K. Shackelford (Hrsg.), The evolution of sexuality (S. 221–256). Springer. Schneider, D. J. (1981). Tactical self-presentations: Toward a broader conception. In J. T. Tedeschi (Hrsg.), Impression management theory and social psychological research (S. 23–40). Academic. Seidlitz, L., & Diener, E. (1998). Sex differences in the recall of affective experiences. Journal of Personality and Social Psychology, 74, 262–276. Shields, S. A. (1991). Gender in the psychology of emotion: A selective review. In K. T. Strongman (Hrsg.), International review of studies on emotion (S. 227–247). Wiley. Shields, S. A. (2002). Speaking from the heart: Gender and the social meaning of emotion. Cambridge University Press. Shields, S. A., & Dicicco, E. C. (2011). The social psychology of sex and gender: From gender differences to doing gender. Psychology of Women Quarterly, 35(3), 491–499. Shimoda, K., Argyle, M., & Ricci Bitti, P. (1978). The intercultural recognition of emotional expressions by three national racial groups: English, Italian, and Japanese. European Journal of Social Psychology, 8, 169–179. Shweder, R. A. (1993). The cultural psychology of emotions. In M. Lewis & J. Hovland (Hrsg.), Handbook of emotions (S. 417–437). Guilford Press. Simon, R. W., & Nath, L. E. (2004). Gender and emotion in the United States: Do men and women differ in self-reports of feelings and expressive behavior? American Journal of Sociology, 109(5), 1137–1176.
Literatur
343
Small, A., Gessner, T., & Ferguson, T. (1984). Sex role and dysphoric mood. Sex Roles, 11, 627–638. Sommers, S. (1984a). Reported emotions and conventions of emotionality among college students. Journal of Personality and Social Psychology, 46(1), 207–215. Sommers, S. (1984b). Adults evaluating their emotions: A cross-cultural perspective. In C. Z. Malatesta & C. Izard (Hrsg.), Emotions in adult development (S. 319–338). Sage. Soto, J. A., Levenson, R. W., & Ebling, R. (2005). Cultures of moderation and expression: Emotional experience, behavior, and physiology in Chinese Americans and Mexican Americans. Emotion, 5(2), 154–165. Soto, J. A., Perez, C. R., Kim, Y. H., Lee, E. A., & Minnick, M. R. (2011). Is expressive suppression always associated with poorer psychological functioning? A cross-cultural comparison between European Americans and Hong Kong Chinese. Emotion, 11(6), 1450–1455. Sprecher, S., & Sedikides, C. (1993). Gender differences in perceptions of emotionality: The case of close heterosexual relationships. Sex Roles, 28, 511–530. Stapley, J. C., & Haviland, J. M. (1989). Beyond depression: Gender differences in normal adolescents’ emotional experiences. Sex Roles, 20, 295–308. Stephan, C. W., Stephan, W. G., Saito, I., & Barnett, S. M. (1998). Emotional expression in Japan and the United States: The nonmonolithic nature of individualism and collectivism. Journal of Cross-Cultural Psychology, 29(6), 728–748. Stephan, W. G., White, C., & Cabezas, M. (1996). Emotional expression in Costa Rica and the United States. Journal of Cross-Cultural Psychology, 27, 147–160. Su, J. C., Wei, M., & Tsai, H. T. (2014). Running away from unwanted feelings: Culture matters. Cognition and Emotion, 28(7), 1313–1327. Suleiman, Y. (1973). The Arabs and the west: Communication gap. In M. Prosser (Hrsg.), Intercommunication among nations and peoples. Harper & Row. Super, C. M., & Harkness, S. (2010). Culture and infancy. In G. Bremner & T. D. Wachs (Hrsg.), Blackwell handbook of infant development (2. Aufl., Bd. 1). Blackwell. https://doi. org/10.1002/9781444327564.ch21 Tamres, L. K., Janicki, D., & Helgeson, V. S. (2002). Sex differences in coping behavior: A meta- analytic review and an examination of relative coping. Personality and Social Psychology Review, 6, 2–30. Tannen, D. (1981). New York Jewish conversational style. International Journal of the Sociology of Language, 30, 133–149. Tella, S. (2005). Multi-, inter- and transdisciplinary affordances in foreign language education: From singularity to multiplicity. In J. Smeds, K. Sarmavuori, E. Laakkonen, & R. de Cillia (Hrsg.), Multicultural communities, multilingual practice: Monikulttuuriset yhteisöt, monikielinen käytäntö (S. 67–88). Annales Universitatis Turkuensis B 285. Terracciano, A., & McMcrae, R. R. (2007). Perceptions of Americans and the Iraq invasion: Implications for understanding national character stereotypes. Journal of Cross-Cultural Psychology, 38, 695–710. Thompson, R. A., & Meyer, S. (2007). Socialization of emotion regulation in the family. In J. J. Gross (Hrsg.), Handbook of emotional regulation (S. 249–268). Guilford Press. Timmers, M., Fischer, A. H., & Manstead, A. S. R. (2003). Ability versus vulnerability: Beliefs about men’s and women’s emotional behavior. Cognition and Emotion, 17, 41–63. Triandis, H. C. (1994). Culture and social behaviour. McGraw-Hill. Triandis, H. C., & Suh, E. M. (2002). Cultural influences on personality. Annual Review of Psychology, 53, 133–160. Tsai, J. L., & Chentsova-Dutton, U. (2003). Variation among European Americans in emotional facial expression. Journal of Cross-Cultural Psychology, 34(6), 650–657. Tsai, J. L., & Clobert, M. (2019). Cultural influences on emotion: Empirical patterns and emerging trends. In S. Kitayama & D. Cohen (Hrsg.), Handbook of cultural psychology (2. Aufl., S. 292–318). Guilford Press. Tsai, J. L., & Levenson, R. W. (1997). Cultural influences on emotional responding: Chinese American and European American dating couples during interpersonal conflict. Journal of Cross-Cultural Psychology, 28(5), 600–625.
