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German Pages 320 Year 2015
Hans Scheurer, Ralf Spiller (Hg.) Kultur 2.0 Neue Web-Strategien für das Kulturmanagement im Zeitalter von Social Media
Hans Scheurer, Ralf Spiller (Hg.)
Kultur 2.0 Neue Web-Strategien für das Kulturmanagement im Zeitalter von Social Media
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© 2010 transcript Verlag, Bielefeld Die Verwertung der Texte und Bilder ist ohne Zustimmung des Verlages urheberrechtswidrig und strafbar. Das gilt auch für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und für die Verarbeitung mit elektronischen Systemen. Umschlaggestaltung: Breidenich und Partner Umschlagabbildung: Breidenich und Partner / stART.conference Innenlayout & Satz: Breidenich und Partner Lektorat: Hans Scheurer und Ralf Spiller Druck: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar ISBN 978-3-8376-1352-0 Gedruckt auf alterungsbeständigem Papier mit chlorfrei gebleichtem Zellstoff. Besuchen Sie uns im Internet: http://www.transcript-verlag.de Bitte fordern Sie unser Gesamtverzeichnis und andere Broschüren an unter: [email protected]
Inhalt Vorwort Hans Scheurer, Ralf Spiller
Seite 009
Geleitwort Christian Henner-Fehr, Christian Holst, Karin Janner, Frank Tentler
Seite 011
I. Theorie/Grundlagen User-generated Culture Die inhärente Kompatibilität von Internetpraxis, Kunst- und Kulturtheorie als Fundament zukünftiger Kulturangebote Simon A. Frank
Seite 016
Zur Genese of fener Werke: Rotkäppchen 2.0 Medienwandel und schriftliche Mündlichkeit Sabria David
Seite 028
Die zerstörerische Kraft des Internets Woher nimmt das Internet seine Schumpeter’sche Kraft der „kreativen Zerstörung“ und was folgt daraus? Gregor Hopf
Seite 045
Am Rubikon zwischen Realität und Virtualität Andreas Mertens, Michael Wald
Seite 061
Der Preis der Freiheit Die Neuerfindung der Online-Wirtschaft: Warum sich kostenlose Inhalte langfristig auszahlen Gerd Leonhard
Seite 075
Erinnerungskultur 2.0? Kommemorative Kommunikation und Aufmerksamkeitsökonomie Erik Meyer
Seite 082
Kultur zu vernetzen Ein Plädoyer zur digitalen Vernetzung von Kultur Patrick Breitenbach
Seite 093
Wie kommen die neuen Medien in die alten Menschen? Ästhetik, Gestaltung und Internet im Spiegel der Kultur- und Kunstgeschichte Christof Breidenich
Seite 101
II. Praxis/Anwendungen Kulturmarketing 2.0 Karin Janner
Seite 119
„Ein ungeheures Kanalsystem“ Podcasts im Medienmix von Kultureinrichtungen Christian Holst
Seite 138
Herausforderung Weblog Christian Henner-Fehr
Seite 150
Online-Communities Theoretische und praktische Grundlagen für Kulturschaffende Anna-Carolin Weber, Tobias Kopka
Seite 161
Werbekampagne unter 50 Euro? Webinstrumente wirkungsvoll miteinander kombinieren – eine Gebrauchsanleitung Christian Dingenotto
Seite 187
Ef fiziente Kultur-PR in einer vernetzten Welt Kerstin Hoffmann
Seite 195
III. Case Studies Web 2.0 und Social Networking am Beispiel des Städel Museums Daniela Bamberger
Seite 203
Die Social-Media-Aktivitäten der Kronberg Academy Ulrike Schmid
Seite 215
Vom bedruckten Papier zum Web 2.0 Die Berliner Festspiele und „Le rendez-vous de Berlin – Das Wiedersehen von Berlin“ (1.-4. Oktober 2009) Kerstin Schilling
Seite 225
Ein Beispiel aus der Praxis: theaterblogs.de Sören Fenner
Seite 238
Museum 3.0 Die virtuelle Gemäldegalerie Dresden in Second Life Matthias Eichhoff, Michael Schumann
Seite 251
stART now – Fundrasing 2.0 Am Beispiel von Aktion Deutschland Hilft Thilo Reichenbach
Seite 259
Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0 Wie macht das ein kleines Theater, was kostet’s und was bringt’s? Heinz Koch Seite 277
Classic goes Web 2.0 – Ein Jahr Philharmonie 2.0 Frank Tentler
Seite 290
Ausblick Was kommt nach der stART.09? Christian Henner-Fehr, Christian Holst, Karin Janner, Frank Tentler
Autoren
Seite 305 Seite 311
8
T R O W VOR ITWORT GELE
Hans Scheurer, Ralf Spiller 9 Vorwort
In der Kommunikation hat sich in den letzten Jahren – ohne dass dies zunächst von breiteren Bevölkerungsschichten bemerkt worden wäre – ein Paradigmenwechsel vollzogen. Unter dem spielerischen Titel „Mitmach-Web“ hat sich das World Wide Web, das zunächst und primär ein Präsentations- und Archivmedium war, zu einer interaktiven Plattform entwickelt. Wesentlich ist die radikale Demokratisierung des Mediums, das – Brechts Radiotheorie folgend – aus Zuhörern/Empfängern selbst aktive Programmgestalter/Sender macht. Die Kommunikation des 20. Jahrhunderts, in der, von wenigen Entscheidern gesteuert, Informationen über exklusive Vertriebskanäle zu einem breiten Publikum fanden, wird endgültig aufgehoben. Mit den Applikationen des Social Web kann jeder zum Informationsproduzenten werden, jeder seine Öffentlichkeit finden, jeder Netzwerke aufbauen, die ihm und seinen Botschaften nützen. Das Web 2.0 hat Möglichkeiten geschaffen, die etablierten Gatekeeper der Kulturindustrie zu umgehen. Die Folge: Neue Kommunikations-, Präsentationsund Vertriebsangebote haben sich entwickelt. Hier kann Kommunikation ohne Streuverluste und mit höchster Aktualität funktionieren, hier können Vertriebswege für Kulturprodukte in der Hand der Produzenten bleiben, hier ist nicht mehr das Investment das Nadelöhr zum Erfolg, sondern die Kreativität. Kulturschaffende wissen um die Unbezahlbarkeit der traditionellen Kommunikationskanäle. Wer sich dem Thema Web 2.0 lediglich aus der Technik- oder Finanzperspektive nähert, verliert leicht über der Euphorie der neuen Möglichkeiten einen entscheidenden Punkt aus dem Blick: den Content. Nicht allein die technische Verfügbarkeit ist im Social Web entscheidend, sondern der Inhalt, der qua Technik transportiert wird. Wer hat die interessantesten Geschichten zu erzählen? Wessen Content vermag zu faszinieren? An dieser Stelle scheitern die meisten Wirtschaftsunternehmen. Wenn sie den Versuch unternehmen, die Applikationen des Web 2.0, seien es Blogs, Podcasts oder Twitter, für ihre Kommunikation zu nutzen, laufen die Inhalte meist nach kurzer Zeit ins Leere. Beispielsweise ein Konsumgut kommunikativ derartig aufzuladen, dass es nachhaltig Interesse bei den Usern des Web 2.0 findet, ist schwierig – nicht selten sogar unmöglich. Hier kommt die Kultur ins Spiel. Sie hat per se keine Contentprobleme. Ihr wesentliches Produkt ist der Content. Darum ist es nicht verwunderlich, dass Kulturschaffende in der Nutzung von Web 2.0-Applikationen bei der Vermarktung der eigenen Angebote und bei der Schaffung von neuer Öffentlichkeit eine Vorreiterrolle übernommen haben. Als Stiefkinder des klassischen Marketings, denen immer die Geldmittel für fundierte und nachhaltige Kommunikation fehlten, wuchern sie mit der wichtigs-
10 Hans Scheurer, Ralf Spiller Kultur 2.0
ten Ressource des Social Web, dem Content, den sie qua Kulturauftrag ständig neu generieren. Doch das Marketing über die Sozialen Netze hat auch Grenzen und Schattenseiten. Aufbau und Pflege von Web 2.0-Tools sind zeitaufwendig und arbeitsintensiv. Sie brauchen Konzepte und Strategien. Aktionistisches Arbeiten ist hier immer kontraproduktiv. Die Produkte, die das Web 2.0 anbietet, sind zwar meist selbsterklärend und kostenfrei, aber ihre Funktionen und Möglichkeiten müssen von den Nutzern gelebt werden. Dies wiederum setzt neue Kompetenzen voraus, technisch wie kulturell. Im September 2009 trafen sich in Duisburg über 400 Kulturschaffende zu einem ersten Symposium zum Thema Web 2.0 in der Kultur. „stART 09“ bot die Möglichkeit, den theoretischen Diskurs voranzutreiben, aber auch mit Praktikern ins Gespräch zu kommen, um am Beispiel konkreter Umsetzungen und Projekte Erfahrungen auszutauschen. Der vorliegende Band sammelt die wesentlichen Beiträge des Symposiums. Die Unterschiedlichkeit der Texte spiegelt das Spektrum der Veranstaltung und die unterschiedlichen Kulturen und Herangehensweisen der Referenten. Die Herausgeber haben dies in der Textsammlung bewusst erhalten. Angesichts des rasanten Entwicklungstempos ist das Buch eine Momentaufnahme – von neuen Kommunikationstechniken, von einer neuen Kommunikationskultur und von Kulturschaffenden, die sich einen ganz neuen Zugang zu ihrem Publikum aufgebaut haben. Hans Scheurer Ralf Spiller
Christian Henner-Fehr, Christian Holst, Karin Janner, Frank Tentler 11 Geleitwort
Christian Henner-Fehr, Christian Holst, Karin Janner, Frank Tentler
Die stART.09 im Rückblick: auch ein Web 2.0-Projekt Zum ersten Mal fand Ende September 2009 in der Duisburger Mercatorhalle eine Konferenz an der Schnittstelle von Kunst, Kultur und Web 2.0 statt. Die vielen Teilnehmer und die positive Resonanz auf die stART.09 zeigen, dass das Thema Web 2.0 mittlerweile auch im Kunst- und Kulturbereich angekommen ist. Die Entstehungsgeschichte der stARTconference ist schnell erzählt. Nach ein paar kurzen Telefonaten und einigen E-Mails war uns klar, dass wir eine Veranstaltung zum Thema Kultur und Web 2.0 organisieren wollten. Nachdem wir alle vier ein oder mehrere Blogs betrieben und auch in diversen Netzwerken aktiv waren, kamen wir zu dem Ergebnis, dass die Zeit für eine solche Veranstaltung reif sei. Dass es dann letzten Endes so eine große Veranstaltung wie die stART.09 werden würde, war uns zumindest anfangs nicht bewusst. Die erste richtige spannende Phase war der Call for Papers. Natürlich kannten wir einige der Experten, die an der Schnittstelle von Kultur und Web 2.0 arbeiteten. Aber würden sie überhaupt ein Interesse an dieser Konferenz haben? Wer würde mit welchen Vortragsthemen bei der stARTconference dabei sein wollen? Schließlich hängt der Erfolg einer Konferenz größtenteils von der Qualität der Vorträge ab. Unsere Sorgen waren unbegründet, wir bekamen jede Menge spannende Vorschläge und konnten bis zur Konferenz ein Programm zusammenstellen, das sehr umfangreich war und die Möglichkeit bot, sich umfassend zu informieren. Mit Gerd Leonhard gewannen wir zudem schon recht bald einen prominenten Sprecher, der uns freundlicherweise schon in dieser Frühphase aktiv unterstützte. Aber nicht nur er: Die stART.09 wurde mehr und mehr ein Thema im Social Web. Die Informationen über den aktuellen Stand der Arbeit wurden von vielen Stimmen über die verschiedenen Netzwerke und Plattformen verbreitet. In Blogs, über Twitter und in den verschiedenen Netzwerken wurde über das Thema gesprochen und diskutiert. So wurden immer mehr Menschen auf das Thema und die Konferenz aufmerksam. Diese Form der Unterstützung war uns eine große Hilfe und wir möchten uns auch an dieser Stelle noch einmal herzlich bei all denen bedanken, die über die Konferenz gebloggt, getwittert oder auf
12 Christian Henner-Fehr, Christian Holst, Karin Janner, Frank Tentler Kultur 2.0
anderen Kanälen darüber berichtet, beziehungsweise uns mit guten Ratschlägen weitergeholfen haben. Ein großes Dankeschön geht aber auch an die Stadt Duisburg, die Duisburger Philharmoniker, die GLS-Bank, die Agentur NOAH und die vielen freiwilligen Helfer, die uns im Vorfeld und während der Konferenz unterstützt haben. Wir können ohne Übertreibung sagen: Ohne sie hätte es die stART.09 nicht gegeben. Diese breite Unterstützung erhielten wir, weil wir schon sehr früh versucht haben, über die verschiedenen Social Media-Kanäle offen zu kommunizieren und zu informieren. Der oft erwähnte Multiplikatoreffekt, hier war er. Aber auch wir als Organisationsteam versuchten, das Web 2.0 für unsere Zwecke einzusetzen. Unsere zentrale Anlaufstelle war im gesamten Projektverlauf ein internes Weblog, in dem wir unsere Notizen, Fragen und Dokumente online stellten. Selbst Diskussionen ließen sich teilweise auf diese Weise führen. Ein Weblog hat in Projekten zwei große Vorteile: es entlastet erstens die Mailbox, denn statt eine Frage an das Projektteam per Mail auszuschicken und die Antworten aller an alle zu schicken, reicht ein Eintrag in das Blog. Ergänzungen lassen sich direkt in den Text oder als Kommentar einfügen. Der zweite Vorteil besteht in der chronologischen Reihung der einzelnen Beiträge. Dank dieser Anordnung gelingt es einem leichter, die Zusammenhänge zu erfassen. Markus Gloetzel spricht in seinem Artikel „Gemeinsam geführte Projektweblogs aus der Sicht eines kontextorientierten Wissensbegriffs“1 von explizitem und implizitem Wissen, das im Rahmen eines solchen Weblogs vermittelt werden kann. Für den Autor sind Weblogs einerseits ein sehr kontextsensibles Medium, das positive Auswirkungen auf die Weiterentwicklung in der Zusammenarbeit von Projektteams haben kann. Darüber hinaus dient es aber auch der schnellen Kommunikation und der Vernetzung untereinander. Aus der Nutzung eines Weblogs entstand für uns aber ein ganz praktisches Problem: Die einzelnen Dokumente, zum Beispiel Konzepte oder Protokolle, lassen sich zwar leicht in ein Weblog eingeben. Sie wieder zu finden, wird allerdings mit rasch wachsender Zahl der Beiträge immer schwieriger. Hier zeigt sich, dass in einem solchen Fall hierarchische Strukturen von Vorteil sind.
1 http://ibis.in.tum.de/mkwi08/09_IKT-gestuetzte_Unternehmenskommunikation/ 01_Markus_Gloetzel.pdf am 05.11.2009
Christian Henner-Fehr, Christian Holst, Karin Janner, Frank Tentler 13 Geleitwort
Wir haben dieses Problem mit Hilfe eines Wikis gelöst, in das wir alle wichtigen Dokumente eingegeben haben. Die Kombination Weblog/Wiki hat sich in unserer Zusammenarbeit bewährt, denn ob es um eine bestimmte Projektphase ging oder um ein Konzept, die Suche gestaltete sich nun sehr einfach. Den wahren Wert der beiden Tools werden wir aber wahrscheinlich erst bei der Vorbereitung der stART.10 schätzen lernen, wenn wir auf die Dokumente und Erfahrungen der stART.09 zurückgreifen können. Natürlich haben wir auch alle anderen Social Media-Tools eingesetzt, allerdings vor allem in der externen Kommunikation. Die Aktion #kulturtwitter zeigte einerseits, wie sich Twitter und ein Social Bookmarking Dienst, in diesem Fall Delicious, gemeinsam nutzen lassen. Andererseits war diese Aktion, bei der es darum ging, eine Liste mit twitternden Personen und Einrichtungen aus dem Kunst- und Kulturbereich zu erstellen, eine Aktion, die dazu diente, die Community zu stärken und letzten Endes natürlich auch auf die Konferenz hinzuweisen. In den eigenen Gruppen auf Facebook und XING wollten wir nicht nur einfach informieren, sondern im Dialog mit den Interessierten herausfinden, welche Themen und Fragen von Interesse sind. Diese Diskussionen haben einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Programmgestaltung gehabt. Macht es also Sinn, im Rahmen von Projekten auf Social Media-Tools zu setzen? Diese Frage können wir rückblickend mit einem klaren Ja beantworten. Sowohl in der externen Kommunikation, als auch in der Zusammenarbeit des Projektteams waren die Tools nicht nur eine große Hilfe. Sie waren vielmehr die Voraussetzung für die Realisierung des Vorhabens. Dieser Punkt erscheint uns sehr wichtig zu sein, denn wenn man im Kunstund Kulturbereich über das Web 2.0 spricht, dann geht es in der Regel um die Frage, ob sich auf diese Weise potenzielle Besucher beziehungsweise neue Zielgruppen ansprechen lassen. Die Frage, ob diese Tools für das Projektmanagement interessant sind, taucht nur selten auf. Dabei rückt Projektarbeit gerade im Kunst- und Kulturbereich immer stärker in den Vordergrund. Im Anschluss an die Konferenz wurden wir häufig gefragt, was für uns die Highlights der beiden Tage gewesen seien? Mal abgesehen von der Tatsache, dass die stART.09 überhaupt stattfand und ohne größere organisatorische Pannen ablief, war es auf der einen Seite die Atmosphäre in der Duisburger Mercatorhalle. Nicht das Verkaufen von etwas stand im Vordergrund, sondern der Austausch untereinander. Zum Zweiten war es aber auch das persönliche
14 Christian Henner-Fehr, Christian Holst, Karin Janner, Frank Tentler Kultur 2.0
Kennenlernen derer, mit denen man sich im Vorfeld der Konferenz virtuell ausgetauscht hatte. Wir sind nicht der Ansicht, dass die Kommunikation im Social Web als Ersatz für fehlende Kontakte in der realen Welt anzusehen ist. Ganz im Gegenteil: Sie dient der Vorbereitung für das persönliche Kennenlernen und lässt einen ein Gespräch ganz anders beginnen, weil man eben nicht bei Null anfangen muss. Eine Bereicherung waren natürlich die vielen Vorträge. Es wäre ungerecht, hier jetzt einzelne Redner hervorzuheben. Dies schon deshalb, weil die Geschmäcker verschieden sind und jeder mit ganz unterschiedlichen Erwartungen nach Duisburg reiste. Nachdem wir als Organisatoren der Konferenz nur begrenzt die Möglichkeit hatten, einzelne Vorträge zu besuchen, war es uns ein Anliegen, sie in irgendeiner Form zu dokumentieren. Eine Vielzahl von ihnen wurde per Video aufgenommen und steht nun auf der Videoplattform Vimeo2 zur Verfügung. Wer möchte, kann also jederzeit die einzelnen Vorträge aufrufen und sie sich am Bildschirm ansehen. An dieser Stelle geht noch einmal ein spezielles Dankeschön an alle, die dazu beigetragen haben, dass die stART.09 so umfassend dokumentiert werden konnte. Eine weitere Möglichkeit, von den einzelnen Rednern noch im Nachhinein zu profitieren, bietet Slideshare3. Dort haben viele Redner der Konferenz die Folien ihrer Vorträge online zur Verfügung gestellt. Marc van Bree, dessen Vortrag live aus den USA übertragen wurde, hat sich sogar die Mühe gemacht, seine Präsentation nachträglich zu vertonen.4 Bei ihm und allen anderen Rednern bedanken wir uns, dass sie ihre Folien online zur Verfügung gestellt haben. Unsere Idee ist es, aus der stARTconference eine Community werden zu lassen, die allen offensteht, die sich für das Thema Kultur und Web 2.0 interessieren. Das heißt, wir melden uns nicht erst im Herbst anlässlich der stART.10 wieder, sondern wir möchten die Zeit bis dahin nutzen, um uns mit denen auszutauschen und zu vernetzen, die Fragen, aber auch Ideen haben. Aus der Vernetzung einen Mehrwert für alle zu generieren, das ist nicht nur der Grundgedanke des Web 2.0, sondern auch unser Grundverständnis im Hinblick auf die stARTconference.
2 www.vimeo.com/startconference am 05.11.2009 3 www.slideshare.net/group/start09 am 05.11.2009 4 www.slideshare.net/mcmvanbree/start09-conference-2214163 am 05.11.2009
Christian Henner-Fehr, Christian Holst, Karin Janner, Frank Tentler 15 Geleitwort
E I R O E I. TH NDLAGEN GRU
16 Simon A. Frank Kultur 2.0
Simon A. Frank
User-generated Culture Die inhärente Kompatibilität von Internetpraxis, Kunst- und Kulturtheorie als Fundament zukünftiger Kulturangebote
Der Anstoß zu den im Folgenden vorgestellten Überlegungen zum Einsatz des Web 2.0 im Kulturbereich ist einem Textfragment des Freiherrn von Hardenberg zu verdanken, das Friedrich Schlegel zusammen mit vielen anderen Aphorismen 1798 in der Zeitschrift Athenaeum unter dem Titel „Blütenstau“ veröffentlichte. Hardenberg, heute wohl besser bekannt unter seinem Pseudonym Novalis, beleuchtet darin blitzlichtartig in der für die deutsche Romantik typischen Form des Fragments, in kurzen philosophischen Gedankensplittern unterschiedlichste Themen aus Kunst, Religion, Wissenschaft und Gesellschaft. Im 68. Blütenstaub-Fragment finden sich einige Überlegungen zur Übersetzung literarischer Texte, die nach Novalis auf drei Wegen möglich ist, nämlich „entweder grammatisch, verändernd, oder mythisch“1. Die höchste, aber bisher unerreichte Form ist nach Novalis die mythische Übersetzung. Diese stellt in der Übersetzung den „reinen, vollendeten Charakter des individuellen Kunstwerks dar“2. Die grammatische Übersetzung ist die „Übersetzung im gewöhnlichen Sinn“3, also das, was auch heute üblicherweise als Übersetzung verstanden wird. Die dritte Form beschreibt Novalis wie folgt: „Zu den verändernden Übersetzungen gehört, wenn sie echt sein soll, der höchste poetische Geist […]. Der wahre Übersetzer dieser Art muss in der Tat der Künstler selbst sein und die Idee des Ganzen beliebig so oder so geben können – Er muss Dichter des Dichters sein und ihn also nach seiner und des Dichters eigener Idee zugleich reden lassen können.“4
Sicherlich ist eine solche Einteilung im Kontext der aktuellen Diskussion um adäquate Übersetzungen nur begrenzt hilfreich. Jedoch kann man hier diese Aufstellung dreier möglicher Übertragungsformen eines Kunstwerkes von ei1 Zitiert nach der Ausgabe von Carl Paschek: Novalis. Fragmente und Studien. Stuttgart: Reclam 1996, S. 19f 2 Ebd. 3 Ebd. 4 Ebd.
Simon A. Frank 17 User-generated Culture
ner Sprache in die andere als grobes Raster für eine vorläufige Absteckung des hier zu erläuternden Problemfelds übernehmen. Denn auch in den neuen Medien geht es um „Übersetzungsarbeit“. Bedient man sich dem Verständnis von „Kultur als Text“5, kann man dazu eine Parallele ziehen und davon sprechen, dass Museen und Theater sich derzeit damit konfrontiert sehen, ihre „Kultur“ für die neuen Medien aufzubereiten, also zu „übersetzen“ und sich derzeit noch uneins sind, wie diese Übersetzung vonstatten gehen soll. Und dazu kann man erneut Novalis zitieren, schreibt dieser doch in dem bereits erwähnten Blütenstaub-Fragment: „Nicht bloß Bücher, alles kann auf diese drei Arten übersetzt werden.“6 Also auch Kunstwerke in die Sprache des World Wide Web?
Die Traditionslinie der Technikskepsis Obwohl auch im Folgenden Überlegungen zu Web 2.0 und neuen Medien im Mittelpunkt stehen werden, wird vorläufig der Blick auf das 19. Jahrhundert gerichtet bleiben. Um Missverständnisse zu vermeiden: Auch dieser Beitrag begrüßt, wie die meisten anderen Artikel dieses Sammelbandes, dass sich die Web 2.0-Idee im Kulturbereich immer weiter verbreitet, denn zweifellos stecken hier enorme Chancen für Kulturmarketing und Kunstvermittlung. Doch ist auch zu beobachten, dass viele, die über Blogs, Twitter & Co reden und versuchen, diese Museen, Theatern und anderen Kulturbetrieben nahezubringen, weiterhin auf Widerstand stoßen. Denn bei den Entscheidern im Kulturbereich ist das Web 2.0 noch lange nicht angekommen – wäre es der Fall, gäbe es Hunderte von Intendanten-Blogs, Kuratoren-Podcasts und twitternde Dirigenten, doch dies sind weiterhin Einzelfälle. Die Idee des Web 2.0 und der Einsatz neuer Medien hat sich im Kulturbereich alles andere als flächendeckend durchgesetzt. Aber was hat dies mit dem 19. Jahrhundert zu tun? Die Ursachen haben dort zwar nicht direkt ihren Ursprung, aber sie lassen sich damit wunderbar illustrieren. Man denke etwa an Carl Spitzwegs „Gnom, die Eisenbahn betrachtend“. Entstanden Mitte des 19. Jahrhunderts, im Ausklang der deutschen Romantik und zur Geburtsstunde der Geisteswissenschaften, illustriert dieses Bild das gefühlte Verhältnis von Technik, Natur und Kunst. Traurig blickt ein am Rande einer Höhle stehender, der Märchenwelt entsprungener Zwerg ins Tal, wo er wohl noch vor kurzem mit Elfen und Wichteln durch die nebeligen Auen wanderte. Die moderne Zeit mit der den Geist der Natur zerstörenden Kraft hält in Form 5 Bachmann-Medick, Doris/Clifford, James: Kultur als Text. Die anthropologische Wende in der Literaturwissenschaft. Frankfurt a.M.: Fischer-Taschenbuch-Verlag 1998 6 C. Paschek: Novalis, a.a.O. S. 20
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der Eisenbahn Einzug, die der Gnom durch das Tal dampfen sieht. Noch Anfang des 19. Jahrhunderts hatte der Londoner Professor Dionysius Lardner, dessen Lehrbücher7 auch in Deutschland überall verbreitet waren, vor dieser neuen Eisenbahntechnik gewarnt, da er fest davon überzeugt war, dass ein Mensch, der sich schneller als 30 km/h bewegen würde, durch plötzlichen Verlust von Raum und Zeit umgehend zu Tode käme. Und auch die alten, etablierten Größen des damaligen Kulturbetriebs warnten vor der neuen Technik. So diktierte beispielsweise Goethe Eckermann im Jahre 1835:
1: Gnom, die Eisenbahn betrachtend (Carl Spitzweg)
„[…] junge Leute werden viel zu früh aufgeregt und dann im Zeitstrudel fortgerissen; Reichtum und Schnelligkeit ist, was die Welt bewundert und wonach jeder strebt; Eisenbahnen, Schnellposten, Dampfschiffe und alle möglichen Fazilitäten der Kommunikation sind es, worauf die gebildete Welt ausgeht, sich zu überbieten, zu überbilden und dadurch in der Mittelmäßigkeit zu verharren. Und das ist ja auch das Resultat der Allgemeinheit, dass eine mittlere Kultur gemein werde.“8 7 Lardner, Dionysius: Die Dampfmaschine faßlich beschrieben und erklärt, insbesondere in ihrer praktischen Anwendung auf Eisenbahnen und Dampfschiffahrt. Leipzig: Friedrich Volckmar 1836 8 Zitiert nach Gall, Lothar/Pohl, Manfred: Die Eisenbahn in Deutschland. Von den Anfängen bis zur Gegenwart. München: Beck 1999, S. 17
Simon A. Frank 19 User-generated Culture
Mittelmäßigkeit durch die „Fazilitäten der Kommunikation“ Sind es die „Fazilitäten der Kommunikation“, die jede „Kultur“ durch „Mittelmäßigkeit“ zur Bedeutungslosigkeit verdammen? Die Schnelligkeit, der Reichtum (zeitgemäßer: die Kommerzialisierung) führen zu Verflachung und zum Verlust der eigentlichen Inhalte – so zumindest Goethe. Die jüngeren Künstler nehmen die neuen Technologien jedoch anders auf. Heinrich Heine beispielsweise schreibt knapp zehn Jahre später in der Augsburger Allgemeinen Zeitung ebenfalls über die Eisenbahn und bezeichnet diese als ein Ereignis,
„[…] das der Menschheit einen neuen Umschwung gibt, das die Farbe und Gestalt des Lebens verändert; es beginnt ein neuer Abschnitt in der Weltgeschichte, und unsre Generation darf sich rühmen, dass sie dabei gewesen. Welche Veränderungen müssen jetzt eintreten in unserer Anschauungsweise und in unserer Vorstellung! Sogar die Elementarbegriffe von Raum und Zeit sind schwankend geworden.“9
Die Eisenbahn bringt den Umschwung der Menschheit – eine kritiklose Lobeshymne voller Begeisterung und Euphorie. Wäre Heinrich Heine die heutige Diktion bekannt, hätte er bestimmt die Eisenbahn als „Pferdekutsche 2.0“ bezeichnet. Es wären hier noch viele Beispiele aufzuzählen, aber die Parallele zu der Bewertung der neuen Technologien im 21. Jahrhundert ist bereits ersichtlich, Kritik und Zustimmung zum Web 2.0 kommt aus ähnlichen Lagern wie vor zweihundert Jahren, die zitierten typischen Vertreter sind auch heute noch anzutreffen: Die etablierten Wissenschaftler und Professoren und die „alten Herren“ des Kulturbetriebs, die nicht wahrhaben wollen, dass die Generationen nach ihnen in einer enormen Geschwindigkeit voranschreiten, wo doch sie selbst Jahrzehnte brauchten, um solch ein Werk und Publikum aufzubauen. Aber auch der Standpunkt der jungen, euphorischen Künstler und Kreativen, die voller Technikbegeisterung ganz vergessen, welche Probleme mit im Schlepptau hängen, ist vergleichbar, denn auch diese Gruppe wirkt heute weiterhin auf den Diskurs ein. Es scheint also auf einem ähnlichen Fundament zu beruhen, warum Goethe nicht von der Eisenbahn überzeugt werden konnte und warum man heute einen Museumsdirektor von den „Fazilitäten der Kommunikation“ des Web 2.0 nur schwer begeistern kann. Und es ist genauso anzunehmen, dass Goethe an der Eisenbahn nicht die Angst, bei 30 km/h die Sinne zu verlieren,
9 Ebd.
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Anlass für sein Missfallen war. Genauso ist es auch bei den Kulturschaffenden. Die ständig herangetragenen Argumente der hohen Kosten, des fehlenden Personals, der mangelnden IT-Infrastruktur oder der juristischen Problematik ist nicht die Hauptursache, die diese abhält, zu twittern oder zu bloggen. Und es ist deshalb nicht verwunderlich, dass nur selten echtes Verständnis aufgebracht wird, wenn Marketingexperten, Informatiker und Betriebswirtschaftler auf die Kulturschaffenden in eben dieser Hinsicht einreden, um sie von der Web 2.0Idee zu überzeugen, da diese meist nur auf dieser Ebene argumentieren. Aber für Kulturschaffende geht es scheinbar unbewusst nicht primär darum, sondern um das „Prinzip“ – oder genauer: um die theoretische Fundierung. Das Problem lässt sich auch mit Blick auf die bisher erschienenen Publikationen festmachen. Diese haben sich im Bereich „Kultureinrichtungen im Internet“ in den letzten Jahren auf sehr praxisnahe Fragestellungen fokussiert, etwa wie die optimale Museums-Website zu gestalten sei oder wie Web 2.0-Dienste und -Tools für Besucherbindung, Kulturmarketing und Kunstvermittlung eingesetzt werden können. Obwohl hier sehr interessante Ideen und wohl durchdachte Konzepte entwickelt wurden, sind diese Vorschläge von Kulturbetrieben nur zögerlich aufgegriffen worden. Auch hier liegt es daran, dass bisher die theoretische Reflexion über die grundlegende Problematik der Spannung zwischen Kunst-, Kultur- und Internetpraxis, nahezu vollkommen ausgeklammert wurde. Die traditionell eher technikskeptischen Kulturschaffenden sind mit „kulturfernen“ Argumenten meist nur schwer zu erreichen, da sie in der Regel über einen künstlerischen, kultur- oder geisteswissenschaftlichen Background verfügen, in dem, wie gezeigt wurde, in romantischer Tradition zwischen „Technik“ und „Geist“ ein problematischer Gegensatz gesehen wird. So verwundert es nicht, dass sich diese meist indirekt auf kunst- und kulturtheoretische Argumente berufen, um darzulegen, warum das Medium Internet für die zentralen Aufgaben eines Kulturbetriebs eigentlich nicht geeignet sei. Da sich beispielsweise in einem virtuellen Museum keine materiellen Objekte ausstellen lassen, sondern nur deren Abbilder, können Vertreter essentialistischer Kunsttheorien (etwa mit einem auratischen Kunstverständnis) ein virtuelles Museum als Ort der Präsentation von Kunst konsequenterweise nur ablehnen, da nach dieser Vorstellung der an den Ausstellungsort bzw. das Objekt selbst gebundene einzigartige Moment nicht reproduzierbar ist und deshalb ein Kunstwerk immer nur partiell über digitale Medien abgebildet werden kann. Auch wenn sich zukünftig die Digitaltechnik weiterentwickelt, werden Vertreter eines solchen auf Walter Benjamin zurückgehenden Kunstverständnisses stets betonen, dass ein virtueller Museumsbesuch einem realen gegenüber immer defizitär ist, da eben dieser
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eine Aspekt, von Benjamin als „Aura“ bezeichnet10, nicht übertragen werden kann. Wie anhand dieses Beispiels deutlich wird, liegt das Problem also nicht an den Möglichkeiten der neuen Medien. Die Ursache für die Ablehnung ist in dem Kunstverständnis verwurzelt, das mit den Übertragungsmöglichkeiten des Internets als unvereinbar und „inkompatibel“ gesehen wird. Im Falle des auratischen Kunstverständnisses heißt dies deshalb, dass man damit beginnen sollte zu zeigen, dass im aktuellen Diskurs der Kunsttheorie dieses Konzept als hochgradig metaphysisch zurückgewiesen wird. Es fehlt hier der Raum, die Argumente der Metaphysikkritik, die gegen ein solches auratisches Kunstverständnis sprechen, im Detail nachzuzeichnen. Um es kurz (und polemisch) zu formulieren: das Konzept der „Aura“ spielt in dem aktuellen Diskurs um die Theorie der Kunst eine ebensolche Rolle wie der Storch in der gynäkologischen Forschung. Es ist, wie bereits Benjamins Freund und späterer Herausgeber Scholem formulierte eine „hinreißend falsche Philosophie“.11 Wie sich in diesem Beispiel ansatzweise zeigt, ist das Problem also nicht das neue Medium, sondern die vertretene Kunst- oder Kulturtheorie, die mit der Internetpraxis als unvereinbar und „inkompatibel“ dargestellt wird. Um nochmals das Bild des Storchs zu bemühen: während Marketing- und Betriebswirtschaftler verzweifelt versuchen, die Kulturschaffenden davon zu begeistern, wie süß doch das Baby Web 2.0 sei, müsste man eigentlich einen Schritt vorher beginnen und sie von dem Irrglauben befreien, dass Babies vom Storch gebracht werden. Ein Plädoyer für den Einsatz des Internets im Kulturbereich muss also bereits bei der Auseinandersetzung mit der Kunst- und Kulturtheorie ansetzen und zeigen, dass diese und die aktuelle Internetpraxis durchaus „kompatible“ Konzepte sind. Mit „Kompatibilität“ ist hier ein hoher Grad an Übereinstimmung der von den Theorien geforderten und im Internet möglichen Handlungs- und Funktionsprinzipen gemeint, was im Folgenden genauer expliziert werden soll.
10 Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Frankfurt a./M: Suhrkamp 1963 [Original 1936] 11 Scholem, Gershom Gerhard: Judaica. Studien zur jüdischen Mystik. Frankfurt a./M: Suhrkamp 1963, S. 214
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User-generated Content Zuvor soll ein Blick auf einen zentralen Aspekt der aktuellen Internetpraktiken geworfen werden, der derzeit mit dem Begriff Web 2.0 verbunden wird. Der Computerexperte und Verleger Tim O’Reilly, der mit seinen Veröffentlichungen maßgeblich für die Popularität des Begriffs Web 2.0 verantwortlich ist, arbeitete in seinem 2005 erschienenen Aufsatz12 die Idee des User-generated Content als den zentralen Baustein des Web 2.0 heraus. Dieses Konzept sorgte in den letzten Jahren dafür, dass bestimmte Websites (wie Facebook, Wikipedia und Twitter) sprunghaft eine enorme Popularität erlangten. User-generated Content heißt, dass der Internetnutzer die Rolle des passiven Konsumenten verlässt und das Netz aktiv mitgestaltet. Die neuen webbasierten Anwendungen (seien es Blogs, Wikis oder Podcasts) ermöglichen nun jedem Internetnutzer (User) mit sehr geringem Aufwand, ohne finanzielle Aufwendungen und ohne technisches Expertenwissen, in die Rolle eines Produzenten zu wechseln und Inhalte (Content) im Internet zu generieren. Das Internet ist, wie es in einer in Deutschland üblichen freien Übersetzung von User-generated Content treffend heißt, zum „Mitmach-Internet“ geworden. Das Time Magazine stellte vor kurzem diese Entwicklung anschaulich dar, in dem es im Dezember 2006 „alle Internetanwender“ zur „Person of the year“ krönte und dies untertitelte: „You. Yes you. You control the Information Age.“13 Auch wenn inzwischen erste kritische Stimmen laut werden, die dem Web 2.0 nicht nur Positives abgewinnen können,14 scheint dies möglicherweise für einige Branchen zu gelten, jedoch nicht für den Kulturbetrieb. Zwar kritisieren Berufsjournalisten, dass ihre Arbeit und damit die Institution Presse, ja sogar die Demokratie selbst von den Amateurschreibern der Blogsphäre bedroht seien. Die Wirtschaft, insbesondere die Old Economy klagt über das neue Kaufverhalten der Konsumenten im Internet, da durch den „Long-Tail-Effekt“ die Ausdifferenzierung der Gesellschaft vorangetrieben wird und Massenprodukte immer schwerer absetzbar werden. Wissenschaftler warnen vor dem Rückfall ins Mittelalter, wenn Wissen nicht mehr von der Wissenschaft, sondern von Dilettanten und Hobbyforschern verwaltet wird, beispielsweise auf Websites wie Wikipedia. Wie bereits erwähnt, mag die Kritik in diesen Bereichen vereinzelt 12 Vgl. www.oreilly.de/artikel/web20.html vom 30.9.2005 13 Vgl. www.time.com/time/covers/0,16641,20061225,00.html vom 25.12.2006 14 Angestoßen wurde die Diskussion u. a. durch Bernd Graff „Web 0.0 – Das Internet verkommt zu einem Debattierclub von Anonymen, Ahnungslosen und Denunzianten. Ein Plädoyer für eine Wissensgesellschaft mit Verantwortung“, in: Süddeutsche Zeitung, Jg. 2007, 8. Dezember 2007.
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berechtigt sein, jedoch nicht für den Kulturbetrieb, wo das Konzept des Usergenerated Content keinen Schaden, sondern ganz im Gegenteil eine Herausforderung im positiven Sinne darstellt. Eine positive Herausforderung deshalb, weil, wie bereits erwähnt, die historischen und modernen Kunst- und Kulturkonzepte, die den aktuellen Diskurs des deutschsprachigen Kulturbetriebes (etwa im Bereich Kulturvermittlung, Kunstverständnis, Kulturtheorie) dominieren, größtenteils von einem ähnlichen, „kompatiblen“ Konzept getragen werden, das man als User-generated Culture bezeichnen könnte. Das soll heißen, dass im theoretischen Diskurs über Kunst und Kultur in den letzten hundert Jahren aus den unterschiedlichsten Perspektiven implizit und explizit neue Möglichkeiten zur Kommunikation und Vermittlung von Kunst gefordert wurden, die einst utopisch anmuteten, nun aber mit dem Medium Internet als realisierbar erscheinen. Diese Überlegung soll aufgrund mehrerer Kompatibilitätsfaktoren zwischen Kunstdiskurs und Internetpraxis aufgezeigt werden, die im Folgenden anhand einiger Beispiele exemplarisch veranschaulicht werden sollen.
Kompatibilitätsfaktor: Das Plurale im Web und in der Kunst Die Idee der Anschlussfähigkeit, der Kommunizier- und Diskutierbarkeit ist ein im Kunstdiskurs vieldiskutierter Topos. Exemplarisch sei hierfür auf das aus der Literaturtheorie stammende, von Roland Barthes erstmals 1970 publizierte Konzept15 des „schreibbaren“ vs. „lesbaren“ Textes aufgeführt, welches den poststrukturalistischen und postmodernen Diskurs maßgeblich beeinflusste (in ähnlicher Form etwa bei Ecos „offenem Kunstwerk“). Barthes fordert von einem zeitgemäßen Text, oder allgemeiner von einem Kunstwerk die Eigenschaft des „Pluralen“. Vereinfacht gesprochen die Möglichkeit für den Rezipienten, das Kunstwerk weiterzudenken und weiter „schreiben“ zu können und nicht nur einfach zu „konsumieren“. Die Praxis der Präsentation von Literatur in Form eines gedruckten Buchs oder die Aufführung eines Dramas in einem Theater sehen jedoch keinen Mechanismus vor, der es auf einfache Weise ermöglicht, den Text „weiterzuschreiben“, da man in der Rolle des passiven Lesers bzw. passiven Zuschauers verharren muss. Im Web 2.0 ist ein Text jedoch so präsentierbar, dass dieser von jedem Rezipienten auch editiert und kommentiert werden kann und so also (im wahrsten Sinne des Wortes) „weiterschreibbar“ ist. Man denke hier beispielsweise an Wikis oder die Kommentar-Funktionen von Blogs oder Video-Podcasts, bei denen jeder Leser oder Betrachter des Textes sofort kommentieren, antworten, verändern und weiterschreiben kann, ohne dass das
15 Barthes, Roland: S/Z. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1976
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Original verloren geht. Vielmehr wird es mit einer Menge von Zuschreibungen verknüpft. Das Internet kann also in dieser Hinsicht einen weit besseren Raum bereitstellen, um Kunst „kommunizierbar“ zu präsentieren. An diesem Beispiel kann auch gezeigt werden, dass das Web 2.0 kein Wundermittel ist. Ein schwacher Text wird auch durch die Präsentation im Internet nicht besser, das Web 2.0 gibt nur dem „schreibbaren“ Text den Raum, der diesem „offline“ nur schwer gegeben werden kann.
Kompatibilitätsfaktor: Die rhizomatische Form Eine weitere „Kompatibilität“ und Parallele zwischen Internetpraxis und der von postmoderner Philosophie beeinflussten Kunsttheorie lässt sich anhand der Strukturierung und Repräsentation von Wissen bzw. Kunst beobachten. Die von Foucault angestoßene Frage nach der „Ordnung der Dinge“ (der Repräsentation), sowie die von Wittgenstein bis Adorno geführte Kritik dualer Ordnungen und der Metaphysik bis hin zur Logozentrismus-Kritik Derridas, fordert stets die Ablösung hierarchischer Strukturen zu Gunsten offener und wachsender Strukturen. Die französischen Philosophen Deleuze und Guattari haben in ihren Publikationen Mitte der 70er Jahre den Begriff Rhizom (Wurzelgeflecht) eingeführt, der als Metapher für das Modell der postmodernen Wissensorganisation und Weltbeschreibung stehen soll. Visualisiert wurde dieses Konzept auf dem 1980 erschienen Buchcover „Tausend Plateaus“16. Stellt man dieses Cover der im Web 2.0 beliebten Darstellungsform von Wissensorganisation, der „Tagcloud“, gegenüber, so werden die Parallelen sofort augenfällig und man muss konstatieren, dass die Erfinder der Tagcloud zwei postmoderne Philosophen sind (die selbst das Internet gerade nicht mehr erlebten).
Kompatibilitätsfaktor: Der Rückkanal „Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn in Beziehung zu setzen.“17 16 Deleuze, Gilles/Guattari, Félix: Tausend Plateaus. Kapitalismus und Schizophrenie. Berlin: Merve 1980 17 Brecht, Bertold: Gesammelte Werke 18. Schriften zur Literatur und Kunst I. Frankfurt a.M.: Suhrkamp 1967 [Orig. 1927], S. 127
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2: Buchcover Deleuze/Guattari „Tausend Plateaus“ (1980)
Diese Passage aus Brechts Radiotheorie wird derzeit häufig zitiert, da diese bis dato als Utopie geltende Überlegung mit Blick auf die Kommunikationsmöglichkeiten des Internets zur Revision bisheriger Urteile anregt. Denn es scheint so, als sei nun, mit dem rückkanalfähigen neuen Medium Internet die Schwachstelle, die im frühen 20. Jahrhundert an den ersten Radioapparaten und allen folgenden Medien bemängelt wurde, geschlossen worden. Ist also das weltweite Datennetz der „denkbar großartigste Kommunikationsapparat“, den sich Brecht vor allem für die Vermittlung von Kunst und Kultur ersehnt hatte? Hans Magnus Enzensberger, der Anfang der 70er Jahre mit seinem „Baukasten zu einer Theorie der Medien“18 die Ansätze Brechts, Horkheimers und Adornos weiterentwickelte, kritisierte den „repressiven Mediengebrauch“ der „Kulturindustrie“ bzw. „Bewußtseinsindustrie“ seiner Zeit und stellte diesen einem „emanzipatorischen Mediengebrauch“ gegenüber, den er sich für die Zukunft erhofft und der sich wie eine Charakterisierung des Web 2.0 liest:
Mediengebrauch nach Enzensbergers „Baukasten“ von 1970 (Auszug)19 Repressiver Mediengebrauch
Emanzipatorischer Mediengebrauch
Zentral gesteuertes Programm
Dezentrale Programme
Ein Sender, viele Empfänger
Jeder Empfänger ein potenzieller Sender
Passive Konsumhaltung
Interaktion der Teilnehmer (feed-back)
Produktion durch Spezialisten
Kollektive Produktion
Kontrolle durch Eigentümer o. Bürokraten Gesellschaftliche Kontrolle durch Selbstorganisation
18 Enzensberger,Hans-Magnus: Baukasten zu einer Theorie der Medien, in: Kursbuch 20, 5. Jahrgang, S. 159-186 19 Ebd., S. 173
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Kompatibilitäten: Social Software und soziale Plastik Für eine seit dem frühen 19. Jahrhundert immer wieder im Diskurs über Kunst und Kultur auftauchende Idee, der Forderung nach der allgemeinen Zugänglichkeit von Kunst, sei exemplarisch auf Beuys verwiesen, dessen bekannte Aussage „Jeder Mensch ein Künstler“ diese Forderung nach dem aktiven und gestaltenden Rezipienten und der Demokratisierung der Kunstproduktion, der „kollektiven Kreativität“ (Beuys), am prägnantesten veranschaulicht. Ein Problem bei der Umsetzung dieser Forderung ist, dass „Jeder Mensch ein Künstler“20 ja ebenso impliziert: jedem Menschen ein Museum bzw. einen Ort, in der die eigene Kunst anderen präsentiert werden kann. In den Ausstellungsräumen der Museen ist dies jedoch nicht möglich, da der „reale“ Raum der Ausstellungsfläche begrenzt ist. In dem unendlichen Raum eines virtuellen Museums, etwa in Second Life oder in einer anderen 3D-Online-Welt, ist dies jedoch problemlos realisierbar. Ein virtuelles Museum kann so eingerichtet werden, dass sich jeder Besucher in den virtuellen Räumen als Künstler betätigen kann, etwa um virtuell ausgestellte Objekte zu modifizieren oder eigene Objekte zu erstellen, da hier, anders als im realen Museumsbau, nahezu unendlich viel Fläche zur Verfügung steht. In einem Online-Museum wäre also Beuys Forderung einlösbar: Jeder Mensch ein Künstler, da das Internet dafür die „unendliche“ Präsentationsfläche bereitstellt. Beuys’ Konzept der Sozialen Plastik und die Social Software des Web 2.0 scheinen also auf gleichen Fundamenten zu ruhen.
User-generated Culture in der Praxis Diese Beispiele geben Hinweise, dass der aktuelle Diskurs größtenteils von einem ähnlichen „kompatiblen“ Konzept getragen wird, der sich als Usergenerated Culture bezeichnen lässt. Diese Doppelkodierung des Akronyms UGC ist eine gewisse Provokation zu einem Spiel der Differenzen, die zu einer erneuten Lektüre der kunst- und kulturtheoretischen Texte anregen soll. Die Verschiebung und Wandlung der Bedeutung kann an ihrer Grenze offenlegen, dass im theoretischen Diskurs über Kunst und Kultur in den letzten hundert Jahren aus den unterschiedlichsten Perspektiven implizit und explizit neue Möglichkeiten zur Kommunikation und Vermittlung von Kunst gefordert wurden, die einst utopisch anmuteten, nun aber mit dem Medium Internet im Kontext des Web 2.0 als realisierbar erscheinen. Und um auf Novalis zurückzukommen: Es scheint so, als ermögliche das Web 2.0 Kunst und Kultur in einer Form in die
20 Beuys, Joseph: Sprechen über Deutschland. Rede vom 20. November 1985 in den Münchner Kammerspielen. Wangen: Fiu-Verlag 1995
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neuen Medienwelten übersetzen zu können, die zwar nicht „mythisch“ überträgt, aber durch die „verändernde Übersetzung“ das eigentliche Kunstwerk durch die Kompatibilität der Internetpraxis und der Kunsttheorie gewinnt. Was hier nur ansatzweise angedeutet werden kann, wird eine derzeit in Arbeit befindliche Studie im Detail erarbeiten. Die Grundidee sollte jedoch schon hier ersichtlich werden: Um Kulturinstitutionen letztendlich von der Idee des Web 2.0 zu überzeugen, muss auch über das kunst- und kulturtheoretische Fundament nachgedacht werden. Um abschließend von diesen eher theoretischen Überlegungen zurück zur Praxis zu kommen: Für Kulturschaffende sollte dies heißen, sich nicht von Marketingexperten überreden zu lassen, von heute auf morgen mit Twitter, einem Blog oder anderen webzweinulligen Tools zu starten, nur um dem Trend zu folgen und damit den einen oder anderen jüngeren, medienaffinen Besucher zu locken. Zweifellos ist dies durchaus ein interessanter Nebeneffekt, jedoch sollte zuvor die Überlegung angestellt werden, welche Ziele von dem Kulturbetrieb neben dem Kernbereich des Konzertbetriebs eigentlich verfolgt werden. Geht es um Kunst- und Kulturvermittlung und „kulturelle Bildung“? Oder soll die Kommunikation und der Austausch mit den Besuchern verbessert werden, so dass diese möglicherweise Einfluss auf die musikalische Programmgestaltung nehmen oder nach Konzerten Feedback geben können? Diese Fragen lassen sich beliebig fortführen und enden schließlich alle bei der fundamentalen Frage, warum überhaupt „Kunst“? Wer darauf keine Antwort geben kann, dem werden auch die neuen Medienwelten nicht weiterhelfen. Wer jedoch darauf eine Antwort hat, wird mit Erstaunen feststellen, welche Möglichkeiten dafür das Web 2.0 aufgrund der inhärenten Kompatibilität aktueller Internetpraxis mit Kunst- und Kulturtheorien, der User-generated Culture, bietet.
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Sabria David
Zur Genese of fener Werke: Rotkäppchen 2.0 Medienwandel und schriftliche Mündlichkeit
Das Märchen lebt „Das Märchen lebt“. Dieser Satz ist ein gängiger Topos, wann immer es um Märchen geht, sei es in Vorworten zu Märchenausgaben oder in Zeitungsberichten über Theateraufführungen. Die Gebrüder Grimm selbst, Jacob und Wilhelm, stellten ihrer ersten Auflage der „Kinder- und Hausmärchen“ ein Zitat von Hesiod voran: „Sage vergeht nie ganz, die verbreitete, welche der Völker redende Lippe umschwebt: Denn sie ist unsterbliche Göttin.“ (Hesiod, 763)1
Wer „unsterblich“ ist, der lebt. Und das Märchen lebt tatsächlich.
Drei Haselnüsse für Aschenbrödel, 19732
1 Kinder- und Hausmärchen gesammelt durch die Brüder Grimm. Siebente Auflage, Göttingen: 1857. Zitiert nach: Brüder Grimm, Kinder- und Hausmärchen, Ausgabe letzter Hand, herausgegeben von Heinz Rölleke, Stuttgart: Philipp Reclam jun., 1997 2 www.dreihaselnuessefueraschenbroedel.de (Sept. 2009)
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1973 entstand in Kooperation zwischen der CSSR und der DDR der Märchenfilm „Drei Haselnüsse für Aschenbrödel“. Seit 1975 wird dieser Märchenfilm jedes Jahr in der Weihnachtszeit im Fernsehen gezeigt und gehört nicht nur hier – auch in vielen anderen europäischen Fernsehstationen – zum festen Weihnachtsrepertoire. Ein Märchenfilm ganz anderer Art ist „7 Zwerge – Männer allein im Wald“. Die Variante von „Schneewittchen und die sieben Zwerge“ von und mit Otto Waalkes war 2004 der zweiterfolgreichste Film in den deutschen Kinos. Der Film lief so gut, dass zwei Jahre später eine Fortsetzung folgte: „7 Zwerge – Der Wald ist nicht genug“. Das Märchen kann sich nicht nur in das Filmmedium verwandeln, auch auf der Bühne kommt es immer wieder im neuen Gewand daher.
Lebkuchenhaus im Schultheater, 2009 (Foto: Sabria David)
In einer Märchenaufführung einer Bonner Schule hat sich das Lebkuchenhaus von Hänsel und Gretel den regionalen Besonderheiten angepasst und ist zum Gummibärchen- und Lakritzschnecken-Haus geworden (Haribo = Hans Riegel Bonn). Björn Grau und Max Winde hingegen lassen mit ihren Märchen-Podcasts die mündliche Tradition der Märchen aufs Schönste wiederaufleben. In mittlerweile fünf Märchenstunden, die sie als Podcast veröffentlichten, lesen sie Märchen vor, vergleichen verschiedene Textfassungen, legen sie aus, unterhalten sich,
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schweifen ab und kommen immer wieder auf die alten Motive zurück.3 Hier finden wir einen ersten Hinweis, dass die so genannte Web-2.0-Technologie und mündliche Tradition sich nahestehen. Ein weiterer Hinweis darauf findet sich in dem Phänomen Susan Boyle. Die 48-jährige arbeitslose und alles andere als attraktive Schottin wurde zeitlebens von ihrem Dorf als „Susan Simple“ verspottet. Nach dem Tod ihrer 91-jährigen Mutter, die sie zu Lebzeiten pflegte, beschloss sie, dass jetzt ihre Zeit gekommen ist. Sie singt in der Talentshow „Britain’s Got Talent“ vor. Der Saal amüsiert sich über das hässliche Entlein, bis diese, unbeirrt vom Spott der Massen, zu singen beginnt, und zwar überraschend schön. Ihrem Gesang gelingt Unerwartetes: Er rührt die Zuschauer und die Jurymitglieder zu Tränen. In einem magischen Moment kippt die Situation. Innerhalb von Sekunden verwandelt sich die Herablassung und Missachtung des Saals in Bewunderung und stehende Beifallsstürme.
Susan Boyle und das Urbedürfnis nach Wandlung4
Die YouTube-Videos, die ihren Auftritt zeigen, wurden über 60 Millionen Mal angeklickt und lösten einen riesigen Medienrummel aus, der Susan Boyle schlagartig zur Berühmtheit machte.
3 Märchenstunden-Podcasts von Björn Grau und Max Winde: www.spreeblick. com/?s=m%C3%A4rchenstunde [Sept. 2009]. Von wegen schnelle digitale Welt: Die Märchenstunden gehen tatsächlich über eine Stunde, mal nebenbei sind sie also nicht zu konsumieren. Man braucht dazu: ein Sofa, heißen Tee und eine (am besten karierte) Decke. 4 www.youtube.com/watch?v=RxPZh4AnWyk (Sept. 2009)
Sabria David 31 Zur Genese offener Werke
Ein hässliches und verspottetes Wesen beschließt nach dem Tod der Mutter, sein Leben in die eigene Hand zu nehmen, gibt nicht auf und erreicht schließlich das verdiente Ziel. Die Geschichte der Susan Boyle zeigt, warum auch heute noch Märchen Bedeutung für das Leben der Menschen haben. Das menschliche Urbedürfnis nach Wandlung, das auch in vielen Märchen Gestalt annimmt, drückt sich hier in Form horrender Klickraten aus. Das Märchen lebt also. Aber warum lebt es? Wie kommt es, dass Märchen und Mythen, deren Entstehung so weit zurückreicht, heute noch relevant sind?
Märchen: Zeugnisse einer mündlichen Tradition Jacob und Wilhelm Grimm gelten als die Väter der Märchen. Ihre Kinderund Hausmärchen sind neben Luthers Bibelübersetzung das am weitesten verbreitete Buch der deutschen Literatur und wurden in 160 Sprachen übersetzt.5 Trotzdem sind Grimms Märchen nicht wirklich „Grimms“ Märchen. Jacob und Wilhelm Grimm haben Rotkäppchen, Schneewittchen und Allerleirauh nicht geschrieben, sie haben sie aufgeschrieben. Die Grimms sind keine Autoren, sie sind Chronisten (Feinheiten, die in der kulturellen Wahrnehmung bisweilen verlorengehen).6 Die Originalausgaben7 sind da genauer, hier steht: „Gesammelt durch die Brüder Grimm“. Grimms Märchen sind Volksmärchen. Sie unterscheiden sich in ihrer Entstehung grundlegend von Kunstmärchen wie z.B. der Prinzessin auf der Erbse, die von Hans Christian Andersen geschrieben worden sind.8 Volksmärchen sind dagegen Zeugnisse einer mündlichen Überlieferungstradition, Ergebnisse mündlicher Entstehung von Kulturgut.
5 Lauer,
Bernhard:
www.grimms.de/contenido/cms/front_content.php?idcat=10
(Sept. 2009) 6 Auf den meisten Märchenausgaben steht „von Jacob und Wilhelm Grimm“. Auch Amazon listet die Grimms als Autoren auf. 7 Wer Handexemplare und handschriftliche Randnotizen mag, sollte sich das digitalisierte Faksimile des Brüder-Grimm Museums in Kassel ansehen: „Die Kasseler Handexemplare“ www.grimms.de/contenido/cms/front_content.php?idcatart=521&la ng=1&client=1 [Sept. 2009] 8 Sie unterscheiden sich in ihrer Entstehung, inhaltlich sind sie dennoch verwandt, da Andersen auf klassische Märchenmotive zurückgreift.
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Jacob und Wilhelm Grimm hatten die Sorge, dass dieses eigentlich unvergängliche und „unsterbliche“ Volksgut dennoch verschwinden könnte, das bisher „einer Zeit aus der anderen überliefert“9 wurde. Das Erzählen war zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf dem Rückmarsch. „Die Sitte selber nimmt immer mehr ab“,10 stellten sie wohl zu recht fest und wollten die Zeugnisse der Volkspoesie festhalten und bewahren. Sie begannen, über Jahre hinweg Märchen zu sammeln. Sie sammelten sie bei so genannten Märchenbeiträgerinnen ein, von denen sie sich Märchen erzählen ließen. Marie Hassenpflug beispielsweise, jung, gebildet, aus gutem Hause. Und die Märchenfrau Dorothea Viehmann, von den Grimms fast liebevoll „die Viehmännin“ genannt. Die Brüder Grimms schreiben im Vorwort über sie: „Sie bewahrt diese alten Sagen fest in dem Gedächtniß, welche Gabe, wie sie sagt, nicht jedem verliehen sey und mancher gar nichts behalten könne.“
In ihrem Handexemplar notieren die Brüder Grimm an dieser Stelle das Datum ihres Todes.
Handschriftliche Notiz (von mutmaßlich einem der Grimms): „Gestorben den 17. Nov. 1815 Abends“.11
9 Grimm, Vorwort, S. 15 10 Ebd., S. 15 11 Vorrede zum zweiten Band der Kinder- und Hausmärchen (1815), S. V. Handschriftliche Notiz im Kasseler Handexemplar: www.grimms.de/khm/khmhexa. php?zaehlhex=498 (Sept. 2009)
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Als Kind hatte Dorothea Viehmann im Wirtshaus ihres Vaters – dem Brauhaus „Knallhütte“, in der Nähe von Kassel, das es auch heute noch gibt – den Geschichten der fahrenden Gesellen, Handwerksleute und Reisende gelauscht. Sie hatte ein schier unendliches Repertoire und ein Großteil der Hausmärchen stammt von ihr.
Die Gebrüder Grimm bei der Märchenerzählerin Dorothea Viehmann, Louis Katzenstein12 („The Brothers Grimm at the Fairy-Tale-Ladys“)
Auch Dorothea Viehmann und Marie Hassenpflug haben sich also die Geschichten nicht ausgedacht. Sie haben erzählt, was man sich erzählte, was von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Auf diesem zeitgenössischen Gemälde von Louis Katzenstein sehen wir, wie Jacob und Wilhelm Grimm bei Dorothea Viehmann ihrer Chronistenpflicht nachkommen. Was wir hier sehen, dokumentiert genau den Übergang von einer mündlichen zu einer schriftlichen Tradition: Volkes Stimme spricht durch das Medium der Märchenerzählerin, die rechte Hand hält sie während des Erzählens in einem belehrend-beschwörenden Gestus, in der linken ruht ihr Strickzeug. Mit der Spinnerin im Hintergrund verweist dies auf die Erzählorte, in deren Kontext die Geschichten weitergegeben wurden (Spinnstuben, gemeinsames Handarbeiten). Zuhörende Kinder verweisen auf die generationsübergreifende Tradierung hin, ein Aspekt (vergehende Zeit, vielleicht auch Vergänglichkeit), der durch die tickende Wanduhr mit im Schwung befindlichen Pendel im Hintergrund betont wird. Ein schwarzer Rabe sitzt der Märchenerzählerin nahezu
12 www.wikigallery.org/wiki/painting233550/Louis-Katzenstein/The-BrothersGrimm-at-the-Fairy-Tale-Ladys (Oktober 2009). Das Motiv muss Katzenstein fasziniert haben, es gibt vier verschiedene Varianten des Bildes. Die zentralen Elemente (beschwörend-segnender Gestus, vergehende Zeit, Rabe, Kinder, zuhörende Chronisten) sind auch in den Anderen vorhanden.
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auf der Schulter und repräsentiert das magische Element der Märchen. Neben ihr sitzen die aufmerksamen Chronisten und hören ihr mit gespitzten Ohren und gezücktem Stift zu. Der hintere der beiden Grimms, der dem Bildbetrachter zugewandt ist, übersetzt das Gehörte unmittelbar in das Medium der Schrift, indem er es in sein Buch aufschreibt. Hinter ihm, in der Bildmitte, sitzt ein Kind an einem Schreibpult und schreibt.13 Das Gemälde ist ein metaphorisches Bild für den Übergang von Oralität zu Literalität. Schriftliche Zeugnisse dieses Übergangs finden sich z.B. in Gestalt der Bibel, des Korans und in den Dichtungen Homers. Sie alle sind Schriftzeugnisse, greifen aber – wie auch die Grimms – auf einen vorhandenen Fundus mündlich überlieferter Stoffe zurück.14
Das Mündliche: Das Ephemere, das Vage Geschichten und Stoffen, die in mündlicher Tradition entstanden sind, haftet von jeher etwas Flüchtiges an. Mündlich Entstandenes ist nicht greifbar, unkonkret und von vager Kontur. Wo kommt es her? Es ist durch keinen Autor, durch keine Autorität verbürgt. Wer zeichnet dafür? Niemand (oder: Alle). Schaut man auf die Etymologie, spürt man diese Skepsis. Märchen (auch: Märlein) kommt von mittelhochdeutsch „meare“: Nachricht, Kunde. Das Deutsche Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm (die ja nicht nur Märchen, sondern auch Worte gesammelt und dokumentiert haben) verzeichnen zu „Märchen“ mehrere Bedeutungen:
Kleine Mär, kleine erzählung: fabula […] […] im Gegensatz zur wahren Geschichte stehend. […] Eine kunde, nachricht, die der genauen beglaubigung entbehrt, ein bloszes weiter getragenes gerücht. […] etwas bewust gelogenes, erfundenes15
13 Vielleicht malt es auch oder macht Hausaufgaben. 14 Im Falle Homers befasst sich ein ganzer Forschungszweig mit der so genannten „Homerischen Frage“, der Frage nach der Existenz und Autorschaft Homers und dem mündlichen Ursprung seiner Werke (also eine Variante des Bestellers „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“). 15 Deutsches Wörterbuch von Jacob und Wilhelm Grimm. Nachdruck München dtv, 1885/1999. Bd. 12, Sp. 1618ff
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Der Langenscheidt zählt zu fabula, dem lateinischen Pendant, folgende Bedeutungen auf: 1. Gerede der Leute, Stadtgespräch 2. Unterhaltung 3. Erzählung, Fabel, Märchenaufführung 4. Gegenstand, Fabel der Dichtung 5. Drama, Epos und 6. Dummes Zeug! Die Nähe des Erzählten zum Gerücht liegt in ihrer mündlichen Entstehung. Eine heutige Parallele finden wir in urbanen Mythen, Großstadtlegenden, die – strenggenommen – nicht wahr sind. Aber sie werden weitererzählt, weil man sie eben für wahr halten könnte. Sie sind ein Spiegel dessen, was die Menschen zu glauben bereit sind.16
Märchen: Zeugnisse kollektiver Autorschaft Volksmärchen haben keinen Autor, der für sie gerade steht. Sie entstehen im Volk, in kollektiver Autorschaft. Sie werden erzählt und wiedererzählt. Jeder, der miterzählt, beteiligt sich an einem gigantischen Geneseprozess, in dessen Verlauf über Generationen hinweg jeder Märchenerzähler Stoff entnimmt, filtert und anreichert und diesen wieder in den Kulturpool zurückgibt (s. Anhang Abb. 3). Individuelles wird hinzugefügt und im Laufe der Zeit wieder herausgefiltert, wenn es kein Echo in der Erzählgemeinschaft findet. Motive und Stoffe werden immer wieder neu zu Geschichten verwoben, bis sie sich zu einer immer dichter werdenden Form kondensieren. Analog zu der Dichtung (die einen Autor voraussetzt) kann man hier von einer Verdichtung sprechen. Das Werk entwickelt sich im Austausch mit seinem Umfeld selbst, wie ein lebender Organismus. Rezeption und Produktion des Werkes (von „Content“) liegen bei Märchen in einer Hand: Wer rezipiert, hat zugleich Einfluss auf den Stoff. Wer tradiert, wirkt an der Tradition mit.
16 Viele urbane Mythen gehen zum Beispiel auf Befürchtungen gegenüber einer undurchschaubar gewordenen Technik zurück.
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Paradigmenwechsel Buchdruck Mitte des 15. Jahrhunderts erfindet Johannes Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Lettern. Durch diese Technik war es nun möglich, Bücher in Massenproduktion herzustellen. Das demokratisierte die Rezeption von Büchern. Sie wurden erschwinglicher, jeder (Alphabetisierung vorausgesetzt) konnte lesen, der Zugang zu Büchern hatte. Höfe und Klöster hatten kein Buchmonopol mehr. Sogar die Bibel konnte jetzt vom „Volk“ (das nicht des Lateinischen und Hebräischen mächtig war) gelesen werden, seit Luther sie ins Deutsche übersetzt hatte. Das finstere Mittelalter hinter sich lassend, entsteht das Frühneuhochdeutsche, unsere noch heute gebräuchliche Sprache. Ein fundamentaler Fortschritt, mit einem Preis: Die Produktion und Rezeption von Content werden getrennt. Es darf zwar jeder lesen, aber das Schreiben wird und bleibt die Sache einiger Auserwählter (Autoren/Autoritäten). Die Kluft zwischen Produktion und Rezeption überbrücken Verlage. Sie verhelfen den Autoren zu Öffentlichkeit und den Lesern zu Lesestoff.
Die Schriftlichkeit: Das Konkrete, die klare Kontur Mit dem Buchdruck setzte sich die Schriftlichkeit durch. Und Huckepack mit der Literalität kam der, mitunter geniale, Autor. Der benennbare Urheber, der Rechenschaft über sein Werk ablegen kann. Der Autor sorgt für eine verbindliche Gestalt des Werkes. Es hat eine klare, definite und festgeschriebene Kontur. Die Rollen sind eindeutig verteilt: Hier der Autor, das Werk, der Verlag – und dort der Leser (s. Anhang Abb. 1).
Der „Z3“, 1941 von Konrad Zuse gebaut, gilt als der erste Computer17 17 Image courtesy of Computer History Museum, www.computerhistory.org/ timeline/?year=1941 (Sept. 2009)
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Things are Changing Und so blieb es lange. Bis wieder eine neue Technik das Licht der Welt erblickte: der Computer. Zunächst einmal blieb alles beim Alten. Weil der Computer wie eine bessere Schreib- und Rechenmaschine benutzt wurde. Wie eine Umsetzmaschine, wie ein weiterer Informationskanal neben anderen. Aber dann wurde die Technologie erwachsen und die Nutzer wurden es auch: Aus dem Kanal wurde ein Wechselkanal. Informationen flossen nun nicht mehr nur in eine Richtung. Der Schreibende und der Lesende leben nicht mehr – wie im Buch – in getrennten Welten. Sondern der Leser kann Mitautor sein. Viele Menschen können zeitgleich auf dasselbe Material zugreifen. Sie lesen, rezipieren, konsumieren es. Und zeitgleich verändern sie es auch. Sie greifen ein. Sie produzieren mit. Sie hinterlassen Spuren. Diese Dynamik war bisher nur in der mündlichen Tradition möglich. Die Unmittelbarkeit der Kommunikation, das Sprechen, Handeln und Interagieren in Echtzeit war ein Kennzeichen mündlicher Traditionen.18 Auf den ersten kulturhistorischen Paradigmenwechsel von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit folgt ein zweiter: Die Zeit der reinen Schriftlichkeit ist vorbei. Eigenschaften der Mündlichkeit und der Schriftlichkeit verbinden sich nun zu etwas Neuem. Auch hier ermöglicht eine neue Technologie eine neue Art der Kommunikation. Rezeption und Produktion haben auf neue Weise wieder zusammengefunden. Auf eine Formel gebracht bedeutet das:
18 What would McLuhan say? Er hat die Entwicklung hin zu einer neuen Mündlichkeit schon vor rund 50 Jahren vorhergesehen. Marshall McLuhan spricht bei der Oralität vom „tribal man“, der Content in Echtzeit wahrnimmt und weiterträgt, von einer Kultur des Ohres. Diese Kultur des Ohres, die dem Menschen „involvement“ ermöglicht hat, wurde abgelöst durch eine Kultur des Auges (der Literalität), die durch die Übersetzung von Inhalten in einen visuellen Code (Schrift) Dezentralisierung möglich macht. Das schafft zwar Zivilisation, trennt aber zwischen Rezeption und Produktion. Anstelle des „involvement“, des Beteiligtseins, des Sich-Einbringens, tritt der Mensch der Literalität, der nur konsumiert. „The literate man absorbs“. Marshall McLuhan: The Gutenberg Galaxy. Toronto, University of Toronto Press, 1962. S. 27. www.youtube.com/watch?v=faK9HUvH2ck&NR=1 (Sept. 2009).
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Das Internet ist ein Schriftmedium, das nach den Regeln der Mündlichkeit funktioniert. Es entsteht eine synchrone schriftliche Mündlichkeit: In einem Schriftmedium können Menschen, die dezentral an völlig verschiedenen Stellen der Welt Internet-Zugang haben, in Echtzeit kommunizieren (als würden sie einander gegenüberstehen und miteinander sprechen). Und sie können gemeinsam an Inhalten arbeiten, auf denselben Content zugreifen. Das Internet ist das Buch, an dem wir alle schreiben. Oder: die Bibliothek, an der wir alle schreiben.19 Ein prominentes – und äußerst erfolgreiches – Beispiel für User-generated Content (also Inhalte, die von Nutzern hervorgebracht werden) ist die OnlineEnzyklopädie Wikipedia. Sie entstand innerhalb weniger Jahre. Seit 2001 haben 289.000 (angemeldete und eine unbekannte Anzahl unangemeldete) Nutzer über 10 Millionen Artikel erstellt, deren Qualität überraschend an die der Encyclopædia Britannica und der Brockhaus Enzyklopädie heranreicht und (mindestens in punkto Aktualität) auch übertrifft (s. Anhang Abb. 5). Ein ähnliches Phänomen lässt sich bei der Entstehung von Open Source Software beobachten. In weltweiter Zusammenarbeit entstehen Software-Programme, deren Quellcodes offenliegen. Jeder Nutzer hat Zugriff auf diesen Bauplan des Programms, kann hier eingreifen, ihn seinen Bedürfnissen anpassen und weitergeben. Der Gesamtwert aller ausgereiften Open Source-Lösungen wurde von der EU 2006 in einer Studie20 auf 12 Milliarden Euro geschätzt. Die Menge an frei verfügbaren Codezeilen verdoppelt sich seit acht Jahren in 1- bis 2-Jahresintervallen, Tendenz steigend (s. Anhang Abb. 4, zum Vergleich die Entstehung proprietärer Software Abb. 2). Die Mechanismen Web-2.0-gestützer Kollaboration macht sich auch das Projekt Digitales Stadtarchiv Köln zunutze. Hier entsteht eine digitale Rekonstruktion der durch hydraulischen Grundbruch verschütteten realen Archivalien des Stadtarchivs Kölns (s. Anhang Abb. 6). Was im Märchen über Generationen hinweg in der zeitlichen Vertikalen ent19 Vielleicht, wer weiß, ist das Internet eine digitale und dynamische Version von Borges’ „Bibliothek von Babel“, der unendlichen Bibliothek aller möglichen Variationen aus 25 Zeichen. Jorge Luis Borges: Die Bibliothek von Babel. Stuttgart 1974. S. 47-57 20 Die so genannte Merit-Studie: „Study of the economic impact of Free/Libre or Open Source Software (FLOSS) on the European ICT sector“, www.flossimpact.eu (Oktober 2009)
Sabria David 39 Zur Genese offener Werke
steht (ein offenes, lebendes Werk, das sich verändert und den jeweiligen Bedingungen evolutionär anpasst), das entsteht auf dieselbe Weise auch bei Wikipedia und Open Source Software. Aber: Im Zeitraffer, denn durch die Möglichkeit des synchronen Zugriffs zahlreicher Nutzer kann sich dieser Entstehungsprozess nahezu synchron abbilden.
Die Permeabilität der Werk-Kontur ändert sich Die Web 2.0-Technologien und die Kollaboration, die sie ermöglichen, lösen starre Strukturen. Das „Werk“ verliert seine klare Kontur, die es in der reinen Schriftlichkeit noch hatte. Das Werk wird durchlässig, seine Kontur wird permeabel.21 Das sind die Unterströmungen, die dem gegenwärtigen Medienwandel zugrunde liegen. Der Urheberbegriff verändert sich. Was ist mit dem Urheber? Wo bleibt die Autorität des Autors? Wird er entthront? Werden die Verlage entthront,22 deren Hilfe Autoren und Leser bisher gebraucht haben, um zueinanderzufinden? Die Veränderungen machen nicht beim Buchwesen halt. Sie bringen Bewegung in viele gesellschaftliche Disziplinen.23 Wissenschaft, Presse, Musik, Software, Politik, Unternehmenskommunikation – für sie alle ändern sich die Grundvoraussetzungen durch die technologiegestützte Möglichkeit zum Austausch von Informationen: • Informationsmonopole sind immer schwerer zu halten. • Verbraucher tauschen sich aus. • Inkonsistente Kommunikation fällt auf. • Autoren können selbst Öffentlichkeit erreichen. • Werke sind von jedem reproduzierbar. • Jeder ist und hat Öffentlichkeit.
Die Dinge geraten in Bewegung. Strukturen lösen sich, Festgefügt-Geglaubtes gerät ins Wanken. Alte Antworten passen nicht mehr. Aber – und das macht 21 Die Durchlässigkeit der Kontur hat viele Abstufungen (von permeabel über semipermeabel bis geschlossen) 22 Und: Wer entthront überhaupt? 23 Dass so viele gesellschaftliche Bereiche betroffen sind, zeigt, dass es sich um tiefgreifende Veränderungen handelt.
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die Sache spannend – es wird auch Neues möglich. Neue Verknüpfungen. Neue Muster. Neue Antworten.
Eine Poetik of fener Werke: „L’idée vient en parlant“
Logo zur Kennzeichnung einer Betaversion http://de.wikipedia.org/wiki/Betaversion #Beta-Version (Oktober 2009)
„To live right on the shooting line, to live right on the frontier of change and so on is terrifying“ konstatierte Marshall McLuhan in einem Interview24 aus den 1960er Jahren. Er hat schon früh einen eigenen Clash of Cultures hervorgesehen: „The clash between written and oral discourse“,25 der im Computer-Zeitalter wieder zu einem neu ermöglichten „involvement“ und zu einer „retribalization“ führt. Das Nebeneinander bisheriger und neu entstehender Kulturkonzepte führt naturgemäß zu Reibungen und Ängsten. Doch statt sich in einen Kulturgrabenkampf zu stürzen, auf dessen Seiten sich die Printwelt und die Onlinewelt vermeintlich unversöhnlich gegenüberstehen, ist Folgendes viel spannender: Innezuhalten und hinzusehen, was da genau passiert. Zu versuchen, die Mechanik zu verstehen. Regeln für den Umgang zu definieren. Über den Tellerrand der Disziplinen zu schauen und die Funktionsmechanismen konstruktiv zu nutzen. Wie entstehen offene Werke? Wie funktionieren offene Systeme? Unter welchen Bedingungen bringen sie Sinnvolles hervor, unter welchen nicht?
24 In einem Fernsehinterview mit herrlicher James-Bond-Trailer-Optik: www.you tube.com/watch?v=A7GvQdDQv8g (Sept. 2009) 25 McLuhan: The Gutenberg Galaxy, S. 238
Sabria David 41 Zur Genese offener Werke
Was dafür notwendig ist, ist eine neue Poetik offener Werke, eine Lehre ihrer Entstehungsweise.26 Und zwar disziplinübergreifend. Text ist Code ist Content und deren Entstehung unterliegt vergleichbaren Regelmäßigkeiten. Die Genese offener Werke vollzieht sich im Partizip Präsens des „L’idee vient en parlant“,27 im von Heinrich Kleist so schön beschriebenen „Allmählichen Verfertigen des Gedankens“28 im Gespräch und Austausch mit anderen. Es ist das Grundprinzip der Betaversion,29 das Kleist hier (freilich für den mündlichen Diskurs) beschreibt. Das Prinzip eines im immerwährenden Austausch- und Rückkopplungsprozess besser werdenden Werkes. Es hat wie ein lebender Organismus keine definite Form und entwickelt sich weiter. Was entsteht, ist keine letzte Wahrheit mehr. Es wird wahrer, je mehr sich daran beteiligen. Es überholt sich selbst. Es schreibt sich fort. Es lebt tatsächlich.
26 Umberto Eco konstatiert 1963 in seinem Essay „Opera Aperta“ („Das offene Kunstwerk“) einen Gegensatz zwischen einer Poetik der Eindeutigkeit und einer Poetik der Offenheit, in welcher das Kunstwerk sich selbst nicht als definit begreift, sondern die Rezipienten zum Auswählen und Neukombinieren von Bedeutung auffordert. Eco ging hier noch von einem in seiner Geste zwar offenen, in seiner Kontur aber klaren Werk aus. Umberto Eco: Das offene Kunstwerk. Frankfurt, Suhrkamp, 1973 (Umberto Eco: Opera Aperta. Mailand, 1962) 27 Heinrich von Kleist: „Über die Allmähliche Verfertigung des Gedankens beim Reden“. In: Kleists Werke in zwei Bänden. Berlin und Weimar, Aufbau-Verlag 1985. Band 1, S. 307 bis 313. S. 308 28 Ebd., S. 307 bis 313 29 Der Begriff „Betaversion“ stammt aus der Softwareentwicklung. Es bezeichnet das Entwicklungsstadium eines noch unfertigen Computerprogramms, das durch Nutzung und die Rückmeldungen der Testnutzer immer weiter reift.
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Anhang Schematische Darstellung der Entstehung geschlossener und offener Werke
1: Entstehung einer traditionellen Publikation Grafik: Sabria David
2: Entstehung proprietärer Software Grafik: Sabria David
Sabria David 43 Zur Genese offener Werke
3: Entstehung von Märchen Grafik: Sabria David
4: Entstehung von Open Source-Software Grafik: Sabria David
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5: Entstehung von Wikipedia Grafik: Sabria David
6: Entstehung des Digitalen Stadtarchivs Köln Grafik: Sabria David
Gregor Hopf 45 Die zerstörerische Kraft des Internets
Gregor Hopf
Die zerstörerische Kraft des Internets Woher nimmt das Internet seine Schumpeter’sche Kraft der „Kreativen Zerstörung“ und was folgt daraus?
Seit Mitte der neunziger Jahre hat eine Erfindung unsere moderne Welt so schnell und grundlegend verändert wie kaum eine technische Innovation zuvor: das Internet. Woher nimmt das Internet diese phänomenale Kraft der Schumpeter’schen „Kreativen Zerstörung“? Was kann hieraus abgeleitet werden, um potentiell erfolgreiche Geschäftsmodelle im Internet ex ante von nicht erfolgreichen zu unterscheiden? Welche Konsequenzen sollten Gesellschaft und Politik aus diesen zu erwartenden Erfolgskriterien für Geschäftsmodelle im Internet ziehen, um das Internet weiterhin als positive Kraft der Veränderung zu nutzen und von ihr profitieren zu können? „Das Netz hat unsere Welt in einem Maße revolutioniert wie die Erfindung des Buchdrucks oder die Spaltung des Atom. Es ist das Treibrad der Globalisierung“, so Matthias Naß, stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit. „Das Internet ist das Betriebssystem unserer modernen Gesellschaft.“1 Seit der Einführung des World Wide Web, das inzwischen in der populären Wahrnehmung mit dem Internet gleichgesetzt wird, haben sich Kommunikationsformen, Lebensarten, Produktgruppen und ganze Industrien neu erfunden. Über unsere reale, physische Welt zieht sich inzwischen eine zweite virtuelle Welt. Wenn man sich die Datenleitungen, aus denen das physische Rückgrat des Internets besteht, bildlich vorstellt, kann man sehen wie sich über unsere Weltkugel aus Wasser und Erde eine zweite, von Menschen geschaffene Schicht darüberlegt, eine zweite virtuelle Welt. Diese müssen wir verstehen lernen. Mit anderen Worten: Die Welt ist eine Google geworden. Aber warum?
1 Naß, Matthias (2008): Vorwort zum Zeit Internet Spezial; Die Zeit, 30.4.2008, Seite 2
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Einleitung – ein paar Fakten Während das Telefon 40 Jahre benötigte, um 10 Millionen Nutzer zu verbinden, hat dies das Internet in lediglich vier Jahren geschafft. Heute sind über eine Milliarde Menschen mit dem Internet verbunden und es kommen monatlich Millionen dazu. Über 42 Millionen Deutsche oder 65 % der Gesamtbevölkerung über 14 Jahren nutzen das Internet regelmäßig. In keiner Altersschicht zwischen 14 und 60 Jahren gibt es eine Gruppe, von der mehr als ein Drittel das Internet nicht regelmäßig nutzt. Unter den Berufstätigen nutzen 79 % das Internet regelmäßig, bei den Studenten und Auszubildenden sogar 95 %. Nur bei den Rentnern und Nicht-Berufstätigen liegt die Internetnutzung bei relativ niedrigen 33 %. Der Großteil der „Offliner“ ist nicht berufstätig, über 60 Jahre alt, besitzt kein Abitur und ist weiblich.2 Der bei weitem größte Teil der Internetnutzer, 72 Prozent, verfügt bereits über einen Breitband-Zugang, durch den Applikationen mit einem größeren Datenhunger wie zum Beispiel Video möglich werden. Durchschnittlich verbringt ein Onlinenutzer 136 Minuten am Tag im Internet, Tendenz steigend. 14- bis 29-jährige verbringen bereits 180 Minuten (Verweildauer) pro Tag im Internet. Bei den unter 19-jährigen ist das Internet bereits zum Leitmedium geworden mit einer höheren täglichen Verweildauer als Fernsehen. Vor zehn Jahren noch beinahe unbekannt, verwenden inzwischen 82 % aller Internet-Nutzer Online-Suchmaschinen. Man fragt sich immer, was machen die restlichen 18 %? 65 % aller Nutzer waren schon bei Wikipedia und jeder zweite Nutzer auf einem Videoportal.3 Heute ist Wikipedia die erste Anlaufstelle für viele Menschen für alle möglichen Wissensfragen, insbesondere für die jüngere Generation. Zusammengestellt werden die dort enthaltenen Artikel von gerade mal 75.000 aktiven Autoren. Das entspräche einer mittelgroßen Stadt in Deutschland, die die ganze Welt mit Wissen versorgt. Diese Angebote waren vor etwas mehr als zehn Jahren noch völlig unbekannt. Inzwischen werden sie von einer Milliarde Menschen regelmäßig genutzt. Das ist eine Veränderung, wie sie die Welt, wie sie unsere Gesellschaft noch nicht gesehen hat. Weltweit gingen allein im Juli 2009 113 Mrd. Suchanfragen bei Google und anderen Suchmaschinen ein – das sind 41 % mehr als im Vorjahr und die Zahl 2 ARD/ZDF-Onlinestudie 2009, verfügbar online unter: www.ard-zdf-onlinestudie. de/; „regelmäßig“ bedeutet laut der Studie, dass der Nutzer mindestens einmal im Monat im Internet ist. Die Verweildauer ist nicht gleich der Nutzungsdauer. 3 ARD/ZDF-Onlinestudie 2009, verfügbar online unter: www.ard-zdf-onlinestudie. de/
Gregor Hopf 47 Die zerstörerische Kraft des Internets
wird aufgrund der stetig wachsenden Gruppe der Internet-Nutzer weiter steigen. 76,7 Mrd. der Suchanfragen gingen an Google, der Search-Primus kommt damit auf einen Marktanteil von 67,5 %. Der zweite Platz geht an die Yahoo-Suche mit 8,9 Mrd. Anfragen (MA: 7,8 %), gefolgt von der chinesischen Suchmaschine Baidu mit 8 Mrd. Anfragen (MA: 7,0 %). Nach Regionen betrachtet leben in Europa die meisten Suchmaschinen-Nutzer: 32,1 % aller Suchanfragen stammen vom hiesigen Kontinent, Asien-Pazifik folgt mit 30,8 %, dahinter die USA mit 22,1 %. Die Lateinamerikaner sind dafür die aktivsten Sucher: durchschnittlich 130,4 Suchanfragen stellte ein dortiger Nutzer im Juli. Europäer fragten im Schnitt 116,9 Mal nach oder beinahe vier Mal pro Tag.4 Früher hat man sich über den Gartenzaun unterhalten, um den Nachbarn kennen zu lernen. Heute geht man ins Internet und googelt den Namen des neuen Nachbarn. Hand aufs Herz: Wer hat dies nicht schon einmal getan? Wer hat nicht schon einmal einen neuen Bekannten per Internet „recherchiert“, bevor man ihn persönlich befragt hat. Und wie wir wissen, zählen besonders die ersten Eindrücke. Diese erhalten wir heutzutage sehr oft virtuell über das Internet und gar nicht mehr durch eine reale Begegnung. Von den 14- bis 19-jährigen sind 43 % täglich in einer Web 2.0-Community. Nur 26 % nutzen keine Web 2.0-Netzwerke. 74 % haben mindestens ein eigenes Community-Profil, viele haben mehrere.5 In der populären Presse findet man immer wieder die Behauptung, dass Jugendliche zwischen 8 und 24 Jahren nur ein Drittel ihrer Online-Kontakte persönlich kennen. Facebook hat bereits 30 % aller Internet-Nutzer weltweit als Mitglieder und will in wenigen Jahren eine Milliarde Mitglieder erreichen. Dennoch haben sie gerade erst jetzt mit 300 Mio. Mitgliedern einen positiven Cashflow erreicht. Welche Industrie wäre auch nur annähernd in der Lage, mit einer solch hohen Gewinnschwelle von 300 Mio. Kunden umzugehen?
4 Kressexpress 1. Sept. 2009 – basierend auf DIGITALkompakt. Die Daten stammen vom US-Marktforschungsunternehmen ComScore 5 ARD/ZDF-Onlinestudie 2009, verfügbar online unter: www.ard-zdf-onlinestudie. de/
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Ausgewählte Web 2.0-Angebote (Stand September 2009): • Wikipedia: über 13 Mio. Artikel in 260 Sprachen, 65 Millionen Besucher pro Monat, zusammengestellt von 75.000 Autoren • YouTube: 200 Mio. Unique-User pro Monat. Jede Minute werden zehn Stunden Videomaterial auf YouTube eingestellt • Facebook: 300 Mio. Nutzer, Ziel: Eine Milliarde Nutzer; im September 2009 zum ersten Mal positiven Cashflow erwirtschaftet; Von April 2008 auf April 2009 hat sich die Zahl der auf Facebook verbrachten Minuten versiebenfacht: von 1,7 Mrd. auf 13,9 Mrd. Minuten* • Studi-/Schüler-/MeinVZ: 15 Mio. registrierte Nutzer in Deutschland Quelle: Eigenangaben der jeweiligen Firmen, Stand Sept 2009; Mit Ausnahme von * von Nielsen (2. Juni 2009)
Über eine Million Bücher werden weltweit jedes Jahr veröffentlicht. Ein Buchscanner von Google-Book-Search kann laut Wikipedia pro Stunde 1000 Seiten digitalisieren.6 Bei einem durchschnittlichen Umfang von 300 Seiten pro Buch würden gerade mal 35 Scanner ausreichen, um den globalen literarischen Output eines Jahres vollständig und zeitgleich ins Internet zu überführen. Die Wertschöpfungskette der Buchindustrie ist jedoch noch nicht so sehr vom Internet betroffen wie andere Medien. Selbst die bekannten Online-Vertriebswege, wie z. B. Amazon, machen nach Schätzung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels nur rund elf Prozent des Jahresumsatzes von 10 Mrd. Euro aus. Andere Industrien sind durch das Internet schon viel stärker betroffen, ganz vorne weg die Musikindustrie. Woher kommt der Unterschied?
Wie sucht sich das Internet seine „Opfer“? Die Musikindustrie hat es bereits erwischt. Allein in Deutschland sind die Umsätze von 1997 auf 2008 von 2,75 Mrd. Euro auf 1,58 Mrd. Euro geschrumpft. Dies entspricht einem Rückgang von 43 % oder inflationsbereinigt sogar von 52 %. In nur zehn Jahren hat sich die Musikindustrie halbiert. Zwar wachsen die digitalen Musikverkäufe von Jahr zu Jahr. Jedoch sind sie nicht in der Lage, den Rückgang im physischen Geschäft auszugleichen. Musik ist inzwischen kostenlos über das Internet verfügbar. In der Vergangenheit konnten die Majors der Plattenindustrie durch ihre oligopolistische Stellung die Preise für LPs und insbesondere für CDs weit über den Grenzkosten halten. Das Internet hat diese Marktposition durch die Peer-To-Peer-Sharing-Netzwerke vollständig unterlau-
6 Wikipedia (11. Oktober 2009): http://en.wikipedia.org/wiki/Google_Book_Search
Gregor Hopf 49 Die zerstörerische Kraft des Internets
fen. Es hat den oligopolistischen Markt der fünf oder inzwischen vier Majors in einen perfekten Online-Markt überführt, in dem die Preise nur noch von den Grenzkosten, d. h. in diesem Fall den Transaktionskosten für das Herunterladen der Musiktitel, abhängen. In den meisten Fällen sind diese Kosten gleich null. Die Schätzungen über kostenlose, illegale Musik-Downloads gehen auseinander. Aber alle Quellen stimmen darüber ein, dass die Menge der über das Internet unbezahlt bezogenen Musikstücke, die Zahl der gekauften Titel weit überschreitet. Die Print-Industrie durchlebt soeben den Umwandlungsprozess. Insbesondere in den USA hat er schon seine zerstörerische Kraft entwickelt. Dort sind allein in den letzten zwölf Monaten die Werbeerlöse der US-Zeitungen um 29 % eingebrochen von US$ 9,6 Mrd. auf US$ 6,8 Mrd.7 Die Kleinanzeigen, die immer das finanzielle Rückgrat der Zeitungen gebildet haben, sind sogar um 40 % gesunken. Die deutsche Zeitungslandschaft spürt den verändernden Druck auch bereits. Es gibt kaum einen Zeitungskonzern in Deutschland, der in den letzten Jahren nicht kontinuierlich umstrukturiert hat, um den wegbrechenden Einnahmen auf der Kostenseite entgegen zu wirken. Aufgrund der deutlich besseren Abonnenten-Situation in Deutschland ist der Prozess allerdings vergleichsweise sanft. Die Film- und Fernsehindustrie wird voraussichtlich als nächste getroffen werden – möglicherweise gefolgt von der Buchindustrie. Beide sind bereits dabei, Gegenmaßnahmen einzuleiten. In der Filmindustrie wird durch den BluRay-Standard mit höheren Datenmengen versucht, die Verteilung der Produkte zumindest auf höchster Qualität weiterhin kontrollieren zu können, d. h. noch aus dem Internet zu halten, und über 3D-Angebote die Zuschauer ins Kino zu locken. Dies entspricht allerdings dem Versuch, einer Sturmflut mit Sandsäcken zu begegnen. In den USA haben sich allein im Juli 2009 über 158 Mio. Amerikaner, oder 81 % aller U.S.-Internetnutzer, 21,4 Mrd. Videos per Internet angeschaut. Durchschnittlich sah jeder Zuschauer im Juli 8,3 Stunden InternetVideos. Die durchschnittliche Länge eines Videos lag bei 3,7 Minuten. Die 38 Mio. Hulu-Nutzer, die legalen und werbefinanzierten Zugang zu ganzen Fernsehserien haben, schauten sich bereits Videos mit einer Durchschnittslänge von 1 Stunde und 13 Minuten über das Internet an.8 Inzwischen ist jeder Kinofilm zeitgleich zu seiner Premiere im Internet zu finden. Die Filmindustrie befindet sich mit nur leichten Unterschieden genau dort, wo sich die Musikindustrie 7 Newspaper Association of America vergleicht das zweite Quartal 2009 mit dem zweiten Quartal 2008 8 Adweek, 27. August 2009
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Ende der neunziger Jahre befand, d. h. kurz bevor das Internet seine volle zerstörerische Kraft entwickeln wird. Die Buchindustrie versucht (noch), sich vor der Kraft des Internets durch rechtliche Maßnahmen zu schützen. Zurzeit wird dies voraussichtlich zumindest in Europa auch ausreichen, da sich E-Paper noch nicht zu einem massentauglichen Produkt entwickelt hat und somit noch keine adäquate digitale Alternative zum Buch vorliegt. Dennoch sind bereits Online-Größen daran, den Buchmarkt schrittweise ins Internet zu holen, allen voran Amazon und Google. Google kündigte Mitte diesen Jahres an, eine Million E-Books (kostenlos) zur Verfügung zu stellen und will über 2 Mio. digitalisierte Bücher per Print-OnDemand vertreiben. Neben der Buchindustrie wird sich wahrscheinlich auch die Werbewirtschaft auf fundamentale Veränderungen einstellen müssen. Die Werbeausgaben in den USA sind bereits in den letzten zwölf Monaten um 26,5 % zurückgegangen, was sicherlich nur zum Teil auf die Konjunktur zurück zu führen ist.9 Vielmehr werden die Konsumenten heutzutage mit so vielen Werbebotschaften angegangen, dass sie schon Schwierigkeiten haben, diese überhaupt als solche wahrzunehmen. Man schätzt, dass jeder Konsument pro Tag mit mehr als 1000 Werbebotschaften bombardiert wird. Kein Wunder daher, dass der einzige noch wachsende Bereich in der Werbewirtschaft die Onlinewerbung ist. In Großbritannien hat der Umsatz der Online-Werbung bereits den der Fernsehwerbung überholt und dies in einem schrumpfenden Markt.10 Online-Werbung verspricht bereits seit Mitte der neunziger Jahre den Gral der Werbewirtschaft gefunden zu haben: Massenwerbung ohne Streuverlust. Durch die aktuellen Web 2.0-Angebote scheint sie diesem Versprechen so nahe gekommen zu sein wie noch nie. Sobald Massenwerbung ohne oder nur mit äußerst geringem Streuverlust in der Tat mittels des Internets machbar wird, kann man davon ausgehen, dass die Umsätze in der Werbung nochmals drastisch zurück gehen werden, da die Werbetreibenden nicht mehr bereit sein werden, für den Streuverlust in den traditionellen Medien zu zahlen, wie sie es bisher tun. Gegebenenfalls werden die Kontaktpreise steigen, aber die Anzahl der bezahlten Kontakte wird voraussichtlich fallen. Doch ganz soweit ist das Internet selbst noch nicht. Die ersten zaghaften Versuche, in den Social-Media-Angeboten personenspezifische Werbung zu platzieren wurden, von den Nutzern so 9 The Economist, 1. August 2009 (S. 55), es wird das erste Quartal 2009 mit dem ersten Quartal 2008 verglichen 10 Handelsblatt, Weblog, 2.10.2009
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vehement abgelehnt, dass sie zurückgenommen werden mussten. Die Anbieter werden sich allerdings sicherlich elegantere Wege einfallen lassen, die eher zu den Präferenzen der Nutzer und deren Verhalten und Anreizsituation passen und somit leichter von ihnen akzeptiert werden. Die Werbetreibenden sind hier schon etwas weiter. So hat Coca-Cola angekündigt, dass es die Bezahlung der Werbeagenturen, die an seinen über 400 unterschiedlichen Marken arbeiten, umstellen will, weg von einer prozentualen Bezahlung basierend auf dem verwalteten Werbebudget oder einer stundenbasierten Bezahlung hin zu einem wertorientierten Bezahlungssystem, das im Effekt nur die Werbung bezahlen will, die auch den (potentiellen) Kunden erreicht hat.11
Was können wir von den bisherigen Veränderungen aufgrund des Internets über dessen zerstörerische Kraft ableiten? Zunächst einmal können wir zwei treibende Kräfte ausmachen, die die sequentielle Ausbreitung der Veränderungen aufgrund des Internets erklären können. Das Internet hat, wie oben beschrieben, trotz seiner allgemeinen Verfügbarkeit nicht alle Industrien sofort und im gleichen Maße berührt. Die Musikindustrie wurde sofort getroffen, wohingegen die Buchbranche noch unberührt zu sein scheint, und die Film- und Printindustrien inzwischen am Anfang eines fundamentalen Umwälzungsprozesses stehen. Die beiden treibenden, oder ermöglichenden Kräfte sind die technische Verfügbarkeit und die demographische Entwicklung. Auf der technischen Seite ist neben der grundsätzlichen Voraussetzung der Digitalisierbarkeit des Produktes hauptsächlich die Leistungsstärke der dem Internet zu Grunde liegenden Datennetzwerke entscheidend. Auf der Konsumentenseite ist ausschlaggebend, inwieweit die Branche von den Digital Natives, die mit dem Internet aufge-
11 The Economist, 1. August 2009
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wachsen sind, abhängig ist bzw. inwieweit sich die Gruppe der älter werdenden Digital Natives in den Konsumentenkreis der Industrie hineingewachsen hat. Die Buchbranche kann zurzeit (noch) sowohl von einer nicht massentauglichen Digitalisierung ihres Produktes als auch von einer Kundenschicht profitieren, die sich ihre konsumtiven Vorlieben noch vor der Entwicklung des Internets angeeignet hat. Die Musikindustrie auf der anderen Seite hat die Digitalisierung des Produktes komplett verschlafen und ist gleichzeitig überproportional vom Kundensegment der Jugendlichen abhängig, die sich als erste dem Internet geöffnet haben. Sobald sich diese beiden Kräfte der jeweiligen Industrie genähert haben, ist der Weg bereitet für eine internetbasierte Applikation, die die zerstörerische Kraft des Internets in der Branche entfalten lassen wird. Man kann sich daher diese treibenden Kräfte auch als verhindernde Faktoren vorstellen. Sobald diese überwunden sind, steht der Erfindung und Ausbreitung (der Invention und der Innovation) einer Killer-Applikation für die betroffene Branche nichts mehr im Weg. Jedoch sind diese treibenden Kräfte keine ausreichende Bedingung, sondern nur eine notwendige. Aus Sicht der Industrie kann man sie daher nutzen, um die Attacke des Internets auf die Wertschöpfungskette der Industrie und auf sein eigenes Geschäftsmodell hinaus zu zögern, wie es dies die Filmindustrie zum Beispiel in den letzten Jahren getan hat. Aber sind diese beiden treibenden Kräfte die wirkliche Ursache für die kreative Zerstörungskraft des Internet, oder sind sie vielmehr nur die Hürden, die zu nehmen sind? Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir uns die Eigenschaften des Internets genauer ansehen. Exkurs: Worin liegt die zerstörerische Kraft anderer bahnbrechender Erfindungen? Zwei Beispiele: Elektrizität: Strom ist aufgrund des niedrigen Wirkungsgrades von gerade mal einem Drittel der eingesetzten Energie eine äußerst verschwenderische Energieform. Trotz dieses großen ökonomischen Nachteils hat sie sich gegen viele andere Energieformen durchgesetzt. Warum? Weil Elektrizität als einzige Energieform erlaubt, die Nutzung der Energie völlig losgelöst von der Erzeugung zu gestalten. Es entkoppelt als einzige die Erzeugung der Energie von deren Einsatz. Dieser ungeheure Vorteil macht den Effizienznachteil bei weitem wieder wett. Durch diese Entkopplung werden Anwendungen möglich, die andere Energieformen nicht erlaubt hätten. Stellen wir uns nur einen Toaster vor, der von einer Dampfmaschine angetrieben werden müsste – oder eine moderne Fertigungsstrasse, deren diverse Werkzeuge und Roboter von einzelnen oder gar einer zentralen mechanischen Kraftquelle angetrieben werden sollen
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Traktor: Bei der Einführung des Traktors in Europa herrschte kein Mangel an günstigen Arbeitskräften. Es ging also nicht um das Ersetzen von menschlicher durch maschinelle Kraft. Worin lag dann der Vorteil einer solch immensen Investition für den Bauern? Er hatte mit einem Schlag ein Drittel mehr Anbaufläche, da er keine Futtermittel für seine bisherigen tierischen Arbeitskräfte mehr anbauen musste.
Eigenschaften des Internets Das Internet wird generell durch vier Eigenschaften charakterisiert: • On-Demand • Verbindet Real-time und Archiv-Eigenschaften • Nicht geographisch eingeschränkt • Interaktiv
Die Kombination aus diesen vier Eigenschaften, die sich aus der technischen Konzeption des Internet ableiten, stellt bereits einen sehr potenten Cocktail dar und führt bei einer erfolgreichen Kombination zu einem veränderten Konsumverhalten. Jedoch können diese allein nicht die fundamentalen Veränderungen erklären, die in manchen Branchen bereits eingetroffen sind. Es fehlen noch zwei zentrale Charakteristika: die Kraft der Integration und Aggregation und die im Internet vernachlässigbaren Grenzkosten. Mit der Kraft der Integration und Aggregation ist die Fähigkeit des Internets gemeint, Daten, Technologien und Märkte, die vorher voneinander getrennt existiert haben, zusammen zu führen. Daten, die vorher verstreut in unterschiedlichen Quellen vorhanden waren, werden mittels des Internets aggregiert und mit einander verbunden, d. h. integriert. Märkte, die bisher getrennt waren, konvergieren. Aber beinahe noch wichtiger ist die Integration der Nutzer selbst. Die geographische und zeitliche Ungebundenheit des Internets ermöglicht ein Zusammenbringen von Nutzern, die sich in der realen Welt nicht hätten treffen können. Dies ergibt sich aus den vier oben aufgeführten grundlegenden technischen Eigenschaften des Internets. Allerdings geht die Kraft der Integration noch weiter, was häufig nicht berücksichtigt wird.
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Integration ist mehr als Konvergenz Im Internet sind die Nutzer viel eher dazu bereit, sich zu vernetzen – und umfangreicher als sie dies in der realen Welt freiwillig getan hätten. Wenn wir uns einen großen Raum vorstellen, gefüllt mit Menschen, erlaubt das Internet bildlich gesprochen denjenigen, die vorne im Raum stehen, jemandem ganz hinten ihm Raum die Hand zu reichen. Dies ergibt sich noch aus den vier technischen, oben aufgeführten Eigenschaften. Doch das Internet geht weiter. Es bringt die Teilnehmer dazu, sich mehr auszutauschen, als sie es in der realen Welt getan hätten. Ihre Integrationswilligkeit ist viel höher. Bildlich gesprochen führt das Internet dazu, dass sich alle Menschen in dem Raum bei der Hand nehmen, was wir in einem realen Umfeld nur sehr widerwillig über uns ergehen lassen würden. Die Nutzer sind im (virtuellen) Netz viel offener, sich auf Kommunikation einzulassen und sich zu vernetzen, als sie dies in der realen, physischen Welt getan hätten. Man muss sich nur anschauen, was Digital Natives über sich ins Netz stellen, aber bei keinem persönlichen Aufeinandertreffen mit Unbekannten erwähnen würden und wie schnell sich virtuelle Kontaktnetze spannen. Selbst wenn man eine gewisse Naivität im Umgang mit einer nur anscheinenden Anonymität im Internet als vorübergehendes Phänomen betrachten kann, sind wir dennoch in der realen Welt viel zurückhaltender. In den Communities stellen wir private Fotos ein, beschreiben unsere Musikvorlieben, geben unsere sexuelle Orientierung an und schreiben über unsere Gemütslage. Wer würde in einem Raum, gefüllt mit potentiell fremden Menschen, diese Informationen freiwillig und für alle verständlich auch nur äußern? Im Internet posten wir sie auf unseren virtuellen Messageboards oder zwitschern sie an das Twitter-Universum. Wodurch kommt diese erhöhte Integrationsbereitschaft im Internet? Vor den Zeiten des Internets stellte jeder Kommunikationsbeginn einen Eingriff in die Privatsphäre des Adressaten dar, nicht so im Web 2.0. Zum ersten Mal kann der User so kommunizieren, als sei er ein Medium, das nur dann vom Adressaten konsumiert wird, wenn dieser es will. Zum einen fühlt es sich nicht so an, als ob wir den Empfänger stören oder gar zu einer Antwort oder Reaktion zwingen. Zum anderen ist die Gefahr der Ablehnung durch den Empfänger viel geringer. Falls das Posting nicht interessiert, wird es einfach nicht gelesen. Im schlimmsten Fall verlieren wir einen Follower. Darüber hinaus gibt es offensichtlich noch einen Skalen-Vorteil. Im Netz kann der Nutzer relativ einfach mehrere hundert Kontakte regelmäßig bedienen (verwalten). Im realen Leben ist nur eine Führungsspanne von bis maximal 15 bis 20 Personen möglich, mit denen man einen engeren Kontakt pflegen kann.
Gregor Hopf 55 Die zerstörerische Kraft des Internets
Der Umfang von regelmäßigen aber nicht tiefgehenden sozialen Kontakten lag vor dem Internet schätzungsweise bei 150 persönlichen Kontakten (Dunbar Zahl).Wenn man sich die Größe der persönlichen Netzwerke, die mittels des Internets verwaltet werden, ansieht, expandiert diese Zahl offensichtlich durch die Kraft der Integration des Internets, die durch die Social-Media-Angebote des Web 2.0 für alle zugänglich wurden.12
Vernachlässigbare Grenzkosten Die allerdings potentiell am stärksten zerstörerisch wirkende Kraft des Internets kommt von seinen vernachlässigbaren Grenzkosten. Die Kosten für einen zusätzlichen Nutzer sind im Internet beinahe gleich Null. In einem perfekten Markt führt dies dazu, dass der Preis ebenfalls gegen Null tendiert. Die Tatsache, dass der bei weitem größte Teil der Dienste im Internet kostenlos angeboten wird, hat seine Ursache sowohl in der historisch kostenlosen Kultur des Netzes, als auch in diesem rein ökonomischen Zusammenhang. Dies wird allerdings zumeist übersehen. Inzwischen kann man die These wagen, dass, wenn es nur um die kostenlose Tradition des Internet ginge, würden sich inzwischen viele Anbieter (notgedrungen) darüber hinwegsetzen und es gebe bereits viel mehr kostenpflichtige Angebote im Netz. Die Tatsache, dass es dies nicht oder nur vereinzelt gibt, hat vielmehr mit den ökonomischen Gegebenheiten zu tun, die sich aufgrund der äußerst niedrigen Grenzkosten ergeben.
Die zerstörerischen Kräfte des Internets oder der „Drei-Stufen-Test“ Jetzt können wir zusammenfassen. Worauf basiert die zerstörerische Kraft des Internets? Aus der sequentiellen Ausbreitung der verändernden Kraft des Internets haben wir zunächst zwei treibende Kräfte abgeleitet, die auf die jeweilige Industrie wirken müssen, bevor das Internet seine Wirkung entfalten kann.
12 Der Grundgedanke der Integration der Nutzer, wie er jetzt durch Web 2.0 propagiert wird, war bereits in den ersten WWW-Anwendungen enthalten. Compuserve, AOL et al. sahen sich durchaus als Communities. Jedoch waren die oben beschriebenen treibenden Kräfte, Demographie und Technik, noch nicht so weit. Das Web 2.0 ist also nicht wirklich etwas neues, sondern nur der mit etwas mehr als zehn Jahren Verzögerung eingetretene ursprüngliche Wunschzustand. Belastbare Forschungsergebnisse über die Entwicklung der Dunbar-Zahl im Internet liegen allerdings noch nicht vor.
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Wenn sowohl die technischen als auch die demographischen Voraussetzungen geschaffen sind, besteht das Potential für eine „Killer-Applikation“, die zu einer fundamentalen Neuausrichtung der Wertschöpfungskette, des Geschäftsmodells und der Wettbewerbssituation führen kann. Aus den Eigenschaften des Internets haben wir drei Stränge abgeleitet: die Kraft der Integration des Internets, seine vernachlässigbaren Grenzkosten und das Potential das Nutzerverhalten zu verändern. Wenn die Applikation diese drei Stränge aufnehmen kann, wird es aller Voraussicht nach in der dritten Stufe zu
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einer fundamentalen Neuausrichtung der betroffenen Branche kommen. Napster hat die zerstörerische Kraft, die hinter der Vereinigung dieser drei Stränge liegen kann, als einer der ersten Killer-Applikationen gezeigt. Wikipedia, Facebook, YouTube, aber auch Google sind ebenfalls Beispiele für erfolgreiche Internet-Anwendungen, die es geschafft haben, alle drei zerstörerischen Kräfte zu bündeln. Viele der fehlgeschlagenen Internet-Anwendungen haben eben dieses nicht erreicht. Den beschriebenen Prozess der Entfaltung der zerstörerischen Kraft des Internets kann man sich vorstellen wie eine dreistufige Raketenzündung. Die erste Stufe bringt die Rakete auf eine für die Stabilität notwendige Geschwindigkeit. Die zweite Stufe entfaltet dann die volle Antriebskraft der Rakete. In der dritten Stufe fliegt die Rakete bereits von selbst aufgrund der in Stufe zwei gezündeten und auf den in Stufe eins geschaffenen Voraussetzungen aufbauenden Energie. Wer die Rakete aufhalten oder lenken will, muss die Stufen eins und zwei kontrollieren. Wenn die dritte Stufe erreicht wurde, kann man nur noch reagieren. Dieses Modell erlaubt die analytische Prüfung von Geschäftsmodellen im Internet und umgekehrt kann eine Branche das Modell nutzen, um zu prüfen, inwieweit sie vom Internet betroffen ist oder in der nächsten Zeit sein wird. Die Musikindustrie hat Stufen eins und zwei komplett verpasst und ist erst aufgewacht, als sich die Rakete bereits in Stufe drei befand. In der Buchbranche versuchen die eingesessenen Anbieter noch, die erste Stufe zu entschärfen, wohingegen die neuen Einsteiger, insbesondere Amazon und Google, mit aller Macht versuchen, die Triebwerke der Rakete zu entzünden. Die Filmindustrie steht bereits mitten in der zweiten Stufe, die allerdings ihre Energie noch nicht vollständig hat entfalten können, so dass die großen merklichen Auswirkungen auf die Wertschöpfungskette noch ausstehen.
Monetarisierung eines potentiell erfolgreichen Geschäftsmodells Wenn man nun ein potentiell erfolgreiches Geschäftsmodell für das Internet entwickelt hat, wie kann man dann sicherstellen, dass damit auch Geld zu verdienen ist, wenn eine der Voraussetzungen für den Erfolg im Internet die Berücksichtigung der niedrigen Grenzkosten und die darauf aufbauende Preisstrategie ist? Wie kann man in einem solchen Umfeld sein Geschäftsmodell „monetarisieren“?
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Chris Anderson beschreibt vier potentielle Möglichkeiten:13 1. Werbefinanzierte Dienste: Nicht die Nutzer zahlen, sondern werbetreibende Kunden, die die Nutzer des Dienstes erreichen wollen. 2. Fremium: Eine kleine Gruppe zahlender Mitglieder erhält einen PremiumService und finanziert mit seinen Beiträgen das minderwertige, aber kostenlos und frei verfügbare Angebot. 3. Altruistische Märkte: Teilnehmer stellen Produkte zur Verfügung ohne einen monetären Anreiz, d. h. kostenloser User-generated-Content wird nur weitergereicht und somit die eigene Kostenbasis minimiert. Die restlichen Kosten werden zum Beispiel über Spenden finanziert. 4. Quer-Subventionen: das Geld wird mit einem Komplementärprodukt verdient, zum Beispiel verschenke den Rasierer, verkaufe die Klingen.
In der Realität spielt die vierte Option (noch) keine Rolle in den Finanzierungsmodellen von Internet-Angeboten. Vergleichen wir die ersten drei Optionen, ergibt sich ein klares Bild: Während Google allein im zweiten Quartal 2009 über US$ 5,5 Mrd. Umsatz und knapp US$ 1,5 Mrd. Net-Income mit Werbeeinnahmen erreichte, haben Fremium-Anbieter wie Spotify und XING Schwierigkeiten, ausreichend Premium-Abonnenten zu gewinnen.14 Spotify erreicht gerade mal 40.000 Premium-Kunden, die für bessere Tonqualität bezahlen, aus einer Gesamtkundenschaft von 6 Mio. Mitgliedern.15 XING hat laut eigenen Angaben 8 Mio. Mitglieder, davon 635.000 Premium-Mitglieder, und erwirtschaftet mit diesen immerhin einen kleinen Gewinn.16 Facebook hat erst mit 300 Mio. Nutzern einen (werbefinanzierten) Finanzüberschuss erreicht. Es hat die Kräfte der Integration des Internet hervorragend genutzt, das Konsumentenverhalten verändert und auch die vernachlässigbaren Grenzkosten an die Nutzer weitergegeben. Dennoch kann es selbst mit 300 Mio. Nutzern (noch) keinen ernst zu nehmenden Gewinn erwirtschaften. Das Internet kann den Markt auch nicht neu erfinden. Die Kraft des Internets, existierende Märkte aufzubrechen und neu zu ordnen, wird auch zu seiner Schwäche: in perfekten Märkten mit vernachlässigbaren Grenzkosten kann man nur Geld verdienen, wenn man Marktmacht erreicht und sich somit in der 13 Anderson, Chris (2009): Free – The Future of a Radical Price; Hyperion, New York, 2009 14 Google Inc., Pressemitteilung zu Second Quarter Results, 16. Juli 2009 15 The Economist, 1. August 2009, S. 53 16 XING AG, Pressemitteilung zum Halbjahresergebnis 2009, 13. August 2009
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Preispolitik von den Grenzkosten lösen kann – wie das Google-Beispiel deutlich zeigt.17 Facebook, Spotify und die anderen erwähnten Anbieter haben eine der Marktmacht von Google entsprechende Position noch nicht aufgebaut. Sie werden dies allerdings anstreben müssen, um auch kommerziell erfolgreich zu sein.
Was bedeutet dieses kommerzielle Dilemma für unsere Gesellschaft? Außerhalb des Long-Tails ist damit zu rechnen, dass Online-Anbieter versuchen werden, eine möglichst große Zahl an Nutzern auf sich zu vereinen, um dann in einem zweiten Schritt diese dominante Marktposition zur Monetarisierung des eigenen Geschäftsmodells zu nutzen, da nur in einer solchen Position die eigene Preispolitik von den niedrigen Grenzkosten im Markt gelöst werden kann. Welche Konsequenzen sollten Gesellschaft und Politik ziehen, um das Internet weiterhin als positive Kraft der Veränderung nutzen und von ihr profitieren zu können? Die Diskussion über diese Frage steht noch am Anfang. Was jedoch sicher sein wird, ist, dass wir Regulation auf internationaler Ebene benötigen werden über solche Themen wie Marktdominanz, offene Standards, Daten- und Identitätsschutz. Nationale Regeln sind bei dem von Natur her geographisch ungebundenen Internet zu leicht zu unterlaufen. Ebenso müssen wir aufhören, die Regeln für das Internet aus bestehenden rechtlichen Normen aus dem analogen Bereich abzuleiten. Was notwendig sein wird, ist eine eigenständige Rechtslage für die digitale Welt und dies auf internationaler Ebene, auch wenn es eine gewisse Aufgabe der nationalen Souveränität bedeuten wird. An der derzeitigen Diskussion über Kinder- und Jugendschutz im Internet, aber auch über die zukünftige Rolle der Verwertungsgesellschaften in einer digitalen Welt kann man dieses Problem am besten wahrnehmen. Darüber hinaus müssen wir konsequenterweise über eine international tätige Internet-Exekutive nachdenken, die diese Regeln auch durchsetzen kann. Unsere nationalen Gebilde sind hierfür zu klein. Sie stammen noch aus der Zeit vor der Globalisierung. Das Internet ist die Globalisierung in Person. Durch die derzeitigen Entwicklungen rund um das semantische Web, oft auch Web 3.0 genannt, werden diese Forderungen nur noch drängender.
17 Andere Beispiele liegen in Long-Tail-Strategien, bei denen versucht wird, durch einen exklusiven Zugang zu einem recht kleinen Produkt- oder Kundenmarkt eine in diesem Markt beherrschende Stellung zu erreichen
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Ein solch internationaler Ansatz wird viel Zeit in Anspruch nehmen. Parallel dazu sollten wir über die Medienpolitik in Deutschland neu nachdenken, insbesondere über die staatlich/gemeinschaftlich geförderten Angebote, die die Meinungsvielfalt und inhaltliche Sicherheit in unseren Medien gewährleisten sollen, d. h. konkret über unsere Rundfunkanstalten. Die GEZ sammelt jährlich mehr als 7 Mrd. Euro ein. Wir müssen einen substantiellen Teil dieser Gelder, die wir noch in die analogen Medien geben, auf die digitalen Medien umverteilen. Zurzeit finanzieren wir 21 Fernseh- und 57 UKW Radioprogramme (plus diverse Zusatzangebote), aber kein einziges auf das Internet spezialisiertes Angebot, obwohl das Internet inzwischen für einen Großteil der Bevölkerung das wichtigste Informationsmedium geworden ist. Wir müssen den Ansatz der Förderung von Meinungsvielfalt und inhaltlicher Verlässlichkeit in Form von belastbarem Journalismus auch auf die digitale Welt ausweiten. Und hierfür reichen die Internet-Präsenzen der öffentlich-rechtlichen Anstalten nicht aus. Im letzen Jahr hatten diese Anstalten ein Gesamtbudget von 7,26 Mrd. Euro, wovon z. B. allein 1,73 Mrd. Euro an das ZDF gingen als der größte Empfänger und 42 Mio. Euro an Radio Bremen als der kleinste Empfänger.18 Wikipedia hat ein jährliches weltweites Budget von gerade einmal 6 Mio. US$.19 Allein das jährliche Budget von „Wetten-Dass“ wird nicht weit darunter liegen. Ich denke, wir müssen umdenken, und dies sehr schnell. Eine Umstellung der Förderung oder eine inhaltliche Neuausrichtung dieser Anstalten wäre der nachhaltigste Weg, mit den gesellschaftlichen Herausforderungen des Internets auf nationaler Ebene umzugehen.
18 GEZ Geschäftsbericht 2008, S. 41 19 Wikipedia Foundation Annual Report 2007/8
Andreas Mertens, Michael Wald 61 Am Rubikon zwischen Realität und Virtualität
Andreas Mertens, Michael Wald
Am Rubikon zwischen Realität und Virtualität Einleitung Durch Ereignisse und Erlebnisse entfalten sich Kunst und Kultur im Raum. Dieser Beitrag beschäftigt sich mit virtuellen, dreidimensionalen Internet-Räumen und den Möglichkeiten der Entfaltung von Kunst und Kultur in diesen neuen Räumen. Nach der Auseinandersetzung mit den Begrifflichkeiten Rubikon, Virtualität und Realität und einer kurzen Einführung in Second Life werden die Unterschiede und die Gemeinsamkeiten des physischen und virtuellen Raums behandelt, wobei hier der dreidimensional erfahrbare, virtuelle und physische Raum im Vordergrund steht.1 Damit wird bewusst eine Abgrenzung von flachen, zweidimensionalen virtuellen Räumen im Internet vorgenommen. In einer Zusammenfassung wird die Bedeutung virtueller Welten für Kunst- und Kulturschaffende herausgearbeitet. Das Internet gewinnt für unseren Alltag zunehmend an Bedeutung. Sowohl im geschäftlichen, als auch im privaten Bereich ist es nicht mehr wegzudenken. Der Begriff der Virtualität ist in diesem Zusammenhang ein häufig diskutierter Begriff. So steht zum Beispiel das „virtuelle Tun“ unserer Jugendlichen im sogenannten Web 2.0 im öffentlichen Brennpunkt. Vor der Selbstdarstellung junger Menschen auf Plattformen wie Facebook, studiVZ oder schülerVZ und der möglichen Konsequenzen bzgl. künftiger Arbeitgeber wird gewarnt. Social Web-Monitoring subsumiert die durch Unternehmen durchgeführte Beobachtung des sogenannten Social Web, um Trends abzulesen, neue Produkte zu entwickeln und um frühzeitig auf eventuelle Markenschädigungen reagieren zu können. Tatsächlich ist das jedoch erst der Anfang des Social Webs. Der nächste Evolutionsschritt des Internets ist der Schritt vom flachen, zweidimensionalen Internet zum dreidimensionalen Internet. Entgegen der allgemeinen Meinung boomen virtuelle Welten wie Second Life stärker denn je. Wenn das Web 2.0 als sogenanntes Mitmach-Web bezeichnet wird, so kann man die virtuellen Erlebniswelten als eine Art künftiges Erlebnis-Internet begreifen. Der mittelalterliche Begriff des Marktplatzes vereinte Gaukler, Schau1 U. a. spielt hier auch der gleichzeitig geteilte virtuelle Raum eine entscheidende Rolle
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steller und Händler. Allerdings wurde er durch den Begriff des elektronischen Marktplatzes verstümmelt, da der Erlebnischarakter durch das soziale und kulturelle Treiben der Menschen fehlt. Durch die Erlebniswelten dreidimensionaler Räume im Internet erhält der Marktplatz, jetzt als dreidimensionaler, elektronischer Marktplatz im Internet wieder seine alte Bedeutung. An dieser Stelle nähern wir uns der Bedeutung für Kunst- und Kulturschaffende.
Begrif flichkeiten Der Rubikon ist ein kleiner Fluss, der südlich von Ravenna in die Adria mündet. Historisch war der Rubikon ein Grenzfluss, den Gaius Julius Caesar am 10. Januar 49 v. Chr. bewaffnet in Richtung Rom überquerte. Dies bedeutete eine unumkehrbare Kriegserklärung an den römischen Senat. Dies drückte Caesar mit dem berühmten Zitat „Der Würfel ist gefallen“ aus. Virtualität oder „virtuell“ bedeutet entgegen der häufig vertretenen Meinung nicht das Gegenteil von Realität oder „real“. Das Wort „virtuell“ stammt von dem lateinischen Wort virtus ab, was so viel heißt wie Tugend, Tapferkeit, Tüchtigkeit, Kraft, Männlichkeit. Ebenso leitet sich der Begriff der Virtuosität ab. Ein Virtuose ist jemand, der eine Fähigkeit bis zur Perfektion beherrscht. In Wikipedia ist weiter zu lesen: „Virtualität ist die Eigenschaft einer Sache, nicht in der Form zu existieren, in der sie zu existieren scheint, aber in ihrem Wesen oder ihrer Wirkung einer in dieser Form existierenden Sache zu gleichen.“2
Der Titel dieses Artikels ist im doppelten Sinne ein Wortspiel. Zum einen spielt der Rubikon als Grenze zwischen Virtualität und Realität auf das häufige Missverständnis an, dass Virtualität das Gegenteil von Realität sei. Zum anderen spielt es auf die Grenzgänger an. Mit Grenzgänger sind die gemeint, die den virtuosen Schritt in das Internet vollzogen haben und es mit Selbstverständlichkeit in ihren Alltag integriert haben. In diesem Sinne entsteht eine Kluft zwischen einer sogenannten digitalen Elite und dem Teil der technikfeindlichen Gesellschaft, die mit dem Internet nichts anzufangen weiß. Als Abgrenzungsbegriffe stehen u.a. „Digitale Kluft“ (engl. Digital Divide), Digital Native und Digital Immigrant im Raum.3 Allerdings scheint es so, als ob auf 2 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Virtualität vom 16. Oktober 2009 3 Palfrey, John und Gassner, Urs: Generation Internet. Die Digital Natives: Wie sie leben – Was sie denken – Wie sie arbeiten, 2008, Hanser-Wirtschaft
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der Seite der „digitalen Elite“ eine weitere Gruppierung entsteht. Während sich die Einen noch im virtuellen, flachen 2D-Internet bewegen, entsteht eine Gruppe von Protagonisten, die vom 3D-Internet sprechen. Wir vermeiden im Weiteren den Begriff Realität. Der Begriff ist u.E. irreführend, da dem Realitätsbegriff meist ein objektiver oder absoluter Realitätsanspruch anhaftet. Als Konstruktivisten nutzen wir deshalb den Begriff der Wirklichkeit. Unter Wirklichkeit verstehen wir einen konkreten Wirkraum eines Individuums, indem sich konkrete Wirkung durch Handlung entfalten kann. Die Wirklichkeit – oder der Wirkraum – zweier Personen ist immer unterschiedlich, kann aber Überschneidungen bzw. Gemeinsamkeiten haben. Für die bessere Unterscheidung werden weiter die Begriffe virtueller Wirkraum und physischer Wirkraum genutzt.
Grundlagen Second Life Second Life ist eine internetbasierte 3D-Infrastrukturplattform der Firma Linden Lab aus San Francisco. Sie wurde 1999 entwickelt und wurde im Juni 2003 online geschaltet. Die Plattform kann nicht als klassisches Onlinespiel betrachtet werden, da es weder feste Regelwerke noch vorgegebene Inhalte gibt. Die Inhalte ergeben sich aus der Kreativität der Nutzer selbst, ebenso die Regelwerke. Mittels einer Art digitaler Knetmasse können die Nutzer die Welt aktiv mitgestalten. Im Jahr 2007 wurde die Plattform Second Life durch die Presse bekannt. Nach einem künstlich erzeugten Pornographie-Skandal verschwand allerdings das öffentliche Interesse. Heute verzeichnet die Plattform über 17 Millionen registrierte Nutzer und bis zu 85.000 gleichzeitig eingeloggte Nutzer weltweit. Die Plattform hat ein eigenes Währungssystem, das in beide Richtungen an das reale Währungssystem gekoppelt ist. Innerhalb der Plattform wird mit dem sogenannten Linden Dollar gehandelt. Ein tagesaktueller Wechselkurs bestimmt den Wert eines Linden Dollar in US-Dollar. Kaufen kann man Linden Dollar beispielsweise durch die Belastung der Kreditkarte oder über einen Wechselservice im Internet. Schafft man innerhalb des Ökosystems reale Mehrwerte, so können diese durch echte US-Dollar realisiert werden, da der Linden Dollar auch wieder für US-Dollar verkauft werden kann. Der Erfolg der Plattform hängt neben der Möglichkeit der Kreativitätsentfaltung von weiteren Faktoren ab, die im WIKT-Metamodell4 beschrieben sind. Second Life ist nur eine von vielen virtuellen Welten weltweit. 4 Vgl. Mertens, Andreas: Vier +1 Erfolgsfaktoren für Second Life, Wiesbaden, SLTalk & Partner, S. 8ff
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Heute nutzen schätzungsweise 500 Millionen Nutzer mehrere hundert virtuelle Welten weltweit. Erste Kandidaten für einen Defacto-Standard stehen zur Disposition.
Der physische Wirkraum Weil wir uns im physischen Wirkraum jeden Tag ganz selbstverständlich bewegen, sind uns die grundlegenden Mechanismen und deren Bedeutung oft nicht bewusst bzw. gegenwärtig. Seit unserer Geburt ist die Orientierung im physischen Wirkraum das Natürlichste und Selbstverständlichste in der Welt. Aus diesem Grund betrachten wir nachfolgende Aspekte im Zusammenhang mit dem „Raumkonzept“, um Gemeinsamkeiten und Unterschiede zum virtuellen Raumkonzept zu erarbeiten: • Ort (Position und relative Position) • Zeit (gleichzeitig geteilter Raum) • Wahrnehmung • Beobachtung 2. Ordnung • Kontext • Teil der Welt
Ort und Zeit Wir können mit unserem physischen Körper gleichzeitig immer nur eine Position im Raum einnehmen. Bewegen wir uns, also ändern wir unsere Position, so nehmen wir einen neuen, anderen Raum im Raum ein. Durch die Bewegung im Raum entsteht eine Polyperspektivität, die zu unterschiedlichen Sichtweisen führt. Gleichzeitig spielt die relative Position der eigenen Person zu einer anderen Person oder einem Gegenstand eine Rolle in der Kommunikation. So reden Soziologen von der Binnenstrukturierung, wenn sie vom Abstand zwischen Personen sprechen, der die jeweilige Privatsphäre einer Person wahrt. Wahrnehmung Den physischen Raum nehmen wir über unsere fünf Sinne Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken (VAKOG)5 wahr. Von unserer Position, sowie der bewussten und unbewussten Fokussierung unserer Sinne im Raum hängt 5 In Anlehnung an den im Neurolinguistischen Programmieren (NLP) üblichen Repräsentationssystemen V=Visuell, A=Auditiv, K=Kinästhetisch, O=Olfaktorisch, G=Gustatorisch
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unsere Wahrnehmung ab. Dies heißt zwangsläufig, dass zwei Menschen nie exakt dasselbe sehen können, obwohl die visuell gerichtete Aufmerksamkeit beider Personen auf dasselbe Objekt im Raum gerichtet ist. Die Wahrnehmung ist deshalb subjektiv und spielt eine besondere Rolle in der Kommunikation. Beobachtung 2. Ordnung Durch den Raum und dadurch, dass wir uns als Individuen gleichzeitig einen Raum teilen, teilen wir auch Wahrnehmung. So ist die Beobachtung der gerichteten visuellen Aufmerksamkeit einer anderen Person möglich. Ich kann also sehen, wohin ein anderer Mensch im gemeinsam geteilten Raum schaut. Ich kann allerdings nie exakt sehen, was ein anderer Mensch sieht. Die Beobachtung des Beobachters nennen wir im Folgenden die Beobachtung 2. Ordnung. Die Beobachtung 2. Ordnung sowie nonverbale Signale spielen für unsere tägliche Kommunikation eine besondere Rolle u. a. bei Verhandlungen. Kontext Mit dem Aufenthalt im Raum ist auch ein situativer Kontext verbunden, der es ermöglicht, uns einfacher an Geschehnisse aus der Vergangenheit zu erinnern. Durch das Stöbern in einem Fotoalbum wird dies klar. Schnell erinnert man sich an den situativen Kontext zum Bild. Dazu ein Beispiel: …Vor 4 Jahren, in der Wohnung in der Waldstraße in Wiesbaden, da hatten wir noch den alten Holztisch in der Küche und die Tochter wurde gerade eingeschult.
Hier wird der Kontext durch einen Zeitpunkt, die Gestaltung des Wohnorts (Holztisch) und den Wohnort (Waldstraße in Wiesbaden) dargelegt. Teil der Welt Ferner gestalten wir den Raum durch unsere bloße Anwesenheit und die Beanspruchung von Platz immer mit. Der Aspekt „Teil der Welt“6 steht ferner für das Bedürfnis, dass wir uns durch unsere Kreativität im Raum entfalten wollen und Räume gestalten. Dieser Gestaltungsaspekt ist ein wichtiger, wesentlicher Teil des „Raumkonzeptes“.
6 In Anlehnung an Heinz von Foerster, Monika Broecker, Teil der Welt: Fraktale einer Ethik oder Heinz von Foersters Tanz mit der Welt, 2007, Carl-Auer-Systeme
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Der virtuelle Wirkraum Avatar bezeichnet im Hinduismus die göttliche Manifestation durch einen Menschen oder ein Tier.7 Der Mensch wird im virtuellen Raum durch den sogenannten Avatar repräsentiert. Der Avatar ist ein virtueller Stellvertreter des Menschen, durch den er Handlungen zum Ausdruck bringt. In dreidimensionalen virtuellen Räumen wie Second Life ist es möglich, mittels des virtuellen Stellvertreters einen Raum einzunehmen. Ähnlich wie im physischen Raum wirken auch die Aspekte von Ort, Zeit, Kontext, Teil der Welt und die Beobachtung 2. Ordnung. Die Wahrnehmung ist audiovisuell, d. h. Schmecken, Riechen und Fühlen ist, wie im physischen Raum, noch nicht möglich. Ort und Zeit Der Mensch kann, vertreten durch seinen Avatar, gleichzeitig immer nur einen Platz im virtuellen Wirkraum einnehmen. Die dadurch abgebildete virtuelle Präsenz des Avatars ist eine neue Qualität in der virtuellen Kommunikation. So ist es auf klassischen Webseiten nicht möglich, zu sehen, wer gerade präsent ist. Allenfalls kann man sehen, wer noch „Online“ oder „Eingeloggt“ ist. Unter Präsenz wird jedoch mehr verstanden, u. a. die Beanspruchung eines Platzbedarfs in einem begrenzten Raum sowie eine beobachtbare Aufmerksamkeit. Ort, Zeit, der Avatar und die durch ihn zum Ausdruck gebrachten Handlungen spielen deshalb in dreidimensionalen Welten eine entscheidende Rolle. Wahrnehmung Virtuelle Welten wie Second Life sprechen bzgl. der Wahrnehmung im Gegensatz zur physischen Welt nur die audiovisuellen Wahrnehmungskanäle bzgl. der „Inputsensorik“ an. Die Sensomotorik beschreibt die Rückkoppelungsschleife zwischen den audiovisuellen Sinneseindrücken und der motorischen Leistung, die vollzogen werden muss, um den eigenen Avatar zu steuern. Insofern ist der Mensch, zumindest teilweise, haptisch an das Geschehen in der virtuellen Welt gekoppelt. In Zukunft haben wir sogenannte Force-Feedbacksysteme zu erwarten, die uns erlauben virtuelle Gegenstände zu ertasten. In 2007 wurde auf der WorldHaptics-Konferenz8 in Japan ein Joystick vorgestellt, der es ermöglicht, dreidimensionale virtuelle Objekte zu
7 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Avatara (15. Oktober 2009) 8 Vgl. www.worldhaptics.org/2007 (15. Oktober 2009)
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ertasten.9 Die Firma Novint Technologies10 hat sich darauf spezialisiert, Eingabegeräte speziell für den haptischen Bereich zu entwickeln. Das Unternehmen ist nicht der einzige Anbieter auf diesem Markt. Zahlreiche Anbieter kommen mit neuen Interface-Technologien und sogenannten Force-Feedback-Systemen auf den Markt. Ein weiteres Beispiel ist die Firma TN Games11, die eine spezielle Weste für Computerspieler anbietet. Mit acht pneumatischen Motoren, je vier auf der Vorderseite und vier auch der Rückseite werden Einschüsse und Schläge simuliert. Beobachtung 2. Ordnung Die Beobachtbarkeit der visuell gerichteten Aufmerksamkeit eines Menschen hat in unserem Alltag eine besondere Bedeutung. So ist dadurch nonverbal erkennbar, ob während eines Dialogs die Zuwendung abnimmt oder zunimmt. Ist der Kopf eines Avatars beispielsweise nach rechts oben gerichtet, zeigt dies an, dass der Mensch tatsächlich ein Objekt in der Welt fokussiert, das relativ zum Avatar rechts oben im Raum angeordnet ist. Ebenso wird durch weitere Mechanismen angezeigt, woran ein Avatar gerade arbeitet.
1: Beobachtbarkeit der visuell gerichteten Aufmerksamkeit durch die Kopfstellung des Avatars
Das heißt, dass die visuell gerichtete Aufmerksamkeit eines Menschen durch die Kopfstellung seines Avatars reproduziert wird. Erste wissenschaftliche Studien liegen vor, die die besondere Form dieser computervermittelten Kommunikation belegen. Sascha Postner bestätigt die Qualität sozio-perzeptiver Aspekte in Second Life:
9 Vgl. www.sltalk.de/index.php/2008/03/12/virtuelle-objekte-zum-anfassen/vom 15. Oktober 2009 10 Vgl. http://home.novint.com vom 15. Oktober 2009 11 Vgl. http://tngames.com/
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„ … Es ist also unzweifelhaft, dass den Kommunikationspartnern auch bei avatarbasierter Kommunikation in virtuellen Umgebungen reichhaltige sozio-perzeptive Möglichkeiten zur Verfügung stehen. …“12
Kontext Das Web 2.0 wird oft als das „Mitmach-Web“ bezeichnet. Zusätzlich zum Mitmach-Effekt lebt das 3D-Internet von realen Events. So könnte man virtuelle Welten, wie bereits angedeutet, auf der Evolutionsstufe des Internets auch als das Erlebnis-Internet bezeichnen. Tatsächlich definiert ein Event den jeweiligen Kontext, in dem Ereignisse stattfinden und Erlebnisse gemeinsam gemacht werden. Die Rekonstruktion von Erinnerungen können, wie bei den bereits erwähnten Fotoalben, durch Kontexte besser erfolgen. Events sind Veranstaltungen im weitesten Sinne. Dies können Lifestyle-Veranstaltungen, Führungen durch virtuelle Kunstgalerien, E-Learning-Kurse oder Arbeitskreissitzungen sein. In Abbildung 2 sieht man die Teilnehmer des Arbeitskreises für „Bildung in virtuellen Welten“.
2: Teilnehmer des Arbeitskreises Bildung in Second Life
12 Vgl. Postner, Sascha: Erster Eindruck aus zweiter Hand. Zum sozio-perzeptiven Kontakt unter den spezifischen Bedingungen dreidimensionaler Onlinewelten am Beispiel von Second Life in: Essener Studien zur Semiotik und Kommunikationsforschung, Band 28, Achim Eschbach, Jens Loenhoff und H. Walter Schmitz (Hg.) Aachen, Shaker Verlag, 2009
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Teilnehmer des Arbeitskreises kommen u. a. vom Fraunhofer Institut und dem Institut für Wissensmedien aus Tübingen. Abbildung 3 zeigt den Campus Avameo auf der Insel KybernEthik 1 in Second Life. Dies ist der virtuelle Wirkraum des Arbeitskreises. Die Ergebnisse des Arbeitskreises werden regelmäßig als Projektberichte und Blogbeiträge veröffentlicht.13 Im Bereich des Lernens spielt der Kontext eine besondere Rolle. In virtuellen Welten wird die Lernatmosphäre durch den virtuell aufgespannten Kontext definiert. Geht es um Spanisch, besteht der virtuell aufgespannte Kontext beispielsweise aus einer Umgebung mit mediterranem Hausbaustil, die Frauen tragen prächtige Flamenco-Kleider und der Stierkampf darf auch nicht fehlen. So fällt das Erlernen einer Sprache in einem entsprechenden Kontext sehr viel leichter, als in klassischen Kontexten des schulischen Frontalunterrichts. Der Unterricht wird zu einem Erlebnis. Als Kontext für das Erlernen deutscher Sprache bietet sich vielleicht eher das Münchener Oktoberfest in Second Life an.14 Natürlich gibt es auch zahlreiche Kontexte für den Bereich Kunst und Kultur.15
3: Arbeitskreis Bildung in Second Life, Campus Avameo
13 Vgl. www.sltalk.de/index.php/tag/arbeitskreis_elearning vom 15. Oktober 2009 14 Vgl. www.sltalk.de/index.php?s=oktoberfest vom 15. Oktober 2009 15 Vgl. www.sltalk.de/index.php?s=kunst+kultur vom 15. Oktober 2009
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Auf der stART09-Konferenz in Duisburg wurde als Kontext mit Bezug auf Kunst und Kultur das virtuelle Rose-Theater gewählt, das in der Schlacht um Berlin zerstört wurde.16 Die wundervolle Atmosphäre des virtuellen Theaters wurde genutzt, um eine Fashion-Show zu inszenieren, die live nach Duisburg übertragen wurde.17 Auf der stART09-Konferenz wurde somit ein „WeltenFenster“ zwischen dem physischen Raum der Mercatorhalle in Duisburg und dem virtuellen Raum des Rose Theaters in Second Life geschaffen (siehe Abbildung 4). Das „Welten-Fenster“ diente dazu, die in Second Life anwesende internationale Künstlerszene mit dem physischen Raum zu verbinden, so dass ein aktiver Dialog zwischen den Personen im physischen und virtuellen Raum stattfinden konnte.
4: Prunkvoller Theatersaal im Rose-Theatre in Second Life
Teil der Welt Teil der Welt zu sein heißt neben der Beanspruchung von Raum auch, diesen mitgestalten zu können. In virtuellen Welten wie Second Life gibt es einen Universalrohstoff, eine Art digitale Knetmasse, die es erlaubt, die Umwelt zu formen. Alle Objekte in Second Life, egal ob Kleidung, Architektur, Möbel oder Fahrzeuge, sind aus den Grundelementen dieser digitalen Knetstoffmasse geformt, den sogenannten PRIMs (engl. Primitive Objects, siehe auch Abbildung 5). Diese lassen sich von jedermann im Handumdrehen verformen. Somit gleicht Second Life eher einem weißen Raum, der aktiv durch seine Nutzer gestaltet werden kann. Im Mitmach-Web, dem Web 2.0, wurde 16 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Rose-Theater vom 15. Oktober 2009 17 Vgl. www.sltalk.de/index.php/2009/09/30/pia-paggio-auf-der-start-09 vom 15. Oktober 2009
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deshalb der Begriff des Prosumers geformt. Der Begriff Prosumer leitet sich aus Producer und Consumer ab, der Konsument wird zum aktiven Mitgestalter und damit auch zum Produzenten: User-generated Content ist der Erfolgsfaktor, der hier auch auf dreidimensionale Umgebungen übertragen wurde. Diese Möglichkeit macht die Vielfalt von Second Life aus. Hier gibt es virtuelle Kunstgalerien, E-Learning-Angebote, die auf den Bootsführerschein vorbereiten und Musikkonzerte.
5: Digitale Knetstoffmasse und Primitive Objects
Unterschiede und Gemeinsamkeiten Folgende Tabelle fasst die Unterschiede und Gemeinsamkeiten bzgl. der sechs Aspekte von physischen und virtuellen Räumen zusammen. Virtuelle Welten schaffen neue Freiheiten und Grenzen. Neue Freiheiten entstehen u. a. dadurch, dass im virtuellen Raum Dinge möglich sind, die im physischen Raum nicht möglich sind. So lassen sich physikalische Gesetzmäßigkeiten wie die der Schwerkraft ein- und ausschalten. Außerdem sind die Konsequenzen virtuellen Handelns nicht immer so schwerwiegend wie in realen Umfeldern, was Vorteile haben kann. Gleichzeitig sind wir im virtuellen Raum in unseren Wahrnehmungskanälen eingeschränkt, kinästhetische, olfaktorische und gustatorische Sinnempfindungen sind noch nicht, oder nur bedingt, möglich.
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Funktional erfüllt die jeweilige Anwendung im virtuellen Raum nicht immer den gleichen Zweck wie im physischen Raum. So ist beispielsweise die Überdachung eines Gebäudes zum Schutz vor Umwelteinflüssen im virtuellen Raum gegenwärtig sinnlos, da keine Nässe und Kälte fühlbar ist. Die Überdachung eines Gebäudes erfüllt heute im virtuellen Wirkraum mehr die Funktion von Architektur und Ästhetik. Bei der Konzeption solcher Anwendungen sind deshalb Sinn und Zweck sorgfältig unter den Gesichtspunkten virtueller Welten zu prüfen.
Zusammenfassung
„Virtuelle Welten werden real“, lautet der Titel des Buches von Andreas Lober.18 Tatsächlich waren virtuelle Welten schon immer real. Der Präsident des Bundesverbandes Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (BITKOM), Willi Berchthold sagte in der Eröffnungsrede auf der CeBIT 2007:19 „ … Jugendliche haben ungehinderten Zugang und werden gewissermaßen im Netz sozialisiert. Reale Personen legen sich parallel virtuelle Identitäten zu. Und man gewinnt den Eindruck, dass der Einfluss der virtuellen auf die reale Welt stärker wird. …“
Firmen nutzen das 3D-Internet, um zusammenzuarbeiten. Hier werden Treffen durchgeführt und Produktentwicklungen in gemeinsam geteilten virtuellen Räumen besprochen. Zudem erschließen diese Firmen neue Wege der Unternehmenskommunikation. Die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden bilden den Dresdner Zwinger in Second Life ab und ermöglichen einen virtuellen Rundgang für jedermann (Abbildung 6).
18 Vgl. Lober, Andreas (Hg.): Virtuelle Welten werden real, Hannover, heise Verlag/ Telepolis, 2007 19 Vgl. Siegert, Wolf: Virtuelle Welten werden real. Grenzerfahrungen, Hannover, Andreas Lober (Hg.) Heise Verlag/Telepolis, 2007, Seite 96
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6: Dresdner Zwinger in Second Life
Die Volkshochschule Goslar sowie Hunderte von Universitäten nutzen Second Life bereits für E-Learning-Anwendungen. Der Anwendungsvielfalt scheint keine Grenzen gesetzt zu sein und die Vision des globalen Dorfes von Marshall McLuhan20 rückt damit in greifbare Nähe: „ … Elektronische Medien […] schaffen die Raumdimension ab. Mit der Elektrizität nehmen wir überall Mensch-zu-Mensch-Beziehungen wie im kleinsten Dorf auf. Es ist eine Beziehung hinsichtlich der Tiefe, ohne Delegation von Funktionen oder Macht […] Der Dialog überwindet die Lektüre. …“
Wobei die physische Raumdimension nicht abgeschafft wird, sondern vielmehr durch eine virtuelle Raumdimension erweitert wird. Auch ein Verschwimmen der Grenzen zwischen den physischen und den virtuellen Wirkräumen ist denkbar durch neue Human-Interface-Technologien, allen voran die Entwicklungen im Bereich der Erweiterten Realität (engl. Augmented Reality). Für Kunst- und Kulturschaffende sind dabei neben Second Life vor allem virtuelle Welten wie OpenSimulator interessant, die als offene Plattform konzipiert sind und hohe Chancen haben, sich als Technologiestandard zu etablieren.
20 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Marshall_McLuhan von 15. Oktober 2009
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Die wichtigste Erkenntnis ist jedoch, dass virtuelle Welten ebenso real sind wie physische Wirkräume und sogar eine Wirkung auf die physische Wirklichkeit haben können. Literaturverzeichnis Postner, Sascha: Essener Studien zur Semiotik und Kommunikationsforschung – Erster Eindruck aus zweiter Hand, Band 28, 2009, Shaker Verlag, ISBN 978-3-8322-8080-2 Lober, Andreas: Virtuelle Welten werden real, Second Life, World of Warcraft & Co: Faszination, Gefahren, Business, Grenzerfahrungen, Heise Verlag, Telepolis, 2007, ISBN 978-3-936931-47-1 Mertens, Andreas: Vier +1 Erfolgsfaktoren für Second Life, SLTalk – BusinessMagazin für Second Life, 2007, ISSN 1865-2905 von Foerster, Heinz, Broecker, Monika: Teil der Welt: Fraktale einer Ethik oder Heinz von Foersters Tanz mit der Welt, 2007, Carl-Auer-Systeme Arndt, Ulrike: Analysis, design and implementation of a customer focused, virtual world to illustrate the capabilities of Manufacturing Execution Systems (MES), Bachelorarbeit, DHBW Mannheim, Rüsselsheim, 2009
Gerd Leonhard 75 Der Preis der Freiheit
Gerd Leonhard
Der Preis der Freiheit Die Neuerfindung der Online-Wirtschaft: Warum sich kostenlose Inhalte langfristig auszahlen
Kostenlose Informationen, Musik, Inhalte und Medien sind die Versprechungen der Internet- (R)evolution seit den bescheidenen Anfängen des World Wide Web und dem Börsengang von Netscape am 9. August 1995. Was als mühsamer Austausch von einfachen Texten, Bildern mit geringer Auflösung und komprimierten MP3-Dateien über Online-Foren anfing, hat sich heute auf alle Segmente der Kreativindustrie ausgebreitet – sogar auf reale Dienstleistungen wie die Auto-Vermietung. Ohne Zweifel ist „free“ (kostenlos) heute die normale Erwartung der jungen Internet- und Digitalgeneration und die älteren Generationen springen nun auf denselben Zug auf. Zusätzlich zu der schon zerstörenden Kraft (vgl. den Beitrag von Gregor Hopf in diesem Band) des guten alten computerbasierten Web 1.0, kann man eine weltweite Verlagerung hin zum mobilen Internet beobachten – ein World Wide Web, das letztlich so einfach zu benutzen ist, dass sogar meine Großmutter es kann. Während wir vor fünf Jahren noch einen richtigen Computer brauchten, der uns mit einem Bündel von Kabeln mit diesem Ort namens „Online“ verband und uns ermöglichte am weltweiten Austausch von Inhalten teilzunehmen, benötigen wir heute nur noch ein Smartphone und einen Internetzugang. Mit einem einfachen Knopfdruck sind wir dabei. Als Benutzer lieben wir „free“, als Urheber haben viele von uns begonnen, den Gedanken zu hassen. Wenn Zugang gleichzeitig Besitz bedeutet, wie können wir dann weiterhin unsere Produkte verkaufen? Müssen wir uns damit zufriedengeben, Konzerte zu spielen, während sich unsere Musik in sozialen Netzwerken, Blogs (oder neuerdings Twitter) verbreitet, ohne auch nur den kleinsten Hinweis auf reales Geld, das in unsere Richtung fließt? So entmutigend, wie es klingen mag, wir können nicht länger an den Säulen von Web 1.0 festhalten, wie zum Beispiel der sogenannten „fixed mechanical rate“, die US-Musikfirmen heutzutage für jede Kopie eines Songs bekommen ($ 0,091): Niemand kennt mehr die genaue Definition einer „Ko-
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pie“, wenn das Online-Gegenstück der „Kopie“ (das Abspielen eines Songs auf Anfrage) mehrere Millionen Mal am Tag auftritt. Keine Werbeagentur, kein Internetanbieter, ja nicht mal Google hat das Geld den Komponisten bzw. den Herausgeber zu bezahlen, zumindest nicht, solange die Werbeindustrie nicht anfängt, mindestens 30 bis 50 % ihres globalen billionenschweren Marketing- und Werbeetats dafür aufzuwenden. Traditionelle Erwartungen und Lizenzvereinbarungen aus der Vorzeit des Internets halten Musikrechtefirmen wie die PRS oder die GEMA davon ab, neue Vereinbarungen mit YouTube zu treffen: „Das ist der Preis, den wir damals für jede Kopie bekommen haben, und den wollen wir auch weiterhin erhalten“. Diese Sackgasse verursacht erhebliche Spannungen in der globalen Medienwelt. Hier geht es nicht nur um Geld, sondern um einen Paradigmenwechsel: Den schmerzhaften Übergang von einem zentralisierten System der Herrschaft und Kontrolle hin zu einem neuen System, das auf offenen und kooperativen Modellen basiert. Das ist ein Wechsel von Monopolen und Kartellen zu vernetzten Plattformen, wo Partnerschaften und Umsatzbeteiligungen der Standard sind. In den meisten Ländern ermöglichen Urheberrechtsgesetze bislang den Urhebern die vollständige und uneingeschränkte Kontrolle darüber zu entscheiden, ob ihre Arbeit benutzt werden darf oder nicht. Rechteinhaber haben das System beherrscht und so war der Leitsatz der meisten großen Firmen der letzten 50 Jahre stets „entweder unter meinen Bedingungen oder gar nicht“. Nun gibt es das Internet: dort ist es für Firmen nicht mehr möglich, ihre Preiserhöhungstaktiken so erfolgreich wie bislang anzuwenden. Ob man es nun will oder nicht: Wenn man die Erlaubnis eines seiner Produkte legal zu benutzen ablehnt, weil man mit den Bedingungen nicht einverstanden ist, wird das in digitalen Netzwerken lediglich als „damage“ abgestempelt und der Verkehr wird einfach darum herumgeleitet. Das Internet und seine Millionen cleveren „Prosumenten“ (Produzenten + Konsumenten), Erfinder und Armeen von Kollaborateuren werden so oder so einen Weg finden, unsere Erzeugungen zu benutzen. Zwar können wir Napster, Kazaa oder ThePirateBay verklagen und können so auch Trittbrettfahrer abschrecken. Wir können ein Vermögen für unsere Anwälte und Lobbyisten ausgeben – aber nichts davon wird helfen, unsere Produkte zu Geld zu machen. Die Lösung besteht nicht in rechtlichen Schritten oder technischen Tricks (wie zum Beispiel dem kläglich gescheiterten Versuch eines digitalen Kopierschutzes). Die Lösung ist die Schaffung neuer Geschäftsmodelle und die Anwendung einer neuen wirtschaftlichen Logik, die für alle funktioniert; ein Modell, das auf Zusammenarbeit, gemeinsamem Engagement und – wenn man es wagen kann, zu sagen – einem Vertrauensverhältnis basiert. Wenn wir das einmal
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akzeptiert haben, werden wir die enormen Möglichkeiten, die eine vernetzte Wirtschaft mit sich bringt, erkennen können.
„Free“, „feels-like-free“, „freemium“ Es wurde schon viel über den andauernden Trend zu kostenlosen Angeboten im Internet geschrieben. Es ist wichtig, dass wir zwischen den verschiedenen Begrifflichkeiten unterscheiden, damit wir neue Umsatzmodelle für alle entwickeln können. „Free“ bedeutet, dass niemand mit Geld bezahlt wird – Inhalte werden für andere Gegenleistungen angeboten, wie zum Beispiel ein größeres Publikum, schnelleres virales Marketing und mehr Mundpropaganda. Die Bezahlung erfolgt in Form von Aufmerksamkeit - aber das hilft nicht sehr viel, wenn man seine Miete oder das Abendessen für seine Kinder zahlen muss. „Free“ bedeutet eben auch: unbezahlt. „Feels-like-free“ bedeutet dagegen, dass Geld für die Hersteller generiert wird, während ihre Inhalte konsumiert werden – ohne dass der Benutzer zahlt. Die Bezahlung (zum Beispiel Sponsoring oder Förderung) kann durch Dritte übernommen werden (so bietet Google in China neuerdings kostenlose Musik an, Top100.cn); oder kann an andere Dinge gebunden sein (so wie Nokias innovatives „Comes with music“-Angebot, bei dem Musikgebühren beim Kauf von Geräten inklusive sind); oder aber die Bezahlung ist Teil einer sozialen, technologischen oder kulturellen Infrastruktur (wie Kabel-Fernsehen oder europäische Gebühreneinzugszentralen). „Feels-like-free“ könnte man daher auch als cleveren Weg bezeichnen, Angebote so zu verpacken, dass die Konsumenten indirekt und ohne Nachdenken dafür zahlen; der Konsum selbst fühlt sich dabei an, als hätte man ein gutes Geschäft gemacht. „Freemium“ ist eine Worterfindung von VC Fred Wilson und Jarid Lukin und berühmt geworden durch Chris Anderson (Wired magazine). „Freemium“ ist eine Zusammensetzung aus kostenlosen (free) Angeboten und Premiumangeboten zu neuen Modellen, die hauptsächlich dem alten Marketingprinzip folgen, zunächst etwas kostenlos anzubieten und dann den glücklichen Kunden ins Bezahlangebot zu locken. Der „Freemium“-Ansatz wird von vielen Web2.0-Firmen erfolgreich angewandt, wie zum Beispiel vom Videotelefonieund SMS-Anbieter Skype (man gewöhnt sich an kostenlose Telefonate und ist dann bereit, für Anrufe ins Festnetz geringe Gebühren zu zahlen),oder von der führenden Online-Firma im Bereich Foto-Speicher Flickr (für $29,99 bekommt man etwas mehr Speicherplatz und ein FlickrPro-Abzeichen).
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Tendenziell bewegen sich alle Medien (inklusive Bücher) von der bezahlten, gekauften Form hin zu „free“, „feels-like-free“ und „freemium“-Angeboten und mit allen diesen Formen lässt sich Geld verdienen. Während wir Urheber uns mit dem Gedanken „kostenlos“ schwertun: Lasst uns nicht vergessen, dass in der guten alten Zeit der bezahlten Kopien die Leute am meisten für die Druck- und Presskosten, den Versand und die Lagerung zahlen mussten. Die Konsumenten zahlten im Prinzip nicht viel für das Lied, die Wörter oder das Genie eines Schriftstellers; sie zahlten hauptsächlich für die Mittelsmänner, die Studios, die Verlage, die Händler und Verkäufer. Wenn man diese Kosten berücksichtigt, mögen diese neuen Formen der Wertschöpfung dem Urheber kaum wehtun. Dadurch, dass „free“ so ein bedeutender Begriff in der Wirtschaft ist, glaube ich, dass viele weitere kreative Ideen von diesem Prozess der anfänglichen Aufmerksamkeitsgewinnung bis zum tatsächlichen Konsum und der Bindung an die Produkte profitieren werden. Heute lautet der Auftrag von Plattenfirmen, Managern und Verlegern, neue Einkommenswege zu erfinden und zu realisieren. Ich glaube daher, dass der Wert eines Produktes davon abhängen wird, was der Mitgründer von Wired, Kevin Kelly, als „New Generatives“ bezeichnet – einer neuen Form von „Wert“.
Die Entwicklung von „New Generatives“ Die neuen Mittel zur Monetarisierung von Produkten sind u.a.: • Aufmachung und „wechselseitiger Output“ (zum Beispiel eine Handysoftware verkaufen, die es ermöglicht auf alle Produkte eines Künstlers zuzugreifen – Musik, Bilder, Videos – anstatt nur den Download eines einzelnen Songs) • Unmittelbarkeit (die Möglichkeit ein neues Lied, ein neues Buch oder einen neuen Film sofort erhalten zu können, ohne darauf warten zu müssen) • Individuelle Filter (die zum Beispiel Lieder, Serien oder Filme für den einzelnen Nutzer empfehlen) • Mehrwert (zum Beispiel durch höhere Auflösung (inklusive 3D) oder bessere Sound- und Bildqualität)
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Personalisierung, kundenspezifische Anpassungen und verschiedene premiumähnliche Optionen werden hier für fruchtbaren Boden sorgen und werden bereits verbreitet im Netz genutzt, ein Beispiel ist der Blogging-Service Typepad. Wir werden womöglich eine Zukunft erleben, in der die Standardangebote kostenlos sind oder gebündelt bzw. anzeigenunterstützt vermarktet werden. In der Musikindustrie sieht man neuerdings Angebote, wie zum Beispiel Spotify, mit einem ähnlichen Modell: Der Benutzer kann sich jeden Song kostenlos anhören, aber er kann auch bezahlen, um ohne Werbung hören zu können oder um bessere Software zur Erstellung von Wiedergabelisten zu erhalten. Ich habe die Vorahnung, dass durch den wachsenden Datenreichtum und die verbesserte Nutzung von Benutzerverhaltensdaten Werbung einen neuen Wert erhält, und zwar durch das Verlangen der Konsumenten, dafür zu bezahlen, die Werbung komplett loszuwerden. Noch einmal: Wenn der globale Marketing- und Werbeetat zum Teil dazu genutzt würde, Produkturheber zu bezahlen, würde das viele Urheber glücklich machen. Virtuelle Güter – Produkte, die lediglich virtuell gekauft und genutzt werden (so wie ein auf meine Wünsche anpassbarer Avatar) – sind heute schon ein großes Geschäftsfeld, das weiter wachsen und somit neue Umsatzmöglichkeiten für Urheber aller Art schaffen wird. Beispielsweise könnte es sein, dass ich meinen Avatar in der digitalen Welt gerne mit einem Song von John Mayer unterlegen möchte, während es sich an einem virtuellen Strand sonnt – das wäre ein weiterer Euro für den Sänger. Ähnlich wie die beliebten „Ringback“-Töne in Asien ist dies ein typischer Fall, in dem ich Musik benutze, um mich selber darzustellen; nicht für meinen eigenen Konsum kaufe ich die Musik, sondern damit andere sie hören – ein weiterer potentieller Wachstumsmarkt für Urheber. Ein weiterer wichtiger Punkt: Authentizität und die legale Erlaubnis werden bei Internetangeboten ein entscheidender Wert, für den man bezahlt. Woher soll ich wissen, ob Paulo Coelho mit der deutschen Übersetzung seines letzten Buches zufrieden ist, wenn ich es nicht von ihm selbst oder einer anderen autorisierten Quelle kaufe? Zwar könnte ich es kostenlos herunterladen, aber dann habe ich keine Möglichkeit herauszufinden, ob das wirklich das richtige Buch ist, bis ich das erste Kapitel gelesen habe. Wenn E-Books irgendwann verbreiteter sind (und ordnungsgemäß „napsterisiert“), wird das
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entscheidend sein. Ich denke, dass Autoren dann digitale Wasserzeichen und andere Technologien benutzen, um jeder digitalen Kopie die Autorisierung zu verleihen, die den Aufwand und das Geld wert ist. Wenn die Kosten für digitale Bücher erst einmal so niedrig sind, dass die Bezahlung ein Kinderspiel ist und nicht eine Bestrafung (10 bis 20 % der Papierversion), und der Käufer das Gefühl hat, Teil einer authentischen Fangemeinde des Autors zu sein, dann werden diese Modelle enorme Umsätze erzeugen – bei weit geringeren Kosten.
Neudefinition von „Wert“ Eine andere bedeutende Thematik ist, welche genaue Form Lohn und Gehalt annehmen werden. Für Urheber wird es möglicherweise andere Entlohnungen geben als Barzahlungen. Flickr kann mit mehr als 3,5Milliarden hochgeladenen Bildern von ca. 12 Millionen Mitgliedern prahlen, von denen viele gerne bereit sind, die 29 Dollar für das Upgrade zum „Pro“-Level zu zahlen. Fotografen erlangen die Möglichkeit, Bilder, die bei Flickr beliebt werden, vielen Menschen zugänglich zu machen. Oftmals werden Bilder millionenfach angesehen und erhalten Hunderte Kommentare von den Flickr-Mitgliedern weltweit. Kein Urheber verachtet es, wenn bares Geld in seine Richtung fließt, aber man kann immer noch einen starken Trend beobachten, dass auch soziales Kapital, persönlicher Einfluss und ein guter Ruf von Bedeutung sind. Während diese Formen von Entlohnung möglicherweise länger benötigen, um Geld zu erzeugen (wenn dies überhaupt gelingt), werden sie dennoch eine wichtige Währung in einer Welt von stark vernetzten Individuen. Wir sind meines Erachtens ca. 18 bis 24 Monate entfernt von diesem entscheidenden Punkt in der neuen Urhebergeschäftswelt. Der Punkt, an dem alle in diesem Beitrag genannten Tendenzen zusammenkommen und endlich klar wird, dass kreativer Output sehr gut entlohnt wird, ohne dahin zurückzukehren, was ich Inhalt 1.0 nenne – zu Kontrolle und Zwang (wie beispielsweise dem Zahlungsmodell für Zugang und Benutzung, das erneut von Rupert Murdoch ins Gespräch gebracht wurde). Wir können nicht mehr umkehren, der einzige Weg weist nach vorne! Wir als Urheber und unsere Industrie müssen unsere Energien nun nutzen, um aus dem Internet entstandene gemeinsame Umsatzmodelle zu konstruieren, die auf offenen Plattformen und der weit verbreiteten Begeisterung in unserer Gesellschaft Dinge auszutauschen basieren. Wenn wir von einem egoistischen System zu einem gemeinschaftlichen System wechseln, von Monopolen, Kartellen und eingemauerten Gärten hin zu partnerschaftlichen
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und offenen Systemen, bin ich zuversichtlich, dass wir dutzende neue Möglichkeiten finden werden, die es uns, den Urhebern, ermöglichen in der Zukunft Erfolg zu haben. Nichts kann diese einzigartige menschliche Kraft des Geschichtenerzählens und der Kreationen ersetzen – je mehr Technologien zum Verbreiten und zum Zugang von Inhalten wir benutzen können, desto mehr gute Geschichten und Kreationen brauchen wir. Beendet die Kontrolle nach Entlohnung, lasst die Monopole hinter euch, fangt an euren Benutzern, Zuschauern, Zuhörern und Fans zu vertrauen, und seht den Wert eurer kreativen Arbeit höher anwachsen als je zuvor. Fangt nicht damit an zu fragen, wer bereit ist für eure Produkte zu bezahlen, sondern fragt danach, wer euch Aufmerksamkeit schenkt, euch vertraut und euch folgen wird – und dann arbeitet mit allen involvierten Parteien zusammen, diese Aufmerksamkeit in Einkommen umzuwandeln!