344
6 Kulturelle Modelle auf der Grundlage des Ausdrucks von Emotionen
Tsai, J. L., Chentsova-Dutton, Y., Freire-Bebeau, L., & Przymus, D. E. (2002). Emotional expression and physiology in European Americans and Hmong Americans. Emotion, 2(4), 380–397. Tsai, J. L., Levenson, R. W., & McCoy, K. (2006). Cultural and temperamental variation in emotional response. Emotion, 6(3), 484–497. Tsai, J. L., Koopmann-Holm, B., Miyazaki, M., & Ochs, C. (2013). The religious shaping of feeling: Implications of affect valuation theory. In R. F. Paloutzian & C. L. Park (Hrsg.), Handbook of the psychology of religion and spirituality (2. Aufl., S. 274–291). Guilford Press. Van de Velde, S., Bracke, P., & Levecque, K. (2010). Gender differences in depression in 23 European countries. Cross-national variation in the gender gap in depression. Social Science & Medicine, 71, 305–313. Van Hemert, D. A., Poortinga, Y. H., & van de Vijver, F. J. (2007). Emotion and culture: A meta- analysis. Cognition and Emotion, 21(5), 913–943. Wagner, H. L., & Smith, J. (1991). Facial expression in the presence of friends and strangers. Journal of Nonverbal Behavior, 15, 201–214. Wallbott, H. G., Ricci-Bitti, P., & Banninger-Huber, E. (1986). Non-verbal reactions to emotional experiences. In K. R. Scherer, H. G. Wallbott, & A. B. Summerfield (Hrsg.), Experiencing emotion: A cross-cultural study (S. 98–116). Cambridge University Press. Wang, K., Hoosain, R., Lee, T. M., Meng, Y., Fu, J., & Yang, R. (2006). Perception of six basic emotional facial expressions by the Chinese. Journal of Cross-Cultural Psychology, 37(6), 623–629. Watson, D., & Clark, L. A. (1992). On traits and temperament: General and specific factors of emotional experience and their relation to the five factor model. Journal of Personality, 60, 441–476. Wei, M., Su, J. C., Carrera, S., Lin, S.-P., & Yi, F. (2013). Suppression and interpersonal harmony: A cross-cultural comparison between Chinese and European Americans. Journal of Counseling Psychology, 60, 625–633. Wierzbicka, A. (1991). Cross-cultural pragmatics: The semantics of human interaction. Mouton de Gruyter. Wu, D. Y., & Tseng, W. S. (1985). Introduction: The characteristics of Chinese culture. In Chinese culture and mental health (S. 3–13). Academic. Yoshikawa, M. (1978). Some Japanese and American cultural characteristics. In M. Prosser (Hrsg.), The cultural dialogue (S. 220–251). Houghton Mifflin. Yuki, M., Maddux, W. W., & Masuda, T. (2007). Are the windows to the soul the same in the East and West? Cultural differences in using the eyes and mouth as cues to recognize emotions in Japan and the United States. Journal of Experimental Social Psychology, 43(2), 303–311. Zaharna, R. S. (1995). Understanding cultural preferences of Arab communication patterns. Public Relations Review, 21(3), 241–255. Zahn-Waxler, C., Cole, P. M., & Barrett, K. C. (1991). Guilt and empathy: Sex differences and implications for the development of depression. In J. Garber & K. A. Dodge (Hrsg.), The development of emotion regulation and dysregulation (S. 243–272). Cambridge University Press. Zahn-Waxler, C., Friedman, R. J., Cole, P. M., Mizuta, I., & Hiruma, N. (1996). Japanese and United States preschool children’s responses to conflict and distress. Child Development, 67, 2462–2477. https://doi.org/10.1111/j.1467-8624.1996.tb01868.x Zaidman, N. (2001). Cultural codes and language strategies in business communication: Interactions between Israeli and Indian businesspeople. Management Communication Quarterly, 14(3), 408–441. Zeman, J., & Garber, J. (1996). Display rules for anger, sadness, and pain: It depends on who is watching. Child Development, 67(3), 957–973.
Schlussfolgerung
Das Buch hat den Kulturbegriff in einer breiten Perspektive dargestellt – in der Vielfalt der Arten von Kulturen und in der breiten Palette ihrer kulturellen und sozialen Rahmenbedingungen. Es hat gezeigt, dass Forscher neben globalen, nationalen und ethnischen Kulturen häufiger auch regionale, sozioökonomische, religiöse und gemischtkulturelle Gruppen berücksichtigen sollten. Die Überschneidung und Mischung dieser Kulturtypen und -dimensionen führt zu einem besseren Verständnis der kulturübergreifenden Vielfalt. Eine solche breitere Perspektive wird den Umfang und die Details der kulturübergreifenden Emotionsforschung bereichern. So haben beispielsweise viele der in diesem Buch vorgestellten Studien erkannt, dass Individualismus-Kollektivismus ein vielschichtigeres Konstrukt ist, als die frühe Forschung zugab. Insbesondere eine individualistische Gesellschaft wie die Vereinigten Staaten ist nicht homogen individualistisch, wenn man die Kulturen des sozioökonomischen Status und die ethnischen und religiösen Kulturen berücksichtigt. Der Individualismus als allgemeines kulturelles Ideal der US-amerikanischen Gesellschaft ist in den Köpfen, den sozialen Erwartungen und den Verhaltensweisen vieler Menschen offensichtlich. Individualismus als Realität sozialer Beziehungen ist in der Praxis und im Verhalten einiger gesellschaftlicher Kreise der modernen US-amerikanischen Bevölkerung vorhanden, in anderen jedoch nicht. Eine Verallgemeinerung wäre eine Vereinfachung des gesellschaftlichen Lebens. Andererseits ist der Kollektivismus in der kollektivistischen Gesellschaft nicht allmächtig und kann in einer Art von Beziehung vorhanden sein, in anderen jedoch nicht. So können Individuen in ihren zwischenmenschlichen Beziehungen zu Mitgliedern ihrer Gruppe kollektivistisch, in ihren Beziehungen zu Individuen außerhalb ihrer Gruppe jedoch individualistisch sein. Beispiele aus der indischen Kultur, die in diesem Buch vorgestellt werden, veranschaulichen dies. Die in diesem Buch vorgestellten Studien der letzten Jahrzehnte haben gezeigt, dass Individualismus und Kollektivismus nach wie vor brauchbare Dimensionen für die kulturelle Erklärung vieler emotionaler Phänomene sind, insbesondere im Hinblick auf die mit ihnen verbundenen unabhängigen und interdependenten © Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 V. Karandashev, Kulturelle Emotions-Modelle, https://doi.org/10.1007/978-3-031-39963-3
345
346
Schlussfolgerung