Süchtig nach Google-Leckerbissen „Free“ ist das Kennwort zum Erfolg für 2009 und wahrscheinlich auch 2010, nicht nur wegen der aktuellen Wirtschaftskrise, sondern weil das letzte Jahrzehnt der technologischen Fortschritte schon viele Dinge kostenlos hat werden lassen, für die man vorher bezahlt hat, und die Verlockung nach Kostenlosem ein mächtiges Werkzeug ist. Googles Gmail hat wegbereitende, innovative und leistungsstarke E-Mail-Services für jedermann kostenlos zugänglich gemacht, mit der Konsequenz, dass der Marktanteil von Microsofts Outlook beachtlich gesunken ist. Mit seiner neuen Offline-Gmail-Software lässt Google die E-Mail-Software, für die wir zahlen mussten, wie zum Beispiel Apple-Mail oder Outlook, von der Bildfläche verschwinden. Umsätze, die früher andernorts gemacht wurden, fließen heute fast alle in das Google-Königreich. Ich bekomme Gmail kostenlos, aber ich bezahle viele Cyberdollars mit meiner Aufmerksamkeit. Ich erlaube Google, meine E-Mails zu „lesen“ und meine Daten an Werbefirmen zu verkaufen. Die Benutzung von Gmail und den anderen Services von Google erzeugt einen riesigen Wert an Informationen für das Unternehmen. Wir alle sind Informationenbesorger von Google geworden. Google macht großartige Produkte, bietet sie kostenlos an, wir alle beginnen sie zu lieben und werden so süchtig nach den GoogleLeckerbissen – aber die ehemaligen Anbieter verschwinden. Sich neu erfinden oder sterben, präsentiert von Google et al.
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Erik Meyer
Erinnerungskultur 2.0? Kommemorative Kommunikation und Aufmerksamkeitsökonomie
Digitale, interaktive Medien prägen nicht nur wesentliche Bereiche gegenwärtiger gesellschaftlicher Kommunikation, sie bestimmen auch zunehmend unser Verständnis der Vergangenheit und begründen neue Formen von Geschichtsvermittlung und Opfergedenken. Entsprechende Formate, die im Hinblick auf die kommunikationstechnologischen Innovationen des so genannten Web 2.0 virulent werden, werden hier mit dem Begriff „Erinnerungskultur 2.0“ adressiert.1 Der Beitrag fokussiert dabei die Vergegenwärtigung von Nationalsozialismus und Holocaust und diskutiert exemplarische Online-Angebote unterschiedlicher Akteure. Da in diesem Bereich bereits eine veritable Erinnerungskultur existiert, die sich in einer unüberschaubaren Vielfalt von Erinnerungsmedien und Einrichtungen wie Denk- und Mahnmalen, Gedenkstätten sowie Museen manifestiert, interessieren vor allem folgende Aspekte: Unterbreiten die Anbieter im Hinblick auf die kommemorative Kommunikation ein spezifisches Angebot, dass sich zu bereits bestehenden Formen der Verbreitung und Vermittlung komplementär verhält, das heißt, verfügen sie gewissermaßen über ein erinnerungskulturelles Alleinstellungsmerkmal? Oder können sie in der (Medien-)Konkurrenz vor allem dadurch bestehen, dass sie durch Vernetzung das Interesse der Online-Öffentlichkeit auf die betreffenden Inhalte lenken?
Erinnerungskultur in der medialen Erlebnisgesellschaft Die vorliegende Perspektive lässt sich dahingehend akzentuieren, dass die angesprochenen Gesetze einer „Ökonomie die Aufmerksamkeit“2 auch außerhalb kommerzieller Verwertungszusammenhänge gelten. Mit dem Begriff der Erlebnisgesellschaft bezeichnet Gerhard Schulze eine kulturelle Konfiguration, in der alle gesellschaftlichen Bereiche von einer Erlebnisorientierung 1 Vgl. Meyer, Erik (Hg.): Erinnerungskultur 2.0. Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, Frankfurt a.M., New York: Campus, 2009 2 Franck, Georg: Ökonomie der Aufmerksamkeit. Ein Entwurf, München: Hanser, 1998
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durchdrungen werden.3 Diese kultursoziologische Zeitdiagnose geht von einer zunehmenden Ästhetisierung des Alltagslebens aus: Angebote aller Art müssen demnach nicht nur einen bestimmten Zweck erfüllen, sondern zusätzlich auch einen subjektiven Erlebniswert aufweisen. Unabhängig davon, welche übergeordneten Ziele ein Anbieter also verfolgt, muss er auch überlegen, was ankommen könnte und sein Angebot entsprechend ausrichten. So konstituiert sich ein Erlebnismarkt, auf dem alle Anbieter um Geld, Zeit und Aufmerksamkeit des Publikums konkurrieren. Auch die Vergegenwärtigung der Vergangenheit kann sich dieser Konstellation nicht entziehen und ist somit sowohl von der Medienevolution als auch vom Strukturwandel der Öffentlichkeit in einer medialen Erlebnisgesellschaft geprägt. Denn als eine Absicht von kommemorativer Kommunikation in modernen Gesellschaften muss Publikumswirksamkeit angenommen werden, insofern diese die Aussicht darauf steigert, betreffende Inhalte präsent zu halten. Die Vorstellung, dass erinnerungskulturelle Angebote ohne Resonanz bleiben, erscheint – unabhängig von der Frage, wie diese zu erreichen ist – geradezu abwegig. Jedoch evoziert dieser Anspruch das Problem, dass reichweitenstarke Geschichtsvermittlung und angemessenes Opfergedenken in einem prekären Spannungsverhältnis stehen können. So wird insbesondere der Einsatz Neuer Medien im pädagogischen Diskurs kontrovers diskutiert: Einerseits besteht die Vermutung, dass sie in besonderer Weise dazu geeignet sind, junge Menschen anzusprechen. Andererseits existiert die Annahme, dass sie unabhängig von konkreten Inhalten eine Unterhaltungsorientierung aufweisen, die dem Thema „Nationalsozialismus und Holocaust“ nicht angemessen ist.4 Studien, die auf diesen Gegenstandsbereich bezogene deutschsprachige Online-Angebote behandeln, kommen grosso modo zu der übereinstimmenden Einschätzung, dass sich im World Wide Web zunächst die Strukturen
3 Schulze, Gerhard: Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart, Frankfurt a.M., New York: Campus, 1992 4 Vgl. Sedlaczek, Dietmar: „Zum Einsatz von neuen Medien in Gedenkstätten“, in: KZ-Gedenkstätte Neuengamme (Hg.), Museale und mediale Präsentationen in KZGedenkstätten, Bremen: Edition Temmen, 2001, S. 97-105
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der bereits etablierten Erinnerungskultur abbilden.5 Ernüchtert zeigen sich die Untersuchungen besonders hinsichtlich der Ausnutzung kommunikationstechnologischer Innovationen: „Projekte, bei denen Besucher aufgefordert werden, mitzuarbeiten und Informationen mit erinnerndem Gehalt zu ergänzen, sind die große Ausnahme, obwohl hier genau die große Stärke des Mediums Internet gegenüber den herkömmlichen Medien liegen kann“, resümiert etwa Marc Grellert.6 Daher wird ausgehend von den Möglichkeiten der Interaktion mit dem und durch das Medium zwar ein partizipatives Potenzial konstatiert, das in der Regel jedoch nicht realisiert wird.
Online-Angebote etablierter Erinnerungsorte und -medien In der Tat zeichnen sich gerade von institutionalisierten Akteuren verantwortete Angebote nicht durch eine hohe Interaktivität aus. So unterhalten Denk- und Mahnmale, Gedenkstätten sowie Museen durchgängig eine Online-Präsenz. Insbesondere bei Einrichtungen von überregionaler Bedeutung ist zu konstatieren, dass sie sich nicht auf die denkbare Möglichkeit beschränken, eine virtuelle Visitenkarte abzugeben, also eine Selbstdarstellung und Informationen zu den vor Ort realisierbaren Angeboten zu liefern. In vielen Fällen werden darüber hinaus spezifische Inhalte für die Website produziert, die primär online rezipiert werden können. Eine verbreitete Version dieser Angebote ist das Format der Online-Ausstellung. Dabei handelt es sich in der Regel um multimediale Arrangements unter Ausschöpfung der Möglichkeiten, visuelles Material (Fotografien, Grafiken, Reproduktionen von Dokumenten) zu präsentieren. Die Präsentation folgt analog zu materialen Ausstellungen einer Dramaturgie, die das Nutzungsverhalten der Rezipienten vorstrukturiert. Ein Beispiel für diese Art des Angebots findet sich mit einer so genannten Jugendwebsite im Rahmen der Online-Präsenz des Denkmals für die ermordeten Juden Europas.7
5 Vgl. Dornik, Wolfgang: Erinnerungskulturen im Cyberspace. Eine Bestandsaufnahme österreichischer Websites zu Nationalsozialismus und Holocaust, Berlin: trafo verlag 2004; Marc Grellert: Immaterielle Zeugnisse. Synagogen in Deutschland, Potentiale digitaler Technologien für das Erinnern zerstörter Architektur, Bielefeld: transcript 2007 und Dörte Hein: Erinnerungskulturen online. Angebote, Kommunikatoren und Nutzer von Websites zu Nationalsozialismus und Holocaust, Konstanz: UVK, 2009 6 Grellert: a.a.O. S. 254 7 Siehe www.denkmal-fuer-die-ermordeten-juden-europas.de/jugendwebsite/index2. html (1. September 2009)
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Gleichzeitig fungieren vor allem die öffentlich-rechtlichen Sender des Geschichtsfernsehens auch als Produzenten einschlägiger Online-Angebote. So verantwortet das ZDF die Anwendung „Holocaust-Mahnmal – Gedächtnis aus Stein“.8 Neben einer eigens produzierten Flash-Animation, die ansatzweise die ästhetisch-architektonische Qualität und labyrinthische Raumerfahrung des Monuments simuliert, enthält das Angebot vor allem Hintergrundmaterial zum Denkmalsetzungsprozess. Bei den kurzen Texten, Bildgalerien, Einspielungen von Interviews und Links auf Texte aus dem Angebot von „heute. de“ handelt es sich zum Teil auch um die Zweitverwertung von bereits im ZDF gesendeten Beiträgen. In dieser Perspektive dienen Online-Angebote als zusätzlicher Distributionskanal für Inhalte, die primär für das Fernsehen produziert werden. Insofern sind solche Angebote sowohl inszenatorisch als auch von der Ästhetik der jeweiligen TV-Formate beeinflusst. Während der informative Teil des von der heute-Redaktion betreuten „Holocaust-Mahnmal – Gedächtnis aus Stein“ vom Stil der Nachrichtensendung geprägt ist, reflektiert ein anderes Angebot des ZDF das populäre Format der unter Leitung von Guido Knopp entstandenen Fernsehdokumentationen. Unter dem Titel „Schicksalsjahr 1945“ spielen dabei Ausschnitte aus Aufzeichnungen von Zeitzeugeninterviews, die Knopp exzessiv erfasst, eine wesentliche Rolle.9
Partizipation der Nutzer an erinnerungskulturellen Online-Angeboten Solche Angebote genießen zwar durch die Referenz auf bereits außerhalb des Netzes generierte Reputation und Ressourcen einen Standortvorteil, aber auch alternative Anbieter können sich online erfolgreich positionieren. Die empirischen Befunde der Forschung zum Nutzungsverhalten belegen in dieser Hinsicht sowohl die Bedeutung von Suchmaschinen im Allgemeinen wie die dominante Stellung von Google im Besonderen.10 Die prominente Platzierung in den Trefferlisten populärer Suchmaschinen reflektiert dabei ver-
8 Siehe www.zdf.de/ZDFxt/module/holocaust (1. September 2009) 9 Vgl. www.zdf.de/ZDFxt/module/Kriegsende/index.htm (1. September 2009) 10 Vgl. Wiedmaier, Phillip: Optimierung für Suchmaschinen am Beispiel von Google. Grundlagen, Ranking, Optimierung, Saarbrücken: Vdm, 2007, S. 21
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schiedenste Faktoren.11 Bei unspezifischen Anfragen ist dafür zunächst der Name der Adresse relevant, unter der die Website zu erreichen ist. Nachdem „holocaust.de“ vom Zentralrat der Juden in Deutschland unter Verschluss gehalten wird, verfügt bei einer Beschränkung auf deutschsprachige Angebote die Website „shoa.de“ über einen Schlüsselbegriff.12 Die dort präsentierten Inhalte werden überwiegend ehrenamtlich erstellt und in einigen Fällen von Kooperationspartnern übernommen. Im Mittelpunkt stehen dabei Artikel zu diversen Aspekten von Nationalsozialismus und Holocaust, die thematisch strukturiert zugänglich sind. In diesem Sinne bietet die Website eine Plattform zur Publikation, die Personen, die über inhaltliche Expertise verfügen, zur Partizipation einlädt. Als formale Voraussetzung für die Autorschaft wird dabei eine akademische Ausbildung erwartet, die Inhalte sollen aber explizit ein nicht-wissenschaftliches Publikum adressieren. Den enzyklopädischen Anspruch bei dieser selektiven Integration nutzergenerierter Inhalte dokumentieren ausführliche Themenlisten, die noch zu behandelnde historische Aspekte benennen. Ein Phänomen, für das die Partizipation der Nutzer an der darüber hinaus kollaborativen Produktion von Inhalten konstitutiv ist, hat auch im Hinblick auf die Vermittlung historischen Wissens die Aufmerksamkeit erlangt: Inzwischen gilt die von anonymen Amateuren verfasste Online-Enzyklopädie Wikipedia gar als „heimliches Leitmedium“.13 Die Institutionalisierung der Integration nutzergenerierter Inhalte kann als zentraler Aspekt des Web 2.0 charakterisiert werden. Im Mittelpunkt stehen dabei vor allem unterschiedlich konfigurierte Plattformen, die den „normalen“ Nutzer als potenziellen Produzenten von Medieninhalten ins Zentrum rücken. Im Mitmach-Netz wird die elitäre Expertise Einzelner mit der „Weisheit der Massen“ konfrontiert.14 11 Die konkreten Berechnungsverfahren sind als Betriebsgeheimnis zu verstehen und daher im Detail unbekannt. Faktoren, die in die Bewertung eingehen, sind der Fachöffentlichkeit hingegen bekannt und werden vor allem unter der Perspektive der Optimierung von Online-Angeboten im Hinblick auf ihre erfolgreiche Positionierung bei Suchanfragen diskutiert. 12 Zur Relevanz von „Keywords“ in Dokumententitel und Domainname für die prominente Platzierung in Suchergebnislisten vgl. Wiedmaier, Optimierung für Suchmaschinen, S. 89ff und S. 103f 13 Vgl. Lorenz, Maren: „Wikipedia. Zum Verhältnis von Struktur und Wirkungsmacht eines heimlichen Leitmediums“, in: WerkstattGeschichte 14 (2006), S. 84-95 14 Vgl. Surowiecki, James: The Wisdom of Crowds. Why the Many Are Smarter Than the Few and How Collective Wisdom Shapes Business, Economies, Societies and Nations, New York: Doubleday, 2004
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Dieses Motiv figuriert auch in den primär populärwissenschaftlichen Vorstellungen von „kollektiver“ oder „Schwarm-Intelligenz“, mit denen versucht wird, die qualitative Überlegenheit der Ergebnisse kollaborativer Prozesse zu argumentieren. Plausibel erscheint diese Perspektive aber vor allem im Hinblick auf die Delegation von Aktivitäten an Amateure, die als „crowdsourcing“ bezeichnet wird. Eine dafür prototypische Anwendung mit kommemorativem Charakter verantwortet die israelische Gedenkstätte Yad Vashem. 1954 wurde dort mit der Sammlung von biografischen Angaben zu den Opfern des Holocaust begonnen. Ausgefüllt werden die „Pages of Testimony“ von Bekannten und Verwandten der Ermordeten und zusätzlich werden Angaben aus anderen Quellen erfasst. Seit dem 22. November 2004 ermöglicht die Institution über ihre Website den Zugriff auf „The Central Database of Shoah Victims’ Names“.15 Deren zentrale Funktion ist zunächst die Recherche nach Angaben zu Opfern. Aber es sind auch Feedback-Formulare verfügbar, mittels derer digitalisierte Fotografien und Dokumente eingereicht oder Kommentare abgegeben werden können. So können etwa Vorschläge zur Korrektur von als fehlerhaft wahrgenommen Einträgen artikuliert werden. Die Anwendung ermöglicht auch die Eingabe von Daten zu noch nicht registrierten Opfern in ein Formular und dessen Übermittlung an die Einrichtung. Von Nutzern übermittelte Daten werden dem Bestand aber nicht automatisch hinzugefügt, sondern wie auf anderem Weg erhobene Erkenntnisse vor einer Integration in die Datenbank im Hinblick auf ihre Plausibilität geprüft. Yad Vashem annonciert das Projekt als „one of the greatest technological revolutions in Holocaust Remembrance“ und „one-of-a-kind interactive platform for commemoration and education“.16 Einen explizit experimentellen Charakter reklamiert hingegen das bereits zwei Jahre zuvor online zugängliche Synagogen-Internet-Archiv,17 das aus einem Forschungsprojekt an der TU Darmstadt hervorgegangen ist: „In einer zweijährigen Entwicklungsarbeit wurde eine Datenbank aufgebaut, die Informationen zu den Synagogen beinhaltet, die sich 1933 auf dem Gebiet der heutigen Bundesrepublik Deutschland befanden. Zu über 2.100 deutschen Synagogen wurden Informationen aus der Literatur zusammengetragen und in die Datenbank eingegeben. Diese wurde mit dem Internet verknüpft. Für 15 Siehe www.yadvashem.org (1. September 2009) 16 Vgl. Avraham, Alexander: „The Online Database: Countdown to Launch“, in: Yad Vashem Magazine 8 (2004) 17 Siehe www.synagogen.info (1. September 2009)
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Internetnutzer ist es möglich, zu einzelnen Synagogen Kommentare, Bilder, Links und Zeitzeugenberichte hinzuzufügen.“18 Darüber hinaus können etwa Angaben zu noch nicht in die Datenbank aufgenommenen Synagogen in einem Gästebuch eingetragen werden. Das Online-Angebot bedient sich dem für die Publikation nutzergenerierter Inhalte charakteristischen Format einer Kommentarfunktion, wie sie bei Blogs gebräuchlich ist. Im Gegensatz zum verbreiteten Verständnis dieser Nutzungsoption findet jedoch ex post eine Prüfung der Einträge im Hinblick auf Relevanz und Plausibilität statt: Beiträge ohne inhaltlichen Bezug oder Beiträge, die nicht als glaubwürdig erachtet werden, werden vom Anbieter entfernt. Die Evaluation des Nutzungsverhaltens in einem zweijährigen Untersuchungszeitraum zeigt, dass die konkreten Kommentare zu einzelnen Synagogen zwar überwiegend informativ waren, im Verhältnis zur Gesamtzahl der Besuche ist die Anzahl der Nutzer, die eigene Inhalte beitragen, jedoch relativ gering.19 Anderen Projekten ist weniger an der funktionalen Beteiligung der Nutzer zum Zweck der systematischen Erhebung historischer Angaben gelegen. Stattdessen fokussieren sie auf die Erhebung und Veröffentlichung von Zeitzeugenberichten. Dies dient auch als Anreiz, damit sich Zielgruppen, die eine Affinität zu Online-Medien aufweisen, mit den angesprochenen historischen Erfahrungen auseinandersetzen. Diesen Ansatz greift der Verein Metaversa seit 2006 mit der Plattform „zeitzeugengeschichte.de“ auf, auf der Ausschnitte aus Zeitzeugeninterviews zu Nationalsozialismus und Holocaust als Audio- oder Videodateien zum Download veröffentlicht werden können. Die Zielgruppe dieses Projekts sind vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, denen mit dem Angebot ein besonderer Anlass zur persönlichen Begegnung mit Zeitzeugen gegeben werden soll. Das Format des Interviews und die Auseinandersetzung mit dem Ergebnis zum Zweck der Zusammenstellung thematisch aussagekräftiger Auszüge wird dabei als eine Form historischen Lernens verstanden: Es bedarf der inhaltlichen Vorbereitung und im Zuge der Durchführung und Aufbereitung zur Publikation werden diese Kenntnisse erweitert und vertieft. Dazu werden den Interessenten in einem Leitfaden methodische Hinweise sowie technische Voraussetzungen vermittelt. Der didaktische Ansatz verbindet historisch-politische Bildung und medienpädagogische Aspekte.
18 Grellert: a.a.O. S. 399 19 Zur Operationalisierung und Differenzierung dieser Kategorie im vorliegenden Fall siehe Ebd. S. 438ff
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Vom kollektiven zum kommodifizierten Gedächtnis Die bislang dargestellten Angebote akzentuieren die Partizipation der Nutzer an Projekten, die nicht kommerziell verfasst sind, das heißt, dass die Anbieter zwar an der Attraktion von Aufmerksamkeit interessiert sind, die Realisierung dieser Zielsetzung ist aber keine Voraussetzung für ihre Finanzierung. Doch nutzergenerierte Inhalte stellen auch eine zentrale Ressource der Medienökonomie im Web 2.0 dar, denn empirische Erhebungen des Nutzungsverhaltens belegen die Popularität betreffender Angebote.20 So startete Spiegel Online im Oktober 2007 die Plattform „einestages.de“, die Beiträge von Nutzern mit redaktionellen Inhalten und dem Material von Kooperationspartnern kombiniert sowie als Rubrik in die Startseite von Spiegel Online integriert ist. Ein aussagekräftiger Claim dokumentiert den Anspruch des Angebots: „einestages – hier entsteht das kollektive Gedächtnis unserer Gesellschaft“. Dieses umfasst vor allem das kommunikative Gedächtnis der Zeitgenossen, denn in der Rubrik „Zeitzeugen“ geht es um deren ganz persönliche, subjektive Zeitgeschichten. Doch textlich verfasste Beiträge stehen nur bedingt im Fokus, sondern vielmehr das visuelle Material, dessen Verfügbarkeit auch zur zeitlichen Definition der interessierenden Inhalte herangezogen wird: „einestages lebt besonders von Fotos: von Ihren Fotos. (…) Was schon fotografiert wurde – auf Platte, auf Zelluloid oder digital – ist Stoff für Zeitgeschichten auf einestages.“21 Auch in der Rubrik „Fundbüro“ stehen Fotografien im Mittelpunkt: Unter dem Titel „Bild sucht Geschichte“ wird nach historischen Angaben zu Fotos gefragt, unter „Geschichte sucht Bild“ werden Hinweise zum Auffinden gesuchter visueller Dokumente erhoben und unter „Erfolgsgeschichten“ schließlich die Ergebnisse der Recherchen der Nutzer präsentiert. Während die Rezeption der präsentierten Inhalte prinzipiell allen Interessenten offen steht, bedarf es zur Realisierung der implementierten Publikations- und Partizipationsoptionen der (kostenfreien) Registrierung als Mitglied. Darüber hinaus werden ausführliche Vorgaben zur Abfassung betreffender Beiträge formuliert wie etwa der Hinweis: „Gute Zeitgeschichten sind selten länger als 5000 bis 7000
20 Für einen quantitativen Überblick hinsichtlich betreffender Präferenzen von Onlinenutzern ab 14 Jahren in Deutschland vgl. Busemann, Katrin/Gscheidle, Christoph: „Web 2.0: Communitys bei jungen Nutzern beliebt“, in: MEDIA PERSPEKTIVEN Nr. 7/2009, S. 356-364 21 Siehe http://einestages.spiegel.de/page/AboutHistory.html (1. September 2009)
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Zeichen.“22 Insofern sind hier für die Selektivität bei der Publikation nutzergenerierter Inhalte nicht nur Erwägungen hinsichtlich der Qualitätssicherung relevant, sondern es entscheiden auch aufmerksamkeitsökonomische Kriterien über die Veröffentlichung. Die Absicht der Integration nutzergenerierter Inhalte ist also neben der Erschließung privater visueller Quellen die Publikation von publikumswirksamen Texten mit zeithistorischem Hintergrund. Analog zu den Beispielen aus den genannten Online-Angeboten des ZDF ist vor allem im redaktionell verantworteten Teil von „einestages“ eine ähnliche Konstellation zu konstatieren. Betreffende Beiträge flankieren beispielsweise die Berichterstattung im Magazin „Der Spiegel“ und es findet eine Zweitverwertung von Artikeln statt, die dort bereits publiziert wurden. Ebenso finden sich im Kontext von Beiträgen der Nutzer anzeigenartige Verweise auf thematisch korrespondierende Spiegel-Titel, deren Inhalte gegen Gebühr aus einem Online-Archiv abgerufen werden können. Diese Maßnahmen sind Ausdruck der Konvergenz von kommerziellen Print- und kostenlosen OnlineAngeboten, die für Verlage mittlerweile charakteristisch ist. Aus dieser Konstellation resultiert auch, dass am 9. September 2008 das gedruckte Magazin „einestages – Wie wir wurden, was wir sind“ erscheint, das nicht nur exklusive Beiträge von Prominenten präsentiert, sondern auch auf online verfügbare nutzergenerierte Inhalte rekurriert. Für dieses Vorhaben spricht der Publikumserfolg: Ausgehend von den Angaben der Online-Vermarktungsgemeinschaft der Spiegel-Gruppe werden inzwischen monatlich bis zu 45.057.550 Seitenaufrufe von 840.000 Besuchern gezählt.23 Aus der Ausrichtung des Angebots auf die Attraktion von Aufmerksamkeit resultiert aber ein inhaltlich unspezifisches und radikal enthierarchisiertes Verständnis von (gefühlter) Geschichte und kollektivem Gedächtnis, das für die Auseinandersetzung mit Nationalsozialismus und Holocaust nur bedingt geeignet ist. Themen, die durch das subjektive Erleben der Zeitgenossen ge22 Siehe http://einestages.spiegel.de/page/Tutorials.html#Tutorial_T6 (1. September 2009) 23 Die Angaben sind der Titelpräsentation unter www.quality-channel.de/deutsch/ media/dokumente/partner/basis/einestages_basis.pdf entnommen, deren Daten bis Mitte 2009 reichen. Die Kategorie der Seitenaufrufe (Page Impressions) ist jedoch ein zumindest unscharfes, wenn nicht zweifelhaftes Kriterium, das insofern verzerrend beeinflusst werden kann, als der Aufruf eines jeden Bildes in einer Bildergalerie als eigenständiger Seitenaufruf gezählt werden kann. Die Kategorie „Unique User“ erfasst hingegen den Besuch (Visit) einer Website durch einen einzelnen Nutzer unabhängig von der Anzahl der bei einem Besuch aufgerufenen Seiten.
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prägt sind und bis in die Gegenwart reichen werden als gleichermaßen relevant ausgezeichnet. Das am Beispiel anderer Online-Medien erkennbare Potenzial von Partizipationsangeboten für die ereignis- und personenbezogene Kommemoration sowie die Vermittlung historischen Wissens wird hier dem für die Präsentation von Zeitgeschichte in marktförmigen Unterhaltungsöffentlichkeiten konstitutiven Kriterium der Quote untergeordnet. Und so wurde „einestages“ inzwischen auch als Magazin-Format im Bezahlfernsehen des Kanals „Spiegel Geschichte“ beim Sender „Sky“ etabliert.
Facebook, Twitter und das Holocaust-Museum Obgleich „einestages“ auf die Konstitution einer Community abzielt, ist die Präsenz auf Social Network Sites nur bedingt aussagekräftig, denn die betreffenden Angebote bei Twitter (@einestages) und Facebook (www.facebook. com/einestages) annoncieren ausschließlich aktuelle Beiträge aus dem Online-Angebot und auch das einestages-Widget bei Myspace übernimmt diese Funktion. Im Gegensatz dazu soll abschließend am Beispiel das United States Holocaust Memorial Museum (USHMM) der weitergehende Einsatz von Social Media-Formaten diskutiert werden. Das USHMM ist eine zentral in Washington D.C situierte museale Einrichtung, die als nationale Gedenkstätte für die Opfer sowie zur Dokumentation der Geschichte des Holocaust fungiert. Konzeptionell fokussiert die Institution neben der Kommemoration die Konsequenzen aus der historischen Erinnerung („From Memory to Action“) und engagiert sich in den Bereichen Holocaust Education sowie Genocide Prevention. Insbesondere aus dieser Orientierung resultiert die Affinität zum Einsatz Neuer Medien zur Kommunikation betreffender Inhalte: Unter anderem kooperiert das USHMM mit Apple bei der kostenlosen Bereitstellung von Podcasts und PDF-Dokumenten im Kontext von iTunes U(niversity) und bei der Präsentation der Folgen des Völkermords in Darfur via MashUp mit Google Earth. Darüber hinaus unterhält es einen Kanal bei YouTube (www. youtube.com/ushmm), der sowohl aktuelle Aktivitäten als auch Zeitzeugenberichte dokumentiert. Besondere kommunikative Qualitäten entfaltet die Präsenz bei Facebook (www.facebook.com/pages/Washington-DC/United-States-Holocaust-Memo rial-Museum/34362997676?ref=ts) und bei Twitter (@HolocaustMuseum). Zunächst werden auf diesen Kanälen seitens des USHMM keine identischen Informationen lanciert. Bei Facebook werden vor allem Veranstaltungen sowie aktuelle Podcasts angekündigt, über die via Kommentarfunktion zuweilen längere Diskussionen entstehen. Ein besonders kontroverser Fall hat im Au-
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gust 2009 dazu geführt, an zentraler Stelle des Profils „Wall Guidelines“ zu publizieren. Darin behält sich das Museum auch das Recht der Entfernung von Einträgen vor, die diesen Vorgaben widersprechen. Ansonsten antworten die Verantwortlichen auch auf in den Pinnwand-Einträgen artikulierte Anfragen. Bei Twitter erscheint die Interaktion mit den „followers“ zunächst nicht so intensiv. Hier werden vor allem Hinweise auf seitens des USHMM verfügbare Inhalte publiziert, die häufig einen Bezug zum jeweiligen Datum haben, wie etwa am 1. September 2009 ein Hinweis zu den via Website verfügbaren Informationen zur deutschen Invasion in Polen von 1939. Interessant ist, dass nicht alle Angaben in englischer Sprache gemacht werden, sondern in Abhängigkeit vom Inhalt, auf den Bezug genommen wird, gelegentlich in anderen. Wie zwei prägnante Beispiele zeigen, wird der Dienst aber auch zum Austausch genutzt: So wurde Mitte Juli 2009 ein internes Treffen im Museum zum Anlass genommen, die „followers“ nach den Motiven für die Nutzung des Angebots zu fragen. Die Reaktion war so beträchtlich, dass die Verantwortlichen auf die Antworten kaum adäquat reagieren konnten. Ein Format, das idealtypisch die Integration von offline und online-Interesse(nten) intendiert, ist schließlich eine spezielle Führung durch das Museum. So bot das USHMM am 2. Juni 2009 einen architektonischen Rundgang an, bei dem die Teilnehmer live ihre Eindrücke via Twitter verbreiteten. Dabei wurden bereits gerade gemachte Bilder veröffentlicht und schließlich bei Flickr dokumentiert (www.flickr.com/photos/matwater213/sets/72157619170877357/show/). Das vereinbarte Hashtag „#ushmm“ erleichterte Abwesenden das Ereignis zu verfolgen. Während in der kommemorativen Kommunikation häufig noch auf Online-Angebote gesetzt wird, die die Interaktion mit dem Medium akzentuieren, entwickelt sich das USHMM mit seiner Nutzung von Social-MediaFormaten zur Interaktion durch das Medium zu einer vernetzten Institution, die exemplarisch für die Möglichkeiten einer Erinnerungskultur 2.0 steht.
Patrick Breitenbach 93 Kultur zu vernetzen
Patrick Breitenbach
Kultur zu vernetzen Ein Plädoyer zur digitalen Vernetzung von Kultur
Wir befinden uns auf der Schwelle zu einem neuen kulturellen Entwicklungssprung. Der technologische Fortschritt scheint dahinzurasen, während der Mensch auf geistiger Ebene nur sehr langsam zu folgen scheint. Daher ist es umso wichtiger, dass gerade die kulturellen und bildenden Inhalte über das entwickelte technische Gerüst wieder verstärkt Einzug in den Lebensalltag der Menschen erhalten. Das Internet bietet also heute und in Zukunft die technologische Grundlage, um Kultur und das darin schlummernde Wissen in einer enormen Vielfalt und Tiefe wesentlich sichtbarer zu machen, als es jemals zuvor in der uns bekannten Geschichte der Menschheit möglich war. Ja sogar noch mehr: Kultur lässt sich vernetzen und kann so die Menschen stärker zueinander führen, sie befindet sich damit in ihrer Gesamtheit mitten in einer neuen Renaissance.
Das Netz aus Interessen Die menschlichen Interessen und deren Vermittlung stehen im Zentrum meines Plädoyers. Interessen erwachsen aus Kontexten, sie sind niemals losgelöst vom denkenden und handelnden Menschen zu betrachten. Interessen erweitern sich konzentrisch, indem sie sich mit neuen, im unmittelbaren Umfeld befindlichen Interessen vernetzen – übrigens stellt diese Interessenvernetzung die effektivste Art des Lernens dar. Dies bedeutet, dass jeder Mensch in seinem eigenen Milieu lebt. Mit Milieu meine ich das direkte kommunikative Umfeld, konkret: In welches Land, in welche Kultur, in welchen Einkommens- und Bildungsstatus wird man hineingeboren? Wie kommunizieren Familie, Freundeskreis, Kollegen miteinander? Das alles sind wichtige Vorbilder und Muster, nach denen jeder einzelne Mensch wiederum sein eigenes Milieu, sein System konstruiert. Natürlich ist es nicht ganz so einfach, denn in jedem Menschen steckt ja auch das Potenzial mit Mustern und Milieus zu brechen, also das alte Umfeld aufzugeben und sich ein neues Milieu zu erschaffen. Kultur umfasst die Abbildung der sichtbaren Ergebnisse aus bestimmten Mi-
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lieus, Kontexten oder Systemen. Künstler sind in der Regel damit beschäftigt, ihre Milieus oder den Wunsch nach Schaffung eines neuen Milieus in ihren Werken festzuhalten und sie durch ihre kreativen Techniken auszudrücken. Sichtbar wurde diese Kultur bislang jedoch nur in sehr eingeschränkter Form. Vor Hunderten von Jahren sahen die Menschen nur Kulturwerke aus ihrem unmittelbaren Kulturkreis und lediglich die Reisenden erhielten Einblicke in neue Milieus und wirkten so inspirierend auf ihr eigenes Umfeld oder verarbeiteten gar ihre Eindrücke selbst bzw. ließen sie von anderen in Kunstwerken ausdrücken. Sie waren so etwas wie Kulturmissionare – heute würde man wohl Trendsetter oder -scout sagen. Menschen dokumentieren ihre Milieus mit Hilfe der Kunst. Somit ist der aus der elektronischen Netzkultur entstammende Gedanke des „Life Cashing“, also der ständigen Verfügbarkeit von Gedanken, Bildern und Videoerinnerungen im Netz, kein wirklich neuer. Auch ‚vor dem Netz’ gab es den Drang, das eigene Leben dauerhaft für die Nachwelt festzuhalten und somit zum großen kollektiven Kulturgedächtnis beizutragen. Doch was genau ändert sich denn jetzt durch die Einführung des Internets, des Web 2.0? Das Internet ist in erster Linie ein technisches Gerüst, das in der Lage ist, kommunikative Hindernisse zu überwinden (um gleichzeitig neue zu erschaffen, aber das ist eine andere Geschichte), die die klassischen VorläuferMedien in der Form nicht überwinden konnten: 1. Geografische Hindernisse Durch das Internet kommunizieren wir globaler. Das liegt zum einen daran, dass weltweit immer mehr Menschen das Internet nutzen können (natürlich sind noch viele Gebiete abgekapselt), aber eben auch daran, dass globale Gespräche nahezu kostenlos geworden sind. Das bedeutet im nächsten Schritt, dass wir global auf rein virtueller Ebene kollaborieren könnten. Wir sind in der Lage, gemeinsam Probleme zu lösen und wir können aus jedem Dorf heraus (DSLAnschluss vorausgesetzt) in die große weite Welt verkaufen, oder genießen ganz einfach all die virtuell gespeicherten kulturellen Schätze der Erde per Mausklick im Wohnzimmer. 2. Zeitliche Hindernisse Wenn wir an das Fernsehen der Vergangenheit denken, dann fällt uns auf, dass die Konsumenten von einem gegebenen Sendezeitenschema abhängig waren. Sie konnten die relativ wenigen Inhalte immer nur zu einem ganz bestimmten Zeitpunkt anschauen. Heute sind Inhalte – werden sie einmal im Internet veröffentlicht – 24 Stunden, 7 Tage die Woche dauerhaft abrufbar. Gleichzeitig wächst dadurch die Vielfalt des Materials. Auch Nischensendungen finden nun einen Sendeplatz, denn dieser ist im Vergleich zu einem TV-Sendeplatz
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kostengünstiger und ganz einfach weniger aufwendig. Jeder wird in seiner Konsumentenrolle also auch zum potenziellen Sender. Man muss nicht mehr – wie früher – in ein bestimmtes Milieu geboren worden sein, um sich sein Medium zu erschaffen. 3. Räumliche Hindernisse Stellen Sie sich vor, sie würden Wikipedia ausdrucken lassen und bei sich ins Regal stellen. Das wäre rein produktionstechnisch schwierig und sie bräuchten dazu bestimmt auch ein kleines Vermögen und dennoch wären Sie nach einigen Tagen unzufrieden, denn bei Wikipedia sind die Inhalte so dynamisch, dass Sie bereits nach wenigen Minuten einen neuen Eintrag in ihrer gedruckten Ausgabe vermissen würden. Sie würden nicht mehr merken, wenn Informationen korrigiert oder ergänzt werden, sondern hätten eine Ausgabe in den Händen, die sich zwar gut anfühlen mag, aber in Bezug auf den Informationsgehalt der Internetversion immer hinterherhinkt. Das Internet bietet uns den nötigen Raum, um Inhalte zu publizieren, seien es Bilder, Texte, Video- oder Audiomaterial, wobei der Speicherplatz zunehmed günstiger wird. 4. Körperliche Hindernisse StarTrek-Fans kennen das Holodeck. Ein spezieller Raum auf der „Enterprise“, der es den Menschen ermöglicht, in die unterschiedlichsten virtuellen Welten einzutauchen. Das Holodeck dient sowohl dem Vergnügen, der Erholung, aber auch zum Trainieren und Lernen, indem man sich bestimmte Simulationsumgebungen schafft bzw. programmiert. Das Holodeck simuliert also einen Raum, der ebenso wie das Internet unendlich begehbar ist. Man könnte das vielleicht als „Travelling without moving“ bezeichnen. Was in StarTrek als Science-Fiction gedacht ist, wird derzeit fleißig real technologisch entwickelt. Virtuelle Realität verschmilzt somit selbst nach und nach mit unserer Realität. Das beginnt bei einfachen 3D-Anwendungen und -Welten wie „Second Life“ oder den äußerst erfolgreichen Online Games wie beispielsweise „World of Warcraft“. Alle haben eines gemeinsam: Man taucht in simulierte Welten ein, und zwar so intensiv, dass man den eigenen Körper, die eigene Umgebung – in den Spielmomenten – völlig vergisst. Natürlich haben viele vor einem solchen Szenario Angst – aber die Menschen hatten auch Angst vor Büchern und der in ihnen drohenden Sucht und Realitätsflucht. Wichtig ist bei diesen Anwendungen, dass wir ihren Wert erkennen und über Gefahren aufklären. Außerdem ist der Hauptgrund für Realitätsflucht wohl eher in der Realität zu suchen als in der jeweiligen Fluchtwelt. Kurzum, wir überwinden mit dieser Realitätssimulation letztendlich auch die Beschränkungen unseres Körpers.
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Die Veränderung der Aufmerksamkeitsökonomie Was ist nun also das Resultat dieser Grenzüberwindungen, bezogen auf Kultur und die Vernetzung von Kultur? Wir erhalten wesentlich mehr Informationen aus dem Kulturbereich als bisher, wir können in wesentlich vielfältigeren und intensiveren Kontakt zu anderen Milieus und Kulturkreisen treten und somit Kulturwissen austauschen, vergleichen und gegenseitig wertschätzen. Wir könnten wesentlich mehr über andere Milieus und ihre Hintergründe erfahren, ohne dabei das eigene Milieu aufzugeben. Wir beginnen also zu teilen, statt zu verdrängen (Kooperation versus Konkurrenz). Im Netz wird dies übrigens als „Sharingmodel“ bezeichnet, also die Austauschkultur, die der Film- und Musikindustrie das Blut in den Adern gefrieren lässt. Völlig unbeeindruckt von gesetzlichen Regeln tauschen und verbreiten Menschen ihre kulturellen Güter in Form von Musik, Filmen und elektronischen Büchern – kostenlos. Was der vermarktenden Industrie ein Gräuel ist – denn sie besaß bisher das Monopol des Kopienverkaufes – kann für den einzelnen Künstler zum Erfolgskriterium werden. Sein Werk geht um die Welt, dabei wird ihm sein hoher Bekanntheitsgrad langfristig auch finanziell von Nutzen sein. Die Hauptmotivation, um Kultur zu vernetzen, liegt meiner Ansicht nach auch in der stärkeren Sichtbarmachung von Kulturgütern und ihren Erschaffern sowie der besseren Vermittlung zu den Interessenten. Nur durch Interessenüberschneidung („Matching“) entsteht Begeisterung, der Nährboden des Fandaseins. Nur wenn wir wirklich nur das kaufen, was wir lieben und schätzen, werden wir der Billig- und Kostenlosspirale entkommen, der Wert von Gütern und Kultur wird wieder steigen. Wir leben meines Erachtens noch nicht in einer solchen Interessensökonomie, sondern immer noch in der von der Massenproduktion und den Broadcastingmedien (TV, Radio etc.) geprägten Aufmerksamkeitsökonomie, also dem täglichen Wettbewerb um maximale Aufmerksamkeit. Wenn wir uns im Bereich der Medien umschauen, entdecken wir die Auswirkungen dieser Aufmerksamkeitsökonomie in ihren absurdesten Ausmaßen. Zeitungsjournalisten beispielsweise verbringen den Großteil ihres Tagesgeschäftes damit, die eine Schlagzeile zu finden, die von allen Menschen gelesen wird. Dies geschieht nicht, um Menschen bestmöglich zu informieren, sondern weil so letztlich die größtmögliche Aufmerksamkeit auf die Werbeanzeige gelenkt wird, die das Medium mitfinanziert. Der Erfolg von Journalismus und der Übertragung von Botschaften wird eben nicht mehr anhand von Qualität, investigativer Recherche oder sinnvollem Nachrichtenwert gemessen, sondern
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anhand des Aufmerksamkeitserfolges einer Story – dem sogenannten Scoop, der Sensation. Die Werbeanzeigen und -spots selbst haben ebenfalls nur eine konkrete Aufgabe, sie sollen Aufmerksamkeit bei den Konsumenten für ein bestimmtes Produkt erregen. In diesem System aus Medien, Konsumenten und Produzenten konkurrieren also extrem viele Botschaften und Interessen um ein und dasselbe Ziel, nämlich die Aufmerksamkeit der Empfänger. Aufmerksamkeit ist wichtig und kostbar – umso vorsichtiger sollten wir damit umgehen. Das Internet kann auch ein Werkzeug sein, mit Aufmerksamkeit achtsamer umzugehen - indem man Inhalte mit entsprechenden Interessengebieten verknüpft, statt die Nutzer mit Botschaften zu bombardieren. Mit seinen Inhalten sollte man einfach nur Präsenz und damit die Auffindbarkeit bei Suchmaschinen gewährleisten. Das ist meine Auffassung einer Interessenökonomie – einem möglichen Gegenentwurf zum Kampf um die Aufmerksamkeit.
Vier Schritte zur Interessensökonomie Wenn Sie heute eine breite Werbekampagne starten möchten, die Sie früher in den drei Programmen des Fernsehens ‚eins zu eins’ unter das Volk bringen konnten, müssen sie heute sehr viel mehr Geld in die Hand nehmen als damals. Das liegt maßgeblich an der Zersplitterung der Medien und damit der Aufmerksamkeitskanäle. Früher konnten Sie Millionen Menschen auf einen Schlag erreichen, heute müssen sie zwischen Hunderten von Informationskanälen wählen. Das kostet Geld und Zeit. Das Internet hat zwar dafür gesorgt, dass sich diese Kanäle immer weiter zersplittern, doch auf der anderen Seite ermöglicht es durch die Möglichkeit der Vernetzung durch Hyperlinks auch ein Umdenken. Im Folgenden möchte ich auf die Möglichkeiten des Internets, Interessen in Perfektion zu „matchen“, eingehen und beschreiben, wie Sie Informationen so bereitstellen können, dass interessierte Nutzer sie auch finden. 1. Präsenz Bevor Sie vorsichtig Ihre ersten Schritte gehen, müssen Sie natürlich erst einmal ‚geboren’ werden. Sie müssen sich eine virtuelle Existenz aufbauen, dabei gilt die einfache Formel: „Ich publiziere, also bin ich“. Suchen Sie sich eine freies Plätzchen im WWW, das muss noch nicht einmal die eigene aufwendig gestaltete Homepage sein, das kann auch einfach mit einem Profil in den unzähligen sozialen Netzwerken beginnen. Wichtig ist nur, dass Sie damit beginnen, sich oder Ihr Unternehmen so genau wie möglich zu beschreiben. Schaffen Sie also Interessenverknüpfungspunkte für andere Menschen – durch die Nennung Ihrer Interessen, vor allem aber der Interessen, die Sie mit Ihrem
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Angebot bedienen können. Ihre virtuelle Präsenz ist die Ausgangsbasis Ihrer weiteren Aktivität. Von hier aus beginnen Sie Ihre Signale zu senden. 2. Signal Ein Signal ist ein kontinuierliches Senden von Information. Das Besondere im Internet ist, dass Sie niemanden belästigen müssen, sondern dass Sie von Ihrer Präsenz aus stetig signalisieren können, wer Sie sind, was Sie machen und vor allem, was Sie zu bieten haben. Setzen Sie all Ihre Energie auf die bessere Auffindbarkeit Ihrer Präsenz. Je kontinuierlicher, präziser und länger Sie signalisieren, desto schneller und erfolgreicher werden Sie gefunden werden. Hier gilt: Die Welt ist eine Google. 3. Dialog Sie sind natürlich nicht der Einzige, der von seiner Präsenz aus permanent Signale sendet. Dies tun mittlerweile Millionen von Menschen. Und selbst diejenigen, die nicht im Internet präsent sind, sind meist mit Akteuren verbunden, die es sind. Der Dialog ist ein Werkzeug, um Interessen zu vermitteln. Im Dialog findet man Gemeinsamkeiten und Unterschiede und trifft entsprechend Urteile. Es finden nicht nur Dialoge unter Fans statt, sondern auch Dialoge zwischen Gegnern oder zwischen Gegnern und Fans. Sie alle haben aber einen leidenschaftlichen Anknüpfungspunkt, der sie verbindet. Zuhören ist der erste Schritt im Dialog. Lernen Sie über das Internet andere Menschen und ihre Interessen und Bedürfnisse kennen und bieten Sie sich als Gesprächspartner an, wenn Sie Interessenüberschneidungen erkennen. 4. Synergie Wenn ich von Fankulturen spreche, so meine ich damit letztendlich die entscheidenden synergetischen Faktoren, die dabei helfen, Kultur nicht nur sichtbarer zu machen, sondern sie auch zu finanzieren. Kunst und Kultur waren seit jeher angewiesen auf das Mäzenatentum, sei es in Form von Kulturämtern, wohlhabenden Kunstsammlern und -förderern oder wirtschaftlichen Sponsoren. Sie alle motivierte ein gewisser Grad an Begeisterung, eine Überschneidung von Interessen. Fans sind also auch immer gleichzeitig potenzielle Förderer von Kultur und sorgen letztendlich dafür, dass Kultur existieren kann. Das Internet wiederum ist ein wunderbares Mittel, um Fans zu generieren, aber sie vor allem auch zu pflegen. Zum Beispiel können Fanclubs mit Blicken hinter die Kulissen zusätzlich belohnt werden, ihre Begeisterung steigt und somit auch die Bereitschaft, mehr in ihre Lieblinge zu investieren. Ein Künstler kann sein Musikstück kostenlos zum Download bereitstellen und trotzdem den Fans anbieten, etwas dafür zu bezahlen (was diese – im Wissen um die hinter dem Song steckende Arbeit, möglicherweise zu tun geneigt sind). Vor allem wollen Fans
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gepflegt werden – etwa durch exklusive Informationen und Angebote. Tun Sie ihnen also den Gefallen. Das Internet gibt Ihnen hierzu die Möglichkeiten.
Vom Massenmedium zur Massenanwendung Je mehr das Internet zur Massenanwendung wird, desto mehr müssen wir uns von dem Gedanken eines Massenmediums verabschieden. Das klingt zunächst paradox, aber wenn man das Web tatsächlich als „Mitmachweb“, als „Soziales Medium“ begreift, so wird man auch schnell verstehen, wieso dies der Fall ist. Je mehr aktive Nutzer es gibt, je mehr Inhalte, Informationen und Werke sie hochladen, desto reichhaltiger wird das Angebot und desto zersplitterter werden die einzelnen Kanäle. Die Massenmedien von morgen sind innerhalb des gigantischen Netzwerkes „WWW“ zu finden. Ein gutes Beispiel ist Google. Die Suchmaschine ist das Tor zu den zahllosen Medienkanälen in Form von Blogs, Foren, Websites, Dokumenten, Videos etc. Die großen Plattformen haben die klassischen Medien im Internet längst abgelöst. Und dennoch unterscheidet sich die Rolle dieser Dienste zu den Verlags- und Broadcastingunternehmen, die wir bisher kannten. Was Google anzeigt ist im Wesentlichen nicht die Entscheidung von Google, sondern der Nutzer selbst hat die Kontrolle über seine ‚Fernbedienung im Netz’. Natürlich ist das Google-Ranking wichtig für die Verbreitung von Inhalten, andererseits kann man selbst etwas tun, um im Ranking nach vorne zu kommen. Eine weitere Unterscheidung zwischen Internet und bisherigen Broadcastingmedien besteht im Hyperlink und der Verknüpfung von einzelnen Stichwörtern oder Sätzen mit weiterführenden Inhalten auf Websites (die wiederum Links enthalten, die zu anderen Websites verweisen usw.). Wir können unser Wissen, unsere Wahrnehmung von Inhalten im Web stetig erweitern, unsere Mediennutzung wird explorativ. Jeder Mensch hat nun die Möglichkeit, sich von Interesse zu Interesse, von Thema zu Thema, von Wissensgebiet zu Wissensgebiet zu klicken. Sehr viele Informationen sind mittlerweile miteinander vernetzt und sehr leicht zugänglich. Daher sind Links eine Währung. Sowohl in der Aufmerksamkeits- wie auch in der Interessensökonomie. Je mehr Links man selbst auf andere Angebote setzt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass man von diesem Angebot wahrgenommen wird und umgekehrt ebenfalls einen Link auf das eigene Angebot erhält. So entsteht letztlich das Netz der Interessen und der Aufmerksamkeit. Link für Link, langsam aber stetig. Dies sollten Sie bei Ihrem eigenen Auftritt im Auge behalten: Eine Internetpräsenz, eine Onlinekommunikation funktioniert anders als die alten Kommunikationsmedien. Sie können vielleicht kurzzeitig mit einer strategischen Idee (Kampagne) für etwas Wirbel sorgen, wenn Sie sich aber dauerhafte
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Präsenz und ein wachsendes Netzwerk wünschen, so müssen Sie langfristig und ausdauernd denken und handeln. Es geht nicht von heute auf morgen, doch je länger sie am Ball sind, desto mehr und nachhaltige Erfolge werden sich einstellen. Sie erweitern ihr Netzwerk, nicht nur auf virtueller, sondern auch auf persönlicher Ebene, denn durch das Netz sind nicht nur Freundschaften und Ehen entstanden, das Netz bietet auch den Erstkontakt und intensiven Austausch für langjährige und intensive persönliche Geschäftsbeziehungen. Gerade das ist in Zeiten von Budgetkürzungen und dem enormen Druck beim Fundraising Gold wert.
Epilog: Das globale Gehirn Abschließend bleibt zu sagen, dass das Internet ein gigantisches und exponentiell wachsendes Kulturarchiv ist. Wir können die alten Meisterwerke in digitaler Form bewundern, wir sehen aber auch die Gegenwart in Form eines gigantischen „Contentstreams“ und erhalten dadurch Entwürfe und Impulse für die Zukunft unseres Daseins. Das Web wächst und wächst und manche Augen blicken positiv in die Zukunft und sehen, dass wir uns immer stärker in Richtung eines globalen Gehirns entwickeln. Ein Gehirn, das alle Gehirne auf der Welt miteinander verbindet, ohne deren individuellen Fähigkeiten und Ansichten zu vereinheitlichen. Ein riesiges Netzwerk aus Informationen, Wissen und Kultur. Ich freue mich auf die nächsten Jahre und die zunehmende Sichtbarkeit unserer gigantischen globalen Kultur.
Christof Breidenich 101 Wie kommen die neuen Medien in die alten Menschen?
Christof Breidenich
Wie kommen die neuen Medien in die alten Menschen? Ästhetik, Gestaltung und Internet im Spiegel der Kultur- und Kunstgeschichte
Die Herangehensweise, interaktive Inhalte für das Internet aufzubereiten, ist eine der großen Herausforderungen für Menschen, die sich mit Public-Relations, Kommunikation oder Marketing beschäftigen. Publikationen in Zeitungen, Magazinen oder Büchern sowie Live-Marketing auf Messen oder Veranstaltungen sind Gebiete, die zum Grundwissen und in den Erfahrungsbereich der Berufe gehören, die sich mit Öffentlichkeit und Kommunikation auseinandersetzen. Ausbildung und Studium, Fachliteratur und unterschiedliche Berufsbilder formieren ein großes Feld an Möglichkeiten und Voraussetzungen für Unternehmen und Institutionen, Dienstleistungen in diesen Gebieten entweder einzukaufen, oder aber Fachleute intern einzustellen. Als Ende der neunziger Jahre das Internet Einzug in die Kommunikationswelt hielt, entstand nach anfänglicher Verwirrung ein Publikationskanon, der sich auf statische Internetpräsenzen mit interaktiver E-Mail-Funktion beschränkte. Die Technik, die zur Verfügung stand, war kompliziert. Erste HTMLEditoren erlaubten es zwar auch dem Technik-Laien, Internetseiten zu erstellen, generell war dies aber die Aufgabe von Programmierern und Gestaltern, die von Unternehmen oder Institutionen beauftragt wurden. Das Netz war statisch, die Publikationen erfüllten die Funktion von Imagedarstellungen auf dem Bildschirm. Es handelte sich um Flyer im Netz. Shops, Kataloge und Bestellsysteme ließen zwar nicht lange auf sich warten, waren aber wieder in ihrer Herstellung und Programmierung sehr aufwändig und teuer. Das Internet war die Domäne von Spezialisten, die im Auftrag von zum Beispiel Kulturinstitutionen komplexe Inhalte für das Internet gestalterisch und technisch aufbereiteten. Allmählich entwickelte sich das Internet zu dem, was wir heute als dynamisches Netz oder Web 2.0 bezeichnen. Seitdem haben sich die Prioritäten für das Publizieren im Web 2.0 geändert. Diese Prioritäten beziehen sich in erster Linie auf die Dimension des Gestaltens. Die designerische Disziplin, die sich mit der Gestaltung von Text-Bild-Informationen und multimedialen Wissensinhalten auseinandersetzt, bezeichnet man als Kommunikations- oder Mediendesign. Bevor der persönliche Computer als allgegenwärtiges Kommunikationsmittel
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auf den Plan trat, wurden die Aufgaben der Gestaltung öffentlicher Publikationen von Spezialisten, die das Know-How und den Zugang zur Technik hatten, erledigt. Die gegenwärtige Situation der interaktiven Medien ermöglicht es nun erstmalig, dass nicht ausschließlich ausgebildete Designer, sondern ebenso Laien ohne technische Hindernisse Inhalte publizieren können. Gemeint sind hier Privatpersonen oder aber Berufsfremde, die für ein Unternehmen publizistische Tätigkeiten ausüben. Ebenfalls sind Profis aus dem großen Feld der Medientätigkeiten, wie Design, Journalismus, PR, Internet, Film, TV, Musik, Kulturinstitution, Event, Schule, Weiterbildung u.v.m., mit der Möglichkeit des uneingeschränkten Publizierens konfrontiert. Kultur und Web 2.0: Institutionen mit Tradition und Geschichte und das neue ‚wilde‘ Internet scheinen auf den ersten Blick nicht zusammenzupassen. Dieser Schluss ist nicht nur voreilig: Die Beiträge in diesem Band zeigen vielmehr, dass gerade Unternehmen wie Museen, Galerien, Theater, Bibliotheken, Konzerthäuser und Festivals beste Voraussetzungen haben, mittels sozialer interaktiver Medien zu kommunizieren. In den folgenden Ausführungen wird darüber hinaus gezeigt, dass multimediale Darstellung und Interaktion schon immer als Strategie in den sogenannten schönen Künsten vertreten waren. Obwohl es sich beim digitalen Netz um eine zeitgenössische junge Technik handelt, kann man bei genauer Betrachtung erstaunliche Parallelen zu der Vorgehensweise vor allem in den bildenden und darstellenden Künsten ausfindig machen. Eine Reflexion über diese Parallelen, die keineswegs zufällig oder oberflächlich sind, kann Kulturorganisationen helfen, ihr Kommunikationspotential zu steigern und sich in der Öffentlichkeit präsenter zu positionieren. Das Verständnis für die Funktionalität und die Wirkungsweise von sozialen Netzen und deren Außenwirkung sollte gerade für Kulturinstitutionen zum Selbstverständnis gehören. Denn sie haben eine hohe Kompetenz für ästhetische Inhalte wie Bilder, Musik oder Dramaturgie, die zukünftig eine herausragende Rolle im dynamischen Internet spielen werden: Zum ersten Mal ist jeder in der Lage, unbegrenzt und ohne Kosten multimediale Inhalte in einem Massenmedium nicht nur zu nutzen, sondern ebenso zu gestalten und zu publizieren! Um sich in diesem Massenmedium vom Mainstream des alltäglichen ‚Publikationsmülls‘ abzuheben, muss man sich mit der Wirkung und Funktion von multimedialer Gestaltung mit Bildern, Texten und Tönen auseinandersetzen.
Virtual Reality Wir sind geneigt, Begriffe wie Virtualität oder Interaktivität als Neuerungen der zeitgenössischen digitalen Medien zu erfassen. Richtig ist dagegen, dass wir
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uns kraft unserer Wahrnehmung immer schon mit alternativen Wirklichkeiten beschäftigt haben. Neu ist nicht diese Funktion digitaler Medien, sondern der Zugang zur Produktion und Publikation von Inhalten mithilfe von Software und Vernetzung. Die Bedeutung des Kommunikationsdesigns für die Gesellschaft nimmt zu, da technische und ökonomische Dimensionen fast völlig verschwinden. Jeder ist in der Lage mit minimalem Aufwand, ohne technische Kenntnisse oder Abhängigkeit von Ort und Zeit, fast ohne den Einsatz von finanziellen Mitteln multimediale Äußerungen zu verbreiten. Vorausgesetzt, er kann gestalten!
1: Während ihres Romaufenthalts zu Anfang des 18. Jahrhunderts perfektionierten die Brüder Cosmas Damian und Egid Quirin Asam die Techniken des heiligen Theaters (theatrum sacrum) für den darauffolgenden Kirchenbau in Deutschland. Einen Höhepunkt stellt die Himmelfahrt Mariens in der Klosterkirche im niederbayerischen Rohr dar. Ein Gesamtkunstwerk mit von der Wand und teilweise dem Boden losgelösten Stuckfiguren. Das Umfeld dieses Ensembles wird durch eine theaterähnliche Innenarchitektur mit Säulen und Balkonen komplettiert.
Das Zeitalter des Barock, ausgehend von künstlerischen Strategien in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts in Italien, gelangte durch den Bilderhunger des Nordens zu einer neuen Blüte, die wir noch heute an vielen Orten in Deutschland anschauen können. Wenn man versucht, die Besonderheiten dieser Kunstauffassung auf einen Nenner zu bringen, könnte man behaupten, dass sie in der Konvergenz der angewandten künstlerischen Medien, wie Architektur, Plastik, Skulptur, Malerei und Kunsthandwerk zu begründen ist. Konvergenz! – An dieser Stelle wird offensichtlich, warum hier ein historisches Thema von Bedeutung ist. Betrachtet man die barocke Innenarchitektur und Raumgestaltung
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im Detail, wird sehr schnell klar, dass das Weglassen der Übergänge zwischen Bild und Raum, zwischen Wand und Decke oder zwischen Malerei und Skulptur eine Spannung und Emergenz erzeugt hat, die damals die Menschen ähnlich beeindruckt hat wie heute beispielsweise digitale Welten eines Computerspiels unsere Zeitgenossen. Die barocken Darstellungen wenden sich ab von der Bildkomposition des Augenblicks und der Gefangennahme der Bildinhalte in ein gerahmtes und abgeschlossenes Areal. Der Inhalt tritt heraus und erzeugt ein uneindeutiges Schauspiel für einen getäuschten Betrachter. Wir kommunizieren mit elektronischer Post, verwenden E-Learning und EBanking und kaufen ersteigerte Waren im Internet. Wir treffen uns in Chatrooms, kreieren Profile zur Selbstdarstellung und tauchen in virtuelle Welten von Rollenspielen ein. Was hat das alles mit Barock zu tun? Mit unserem heutigen Verständnis von Medien schon mehr – denn diese können von unseren informationsverarbeitenden Apparaturen vortrefflich simuliert werden: Fotos, Filme, Töne, Texte – Multimedia aus einer Quelle. Dabei geht einiges verloren, was den Medienbegriff in Kunst- und Kulturwissenschaften ausmacht. Es sind die Dinge, die sich nicht in das enge Korsett der digitalen Anwendungen pressen lassen, nämlich die Prinzipien, wie Menschen kommunizieren. Das tun sie mit Händen und Füßen, mit Kleidung und Kapital, mit Wissen oder Waffen. Medien stellen die Beziehung zur Welt durch einen bestimmten Gebrauch und Einsatz für die Kommunikation dar. Heute reduziert sich der Medienbegriff bevorzugt auf elektronische Medien, die aufgrund der Vermarktung von Unterhaltung und Information ein starkes wirtschaftliches Interesse bündeln. Das Internet hat dieses noch verstärkt: Die Vermarktung von Produkten, Dienstleistungen und Industriegütern sowie bevorzugte Freizeitaktivitäten, wie Unterhaltung, Reiseplanung und alltägliche Kommunikation, finden fast komplett über digitale Kanäle statt. Das führt dazu, dass wir unsere Gegenwart über diese Medien definieren. In der Wissenschaft etablieren sich demnach neue Gebiete: Medienund Kommunikationsforschung sowie Medienethik und Mediengeschichte. In der Ökonomie und Unternehmensführung etablieren sich Medienmanagement und Medienrecht, und im Bereich Gestaltung Medienkunst und Mediendesign. Was ist aber, wenn wir die digitale Maschine verlassen und uns auf alltäglichen Wegen durch unsere Umwelt bewegen? Dann greift wieder die Begrifflichkeit von Medien, die im Alltag für uns bedeutsam ist. Denn Gestaltung ist primär an Kommunikation gebunden, die digitalen Medien stellen aber nur eine Form von Kommunikation dar. Sie simulieren analoge Kommunikationen innerhalb alternativer Wirklichkeiten, die nur dann effektiv sind, wenn wir wissen, wie man in der wirklichen Wirklichkeit kommuniziert. Dabei ist festzustellen, dass die Neuen Medien mehr mit den alten Medien zu tun haben, als man vermutet:
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Gestalter sollten Begriff und Funktion der Medien erforschen und kennen, damit ihre Publikationen relevante und fundierte Angebote für alle bieten.
Medienkonvergenz Unser zeitgenössischer Begriff Medienkonvergenz bedeutet nichts anderes als das Zusammenlegen von unterschiedlichen medialen Ausdrucksformen in einer einzigen technischen Apparatur. Die heutige Situation der Medienkonvergenz birgt unzählige Aspekte des Umgangs der Menschen mit den Medien. Die Evidenz von Gestaltung und Medium wird in dieser Situation deshalb zur besonderen Herausforderung, da es sich um viele Medien innerhalb eines einzigen Mediums handelt. Wo sind die Grenzen und wie werden die User befähigt, innerhalb des freien und zeitlich ungebundenen Zugangs Inhalte aufzufinden und abzurufen? Auch stellt sich die Frage, wo und wie die Differenzierung von Inhalten offensichtlich wird. Wo verläuft die Trennung von einem Medium zum anderen, und warum ist sie für uns bedeutungsvoll? Dazu müssen wir uns verdeutlichen, inwiefern Medien für Menschen relevant sind und wie diese auf Menschen wirken. Zu Kleidung, Sport, Uhren, Waffen oder Geld gesellen sich auch die Medien, die wir heute eher als solche bezeichnen: Fotografie, Kino, Fernsehen, Internet.1 Die Bedingungen, unter denen wir die Welt konstruieren und in ihr leben, stellen die Voraussetzung für Medien und deren Zeitlosigkeit, Verschachtelungen, Verbindungen oder Unschärfe dar. Digitale Medien sind also nichts anderes als alte Medien mit anderen Simulations- und Repräsentationsebenen. „Der Inhalt jedes Mediums ist immer ein anderes Medium.“2 – Der Inhalt eines digitalen Systems ist Schrift, der Inhalt von Schrift ist Sprache und so weiter. Medien wirken nie solitär, sondern stets in Kombination: Das ist nicht erst im Computerzeitalter der Fall. Ebenso verwandeln Medien sich in andere Medien. „Alle Medien sind mit ihrem Vermögen, Erfahrung in neue Formen zu übertragen, wirksame Metaphern. Das gesprochene Wort war die erste Technik, die es dem Menschen möglich machte, seine Umwelt loszulassen und sie in neuer
1 Für den Theoretiker Marshall McLuhan waren Medien weitaus breiter gefasst, als wir es aus unserer Welt der Massenmedien gewohnt sind. Er veröffentlichte seine maßgeblichen Werke vor der digitalen Revolution in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts. 2 McLuhan, Marshall: Die magischen Kanäle: Understanding Media, Dresden, Basel: Verlag der Kunst, 1994, S. 22
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2: Barocktreppenhäuser wurden so konzipiert, dass der Blick des ein- oder austretenden Betrachters möglichst variantenreich geleitet wurde. Die Einblicke auf die Wandund Deckengestaltung wechselten je nach Standpunkt und gewisse Details konnten so nur von bestimmten Ausgangspunkten eingesehen werden.
3: Die Navigationsstruktur einer interaktiven Anwendung gestattet dem User unendlich viele Möglichkeiten des Abrufs von Inhalten. Hier eine Touchscreenanwendung über staatenbildende Insekten.
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Weise zu ‚begreifen‘.“3 Genausowenig, wie man mit dem Buchdruck die Schrift erfunden hat, ist die virtuelle Realität unserer heutigen Computeranwendungen eine Erfindung eines neuen Raumes. Designer operieren mit den Bedingungen der Medien, die wiederum auf den Bedingungen unserer Sinne beruhen. Die Unterscheidung von Medien beruht nicht auf Neuartigkeit, sondern auf unterschiedlichen Simulations- und Repräsentationsebenen. Eine Fotografie zeigt eine Szene, die zum Zeitpunkt der Aufnahme Realität gewesen ist. Sie repräsentiert eine Situation mit dem Anspruch auf Wahrheit. Eine digitale Fotografie ist aufgrund ihrer Beschaffenheit gänzlich manipulierbar. Die meisten Fotos in der Werbung und sicherlich auch viele, die als objektive Nachrichtenbilder deklariert werden, sind mehr oder weniger manipuliert. Somit simuliert die digitale Fotografie einen Zustand, der in der Realität nicht vorhanden ist. Trotzdem haben wir nur einen Begriff für dieses Medium: nämlich Fotografie. Nur die Gestalter, die sich mit den Unterschieden von Wirklichkeitsabbildung und Simulation auseinandersetzen, werden die beiden fotografischen Medien wirkungsvoll einsetzen können. Die Bilder, die lügen können und die Bilder, deren Beschaffenheit das nicht zulässt, sind völlig unterschiedliche Medien, obwohl sie zukünftig nur noch durch das Medium Computer repräsentiert werden.
Simulation und Repräsentation Medienkonvergenz stellt das zeitgenössische Gesamtkunstwerk im Sinne der Orientierung in einem gestalteten Raum dar. Dieser virtuelle Raum funktioniert als Konstrukt und verweist auf das, was in unserer Welt existent ist. Bilder, Texte und Kommunikationsumgebungen werden konstruiert und fusionieren zu Treffpunkten für Interessengemeinschaften (Chatrooms, Communities), zu Dienstleistungssektoren (Online-Banking, oder -Shops), zu Unterhaltung (Video-, Fernseh- oder Musikplattformen) oder zur Wissensvermittlung (Wikipedia). Ähnlich effektiv funktioniert der barocke Raum. Sein Initiator und Protagonist, der Fürst, konnte vom Empfang der Gäste, über die Repräsentation der militärischen Kräfte, der Kommunikation mit Untergebenen, der Zurschaustellung von Besitz und damit Ansehen, der Veröffentlichung von privatem Verhalten und alltäglichen Abläufen, bis hin zu ausschweifenden Festlichkeiten und Unterhaltungsevents sämtliche höfische Funktionen in einem multifunktional gestalteten Umfeld mit entsprechender Corporate Identity ausleben. Der barocke und der digitale Raum sind aber nicht wirklich dasselbe. Was unterscheidet den tatsächlichen Raum vom digitalen Raum?
3 Ebd. S. 97
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Architektur ist statisch: Durch die Betrachtung durch den Zuschauer erfährt sie keine Veränderung. Der Betrachter eines Gesamtkunstwerks oder eines statischen Mediums hat keinerlei Auswirkungen auf die Struktur seines Betrachtungsgegenstandes. Eine Wagneroper oder ein Kinofilm kann den Beobachter noch so sehr in den Bann ziehen, es wird trotzdem niemals eine Alternative zum Ausgangsprodukt entstehen. Auch die nichtlineare Abfolge in der Bewegung eines Beobachters durch einen barocken Raum oder zeitlich versetzte Betrachtung von Bildteilen in einem Gemälde ändern am Betrachtungsgegenstand nichts. „The fact, that the fresco and mosaic are hardwired to their architectural setting allows the artist to create a continuity between virtual and physical space.“4 Bilder sind festverdrahtet mit dem Raum: Der Betrachter bewegt sich in einer Simulation, einer Verbindung aus physikalischem und virtuellem Raum. Wenn man Inhalte in individueller Reihenfolge abruft, sprechen wir von einem Hypermedium. Im Gegensatz dazu gibt es lineare Medien wie Buch oder Film. Genau betrachtet ist dies aber nicht die entscheidende Definition für ein digitales Medium wie das moderne Internet. Schließlich könnte man jede Architektur auch als Hypermedium definieren, wenn sich dort die Betrachter immer individuell und nicht in einer vorherbestimmten linearen Abfolge bewegen. Die entscheidende Differenz liegt vielmehr in der Tatsache, dass es sich beim dynamischen Internet um ein Netzwerk handelt, das sich stetig durch seine Benutzung ändert. Inhalte werden nicht ausschließlich durch einen Autor generiert, sondern sind ebenso ein Produkt des vollzogenen Prozesses ihrer Anwendung. Das Netzwerk der Produzenten generiert Inhalte aus anderen Inhalten, insofern, als dass Kombination und Kontextualisierung durch jeden User modifiziert werden. Der Zustand des Internets ist gleichbedeutend mit dem Prozess seiner Benutzung. „Das Internet ist erstens nicht mehr als Hardware, sondern als Software gegeben. Sämtliche Hardware kann untereinander verbunden sein – erst wenn das Internet-Protokoll gestartet wird, besteht eine Verbindung zum Internet (…). Das Protokoll ist das neue Medium. Und nicht mehr die Software, sondern die Hardware erscheint austauschbar.
4 Manovich, Lev: The Language of New Media, Cambridge (Mass.), London: MIT Press, 2002, S. 112. Manovich zeigt anhand von fixierten Wandbildern im Mittelalter und mobilen Tafelbildern der Renaissance den Unterschied zwischen Simulation und Repräsentation von realer und virtueller Welt.
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4: In Lucas Cranachs d. Ä. Darstellung der Erschaffung Adams und Evas von 1530 erkennt man in einer Bildtafel viele unterschiedliche Handlungen. Ähnlich eines Comics, werden hier zeitlich versetzte Geschehnisse präsentiert. Wir werden zu einer Reise durch den virtuellen Bildraum aufgefordert, indem wir die unterschiedlich angeordneten, in der Größe variierenden Bildteile als lineare Geschichte wahrnehmen.
5: In den Schautafeln zu seiner „Analysis of the Beauty“ von 1753 zeigt William Hogarth ein zentrales Bild, welches von sehr vielen kleinen Skizzen umrahmt wird. Die kleinen Bilder dienen als Erläuterung zu Hogarths literarischen Ausführungen in Bezug auf künstlerische Praktiken. „Fast möchte man an die Formatierleiste eines ComputerGraphikprogrammes denken, wo sich abstrakte Elemente vom Rand in die Arbeitsfläche transponieren lassen.“ (Peter Bexte im Nachwort zu William Hogarth, Analyse der Schönheit, S. 224). Wir können die Anweisungen als Kombination von Sprachen (Hogarth Schrift) und Bildelementen (Randbilder) im Bezug auf eine Gesamtgestaltung (zentrales Bild) als interaktive Handlung in einem virtuellen Raum lesen.
Darüber hinaus ist zweitens das besondere am Internet, dass es die Eigenschaften eines epistemischen Dings aufweist: Es zeigt sich als ein Medium, das
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konstant im Prozess seiner Definition begriffen ist, denn mit jeder Sendung hat es eine neue eigene Gestalt. Jede Sendung bestimmt erneut den Zustand des Mediums, sie bestimmt, was das Medium konkret ist.“5 Das Medium ist offen, es gestaltet sich durch die Sendung von Daten, die nie einen finalen Zustand erreichen. Statische Medien dagegen sind immer identisch mit ihrer Form. Der Betrachter agiert nicht mehr im gleichen Raum wie bei der barocken Simulation – der Betrachter operiert als Anwender in einem anderen Raum. Diese Operationen werden übersetzt und in einem virtuellen Raum interpretiert. Man bezeichnet diesen Vorgang als Repräsentation. Dieser Raum setzt sich aus Sammlungen von einzelnen Objekten zusammen: Hintergründe, Begriffe, Werkzeuge und alternative Ansichten oder Navigationselemente – „There ist no space in cyberspace.“6 Alles, was den physikalisch erfahrbaren Raum ausmacht, wird hier in Teilen und möglichst simultan repräsentiert, oft auch angereichert mit Informationen oder Interaktionen. Fast jedes Computerspiel liefert alternative Räume mit eingegrenzten Bewegungsmöglichkeiten und angereicherten Elementen zur Navigation oder Information. Wir sprechen von Simulation, wenn wir uns in einem barocken Raum bewegen. Die Wahrnehmung geschieht am gleichen Ort wie die Präsenz des Wahrgenommenen. Bei der Repräsentation einer medialen digitalen Raumsituation (interaktive Anwendung) trennt sich deren Geschehen räumlich vom Agieren des Benutzers. Die Bedingungen des Zustandekommens – von zum Beispiel Computerbildern – sind dem Rezipienten vollkommen unbekannt. Er muss nicht wissen, wie sie erzeugt werden, es reicht aus, diese im Kontext anderer medialer Bilder wahrzunehmen. Wie wir schon gesehen haben, sind neue Medien immer Bestandteil schon bekannter Medien und damit hat das Neue immer nur eine Relevanz in Bezug auf das Alte.
Real Virtuality Bei Bildern und Gestaltungen handelt es sich per se immer um Angebote alternativer Welten und Konstruktionen parallel zur alltäglichen Wahrnehmung der Wirklichkeit. Menschen tendieren dazu, Umgebungen zu gestalten, die die gegebene Realität überbieten oder erweitern. Die Bildinhalte der romantischen Malerei, die Architektur des Historismus oder die exzessiven Farbausschweifungen der Expressionisten beeindrucken den Betrachter stetig durch andere und
5 Bunz, Mercedes: Vom Speicher zum Verteiler: Die Geschichte des Internets, Berlin: Kadmos, 2008, S. 110ff 6 Manovich, Lev: a.a.O. S. 253
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neue Sichtweisen auf die Welt. Man könnte von einer Evolution der Betrachtung, von der großen Schule der Bildwirkung oder stetigem Experimentieren mit der Wirkung, Bedeutung und Vermittlung von Gestaltung, Bewegung, Inszenierung und Kommunikation sprechen. „Große Kulturleistungen sind darauf gerichtet, Gedanken zu verwirklichen – aber nicht so, dass der Gedanke in der Tat ausgelöscht wird. Vielmehr sollen gerade in der Einheit von Verkörperung und Repräsentation beide Ebenen – das Virtuelle und das Reale – erst deutlich unterscheidbar werden.“7 Die Frage nach Echtheit und Authentizität ist also von vornherein in jeder Gestaltungsleistung impliziert. Erst die Unterscheidung von Repräsentation und Original eröffnet den Bedeutungshorizont von Gestaltungsleistungen. Diese werden erst dann bedeutend, wenn bei der Gestaltung von Plakaten, Magazinen, Animationen, Internetseiten oder Interfaces der Betrachter von vornherein mit eingeplant wird. Die Wirklichkeit und die Wahrnehmung des Betrachters sind eine Grundvoraussetzung für das Kommunikationsdesign gestalteter Inhalte. Das Virtuelle, das sich in unseren Köpfen befindet, ist keine Erfindung des digitalen Zeitalters. Das Neue ist, dass wir gegenwärtig in der Lage sind, das Virtuelle durch Maschinen zu einem Teil der Realität werden zu lassen. In der Vergangenheit gibt es unzählige Beispiele für Veräußerung von geistigen Vorstellungswelten, wie zum Beispiel die ägyptischen Götter oder die mittelalterlichen Himmelswelten. Heute entstehen in Computerspielen und interaktiven Anwendungen ähnliche Räume, die, angelehnt an die alltägliche Wirklichkeit, Inhalte, Erzählungen oder Herausforderungen anbieten. Unsere mediale Welt ist durch digitale Anwendungen angereichert und erscheint uns so, als gäbe es eine Alternative zu der analogen Welt. Das ist aber nicht der Fall. Die digitale Welt ist vielmehr ein uneingeschränkter Bestandteil der analogen Welt, weil es sich bei geistigen (oder virtuellen) Konstrukten ebenso um Realitäten handelt. Die Frage lautet nicht, inwiefern digitale Welten die analoge ersetzen, sondern inwiefern wir in der Lage sind, zwischen den Angeboten Unterscheidungen zu treffen, indem wir unsere Wahrnehmung im Hinblick auf die Zeichenhaftigkeit und Bedeutungen schulen.
7 Brock, Bazon: Der Barbar als Kulturheld: Ästhetik des Unterlassens – Kritik der Wahrheit: Wie man wird, der man ist – Gesammelte Schriften III, 1991-2002, hrsg. von Anna Zika, Köln: Dumont, 2002, S. 184
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6: Scott McCloud zeigt in seinen wunderbaren Büchern, wie viel Bildinformation eine Geschichte braucht. Dabei ist es besonders wichtig, Teile der Geschichte nicht zu bebildern, um den Betrachter aktiv einzubeziehen.
7: Hier thematisiert McCloud den sogenannten Rinnstein. Die entscheidende Aktion spielt sich zwischen den Bildpanels ab.
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Design or die Allzu oft wird Design mit Produktdesign in Verbindung gebracht. Bauhaus und die Ulmer Schule stehen hauptsächlich für die Thematisierung von Produkten. Publikationen und die Ausstellungsstücke in Museen für angewandte Kunst sind meistens Möbeln und anderen funktionalen Gegenständen des alltäglichen Lebens gewidmet. Des Weiteren ist der Begriff Design in Verbindung mit anderen Begriffen, wie Designerjeans, Designermode, Designerbrille oder Designerdroge alltagssprachlich häufig negativ besetzt. Entweder sollen sich diese Dinge von anderen Erzeugnissen durch den Anspruch, designed zu sein als etwas Besseres abheben (was so gut wie nie zutrifft), oder aber es soll ein besonders hoher Preis gerechtfertigt werden. Usability und Inhalte, die vom User generiert und dynamisiert werden, stellen die zentrale Anforderung an sämtliche Publikationen im dynamischen Netz, und damit an Mediendesigner und ihre Auftraggeber dar. Ein Plakat, das die Aufmerksamkeit der Betrachter fordert, unterliegt gewissen medienspezifischen Gestaltungsregeln: Konzentration auf ein Hauptelement, wenig Schrift, deutliche Größen- und Farbunterscheidungen etc. Medienspezifische Gestaltung in den Hypermedien und die Herausforderung, Aufmerksamkeit zu generieren, fordern eine Erweiterung der Gestaltungsregeln hinsichtlich von Dynamiken des Weglassens, Aufdeckens, Einordnens, Systematisierens, Archivierens oder Dramatisierens von Inhalten. Die Realität der Virtualität des interaktiven Interfaces und deren Verbindung zur inszenierten Darstellung im Theater hat Brenda Laurel bereits Ende der 1980er Jahre thematisiert. Sie unterteilt die Wahrnehmung in unterschiedliche Modelle, wie die mentale Sicht des Users und die Sicht des verstehenden Computersystems. Die Wechselwirkung des gegenseitigen Verstehens zwischen Person und Interface ist die entscheidende Voraussetzung für die Funktionalität einer interaktiven Anwendung.8 Laurel findet die Verbindung von Interface und Theater in der gemeinsamen Tatsache, dass Interaktion durch den Dreierschritt von Möglichkeit, Vermutung und Notwendigkeit stattfindet. Sind zuerst alle Schritte offen, so muss sich relativ schnell eröffnen, welcher Schritt zum Ziel führt. Als Resultat gilt dann eine Auswahl des Ergebnisses oder der Information aus einer Menge von Möglichkeiten. Dieses stellt sich auf der Bühne in einem inszenierten Plot, der den Zuschauer durch Auswahl und Antizipation von möglichen Handlungsabläufen ständig herausfordert genauso dar, wie in einem Computerspiel oder bei Wissensinhalten einer Internetseite.9 Wie hier erneut deutlich wird, ist Interaktion oder Virtualität nicht erst seit den
8 Laurel, Brenda: Computers as theatre, o.O.: Addison Wesley Longman,2004,S. 12ff 9 Ebd., S. 70
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Neuen Medien Bestandteil des menschlichen Wahrnehmungshorizontes. Bilden die Künste den Spezialfall, so lässt sich behaupten, dass die Medien von jeher ihr Spiel mit dem Rezipienten treiben, indem sie von vornherein über Unvorhersehbarkeiten, Andeutungen und Unklarheiten wirken und funktionieren. Malerei seit der frühen Renaissance oder das griechische Theater bilden die Grundlagen für den Umgang mit Unwägbarkeiten, Auswahlmöglichkeiten und Interaktionen, die einen wesentlichen Beitrag zur Konfiguration der Hypermedien beisteuern können. Von besonderem Interesse ist jedoch die Tatsache, dass das Potential und die Wirkung von multimedialen interaktiven Inhalten nur durch Gestaltung verständlich und zugänglich wird. Dies setzt voraus, dass wir die Technik in den Hintergrund stellen und unser Hauptaugenmerk auf das Kommunikationsdesign leiten. Wenn Programmierer oder Marketingleute die Oberhand über die Anschaulichkeit oder Benutzerführung von hypermedialen Anwendungen hätten, dann hieße das für das Theater, dass Produzent oder Bühnentechniker über die Dramaturgie im Theater entscheiden würden. Über die Möglichkeit von Technik und emotionaler Wirkung von Interfaces schreibt Brenda Laurel: „(...) these new opportunities will come to pass only if control of the technology is taken from the technologist and given to those who understand human beings, human interaction communication, pleasure and pain.“10
Usability und konstitutives Design Die Schwierigkeit, einen Videorekorder zu bedienen, wird immer gerne aufgeführt, wenn es um die Differenz zwischen technischen Abläufen und anschaulicher Darstellung geht. Da komplexe technische Anwendungen von Ingenieuren und Programmierern hergestellt werden, kommt es immer dann zu einer Unterversorgung an Anschaulichkeit und Verständlichkeit, wenn sich diese auch für die Benutzerführung verantwortlich zeigen. Die technische Dimension wird durch die dynamischen Anwendungen im Netz weitgehend in den Hintergrund gedrängt. Das, was vorne ankommt, lässt die Bedingungen seiner Funktion nicht erkennen. Im Unterschied zu manchen Interfaces im Alltag, wie Ticketautomat, Telefon oder Armbanduhr, sind Browser oder Betriebssysteme mittlerweile verständlichen Konventionen unterworfen. Affine User und sogenannte Digital Natives kennen die Visualisierung durch Icons und die wichtigsten Abläufe von Internetdiensten. Der Gestaltungskanon ist weitgehend definiert. Symbole aus der realen Umwelt werden zunehmend aufgegriffen. Briefe als Zeichen für E-Mail-Verkehr oder Leuchttürme für Browser sind abstrakten Konventionen gewichen. Signale wurden durch Symbole ersetzt. Der Gestalter
10 Ebd., Foreword
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und nicht der Techniker liefert die Zeichen für die Welt im Netz. „Die möglichst selbsterklärende und einfache Gestaltung der Benutzeroberfläche ist für eine im Virtuellen stattfindende Technologie zentral. (...) Nirgends zeigt sich deutlicher als im Netz, dass Design und Usability (...) zusammengehören.“11 Das hört sich erst einmal nach Reduktion der Gestaltungsmöglichkeiten an. Nach bedingungsloser Uniformität und Rückzug. Aber genau das ist nicht gemeint! Inhalte, die in dynamischen Prozessen zusammengestellt werden, verlagern nicht nur die Bedingungen der Mediennutzung, sondern ebenso die ihrer Erstellung in eine Sphäre interaktiver Handlung mit nicht absehbarem Ablauf. Das heißt, ein nicht voraussehbares Handeln muss vom Gestalter von vornherein antizipiert werden. Der Ort, der nicht vorhersehbar ist, soll an bestimmter Stelle installiert und zugänglich sein. Wenn die Technik in der Lage ist, dynamische Inhalte zu generieren, muss mit möglichst vielen Variablen operiert werden. Bei sprachlichen Inhalten ist das durch die relative Uniformität des Textes, der Wörter und der Sätze ein einfaches Unterfangen. Kommentare in einem Weblog sind nicht voraussehbar und werden meist vor der Veröffentlichung von einem Redakteur redigiert, um diese Unwägbarkeiten zu händeln. Bei Publikationen eines Weblogs mittels Autorensystemen wie Wordpress werden dagegen schon komplexe Gestaltungsgefüge verlangt: Hintergrund, Farbe, Bilder, Texte und Videos – und das bitte immer unter der Vorwegnahme der Handlungen des Users. Die Benutzbarkeit ist das Leitparadigma einer interaktiven Anwendung. Die Ästhetik der Medien wird mehr und mehr zu einer prozesshaften Phase unter dem Motiv: Perpetual Beta Web. Ständige Veränderung ist das Motto. Ein Endprodukt ist Sache der statischen Print- und Interfacemedien – „wir werden nie fertig“ dagegen die des sozialen Netzes. Sicher kommen wir auch eine Weile ohne Gestaltung aus. Die ersten Anwendungen dieser Art, die auf der Bühne der weltweiten Vernetzung erschienen, erfahren bis heute kaum eine Veränderung: siehe Google. Die Google-Eingabemaske ist nach wie vor das zentrale Element. Wenn man die Menüleiste anklickt, kann man selbstverständlich noch mehr tun als Suchworte einzugeben. Braucht man aber nicht. Die meisten tun es auch nicht. Diese Souveränität ist für heutige interaktive Lösungen nicht mehr einhaltbar. Der Bonus der Beginner ist aufgebraucht. Heute kann nur noch die überzeugende Verbindung von Gestaltung und Idee kommunikativen oder gar wirtschaftlichen Erfolg garantieren. Ohne Gestaltung geht es immer so lange gut, wie die Notwendigkeit aus dem Mainstream aufzutauchen nicht auftritt (siehe Youtube oder private Geburts-
11 Friebe, Holm/Lobo, Sascha: Wir nennen es Arbeit: Die digitale Bohème oder: Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung, München: Heyne, 2008, S. 177
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tagseinladungen). Eine gesteigerte Komplexität, wie der Wille etwas zu verkaufen oder möglichst viele Menschen mit einer Botschaft zu erreichen, setzt die Differenzierung gegenüber dem Mainstream voraus. Das wurde natürlich auch schon in Zeiten vor den interaktiven Medien von Designern erledigt. Neu ist nicht die Tatsache, dass Spezialisten mit Gestaltungsaufgaben betraut werden, sondern dass jeder ohne Hindernisse publizieren kann und sich somit dem Zwang unterwirft, wenn er gewisse Absichten verfolgt, gestalten zu müssen! Neu ist auch, dass jeder, der publiziert, von vornherein antizipieren muss, wie der Rezipient mit seinen Inhalten weiter verfährt. Design und Interaktion implizieren immer den Nutzer als zukünftigen Produzenten. Die umfangreiche Anleitung zur Publikation von multimedialen Inhalten im dynamischen Internet hinsichtlich Gestaltung, Anschaulichkeit und Funktion stellt die wesentliche Herausforderung für Unternehmen und Bildungseinrichtungen dar. Die neuen Medien sind für die alten Menschen in Bezug auf Wahrnehmung und Realitätsbezug keineswegs neu. Neu ist lediglich die Maschine, die eine uneingeschränkte Vernetzung erlaubt. Neu ist aber auch, dass jeder mitmachen kann und darf. Wenn Kulturinstitutionen sich auf ihre Funktion der Vermittlung und Erhaltung von historischen Artefakten berufen, dann bildet das dynamische Netz und das Wissen um gestalterische Grundlagen und Funktionsweisen eine effektive Plattform, diese zu erfüllen.
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Literatur Brock, Bazon: Der Barbar als Kulturheld: Ästhetik des Unterlassens – Kritik der Wahrheit: wie man wird, der man ist – Gesammelte Schriften III, 19912002, hrsg. von Anna Zika, Köln: Dumont, 2002 Bunz, Mercedes: Vom Speicher zum Verteiler – Die Geschichte des Internet, Berlin: Kadmos, 2008 Friebe, Holm/Lobo, Sascha: Wir nennen es Arbeit: Die digitale Bohème oder: Intelligentes Leben jenseits der Festanstellung, München: Heyne, 2008 Laurel, Brenda: Computers as Theatre, 12th Printing, ohne Ort: AddisonWesley Longman, 2004 Manovich, Lev: The Language of New Media, Cambridge (Mass.), London: MIT Press, 2002 McLuhan, Marschall: Die magischen Kanäle: Understanding Media, Dresden, Basel: Verlag der Kunst, 1994 Abbildungen 1: Kloster Rohr in Niederbayern Piflaser, Wikimedia Commons, lizenziert unter GNU-Lizenz für freie Dokumentation, http://commons.wikimedia.org/wiki/Image:Kloster_Rohr_in_Nby _Detail_Hochaltar.JPG?uselang=de (Lizenztext siehe ANHANG A) (10.10.2009) 2: Charpentrat, Pierre/Stierlin, Henri (Hrsg): Barock, Italien und Mitteleuropa, Benetikt Taschen Verlag Berlin, o.J. Zeichnung verschiedener Pläne von Treppen, S. 178: Georges Berthoud EPF SIA 3: Franke, Alex: Staatenbildende Insekten – Konzeption und Entwurf eines Touchscreen-Informationsterminals, Diplomarbeit, betreut durch Prof. Dr. Stefan Asmus/Dr. Christof Breidenich, Fachhochschule Düsseldorf, FB 2, SS 2008, www.axf-grafix.de/ 4: Lucas Cranach der Ältere. Das Paradies,1530, Öl auf Holz, 81 × 114 cm, Kunsthistorisches Museum, Wien, http://commons.wikimedia.org/wiki/File:Lucas_ Cranach_d._Ä._002.jpg 5: Hogarth, William: Analyse der Schönheit, Dresden, Basel: Verlag der Kunst, o. J., Tafel II 6: Scott McCloud: Making Comics. Storytelling secrets of comics, manga and graphic novels, New York, London, Toronto, Sydney: Harper, 2006, p.12 7: Scott McCloud: Comics richtig lesen, Hamburg: Carlsen Studio, 1995, S. 74 Mit freundlicher Genehmigung des Springer-Verlags entnommen aus: Breidenich, Christof: @Design – Ästhetik, Kommunikation, Interaktion Reihe: X.media.press 2010, 175 Seiten, Geb. ISBN: 978-3-642-03532-6
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S I X A R II. P ENDUNGEN ANW
Karin Janner 119 Kulturmarketing 2.0
Karin Janner
Kulturmarketing 2.0 Kulturbetriebe und Kulturwirtschaft stehen vor großen Herausforderungen: Bekanntheitsgrad bzw. Image sind aufzubauen, neue Zielgruppen anzusprechen und an sich zu binden sowie Sponsoren/Förderer oder Investoren von den eigenen Leistungen zu überzeugen – das alles mit einem oftmals sehr geringen Budget für Marketing/PR und bei steigender Anzahl konkurrierender Kulturangebote. Im Web 2.0 haben Sie nun Werkzeuge in der Hand, mit denen Sie auch mit einem kleinen Budget sehr viel erreichen können. Ob renommiertes Opernhaus, Unternehmen der Kulturwirtschaft, freie Theatergruppe oder Kulturinitiative: Blogs, Podcasts, Twitter, Facebook, Flickr und YouTube stehen Ihnen allen offen. Doch was verbirgt sich hinter diesen Namen? Welche der vielen Web 2.0-Tools sind für Sie als Kulturbetrieb, Kulturschaffender oder Künstler sinnvoll, wofür lassen sie sich einsetzen und welche Regeln müssen Sie beachten, wenn Sie diese Werkzeuge erfolgreich für Ihre Kommunikation nutzen wollen?
Kommunikation im Web 2.0 Wer das Web 2.0 erfolgreich nutzen will, muss mit den Gegebenheiten und Regeln der Kommunikation vertraut sein, die für dieses Medium gelten. Vor der Zeit des Web 2.0 erfolgte der Großteil der Kommunikation nach außen nicht auf direktem Weg, sondern über die Medien als Mittler. Die Werbebotschaften kamen aus der Marketingabteilung, die PR-Abteilung war für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig, wobei der Fokus auf der Pressearbeit lag – Journalisten stellten das „Tor zur Öffentlichkeit“ dar. Dank Web 2.0 können Sie heute direkt und ungefiltert mit Ihren Besuchern und mit der Öffentlichkeit kommunizieren – klassische Medien haben ihre Gatekeeper-Rolle verloren, sie sind nicht mehr die einzige Möglichkeit für Sie, sich bekannt zu machen und Ihren Standpunkt nach außen zu vertreten. Kommunikation in den Massenmedien erfolgt nach dem Prinzip one-tomany – Ihre Botschaft übermitteln Sie über Fernsehen, Radio oder Printmedien an möglichst viele Rezipienten. Im Direktmarketing treten Sie in den Dialog mit einzelnen Besuchern (one-to-one), dieser ist nicht öffentlich. Im Web 2.0 richten Sie sich direkt an Ihre Besucher – die mit Ihnen über die Kommentar-
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funktion sofort und auf unkomplizierte Weise in einen Dialog treten können – und dieser ist öffentlich. Nicht nur Sie verbreiten Ihre Botschaften dann im Web – auch Ihre Besucher, Leser, Fans tun es – z. B. indem Sie in ihrem eigenen Blog über Ihre Einrichtung berichten (many-to-many). Sie müssen sich allerdings an den Gedanken gewöhnen, dass Sie nicht die volle Kontrolle darüber haben, WIE Ihre Botschaften im Web 2.0 weitergegeben werden. Es mischen sich daher Ihre eigenen Botschaften mit den Botschaften, die durch die Interpretation Ihrer Leser, Besucher oder Fans entstehen. Die wichtigsten Kommunikationsregeln im Web 2.0: • Es geht dabei um direkte Kommunikation und Beziehungsaufbau und nicht um Unterbrecherwerbung. • Bespielen Sie Social Networks nicht nur mit Ihren Botschaften und Informationen – es geht um Austausch. Nehmen Sie den Rückkanal ernst, hören Sie zu und reagieren Sie auf Feedback. • Authentizität: Im Web 2.0 geht es nicht um perfekte Formulierungen, sondern um eine persönliche und „echte“ Darstellung Ihrer Einrichtung und der Personen, die dahinterstehen. Damit Ihre Botschaften glaubwürdig sind, müssen die Personen, die kommunizieren, selbst daran glauben! • Transparenz: Wer sind die Personen hinter Ihrer Einrichtung, welche Ziele und Visionen verfolgen sie? Liefern Sie Hintergrundberichte und lassen Sie Personen zu Wort kommen, die in Ihren Pressemitteilungen nicht zu Wort kommen. • Im Web 2.0 werden Ihre Fans zu Ihren Markenbotschaftern, Sie haben dabei aber nicht mehr die volle Kontrolle über die Botschaften.
Der Social Media-Mix für eine Kultureinrichtung – wie könnte er aussehen? Zwei Einstellungen zu Social Media lassen sich im Kulturbereich häufig beobachten: Die eine ist Ablehnung, die andere ist „einfach irgendwie drauflos“. Im ersten Fall vergeben Sie Chancen, sich auf relativ kostengünstige Weise bekannt zu machen, neue Zielgruppen zu erschließen und mit diesen auf unkomplizierte Weise ins Gespräch zu kommen. Im zweiten Fall begeben Sie sich in Gefahr, mit einer missglückten Social Media-Aktion Ihrem Image zu schaden. Zudem vergeuden Sie Zeit und damit auch Geld. Die meisten Tools sind zwar kostenlos oder zumindest sehr günstig zu haben. Kommunikation im
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Web 2.0 ist aber zeitintensiv – die Kosten entstehen über die Arbeitszeit (und nicht über Investitionen in die Technik). Hier nun ein Überblick über die wichtigsten Instrumente und wie Sie diese einsetzen. Zur Technik: Die meisten Tools sind ohne technische Vorkenntnisse nutzbar. Herausforderung im Web 2.0 ist nicht die Technik, sondern der Inhalt!
Blog Sie brauchen einen Ausgangspunkt für Ihre Social Media-Aktivitäten, dafür eignet sich eine gute und informative Website, die häufig aktualisiert wird, oder noch besser: ein Blog. Ein Blog oder Weblog ist eine Website, deren Inhalt aus Beiträgen in Nachrichtenform besteht. Die Beiträge orientieren sich an einer Zeitschiene, sie werden in umgekehrt chronologischer Reihenfolge angezeigt (der aktuelle ist der oberste).
Was unterscheidet ein Blog von einer klassischen „Homepage“? • Die Möglichkeit des direkten Austausches (Kommentarmöglichkeit für den Leser) • Der RSS-Feed1, über den sich Ihre Leser automatisch informieren lassen können, wenn ein neuer Beitrag online gestellt wird. • Ein hoher Vernetzungsgrad – über gegenseitige Verlinkung entsteht um jedes Blog ein Netzwerk. Verlinkt wird über die Blogroll, über Kommentare (wenn Sie selbst in anderen Blogs kommentieren, verlinken Sie Ihren Blog dort automatisch per „Trackback“) und über Zitate in anderen Blogs. Die Blogosphäre lebt davon, dass Blogger die Aussagen und Ideen anderer Blogger aufgreifen, zitieren (mit Verlinkung), interpretieren und weiterdenken. Jeder Beitrag erhält übrigens eine eigene URL mit der er verlinkt werden kann. • Aktualität: In einem guten Blog werden häufig (mindestens einmal pro Woche) neue Beiträge erstellt. • Zeitschiene und Verschlagwortung: Die Beiträge orientieren sich an einer Zeitschiene, über Zuordnung zu Kategorien und Verschlagwortung („tags“) sind sie auch später leicht zu finden.
1 RSS-Feed: http://de.wikipedia.org/wiki/RSS, (11.10.2009)
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Wie bloggen? Inhalte gibt es in Ihrer Kultureinrichtung bestimmt genug. Die Herausforderung besteht darin, herauszufinden, was davon für Ihre Leser interessant ist – und das spannend aufzubereiten. Ihr Text muss sich gut lesen und einen Hauch Persönlichkeit enthalten. Sterile Texte aus der PR-Abteilung oder Pressemitteilungen eignen sich nicht als Blogbeiträge. Erzählen Sie Geschichten, zeigen Sie, welche Menschen hinter Ihrer Kultureinrichtung stehen! Lassen Sie auch Mitarbeiter, Künstler, Besucher in eigenen Beiträgen oder in Form von Interviews zu Wort kommen. Journalistisch gesehen sind Blogbeiträge Meinungsbeiträge (wie „Glosse“ oder „Kolumne“). Ihre persönliche Meinung ist gefragt. Die nächste Herausforderung ist es, den Dialog mit Ihren Lesern zu starten und aufrecht zu erhalten. Fragen Sie Ihre Leser nach ihrer Meinung, starten Sie gemeinsame Aktionen, geben Sie ihnen Grund, Ihre Beiträge zu kommentieren. Fotos, Videos und Tonaufnahmen lassen sich leicht einbinden, damit wirken Ihre Blogbeiträge noch lebendiger.
Worüber bloggen? Es gibt keine Regeln, worüber Sie bloggen dürfen. Sie können über Auftritte, Tourneen oder Vernissagen berichten, Werke besprechen und Techniken erläutern (Kulturvermittlung), allgemeine Diskussionen zu Ihrem Thema starten oder neue Ausstellungen oder Premieren ankündigen. Bewährt haben sich auch Hintergrundberichte (z. B. über die Probenarbeit, über die Idee zu einem Projekt…) und Interviews (Künstler, Kuratoren, Besucher…).
1: Beispiel für einen Blogbeitrag – 1. Philharmonisches Konzert, Blog dacapo/Duisburger Philharmoniker2 2 www.dacapo-dp.de/generalmusikdirektor/1-philharmonisches-konzert-verbindung slinien-995.html, (11.10.2009)
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Oft hält man es in der PR-Abteilung nicht für möglich, dass Besucher wirklich wissen wollen, worüber sich Schauspieler bei der Probenarbeit amüsieren oder was ein Musiker so macht, wenn er gerade kein Konzert spielt. Gewähren Sie einen Blick hinter die Kulissen! Ein schönes Beispiel dafür ist der Tourneebericht vom Sommer 2009 im Blog dacapo der Duisburger Philharmoniker. „Eine Tournee ist eine gute Gelegenheit, einzelne MusikerInnen besser kennen zu lernen. Uns interessiert auf dieser Tournee besonders die persönliche Perspektive der TeilnehmerInnen. Was bietet sich hier besser an, als einen Blick auf die Fotos zu werfen, die von Ihnen aufgenommen wurden. Friedemann Pardall, 1. Solo-Cellist der Duisburger Philharmoniker, hat uns seine Fotos spontan zur Verfügung gestellt“, schreibt Blogautor Christoph Müller Girod in einem Blogpost3. Eingebunden sind Pardalls private Fotos, unter anderem von seinen Jogging-Ausflügen und von Abstechern in Patisserien an den Tourneeorten.
2: Fotos von Friedemann Pardall im dacapo Blog
Wenn beispielsweise das Unternehmen Frosta (Hersteller von Tiefkühlprodukten) es schafft, in seinem Blog4 Themen wie Tiefkühlbrokkoli so spannend aufzubereiten, dass Hunderte Leser aufmerksam folgen, dann sollte es für Sie als Kulturbetrieb oder Künstler ein Leichtes sein, Themen zu finden, die Ihre Besucher interessieren!
3 Dacapo,Tournee 2009, Blogpost „Blickwinkel Friedemann Pardall“: www.dacapodp.de/allgemein/tournee-2009-blickwinckel-friedemann-pardall-494.html, (11.10.2009) 4 Frostablog: www.frostablog.de, (11.10.2009)
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Wozu Bloggen? Mit einem Blog haben Sie nicht nur einen kostengünstigen und direkten Zugang zur Öffentlichkeit, sondern schärfen auch das Profil Ihrer Einrichtung, erreichen neue Zielgruppen und können Ihre Mission und Ihre Visionen verbreiten. Sie treten mit Besuchern und Stakeholdern in Kontakt und vertiefen diesen. Sie verhelfen Ihrer Einrichtung zu Authentizität und Glaubwürdigkeit und zeigen, was Sie leisten – interessant ist das für Besucher sowie für Sponsoren und Förderer. Ein Blog wirkt aber auch nach innen: Sie würdigen damit Leistungen Ihrer Mitarbeiter, Künstler, Musiker und machen sie sichtbar.
Ein Blog neben oder anstelle einer Website? Damit Ihr Blog von Ihren Besuchern gefunden wird, sollten Sie es an prominenter Stelle von Ihrer Website aus verlinken. Sie können ein Blog aber auch anstelle einer Website betreiben – neben dem eigentlichen Blogteil können Sie auch statische Seiten anlegen („Über uns“, Programm etc.).
Linkliste: Verschiedene Blogs aus dem Kulturbereich • Eyelevel, Blog des Smithsonian American Art Museum http://eyelevel. si.edu • Walker Art Center, Minneapolis: http://blogs.walkerart.org (mehrere Blogs) • dacapo, Blog der Duisburger Philharmoniker: www.dacapo-dp.de • „Frankfurt baut das neue Städel“: www.das-neue-staedel.de • Blog der Wiener Kammeroper: http://wienerkammeroper.blogspot.com • Blog des AugusTheater Neu Ulm: http://august.theaterblogs.de • Blog der Kronberg Academy: www.kronbergzweinull.de • Blog der Kulturinitiative „New Generation“: www.new-generation-berlin.de (Kinder-Musical-Projekt) • Blog der Künstlerin Susanne Haun http://susannehaun.wordpress.com • Blog des Schriftstellers Paulo Coelho: http://paulocoelhoblog.com • Multiuser Blogplattform Theaterblogs: www.theaterblogs.de • Verzeichnis Museumsblogs: www.museumblogs.org (337 Blogs)
Karin Janner 125 Kulturmarketing 2.0
Podcast Die Themen, über die Sie im Blog berichten, können Sie auch in einen Podcast verpacken – alternativ oder ergänzend. Ein Podcast ist eine Serie von Audio- oder Videobeiträgen, die im Internet veröffentlicht wird. Ihre Hörer können ihn entweder direkt auf dem Computer anhören oder ihn auf ihren MP3-Player laden. Veröffentlicht werden die Podcast-Folgen meistens in einem Blog. Pro Folge wird ein Blogpost erstellt, in den ein Video oder eine Audiodatei eingebunden wird. Sie können aber auch auf Ihrer Website einen Bereich für Ihren Podcast einrichten. Auch ein Podcast sollte per RSS-Feeds abonniert werden können und über eine Kommentarfunktion verfügen.
3: Podcast AugusTheater Neu Ulm5
5 http://augustheater.blogspot.com, (11.10.2009)
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Linkliste: Verschiedene Podcasts aus dem Kulturbereich • AugusTheater Neu Ulm (regelm. seit Sommer 08) http://augustheater. blogspot.com • Tate Gallery: www.tate.org.uk/podcasts (regelmäßig, mehrere Podcasts) • Museum für Konkrete Kunst, 2007 Versuch mit Videopodcasts, seit 2008 Audioguides als Podcast www.mkk-ingolstadt.de/content/html_files/podcast.php • Historisches Museum der Pfalz Speyer, Museum zum Hören, Audiopodcast (projektbezogen, begleitend zur Samurai-Ausstellung 2008): http://museum.speyer.de/de/histmus/podcast • Schaubühne Berlin, regelm. Podcast www.schaubuehne.de/service/multimedia.php?id_language=1&id_inst=905, z. B. Podcast-Serie „Wo bleibt Platinow“ – der Premieren-Countdown (projektbezogen): www.podcastdirectory. com/podcasts/32917 • Podcast Verzeichnisse und Portale: www.dopcast.de, www.podcast.de, http://podster.de, www.podcastzentrale.de Speziell für Museen: www.museumpodcasts.org, www.museumpods.com
Microblog: Twitter Mit Hilfe von Twitter6 versenden und empfangen Sie Kurznachrichten (max. 140 Zeichen) über Internet oder Handy. Alle Personen, die Ihre so genannten „Tweets“ abonniert haben (Ihre „Followers“) bekommen Ihre Nachrichten zu lesen. Twitter ist „chatten“ mit vielen. Beim chatten teilen Sie Ihre Informationen oder Gedanken einzelnen Personen mit, bei Twitter allen Ihren Followers – und das können auch Hunderte sein. Sie selbst sehen in Ihrer persönlichen Twitteroberfläche die Tweets von Personen, die Sie abonniert haben. Was twittern Sie? Alles, was Sie mit 140 Zeichen sagen können, das können kurze Statements, Fragen oder Links sein. Kulturbetriebe machen über Twitter z. B. auf Ausstellungen, Konzerte oder Neuigkeiten aufmerksam, vergeben Restkarten oder mobilisieren Ihre Besucher für ein bestimmtes Vorhaben. Als einziges Austauschmedium bieten die 140 Zeichen natürlich wenig Platz, aber im Zusammenhang mit einem Blog oder einem Podcast ist Twitter ein wirklich guter Kanal: einfach, schnell und mit verhältnismäßig wenig Zeitauf-
6 Twitter http://twitter.com, (11.10.2009)
Karin Janner 127 Kulturmarketing 2.0
wand durchführbar. Die Links zu neuen Blogeinträgen oder Podcast-Folgen können Sie automatisiert twittern7, nutzen Sie aber die Chance, über Twitter mit Ihren Besuchern und Stakeholdern ins Gespräch zu kommen. Bringen Sie auch persönliche Statements und reagieren Sie auf direkte Kontaktaufnahme und Feedback. Tweets werden übrigens auch in Suchmaschinen gefunden. Jaiku8, Plurk9 oder identi.ca10 funktionieren ähnlich – Twitter ist aber der am weitesten verbreitete Microblogging Dienst.
Linkliste: Twitterer aus dem Kulturbereich • Museum of Modern Art, New York: http://twitter.com/MuseumModernArt (~40.000 Followers) • Brooklynmuseum, New York: http://twitter.com/brooklynmuseum (~25.000 Followers) • Tate Gallery: http://twitter.com/Tate (~21.000 Followers) • Städel Museum, Frankfurt a.M.: http://twitter.com/staedelmuseum (~700 Followers) • AugusTheater Neu Ulm http://twitter.com/Luise_Haeberle (~700 Followers) • Liste der „Kulturtwitterer“: http://delicious.com/startconference/kulturtwitter • Twittergruppe Museen: http://twittgroups.com/group/museums
Foto- und Videoplattformen Nutzen Sie Fotos und Videos, um einen Einblick in Ihre Arbeit zu geben – sei es, um Aufführungen zu zeigen oder einen Blick hinter die Kulissen zu ermöglichen!
7 Zum Beispiel über Twitterfeed: http://twitterfeed.com, (11.10.2009) 8 Jaiku: www.jaiku.com, (11.10.2009) 9 Plurk: www.plurk.com, (11.10.2009) 10 Identica: http://identi.ca, (11.10.2009)
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4: Flickr Photostream der Kulturinitiative New Generation Berlin11
Natürlich können Sie einfach Fotos oder Videos auf Ihre Website oder in Ihr Blog stellen; Sie vergeben sich damit aber Möglichkeiten der Verbreitung und des Austausches mit Besuchern und Webwelt. Auf Fotoplattformen wie z. B. Flickr12 können Sie Ihre Fotos in Alben sortieren und diese als Slideshow oder Galerie in Ihre Website, Ihr Blog, Ihre Facebook- oder Ihre MySpace-Seite einbinden. Sie können die Fotos taggen, somit werden diese über die Flickr-Suche und über Google bei bestimmten Begriffen gefunden. Jedes Foto und jedes Album hat eine eigene URL, über die es verlinkt werden kann. Andere können Ihre Fotos bewerten, in Hitlisten aufnehmen oder Ihre Fotoalben ins eigene Blog einbinden.
11 www.new-generation-berlin.de, (11.10.2009) 12 Flickr: www.flickr.com, (11.10.2009)
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5: Flickr Slideshow ins Blog eingebunden, Blog Kronberg 2.0, Fotos: Andreas Malkmus13
Eröffnen Sie eine Gruppe bei Flickr und fordern Ihre Besucher dazu auf, Fotos für eine gemeinsame Bildersammlung einzustellen! Denken Sie auch über Projekte nach, die Sie gemeinsam mit Ihren Besuchern durchführen können! Bei Videoplattformen wie z. B. YouTube14 oder Vimeo15 funktioniert das ähnlich. Anstelle von Alben können Sie Videokanäle anlegen, die von anderen Nutzern abonniert werden können. Zu den Rechten: Sie können bei jedem Bild/ Video entscheiden, ob Sie es dem klassischen Urheberrecht unterwerfen oder über eine „Creative Commons“ Lizenz eine freie Publikation erlauben wollen. Zur Qualität der Uploads: Sie können selbst entscheiden, in welcher Qualität Sie Ihre Dateien hochladen. Ihre Bilder können Sie in Druckqualität auf die Flickr-Seite stellen, aber auch bewusst in einer Auflösung, die sich zwar zum Betrachten auf dem Bildschirm, nicht aber für den Druck eignet. Die am meisten verbreiteten Plattformen sind Flickr (Fotos) und YouTube (Videos). Eine bessere Bildqualität als bei YouTube erhalten Sie im Video-Bereich bei Vimeo, YouTube ist wiederum besser geeignet, wenn es um rasche Verbreitung gehen soll. Sie können auch mehrere Plattformen kombinieren.
13 www.kronbergzweinull.de/?p=1773, (11.10.2009) 14 YouTube: www.youtube.com, (11.10.2009) 15 Vimeo: www.vimeo.com, (11.10.2009)
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Linkliste: Flickr-Nutzung (Fotoplattform) im Kulturbereich • Duisburger Philharmoniker: www.flickr.com/photos/philharmoniker • Museum voor Communicatie/Den Haag: www.flickr.com/photos/zeestraat • Chicago Opera Theater: www.flickr.com/photos/chicagooperatheater • Kulturinitiative New Generation: www.flickr.com/photos/38748890@N02 • Contemporary Jewish Museum, Flickr Galerie in die Website integriert: http://tinyurl.com/o2qqhp • Contemporary Jewish Museum, Flickr Gruppe: www.flickr.com/ groups/442065@N25/pool • stARTconference, Flickr Gruppe: www.flickr.com/groups/1235853@N21 • Tate Gallery: Fotoprojekte über Flickr mit Einbindung der Besucher, z. B. „Street or Studio“ http://tinyurl.com/6583xk
Linkliste: Nutzung von Videoplattformen im Kulturbereich • Schaubühne Berlin, YouTube Kanal: www.youtube.com/schaubuehne • Münchner Kammerspiele, YouTube Kanal: www.youtube.com/user/mkammerspiele • Städel Museum YouTube Kanal: www.youtube.com/user/staedelmuseum • AugusTheater, YouTube Kanal: www.youtube.com/user/AuGuSTheater • Museum of Modern Art, YouTube Channel: www.youtube.com/user/MoMAvideos • Duisburger Philharmoniker, Vimeo: www.vimeo.com/duphilharmoniker • Austin Museum of Digital Art, Vimeo Channel: http://vimeo.com/channels/amoda • HD Street Theater, Vimeo Channel: http://vimeo.com/channels/6513 Social Networks/Online-Communities
Social Networks/Online-Communities Ein „Social Network“ oder eine „Online-Community“ ist eine Gemeinschaft von Menschen, die sich im Internet verbinden, um sich auszutauschen und zu diskutieren. Wollen Sie eine solche Gemeinschaft um Ihre Kultureinrichtung herum aufbauen, haben Sie zwei Möglichkeiten: Entweder Sie eröffnen eine Gruppe oder „Fanseite“ auf einem der bestehenden Social Networks (z. B.
Karin Janner 131 Kulturmarketing 2.0
Facebook16, MySpace17) oder Sie stellen ein eigenes Social Network auf die Beine. Mittlerweile gibt es dafür kostenlose Community-Baukastensysteme, z. B. Ning18, Mixxt19 oder Tribax20. Wie auch bei anderen Social Media Tools: Die Technik ist hier nicht die Hürde. Bei Facebook oder MySpace müssen sich darum gar nicht kümmern und auch die Community-Baukastensysteme sind ohne technische Vorkenntnisse nutzbar. Die Herausforderung ist es, Mitglieder zu gewinnen und diese zum regelmäßigen Austausch zu motivieren! Communities können Sie übrigens auch als geschlossene Gruppe anlegen – z. B. für Ihren Freundeskreis oder Förderverein. Dann werden die Inhalte nicht über Google gefunden, sondern können nur von Personen eingesehen werden, denen Sie die Zugangsdaten geben.
Facebook und MySpace Besonders junge Leute verbringen viel Zeit in Communitys wie Facebook und MySpace – versorgen Sie sie dort, wo sie sich aufhalten, mit Informationen und binden Sie sie in Gespräche über Ihre Themen ein. Bei Facebook können Sie z. B. den Feed Ihres Blogs einfließen lassen. Damit passiert automatisch schon in regelmäßigen Abständen etwas auf Ihrer Seite. Natürlich sollten Sie für etwas mehr Leben sorgen und auf Kommentare eingehen. Sowohl bei Facebook als auch bei MySpace gibt es Widgets und Applikationen, mit denen Sie Dienste wie z. B. Flickr und YouTube einbinden können. Bei Facebook können Sie an alle Ihre „Fans“ Aktualisierungen schicken, das entspricht einem Newsletter, den Ihre Fans über ihr Facebook Profil bekommen.
16 Facebook: www.facebook.com, (11.10.2009) 17 MySpace: www.myspace.com, (11.10.2009) 18 Ning: www.ning.com, (11.10.2009) 19 Mixxt: www.mixxt.de, (11.10.2009) 20 Tribax: www.tribax.com, (11.10.2009)
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6: Berliner Philharmoniker auf Facebook21
7: Kinderband „FireFlowers“ auf MySpace22
Eigenes Social Network Ob es Sinn macht, zusätzlich noch ein eigenes Social Network ins Leben zu rufen, hängt von der Größe Ihres Kulturbetriebs, Ihren Zielen und Ihrer Zielgruppe ab. Eingerichtet ist es schnell, aber mit Leben füllt es sich dann nicht von selbst. Beispiele gibt es aus dem Kulturbereich nicht viele, einige haben geschlossene Netzwerke für ihre Freundeskreise, z. B. das American Museum of Natural History, New York (Geschlossene Community auf Ning http://tinyurl. 21 www.facebook.com/BerlinPhil, (11.10.2009) 22 www.myspace.com/fireflowersberlin, (11.10.2009)
Karin Janner 133 Kulturmarketing 2.0
com/ql7jdq) und das Long Island Maritime Museum, New York (Geschlossene Community auf Ning http://tinyurl.com/oc7x32).
Linkliste: Facebook-Seiten oder -Gruppen aus dem Kulturbereich • Facebook Fanseite Tom Waits www.facebook.com/pages/Tom-Waits/2009 2504125?ref=sgm (~207.000 Fans) • Facebook Fanseite, Berliner Philharmoniker www.facebook.com/BerlinPhil (~14.300 Fans) • Facebook Fanseite des Alvin Ailey American Dance Theaters (~25.000 Fans) www.facebook.com/AlvinAileyAmericanDanceTheater • Facebook Fanseite der Schriftstellerin Isabel Allende (~32.000 Fans): www. facebook.com/pages/Isabel-Allende/9152489766?ref=sgm • Facebook-Fanseite, Städel Museum: www.facebook.com/staedelmuseum (~260 Fans) • Facebook-Fanseite, Kronberg Academy (~160 Fans): www.facebook.com/ pages/Kronberg-Germany/Kronberg-Academy/45934528265?ref=ts • Facebook-Gruppe, Istanbul Museum of Modern Art: www.facebook.com/ group.php?gid=6251951315 (offene Gruppe, ~9.000 Mitglieder) • Facebook-Gruppe, Victoria and Albert Museum: www.facebook.com/group. php?gid=2414603904 (geschlossene Gruppe, ~1.600 Mitglieder)
Linkliste: MySpace-Seiten oder aus dem Kulturbereich • MySpace, Band Radiohead (~250.000 Freunde): www.myspace.com/radiohead • MySpace, Berliner Band Ohrbooten (~23.000 Freunde): www.myspace. com/ohrbooten • MySpace, Kinderband Fireflowers: www.myspace.com/fireflowersberlin • MySpace, Mannheimer Streichquartett (~250 Freunde): www.myspace.com/ mannheimerstreichquartett • MySpace, Brooklyn Museum: www.myspace.com/brooklynmuseum (~12.000 Freunde) • MySpace, Andy Warhol Museum Pittsburgh: www.myspace.com/theandywarholmuseum (~20.000 Freunde) • MySpace, Schaubühne Berlin: http://de.myspace.com/schaubuehne_berlin (~ 2.800 Freunde)
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Wikipedia Wikipedia ist mittlerweile jedem ein Begriff: Das Online-Lexikon, das von Millionen von Usern gemeinsam geschrieben wird. Wie können Sie als Kulturbetrieb Wikipedia für sich nutzen? Kümmern sie sich um Ihren Wikipedia-Eintrag, präsentieren Sie Ihre Einrichtung mit Hintergrundinformationen, Bildern und Grafiken. Schon bald wird es möglich sein, auch Videos einzubinden. In Wikipedia stellen Sie Fachtexte ein, anders als im Blog ist Ihre persönliche Meinung hier nicht gefragt.23 Dabei müssen Sie Relevanzkriterien24 von Wikipedia beachten: Nicht alles, was Sie für wichtig halten, darf in Wikipedia stehen; wirkt es zu werblich, wird es rasch von einem Administrator oder einem anderen User gelöscht. Beobachten Sie Ihren Wikipedia-Eintrag, denn auch andere User können dort etwas über Ihre Einrichtung schreiben.
Linkliste: Wikipedia-Einträge von Kulturbetrieben • Neues Museum Berlin http://de.wikipedia.org/wiki/Neues_Museum_(Ber lin) • Museum of Modern Art, englischsprachiger Wikipedia-Eintrag: http://en. wikipedia.org/wiki/Museum_of_Modern_Art • Museum of Modern Art, deutschsprachiger Wikipedia- Eintrag: http://de. wikipedia.org/wiki/Museum_of_Modern_Art • Semperoper, Dresden: http://de.wikipedia.org/wiki/Semperoper • Städel Museum: http://de.wikipedia.org/wiki/St%C3%A4del • Schirn Kunsthalle: http://de.wikipedia.org/wiki/Schirn_Kunsthalle_Frank furt • AugusTheater Neu Ulm: http://de.wikipedia.org/wiki/AuGuSTheater_NeuUlm
23 Mehr dazu hier: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Wie_schreibe_ich_gute_ Artikel 24 Relevanzkriterien der Wikipedia: http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Rele vanzkriterien, z. B. hier für Musiker + Komponisten: http://de.wikipedia.org/wiki/Wi kipedia:Relevanzkriterien#Musiker_und_Komponisten
Karin Janner 135 Kulturmarketing 2.0
Online-Verzeichnisse und Veranstaltungskalender Nutzen Sie Online-Verzeichnisse und Veranstaltungskalender, um auf Ihre Angebote aufmerksam zu machen! Die meisten lassen allerdings noch keine Kommentare und Bewertungen zu, sind also nicht unbedingt dem Web 2.0 zuzurechnen. Überregionale Kalender für Kulturveranstaltungen sind z. B. Kulturkurier25, kulturclub.de26 und kulturlinxx27. In jeder Region findet man regionale Kulturkalender – meist integriert in die Seite der Stadt, wie z. B. auf berlin.de28. In manchen gibt es schon die Möglichkeit, Bewertungen vom Publikum zu erhalten (kulturclub.de). Ein gutes Verzeichnis für Museen ist Webmuseen.de29.
Empfehlungsplattform Qype Auf Qype30 geben Menschen Empfehlungen zu Restaurants, Läden und anderen Orten ab – auch zu Kultureinrichtungen. Kontrollieren Sie regelmäßig die Qype-Einträge über Ihre Einrichtung, reagieren Sie auf Beschwerden und bedanken Sie sich für Lob und Weiterempfehlung – und bitten Sie zufriedene Besucher, sich positiv in Qype zu äußern!
Linkliste: Qype Bewertungen von Kultureinrichtungen • Qype, Schirn Kunsthalle Frankfurt: www.qype.com/place/20431-SchirnKunsthalle-Frankfurt-Frankfurt-am-Main (12 Bewertungen, 5 Sterne) • Qype, Jüdisches Museum Berlin: www.qype.com/place/58960-JuedischesMuseum-Berlin-Berlin (66 Bewertungen, 5 Sterne) • Qype, Thalia Theater Hamburg (17 Bewertungen, 5 Sterne): www.qype.com/ place/2681-Thalia-Theater-GmbH-Hamburg
25 Kulturkurier: www.kulturkurier.de, (11.10.2009) 26 Kulturclub.de: www.kulturclub.de, (11.10.2009) 27 Kulturlinxx: www.kulturlinxx.de, (11.10.2009) 28 Berlin.de: www.berlin.de, (11.10.2009) 29 Webmuseen.de: http://webmuseen.de, (11.10.2009) 30 Qype (de): www.qype.com/de, (11.10.2009)
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Aggregationstools In Aggregationstools wie z. B. Friendfeed31, Lifestream32 oder soup33 können Sie Feeds einfließen lassen – von Ihren Blogs, Podcasts, Twitter, Flickr etc., also allen Tools, die Feeds anbieten. Ist der Feed Ihres Blogs einmal bei Friendfeed importiert, werden automatisch alle Ihre Blogbeiträge zusätzlich bei Friendfeed online gestellt. Das macht nicht viel Arbeit und durch diese (automatische!) Veröffentlichung an anderen Orten im Netz steigern Sie Reichweite Ihres Blogs/Twitter-Accounts etc. und werden von Suchmaschinen besser gefunden.
Social Bookmarking Melden Sie sich bei Social Bookmarking-Diensten wie z. B. Mr. Wong 34, Delicious35 und Diigo36 an. Was Sie dort bookmarken, ist öffentlich einsehbar (außer, Sie schalten es bewusst auf „privat“) und kommt einer Empfehlung gleich. Machen Sie es den Besuchern Ihrer Website, den Lesern Ihres Blogs leicht, Ihre Artikel weiter zu empfehlen, indem Sie Social Bookmarking-Buttons anbieten.
Social Media Mix Schaffen Sie einen Knoten, an dem Ihre Web-Aktivitäten zusammenlaufen, dafür eignet sich am besten ein Blog. Geben Sie Ihren Fans die Möglichkeit der Verbreitung Ihrer Fotos und Videos – nutzen Sie dafür Plattformen wie Flickr, YouTube und Vimeo. Bleiben Sie nicht nur auf Ihrem Blog und warten, dass Ihre Zielgruppe dort vorbei spaziert – gehen Sie dort hin, wo sie sich aufhält, z. B. in Facebook, MySpace und Twitter. Nutzen Sie Aggregationstools wie z. B. Friendfeed zur weiteren Verbreitung Ihrer Inhalte, kümmern Sie sich um Ein31 Friendfeed: http://friendfeed.com, (11.10.2009) 32 Lifestream: http://lifestream.fm, (11.10.2009) 33 Soup: www.soup.io, 11.10.2009 34 Mr Wong: www.mister-wong.de, (11.10.2009) 35 Delicious: http://delicious.com, (11.10.2009) 36 www.diigo.com, (11.10.2009)
Karin Janner 137 Kulturmarketing 2.0
träge bei Wikipedia, Qype und in Veranstaltungskalendern. Und machen Sie es Ihren Fans leicht, Ihre Einrichtung weiter zu empfehlen. Jeder dieser Kanäle zeigt eine Facette Ihrer Einrichtung, und das Gesamtbild sollte stimmig sein. Dazu ist es wichtig, dass Sie Ihre Social Media-Kanäle aufeinander abstimmen. Natürlich müssen sie auch in Ihr Kommunikationskonzept integriert und mit Ihren klassischen Kommunikationskanälen verknüpft sein.
Social Media in Ihrem Kulturbetrieb Bevor Sie sich aber Gedanken über den Einsatz von Social Media machen, sollten Sie überprüfen, ob Sie bereit sind, sich so intensiv auf ihre Besucher und Stakeholder einzulassen. Wollen Sie mit ihrem Publikum ins Gespräch kommen, es kennen lernen und auch von ihm lernen? War eine statische Internetseite noch mittels klassischer Einwegkommunikation möglich, so funktionieren Blogs, Podcasts und Twitter nur unter Einbezug der Besucher. Darüber hinaus sollte es die Hierarchie in Ihrem Kulturbetrieb zulassen, dass der Mitarbeiter, der für Social Media verantwortlich ist, bis zu einem gewissen Grad freie Hand hat. Denn die Kommunikation im Netz ist schnell und direkt, wenn über jeden Text (oder „Textschnipsel“, wie z. B. bei Twitter), der veröffentlicht werden soll, lang diskutiert wird, können Sie hier nicht mithalten. Zu bedenken ist auch, dass die einzelnen Tools zwar kostenlos sind, Sie aber ein gewisses Zeitbudget brauchen, um Ihre Social Media-Aktivitäten durchführen zu können – und jemanden, der mit den Gegebenheiten im Web 2.0 vertraut ist. Sind dafür personelle Ressourcen vorhanden? Sind diese Punkte geklärt, dann steht Ihrem Einstieg ins Web 2.0 nichts mehr im Weg. Ein abschließender Tipp: Beschäftigen Sie sich mit der Philosophie, versuchen Sie, selbst zu spüren, was das Web 2.0 ausmacht und wie die Kommunikation dort funktioniert. „Hören“ Sie zu, und beobachten Sie, wie andere es nutzen. Legen Sie nicht einfach los mit einzelnen Maßnahmen – formulieren Sie Ziele und setzen Sie dann genau für Ihre Ziele die richtigen Werkzeuge ein.
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Christian Holst
„Ein ungeheures Kanalsystem“ Podcasts im Medienmix von Kultureinrichtungen
Der kulturgeschichtliche Vorlauf Jede Erfindung braucht einen Mutigen, der sie vordenkt. Oftmals waren es Künstler, die technische Errungenschaften späterer Zeiten gedanklich antizipierten: Leonard da Vinci konzipierte Fluggeräte, lange bevor ein Prototyp realisiert werden konnte, Richard Wagner erfand mit seinem Gesamtkunstwerk und dem an dessen Erfordernissen ausgerichteten Bayreuther Festspielhaus ein „Hollywood avant la lettre“1 und Bertolt Brecht formulierte in seiner Radiotheorie eine Utopie, die mit dem Podcasting Realität geworden zu sein scheint: Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens, ein ungeheures Kanalsystem, das heißt, er wäre es, wenn er es verstünde, nicht nur auszusenden, sondern auch zu empfangen, also den Zuhörer nicht nur hören, sondern auch sprechen zu machen und ihn nicht zu isolieren, sondern ihn auch in Beziehung zu setzen. Der Rundfunk müsste demnach aus dem Lieferantentum herausgehen und den Hörer als Lieferanten organisieren.2
Freilich weicht die technische Ausführung von der formulierten Utopie durchaus ab und enthält unerwartete Aspekte. Das haben alle genannten Beispiele gemeinsam. So dachte Brecht an direkte Interaktion mittels Radio, wenn man so will an ein funkbasiertes Telefonkonferenzsystem, das zwar die Enträumlichung der Kommunikation möglich machte, noch nicht aber die Entzeitlichung, die das Podcasting zusätzlich bietet. Der Vorteil, dass Podcasts zeitlich unabhängig rezipiert werden können, hat den Preis, dass keine Live-Elemente eingefügt werden können, wie es in Radiosendungen möglich ist, zum Beispiel im Rahmen von Gewinnspielen, bei denen Zuhörer anrufen und live eine Preisfrage beantworten müssen. 1 Kittler, Friedrich: Weltatem. Über Wagners Medientechnologie, in: Ders./Manfred Schneider/Samuel Weber: Diskursanalysen 1: Medien, Opladen, 1987, S. 94 2 Brecht, Bertolt: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion des Rundfunks, S. 134, in: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden, Band 18, Frankfurt a.M,. 1990, S. 133-137
Christian Holst 139 Ein ungeheures Kanalsystem
Dennoch: Die Vergesellschaftung der Medien, die mit deren Digitalisierung möglich geworden ist, wird bereits bei Brecht gefordert und heute machen die Medien auch denjenigen sprechen, der vormals die passive Hörerrolle einnahm. Mit dem Siegeszug der privaten PCs und der kostenlosen Verfügbarkeit von anspruchsvoller Audiobearbeitungssoftware wie zum Beispiel Audacity sind die Produktionsmittel für alle zugänglich und anwendbar geworden. Entsprechendes gilt für den Vertrieb von digitalen Medieninhalten: dank Flatrates, Breitbandverbindung, Distributionssystemen wie iTunes oder YouTube.com und kostenlosem oder zumindest kostengünstigem Webspace können auch die vergleichsweise großen Audio- oder Videodateien problemlos vom Podcaster verbreitet und vom Nutzer bezogen werden. Der Hörer ist damit zum potenziellen Lieferanten geworden. Vor dem sozialistischen Hintergrund der Brecht’schen Vorstellungen stellt diese Entwicklung nicht nur eine technische Bereicherung dar, sondern ebenso eine Voraussetzung für positive kulturelle und gesellschaftliche Veränderungen. Für Brecht war das interaktive Radio, über das ohne formal-hierarchisches Gefälle kommuniziert werden kann, ein kulturell-didaktisches Instrument (wie auch das epische Theater), um eine neue Gesellschaftsform „einzuüben“. Sein aus der Radiotheorie hervorgegangenes Radiohörspiel „Der Ozeanflug“ war ein praktischer Versuch dazu. Die politischen Hintergedanken Brechts weisen dabei deutliche Parallelen auf zu der aktuellen Diskussion um die gesellschaftsverändernde Kraft des so genannten Web 2.0: Das neue Medium gibt jedem Einzelnen eine Stimme, ermöglicht eine neue Kultur der Meinungsfreiheit, stärkt die Demokratisierung und neue Formen gesellschaftlicher Zusammenarbeit und ist geeignet, alte hierarchische oder gar totalitäre (Kommunikations-)Strukturen zu untergraben.3 Brechts Vorstellungen zur Weiterentwicklung des Radios gerieten zunächst in Vergessenheit. Indem das Radio als Volksempfänger zu einem zentralen Propagandainstrument des nationalsozialistischen Regimes wurde, konterkarierte es nachgerade Brechts partizipative Vorstellungen. Vor diesem Hintergrund wiederum verwundert es nicht, dass die Massenmedien, darunter auch das Radio, nach 1968 als manipulative Herrschaftsinstrumente kritisiert wurden. Im Rahmen dieser Diskussion griff Hans-Magnus Enzensberger Brechts Radiotheorie 1970 wieder auf und postulierte in Anknüpfung an Brecht, dass Medien kei-
3 Vgl. zum Beispiel Levine, Rick/Locke, Christopher/Doc Searls/Weinberger, David: Das Cluetrain Manifest. 95 Thesen für die neue Unternehmenskultur im digitalen Zeitalter, München: Econ, 2000 und http://www.internet-manifest.de (3.10.2009)
140 Christian Holst Kultur 2.0
ne Kommunikationsinstrumente seien, sondern im Gegenteil, Kommunikation eigentlich verhinderten, denn „sie lassen keine Wechselwirkung zwischen Sender und Empfänger zu: technisch gesprochen, reduzieren sie das Feedback auf das systemtheoretisch mögliche Minimum“.4
Weiter formulierte er eine aktualisierte Variante von Brechts Idee des Radios als politischem Agitationsinstrument, wobei er den unbedingten Charakter als Herrschaftsinstrument relativierte. Medien können nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit wiedergeben und sind daher strukturell manipulativ, unabhängig von dem Interesse, mit dem sie eingesetzt werden: Die Frage ist daher nicht, ob die Medien manipuliert werden oder nicht, sondern wer sie manipuliert. Ein revolutionärer Entwurf muss daher nicht die Manipulateure zum Verschwinden bringen; er hat im Gegenteil einen jeden zum Manipulateur zu machen.5
Auch Enzensberger vertritt also im Rahmen einer sozialistischen Theorie einen emanzipativen, vergesellschafteten Medienumgang, der zu seiner Zeit freilich bereits weite weniger utopisch war, als noch in den 1920er Jahren, in denen Brecht seine Theorie formuliert hatte. Immerhin gab es bereits Tonbandgeräte, die zwar teuer und vergleichsweise aufwändig zu bedienen waren, die aber grundsätzlich auch für Privatpersonen verfügbar waren. Trotzdem hat es noch 35 Jahre gedauert, bis die Produktionsmittel einer breiten Masse zugänglich gemacht wurden und jeder potenzielle Lieferant, Manipulateur oder Medienanbieter werden konnte. Die kontrollarme, interaktive Kommunikation auf Augenhöhe, das Aufbrechen der Meinungsoligopole durch die sozialen Medien ist damit sogar in einer kapitalistischen Gesellschaft möglich geworden. Die spezifischen, über die traditionellen Medien hinausgehenden Möglichkeiten von Podcasts leiten sich daraus ab.
4 Enzensberger, Hans-Magnus: Baukasten zu einer Theorie der Medien, in: Peter Glotz (Hrsg.): Baukasten zu einer Theorie der Medien. Kritische Diskurse zur Pressefreiheit, München: Verlag Reinhard Fischer, 1997, S. 99 5 Ebd., S. 106
Christian Holst 141 Ein ungeheures Kanalsystem
Zum Begrif f „Podcast“ Der Begriff Podcast bzw. Podcasting setzt sich zusammen aus dem Wort „iPod“, der Bezeichnung für Apples legendäres Endgerät, und dem Wort „to broadcast“ (engl. für ausstrahlen, senden). Das Wort kam im Jahr 2004 auf (es ist bis heute nicht geklärt, ob sich der britische Journalist Ben Hammersley oder Dannie Gregoire als Erfinder bezeichnen darf) und fand rasante Verbreitung. Bereits 2005 wurde es vom New Oxford American Dictionary zum Wort des Jahres gewählt.6 Der Begriff Podcast bzw. Podcasting wird relativ unscharf verwendet und meint mitunter auch selbst aufgenommene Audiodateien, die ins Internet gestellt werden und dort anzuhören bzw. herunterzuladen sind. Typisch für Podcasts ist jedoch die Abonnierbarkeit der Audiodateien per RSS-Feed. Abonnierbarkeit ist dabei nicht in dem Sinne des klassischen kostenpflichtigen Zeitungs- oder Theaterabonnements, womöglich mit automatischer Verlängerung, zu verstehen. Das Abonnement beschreibt hier lediglich den technischen Aspekt des automatisierten Bezugs. Typischerweise sind Podcasts kostenlos. Podcasts können sowohl reine Audiodateien, als auch Videodateien sein. In diesem Aufsatz wird nicht streng unterschieden, da die hier angestellten Überlegungen grundsätzlich für beide Formen gelten. In der Anwendung ist jedoch zu beachten, dass Videopodcasts (auch Videocasts genannt) wesentlich aufwändiger zu produzieren sind und höheres technisches Know-how und höherwertiges und damit auch teureres Equipment (Hard- und Software) voraussetzen. Während beim Audiopodcasting auch von relativ Unerfahrenen schnell professionelle Ergebnisse erzielt werden können, lassen sich Videocasts ohne entsprechende Schulung oder Unterstützung kaum auf professionellem Niveau erstellen.
Das technische Prinzip Auch wenn Apple-Chef Steve Jobs das Podcasting als „Radio der nächsten Generation“ bezeichnete und es in funktioneller Hinsicht die Radiotheorie Brechts Wirklichkeit werden zu lassen scheint, hat die Technologie auf der das Podcasting beruht, mit der Radiotechnologie nichts mehr zu tun.
6 Vgl. Rubens, Annik: Podcasting. Das Buch zum Audiobloggen, Köln: O’Reilly Verlag, 2006, S. ix ff
142 Christian Holst Kultur 2.0
Die Verbreitung des Podcasting-Programms, d.h. der Audio- oder VideoDateien, erfolgt mittels einer zugewiesenen Textdatei, dem so genannten RSSFeed, der Informationen über den Podcast bereithält und auf die eigentliche Datei verweist. Man kann von dem Feed daher als der „Sendefrequenz“ für Podcasts sprechen, da er die Podcastinhalte im Internet auffindbar macht. Der Feed wird zusammen mit der MP3-Datei vom Podcaster auf den Server geladen. Da er nur Textdaten enthält, ist er wesentlich kleiner als die MP3-Datei. Der Podcast-Nutzer ruft zunächst nur ihn in seinem Podcatcher ab. Dabei werden Informationen über die verknüpfte Podcast-Sendung und die einzelnen Episoden (die einzelnen Sendungen) in chronologischer Reihenfolge der Sendetermine übermittelt, anhand derer der Nutzer entscheiden kann, ob er die Audiodatei tatsächlich auf sein Abspielgerät laden möchte. Der RSS-Feed und seine Zuordnung zu der jeweiligen Datei werden in aller Regel automatisch durch die Verbreitungsdienste (z. B. www.podhost.de, iTunes, YouTube.com) übernommen. Technisches Fachwissen ist daher normalerweise nicht erforderlich. Für die technische und redaktionelle Erstellung eines Podcasts sei hier auf die zahlreichen Einführungsbücher verwiesen, die genaue Anleitungen zur Produktion und Verbreitung sowie Tipps zur Ausstattung und zur redaktionellen Arbeit beinhalten. Kurz, knapp, dabei trotzdem umfassend und eingängig zu lesen sind zum Beispiel die Einführungswerke von Annik Rubens, Daniel Fiene/ Dennis Horn oder Moritz „mo.“ Sauer.7
Inhalt zählt Grundsätzlich haben Kunst- und Kultureinrichtungen beste Voraussetzungen dafür, Podcasts speziell und soziale Medien allgemein einzusetzen. Ihre
7 Rubens, Annik: Podcasting; Fiene, Daniel/Horn, Dennis: Das Podcast-Buch. Das Radio des Web 2.0, Franzis Verlag, Poing 2007; Moritz „mo.“ Sauer: Weblogs, Podcasting und Online-Journalismus, Köln: O’Reilly Verlag, 2007
Christian Holst 143 Ein ungeheures Kanalsystem
Arbeit besteht in der Beschäftigung mit Inhalten, nicht in der Herstellung von Waren oder Dienstleistungen, zu denen eine Geschichte oder thematischer Aufhänger erst erfunden werden muss. Das „Produkt“ ist hier selbst eine „Story“. Im Frühjahr 2007 machte Hape Kerkelings Alter Ego Horst Schlämmer vor den Augen der Web-Öffentlichkeit den Führerschein, um endlich den Golf fahren zu können, der bereits in seiner Garage stand und dazu dienen sollte, die Damenwelt zu beeindrucken. In einer Reihe von unterhaltsamen und witzigen Clips und Blog-Einträgen wurden die ungelenken Bemühungen Schlämmers dokumentiert, die Fahrerlaubnis zu erhalten. Je öfter und je positiver der VW Golf als Fahrschulauto und erster Wagen Schlämmers ins Gespräch kam, umso mehr kam die Frage auf, ob es in dieser Clipserie tatsächlich um Horst Schlämmer ging und nicht viel mehr um das Mittelklassefahrzeug aus Wolfsburg. Zum Abschluss der Serie stellte sich heraus, dass es sich bei der Serie tatsächlich um eine innovative Werbekampagne von VW gehandelt hatte. Das Bemerkenswerte war, dass VW nicht sein Produkt, den Golf, ins Zentrum der Aufmerksamkeit stellte, sondern einen fiktiven Charakter wie Horst Schlämmer. Denn ein Auto gibt als „Story“ nicht viel her: jeder kennt das Produkt und die technischen Details des neuen Golf sind nur interessant, wenn man konkret mit dem Gedanken der Neuanschaffung spielt. Wo VW sein Produkt mit interessanten Inhalten verknüpfen, eine Figur wie Horst Schlämmer finden und auf die Expertise von externen Agenturen zurückgreifen muss, können Kultureinrichtungen auf interne Kompetenzen setzen. Sie haben viel direktere, selbstverständlichere Möglichkeiten, Aufmerksamkeit zu gewinnen und Gespräche zu erzeugen und auf diese Weise neue und insbesondere jüngere Personen für sich zu begeistern. Es ist ihre Aufgabe, sich durchaus kontrovers mit Inhalten, Themen und wichtigen Fragen des gesellschaftlichen, privaten oder politischen Lebens auseinanderzusetzen. Allein das beinhaltet eine Menge Stoff. Dazu kommt, dass die Kombination von Menschen und Geschichten, die sich um die Einrichtungen und ihre Arbeit ranken, einen unerschöpflichen Fundus an interessanten und spannenden Themen bildet. Auch in punkto Kommunikation sind Kultureinrichtungen oftmals besser aufgestellt als reine Wirtschaftsbetriebe, da sie bereits über Jahre hinweg spezifische Erfahrung in der Verbreitung und Vermittlung von Inhalten gesammelt haben. Damit verfügen Sie über beste Voraussetzungen, um interessante Gespräche zu stimulieren. Das gilt online ebenso wie offline.
144 Christian Holst Kultur 2.0
Erfolgsfaktoren Welche Gründe können also dafür sprechen, speziell Podcasts in den Medienmix aufzunehmen? Im Folgenden soll dargestellt werden, welche Merkmale das Podcasting gegenüber anderen sozialen Medien differenzieren. Diese Abgrenzung kann als Entscheidungsgrundlage herangezogen werden, ob ein Podcast geeignet ist, das Medienangebot einer Kultureinrichtung im Sinne der jeweiligen Kommunikationsstrategie zu erweitern. Diese Merkmale sind jedoch nur grundsätzlicher Natur, denn Podcast-Formate können im Rahmen sehr unterschiedlicher Zielsetzungen entwickelt und eingesetzt werden und demgemäß auch in ihrer Machart und ihrem Anspruch ganz unterschiedlich angelegt sein. Podcasts wirken grundsätzlich unmittelbarer und emotionaler als Blogs und alle schriftbasierten sozialen Medien, denn die mündliche Kommunikation wird im sozialen Miteinander am häufigsten und selbstverständlichsten benutzt. Podcasts zu hören ist daher weniger anstrengend als Texte oder Informationen zu lesen, allerdings auch flüchtiger. Fakten und nüchterne Informationen (zum Beispiel Veranstaltungstermine) lassen sich sinnvollerweise nicht über Podcasts mitteilen. Wohl aber eignen sie sich, um Meinungen und Ansichten und allgemeinere Erläuterungen und Erklärungen zur künstlerischen Arbeit zu vermitteln oder um zum Beispiel mit Hintergrundberichten zu Ausstellungen oder Ausschnitten aus Aufführungen Lust auf Kultur zu machen. Bei Videocasts kann das bewegte Bild eine zusätzliche Emotionalisierung der Botschaft bewirken. Podcasts bieten damit die Möglichkeit einer eingängigen aber keinesfalls oberflächlichen Kommunikation, die sowohl kognitiv als auch emotional anspricht. Daraus resultiert typischerweise eine hohe Qualität des Nutzerkontakts bei niedriger Reichweite zum Beispiel im Vergleich zu Flyern oder TwitterFollowers. Im Sinne der hierarchiefreien Kommunikation auf Augenhöhe, für die Brecht und Enzensberger das Radio der Zukunft vorsahen und die durch die sozialen Medien möglich geworden ist, bieten Podcasts die Möglichkeit, sehr persönlich und authentisch mit den Besuchern und Interessenten in Kontakt zu treten. Die Authentizität eines Podcasts, und damit die Identifikation des Hörers mit dem Anbieter, ist umso höher, je deutlicher ein Podcast die individuelle Handschrift einer Einrichtung trägt. Dazu empfiehlt es sich grundsätzlich einerseits, den Podcasts selbst zu entwickeln und zu produzieren (bei Videocasts gilt das, wie gesagt, mit Einschränkung) und andererseits die redaktionelle Verantwortung und Moderation in die Hände von ein oder zwei Personen zu legen, die die Einrichtung repräsentieren und eine beständige Beziehung zu den Hörern auf-
Christian Holst 145 Ein ungeheures Kanalsystem
bauen können. Denn Unternehmen und Einrichtungen können Informationen verbreiten, kommunizieren können nur Menschen. Zusätzliche Nähe zum Hörer bzw. Nutzer kann durch Interaktion aufgebaut werden. Interaktion ist ein übergreifendes Merkmal aller sog. Web 2.0-Dienste. Die unmittelbare Interaktion mit den Hörern ist beim Podcasting allerdings schlecht möglich, da ein Podcast typischerweise nicht live gesendet wird, Produktion und Rezeption also zeitlich nicht synchron laufen. Dennoch ist Interaktion möglich, zum Beispiel indem Podcast-Episoden auf iTunes bewertet oder auf einer zugehörigen Internetseite kommentiert werden können. Des Weiteren können MP3-Kommentare oder Nachrichten von einem Skype-Anrufbeantworter in den Podcast aufgenommen werden. Über Hörerbeiträge, Gewinnspiele, Abstimmungen usw. gibt es weitere Möglichkeiten der Einbeziehung von Hörern, für die Vernetzung der Hörer untereinander eignen sich Foren oder Gruppen in Facebook oder StudiVZ. Auch wenn Podcasts Medien sind, die stark über die inhaltlich-persönliche Ansprache funktionieren, gibt es auch technisch-formale Aspekte, die einem Erfolg im Wege stehen können. Das ist vor allem die Regelmäßigkeit der Veröffentlichung. Eine Falle der sozialen Medien besteht darin, dass sie sehr schnell aufgesetzt und anwendbar gemacht werden können. Diese niedrige Einstiegshürde hat allerdings den Nachteil, dass man leicht etwas anfängt, für das einem der lange Atem fehlt. Viele Projekte, gerade wenn es sich dabei um ambitiösere wie einen Podcast handelt, sind daher nach wenigen Wochen bereits wieder tot. Das bleibt im besten Fall unbemerkt, kann aber auch eine peinliche Außenwirkung erzeugen. Es empfiehlt sich daher, bereits bei der Konzeption und Planung einen verbindlichen und realistischen Sendeplan festzulegen oder sogar eine Pilotstaffel vorzuproduzieren, wenn die Episoden keinen aktuellen Bezug haben. Ebenso wie die regelmäßige Erscheinungsweise sorgen auch akustische (im Falle von Videocasts freilich auch optische) Wiedererkennungseffekte, so genannte Jingles oder Signations, für Beständigkeit und eignen sich zur Strukturierung des Programms.
Kultur-Podcasts in der Praxis Bei den bestehenden Podcast-Angeboten im Kulturbereich lässt sich zwischen zwei grundlegend unterschiedlichen Ansätzen unterscheiden: Zum einen gibt es Podcasts über Kultureinrichtungen und deren Angebote und zum anderen solche, die von Kultureinrichtungen selbst produziert und verbreitet werden.
146 Christian Holst Kultur 2.0
Erstere stellen für Kultureinrichtungen eine Bereicherung der Medienlandschaft dar. Sie nehmen eine ähnliche Funktion wie Radio- oder Fernsehsender ein, freilich bei geringeren Reichweiten. Zwar lässt sich diesbezüglich keine generelle Aussage treffen, man kann aber vermuten, dass viele dieser Podcaster aufgeschlossener gegenüber Kooperationen sind als die traditionellen Medien. Einige der Anbieter positionieren sich auch als Dienstleister, die im Auftrag von Kultureinrichtungen über diese berichten. Als exemplarisches Angebot sei hier castyourart.com genannt, ein Dienstleister, der professionelle Videocasts über Museen und bildende Künstler erstellt und verbreitet. Die Kooperation mit solchen Dienstleistern, aber auch unabhängigen professionellen Podcastern, kann sinnvoll sein, da sie aufgrund der oben beschriebenen Qualität des Nutzerkontakts stark meinungsbildend sind. Sie hat zudem den Vorteil, dass man eine hochwertige, meist positive Berichterstattung erhält. Ein gewisses Glaubwürdigkeitsrisiko entsteht, wenn solche Berichte eingekauft werden müssen. Gerade in der hohen Glaubwürdigkeit liegt aber ein wichtiger kommunikativer Mehrwert von Podcasts speziell und sozialen Medien allgemein. Das spricht dafür, selbst zu produzieren. Podcasts, die von Kultureinrichtungen selbst herausgegeben werden, sind vor allem im Bildungsbereich sehr stark vertreten. Da zahlreiche Universitäten Vorlesungen und Vorträge als Podcasts anbieten, gibt es in iTunes seit der Version 9.0 sogar eine eigene Rubrik dafür: iTunes U. Das U steht dabei für „University“. In dieser Rubrik können sowohl Vortrags- und Vorlesungsskripte als PDF, Sprachkurse und Hörbücher als auch ganze Vorlesungen im Audiooder Videoformat bezogen werden. Gerade in Fernstudiengängen sowie eLearning- und Blended Learning-Programmen werden Podcasts angeboten. An der hohen Nutzung im Bildungsbereich zeigt sich, dass Podcasts insbesondere zur Vermittlung anspruchsvoller Inhalte, Ideen und Meinungen geeignet ist, die der ausführlichen Erklärung und Erläuterung bedürfen. Aber auch in anderen Bereichen des Kultursektors werden Podcasts eingesetzt. Seit dem Sommer 2009 bieten zum Beispiel die Bayreuther Festspiele mit einem Videocast einen Blick hinter die Kulissen.8 Die Clips sollen offenbar insbesondere ein junges Publikum ansprechen: die Clips haben schnelle Schnitte, die technische Produktion ist nicht allzu aufwändig wenngleich auf professionellem Niveau, bei der musikalischen Unterlegung verzichtet man lieber auf schwere Wagner-Klänge und bevorzugt Musik aus dem 21. Jahrhundert, die Moderation, sofern es sie gibt, scheint Viva oder MTV nachempfunden. Dabei sind die dreiminütigen Clips durchaus informativ. Authentizität und Interaktion im
8 Vgl. http://www.bfmedien.de/podcast.html (4.10.09)
Christian Holst 147 Ein ungeheures Kanalsystem
oben beschriebenen Sinne werden hier jedoch noch nicht ausgeschöpft. Es gibt zwar die Möglichkeit, den Pod- bzw. Videocast per RSS zu abonnieren, aber beispielsweise keinen YouTube-Kanal, wo sie gesammelt eingestellt würden, keine Twitter- oder Facebookankündigungen von neuen Episoden, keine Möglichkeit zu kommentieren, die Clips auf eigene Seiten einzubinden oder sich mit anderen „Wagnerpsychopathen“ (K. Wagner) zu vernetzen. Hier wird die Logik der Fernsehberichterstattung einfach auf die neuen Verbreitungsmöglichkeiten übertragen. Das heißt, man versucht, positive Berichterstattung über die Festspiele in einem eingängigen, inhaltlich wie technisch jugendgerechten Format zu verbreiten. Das so genannte Web 2.0 bietet dafür zweifellos eine effektive, kostengünstige Infrastruktur, die Philosophie von sozialen Medien in dem Eingangs ausgeführten Sinne geht darüber jedoch noch weit hinaus. Mehr Möglichkeiten zur Interaktion bietet beispielsweise der Videocast des Staatsballetts Berlin,9 der auch auf YouTube.com abzurufen ist und dort kommentiert und auf andere Seiten eingebettet werden kann. Die Machart entspricht nicht den technischen und redaktionellen Standards der PR-Clips der Bayreuther Festspiele. Das erklärt sich aus der Tatsache, dass die Clips in Zusammenarbeit mit Schülern und Schulklassen entstanden sind, die die Compagnie über Tage oder Monate mit der Kamera begleitet und Filme über deren Arbeit erstellt haben. Auch wenn die Videos nicht als PR-Clip taugen, werden bei diesem Angebot die neuen, offenen Möglichkeiten der Kommunikation mit sozialen Medien durch die Einbeziehung derjenigen, die man mit seinem Kulturangebot erreichen möchte, viel extensiver und kreativer genutzt. Das erfordert auf der einen Seite den Mut, ein gewisses Maß an Kontrolle über die eigene Außendarstellung aufzugeben und sich von einem traditionellen PR-Verständnis zu lösen, es macht aber auf der anderen Seite aus den bestenfalls passiven Zuschauern aktive Partner und Botschafter, die die Clips in ihre Netzwerke tragen. Man darf vermuten, dass das so genannte „Audience Development“ auf diese Weise nachhaltiger gelingt, als wenn man jungen Interessenten kurze PR-Clips präsentiert. Soziale Medien allgemein und damit auch Podcasts eignen sich insbesondere auch für kleinere Kultureinrichtungen, die einen vergleichsweise niedrigen Werbeetat haben. Ein Beispiel dafür ist der Podcast des AuGusTheaters in Neu-Ulm, der sowohl über die Website des Theaters als auch über YouTube und andere Netzwerke bezogen, kommentiert und bewertet werden kann.10
9 Vgl. http://www.staatsballett-berlin-inside.de/podcast/ (4.10.2009) 10 Vgl. http://augustheater.blogspot.com/ (4.10.09)
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Fazit Grundsätzlich verfügen Kultureinrichtungen über beste Voraussetzungen für inhaltliche Kommunikation, da ihre Arbeit in der Produktion und Vermittlung von inhaltsvollen Kunstwerken besteht. Das Podcasting bietet dafür eine gute Möglichkeit, da es sich speziell dafür eignet, anspruchsvolle Themen in einer eingängigen, sowohl kognitiv als auch emotional ansprechenden Weise zu vermitteln. Um die spezifischen Möglichkeiten des Mediums voll auszuschöpfen gilt es jedoch, über die herkömmliche Vorstellung von „Kommunikation“ hinauszugehen und die Zuhörer authentisch anzusprechen, mit ihnen zu interagieren und sie zu aktivieren. Wem es gelingt, ein partnerschaftliches Verhältnis zu seinen Zuhörern oder ganz allgemein seinen Stakeholdern aufzubauen, kann so engagierte Botschafter gewinnen. Mit erneutem Bezug auf Bertolt Brechts Radiotheorie lässt sich daraus nahezu eine Verpflichtung von Kulturunternehmen ableiten, das Podcasting zu nutzen, denn: Man hatte plötzlich die Möglichkeit, allen alles zu sagen, aber man hatte, wenn man es sich überlegte, nichts zu sagen. (…) Ein Mann, der was zu sagen hat und keine Zuhörer findet, ist schlimm dran. Noch schlimmer sind Zuhörer daran, die keinen finden, der ihnen etwas zu sagen hat.11
Kultureinrichtungen haben etwas zu sagen und sollten dafür die Mittel und Wege nutzen, die ihnen zur Verfügung stehen. Podcasting ist einer davon.
11 Brecht, Bertold: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat, S. 133
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Literatur Brecht, Bertolt: Der Rundfunk als Kommunikationsapparat. Rede über die Funktion des Rundfunks, in: Ders.: Gesammelte Werke in 20 Bänden, Band 18, Frankfurt a.M., 1990, S. 133-137 Enzensberger, Hans Magnus: Baukasten zu einer Theorie der Medien. In: Glotz, Peter (Hrsg.): Baukasten zu einer Theorie der Medien. Kritische Diskurse zur Pressefreiheit. München: Verlag Reinhard Fischer, 1997, S. 97ff Fiene, Daniel/Horn, Dennis: Das Podcast-Buch. Das Radio des Web 2.0, Poing: Franzis Verlag, 2007 Kittler, Friedrich: Weltatem. Über Wagners Medientechnologie, in: Ders./ Manfred Schneide/amuel Weber: Diskursanalysen 1: Medien, Opladen, 1987, S. 94 Levine, Rick/Locke, Christopher/Doc Searls/Weinberger, David: Das Cluetrain Manifest. 95 Thesen für die neue Unternehmenskultur im digitalen Zeitalter, München: Econ, 2000 Rubens, Annik: Podcasting. Das Buch zum Audiobloggen, Köln: O’Reilly Verlag, 2006 Sauer, Moritz: Weblogs, Podcasting und Online-Journalismus, Köln: O’Reilly Verlag, 2007 Internetquellen http://augustheater.blogspot.com (4.10.2009) http://www.bfmedien.de/podcast.html (4.10.2009) http://www.internet-manifest.de (4.10.2009) http://www.staatsballett-berlin-inside.de/podcast/ (4.10.2009)
150 Christian Henner-Fehr Kultur 2.0
Christian Henner-Fehr
Herausforderung Weblog Ein Weblog ist schnell eingerichtet. Die Software gibt es kostenlos und schon kann es los gehen. Aber ist das schon alles? Worauf muss man achten, wenn man mit dem Bloggen beginnt? Was sind die Vor- und Nachteile? Ein paar Anmerkungen für alle, die gerade dabei sind, mit dem Bloggen zu beginnen. „Ich wollte vermeiden über längere Zeiträume im Stillen zu arbeiten und dann nur sporadisch in Form von Ausstellungen an die Öffentlichkeit zu treten“, antwortet der Bildhauer Tilmann Krumrey auf die Frage nach den Gründen, die ihn zum Blogger haben werden lassen. Im Rahmen seines aktuellen Projektes „100 Menschen 100 Köpfe für die Ewigkeit“ setzt er nicht nur auf Materialien wie Ton, Gips und Wachs, sondern auch auf Dialog und Publizität. Da seine Arbeit auch auf einem theoretischen Konzept basiere, sei es notwendig, ein Medium zu nutzen, mit dem es sich transportieren lasse, so Krumrey.
Tilmann Krumrey: 100menschen100koepfe (http://tinyurl.com/5sptr2)
Vielleicht geht es aber gar nicht so sehr um den Transport eines künstlerischen Konzepts, sondern darum, die vielen Fotos, die auf dem Computer lagern und die niemand zu sehen bekommt, online zu verwenden? Ein Bild sagt mehr als tausend Worte. Warum also die Fotos nicht online nutzen? So wie das zum Beispiel die Kronberg Academy auf ihrem Weblog macht.
Christian Henner-Fehr 151 Herausforderung Weblog
Ob man die Bilder nun direkt auf das Blog lädt oder über eine Fotoplattform wie Flickr einbindet spielt dabei keine Rolle. Für beides sind nur ein paar Mausklicks nötig.
Kronberg 2.0; Kronberg Academy Blog (http://tinyurl.com/7z94ld)
Natürlich lassen sich auch Video- und Audioformate in ein Blog einfügen. Das AuGuSTheater in Neu-Ulm nutzt die Videoplattform YouTube, um die eigenen Videos dann ins Blog einzubetten.
AuGuS Theater Neu-Ulm: Videoeinsatz im Weblog (http://tinyurl.com/nuvxne)
Oder es geht einfach „nur“ um den Dialog mit den eigenen Zielgruppen.
Christian Henner-Fehr: Das Kulturmanagement Blog (http://tinyurl.com/6xv3v3)
152 Christian Henner-Fehr Kultur 2.0
Natürlich gibt es noch viel mehr Gründe, einen Blog zu starten. Aber was sind Weblogs eigentlich?
Weblogs: Nichts anderes als ein einfaches Content-Management-System Wahrscheinlich wissen die meisten, was ein Weblog ist. Wikipedia spricht von „digitalen Journalen“, über die sich Blogger, also die Verfasser dieser Journale, ihrer mehr oder weniger großen Leserschar mitteilen. Technisch gesehen ist ein Weblog ein einfaches Content-Management-System (CMS), in dem die Beiträge chronologisch gereiht werden und das aktuellste ganz oben erscheint. Weblogs zeichnen sich darüber hinaus durch folgende Elemente aus: Permalinks: Jeder Beitrag erhält einen individuellen Link, der nicht veränderbar ist. Über ihn kann der Beitrag jederzeit aufgerufen werden, das heißt, Permalinks machen das Verlinken auf andere Webseiten leicht.
Beispiel Permalink
Backlinks: Über Backlinks erfahre ich automatisch davon, wenn irgendwo im Internet auf einen meiner Blogbeiträge verlinkt wird.
Beispiel Backlink im Kommentarfeld
Kommentare: Die Kommentarfunktion ermöglicht es den Lesern, sich am Ende jedes Blogeintrags direkt zu äußern. Wordpress.com erlaubt es sogar, Videos in die Kommentare einzubinden.
Christian Henner-Fehr 153 Herausforderung Weblog
YouTube-Videos lassen sich in Kommentare einbinden
Blogroll: Hier sind die persönlichen Blogempfehlungen des Blogbetreibers zu finden. Eine lange Blogroll ist häufig eine wahre Fundgrube, um interessante Blogs zu entdecken.