Selbstkonstruktionen. Allerdings sind diese Dimensionen vielschichtig und eng mit anderen kulturellen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen verwoben. Daher wird ihr komplexes und typologisches Verständnis für die Erforschung kultureller Modelle von Emotionen nützlich sein. Auch die zeitliche Perspektive der Kulturen ist wichtig, obwohl sie in der kultur übergreifenden Emotionsforschung manchmal vernachlässigt wird. Kulturen sind im Fluss und ihre kulturellen Dimensionen und Werte verändern und entwickeln sich im Laufe der Zeit. Die in diesem Buch vorgestellten Beispiele der Vereinigten Staaten, Japans und Chinas zeigen die dynamische Natur von Individualismus und Kollektivismus. Die alte Annahme, die Vereinigten Staaten seien eine individualistische und Japan eine kollektivistische Kultur, wird den modernen Veränderungen, die in diesen Gesellschaften stattgefunden haben, möglicherweise nicht ganz gerecht. Eine aktualisierte Messung dieser Rahmenbedingungen unter Berücksichtigung ihres modernen, vielschichtigen Verständnisses ist wichtig. Die Messung individueller Variablen im Zusammenhang mit Individualismus und Kollektivismus ist ebenfalls wichtig, da nicht alle Menschen die kulturellen Normen ihrer Gesellschaft akzeptieren. In dem Buch werden umfangreiche Forschungsarbeiten darüber vorgestellt, wie Individualismus-Kollektivismus, Machtdistanz, Unsicherheitsvermeidung, Gleichheit der Geschlechterrollen bzw. Ungleichheit der Geschlechterrollen (kulturelle Weiblichkeit-Maskulinität) und Kontextdifferenzierung als kulturelle Dimensionen mit bestimmten Mustern des emotionalen Erlebens und Ausdrucks verbunden sind. In den Kap. 1 und 2 wurde vorgeschlagen, den Geltungsbereich der kulturellen Dimensionen auf Unmittelbarkeit, zeitliche Muster der Kulturen, kulturelle Werte des Überlebens und der Selbstdarstellung, relationale Mobilität und kulturelle Werte in der kulturübergreifenden Erforschung von Emotionen zu erweitern. Alle Arten von Kulturen, alle kulturellen oder sozialen Rahmenbedingungen, d. h. die in den Kap. 1 und 2 dargestellten kulturellen und sozialen Parameter oder deren Kombination können Ziel einer vielfältigen kulturellen Erforschung von Emotionen sein. Forscher können in ihren Konstruktionen kultureller Modelle von Emotionen über individualistisch-kollektivistische und westlich-östliche Dichotomien hinausgehen. Die möglichen Typen solcher Modelle werden in Kap. 3 für zukünftige Forscher kurz skizziert, ebenso wie die Methodik, die dabei eingesetzt werden kann. Mehrere in diesem Buch vorgestellte Studien haben gezeigt, dass die grundlegenden emotionalen Prozesse, einschließlich der Physiologie der emotionalen Reaktion, in allen Kulturen recht ähnlich sind. Dennoch unterscheiden sich die kulturellen Vorstellungen von Emotionen und emotionaler Komplexität von Kultur zu Kultur erheblich. Die kulturspezifischen Bedeutungen von Emotionen, die sozialen Normen, die Bewertung von Situationen, das subjektive Erleben von emotionalen Qualitäten und emotionaler Erregung sowie der Ausdruck von Emotionen variieren von Kultur zu Kultur. Die Studien zu all diesen Aspekten des Gefühlslebens, die in den letzten Jahrzehnten durchgeführt wurden, werden in den Kap. 4, 5 und 6 ausführlich behandelt. Das Konzept des kulturellen Modells hat in letzter Zeit die Aufmerksamkeit vieler Wissenschaftler aus den Bereichen Anthropologie, Soziologie, Psychologie und Kommunikationswissenschaften auf sich gezogen. Kulturelle Modelle werden als
Schlussfolgerung
347
kognitive Schemata betrachtet, die Wissen in systemischen, relativ einfachen oder komplexen Einheiten organisieren, die von den Mitgliedern einer Gesellschaft geteilt werden. Sie enthalten intellektuelles und pragmatisches Wissen darüber, wie Menschen denken, fühlen und sich verhalten sollten oder tatsächlich verhalten. Kulturelle Modelle gibt es sowohl auf kultureller als auch auf individueller Ebene. Sie können ein ideales Modell dessen darstellen, wie die Menschen in einer Kultur diese verstehen, oder das typische Modell der realen Verhaltens-, Denk- und Gefühlsmuster. Ein kulturelles Modell vermittelt den Menschen einen Rahmen, der die Erwartungen an eine Gesellschaft widerspiegelt. Die Typologie der kulturellen Modelle von Emotionen und die Methoden zu ihrer Erforschung wurden in Kap. 3 dargelegt. Es sind verschiedene kategoriale, dimensionale oder strukturelle Modelle von Emotionen möglich. Ihre Konstruktion hängt von den methodologischen Präferenzen der Forscher ab. In Kap. 3 wurden die verfügbaren Optionen kurz vorgestellt. Auf der Grundlage zahlreicher kulturübergreifender Studien über Emotionen, die in diesem Buch besprochen werden, wurden mehrere kulturelle Modelle von Emotionen entwickelt. Was den Ort der Emotionen betrifft, so neigen viele Kulturen dazu, diese als intrapersonale, andere als interpersonale Prozesse zu interpretieren. Davon abweichend gibt es zwei weitere Modelle: objektivierte und interaktive Modelle von Emotionen. Kulturelle Modelle von Emotionen unterscheiden sich auch in Bezug auf den Wert, den Kulturen dem Erleben positiver und negativer Emotionen beimessen, und die Intensität des emotionalen Erlebens. Am drastischsten sind die Unterschiede zwischen den Modellen des leidenschaftlichen und des leidenschaftslosen Lebens. Es ist erwähnenswert, dass diese polaren Unterschiede typischerweise zwischen westlichen und östlichen Kulturen zu finden sind. Eine solche Verallgemeinerung ist jedoch wahrscheinlich nicht ganz angemessen, da in vielen Studien die Vereinigten Staaten gewöhnlich als repräsentativ für westliche Kulturen angesehen werden, während Japan oder China als repräsentativ für östliche Kulturen gelten. Einige Studien haben gezeigt, dass sich viele europäische Kulturen stark von den US- amerikanischen unterscheiden. Auch die östlichen Kulturen sind sehr vielfältig. Daher sollte die weitere Forschung über diese westlich-östliche Dichotomie hinausgehen und sich eingehender mit kultureller Vielfalt befassen. In Bezug auf die Art und Weise, wie Kulturen erwarten, dass Menschen ihre Emotionen ausdrücken, konnten durch die Analyse diverser Studien mehrere kulturelle Modelle von Emotionen ermittelt werden. Expressive und nicht-expressive Modelle sind die auffälligsten. Stereotyp wird zwischen dem westlichen und dem östlichen expressiven bzw. nicht-expressiven Modell unterschieden. Diese Einteilung kann jedoch nicht als adäquat angesehen werden – es gibt mehrere nordeuropäische Kulturen, die geografisch gesehen westlich sind, in denen jedoch kulturelle Normen der Zurückhaltung herrschen. Eine weitere Unterscheidung ist die zwischen den kulturellen Modellen des direkten Ausdrucks, der in den westlichen Kulturen vorherrscht, und des nicht direkten Ausdrucks von Emotionen, der in den östlichen Kulturen vorherrscht. Studien zeigen auch, dass es neben dem Gesichtsausdruck verschiedene kulturspezifische Möglichkeiten gibt, Gefühle auszudrücken.