Blogroll Kulturmarketing Blog von Karin Janner (http://tinyurl.com/nhtdng)
RSS: Das RSS-Format erlaubt es, Webseiten, in diesem Fall Weblogs, zu abonnieren und auf neue Beiträge zu überprüfen, ohne sie direkt aufrufen zu müssen
Ansicht eines Weblogs im RSS-Reader
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Ein Weblog ist grundsätzlich schnell eingerichtet und kostet wenig bzw. gar kein Geld. Für die eigene Website gibt es kostenlose Softwareangebote, am bekanntesten ist sicher Wordpress. Aber natürlich lassen sich die ebenfalls kostenlosen Angebote diverser Blogplattformen nutzen. Über den Webbrowser ist in wenigen Minuten ein Blog eingerichtet, inklusive einer eigenen Domain.
Derzeit ist man mit einem Blog noch Trendsetter Über das Für und Wider des Bloggens gibt es mittlerweile unzählige Studien, Diplomarbeiten, Bücher und natürlich Blogbeiträge. Ich möchte daher an dieser Stelle ein paar Vor- und Nachteile aufzählen, die meiner Meinung nach für Kunst- und Kultureinrichtungen relevant sind. Fangen wir mit den Vorteilen an: ein Blog kann dazu beitragen, den eigenen Namen, die „Marke“ bekannt zu machen, beziehungsweise zu stärken. Das gilt vor allem hier bei uns, denn Weblogs werden, im Unterschied zum angelsächsischen Raum, von deutschsprachigen Kunst- und Kultureinrichtungen noch kaum eingesetzt. Das heißt, derzeit ist man mit einem Blog noch Trendsetter, wie beispielsweise die Duisburger Philharmoniker, das AuGuSTheater oder die Kronberg Academy. Blogs sind eine Möglichkeit, um mit seinen Zielgruppen direkt zu kommunizieren, ohne auf die klassischen Medien angewiesen zu sein. Sie erlauben außerdem eine persönliche Beziehung zu den Lesern. Nicht das Theater oder Museum schreibt, sondern eine bestimmte Person, die einen Namen hat und als Ansprechpartner fungiert. Aber auch einzelne Künstler sind dadurch greifbarer, wie dieser Blogbeitrag des Schriftstellers Paulo Coelho zeigt, der zu mehr als 600 Kommentaren geführt hat.
Weblog des Schriftstellers Paulo Coelho (http://tinyurl.com/25l2jb)
Christian Henner-Fehr 155 Herausforderung Weblog
Wer auf diese Weise mit seinen Besuchern kommuniziert, erhält natürlich wertvolle Aufschlüsse darüber, wie die eigenen Angebote ankommen. Blogs sind daher ein wichtiges Marketinginstrument. Dies geschieht einerseits über die direkten Rückmeldungen in Form von Kommentaren oder auch E-Mails. Natürlich zeigt aber auch die statistische Auswertung, welche Beiträge besonders häufig gelesen werden oder über welche Stichworte das Blog in den Suchmaschinen gefunden wird.
So werden die Zugriffe auf ein Blog über Feedburner (RSS-Feed) dargestellt.
Für viele Künstler und Kultureinrichtungen ist es gar nicht so einfach, im Netz gefunden zu werden. Wer in den Suchmaschinen nicht ganz vorne platziert ist, hat kaum eine Chance. Weblogs sind gut dafür geeignet, die eigene Website in den Rankings ganz nach vorne zu bringen. Dies liegt daran, dass hier der Grad der Verlinkung eine Rolle spielt und Blogs in dieser Hinsicht gegenüber „normalen“ Seiten einen klaren Vorteil haben.
Google-Suche nach „kulturmanagement“
Gibt es etwas zu erzählen? Es gibt also einige Punkte, die dafür sprechen, einen Weblog zu betreiben. Ich möchte aber auch die Nachteile nicht verschweigen. Der zeitliche Aufwand, einen Weblog zu betreiben, ist erheblich. Schließlich geht es darum, einen dau-
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erhaften Kontakt zu den eigenen Lesern herzustellen. Und das geht nicht, wenn man einmal im Monat einen Beitrag veröffentlicht. Blogs mit guten Zugriffszahlen stellen jeden Tag einen, manchmal auch mehrere Beiträge online. Als Blogbetreiber muss man etwas zu sagen, den Lesern etwas zu erzählen haben. Wer jeden Tag händeringend vor dem Computer sitzt, weil er nicht weiß, worüber er schreiben soll, sollte es besser bleiben lassen. Aber in der Regel ist das eine Angst, die vor allem Bloganfänger plagt. Sehr schnell taucht ein anderes Problem auf, nämlich die Flut an Informationen, über die man schreiben kann. Aber das ist dann wie gesagt ein zeitliches Problem. Etwas zu sagen zu haben ist die eine Sache. Eine „Schreibe“, die man gerne liest, die andere. Sonst kommen die Blogbesucher nicht wieder und darum geht es einem ja. Noch größer ist die Herausforderung, die Blogbesucher dazu zu bringen, mit einem in einen Dialog zu treten. Sich öffentlich im Internet zu äußern, stellt für viele Menschen eine hohe Hürde dar, das sollte man berücksichtigen. Werden die Beiträge kommentiert, dann kann ein anderes Problem auftauchen: Es wird Kritik darin geäußert. Ein Weblog macht einen angreifbar, denn die Kritik wird in diesem Fall von unzähligen Menschen gelesen. Das heißt, man muss sich schon im Vorfeld überlegen, wie man mit Kritik umgeht. Denn die kann jederzeit kommen. Es ist also nicht alles Gold, was glänzt und man sollte sich auf alle Fälle gut überlegen, ob man es auf einen Versuch ankommen lässt. Es ist sicher sinnvoll und hilfreich, sich erst einmal in der Blogosphäre umzusehen. Beispiele gibt es genug, allerdings vor allem im angelsächsischen Raum. Interessant ist etwa das Blog der Metropolitan-Oper oder des Brooklyn-Museums.
Blogs eignen sich auch zur Begleitung von Projekten Blogs lassen sich aber auch intern verwenden. Da die Beiträge chronologisch angeordnet werden, kann man beispielsweise den Verlauf eines Projektes mit Hilfe eines Blogs perfekt dokumentieren. Das Projektteam hat darüber hinaus die Möglichkeit, auf diesem Weg miteinander zu kommunizieren und sich so viele E-Mails zu sparen. Aber auch über das einzelne Projekt hinaus lässt sich mit Hilfe eines Weblogs ein Mehrwert generieren. Markus Gloetzel kommt in seinem Artikel „Gemein-
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sam geführte Projektweblogs aus der Sicht eines kontextorientierten Wissensbegriffs“ (http://bit.ly/12BByC) zu dem Ergebnis, dass Weblogs ein sehr kontextsensibles Medium sind, das positive Auswirkungen auf die Weiterentwicklung in der Zusammenarbeit von Projektteams haben kann und darüber hinaus der schnellen Kommunikation und der Vernetzung untereinander dient. Wichtig ist aber auch hier die Frage, welches Ziel mit dem Weblog verfolgt wird? Es kann einerseits Entlastung bieten im Kampf gegen eine überquellende Mailbox. Es kann aber auch ein wichtiges Instrument sein, um die Zusammenarbeit im Projektteam mittel- und langfristig qualitativ zu verbessern. Womit wir bei einem wichtigen Punkt angekommen sind. Natürlich ist es nicht schlecht, dem eigenen Spieltrieb freien Lauf zu lassen und das Bloggen einfach mal auszuprobieren. Schließlich ist es nicht jedermanns Sache. Aber man sollte wissen, welche Ziele man damit erreichen will, denn ohne Ziele kein Erfolg. Das klingt eigentlich ganz selbstverständlich, aber immer wieder zeigt es sich in Umfragen und Untersuchungen, dass viele Vorhaben scheitern, weil es keine konkreten Zielvorgaben gibt. Wann bin ich als Blogger erfolgreich? Sind es die Besucherzahlen, ist es die Anzahl der Kommentare oder ist es der Grad der Verlinkung? Vernachlässigen sollte man solche Zahlen nicht, denn gerade für kleinere Kunst- und Kultureinrichtungen geht es darum, sichtbar zu sein. Der Einsatz eines Blogs kann beispielsweise zu einer größeren Sichtbarkeit führen. Messen lässt sich der Erfolg dann unter anderem an erhöhten Zugriffszahlen über die Suchmaschinen. In meinen Augen reichen diese Messzahlen aber noch nicht. Natürlich ist es fein, wenn die diversen Zahlenreihen ansteigen, sich zum Beispiel die Zugriffe auf das Blog erhöhen. Und dann? Deshalb ist ja noch kein einziger Besucher mehr in die Ausstellung oder Lesung gekommen. Es ist sicher nicht verkehrt, auf dieser Detailebene mit Messzahlen zu arbeiten, um den unmittelbaren Nutzen bewerten zu können. Man sollte aber die übergeordnete Ebene nicht vergessen: mehr Besucher, höhere Einnahmen oder als Dienstleister eine größere Zahl an Aufträgen. Aber auch das muss noch nicht alles sein.
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Die eigenen Aktivitäten lassen sich aus verschiedenen Perspektiven betrachten Eine Möglichkeit, den Erfolg der eigenen Aktivitäten im Internet zu messen, bietet das Modell der Balanced Scorecard. Vereinfacht gesagt geht es bei diesem von Robert S. Kaplan und David P. Norton entwickelten Ansatz darum, ein System, z.B. ein Unternehmen, aus vier verschiedenen Perspektiven zu betrachten und über jeweils dazu passende Kennzahlen zu bewerten.
Modell der Balanced Scorecard
Dieser Ansatz macht deutlich, dass es im Endeffekt nicht reicht, nur auf die Klickzahlen zu achten. Ein Weblog zum Beispiel kann auch in ganz anderer Hinsicht etwas bringen. Es lohnt sich, die vier Perspektiven und die sich daraus ergebenden Fragen einmal anzuschauen: • Finanzperspektive: Wie sehen die finanziellen Ziele aus? • Kundenperspektive: Was erwarten die Kunden? • Prozessperspektive: Wie müssen die internen Prozesse aussehen, um die Kunden zufrieden zu stellen? • Potenzialperspektive: Welcher Voraussetzungen bedarf es, um die notwendige Leistung zu erbringen?
Finanzperspektive: Die Blog- beziehungsweise Social Media-Aktivitäten werden wohl selten direkte finanzielle Gewinne abwerfen. Aber vielleicht wechseln die Besucher des Weblogs direkt in den Ticketshop und erwerben dort online Karten? Messbar sind auch die Online- (und Offline-)Marketingaktivitäten. Mögliche Kennzahlen können dann sein: einerseits die Zahl der Menschen, die man insgesamt erreicht, andererseits die Kosten pro erreichter Person.
Christian Henner-Fehr 159 Herausforderung Weblog
Kundenperspektive: Gelingt es einem, mit den Blog-Aktivitäten die Kunden zufrieden zu stellen? Hier kann man einerseits quantitativ vorgehen, in dem man zum Beispiel die Zugriffszahlen oder auch die Verweildauer auf dem Weblog als Kriterium verwendet. Je höher die Zugriffszahlen und je länger die Verweildauer, desto größer die Kundenzufriedenheit, ist zu vermuten. Will man auch qualitative Verbesserungen erzielen, versucht man herauszufinden, was die Leser des Weblogs interessiert. Die Blogsoftware unterstützt einen dabei, denn man sieht, über welche Suchbegriffe das Blog beziehungsweise die einzelnen Beiträge gefunden werden. Prozessperspektive: Wie kann man den Erwartungen der Kunden gerecht werden? Diese Frage bezieht sich jetzt nicht auf die Inhalte, sondern auf die Prozesse, die notwendig sind, also um das Wie? Dabei geht es vor allem um interne Abläufe, um zum Beispiel möglichst effizient, sprich zeitsparend zu erstellen. Wie kommt man an die Informationen, die man für die eigenen Blogposts benötigt? Wie und mit welchen Hilfsmitteln lassen sich die Informationen aufbereiten? Eine Kennzahl kann also die für das Verfassen eines Blogposts benötigte Zeit sein. Ich kann einen Weblog aber auch, wie schon erwähnt, für die Dokumentation von Projekten verwenden. Das heißt, alle relevanten Dokumente (zum Beispiel Protokolle) befinden sich auf dem Blog und werden nicht per E-Mail verschickt und dann irgendwo an den verschiedenen Plätzen abgespeichert. Der Erfolg des Blogs bemisst sich dann daran, ob und wenn ja, wie das Projektteam das Blog nutzt und ob sich dadurch die Kommunikation innerhalb des Projekts verbessert. Potenzialperspektive: Hier sollte man sich die Frage stellen, inwieweit die Blog-Aktivitäten die Grundlage für das weitere Tun darstellen? Eine durchaus interessante Kennzahl kann in dieser Hinsicht sein, wie viele der Blogposts man für andere Zwecke weiterverwendet. Zum Beispiel für Pressetexte, Kataloge oder Vorträge. Das heißt, die Blogposts bestehen nicht aus Inhalten, mit denen dann weiter nichts passiert, sondern sie sind die Grundlage für weitere Aktivitäten. Wenn man eine bestimmte Anzahl von Beiträgen verfasst hat, wird das Blog auch zu einer Art Archiv. Wichtig ist, dass sich die alten Beiträge dann auch wiederfinden lassen. Das gelingt, wenn man beispielsweise alle Blogposts mit einer möglichst großen Zahl von Schlagworten versieht. Eine Kennzahl kann dann die Zahl der wiederverwendeten Beiträge sein. Nutzt man die alten Beiträge nie,
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dann ist das verlorene Zeit. Je öfter man auf alte Beiträge zugreift, desto produktiver nutzt man das Social Web mit seinen Möglichkeiten.
Kennzahlen zu finden ist bereits die halbe Miete Halten wir fest: Möchte man einen Weblog für die eigenen Zwecke nutzen, dann sollte man sich davor überlegen, in welcher Form es einem überhaupt nützlich sein kann, beziehungsweise auf welche Art und Weise man es nutzen will? Der Erfolg eines Projektweblogs bemisst sich nicht in hohen Zugriffszahlen, der Konzertsaal wird nicht durch hohe Klickzahlen voll. Natürlich erhält man dadurch wertvolle Aufschlüsse. Aber erst auf der strategischen Ebene erkennt man den wahren Nutzen des eigenen Weblogs. Um den Erfolg bewerten zu können, benötigt man Kennzahlen. „Das kann man nicht messen“ sagt sich leicht, aber wenn man sich wirklich Gedanken darüber macht, wofür man das Weblog einsetzen möchte und daraus Kennzahlen ableitet, dann hat man den ersten und wichtigsten Schritt bereits getan. Aber sich mit Weblogs zu beschäftigen heißt ja nicht nur ein eigenes Weblog zu führen. Natürlich lohnt es sich auch, andere Weblogs zu lesen und vielleicht sogar neue Kontakte zu knüpfen. Ob Marketing, PR oder Projektmanagement, es gibt mittlerweile zu fast allen Themen interessante Weblogs. Man muss sie nur finden. Google unterstützt einen dabei mit einer Suchfunktion speziell für Weblogs. Zugegeben, viele gute Blogs kommen aus dem angelsächsischen Raum, auch im Kunst- und Kulturbereich. Aber es ist bemerkenswert, was es im Web alles zu entdecken gibt. Schön, wenn dann daraus der Wunsch erwächst, in einem „fremden“ Weblog einen Kommentar abzugeben. Wer diesen Schritt wagt, bekommt ein Gefühl dafür, wie es ist, online zu diskutieren. Es mag lächerlich klingen, aber wie gesagt, für viele Menschen bedeutet es eine große Herausforderung, in der Öffentlichkeit einen Kommentar abzugeben. Daran sollte man denken, wenn man selbst irgendwann mal ein Blog betreibt und sich ärgert, dass niemand die eigenen Blogbeiträge kommentiert. Einmal auf den Geschmack gekommen, lohnt es sich, einen ersten „Blogtest“ unter Ausschluss der Öffentlichkeit zu starten. Alle Blogs lassen sich so einstellen, dass sie für die Öffentlichkeit nicht zugänglich sind und nur von speziell eingeladenen Kontakten gelesen werden können. Auch dabei kann man sich auf diese zwei Punkte konzentrieren: Man muss gute Geschichten haben und sie authentisch erzählen können. Dann kann nicht mehr viel schief gehen.
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Anna-Carolin Weber, Tobias Kopka
Online-Communities Theoretische und praktische Grundlagen für Kulturschaffende
Einleitung Communities als neue Kommunikationsformen im Kunst- und Kulturbereich gewinnen insbesondere in wirtschaftlichen Krisenzeiten an Bedeutung. Unter dem Eindruck des voranschreitenden Rückzugs des Sozialstaats und des öffentlichen Sektors aus Kulturförderung und -finanzierung bei gleichzeitiger Forcierung der Eigenverantwortlichkeit von Kulturbetrieben lässt sich in der Kulturpolitik eine deutliche Umstellung registrieren: Vom Solidaritätsprinzip wird auf Konkurrenz umgestellt, von soziokulturell motivierter öffentlicher Förderung auf budgetierte Mangelverwaltung. Die „desozialisierte“ Kulturproduktion wird begleitet durch das unhinterfragbare Primat des Ökonomischen. Insbesondere etablierte Kultureinrichtungen werden zudem mit der Überalterung ihres Stammpublikums und dem Fehlen eines „hochkulturell-interessierten“ Nachwuchses konfrontiert. Von Kulturschaffenden wird „Unternehmergeist“, Eigeninitiative und effizientes Handeln verlangt. „So weit, so schlecht“, könnte nun der Kommentar eines Kulturschaffenden zur Lage lauten und die Erfahrungen in der täglichen Praxis geben diesem Statement oftmals auch recht, aber… Dieser Beitrag, eine bewusst gewählte Zusammenstellung aus theoretischer Verortung und Definition (I.Teil) sowie Hinweisen zur praktischen Umsetzung des Community-Buildings auf dem Kultursektor, die anhand der Web 2.0 Praxis der Kulturplattform „kultiversum“1 konkretisiert werden (II.Teil), fokussiert auf die geschilderte Situation als Impulsgeber, der Kulturschaffende zu einem Para-
1 Die Kulturplattform „kultiversum“ (www.kultiversum.de) ist seit Oktober 2009 online zugänglich und wird von der Friedrich Berlin Verlagsgesellschaft, die u. a. die Zeitschriften „Literaturen“, „die deutsche bühne“, „opernwelt“, „Theater heute“, „ballettanz“ und „tanz-journal“ herausgibt, betrieben.
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digmenwechsel2 in ihrem Umgang mit „neuesten“ Kommunikationsmedien in Form von Communities und Social Media anregen soll. Als Grundlagentext wendet sich dieser Beitrag vor allem an „klassische“ Kulturschaffende der darstellenden Künste, die in kulturellen Einrichtungen auf Stadt-, Landes- und Staatsebene beheimatet sind und bisher wenig oder keine Erfahrung mit dem Einsatz von Social Media3-Techniken und dem Aufbau von Communities gesammelt haben und in deren Selbstverständnis der Einsatz von Web 2.0 Techniken im Rahmen der internen und externen Kommunikation ihres Kulturbetriebes bisher nicht vorkommt. Vor dem Hintergrund einer oftmals geistes- und kulturwissenschaftlich geprägten Zielgruppe nimmt der Text zu Beginn eine theoretisch ausgerichtete Verortung und Definition zum Begriff der „Community“ vor, um aufzuzeigen, dass es sich in der Diskussion um die Einführung von Social Media-Techniken 2 Simon A. Frank geht den Ursachen des unter Kulturschaffenden oftmals anzutreffenden Technikskeptizismus nach und stellt folgende Hypothese auf: „Die Forschung im Bereich „Kultureinrichtungen im Internet“ hat sich in den letzten Jahren auf sehr praxisnahe Fragestellungen fokussiert, etwa wie die optimale Museums-Website zu gestalten sei oder wie Web 2.0-Dienste und -Tools für Besucherbindung, Kulturmarketing und Kunstvermittlung eingesetzt werden können. Obwohl hier sehr interessante Ideen und wohldurchdachte Konzepte entwickelt wurden, sind diese Vorschläge von Kulturbetrieben nur zögerlich aufgegriffen worden. Liegt es daran, dass bisher die theoretische Reflexion über die grundlegende Problematik, der Spannung zwischen Kunst-, Kultur- und Internetpraxis, nahezu vollkommen ausgeklammert wurde? Bislang erklären vor allem Marketingexperten, Informatiker und Betriebswirtschaftler den Mitarbeitern der Kultureinrichtungen, wie und warum das Internet einzusetzen sei. Die traditionell eher technikskeptischen Kulturschaffenden sind mit deren „kulturfernen“ Argumenten meist nur schwer zu erreichen, da sie in der Regel über einen künstlerischen, kultur- oder geisteswissenschaftlichen Background verfügen, in dem zwischen ,Technik‘ und ,Geist‘ in romantischer Tradition ein problematischer Gegensatz gesehen wird. So verwundert es nicht, dass sich diese meist indirekt auf kunst- und kulturtheoretische Argumente berufen, um darzulegen, warum das Medium Internet für die zentralen Aufgaben eines Museums eigentlich nicht geeignet sei.“ Simon A. Frank: „User-generated culture. Die inhärente Kompatibilität von Internetpraxis, Kunst- und Kulturtheorie als Fundament zukünftiger Kulturangebote“, in: KM Magazin, 33 (Juli 2009), S. 23-25, hier: S. 25 3 Für praktische Hinweise zum Social Media-Mix vgl. den Artikel von Karin Janner: „Der Social Media-Mix für eine Kultureinrichtung – wie könnte er aussehen? in: KM Magazin, 33 (Juli 2009), S. 23-25
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in die Kommunikationsstrukturen von Kultureinrichtungen weniger um euphorische Ausfälle zu modischen technischen Spielereien handelt, als vielmehr um lange ersehnte Kommunikationsformen, die Potentiale für den Kultursektor bergen. Denn: Communities, die sich die ,massenhafte Individualkommunikation‘ des Web 2.0 zunutze machen, wecken die Erwartung, dass die medientheoretischen Utopien der frühen 1930er Jahre – wie z. B. in Bertolt Brechts Radiotheorie (1932) oder in Walter Benjamins Kunstwerkaufsatz (1936) skizziert – Wirklichkeit werden könnten: Kulturproduzenten und -rezipienten tauschen je nach Situation ihre Rollen, interagieren, rezipieren und koproduzieren wechselseitig und erscheinen damit gleichberechtigt in einem symmetrischen, enthierarchisierten Kommunikationsprozess.4 Da „Kultur-Communities“ jedoch zielgenau und themenfokussiert initiiert und betrieben werden müssen, bis sie sich schließlich selbstwirksam aktiv erhalten, benötigt es einen genaueren Blick auf die Bedingungsmöglichkeiten einer erfolgreichen Community. Communities sind erst ab einem bestimmten Zeitpunkt ihrer Aktivität kommun, vorher unterliegen sie dem Paradox, dass die Kommunikation über die Community voraussetzt, was erst geschaffen werden muss. Folglich werden im zweiten Teil Bausteine zum Aufbau und zur Strukturierung einer Community vorgestellt. Hier werden Prinzipien des Community-Buildings wie Adressierungsstrategien, Aufmerksamkeitsgenerierung, die notwendigen Ressourcen und Managementprozesse zum Aufbau einer Community, sowie die Möglichkeiten und Konsequenzen dieser Kommunikationstechnologien dargelegt. Abschliessend liefert der Beitrag eine kompakte Übersicht in Form einer Liste, die die ersten wichtigen Schritte zur praktischen Umsetzung einer Community im Kulturbereich darlegt.
4 Vgl. unter diesem Aspekt auch die Ausführungen zu Brecht, Benjamin und Enzensberger in der Dissertation von Jeffrey Wimmer: (Gegen-)Öffentlichkeit in der Mediengesellschaft. Analyse eines medialen Spannungsverhältnisses, Wiesbaden: Verlag für Sozialwissenschaften 2007, S. 168-171; sowie Benjamin, Walter: Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsoziologie, Edition Suhrkamp, Nr. 28, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2009 [1936/1969]
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I. Theoretische Grundlagen: von der Gemeinschaft zur Community Gemeinschaft und Community Im Zuge einer Recherche zum Schlagwort Community ist schnell festzustellen, dass der Begriff der Community über eine weit längere Historie verfügt, als der heute ständig mitgedachte Connex der digitalen Community suggeriert. Neben Definitionen, die digitale Communities unter dem Begriff „Online-Communities“ als eine „Sonderform der Gemeinschaft“5 behandeln, ist Community allgemein erst mal als „Gemeinschaft“ zu übersetzen und wahlweise im politischen, kulturellen, familiengeschichtlichen oder weiteren Kontexten zu denken6, mit allen Aufladungen und Erwartungen, die der Begriff der ,warmen, nahen, familiären Gemeinschaft‘ gegenüber dem Gegenbild der ,kalten, fernen, abstrakten Gesellschaft‘ schon erfahren hat. Verwiesen sei an dieser Stelle z. B. auf den Klassiker „Gemeinschaft und Gesellschaft“ (1887) von Ferdinand Tönnies7 oder auf eine jüngere Publikation Zygmunt Baumans mit dem Titel „Gemeinschaften“ (2001 bzw. 2009)8. Der nachfolgende, aus verschiedenen Quellen zusammengesetzte Definitionsversuch des Instituts für Informationssysteme und Computer Medien (IICM) an der Technischen Universität Graz9 zeigt, wie sehr sich die Begriffsentwicklung der digitalen Community auf Definitionen und Diskurse zur Gemeinschaft stützt. Die Definition des IICM beginnt mit einem Zitat aus Websters Dictionary, das Community wie folgt definiert: „Eine Gruppe von Leuten mit gleichen Eigenschaften oder einem gemeinsamen Interesse, welche in einer größeren
5 http://de.wikipedia.org/wiki/Online-Community; vom 26. September 2009 6 Vgl. Rose, Nikolas: „Tod des Sozialen? Eine Neubestimmung der Grenzen des Regierens“, in: Ulrich Bröckling/Susanne Krasmann/Thomas Lemke (Hg.): Gouvernementalität der Gegenwart. Studien zur Ökonomisierung des Sozialen. Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2000, S. 165-206, hier: S. 83f 7 Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Abhandlungen des Communismus und des Socialismus als empirischer Culturformen [1887], ab 2. Aufl. 1912 mit dem Untertitel: Grundbegriffe der reinen Soziologie, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2005. 8 Bauman, Zygmunt: Gemeinschaften. Auf der Suche nach Sicherheit in einer bedrohlichen Welt, Deutsche Erstausgabe, Frankfurt a.M.: Suhrkamp, 2009. 9 Ebd.
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Gemeinschaft zusammen leben.“10 Laut IICM finden sich in Websters Dictionary weitere Community-Definitionen, „jedoch entspricht die obige am besten der einer ,Virtual Community‘.“ Robin Hamman versucht die Quintessenz der wissenschaftlichen Auseinandersetzung11 und Analyse um den Community-Begriff im elektronischen Magazin „Cybersociology“ 1997 mit folgender Definition zu fassen: „Eine Gruppe von Leuten, welche soziale Kontakte und Bindungen untereinander und zwischen anderen Mitgliedern der Gruppe pflegen und die für zumindest einige Zeit sich gemeinsam auf einem Areal aufhalten.“12 Unter einer Perspektive, die Parameter wie räumliche und zeitliche Entgrenzung in der Kommunikation von Virtual Community-Mitgliedern miteinbezieht, lässt sich die Definition der digitalen Community wie folgt erweitern: „Eine ,Virtual Community‘ ist eine Gemeinschaft von Leuten, die gemeinsame Interessen, Ideen und Empfindungen über das Internet oder andere kollaborative Netzwerke teilen.“13 Howard Rheingold, der als Pionier der Virtuellen Community-Forschung gilt, ergänzt mit seiner Definition in „The Virtual Community“ (1993) die bisher fehlende, aber für die Entstehung von Communities unabdingbare Komponente der Sozialität: „Virtual Communities sind Gemeinschaften, die aus dem ,Netz‘ entstehen, wenn genug Leute öffentliche Diskussionen lange genug aufrecht erhalten, mit genügend menschlichen Gefühlen, um persönliche Bindungen im Cyberspace zu bilden.“14 Folgt man der Argumentation des IICM, so ergibt sich aus der „Kombination dieser beiden letzten Definitionen …wiederum eine Definition, die… speziell Virtual Communities zutrifft“ folgende mögliche Variante: „Virtual Communities sind Gemeinschaften von Leuten, die gemeinsame Interessen, Ideen und Empfindungen über das Internet oder andere kollaborative Netzwerke teilen. Die Gemeinschaften entstehen dann aus dem Netz,
10 Ebd. 11 So hat zum Beispiel George Hillery bereits 1955 versucht, 94 verschiedene Definitionen des Community-Begriffs einer qualitativen und quantitativen Analyse zu unterziehen. Vgl. www.iicm.tu-graz.ac.at/cguetl/education/thesis/wrichter/thesis-final/ node7.html; (26. Oktober 2009) 12 http://members.aol.com/Cybersoc/is2intro.html; 1997. Zitiert nach: www.iicm. tu-graz.ac.at/cguetl/education/thesis/wrichter/thesis-final/node7.html; (26. Oktober 2009) 13 WHATIS-Online-Lexikon: www.whatis.com, Juli 2000. Zitiert nach: www.iicm. tu-graz.ac.at/cguetl/education/thesis/wrichter/thesis-final/node7.html; (26. Oktober 2009) 14 Rheingold, Howard: The Virtual Community. Homesteading on the electronic frontier, Bonn (u. a.): Verlag Addison Wesley, 1993. Zitiert nach: www.iicm.tu-graz. ac.at/cguetl/education/thesis/wrichter/thesis-final/node7.html; (26. Oktober 2009)
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wenn diese Leute öffentliche Diskussionen lange genug aufrecht erhalten um mit genügend menschlichen Gefühlen persönliche Bindungen im Cyberspace zu bilden.“15
Community als Organisationskonzept Der Sozialtheoretiker Nikolas Rose hat vielfach auf die zu beobachtende gesellschaftliche Umstellung von Prinzipien der Solidarität auf Modelle der Konkurrenz verwiesen.16 Rose markiert als neues Bindeglied der Gesellschaft spezielle Gemeinschaften bzw. Communities, die in solchen Räumen entstehen, die bis dato von sozialpolitischen Maßnahmen regiert wurden und nun nach deren Wegfall in Bezug auf Organisation und Kommunikation reorganisiert werden müssen. Rose entwirft seine Community-Theorie, die nach dem „Tod des Sozialen“ und „eine(r) Neubestimmung der Grenze des Regierens“ fragt, vor dem Hintergrund des sich durch neoliberale Ordnungs- und Regierungsprinzipien verändernden Wohlfahrststaats und der ihm innewohnenden sozialstaatlichen Sicherungssysteme.17 Es erscheint hier als reizvoll, Roses´ Ideen auf den sich im Umbruch befindenden Kultursektor zu übertragen bzw. zuzuspitzen und den Begriff des Regierens mit dem des Organisierens bzw. des Kommunizierens zu übersetzen. Der Status des Kultursektors als ein meritorisches Gut, welches gesamtgesellschaftlich getragen wird und unabhängig von finanziellem Gewinn als notwendig angesehen wird, gerät zunehmend ins Wanken.18 Den begonnenen Privatisierungsschüben und der Einführung neuer Managementformen im öffentlichen Dienst folgen Rufe nach gesteigerter Eigenverantwortung von Kulturschaffenden. Unter aktiver Zukunftssicherung und autonomer Steuerung wird vor allem verstanden, dass sich Kulturprojekte jenseits von öffentlichen Förderstrukturen selbst organisieren und finanzieren sollen. Rose historisiert den Begriff des Sozialen, indem er unter Bezugnahme von Gilles Deleuze darauf verweist, dass „,das Soziale‘ keine zeitlose Existenzform menschlicher So15 http://www.iicm.tu-graz.ac.at/cguetl/education/thesis/wrichter/thesis-final/ node7.html; (26. Oktober 2009) 16 Rose: a.a.O. S. 165-206 17 Vgl. Ebd., S. 72ff 18 Man denke zum Beispiel an die immer wieder aufflammende Debatte über die Legitimation des an GEZ-Gebühren gekoppelten Kultur- und Bildungsauftrags der Öffentlich-Rechtlichen Rundfunkanstalten oder an die Instabilität des Kulturetats in städtischen Haushalten.
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zialität“, sondern vielmehr die Bedingungen „innerhalb eines eingegrenzten geografischen und zeitlichen Feldes“ darstellt, „unter denen die intellektuellen, politischen und moralischen Instanzen und Institutionen der Menschen an bestimmten Orten und in spezifischen Zusammenhängen über ihre gemeinsame Erfahrung nachdachten und auf sie Einfluss nahmen.“19 Im Gegenzug macht Rose den Begriff der „Community“ für eine Kommunikationsform produktiv, die sich durch Pluralität in der Form auszeichnet und die keine räumliche Bindung mehr benötigt. Sie birgt die veränderte Rolle des aktiven Individuums, das als Einzelnes in eine Vielzahl heterogener, einander überlagerter Netzwerke eingebunden ist und von dem soziale Anteilnahme und persönlicher Einsatz innerhalb der Community-Prozesse verlangt wird. Das Prinzip einer Community zeigt sich in einem Verhältnis, das in den neuen Beziehungsgeflechten wechselseitiger Verpflichtungen situiert ist.20 Im Gegensatz zur zentralistischen Ausrichtung sozialpolitischer Regelungen (wie zum Beispiel zentralisierte Kulturfördermaßnahmen oder der Öffentlich-Rechtliche Rundfunk) richtet sich eine Community in puncto Einbindung/Anteilnahme fragmentarisch aus. Nach Rose lassen sich die Communities innewohnenden Identifikationslinien wie folgt charakterisieren: „Die ,Community‘ offeriert eine Beziehung, die weniger ,abgehoben‘ und ,unmittelbarer‘ erscheint, die sich nicht im ,künstlichen‘ politischen Raum der Gesellschaft abspielt […] Die Gemeinschaften, denen man anghört, sind nicht mehr – und auch nicht weniger – als ebensolche Netze der Loyalität, mit denen man sich existenziell, traditionell, emotional und spontan und allem Anschein nach jenseits und vor aller kalkulierten Abschätzung des Eigeninteresses identifiziert.“21
Zugleich muss an diesem Punkt auf das Paradox des Community-Konzepts hingewiesen werden, denn: „Jede Aussage zur ,Community‘ bezieht sich auf etwas, das bereits existiert und das zugleich eine Forderung an uns stellt: unser gemeinsames Schicksal als Schwule, als farbige Frauen, als Aids-Infizierte, als Mitglieder einer ethnischen Gruppe, als Bewohner eines Dorfes oder eines Vorortes, als Behinderte. Allerdings ist unsere Einbindung in jede dieser besonderen Gemeinschaften etwas, auf das wir zuerst aufmerksam gemacht werden müssen. Das wiederum erfordert die Arbeit von Erziehern, erfordert Kampagnen, erfordert Leute, die mit Symbolen umgehen können, bedarf der Erzählungen 19 Rose: a.a.O. S. 75 20 Vgl. Ebd., S. 79ff 21 Ebd., S. 84
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und Identifikationen. Nach dieser Auffassung existiert Gemeinschaft und muss doch zunächst zustande gebracht werden, allerdings bedeutet dieses Zustandebringen nichts anderes, als sichtbar zu machen, was bereits zuvor existiert.“22
Anhand dieser Ausführungen wird deutlich, dass Communities insbesondere in ihrer Aufbauphase spezielle Adressierungsstrategien benötigen, um potentielle Mitglieder zur Interaktion mit ,ihrer‘ Gemeinschaft zu begeistern und sie somit in die Community zu inkludieren.
Kommunikation und Community Dialogische, internetbasierte, nonlineare Kommunikationsformen können traditionelle, lineare Praktiken des Umgangs mit der Öffentlichkeit ergänzen. Community-Mitglieder können zum Beispiel über interaktive Anwendungen auf Internetseiten von Kulturbetrieben durch die Generierung von eigenen Inhalten an der Kunstproduktion teilhaben. Die virtuellen Gemeinschaften bergen somit das Potential, zu einem Bindeglied zwischen Kulturbetrieb und Rezipienten zu werden und avancieren damit zu einem weiteren zentralen Handlungsort zukünftiger Kulturproduktion.
1: Typen von Social Media-Techniken, aus denen sich eine Community zusammensetzen kann 22 Ebd., S. 85
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2: Was unterscheidet Social Media von klassischen Massenmedien?
Das durch Social Media-Techniken geprägte Kommunikationskonzept der Community treibt die Marginalsierung der Bedeutung des Raumes für Gemeinschaftsbildung voran, denn in der Community werden imaginäre Einheit und Identität über alte räumliche Grenzen hinweg in Diskursen erzeugt. Kommunikation kann in Communities nun ,glokal‘, d. h. in der Gleichzeitigkeit von Lokalität und Globalität, praktiziert werden. Die Frage nach der Zugehörigkeit, Einbindung oder Ausschluss, d. h. die Entscheidung über Inklusion oder Exklusion in bzw. aus einer Community, wird nun nicht mehr nach Parametern der räumlichen Nähe/Entfernung oder der nationalen Zugehörigkeit verhandelt, sondern erfolgt in der digitalen Community über den interessensgeleiteten, selbstgewählten Anschluss an virtuelle – d. h. software-basierte, digitale – Räume bzw. Gemeinschaften.
Community und das Publikum In einer funktional differenzierten Gesellschaftsordnung, in deren Mediensystem die Prinzipien der klassischen Verbreitungsmedien von den neuen Praktiken sogenannter Social Media ergänzt werden, wird die Frage nach der richtigen Adressierbarkeit potentieller Mitglieder einer Community notwendig. Denn: Wenn sich digitale Communities über die Kommunikation ihrer Mitglie-
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der organisieren, besteht die Möglichkeit, dass sich Communities transitorisch bzw. situativ bilden und somit nur für den Zeitpunkt existieren, in dem sich die Mitglieder für das gleiche Thema interessieren. Zudem schliesst die Zugehörigkeit zu einer Community nicht die gleichzeitige Zugehörigkeit zu einer anderen aus, potentielle Mitglieder müssen durch die Möglichkeiten partieller Inklusion und Exklusion als polykontextuell adressierbar wahrgenommen werden23. Auf Seiten der Kulturschaffenden setzt die erfolgreiche Integration der Social Media-Techniken in die Kommunikationsstrukturen zwei Paradigmenwechsel voraus: Zum einen muss im Umgang mit „neuesten“ Kommunikationsmedien in Form von Communities der unter Kulturschaffenden oftmals anzutreffende Technikskeptizismus überwunden werden, zum anderen muss sich der Fokus auf das Publikum verändern, denn der Einsatz von Social Media-Techniken in Communities verändert das Verhältnis und Bild zum „klassischen Rezipienten“. „Ein zentrales Element der Web 2.0-Idee ist die themenbezogene, kommunikative Interaktion der Nutzer untereinander in Communities. Eine Community lässt sich daher als virtuelles Theaterfoyer oder Museumscafé verstehen, in dem sich Besucher und Freunde einer Kultureinrichtung untereinander austauschen können.“24
Die Vorstellung einer Community als Foyer oder Café stellt jedoch nur eine abgemilderte Version dar, denn radikalisiert kann Community zudem etwas völlig anderes bedeuten: Durch Social Media-Techniken werden die scheinbar stabilen Konstruktionen von Leistungs- und Publikumsrollen25 aufgeweicht und es findet innerhalb von Communities eine zunehmende Entgrenzung hin zu Hybridrollen statt, an denen eine klare dichotome Unterscheidung von Kulturschaffenden und Kulturrezipierenden nicht mehr festzumachen ist. An dieser Stelle stellt sich für Kulturschaffende und ihre Einrichtungen die Frage, wie mit 23 Vgl. zur Thematik von Inklusion/Exklusion in funktional differenzierten Gesellschaften: Stichweh, Rudolf: Inklusion und Exklusion. Studien zur Gesellschaftstheorie, Bielefeld: transcript Verlag, 2005 24 Holst, Christian/Tentler, Frank: „Erfolgsfaktor Community-Building“, in: KM Magazin, 33 (Juli 2009), S. 31-35, hier S. 31 25 Stichweh notiert zur Differenz von Leistungs- und Publikumsrolle, dass „erst das Verfügen über die zusätzliche Unterscheidung von Publikums- und Leistungsrollen, die Nähe des Inklusions-/Exklusionsthemas zu Leitfiguren der Selbstbeschreibung der Moderne wahrzunehmen: Öffentlichkeit und Publikum, Volk, Masse und Nation, das Populäre als die Adressierung der vielen einzelnen anderen, die nicht in Leistungsrollen am System teilnehmen.“ Stichweh a.a.O. S. 8
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einem veränderten Rollenverständnis umzugehen ist, da dieser zu einem Paradigmenwechsel im herrschenden Kunstverständnis einer Institution führen kann. Denn: Viele Kulturbetriebe müssen Bereitschaft zum Umdenken erkennen lassen, damit sich der durch Social Media-Techniken ermöglichte Wandel des Kulturkonsumenten zum „Prosumenten“26 vollziehen kann. Im Falle des Theaters ist der Bühnenzauber der Guckkasten-Aufführung durch ein informiertes Publikum verändert – ob und inwiefern diese Veränderung Probleme generiert, müssen Kulturschaffende entsprechend ihrer kreativen Positionen27 abwägen. So wären hier interaktive Rundgänge, Kameraufzeichnungen aus der Lichtregie, sogar bis hin zu einer Webcam im Backstage-Bereich der Bühne denkbar. Aus dem Bereich der deutschen Philharmonien sticht der Dacapo Blog der Duisburger Philharmoniker bereits mit einer ganzen Palette weiterer interaktiver Möglichkeiten28 heraus. Viele Maßnahmen müssen noch nicht einmal dedizierte Web-2.0-Aktivitäten sein, die Information, Transparenz und Diskussion ermöglichen: Twitter auf der Theaterwebsite, als kreativer Input der Zuschauer in einer Aufführung oder als Feedback-Schleife an einen Counter im Foyer für verspätete Gäste, oder auch „nur“ als Informationsdienst für Theaterinteressierte, Blog-Funktionen, ein Theater-Wiki oder schon vorerstellte Social Bookmarks29 zu den Stücken als Angebot an die NutzerInnen. An dieser Grenze entlang wird für die meisten Kultureinrichtungen Neuland 26 „Alvin Toffler führte 1980 in dem Buch „Die dritte Welle“ […] den Begriff ein. Er bezeichnet Personen, die gleichzeitig Konsumenten, also Verbraucher (englisch: „consumer“), als auch Produzenten, also Hersteller (englisch: „producer“), des von ihnen Verwendeten sind. Im Rahmen der Personalisierung von Gütern gibt der Konsument (freiwillig) Informationen über seine Präferenzen preis, welche die Grundlage für die Erstellung des eigentlichen Gutes darstellen. Der Konsument wird Teil des Produktionsprozesses und somit zu einem gewissen Grad auch zum Produzenten des Gutes.“ Toffler, Alvin: Die dritte Welle, Zukunftschance. Perspektiven für die Gesellschaft des 21. Jahrhunderts, München: Goldmann, 1983 [1980]. 27 So beeinflussen die Konsequenzen, die aus so unterschieldlichen Konzepten wie zum Beispiel dem Epischen oder Dramatischen Theater resultieren, das Verhältnis zwischen Kulturschaffenden und Rezipierenden enorm. 28 Vgl. www.dacapo-dp.de/, (26.September 2009) 29 Social Bookmarking: Web2.0-Praxis, Lesezeichen zu Internetseiten nicht lokal auf dem Rechner zu Hause o.ä. abzulegen, sondern mittels Anbietern wie StumbleUpon, Digg oder Oneview öffentlich durchsuchbar im Netz zu führen. Der Grundgedanke besteht in der Idee, dass die Webseiten, die ein Nutzer für sich als relevant vermerkt, auch für andere Nutzer sinnvoll sind.
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zu betreten sein: Selbst wenn bereits offene Projekte angeboten wurden, zum Beispiel Zuschauern am „Tag der offenen Tür“ ein Blick hinter die Kulissen gestattet, oder der Theaterfundus regelmäßig in Teilen versteigert wurde, die an die Öffentlichkeit gerichtete Kommunikation folgte in den meisten Fällen strikten Regeln der Corporate Identity, der Unternehmenspolitik und der Produktpolitik. Mit Formen der interaktiven Webkommunikation fallen diese Bereiche der Öffentlichkeitsarbeit keinesfalls weg, werden aber, sobald eine Institution sich dem Rückkanal der Kommentar-, Verlinkungs- und Einstellungsfunktionen des Internets öffnet, flankiert von der Notwendigkeit einer onlinezentrierten Öffentlichkeitsarbeit sowie eines Community-Managements der eigenen „Zuschauer/ Nutzer/Hörer“ bzw. des Publikums.“30 Ein funktionierendes Community-Management setzt unweigerlich die Auseinandersetzung mit den Rollenzuweisungen von Produzierenden und Rezipierenden voraus. Unabhängig davon, welche Kommunikationskultur in einem Kulturunternehmen gilt, kann gesagt werden, dass die Etablierung einer Community rund um einen Kulturbetrieb grundsätzlich die Aufgabe eines gewissen Maßes an Kontrolle und gleichzeitig einen Zuwachs an Kommunikationspotenzial mit der Möglichkeit der Zielgruppenbindung und -neugewinnung bedeutet.
II. Praxis Community Building Was versteht man unter Community-Building? Community Building bezeichnet den Prozess, eine digitale Community aufzubauen, die nicht nur einmalig anhand eines bestimmten Ereignisses, sondern dauerhaft existiert. Eine Community ist keine Struktur, die sich aus sich selbst heraus hervorbringt und am Leben erhält. Sie wird entweder Themen fokussiert systematisch aufgebaut – oder aus der Leidenschaft einzelner Visionäre geboren, die durch ihre Leidenschaft Gesinnungsgenossen anziehen und für ihr Thema begeistern. In beiden Fällen, die sich gegenseitig nicht ausschließen, stehen gemeinsame inhaltliche Interessen der Community-Initiatoren und der Community-Mitglieder im Zentrum. Daher sollte bei Überlegungen zu einem Community-Aufbau vor allem beim thematischen Fokus des Webprojekts begonnen werden. Gerade Kulturinstitutionen haben bei der Suche nach einem Thema den Vorteil, dass sie durch ihre regelmäßigen Produktionen kultureller
30 Die Problematik, das Publikum noch als solches bezeichnen zu können, wird zunehmend stärker, weil der Begriff dermaßen passiv konnotiert ist, dass er im Prozess einer zunehmenden Co-Kreation und der Verschiebung der Zuschreibungen Kulturproduzent und Kulturrezipient früher oder später nebensächlich werden kann.
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Artefakte immer wieder thematische Anstöße generieren können, die in der Online-Sphäre als Gesprächsangebote fungieren können. Abgesehen von den Überlegungen zur inhaltlichen Ausrichtung und Vision, die die Community tragen soll, sind Fragen der Art zu klären, warum man überhaupt eine Community aufbauen will. Welche Gründe führten zur Überlegung, eine Community aufzubauen? Sind es inhaltliche oder strukturelle Gründe – und wie unterscheiden sich diese voneinander, sind sie womöglich sogar einander widersprechend? Dann sind die Ziele zu überlegen: Wie sehen die Vorstellungen aus, wie die angestrebte Community in einem halben, in einem oder in fünf Jahren aussehen soll? Welche Veränderungen soll die Community herbeiführen, beispielsweise beim Publikumsaufkommen oder bei der Altersverjüngung der Zielgruppe? Wie soll das gemessen werden, wer soll das messen, welche Kriterien werden also an den Erfolg des Aufbaus der Community gestellt? Welche Must-have-, Nice-to-have-Ziele und Idealziele werden definiert, und werden diese in der gesamten Institution geteilt? Wenn nein: Sind die Entscheidungsträger von der Community-Idee überzeugt und tragen den möglicherweise auch langwierigen Aufbau mit? Welcher Zeitraum und welche Ressourcen werden dem Community-Aufbau für wie lange zugestanden? Zuletzt: welche Prozesse, Vorstellungen und Personen können dem CommunityAufbau entgegenstehen? Sind diese grundlegenden Fragen geklärt, können die praktischen Fragen angegangen werden: Wer wird das Community-Management übernehmen? Wer hat die, erstens kommunikativen, zweitens technischen und drittens organisatorischen Fähigkeiten dafür? Teilt man die Aufgaben auf mehrere Personen auf? Welche Plattform wird man nutzen? Welche Kanäle nutzt man für das Marketing und die Aufmerksamkeitsgenerierung für die Plattform, und welche Kanäle nutzt man für die eigentliche Community? Auf welche Funktionen konzentriert man sich? Wie soll die Community ästhetisch anmuten, wie soll das look-andfeel der Seite sein? Stehen technische Einschränkungen oder gewohnheitsmäßige Umgangsformen mit dem Web („ein Forum funktioniert immer so und nicht anders.“) den ästhetischen Vorstellungen im Weg? Auch hier: welche Vorstellungen haben die Entscheider in der Institution? Und welche die potenzielle Zielgruppe? Viele dieser Fragen lassen sich erst richtig beantworten, wenn man mit seiner Zielgruppe in Kontakt tritt und sie nach ihren Vorstellungen, Kommunikationsgepflogenheiten und Umgangsformen befragt. Christian Holst und Frank Tentler haben diese Phase in ihrem Drei-Stufen-Modell des Community-Buildings
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als Phase der Exploration bezeichnet.31 In dieser Phase des Community-Aufbaus sollte die Zielgruppe hinsichtlich möglicher Aggregatoren und Aktivatoren, also potenziellen Kandidaten für die Kerngruppe der Community untersucht werden. Auch hier haben es Kulturschaffende wieder etwas einfacher: Sie stehen bereits „real“ im Austausch mit ihrem Publikum und können leicht während Veranstaltungen auf das neue Projekt hinweisen und besonders aktive „Kulturnutzer“ direkt ansprechen.
Fragen, die man sich stellen sollte • Gründe: Warum will ich eine Community aufbauen? • Ziele: Mit welchen Zielen will ich die Community aufbauen? Welche Auswirkungen soll der Aufbau haben? • Vision und Thema: Welche gemeinsame Vision, welches Thema trägt die Community? • Ressourcen: Welche Ressourcen kann ich dazu einsetzen? Wie dauerhaft und regelmäßig kann ich diese einsetzen? • Methoden: Welche Tools und Plattformen will ich nutzen? Welche sind für meine Ziele und meine Zielgruppe sinnvoll? • Entwicklung: Wie will ich einen nachhaltigen Community-Aufbau unterstützen? • Risiken: Welche nicht intendierten Auswirkungen kann der Aufbau haben? Welche Personen oder Personengruppen stehen dem Projekt entgegen?
Um die Kerngruppe auf Personen zu erweitern, die nicht bereits zum Publikumskreis gehören, also zum Beispiel jüngere Zielgruppen anzusprechen, können Kulturschaffende den „hochkulturellen Bildungsstatus“32 ihrer Kulturinstitutionen nutzen, um potenzielle Kooperationspartner im Bildungssektor zu finden. So könnten zum Beispiel ein Deutsch-Leistungskurs mit einem Projekt zum Community-Aufbau aus Schülerperspektive betraut, oder ein UniversitätsSeminar mit Ideenfindungen zur Verbesserung der Community eingebunden werden.
31 Zum Drei-Phasen-Modell, sowie der Akquirierung und Aktivierung von Early Adoptern vgl. Holst, Christian/Tentler, Frank: „Erfolgsfaktor Community-Building“, in: KM Magazin, 33 (Juli 2009), S. 31-35 32 Das Konzept der Trennung in Hochkultur- und Popkultur wird hier nur wiedergegeben, nicht selber durch die Autoren unterstützt.
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Wenn die vorstehenden Fragen beantwortet sind und die Personen für das Community-Management, sowie die Kerngruppe der Early Adopters gefunden wurden, kann an die Phase der Umsetzung gegangen werden. Das bedeutet, dass man die Community-Plattform entsprechend der technischen, inhaltlichen und ästhetischen Vorstellungen umsetzt, und (!) bevor man weitere Mitglieder zu akquirieren versucht, bereits relevanten Inhalt einstellt. Nichts ist kontraproduktiver für eine junge Community als leere Gruppen und Forenbereiche. Es sollte versucht werden, in jeden Bereich, den zukünftige Nutzer ansteuern können, einige hochqualitative Beiträge bereits vorab einzustellen. Sinnvoll ist dieses in mehrerlei Hinsicht: Einerseits wird für neue Besucher deutlich, dass sich bereits Personen für das Thema interessieren und diskutieren, zweitens ist ein inhaltliches Gesprächsangebot vorhanden, an das jeder Anschluss finden kann. Und drittens wird mit der sprachlichen wie inhaltlichen Qualität der ersten Postings in einem Forumsbereich der qualitative Grad für die weitere Kommunikation gesetzt. Werden die Bereiche anfänglich leer gelassen, werden sie im Zweifelsfall durch diejenigen gefüllt, die durch ihre Postings hauptsächlich auf ihre Person und nicht auf Themenkomplexe aufmerksam machen wollen. Wenn die Foren anfänglich befüllt sind, können die ersten Marketing-Maßnahmen begonnen werden. Die vorhandenen Community-Mitglieder sollten idealerweise sensibilisiert sein, neue Mitglieder willkommen zu heißen und in Diskussionen einzubinden, um sie direkt intellektuell wie emotional einzubinden. Holst und Tentler nennen diese Phase Aktivierungsphase, da in dieser Phase die in der Explorationsphase gewonnenen Erkenntnisse und Kontakte zu potenziellen Mitgliedern genutzt und umgesetzt werden. Der Moment, ab dem eine Community anfängt sich selbst zu organisieren, ist wesentlicher Meilenstein jeden Community-Aufbaus, denn ab diesem Zeitpunkt hat das Community-Management die Chance, dass die Arbeitsbelastung im Tagesgeschäft der Community zurückgeht und sich wieder stärker auf strategische Fragen konzentriert werden kann. Die Selbstorganisation kann auf mehreren Ebenen stattfinden, hier sei exemplarisch die Regelung der Kommunikationskultur genannt, die nicht mehr nur durch das Community-Management allein durchgesetzt werden muss, sondern immer stärker durch aktive Community-Mitglieder selbst in die Hand genommen wird. Ein Grund, warum aktive Mitglieder die Kommunikation in der Community selber regeln wollen, ist, dass sie das eingebrachte Zeitkontingent in die Community nicht mit dem Lesen von irrelevanten, störenden oder unangenehmen Einträgen verbringen möchten, sondern im Gegenteil ihre Zeit in den Foren sinnvoll verbringen wollen. Davon abgesehen fühlt es sich für die Mitglieder besser an, wenn sie von anderen Mit-
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gliedern zur Maßhaltung aufgerufen werden, als wenn die autoritative Ebene des Community-Managements „von oben“ eingreifen muss. Bis allerdings die Phase der überwiegenden Selbstorganisation der Community eintritt und es zu einem dauerhaften Wechselwirken aus kommunikativem, regelndem Geben und Nehmen kommt, muss für die Community-Mitglieder die Nützlichkeit und Sinnhaftigkeit der Plattform durch das Community-Management bzw. die Kerngruppe immer wieder unterstützend „angefüttert“ und bewiesen werden. Um sich die Notwendigkeit einer dauerhaften inhaltsorientierten Aufbauphase vor Augen zu führen, sollte man sich die verwaisten Foren und Blogeinträge ansehen, die das Netz bevölkern. Eine Open-Source Forums-Software wie PHPBB33 ist schnell installiert, oder eine Community-Plattform wie MIXXT34 schnell zusammengeklickt. Einen relevanten und problembewussten Themenfokus zu setzen, eine Kerngruppe zu bilden und die möglichen Interessenten anzusprechen, sowie auch interessante Forenbereiche und Kommunikationsfunktionen bereitzustellen, ist eine andere Sache.
Das Community-Management Wer ist also der Community-Manager? Welche Funktionen und Anforderungen bezeichnen sein Aufgabenfeld? Das Berufsbild ist noch nicht klar umrissen, so bemüht sich der 2009 gegründete Bundesverband für Community-Management BVCM derzeit darum, eine Fokussierung und Zertifizierung des Berufsbilds und des Ausbildungswegs zum Community-Manager voranzutreiben.35 Dennoch lässt sich feststellen, dass der Community-Manager die zentral verantwortliche Person ist, die im Zentrum der administrativen und inhaltlichen Aufgaben der Community steht. Er regelt die Prozesse, gibt inhaltliche Impulse, moderiert und schlichtet, stellt – kurz gefasst – das „Herz“ der Community dar. Er muss dazu nicht überall in der Community in persona auftreten, sollte aber 33 PHPBB: beliebte Open-Source Software zum Erstellen von Webforen, zu finden unter: www.phpbb.com/, (16. September 2009) 34 Web-Plattform zum Erstellen von Communities, siehe: www.mixxt.de/, (20. September 2009) 35 Zu finden unter: www.bvcm.org.; (20. September 2009), Vgl. www.ftd.de/karri ere-management/gruendung/:enable-kolumne-beruf-der-zukunft-community-mana ger/399138.html; (15.09.2009)
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über alle wesentlichen Entwicklungen in der Community informiert sein. Wenn der Community-Manager auftritt, sollte er sich als Teil der Community verstehen, nicht als Chef, Aufseher oder Inhaber der Community.36 Denn, wie oben bereits erwähnt, besteht die Aufgabe neben den administrativen Tätigkeiten darin, regelmässige Impulse in die Community zu geben, also kontinuierlich Input zu liefern, an den die Mitglieder inhaltlich anschließen können. Weiterhin muss der Community-Manager die Kommunikation zur Kerngruppe der themenaffinen Interessierten regelmäßig führen, da diese Gruppe die Community maßgeblich vorantreibt. Wie in jeder sozialen Gruppierung gibt es auch in Online-Gruppierungen Kernpersonen, die durch ihr kontinuierlich gelebtes Interesse an einem Thema andere Personen anziehen, einbinden und motivieren. Ohne diese Kerngruppe an Personen, die wesentlich aus Interesse am Thema motiviert sind, kann keine Community dauerhaft bestehen. Die Kern-Nutzer haben jedoch oftmals eine gesteigerte Erwartung an die Aufmerksamkeit des Community-Managements, einerseits aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur – die man in der Community für sich nutzt – andererseits, da sie in gesteigertem Maße Zeit und Energie in den Aufbau der Community einbringen, und folglich mehr als berechtigt sind, das Ohr des Community-Managements geliehen zu bekommen. Der Community-Manager sollte also besonders mit der Kerngruppe in engem Kontakt stehen, sie immer wieder nach ihren Vorstellungen und Ideen befragen, wie auch nach dem Stand der Community und Entwicklungsmöglichkeiten aus ihrer Sicht. Abgesehen davon, dass aus der Kerngruppe oftmals die Personen stammen, die später mit Moderationsaufgaben oder Mitgliederakquise betreut werden können. Der Aufstieg solcher Mitglieder zu voll bezahlten Mitarbeitern stellt keinen Einzelfall dar.37 Aus vorgenannten Anforderungen ergeben sich die Fähigkeiten, die ein Community-Manager haben sollte. Einerseits ist inhaltliche Expertise notwendig, sonst kann der Community-Manager keinen relevanten Inhalt generieren und für die Mitglieder akzeptierter Ansprechpartner sein. Andererseits muss er eine technikaffine und idealerweise online-erfahrene Persönlichkeit sein, damit ein souveräner Umgang mit den aktuellen technischen Kommunikationsmedien des Webs sowie den Content-Management-Funktionen der Community 36 Vgl. www.ftd.de/karriere-management/gruendung/:enable-kolumne-beruf-der-zu kunft-community-manager/399138.html; (15.09.2009) 37 Eine immer wieder bestätigte Aussage von erfahrenen Community-Managern, so beispielsweise durch das 2π-Team aus Herten, oder Turtle Entertainment in Köln, deren Teams jeweils Communities mit mehreren hunderttausend Mitgliedern betreuen.
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gewährleistet ist. Wenngleich der Komplexitätsgrad des benötigten technischen Wissens im Laufe der Jahre immer niedriger geworden ist und heute eher die Kommunikationsmöglichkeiten komplex sind, als ihre technische Administration: Für einen zügigen Umgang mit den Tools, wie auch einer Bewertung der täglich neuen Möglichkeiten im Web hinsichtlich Relevanz und Nutzbarmachung für die Community ist ein gewisses technisches Grundwissen weiterhin von Nöten. Community-Building: Dos and Don’ts • Klare Entscheidung für oder gegen Community (durch alle Entscheidungsträger mitgetragen!) • Person mit entsprechendem Zeitkontingent freistellen • Themenfokus bündeln, entsprechend Impulse geben • Tools entsprechend der Ziele und Zielgruppe wählen • technische Plattform entsprechend der technischen Affinität des zukünftigen Betreuers auswählen (von PHPBB bis Mixxt) • Strategie überlegen, wie Zielgruppe angesprochen und eingebunden wird • Kerngruppe aus Early Adoptern aquirieren, die mit Herzblut bei der Sache sind • enge Kommunikation mit Kerngruppe pflegen (anfangs nahezu täglich) • Features konzentrieren, weniger ist oft mehr • Mitgliederbeiträge würdigen durch Aufmerksamkeit, Incentives, spezielle Avatare etc. • Nutzerorientierung: permament an Community teilnehmen, zuhören und entsprechend reagieren • Interaktion der User untereinander unterstützen • Authentizität und Transparenz aushalten, offen und aktiv handeln
Hinsichtlich der sozialen Fähigkeiten ist eine kommunikative, fokussierte und moderate Persönlichkeit von Nöten, mit der Fähigkeit, mit einer Vielzahl von Menschentypen angemessen umzugehen, sie immer wieder zu aktivieren, zu motivieren, aber auch fähig zu sein, Streit zu schlichten, einen unangemessenen Ton zu ahnden und generell für eine angenehme Kommunikationskultur in den Foren der Community zu sorgen. Wer die Flame-Wars, Foren-Trolle und Erster-Threads in Communities kennt, wird wissen, dass das, was sich hier selbstverständlich anhört, oft auf die Probe gestellt wird. Bei virtuellem Mobbing das Augenmaß zu behalten, zu wissen, wann wie stark, wie schnell reagiert werden muss, um Diskussionen, die aus dem Ruder gelaufen sind, wieder in ent-
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sprechende Bahnen zu lenken, gehört zu den alltäglichen Herausforderungen des Community-Managers.38
Die Kerngruppe, das Wachstum der Community und die kritische Masse Wie oben erwähnt, kann der Community-Manager sukzessiv Aufgaben an Mitglieder der Community übergeben. Dieser Prozess, der de facto Arbeit für die Mitglieder bedeutet, wird von vielen Community-Mitgliedern als ehrenvolle Aufgabe verstanden, da sie Verantwortung für das Ganze übernehmen können. Typische Aufgaben sind dabei Moderationsaufgaben, Anleitung und Einbindung von neuen Mitgliedern und das Monitoring, sowie Feedback über die inhaltliche wie strukturelle Entwicklung der Community. Im Kulturbereich könnten das zusätzlich Aufgaben wie die Organisation eines besonderen Events, einer Exkursion, eines Vortrags oder eines Mitgliedertreffens sein. Für den Moment, ab wann in der Community die Eigendynamik selbstverstärkender Prozesse beginnt, hat sich der Begriff der kritischen Masse herausgebildet. Die kritische Masse bezeichnet dabei die Menge an aktiven Community-Mitgliedern, die notwendig ist, einen Prozess in Gang zu setzen, der sich selbst am Leben erhält. Die Menge bezeichnet dabei keine bestimmte Anzahl von Mitgliedern, die dafür benötigt werden, sondern ist vom Themenfokus und der thematischen Involviertheit der Mitglieder abhängig. Um ein Beispiel zu bringen: Eine Community zu Dating von HIV-Positiven39 hat eine geringere kritische Masse als eine Community zu Gesundheit, Sport und Ernährung, da im ersteren Fall verhältnismäßig wenige aktive Mitglieder ausreichen, für die anderen Mitglieder einen Unterschied auszumachen, ob sie die Community nutzen oder nicht. Mit der kritischen Masse kann man also die Menge an Personen umschreiben, die notwendig ist, eine Community für neue Mitglieder als relevant erscheinen zu lassen.
38 Ein aktuelles Beispiel für die Problematik, angemessen und zeitnah zu reagieren, bringt die Diskussion des virtuellen Mobbings in Communities des Kandidaten HansMartin Schulze in der Sendung „Schlag den Raab“ im September 2009, beispielhaft nachzulesen unter: www.Community-management.de/2009/09/digitales-mobbingeines-schlag-den-raab-kandidaten-wo-war-das-Community-management/, (28. Oktober 2009) 39 http://positivesdating.com/, (18.10.2009)
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Ebenso gibt es eine kritische Masse im Bereich der Mitgliederkommunikation: Je mehr in der Community kommuniziert wird, desto relevanter ist die Community für neue Mitglieder, die an die schon existierende Kommunikation anschließen können. Dieser Prozess beginnt beim Community-Management und geht über die Kerngruppe auf die normalen Community-Mitglieder über. Die kritische Masse ist hier erreicht, wenn von Community-Management keine inhaltlichen Impulse mehr kommen müssen und die Kommunikation sich von selbst am Leben erhält. Wie weiter oben schon angedeutet, müssen das Community-Management und die Kerngruppe kontinuierlich die Community begleiten und inhaltlich wie in den Umgangsformen darüber wachen, ob die Community kommunikativ durch ein race-to-the-top40 oder ein race-to-the-bottom bestimmt wird. Hier wäre die kritische Masse dann erreicht, wenn überwiegend die Community-Mitglieder selber erfolgreich „schlechte“ Kommunikation sanktionieren, ohne dass das Management eingreifen muss. Zuletzt sei zu einer möglichen Monetarisierung der Website durch Werbung erwähnt, dass es in diesem Bereich ebenfalls selbstverstärkende Prozesse geben kann, die die Community unterstützen können: Ob Werbung ein relevanter Mehrwert für die Community ist, also zum Themenfokus passt und damit für die Zielgruppe interessant ist, entscheidet darüber, ob Werbung als störend oder sinnvoll und nützlich empfunden wird. So ist im Kulturbereich Werbung von befreundeten oder verwandten Kulturinstitutionen denkbar, oder ein Einbau von inhaltlich nahe stehenden Webshops41 mit nahe stehenden Produkten.42
Plattformen Ohne in einem Grundlagenartikel zu sehr auf technische Plattformen und Prozesse eingehen zu können sollen kurz die drei grundlegenden Herangehensweisen erwähnt werden, die zur Verfügung stehen.
40 Race-to-the-top ist sinngemäß als Aufwärts- bzw. Abwärtsspirale zu verstehen. 41 Zum Beispiel durch die Einbindung von sog. Affiliate-Links, vermittels derer der Community-Seite bei abgeschlossenem Kauf eine Provision vom Händler zufließt. 42 Zu selbstverstärkenden Prozessen und kritischen Massen beim Community-Building vgl. Claudius Paul/Matthias Runte: „Community Building“, zu finden unter: www.runte.de/matthias/publications/virtualcommunities_ecommerce.pdf; (28.Oktober 2009)
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Die erste und einfachste Möglichkeit besteht darin, All-In-One-Communityplattformen wie das schon oben erwähnte Mixxt zu nutzen, die dem Community-Betreiber vorgefertigte Bereiche und Kommunikationstools zur Verfügung stellen, innerhalb derer angehende Community-Betreiber ihre Community realisieren können. Hauptvorteil dieser Methode ist die nahezu nicht vorhandene Notwendigkeit von technischen Anpassungen und technischer Administration, dafür auf der Gegenseite aber die vollständige Abhängigkeit vom Plattformanbieter und den von ihm angebotenen Kommunikations- und Anpassungsmöglichkeiten der vorgegebenen Websites. Man befindet sich als Nutzer analog zu bloganbietenden Plattformen wie blogger.com oder theaterblogs.de innerhalb des Meta-Netzwerks des Plattform-Anbieters. Dieses hat den Vorteil, dass Nutzer, die mehrere Mixxt-Communities nutzen, sich nur einmal registrieren müssen und mit anderen Nutzern auch über die einzelne Seite hinweg vernetzt sind – aber gleichzeitig wird auch transparent, in welchen Communities innerhalb von Mixxt die Nutzer sonst noch aktiv sind. Die zweite Möglichkeit besteht darin, alle Bereiche und Tools selber aufzusetzen, sinnvollerweise durch Zuhilfenahme von Open-Source-Forensoftware wie PHPBB, oder weiter gefasst durch ein Content-Management-System wie Drupal43 oder Joomla44. Der Aufwand hierfür ist technisch bei der Einrichtung einmalig höher, bedeutet aber hinsichtlich der Anpassungsmöglichkeiten an die eigenen Vorstellungen im Rahmen der Customisierungsmöglichkeiten durch Templates45 die größtmögliche Flexibilität. Der Bedarf an technischem Knowhow besteht allerdings weniger darin, die Software in Betrieb zu nehmen, sondern vielmehr in der Anpassung der Templates und Funktionen an die Vorstellungen der angehenden Community-Betreiber. Zuletzt gibt es die Möglichkeit, Seiten in bestehenden Social Networks wie Facebook, StudiVZ oder technischen Plattformen wie YouTube und Flickr einzubinden, was schnell und kostengünstig zu machen ist, sich aber nicht wesentlich von den Seiten anderer privater wie geschäftlicher Nutzer auf diesen Plattformen unterscheidet: Kennt der Nutzer eine Facebook-Seite, kennt er vom Prinzip her alle Facebook-Seiten. Zudem unterliegt die Community-Seite immer der Corporate Identity der hostenden Seite – ein YouTube-Channel sieht immer 43 http://drupal.org/, (20. September 2009) 44 www.joomla.org/ bzw. deutschsprachig unter: www.joomla.de; (20. September 2009) 45 Templates sind modularisierte Formatvorlagen, die das Aussehen einer Seite entsprechend der Vorgaben der Template-Entwickler anpassen lassen. PHPBB-Templates finden sich beispielsweise unter: www.phpbb3styles.net/, (20. September 2009)
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wie YouTube aus, Flickr-Galerien wie Flickr, und MySpace-Homepages wie MySpace. Dennoch haben diese Seiten neben den Einrichtungsmöglichkeiten zu Low-Cost-Preisen und der immensen Nutzerschaft auf den Portalen eine unbestrittene Nützlichkeit als technische Dienstleister, abgesehen davon, dass sie als Darstellungs- und Akquise-Orte für die eigene Community fungieren können.
Adressierung und Aufmerksamkeit Die Plattformen und Kommunikations-Kanäle, die für das Marketing einer Community relevant sind, müssen nicht automatisch auch für die Kommunikation innerhalb der Community relevant sein, und umgekehrt. Über eine einfache Facebook-Seite können „Freunde“ für die Kulturcommunity generiert werden. Durch den Netzwerk-Effekt innerhalb von Facebook werden die mit ihnen verbundenen Freunde neugierig gemacht zur Facebook-Seite der Community zu kommen. Von der Facebook-Seite wiederum können dann Inhalte zu den eigentlichen Community-Seiten außerhalb von Facebook führen, so dass insgesamt neue Nutzer durch Facebook generiert wurden. Plattformen wie YouTube, MySpace oder Facebook sind abgesehen von der Akquise hervorragende Darstellungs-Orte für Kulturorganisationen, da Kulturproduzenten über das Material verfügen, welches auf diesen Plattformen händeringend gesucht wird: relevanter Content. Durch gezieltes Einspielen von Appetithäppchen, Hintergrundinformationen und Interviews mit Machern können Plattformen wie beispielsweise YouTube doppelt genutzt werden: einmal als Webspace-Hoster und Streaming-Anbieter für die Bewegtbilder, die in den Websites der eigenen Community eingebunden werden wollen, aber keinen eigenen Webspace46 verbrauchen sollen, andererseits als Ort der Aufmerksamkeitsgenerierung und Akquise für die Community der Kulturinstitution. Hinsichtlich dessen, wie Mitglieder generiert werden können, haben es Kulturinstitutionen verhältnismäßig einfach, denn sie haben bereits ein Publikum, mit dem sie mehr oder weniger regelmässig in Aufführungen oder Matinéen interagieren. Ob das Publikum sich tatsächlich auch über die Aufführungen hinaus digital austauschen möchte, bleibt herauszufinden – jedenfalls existiert mit dem Veranstaltungsort ein regelmäßiger Ansatzpunkt zur Akquise neuer Mitglieder. Abgesehen von den Personen, die schon da sind, soll sich die Community natürlich auch durch Mitglieder zusammensetzen, die nicht schon be-
46 Als Webspace wird der Speicherplatz bezeichnet, der zu bestimmten Konditionen auf den Servern eines Webhosters für den Auftritt einer Website gemietet werden muss.
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reits den Weg zu Veranstaltungen finden. Dabei ist die oben bereits erwähnte Kooperation und Querverlinkung mit anderen Institutionen ein gangbarer Weg, wie auch Schul- und Universitätsprojekte, die in der Community ihren virtuellen Niederschlag bzw. ihre Dokumentation finden. Mit der Existenz einer Community-Plattform lassen sich jedenfalls unabhängig der räumlichen und zeitlichen Einbindung der Nutzer Kontinuitäten herstellen, die andernfalls bei Kurzprojekten nach Projektabschluss beendet sind. Erwähnt seien noch die Möglichkeiten, die Nutzer innerhalb der Community dadurch zu aktivieren und stärker einzubinden, dass Wettbewerbe ausgelobt werden oder Incentivierungen für besonders aktive Forenmitglieder mit qualitativ hochwertigen Beiträgen angeboten werden, wie z.B. verbilligte Eintrittskarten, spezielle Aufführungen, oder die Begleitung des Ensembles bei einem Gastspiel. Ebenfalls hilfreich sind von Zeit zu Zeit Umfragen zu Verbesserungen, Wünschen und Ideen der Nutzer zu machen. Weitere Möglichkeiten zur Mitglieder-Aktivierung finden sich u. a. im Community-Management-Blog von Daniel Langwasser.47
3: Homepage Kultiversum.de
47 www.community-management.de/2009/09/10-tipps-um-mitglieder-dauerhaftan-die-community-zu-binden/, (28. Oktober 2009)
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Beispiel kultiversum.de Zum Abschluss soll kurz anhand des Ende Oktober 2009 gestarteten Kulturportals „kultiversum“ das oben Beschriebene in einigen Aspekten verdeutlicht werden. Da einerseits die Anzahl der relevanten Themen übergreifenden Community-Portale im deutschen Kulturbereich noch sehr gering ist und andererseits diese Seite den Anspruch benennt, die Kulturplattform werden zu wollen (so die Tagline), soll die Seite gerade in ihrer jetzigen Aufbauphase, die durch die Betreiber noch im Beta-Status deklariert wird, als Beispiel dienen.48 „kultiversum“ verspricht eine interessante Plattform zur Vernetzung und zum Informationsaustausch im Kulturbereich zu werden. Das Portal wird durch die Friedrich Berlin Verlagsgesellschaft betrieben, die durch eine Vielzahl regelmäßig erscheinender Printprodukte im Kulturbereich bekannt ist. Erwartungsgemäß fokussiert das Portal die Themen, die durch die Printprodukte des Verlags abgedeckt werden: Schauspiel, Oper, Tanz, Literatur, Musik, Kunst, Film & TV und einige weitere Themen. Das Portal startet zu Beginn bereits in allen genannten Bereichen mit Berichten und Blogeinträgen. Neue Nutzer werden mit bereits gefüllten Nachrichtenbereichen aus allen relevanten Kulturbereichen begrüßt, so dass die Nutzer erwartungsgemäß wiederkommen werden.
4: Kommentarfunktionen
48 Der Leser hat so die Möglichkeit, die Seite später zu besuchen, und zu schauen, wie die Community sich vom gegenwärtigen Status aus entwickelt hat.
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Die Website ist von der Nutzerfreundlichkeit her einfach aufgebaut und klar strukturiert, ein klares Rasterschema liegt zugrunde, so dass sich der Besucher in allen Unterbereichen leicht orientieren kann. Ebenso die Registrierung: klar und einfach, ohne Schnickschnack, aber durchaus ästhetisch ansprechend – wenige Kategorien müssen ausgefüllt werden, aber viele können Selbstauskunft über die Nutzer geben, damit sich diese besser untereinander finden bzw. kennenlernen können. Die Datenschutz-Einstellungen sind leicht zu erreichen, und es kann granular festgelegt werden, wer was sehen darf, und wer nicht. Die Navigation in der Seite ist allerdings insbesondere im Community-Bereich etwas gewöhnungsbedürftig, ohne eine Mouseover-Suche ist rein grafisch nicht klar, welche Texte verlinkt sind, und welche nicht. Unter dem Punkt Community finden sich die Bereiche Gruppen, Empfehlungen, Marktplatz, Blogs, User-Suche und Registrieren. Bei der User-Suche ist klar, was sich dahinter verbirgt, unter dem Punkt Blogs schon weniger. Wenn man diesen Punkt auswählt, sieht man, dass Blogger Textinformationen anbieten, doch ob die Blogger im Auftrag von „kultiversum“ schreiben oder Community-Mitglieder wie alle anderen Nutzer sind, erschließt sich auf den ersten Blick nicht. Ob man als Nutzer auch einen Blog bekommt, da man sich ja schließlich im „Mitmachbereich“ der Plattform befindet, darüber rätselt man vergebens bzw. macht sich auf die Suche nach dem passenden Button, um auch einen Blog anlegen zu können.
5: Gruppenbereich bei Kultiversum.de
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Ähnlich gestaltet es sich bei den Gruppen: Die Ikonografie der Seite ist insgesamt sehr aussagekräftig, schlicht und ansprechend, man findet sich also zurecht, doch wird auf den ersten Blick nicht klar, wie die Gruppen zu verstehen sind, da keine vorgelebten Angebote vorliegen. Außerdem ist unklar, in welchen Kontexten die Gruppen relevant werden: Funktionieren sie als selbst erstellbare Forumsbereiche oder als Angebote zum Selbst-Tagging (Verschlagwortung der eigenen Person), wie in vielen Social Networks betrieben, oder in beiderlei Weise? Nach längerem Suchen findet man in seinem persönlichen Profil, auf das man kommt, wenn man seinen Namen anklickt, vorausgesetzt man ist als registrierter User eingeloggt, den Button Gruppen. Sobald man ihn anklickt, erscheint ein neues Fenster Neue Gruppe anlegen, aha gefunden, gut. Aber das ist nicht intuitiv. Worin von einer deutlich verbesserungsfähigen Usability abgesehen das große Potenzial der Seite besteht, ist tatsächlich die fehlende Konkurrenz durch andere Plattformen, auf der Kulturinteressierte sich auf dem Niveau, das die Seite verspricht, treffen und austauschen können. Die hochwertige Aufmachung und Qualität der Inhaltsangebote werden voraussichtlich die Zielgruppe ansprechen, und sie im Nachrichten-Bereich regelmäßig wiederkehren lassen. Sie tatsächlich zu einer Community werden zu lassen, dazu wird noch etwas Arbeit in den Gruppen bzw. den Forenbereichen von Nöten sein. Man hätte sich hier vorangelegte Gruppen gewünscht, die zumindest mit den Hauptbereichen Theater, Tanz etc. korrespondiert hätten, um den Nutzern ein Angebot der Assoziierung mit ihren Themen zu ermöglichen. Gruppen wie Ich-benutze-mein-Handy-umim-Dunklen-zu-sehen kann man dann ja noch immer anlegen.49
49 Die benannte Gruppe ist eine der größten Gruppen in StudiVZ mit über 700.000 Mitgliedern, nachzulesen in Spiegel-Online unter: http://wissen.spiegel.de/wissen/ dokument/dokument.html?id=65717404&top=SPIEGEL, (28.10.2010)
Christian Dingenotto 187 Werbekampagne unter 50 Euro?
Christian Dingenotto
Werbekampagne unter 50 Euro? Webinstrumente wirkungsvoll miteinander kombinieren – eine Gebrauchsanleitung Zielgruppe Diesen Artikel sollten Sie lesen, wenn • der Erfolg Ihres Kulturprojekts von seiner Bekanntheit abhängt, • Sie über kein Werbebudget für Ihr Kulturprojekt verfügen, • Sie neben der Kulturvermarktung und dem Projektmanagement noch viele weitere inhaltliche Aufgaben im Kulturbereich wahrnehmen müssen Nutzen Die Leser erhalten Ideen, wie sie Web 0.0, 1.0 und 2.0 sowie andere Instrumente für ihre Projektdurchführung und -werbung einsetzen können. Idealerweise erhalten Sie Anregungen für Ihre eigene Werbe- und Kommunikationsstrategie. These Das Internet ist noch lange nicht im gesamten Kulturbereich angekommen. Sowohl bei der Zielgruppe der Kulturinteressierten, als auch bei Anwendern und Projektverantwortlichen im Kulturbereich. Andere wiederum sind von den neuen Medien so fasziniert, dass sie Gefahr laufen, sich darin zu „verlieren“. Manche sind dann so damit beschäftigt zu bloggen und zu twittern, dass das eigentliche Ziel, wie Besucher- oder Interessenten zu gewinnen, aus dem Fokus gerät.
Zum Einstieg eine banale Frage: Wobei kann das Web bei der Kulturvermarktung helfen? Das Web ist • die günstigste Kommunikations- und Werbeform (gemessen an der Anzahl von Personen, die Sie damit erreichen können), • der einfachste Zugang zu einer Vielzahl von Werbeformen, • die einzige Möglichkeit, mit Bordmitteln erfolgreich zu werben.
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Allerdings enthält das Web diese Funktionen nicht automatisch. Sie müssen es auf Ihre Werbebedürfnisse „einstellen“. D. h. Ihre Internetseite steht immer im Zentrum Ihrer Kommunikation. Präziser bedeutet das: Alle Werbemedien (vom Flyer über Postkarte, Poster bis hin zum T-Shirt) • haben immer eine einfache, leicht merkbare Internetadresse, • enthalten nur die wesentlichen Informationen zum Projekt, • sind vom Informationsgehalt immer eher „Appetithäppchen“ (sogenannte Teaser), die auf die vertiefenden Informationen auf der Website hinweisen.
Nur wenn Sie Ihre Kommunikation so konsequent aufbauen, können sie den Werbeerfolg auch direkt messen. D. h. wenn Ihre Werbeaktionen (seien es Flyer, Werbebriefe, Poster etc.) funktionieren, müssen diese automatisch auch die Klickzahlen der dort genannten Internetadressen steigern. Genauer noch – sie haben für Veranstaltungen und Ausstellungen automatisch eine Art Frühwarnsystem. Wenn Sie aktiv geworben haben, und auf der Internetseite auch 3 Monate vor dem Ereignis wenig los ist, haben Sie die Möglichkeit, Ihre Werbeaktivitäten noch mal zu intensivieren. Oder Sie ziehen die „Reißleine“, also sagen Ihr Vorhaben ab, oder ändern es so, dass das finanzielle Risiko auch mit weniger Besuchern noch vertretbar ist.