348
Schlussfolgerung
Insgesamt glaube ich, dass dieses Buch künftige Emotionsforscher dazu anregen kann, die Auswirkungen vieler anderer kultureller Rahmenbedingungen von Gesellschaften auf das Erleben und den Ausdruck von Emotionen zu untersuchen. Neben den bereits ausgiebig untersuchten Parametern wie Individualismus-Kollektivismus, von Machtdistanz und anderen lohnt es sich zu erforschen, wie kulturelle Dimensionen wie Unmittelbarkeit, Zeitdimensionen von Gesellschaften, relationale Mobilität und andere das Gefühlsleben der Menschen beeinflussen. Ich ermutige die Forscher auch, über die traditionelle Dichotomie von westlichen (vermeintlich individualistischen) und östlichen (vermeintlich kollektivistischen) Kulturen hinauszugehen und die kulturelle Vielfalt aller Gesellschaften auf dieser Welt zu erkunden. Persönlich hatte ich die Absicht, in diesem Buch alle Varianten kultureller Modelle von Emotionen umfassend darzustellen. Dies erwies sich jedoch unmöglich aufgrund der enormen Anzahl von Studien, die in den letzten Jahrzehnten zu Emotionen in kultureller und kulturübergreifender Perspektive durchgeführt und veröffentlicht worden sind. Obwohl die in diesem Buch behandelte Liste der Quellen und Verweise sehr umfangreich ist, konnte ich viele andere Veröffentlichungen, die im Zusammenhang mit meinem Thema ebenfalls von Interesse gewesen wären, nicht vorstellen. Zeit- und Buchkapazitätsbeschränkungen haben es mir nicht erlaubt, dieses ehrgeizige Ziel zu erreichen. Eine weitere Herausforderung war die Sichtung einer überwältigenden Menge an Wissen und Forschungsergebnissen, die in verschiedenen Disziplinen, die sich mit Emotionen befassen, aus unterschiedlichen theoretischen Perspektiven und mittels verschiedener methodischer Ansätze zusammengetragen worden sind. Viele verfolgten einen eigenen konzeptionellen Rahmen und Ziele, die manchmal nichts miteinander zu tun hatten. Sie konzentrierten sich auf spezifische Forschungsaufgaben und gingen ihre eigenen Wege. Mein Ziel war es, all diese Erkenntnisse in strukturierten, konsistenten und möglichst umfassenden Darstellungen kultureller Modelle von Emotionen zusammenzufassen. Das war wie der Versuch eine Herde von Katzen hüten – manchmal klappte es, manchmal auch nicht. Oft hat es funktioniert, etwa konnte ich in den Kap. 4, 5 und 6 mehrere kulturelle Modelle von Emotionen beschreiben. beschreiben. Sie sind relativ gut strukturiert und konsistent. Dennoch sind diese kulturellen Modelle von Emotionen immer noch weit davon entfernt, wirklich umfassend und vollständig zu sein. Als ich den Text fertiggestellt hatte, wurde mir klar, dass das Buch wie ein Art Lego-Baukasten für künftige Forscher ist. Einige Gebäude und Straßenzüge wurden bereits gebaut. Was den Rest der Stadt betrifft, stellen die Kap. 1, 2, 4, 5 und 6 viele Bausteine zur Verfügung, die für den Weiterbau geeignet sind. Die Bauanleitung ist ebenfalls enthalten (Kap. 3). Jetzt ist es daher an der Zeit, diese Arbeit fortzusetzen.