Zum Start ein heilsamer Schock: Die Reichweitenberechnung Sie brauchen für eine Veranstaltung „nur“ 30 Teilnehmer? Dann reicht es ja, vier Wochen vorab einen Flyer zu verteilen, oder etwa nicht? Schauen wir noch einmal genauer hin. Es ist eine Binsenweisheit, dass wir mehr Personen adressieren müssen, als tatsächlich erscheinen sollen, aber wie viel mehr? Ein Beispiel: Eine Kirchengemeinde möchte für eine neue Gottesdienstform einmal im Monat regelmäßig mindestens „nur“ 40 Besucher gewinnen. Da wir davon ausgehen müssen, dass es sich bei diesen 40 nicht immer um dieselben handeln kann, müssen wesentlich mehr, angenommen die doppelte Anzahl, grundsätzlich interessiert sein. Das heißt mindestens die Hälfte von 80 grundsätzlich Interessierten müssten das Gottesdienstangebot wahrnehmen. Gehen wir dann weiter davon aus, dass diese 80 Personen das Ergebnis (der Rücklauf/ der Respons) eines Rundbriefes an die Gemeindeglieder sind und etwa 7 % (das ist schon eine sehr gute Rücklaufquote – im „normalen“ Alltag liegt diese bei 0,7 %!) aller Angeschriebenen darstellt, so ergibt sich: Um nur 40 Besucher
Christian Dingenotto 189 Werbekampagne unter 50 Euro?
regelmäßig zu erhalten, müssen mindestens 1.140 Personen kontaktiert werden, und zwar mindestens 3 Mal. Sie wollen wissen, wie die Gemeinde sich entschieden hat? Das können Sie hier nachlesen: www.cultural-business.com/cubus_tools.htm#reichweite. Denn nur so kann ich gemäß der eingangs formulierten Grundsätze messen, wie Sie auf diesen Artikel reagieren. Kommen wir noch einmal zu der eingangs geplanten Veranstaltung mit „nur“ 30 Teilnehmern. Angenommen Sie sind mit Ihrem Angebot völlig unbekannt, dann stellt sich die Überschlagsrechnung wie folgt dar: Die 30 Teilnehmer entsprechen 30 % von den potentiell Interessierten. D. h. etwa 100 Personen sind grundsätzlich an Ihrem Angebot interessiert. Da immer mal etwas dazwischen kommen kann (der Termin passt nicht, das Wetter ist schlecht, man ist krank etc.), kommen statt der möglichen 100 eben die erwünschten 30 Personen. Das ist immer noch ein sehr guter Wert. Doch wie viel Personen muss ich adressieren, um diese 100 zu identifizieren? Nehmen wir als Anhaltspunkt eine immer noch sehr gute Zahl aus dem Direktmarketing von etwa 3 % (die 7 % bei der Kirchengemeinde habe ich angenommen, da ja grundsätzlich schon ein Zugang zu den Gemeindemitglieder besteht und von einem grundsätzlichen höheren Interesse ausgegangen werden kann). Dann muss ich für „nur“ 30 Teilnehmer „plötzlich“ über 3.300 Personen kontaktieren, um sicher zu sein, dass ich mein Ziel erreiche. Dazu kommt noch die Regel, dass ich diese Personen dreimal kontaktieren muss mit meiner Botschaft, um eine Reaktion auszulösen. Das heißt, wir brauchen fast 10.000 Kontakte. Frustriert? Es gibt (doch) noch Hoffnung, • wenn Sie die Zielgruppe genauer identifizieren (Was sind das für Personen? Wo leben sie? Welche Medien nutzen sie? etc.) – dadurch erreichen Sie eine höhere Trefferquote bei den Angeschriebenen, bzw. Adressierten, • wenn Sie kurz nach dem Projektstart auch schon mit der ersten Werbeaktion beginnen – dadurch messen sie schon früh die Erfolgsquote Ihrer Werbung, • wenn Sie die Tabelle für die Reichweitenberechnung nutzen – dadurch sparen Sie sich einiges an „Rechnerei“ – habe ich als Geisteswissenschaftler auch immer vermieden. Die Tabelle finden Sie hier: www.cultural-business. com/media/080328_reichweitenberechnung.xls
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Der nächste Schritt: Ein Vielgänge-Menü Leider kann ich doch nicht ganz mein Eingangsversprechen der „Gebrauchsanleitung“ halten. Ein Patentrezept für die erfolgreiche Kommunikation gibt es nicht. Allerdings halte ich persönlich das Modell der Ansprachekette für ein brauchbares Hilfsmittel. Es baut auf dem erwähnten Grundprinzip der Internetseite als Landepunkt für die gesamte Kommunikation auf. Die anderen Medien werden darum so „gruppiert“, dass sie sich ergänzen und immer auf die Website hinführen. Das stellt natürlich auch Anforderungen an die Inhalte der einzelnen Medien, die genau aufeinander abgestimmt werden müssen. Mit der Ansprachekette können Sie sich im wahrsten Sinne des Wortes ein Bild machen vom Zusammenspiel der einzelnen Instrumente. Das mag banal erscheinen, hilft dennoch wenn es darum geht, die eigene Kommunikation zu strukturieren und auch zu entscheiden, ob nun wirklich getwittert, gebloggt oder „gefacebooked“ wird und dass diese Elemente dann auch wirklich miteinander zu verknüpfen sind. Allein dadurch, dass Sie die Medien markieren, die Sie nutzen wollen, legen sie automatisch Ihre Strategie fest und achten intuitiv auf das richtige Zusammenspiel.
Christian Dingenotto 191 Werbekampagne unter 50 Euro?
Wann ist nun wirklich welches Medium geeignet? Pauschal lässt sich das nicht sagen, allerdings ergibt sich eine Richtung, wenn man die wesentlichen, im Kulturbereich üblichen Anwendungsszenarien betrachtet:
Alle Szenarien beschreiben hieße, die „Werbefibel 2009/2010“ nochmals schreiben. So sei hier auszugsweise das erste komplexeste Szenario A „Ausstellung/Veranstaltung“ aufgeführt (die Medien, die sich in diesem Szenario nicht anbieten, sind grau markiert):
192 Christian Dingenotto Kultur 2.0
Am Anfang steht der Flyer. Die unter www.cultural-business.com bereitgestellte Vorlage erlaubt Ihnen, kostengünstig dieses Kernmedium zu erstellen. Er kann natürlich sowohl dort an Kontaktpunkten (in Prospektständern, an Pinnwänden etc.) hinterlegt werden, wo Ihre Zielgruppe auftaucht, als auch einem Werbebrief beigelegt werden. Im Flyer bringen Sie die wesentlichen Aussagen auf den Punkt. Neben der Handlungsaufforderung enthält er, wie alle anderen Medien, die (leicht merkbare) Internetadresse Ihres Projektes, damit sich die Zielgruppe die Informationen schnell wieder beschaffen kann. Die „Überlebensdauer“ eines Flyers liegt schon im günstigsten Fall bei 30 Sekunden. Die wenigsten heben sich einen Flyer nach Durchsicht wirklich auf. Deshalb ist auch sinnvoll, diesen Flyer als PDF noch mal zum Download auf Ihrer Website zu hinterlegen. Damit ermöglichen Sie es ihrer Zielgruppe auch, ihren Bekannten und Freunden diesen Flyer per E-Mail weiterzuempfehlen. Eine effektivere und glaubwürdigere Werbung als das Weiterempfehlen gibt es nicht. Der Flyer sollte überall dort ausliegen, wo Sie ihre Zielgruppe erreichen, idealerweise auch in Kombination mit einem kleinen Poster/Plakat, um die Aufmerksamkeit stärker an sich zu ziehen. Dadurch, dass Sie an solchen Orten ihre Zielgruppe nicht namentlich identifizieren können, haben sie natürlich relativ hohe sogenannte Streuverluste, d. h. sie können nicht genau sagen, wie viel sie wirklich genau von Ihrer Zielgruppe erreichen.
Christian Dingenotto 193 Werbekampagne unter 50 Euro?
Liegen Flyer und Poster erst einmal eine Zeit an den Kontaktpunkten aus (andere Museen, Prospektständer etc.), und stellen Sie fest, dass die Flyer wirklich mitgenommen werden (d. h. wird der Prospektständer wirklich immer leerer und sein Inhalt landet nicht in der Mülltonne), dann ist der richtige Zeitpunkt gekommen, mit der persönlichen Kommunikation zu starten. Der Schlüssel hierfür ist ein guter Informations- und Adressdatenbestand. Diesen sollten Sie, falls Sie in einem Kulturbetrieb arbeiten, sorgfältig über Jahre aufbauen. Falsche Adressen kosten Ihr Geld, und Briefe an Personen, die sich z. B. für Ihre Ausstellung nicht interessieren, führen auch noch zur Verärgerung. D. h. je mehr sie über die Personen wissen, desto angenehmer ist es für diese, Werbung zu erhalten und je höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie auf ihre Schreiben auch reagieren. Wie das Zusammenspiel der verschiedenen Instrumente wirkt, kann am besten über eine Internetseite gemessen werden. Funktioniert die Kette der Ansprachen, so müssen Sie auf der Internetseite die Auswirkungen wenige Sekunden oder wenige Tage nach dem jeweiligen Werbeimpuls sehen können, z. B.: • Die Zahl der Besucher steigt deutlich • Ihre Internetseite steht bei Eingabe von Suchbegriffen (die die Zielgruppen wählen würden) in Suchmaschinen auf den ersten vier Plätzen • die Unterseiten mit besonderen Angeboten werden öfter geklickt
• die Verkaufszahlen Ihrer Angebote auf der Site (z. B. Spreadshirt) steigen • die Kommentare in Blogs und Foren nehmen zu etc. … Das Zusammenspiel aus persönlicher Werbung und allgemeiner Werbung ist nie abgeschlossen. Die Zielgruppe braucht regelmäßig neue Impulse über die Aktionsmedien, damit die Ausstellung „in den Köpfen bleibt“ und die Bekanntheit stetig gesteigert bzw. aufrechterhalten wird. D. h. spätestens immer dann, wenn die Besucherzahlen auf der Internetseite sinken, ist ein neuer Impuls über die persönliche und/oder allgemeine Werbung erforderlich. Sonst riskieren Sie, dass Sie die beabsichtigte Anzahl der Besucher nicht erreichen. Gehen Sie dann noch davon aus, dass immer weniger Personen die Ausstellung tatsächlich besuchen als auf der Internetseite waren, so müssen die Klickzahlen Ihrer Internetseite zumindest im Wochendurchschnitt mindestens genauso hoch bzw. höher als die geplanten Besucherzahlen liegen. Im Prinzip kommt der werbliche Impuls für eine Ausstellungswerbung mindestens drei Mal, wenn Sie:
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1. in der Marktvorbereitungsphase die Bekanntheit grundsätzlich schaffen 2. in der Marktbearbeitungsphase die Zielgruppe(n) zum Ausstellungsbesuch auffordern 3. in der Verkaufsphase kontinuierlich den Besucherstrom zu Ihrer Aufstellung aufrechterhalten müssen
Zu guter(?) Letzt Die Arbeit über Reichweitenberechnung und das Modell der „Ansprachekette“ hilft Ihnen, Ihre Werbung erfolgreich zu strukturieren und zu systematisieren. Doch das nützt alles nichts, wenn die Inhalte nicht aufeinander abgestimmt sind. Es klingt banal, doch spätestens, wenn in einem Projektteam der eine die Internetseite gestaltet und der andere den Flyer, kann es schon zu Unstimmigkeiten in Botschaften und Aussagen kommen. Damit das nicht passiert, empfiehlt es sich, eine sogenannte Fahrstuhlrede als Grundlage für Ihre gesamte Kommunikation zu entwickeln. Sie wollen vielleicht wissen, wo Sie mehr erfahren können? Selbstverständlich unter diesem Link: www.cultural-business.com/ media/0700324_cubus_Fahrstuhlrede.pdf
Kerstin Hoffmann 195 Effiziente Kultur-PR in einer vernetzten Welt
Kerstin Hoffmann
Ef fiziente Kultur-PR in einer vernetzten Welt Jede Kultureinrichtung will gute PR machen. Setzen wir das einmal voraus. Im Web 2.0 ist das einfacher als je zuvor. Oder doch nicht? Wer selbst publizieren will, muss sich zunächst in der komplexen Netzwelt sicher orientieren können und die Gesetzmäßigkeiten kennen. In Zeiten knapper Mittel und dünner Personaldecken wird der Sprung ins neue Medium oft zum Kraftakt. Nicht immer ist er erfolgreich. Manchmal scheint er unmöglich. Zuweilen führt er aber auch dazu, dass klassische Kommunikationskanäle und damit wichtige Besuchergruppen vernachlässigt werden. Wie also schaffen Museen, Theater, Orchester und andere Einrichtungen den Sprung in die neuen Medien – effizient und mit Erfolg? „Wie machen wir erfolgreiche PR?“, werde ich häufig gefragt. Das kommt mir vor wie Alice im Wunderland: „Würdest du mir bitte sagen, wie ich von hier aus weitergehen soll?“ Und die Katze antwortet: „Das hängt zum großen Teil davon ab, wohin du möchtest.“1
Was sind denn Ihre Ziele? Wer irgendeine Form von Kommunikation – Pressearbeit, Werbung, PR, Direktmarketing – plant, sollte sich zuerst die eigenen Ziele anschauen. Für Unternehmen stehen meist Umsatz- und Gewinnziele ganz oben. In Kultureinrichtungen heißt das Äquivalent in der Regel Besucher- oder Zuschauerzahlen. Ebenso wichtig sind natürlich Image und Reputation. Aber auch diese führen idealerweise zu mehr Besuchen. Doch bevor man in eine bestimmte Richtung läuft, muss eben klar sein: Was ist das Ziel? Am Anfang jedes Kommunikationskonzeptes sollte daher eine ausführliche Zielsetzungsphase stehen. Dabei gilt: je genauer, desto besser. „Mehr Besucher“ ist kein konkretes Ziel. „Fünfzig Prozent mehr Besucher aus der Altersgruppe zwischen 18 und 35“ ist sehr wohl eines. Vor allem bietet es bereits
1 Carrol, Lewis: Alice im Wunderland. Frankfurt a.M.: Insel Verlag, 1963, S. 67
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den Anlass, genauer hinzuschauen: Wo und wie erreichen wir diese Zielgruppe am besten?
Zielgruppen finden In der Kultur-PR verhält es sich wie in allen anderen Branchen auch: Die Kommunikation muss sich darauf ausrichten, wo die Zielgruppen zu finden sind. Sie soll aber nicht nur auf bereits vorhandene Kontakte und Interessenten schauen, sondern kann mit neuen Wegen auch zusätzliches Potenzial erschließen. Die eingesetzten Medien müssen sowohl neue als auch bisherige Kunden berücksichtigen und erreichen. Der Rest ist sowohl ein Balanceakt zwischen Kundenbindung und Neukundengewinnung, als auch ein Rechenexempel mit den vorhandenen Budgets und Personalkapazitäten. Gerade der Kulturbereich mit seinem sehr weit gestreuten Publikum muss sich in der Kommunikation breit aufstellen. Er muss sowohl klassische Werbung und PR über Printmedien im Kommunikationsmix haben, als auch die Interaktion und schnelle Information via Internet. Social Media bieten viele Möglichkeiten für ungewöhnliche PR-Aktionen. Sie können Menschen aktivieren, die ohne diese Informationen gar nicht gekommen wären. Multiplikationseffekte sind hier schneller zu erreichen als mit traditionellen Medien. Daher sollte es im Web 2.0 noch viel mehr als anderswo auch eine Ausrichtung auf Zielgruppen geben, die nicht zum direkten Publikum gehören: Empfehler, Meinungsmacher, Netzwerkpartner, Sponsoren.
Zielgruppen verstehen Dabei ist aber eines besonders zu berücksichtigen: Social Media ist keine Einbahnstraße. Verlautbarungen, klassische Pressemitteilungen und Ähnliches haben hier nur in Ausnahmefällen etwas zu suchen. Mindestens fünfzig Prozent der Kommunikation im Web 2.0 sollte aus Zuhören (beziehungsweise Lesen) bestehen. Das bietet zugleich bisher ungeahnte Chancen für die Marktforschung.
Mit den Zielgruppen kommunizieren Erst wer verstanden hat, worum es geht, und wer die besonderen Gesetzmäßigkeiten des Web 2.0 kennt, sollte in den aktiven Dialog treten. Die gute
Kerstin Hoffmann 197 Effiziente Kultur-PR in einer vernetzten Welt
Nachricht: Abgesehen von einigen technischen Besonderheiten folgt auch der virtuelle Austausch vor allem dem gesunden Menschenverstand. Fehlgriffe resultieren sehr häufig einfach daraus, dass die handelnden Personen das vergessen. Sie tun dann Dinge und machen Aussagen, die ihnen im wirklichen Leben und im direkten Austausch niemals in den Sinn kämen.
Zielgruppen überzeugen Überzeugungsarbeit bei Anwendung von Social Media ist, man kann das nicht oft genug sagen, kein Monolog. Idealerweise überzeugen sich die Interessenten selbst anhand der gebotenen Vielfalt, des sympathischen Auftretens, der spannend vermittelten Inhalte. Aber wie kommen diese denn nun ins Netz und zu den Interessenten?
Praktisch geschenkt: besonderes Startkapital In gewisser Weise sind Kultureinrichtungen gegenüber Wirtschaftsunternehmen in einer sehr komfortablen Situation: Ihr Angebot ist oft im weiten Umfeld einzigartig und für die Berichterstattung in der Presse sehr attraktiv. Ihnen werden keine kommerziellen Interessen unterstellt. Wo Unternehmen sich aufwändig und oft vergeblich um Veröffentlichungen bemühen, ist den Kulturinstituten eine Berichterstattung so gut wie sicher. Zu ihren Pressekonferenzen kommen in der Regel standardmäßig zumindest die Vertreter aller lokalen oder sogar regionalen Redaktionen. In Werbemedien, etwa auf Stadtplänen oder in kostenpflichtigen Verzeichnissen, erhalten sie auf Nachfrage oft kostenlose Platzierungen, weil sie das Werbeumfeld mit ihrem Namen aufwerten. Das alles ist ein nicht zu unterschätzendes Startkapital für Werbung und PR. Es ist buchstäblich Geld wert. Auch wenn es sich nicht genau quantifizieren lässt: Kultureinrichtungen können aus den genannten Gründen mit einem relativ niedrigen Etat viel mehr erreichen als viele Unternehmen. Häufig mangelt es am Bewusstsein für den Wert dieser nur scheinbar nicht materiellen Vorteile. Wer immer nur für Kultureinrichtungen gearbeitet und nie PR für Unternehmen gemacht hat, weiß meistens gar nicht, was er praktisch geschenkt bekommt. Meistens fehlen zudem die Möglichkeiten, um dieses Ka-
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pital wirklich auszuschöpfen. Daher bleiben gerade diese wertvollen Potenziale ungenutzt. Denn oft sind die Einrichtungen zugleich in einer wenig komfortablen Situation: Die Mittel für Werbung und Öffentlichkeitsarbeit sind begrenzt, ebenso wie die Stellen für fachlich geschultes Personal. In Krisenzeiten werden die Etats weiter gekürzt, oft fallen zusätzlich Sponsorengelder weg. Viele Möglichkeiten klassischer Werbung – Anzeigenkampagnen, Plakatierungen – entfallen daher von vorneherein oder sind sehr begrenzt. Web 2.0 könnte ein Ausweg aus diesem Dilemma sein.
Hier einige Fragen – und meine Antworten dazu: Wie lässt sich klassische Kulturarbeit mit modernen Medien verbinden?
Was sind die neuen Medien, über die wir hier sprechen? Web 2.0 oder Social Media bezeichnet die Menge aller Internetangebote, die den schnellen Informationsaustausch, Vernetzung und gemeinsame Online-Projekte ermöglichen. Dazu gehören Blogs, Plattformen wie XING oder Facebook, Online-Communities oder Microblogging wie Twitter. Dem gegenüber stehen die klassischen Medien wie Printprodukte, herkömmliche Pressearbeit, aber auch statische Websites. Doch die Frage nach den Vorteilen von Social Media gegenüber klassischer Kommunikation stellt sich in dieser Form gar nicht, weil es kein Entweder-oder gibt. Das eine kann das andere nicht ersetzen, sondern sollte es sinnvoll ergänzen. Ein Museum, das gänzlich auf Plakate verzichtet, ein Theater, das keine Programme mehr drucken lässt, ein Orchester, das keine schriftlichen Einladungen mehr verschickt: Sie alle sind nicht innovativ, sie sind arm dran.
Welche Stärken können Sie nutzen und welche Fehler vermeiden?
Kulturschaffende haben gegenüber vielen anderen Betrieben weitere Stärken zu den oben bereits genannten Vorteilen für die Einrichtungen. Sie sind nämlich bereits geübt und erfahren darin, zu publizieren, Dialoge zu führen, zu kommunizieren. Der Schritt vom Printkatalog zum Blogpost ist dann oft nur noch ein kleiner, ein technischer. Wer schreiben, darstellen, sprechen kann, ist im Web 2.0 klar im Vorteil. Fehler, die Sie vermeiden können, sind beispielsweise: Medien bedienen und Werkzeuge einsetzen, ohne sie richtig zu kennen. Langfristig geplante Aktionen
Kerstin Hoffmann 199 Effiziente Kultur-PR in einer vernetzten Welt
starten, aber nicht durchhalten. Gefährlich ist es auch, einzelne Maßnahmen zu beginnen, ohne einen größeren Zusammenhang. Was einmal im Internet steht, ist meistens nicht mehr zurückzunehmen. Je brisanter, spektakulärer und damit oft auch schädlicher die Inhalte, desto wahrscheinlicher ist es, dass sie sich bereits weiter verbreitet haben. Die Prinzipien des viralen Marketings funktionieren leider auch dann, wenn die Botschaft nicht positiv ist. Daher ist es so wichtig, immer die gesamte Kommunikation und ihre Ziele zu betrachten und sie umfassend und gründlich zu planen. Social Media kann helfen, Kosten zu sparen, wenn die Instrumente richtig eingesetzt werden. Reichweite und Auswirkungen sind oft enorm und mit klassischen Mitteln so kaum zu erreichen – jedenfalls nicht mit dem gleichen Budget. Virale Kampagnen beispielsweise bieten großes Potenzial, wenn sie gut gemacht sind. Allerdings braucht man dafür auf der anderen Seite mehr Personal. Zudem verleiten die neuen Möglichkeiten oft eben auch dazu, professionelle Kommunikation durch Selbstgemachtes zu ersetzen. Darin steckt eine große Gefahr. Für professionelle Werbung und PR braucht man immer Profis – egal, mit welchen Mitteln und in welchen Medien. Was tun, wenn die PR-Fachleute fehlen?
Das ist sicher eines der essenziellen Probleme (nicht nur) im Kulturbereich. Es ist schwierig, ein Auto zu reparieren, wenn man darin nicht geübt ist. Um Ausstellungen zu kuratieren, braucht man Fachkenntnisse. Schauspieler oder Musiker ohne Ausbildung würden es auf der Bühne sehr schwer haben – beziehungsweise es erst gar nicht bis auf die Bretter schaffen. Kommunikation und PR werden jedoch häufig von Menschen mit erledigt, die das gar nicht gelernt haben. Um eine Pressemitteilung zu schreiben, muss man wissen, welche formalen und inhaltlichen Kriterien dafür gelten. Ein bisschen Theorie aus dem Lehrbuch reicht nicht aus, um erfolgreich mit den Medien zu kommunizieren. Webtexte folgen komplexen Gesetzmäßigkeiten und Usergewohnheiten. Daher ist es sinnvoll, das an Fachleute auszulagern, was im eigenen Hause nicht fachgerecht erledigt werden kann. Besser weniger Werbung und PR als schlechte. Umgekehrt bietet gerade die Kulturarbeit eine Vielzahl von Möglichkeiten, an die Öffentlichkeit zu treten – mit dem, was man wirklich gelernt hat. Oft lassen sich verschiedene Aufgaben auf verschiedene Schultern verteilen.
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Wenn bestimmte Fachkompetenzen fehlen, ist es sinnvoller, sich auf diejenigen zu fokussieren, die man gut beherrscht. Wer nicht gerne schreibt, spricht besser mit Journalisten, als mittelmäßige Texte zu versenden. Wer nicht computeraffin ist, sollte sich stärker auf das reale Netzwerken ausrichten. Er kann beispielsweise die eigenen Stärken in der direkten Ansprache von Sponsoren einsetzen. Wenn das Budget und die Personaldecke nicht ausreichen, um alles zu verwirklichen, was sinnvoll wäre, dann sollten Prioritäten gesetzt werden. Klassische Website versus Web 2.0 – oder beides?
Ob Sie Ihre Website mit Blog-Software oder in HTML aufbauen lassen, ob Sie vorwiegend statische oder laufend aktualisierte Inhalte auf die erste Seite nehmen: Das ist stark vom Einzelfall abhängig. Für den Konzertbetrieb mit täglich wechselndem Programm ist eine leicht und schnell zu bedienende Oberfläche besonders wichtig. Interessenten sollten aktuelle Informationen, Änderungen und Termine gut finden und einfach abonnieren können. Wie oben bereits beschrieben, hängt die Form der Präsentation von den Zielgruppen ab: den bereits bestehenden ebenso wie den neu zu findenden. Die handelnden Personen spielen eine sehr wichtige Rolle: Wer stellt neue Inhalte online und wie oft? Wer kontrolliert Reaktionen, Blogeinträge, TwitterAntworten? Wer tritt in den Dialog und bleibt auch dran? Können wir das selbst oder müssen wir das an einen externen Dienstleister vergeben? Wie ist das Budget für solche Maßnahmen? Besser gar kein Blog als ein zu selten aktualisiertes. Eine Seite „News“, deren letzter Eintrag ein Jahr zurückliegt, schadet der Außenwirkung immens. Dialoge mit Besuchern, Zuschauern oder Lesern sind für den Kulturbereich schon immer unerlässlich gewesen, und das Web 2.0 bietet hierfür hervorragende Möglichkeiten. Wie immer gibt es in jedem Einzelfall ein Ideal-Szenario auf der einen Seite – und die Realität auf der anderen. Am besten ist es, alle Möglichkeiten modular zu beschreiben und dann auch hier wieder eine Hierarchie zu erstellen: Was ist unbedingt erforderlich? Was ist wünschenswert? Was ist optional, wenn Budget und Kapazitäten es hergeben? „Ist die Gefahr nicht groß, dass wir den Absprung verpassen, wenn wir jetzt nicht nachziehen?“
Definitiv. Die Schere wird immer weiter auseinandergehen. Wer sich jetzt nicht mit den neuen Möglichkeiten des Internets befasst, wird unter Umstän-
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den in ein paar Jahren kaum noch aufholen können. Auch in der Kulturarbeit vollzieht sich zurzeit ein massiver Wandel. Schnell kann man sich aber in der Vielzahl der Medien und Angebote verzetteln. Nicht alles, was möglich ist, ist sinnvoll. Es wäre fatal, nur auf Innovation zu setzen und darüber die Kernkompetenzen und den Bildungsauftrag außer Acht zu lassen. Schnellschüsse können gefährlich sein. Umfassende Information und Beratung sowie sorgfältige Planung sind hier elementar. So klappt es mit der vernetzten PR:
• So viel wie möglich, so wenig wie nötig: Realisieren Sie im Web 2.0 das Machbare. Beschränken Sie sich im Zweifelsfall auf das Wesentliche. • Jedes Teammitglied bringt seine Stärken ein: Konzentrieren Sie sich auf das, was Sie am besten können. Dazu gehört eine klare Aufgabenverteilung. • Besser keine als schlechte PR: Was Sie nicht beherrschen entweder auslagern oder weglassen. • Bleiben Sie kritisch: Hinterfragen Sie den Nutzen neuer Technologien, ehe Sie sie in Ihr Kommunikationskonzept integrieren. • Bleiben Sie real vernetzt: Binden Sie Fürsprecher und Sponsoren in Ihre Web-2.0-Arbeit mit ein. • Nicht verzetteln: Legen Sie zeitliche und finanzielle Ressourcen fest und betreiben Sie ein gutes Zeitmanagement. • Informiert bleiben: Gutes Monitoring ist die erste und oberste Aufgabe im Web 2.0. Sorgen Sie dafür, dass alle Beteiligten Zugang zu allen relevanten Informationen haben.
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S E I D U T S E S A III. C
Daniela Bamberger 203 Web 2.0 und Social Networking am Beispiel des Städel Museums
Daniela Bamberger
Web 2.0 und Social Networking am Beispiel des Städel Museums Am 01. Oktober 2008 gab es einen Relaunch des Webauftritts des Städel Museums (www.staedelmuseum.de). Mit der neuen Internetseite möchte das Städel Museum dem Besucher mehr als bloße Basisinformationen liefern. Die Seite soll lebendig sein, sich oft verändern, damit der Nutzer immer etwas Neues entdeckt und somit das Museum in multimedialer Form erweitert wird. Durch die Einbindung verschiedener Web 2.0-Elemente ist beabsichtigt, eine Zugangserleichterung für jüngere Zielgruppen zu schaffen. Gleichzeitig soll die Website in Optik und Funktionalität die Fortschrittlichkeit des Hauses widerspiegeln. Trotz allem legt das Städel Museum einen sehr großen Wert auf wissenschaftlich fundierte Inhalte und die Benutzerfreundlichkeit. Auch der Nutzer, der sich nicht mit Web 2.0-Elementen auskennt oder sich nicht dafür interessiert, muss auf den ersten Blick die für ihn relevanten Informationen finden. Daher haben wir auch die klassische Primär- und Sekundärnavigation erhalten. Ergänzend zur Internetseite ist das Städel in verschiedenen sozialen Netzwerken vertreten, um dem Publikum dort zu begegnen, wo es sich aufhält und um eine jüngere Zielgruppe auf das Museum aufmerksam zu machen. In diesem Artikel werden im ersten Teil die Web 2.0-Elemente der StädelWebsite vorgestellt, im zweiten Teil die Aktivitäten des Städel Museums in den sozialen Netzwerken beschrieben und im dritten Teil die zugrundeliegenden Überlegungen skizziert.
Die Web 2.0-Elemente der Städel-Website: die Tagcloud Auf der Städel-Website werden ca. 290 Kunstwerke im Sammlungsbereich präsentiert. Diese gliedern sich in Gemälde, Werke der grafischen Sammlung, Fotografien, Skulpturen und Installationen. Jedem Werk sind mehrere sowohl inhaltlich beschreibende Schlagwörter als auch kunstgeschichtliche Fachtermini zugeordnet. Aus diesen Schlagwörtern generiert sich die Tagcloud. Die Schrift-
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größe eines Schlagwortes spiegelt die Häufigkeit seiner Vergabe im Sammlungsbereich wider. Die Tagcloud ist auf jeder Unterseite eingeblendet und in der Sekundärnavigation verortet.
1: Screenshot der Startseite mit Tagcloud am rechten Bildrand
Mein Städel-Community
2: Screenshot Mein Städel-Community
Die Städel-Website verfügt über eine Community, die dem Besucher einen Identifikationsraum bietet, in dem er sich interaktiv mit den Inhalten auseinander setzen kann. Es besteht auf allen Unterseiten die Möglichkeit, sich in der
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Mein Städel-Community anzumelden oder einzuloggen. Neben der Tagcloud ist die Mein Städel-Community ebenfalls in der Sekundärnavigation verortet. Nach der Anmeldung gelangt der Besucher zu seinem persönlichen Desktop. Hier kann er auf einen Blick seine Lieblingswerke, seinen Tageskalender und die aktuellsten Kommentare zu den Kunstwerken sehen.
Mein Städel-Community: meine Lieblingswerke
3: Screenshot der Community-Funktionen im Sammlungsbereich
Auf jeder Seite eines Kunstwerks im Sammlungsbereich können die angemeldeten Besucher das jeweilige Werk über Anklicken des Herz-Icons zu ihren Lieblingswerken hinzufügen. Die Lieblingswerke der Community sind auch für nicht angemeldete Besucher einsehbar.
Mein Städel-Community: Werke bewerten Ebenso können die angemeldeten Besucher die einzelnen Werke auf der jeweiligen Unterseite auf einer Skala von 1-5 bewerten.
Mein Städel-Community: Werke kommentieren Neben einer numerischen Bewertung besteht die Möglichkeit, einen Kommentar hinzuzufügen. Die Benutzer können mittels der Kommentarfunktion in einen Dialog über die einzelnen Werke treten. Kommentare sind auch für
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Nicht-Community-Mitglieder sichtbar, jedoch kann nur der angemeldete Besucher Kommentare verfassen.
4: Screenshot aus dem Sammlungsbereich. Kunstwerk mit zwei Kommentaren
Mein Städel-Community: Galerien erstellen
5: Screenshot einer Galerie des Community-Mitglieds „Mirli“
Die Funktion „Galerien erstellen“ ist neben den Funktionen „meine Lieblingswerke“, „Werke bewerten“, „Werke kommentieren“ die vierte Möglichkeit des Besuchers, sich mit der Sammlung des Städel Museums aktiv auseinanderzusetzen. Man kann einer Galerie den Status privat oder öffentlich geben. Öffentliche Galerien sind sowohl für Community-Mitglieder als auch NichtCommunity-Mitglieder einsehbar. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit,
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seine Galerie via E-Mail an Freunde zu versenden. Dieses Feature kann auch wissenschaftliches Arbeiten unterstützen, man kann sich beispielsweise eine Galerie zur Referatsvorbereitung erstellen.
Mein Städel-Community: Tageskalender Ein weiteres Feature der Mein Städel-Community ist der Tageskalender. Hier kann sich der Benutzer die auf seine persönlichen Interessen zugeschnittenen Veranstaltungen anzeigen lassen. Der Nutzer hat die Möglichkeit, während der Anmeldung zur Mein Städel-Community aus den Führungsformaten des Städel auszuwählen. Sofern der Nutzer die bestehenden Formate bereits kennt, kann er diese direkt zu seinem persönlichen Kalender hinzufügen. Es besteht aber auch die Möglichkeit, nach Zielgruppen auszuwählen (Studenten, Berufsanfänger, Senioren, Kinder, …). Interessante Formate für diese Zielgruppen werden dann im Kalender angezeigt. Community-Mitglieder können sich an Termine per E-Mail erinnern lassen, Termine weiterempfehlen und Tickets für Führungen online bestellen. Sämtliche Führungsformate und Termine sind ebenfalls via iCal-Feed zu abonnieren. Die Termine werden automatisch in Outlook oder iCal eingetragen. Dies ist ein Community unabhängiges Serviceangebot.
Social Bookmarks Der Besucher kann auf jeder Unterseite auf Social Bookmark-Dienste zugreifen und somit die Inhalte speichern und individuelle Tags vergeben. Folgende Social Bookmark-Dienste sind in die Städel-Website integriert: Mister Wong, Webnews, Folkd, Yigg, Digg, Delicious, Reddit, Yahoo und Google. Hierüber werden die Inhalte über unsere Seite ins Web hinausgetragen.
Foto-/Videogalerie Die Fotogalerie gewährt Einblicke in Veranstaltungen. Analog zur Fotogalerie gibt es auch eine Videogalerie. Hier finden sich verschiedene Themenformate: Videos zu aktuellen Ausstellungen, Kunstgeschichten (ein Werk der Sammlung wird in drei bis fünf Minuten vorgestellt), Videos zu Veranstaltungen und Parties.
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Städel-Blog
6: Screenshot Städel-Blog
Seit dem 21. August 2009 ist das Städel-Blog unter der URL www.das-neuestaedel.de zu erreichen. Es bildet die Hauptinformationsplattform für die Erweiterung des Museums. Hierüber werden Informationen zu Sammlung, Architektur des Neubaus und Veranstaltungen veröffentlicht.
7: Screenshot Spendenformular
Daniela Bamberger 209 Web 2.0 und Social Networking am Beispiel des Städel Museums
Darüber hinaus dient das Blog unter dem Motto „Frankfurt baut das neue Städel. Bauen Sie mit“ als zentrale Spendenplattform mit den Elementen Spendenbarometer, Spendenformular und Unterstützerliste. Das Spendenformular bietet die Möglichkeit auf drei Wegen zu spenden: mittels Bankeinzug, Überweisung oder per Kreditkarte, das Spendenbarometer dient der Visualisierung des Spendenfortschritts durch das Keyvisual des gelben Gummistiefels. In der Unterstützerliste werden die Spender veröffentlicht, die genannt werden möchten.
8: Screenshot Spendenbarometer
Das Blog gliedert sich in drei Spalten: Die mittlere Spalte enthält die rückwärts chronologisch angeordneten Artikel. In der linken und rechten Spalte sind die Navigation und die Web 2.0-Elemente sowie die Links zu den Social Network-Seiten des Städel verortet. Folgende Web 2.0-Elemente sind auf dem Blog realisiert: Tagcloud, RSS Feed, Social Bookmarks, Blogroll/Linkliste, Kategorien, Kommentarfunktion, YouTube-Widget, Flickr-Fotogalerie.
Vernetzen Sie sich mit uns: die Social Network-Seiten des Städel Museums YouTube: www.youtube.com/staedelmuseum Neben der Videogalerie auf der Städel-Website hat das Städel seit Dezember 2008 einen eigenen Kanal auf YouTube. Dieser Kanal enthält alle vom Städel produzierten Videos. Diese sind der Kategorie Bildung zugeordnet und werden direkt auf das Städel Blog eingebunden. Der Städel-Film zur Erweiterung wurde in der ersten Woche auf YouTube über 600 Mal aufgerufen und wurde mit Platz „#32 meist gesehen diese Wo-
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che“ der Top 100 im Bereich Bildung ausgezeichnet. YouTube bietet den Benutzern die Möglichkeit, die Videos auch auf andere Seiten oder Blogs einzubinden. Somit werden die Inhalte auch weiter im Internet verteilt.
9: Screenshot YouTube-Kanal des Städel Museums
Twitter: http://twitter.com/staedelmuseum
10: Screenshot Twitter-Account des Städel Museums
Twitter ist ein Microblogging-Dienst, in dem der Nutzer Kurznachrichten mit bis zu 140 Zeichen versenden kann. Hierbei kann man die Nachrichten anderer Nutzer „abonnieren“ und umgekehrt. Das Städel Museum ist auf dieser Plattform seit Januar 2009 vertreten und „twittert“ an fünf Tagen der Woche. Es
Daniela Bamberger 211 Web 2.0 und Social Networking am Beispiel des Städel Museums
werden Informationen zu Veranstaltungen, Ausstellungen und Einblicke in die tägliche Arbeit am Städel „getwittert“. Pro Monat kommen im Durchschnitt 100 neue Follower („Abonnenten“) hinzu. Jeder „Tweet“ ist mit einem Link zur Städel-Website oder zum Städel-Blog versehen. Dort erhält der Nutzer zusätzliche Informationen zur Kurznachricht. Hierbei kann man mit den Nutzern in einen unmittelbaren Austausch treten und bekommt somit direktes Feedback. Twitter dient dem Städel neben der Informationsvermittlung auch der Ansprache und dem Austausch mit jüngeren Benutzern. Flickr: www.flickr.com/photos/staedelmuseum
11: Screenshot Flickr-Fotostream des Städel Museums
Flickr ist die größte Fotocommunity im Internet. Seit Anfang Januar 2009 hat das Städel hier einen Fotostream. Alben werden zu Veranstaltungen und Aktionen des Städel angelegt. Zu jedem Foto ist ein kurzer Text mit Link zur Städel-Website oder zum Städel-Blog beigefügt. Flickr dient der Präsentation der Aktivitäten des Städel. Die Inhalte können hier von anderen Nutzern bewertet, kommentiert und getaggt werden. Um ein jüngeres Publikum anzusprechen und um die Botticelli Austelllung im November 2009 bekannt zu machen, wurde die Gruppe „VENUS on Tour“ (www.flickr.com/groups/venus_on_tour) gegründet. Hier handelt es sich um eine Fotowand mit der Venus von Botticelli, die seit einigen Monaten an
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verschiedenen Orten der Innenstadt sowie auf dem Städel- und Liebieghausgelände aufgestellt wurde. Die aktuellen „Tourdaten“ werden jeweils via Twitter, Facebook und Flickr bekannt gegeben. Nutzer der Fotowand werden dazu animiert, ihr Foto in der Gruppe hochzuladen und können so an einem Gewinnspiel teilnehmen. Facebook: www.facebook.com/staedelmuseum
12: Screenshot Facebook-Fanseite des Städel Museums mit Veranstaltungstipps
Facebook ist die führende Plattform zum Aufbau persönlicher, sozialer Netzwerke. Seit Anfang 2009 ist das Städel Museum hier mit einer Fanseite vertreten. Neben Basisinformationen zu Haus und Öffnungszeiten werden gezielt an die junge Benutzergruppe angepasste Veranstaltungen, Führungsformate und Workshops auf der Seite eingestellt. Der Facebook-Account ist mit Twitter, Flickr und YouTube verknüpft, sodass beispielsweise ein „Tweet“ automatisch auf der Pinnwand der Facebook-Seite erscheint. Die Fans des Städel Museums können angeben, ob sie eine Veranstaltung besuchen und sehen, welche ihrer Freunde ebenfalls an dieser Veranstaltung teilnehmen.
Daniela Bamberger 213 Web 2.0 und Social Networking am Beispiel des Städel Museums
Delicious: http://delicious.com/staedelmuseum Delicious ist ein Social Bookmark-Dienst. Dieser Dienst findet sich auch unter den Social Bookmarks auf der Städel-Website wieder. Das Städel selbst hat dort auch einen Account. Hier sind Links zum Sammlungsbereich abgelegt, die mit Informationen zu Literaturhinweisen angereichert sind. Neben diesem Service dient der Account der Streuung der Städel-Inhalte. Friendfeed: http://friendfeed.com/staedelmuseum & Lifestream: http://lifestream.fm/staedelmuseum
13: Screenshot Lifestream-Account des Städel Museums
Friendfeed und Lifestream sind Aggregator-Tools, in die die Updates aus unseren Social Network-Seiten via RSS-Feed ausgelesen werden. Der Nutzer kann somit alle Web-Aktivitäten des Städel Museums auf einer Seite verfolgen. Der Vorteil dieser Applikationen besteht in der Streuung der eigenen Inhalte bei sehr geringem Pflegeaufwand.
Zugrundeliegende Überlegungen Folgende Überlegungen sollten Ihren Aktivitäten im Web 2.0 vorangehen: • Welche Zielgruppe möchten Sie ansprechen? • Was möchten Sie mit Ihren neuen Internetkontakten erreichen (langfristige Ziele/Pläne)?
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• Wo ist die Zielgruppe im Internet anzutreffen? • Wie wollen Sie mit der Zielgruppe interagieren? • Welche Technologie (Blog, Microblog, Soziale Netzwerke) möchten Sie zur Umsetzung nutzen? • Vermeiden Sie, Technologien zu verwenden, die nicht zur Zielgruppe und Strategie passen. • Achten Sie auf Feedback von der Zielgruppe und reagieren Sie darauf. • Nutzen Sie das Internet für Ihre Kommunikation neben den klassischen Medien (Print/Mailing/Presse). • Beziehen Sie Ihre Onlinebesucher mit ein (Kunstwerk der Woche wünschen lassen, spezielle Veranstaltungen, Vergünstigungen nur für Community-Mitglieder,…). • Aktivitäten auf Social Media-Plattformen können nicht von der Marketingund oder Presseabteilung allein gestaltet werden. Hier muss sich das ganze Haus einbringen und Informationen liefern, die dann aufbereitet ins Netz gestellt werden.
Das Internet ist ein schnelllebiges Medium, in dem man nur durch Kreativität, Aktualität und Beharrlichkeit seine Community auf- und ausbauen kann. Das Städel Museum ist eines der ersten Museen im deutschsprachigen Raum, das sehr konsequent neben den gängigen Distributionswegen eine Internetstrategie verfolgt. Die zunehmende Vergrößerung der Community und die positiven Rückmeldungen zeigen, dass diese Strategie gut angenommen wird. Die Verbreitung über die Social Network-Plattformen ermöglicht eine größere Reichweite der Inhalte. Ebenso werden Multiplikatoren schneller erreicht. Zudem unterstützen die Webaktivitäten das Marketing, was eine Reduktion der Printwerbemittel durch verstärkte Präsenz im Web ermöglicht.
Ulrike Schmid 215 Die Social Media-Aktivitäten der Kronberg Academy
Ulrike Schmid
Die Social Media-Aktivitäten der Kronberg Academy Wer oder was ist die Kronberg Academy? Die Kronberg Academy ist eine privat finanzierte Kultureinrichtung, die hochbegabte junge Musiker – Cellisten, Bratscher, Geiger – auf ihrem Weg zum Solisten mittels diverser Projekte fördert. Weltstars wie etwa Gidon Kremer, Christian Tetzlaff, Frans Helmerson, Gary Hoffman oder Yuri Bashmet und Tabea Zimmermann unterrichten die hochbegabten jungen Musiker in Workshops sowie Meisterkursen und studieren in Kammermusikprojekten gemeinsam mit ihnen Werke ein. Bei Letzteren löst sich das Verhältnis vom lehrenden Weltstar und dem lernenden Nachwuchstalent dahingehend auf, dass beide in diesen Kammermusikprojekten zu Partnern werden und das Einstudierte gemeinsam in öffentlichen Konzerten präsentieren. Gleichzeitig geben die jungen Musiker ihr Wissen in gemeinschaftlichen Kammermusikprojekten an Jugendliche weiter. Seit zwei Jahren existiert zusätzlich der staatlich anerkannte Studiengang Kronberg Academy Master (M.Mus) und Kronberg Academy Further Masters Studies, der gemeinsam mit der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Frankfurt a.M. entwickelt wurde. Hier werden ausgewählte, äußerst talentierte junge Solisten auf ihre Solokarriere vorbereitet. Sie erhalten eine Karriereberatung, Meisterkurse und Auftrittsmöglichkeiten, um den höchstmöglichen Grad an künstlerischer und technischer Vollkommenheit zu erreichen.
Warum hat sich die Kronberg Academy für den Einsatz von Social Media entschlossen? Alle Projekte der Kronberg Academy leben von der Begeisterung und dem persönlichen Engagement aller Beteiligten. Dazu zählen Künstler – Weltstars wie Nachwuchskünstler –, Mitarbeiter/Ehrenamtliche, Freunde, Förderer, Spon-
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soren, aber auch das Publikum.1 Deswegen ist es geradezu eine Notwendigkeit, dass persönliche Bindungen hergestellt werden, aus denen dann Begeisterung und Engagement für die Einrichtung hervorgehen. Aus diesem Grund entschloss sich die Kronberg Academy vor anderthalb Jahren, mit Hilfe von Social Media dieses Ziel zu verfolgen. Mit welcher Kommunikationsform könnte man das auch besser erreichen? Social Media eröffnet die Möglichkeit, neue Personengruppen und Menschen, die immer weniger über klassische Medienformen2 erreicht werden können, anzusprechen. Es werden Geschichten erzählt, die den Weg in die klassischen Medien nicht finden. Anstelle eines einseitigen Monologs findet so ein Dialog mit den Freunden statt, und mittels der – teils sehr persönlichen – Geschichten werden Emotionen geweckt und die Kronberg Academy bekommt ein Gesicht. Wenn hier allgemein von Kronberg Academy gesprochen wird, so sind Oda Cramer von Laue seitens der Kronberg Academy und ich als externe Beraterin diejenigen, die die Aktivitäten koordinieren und voranbringen.
Was soll mit den Social Media-Aktivitäten erreicht werden? Ziel der Social Media-Aktivitäten ist es, Einblicke in die Institution zu geben, einen Blick hinter die Kulissen zu gewähren und sich als transparente Kultureinrichtung zu präsentieren. Die Social Media-Aktivitäten ermöglichen der Kronberg Academy allerdings auch eine Meinungsbildung im Netz, dienen als Informationsquelle sowie der Mund-zu-Mund-Propaganda und schließlich der Online-Reputation. Dadurch ist nicht mehr die Kommunikations- bzw. die Presseabteilung das Sprachrohr, sondern alle Mitarbeiter, Ehrenamtliche und Musiker, mehr noch – letzten Endes werden alle Freunde, die sich über die Kronberg Academy äußern, zu Botschaftern.
1 Im weiteren Verlauf wird „Freunde“ als Synonym für alle Personengruppen – also Mitarbeiter/Ehrenamtliche, Weltstars, junge Musiker, Freunde/Förderer, Sponsoren, Konzertpublikum verwendet. Von Zielgruppen möchte ich hier nicht sprechen, da es sich um Menschen handelt, zu denen eine Beziehung besteht bzw. im Entstehen ist. 2 ARD/ZDF-Online-/Offlinestudie 2009
Ulrike Schmid 217 Die Social Media-Aktivitäten der Kronberg Academy
Welche Strategie steckt dahinter?
1: Ziele und Konsequenzen der Social Media-Aktivitäten. U.S.K., Ulrike Schmid
Die Strategie war von Anfang an, bedingt durch den heterogenen Freundeskreis, dass mehrere Tools parallel genutzt werden, um die Bekanntheit der Kronberg Academy zu steigern, sie im öffentlichen Bewusstsein stärker zu verankern. Die Kultureinrichtung möchte ihre Freunde emotionalisieren und sie für ihr Tun begeistern. Dieser Enthusiasmus soll schließlich in ein Engagement – sei es ein Konzertbesuch, sei es durch Freiwilligenarbeit oder durch finanzielle Unterstützung – münden. „Money-can’t-buy“-Erlebnisse sind den Freunden gewiss.
Welche Social Media-Instrumente werden eingesetzt? Da der Freundeskreis sehr heterogen ist, stand für die Kronberg Academy von Anfang an fest, dass sie parallel über verschiedene Känale sowie in Deutsch und Englisch – im Hinblick auf die (jungen) Musiker, die über die ganze Welt verstreut sind – kommuniziert. Die Kronberg Academy geht dorthin, wo sich ihre potenziellen und bestehenden Freunde befinden.
2: Die Social Media-Instrumente, der Kronberg Academy. U.S.K., Ulrike Schmid
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Da der Einsatz von Social Media allerorts immer noch ein Experimentierfeld ist, hat die Kronberg Academy beschlossen, innerhalb mehrerer sozialer OnlineNetzwerke präsent zu sein. Es musste zunächst ausgelotet werden, welches das für sie am besten geeignete ist. So gibt es eine Präsenz bei StudiVZ, MySpace und Facebook. Fotos werden auf der Foto-Plattform Flickr bereitgestellt, der Social Aggregator Friendfeed erlaubt registrierten Nutzern, gebündelt alle Online-Aktivitäten zu verfolgen, und der Mikroblogging-Dienst Twitter ermöglicht den schnellen Austausch. Im Mittelpunkt der Aktivitäten steht das Blog Kronberg 2.0, um das herum sich die anderen Social Media gruppieren und in enger Beziehung miteinander stehen. Nach einem Jahr Erfahrung haben sich einige der Kanäle als zu vernachlässigende Größen herauskristallisiert, andere wiederum als sehr hilfreich erwiesen. Das sind Twitter, Facebook, Flickr und natürlich das Blog. Diese vier Kanäle sind miteinander verknüpft. Das bedeutet: Neue Fotos, die beispielsweise bei Flickr hochgeladen werden, erscheinen in einer Diashow auf dem Blog, die Blogbeiträge erscheinen automatisch bei Facebook, und auf Twitter wird darauf hingewiesen. Zusätzlich erscheinen all diese Meldungen zusammengefasst bei Friendfeed.
Warum ein Weblog? Das Weblog ermöglicht einen direkten Zugang zur Öffentlichkeit, macht die Kronberg Academy transparent und authentischer. Es ermöglicht, sich mit Lesern auf unkomplizierte Weise auszutauschen und Kontakt zu pflegen. Es werden Geschichten erzählt, die den Weg in die Medien nicht finden: Was erlebt ein Künstlerbetreuer während eines Festivals, welche Erfahrungen macht die Mitarbeiterin, wenn sie die Welt bzw. Musikstudenten über die erstmals stattfindenden Geigen-Meisterkurse informiert. Außerdem werden Interviews mit jungen Künstlern sowie Hintergrundberichte zu Konzerten oder Veranstaltungsankündigungen veröffentlicht. Über diese und weitere Themen schreiben die Mitarbeiter, der Leiter des Studiengangs, die Musiker, die Ehrenamtlichen, aber auch Kronberger Bürger, die in enger Beziehung zur Kronberg Academy stehen, wie etwa Gastfamilien, die die jungen Musiker aufnehmen. Prinzipiell steht das Blog jedermann offen, der in Beziehung zur Kronberg Academy steht und als Autor etwas beitragen möchte. Ein Redigieren seitens der Social Media-Verantwortlichen findet nicht statt. Bislang wurde lediglich in drei Fällen
Ulrike Schmid 219 Die Social Media-Aktivitäten der Kronberg Academy
die eine oder andere Stelle etwas abgeschwächt. Prinzipiell soll natürlich der Schreibstil jedes Einzelnen erkennbar sein – denn das macht gerade den Reiz und die Vielseitigkeit der Themen aus und hält das Blog lebendig.
3: Das Blog der Kronberg Academy www.kronbergzweinull.de
Das Blog eröffnet die Möglichkeit, mal ganz sachlich und dann wieder sehr emotional über das zu berichten, was hier alle tagtäglich tun und warum sie es tun. Es ist vielseitig in der Wahl der Themen und der Autoren. Der direkte Kontakt und der offene Austausch mit der Möglichkeit, jeden Beitrag kommentieren zu können, liegt der Kronberg Academy am Herzen. Gleichzeitig bringen sich die Mitarbeiter auch in den Diskurs ein, indem sie auf anderen Blogs kommentieren. Twitter Der Mikroblogging-Dienst Twitter wird genutzt, um schnell und unkompliziert mit den Freunden in Dialog zu treten und Diskussionen anzustoßen, um auf Blogbeiträge und neue Fotos hinzuweisen sowie Veranstaltungen anzukündigen.
4: Screenshot Twitter-Account: http://twitter.com/KronbergAcademy
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Als Beispiel wie die Kronberg Academy Interaktion und Dialog begreift, soll hier das Beispiel KAtalk kurz erläutert werden. Der KAtalk ist ein Gespräch zwischen einem Twitter-Freund, der einem Cellisten, Bratscher oder Geiger, der in enger Beziehung zur Kronberg Academy steht, Fragen stellt. Dieser Gesprächspartner seitens der Kronberg Academy kann ein Teilnehmer eines Meisterkurses oder Workshops, ein junger Solist oder aber ein Weltstar sein. Der KAtalk findet innerhalb von Twitter statt. Selbstverständlich dürfen auch andere Twitter-Freunde Fragen stellen. Für all diejenigen, die über keinen Twitter-Account verfügen, steht eine sogenannte Twitterwall – eine Internetseite, auf der für relativ kurze Zeit alle Tweets/Meldungen zu diesem Thema erscheinen – zur Verfügung. Soziale Netzwerke – Facebook Wie schon oben erwähnt, ist die Kronberg Academy sowohl bei StudiVZ und MySpace als auch bei Facebook mit Gruppen oder Fanseiten präsent. Da sich mittlerweile Facebook als das sinnvollste Netzwerk herauskristallisiert hat, soll nur auf dieses eingegangen werden.
5: Screenshot: Facebook-Fanseite der Kronberg Academy
Vor allem im Hinblick auf den Dialog mit den Musikern hat sich Facebook bewährt. Viele der jungen Musiker, die an den Projekten der Kronberg Academy teilnehmen, sind dort mit einem Profil vertreten. Auf der Fanseite fließt automatisch das Blog ein, und es werden Fotos eingestellt. Zusätzlich werden Aktualisierungen versendet, die meist Veranstaltungshinweise beinhalten, und Statusmeldungen abgegeben.
Ulrike Schmid 221 Die Social Media-Aktivitäten der Kronberg Academy
6: Screenshot: Statusmeldung mit einer Notiz am Rande
Der Dialog findet nicht nur auf der Fan-Seite statt, sondern mehr noch auf den einzelnen Profilseiten der Fans. Da Musiker sehr viele Freunde innerhalb Facebooks haben, wird der Kronberg Academy dadurch eine hohe Aufmerksamkeit zuteil. Die im Screenshot dargestellten Musiker haben jeweils etwa 500 bzw. 1.000 Freunde. Das bedeutet, dass theoretisch 1.500 Menschen dieses Gespräch über die Kronberg Academy mitverfolgt haben.
7: Screenshot: Dialog über die bevorstehende Teilnahme an den Geigen-Meisterkursen der Kronberg Academy an der Pinnwand eines Fans
Da fast das komplette Kronberg Academy-Team ein Profil bei Facebook besitzt und jeder auch mit Musikern befreundet ist, erfährt die Kronberg Academy, was über sie gesagt wird und kann miterleben, wie sich die Karrieren der jungen Musiker entwickeln. Ähnliches gilt für den persönlichen Kontakt zu den anderen Freunden, der über die Fanseite hinausgeht, wie unten stehender Screenshot zeigt.
222 Ulrike Schmid Kultur 2.0
8: Screenshot: Dialog über eine Konzertankündigung der Kronberg Academy
Flickr Äußerst positiv und erfolgreich ist der Flickr-Account mit teilweise bis zu 1.000 Zugriffen auf einzelne Fotoalben. Gezeigt werden sowohl visuelle Eindrücke von Veranstaltungen als auch Porträts der Künstler, die nach Kronberg kommen, um zu unterrichten und Konzerte zu geben. Mittlerweile gibt es sogar Anfragen von Journalisten, die über den Flickr-Account auf Künstler-Fotos stoßen und diese gerne für Artikel verwenden möchten.
9: Screenshot: Beispiel eines Fotoalbums auf Flickr
Ulrike Schmid 223 Die Social Media-Aktivitäten der Kronberg Academy
Fazit Lernprozess Die Mitarbeiter der Kronberg Academy mussten einen Lernprozess durchschreiten, in dem sie die Grundsätze, Dialogbereitschaft – Geschwindigkeit – Authentizität – Transparenz, verinnerlichten. Standen bis dahin immer die Veranstaltungen und Künstler im Vordergrund, waren es plötzlich sie selbst, die als Autoren und Botschafter die Initiative ergriffen. Die Kronberg Academy bekam ein Gesicht. Eine wichtige Erfahrung war, dass Social Media-Aktivitäten zeitintensiv sind und folglich auch Kosten mit sich bringen. Deshalb musste man sich auf wesentliche Social Media-Instrumente konzentrieren und hat bisher auf den Einsatz von Bewegtbildern verzichtet.
Wirkung und Folgeef fekte Nach einem Jahr Social Media-Aktivitäten wird deutlich, dass das Bewusstsein für die Kronberg Academy und ihre Angebote über die Musikerkreise hinaus eindeutig gestiegen ist. Ein Beweis dafür ist schon der vorliegende Beitrag und die Vorstellung ihrer Social Media-Aktivitäten bei der stART.09. Es wurden neue Freunde gewonnen, mit denen die Kronberg Academy nun in Kontakt steht. Dies zeigt sich einerseits an den Interaktionen bei Twitter ebenso wie bei Facebook und setzt sich fort in den Kommentaren auf dem eigenen Blog und in Blogbeiträgen über die Kronberg Academy.
10: Blogbeitrag über den KAtalk bei Auslassungspunkte: http://auslassungspunkte. wordpress.com
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11: Folgeeffekte der Social Media-Aktivitäten der Kronberg Academy. U.S.K., Ulrike Schmid
Durch Kommentare zu Blogbeiträgen bei Facebook oder durch Antworten bei Twitter ist nachvollziehbar, dass nun Besucher zu Konzerten oder zu Meisterkursen kommen, denen die Kronberg Academy vorher kein Begriff war. Die Begeisterung bestehender Freunde mündet schließlich in Engagement für die Kronberg Academy. Positive Auswirkungen haben die Social Media-Aktivitäten auch auf die Anmeldungen zu Meisterkursen und Workshops. Mündliche Äußerungen, wie „habe ich auf Eurem Blog längst gelesen“ oder „ich schaue mir Eure Tweets regelmäßig an, obwohl ich keinen eigenen Twitter-Account habe“, zeigen, dass die Aktivitäten in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden und Gesprächsthema sind.
Kerstin Schilling 225 Vom bedruckten Papier zum Web 2.0
Kerstin Schilling
Vom bedruckten Papier zum Web 2.0 Die Berliner Festspiele und „Le rendez-vous de Berlin – Das Wiedersehen von Berlin“ (1.-4. Oktober 2009)
Zum 20. Jahrestag des Mauerfalls luden die Berliner Festspiele die französische Gruppe Royal de Luxe ein. Das Straßentheater Spektakel erreichte fast 2 Millionen Zuschauer und gab dem Marketing neue Impulse im Bereich Web 2.0. Seit Ihrer Gründung vor über 50 Jahren haben die Berliner Festspiele internationale Festivals in allen künstlerischen Genres entwickelt. Sie präsentieren die aktuellen ästhetischen Entwicklungen in Theater, Tanz, Musik und Literatur. Die Berliner Festspiele bespielen Orte in der gesamten Stadt, Festivalzentrum ist das Haus der Berliner Festspiele, südlich vom Kurfürstendamm gelegen. Das Alter des Publikums ist je nach Festival durchaus gemischt, der überwiegende Teil entspricht jedoch dem „Hochkulturpublikum“: eher 40plus, gebildet, mit einem hohen Einkommen. Die Auslastung der Festivals liegt zwischen 80 % und 100 %. Wie in den meisten Kulturinstitutionen liegt ein starker Fokus auf Printprodukten. An den gut selektierten Kundenverteiler werden zum Vorverkaufsbeginn Broschüren verschickt. Alle Vertriebskanäle (Internet, Kasse, schriftlicher und telefonischer Vorverkauf) öffnen seit zwei Jahren gleichzeitig. Der Webverkauf wird forciert und steigt stetig an, bei einigen Festivals liegt er über 40 %. Die Website der Berliner Festspiele www.berlinerfestspiele.de dient der Imagebildung, der Information und dem Verkauf. Außerdem werden Rückblicke abgebildet, es existieren Datenbanken über Künstler und Inszenierungen. Die Website ist deutsch/englisch gestaltet, der Martin Gropius Bau präsentiert seine Ausstellungen zusätzlich in italienisch, spanisch und französisch.
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1: Website www.berlinerfestspiele.de
Momentan verfügt die Website über 14.000 aktive Seiten und 20.000 Archivseiten. Erste Schritte im Web 2.0 gibt es bereits, z. B. Trailer für bestimmte Veranstaltungen und Audiobeiträge, die auch auf YouTube eingestellt werden. Im letzten Jahr wurde die Festivalzeitung des Theatertreffens erfolgreich in einen Blog umgewandelt. Auch das Theatertreffen der Jugend verfügt über einen Blog und die Jugendprojekte bieten den Teilnehmerinnen und Teilnehmern eine Community zur Vernetzung.
2: Blog Theatertreffen 2008
Kerstin Schilling 227 Vom bedruckten Papier zum Web 2.0
Die Website der Berliner Festspiele präsentiert alle Bereiche der Berliner Festspiele. Sie ist übersichtlich und funktional gestaltet und wird ständig erweitert. Von 2004 bis 2008 sind die Zahlen von rund 200.000 Besuchern/Jahr mit 2 Millionen Page Impressions auf rund 600.000 Besucher und 4,5 Millionen Page Impressions gestiegen. Im Oktober 2009 wurden diese Zahlen schon überschritten. Allerdings stehen jedes Jahr nur wenige tausend Euro für Erweiterungen des Mediums zur Verfügung, während für Print ein Vielfaches ausgegeben wird. Auch gibt es nur eine begrenzte bis gar keine Strategie für das Web. Viele Dinge entstehen spontan und können umgesetzt werden (wie zum Beispiel das Einbinden von Bildern und Filmen), andere werden in „Aktionismus“ gestartet und sind damit erfolglos bzw. erreichen die Zielgruppen nicht optimal. So befinden wir uns in einem Spannungsfeld zwischen fehlenden Mitteln, der nur schrittweise möglichen Umsetzung von Strategien sowie künstlerischen Leiterinnen und Leitern, die noch stark vom Printprodukt aus denken. Neben ihren Festivals haben die Berliner Festspiele schon immer große und außergewöhnliche Ereignisse nach Berlin gebracht. 2009 lud die spielzeit’europa zum 20. Jahrestag des Mauerfalls die französische Gruppe Royal de Luxe ein. Royal de Luxe arbeitet seit 30 Jahren mit bis zu 15 Meter hohen Marionetten, die weltweit auftreten. Vom 1. bis 4. Oktober waren die 8 Meter große Kleine Riesin in Ost-Berlin und der 15 Meter hohe Große Riese in West-Berlin unterwegs, begleitet von Hunderttausenden von Menschen. Am Nachmittag des 3. Oktober trafen sie sich am Brandenburger Tor, am 4. Oktober fuhren sie in einem Boot die Spree entlang fort.
3: Der Große Riese läuft durch das Brandenburger Tor
228 Kerstin Schilling Kultur 2.0
4 und 5: Die Riesen auf dem Weg durch das Regierungsviertel
6: Nachts am Brandenburger Tor © Alle Fotos: Hans Scherhaufer
Kerstin Schilling 229 Vom bedruckten Papier zum Web 2.0
Für das Marketing der Berliner Festspiele bedeutete dies eine neue Herausforderung. Hier ging es nicht um das Verkaufen von Tickets, sondern um das Erreichen eines Massenpublikums. Wir konnten also nicht mit den herkömmlichen Strategien arbeiten. Deshalb legten wir den Fokus auf Presse, Außenwerbung und Internet. Schnell war das „virale Marketing“ ein Stichwort, ohne dass konkret benannt werden konnte, was sich dahinter verbirgt. Anfangs suchten wir eine externe Fullservice-Agentur, merkten aber schnell, dass uns niemand das Knowhow im herkömmlichen Marketing und zusätzlich dem Web 2.0 bieten konnte. Deshalb beschlossen wir, nur die Pressearbeit und einen Teil des Marketings aus dem Haus zu geben und die Website sowie die daran hängenden Maßnahmen inhouse zu konzipieren. Es war uns auch klar, dass wir dieses Event nicht an die bestehende Website der Berliner Festspiele anhängen konnten, da es völlig andere Bedürfnisse hatte. Deshalb erstellten wir eine eigene Website unter der Domain www.riesen-in-berlin.de. Wir waren sehr spät in der Planung, erst im Herbst 2008 fiel die endgültige Entscheidung für die Finanzierung des Projektes und aus verschiedenen Gründen verzögerten sich die Agenturauswahl, Grafik und Strategie-Entwicklung. Anfang Juni 2009 trat die Compagnie Royal de Luxe in ihrer Heimatstadt Nantes auf und wir veranstalteten eine Pressereise dorthin. Der 9. Juni war der Startschuss für die Marketing-Kampagne inklusive Website. Neben der knappen Zeit gab es noch weitere Herausforderungen. Royal de Luxe ist äußerst zurückhaltend mit Vorabinformationen, so verfügt die Compagnie bis heute über keine eigene Website. Auch kostete es viel Überzeugungsarbeit, um vorab mit Fotos arbeiten zu dürfen. Außerdem hatten wir erfreulich viele Partner und Sponsoren akquiriert, die eine Plattform zur Darstellung benötigten. Der Zeitplan war extrem knapp gestaltet. Im März begannen wir mit der Agentursuche für die Website, Mitte April fiel die Entscheidung für einen Webdesigner, Ende April stand die Konzeption. Nach einem Treffen mit den Grafikern wurde im Mai Typo3 auf unserem Server installiert und wir bereiteten die Seite vor. Am 6. Juni wurden Bilder von dem Auftritt der Gruppe in Nantes über unseren Server eingespielt und so konnte die Site am 9. Juni online gehen.
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7: Startseite www.riesen-in-berlin.de
Kerstin Schilling 231 Vom bedruckten Papier zum Web 2.0
Dass dies in so kurzer Zeit klappte, war einem straffen Projektmanagement und dem guten Zusammenspiel aller Beteiligten zu verdanken. Zu empfehlen ist dies allerdings nicht, die Konzeption und Realisierung einer Website sollte sehr viel mehr Vorlauf haben. Wo aber blieb nun das Web 2.0? Zunächst erstellten wir nur einen Trailer mit Bildern aus Nantes und setzten selbst erstellte Filme vom Auftritt aus Nantes auf YouTube ein. Gleichzeitig erhielten wir von unserer Ticketvertriebsfirma CTS eventim das Angebot, für uns eine Community zu erstellen, um die Website noch stärker zu bewerben. CTS eventim richtete uns hierfür eine Landingpage ein.
8: Community www.riesen-in-berlin.de
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9: Landingpage von CTS eventim für die Riesen
Ebenfalls kooperierten wir mit meinVZ, die uns ein „Brandprofil“ erstellten. Wir richteten einen Twitter für die Riesen ein und eine Person befasste sich ausschließlich damit, Infos für den Feed und die Tweets zu sammeln, zu koordinieren und zu schreiben. Bereits in der Konzeption bemerkten wir, dass es das Schwierigste ist, die digitalen Medien regelmäßig zu bedienen. Wir erstellten einen Zeitplan, der die Aktionen festlegte. Diesen wiederum verbanden wir mit den Presseaktionen und den weiteren Marketing-Tools.
Kerstin Schilling 233 Vom bedruckten Papier zum Web 2.0
10: Profil auf meinVZ
Aktionen waren beispielsweise, Kinder aufzufordern, der Kleinen Riesin ein Bild zu malen. Hier arbeiteten wir mit einer Tageszeitung zusammen. Als Gewinnspiel konzipierten wir einen Fotowettbewerb, der über die Community lief. Eine große Resonanz brachte die Bewerbung als freiwilliger Helfer bei dem Weg der Riesen. Alle diese Maßnahmen wurden über alle Medien (Pressearbeit, Newsletter, Twitter, meinVZ etc. beworben). Über lange Zeit blieben die Nutzerzahlen der Website gering. Wir nutzten den Newsletter der Berliner Festspiele mit über 10.000 Usern als Anschub für einen speziellen „Riesen-Newsletter“. Noch im Sommer waren jedoch nur 3000 bis 4000 Besucher pro Monat auf der Seite. Im August lag die Zahl der Besucher bei 6.500, erst kurz vor dem Event stieg sie an. Die Community entwickelte sich nicht so schnell, wie wir gehofft hatten. Zunächst waren sehr viele datenschutzrelevante Fragen zu klären. Dann gab es technische Schwierigkeiten bei der Installation. Schließlich kam die Community erst Ende August zum Laufen. Über unsere Newsletter sowie die Newsletter von CTS eventim wurde die Community mit Aktionen beworben. Wir hatten allerdings anfangs gehofft, dass sich Menschen auf der Community verbinden, ihre Eindrücke austauschen, Fahrgemeinschaften bilden würden etc. Dies passierte so gut wie gar nicht. Am 21. September führten wir eine Pressekonferenz durch, von diesem Tag an stiegen die Zugriffe an. Die Pressekonferenz wurde per Livestream übertra-
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gen, dabei von rund 300 Personen live gesehen und im Nachgang noch weitere Male abgerufen. Als wir am 28. September die Route der Riesen durch die Stadt veröffentlichten, stiegen die Besucherzahlen der Website schlagartig an.
11: Livestream der Pressekonferenz am 21. September
12: Route der Riesen durch Berlin (veröffentlicht ab dem 28.09.09)
Ein wichtiger Bestandteil war die Zusammenarbeit mit ARTE, die uns als Medienpartner begleiteten. Unter anderem standen Webcams an der Route der Riesen. Außerdem erstellten Videoteams während der gesamten Zeit kurze Filme, die aktuell eingespielt wurden. Von unserer Website aus teaserten wir auf die Aktionen.
Kerstin Schilling 235 Vom bedruckten Papier zum Web 2.0
13: Website arte.tv während des Spektakels
Dann bereiteten wir uns auf die vier Tage des Spektakels vor: Zwei Kolleginnen wurden zum Twittern eingeteilt, ein weiterer überwachte die Community, um auf Kommentare zu reagieren, und es wurden Termine für aktuelle Fotos vereinbart, die u.a. in den Pressebereich eingestellt werden sollten. Die News und Newsletter wurden vorbereitet. Das Spektakel begann am Donnerstag, dem 1. Oktober mit „Vorzeichen“. Ein Anker und ein Geysir erschienen in der Stadt, die Riesen tauchten noch nicht auf. Erst am 2. Oktober wachte die Kleine Riesin vor dem Roten Rathaus auf und lief durch die Stadt. Der Große Riese erschien, aus dem Wasser emporsteigend, als Tiefseetaucher am 3. Oktober morgens. Nachmittags trafen sich beide Riesen am Brandenburger Tor. Am 2. Oktober brach unsere Website unter dem Ansturm der Zugriffe zusammen. Trotz erweiterter Server reichte die Kapazität nicht aus. Wir hatten versäumt, vorab einen Belastungstest durchzuführen. Allerdings hätten wir eventuell weitere Server anmieten müssen, wofür die finanziellen Mittel nicht vorhanden waren. Wir bauten rasch eine „Notseite“ mit der Geschichte, der Route, einem Link zu den Bildern von arte und den Pressebildern sowie einem Hinweis auf Twitter und die Community. Immer, wenn die „Riesen-Seite“ zu viel Ansturm hatte, wurde auf diese Seite umgelenkt. Sie lag auf dem Server der Berliner Festspiele und hatte somit mehr Kapazitäten. Allein am Samstag Vormittag luden sich 40.000 Personen die Route von der „Notseite“ herunter.
236 Kerstin Schilling Kultur 2.0
Zwischen dem 1. und 4. Oktober besuchten 250.000 Personen die Website und es gab 1,7 Millionen Seitenzugriffe. Bei Twitter meldeten sich letztendlich 332 Follower an, darüber hinaus gab es auch eine starke Kommentierung des Spektakels durch andere Twitterer.
14: Startseite www.riesen-in-berlin.de nach dem 4. Oktober 2009
Die Riesen sind später abgefahren, die Website dokumentiert das Ereignis mit Texten, Bildern, Filmen, die Community besteht noch bis Ende des Jahres. Es bleibt die Frage, welche Erkenntnisse und Erfahrungen wir aus dem Einsatz von Web 2.0 ziehen konnten. Insgesamt sind wir uns einig, dass es richtig war, für dieses Ereignis verstärkt auf das Internet und das Web 2.0 zu setzen. Wir haben jedoch auch gelernt, dass eine Seite nur langsam wächst. Letztendlich standen nur vier Monate vom Start bis zur Durchführung des Spektakels zur Verfügung. Die Verknüpfung von Maßnahmen im Web und in allen anderen Bereichen müssen eng verzahnt sein, das Web 2.0 muss ständig „gefüttert“ werden. Eine eigene Community ins Laufen zu bringen ist langwierig. Eine Community ist ein leerer Raum, der zum Hineingehen einlädt. Damit dies möglichst viele Personen tun, muss ein deutlicher „Mehrwert“ geboten werden. Man
Kerstin Schilling 237 Vom bedruckten Papier zum Web 2.0
sollte überlegen, ob man sich nicht besser an eine bestehende Community anschließt. Noch mehr als Print muss das Web 2.0 zielgruppengenau kommunizieren, denn hier geht es nicht um Streuverluste, sondern gegebenenfalls um Peinlichkeiten. Die Kommentare und Verbreitung kann man nicht mehr steuern, im Gegenteil, bei bestimmten Dingen muss man reagieren. So gab es bei uns z.T. Fragen nach der Musik, Kritik an den Absperrungen etc., die wir rasch beantworteten. Eine weitere Erkenntnis ist ein gewisser Kontrollverlust. Die verbreiteten Inhalte kann man nicht mehr kontrollieren. Es muss entschieden werden, ob „unpassende“ Fotos gelöscht werden und ob man mit Kommentaren wie „Höllengeil, das Ganze“ leben kann und möchte. Twitter erwies sich als ein gutes Medium für den Live-Einsatz während der vier Tage. Wir erhielten Feedback von Usern, die sich gut über Twitter informieren konnten, wo sich die Riesen gerade befanden. Das Web 2.0 ist ein zusätzliches, langfristiges Medium, das regelmäßiger Pflege bedarf, idealerweise in mehreren Sprachen. Die Website riesen-in-berlin. de mit allen Bestandteilen (News, Community, ecards etc.) steht in Deutsch und Englisch zur Verfügung. Der Twitter fand ausschließlich auf Deutsch statt. All dies bedeutet, dass zeitliche, personelle und finanzielle Ressourcen zur Verfügung stehen müssen. Die schlichte Frage lautet: „Wer bedient das Web 2.0 mit Inhalten und wer bezahlt es?“. Letztendlich wird man sich von lieb gewordenen Maßnahmen verabschieden müssen, um das „neue Medium“ entsprechend zu bedienen. Auf Print kann in der Kultur auf keinen Fall verzichtet werden. Es muss aber verstanden werden, dass das Internet und seine flankierenden Instrumente nicht einfach nur eine andere Abbildung der Printmaterialien sind, sondern ein eigenständiges Medium mit eigener Strategie und eigenen Inhalten. Dann können die Möglichkeiten des Mediums optimal genutzt und die gewünschten Ziele erreicht werden. Ich wünsche allen viel Glück beim Überzeugen ihrer jeweiligen Intendanten, Direktoren und Festivalleiter.
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Sören Fenner
Ein Beispiel aus der Praxis: theaterblogs.de Seit Ende 2006 gibt es das Weblog-Portal theaterblogs.de. Es vergibt kostenlose Blogs an Theater und Theaterschaffende. Durch seine monothematische Ausrichtung versucht theaterblogs.de, sowohl für theaterinteressierte Menschen, als auch für Theater und Theaterschaffende selbst ein interessantes Kommunikations- und Austauschzentrum mit Web2.0-Technologie zu sein. Inzwischen bloggen ca. 300 „Theaterblogger“ auf theaterblogs.de. Nach drei Jahren Betrieb – im Internet fast eine Generation – fragen wir nun: Wie läuft so ein Portal in der Praxis? Was für Fehler wurden gemacht – was läuft gut? Ein Erfahrungsbericht von Renate Panke und Sören Fenner
1: Portalseite theaterblogs.de
I. Funktionsweise theaterjobs.de ist eine Bloggercommunity mit einem speziellen Thema: Theater. Jedes Mitglied erhält einen eigenen Blog und kann diesen Blog gestalten,
Sören Fenner 239 Ein Beispiel aus der Praxis: theaterblogs.de
wie er/sie es will. Bestimmte Informationen, zum Beispiel der neueste Beitrag, der neuste Kommentar, aktuelle Veranstaltungstermine, aber auch Rankings (meist gelesener Blogbeitrag, meist kommentierter Beitrag usw.) oder Communityelemente („Happy Birthday“ an …, meine Interessen, mein Beruf) laufen auf der Portalseite zusammen. Dadurch hat es der User leicht, sich einen Überblick über die verschiedenen Kommunikations-Angebote der Blogger zu verschaffen. Selbstverständlich hat jeder Blog seine eigene URL und kann daher auch direkt angesteuert werden. Man braucht also nicht über die Portalseite zu navigieren. Aber in einer Kopfzeile über jedem Blog wird darauf verwiesen, dass es sich um einen theaterblogs-Blog handelt. Der Leser wird dadurch angeregt, sich auch andere Theaterblogs anzuschauen. Wie ein Blog im Einzelnen benutzt werden kann und wie man einen Blog schreibt oder gestaltet, kann man am besten im Beitrag von Christian HennerFehr nachlesen. theaterblogs.de basiert auf der Blogsoftware „Wordpress“, die für die spezifischen Zwecke eine Theatercommunity umprogrammiert und erweitert wurde (zum Beispiel für die Veröffentlichung von Veranstaltungsterminen).
II. Grundidee Die Grundidee von theaterblogs.de – und auch das Grundkonzept – wurde von Sören Fenner (theaterjobs.de) zusammen mit Christian Fenner (novamatrix.de) und Renate Panke (pankemarketing.de) entwickelt. Drei Grundgedanken standen im Vordergrund: 1.) Die Meinungshoheit im Web über die eigene Firma/die eigene Person Theater und Theatermacher sind maximal abhängig von ihrer Reputation. Sie haben aber keine Kontrolle darüber, weil viele verschiedene Medien für diese Reputation sorgen, indem sie über die Theaterarbeit berichten. Diese Medien haben wiederum im Web eine sehr hohe Suchmaschinenrelevanz. Wenn ich als Schauspieler oder als Theater meinen Namen bei Google eingebe, möchte ich aber nicht unbedingt eine schlechte Kritik aus dem Berliner Tagblatt als erstes Suchergebnis finden. Sondern lieber etwas, was ich selbst geschrieben oder ausgesucht habe. Wir nennen das die „Meinungsführerschaft im Web über die eigene Firma/die eigene Person“. Weblogs sind maximal geeignet dafür, von Suchmaschinen gut gefunden zu werden. Speziell Weblog-Communities werden aufgrund ihrer starken inneren
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Verlinkung von Suchmaschinen „geliebt“ und daher sehr gut gelistet. Durch die Verwendung eines theaterblogs-Weblogs kann es das Theater oder der Theaterschaffende also relativ mühelos schaffen, zu kontrollieren, welche Inhalte ein User findet, wenn er den entsprechenden Namen bei Suchmaschinen eingibt. Ein ganz praktischer Grundgedanke, der aber für die berufliche Tätigkeit des Einzelnen eine existenzielle Rolle spielt, denn im Theaterbereich gibt es keine „Leistungskriterien“. Der gute Ruf, die Reputation, ist das Wichtigste. 2.) Bühne im Netz Wir wollten Theaterschaffenden und Theatern die Möglichkeit bieten, über die Verwendung von Weblogs einen neuen Raum für ihre Kunst zu finden. Über die Blogs können Videos, Audioformate und Texte veröffentlicht werden, die durch das Internet einer unbegrenzten Zahl von Usern zur Verfügung stehen. Dadurch kann man – ohne die Zwischenschaltung von Entscheidern – sein eigenes Publikum erreichen und vielleicht mobilisieren, in die „echten“ Theaterstücke zu gehen. Außerdem hat man als Theater und als Theaterschaffender über den Blog die Möglichkeit, ständig, von jedem Ort der Welt erreichbar und kontaktierbar zu sein. Ein Riesenvorteil gegenüber früher: Eine Bühne im Netz kann entstehen – und man kann sein Publikum direkt erreichen. Ohne die Infrastruktur eines Theaters. 3.) Kreativer und sozialer Austausch von Gleichgesinnten Durch die Zusammenführung der aktuellsten Beiträge und Kommentare auf der Portalseite als „Schaufenster“ bilden wir die momentanen Stimmungen und Themen ab, die die Theaterszene bewegen. Dadurch können sich – ohne redaktionelle Bearbeitung – Meinungen und Themen durchsetzen, die alle anderen ebenfalls interessieren. Durch weitere Kommentare und durch die Rankings bleiben die spannendsten Themen immer sichtbar und werden so lange weiter diskutiert, bis sich ein neues Thema, eine neue Stimmung etabliert. So werden bestimmte Themen aus den unterschiedlichsten Perspektiven beleuchtet, kontrovers diskutiert, Ratschläge gegeben, beruflich relevante Veränderungen an die Oberfläche gebracht. Die Theaterschaffenden profitieren durch die Erfahrungswelt ihrer Kollegen. Über die Community-Features (meine Ausbildung, meine Theaterarbeit usw.) können die Theaterschaffenden zudem interessante Bekanntschaften machen und Kollegen wiederfinden. Es entsteht ein Gemeinschaftsgefühl.