Stichwortverzeichnis
A Acquiescence Bias 141 Affekt idealer 20 negativer 123 positiver 123, 184 tatsächlicher 117 vermiedener 20 Affektbewertungsindex (AVI) 117 Affektivität negative 258 positive 258 Akkulturation 37, 133, 134, 188, 263 Akkulturation von Emotionen 188 Einwanderer 189 Konzept 188 positives Ergebnis 189 Ambiguitätstoleranz 77 Ambivalenz, emotionale 77, 249, 255 Amerikanische Auffassung von Emotionen 178 Amerikanisches Modell 247 Analyse interkulturelle 237 Angebot, emotionales 182 Angenehmes–Unangenehmes 123 Ängste 22, 78, 332 Anpassungs- und Kontrollüberzeugung 15 Ansatz der kulturellen Dimension 112 der indigenen Psychologie 110 emischer 108 ethischer 107 komponentendynamischer 175 kategorialer 118
monistische 208 prototypischer methodischer 125 Anthropologie 2, 102, 107, 108, 130, 145, 146 Antwortstil 140 Antwortstilverzerrung 140 extreme 142 Äquivalenz der Messeinheiten 127 metrische 127 skalare 128 Äquivalenz konstruieren Kern- und periphere Komponenten 129 kulturelle Sensibilität 130 nichtwestliche Messinstrumente 158 Assoziation von Körperempfindung interkulturelle Unterschiede 220 kulturelle Fähigkeit 221 kulturelle Muster 209 Attribution, selbstsichernde 230 Ausdruck kommunikativer 176 Ausdruck, direkter und indirekter 328 Blickkontakt 330 Ehrensystem 329 indirekte und mehrdeutige Verbalisierung 330 kontextreiche Kommunikation 330 kulturelle Unterschiede 328 kultureller Stil 328 Ausdrucksregeln 197, 233, 290 Ausdrucksstil amerikanischer 305 deutscher 308 französischer 307 indischer 303
© Der/die Herausgeber bzw. der/die Autor(en), exklusiv lizenziert an Springer Nature Switzerland AG 2023 V. Karandashev, Kulturelle Emotions-Modelle, https://doi.org/10.1007/978-3-031-39963-3
349
Stichwortverzeichnis
350 Ausdrucksstil (Fortsetzung) irischer 309 japanischer 302 skandinavischer 309 Ausrichtung institutionelle 305 Ausrichtungsmethode 307 Auswahl zufällige 135 Auswirkung 84 negativer Emotionen 259 tatsächliche 259 Autonomie 34, 36, 43, 87, 243, 310 affektive 87 intellektuelle 86 psychologische 106 B Basisemotion 118, 120 Bayessche Strukturgleichungsmodellierung (BSEM) 138 Beachtung des Kontextes 58 Bedeutung soziale 175 von Emotionen 346 Bedeutung, kulturelle von Emotionen 177 von Glück 139 von Wut 306 Bedingung ethnische 113 geografische 113 Beherrschung 87 Bestandteil 1, 17, 242 Bewertung 114, 116, 185 kulturübergreifend gemeinsame 224 selbstbezogene 143 Bewertungsmuster 209, 224 kulturelles 224 Bewusstsein zweiter Ordnung 216 Bewusstseinsfindung 216 Beziehungsmobilität 82 Bikulturalität 13 Blickkontakt 330 C Chicanos 8 Chinesische Auffassung von Emotionen 178 Cirkumplexes Emotionsmodell 123 Cirkumplexmodell 123 Clusteranalyse 127, 129, 154, 155
Clustering unscharfes 125 D Darstellungsregel, kulturelle 290 Dimensionen 293 expressive Modi 290 Gefühle 290 gesellschaftliche Normen 290 interkultureller Vergleich 290 Jugend 290 Kindheit 290 positive und negative Emotionen 292 soziale Rolle 290 zwischenmenschliche Beziehungen 292 Definitionen von Kultur 1 Herausforderung 12 Konzept 1 Typen 2 Depression 47, 210, 212, 265, 266, 314, 317 Dialektik, emotionale 199 Die Universalität von Emotionen 319, 320 Differential, semantisches 124 Differenzierung, emotionale 199 Dimension der Freude und des Missvergnügens 124 mystische der Religion 19 Dimension, kulturelle der Gesellschaft 231 von Religion 18 Dimensionen der Bewertung 126, 223 Durchmischung, multikulturelle 12 E Egalitarismus 87, 294 Ehre emotionale Erfahrung 249 Gesellschaften 250 kollektive 249 kulturelles Phänomen 249, 297 männliche 250 persönliche 249 Vereinigte Staaten 251 weibliche 250 Ehrensystem 329 Ehrerbietung 87, 329 Einflussnahme 229 Einstellung 228, 229, 260, 261, 263 Einwanderer 189 Emotion Facetten 40 kollektivistische Kulturen 40
Stichwortverzeichnis männlich geprägte Kulturen 49 Trugschluss der Übergeneralisierung 59 unabhängige versus das interdependente Modell ostasiatisch 42 Selbst-Konstruktion 42 Selbst und emotionale Erfahrung 50 unabhängige versus das interdependente Modell_US-Amerikaner 44 Unmittelbarkeit 51–53, 55 weibliche Kulturen 49 Emotion affektive 173 als biopsychosoziale Prozesse 175 Ambiguitätstoleranz 77 Amerikanischer Ausdrucksstil 305 Ausdruck vs. Unterdrückung 23 Beachtung des Kontextes 58 Beziehungen 83 biologische 221 chinesische Auffassung 178 deutscher Ausdrucksstil 308 Eigen- und Fremdgruppe 287 Einfluss 21 emotionales Erlebnis 218 Enge–Lockerheit 236 Enkulturation 288 französischer Ausdrucksstil 307 freisetzen 313 funktionale Relativität 58 Gefühl 48 Geschlechterdifferenzierung 198 gesellschaftspolitische 286 grundlegende 118, 318, 331 Händeschütteln 332 homogene und heterogene Gesellschaften 304 indische Auffassung 179 indischer Ausdrucksstil 303 Individualismus 41 interne, kurzlebige und erregende biopsychosoziale Reaktionen 173 irischer Ausdrucksstil 309 japanischer Ausdrucksstil 302 Kaluli-Stil 241 Klassifizierung 174 Kommunikation 60, 109 kontaktreiche und kontaktarme Kulturen 111 kontextarme Kultur 59 kontextreiche Kultur 58 kulturelle 221 Männlichkeit-Weiblichkeit 297 Unterschiede 16