Sören Fenner 241 Ein Beispiel aus der Praxis: theaterblogs.de
III. Userzahlen theaterblogs.de hat ca. 165.000 Besucher pro Monat mit ca. 820.000 Seitenaufrufen. Das sind ca. 230 Besucher in jeder einzelnen Stunde, egal ob Tag oder Nacht. Damit haben wir unsere Zugriffszahlen in einem Jahr mehr als verdoppelt. Momentan bloggen 330 Theater und Theaterleute über theaterblogs.de. Der aktivste Blog enthält 304 Beiträge, der am meisten kommentierte Beitrag hat 63 Kommentare. Und der am besten besuchte Beitrag hat 12.650 Aufrufe (alle Zahlen aus September 2009).
IV. Finanzierung theaterblogs.de ist eine Tochter von theaterjobs.de, dem größten Theater-Stellenmarkt im deutschsprachigen Raum. Sören Fenner, der Inhaber von theaterjobs.de, übernimmt die gesamte Finanzierung von theaterblogs.de, sodass die Weblogs werbefrei und kostenlos sein können.
V. Blognutzung So viel zu unseren Vorstellungen und Wünschen bei der Konzeption von theaterblogs.de. Aber was ist in der Praxis tatsächlich passiert? Wie werden die Theater-Blogs von ihren Usern tatsächlich benutzt? Wir haben versucht, die wichtigsten Tendenzen zu kategorisieren – hier eine kleine Blog-Typologie: 1.) Präsentationsblogs Ein Großteil unserer Blogger benutzt seine Blogs nicht als „Tagebuch“ (so wie es von der Funktionsweise der Technologie eigentlich gedacht ist), sondern als Präsentations-Webseite. Der Blog wird also relativ statisch zur Wiedergabe von Fotos, Vita, Videos und Audios verwendet. Kommentarfunktionen sind ausgeschaltet, bzw. werden nur für ein „Gästebuch“ benutzt. Und viele Präsentationsblogger arbeiten mit statischen Home-Seiten, sodass nicht der aktuellste Beitrag zuerst sichtbar ist, sondern eine Begrüßungsseite, meist mit Foto. Im Grunde wird hier eine Web 2.0-Anwendung (Senden und Empfangen) für einen Web 1.0-Zweck (nur Senden) benutzt, um eine Homepage zu ersetzen. Vorteil: der Blogger kann seine Web-Präsenz selbstständig aktuell halten, ohne einen Programmierer zu benötigen. Und er präsentiert sich auf einem Portal, wodurch er mehr Traffic auf seine Seite bekommt. Außerdem kann er mit unseren Community-Features (meine Freunde usw.) die Vernetzung und Erreichbar-
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keit gegenüber einer normalen Stand-Alone-Webseite verstärken. Nachteil: Die Möglichkeiten des Web 2.0 werden nicht ausgeschöpft.
2: Präsentationsblog von Franziska Böhm
2.) Emotionsblogs Bei den im Folgenden genannten Beispielen handelt es sich um Blogs, die – so wie es auch eigentlich gedacht ist – für das (un-)regelmäßige Schreiben von Beiträgen über das eigene Leben verwendet werden – meist in Kombination zu einer Darstellung über sich selbst oder die eigene Institution wie bei den Präsentationsblogs. Alle kollaborativen und interaktiven Elemente (z. B. Kommentare) werden genutzt. Wir unterscheiden hier zwischen „Emotionsblogs“ und „Expertenblogs“. Die Emotionsblogs zeichnen sich durch die sehr persönliche und subjektive Erzählweise des Erlebten aus. Kommentare beinhalten oft persönliche Anteilnahme: „ich kann Dich so gut verstehen“ oder „ist mir auch schon mal passiert, lass den Kopf nicht hängen“ oder „ich freue mich so für Dich, herzlichen Glückwunsch“.
Sören Fenner 243 Ein Beispiel aus der Praxis: theaterblogs.de
3: „Emotionsblog“ von Birgit Lange
3.) Expertenblogs
4: „Expertenblog“ von Lukas Jan Reinhard
244 Sören Fenner Kultur 2.0
Die Expertenblogs beschäftigen sich mit aktuellen und kontrovers diskutierten Theater- bzw. Künstler-Spezialthemen, z. B. „Urheberrecht im Internet“. Die Kommentare sind üblicherweise lang, da sich andere Experten zu diesen Beiträgen äußern und normalerweise eine echte Diskussion entsteht. 4.) Aktions- und Kampagnenblogs Unter Aktions- und Kampagnenblogs verstehen wir Weblogs, die genutzt werden, um Theater oder Theaterthemen bekannter zu machen, indem sie die User aktivieren und animieren, sich zu beteiligen.
5: Besucherblog des Hamburger Sprechwerks
Ein Beispiel dafür ist der Blog des Theaters „Hamburger Sprechwerk“. Das Hamburger Sprechwerk hat seit Jahren eine gut funktionierende Web 1.0.-Homepage mit eigenem Content-Managementsystem. Es benutzt theaterblogs.de, um ein Manko auszugleichen: als Off-Theater bietet es sehr viele Produktionen an. Gleichzeitig kann die Hamburger Presse aber nicht über jede Premiere dort eine Kritik schreiben. D.h., das Hamburger Sprechwerk steht mit seinen Produktionen zu selten in der Presse. Also wurde mit einem theaterblogs-Weblog ein „Besucher-Blog“ eröffnet: jeder Zuschauer ist herzlich eingeladen, dort nach Besuch des Theaterstücks eine persönliche Kritik zu schreiben. Das Sprechwerk setzt lediglich die Vorankündigung des Stücks als Beitrag auf den Blog, alles
Sören Fenner 245 Ein Beispiel aus der Praxis: theaterblogs.de
Weitere machen die Zuschauer über die Kommentar-Funktion. Ein Stück bekam bereits 21 Kritiken(!). Ein anderes Beispiel ist der Blog „KSK-bleibt“ (http://kskbleibt.theaterblogs. de). Dort wurden Künstler aufgefordert, sich für oder gegen den Erhalt der Künstlersozialkasse zu äußern. Es wurden über 300 Beiträge geschrieben, die sich mehr oder weniger künstlerisch mit dem Thema beschäftigen. Damit entstand ein Archiv zu einer politischen Kampagne im Theaterbereich.
6: KSK-bleibt-Blog, hier sieht man auch einmal die in I. erwähnte Kopfzeile von theaterblogs.de
5.) Inaktive Blogs Etwa ein Drittel der Theaterblogs bezeichnen wir als „inaktiv“. Ein inaktiver Blog ist für uns ein Blog, der noch nie zum Schreiben verwendet wurde oder der nur einen bis drei Beiträge enthält, die älter als zwei Jahre sind. Das ist für uns Macher wie auch für unsere Leser ein relativ frustrierendes Phänomen und hat offensichtlich damit zu tun, dass wir diesen Service kostenfrei anbieten. Dadurch melden sich desinteressierte Blogger nicht bei uns ab. Wir haben inzwischen begonnen, inaktive Blogs herauszufiltern und die Betreiber anzuschreiben, um herauszufinden, ob weiterhin Interesse besteht, den Blog zu führen. Andernfalls löschen wir die Blogs, denn auch für unsere User ist es sehr unbefriedigend, auf „leere“ Blogs zu klicken.
246 Sören Fenner Kultur 2.0
7: Inaktiver Blog – keine Einträge seit Januar 2009
VI. Bloggeraktivität Wir haben für die stART09 die Aktivität unserer Blogger ausgewertet. Es ist uns aber wichtig, zu betonen, dass es sich hierbei nicht um eine wissenschaftliche Statistik handelt, sondern nur um unsere laienhaften Auswertungen. Hier die Zahlen: Wir haben momentan 330 Theaterblogger. Diese Zahl ist seit einem Jahr konstant, weil wir in einem 3-Monats-Rhythmus unsere inaktiven Blogger auffordern, ihren Blog zurückzugeben, wenn sie kein Interesse daran haben, ihn zu nutzen. Trotzdem sind – nach unseren oben genannten Kriterien von den momentan 330 Theaterbloggern ca. 90 Blogger inaktiv. Von den restlichen 240 Theaterbloggern • schreiben ca. 15 % regelmäßig, mindestens 1 x im Monat • sind ca. 40 % aktive Blogger (d. h. sie haben mehr als 10 Beiträge in
ihrem Blog) • sind ca. 85 % Personen-Blogs (z. B. Schauspieler, Sänger, Dramatur-
gen, Regisseure, Autoren) und 15 % institutionelle Blogs (z. B. Theater, Theaterproduktionen, Ensembles, Firmen) • nutzen ca. 50 % den Blog als Präsentationswebsite, d. h. eher statisch • nutzen ca. 40 % Communitywidgets (z. B Interessen, Berufe, Ausbil-
dung, Freunde)
Sören Fenner 247 Ein Beispiel aus der Praxis: theaterblogs.de
Weiterhin stellen wir fest, dass es über die Kommentar- und Communityfunktionen von theaterblogs.de zu einer regelrechten „Cliquenbildung“ kommt, d. h. es gibt mehrere 4- bis 7-köpfige Gruppen, die sich regelmäßig übereinander informieren und einander kommentieren. Diese „Cliquen“ versuchen, sich auch im „realen Leben“ zu begegnen. So hat es schon einige Initiativen zu „Theaterblogs-Stammtischen“ gegeben, und einige Blogger haben sich aufgrund der Blog-Freundschaft gegenseitig bei Theaterproduktionen engagiert. Bei den oben genannten 15 % regelmäßigen Schreibern handelt es sich übrigens nicht immer um die gleichen Blogger. Es gibt dort regelrechte Wellen, in denen bestimmte Blogger sehr aktiv schreiben und dann wieder monatelang schweigen. Das hat wahrscheinlich mit den spezifischen Arbeitsbedingungen im Theaterbereich zu tun, wo es Phasen der intensiven Theaterarbeit gibt, in denen unsere Blogger kaum oder gar nicht zum Bloggen kommen.
VII. Schwierigkeiten Es gibt drei Bereiche, in denen wir bei der Konzeption ein anderes Bloggerverhalten erwartet hatten: 1.) Technische Probleme Wir haben in der Konzeption bereits einen Großteil der Administrations-Navigation vereinfacht. Aber scheinbar haben trotzdem viele Theaterblogger nicht die Geduld oder auch nicht die Lust, sich mit der Technologie auseinanderzusetzen. Das muss man allerdings tun, sonst bringt das Bloggen keinen Spaß, denn man kann die vorhandenen Möglichkeiten nicht ausschöpfen. Zusätzlich bieten wir noch einen kostenlosen Administrations-Support an und unsere Administratorin Renate steht kostenlos zu normalen Geschäftszeiten auch telefonisch zur Beratung bereit. Und wir haben ein FAQ-System mit Video-Tutorials. Aber trotzdem kommen wir dort manchmal an unsere Grenzen, weil wir natürlich Fragen wie (Originalzitat): „Ich würde gerne den Theaterblock aktualisieren, vor allem aber erst mal aufbauen. Genau hier liegt das Problem; ich weiß nicht wie!“ nicht ohne einen massiven Aufwand beantworten können. 2.) Inhaltliche Probleme: „Worüber soll ich schreiben?“ und „Wie soll ich schreiben?“ Es gibt oft bei Neu-Bloggern einen großen Enthusiasmus über den neuen, eigenen Theaterblog. Leider kommt bei einigen bereits nach dem ersten Beitrag das große Erwachen: Worüber soll ich eigentlich schreiben? Wenn man
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sich diese Frage nicht (möglichst im Vorfeld) beantwortet, wird es oft nichts mit dem eigenen Blog – und solche Blogger werden dann schnell zu „inaktiven“ Bloggern, weil sie sich keine Gedanken darüber gemacht haben, worüber sie schreiben wollen. Für andere wiederum stellt sich – zumindest unserer Meinung nach – die Frage, ob die Art, wie sie schreiben, wirklich ihrer beruflichen Zukunft förderlich ist. Dieses Phänomen haben wir ja, gerade bei jungen Leuten, oft auf Plattformen wie StudiVZ oder Facebook. Dort werden Bilder und Inhalte gepostet, die eher verhindern, dass man danach noch eine schöne Ausbildungsstelle oder einen guten Job bekommt. So ist es auch bei einigen Beiträgen auf theaterblogs. de: Immerhin handelt es sich ja auch bei uns um eine Branchen-Plattform, und es geht um professionelle Darsteller und Theater. Daher stellt sich die Frage, ob das Veröffentlichen von „Knieproblemen“ nicht ein Neu-Engagement eher verhindert als befördert, weil der Spielleiter lieber mit einer Darstellerin arbeitet, die die Probenarbeit nicht eventuell verletzungsbedingt verlässt. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass man – wenn man einen Theaterblog hat – als professioneller Theaterschaffender von der Öffentlichkeit – und zwar von jedem – wahrgenommen werden kann. Die Frage ist, wie man dabei „auftreten“ möchte. Als „Nicht-Schreiber“? Als „Meckerer“ über Theatermacher und Institutionen? Als „Privatperson“ mit Beziehungsproblemen und Knieschmerzen? Hier sehen wir noch einen massiven Aufklärungsbedarf. 3.) Umzug zu/von theaterblogs.de Wir haben leider noch keine technische Lösung dafür, wie man mit seinem Blog „umziehen“ kann. Es gibt viele Interessenten, die ihren Blog woanders begonnen haben und jetzt auf unser Portal ziehen möchten. Aber das ist leider (noch) nicht möglich, da unser Blogsystem sehr stark auf die eigenen (Theater-) bedürfnisse zugeschnitten ist. 4.) Vernetzung wird unterschätzt Ab und zu hören wir (gerade von Bloggern, die einen Präsentationsblog haben) den Satz: „Wenn ich beim nächsten Dreh viel Geld mache, dann kann ich mir ja auch endlich eine eigene Website leisten und brauche Euren Blog nicht mehr“. Für viele fühlt es sich scheinbar emotional besser an, etwas „Eigenes“ zu haben, als sich einem Portal anzuschließen – so wie ein „eigenes Auto“ im Gegensatz zum „Bahnfahren“. Die meisten Web-Kontakte beruhen aber – gerade beim Erstkontakt – auf der zufälligen Begegnung. Und zufällige Begegnungen spielen sich auf Markt-
Sören Fenner 249 Ein Beispiel aus der Praxis: theaterblogs.de
plätzen und Knotenpunkten – eben Portalen statt. Und je monothematischer ein Portal ist – desto größer die Wahrscheinlichkeit, dass ich dort finde, was ich suche.
VIII. Fazit Einiges haben wir mit theaterblogs.de erreicht: Theaterschaffende, Ensembles und Theater können sich dank theaterblogs. de kostenfrei und selbstständig mit einer eigenen, selbst administrierbaren Webpräsenz darstellen. Sie sind damit unabhängig von Programmierern und bestimmen selbst mit, was andere im Internet über sie lesen. Die Suchmaschinenoptimierung von Multiuser-Wordpress-Blogs ist fantastisch, fast alle Blogs werden sehr gut gelistet. Die „Meinungshoheit über die eigene Person“ ist damit erreicht. Ebenso haben wir es geschafft, den sozialen und politischen Austausch in der Szene zu verstärken und das Gemeinschaftsgefühl zu vertiefen. Wir haben erreicht, innerhalb eines Jahres doppelt so viele Menschen für unser Portal zu interessieren. Wir glauben, dass das an der monothematischen Ausrichtung von theaterblogs.de liegt und an unserer starken Administration, die verhindert, dass die Leser unseres Portals „Frusterlebnisse“ haben und lauter inaktive Blogs sehen. Unser regelmäßiger Blogger-Newsletter sorgt dafür, dass die Blogger immer wieder daran erinnert werden, dass sie ja einen Blog haben und dass man dort mal wieder was schreiben könnte. Und unsere Rankings feuern die Blogger dazu an, selbst mal möglichst viele Kommentare zu einem Beitrag zu bekommen oder „Blog des Monats“ zu werden. Was haben wir ansatzweise erreicht? Einen kreativen Austausch haben wir nur ansatzweise anregen können. Unsere Blogger waren in der Vergangenheit stärker daran interessiert, über ihre sozialen Verhältnisse und über Politik zu bloggen, als über ihre Kunst. Wir erleben aber gerade eine Tendenz auf theaterblogs.de, dass sich das ändert: Blogger suchen in letzter Zeit auch den ästhetischen Diskurs. Ein paar Dinge haben wir gar nicht erreicht: Wir sind trotz einer gut funktionierenden Software und einem sehr frühen Markteinstieg nicht über eine Zahl von 350 Bloggern hinausgekommen. Viele Theater und Theaterleute, die jetzt anfangen zu bloggen, wenden sich häufig nicht an uns, sondern wollen lieber einen „eigenen Blog“ (so wie zum Beispiel auch die Duisburger Philharmoniker).
250 Sören Fenner Kultur 2.0
Wir haben es noch nicht geschafft, unseren Kollegen erklären, welche Vorteile es für sie hat, auf einem Portal wie theaterblogs.de zu bloggen. „VernunftGründe“ wie bessere Vernetzung, höhere Besucherzahlen durch die Portalbindung, verstärkte Kommunikation usw. kommen nicht so gut an wie „emotionale Gründe“, etwas Eigenes, Individuelles zu haben.
IX. Und wie geht es weiter? Wir werden konsequent den Weg weitergehen, für das Spezialthema „Theater“ Blogs zur Verfügung zu stellen. Wir werden weiter Theater und Theaterleute überzeugen, lieber auf einem Portal zu bloggen, als im Nirwana des Internets. Wir werden an der starken Administration unseres Portals festhalten. Gleichzeitig werden wir versuchen, die inhaltliche Qualität unserer Blogs durch den inneren Wettbewerb und die Lust am qualitätvollen Schreiben weiter zu erhöhen. Wir müssen uns überlegen, wie wir es schaffen, einen positiven Kreislauf zu initiieren, der auf dem Prinzip „guter Content schafft interessierte User, schafft gute Kommentare, schafft guten Content“ beruht.
Matthias Eichhoff, Michael Schumann 251 Museum 3.0
Matthias Eichhoff, Michael Schumann
Museum 3.0 Die virtuelle Gemäldegalerie Dresden in Second Life
Einleitung Eine innovative Verknüpfung von Web 2.0 und Web 3D stellt die Dresdener Gemäldegalerie Alte Meister in der virtuellen Welt von Second Life dar, die bislang von mehr als 100.000 Internetnutzern besucht wurde. Dieses einzigartige Projekt wird seit mehr als zwei Jahren im Auftrag der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden von der SECOND INTEREST AG Berlin betrieben. Es ist das erste Museum weltweit, das originalgetreu mit allen Exponaten im Internet nachgebildet wurde und von Interessenten aus aller Welt online besucht werden kann, wobei die Besucher sich gegenseitig sehen und miteinander interagieren können.
Virtuelle Welten – die Zukunft des Web 2.0 Das Web 2.0 ist inzwischen hinlänglich bekannt als das „Mitmach-Web“. Die Internetnutzer sind nicht mehr reine Konsumenten von Informationen, die ihnen auf einer Homepage präsentiert werden, sondern haben die Möglichkeit, sich in mannigfacher Form selbst gemeinsam mit anderen einzubringen. Das Wesen des Web 2.0 liegt darin, dass die Internetnutzer selbst Inhalte beisteuern, miteinander kommunizieren und so eine nachhaltige Interessengemeinschaft, eine Online-Community, aufbauen. Die aktive Partizipation der Nutzer führt zu höherer Qualität und Quantität der Inhalte, zu einer größeren Vielfalt und Lebendigkeit, zu einer Form gleichsam „demokratischer“ Kontrolle und auf diese Weise nicht zuletzt – ein besonders wichtiges Merkmal des Web 2.0 – zu einer stärkeren Bindung der Nutzer an das gegebene Thema und die Internetseite, als dies bislang der Fall war. Die technologische Weiterentwicklung des Internets – von höheren Prozessorleistungen und Speicherkapazitäten bis zu größeren Datenübertragungsraten und moderner Software – ermöglicht einen Verhaltenswandel der Internetnutzer, und die Wünsche der Nutzer wiederum treiben den technologischen Wandel voran.
252 Matthias Eichhoff, Michael Schumann Kultur 2.0
Die Tendenz der letzten Jahre, die in der Zukunft eine noch höhere Dynamik erreichen wird, besteht dabei in einer Sichtweise von Internettechnologie als Werkzeug, das den Bedürfnissen der Menschen dient, ihnen den Raum zur Verfügung stellt, ihre Bedürfnisse zu befriedigen und ihre Fähigkeiten zu verwirklichen. Erfolgreiche Internetauftritte müssen daher die Interessen der Nutzer abrufen und sie aktiv einbinden. Diese Interaktion findet u. a. in web-basierenden Social Communities, Wikis, Blogs, durch Web Collaboration-Tools und in Mischformen wie zum Beispiel dem „öffentlichen Tagebuch“ Twitter statt. Soziale Netzwerke wie Facebook und XING mit ihren vielen Millionen Nutzern, das Dienstleistungsportal Flickr zum Austausch von Bildern oder die OnlineEnzyklopädie Wikipedia sind bekannte Beispiele. Experten sehen die Entwicklung dahin gehen, dass „das Internet dank seiner Orts- und Zeitunabhängigkeit sowie den verhältnismäßig geringen Kosten zunehmend die reale Welt virtuell nachbilden“ wird.1 An dieser Stelle kommen als eine Erweiterung des Web 2.0 virtuelle Welten ins Spiel. Virtuelle Welten verwirklichen alle Forderungen an das Web 2.0 in erweiterter und optimierter Form. Das Internet der Zukunft wird dreidimensional und interaktiv sein. Die virtuelle Gemäldegalerie Dresden zeichnet sich für ein Projekt einer öffentlichen Kulturinstitution im Internet als besonders innovativ vor allem dadurch aus, dass sie diese zukünftigen Entwicklungen bereits in vollem Umfang verwirklicht.
Wesen und Nutzerzahlen virtueller Welten Virtuelle Welten stellen weder einen Ersatz für die Realität dar noch ihre Kopie, sondern ihre Erweiterung. In einer virtuellen Welt bewegen sich die Nutzer in Gestalt ihrer dreidimensionalen Repräsentanten, den Avataren, frei durch den Raum, können miteinander sprechen und gemeinsam handeln. Mehr als dies, sie können die virtuelle Welt selbst gemeinsam nach ihren Vorstellungen gestalten. Den Möglichkeiten sind praktisch keine Grenzen gesetzt. Virtuelle Welten haben einen „immersiven“, emotionalen, d. h. qualitativen Charakter, der die Nutzer bindet und den das herkömmliche, zweidimensionale
1 Hirsig, Christian: Vorstand der Atizo AG, im Gespräch mit den Autoren, September 2009
Matthias Eichhoff, Michael Schumann 253 Museum 3.0
Web 2.0-Internet nicht bieten kann. Daher ist die Aufenthaltsdauer in virtuellen Welten um ein Vielfaches höher als auf üblichen Webpages und selbst in sozialen Online-Netzwerken. Über 250 virtuelle Welten im Internet sind derzeit aktiv oder in der Entwicklung mit insgesamt ca. 580 Millionen registrierten Nutzer-Accounts. Bekannte virtuelle Welten sind zum Beispiel Second Life mit etwa 18 Millionen Nutzern, die als bedeutendste Welt für Erwachsene gilt und ein Vorreiter der gesamten Entwicklung war, Twinity, eine in Deutschland entwickelte Welt, die als so genannte „Spiegelwelt“ Städte wie Berlin, Singapur und bald auch London eins zu eins nachbildet, und die Jugendwelt Habbo mit mehr als 100 Millionen Teenagern. Ein besonderes Merkmal virtueller Welten ist das Alter ihrer Nutzer. Nach Angaben des Marktforschungsinstituts KZERO sind im 2. Quartal 2009 mehr als 500 Millionen Nutzer-Accounts von Jugendlichen zwischen 9 und 19 Jahren registriert.2 Diese Altersgruppe wächst unter aktiver Nutzung virtueller Welten auf und wird in der Zukunft von Teenager-Plattformen in virtuelle Welten für Erwachsene wechseln – von denen Second Life, in der die virtuelle Gemäldegalerie Dresden steht, derzeit die bedeutendste ist.
Somit stellt eine virtuelle Kunstausstellung einen natürlichen Ort da, an dem sich junge Menschen mit Kunst vertraut machen können und zugleich
2 Quelle für diese und weitere aktuelle Informationen zu virtuellen Welten: www. kzero.co.uk/blog
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eine faszinierende Möglichkeit, Kunst der nachwachsenden Generation in deren eigenem Medium nahe zu bringen. Die pädagogische Chance besteht darin, in jungen Menschen das Interesse für Kunst durch virtuelle Welten zu wecken und diese dann als Besucher auch in die realen Ausstellungsorte zu führen. Die Möglichkeiten dieser Entwicklung im Zusammenspiel von neuen Technologien, modernem Medienverhalten und innovativer Pädagogik sind derzeit bei weitem noch nicht ausgeschöpft; wir stehen am Beginn einer Revolution in der gesellschaftlichen Durchdringung und Vermarktung von Kunst, die auf eine Aktivierung der Begeisterung gerade auch junger Menschen durch die von ihnen bereits genutzten Medien setzt.
Die Gemäldegalerie Dresden in Second Life Die Gemäldegalerie Dresden in der virtuellen Welt Second Life ist ein interaktives Kunstereignis der dritten Dimension. Alle zentrale Elemente des „Mitmach-Web 2.0“ werden hier um die emotional fesselnde Qualität eines Raumes bereichert, in dem Besucher gemeinsam die weltberühmten Werke Alter Meister rund um die Uhr kostenlos vom ganzen Globus aus besichtigen können. Die reale Gemäldegalerie befindet sich im Dresdener Zwinger. Sie zeigt zahlreiche Hauptwerke der europäischen Kunstgeschichte und kann zu den renommiertesten Sammlungen ihrer Art in der Welt gezählt werden. Die Sammlungsschwerpunkte liegen auf Meisterwerken aus dem 15. bis 18. Jahrhundert, insbesondere der italienischen Malerei, der Hochrenaissance und des Barock sowie der holländischen und flämischen Malerei, hier vor allem aus dem 17. Jahrhundert. Herausragende Werke bekannter deutscher, französischer und spanischer Maler sind ebenso vertreten, dazu Tafel- und Leinwandbilder der italienischen Frührenaissance, nicht zuletzt der jüngst restaurierte „Heilige Sebastian“ von Antonello da Messina. Zu den Höhepunkten der Kollektion gehören Raffaels „Sixtinische Madonna“, Canalettos „Dresden vom rechten Elbufer unterhalb der Augustusbrücke“, Giorgiones „Schlummernde Venus“, Jean-Étienne Liotards „Das Schokoladenmädchen“, Rembrandts „Ganymed in den Fängen des Adlers“ und Tizians „Der Zinsgroschen“. Alle diese Meisterwerke sind auch in der virtuellen Galerie zu besichtigen.
Matthias Eichhoff, Michael Schumann 255 Museum 3.0
Das beeindruckende Raumgefühl des Zwingers wird in der virtuellen Kopie in vollem Umfang vermittelt. Die dichte Hängung der über 750 ausgestellten Gemälde wird in ihrer Wirkung verstärkt durch ihre prunkvollen Goldrahmen vor teils roten Wänden, teils graugrüner Wandbespannung. Über den Hauptplatz, der von den historischen Flügeln des Gebäudes umrahmt wird, schreiten die Besucher der virtuellen Galerie auf einem roten Teppich in die Ausstellungshallen. Bereits auf den ersten Metern begegnen ihnen die dreidimensional gestalteten „Schokoladenmädchen“ – also Figuren aus Gemälden – und es begrüßt sie ein interaktives Terminal mit Informationen über den bevorstehenden Museumsbesuch. Im Eingangsbereich steht den Besuchern ein kostenloser, multimedialer Museumsführer der Firma Acoustiguide zur Verfügung, der an die Anforderungen der virtuellen Galerie angepasst wurde. Mit ihm lassen sich Informationen zu den Kunstwerken in mehreren Sprachen abrufen. Über exakte Replikationen der Treppen und Flure, Räume und Hallen können die Besucher – verkörpert durch ihre Avatare, die spielend leicht mit Maus oder Tastatur zu steuern sind – frei die gesamte Gemäldegalerie mit allen Meisterwerken durchstreifen. Oft tun sie dies in Gruppen, da ein gemeinsamer Museumsbesuch ein besonderes Vergnügen bereitet, aber natürlich stehen dem kontemplativen Betrachter – bzw. seinem Avatar – auch die bequemen Lederpolster zu Verfügung, um sich vor einem Gemälde allein zu vertiefen – wie im realen Museum. Die Kunstwerke sind dabei hoch auflösend und von allen Winkeln aus, die in der Realität nicht zu erreichen wären, zu bestaunen.
256 Matthias Eichhoff, Michael Schumann Kultur 2.0
Selbstverständlich steht auf Wunsch auch ein Museumsführer zur Verfügung, der eine Gruppe durch den Zwinger begleiten kann. Ein Saal ist mit Stühlen ausgestattet und kann für Vorträge genutzt werden. Moderne Präsentationen wie Power Point und Videoclips können an die Wand geworfen werden und so das gesprochene Wort ergänzen. Besucher können ferner einen Audiostream aktivieren, der den Besuch mit klassischer Musik unterlegt. Wem es gefallen hat, der kann beim Verlassen einige Linden-Dollar in eigens dafür aufgestellte Spendenkästen werfen, und so das Projekt oder die Restaurierung eines Canaletto-Werkes unterstützen. Linden-Dollar sind die virtuelle Währung in Second Life, die jederzeit in Euro umgetauscht werden kann. Auch sind die Besucher willkommen, sich in das virtuelle Gästebuch einzutragen – mit Lob oder Anregungen. Im Shop gibt es die Möglichkeit, Kopien der Meisterwerke zu erwerben, um sich oder seine Wohnung innerhalb der virtuellen Welt damit zu schmücken. Mehr als 100.000 individuelle Besucher aus über 35 Ländern haben diese Erfahrung seit Projektbeginn nicht missen wollen. Etwa 2.000 Besucher zählt die virtuelle Gemäldegalerie Dresden pro Monat, die sich dort im Schnitt länger als 30 Minuten aufhalten.
Matthias Eichhoff, Michael Schumann 257 Museum 3.0
Web 2.0 im Web 3D: Die „Friends of Dresden Gallery“ Online-Community Um die virtuelle Gemäldegalerie ist ferner eine internationale Online-Community, die „Friends of Dresden Gallery“3, aufgebaut worden. Es handelt sich dabei um einen Förder- und Diskussionskreis zu allen Aspekten des virtuellen Museums mit derzeit 175 Mitgliedern. An dem Beispiel der „Friends of Dresden Gallery“ zeigt sich, wie Web 2.0 und Web 3D optimal zusammen wirken können. Die intensive Interaktivität innerhalb der virtuellen Welt findet ihren Widerhall in einer aktiven Community einer klassischen Web 2.0-Anwendung, die jedoch im Internet nur einen Mausklick von der 3D-Welt entfernt ist. Die Community bietet sich an, Aktivitäten in der virtuellen Galerie vor- und nachzubereiten, neue Ideen zu sammeln und eine dauerhafte Gemeinschaft Kunstinteressierter zu etablieren. Eine besonders wichtige Funktion der „Friends of Dresden Gallery“-Community ist die strategische Weiterentwicklung der virtuellen Gemäldegalerie. Hier werden Kunstinteressierte, die auch die innovative 3D-Umwelt nutzen, an der Gestaltung der Veranstaltungen, des Designs und der Funktionalität des virtuellen Museums beteiligt. Zugleich wächst mit der Beteiligung die Bindung an das Projekt um ein Vielfaches. Die Nutzer verstehen sich nicht mehr nur als Konsumenten, sondern als verantwortliche Partner, deren Wünsche berücksichtigt werden. Die virtuelle Gemäldegalerie wird so zu einem Teil ihrer aktiv gestalteten Lebenswelt. So rücken zur Zeit in einem internationalen Wettbewerb die beiden kleinen Engel aus Raphaels „Sixtinische Madonna“ in den Mittelpunkt der Aktivität der Mitglieder, die neue Kunstwerke unter Verwendung der Engelchen erschaffen oder einfach ihre persönlichen Eindrücke niederschreiben können, die die beiden in ihnen hervor rufen. Die besten Entwürfe und Beiträge werden von einer Jury ausgezeichnet und in der virtuellen Galerie – neben all den Meisterwerken – ausgestellt werden.
3 http://dresdengallery.ning.com/
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Pädagogische Nutzung und Ausbau: „Alte Meister machen Schule“ Angestoßen vom Wirtschaftsministerium des Landes Sachsen, dessen Vertreter den Stand der SECOND INTEREST AG auf der Games Convention Online in Leipzig Ende August besuchten, entwickelt das Unternehmen in Zusammenarbeit mit den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden und einer Agentur für Schulpädagogik derzeit ein Konzept, wie die virtuelle Gemäldegalerie auch für den Schulunterricht genutzt werden kann. Dazu gehören Schulungen des Lehrkörpers, Durchführung von Unterrichtseinheiten in der virtuellen Galerie zu ausgestellten Werken, Künstlern und Perioden, „Peer-to-Peer-Teaching“ von Schülern für Schüler zum Erlernen von Medienkompetenz und ein kunstpädagogischer Wettbewerb zwischen Schülern und Schulen mit einem attraktiven Preis, der Besichtigung der realen Gemäldegalerie unter persönlicher Führung durch ihren Kurator. Durch das Schulprojekt werden nicht nur die pädagogischen Potenziale der virtuellen Gemäldegalerie genutzt, sondern zudem junge Menschen in jenem Medium mit Kunst in Berührung gebracht, das sie bereits täglich nutzen.
Thilo Reichenbach 259 stART now – Fundrasing 2.0
Thilo Reichenbach
stART now – Fundraising 2.0 Am Beispiel von Aktion Deutschland Hilft
Der TNS-Spendenmonitor geht für 2008 von einem Geldspendenvolumen privater Haushalte in Höhe von 2,8 Milliarden Euro aus.1 Auch wenn derzeit (nur) rund ein bis fünf Prozent der Spenden online akquiriert werden, sind die Zuwachsraten der letzen Jahre doch rasant. Katastrophenhilfs-Organisationen generieren schon heute bis zu 15 Prozent ihrer Spenden online. Hinzu kommen die per Online-Banking generierten Spenden, laut GfK nochmals ca. 15 Prozent des Gesamtvolumens.2 Insbesondere Organisationen, die Katastrophenhilfe leisten, kommen die Merkmale des Internets: Schnelligkeit, Multimedialität und Interaktivität zugute. Denn Spendenaufrufe können binnen kürzester Zeit weltweit über die Website, Blogs, Facebook und Co. verfügbar gemacht werden. Doch auch Kunst- und Kultureinrichtungen können Kommunikationsinstrumente des Web 2.0 – des so genannten „Mitmachwebs“ – nutzen, um zusätzliche Mittel online zu akquirieren und um sich neue Zielgruppen zu erschließen. Online-Fundraising/ Marketing für gemeinnützige Einrichtungen basiert im Wesentlichen auf den Säulen: E-Mail-Marketing, Suchmaschinen-Marketing, Social Media-Marketing sowie Online-Werbung (Banner & Co.) und Online-Kooperationen. Auf die ersten drei Punkte soll im Folgenden näher eingegangen werden, nachdem die grundlegenden Erfolgsfaktoren einer fundraisingorientierten Website erläutert wurden.
I Die Website – Das Herz des Online-Fundraisings Die Website ist das Herz aller Online-Fundraising-Bemühungen, zu ihr führen alle Online-Promotion-Maßnahmen. Gemeinnützige Einrichtungen sollten die Ziele, die mit der Website erreicht werden sollen, priorisieren und quantifi-
1 Vgl. TNS Emnid: 13 Jahre-Spendenmonitor,13_Jahre_Deutscher_Spendenmonitor. pdf, Bielefeld, 2007, Folie 10 2 E-Mail vom 08.10.2009, Lämmerzahl, GfK
260 Thilo Reichenbach Kultur 2.0
zieren, um hieraus messbare Unterziele abzuleiten.3 Erfolgreiche Webauftritte brauchen ein tragfähiges Kommunikationskonzept und müssen überzeugende Antworten zumindest auf folgende Fragen finden:4 An welche Zielgruppe richtet sich die Website? • Welche Ziele sollen mit dem Auftritt – mit welcher Priorität – erreicht werden? • Welche Handlungen sollen auf der Seite ausgeführt werden? • Was hat der Nutzer davon, wenn er die Seite erneut besucht? • Welche Möglichkeit hat der Nutzer zu kommunizieren? • Wie ist der Webauftritt in die übrige Kommunikation der NPO eingebunden?
Will eine Organisation, sei es eine Kunst-/Kultureinrichtung oder eine sonstige Non-Profit-Organisation (NPO), erfolgreich Online-Spenden generieren, hat dies Konsequenzen für die Gestaltung des Webauftritts: Die Website muss für den User relevant und der Spendenprozess ohne Hürden für die Ausführung der Spende gestaltet sein. Fischer betont, dass die Besucher einer Website zu 99,9 Prozent der Zeit auf anderen Internetseiten surfen. Will eine NPO in der begrenzten Zeit, in der sich der User auf der Organisations-Website aufhält, die Chance nutzen, ihn tiefer zu involvieren oder gar zur Spende zu animieren, gilt es, bei der Präsentation der Informationen, unabhängig von der Zielgruppe oder dem Inhalt, grundlegende Aspekte der Usabilty5 zu beachten, denn Besucher entscheiden binnen Sekunden, ob der vorgefundene Inhalt (Content) ihr (Informations-)Problem löst oder nicht. Scheint der Inhalt nicht relevant oder schlecht aufbereitet, bietet die Google-Suche zahlreiche weitere Ergebnistreffer, die lediglich einen „Zurück-Klick“ entfernt sind.6
3 Die Ziele einer Website können vielfältig sein: Aufgabe kann sein: den Informationsbedarf potenzieller Spender zu befriedigen, in der Entscheidungsphase des Spendenprozesses wertvolle Informationen bereitzustellen, als Transaktionskanal zu dienen (Online-Fundraising im engen Sinn) und/oder der Spenderbindung zu dienen. 4 Vgl. Hohn, B., Internet-Marketing, Wiesbaden, 2001, S. 172 5 „Usability oder Bedienbarkeit beschreibt das Ausmaß der Gebrauchstauglichkeit, in dem ein Produkt durch bestimmte Benutzer in einem bestimmten Nutzungskontext genutzt werden kann, um bestimmte Ziele effektiv, effizient und zufriedenstellend zu erreichen.“ Herz, J., Usability, in: Vorlesung Usability an der dda zum Fachwirt Online Marketing, Köln, 2008 6 Vgl. Fischer, M., Website Boosting, Heidelberg, 2006, S. 254ff
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Screendesign: Soll die Website für Fundraisingzwecke genutzt werden, ist eine professionelle Gestaltung notwendige Bedingung für den FundraisingErfolg. Wird der User durch semiprofessionelles Screendesign und schlechte Usability abgeschreckt, ist sie als Fundraising-Instrument nicht nur untauglich, sondern kann zudem imageschädigend wirken.7 Nach Fischer reicht einem Menschen eine zwanzigstel Sekunde, um sich einen ersten Eindruck eines Webauftritts zu verschaffen. Daher rät er zu einer ruhigen, aufgelockerten Optik mit konsistenter Bild- und Textsprache, so dass Nutzer innerhalb weniger Sekunden begreifen können, worum es auf der Seite geht. Das Gesetz der Nähe fordert, dass Dinge, die thematisch zusammengehören auch optisch beieinander stehen. Die Website sollte also in Zonen aufgeteilt und thematisch klar gegliedert sein, dies hilft dem User, sich besser zurechtzufinden. Ist das Grid (Raster/Struktur) zudem symmetrisch aufgebaut, zum Beispiel nach dem goldenen Schnitt/der Fibonacci-Reihe folgend, wird die Website vom Besucher als besonders harmonisch wahrgenommen.8 Eyetracking-Studien zeigen, welche Bereiche einer Website besonders stark beachtet werden: Auf einer Website fallen 70 Prozent der Aufmerksamkeit der Nutzer in die oberen vier linken Regionen (siehe Abb. 1). Aus Fundraisinggesichtspunkten würde es daher Sinn machen, hier einen „Spenden-Button“ aber auch zum Beispiel das Logo der Organisation zu verlinken. Wichtige Seitenelemente sollten entsprechend nicht in den unteren Dritteln einer Seite platziert werden, denn die Region „Unten bzw. Mitte-rechts“ wird am schwächsten beachtet.9
1: Aufmerksamkeit auf einer Website nach Regionen10 7 Vgl. auch Haibach, M., Handbuch Fundraising, Wiesbaden, 2006, S. 143 8 Vgl. u. a.: Fischer, M., Usability und Stickiness, in: Leitfaden Online Marketing, Waghäusel, 2007, S. 189ff 9 Vgl. Scheier, C., Reigber, D., Egner, S., Aufmerksamkeit bei Internet-Nutzern, www. mediaanalyzer.com/site/fileadmin/images/Publikationen/ Artikel/MA_P_AufmerksamkeitInternet_021201.pdf,. o.J., S. 11. (9.10.2009) 10 Ebd.
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Daher ist zum Beispiel auf aktion-deutschland-hilft.de, der Website des Bündnisses der Hilfsorganisationen, im linken oberen „Aufmerksamkeitsviereck“ das – mit der Startseite verlinkte – Logo untergebracht, ebenso wie der rote Spenden-Button. Dieser führt mit der Aufforderung „Jetzt spenden!“ auf das von jeder beliebigen Unterseite mit nur einem Klick erreichbare Spendenformular. Die haptisch wirkende Anmutung des Buttons lädt zum Klicken ein und ist deutlich aufmerksamkeitsstärker als ein einfacher Textlink. Vergleicht man dies mit dem Spendenlink auf der Website der Dresdener Frauenkirche (siehe Abb. 2), fällt auf, dass sich der der Link optisch zwar harmonisch in das Hauptmenü einfügt, allerdings durch mangelnde Hervorhebung in der Navigation untergeht. Wurde auch Großes geleistet bei den Fundraisingbemühungen für den Wiederaufbau der Dresdener Frauenkirche, ist bei den Online-Maßnahmen doch zumindest an dieser Stelle Optimierungspotenzial erkennbar. Klickt man auf „Fördern und Spenden“ – kommt der potenzielle Spender auf eine Seite, auf der viele gute Möglichkeiten angeboten werden zu spenden. Das Online-Spendenformular, das Spenden bequem per Bankeinzug, PayPal oder Kreditkarte ermöglichen würde, fehlt aber. Analoges ist derzeit leider noch für die meisten Kunst- und Kultureinrichtungen in Deutschland zu beobachten.
2: Online-Spenden. Links: Aktion Deutschland Hilft. Rechts: Dresdener Frauenkirche11
3: Links: Beim Museum of Modern Art, New York, fällt der „Support-Button“ als einer von fünf Hauptmenüpunkten auf der Startseite sofort ins Auge. Das Online-Spendenformular erreicht man mit wenigen Klicks. Rechts: Beim Deutschen Museum besteht 11 Vgl. www.aktion-deutschland-hilft.de und www.frauenkirche-dresden.de/, (15.10.2009)
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Nachholbedarf.12 Warum wird der Spenden-Link in der Subnavigation versteckt, wenn das Museum auf Spenden angewiesen ist? Findet der User die Spendenseite, muss er sich die Kontonummer abschreiben und zur Bank gehen. Ein Medienbruch, der im Internet nicht sein müsste und Menschen vom Spenden abhält.
Texten im Web Zahlreiche Studien zeigen, dass Menschen Texte im Web nicht lesen, sondern lediglich scannen. So belegt NIELSEN, dass Nutzer 25 Prozent länger brauchen, um einen Text im Web zu lesen als einen gedruckten Text.13 Die im Web verwendete Sprache sollte daher klar, prägnant und tendenziell einfach sein, damit zu vermittelnde Sachverhalte schnell erfasst werden können. Bilder, die Menschen statt Dinge zeigen, werden eher wahrgenommen und lassen die Website sympathischer erscheinen.14 Zudem bieten sie die Möglichkeit den Blickverlauf (die Fixationen des Auges) zu steuern und so die „natürliche Lesekurve“ zu beeinflussen. Während das geschriebene Wort durch die linke Hirnhälfte erfasst wird, werden Bilder mit der rechten Hirnhälfte wahrgenommen und involvieren den User emotional. Die Ansprache wird so ganzheitlicher. Die Navigation Woher komme ich? Wo bin ich und wohin kann ich gehen? Auf diese Fragen sollte die Navigation überzeugende Antworten geben, sie muss klar und übersichtlich sein. Usability-Experten raten, sieben bis acht Navigationselemente nicht zu überschreiten, da dies die Grenze an Informationen darstellt, die ein Mensch gleichzeitig verarbeiten kann.15 Gelernte Position für die Hauptnavigaton ist die vertikale Ausrichtung auf der aufmerksamkeitsstarken oberen linken Seite. Die Top Navigation wird üblicherweise horizontal unterhalb des Headers positioniert. Abweichungen hiervon sollten gut überlegt sein, da es schnell zu einer Verunsicherung der Nutzer kommen kann. User sollten in die Lage versetzt werden, intuitiv zu erahnen, was sich hinter den einzelnen Navigationspunkten verbirgt. Die exakte Bezeichnung der Links kann daher nicht überschätzt werden. Subnavigationspunkte können, zum Beispiel durch ein Farbleitsystem, klar von den Hauptnavigationspunkten unterschieden werden. Eine so genannte Breadcrumb-Navigation16 auf jeder Seite ermöglicht dem Besucher Navigations-
12 MOMA, http://moma.org und Deutsches Museum, www.deutsches-museum.de/, (15.10.2009) 13 Vgl. hierzu auch: Nielsen, J., How Little Do Users Read, www.useit.com/alertbox/ percent-text- read.html, (5.10.2009) 14 Vgl. Fischer, a.a.O. 2006 15 Fischer, M., im Gespräch, 11/2006 16 Bread-Crump-Navigation = Brotkrumennavigation oder Pfadangabe.
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sprünge über mehrere Ebenen, gibt Orientierung und verbessert so die wahrgenommene „User Experience“ (Nutzungserlebnis). Suche Kommen Besucher nicht mit drei bis vier Klicks zur gewünschten Information oder geben die Hauptnavigationspunkte nicht die gesuchten Informationen, bemühen User meist die, oftmals wenig befriedigende, Suchfunktion einer Website. Gelernte Position für Suche ist die rechte obere Seite unterhalb des Headers. Die interne Suche einer NPO sollte regelmäßig getestet werden, ist sie unzureichend, können nicht-gewinnorientierte Websiten mit der „Google Custom Search“17 einfach und kostenfrei die Google-Suchtechnologie für die eigene Seite nutzen. Vertrauen als Erfolgsfaktor Der Aufbau von Vertrauen gilt als Schlüsselkategorie und Voraussetzung für den Erfolg des (Online-)Fundraisings. Während des Spendenprozesses reicht ein einziger Zweifel – eine unbeantwortete Spenderfrage – um den Spendenprozess zu beenden, der eben noch spendenwillige User ist, nicht selten für immer, verloren. Die Spenden sammelnde Institution sollte daher alles unternehmen, um Zweifel an der Seriosität nicht aufkommen zu lassen. Hierzu gehören die (gesetzlich vorgeschriebene) Anbieterkennzeichnung in Form des Impressums, die einfache Kontaktaufnahmemöglichkeit, genauso wie klare Hinweise hinsichtlich der Sicherheit und des Umgangs mit Spenderdaten.18 Prüfsiegel und Testimonials Zur Beantwortung „unausgesprochener Spenderfragen“ wie: „Wer garantiert, dass meine Spende ankommt?“ sind Prüfabzeichen unabhängiger Dritter hilfreich. Hat eine Organisation zum Beispiel das DZI-Spendensiegel und bringt dies auf jeder Seite des Webauftritts, zumindest aber auf dem Spendenformular, zur Geltung, wirkt dies vertrauenskonstituierend. Auch Testimonials können helfen, Vertrauen herzustellen, es ist daher durchaus sinnvoll, zum Beispiel
17 Siehe: Google Custom Search, www.google.com/cse/ (15.10.2009) 18 Vgl. Fischer, K, Neumann, A., Multi-Channel Fundraising – clever kommunizieren, mehr Spender gewinnen, Wiesbaden, 2003, S. 102ff
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prominente Unterstützer des eigenen Hauses mit Foto und Statements auf der Website abzubilden.19 „Interaction is the key to any charity’s website. Fail to get a visitor to do something, and you may just have lost them forever.“20
Erfolgsfaktor Aktivierung/Involvierung Das Internet wird typologisiert als Pull-Medium. Im Gegensatz zu Radio und TV, bei deren Nutzung sich die Rezipienten eher passiv berieseln lassen, setzt im Internet allein die Navigation von einer Seite zur anderen zwingend eine Willensabsicht und eine Handlung voraus. Die Kommunikation ist demnach eher interaktions- und dialogorientiert. Durch das Hyperlinksystem können thematisch und semantisch verwandte Informationen auf unendlich vielen Wegen miteinander vernetzt und abgerufen werden.21 „Diese grundsätzlich aktive Haltung der Nutzer erklärt, warum sich das Internet sehr gut als Respons-Kanal im Rahmen von Fundraising-Projekten einsetzen lässt.“22 Folgt man der Argumentation Fischer/Neumanns, muss der Inhalt einer Website dem Seitenbesucher einen konkreten Nutzen bieten und im Stande sein, ihn zu aktivieren, zu involvieren und schließlich zur Spende zu animieren. Die Eigenschaften des Internets sind wie die keines anderen Mediums in der Lage, einen hohen Grad der Aktivierung und Involvierung zu begünstigen.23
19 Auf der Startseite von www.aktion-deutschland-hilft.de findet sich das Prüfsiegel des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI). Es signalisiert den verantwortungsvollen Umgang mit Spendengeldern. Die Fotos der „Testimonials“ Steinmeier (Kuratoriumsvorsitzender) und Weizsäcker (Schirmherr) geben Antwort auf die Spenderfrage: „Wer garantiert, dass meine Spende ankommt?“ 20 Fiedler, S. in: Hughes, S./Lincoln, S./Saxton, J., Mission Fish & Institute of Fundraising (Hg.), Passion, persistence, and partnership: the secrets of earning more, www.missionfish.org.uk/downloads/pdf/PPP_research_fullReport.pdf,
03.10.2009,
S. 12, online 21 Vgl. Patolla, B.; Fundraising im Internet: Potentiale – Inhalte – Spenderwünsche, Saarbrücken, 2005. S. 28 22 Fischer, K., Erfolgsfaktoren für das Online Fundraising, in: Arbeitshandbuch für den sozialen Bereich, Hamburg, www.business-wissen.de, 2007, S. 3 23 Vgl. Fischer, K, Neumann, a.a.O. 2003, S. 102ff
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4: Aktivieren, Involvieren, Spenden24
Erfolgsfaktor Multimedialität Neben reinen Text-Botschaften lassen sich in der Online-Kommunikation Bilder, Fotos, Videos, Spiele etc. nutzen. Ist der Rezipient bei den ersten Kontakten mit der Organisation noch wenig involviert, kann versucht werden, sein Interesse über emotionalisierende Bilder und Videos zu wecken. Derart vorinvolviert ist er später eventuell bereit, sich tiefer auf das Anliegen der NPO einzulassen und dieses schlussendlich auch finanziell zu unterstützen. Klickt ein Nutzer beispielsweise in einen bestimmten Artikel oder eine bestimmte Rubrik auf der Website, kann man von einem veritablen Interesse am Inhalt ausgehen und es ist nicht unwahrscheinlich, dass ihn auch „ähnliche Artikel“ interessieren. Daher sollten ihm in jeder Kategorie und zu jedem Artikel auf der Website – wenn möglich – kontextbezogene Informationen, wie passende Publikationen, Videos oder Interviews angeboten werden, dies gibt ihm die Möglichkeit, tiefer in den Inhalt einzusteigen. Videos eignen sich hervorragend, um zum einen weniger involvierten Besuchern der Seite Informationen schnell und einfach konsumierbar darzubringen und zum anderen, um potenzielle Besucher einer Ausstellung/eines Konzertes/ potenzielle Spender emotional zu aktivieren.
24 Ebd. S. 100
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5: Das Museum of Modern Art, New York,25 bietet kontextbezogene Artikel, Videos, Events und Publikationen zu vielen Rubriken. In einer Mediathek hat der Nutzer zudem die Möglichkeit, Diskussionen zu aktuellen und vergangenen Ausstellungen abzurufen.
Erfolgsfaktor Interaktivität: Spielerisch involvieren Eine zentrale Stärke des Internets ist die Interaktivität, User können untereinander und mit Websites/Werbemitteln interagieren. Bilder können bewertet, Texte kommentiert, Videos hochgeladen oder Online-Spiele in Echtzeit mit anderen Internetnutzern gespielt werden. Das Internet ist Respons-Kanal: Eine Spende kann im Medium selbst, über das Spendenformular, oder interaktiver, über „Online-Fundraising-Spiele“ abgegeben werden. Die transparente, eindeutige und prägnante Darstellung der Mittelverwendung und des Spendenzwecks fungiert laut Siegfried Vögele Institut (SVI) als starker Erfolgsfaktor („Verstärker“) in einem Fundraising-Aufruf.26 Aus diesem Grund wird die Hilfe, die mit einer Spende möglich ist, im Fundraising oft über so genannte shopping lists quantifiziert.27 Auch im digitalen Medium lässt sich das Prinzip der shopping list umsetzen: NPOs wie die Welthungerhilfe oder UNICEF aktivieren Nutzer durch spielerische Informationsvermittlung. Im „Feld gegen den Hunger“ kann der Besucher von Welthungerhilfe.de Setzlinge – im Kampf gegen den Hunger – pflanzen und den hiermit verknüpften Betrag spenden; UNICEFs Spendenshop führt 25 MOMA, http://www.moma.org, (10.10.2009) 26 Vgl. Siegfried Vögele Institut: Gestalterische Erfolgsfaktoren, Königstein im Taunus, 2004, S. 76 27 Vgl. Warwick, M.: How to write, 2001, S. 12. Beispiel der quantifizierten Hilfe in einer shopping list: „40 € kosten wärmende Decken für eine Familie, 70 € kosten Nahrungsmittelgebinde mit Mehl, Zucker […] sowie Schul- und Spielmaterial für Kinder 150 €.
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dem Nutzer die Welt der Hilfsgüter vor Augen und nimmt der Spende die Abstraktion, indem er interaktiv aufzeigt, welche Spendenbeträge welche Hilfe zu leisten imstande sind.28 Auch das Online Spendentool des Lingner Schlosses soll an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben. Das Dresdener Schloss ist eines der bekanntesten kulturhistorischen Bauwerke, doch nach über 100 Jahren hat es an Glanz verloren und muss mithilfe privater Spendengelder saniert werden. Das Schloss wurde virtuell visualisiert, um Spendern und Stiftern die Möglichkeit zu geben, via interaktivem Online-Spendentool die Patenschaft für jeden einzelnen Stein des Schlosses und viele weitere Teile des spätklassizistischen Bauwerks zu übernehmen. Im Spendentool sehen potenzielle Förderer jederzeit, welche Bauteile bereits gefördert sind und welche Teile noch fehlen, so wird die emotionale Bindung der Spender an „ihr Projekt“ deutlich verstärkt. Der Förderer bekommt das Gefühl, genau zu wissen, wie seine Spende verwendet wird und was er mit seiner Spende erreicht hat.
6: Das Lingner Schloss in Dresden schaffte es bis dato über 400.000 Euro über ein interaktives Spendentool einzunehmen.29
Allen Angeboten ist gemeinsam, dass der Nutzer sie spielerisch, ohne intellektuelle Anstrengung entdecken kann. Überzeugt ihn die Arbeit der NPO, kann er sie direkt online unterstützen. 28 Siehe hierzu: www.welthungerhilfe.de/2464.html (Feld gegen Hunger) und https://www.unicef.de/spendenshop.html (UNICEF Spendenshop), (10.10.2009) 29 Siehe: Spendentool Lingner Schloss, http://spendentool.lingnerschloss.de/ (10.10.2009)
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II E-Mail-Marketing 60 Prozent der Internetnutzer bekommen wöchentlich bis zu 100 unerwünschte E-Mails. Aufgrund dieser Informationsüberlastung müssen Werbebotschaften erwünscht, persönlich und relevant sein, wollen sie nicht der immer drastischeren Informationsselektion seitens der Empfänger zum Opfer fallen. Dennoch: E-Mail ist die wichtigste Applikation im Netz. 86 Prozent der InternetNutzer haben Newsletter abonniert.30 Die (teilweise) mehrfach personalisierte Ansprache über den Namen sorgt unmittelbar für eine erhöhte Wahrnehmung des Werbemittels, und konstituiert ein beziehungsorientiertes Spendenmarketing.
7: Abgestimmte Bild- und Textsprache in E-Mail-Spendenaufruf31
Ziele der E-Mail-Marketing-Maßnahmen können a) die Spenderbindung oder b) das direkte Einwerben von Spenden sein. Je nach Ziel sollte der Newsletter unterschiedlich aufgebaut sein. E-Mails, die der Spenderbindung dienen, können allerlei Wissenswertes zur Arbeit der Einrichtung enthalten, zeigen wie Spenden umgesetzt wurden und was sie bewirkt haben. Auch Gewinnspiele, Interviews mit Kuratoren und Künstlern oder kostenfreie Downloads zum Beispiel von Bildschirmschonern oder Publikationen sind denkbar. Liegt hingegen ein wirklicher Spendengrund vor, sollten Betreff der E-Mail, Bilder, Texte und die Zielseite, auf die der Newsletter verlinkt, klar aufeinander abgestimmt sein. Ziel ist dann einzig das Spendenformular und die Spende.
30 Vgl. Schwarz, T., Leitfaden E-Mail Marketing und Newsletter Gestaltung, Waghäusel, 2005, S. 8 31 Reichenbach, Thilo, eNews von Aktion Deutschland Hilft, www.online-fundraising. org/index.php?/spender-kommunikation.html, (10.10.2009)
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III Suchmaschinen-Marketing 94 Prozent der Internet-User nutzen das Internet für den Kaufentscheidungsprozess. 85 Prozent der Recherchen/Suchen erfolgen über Suchmaschinen.32 Diese beiden Zahlen begründen, warum fundraisingorientierte Einrichtungen eine möglichst hohe Visibility (Sichtbarkeit) in Suchmaschinen anstreben sollten. Diese Sichtbarkeit kann a) durch Suchmaschinenoptimierung (SEO), das heißt durch bestimmte Techniken und Maßnahmen, die die Verbesserung der Positionierung einer Website zu bestimmten Suchabfragen auf der Suchergebnisseite anstreben, oder b) durch das gezielte Schalten von Anzeigen auf Suchergebnisseiten, verbessert werden. Wertet man das Nutzerverhalten derjenigen Besucher aus, die über Suchmaschinen kommen, wird man leicht feststellen, dass diese einen relativ hohen Grad der Involviertheit besitzen: Sie schauen sich überdurchschnittlich viele Seiten an und weisen eine hohe Verweildauer auf der Seite auf. Organisationen, die im Bereich Suchmaschinenoptimierung/-marketing noch kein Know-how aufgebaut haben, sei dies dringend geraten, denn über Suchmaschinen kommen diejenigen Besucher, die aktiv danach Suchen, was die Einrichtungen anbieten. Relevanter kann (Spenden-)Werbung kaum sein.
8: Google-Anzeige und Zielseite sind eng aufeinander abzustimmen33
32 Vgl. Stülpnagel, P. v., SUMO GmbH, Vorlesungsunterlagen zum Fachwirt Online Marketing, 2008, Folie 3, zitiert nach einer Studie Nielsen Netrating, 2004 33 Reichenbach, Thilo: Anzeige von Aktion Deutschland Hilft, www.online-fundrais ing.org/index.php?/suchmaschinen-marketing.html, eigene Darstellung, (5.10.2009)
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Das Google Grants-Programm34 bietet gemeinnützigen Organisationen die Möglichkeit, kostenfrei Anzeigen im Wert von maximal 10.000 $/Monat in den Google-Suchergebnissen zu schalten. Auch, wenn Kunst- und Kultureinrichtungen sicher nicht das Maß an Spenden über Suchmaschinen einnehmen werden, welches zum Beispiel Organisationen aus dem Bereich der Katastrophenhilfe einnehmen, so erhalten sie doch wertvollen Traffic für die Internetseite, der sich zu gegebener Zeit monetarisieren lässt. Tipps: Es ist ratsam, einen Suchmaschinen-Optimierer über die organisationseigene Seite schauen zu lassen und grundlegendes Know-how in diesem Bereich aufzubauen. Oft reichen schon kleine Änderungen, um deutlich mehr Besucher auf die Seite zu ziehen. Kostenfreie Tool-Tipps zum Entdecken: Yahoo Site Explorer: Gibt Antwort auf die Frage, welche Seiten auf die eigene Seite bzw. die Seiten der Mitbewerber verlinken. Das External Keywordtool verrät, nach welchen Wörtern Menschen bei Google suchen und wie oft sie danach suchen. Googles Webmastertool35 zeigt (fast) alles, was Google über die eigene Website weiß, zum Beispiel über welche Suchworte die Nutzer auf die Seite gelangen.
IV Social Media-Marketing Bestand die primäre Eigenschaft des Web 1.0 noch darin, Usern Informationen lediglich darzubieten, führt das Web 2.0 den Gedanken der Vernetzung konsequent fort: Inhalte werden nicht mehr allein von Unternehmen erstellt und im Netz verbreitet, heute kann sich jeder Internetnutzer binnen Minuten kostenfrei einen eigenen Blog einrichten, Artikel bei Wikipedia einstellen oder aktuelle Tagesnachrichten auf großen Nachrichtenportalen kommentieren, er kann Artikel und Videos erstellen, editieren, bewerten und seine Fotos im Netz bereitstellen (zum Beispiel Auf webnews, Flickr bzw. YouTube). Über soziale Communities (wie XING, MySpace, Facebook oder StudiVZ) vernetzt er sich mit anderen Usern und teilt mit ihnen seine Lieblingsseiten über Social Bookmarking-Portale (mr.wong, del.icio.us etc.). Der heutige Internetnutzer kann seine Meinung so jederzeit und ohne Kosten einem potenziellen Millionenpublikum mitteilen. Er hat so den Wandel vom Nachrichtenkonsumenten hin zum Nachrichtenproduzenten vollzogen. Dieses Rad lässt sich nicht mehr zurückdrehen.
34 Siehe: Google Grants, www.google.de/grants/, (2009) 35 Yahoo Site Explorer: http://siteexplorer.search.yahoo.com/, External Keywordtool: https://adwords.google.com/select/KeywordToolExternal, Googles Webmastertools: www.google.com/webmasters/, (8.10.2009)
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Chancen und Risiken Für viele NPOs und Kultureinrichtungen bedeutet diese Entwicklung einen nicht einfachen und oft mit Unsicherheit und Angst vor Kontrollverlust einhergehenden Paradigmenwechsel der Kommunikation. Gleichzeitig bietet sie aber auch erstmals die Chance auf einen echten Dialog auf Augenhöhe mit offenem zeitnahen Feedback der Stakeholder. Gerade größere NPOs und Institutionen der Hochkultur wirken oft anonym und unpersönlich. Diese Attribute sind Gegensätze zu den Schlüsselfaktoren erfolgreichen Fundraisings: Offenheit, Transparenz, persönliche Ansprache und Vertrauen. Social Media kann ein Weg sein, um diese Distanz zu überwinden, so können Intendanten, Künstler oder Kuratoren Tools wie Blogs, Facebook oder Twitter nutzen, um persönliche Informationen, abseits geschliffener PR-Texte, zu publizieren und Interessierten das Gefühl zu geben, direkt an ihrer Arbeit und ihrem Leben beteiligt zu sein. Die vormals anonym wirkende Organisation erhält ein Gesicht, die Kommunikation wird authentischer und persönlicher. Engagement in sozialen Netzwerken kann zudem ein Weg sein, um neue – insbesondere jüngere – Zielgruppen zu erreichen, da es die Kommunikation dorthin verlagert, wo diese sich aufhalten. Führt dies auch nicht sofort zu Spenden/zur Erhöhung des Abverkaufs von Tickets, so ist doch die Basis für die intendierte Reaktion, die Involvierung und Aktivierung der avisierten Zielgruppe, gelegt. Dennoch: Der Anspruch, dass sich die Investition in Social Media sofort amortisieren müsse, wäre fehlgeleitet. Social Media ist eine klare Investition in die Zukunft und bietet gemeinnützigen Organisationen die Chance, sich den veränderten Kommunikations-Bedingungen anzupassen, sich dem offenen Dialog mit Stakeholdern und neuen Zielgruppen zu stellen, um so die Zukunftsfähigkeit der Einrichtung zu sichern.
Social Media-Nutzung bei den Berliner Philharmonikern Ein äußerst gelungenes Beispiel, wie sich Kulturangebote ins Internet verlängern und sich Social Media-Aktivitäten monetarisieren lassen, geben die Berliner Philharmoniker. Mit der „Digital Concert Hall“ hat das Ensemble ein Novum geschaffen: Mittels fünf HD-Kameras werden pro Saison bis zu 30 Konzerte live ins Internet übertragen und so einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Die Karte für den Online-Hör- und Sehgenuss kostet keine 10 Euro und ist somit auch für Menschen erschwinglich, die sonst nicht zur klassischen Zielgruppe der Philharmoniker gehören. Als Marketing- und Vernetzungsplattform mit Interessierten dient unter anderem ein gebrandeter Videokanal bei YouTube. Bis zu zwei Mal pro Woche erhalten Interessierte dort „einen neuen Ausschnitt [(.), der, A.d.V.)] Konzertaufzeichnungen. Fast 50 Clips stehen bisher
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zum kostenlosen Abruf bereit – darunter Höhepunkte aus dem Brahms-Zyklus mit Sir Simon Rattle sowie Auszüge aus Gastspielen von Claudio Abbado, Daniel Barenboim […] und vielen anderen. Dazu gibt es Interviews und weiteres Bonus-Material.“36 Das Angebot auf YouTube wird konsequent flankiert durch die Kommunikation auf dem Mikrobloggingdienst Twitter37 und der Community Facebook38. Dass diese Angebote angenommen werden, zeigen nicht zuletzt die über 16.000 Facebook-„Fans“, die rege davon Gebrauch machen, mit den Berlinern zu interagieren. Die Online-Maßnahmen positionieren die Berliner Philharmoniker deutlich volksnäher und befreien sie so aus dem Elfenbeinturm der Hochkultur. Dass dies auf Dauer nicht ohne Folgen für den Verkauf an den Abendkassen und der Online Tickets bleibt, scheint evident.
9: Links: Konzert in der „Digital Concert Hall“ der Berliner Philharmoniker. Rechts: Promotion der Concert Hall und des YouTube-Kanals auf dem „140-Zeichen-Blog“ Twitter
Nutzung externer Fundraising-Portale: Betterplace & Helpedia Während bei Facebook und twitter eher der Aufbau einer Community und der Dialog mit dieser im Vordergrund steht, geht es bei Plattformen wie Helpedia oder Betterplace39 in erster Linie um das direkte Einwerben von Spenden. Durch die einfache Handhabung bieten beide Plattformen auch kleineren kulturellen Einrichtungen die Möglichkeit, professionelles Online-Fundraising zu
36 O.V., Social Media – Facebook, YouTube und Twitter, www.berliner-philharmoniker. de/medien/social-media/, (8.10.2009) 37 O.V.,
Berliner
Philharmoniker
auf
twitter,
www.twitter.com/berlinphil,
(10.10.2009) 38 O.V., Berliner Philharmoniker auf facebook, www.facebook.com/BerlinPhil, (13.10.2009) 39 Helpedia: www.helpedia.de sowie Betterplace: www.de.betterplace.org, (8.10.2009)
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betreiben, selbst, wenn es an einer organisationseigenen Lösung zur Zahlungsabwicklung und technischen Vorkenntnissen mangelt. Auf Betterplace.org haben neben gemeinnützigen Organisationen auch private Initiativen die Möglichkeit, Projekte einzustellen, für die Spenden gesammelt werden sollen. Eine Summe zur Realisierung eines Gesamtprojektes wird auf Betterplace in mehrere „Bedarfe“ unterteilt, so bekommt der Spender das Gefühl genau, zu wissen, wofür er spendet. Die Projekte auf Betterplace sind sehr unterschiedlich, sie gehen von einem 16-seitigen Festivalkatalog, für dessen Finanzierung eine Kultureinrichtung 800 Euro Spenden sammeln muss (siehe Abb. 10), bis hin zum „Health Kit“ einer Hilfsorganisation, mit dem die medizinische Versorgung tausender Menschen gewährleistet wird. Neben Privatspendern setzt Betterplace auch auf Unternehmensspenden. Die Einstellung gemeinütziger Projekte ist für NPOs kostenfrei, Betterplace finanziert sich vor allem durch Entgelte von Unternehmen, die ihr gesellschaftliches Engagement (Förderung der Betterplace-Projekte) auf der Plattform kommunzieren. Betterplace versteht sich selbst als „CSR 2.0 Pionier“.
10: Filmfestival sammelt auf Betterplace Spenden für den Druck eines Katalogs40
Das Start-up Helpedia.de befindet sich zwar noch im Aufbau, doch die Web 2.0 Fundraisingplattform weist mit Firstgiving.com und Justgiving.com zwei äußerst erfolgreiche Pendants im angloamerikanischen Raum auf. Allein auf der letztgenannten Plattform haben zum Zeitpunkt des Verfassens dieses Artikels mehrere Hunderttausend Spendensammler über acht Millionen Menschen
40 5. Globian Doc Fest Berlin, http://de.betterplace.org/projects/1086-5-globiansdoc-fest-berlin, (10.10.2009)
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dazu bewogen, über 530 Millionen Pfund für den guten Zweck zu spenden. Und täglich kommen knapp eine Million Pfund hinzu …41 Helpedia bietet gemeinnützigen Organisationen die Möglichkeit der kostenfreien Präsentation ihrer Projekte. Engagierte Menschen können sich eines dieser Projekte zu eigen machen und dafür mit einer selbst initiierten Aktion Spenden sammeln. Auf seiner persönlichen Fundraisingseite kann der „Aktivist“ seine Aktion beschreiben, Fotos veröffentlichen und mit seinen Unterstützern kommunizieren. Über einen Spendenfortschrittsbalken ist jederzeit ersichtlich, wie viel Geld noch aufgebracht werden muss, um das geförderte Projekt zu realisieren. Vom Marathonlauf, bei dem jeder Kilometer von Freunden und Bekannten gesponsert wird, bis hin zur Geburtstagsfeier, bei der Freunde um eine Spende für jedes erreichte Lebensjahr gebeten werden, sind alle Aktionen denkbar. Das besondere an Helpedia ist, dass die Aktivisten, die eine Aktion, ausschließlich zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung einstellen, Empfehlungsmarketing par excellence betreiben, denn um ausreichend Spenden zu sammeln, sprechen sie ihre Familien, Freunde und Bekannte an und werden so zum Botschafter der Kultureinrichtung/der Hilfsorganisation. Helpedia bietet somit gerade jungen Menschen, die nicht über das Einkommen verfügen, große Spenden zu leisten, ein niedrigschwelliges Angebot, sich für eine gute Sache zu engagieren.
11: Aktives Spendensammeln für ein Kunstsymposium in Afghanistan42
41 Gespräch mit Helpedia Geschäftsführer Sebastian Schwiecker, (18.09.2009) 42 Siehe: www.helpedia.de, (7.08.2009)
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Ein Wort zum Schluss Erst die Pflicht, dann die Kür. Organisationen sind gut beraten, zuallererst die Grundlagen für ein erfolgreiches Online-Fundraising zu legen, bevor sie soziale Netzwerke zu sehr in den Fokus rücken. Hierzu gehören: • Professionelle Website mit einer einfachen Möglichkeit zur Online-Spende • Implementierung von E-Mail-Marketing für Fundraising und Beziehungspflege • Grundsätzlicher Know-how-Aufbau im Bereich Suchmaschinen-Marketing • Implementierung einer Tracking-Lösung, um den Erfolg/Misserfolg aller Online- Fundraisingmaßnahmen zu messen
Die Plattformen Helpedia und Betterplace bieten gerade auch kleineren (Kultur-)Einrichtungen die Chance, Online Spenden zu generieren. Das Social Media-Engagement auf Facebook, MySpace oder in den VZ-Netwerken bedeutet allerdings ungleich viel mehr Arbeit, benötigt klare Strategien und gehört daher eher zur Kür als zur Pflicht. Im Internet ist (fast) alles messbar, daher ist es unabdingbar, den Erfolg jeder einzelnen Maßnahme zu messen. So dürften wohl die meisten Spendenwerbungsversuche zum Beispiel über Online-Banner fehlschlagen, wer aber nicht misst, ist auch nicht in der Lage, zu prüfen, welche Maßnahmen funktionieren und welche nicht. Messen ist daher Pflicht.
Heinz Koch 277 Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0
Heinz Koch
Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0 Wie macht das ein kleines Theater, was kostet’s und was bringt’s?
Es gibt allein in der Gruppe der Privattheater im Deutschen Bühnenverein rund 80 Theater. Und keines ist wie das andere. Jedes dieser Theater ist ein Solitär. Manche sind größer als ein durchschnittliches Stadt-Theater. Das AuGuSTheater Neu-Ulm ist eines der allerkleinsten, betrieben als GbR von zwei Theatermachern mit einem Jahresetat, der geringer ist als das Gehalt so manches Intendanten. Weil dieses Theater so klein ist, kann es Vieles, was größere Theater nicht können. Dazu gehört, sich flexibel aller möglichen Kommunikations-Kanäle zu bedienen, ohne auf Hierarchien und Kompetenzen Rücksicht nehmen zu müssen. Andererseits ist es, weil es so klein ist, gezwungen, alle möglichen Kommunikationskanäle zu nutzen. Laut WaybackMachine existiert die Domain „theater-neu-ulm.de“ bereits zehn Jahre und sechs Monate. Mit dem Internet wurde der Theaterleiter schon konfrontiert, bevor das World Wide Web seinen Siegeszug antrat. Schon damals war zu ahnen, dass das neue Medium Möglichkeiten eröffnen würde, die es unbedingt zu nutzen galt. Dabei dachten wir nicht an Ziele und Zielgruppen, nicht in erster Linie. So ganz klar war uns nicht, warum so ein kleines privates Theater im Internet herumgeistern sollte, wozu das gut sein könnte, was es „bringt“, ob es etwas kosten würde und wie viel. Wir spürten nur, dass lineares Denken ohnehin immer mehr obsolet werden würde und ahnten immer mehr, dass nichtlineare Dynamik unser Denken und Handeln beeinflussen müsste. Ob Theater und Web 2.0 überhaupt zusammen passen? Wenn ich auf der Bühne den Petruccio spiele und mir die widerspenstige Katharina eine knallt, wem tut es weh? Mir? Oder dem Petruccio? Meine Wange wird rot. Und wenn die Katharina vergessen hat, einen Ring vom Finger zu ziehen, platzt meine Haut überm Jochbein auf. Ich blute, Petruccio blutet auch. Wie reagiere ich? So wie einstudiert? Oder schlage ich im Affekt zurück? Was ist hier Realität? Was ist imaginär? Virtuell?
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Ist mein Petruccio weniger real als die Luise Haeberle, als die wir twitternd im Netz unterwegs sind? Ist die Luise Haeberle eine weniger erlaubte Kunstfigur als Hape Kerkelings politisierender Journalist Horst Schlämmer? Theatermacherei ist Spiel. Wer spielt, lebt. Ich behaupte, auch in der virtuellen Welt greifen all die Faktoren, die unabänderlich zur alltäglichen Realität von off-Künstlern gehören: Man braucht Herzblut ohne Ende, eine hohe Frustrationstoleranz, Idealismus bis zum Abwinken, viel Handwerkszeug in verschiedenen Zünften – anders ausgedrückt: Power, Potential und Passion. Viele lächeln da nur müde. Auf der stART09 ging es in den Vorträgen und bei den Diskussionen, on und off, auffällig oft um „Nutzen“, „Märkte“, „Grenzkosten“, „Wertschöpfung“, „Geschäftsmodelle“, „Wettbewerbssituationen“. Es wurden viele Daten und Fakten genannt, Kostenrechnungen vorgestellt, Strategien zur „Kundengewinnung“ vorgeschlagen. Da kann ich nicht mithalten. Theatermacherei an sich, so wie ich sie verstehe, ist zunächst mal anders orientiert. Um im Jargon zu bleiben: Mir geht es in erster Linie um „Content“ beim Theatermachen. Im Netz bin ich dann nicht primär unterwegs, um Besucher zu gewinnen. Ich suche Informationen, Anregung, Impulse. Ich tausche mich mit anderen aus und gebe dann auch Informationen weiter. Mein Vorteil: Ich muss im Prinzip nur mit mir identisch sein. Und dabei darf ich fragen: „Wer bin ich und wenn ja wie viele?“ Corporate Identity? Erscheinungsbild? Web-Auftritt? Das sind Fragen für größere Organisationen. Da muss geklärt werden, wer unter welchem und in wessen Namen twittert, bloggt und facebookt. Plötzlich schlägt die weiter oben geschilderte zeitweilige Überbürdung in puncto Engagement in einen Vorteil um. Ich agiere, entscheide, mache. Ich kann reagieren, wenn ich will, und es lassen. Ich bin aktuell – oder auch langsam (wobei ja das Theater ohnehin ein langsames „Medium“ ist). Letztlich bin ich autonom (so weit man das überhaupt sein kann) und vermeide Fremdbestimmung. Ich muss nicht arbeitsteilig jobben, sondern mache „meine“ Arbeit. Ich bin der Schwager der Kollegin, die in ihrem Facebook-Profil gesteht: „Ich bin mit meinem Beruf verheiratet.“
Heinz Koch 279 Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0
Ein Korb voller of fener Fragen Die ganze Welt ist eine Bühne? Auch die virtuelle Welt? Ist der Künstler rund um die Uhr Künstler, egal, was er macht? Kann ein Schauspieler auch in der virtuellen Welt ein Künstler sein, ohne als Sprechmaschine einen von einem anderen irgendwann verfassten und nun von ihm auswendig gelernten Text (in einer Rolle/auf einer Bühne) wiederzugeben? Ist als „Theater“ zu benennen, wenn ein Theatermacher die Idee in die Welt setzt, es müsse „Theater auf Krankenschein“ geben, als Präventionsmaßnahme oder als Therapie für Depressive, Motto „Lachen ist gesund“. Ist es falsch, ausschließlich dann von „Theater“ zu reden, wenn ein Mime vor einer gewissen Anzahl vor ihm sitzender oder stehender Personen seine Faxen macht? Ist ein Podcast über einen solchen Abend Kunst? Muss die Krankenkasse zahlen, wenn eine Audio-Slideshow 33.000 Mal angeklickt wird und positiv kommentiert wird à la „Hab mich totgelacht“. Ist das Präsentieren von Videos auf YouTube Teil einer Marketingstrategie? Hat der Facebook-Auftritt eines Theaters einen Wert, auch wenn er nicht bestimmten Ansprüchen des Feuilletons genügt? Ist die Homepage des Theaters im World Wide Web nichts, mit dem man sich heute noch brüsten könnte, weil absolut selbstverständlich und als einzige Präsenz im Netz zu wenig? Kann Twittern mindestens den Flyer ergänzen, ihn sogar ersetzen? Hat ein Regiekonzept etwas auf einem Blog zu suchen? Ist einem Schauspieler, der schon den Rezensenten, den Hund, totschlagen möchte, zuzumuten, die Publikation womöglich negativer Publikumsstimmen im Internet zu ertragen? Kann man sein Herzblut vergießen im Konnex mit unendlichen Zahlenfolgen von 0 und 1? Ist ein PC eine Bühne? Ist ein Mensch vor dem PC ein Publikum? Ist der PC mehr als eine anders geartete Postkarte und keineswegs nur dazu da, mehr und anderes (jüngeres, web-affines) Publikum für den dunklen Ort zu rekrutieren? Gibt es womöglich noch ganz andere Aspekte, die es sinnvoll erscheinen lassen, Zeit, Gehirnschmalz, Energie, Ideen und Geld in die Arbeit mit den eMedien zu investieren?
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Ist es zu kurz gesprungen, den Online-Ticket-Verkauf als das Höchste der Gefühle anzusehen? Ist das Vernetzen in Communities für die alltägliche Arbeit von Nutzen und alles andere als überflüssig? Bringt das Chatten mit Kolleginnen und Kollegen oder das Bloggen einen Mehrwert? Hat die Theorie von der Schwarmintelligenz tatsächlich etwas für sich? Gibt das Lesen von Blogs und der zugehörigen Kommentare überhaupt etwas her für selbstproduzierende Theatermacher? Versucht man, alle gestellten Fragen mit „JA“ zu beantworten, findet man schneller Antwort auf das gestellte Thema: „Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0 – wie macht das ein kleines Theater, was kostet’s und was bringt’s?“
Goethe und Schiller im Schilde führen, aber surfen… Googeln Sie doch, bitte, mal den komischen Begriff AuGuS. Ergebnis? Erster Platz (bei ungefähr 805.000 Treffern in 0,37 Sekunden): AuGuS-Theater NeuUlm. Jaha! Nicht wahr? Und was heißt das – AuGuS? Es hat nix zu tun mit nem dummen August; es hat auch nichts mit Kühen zu tun (dumm oder nicht dumm, aus Argentinien oder sonst woher). Was heißt also AuGuS(-Theater)? Welchen Namen gibt man einem Theater, das man in einer Zeit des Theater-Sterbens (vor 15 Jahren) neu gründet, nachdem man viele Jahre abhängig beschäftigt, fremd bestimmt (heteronom) war. Man will selbst bestimmt sein: Autonom! Und wer soll der „Schutzpatron“ dieser Neugründung sein? Tabori, Dario Fo, Tom Waits oder Woody Allen, die Verehrten, denen man nacheifert (die aber als noch Lebende nicht in Frage kommen)? Einer aus dem Club der toten Dichter also? Der Namensgeber eines vom Schließen bedrohten Hauptstadttheaters, Schiller, der alte Schwabe? Oder sein Gegenspieler (nicht nur zu beider Weimarer und Jenaer Zeiten), Goethe, der Janusköpfige? Beide! Natürlich beide! Also „Autonomes Goethe und Schiller-Theater“. (Foto links: Denkmal der beiden Namenspatrone in Weimar, fotografiert vom Autor Heinz Koch) Alte Namen, neues Theater. Und diese Bühne schwebt nun zwischen traditioneller Kunst und virtueller Welt.