351 Werte 346 Kulturen mit hoher Machtdistanz 46 Lebensrhythmus 68 Machtdistanz 48 mehrere Dimensionen von Kultur 31 mit niedriger Erregung, positive 265 Modernisierung der Gesellschaft 80 Modernisierungstheorie 80 moralische 174 multikulturelle Transformation 81 Nachrichten im Kontext 60 negative 187, 196, 236, 266, 267, 287 nonverbaler und verbaler Ausdruck 281 normative 182 ökologische 286 positive 187 prosoziale 174 psychologischer Universalismus 176 relationale Mobilität 83 Schweigen 61 Selbst und Ausdruck 21 selbstbewusste 174 Modelle des Mitgefühls 226 Scham und Schuld 244 selbstreflexive 197 skandinavischer Ausdrucksstil 309 soziale 220 starke 295, 312 psychologische Faktoren 286 Tempo der Kommunikation 75 unabhängige versus das interdependente Modell 42 Vielfalt 1 Unmittelbarkeit 346 Unsicherheitsvermeidung 284 Variation 4 Allozentrismus 40 egalitärer Individualismus 41 Idiozentrismus 40 Land 40 Vielfalt 38 Wettbewerbsindividualismus 41 Verbeugung 333 Vermeidung von Ungewissheit 283 Vielfalt 1 wirtschaftliche 286 Wohlbefinden 47 Zeitorientierung 72, 73 zwischenmenschliche Distanz 55 Emotionologie 196 Emotionskomponente 126 Emotionslexikon 120–122, 126, 194–196, 213, 214, 264 Emotionsregulation 194, 299
352 Engagement egalitäres 41, 86 loyales 86 soziales 181, 239 utilitaristisches 86 zwischenmenschliches 238 Enge 236 Entwicklung kulturelle 3 psychologische 286 sozioökonomische Emotionen 17 Erfahrung kontextbezogene 214 subjektive 124 von Wut 180 Erfahrung, emotionale 207 Erwünschtheit 21 europäische Kulturen 347 dimensionale Struktur 124 Dimensionalität 238 Erfolg und Misserfolg 230 Frequenz 219 Gesellschaft 112, 267 gesellschaftliche Machtdistanz 267 Individualismus versus Kollektivismus 266 individuelle Handlungsfähigkeit 228 individuell und kulturell bedingte Bewertung 222 interkulturelle Forschung 153 interkulturelle Gemeinsamkeiten 153 intrapersonelles Modell 213 China und polynesische Kulturen 214 Kulturen der Vereinigten Staaten und Westeuropas 213 Körperlexikon 211 kulturell idealer Affekt 265 kulturelle Modelle 290 kultureller Stil 328 kultureller Wert der Ehre 250 Leben der Menschen 261 leidenschaftslose Ideale 261, 262 Modelle des Selbst 297 objektiviertes Modell 120 persönliche Kontrolle 247 Physiologie 217 physiologische Erfahrungen 218 physischer Raum 123 positive und negative Emotionen Auswirkungen negativer Emotionen 193 europäisch-amerikanisches Modell 246 Kindheit 258
Stichwortverzeichnis mexikanisch versus japanisch 45 niedrige und hohe emotionale Erregung 260 ostasiatisches Modell 255 westliche und östliche Kulturen 81 Wirkung positiver Emotionen 231 positive und negative Gefühlszustände 210 Qualität 114 Quellen 207 Selbst-Konstruktion 42 sozialer Kontext 158 unabhängige und voneinander abhängige Modelle 297 Wohnbefinden 265 Erfahrungsstichprobe 238 Erleben von Emotion, individuelles 223 Erregungsdimension 212 Explorative Strukturgleichungsmodellierung (ESEM) 138 Expressivitätsnorm 293 Extreme Response Bias 142 Eye-Tracking-Technologie 318 F Fähigkeit menschliche 190 Faktor biologischer vs. kultureller 3 psychologischer 286 sozio-psychologischer 286 Faktorenanalyse konfirmatorische 127 Familienehre 250, 251 Femininität-Maskulinität, kulturelle 50 Forced-Choice-Verfahren 144 Forschung interkulturelle 152 Foto, gemorphtes 319 Fremdbestimmung, positive 231 Fundamentalistische (orthodoxe) Äußerungen. Siehe Suchende Äußerungen Funktion distanzierende 181 G Gefühl 32, 173, 212, 290 affektives 173 moralisches 174 positives der Selbstbestimmung 251 Gefühl der Wut 115 Gefühlsregeln 197, 233 Gender Empowerment Measure (GEM) 317
Stichwortverzeichnis Geografie der Zeit 75 Gesichtsausdrücke 153, 180 Eigenschaften 327 Eye-Tracking-Technologie 318 Foto, gemorphte 319 Intensität 327 interkulturelle Forschung 152 interkulturelle Universalität 220 Kindheit 258 kulturelle und gesellschaftliche Faktoren 322 kulturelle Vielfalt 7 lächelnd 321 Methodik 318 Mitglieder der kulturellen Eigengruppe vs. Fremdgruppe 32 Neuroimaging 318 Wahrnehmung des emotionalen Ausdrucks 227 Glück 120, 177, 187, 246–249 amerikanisches Modell 247 ostasiatisches Modell 248 universelles und kulturspezifisches 246 Granularität, emotionale 199 Grenze, kulturelle 11, 13 Grenzland, kulturelles 11 Großstadt 10 Gruppe ethnische 309 religiöse 18 Kultur 18 Gruppe, kulturelle sozioökonomische und soziale Klassen 15 Vielfalt 14 H Handlungsfähigkeit 229 individuelle 228 Handlungstendenz 124, 126, 175 Harmonie 87 Häufigkeit des emotionalen Erlebens 239 Hauptkomponentenanalyse (PCA) 137, 150, 152 Heterogenität 323 Hierarchie 87 Homogenität 108, 156, 323 I Identität der Messeinheit 127 gemischt kulturelle 134
353 kulturelle 134 multikulturelle 12 persönliche 245 Indische Auffassung von Gefühlen 179 Individualismus 112, 266, 283, 286, 293, 297, 306, 327, 345, 346 Individualismus-Kollektivismus 36 Integrität 250 Ehre 250 Intensität des emotionalen Erlebens 260 Interdependenz 238 Invarianztest 138 Itemverzerrung 139 K Kaluli-Kultur 241 Kategoriales Paradigma Emotionsforschung 118 Emotionslexikon 121 grundlegende Emotionen in verschiedenen Kulturen 119 grundlegende und komplexe Emotionen 118, 119 kulturelle Modelle 121 Struktur, grundlegende Emotionen 120 Theorien und Forschung 118 Kategorisierung von Bindung 105 Kleinstadt 10 k-means-clustering 154 Koexistenz ethnische 11 kulturelle 11 Kognition analytische 3 ganzheitliche 3 Kollektivismus 112, 257, 266, 293, 295, 297, 327, 345, 348 Kommunikation kontextreiche 330 Kommunikation, zwischenmenschliche 60 Ausdrucksverhalten 63 Sprachstile 61 Werte der verbalen Kommunikation 60 Komplexität Messung emotionaler 199 Komplexität von Emotionen 89, 194 Ausdrucksregeln 197 emotionsbezogene Werte 196 Emotionslexikon 194 Gefühlsregeln 197 Wissen über Emotionen 194 Komponentenverarbeitungsansatz 175