Heinz Koch 281 Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0
Das AuGuSTheater, ein kleines, privates Profi-Theater, hat natürlich eine Website, von Anfang an, wie oben geschildert, wurde sie fast gleichzeitig mit dem Start des World Wide Web eingerichtet. Und auf dieser Website veröffentlicht das Theater gerade unter anderem seinen Spielplan zum Beispiel mit dem Premierentermin für den Comedy-Thriller „Die 39 Stufen“ (nach Alfred Hitchcocks Weltruhm begründendem Streifen von 1935) einschließlich der mit der jeweiligen persönlichen Homepage verlinkten Namen der Darsteller. Der Regisseur Daniel Witzke aus Hamburg, der sich auf ein Inserat in „theaterjobs. de“ hin beworben hatte, orientiert sich nach ersten per Mail bewerkstelligten Absprachen über die Konditionen des möglichen Engagements in seinen Theaterferien in Orlando/Florida (USA) auf der Website des Theaters und schreibt eine Mail unter anderem: „Eine sehr sympathische Besetzung für ,Die 39 Stufen‘, wie ich finde.“ Er hatte im Netz neben ersten Informationen fürs Publikum nicht bloß die Namen der für diese Produktion engagierten Darsteller sehen können, sondern war beim Betrachten der verschiedenen Homepages auf die künstlerischen vitae auf die Listen früherer Engagements, auf ganze Fotoalben und Demovideos gestoßen. So hatte er weitere Grundlagen, die ihm halfen, sich zu entscheiden. Alle (ebenfalls nach Ausschreibung über „theaterjobs.de“ gecasteten) Auswärtigen haben ihre Wohnung für die Zeit ihres Engagements über das kostenlose „studenten-wg.de“ oder ein ähnliches Portal gefunden. Hatte der Theaterdramaturg das Stück durch eine Message von Google-Alert zum Stichwort „Theater“ gefunden, so war der Text dann vom Verlag per PDF-Datei zum Lesen übersandt worden. Die am PC gefertigte Strichfassung des Text-„Buches“ wurde den Darstellern auch per Mail zugestellt.
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Eine andere Geschichte: Der Öffentlichkeitsarbeiter des AuGuSTheater geht unabhängig von den oben geschilderten Abläufen seiner Arbeit nach und veröffentlicht auf diversen Internet-Portalen Daten und Informationen zu den laufenden Produktionen und zu verschiedenen Vorhaben. Da erreicht ihn eine automatisch erstellte Nachricht des Portals „Myheimat“: Der Bürgerreporter Jürgen W. aus dem 600 Kilometer entfernten Peine hat einen Kommentar gepostet zu der vom AuGuSTheater auf „Myheimat“ (Ausgabe Günzburg) veröffentlichten Ankündigung über den Heinz Erhardt-Abend. Hauptinhalt der Seufzer: „Ja, in Günzburg müsste man wohnen!“ Die flapsige Replik „Na komm, was ich da über Peine finde, klingt aber auch nicht schlecht“, beantwortet Bürgerreporterin Karola M., ebenfalls aus Peine, so: „…aber keine Heinz Erhardt-Abende, ist mir jedenfalls nicht bekannt.“ Nach weiterem Wortwechsel verspricht Karola: „…ich werde mal eine Kopie von eurer Internet-Seite dem Kulturring zukommen lassen;-)) vielleicht wird’s was, wäre ja cool.“
Schöne Momente beim Facebook-Lesen Auch auf „Facebook“ erlebt der Öffentlichkeitsarbeiter und Webmaster unseres kleinen privaten Profitheaters schöne Momente: „Habe mal ein bisschen eure Homepage durchstöbert. Mir gefällt euer Theater sehr gut! Vielleicht schaffe ich es mal, mir ein Stück von Euch anzusehen. Ist zwar nicht ganz in meiner Nähe, aber dennoch würde es mich sehr interessieren“, schreibt eine Schauspielerin, die gefragt hatte, warum ich ihr die Facebook-„Freundschaft“ antragen wolle. Na, weil sie auch Mitglied der „Schauspieler Community“ sei, hatte ihr das kleine private Profitheater geantwortet und dann weiter begründet: „Wir denken halt, dass es gut ist, mit einer größeren Anzahl von Kolleginnen und Kollegen vernetzt zu sein. Dafür tun wir viel. Das ist aus den Links auf unserer Profilseite ersichtlich. Ein positiver Nebenaspekt ist, dass, wenn wir Vakanzen zu besetzen haben, wir für viele alles andere als ein unbeschriebenes Blatt sind. Wenn wir dann unsere Pläne verkünden, können sich Interessierte gleich melden. Auf der anderen Seite kennen wir die Interessierten dann auch schon ein wenig. Auditions (Vorsprechen, Castings) törnen uns nicht soooo an. Deshalb also unsere Mitgliedschaft in diversen einschlägigen Communities. Was dann passiert, wird man sehen. Etliche ,FreundInnen‘ haben wir auch schon in real life getroffen, von Wien bis Essen. Und so manche(r) hat sich zu uns ins Theater aufgerafft. Verschiedene, die bei uns engagiert waren, treffen wir im Netz wieder und halten so Kontakt.“
Über so was muss die zur mobilen Generation gehörende Kollegin noch gar nicht nachgedacht haben. Was sie dann antwortet, klingt überrascht:
Heinz Koch 283 Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0
„Ich finde, dass das eine fantastische Idee ist, auf diesem Weg Interessierte kennenzulernen. Wenn man dann auch noch die Möglichkeit hat, sich persönlich zu treffen, ist es natürlich optimal. Beim Vorsprechen ist man immer in einer Extremsituation und setzt dadurch manchmal einiges in den Sand. Ich bin davor immer viel aufgeregter als jetzt bei den Vorstellungen… Deshalb bin ich auch entspannter, wenn ich jemanden vorher schon kennenlerne. Ich habe gelesen, dass man in der KSK sein muss, um bei euch engagiert zu werden…Leider hatte ich bisher nicht die Möglichkeit dazu. Aber wer weiß, was die Zukunft noch bringt! Ich werde auf jeden Fall meinen Kollegen auch von Euch berichten. Die finden das bestimmt auch klasse.“
Fast zur gleichen Zeit posten zwei Musical-Darstellerinnen über die Kommentarfunktion auf der Facebook-Profilseite einer der beiden für alle lesbar diesen Dialog (auszugsweise): Kollegin R.: „Spielst Du am Landestheater…? Die zahlen doch so wenig (hab ich mir sagen lassen).“ Kollegin M.: „Nee, mein Freund wohnt im Allgäu!!! :-)Deshalb bin ich immer wieder da. Muss mich aber mal schlau machen und mal sehen welche Theater in der Umgebung Gäste engagieren und wie man an die Auditions kommt…“ Kollegin R.: „Wenn Du willst, verlinke ich Dich mal mit den Neu-Ulmern. ich war schon zweimal dort. 2003 mit ‚Sekretärinnen‘. Letztes Jahr mit ‚Honigmond‘. Ist ein süßes kleines Haus, immer auf der Suche nach neuen Gästen, möglichst mit Wohnmöglichkeiten dort. Machen auch viel Musikalisches. Hier die Website: www.augus-theater.de Ich verlinke den Chef und Dich mal. Küsschen.“ Wenig später nochmals Kollegin R. „Upppps – falsche Website. Die hier stimmt: www.theater-neu-ulm.de – Und lass Dich nicht durch das bunte Design abschrecken. Die sind echt ok. Zuverlässig. Nett. Und zahlen pünktlich.“ Kollegin M.: „Danke für den Link!!!!!!! :-)))))) Vielleicht ergibt sich ja mal was. Wäre echt schön… Werd mal einfach ne Bewerbung hinschicken!“ Ähnliche, in mancher Hinsicht noch offenere Dialoge finden sich auch auf „theaterblogs.de“, der bisher einzigen Multi-User-Blogplattform der Theaterszene. Dort tauscht man sich per watchblog auch schon mal schonungslos über (tatsächlich dubiose und ganz und gar unsägliche) Verhaltensweisen einiger Theater(-Leiter) aus und warnt die Kolleginnen und Kollegen. Naturgemäß sind
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auf dem Portal auch diverse Tipps und Fachsimpeleien zu den verschiedensten Bereichen des Schauspielerdaseins zu finden.
Online-Dialog mit dem Publikum Um die Sache vollständig zu machen, könnte man jetzt noch Publikumsstimmen aus verschiedenen Kommentaren zu Blog-Posts anführen, ebenso wie Mails nach dem Besuch von Vorstellungen. Es hilft ungemein, wenn das Publikum sagt, was es denkt. Durch manchen Satz wurde man schon dazu gebracht, Dinge aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Da das Publikum ganz allgemein in Bezug auf schriftliche Äußerungen eher zurückhaltend ist, ist solch ein Kommentar umso wichtiger. Wenn er positiv ausfällt, was nicht immer der Fall ist, umso besser. Solche Publikumsstimmen helfen dann auch sehr, die – wie es landläufig ausgedrückt wird – „Kritik“ (= Einzelmeinung) in der Lokalpresse zu konterkarieren. Für viele Menschen ist die Website auch im Theaterbereich längst zu einer willkommenen Informationsquelle geworden. Die zusätzlich zu Daten und Fakten, zu Programmvorschau und Stückinhalt publizierten online-„Besucherbriefe“ haben dabei einen hohen Stellenwert, analog der Mundpropaganda. Zum vor über 15 Jahren uraufgeführten und immer wieder aktualisierten „Liebe & andre Katastrophen. Passen Männer und Frauen überhaupt zusammen?“ schickte das Publikum per Mail zwei und über „MySpace“-Blog-Kommentar das letzte der drei Statements: „Vor über 7 1/2 Jahren haben wir dieses Stück schon einmal gesehen. Es war unser erstes Date. ‚Leider‘ habe ich den Tipp ‚Bloß net mit hoim nemme‘ nicht beherzigt und habe ihn mit heim genommen. Nun sind wir seit April 2008 verheiratet und freuen uns schon auf die nächste gelungene Vorstellung.“ Nadè & Christoph V. „Ein wunderbarer Kleinkunst-Abend; toll!“ Peter L. „Wären wir nicht in Holzheim gewesen, hätten wir echt was versäumt… einen Heinz Koch, der über die Weiten des Kosmos philosophiert, und eine Claudia Riese in Original schwäbischer Höchstform, göttlich. … Beim Versuch des Paares, einen Witz zu erzählen, haben wir Tränen gelacht… dieses Stück sollte man unbedingt einmal gesehen haben.“ Veronika S.
Heinz Koch 285 Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0
Inzwischen hat das Theater ein eigens eingerichtetes Besucher-Blog, einen Online-Presse-Bereich, nutzt die Zooncards, ist mit Videos auf YouTube, MySpace und Sevenload vertreten, ist Mitglied bei „Kulturkurier“, bestückt an die zehn verschiedene Online-Terminkalender (unter anderem deshalb ein Muss, weil inzwischen einige von denen auch Basis für Terminkalender in Print-Medien sind), es gibt einen Podcast, verschiedene Twitter-Accounts, eine FacebookFanseite, jede Menge Präsenzen auf diversen Portalen, angefangen von XING bis zu mixxt.de. Es werden in den Communities immer wieder Boni offeriert (und genutzt). Außerdem ist da noch die „normale“ Funktion „normaler“ Websites, also das Angebot an Information zu Stücken, Fotos, Videos, über Jobs im Theater, Links, Freunde, Sponsoren, Kooperationspartner, Hintergründe. Das Netz ist auch Archiv (auf Papier gibt es fast nichts mehr) und Möglichkeit, Gastspiele zu akquirieren und überregionales Publikum zu gewinnen. Übers Internet kamen und kommen regelmäßig Besucher aus einem Umkreis von etwa 100 Kilometern auf uns, und natürlich hat jeder Ulm/Neu-Ulm-Besucher, der sich für Kunst und Kultur interessiert, schnell die Kenntnis über das Theater und seinen Spielplan. All das dürfte hinreichend Antwort auf die eingangs gestellte Frage sein. Es dürfte deutlich sein, dass sich ein solches Engagement in mannigfacher Weise lohnt, schon allein, weil der Macher dabei am Ball bleibt, am Puls der Zeit, weil da beim Surfen so mancher Gedanke vorbeisegelt, so mancher Anstoß gegeben wird, gar die eine oder andere Erkenntnis abfällt. Die Datenautobahnen zu befahren kann Last und Lust sein, ermüdend und anregend. Im Netz unterwegs zu sein ist jedenfalls eine Zweibahnstraße, man sendet und empfängt.
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Bilder:
1: Man beachte besonders die Lesezeichen-Symbolleiste, welche die wichtigsten Portale und Internetdienste „verrät“, in denen sich das AuGuSTheater Neu-Ulm bewegt
2: Das AuGuSTheater Neu-Ulm offeriert seinem Publikum die neuen multifunktional nutzbaren Zooncards
Heinz Koch 287 Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0
3: Natürlich ist neben Twitter und MySpace die Facebookpräsenz ein zentrales Moment für die Web-Aktivitäten des AuGuSTheater Neu-Ulm, einschließlich einer Fanseite, die mit einem Widget auf der Homepage eingebunden ist.
4: Welche Bedeutung das Publikum für das AuGuSTheater Neu-Ulm hat, ist daran ersichtlich, dass sich die Theatermacher heftig bemüht haben, mit „Publikums-Stimmen“ weltweit ganz oben zu stehen.
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5: Auch die jeweiligen Stücke werden im Netz so annonciert, dass das Publikum eigentlich darüber stolpern muss. Auch Begriffe wie „Theaterrezension“ oder „Top-Schauspielerin“ sind eng mit dem AuGuSTheater Neu-Ulm verknüpft
6: Es gibt einen Besucher-Blog des AuGuSTheater Neu-Ulm, das mehr und mehr beworben wird. So erhalten alle Besucher des Theaters, die per Mail Karten bestellt hatten, in der Nachbereitung eine E-Mail, in der unter anderem auf dieses Blog hingewiesen und um Kommentare gebeten wird.
Heinz Koch 289 Kommunikation und Besucherbindung mittels Web 2.0
7: Beim Dienst „Seitwert“ schneidet das AuGuSTheater Neu-Ulm in verschiedensten Punkten genauso gut ab wie bei …
8: „SeitTest“, der zeigt, dass es nur noch wenig zu verbessern gibt, was aber wohl kaum zu erreichen ist, weil das Theater dazu zu klein ist. Immerhin ist das Theater im Ranking der besten Seiten bei „SeitTest“ auf Platz 62 unter den Top 100.
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Frank Tentler
Classic goes Web 2.0 – Ein Jahr Philharmonie 2.0 Sollen klassische Orchester in Social Networks und via Social Media mit Musikfreunden interagieren? Soll die „Hochkultur“ die neuen Möglichkeiten der sozialen Massenmedien nutzen, um sich neue und eigenständige Wege der multimedialen Kommunikation zu erschließen und so dem Sterben der klassischen Medien nicht nur Eigeninitiative, sondern auch die Kontrolle über die eigene Informationsverbreitung entgegensetzen? Nach einem Jahr „Projekt Philharmonie 2.0“ der Duisburger Philharmoniker kann man diese Fragen mit einem eindeutigen „Ja“ beantworten. Die Einbindung der Duisburger Philharmoniker in eine Internet-Community unter Nutzung der derzeit möglichen Social Media-Tools kann als voller Erfolg betrachtet werden und als Maßstab für ähnliche Aktivitäten dienen. In diesem Beitrag sollen die Entwicklung dieses Projekts beschrieben und einige Tipps zur Umsetzung von Webstrategien im Kulturbereich gegeben werden. Es begann mit einem Treffen zwischen Laslo Kerekes, Mitglied der Duisburger Philharmoniker, seinem Intendanten, Alfred Wendel, und mir. Wendel erklärte, nachdem ich ihm meine Vorstellung einer webbasierten Kommunikationsstrategie für die Duisburger Philharmoniker unterbreitet hatte: „Ich habe zwar nicht alles verstanden, aber das hört sich höchst spannend an. Wir sollten sofort damit beginnen!“. In den kommenden Tagen waren zunächst einige grundlegende inhaltliche und technische Fragen zu beantworten. Ein Name war schnell gefunden: Projekt Philharmonie 2.0. Es war klar, dass dieses Projekt nicht von den Duisburger Philharmonikern selbst umgesetzt werden konnte. Es fehlte an Know-how und Kapazitäten bei Mitarbeitern und beteiligten Agenturen, um diese Form der Netzwerk-Kommunikation, wie ich sie schon für Unternehmen entwickelt und produziert hatte, umzusetzen. Die Lösung war, ein Web-Team der Duisburger Philharmoniker zu gründen. Dieses bestand aus Laszlo Kerekes (verantwortlich für die Kommunikation mit den Musikern), Prof. Christof Breidenich (Kommunikations- und Webdesign), Christoph Müller-Girod (Medienproduktion und Website-Administrator)
Frank Tentler 291 Classic goes Web 2.0
und mir (Projektleitung). Später kam als musikalischer Experte noch Christian Spließ hinzu (Redaktion und Interviews).
Analyse und Strategie Ein genauerer Blick in die Nutzung des „Social Web“ durch Kunst und Kultur war ernüchternd. Kaum ein Kulturbetrieb hatte ein funktionierendes Blog, kaum ein Künstler präsentierte sein Schaffen in virtuellen Netzwerken. Vereinzelte Ansätze waren wohl eher dem Umstand geschuldet, dass es entweder für die daran beteiligten Agenturen günstiger war, kostenlose Content Management Systeme zur Erstellung einer Website zu nutzen, oder dass mutige (manchmal auch übermütige) Mitarbeiter unprofessionelle und zumeist inoffizielle Schritte in Twitter, YouTube und Co. unternahmen. Wenige Orchester nutzen solche Angebote und wenn, dann nur, um Einbahnstraßen-Werbung für Konzerte, CDs oder Tourneen zu machen. Von einer integralen Kommunikation, also der multimedialen und interaktiven Vernetzung der unterschiedlichsten Social Networks und Social Media zu einer Metacommunity war keine Spur zu finden. Zur gleichen Zeit hatten aber bereits einige hochrangige Vertreter der U-Musik erfolgreich mit ihren Fans auf diese Weise interagiert. So fand ich Anfang Juli 2008 einen niederländischen Blog-Beitrag zu Web-2.0-Versuchen der Band R.E.M. (http://bit.ly/Link_1). Ebenso half mir bei meinen Recherchen eine Präsentation zum Thema „Web 2.0 für Musiker & Bands“ (http://bit.ly/Link_2). Es würde den Rahmen sprengen, hier alle Quellen aufzuführen, aber alle diese Beiträge, die ich über Suchmaschinen oder Twitter fand, zeigten mir, dass es erstens bereits funktionierende Versuche im U-Musik-Bereich gab und dass zweitens nichts dagegen sprach, es auch einmal mit E-Musik zu probieren. Schnell waren auch die für den Start wichtigsten Social Netwoks und Social Media definiert: • Twitter und alle relevanten dazu gehörigen Applikationen (Twitpic, Blip …) • Facebook • MySpace (was sich allerdings schnell als überflüssig herausstellte, da dort keine wirkliche Zielgruppe existierte) • delicious • YouTube (wir wechselten bald wegen der besseren Qualität zu Vimeo) • Flickr
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Diese Zahl der genutzten Internet-Plattformen wuchs zwar im zurückliegenden Jahr, aber bei allen Erweiterungen stand die Automatisierung und die Vereinfachung der Interaktion im Vordergrund. Eine Frage wurde mir zu Beginn immer wieder gestellt: Warum sollten ausgerechnet Internetnutzer die Zielgruppe einer solchen Aktion sein? An dieser Stelle kann ich nur sagen, dass ich mich auf meine Erfahrungen und auf meine persönliche Begeisterung für klassische Musik – auch wenn ich weit davon entfernt bin, auf diesem Gebiet ein Fachmann zu sein – verlassen habe. Es waren weder die Mittel noch die Zeit vorhanden, eine sonst übliche Marktstudie zu diesem Thema durchzuführen. Es war quasi ein Schuss ins Dunkle und entsprang unserer Neugierde und Begeisterung zu diesem Projekt. Als Startdatum des Projekts „Philharmonie 2.0“ war der Beginn der neuen Spielzeit Anfang September 2008 bestimmt worden. Es blieb also nicht mehr viel Zeit. Während Christof Breidenich und Christoph Müller-Girod sich um den Aufbau des Weblogs kümmerten, arbeitete ich an der Kommunikationsstrategie. Zusammengefasst sah diese so aus: • Das Weblog sollte als automatischer Informationsverteiler von Beiträgen und Medien in die unterschiedlichsten Social Web-Applikationen funktionieren. Dafür mussten entsprechend RSS-Feeds gefiltert und über Schnittstellen direkt in Web-Anwendungen eingespeist werden. • Es sollten keine Server-Kosten entstehen. Daher wurden ausschließlich Social Media-Anwendungen wie YouTube und Flickr genutzt. • Ebenso sollte das Hochladen und Verwalten von Beiträgen, Nachrichten und Medien zur Zeitersparnis möglichst synchron direkt vom Desktop gemacht werden und so An- und Abmeldevorgänge vermieden werden. Hierbei wurden Lösungen wie z. B. „Flickr Uploader“ (http://bit.ly/Link_3) gesucht oder bestehende Anwendungen individuell abgewandelt. • Als erste Applikation sollte Twitter genutzt werden. Hier erreicht man am schnellsten eine hochwertige, vernetzte und multimediale Kommunikation. Hierzu benötigten wir mehrere Accounts, die von Mitgliedern des WebTeams betrieben wurden. Alle hatten das Ziel, die Arbeit und das künstlerische Schaffen der Duisburger Philharmoniker aus unterschiedlichen Perspektiven zu beleuchten. • Alle Medien (Fotos, Videos, Musik) sollten frei und kostenlos den Internetnutzern zur Verfügung stehen. Das war einer der schwierigsten Punkte, da es hier oft durch Nichtwissen und Unachtsamkeit zu kostspieligen Urheberecht-Problemen kommen kann.
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• Es mussten webtaugliche Events geplant werden, die eine direkte Beteiligung der Internetnutzer ermöglichen.
Ziel war es, eine möglichst große und wachsende Schnittmenge von Internet-affinen und Musik liebenden Menschen mit möglichst geringem Arbeitsaufwand quer über alle Communities und Plattformen zu erreichen und einzubinden.
Aufbau und Umsetzung Das Blog erhielt den Namen „dacapo- Das Weblog der Duisburger Philharmoniker“ und war strukturell im ersten Jahr wahrlich keine Schönheit. Es war eine reine Präsentations- und Verteilerplattform, die alle relevanten Medien und Beiträge darstellen, archivieren und wieder automatisch verteilen sollte. Als Content Management System (CMS) wählte ich Joomla, heute würde ich aber eher zu Wordpress neigen, da die Beitragsbearbeitung hier einfacher gestaltet ist und so auch Laien schnell Beiträge erstellen können. Wie schon erwähnt, begannen wir mit der Kommunikation mit den Musikfreunden im Web via Twitter. Dazu hatte ich einen Twitter-Account namens „Philharmoniker“ eingerichtet (www.twitter.com/philharmoniker). Um zu Beginn bereits eine Grundkommunikation in Gang zu bringen, suchte ich relevante Twitterer und folgte ihnen. Dabei benutzte ich damals gängige TwitterSuchmaschinen. Erst ein paar Monate später versuchte ich mit professionellen Web-Tools auch diesen händischen Prozess zu automatisieren. Ein Tipp für die Bewerbung des eigenen Twitter-Account ist hierbei Twittadder (http://bit.ly/ Link_4). Auch wenn es nicht die Tiefe und Möglichkeiten von heutigen kostenpflichtigen Profi-Werkzeugen hat, ist es doch eine enorme Vereinfachung der Arbeit. Schnell war so eine aktive Gruppe von 100 Followers (Kommunikationspartner bei Twitter) gefunden, und wir hörten aufmerksam zu, was sie uns erzählten. Nicht nur, dass sie begeistert auf die Anwesenheit eines Orchesters reagierten, sie gaben uns viele Tipps und Hinweise, wie wir unsere Arbeit verbessern und noch nutzerfreundlicher machen konnten. Hier zeigte sich der große Vorteil von Twitter als Marketinginstrument: Jede Antwort eines Followers wurde nicht nur uns mitgeteilt, gleichzeitig informierte er damit auch seine Follower über unsere Existenz. So wuchs die Zahl der neugierigen und unterstützenden Begleiter recht schnell an.
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Wir hatten übrigens direkt beim Start das große Glück, von einem Event berichten zu dürfen, bei dem als Gast Jan Josef Liefers anwesend war. Die von ihm aufgenommenen Fotos, die wir live via Twitter veröffentlichten, führten zu einer hohen Aufmerksamkeit, die noch durch die späteren Foto-Alben und Videos nachhaltig verstärkt wurde.
Integrale Kommunikation und Metacommunities Um den Kreislauf dieser integralen Kommunikation zu verstehen, soll hier der „Lebensweg“ eines Blogbeitrags dargestellt werden: • Ein Beitrag wird geschrieben. In ihn werden ein Video und ein Fotoalbum integriert. • Die Fotos wurden vorher auf Flickr hochgeladen und zu einem Album zusammengefügt. Das Album hat automatisch einen so genannten „Embedded Code“. Mit diesem kann man das Album direkt auf seiner Website darstellen, indem man per „Copy & Paste“ diesen Code in seinen Beitrag einfügt. • Gleiches wurde auch mit dem bei YouTube/Vimeo hochgeladenen Video gemacht. • In diesen Social Media-Applikationen werden die Medien nicht nur kostenlos archiviert und mit einem RSS-Feed versehen, hier existieren bereits Netzwerke, die sie weiterleiten, verstichworten und bewerten. Ein Mehrwert, der beim Hosting auf einem eigenen Server nicht gegeben ist. • Die RSS-Feeds des Albums und des Videos werden automatisch in Twitter eingefüttert und sind so schon – als Trailer zum Beitrag vorab für Followers sichtbar. • Der Beitrag wird ebenfalls mit seinem Titel bei Twitter automatisch veröffentlicht. • Dieser Tweet (so werden einzelne Beiträge in Twitter bezeichnet) wird wiederum automatisch in weitere Social Web-Applikationen eingespeist. Sie alle leiten die Aufmerksamkeit der Nutzer auf den Blogbeitrag. • Durch diese Maßnahme wird eine schnelle und breite Verteilung der Information ermöglicht. Denn ist der Beitrag interessant, wird er z.B. per „Retweet“ (kopieren und veröffentlichen des Tweets im eigenen TwitterAccount) in Twitter weitergereicht.
Um zu verstehen, warum die Integration dieser Technik in Marketingmaßnahmen so wichtig ist, hilft es, die Nutzung des Webs durch „Digital Natives“ (mit dem Web aufgewachsene Menschen) und „Digital Immigrants“ (aktive älte-
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re Web-2.0-Nutzer)zu betrachten. Jeder, der heute das Web für seine Interaktion und seinen Medienkonsum nutzt, ist in den verschiedensten virtuellen Netzwerken angemeldet. Da es aber sehr aufwändig ist, sich jedes Mal neu anzumelden, die eigenen Beiträge immer wieder neu an einem anderen Ort zu veröffentlichen oder dezentrale Diskussionen zum selben Thema zu führen, suchen die Nutzer nach immer neuen Vereinfachungen, um eine Information oder einen Beitrag möglichst nur einmal zu veröffentlichen. Da viele Plattformen diesen Wunsch erkannt haben, bieten sie über Schnittstellen die Möglichkeit, Beiträge und Medien aus anderen Plattformen einzubinden. Ehrlich gesagt: Es bleibt ihnen auch gar nichts anderes übrig. Längst sind Anwendungen wie Facebook oder YouTube zu reinen Dienstleistern geworden. Liefern sie nicht das, was der Kunde sich wünscht und bieten sie ihm nicht permanent neue, bunte und nützliche Spielzeuge an, zieht die Karawane weiter. Diese Entwicklung geht heute bereits soweit, dass es keiner Programmierfähigkeiten mehr bedarf, um seinen Twitter-Beitrag automatisch bei Facebook, XING oder MySpace zu veröffentlichen. Umgekehrt in den meisten Fällen genauso. Auf diese Weise entsteht eine Aufmerksamkeits-Lawine, die mit klassischen Marketinginstrumenten undenkbar gewesen wäre. Man kann sich leicht vorstellen, wie auf diese Weise eine Information wie ein Lauffeuer verbreitet wird. Bekannte Beispiele hierfür sind Informationen zum Flugzeugabsturz in New York 2008 (http://bit.ly/Link_5) oder der Einsatz von Twitter als unabhängiges Nachrichtenmedium im Iran 2009 (http://bit.ly/ Link_6). Ein weiterer wichtiger Faktor ist, dass dadurch einmal geschriebene Beiträge auch in den Suchmaschinen der Social Networks – auch im „Long Tail“ – sichtbar werden. Das geschieht entweder durch das so genannte Tagging (relevante Stichworte werden einem Beitrag zugefügt), oder einfach durch das kluge Schreiben eines Beitrags, indem man wichtige inhaltliche Informationen für eine Suchmaschine gut lesbar integriert. So ist es nicht mehr nötig, in neuen Communities viel Zeit und Mühe in den Kontaktaufbau zu investieren. Allein über die relevanten Stichwörter werden die Beiträge anderen Nutzern als lesenswert empfohlen. Gibt mir der Nutzer dann auch noch eine positive Bewertung oder leitet meinen Beitrag weiter, betreibt er damit gleichzeitig kostenlose Werbung für mich. Wichtig für die Duisburger Philharmoniker ist auch die Tatsache, dass in einem so großen Orchester bereits einige Mitglieder im Social Web aktiv sind.
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Das sind natürlich hochwertige Multiplikatoren, die sich sehr über die zur Verfügung gestellten Medien und Berichte freuen und sie effektiv zu nutzen und zu verteilen wissen. So entsteht, quer über alle Netzwerke und Applikationen hinweg, eine Vernetzung von Menschen und Medien. Ich nenne diese Nicht-Plattform-gebundenen und themenspezifischen Netzwerke „Metacommunities“, da ich glaube, dass diese Bezeichnung den erzielten Effekt sehr gut beschreibt. Diese Metacommunities sind das eigentliche Haus, das es zu bauen gilt, wenn man erfolgreich im Web kommunizieren möchte. Das ist zu Beginn nicht einfach, aber der Erfolg ist mit viel geringerem Arbeits- und Kostenaufwand wesentlich höher und nachhaltiger als bei klassischen Marketingaktionen. Mit strategischer Vorarbeit, technischen Vereinfachungen und einer offenen Kommunikation lassen sich in diesem Medium erfolgreiche Werbekampagnen durchführen. Da klassisches Medien-Marketing in Zukunft wegen der Abnahme der Konsumenten klassischer Medien und zu hoher Kosten eine untergeordnete Rolle spielen wird, besteht hier auch die große Chance, früh mit den Trends Erfahrungen zu sammeln. Aber auch hier gilt es, interaktive Stolpersteine zu beachten, auf die ich weiter unten noch eingehen werde.
Brot und Spiele Gerade für Kunst und Kultur bietet das Social Web ein spannendes Umfeld. Was zählt, ist hier interessanter Inhalt: „Content is king!“. Wer unterhalten kann, ist beliebt, wer Menschen fesseln kann, legt den Grundstein für nachhaltige virtuelle Freundschaften. Dieses Wort „Freundschaft“ klingt vielleicht in diesem Zusammenhang übertrieben, aber es gibt durchaus ähnliche Verbindungen in der virtuellen Welt, wie in der realen. Hier ist man schnell bereit, auch ohne Vorleistung, anderen zu helfen. Dabei geht es nicht um Geld, nicht um den Transport von Möbeln und nicht um das zur Verfügung stellen handwerklicher Fähigkeiten. Hierbei geht es um Wissen und um Kontakte. Viele werden jetzt sagen, dass diese Art der Freundschaft keinen so großen Wert besitzt, wie solche in einem realen sozialen Umfeld. Darüber kann man lange diskutieren. Fakt ist, dass dieser Austausch von Wissen und die Vernetzung mit neuen Kontakten uns große Vorteile bringen. Sie sparen uns Geld
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und Zeit, helfen uns besser und schneller zu entscheiden und oft werden aus diesen Social Networks auch soziale Kontakte im physischen Leben. So treffen sich Menschen z. B. in Barcamps, die sich ansonsten meistens nur aus dem Web kennen. Der Mensch hat meiner Ansicht nach einen Ur-Drang: Er will kommunizieren, und zwar so einfach und häufig wie möglich. Er will sich mitteilen, für sich werben, helfen, prahlen und Aufmerksamkeit erregen. Das gilt für das physische Leben genauso, wie für die digitale Existenz. Diese so genannte „Attention Economy“ ist – auch wenn es vielen Nutzern nicht bewusst ist, und sie es vielleicht auch nicht gerne hören – die Basis aller Web-Interaktion. Nirgendwo ist es einfacher und nachhaltiger, Aufmerksamkeit zu erlangen. Andy Warhol sagte einmal: „In Zukunft wird jeder 15 Minuten berühmt sein.“ Dieses Zeitmaß hat sich schon lange überholt. Heute genügt bereits ein Videoclip von 15 Sekunden. Entspricht der Inhalt dem Geschmack der breiten Masse, ist seiner viralen Verbreitung keine Grenze mehr gesetzt. Wie ein Lauffeuer umrundet er immer wieder den Erdball, durchquert alle Web-Plattformen hundertfach und hinterlässt Millionen von Link-Spuren. Aber das ist gar nicht unser Ziel. Wir wollen mit dem Projekt „Philharmonie 2.0“ keine weltweite Aufmerksamkeit (zumindest war es nicht das primäre Ziel, sondern ein gern gesehener Nebeneffekt, siehe http://bit.ly/Link_7) und erreichen auch mit dem Content nicht die breite Masse. Unser Ziel war der Aufbau einer wachsenden und lebendigen Metacommunity. Aber nur mit „Hallo, hier sind wir!“ ist das natürlich nicht zu erreichen. Neben den Basisinformationen, wie Konzertdaten und -berichten, Videos und Bildern – nennen wir das einmal das Grundnahrungsmittel der Web-Kommunikation – sind außergewöhnliche Events und eine multimediale und möglichst aktuelle Berichterstattung wichtige Bestandteile eines erfolgreichen Online-Marketings. Brot und Spiele. Viel hat sich in den letzten 2000 Jahren nicht wirklich verändert, sehen wir davon einmal ab, dass unsere Spiele zum Glück nicht blutrünstig sein müssen, um die Zuschauer zu begeistern. Das Web-Team der Duisburger Philharmoniker hatte dazu im zurückliegenden Jahr folgende Events und besondere Berichterstattungen durchgeführt: • VIELharmoniker Weihnachtsgewinnspiel. An 24 Tagen wurden bis Weihnachten Gewinnspiele durchgeführt. Das hat uns einiges an Arbeit und Gehirnschmalz abverlangt, aber war ein großer Erfolg (http://bit.ly/Link_8).
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• Live-Blogging. Wir berichteten Live mit Fotos und Videos aus einem Konzert. Die Zuschauer im Web konnten Fragen stellen und sich an der Diskussion beteiligen (http://bit.ly/Link_9). • Die neue Orgel. In November 2009 wurde die neue Orgel eingeweiht. Schon ein Jahr zuvor berichteten wir aus der Werkstatt des Orgelbauers mit Fotos, Videos und Interviews über ihre Entstehung (http://bit.ly/Link_10). • stARThilfe. Die Duisburger Philharmoniker stifteten 100 Konzertkarten. Diese wurden an unsere Internet-Freunde sehr günstig verkauft. Die Einnahmen wurden an ein Online-Kunstprojekt gespendet, über das im Web abgestimmt wurde (http://bit.ly/Link_11). • Tournee 2009. Das WebTeam begleitete das Orchester auf seiner Tournee durch Osteuropa und berichtete umfassend auf deutsch und englisch (http://bit.ly/Link_12). • VIVO! Ein Abend mit Anna Netrebko und Massimo Giordano. Das WebTeam berichtete via Twitter von einem großen Konzertabend, da eine andere Berichterstattung nicht erlaubt wurde. Die Beiträge wurden von Netrebko-Fans ins Englische übersetzt und insgesamt von über 250.000 Menschen gelesen. Die Fotos, die wir nach dem Konzert mit einer umwerfend sympathischen Anna Netrebko machen durften, sind für uns ein Highlight des vergangenen Jahres (http://bit.ly/Link_13).
Das waren noch längst nicht alle Events, die durchgeführt wurden. Manche wurden z.B. direkt durch Web-Freunde initiiert (so z.B eine sehr hochwertige Diskussion über „Stockhausen und seine Erben“ auf Twitter) oder wir durften an Events anderer Kulturbetriebe teilnehmen (z. B. den „KAtalk“ auf Twitter mit der „Kronberg Akademie“ wo ein Nachwuchsmusiker öffentlich eine Diskussion mit einem Profi-Musiker der Duisburger Philharmoniker führte). Der Kreativität und den Ideen sind hier wirklich keine Grenzen gesetzt. Man muss aber ein paar Grundregeln beachten: • Ist das Thema interessant genug, dass es von den Social Web-Nutzern aufgegriffen wird? So war die Twitter-Berichterstattung über das Konzert mit Anna Netrebko sicherlich das beste internationale Marketing in der Geschichte der Duisburger Philharmoniker. • Steht die Arbeit in einem vertretbaren Verhältnis zu der erhofften Aufmerksamkeit? Das war trotz des Erfolges bei der Weihnachtsspiel-Aktion nicht der Fall. Aber einmal begonnen, konnte dieser Adventskalender nicht mehr geschlossen werden. Da wir uns aber nicht genug vorbereitet hatten, wurde jeder Tag zu einer fiebrigen Suche nach neuen Herausforderungen. • Können die Social Web-Nutzer an jeder Stelle des Events aktiv partizipieren? Ein Event sollte immer auf Interaktion ausgelegt sein. Das spart viel
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Arbeit bei dessen Verbreitung, da ReTweets und darüber geschriebene Blogbeiträge allein nicht ausreichen, um eine Lawine in Gang zu bringen. Es bedarf auch der direkten Kommunikation, damit auch die Followers der Kommunikationspartner aktiv eingebunden werden.
Werden diese Basics beachtet, steht dem Tatendrang und der Experimentierfreude nichts mehr entgegen.
Das neue Weblog Wie schon erwähnt, war das erste „dacapo“-Weblog keine Schönheit. Er wurde schnell erschaffen und sollte vor allem funktionell sein. Mit den Aufgaben wuchsen aber auch die Wünsche nach einem schnittigeren und effektiveren Vehikel für die Inhalte. Christoph Müller-Girod machte sich deshalb an die Arbeit, einen Relaunch des Weblogs vorzubereiten. Gemeinsam mit dem Duisburger IT-Unternehmen „rheinschafe“ plante er ein völlig neues Blog, dass nicht nur dem Stand der aktuellen Technik entsprechen, sondern auch einfacher zu bedienen und hübscher anzusehen sein sollte. Heraus kam dabei, genau ein Jahr nach seiner Erstveröffentlichung, ein Weblog, das folgende Innovationen gegenüber seinem Vorgänger aufzuweisen hat: • Suchmaschinen-optimiert. Diesen Punkt hatten wir wegen der Eile sträflich vernachlässigt. Dass sich das aber lohnt, haben wir sehr schnell festgestellt: Wurde die Website früher fast ausschließlich über Social Web-Anwendungen wie Twitter oder YouTube gefunden, wird sie heute sehr häufig über eine Suchmaschinen angelaufen. Das erweitert die Wahrnehmung enorm! • ReTweet-Funktion. Deutschland besitzt keine Kommentar-Kultur. Das ist leider ein Fakt. Daher ist es sehr wichtig, dass man in sein Weblog die Möglichkeiten einbaut, ohne viel Mühe Beiträge direkt in die eigenen Social Networks einzuleiten. Der ReTweet-Button am Ende eines Beitrags erfüllt diese Funktion und wird häufig genutzt. Da Kommentare sowieso nur auf der Website gelesen werden können, ist die damit erreichte Verteilung der Information in die Netzwerke des Nutzers eine wesentlich effektivere Aktion. • Social Web-Button. Hiermit werden nicht die einzelnen Beiträge weitergeleitet, sondern Followers über die Existenz des Weblogs informiert oder die Seite als Lesezeichen einem Social Bookmark-Tool hinzugefügt. • Aufbau und Medienpräsentation. „Spiegel Online“ kennt jeder und kann jeder! Warum also das Rad neu erfinden und für ein CMS ein neues Redak-
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tions-Layout erfinden, das es bereits gibt? Natürlich kann und sollte man das nicht komplett kopieren, aber ein Vergleich mit Best-Practice-Produkten kann nicht schaden. Wir passten „dacapo“ strukturell an bekannte Beispiele an, ohne dass es allerdings seinen eigenen Charakter verlor. • Interne Verlinkung. Was vorher mühevolle Kleinarbeit war, läuft nun automatisch. Passende Beiträge verleiten zum Weiterlesen und erhöhen die Aufenthaltszeit der Nutzer auf der Website. Bei „dacapo“ liegt die durchschnittliche Aufenthaltszeit bei knapp zwei Minuten je Besucher. Das ist schon sehr beachtlich, vergleicht man sie mit der durchschnittlichen Verweildauer aller Websites (einen Beitrag zur durchschnittlichen Verweildauer finden Sie unter http://bit.ly/Link_14). • Einbindung externer Beiträge. Es ist heute sehr viel einfacher, Online-News, Videos und Fotos anderer Web-Nutzer direkt in den Beitrag einzubinden. • Darstellung von Twitter-Feedbacks. Direkt auf dem Weblog kann man die Meinungen anderer Twitterer lesen. • Einfacheres Redaktionssystem. Hierbei entschieden wir uns dieses Mal für das kostenlose CMS „Wordpress“. Es ist für Projekte dieser Größe sicherlich eine gute Wahl und bietet ein überschaubares und einfach zu bedienendes Backend. Auch die „Auto-Save“-Funktion beim Erstellen von Beiträgen ist nicht zu verachten!
Aber schauen Sie doch bitte selbst einmal. Unter www.dacapo-dp.de/finden sie das Weblog.
Klassische Agenturen und das Social Web – Das Problem mit Wahrheit und Authentizität Der Vorteil des Marketings im Social Web: Man kann alles selber machen! Der Nachteil des Marketings im Social Web: Man muss fast alles selber machen! Was sich zunächst wie ein Widerspruch anhört, ist aber dem Problem geschuldet, dass diese Art des Marketings von Offenheit und Authentizität lebt – eine Dienstleistung, die klassische Agenturen nicht bieten können, da sie vieler Herren Diener sein müssen, um zu existieren. Marketing, wie wir es kennen, erschafft eine künstliche Welt um ein Produkt herum, ein Image, eine erfundene Identität. Diese „Idealwelten“ zu erschaffen, ist die Aufgabe einer Agentur. Bunte Farben, betörende Designs, pfiffig-witzige Sprüche sind ihre Welt. So wird manches Produkt, dass ehrlicherweise niemals
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eine Chance auf dem Markt hätte oder einfach nicht gebraucht wird, in der Gunst der Konsumenten nach oben gehievt. Glauben Sie, dass ein Joghurt ihr Gewichtsproblem löst? Sind Sie davon überzeugt, dass ein Parfüm sexy macht? Oder dass ein Orchester besser ist, weil es die coolere Website und den besseren Fotografen hat? Alle diese Fragen würden Sie natürlich mit „Nein!“ beantworten. Nur leider fragt das Fernsehen nicht nach Ihrer Meinung, erlaubt Ihnen das Radio kein direktes Feedback, die Zeitung keinen Kommentar zur Anzeige und eine klassische Web-1.0-Website gibt Ihnen nicht die Möglichkeit direkt zu interagieren. Alles das ändert sich gerade. Die klassischen Medien verlieren täglich Marktanteile und – was noch schlimmer für die klassische Werbung ist – die Verbraucher verfügen über einen unendlichen Informationspool, um Aussagen, Waren und Dienstleistungen zu vergleichen. Und dies zu allem Überfluss auch noch in einer vernetzten Welt, die ungefragt ihren Senf zu allem dazu gibt. Das bietet aber die große Chance, mit einem offenen und authentischen Web-Auftritt zu punkten und sich völlig neue Zielgruppen zu erschließen. Unsere Erfahrung mit „Philharmonie 2.0“: Kunst darf (fast) alles! Sie darf begeistern, aufrütteln, fesseln, zu Tränen rühren, Lachen provozieren…es gibt nicht eine Emotion, die sie nicht hervorrufen darf und kann. Selbst Fehler darf sie machen. Die werden verziehen und gerne hilft das Social Web bei Korrekturen und Verbesserungen. Aber eines darf sie nicht: Bewusst unwahres Marketing im Social Web betreiben. Die Fans hier sind virtuelle Freunde, die eine Lüge, Arroganz und egoistisches Gewinndenken nicht akzeptieren. Schnell geht dann eine aufwändig geplante Aktion böse nach hinten los. Daher merken: Das Internet vergisst nie! Sind Sie einmal unangenehm aufgefallen, wird es keinen zweiten Versuch geben, außer Sie entschuldigen sich, kriechen zu Kreuze, sehen Ihren Fehler ein und wiederholen ihn nie wieder. Denn das Internet verzeiht zum Glück reuigen Sündern. Also machen Sie selbst Ihre eigenen Erfahrungen. Beauftragen Sie niemanden damit, Sie zu sein. Das wird nicht funktionieren. Kompetent beraten lassen, ist kein Problem und im Zweifelsfall zu empfehlen, aber lassen Sie sich nicht ein unglaubwürdiges Klon Ihrer selbst erzeugen.
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Das liegt zum einen daran, dass niemand echter sein kann, als Sie selbst. Zum anderen sind Agenturen noch Lichtjahre davon entfernt, die Mechanismen dieser neuen Kommunikation zu verstehen. Sie können bunt, schrill, laut, witzig und beeindruckend sein, aber nicht authentisch und nachhaltig. Nicht von ungefähr macht in den USA und Großbritannien der Spruch „Content kills agencies“ gerade die Runde. Uns fehlt eine ganze Generation von modernen Agenturmitarbeitern, die in ihrem Studium neben der klassischen Ausbildung Kommunikations-Soziologie und -Psychologie gelernt haben. Es mangelt an Menschen, die in der Lage sind, ein echter Ansprechpartner ihrer Kunden für die „Digital Natives“ zu sein. Leute, die echte Gefühle und wahre Informationen der „bunten, neuen Welt“ vorziehen. Menschen, die wissen, dass eine erfolgreiche Social Web-Aktion mehr Wert generiert als Flyer, Plakate und Web-1.0-Websites. Leider stehen diese Ausbildungspunkte noch auf keinen deutschen Lehrplan. Und so lange das der Fall ist, solange Sie diese neue Medienkompetenz nicht wie frühere Agentur-Dienstleistungen einkaufen können, liegt der Ball bei Ihnen.
Regeln für erste Schritte im Social Web Wenn Sie das alles bisher nicht abschrecken konnte (was ich mit diesem Text auch auf keinen Fall erreichen wollte), bin ich Ihnen noch ein kurzes Regelwerk schuldig, das Ihnen bei Ihren ersten Schritten im Social Web helfen soll: • Relevante Domains und Adressen – auch in Web-Anwendungen! – registrieren und Webpräsenz aufbauen. Das sollte immer der erste Schritt sein. Wenn eine Domain oder ein Account-Name erst einmal weg ist, gibt es in der Regel immer Probleme, ihn wieder zurückzubekommen. • Medien und Meinungen verfolgen. Dazu Suchergebnisse bei Google, Yahoo etc., aber auch bei Twitter abonnieren (das geht gut über Google Reader oder in Netvibes). Google hat auch eine News- und vor allem eine BlogSuche. Gerade die ist höchst aktuell und relevant und wird nur noch von Twittersearch übertroffen. • Dem Web-Geflüster zuhören. Verfolgt man erst einmal ein paar Blogs, Suchfeeds, Newsfeeds u. a., sollte man sich die Zeit nehmen, diese auch zu verfolgen. Das ist nichts anderes als eine Zeitung zu lesen oder Fernsehen/ Radio zu nutzen. Nur effektiver. • Anfangen! Hat man einen ersten Überblick, sollte man schleunigst anfangen, sich in diese Kommunikation einzuklinken. Die allermeisten User sind freundliche Helfer. Gerade bei Twitter wird gerne geholfen und gerade
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Twitter ist die beste Web-Kommunikations-Schulung. Wer sich in 140 Zeichen verständlich und multimedial ausdrücken kann, wird auch keine Probleme mit anderen Anwendungen haben. Hat man einen Blog aufgesetzt, sollte man sich allerdings schon vorab über einige Punkte Klarheit verschaffen. Ein Blog ist eine öffentliche Angelegenheit und will man damit Erfolg haben, gilt es wichtige Regeln zu beachten. • Kritik ernst nehmen und handeln. Kritik ist wichtig: Sie hilft uns schneller zu lernen und wird in den meisten Fällen nicht böse gemeint sein. Im Gegenteil: Oft sind es erfahrene User, die gute Ratschläge geben. Es kommt aber öfters vor, dass die Fülle der Hilfe Neulinge überfordert. Wichtig ist es, den Internet-Verhaltenscodex, der gemeinhin „Netiquette“ genannt wird, durch angewandte Kommunikation zu verinnerlichen. Und wenn es einmal zu einem Fehler kommt, heißt es, sich höflich und ohne Emotionen diesem zu stellen und sich gegebenenfalls zu entschuldigen. • Interne Kommunikations- und Freigabeprozesse dem Aktualitätsbedürfnis des Webs anpassen. Das ist ein schwieriger Prozess. Egal, ob eine Behörde oder ein Wirtschafts- oder Kulturbetrieb: Für Vorgesetzte ist es immer schwierig, abzugeben und loszulassen. Hat man ein entsprechendes Team, fällt diese Aufgabe jedoch leicht. Es werden jedoch immer Fehler passieren. Das ist auch gut so, sonst wird es keinen wirklichen Lernprozess geben. Diese Fehler sollte man analysieren, aber nicht in den Mittelpunkt stellen. • Die Trends im Auge behalten. Bitte beachten Sie: Wir befinden uns in einer permanenten Beta- und Test-Phase! Daher ist es unerlässlich, eigene Wege zur persönlichen Information zu entwickeln. Dies kann über die oben genannten Feedreader, über Online-Publikationen zu diesen Themen, aber auch auf Konferenzen oder Barcamps geschehen. Gerade dieser persönliche Austausch kann sehr effektiv sein.
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K C I L B AUS REN AUTO
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Christian Henner-Fehr, Christian Holst, Karin Janner, Frank Tentler
Was kommt nach der stART.09? Mit diesem Tagungsband erhalten Sie einen Überblick über die Inhalte, die die stART.09 bestimmt haben. Wie aber geht es weiter? Welche Themen an der Schnittstelle von Kunst, Kultur und Web 2.0 werden die Zukunft bestimmen? Welche Fragen sind offen geblieben und verdienen es, bei der stART.10 oder anderen Veranstaltungen diskutiert zu werden? Dieser Beitrag stellt einen ersten Versuch dar, in die Zukunft zu blicken. Was vor zwei Jahren noch die große Ausnahme war, zumindest im deutschsprachigen Raum, wird heute mehr und mehr zur Selbstverständlichkeit. Kulturbetriebe twittern, bloggen, sind auf Flickr und YouTube vertreten und haben ein Facebook-Profil. Während es anfangs vor allem die Enthusiasten waren, die sich auf das Abenteuer Social Web einließen, steht heute häufig die Frage im Vordergrund, was die Web 2.0-Aktivitäten eigentlich bringen? Was zu der schwierigen Frage führt, nach welchen Kriterien sich der Erfolg überhaupt messen lässt?
Statistiken sind mit Vorsicht zu genießen Da sind zum einen die Zugriffszahlen. Man sieht, wie viele User die Seite besucht haben, wie oft auf bestimmte Seiten zugegriffen wurde und wie lange die Besucher auf der Website oder dem Blog geblieben sind. Allerdings sind diese Zahlen grundsätzlich mit Vorsicht zu genießen, denn sie lassen sich leicht manipulieren. Stellt man zum Beispiel nur einen Textteaser zur Verfügung, so ist ein weiterer Klick nötig, um den ganzen Text lesen zu können. Aus einem Klick werden also zwei und schon sind die Klickzahlen höher als bei der Konkurrenz. Zwar ist es nicht uninteressant zu wissen, wer sich wofür interessiert und wie lange jemand auf einer Seite verweilt. Aber im Social Web geht es ja um Kommunikation, um Dialoge. Worin liegt also der Unterschied zu einer klassischen Website? Interessant wäre es daher, einen Indikator zu finden, der die Kommunikationsaktivitäten misst. Auf einem Blog könnte das beispielsweise die Relation von Beiträgen und Kommentaren sein. Wie viele Kommentare weisen die Blog-Posts durchschnittlich auf? Was muss getan werden, um die Zahl
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der Kommentare zu erhöhen? Messen könnte man auch das Aktivitätslevel der Besucher. Wie viele von ihnen kommentieren und wie lässt sich die Zahl der Kommentatoren steigern? Ähnlich verhält es sich natürlich auf Twitter oder auf Facebook. Was bringt einem eine große Zahl an Followern? Was hat etwa ein Museum davon, wenn es auf Facebook zwar viele Fans hat, aber dort nur Ankündigungen zu finden sind und ein Dialog nicht stattfindet? Bedeuten gute statistische Werte auch, dass man erfolgreich ist? Die Frage lässt sich nur dann beantworten, wenn man sich konkrete Ziele setzt. Aber wie realistisch sind diese Ziele? Bringen 500 Follower auf Twitter eine höhere Besucherzahl im Konzertsaal? Erreicht man auf Facebook Menschen, die man bisher nicht erreichen konnte? Vielleicht macht es gar keinen Sinn, nur die Besucherzahlen als Zielgröße zu definieren? Unter Umständen erhält man über ein Blog neue Anregungen oder kann neue Kontakte schließen? Oder man versucht, Blog-Posts weiter zu verwerten. Für Pressemeldungen, für Katalog oder Programmheft. Vielleicht gelingt es einer Kultureinrichtung, auf diesem Weg ihre Reputation zu steigern? Nur, wie kann man das messen? Klar ist, in punkto Erfolgsmessung gibt es derzeit viele offene Fragen, die darauf warten, beantwortet zu werden. Web 2.0 als Zeitvertreib, das können sich Kulturbetriebe ganz sicher nicht (mehr) leisten.
Mehr Geld durch Web 2.0? Angesichts leerer (öffentlicher) Kassen müssen sich die Kultureinrichtungen um neue Einnahmequellen bemühen. Lässt sich mit Hilfe des Web 2.0 Geld verdienen? Sei es durch eine Steigerung der Besucherzahlen oder durch die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Welches Potenzial weist das Web 2.0 beispielsweise im Hinblick auf Sponsoring- und Spendenaktivitäten auf? Während im angelsächsischen Raum bei Fundraisingaktivitäten die verschiedenen Social Media-Kanäle genutzt werden, sind solche Aktivitäten bei uns noch kaum zu beobachten. Gründe dafür gibt es einige. Zum einen haben viele Menschen Vorbehalte, die Kreditkarte bei Online-Transaktionen einzusetzen. Hinzu kommen relativ hohe Transaktionsgebühren, was dazu beiträgt, dass sich Micro-Payment bei uns nicht durchsetzen kann. Und ein dritter Punkt ist zu berücksichtigen: Die Finanzierung von Kunst und Kultur ist unserem Verständnis nach Aufgabe des
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Staates. Warum also sollte man sich dann an solchen Spendenaktionen beteiligen? Ebenfalls in den Kinderschuhen steckt derzeit noch die Zusammenarbeit von Unternehmen und Kultureinrichtungen im Online-Bereich. Stichwort Sponsoring: Wie kann so eine Zusammenarbeit im Web 2.0 überhaupt aussehen? Welche Möglichkeiten bieten diverse Tools wie Twitter oder Facebook? Hier fehlt es wahrscheinlich derzeit gar nicht so sehr am guten Willen, sondern vor allem an guten Ideen. Neue Wege eröffnen sich auch in der Distribution der Kunstwerke. Ob CD, Foto oder Gemälde. Immer häufiger wird versucht, diese „Produkte“ online zu verkaufen und mit Hilfe von Social Media darauf aufmerksam zu machen. Aber nicht nur das fertige Produkt lässt sich so vertreiben. Zunehmend wird das Internet dazu genutzt, Investoren für die Produktion zu finden. Schon mit kleinen Beträgen kann man dazu beitragen, dass zum Beispiel eine CD produziert wird. So wird der Fan zum Investor, zum Ermöglicher von Kunst. Aber ist das ein Modell, das Künstler und Kreative von ihrer Arbeit leben lässt? Manche werden auf diese Weise ihre Projekte finanzieren können. Die Mehrheit wird das nicht schaffen. Ist hier eine Flatrate die Lösung? Wie müsste sie, so sie gewünscht ist, überhaupt aussehen und nach welchen Kriterien würde das Geld verteilt werden?
Verschwimmen die Grenzen zwischen Künstler und Amateur? Das Web 2.0 wird häufig auch als Mitmachweb bezeichnet. Von Partizipation ist die Rede. Aber was heißt das konkret? Was sagt ein Künstler, dessen Werke ohne Erlaubnis von anderen „bearbeitet“ werden? Ein Video, ein Foto oder ein Bild lassen sich heute ohne große technische Voraussetzungen und Kenntnisse bearbeiten und verändern. Ist das Ergebnis dieser Bearbeitung nun ein neues Kunstwerk oder ist es einfach nur ein Verstoß gegen das Urheberrecht? Stellt die Creative Commons Lizenz eine ernsthafte Alternative dar oder brauchen wir angesichts des raschen technologischen Wandels ein neues Urheberrecht? Aber nicht nur die rechtliche Ebene ist davon betroffen. Die Entwicklung greift auch das Selbstverständnis derer an, die bis heute als Experten in ihrem Bereich gelten. Wann ist man Künstler und wann ein Amateur? Hier wird es um Abgrenzungen gehen, ähnlich denen zwischen Journalisten und Bloggern.
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Führt das Web 2.0 zu einer neuen Unternehmenskultur? Eine der interessantesten Fragen ist, ob die Nutzung der verschiedenen Social Media-Tools Auswirkungen auf die Unternehmenskultur hat. Wie geht ein hierarchisch strukturiertes Unternehmen mit partizipativen Ansätzen um? Noch immer folgen die meisten Unternehmen einem Modell, dass • es als hierarchisches Gebilde versteht, • funktionale beziehungsweise geographische Kriterien in den Vordergrund stellt, • über Entscheidungsstrukturen verfügt, die top-down ausgerichtet sind, • Prozessstrukturen definiert, die sich ausschließlich an nach außen hin sichtbaren Abläufen orientieren, • den Mitarbeitern Mitspracherechte und Einflussmöglichkeiten nur anhand dieser Prozesse, Hierarchien und Gruppenzugehörigkeiten zugesteht, • den Wert eines Mitarbeiters vor allem an seiner nach außen hin sichtbaren Produktivität bemisst.
So beschreibt Mike Gotta auf seinem Blog „Collaborative Thinking“1 den Management-Ansatz des industriellen Zeitalters. Die Aktivitäten des Unternehmens seien noch immer darauf ausgerichtet, die eigenen Produkte und Dienstleistungen unter dem Gesichtspunkt von Effektivität und Effizienz zu optimieren. Gotta hält diesen Ansatz für veraltet und glaubt, dass „social interaction“ zum Erfolgsfaktor wird. So werde das Web 2.0 zum Vorbild für die Unternehmen, denn es gehe darum, eine Unternehmenskultur zu entwickeln, die partizipative Ansätze innerhalb des Unternehmens, aber auch in Richtung der Stakeholder zulasse und so ein Klima schaffe, das Innovation und Wachstum ermögliche, schreibt Gotta. Und wie stellt sich die Situation im Kunst- und Kulturbereich dar? Ist es nicht so, dass viele Einrichtungen, Theater, Opernhäuser oder Museen in ihrer Struktur das industrielle Zeitalter noch gar nicht hinter sich gelassen haben? Ganz im Gegenteil, sind sie nicht eher dabei, sich das Instrumentarium dieser Zeit erst anzueignen, weil das von ihnen verlangt wird?
1 http://mikeg.typepad.com/perceptions/2008/01/the-value-of-a.html vom 06.11.2009
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Dialog statt Monolog? Früher war der Dialog ein Hauptbestandteil des Verkaufsaktes. Wer schon einmal auf einem Bazar eingekauft hat, kennt solche Situationen. In den letzten Jahrzehnten ist daraus immer mehr ein Monolog geworden. Die Konsumenten mussten sich anhören, was für sie gut sei, Rückfragen oder gar Diskussionen waren nicht vorgesehen. Aber der Widerstand gegen diese Form der Bevormundung wächst, Kunden wollen ernst genommen werden und fordern den Dialog. Und wenn die Anbieter von Produkten oder Dienstleistungen nicht darauf einsteigen, kommunizieren sie auch ohne sie und tauschen sich untereinander aus. Hotelbewertungsplattformen sind ein gutes Beispiel dafür. Statt den Anbietern zu glauben, informieren sich die Kunden gegenseitig. Ähnliches widerfährt den Kunst- und Kulturbetrieben. Nicht mehr die Informationen auf deren Webseiten sind der Maßstab, sondern das Urteil der „Freunde“ auf Facebook. Was bedeuten all diese Veränderungen für die Bereiche Marketing und PR? Wie gelangen die Informationen zu den Zielgruppen? Wie kann man ihnen das „Produkt“ Kunst schmackhaft machen, wenn man gar nicht weiß, woher sie ihre Informationen beziehen? Lassen sich Informationen noch steuern beziehungsweise kontrollieren? Und wenn das nicht mehr möglich ist, wie reagieren Kulturbetriebe, wenn man schlecht über sie redet?
Finden wir das Internet der Zukunft auf dem Handy? Wie lange werden wir noch, wenn wir vom Internet sprechen, dabei an unseren Desktop oder das Laptop denken? Dank Smart- und iPhone greifen immer mehr Menschen über die mobilen Devices auf das Internet zu. Für die Kunstund Kultureinrichtungen heißt das nicht nur, dass sie ihre Inhalte entsprechend aufbereiten müssen, sondern es entstehen ganz neue Möglichkeiten, die onlineund die offline-Welt miteinander zu verbinden. Eine von ihnen ist das Mobile Tagging. Darunter versteht man die Möglichkeit, „mit dem Handy einen Code zum Beispiel von einem Veranstaltungsplakat abzufotografieren und so direkt zum Beispiel auf eine Internetseite zu gelangen“,
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schreibt Klaus Wolfrum auf seinem Blog Frankentipps2. Zum Einsatz kommt dabei der QR-Code etwa auf Plakatwänden. Mit einem Handy lässt sich der Code einscannen, die darin verborgene URL herauslesen und dann direkt auf die Website zugreifen. Dort findet der User dann die gewünschten Informationen und im Idealfall kann er gleich noch das entsprechende Ticket kaufen. Aber nicht nur Informationen lassen sich über das Handy abrufen. Unter dem Stichwort Augmented Reality lassen sich die Offline- und die Online-Welt überblenden. Möglich machen das sogenannte Augmented-Reality-Browser, die für Handy bzw. Smartphones entwickelt werden und das Blickfeld der HandyKamera in Echtzeit mit digitalen Informationen überlagern. Eine interessante Möglichkeit bietet das Taggen von realen Gegenständen. Tags werden nicht mehr nur für einzelne Websites vergeben, sondern als sogenannte Airtags mit der realen Welt verbunden. Das Resultat ist die „‚Clickable World‘ via the use of Augmented Reality (AR) hyper-tags“, heißt es auf CrunchBase3. Womit der User den Bildschirm schon fast verlassen hat.
Web 2.0: ein Thema für die Wissenschaft? Und noch ein letzter Punkt scheint wichtig zu sein. Bis jetzt legt die Web 2.0-Community vor allem Wert auf Best-Practice-Beispiele. In eBooks erfährt man, wie man RSS, Social Bookmarking-Dienste oder Facebook nutzt. Zwanzig Seiten gelesen und schon kann man es selbst ausprobieren. Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem Thema Web 2.0 steckt noch in den Kinderschuhen. Zwar sind in den letzten Monaten etliche Diplomarbeiten veröffentlicht worden. Aber es gibt noch eine Vielzahl an Themen, die der wissenschaftlichen Aufarbeitung harren. Kultur und Web 2.0: Dieses Thema lässt noch viele Fragen offen. Ob die Entwicklung in die beschriebene Richtung geht, vermag niemand abzuschätzen. Fakt ist aber, dass mit dem Aufkommen des Web 2.0 die Kulturbetriebe ein Instrumentarium erhalten haben, mit denen sich Dinge machen lassen werden, von denen wir heute noch gar nichts wissen. Vergessen sollte man außerdem nicht, dass mit dem semantischen Web schon das „Web 3.0“ vor der Türe steht.
2 www.frankentipps.de/blog/?p=77 (6.11.2009) 3 www.crunchbase.com/company/tonchidot (6.11.2009)
Autoren 311 Kultur 2.0
Autoren Bamberger, Daniela studierte neuere deutsche Literatur und Medien, Kunstgeschichte sowie Erziehungswissenschaften mit Schwerpunkt Erwachsenenbildung an der Philipps Universität Marburg und an der Vrije Universiteit Amsterdam, seit 2008 Content Managerin des Städel Museums und der Liebieghaus Skulpturensammlung. Breidenich, Christof Studium Visueller Kommunikation und Malerei an der Fachhochschule Aachen sowie Kommunikationsdesign und Ästhetik an der BUGH Wuppertal, selbstständiger Medien- und Kommunikationsdesigner. 1999 Promotion an der BUGH Wuppertal bei Prof. Dr. Bazon Brock. 1997 Gründung des Ateliers „Breidenich und Partner – Unternehmenskommunikation im Kunst-Kontext“. Seither weltweit über 250 Performances und Workshops für internationale Unternehmen. Seit 2008 Professor für Mediendesign an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation in Köln, Schwerpunkte: gestalterische, historische, dramaturgische, kognitive und künstlerische Grundlagen, Gestaltung interaktiver Interfaces. Breitenbach, Patrick Ausübung verschiedener, praktischer Tätigkeiten im Bereich Werbung und Marketing, freiberuflicher Berater und Konzeptioner, spezialisiert auf konvergente Kommunikation bzw. die Verknüpfung mit und im Web 2.0, mit „Breitenbach & Brown“ Beratertätigkeiten zum Thema Innovation und dessen Implementierung, 2004 Gründung und seitdem Geschäftsführung von „werbeblogger.de“, seit 2009 Leiter der Kommunikationsabteilung an der Karlshochschule. David, Sabria Studium der Germanistik, Linguistik und Kunstgeschichte. Parallel zu einer klassischen Agenturlaufbahn erhielt sie ein Forschungsstipendium des Literaturarchivs Marbach und unterrichtete an der RWTH Aachen (Schreiben/PR). 2000 Gründung der Kommunikationsagentur TEXT-RAUM, die Wirtschaft, Technologie, Kultur, Web 2.0 und Wissenschaft verbindet. Expertin für werteorientierte Unternehmenskommunikation und Namensentwicklung. Sie berät, schreibt und entwickelt Strategien für Unternehmen und Institutionen, hält Vorträge, bloggt und publiziert zum Thema Medienwandel und seine Auswirkungen. Dingenotto, Christian Studium der Ägyptologie, Islamwissenschaften und Urund Frühgeschichte in Münster und Heidelberg. Seit 1996 Marketingaufgaben und Beratungstätigkeit in den Branchen IT, Gesundheitswesen, Energie, Stadtmarketing, Systemgastronomie etc. Schwerpunkte in Markenführung, Corpo-
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rate Design, Interner Kommunikation, Kundenzeitschriften, Online-Marketing für Geschäftskunden, sowie bei der Entwicklung kostengünstiger Marketinginstrumente. Seit 2009 Leiter Marketing in einem Oldenburger IT-Unternehmen. Ab 2001 „ehrenamtliche“ Entwicklung des Cultural Business Ansatzes zur kostendeckenden Vermarktung von Kulturprojekten und Lehrtätigkeit an der Universität Bonn, sowie Aufbau der Website www.cultural-business.com. Eichhoff, Matthias Diplom-Politikwissenschaftler (FU Berlin), Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes, Dozententätigkeiten, Unternehmer in den Bereichen Internet, Web 2.0 und Web 3D, seit 2009 Marketing Direktor der Second Interest AG Virtual Business Solutions. Fenner, Sören Ausbildung als Schauspieler in Hamburg, schauspielerische Tätigkeiten an verschiedenen Theatern Deutschlands sowie in Wien, Dozent an verschiedenen Ausbildungsstätten für Schauspieler in Deutschland, Gründer und Inhaber von theaterjobs.de und theaterblogs.de. Frank, Simon A. Studierte Literaturwissenschaften, Ethnologie und Philosophie in München, absolvierte, neben seiner Tätigkeit als Mitarbeiter am IT-Zentrum für Geisteswissenschaften der LMU München das Studium der angewandten Informatik, Tätigkeiten als freiberuflicher Webprogrammierer und Entwickler für CMS- und Portalsoftware sowie Berater, Lehrbeauftragter und Dozent in der Erwachsenenbildung für Kultur- und Bildungseinrichtungen, seit 2006 als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Kulturwissenschaft und Kulturmanagement an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg, weiterhin auch freier Berater und Entwickler. Henner-Fehr, Christian studierte Theaterwissenschaft, Germanistik und Philosophie in Erlangen sowie Kulturmanagement in Wien. Seitdem arbeitet er als Kulturberater und beschäftigt sich vor allem mit den Themen Projektmanagement, Kulturfinanzierung und Kommunikation (Web 2.0). 1997 gründete er die Firma CHF Kulturmanagement und bietet nach der Ausbildung zum Trainer und Coach Seminare und Workshops an. Er ist Mitorganisator der stARTconference und betreibt seit 2006 das Kulturmanagement Blog. Hoffmann, Kerstin gelernte Journalistin, promovierte Philologin, leitete die Kommunikation eines Technikmuseums im Ruhrgebiet, Lehrauftrag für PR an der Europa Hochschule Fresenius, berät heute Unternehmen und Institutionen in ihrer gesamten Kommunikation (Werbung, PR und Social Media), betreibt das Blog „PR-Doktor“.
Autoren 313 Kultur 2.0
Holst, Christian Studium der Kulturwissenschaften und BWL, Tätigkeiten als Dramaturg sowie im Pojektmanagement verschiedener NPOs und Kulturinstitutionen in Deutschland und der Schweiz, seit 2006 Projektleiter bei der EURO 26 Schweizer Jugendkarte AG. Er betreibt das digitale Feuilleton kulturblog.net und ist Mitorganisator der stARTconference. Hopf, Gregor Studium der Betriebswirtschaftslehre und Theaterwissenschaft/ Anglistik an der Universität Bayreuth sowie Finanzen und Performing Arts Management an der Kelly School of Business, promovierte an der London School of Economics zu „Saving and Investment: The Economic Development of Singapore 1965-99“, leitende Tätigkeiten in Produktion und Management mehrerer namhafter Musicalproduktionen und weiterer Live-Entertainment Formate in den USA, Deutschland und England, in der deutschen Geschäftsführung von Stage Entertainment GmbH, Lehrtätigkeiten an der London School of Economics und an der Hamburg School of Business Administration, seit 2007 Professor für Medienmanagement an der Hamburg School of Business Administration. Janner, Karin studierte Kultur- und Medienmanagement an der HfMT Hamburg und ist in Berlin freiberuflich als Kulturmanagerin und Marketingberaterin tätig. Ihre Schwerpunkte sind Kulturmarketing, Online-Marketing, Web 2.0/ Social Media. Sie ist Mitorganisatorin der stARTconference und betreibt zwei Marketing Blogs (Kulturmarketing Blog und NewMarketing Blog). Koch, Heinz 20 Jahre Redakteur einer großen deutschen Tageszeitung, Lehrund Dozententätigkeit im journalistischen Bereich, gelernter Schauspieler; tätig auch als Autor, Dramaturg und Regisseur; seit 1994 Co-Direktor der professionellen Privatbühne AuGuSTheater Neu-Ulm. Kopka, Tobias Wissenschaftlicher Mitarbeiter an der internationalen Filmschule Köln, promoviert am Institut für Theater-, Film- und Fernsehwissenschaften an der Universität zu Köln zum Themenkomplex „Virtuelle Welten, Echtzeit und Computerspiele“, Dozent für Interaktive Medien/Mobile Kommunikation und Medienforschung an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, freier Medien- und IT-Berater. Leonhard, Gerd Futurist und Keynote Redner, Musiker (Jazz-Gitarre Studium am Berklee College of Music in Boston, 1986 „Quincy Jones Award“) Internet Entrepreneur (LicenseMusic, Sonific, Futerati u.a.), Autor, Experte in Social Media, Web 2.0, User-generated-Content (UGC), vernetzte Wissensökonomie und Peer-Produktion, Netzgemeinschaften, Trends im Bereich Copyright, Konvergenz, Mobile Advertising und Markenstrategie.
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Mertens, Andreas Telekommunikationselektroniker, Studium der Informatik an der University of Applied Sciences in Wiesbaden, 1998 E-Business-Berater bei IBM global Services, 2000 Senior-Berater bei Avinci (heute CMGLogica), seit 2001 selbstständig als IT-Berater und Trainer in den Bereichen Konzeption, Projektmanagement und Strategie, Experte für Kybernetik und Virtuelle Welten, Blogger und Metaverse Evangelist. Seit 2006 Inhaber von SLTalk & Partner. Dozent an der FH Wiesbaden und der Dualen Hochschule Baden Württemberg Mannheim. Meyer, Erik Studium der Politikwissenschaft, Neueren Geschichte und Philosophie in Gießen, wissenschaftlicher Mitarbeiter, 1999 Promotion in Politikwissenschaften, seit 2008 Principial Investigator des International Graduate Centre for the Study of Culture (GCSC) an der Justus-Liebig-Universtät in Gießen, Herausgeber von Erinnerungskultur 2.0: Kommemorative Kommunikation in digitalen Medien, zwischenzeitlich Vertretung einer wissenschaftlichen Assistenz am Institut für Politikwissenschaft, Gießen. Reichenbach, Thilo studierte Betriebswirtschaftslehre mit Schwerpunkt Marketing/Markenführung an der Hochschule Harz, Betreiber der Website: „Fundraising & Sozialmarketing“, 2008 Stipendium des Bundesverbands Digitale Wirtschaft, Studium zum Fachwirt Online-Marketing, seit 2005 Auf- und Ausbau des Online-Marketings/Online-Fundraisings für Aktion Deutschland Hilft. Scheurer, Hans Studium der Medienwissenschaft und Germanistik, Promotion im Fach Medienwissenschaft über „Die Industrialisierung des Blicks“, Journalistische Tätigkeit (Kölner Stadt-Anzeiger, Süddeutsche Zeitung, WDR), seit 1990 Geschäftsführender Gesellschafter der kultur & kommunikation GmbH, die sich auf Kulturmarketing und Kommunikation für Kultureinrichtungen spezialisiert hat. Seit 2008 Professor für Public Relations/Kommunikationsmanagement an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, Köln. Schilling, Kerstin studierte zunächst Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation (HdK Berlin) und war in Werbeagenturen und Verlagen (u.a. Anzeigenleiterin im Julius Springer Verlag Berlin-Heidelberg) tätig. Nach dem Aufbaustudium Kultur- und Medienmanagement arbeitete sie für kulturelle Events und Festivals in Deutschland und Frankreich, mit Schwerpunkten auf Kommunikation, Sponsoring und Projektmanagement. Seit 2003 ist sie bei den Berliner Festspielen Leiterin für den Bereich Marketing. Sie unterrichtet an verschiedenen Institutionen und publiziert regelmäßig (u.a. erschien 2004 ihr Buch „Insel der Glücklichen – Generation West-Berlin).
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Schmid, Ulrike studierte Geschichte und Vergleichende Textilwissenschaft in Dortmund und Münster. Sie ist Inhaberin der Kommunikationsberatung U.S.K., deren Schwerpunkt auf der Beratung von Kunst- und Kultureinrichtungen liegt. Sie betreibt das Blog Kultur 2.0 und berät die Kronberg Academy in klassischer PR und ihren Social-Media-Aktivitäten. Schumann, Michael ist Gründer und Vorstand der SECOND INTEREST AG Virtual Business Solutions Berlin, die Unternehmen und Institutionen bei der Konzeption und Umsetzung von nachhaltigen Projekten in virtuellen Welten begleitet. Zuvor war er 10 Jahre lang in leitenden Positionen verschiedener Kommunikationsagenturen tätig. Schumann ist außerdem Initiator des BusinessNetworks „Second Commerce“, der führenden B2B Plattform zum Thema virtuelle Welten in Europa, und Mitglied des Bundessenates des Bundesverbandes für Wirtschaftsförderung und Außenwirtschaft (BWA). Spiller, Ralf Studium der Rechts- und Politikwissenschaften, Promotion über Kommunikationsprozesse in Verhandlungen, Besuch der Georg von HoltzbrinkSchule für Wirtschaftsjournalisten, Redakteur beim Handelsblatt, Produkt- und Projektmanager im Verlagswesen, Unternehmensberater mit den Schwerpunkten Marketing und PR, seit 2008 Professor für Kommunikationsmanagement/ Public Relations an der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation, Köln. Forschungsschwerpunkte: Kommunikationsprozesse im Internet, Krisen-PR, Wissenschafts- und Forschungs-PR. Tentler, Frank studierte Veterinärmedizin in Gießen, seit 2002 Produzent von Web-2.0-Medien, 2007 als Gründer und Geschäftsführer der sugr GmbH mit dem Existenzgründerpreis der Stadt Duisburg ausgezeichnet, berät seit 2008 internationale Medien- und Wirtschaftsunternehmen bei der Entwicklung und Realisierung interaktiver Multimedia-Web-Auftritte. Schwerpunkt seiner aktuellen Arbeit ist die Integration von Social Media und Social Networking in WebStrategien und der Aufbau von Applikations-übergreifenden Metacommunities. Seit September 2008 ist er Leiter des Projekts ‚Philharmonie 2.0‘ der Duisburger Philharmoniker. Er ist Mitorganisator der stARTconference. Wald, Michael ausgebildeter Betriebsschlosser, Umschulung zum Datenverarbeitungskaufmann, Tätigkeit in Tonstudio, Internet und Filmproduktion, seit 2005 selbständig mit www.systemmedien.de, einem Internet- und Mediendienstleister. Weber, Anna-Carolin Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Dozentin für Mediensysteme/Mediengeschichte und Kommunikationstheorie an der Macrome-
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dia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK) in Köln, promoviert am Institut für Theater-, Film und Fernsehwissenschaften an der Universität zu Köln zum Thema „Deutsch-deutsche Mediengeschichte“, freischaffende Choreographin.
Schriften zum Kulturund Museumsmanagement Patrick S. Föhl, Patrick Glogner Kulturmanagement als Wissenschaft Überblick – Methoden – Arbeitsweisen. Einführung für Studium und Praxis Juli 2011, ca. 150 Seiten, kart., ca. 13,80 €, ISBN 978-3-8376-1164-9
Patrick S. Föhl, Iken Neisener (Hg.) Regionale Kooperationen im Kulturbereich Theoretische Grundlagen und Praxisbeispiele 2009, 398 Seiten, kart., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1050-5
Hartmut John, Hans-Helmut Schild, Katrin Hieke (Hg.) Museen und Tourismus Wie man Tourismusmarketing wirkungsvoll in die Museumsarbeit integriert. Ein Handbuch Februar 2010, 238 Seiten, kart., zahlr. z.T. farb. Abb., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1126-7
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Schriften zum Kulturund Museumsmanagement Peter Leimgruber, Hartmut John (Hg.) Museumsshop-Management Einnahmen, Marketing und kulturelle Vermittlung wirkungsvoll steuern. Ein Praxis-Guide Juni 2010, ca. 196 Seiten, kart., inkl. Begleit-CD-ROM, ca. 23,80 €, ISBN 978-3-8376-1296-7
Carl Christian Müller, Michael Truckenbrodt Handbuch Urheberrecht im Museum Praxiswissen für Museen, Ausstellungen, Sammlungen und Archive Juli 2010, ca. 200 Seiten, kart., ca. 25,80 €, ISBN 978-3-8376-1291-2
Andrea Rohrberg, Alexander Schug Die Ideenmacher Lustvolles Gründen in der Kultur- und Kreativwirtschaft. Ein Praxis-Guide Juli 2010, ca. 230 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1390-2
Leseproben, weitere Informationen und Bestellmöglichkeiten finden Sie unter www.transcript-verlag.de
Schriften zum Kulturund Museumsmanagement Joachim Baur Die Musealisierung der Migration Einwanderungsmuseen und die Inszenierung der multikulturellen Nation
Hartmut John, Bernd Günter (Hg.) Das Museum als Marke Branding als strategisches Managementinstrument für Museen
2009, 408 Seiten, kart., zahlr. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1264-6
2008, 192 Seiten, gebunden, durchgängig farbig mit zahlr. Abb., 34,80 €, ISBN 978-3-89942-568-0
Joachim Baur (Hg.) Museumsanalyse Methoden und Konturen eines neuen Forschungsfeldes
Hannelore Kunz-Ott, Susanne Kudorfer, Traudel Weber (Hg.) Kulturelle Bildung im Museum Aneignungsprozesse – Vermittlungsformen – Praxisbeispiele
Januar 2010, 292 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-814-8
Kurt Dröge, Detlef Hoffmann (Hg.) Museum revisited Transdisziplinäre Perspektiven auf eine Institution im Wandel April 2010, 382 Seiten, kart., 34,80 €, ISBN 978-3-8376-1377-3
Herbert Grüner, Helene Kleine, Dieter Puchta, Klaus-P. Schulze (Hg.) Kreative gründen anders! Existenzgründungen in der Kulturwirtschaft. Ein Handbuch 2009, 250 Seiten, kart., zahlr. Abb., 23,80 €, ISBN 978-3-89942-981-7
Hartmut John, Anja Dauschek (Hg.) Museen neu denken Perspektiven der Kulturvermittlung und Zielgruppenarbeit 2008, 282 Seiten, kart., 26,80 €, ISBN 978-3-89942-802-5
2009, 206 Seiten, kart., zahlr. Abb., 23,80 €, ISBN 978-3-8376-1084-0
Birgit Mandel PR für Kunst und Kultur Handbuch für Theorie und Praxis (2., komplett überarbeitete Auflage) 2009, 240 Seiten, kart., 24,80 €, ISBN 978-3-8376-1086-4
Martina Padberg, Martin Schmidt (Hg.) Die Magie der Geschichte Geschichtskultur und Museum (Schriften des Bundesverbands freiberuflicher Kulturwissenschaftler, Band 3) Juni 2010, ca. 206 Seiten, kart., zahlr. Abb., ca. 22,80 €, ISBN 978-3-8376-1101-4
Eva M. Reussner Publikumsforschung für Museen Internationale Erfolgsbeispiele Januar 2010, 432 Seiten, kart., zahlr. Abb., 29,80 €, ISBN 978-3-8376-1347-6
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