354 Konfirmatorische Faktorenanalyse für mehrere Gruppen (MG-CFA) 151 Konstrukt latentes 136 Konstruktäquivalenz 129 Konstruktion soziale 220 Konstruktion des emotionalen Stils 240 Konstruktverzerrung 138, 139 Kontext sozialer 227 sozialer Beziehung 214 Kontextdifferenzierung (CD) 346 geringe 198 hohe 58, 198 kulturelle und individuelle Ebene 66 Messinstrumente 67 Kontrolle, emotionale 34, 262, 298, 310 menschliche Fähigkeit 190 Kontrolle, persönliche 247 Konzept der relationalen Mobilität 82 Kultur 1 als Konstrukt 14 chinesische 262 Definition 2 der Ehre 209 der Großstadt 1, 10 der Kleinstadt 10 der sozialen Klasse 15 des sozioökonomischen Status und der sozialen Klasse 14, 15 ethische 11 gemischte 134 globale transnationale 5 individualistische 37 interdependente 42, 186 kollektivistische 37 lokale 6 materielle 1 multiethnische 11 multikulturelle 11 nationale 3 östliche 298 regionale 3, 6 reguliert Emotion 183 religiöse 8, 17, 18 und das Erleben von bestimmten Emotionen 235 samoanische 242 soziale 1, 14 subjektive 1 transnationale 3
Stichwortverzeichnis unabhängige 186 westliche 208, 219, 298, 327, 347 wirtschaftliche 14 Kultur des Selbst und der Kultur der Beziehung Bewertungen 173 Erleben und Ausdruck von Emotionen 317 Individualismus 47 Inside-out- und Outside-in- Perspektiven 186 interdependentes Modell 186 Kollektivismus 112 Konstruktion 112 kulturelle Modelle 104 Selbst-Konstruktion 42 unabhängiges Modell 44 Vielfalt 115 Kultur, regionale 3 in Brasilien 9 in den Vereinigten Staaten 7 der Nationen 6 Großstädte und Kleinstädte 10 Gültigkeit 4 in Japan 8 Variation innerhalb eines Landes 5 Variation zwischen den Ländern 5 Kultur, religiöse 17 Dimensionen 18 Emotionen 20 Gruppen 18 interkulturell kulturelle Natur 17 kulturelle und religiöse Rahmenbedingungen in der Gesellschaft 19 Nation 17 nationale Kultur 4 Normen 20 religiöse Gruppen 18 religiöse Lehren 20 und Wohlbefinden 22 Kulturbegriff Definition 1 Entwicklung 9 Kulturelle Auffassung von Emotionen amerikanische Konzeption 178 chinesische Konzeption 178 indische Konzeption 179 kulturelle Bedeutung 177 Kulturentwicklung 2 Anpassungsprozess 2 biologische und soziale Bedürfnisse 2
Stichwortverzeichnis Gesellschaften 2 Kulturen im Wandel 3 lokale Bedingungen 3 Kulturforschung 3 Kulturmodell interdependentes 209 männliches 311 Kulturmodelltheorie in der Kulturanthropologie 101 Kulturregion, transnationale 5 Kulturregulierung und Emotionsregulierung 24 Kulturübergreifend universell und kulturübergreifend unterschiedlich 179 L Lächelnd 321 Länder, westliche 34 Latent-Class-Faktoranalyse (LCFA) 108 Latente Clusteranalyse (LCA) 155 Latentklassenanalyse 129, 153 Leben, emotionales 19 Beziehungen 183 Bindungs- und Distanzierungsfunktion 181 biologische vs. kulturelle Faktoren 179 Domänen 110 emotionale Angebote 182 Kulturen regulieren Emotionen 183 soziale Funktionen 180 Lebensgefühl 145 Lebensrhythmus 68 Lehren, religiöse 20 Ausdruck von Emotionen 24 Emotionsregulierung 24 kulturelle Normen der Emotionen 115 Wert bestimmter Emotionen 21 Wert positiver und negativer Emotionen 252 Lockerheit 236 Lusteranalyse 154 M Machismo 50 Machtdimension 212 Machtdistanz 47, 48, 80, 112, 293 Marianismo 50 Maß der Kontextdifferenzierung 198 Matsumoto 66 Mehrebenenanalyse 157
355 Mehrebenen-Komponentenanalyse (MLCA) 158 Mehrebenenmethodik 157 Mehrgruppen-Faktorenanalyse, konfirmatorische 108 Messäquivalenz 108, 136 Messfehler systematischer 138 Messinstrumentenfehler 128 Messinvarianz 136 Mischkultur 12 Mischung, multikulturelle 12 Mitgefühls 243 Mobilität relationale 82, 83 Modell ideales 117 interpersonelles 213, 214 kulturelles 106 mentales 101 monistisches 208 objektiviertes 215 reales 117 Modell des Mitgefühls 243 Modell des Selbst interdependentes 44 unabhängiges 298 Modell, kulturelles Anthropologie 101 Ausdruck 126 Bewertung vs. Rangfolgen 144 Clusteranalyse 111 Definition 101 dimensionale Herangehensweise 122 dimensionaler Ansatz 126 dreidimensionales Modell 124 emischer Ansatz 110 emotionales Erlebnis 218 Emotionen 218 ethischer Ansatz 107 Faktorenanalyse 127 geografische und ethnisch Modelle 113 gesellschaftliche Rahmenbedingungen 134 Größe 142 Grundemotion 118 interkulturelle Gleichwertigkeit 137 Konstrukte 136 Konstruktverzerrung 138 Latentklassenanalyse 153 Mehrebenenmethodik 157 Merkmale von Gesellschaften 134 Messäquivalenz 108, 137, 138 Messfehler erkennen 142
Stichwortverzeichnis
356 Modell, kulturelles (Fortsetzung) Messäquivalenz 136 Messinstrumentenfehler 138 MDS 152 multidimensionaler Ansatz 149, 150 Muster des Gefühlslebens 110, 112, 115 normative Emotionen 182 persönliche Beobachtungen 147 Profile 81 Prototypentheorie 125 Psycholinguistik 146 Psychologie 147 quantitativ vergleichender Ansatz 147 Repräsentativität 116 Selbst/Kulturgruppe 149 Sozialwissenschaft 101 Kontextdifferenzierung 104 Strukturen 129 Stichproben von Teilnehmern 134 Top-Down- und Bottom-Up-Ansatz 110 typische Muster von Emotionen 101 vierdimensionale Struktur 124 Voreingenommenheit 138 zweidimensionale Theorie 122 Modernisierung 81 Verschiebung 82 Modernisierungstheorie 80 Multidimensionale Skalierung (MDS) 152 Multigruppen-Faktorenanalyse mit latenten Klassen 108 Multiple Faktorenanalyse (MFA) 151 Multivariate Kovarianzanalyse (MANCOVA) 149 Multivariate Varianzanalyse (MANOVA) 149 N Nachfragemerkmal 141 Nachrichten im Kontext 60 Nationale Kultur 3 als Einheiten der Kulturforschung 3 Gültigkeit 4 und transnationale Kultur 3 Vielfalt kultureller Gruppen 2 Natur, kulturelle 17 negative Emotionalität von Frauen 314 Neuartigkeit von Emotionen 212 Neubewertung kognitive 191 Neuheitsdimension 212 Nicht-Engagement 238 Norm wahrgenommene beschreibende 117
Norm, kulturelle 237 Erleben von Emotionen 115, 233, 237 Lockerheit–Enge 236 Typen 125 unabhängige und voneinander abhängige Modelle 297 Wert 209 O Orientierung impulsive 305 institutionelle 305 ostasiatisch 193 Östliche Länder 5 P Paradigma kategoriales 118 Persönlichkeitsmerkmal 194 Physiologie 217 Pintupi-Kultur 242, 243 Polykulturalität 11 Polynesien 214, 217 Prototypentheorie 106, 125 Prozess biopsychosozialer 175 sozialer 175 Psychologie 18, 67, 102 Punktgleichwertigkeit, volle 127 Q Qualität des emotionalen Erlebens 239 R Rahmenbedingung, wirtschaftliche 291 Rangfolgeverfahren 144 Rasa-Methode 216 Raum physischer 123 psychometrischer 123 Reaktion physiologische 180 Reaktionsvermögen, zwischenmenschliches 259 Referenzgruppeneffekt 143 Regionalkultur der Nationen 6 Regulierung, emotionale 176 expressive Unterdrückung 191 kognitive Neubewertung 191
Stichwortverzeichnis kognitive Veränderung 191 Modulation der Reaktion 191 Stimulusauswahl 228 Stufen der emotionalen Prozesse 191 und Kultur 295 Regulierung, kulturelle 180 Regulierung von Emotionen 126, 299 Relativität funktionale 58 Religion als Kultur 17 religiös extrinsisch 19 intrinsisch 19 Religiosität vs. moderne individuelle Spiritualität 122 Replizierbarkeit 131 Repräsentativität 116 S Samoanische Kultur 242 Schemata kognitives 347 Schuldgefühl 47 Schweigen 61 Selbstausdruckswert 294 Selbst-Konstruktion 42 Selbstkonzept interdependentes 112 unabhängiges 112, 301 Selbstreflexivität 216 Selbstregulierungsstrategie 193 Selbstverbesserung 177, 246 Selbstwertgefühl 247, 249 Sichtweise, dualistische 219 Soziologie 131 Spanglish 8 Spiritualität 19 Sprachcode öffentlicher 62 privater 62 Stanislawski-Methode 216 Status, sozioökonomischer 15, 16 Anpassung vs. Kontrollüberzeugung 15 hoher 16 kulturelle Unterschiede 16 niedriger 16 Stichprobe gezielte 135 nationale kulturelle 4 Stil emotionaler 240 Stimmung 173, 215
357 Strategie der Stichprobenziehung 135 Studie interkulturelle 152 neurowissenschaftliche 210 Subkultur 14, 18, 74 Suchende Äußerungen 19 Symptom, physiologisches 218 T Tempo der Kommunikation 75 Theorie der Erwartungszustände 315 Ton, hedonischer 122 Top-down-Methode 113 Transformation, multikulturelle 81 U Überlebenswert 80 Überzeugung 180, 188, 208, 215, 240, 243, 306, 315 kulturelle 311 Umfeld, objektives kulturelles 117 Umweltfaktor 56 Umweltkontrolle 229 unabhängig 298 Unabhängigkeit 238 Universalismus, psychologischer 176 Unsicherheitsvermeidung 79, 284 Unterdrückung, expressive 191 Unterdrückung von Emotionen 23, 89 europäische US-Amerikaner 192 negative Wahrnehmung 192 zwischenmenschliche Reaktionsfähigkeit 192 in Ostasien kulturelle Unterschiede vs. Persönlichkeitsmerkmale 194 Selbstregulierungsstrategie 193 Unterschied kultureller 105 intrakultureller 105 Unterschied, geschlechtsspezifischer 289 gesellschaftliche und sozioökonomische Faktoren 316 kulturelle Stereotypen 311 kultureller Faktor 316 soziale Interaktion 315 spezifische Emotion 313 weibliche und männliche Ausdrucksregeln 311 Unterschied, interkultureller 320
358 Unterschied, kultureller 16 vs. Persönlichkeitsmerkmale 194 Utku Eskimo 241 V Valenzdimension 212 Variabilität, kultureller 20, 138 Variablen des autonomen Nervensystems (ANS) 155 Varianzanalyse (ANOVA) 128, 148 Vektormodell der Emotionen 123 Verbeugung 333 Verhaltenskomponente 174 Verschmelzung 133, 134 Vielfalt, regionale kulturelle Brasilien 9 Japan 8 in Städten 10 Vereinigte Staaten 7 Vokalisation 287 Voreingenommenheit 138 W Wandel kultureller 3 Weiblichkeit kulturelle 50, 267, 346 Wert bestimmter Emotionen 234
Stichwortverzeichnis emotionsbezogener 196 kultureller 85, 86, 88, 90, 346 emotionaler 20 Wissen über Emotion 194 Wohlbefinden 47 Wortgefühl 209 Wut 8, 242, 243 Kaluli-Kultur 241 menschliche gesellschaft 240 Pintupi-Kultur 243 Samoanische Kultur 242 Utku-Eskimo-Kultur 241 Z Zimbardo Time Perspective Inventory (ZTPI) 72 Zorn Pintupi-Kultur 242 Zufallsstichprobe 135 unsystematische 135 Zuschreibung selbstkritische 230 selbstschützende 230 von Selbstkritik 230 Zustand affektiver 173 Zustände mit hoher Erregung, positiv affektive 41 Zweidimensionale Emotionsmodell 211